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German Pages 225 [237] Year 2009
Medizinethik im Nationalsozialismus
Geschichte und Philosophie der Medizin History and Philosophy of Medicine ---------------------------------Herausgegeben von Andreas Frewer Band 7
Florian Bruns
Medizinethik im Nationalsozialismus Entwicklungen und Protagonisten in Berlin (1939–1945)
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009
Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und der Prof. Dr. Walter Artelt und Frau Prof. Dr. Edith Heischkel-ArteltStiftung, Frankfurt am Main Umschlagabbildung: In stilisierter Pose präsentieren sich Mitarbeiter des Berliner Instituts für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften im Jahre 1943. Im Hintergrund v.l.n.r. Alexander Berg, Bernward Josef Gottlieb, Edwin Rosner. Im Vordergrund Edith Heischkel. Archiv Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Reihenherausgeber: Professor Dr. Andreas Frewer, M.A. Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Universität Erlangen-Nürnberg Glückstr. 10 91054 Erlangen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09226-5 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2009 Franz Steiner Verlag, Stuttgart. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Printservice Decker & Bokor, München Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ................................................................................................................. 9 1. Einleitung ....................................................................................................... 11 1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
Einführung ............................................................................................. 11 Nationalsozialistische Medizinethik? .................................................... 13 Methode, Aufbau und Quellen der Untersuchung ................................ 16 Späte Aufarbeitung: Der Forschungsstand ............................................ 19
2. Der medizinethische Diskurs vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik ........................ 24 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.7. 2.8.
Die vermiedene Debatte: Medizinethik vor dem Ersten Weltkrieg ...... 24 Medizin und soziale Frage: Krisen und Konzepte ................................ 26 Neue Ethik: Eugenik und Rassenhygiene ............................................. 27 „Das Volk als Organismus ist unser ethisches Ziel“ – Der Erste Weltkrieg und seine Folgen .................................................. 28 Die Weimarer Republik: Fortsetzung des Krieges auf biologischem Gebiet ................................ 30 Krisenjahre der Medizin ........................................................................ 32 „Ethik tut not!“ – Medizin und Moral im Vorfeld der Diktatur ........................................ 34 Zusammenfassung ................................................................................. 38
3. Der Nationalsozialismus und die „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939) ....................................................... 40 3.1. Philosophie und Nationalsozialismus ................................................... 40 3.2. „Neue deutsche Ethik“ als Kritik an der herkömmlichen Moral .......... 42 3.3. „Wie ein Sturm ist das Neue über uns gekommen“ – Die Rezeption des moralischen Umbruchs .......................................... 45 3.4. Auf schiefer Ebene: Das Sterilisationsgesetz von 1934 ....................... 48 3.5. Totalitäre Ethik: Vom Krankenmord zum Holocaust ........................... 51 3.6. Zusammenfassung ................................................................................. 55
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Inhaltsverzeichnis
4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward Josef Gottlieb und die Medizingeschichte der SS .............................................................. 57 4.1. Ein Fach zwischen Instrumentalisierung und Selbstindienstnahme ..... 57 4.1.1. Aufschwung und Nachwuchskrise .......................................... 59 4.1.2. Gottlieb, Berg und die Kontakte zur SS .................................... 62 4.1.3. Paracelsus – ein „Kämpfer gegen das Judentum“ ..................... 65 4.1.4. Das „Institut für Geschichte der Heilkunde beim Reichsarzt SS und Polizei“ ............................................... 67 4.1.5. Die SS-Ärztliche Akademie und die „Aufgaben der Medizingeschichte im Kriege“ ......................... 68 4.2. Berliner Berufungspolitik im Zuge der Diepgen-Nachfolge ................. 71 4.3. Nachspiel an der Saar-Universität ......................................................... 75 4.4. Konstruktion historischer Kontinuität: Hippokrates und das „Ewige Arzttum“ ................................................. 78 4.4.1. Eine Publikation und ihre Hintergründe ................................... 79 4.4.2. Hippokrates in neuem Licht ...................................................... 81 4.4.3. Ein problematischer Eid ............................................................ 83 4.4.4. Pathos statt Ethos: Der Begriff des „Arzttums“ ........................ 85 4.5. Zusammenfassung ................................................................................. 86 5. Ärztliche Rechts- und Standeskunde: Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzte .......................................... 88 5.1. Arzt und Parteifunktionär – Stationen einer Karriere ........................... 88 5.1.1. Von der Provinz in die Reichshauptstadt .................................. 89 5.1.2. Auftakt in Wien: Die Arisierung der österreichischen Ärzteschaft ...................... 90 5.1.3. Ärztliche Fortbildung als politisches Instrument ...................... 93 5.1.4. Ramm und die Krebsbekämpfung ............................................ 96 5.1.5. Die „Lösung der Judenfrage“ im Deutschen Ärzteblatt: Ramm als Meinungsbildner 1940–1945 ................................... 98 5.2. Revision des ärztlichen Ethos: Die Ärztliche Rechts- und Standeskunde ........................................... 102 5.2.1. Die Entwicklung einer neuen Fachdisziplin ........................... 102 5.2.2. Zur Situation an den Medizinischen Fakultäten ...................... 106 5.2.3. Exemplarisch: Die Lehrbeauftragten in Königsberg und Halle ......................................................... 113 5.2.4. Ramms Wirken als Lehrbeauftragter in Berlin und die Rezeption des Faches .................................................. 114 5.2.5. Inhalte und Ziele aus Sicht eines Fachvertreters ..................... 115 5.3. Das Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“ ....................... 117 5.3.1. Aufbau und Gliederung ........................................................... 117 5.3.2. Grundsätze nationalsozialistischer Medizinethik .................... 119 5.3.3. Ramm als Verkünder einer „totalen Ethik“ ............................. 122
Inhaltsverzeichnis
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5.3.4. Krieg und Forschung: Bedeutungsvolle Auslassungen ........... 123 5.3.5. Zeitgenössische Wahrnehmung und Wirkung ......................... 123 5.3.6. Bewertung und Einordnung aus heutiger Perspektive ............. 126 5.4. Letzte Einblicke ................................................................................... 128 5.5. Zusammenfassung ............................................................................... 129 6. Staatshygiene und Menschenversuche: Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky .................................. 131 6.1. Paradoxie oder Folgerichtigkeit? ........................................................ 131 6.2. Herkunft und Werdegang .................................................................... 132 6.3. Studienzeit und politische Prägung ..................................................... 135 6.3.1. Exkurs: Studenten in der Weimarer Republik ......................... 135 6.3.2. „Ein armer, magerer und abgehärmt aussehender Kerl“ – als Student an der Universität Halle ........................................ 137 6.3.3. Rechtsradikale Agitation: Mrugowskys Rolle im „Fall Dehn“ ......................................... 139 6.4. Karriere in Sicherheitsdienst und SS .................................................. 142 6.5. Mrugowsky und die Kriegsjugendgeneration ..................................... 143 6.6. Völkische Ideologie und Hygiene ....................................................... 145 6.7. Geschichte und ärztliches Ethos ......................................................... 148 6.7.1. Mrugowskys Hufeland-Edition .............................................. 148 6.7.2. Das Buch im Spiegel der Rezensionen ................................... 152 6.8. Hygiene und Holocaust ....................................................................... 154 6.9. Tödliche Experimente ......................................................................... 159 6.10. „Mein Leben, mein Handeln und mein Wollen waren sauber“ .......... 162 6.11. Zusammenfassung ............................................................................... 165 7. Zusammenfassende Darstellung ............................................................... 167 7.1. Berlin als Schnittpunkt dreier Karrieren .............................................. 167 7.2. Unterschiedliche Perspektiven und Begründungsansätze ................... 170 7.3. Zur Rolle von Medizingeschichte und Ärztlicher Rechtsund Standeskunde zwischen 1939 und 1945 ....................................... 172 8. Schlussbetrachtung ..................................................................................... 175 9. Verzeichnis der benutzten Abkürzungen ................................................. 178
8 10.
Inhaltsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................ 179 10.1. Archivalien und sonstige Quellen .................................................. 179 10.2. Literatur .......................................................................................... 182 10.2.1. Darstellungen vor 1945 .................................................... 182 10.2.2. Darstellungen nach 1945 .................................................. 189
11.
Abbildungsverzeichnis ........................................................................... 215
12.
Personenregister ..................................................................................... 216
VORWORT Die vorliegende Untersuchung ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner im Wintersemester 2007/2008 von der Medizinischen Hochschule Hannover angenommenen Dissertation. Die mündliche Prüfung fand am 10. Oktober 2007 statt. Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und die Heischkel-Artelt-Stiftung haben die Drucklegung freundlicherweise unterstützt. Darüber hinaus trugen viele Personen zum Gelingen der Arbeit bei. An erster Stelle gilt mein Dank Prof. Dr. Andreas Frewer. Er regte nicht nur das Thema der Dissertation an, sondern war in jeder Hinsicht ein Doktorvater, wie man sich ihn nur wünschen kann. Er betreute die Arbeit intensiv und geduldig in allen Phasen und schaffte mir kreative Freiräume. Weiterhin danke ich den Gutachterinnen Prof. Dr. Brigitte Lohff und Prof. Dr. Eva Hummers-Pradier für ihr Engagement. Brigitte Lohff verdanke ich zudem viele Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Seminare, Tagungen und Diskussionen am Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizinischen Hochschule Hannover, an der Abteilung für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Göttingen sowie am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität Berlin lieferten mir wichtige Ideen und Hilfestellungen. Großen Dank schulde ich Prof. Dr. Werner Friedrich Kümmel für seine wertvollen Hinweise und die detaillierten Anmerkungen. Voraussetzung für die Bearbeitung des umfangreichen Aktenmaterials war die kompetente Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zahlreichen Archiven. Ohne sie wäre die Erstellung dieser Studie nicht möglich gewesen. Das Bundesarchiv in Berlin und die Universitätsarchive in Berlin und Halle/Saale sind mir mit ihrer freundlichen Atmosphäre besonders in Erinnerung geblieben. Die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen ist in ihrer Bestandsfülle und der Hilfsbereitschaft ihres Personals in Deutschland schwer zu übertreffen. Angelika Betz (Bayerische Staatsbibliothek München), Thomas Dütsch (Stadtarchiv Nürnberg) sowie Klaus von Fleischbein und Dr. Ilona Marz (Institut für Geschichte der Medizin, Charité Berlin) halfen bei der Bildrecherche. Wichtig war der Austausch unter Doktoranden; mein Dank gilt hier vor allem Martin Mattulat für gemeinsame Forschungsreisen und ironische Reflexionen. Für schriftliche Auskünfte danke ich Prof. Dr. Heinz Goerke, Dr. Dr. Manfred Stürzbecher und Prof. Dr. Otto Winkelmann. Hilfen und Impulse unterschiedlichster Art verdanke ich Dr. Helmut Gröger, Prof. Dr. Volker Hess, Dr. Irene Hirschberg, Isabella Hönisch, Ernst Klee, Prof. Dr. Ulf Schmidt und Dr. Gisela Tascher. Auch Herr Prof. Dr. Franz Joseph Gottlieb hat für die Arbeit Informationen bereitgestellt. Angela Schmiegel vom Franz Steiner Verlag gebührt Dank für ihre Geduld in der Endphase der Fertigstellung des Manuskripts. Für ihr Interesse und ihre neugierigen Fragen danke ich den Kollegen vom HELIOS Klinikum Berlin-
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Vorwort
Buch und der Franz-Volhard-Klinik Charité Campus Buch. Ein besonderer Dank geht an Prof. Dr. Herbert Koop, der mir durch eine temporäre Freistellung von der klinischen Tätigkeit die Fertigstellung der Arbeit erleichterte. Das Interesse an der Geschichte verdanke ich meinen Eltern und ihren frühzeitigen Lektüre-Anregungen sowie den Erzählungen meiner Großeltern Dr. Ingeborg und Dr. Wolfgang Herwig aus einer schwierigen Zeit. Wachgehalten wurde dieses Interesse unter anderem durch meine Geschichtslehrerin Frau Regine Joost. Meinem Vater Alfred Bruns danke ich für das kritische Gegenlesen des Manuskripts und seine vielen konstruktiven Verbesserungsvorschläge. Sandra Blumenthal danke ich für ihre Unterstützung und Geduld in jeder Hinsicht, und dass sie mich aus einer oftmals bedrückenden Vergangenheit immer wieder in die Gegenwart zurückholte. Berlin, im Oktober 2008
Florian Bruns
1. EINLEITUNG 1.1. EINFÜHRUNG Die moderne Medizin am Beginn des 21. Jahrhunderts ist geprägt von Fortschritten und Verheißungen, aber auch von wachsenden moralischen Konflikten. Die immer wieder aufflammende Diskussion über die Sterbehilfe, die Debatten zur Genforschung oder zur selektiven Gewinnung embryonaler Stammzellen – die Brisanz dieser beispielhaft herausgegriffenen Probleme wächst umso mehr, je unbegrenzter, aber auch unberechenbarer die Möglichkeiten der heutigen Medizinund Biotechnologie erscheinen.1 Im Zuge einer allgemein fortschreitenden Ökonomisierung verstärkt sich auch im Bereich der Medizin die Tendenz zur Deregulierung und Lockerung bislang geltender Vorgaben und Beschränkungen. Manche Wissenschaftler begreifen ethische Normen und Grenzsetzungen lediglich als fortschrittshemmende Hindernisse, die ihrer Forschung entgegenstehen und sie im internationalen Wettbewerb benachteiligen.2 Darüber hinaus können auch staatlich initiierte Maßnahmen erhebliche medizinethische Probleme aufwerfen. Ob es um die Beteiligung von Ärzten bei der Folterung von Kriegsgefangenen, beim Vollzug der Todesstrafe oder um militärmedizinische Forschung geht – die Gefahr staatlich geförderter Moralverstöße in der Medizin ist von nicht nachlassender Aktualität.3 Beide Aspekte, sowohl entgrenzte, moralisch enthemmte Forschung als auch die staatlich sanktionierte Verletzung elementarer Menschenrechte sind insbesondere in Deutschland mit historischen Erfahrungen belastet. Die während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges in Konzentrationslagern durchgeführten Menschenversuche sowie die staatlich organisierte Tötung von Kranken und Behinderten wirken in ihrem Schrecken bis in die heutige Zeit nach. In Deutschland wird kaum eine Kontroverse über ethische Fragen in der Medizin geführt, in der nicht früher oder später auf die medizinischen Verbrechen während des Nationalsozialismus Bezug genommen wird.4 In Debatten um Sterbehilfe, 1
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Siehe dazu u.a. Bonde et al. (2008), Brassington (2007), Gunderson (2007), Maio (2007), Schulz et al. (2006), Rauprich/Steger (2005), Höffe (2002), Kathan (2002), Habermas (2001), Ach et al. (1997). Zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens und den Folgen aus medizinhistorischer und ethischer Sicht vgl. zuletzt Bonde et al. (2008), Schott (2007), Bergdolt (2007), zu Problemen der Forschungsethik Frewer/Schmidt (2007), Schmidt/Frewer (2007a), Bruns (2005). Zur Folterung von Kriegsgefangenen vgl. Annas (2008), Marks/Bloche (2008), Miles (2006), Miles (2004a), Lifton (2004). Zur Mitwirkung von Ärzten bei der Vollstreckung der Todesstrafe siehe Welsh (2003) sowie Deutsches Ärzteblatt 103 (2006), S. A-610 und S. A-1728. Zu staatlich sanktionierten Versuchen am Menschen vgl. Böhme et al. (2008), Pethes et al. (2008), Frewer/Schmidt (2007), Eckart (2006), Roelcke/Maio (2004), Moreno (2000). Im Juli 2008 tagte in Berlin der Internationale Kongress für Genetik – zum ersten Mal seit 80 Jahren wieder in Deutschland und genau 75 Jahre nach Verkündung des nationalsozialis-
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1. Einleitung
Abtreibung oder genetische Diskriminierung wird häufig auf vermeintliche Kontinuitäten oder historische Parallelen zur NS-Zeit hingewiesen. Die Gültigkeit einer sich auf historische Sachverhalte stützenden Argumentation ist jedoch nicht unumstritten.5 Ungeachtet dessen ist die Rolle, die Ärzte in der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945 einnahmen, durch vielfältige Berichterstattung in der medialen Öffentlichkeit präsenter denn je; das Interesse am Thema Medizin und Nationalsozialismus ist ungebrochen.6 Vor diesem Hintergrund kommt dem Bereich Geschichte und Ethik in der Medizin eine wachsende Bedeutung innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses zu. Seit einigen Jahren spiegelt sich dies auch in der ärztlichen Ausbildung wider. Mit Einführung der neuen Approbationsordnung für Ärzte im Jahr 2003 ist der Querschnittsbereich „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin“ als Pflichtfach in das Medizinstudium integriert worden.7 Ob mit der gestiegenen öffentlichen Wahrnehmung auch das Wissen über die Geschichte der Medizinethik zugenommen hat, ist allerdings fraglich.8 Angesichts
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tischen „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Zu diesem Anlass haben deutsche Humangenetiker in einer am 14. Juli 2008 veröffentlichten Erklärung erstmals geschlossen eine „schwere Schuld“ ihrer damaligen Fachkollegen an der Zwangssterilisierung Hunderttausender Menschen und am folgenden Massenmord an Kranken und Behinderten eingeräumt. Zur Bedeutung des Nationalsozialismus für die Medizinethik vgl. Wilkinson (2008), Kröner (1997). Vgl. dazu Kipke (2008), Fenner (2007), Sozialministerium (2006), Winau (2005), Simon (2004), Burleigh (2000), Schmuhl (2000). Ebenso Caplan (1992), Guckes (1997a), Maio (1997). Analogien betonend: Schmid-Tannwald (1998); kritisch gegenüber Gleichsetzungen mit der NS-Zeit hingegen Burleigh (1997). Zum historischen Vergleich in der Bioethik vgl. auch Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.05.2002, S. 46 sowie 17.12.2007, S. 39. Exemplarisch hierfür: „Finale Jagd nach Doktor Tod“, Süddeutsche Zeitung, 08.07.2008, S. 9 (über die Suche nach dem untergetauchten KZ-Arzt Aribert Heim); „Die Perversion des Heilens“, Süddeutsche Zeitung, 25.10.2006, S. 20 (über den 60. Jahrestag des Nürnberger Ärzteprozesses); „Approbierte Mörder“, DIE ZEIT, 12.10.2006, S. 45 (zur Eröffnung der Ausstellung „Tödliche Medizin“ des United States Holocaust Memorial Museum im Deutschen Hygiene-Museum Dresden); „Euthanasie-Arzt Heinrich Gross gestorben“, Süddeutsche Zeitung, 24.12.2005, S. 6. Auch die 2004 ausgestrahlte ZDF-Reihe „Ärzte unterm Hakenkreuz“ (Regie: C. Paul, C. Feyerabend, D. Gieseler), die insbesondere auf Hitlers Begleitarzt Karl Brandt eingeht, stieß auf erhebliche – auch kritische – Resonanz. Mit Schmidt (2007) liegt jetzt überdies eine umfangreiche Biographie zu Brandt vor; eine deutsche Fassung ist für Ende 2008 in Vorbereitung. Generell scheint sich die historische Forschung zum Nationalsozialismus mit wachsendem zeitlichen Abstand noch zu intensivieren, siehe dazu Kramer (2000), König (2003), Aust/ Spörl (2004), Lübbe (2004). Vgl. § 1 sowie § 27 der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002, Bundesgesetzblatt Bonn, 3. Juli 2002; I 44: 2405–2435. Siehe dazu auch Schott (2008), Möller et al. (2006), Neitzke (2006), Schulz et al. (2006) sowie Stöckel et al. (2005). Eine 2002 veröffentlichte Umfrage unter Medizinstudierenden an der Berliner Charité förderte enorme Wissenslücken zur Medizin im Nationalsozialismus zutage. So konnten beispielsweise nur 2,4% der 332 Befragten die Namen Mitscherlich und Mielke als Prozessbeobachter und Autoren der Dokumentation „Medizin ohne Menschlichkeit“ identifizieren. 73% der Studierenden konnten die Namen überhaupt nicht zuordnen und 13% hielten die beiden gar für KZ-Ärzte in Buchenwald, siehe Langkafel et al. (2002). Vgl. auch Bruns (2007).
1.2. Nationalsozialistische Medizinethik?
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der erwähnten Diskussionen über die Zulässigkeit und Angemessenheit der historischen Bezugnahme sind genaue Kenntnisse über die Inhalte der Medizinethik in der Zeit des Nationalsozialismus unbedingt notwendig. Unkritisch vorgenommene historische Gleichsetzungen führen oft zu falschen Schlussfolgerungen, die am Ende dem historischen Argument schaden können. Die deutsche Sterbehilfe-Diskussion ist in dieser Hinsicht paradigmatisch, da einerseits das seinerzeit euphemistisch als „Euthanasie“ bezeichnete Tötungsprogramm der Nationalsozialisten oftmals fälschlicherweise mit der heute intendierten Erleichterung des Sterbevorgangs (eu thanatos: guter Tod) gleichgesetzt wird, andererseits jedoch die Gefahr eines möglicherweise drohenden ethischen „Dammbruchs“ mit primär nicht beabsichtigten Folgeerscheinungen nicht von der Hand zu weisen ist.9 So präsent die Vergangenheit in unserer Gegenwart auch sein mag: direkte Antworten auf aktuelle Fragen sind dem Verlauf der Geschichte ebenso wenig zu entnehmen wie ein bloßer Traditionalismus als Richtschnur für eine zeitgemäße Moralphilosophie dienen kann. Historische Erkenntnisse können jedoch – mit Sachverstand und Augenmaß vorgetragen – auf die Genese vieler ethischer Probleme aufmerksam machen, für problematische Entwicklungen sensibilisieren und im besten Falle zur Lösung moralischer Konflikte beitragen.10 1.2. NATIONALSOZIALISTISCHE MEDIZINETHIK? Die Medizin ist keineswegs nur passiv den an sie herantretenden politischen Ideologien ausgesetzt. Neben äußeren Einflüssen, welche die Heilkunde moralisch zu korrumpieren vermögen, existieren auch in der Medizin selbst Impulse, ethische Standards umzudefinieren. Das Bemühen, Krankheit abschaffen zu wollen, birgt auch die Gefahr in sich, das Heilen zu verabsolutieren und zu pervertieren.11 Die „Medizin ohne Menschlichkeit“ des Nationalsozialismus, die Töten zum Bestandteil des Heilens erklärte, hat dies zur Genüge bewiesen. In ihr gingen staatlichpolitische Direktiven und aus einer biologistischen Medizin hervorgegangene Konzepte einer „Volkskörper-Heilung“ eine fatale Verbindung ein. Diese der Medizin inhärente Gefahr wurde und wird in der Ärzteschaft gern übersehen. Die Nachkriegsgesellschaft – und mit ihr ärztliche Standesvertreter – gaben sich lange Zeit der historisch unzutreffenden Vorstellung hin, die zwischen 1933 und 1945 9
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Vgl. dazu u.a. Frewer/Eickhoff (2000). Allgemein zum Argument der „Schiefen Ebene“ (auch „Schiefe Bahn“ oder „slippery slope“): Burg (1991); im Hinblick auf die SterbehilfeDebatte Guckes (1997b), Frewer (2000b), Kipke (2008). Die populistische Gleichsetzung von Abtreibung und Holocaust, wie sie von einigen Abtreibungsgegnern, darunter auch Vertreter der katholischen Kirche, insinuiert wird, sei an dieser Stelle als extremes Beispiel für eine nicht angemessene, ahistorische Argumentation erwähnt. Vgl. Wiesing (1995). Dazu auch Steger (2008), Baranzke (2001) sowie Toellner/Wiesing (1997). Zur „Geschichtlichkeit“ in der Medizin und zur Frage, ob Historizität als pragmatisches Erkenntnismittel dienen kann siehe Labisch/Paul (2004). Zur Rolle der Zeitgeschichte innerhalb der Medizinhistoriographie: Schlich (2007). Dazu u.a. Gordijn (2004), Schäfer (2003).
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1. Einleitung
begangenen medizinischen Verbrechen seien in erster Linie von einer kleinen Zahl ungewöhnlich grausam und unmenschlich veranlagter bzw. am Rande der Profession stehender Ärzte ausgeführt worden.12 Diese Annahme schützte das ärztliche Selbstbild, diente der Entlastung vieler Kollegen und beruhigte die Nachkriegspatienten – verschwieg jedoch gleichzeitig das wahre Ausmaß und die Motive des ärztlichen Engagements für die Ziele des Nationalsozialismus. Das Konstrukt einer in ihrem moralischen Kern unberührt gebliebenen Medizin verzögerte zudem die Erkenntnis, dass die medizinischen Täter durchaus auf der Grundlage bestimmter ethischer Wertvorstellungen handelten. Diese Moralkonzepte waren zwar spezifisch nationalsozialistisch geprägt, in der Rückschau jedoch sehr wirkungsmächtig und somit historisch nicht vernachlässigbar. Das medizinische Ethos der Nationalsozialisten erwies sich immerhin als tragfähig genug, aus Ärzten freiwillige und bereitwillige Mörder werden zu lassen, die sich überdies nach dem Krieg keiner Schuld bewusst waren. An den sogenannten „Euthanasie“-Aktionen beteiligte Mediziner setzten die Ermordung ihrer Patienten durch Gift oder Nahrungsentzug konsequent fort, bis die alliierten Truppen im Frühjahr 1945 buchstäblich vor den Anstaltstoren standen – an einigen Orten töteten sie noch Monate später. Diese Ärzte hatten aus Überzeugung gehandelt, sozusagen „gewissenhaft gewissenlos“, und nur in den seltensten Fällen aus sadistischem Antrieb.13 Sofern es nicht schon vorher ruchbar wurde, enthüllte sich im Nürnberger Ärzteprozess einer breiten Öffentlichkeit, zu welchen Taten deutsche Ärzte während der Zeit des Nationalsozialismus und besonders während des Zweiten Weltkriegs fähig waren. Die in Nürnberg verhandelten Verbrechen, die angeklagten Personen und die von eben diesen zur Verteidigung vorgebrachten Rechtfertigungsstrategien führen zum Kern der in der vorliegenden Untersuchung behandelten Problematik.14 Die Verbrechen selbst, etwa die tödlichen Menschenversuche in den Konzentrationslagern oder die Krankenmord-Aktionen, sind inzwischen sehr gut dokumentiert.15 Ebenso wichtig ist es jedoch, die Frage nach den 12 13
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Vgl. Kröner (1997) sowie unten, Kapitel 1.4. „We find again and again evidence that people even directly involved in the Holocaust culture remained – in other contexts to be sure – caring, concerned, sensitive people. They did not become ogres suddenly in 1941 and then return to humanity in 1945.“ Haas (1988b), S. 385. Zur psychopathologischen Normalität etwa der in Nürnberg angeklagten Hauptkriegsverbrecher vgl. Gilbert (1962). Siehe dazu auch Welzer (2005), S. 7–12. Generell Browning (1993), zu SS-Medizinern im Besonderen: Kramer (2005), S. 225. Das Zitat „Gewissenhaft gewissenlos“ findet sich im Titel von Ley/Ruisinger (2006). Zur Ermordung psychiatrischer Patienten bis in die letzten Kriegstage und darüber hinaus: Klee (2001a), S. 88–90. Zum Nürnberger Ärzteprozess vgl. u.a. Frewer/Wiesemann (1999), Ebbinghaus/Dörner (2001), Schmidt (2004), Weindling (2004), zu den Rechtfertigungsstrategien siehe Ebbinghaus (2001b). Einen aktuellen Forschungsüberblick geben Schmuhl (2008), Roelcke (2007), Wilmanns/ Hohendorf (2007), Forsbach (2006). Grundlegend immer noch Mitscherlich/ Mielke (1960). Die Aufarbeitung zu Beginn der 1980er Jahre anstoßend: Baader/Schultz (1980), WuttkeGroneberg (1982). Zur umfassenden Literatur über die „Euthanasie“-Aktion existiert mit Beck (1995) eine eigene, wenn auch mittlerweile ergänzungsbedürftige Bibliographie. Auf
1.2. Nationalsozialistische Medizinethik?
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Ursachen für diese menschenverachtenden Taten zu stellen. Umso dringlicher erscheint dies, da die Bereitschaft des einzelnen Arztes zu solchen Taten nur zum geringeren Teil auf einer psychopathischen Persönlichkeitsstruktur fußte, was noch eine verhältnismäßig einfache Erklärungsmöglichkeit böte.16 Entscheidend war vielmehr die innere Überzeugung, das für das vermeintliche Volkswohl Richtige und Notwendige zu tun. Geht man von einer konkreten Situation aus, zum Beispiel der Planung und Durchführung eines potenziell tödlich endenden medizinischen Experiments mit KZ-Häftlingen als Versuchsobjekten, so durchlebte der Täter, bewusst oder unbewusst, einen Moment, in dem er abwog, ob sein Handeln richtig oder falsch ist. Dieser Moment enthält die genuine Aufgabe der (medizinischen) Ethik, nämlich Antworten zu geben auf die Frage, was in einer bestimmten Situation und unter den gegebenen Umständen die moralisch richtige Entscheidung ist. Der verantwortliche Arzt musste demnach über eine Ethik verfügen, die konsistent genug war, sein menschenverachtendes Tun zu rechtfertigen und ihn zu exkulpieren, ja oftmals nicht einmal den Gedanken an Schuld aufkommen zu lassen. Dieses „Nazi conscience“17 fand sich keineswegs nur bei Ärzten. In einer Untersuchung über die Wandlung „normaler“ Menschen zu NSTätern kommt der Kulturwissenschaftler Harald Welzer zu vergleichbaren Schlüssen; sein Fazit für andere Tätergruppen lautet ähnlich: „Ohne Moral hätte sich der Massenmord nicht bewerkstelligen lassen.“18 Die Existenz einer derartigen Moral trat der Weltöffentlichkeit bereits im Nürnberger Ärzteprozess plastisch vor Augen, als einige der dort angeklagten Ärzte die medizinische Ethik zur Richtschnur ihres verwerflichen Handelns machten, sich sogar zu ihrer Verteidigung auf den hippokratischen Eid, jene vermeintliche, aber vielzitierte „Magna Charta“ der Medizinethik, beriefen.19 So unvorstellbar eine solche Auslegung tradierter ärztlicher Moral dem heutigen Betrachter auch erscheinen mag, eines wird daran deutlich: Aussagen, die den Nationalsozialismus als eine Zeit des Bösen schlechthin, als eine Zeit ohne Ethik darstellen,20 vermögen höchstens emotional zu befriedigen. Wissenschaftlich be-
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dem letzten Stand ist auch hier Schmuhl (2008). Als frühe Basiswerke: Nowak (1978), Klee (1983), Aly (1987), Schmuhl (1987); mit Berücksichtigung der Opferperspektive neuerdings: Fuchs et al. (2007). Zu den KZ-Versuchen u.a. Klee (1997), zuletzt Ebbinghaus/Dörner (2001), Spitz (2005), Hahn et al. (2005), Ley/Ruisinger (2006). Vgl. dazu Lifton (1988). Koonz (2003). Zur Handlungsmotivation von „Euthanasie“-Ärzten vgl. von Cranach (2007). Vgl. Welzer (2005), Zitat aus: Berliner Zeitung, Magazin, 10./11.09.2005, S. 4. Zur nationalsozialistischen Moral siehe auch Gross/Konitzer (1999), Schwan (1997), S. 73–80, Reiter (1996) sowie Haas (1988a), (1988b). Vgl. Mitscherlich/Mielke (1947) und (1960), Platen-Hallermund (1948) sowie Wiesemann/ Frewer (1996), Dörner et al. (1999), Frewer/Wiesemann (1999). Speziell zum Eid und zur Argumentation Karl Brandts siehe Schmidt (2007), Rütten (1996), Leven (1994), (1997) und Siefert (1973). So etwa „Macht ohne Moral“, Schnabel (1957). Auch Katers Annahme, dass in der NS-Zeit „jede Ethik unterdrückt war“, Kater (2000), S. 367 trifft in dieser Form nicht zu. Die Ansicht Weindlings, Ärzte hätten damals in einer „ethischen Wüste“ gelebt (Süddeutsche Zeitung, 25.10.2006, S. 20) bedarf ebenso einer Präzisierung.
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1. Einleitung
trachtet bedürfen sie der Differenzierung. Die Nationalsozialisten schafften die Ethik nicht ab. Im Gegenteil, sie vertraten und vermittelten ihre Vorstellung von Moral recht offensiv, indem sie etwa mit der Ärztlichen Rechts- und Standeskunde erstmals einen obligatorischen Ethikunterricht für Medizinstudierende an allen deutschen Fakultäten einführten. Ethik als Wissenschaft von der Moral entwirft Kriterien für gutes und schlechtes Handeln. Als Teil der praktischen Philosophie ist ihr Ziel die Aufstellung moralischer Normen und Werte.21 Diese ethischen Standards können – das zeigt die historische Erfahrung des Nationalsozialismus – per se unmenschlich sein und das Individuum als schützenswertes Subjekt negieren. Daneben können humane und vormals universelle moralische Normen ihre Geltung behalten, jedoch auf eine bestimmte Gruppe von Menschen begrenzt werden. In diesem Fall ließe sich von einer partikularen Ethik sprechen. Spätestens hier wird ersichtlich, dass Ethik durchaus nicht immer mit dem Guten gleichgesetzt werden kann.22 In Gestalt einer partikularen Ethik und der Vision des „gesunden Volkskörpers“ waren nationalsozialistische Moralkonzepte vorhanden, die auch und gerade in der Medizin zum Tragen kamen und vermittelt wurden.23 Dass sie mit heutigen Normen und Werten völlig unvereinbar erscheinen und wir sie als abstoßend empfinden, ändert nichts an ihrer historischen Existenz. 1.3. METHODE, AUFBAU UND QUELLEN DER UNTERSUCHUNG Die vorliegende Arbeit versucht, mit bislang unbearbeitetem Quellenmaterial die Umrisse einer spezifisch nationalsozialistischen Medizinethik, ihre Ideenträger und ihre Vermittlung an angehende Ärzte näher zu analysieren. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Auswirkungen, die der Krieg auf die Moralvorstellungen deutscher Ärzte und auf die Entwicklung der untersuchten Fachdisziplinen und deren Protagonisten hatte. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht deshalb der Zeitraum 1939 bis 1945. Um eine adäquate Einordnung dieser Phase zu gewährleisten, schien es geboten, den historischen Kontext mit zu berücksichtigen, was in zwei gesonderten Kapiteln geschieht. Die Studie versteht sich als ein Beitrag zur Geschichte der Medizinethik im 20. Jahrhundert und möchte an diesem Punkt das Zusammenwirken von Medizingeschichte und Medizinethik fördern.24 21 22 23
24
Zur Moraltheorie siehe u.a. Nida-Rümelin (2005), Düwell et al. (2002), Williams (1993). Vgl. dazu Böhme (2008), Caplan (2008), Glover (1999), Tugendhat (1993), Haas (1988a), (1988b). Zu partikularer versus universaler Ethik siehe Gross/Konitzer (1999). „[...] there were in fact ethical standards at this time. Medical students took courses on medical ethics, and medical textbooks from the time treated medical ethics.“ Proctor (2000b), S. 341. Labisch spricht von einer „special medical ethic in Nazi medicine“, Labisch (2004), S. 426. Zum Ethikunterricht während des Krieges siehe Kapitel 5.2. der vorliegenden Arbeit. Zu wissenschaftstheoretischen Aspekten der Medizinhistoriographie: Paul/Schlich (1998), Bröer (1999), Frewer/Roelcke (2001), Huisman/Warner (2004), Schlich (2007), Hofer/Sauerteig (2007); zum Verhältnis von Medizingeschichte und Ethik: Schott (2008), Maehle (1998), Toellner/Wiesing (1997).
1.3. Methode, Aufbau und Quellen der Untersuchung
17
Im Folgenden werden die Termini „Medizinethik“ und „medizinische Ethik“ als die Anwendung allgemeiner Ethik auf den Bereich der Medizin betrachtet (Ethik in der Medizin, Bereichsethik). Der besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendete Begriff „ärztliche Ethik“ bezieht auch den handelnden Arzt in die Betrachtung mit ein. Dies könnte als sinnvolle Erweiterung der missverständlichen und technokratisch klingenden Vorstellung des „Mediziners“ angesehen werden; jedoch haftet der „ärztlichen Ethik“ noch etwas von der ursprünglichen, paternalistischen Fokussierung auf den Arzt an, die beispielsweise Rechte und Wohl des Patienten nicht genügend würdigt.25 Der angelsächsisch geprägte Begriff der Bioethik („bioethics“)26 besitzt mittlerweile auch seinen Platz in der bundesdeutschen Debatte. Er legt den Schwerpunkt auf aktuelle ethische Fragen aus dem Bereich der durch die Molekularbiologie geprägten Medizin („Biomedizin“), birgt deshalb aber auch die Gefahr, als von allgemeiner Ethik losgelöste Sonderethik missverstanden zu werden.27 Bestandteil der Untersuchung ist neben einem biografischen Ansatz auch die Erforschung und Darstellung von Strukturen und Institutionen.28 Die Ärzte und Medizintheoretiker Rudolf Ramm, Bernward Josef Gottlieb und Joachim Mrugowsky waren entscheidende Protagonisten des medizinethischen Diskurses in der zweiten Hälfte der NS-Herrschaft. Die durch sie vertretenen Fächer – Ärztliche Rechts- und Standeskunde, Medizingeschichte und Hygiene – eigneten sich in besonderer Weise zur Vermittlung nationalsozialistischer Ideologie und Moral. Unter anderem sollen sowohl die Denkweise als auch die möglicherweise zugrundeliegenden biografischen Besonderheiten dieser drei Akteure analysiert werden. Jeder von ihnen war auf unterschiedliche Art und Weise mit der NS-Medizin verknüpft, sei es als Vordenker, Ausführender oder in beiden Funktionen. Um ein möglichst facettenreiches Bild zu erlangen, wird die biografische Perspektive durch weitere Untersuchungen ergänzt. Dazu gehört die Analyse von programmatischen Schriften und deren Rezeption in der Ärzteschaft. Ferner wird die Entwicklung des Faches Ärztliche Rechts- und Standeskunde nachgezeichnet und versucht, die These zu belegen, wonach diese Disziplin in erster Linie zur Indoktrinierung der Studierenden als Pflichtfach in das Medizinstudium eingeführt wurde. Dazu werden neben einer inhaltlichen Analyse des maßgeblichen Lehrbuches und einer Darstellung der institutionellen Entwicklung während der Kriegsjahre auch Daten zum politischen Hintergrund der jeweiligen Fachvertreter ausgewertet. An das Einleitungskapitel schließt sich zunächst die Darstellung des Diskurses über ärztliche Ethik in Deutschland vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik an. Im dritten Kapitel werden sowohl die Kon25 26 27 28
Zum Ethik- oder auch Deontologie-Begriff in der Medizin siehe u.a. Frewer (2000a), S. 17– 20, Höffe (2002) sowie Wiesing/Marckmann (2002). Siehe u.a. Post (2004). Zum Neologismus „bioethics“ siehe Maio (1997), S. 92f. Zur biografischen Forschung siehe grundlegend Fuchs-Heinritz (2005), Voges (1987) sowie Kohli (1978). Eine regelrechte und vollständige Biografie der beschriebenen Akteure zu erstellen, war nicht das Ziel dieser Arbeit.
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1. Einleitung
tinuitäten als auch die Wandlungen dieses Diskurses nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten im Jahr 1933 geschildert. Anhand des SS-Arztes und Medizinhistorikers Bernward Josef Gottlieb, über dessen Werdegang im vierten Kapitel dieses Buches berichtet wird, sollen die Wechselwirkungen zwischen Medizingeschichte und Medizinethik deutlich gemacht werden. Gottlieb war zunächst als Stadtarzt in Frankfurt am Main tätig, bevor er sich am Berliner Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik habilitierte. Seit 1940 leitete er ein SS-eigenes Institut für Medizingeschichte, zunächst in Berlin, später dann in Graz. An Gottliebs Tätigkeit lässt sich die entscheidende Rolle der Medizingeschichte beim Aufbau einer nationalsozialistischen Medizinethik ablesen. Mit dem Arzt Rudolf Ramm wird im fünften Kapitel ein auf vielen Feldern der Medizin und der Politik aktiver Partei- und Ärztefunktionär geschildert, der sich als Lehrbeauftragter für Ärztliche Rechts- und Standeskunde an der Universität Berlin sowie als Autor eines Standardwerkes zum gleichen Thema der Formulierung und Vermittlung nationalsozialistischer Ethik widmete. In Joachim Mrugowsky, dem sich das sechste Kapitel widmet, vereinigt sich eine in weiten Zügen typisch nationalsozialistische Biografie mit medizinischnaturwissenschaftlichem Forscher-Ehrgeiz. Mrugowsky wirkte nicht nur als Vordenker einer neuen ärztlichen Ethik; als „Oberster Hygieniker“ der SS führte er Menschenversuche in Konzentrationslagern durch und wurde somit zum Vollstrecker einer mörderischen Ideologie.29 Abschließend wird vor dem Hintergrund des gemeinsamen Wirkungsortes Berlin der Versuch einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung der drei Hauptakteure und des Themas unternommen. Als Hauptquelle für die vorliegende medizinhistorische Untersuchung diente Material unter anderem aus Beständen des Bundesarchivs in Berlin, des darin aufgegangenen ehemaligen Berlin Document Center (BDC), der Universitätsarchive in Berlin, Freiburg, Göttingen, Graz, Halle und Leipzig sowie des Österreichischen Staatsarchivs in Wien. Daneben konnte auf schriftliche Korrespondenz
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Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Profilen der Täter birgt die Gefahr, die Aufmerksamkeit von den Opfern einseitig auf Täterpersönlichkeiten zu lenken und diesen damit unfreiwillig eine historische Bedeutung zu verleihen, die für unzählige namenlos gebliebene Opfer eine weitere Demütigung bedeutet. Auf diese Gefahr muss hingewiesen werden, nach Meinung des Verfassers darf sie die Erforschung einer historisch noch unzureichend aufgearbeiteten Täterebene jedoch nicht verhindern. Auf der anderen Seite gab es nämlich in der Nachkriegszeit unzählige Versuche, die Namen der Täter und der an sie geknüpften Verbrechen der weiteren Überlieferung zu entziehen, vgl. Frei (2001), Klee (2001a). Dies zu verhindern, muss ebenso Ziel der historischen Wissenschaft sein wie das Bestreben, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten. Zum Thema Täter-/Opferforschung: Ebbinghaus (2001a). Erfolgreiche Versuche, bislang unbekannt gebliebene Opfer namentlich zu identifizieren und ihnen damit ein Stück ihrer Identität zurückzugeben, unternahmen neuerdings Fuchs et al. (2007), Häupl (2006) und Lang (2004). Als Beispiel für die Integration der Opfer-Perspektive in ein wissenschaftshistorisches Projekt vgl. Fuchs et al. (2007) sowie die bei Sachse (2003) wiedergegebenen Zeugnisse von Überlebenden der KZ-Versuche.
1.4. Späte Aufarbeitung: Der Forschungsstand
19
mit Zeitzeugen und Angehörigen im Sinne einer oral history30 und auf die Mikrofiche-Edition der Akten des Nürnberger Ärzteprozesses zurückgegriffen werden. Weiterhin wurden zeitgenössische Vorlesungsverzeichnisse und Fachzeitschriften im Hinblick auf Beiträge zur medizinischen Ethik und zu anderen in dieser Untersuchung behandelten Themenfeldern gesichtet und ausgewertet. 1.4. SPÄTE AUFARBEITUNG: DER FORSCHUNGSSTAND Die Erforschung der Medizin im Nationalsozialismus, die erst mit einiger Verspätung Anfang der 1980er Jahre richtig begann, hat bis heute große Fortschritte gemacht. Die Aufarbeitung medizinischer Verbrechen während der NS-Zeit stieß jedoch selbst in dieser späten Phase immer noch auf erhebliche Widerstände an Medizinischen Fakultäten und aus dem Bereich ärztlicher Standesorganisationen. Die Beispiele dafür sind zahlreich und begegnen einem auch noch in jüngster Zeit.31 Die schleppende Aufarbeitung der Medizin im Nationalsozialismus ist mittlerweile längst selbst historisiert. Die Rezeptionsgeschichte der Dokumentation Mitscherlichs und Mielkes über den Nürnberger Ärzteprozess bildet den unrühmlichen Anfang einer Politik des Verschweigens und Verdrängens seitens der deutschen Ärzteschaft.32 Noch 1987 erklärte der damalige Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, die Vergangenheitsbewältigung müsse dort enden, wo Ärzte „kollektiv diffamiert“ würden, und erneuerte gleichzeitig die Legende von den „höchstens etwa 400“ direkt an den Medizinverbrechen beteiligten Ärzten.33 Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Sekundärliteratur zur Medizin im Nationalsozialismus in den letzten Jahren enorm angewachsen und kaum noch zu überschauen. Aber auch bislang unbekannte oder unzugänglich gehaltene Primärquellen werden – 60 Jahre nach Kriegsende – immer noch neu erschlossen.34 30 31
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Vgl. den zwischen 2002 und 2008 geführten Briefwechsel des Verfassers mit Prof. (Bernward) Franz Josef Gottlieb (geb. 1910). So sahen sich Wissenschaftler und Studierende bei der Erforschung der Zwangsarbeit am Universitätsklinikum Göttingen noch im Jahr 2002 erheblichen Widerständen und Repressalien ausgesetzt, vgl. dazu u.a. Frewer (2007), Frewer et al. (2006), sowie die Berichterstattung in: Süddeutsche Zeitung, 24.12.2002, S. 9; Nature 422 (2003), S. 792 und DER SPIEGEL, 29.11.2004, S. 165. Vgl. Peter (1994), Hartmann (2005). Vgl. Kröner (1997), S. 168–170. Zur Reaktion deutscher Medizinhistoriker auf Vilmars Äußerungen siehe auch DIE ZEIT, 06.11.1987, S. 47. Allgemein zum Umgang mit der NSMedizin im Nachkriegsdeutschland: Oehler-Klein/Roelcke (2007), vom Bruch et al. (2006), Kater (1997), Kröner (1997), Pross (1992). Vgl. auch das Geleitwort in Hohendorf/MagullSeltenreich (1990). Speziell zur Zeitgeschichte der Medizin: Schlich (2007). Etwa das erst seit 2007 für Wissenschaftler benutzbare Archiv des Suchdienstes des Internationalen Roten Kreuzes in Bad Arolsen, welches mehr als 17 Millionen Namen enthält, darunter KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter. Gleiches gilt für das jahrelang im Archiv der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin lagernde Reichsärzteregister, das Aufschluss über das Schicksal tausender jüdischer Ärzte verspricht und erst 2004 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Zur Quellenlage in der Medizingeschichte vgl. auch Schlich (2007).
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1. Einleitung
Im Folgenden wird insbesondere auf den Forschungsstand zur Geschichte der Medizinethik während der Zeit des Nationalsozialismus eingegangen. Untersuchungen, die sich mit anderen Aspekten nationalsozialistischer Medizin beschäftigen, werden daher nur bei entsprechender Relevanz für das hier zu behandelnde Thema aufgeführt.35 Einzelheiten zum jeweiligen Stand der Forschung werden überdies am Anfang der entsprechenden Kapitel erneut aufgegriffen und vertieft. Die kommentierte Dokumentensammlung zum Nürnberger Ärzteprozess, die erstmals 1947 von den Prozessbeobachtern Alexander Mitscherlich und Fred Mielke veröffentlicht wurde, ist bis heute ein Schlüsseltext der Aufarbeitung der Medizin des Nationalsozialismus. Auf die moralischen Implikationen der in Nürnberg verhandelten Verbrechen ging jedoch erst die erweiterte Neuausgabe ausführlich ein, die 1960 unter dem Titel „Medizin ohne Menschlichkeit“ erschien. Diese Fassung, die in der Folgezeit weite Verbreitung und etliche Auflagen erfuhr, widmete den durch die nationalsozialistische Medizin aufgeworfenen ethischen Fragen ein eigenes Kapitel.36 Auch der Neurologe und Psychosomatiker Viktor von Weizsäcker publizierte 1947 einen bemerkenswerten Aufsatz zu diesem Thema, in dem er einen „Geist der Medizin“ anprangerte, „der den Menschen nur als Objekt nimmt“. Hinter von Weizsäckers Kritik an einer rein naturwissenschaftlich ausgerichteten Medizin kommt jedoch seine teils affirmative Haltung zur ärztlichen Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten zum Vorschein.37 Einen wichtigen Beitrag zur Analyse von Täterprofilen leisteten die opulenten, in Deutschland wenig rezipierten Studien des französischen Neuropsychiaters und Beobachters des Nürnberger Ärzteprozesses François Bayle.38 Für die folgenden Jahrzehnte finden sich nur spärliche Spuren einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Medizin im Dritten Reich und der ihr zugrundeliegenden Moral. Luther/Thaler (1967) beschäftigen sich aus sozialistischer Perspektive mit dem hippokratischen Ethos und auch mit ethischen Aspekten der NS-Medizin. Sie gehen auf die moralische Bewertung von Humanexperimenten ein und beleuchten die Rolle von SS-Ärzten im Konzentrationslager Auschwitz. Mit dem hippokratischen Eid setzt sich auch Siefert (1973) auseinander und hebt die geschickte Verwendung dieses Eides bei der Verteidigung des im Nürnberger 35
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Roelcke (2007) nimmt eine Systematisierung des Forschungsstandes für die komplexe Gesamtthematik vor. Er identifiziert dazu vier wesentliche Forschungsfelder: 1. (Selbst-) Gleichschaltung der Ärzteschaft sowie Vertreibung und Vernichtung jüdischer oder politisch unerwünschter Mediziner; 2. Zwangssterilisation und Mord an Kranken und Behinderten; 3. Menschenversuche; 4. Zwangsarbeit im Gesundheitswesen. Einen breit angelegten, 17seitigen Forschungsüberblick im klassischen Sinne gibt Forsbach (2006). Vgl. „Allgemeines Beweismaterial über Humanversuche und ärztliche Ethik“, Mitscherlich/ Mielke (1960), S. 248–273. Die Ausgabe von 1947 erschien unter dem Titel „Das Diktat der Menschenverachtung“, vgl. Mitscherlich/Mielke (1947). Die westdeutschen Ärztekammern hatten die Verbreitung dieses Buches seinerzeit verhindert, da sie eine Beschädigung des Ansehens der deutschen Medizin und deren Vertreter befürchteten, siehe dazu Peter (1994). Vgl. von Weizsäcker (1947a), S. 68 (Zitat) sowie Böhme (2008). Von Weizsäcker hatte in den 1930er Jahren eine gewisse Nähe zur nationalsozialistischen Gesundheitspolitik erkennen lassen, siehe dazu S. 50 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Bayle (1950), (1953).
1.4. Späte Aufarbeitung: Der Forschungsstand
21
Ärzteprozess angeklagten Karl Brandt hervor. Dies führt Siefert folgerichtig zu einer kritischen Beurteilung der Eidesformel. Auch Lüth (1975) macht anhand des Ärzteeides auf ethische Probleme in der Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts aufmerksam und erwähnt dabei die Instrumentalisierung des Eides durch die SS und ihren „Reichsführer“ Heinrich Himmler. Hahn (1985) bleibt in ihrem knappen Aufsatz über „ethische Grundlagen der faschistischen Medizin“ eng am Fallbeispiel der Tuberkulosebekämpfung. Die ausführliche Untersuchung von Kaiser/Völker (1985a) zur Ethikgeschichte von Medizin und Naturwissenschaften widmet sich mit nur einem Aufsatz der Medizinethik während der nationalsozialistischen Diktatur. In Thom/Caregorodcev (1989) finden sich im Schlusskapitel eingehende Reflexionen zu den moralphilosophischen Voraussetzungen der Medizin des Nationalsozialismus. Als wichtigster Grundsatz wird dabei die extreme Auslegung der These von der Ungleichwertigkeit der Menschen benannt. Während bei Michalczyk (1994) – anders als der Titel erwarten lässt – der Bereich Ethik unterrepräsentiert ist, liegt mit Gerrens (1996) eine aufschlussreiche Studie über die ethischen Standpunkte Karl und Dietrich Bonhoeffers hinsichtlich Zwangssterilisation und „Euthanasie“ vor. Sievert (1996) gewinnt aus der gemeinsamen Betrachtung von Medizinethik und Naturheilkunde einige wichtige Erkenntnisse. Zum Kern der Thematik führen schließlich Toellner/Wiesing (1997), Tröhler/Reiter-Theil (1997), Frewer/Eickhoff (2000) und Frewer/Neumann (2001) mit ihrer Darstellung des Verhältnisses zwischen Geschichte und Ethik der Medizin im 20. Jahrhundert. Auf einzelne Beiträge dieser Bände wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit noch einzugehen sein. Bonah/Lepicard/Roelcke (2003) weisen auf die Probleme der Forschungsethik anhand ausgewählter Ärzte-Prozesse des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich hin. Bergdolt (2004) zeichnet in seiner Gesamtdarstellung die Entwicklung von Moral und Medizin von der Antike bis heute nach und kann die Zeit des Nationalsozialismus aufgrund des großen Betrachtungszeitraums naturgemäß nur in Grundzügen behandeln. Miles (2004b) fokussiert seine Studie auf Entstehung und Auslegung des hippokratischen Eides; Schubert (2005) konzentriert sich auf dessen Überlieferungsgeschichte. Publikationen, die speziell auf medizinethische Aspekte der NS-Medizin eingehen, sind nach wie vor nicht sehr zahlreich; meist wird dieser Zeitraum, wie oben gezeigt, im Rahmen von Überblicksdarstellungen oder aus der ex-postPerspektive des Nürnberger Ärzteprozesses dargestellt.39 Nicht selten sind themenrelevante Informationen in den zahlreichen regionalen Studien zur Fakultätsgeschichte verborgen. Mit Schleiermacher/Schagen (2008), Oehler-Klein (2007) und Forsbach (2006) seien hier stellvertretend nur die neuesten Untersuchungen erwähnt. Der medizinethische Diskurs in den Jahren der Weimarer Republik lässt sich mittlerweile anhand der Arbeiten von Eben (1998), Frewer (2000a), Frewer/Neu-
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Primär im Hinblick auf das Prozessgeschehen: Schmidt/Frewer (2007b), Weindling (2004), aber auch bereits Annas/Grodin (1992). Vgl. auch oben, Anm. 19.
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1. Einleitung
mann (2001), Schomerus (2001) und Rabi (2002) recht gut rekonstruieren.40 Die Mehrzahl der Darstellungen hebt dabei die unübersehbaren, in vorangegangene Jahrzehnte zurückreichenden Kontinuitätslinien hervor. Für die Phase zwischen der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges finden sich bereits erheblich weniger wissenschaftliche Untersuchungen. Die anschließende Entwicklung der medizinischen Ethik im Zeitraum von 1939 bis 1945 ist bis jetzt von der Forschung vernachlässigt worden.41 Nicosia/Huener (2002) legen einzelne Aufsätze zu hinlänglich bekannten Themenbereichen vor; auf moraltheoretische Aspekte gehen die Autoren, anders als im Titel angekündigt, kaum ein. Neue Gesichtspunkte zur Medizinethik während des Krieges konnten Frewer/Bruns (2004) liefern. Sehr aufschlussreich ist die von Schmidt (2007) vorgelegte Biographie Karl Brandts – einer der Schlüsselfiguren für die Medizinethik während des Krieges. Mit Mattulat (2007), der Leben und Wirken des Pathologen Georg Benno Gruber untersucht, liegt jetzt eine Arbeit zu einem maßgeblichen Medizintheoretiker der NS-Zeit vor. Aktuelle Arbeiten zur Medizinethik im Zweiten Weltkrieg bieten Frewer (2008) sowie Bruns/Frewer (2008). Die bemerkenswerte Entwicklung, die das Fach Geschichte der Medizin gerade in der Zeit von 1939 bis 1945 erlebte, beleuchten Mörgeli/Jobmann (1997), Kümmel (2001b), Frewer/Bruns (2004). Hilfreich sind in dieser Hinsicht auch Studien zu einzelnen Fachvertretern, so etwa Jaehn (1991) über Paul Diepgen oder Schmierer (2002) über Fritz Lejeune. Auf das SS-Institut für Geschichte der Heilkunde sind bis jetzt lediglich Bruns/Frewer (2005) ausführlicher eingegangen. Wie erwähnt fand die institutionelle Fortentwicklung der medizinischen Ethik in der zweiten Hälfte der zwölfjährigen NS-Herrschaft bislang keine ausreichende wissenschaftliche Würdigung. Das in diesem Zusammenhang bedeutsame Fach Ärztliche Rechts- und Standeskunde, welches 1939 erstmals ins Pflichtcurriculum des Medizinstudiums aufgenommen wurde, ist bislang von der Forschung nicht beachtet worden und wird im Folgenden erstmals einer Analyse unterzogen. Zu den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Protagonisten ärztlicher Ethik liegen bislang keine Einzelstudien vor. In der Fachliteratur wird vereinzelt auf Rudolf Ramm verwiesen.42 Abgesehen von Zitaten aus seinem Buch zur Ärztlichen Rechts- und Standeskunde ist sein Wirken bislang jedoch weitgehend unbekannt geblieben. Ähnlich verhält es sich mit Bernward Josef Gottlieb, dessen Werdegang ebenfalls noch nicht genauer untersucht worden ist.43 Über Joachim Mrugowsky informiert bis heute lediglich Sterkowicz (1987). Bei Weindling (1994) und (2000) finden sich Bezüge zu Mrugowsky in Zusammenhang mit 40 41
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Zu Studien und Quellen zum Diskurs über die „Euthanasie“ vgl. unten, Anm. 88. Für den Zeitraum 1933–1939 vgl. etwa Proctor (2000b). Für die folgenden Kriegsjahre liegt jetzt mit Süß (2003) erstmals eine umfangreiche Studie vor. Auch Süß weist ausdrücklich auf die bislang kaum berücksichtigte zweite Hälfte der NS-Herrschaft hin, Süß (2003), S. 21. Eckart/Neumann (2006), Neumann (2005) und Fahrenbach/Thom (1991) gehen auf moralphilosophische Aspekte nicht ein. Etwa bei Ternon/Helman (1973), Mersmann (1978) und Proctor (2002). Mörgeli/Jobmann (1997) erwähnen Gottlieb nur im Rahmen der sogenannten Affäre Berg/ Rath/Ackerknecht; auch Hubenstorf (1988) und Kümmel (2001b) gehen kurz auf ihn ein.
1.4. Späte Aufarbeitung: Der Forschungsstand
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dessen Rolle bei der Bekämpfung von Epidemien im besetzten Osteuropa und bei der Beschaffung von Zyklon B.44 Benz/Distel (2006) erwähnen Mrugowsky nicht. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, diesen unbefriedigenden Forschungsstand mit neuen Erkenntnissen weiter voranzubringen. Die Darstellung des medizinethischen Diskurses und seiner Protagonisten während der Kriegsjahre 1939 bis 1945 markiert einen Schritt auf dem Weg zu einer noch ausstehenden Gesamtdarstellung der Ethik in der Medizin während des Nationalsozialismus.
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Unter den zahlreichen Einzelstudien zu direkt am Holocaust beteiligten Ärzten – zuletzt etwa Beischl (2005) über Eduard Wirths und Grabher (2006) über Irmfried Eberl – finden sich insgesamt nur wenige Monografien über Angeklagte des Nürnberger Ärzteprozesses. Zu Herta Oberheuser: Steenbuck (1994); zuletzt Person (2005) über Siegfried Handloser. Zu Karl Brandt jetzt Schmidt (2007). Leyh (2002) hat Leonardo Conti untersucht, der sich dem Prozess jedoch durch Selbstmord entzogen hatte.
2. DER MEDIZINETHISCHE DISKURS VOM BEGINN DES 20. JAHRHUNDERTS BIS ZUM ENDE DER WEIMARER REPUBLIK Für das Verständnis der nationalsozialistischen Medizinideologie ist es notwendig, auch die Entwicklungslinien der Ethik in der Medizin in den Jahrzehnten vor der Machtübergabe an Hitler im Jahr 1933 zu berücksichtigen. Ohne an dieser Stelle eine erschöpfende Darstellung der Thematik bieten zu können, sollen im Folgenden die Grundzüge des medizinethischen Diskurses in Deutschland seit Beginn des 20. Jahrhunderts skizziert werden. 2.1. DIE VERMIEDENE DEBATTE: MEDIZINETHIK VOR DEM ERSTEN WELTKRIEG Der heute gebräuchliche Begriff „Medizinethik“ wurde im 20. Jahrhundert in unterschiedlicher und auch widersprüchlicher Weise definiert und interpretiert. Insbesondere die Medizinhistoriker fühlten sich berufen, Deutungshoheit über das Feld der ärztlichen Moralphilosophie zu erlangen oder es gleich ganz in ihre eigene Disziplin zu integrieren. Man war für jede Hilfe dankbar, das Fach Medizingeschichte innerhalb der anderen wissenschaftlichen Teilbereiche der Medizin zu legitimieren.45 So bezeichnete der Berliner Arzt und Medizinhistoriker Julius Pagel46 die „Geschichtsbetrachtung als verkörperte Ethik“, und der Nestor der deutschen Medizingeschichte, Karl Sudhoff,47 sah 1906 in der Historie die „beste Schule ärztlicher Ethik“.48 Doch trugen dieses Stimmen aus den Reihen der Medizinhistoriker nicht unbedingt zur Klärung des Bedeutungsinhaltes einer ärztlichen Ethik bei, vieles blieb ungenau oder wurde sogar bewusst unscharf gehalten. Darauf wies auch Albert Moll49 hin, ein früher Wegbereiter, wenn nicht Pionier der Medizinethik in Deutschland, der 1902 in seinem Werk „Ärztliche Ethik“ die häufige Verwechslung von Standespflichten oder Etikette mit dem Begriff Ethik
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Generell zum Verhältnis von Medizingeschichte und Medizinethik am Anfang des 20. Jahrhunderts: Frewer/Neumann (2001) und Frewer/Roelcke (2001). Julius Pagel (1851–1912) war seit 1876 praktischer Arzt im Berliner Norden, habilitierte sich 1891 für Geschichte der Medizin und erhielt 1898 für dieses Fach einen Lehrauftrag an der Berliner Universität, ab 1902 als außerordentlicher Professor. Karl Sudhoff (1853–1938), seit 1878 als praktischer Arzt tätig, erhielt 1905 ein Extraordinariat für Geschichte der Medizin in Leipzig, wo er ab 1906 das weltweit erste medizinhistorische Institut aufbaute. Sudhoff (1906), S. 1673, siehe auch Kümmel (2001a), S. 85. Albert Moll (1862–1939), Neurologe und Sexualwissenschaftler, seit 1887 niedergelassener Nervenarzt in Berlin. Er beschäftigte sich u.a. mit Hypnotismus und gründete 1913 die „Internationale Gesellschaft für Sexualforschung“, vgl. Eben (1998), Maehle (2001).
2.1. Medizinethik vor dem Ersten Weltkrieg
25
konstatierte.50 Moll gab daraufhin eine prägnante Definition ärztlicher Ethik: „Eine ärztliche Ethik hätte also speziell den sittlichen Wert oder Unwert der Handlungen des Arztes zu untersuchen.“ Er trennte zudem deutlich die gegenüber den Patienten einzuhaltenden beruflichen Pflichten von den Standespflichten gegenüber den ärztlichen Kollegen.51 Obwohl an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert intensive Diskussionen zur Frage des Humanexperiments und zum ärztlichen Umgang mit Patienten stattfanden,52 Bereiche, die Moll in seinem Buch ausführlich thematisierte, blieb die Rezeption des umfangreichen Werkes bescheiden. Es löste keine grundlegende Kontroverse aus, und zu einem eigentlichen Standardwerk konnte es sich weder im Kaiserreich noch in der Weimarer Republik entwickeln. Zutreffend stellt Schomerus fest, dass Molls Buch nicht am Anfang, sondern eher am Ende einer Debatte über ärztliche Moraltheorie stand.53 Die Ärzteschaft reagierte auf öffentliche Kritik, wie sie beispielsweise die ethisch fragwürdigen Humanversuche des Dermatologen Albert Neissers nach sich zogen, mit Unverständnis und Entrüstung, man witterte eine moralische Bevormundung. Die größte Aufmerksamkeit galt in dieser Zeit ohnehin einem anderen Konfliktfeld, nämlich der Durchsetzung ärztlicher Standesinteressen.54 Hinzu kam, dass sich spätestens seit der Jahrhundertwende das ohnehin geringe ärztliche Interesse an einer individuell orientierten Medizinethik mehr und mehr überindividuellen gesundheits- und bevölkerungspolitischen Themen zuwandte, nämlich den aufkommenden Lehren des Sozialdarwinismus und der Eugenik sowie der daraus abgeleiteten Rassenhygiene.
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„Es sind sich die meisten gar nicht darüber klar, dass sie [...] die Standespflichten, insbesondere aber Etikettefragen mit der ärztlichen Ethik verwechseln. Diese Begriffe werden [...] häufig miteinander konfundiert [...]“, Moll (1902), S. 6. Zu diesem Urteil gelangte 100 Jahre später auch Barbara Rabi: „Als Inbegriff der ärztlichen Deontologie galten im 19. Jahrhundert Kollegialität und Standesbewußtsein. [...] Die Begriffe ‚ethisch’, ‚kollegial’ und ‚standeswürdig’ verschmolzen in einem einzigen Bedeutungsinhalt und wurden gegeneinander austauschbar.“ Rabi (2002), S. 205. Moll (1902), S. 6 (Zitat) sowie S. 360. Vgl. hierzu auch Fischer (1912). Dazu boten Skandale wie der „Fall Neisser“ Anlass, siehe dazu Tashiro (1991), Elkeles (2001). Auch die aktive Sterbehilfe war um die Jahrhundertwende bereits Gegenstand der Erörterung. So postulierte Adolf Jost 1895 ein „Recht auf den Tod“, vgl. Jost (1895). In breiter Form aufgegriffen wurde diese Frage jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg, siehe u.a. Burkhardt (1981). „Man gewinnt [...] den Eindruck, als hätte schlicht das Interesse an dieser Auseinandersetzung nachgelassen. Der Konflikt um die ‚richtige’ ärztliche Ethik in Deutschland wurde nicht gelöst – er schlief ein.“ Schomerus (2001), S. 149. Zur Rezeption Molls vgl. Maehle (2001). Nach Gründung des Leipziger Verbandes zur Vertretung wirtschaftlicher Interessen der Ärzte durch Hartmann kam es ab 1903 auch erstmals zu Ärztestreiks. Die ärztliche Ethik war in einer solchen Situation eher hinderlich und „wurde tunlichst nicht erwähnt“, siehe Schomerus (2001), S. 172.
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
2.2. MEDIZIN UND SOZIALE FRAGE: KRISEN UND KONZEPTE Industrialisierung, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung ließen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert soziale Spannungen und Probleme zunehmend stärker hervortreten. Die sogenannte „soziale Frage“ verlangte immer dringlicher nach Antworten. Zudem bestimmte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in Deutschland und in anderen Ländern die Furcht vor biologischer Degeneration und „Entartung“ der Gesellschaft den herrschenden Zeitgeist. Auf der Suche nach Auswegen und Lösungsstrategien bedienten sich Politiker, Ärzte und Wissenschaftler dabei zunehmend der Biologie entlehnter Konzepte.55 Im Gefolge der von Charles Darwin 1859 aufgestellten Evolutions- und Selektionstheorie sprach man der Biologie eine immer stärkere Kompetenz zur Lösung gesellschaftlicher Missstände zu.56 Vertreter des Sozialdarwinismus wie der Jenaer Mediziner und Zoologe Ernst Haeckel (1834–1919) sahen naturwissenschaftliche Grundsätze auch für die menschliche Lebensgestaltung als beispielhaft an und begannen, ethische Maßstäbe entsprechend zu biologisieren. Haeckel war die zentrale Persönlichkeit für die Rezeption und Übertragung Darwin’scher Thesen auf die menschliche Gesellschaft sowie für die Begründung einer biologistischen Ethik. Beinahe alle Sozialdarwinisten und Rassenhygieniker beriefen sich in der Folgezeit auf Haeckel. Dieser erklärte bereits in den 1880er Jahren die Erhaltung und Zunahme Erbkranker zum Problem und sprach sich für die Tötung unheilbar Kranker aus.57 Nach der Etablierung angeblich gesicherter Theorien und Konstrukte folgte nun der Ruf nach praktischen Konsequenzen im Hinblick auf die vermeintlich von Degeneration bedrohte Gesellschaft. Eine wichtige Rolle spielte in dieser Hinsicht der Münchner Arzt und Sozialdarwinist Wilhelm Schallmayer (1857–1919). Schallmayer gewann mit seiner Studie „Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker“ ein am 1. Januar 1900 unter der Federführung von Ernst Haeckel veröffentlichtes und von dem Großindustriellen Friedrich Krupp finanziertes Preisausschreiben, in dem die Frage „Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwicklung und Gesetzgebung der Staaten?“ beantwortet werden sollte. Das Ziel dieser gesellschaftspolitischen Auftragsforschung stand von vornherein fest: Die Anwendbarkeit des Selektionsprinzips, oft als „Kampf ums Dasein“ bezeichnet, auf die
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Im Folgenden können nur die wichtigsten Aspekte der Entwicklung von Sozialdarwinismus, Eugenik und Rassenhygiene wiedergegeben werden; verwiesen sei u.a. auf die Arbeiten von Proctor (1988), Weingart et al. (1988), Schmuhl (1987), Mann (1993) sowie Weikart (2004). Eine aktuelle und prägnante Darstellung des Themas liefern Wilmanns/Hohendorf (2007). Weitere Literaturangaben finden sich in den jeweiligen Anmerkungen. Noch vor den epochemachenden Theorien Darwins hatte Joseph Arthur Comte de Gobineau (1816–1882) in dem Buch „Essai sur l’inégalité des races humaines“ (1853–57) seine These von der unterschiedlichen Wertigkeit der menschlichen Rassen vorgestellt und die Arier als Eliterasse bezeichnet. Um die Jahrhundertwende erlangten Gobineaus Ideen erstmals breitere Beachtung. Ausführlich zu Haeckel vgl. Richards (2008) und Sandmann (1990).
2.3. Neue Ethik: Eugenik und Rassenhygiene
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Innen- und Bevölkerungspolitik sollte legitimiert werden.58 „Das 20. Jahrhundert“, prophezeite Schallmayer, „dürfte dazu berufen sein, aus der Descendenztheorie die Nutzanwendung für das praktische Leben zu ziehen.“59 2.3. NEUE ETHIK: EUGENIK UND RASSENHYGIENE Der Begriff der Eugenik wurde 1883 von Francis Galton (1822–1911) geprägt und 1905 von diesem folgendermaßen definiert: „Eugenics is the science which deals with all influences that improve the inborn qualities of a race; also with those that develop them to the utmost advantage.“60 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachte ein sich modernistisch gebender Zeitgeist gänzlich neue Moralvorstellungen hervor, die oft auf eugenischen Prämissen beruhten. Diese „neuen Ethiken“, die teilweise auf Gedanken Nietzsches fußten, stellten die traditionellen, religiös oder philosophisch begründeten Wertsetzungen und die darauf beruhende Gesetzgebung grundsätzlich in Frage.61 Die Ansicht, dass vermehrter Schutz der Schwachen und Hilfsbedürftigen durch die Weitervererbung ihrer Anlagen eine Belastung der folgenden Generationen bedeute und so zu noch größerem Elend führe, fand immer breitere Zustimmung. Von dieser These ausgehend entwickelte Schallmayer sein auf eugenischen Grundsätzen beruhendes Konzept einer „generativen Ethik“.62 Schallmayer zufolge bestimmte das Erbgut sowohl den Wert eines Menschen als auch dessen soziale Stellung, folglich müsse man die Fortpflanzung der oberen Schichten fördern (positive Eugenik) und die Vermehrung der unteren Volksschichten begrenzen (negative Eugenik), um eine Degeneration der Gesellschaft zu verhindern. Die zugehörige Moraltheorie lieferte Schallmayer gleich mit: „Ideal wäre eine Ethik, die in erster Linie den generativen, in zweiter den sozialen und in dritter Linie den individuellen Interessen gerecht würde.“63 Aus der weltweit im Aufschwung befindlichen eugenischen Bewegung64 entwickelte sich in Deutschland die Rassenhygiene, deren zentrales Paradigma in der 58 59 60 61
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Vgl. Bromberger et al. (1990), S. 34–53. Zur Person Schallmayers siehe Weiss (1987). Schallmayer (1903), Vorwort. Galton (1905), S. 45. Vgl. Schwartz (1998), S. 623. Weingart, Kroll und Bayertz verwenden in diesem Zusammenhang den treffenden Begriff der „Gegen-Ethik“, vgl. Weingart et al. (1988), S. 533. Zur Rezeption Nietzsches im deutschen Kaiserreich: Aschheim (1992), S. 17–50. „Wir verstehen also unter generativer Ethik die wissenschaftliche und erzieherische Weiterbildung der herrschenden Ethik durch Aufnahme von Pflichten zugunsten der Rasse (d.h. hier zugunsten der Erbqualitäten späterer Generationen unseres gesellschaftlichen Gemeinwesens).“ Schallmayer (1909), S. 214. Vgl. auch Sandmann (1990), S. 146. Bereits in der preisgekrönten Schrift „Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker“ hatte Schallmayer die Notwendigkeit einer „Entwicklungsethik“ betont, die die Belange der kommenden Generationen zu berücksichtigen hätte. „Die Auslese wird dafür sorgen, daß diese neue Ethik kommt und sich ausbreitet; denn das Volk, das sie zuerst pflegt, wird sich dadurch für die Zukunft einen großen Vorsprung vor anderen Völkern verschaffen.“ Schallmayer (1903), S. 250. Schallmayer (1903), S. 330. Siehe auch Frewer (2000), S. 207–209. Zur internationalen Entwicklung dieser Lehre siehe Kühl (1997).
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
Wiederherstellung der durch Zivilisation und medizinischen Fortschritt behinderten „natürlichen Auslese“ innerhalb der Gesellschaft bestand. Eine verschärfte „Ausmerze“ geistig oder körperlich „Untauglicher“ sollte zur Gesundung und Reinhaltung der Rasse führen. Alfred Ploetz,65 Arzt und Schöpfer des Begriffes „Rassenhygiene“,66 begründete 1904 die Zeitschrift „Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie“, und im folgenden Jahr rief er in Berlin die weltweit erste Gesellschaft für Rassenhygiene ins Leben. Auch Ploetz bemühte sich, die Rassenhygiene mit einer entsprechenden Ethik in Verbindung zu bringen.67 Zu diesem hier in Grundzügen geschilderten biologistischen Weltbild vieler Mediziner gesellte sich ein aggressiver und expansiv orientierter Nationalismus, der am Vorabend des Ersten Weltkrieges weite Kreise der deutschen Gesellschaft erfasst hatte. Wie dieses aus vielen unterschiedlichen Strömungen und ideologischen Ansätzen zusammengesetzte Gedankengut die Ethik in der Medizin zu korrumpieren imstande war, sollte sich dann während des Krieges zeigen. 2.4. „DAS VOLK ALS ORGANISMUS IST UNSER ETHISCHES ZIEL“ – DER ERSTE WELTKRIEG UND SEINE FOLGEN Die Welle von Kriegsbegeisterung und Patriotismus, die den größten Teil der deutschen Bevölkerung bei Ausbruch des Krieges erfasste, machte auch vor der Ärzteschaft nicht halt. Die ärztliche Standespresse begrüßte den Krieg und forderte gleichzeitig in pathetischen Aufrufen, sich an Deutschlands „Kampf um Weltgeltung“ zu beteiligen. Und tatsächlich gab es nur wenige Ärzte, die sich nicht freiwillig zum Kriegsdienst meldeten. „Der 1. August 1914 war nicht der Tag, ethische Überlegungen anzustellen.“68 – die Stimmungslage unter den Ärzten ließe sich kaum treffender beschreiben. Die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan) schlug sich auch auf medizinischem Gebiet nieder und führte zu vorher nicht für möglich gehaltenen Umwälzungen.69 Vor allem aber sollte sie nachhaltige Auswirkungen auf die Ethik in der Medizin haben. Die schon vor 1914 eingeübten sozialdarwinistischen Anschauungen bewirkten, dass sich die meisten Ärzte im Verlauf des Krieges nicht als natürliche Anwälte ihrer Patienten, beispielsweise der zahlreichen physisch und psychisch traumatisierten Soldaten, fühlten, sondern sich auf die Seite des Staates und dessen Interessen stellten.70 In 65
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Zu Alfred Ploetz (1860–1940), dem Begründer der Rassenhygiene in Deutschland siehe u.a. Klee (2001a), S. 25–28. Ploetz propagierte die Vorherrschaft der „germanisch-nordischen Rasse“ gegenüber anderen Rassen; Schallmayer lehnte solche Wertsetzungen hingegen ab. Rassenhygiene und Eugenik wurden in Deutschland in den folgenden Jahren synonym benutzt; beide stimmten nach Inhalt und Ziel überein, vgl. Verschuer (1941), S. 9. Ploetz (1895). Tamm (1996), S. 14. Allgemein zum Thema: Eckart/Gradmann (1996), Michl (2007). Die Ärzte „huldigten vielmehr einer neuen ärztlichen Sittlichkeit, welche das Wohl des gefährdeten Vaterlandes höher einstufte als dasjenige der einzelnen Kranken.“ FischerHomberger (1987), S. 123.
2.4. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen
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der Ratio der Rassenhygieniker bedeutete ein Krieg mit hohen Opferzahlen zudem eine Art völkische Katastrophe, in der die Besten und Tüchtigsten auf dem Schlachtfeld zurückblieben und die Schwachen und Behinderten überlebten, vielleicht gar noch in Anstalten gepflegt werden mussten – eine Auslese „allerschlimmster Art“, wie der bekannte Hygieniker Max von Gruber 1916 feststellte.71 Aus dieser Angst vor negativer Selektion resultierte dann auf ärztlicher Seite der unmenschliche Umgang mit den sogenannten Kriegsneurotikern72 oder das weniger bekannte Hungersterben ungefähr der Hälfte aller deutschen Psychiatrie-Patienten während des Krieges.73 In ihren Spätwirkungen kaum zu überschätzen war ferner die weitere Verstärkung jener bereits vor dem Krieg herrschenden Angstvision vom biologischen Niedergang des deutschen Volkes, die durch die hohen Menschenverluste und die schließlich sich vollziehende Kriegsniederlage ausgelöst wurde. Im Jahr 1917 erschien in der ersten Ausgabe der neu gegründeten und völkisch-rassistisch ausgerichteten Zeitschrift „Deutschlands Erneuerung“74 ein programmatischer Aufsatz zur „Erneuerung der Ethik“ von Fritz Lenz.75 Lenz, der 1923 den ersten deutschen Lehrstuhl für Rassenhygiene in München erhalten sollte, kam es im entscheidenden Kriegswendejahr 1917 auf eine Sinngebung und Deutung des verlustreichen Krieges unter rassischen Gesichtspunkten an.76 An den Ausführungen von Lenz wird erkennbar, dass die Verbreitung der Rassenideologie in Deutschland zu einem nicht geringen Teil auch in dem Versuch wurzelte, dem Opfer der im Ersten Weltkrieg zu Hunderttausenden Gefallenen nachträglich einen Sinn zu verleihen. Eklektizistisch 71 72 73
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Eucken/von Gruber (1916), S. 44, zitiert nach Schmiedebach (1987), S. 101. Diese sogenannte Gegenauslese stellte für von Gruber freilich keinen Grund dar, den Krieg abzulehnen. Vgl. dazu u.a. Lerner (2003), Riedesser/Verderber (1996). Allein in den psychiatrischen Anstalten Preußens ließ man unter dem Eindruck der schlechten Versorgungslage des Deutschen Reiches 45.000 Patienten planmäßig verhungern, siehe Proctor (1992), S. 24. Für das gesamte Deutsche Reich wird von ca. 70.000 Opfern ausgegangen, siehe Faulstich (1998), S. 25. Die Zeitung erschien im völkischen Verlag J. F. Lehmanns. Unter den Herausgebern waren der Rassenideologe Houston Stuart Chamberlain, der bereits erwähnte Hygieniker Max von Gruber und der Anführer des nach ihm benannten Staatsstreich-Versuches von 1920, Wolfgang Kapp. Die Zeitung verschrieb sich neben der „Förderung unserer Rasse“ auch der „Wachhaltung völkischer Instinkte und der Bekämpfung jeder Entartungsursache“, vgl. „Deutschlands Erneuerung. Monatsschrift für das deutsche Volk“ 1 (1917), Heft 1, S. 1–4. Zur Rolle des Lehmanns-Verlages als Sprachrohr der „rechten Nation“ siehe Stöckel (2002). Fritz Lenz (1887–1976) sah sich selbst als Schüler Alfred Ploetz’ und vertrat auch dessen Theorie von der Vorherrschaft der arischen Rasse. Er erhielt 1923 in München den ersten deutschen Lehrstuhl für Rassenhygiene. Schon früh zeigte Lenz offen seine Sympathie für die Nationalsozialisten, von denen er die Umsetzung der Rassenhygiene mit politischen Mitteln erwartete. 1933 übernahm er den neugeschaffenen Berliner Lehrstuhl für Rassenhygiene. 1946 verlieh ihm die Universität Göttingen ein Extraordinariat für Menschliche Erblehre. Zu Lenz vgl. u.a. Klee (2001a), S. 33–36. „Der Glaube an die Rasse allein kann uns mit dem Leiden und Sterben unserer Helden versöhnen. Indem sie für die Rasse gestorben sind, hat ihr Tod selber noch dem Leben gedient [...]. An uns aber ist es, dafür zu sorgen, daß sie nicht umsonst gestorben sind.“ Lenz (1917), S. 38.
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
von Ideen Kants ausgehend, welcher „sich sicher sofort auf die Seite Darwins gestellt“ hätte, entwarf Lenz eine „Ethik der Rasse“, die „aus dem Geist des deutschen Idealismus geboren ist“, und propagierte den Gedanken eines Volksstaates: „Das Volk als Organismus ist unser ethisches Ziel.“77 Dabei könne „die Persönlichkeit [...] nicht das letzte Ziel der Ethik sein.“78 Nach seinem Aufstieg zu einem der führenden deutschen Rassenhygieniker publizierte Lenz den Aufsatz 1933 erneut und erklärte im Vorwort, dass in ihm alle Elemente der nationalsozialistischen Weltanschauung enthalten seien.79 Der Weltkrieg beeinflusste jedoch nicht nur individuelle Karrieren. Das unmittelbare Fronterlebnis prägte eine ganze Generation. Für viele Menschen blieb das auf den Schlachtfeldern erlittene physische und psychische Trauma das bestimmende Ereignis in ihrem Leben. Für andere wiederum, insbesondere für die ab 1900 und damit für eine aktive Kriegsteilnahme zu spät Geborenen, stellte diese verpasste Gelegenheit zum Heldentum das ewige Nicht-Ereignis in ihrer Biografie dar. Nicht zu übersehen ist, dass viele Ärzte, die im Nationalsozialismus Karriere machten, unter ihnen auch Joachim Mrugowsky, der sogenannten Kriegsjugendgeneration angehörten.80 Ernst Niekisch charakterisierte diese Generation mit folgenden Worten: „[...] insgeheim verachtet sie bereits die Güter der Zivilisation, des Fortschritts, der Humanität; sie zweifelt an der Vertrauenswürdigkeit der Vernunft und erschaudert nicht vor einer Barbarisierung des Lebens.“81 2.5. DIE WEIMARER REPUBLIK: FORTSETZUNG DES KRIEGES AUF BIOLOGISCHEM GEBIET Neben vielen anderen Umbrüchen hatte der Erste Weltkrieg eine für die zukünftige medizinische Ethik in Deutschland zentrale Veränderung mit sich gebracht: Erstmals in der Ende des 19. Jahrhunderts angebrochenen Epoche der professionalisierten Medizin hatte sich gezeigt, dass hilfsbedürftige Patienten sich nicht mehr zu jeder Zeit auf individuellen ärztlichen Beistand verlassen konnten. Krisenhafte Zeitumstände, Ressourcenknappheit oder ideologische Vorgaben waren offensichtlich Voraussetzungen, die primär am individuellen Wohl des Kranken ausgerichtete Traditionslinien des Ärztestandes schwer erschüttern konnten. Die Zeit nach Kriegsende und dem Zusammenbruch des wilhelminischen Staates brachte viele dieser Voraussetzungen mit sich. Neben Putschver77 78 79 80
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Ebd., S. 37, 46f. Lenz (1917), S. 37. Lenz (1933), Vorwort. Zur Kriegsjugendgeneration vgl. Gründel (1932), S. 22–63 sowie Herbert (1996), S. 42–45. Für Sebastian Haffner bildete diese Generation den Kern der nationalsozialistischen Bewegung: „Die eigentliche Generation des Nazismus aber sind die in der Dekade 1900 bis 1910 Geborenen, die den Krieg, ganz ungestört von seiner Tatsächlichkeit, als großes Spiel erlebt haben.“ Haffner (2000), S. 22. Niekisch (1965), S. 43f.
2.5. Weimarer Republik: Fortsetzung des Krieges auf biologischem Gebiet
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suchen und Mordanschlägen auf Politiker waren die anfänglichen Krisenjahre der Weimarer Republik beherrscht von wirtschaftlichen Problemen, Inflation und Geburtenrückgang.82 Ließ die vor dem Krieg propagierte Deszendenztheorie damals vielleicht noch mangels Anschauung die letzte Durchschlagskraft vermissen,83 standen jetzt – nach 1918 – die vermeintlichen Zeichen des Niedergangs auch breiteren Bevölkerungsschichten vor Augen. Ebenso wie auf politischer Ebene entstanden auch für den sozialen und gesundheitlichen Bereich irrationale Denkmodelle zur Erklärung der nationalen Krise. Wissenschaftler wie Eugen Fischer84 oder der bereits erwähnte Fritz Lenz interpretierten diese Krise vor allem als eine Bedrohung der „nordischen Rasse“, die es als angebliche Trägerin der vor dem Zerfall stehenden deutschen Kultur zu erhalten galt.85 Rassenhygieniker bemühten sich, ein Bild der biologisch-genetischen Degeneration des deutschen Volkes zu malen. Angesichts der wirtschaftlichen Not wurden Menschen zunehmend nach ihrer Leistungsfähigkeit für Volk und Staat bewertet, immer häufiger ertönten Forderungen, die Aufwendungen für „unproduktive“ Menschen zu verringern, um so die „Wiederaufrichtung“ Deutschlands voranzubringen.86 Von diesen Prämissen ausgehend erklärt sich nicht nur der Bedeutungszuwachs der Rassenlehre in der Weimarer Republik, deren Verbreitung durch die populäre, 1922 erschienene „Rassenkunde des deutschen Volkes“ Hans F. K. Günthers entscheidend gefördert wurde. Auch die 1920 von dem Juristen Karl Binding und dem Psychiater Alfred Hoche formulierten Forderungen nach „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ sind vor diesem Hintergrund zu sehen. In Anlehnung an Binding und Hoche erschien 1922 in der „Deutschen Strafrechtszeitung“ sogar ein erster konkreter Gesetzentwurf zur „Freigabe der Tötung unheilbarer Geistesschwacher“.87 In der Zwischenkriegszeit richtete sich 82
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Vgl. dazu Peukert (1987). Zur Medizin in der Weimarer Republik liegt bereits eine ganze Reihe ausführlicher Publikationen vor; die folgende Darstellung beschränkt sich auf die für die medizinische Ethik bedeutsamen Aspekte. Vgl. Weiss (1989), S. 163. Eugen Fischer (1874–1967), Arzt und Anthropologe, forschte u. a. zum „Bastardisierungsproblem beim Menschen“ (1913). Fischer gab mit Fritz Lenz und Erwin Baur das damalige Standardwerk der rassenhygienischen Bewegung, den „Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ heraus. Zum „Baur-Fischer-Lenz“ vgl. Fangerau (2001). Eine Gefahr für die Rasse sah Lenz etwa in der Stationierung farbiger französischer Soldaten im Rheinland. Siehe dazu Bromberger et al. (1990), S. 63, 85, Przyrembel (2003), S. 48. So propagierte Ernst Mann (Pseudonym des späteren NS-Schriftstellers Gerhard Hoffmann, geb. 1887) die „schmerzlose Vernichtung“ unheilbar Kranker und die Tötung von Kindern, „für die nicht gesorgt werden kann“, Mann (1922), S. 56f. Vgl. Binding/Hoche (1920); ähnlich radikal später auch Buttersack (1926). Zum Gesetzentwurf siehe Borchardt (1922), S. 209f.: „Möge der im [...] Entwurf ausgeprägte Gedanke in irgendeiner Form Gesetzeskraft erlangen zum Wohle jener armen Wesen, die weder den Willen zu leben noch zu sterben haben, aber auch zum Wohle der Volksgesamtheit, die ein Recht darauf hat, von diesem furchtbaren Gegenbild echter Menschen erlöst zu werden!“. Ebenso perfide wie selbstentlarvend wirkt die Konstruktion, wonach die Tötung Geisteskranker in deren eigenem Interesse geschehe, gleichzeitig dieses vermeintliche Eigeninteresse aber als ein einklagbares Recht der „Volksgesamtheit“ bezeichnet wird. Siehe auch die Kritik zu Borchardts Entwurf, ebd., S. 292f.
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
das Bemühen vieler Mediziner und Juristen darauf, die Existenz unheilbar Geisteskranker oder behinderter Menschen zu einem vermeintlich drängenden Problem zu stilisieren, das einer endgültigen, bevorzugt juristisch abgesicherten Lösung bedürfe.88 Obwohl die Tötung „lebensunwerten“ Lebens in medizinischen Kreisen vorerst nicht mehrheitsfähig schien und der 1921 in Karlsruhe stattfindende Deutsche Ärztetag entsprechende Überlegungen ablehnte, gewann die biologistische Staatsauffassung, die den Staat als Organismus betrachtete, den es in seiner Gesamtheit zu heilen und gesund zu erhalten galt, immer mehr Anhänger. Dieses Bild vom völkischen Organismus, vom „Volkskörper“, sollte später zu einem zentralen Element der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik und Medizinethik werden.89 2.6. KRISENJAHRE DER MEDIZIN Während sich die allgemeinen politischen und sozialen Verhältnisse in Deutschland Mitte der 20er Jahre etwas entspannten, stellte sich die Lage im Bereich der Medizin weiterhin äußerst schwierig dar.90 Gerade der nachwachsenden Ärztegeneration mangelte es an einer Zukunftsperspektive. Ferdinand Bruckner hat in seinem 1926 uraufgeführten Drama „Krankheit der Jugend“ die zuweilen trostlose Lage der Medizinstudierenden in dieser Zeit eindrücklich dargestellt.91 Sinkende Einkommen und hohe Arbeitslosigkeit besonders unter den Jungärzten sorgten für erhebliches Konfliktpotenzial sowohl innerhalb der Ärzteschaft als auch zwischen konservativen Ärzten und der Regierung. Letztere versuchte unter sozialdemokratischer Führung, Reformansätze zur Sozialisierung der Medizin durchzusetzen. Besonders die von sozialdemokratischen Gesundheitspolitikern betriebene Einrichtung von Polikliniken und staatlichen Ambulatorien, die eine kostensparende medizinische Versorgung der sozial schwächeren Schichten 88
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Die „Euthanasie“-Diskussion der Weimarer Zeit im Detail nachzuzeichnen, würde den Umfang dieser einleitenden Kapitel sprengen. Die Diskurse sind umfassend dargestellt worden u.a. durch Grübler (2007), Merkel (2006), Frewer (2000a), (2000b), Schwartz (1998), Burkhardt (1981). Die Analogie von Staat und Organismus findet sich bereits in der Zeit der Romantik, vgl. Lohff (1990), S. 121–125. Es gab kaum einen nationalsozialistischen Politiker oder Ärztefunktionär, der in seiner Argumentation nicht das Bild vom „kranken Volkskörper“ benutzte. Der Begriff fand, ähnlich wie „Volksgesundheit“, jedoch nicht nur in rechts-völkischen Kreisen Verwendung, vgl. dazu Föllmer (2001). Der sozialdemokratische Arzt Julius Moses (vgl. Anm. 102) bezeichnete 1930 die Wahlerfolge der extremistischen Parteien als „eine Fiebererscheinung des sozial kranken Volkskörpers“, Der Kassenarzt 7 (1930), Nr. 38/39, S. 1. Allgemein zur Republik von Weimar u.a. Winkler (1993) sowie Wehler (2003). Zum Aspekt der Krise grundlegend Peukert (1987), gegen dieses Deutungsmuster wenden sich Föllmer/ Graf (2005). Auch ethische Probleme wie die aktive Sterbehilfe thematisierte Bruckner in dem Stück. So tötet einer der Protagonisten im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit ein „dem Tod verfallenes Kind“ und erhält dafür eine Gefängnisstrafe, woran die „Rückständigkeit des Strafgesetzes“ schuld sei, vgl. Bruckner (1928).
2.6. Krisenjahre der Medizin
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sicherstellen sollte, wurde von niedergelassenen Ärzten erbittert bekämpft.92 Die zahlreichen Probleme mündeten Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre in eine allgemein empfundene und publizistisch zusätzlich dramatisierte „Krise der Medizin“.93 Die vermeintliche „Entseelung der Heilkunde“ durch eine mechanistisch geprägte Medizin galt als eine wichtige Ursache der Krise.94 Spätestens in dieser Zeit gaben die Ärzte ihre vielbeschworene politische Neutralität auch offiziell auf und organisierten sich in diversen, unterschiedliche politische Richtungen favorisierende Gruppierungen.95 Trotz vieler positiver Reformansätze erlebte das staatliche Gesundheits- und Fürsorgesystem neben einer finanziellen auch eine grundsätzliche Legitimationskrise. Nicht nur die Krankenkassen wurden vehement kritisiert, das gesamte Prinzip der Sozialversicherung wurde von Ärztevertretern und populären Autoren wie dem Danziger Arzt Erwin Liek96 in Frage gestellt: Die Krankenversicherung sei nicht nur finanziell eine untragbare Last für das Gesundheitswesen, sie fördere zudem Krankheit und Arbeitsunfähigkeit, indem sie den Kranken auch noch mit finanziellen Leistungen belohne, und schade so dem Gesundungswillen, der „natürliche Kampf ums Dasein“ werde verhindert. „Die Krankenversicherung“, so Liek, „führt nicht nur zu körperlicher Verweichlichung, sondern auch zu moralischer Entartung.“97 Zudem verurteilte Liek das Überwiegen einer technisierten und in erster Linie therapeutisch orientierten Medizin und forderte eine ganzheitliche und vorwiegend präventiv ausgerichtete Heilkunde. Dies lässt eine weitere Dimension der „Krise der Medizin“ erkennen: Die Angst vieler Ärzte angesichts des um sich greifenden „Kurpfuschertums“. Nicht wenige Patienten wandten sich von der damals an einer Diskrepanz zwi92
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Hubenstorf sieht in den Ärzten der Weimarer Zeit „die streikerfahrenste und militanteste Gruppe des Bürgertums“, Hubenstorf (1989), S. 204. Die vielbeschworene Angst vor einer Proletarisierung des Ärztestandes und die Dramatisierung der Lage, wie sie etwa Heisler (1931) formulierte („Vergewaltigung durch den Staat. Notschrei eines Arztes“), entbehrten jedoch einer realen Grundlage, vgl. Wuttke-Groneberg (1982), S. 334. An dieser Stelle können die unterschiedlichen Probleme und Entwicklungen nur ansatzweise beschrieben werden. Zur „Krise der Medizin“ siehe Knipper (2007), dort auch weitere Literatur. Grundlegend Klasen (1984); Schmierer (2002) geht auch auf die Rolle des Faches Medizingeschichte in dieser Periode ein, vgl. ebd., S. 34–46. Liek (1926), S. 70. Vgl. etwa die 1926 gegründete „Reichsnotgemeinschaft Deutscher Ärzte“, in der sich vor allem die keine Kassenzulassung findenden „Jungärzte“ zusammenschlossen. Ihr Vorsitzender, Fritz Lejeune, stellte früh Kontakte zur NS-Bewegung und zum 1929 gegründeten „Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund“ (NSDÄB) her, vgl. Schmierer (2002), S. 76– 119, hier S. 116. Vgl. auch die zeitgenössische, unter Lejeune entstandene Dissertation von Ackermann (1938). Bereits 1924 hatte sich der mit prominenten Mitgliedern besetzte „Verein sozialistischer Ärzte“ gegründet. Allgemein dazu: Sodt (1998). Erwin Liek (1878–1935), Chirurg und Schriftsteller. Sein 1926 erstmals erschienenes Buch „Der Arzt und seine Sendung“, in der er die mechanisierte Fortschrittsmedizin kritisierte, erlebte bis 1936 zehn Auflagen. Das Angebot, nach 1933 erster „Reichsärzteführer“ zu werden, schlug Liek aus gesundheitlichen Gründen aus. Viele der Grundüberzeugungen Lieks wurden von den Nationalsozialisten aufgegriffen. Zu Liek siehe Schmid (1989) und Jehs (1994). Liek (1926), S. 47–69, hier S. 52. Zum Verhältnis zwischen Krankenkassen und Ärzten siehe auch Thomsen (1996).
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
schen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten leidenden Schulmedizin ab. Hilfe und Zuwendung suchten sie nicht nur bei Heilpraktikern und Homöopathen, auch Laienbehandler verzeichneten einen steigenden Zulauf. Auf diese Entwicklung stützte sich später der Versuch einiger nationalsozialistischer Ärzte, eine sogenannte Neue Deutsche Heilkunde zu etablieren.98 Der Gynäkologe und Medizinhistoriker Paul Diepgen gab die Forderungen nach einer Revision der Ideen und Grundlagen der Medizin des ausgehenden 19. Jahrhunderts recht prägnant und objektiv wieder. Auf die vielfach beklagten Schwächen dieser Medizin eingehend, welche die „Krisis der Heilkunde“ herbeigeführt hätten, schrieb Diepgen 1928: „Die größten Fehler waren wohl die allzu einseitige Betonung des naturwissenschaftlichen Gedankens, die eine Zeitlang über der Krankheit den kranken Menschen vergaß und die Psyche vernachlässigte, die allzu einseitige Einstellung auf das erkrankte Organ, die im extremen Spezialismus übersah, daß immer der ganze Mensch erkrankt und behandelt werden muß.“99
Diepgen selbst beobachtete diese Medizinkritik eher von ferne, als dass er sich aktiv an ihr beteiligte. Als Medizinhistoriker hielt er sich nicht für befugt, Wertungen über die moderne Medizin abzugeben.100 Für Zeitgenossen schien dennoch eines offensichtlich zu sein: die seit dem 19. Jahrhundert auf dem Siegeszug befindliche, vorwiegend naturwissenschaftlich orientierte Heilkunde verfügte über keine probaten Mittel, die medizinischen Probleme der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zu lösen. 2.7. „ETHIK TUT NOT!“ – MEDIZIN UND MORAL IM VORFELD DER DIKTATUR Die „Krise der Medizin“ empfanden viele Zeitgenossen auch als eine Krise der medizinischen Ethik. In einem überwiegend mit der Durchsetzung ärztlicher Standesinteressen beschäftigten Umfeld wurden medizinethische Probleme wie zum Beispiel der Lübecker Impfskandal von 1930 zunächst nur von wenigen Ärzten thematisiert.101 Nicht zuletzt als Reaktion auf die Ereignisse von Lübeck entwickelte der Reichsgesundheitsrat unter maßgeblicher Beteiligung des sozial98
Zu diesem schließlich gescheiterten Projekt der Zusammenführung verschiedener naturheilkundlicher und alternativer Medizin-Konzepte siehe u.a. Bothe (1991). 99 Diepgen (1928), S. 2174. Die Kritik an einer Mechanisierung und Spezialisierung der modernen Medizin war nicht neu. Bereits 1919 findet sie sich in Theodor Fritschs antisemitischem „Handbuch der Judenfrage“ und wird dort zur Agitation gegen jüdische Mediziner benutzt, vgl. Kümmel (1998), S. 39. 100 An diesem Standpunkt Diepgens entzündete sich zwischen ihm und dem Gießener Internisten und Medizinhistoriker Georg Honigmann eine intensive Kontroverse, die in der Klinischen Wochenschrift ausgetragen wurde, vgl. dazu Knipper (2007), S. 382–385. 101 Bei einem Impfzwischenfall mit verunreinigtem Tuberkulose-Impfstoff in Lübeck starben 77 von 244 geimpften Säuglingen, weitere 126 erkrankten an Tuberkulose. Vgl. dazu u.a. Moses (1930) sowie Nadav (2004).
2.7. „Ethik tut not!“ – Medizin und Moral im Vorfeld der Diktatur
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demokratischen Arztes und Reichstagsabgeordneten Julius Moses102 weitere Ansätze einer kodifizierten Forschungsethik: 1931 traten die vom Reichsgesundheitsrat verabschiedeten „Reichsrichtlinien zur Forschung am Menschen“ in Kraft.103 Diese stellten einen frühen und beachtenswerten Versuch dar, einem Teilbereich der Medizinethik einen verbindlicheren Rahmen zu geben. Gleichzeitig gelang es der Reichsregierung damit, einen letzten moralischen Akzent in der Gesundheitspolitik zu setzen. Die mangelnde Rezeption dieser Richtlinien zeigte jedoch, dass staatliche Maßnahmen keineswegs ausreichten, um die schrittweise Aufweichung ethischer Standards aufzuhalten. Eine wichtige Quellengrundlage für die verzweigten Diskurse über Moralphilosophie und Medizin bildet die 1922 gegründete Zeitschrift „Ethik“, die der Hallenser Physiologe und Ethiker Emil Abderhalden104 entscheidend prägte und in der namhafte Autoren zu Wort kamen. Diese Publikation kann bis zu ihrer Einstellung im Jahr 1938 als eine Art Gradmesser der allmählichen Entwicklung hin zu einer biologistischen Ethik angesehen werden.105 Im gleichen Jahr, in dem die genannten Reichsrichtlinien veröffentlicht wurden, beschäftigte sich der Göttinger Arzt Felix Buttersack106 mit der Rolle der medizinischen Ethik in der ärztlichen Ausbildung. Das Moralische verstehe sich keineswegs mehr von selbst, so Buttersack, „im Hinblick auf die heutigen Zustände möchte man eher sagen: Das Unmoralische versteht sich von selbst.“107 Im Verlauf der Weiterentwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin sei die Ethik auf der Strecke geblieben. Der „Niedergang des Aerztestandes“ beruhe auch auf einem „Defizit an Ethik bei manchen seiner Repräsentanten“.108 Buttersacks Ausführungen sind ein Hinweis auf die von vielen Ärzten geteilte Sorge vor Ansehensverlust ihres Berufsstandes. Klagen über den gefühlten Niedergang ärztlicher Ethik waren nicht selten Ausdruck eines allgemeinen Fortschrittszweifels, 102 Julius Moses (1868–1942), Gründungsmitglied des sozialdemokratischen Ärztevereins, von 1920–1932 Mitglied des Reichstags (USPD/SPD), Herausgeber der Zeitschrift „Der Kassenarzt“, seit 1928 Mitglied des Reichsgesundheitsrates. Als Jude wurde ihm 1938 die Approbation aberkannt. Kurz nach seiner 1942 erfolgten Deportation nach Theresienstadt ist er dort umgekommen. Zu Moses siehe Schneider (2006) sowie Nadav (1985). 103 Siehe Reichsgesundheitsblatt 6, 55 (1931), S. 174f. Zum Hintergrund vgl. Winau (2003). 104 Emil Abderhalden (1877–1950), Schweizer Physiologe und Ethiker, war seit 1911 Professor für Physiologie an der Universität Halle. Abderhalden war Vorsitzender des Ethikbundes und gab bis zu ihrer 1938 erfolgten Einstellung die Zeitschrift „Ethik“ heraus. Von 1932 bis 1945 war er zudem Präsident der Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle. Abderhalden befürwortete eugenische Maßnahmen im Rahmen der „Sozialhygiene“, so zum Beispiel die Zwangssterilisation, und sympathisierte mit der Gesundheitspolitik der Nationalsozialisten. Ausführlich zur Rolle Abderhaldens siehe Frewer (2000b). 105 Vgl. dazu Frewer (2000a), (2000b). 106 Felix Buttersack (1865–1950), nach Medizinstudium in Berlin dort seit 1896 als Stabsarzt an der Charité tätig. Im Ersten Weltkrieg Militärarzt, seit 1924 als Generalarzt a. D. in Göttingen lebend und publizistisch aktiv. Buttersack war Verfechter scharfer eugenischer und sozialhygienischer Maßnahmen und befürwortete die Tötung unheilbar Kranker. Auch im Zweiten Weltkrieg bezog er noch des öfteren Stellung zu medizinethischen Fragen. 107 Buttersack (1931), S. 1570. Der Aufsatz war mit dem Appell „Ethik tut not!“ überschrieben. 108 Ebd., S. 1571.
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
dem ein romantisiertes, paternalistisches Arztideal gegenüberstand, das zunehmend gefährdet schien.109 Forderungen nach mehr Mitmenschlichkeit und Fürsorge für Patienten standen dabei eher im Hintergrund. Doch auch von einer kollegialen Standesethik, auf die sich die Ärzteschaft gerne berief, ließ sich angesichts der Härte der Auseinandersetzungen zwischen den ärztlichen Vertretern der politischen Linken und denen des rechten Lagers kaum noch sprechen. Wie so oft in der Weimarer Republik trugen solche politisch und ökonomisch motivierten Konfrontationen nicht selten Züge eines hasserfüllten Kampfes, in dessen Verlauf die sozialistisch orientierte Ärzteminderheit derart ausgegrenzt wurde, „daß der Schritt zur administrativen ‚Ausschaltung’, wie sie 1933 erfolgen sollte, emotional längst vorbereitet war.“110 Der Ende Juli 1932 vorliegende Gesetzentwurf zur freiwilligen Sterilisation, an dessen Ausarbeitung unter anderem auch der Psychiater und Rassenhygieniker Ernst Rüdin111 beteiligt war, lässt den Druck erkennen, den utilitaristisches und kollektivistisches Denken gegen Ende der Weimarer Republik auf die Medizinethik ausübte. Dieses Denken war in bürgerlichen ebenso wie in sozialistischen Kreisen weit verbreitet.112 Auch Medizintheoretiker nahmen – mehr oder weniger radikal – zu sozialhygienischen Fragen Stellung. Der Arzt und Medizinhistoriker Walter von Brunn113 beklagte sich 1931 in einem Brief an seinen ungarischen Freund und Kollegen Tibor Györy114 über „den Blödsinn der Befürsorgung Minderwertiger“. Man müsse „sich endlich entschließen, alles zu sterilisieren, was mit seinem Anhang der Nation, dem Volkswohl nachteilig ist und bleiben wird [...].“115 Obwohl das geplante Sterilisierungsgesetz die Zustimmung der Betroffenen voraussetzte, bedeutete es zweifellos einen ersten Schritt auf dem Weg zur 109 Beispielhaft etwa Liek (1926), Jacobs (1929). 110 Hubenstorf (1989), S. 206. 111 Ernst Rüdin (1874–1952), Psychiater und Rassenhygieniker, ab 1917 an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München, die 1924 in ein Kaiser-Wilhelm-Institut umgewandelt wurde, ab 1931 Leiter dieser Einrichtung. Rüdin wirkte maßgeblich am Sterilisationsgesetz von 1933/34 und an der Vorbereitung der „Euthanasie“-Aktion mit. 112 Siehe dazu Weindling (1987) sowie Schwartz (1995). 113 Walter von Brunn (1876–1952), zunächst Chirurg und Stadtschularzt in Rostock, habilitierte sich 1919 für Geschichte der Medizin. 1934 trat er die Nachfolge des nach Baltimore berufenen Henry E. Sigerist auf dem Leipziger Lehrstuhl für Medizingeschichte an. Beinahe jeder der von Oommen-Halbach (2004) edierten Briefe, die von Brunn an Györy schrieb, entlarvt von Brunn als einen rechtskonservativen Nationalisten, Antisemiten und Rassisten, woraus dieser auch keinen Hehl machte: „Ich bin zwar so stark national, daß ich von den Nazis stets fast als einer der Anhänger behandelt werde, aber eben nur, weil ich immer national war und immer den Juden in kühler Reserve gegenüber gestanden habe. [...] Wenn erst einmal erwiesen sein wird, daß die wirtschaftlichen Pläne der Nazis vernünftig [beide Hervorhebungen im Original] sind und überhaupt ausführbar sind, dann werde ich mich auch wohl restlos zu Hitler bekennen [...].“ von Brunn an Györy, 10.05.1933, Oommen-Halbach (2004), S. 207– 209. Auf seinen Vorgänger Sigerist gemünzt äußerte von Brunn: „Dem Arier ist Arbeit Freude – dem Juden ist Arbeit Qual!“ Von Brunn an Györy, 22.10.1933, ebd., S. 230. 114 Tibor Györy (1869–1938) war Arzt, Medizinhistoriker und stellvertretender Staatssekretär im ungarischen Gesundheitsministerium in Budapest. 115 Von Brunn an Györy, 27.12.1931, Oommen-Halbach (2004), S. 153f.
2.7. „Ethik tut not!“ – Medizin und Moral im Vorfeld der Diktatur
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Umsetzung einer negativen Eugenik. Auch diese Ansicht brachte Walter von Brunn in dem genannten Brief zum Ausdruck: „Die so oft angepriesene ‚Förderung der Voll- und Hochwertigen’ mit dem Ziel, sie zu vermehrter Kinderproduktion zu veranlassen, ist theoretisch wunderschön, aber meines Erachtens praktisch ziemlich aussichtslos, dauert auch viel zu lange, bis man Erfolge sehen kann – aber wenn man Schluß macht mit den Minderwertigen, das geht schnell! Aber ohne Sentimentalität! [...] Es ist schon geraten worden, in mildester Form (Blausäure) sich der Schädlinge, des Unkrauts zu entledigen: es wäre[n] gut und gern, Hunderttausende zu entbehren! [...] Ob die Nazis dazu zu haben sein werden, weiß ich nicht; vorläufig bezweifle ich noch, ob sie zu wirklich logisch-praktischen Handlungen befähigt sind.“116
Die Nationalsozialisten betrachteten sich inmitten der „Krise der Medizin“ als die berufenen Anwälte der medizinischen Ethik in Deutschland. Die NSDAP verkündete im Juli 1930, dass „nur ein beruflich freier und ethisch hochstehender deutscher Ärztestand – frei von jüdischem Einfluß in seinen eigenen Reihen“ eine Zukunft haben werde.117 Die Wahrung der Berufsfreiheit und den Ausschluss jüdischer Kollegen aus der Ärzteschaft sah man als Voraussetzungen an für die Hebung des Berufsethos. Hier wird einmal mehr deutlich, dass die Nationalsozialisten Ethik in einem Sinne definierten, der mit dem tradierten Bedeutungsinhalt kaum etwas gemein hatte. Der Berliner Arzt und SPD-Reichstagsabgeordnete Julius Moses erkannte dies recht früh. 1932 veröffentlichte er in der Zeitschrift „Arbeiterwohlfahrt“ einen beinahe prophetisch zu nennenden Aufruf, in dem er vor der moralischen Korrumpierung der Medizin durch die Nationalsozialisten warnte: „Was bisher als ein ethisches und moralisches Gesetz für die Aerzteschaft galt, soll im ‚Dritten Reich’ über Bord geworfen werden: Der Arzt als Helfer und Freund der kranken Menschen soll verschwinden und an seine Stelle der Selektionsarzt treten, dem die Aufgabe zuteil wird, die sogenannten ‚Ballastexistenzen’ zu vernichten [...]. Der Aerztestand als ein humanitäres Element in der menschlichen Gesellschaft soll zu existieren aufhören.“118
Moses fuhr fort: „Was bisher für die Medizin als oberstes Gesetz galt, Kranke, ohne Rücksicht darauf, ob sie dieser oder jener ‚Rasse’ angehören, in gleicher Weise zu behandeln, ihnen zu helfen und ihre Schmerzen zu lindern, soll im ‚Dritten Reich’ einfach beseitigt werden: Vernichtungskampf gegen die unheilbar Kranken und Siechen! Das ist die Parole dieser Menschenfreunde. [...] Geheilt sollen also nur die Heilbaren werden! Die unheilbar Kranken sind ‚Ballastexistenzen’, ‚Menschenschund’, ‚lebensunwert’ und ‚unproduktiv’: sie müssen vom Arzt getötet werden.“119 116 Ebd., S. 154f. 117 Zitiert nach Kümmel (1993), S. 71. 118 Moses (1932a), S. 197. Ähnlich kritisch und vorausschauend äußerte sich 1932 der Medizintheoretiker Richard Koch in der „Frankfurter Zeitung“, vgl. Boltres et al. (2006), S. 161. Zu Koch siehe unten, Anm. 256. 119 Ebd., S. 197f. In seiner Zeitschrift „Der Kassenarzt“ sah Moses das Schicksal jüdischer oder politisch links stehender Ärzte, und damit auch sein eigenes, in beklemmender Weise voraus. Neben ärztlicher Ethik würde „auch der heute noch viel gerühmte Begriff der ‚ärztlichen Kollegialität’ und der ‚Standeswürde’ über den Haufen geworfen. Der sozialistische und jüdische Arzt wird im ‚Dritten Reich’ als Paria behandelt.“ Moses (1932c), S. 3.
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2. Der medizinethische Diskurs bis zum Ende der Weimarer Republik
Mit seiner auch in anderen der SPD nahestehenden Zeitungen publizierten Kritik brachte Moses die NSDAP im Wahlkampfjahr 1932 erheblich in Bedrängnis. Den weiblichen Wählern entwarf Moses ein drastisches Bild der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik: „Wollt Ihr, daß die Kinder, an denen Ihr am meisten hängt, die kränklichen und schwachen, von Staats wegen getötet werden; wollt ihr, daß eure ergrauten Männer und Eltern getötet werden, daß jährlich bei euch der Henker Nachschau hält und euch die lieben ‚Ballastexistenzen’ entreißt [...]? Dann entscheidet euch für das ‚Dritte Reich’! Und wenn ihr selbst eine ‚Ballastexistenz’ seid, dann unterschreibt euer Todesurteil!“120
Den damaligen NSDAP-Landtagsabgeordneten und späteren „Reichsärzteführer“ Leonardo Conti hatte Moses mit dem Vorwurf, er wolle die Fürsorge für unheilbar kranke oder erblich belastete Kinder einschränken, derart in die Enge getrieben, dass sich dieser sogar zu einer offiziellen Gegendarstellung veranlasst sah.121 An der allgemeinen politischen Entwicklung, die am 30. Januar 1933 in die Machtübertragung an Hitler münden sollte, änderte sich freilich nichts. Noch 1932, in dem Jahr, in dem er seinen weitblickenden Aufsatz publizierte, verlor Moses infolge der hohen Stimmenverluste der SPD seinen Sitz im Reichstag. Bei der im Juli 1932 stattfindenden Wahl erhielt die SPD nur noch 133 Sitze im Reichstag, stärkste Fraktion wurde erstmals die NSDAP mit 230 Mandaten. Über eines dieser Mandate zog ein anderer Arzt neu in den Reichstag ein, der ebenfalls als Kassenarzt praktizierende Dr. Rudolf Ramm, SS-Standartenarzt, Gauobmann des nationalsozialistischen Ärztebundes und bis dahin Stadtrat in Pirmasens. Ramm war überzeugter Anhänger einer neuen, nationalsozialistischen Medizinethik. Neben ihm saßen noch drei weitere Ärzte als NSDAP-Abgeordnete im Reichstag. Deutlicher konnten sich die Zeichen der neuen Zeit nicht ankündigen. 2.8. ZUSAMMENFASSUNG Bereits um die Jahrhundertwende legten Anhänger des Sozialdarwinismus, unter ihnen Ärzte und Biologen, aber auch Politiker und Industrielle, getrieben von der Angstvision einer verfallenden Gesellschaft, die Grundlagen für die spätere Wirkungsmacht der Rassenhygiene in Deutschland. Eine neue, in erster Linie auf das Wohl des „Volkskörpers“ gerichtete medizinische Ethik entstand. Diese Kollektivethik erfuhr im Ersten Weltkrieg erstmals ihre praktische Anwendung und lebte auch in den Jahren der Weimarer Republik weiter fort. Unter dem Eindruck einer ökonomischen und sozialen Krise mehrten sich Stimmen, die eine Befreiung der „Volksgemeinschaft“ von sogenannten „Ballastexistenzen“ forderten. Einschränkende staatliche Bestimmungen hinsichtlich medizinischer Experimente am Menschen erlangten zwar 1931 Gültigkeit, der Schwerpunkt des medizinethischen Diskurses hatte sich jedoch bereits in einen anderen Bereich 120 Moses (1932a), S. 199. 121 Vgl. Moses (1932b) sowie Contis Gegendarstellung in: Arbeiterwohlfahrt 8 (1933), S. 19f. Siehe auch Schwartz (1998), S. 630f.
2.8. Zusammenfassung
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verlagert: den der staatlichen Durchsetzung eugenischer Maßnahmen und ihrer moralischen Legitimierung. Von der aufkommenden nationalsozialistischen Bewegung erhofften sich viele Ärzte neben einer besseren Vertretung ihrer wirtschaftlichen und standespolitischen Interessen auch die Umsetzung einer schärferen sozialhygienischen Gesetzgebung. Warnende Stimmen, wie die des Berliner Arztes Julius Moses, blieben nicht nur ungehört, sondern wurden ausgegrenzt und verunglimpft. Im Jahr 1933 vollzog der Großteil der deutschen Ärzteschaft den Schritt zur Diktatur der Nationalsozialisten bereitwillig mit und damit die Hinwendung zur praktischen Umsetzung biologistischer Ethik.
3. DER NATIONALSOZIALISMUS UND DIE „ERNEUERUNG DER ETHIK“ (1933–1939) „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ – mit dieser propagandistischen Parole der Nationalsozialisten überschrieb der Physiologe und Medizinethiker Emil Abderhalden 1935 einen Leitartikel in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Ethik“.122 Diese Formel beschreibt einen wesentlichen Grundsatz nationalsozialistischer Medizinethik, der 1933 zur Staatsdoktrin wurde. Fritz Lenz ließ eine von ihm erstmals 1917 veröffentlichte Schrift unter dem Titel „Die Rasse als Wertprinzip – Zur Erneuerung der Ethik“ 1933 ein zweites Mal auflegen.123 Lenz und seine Mitstreiter auf dem Gebiet der Rassenhygiene sahen sich 1933 am Ziel ihrer Wünsche: die praktische Umsetzung ihrer Theorien stand bevor. Auch der Nationalsozialistische Ärztebund äußerte kurz nach der Machtübernahme Hitlers die Erwartung, eine „neue ärztliche Ethik“ werde sich nun durchsetzen.124 Doch was verstanden die Nationalsozialisten überhaupt unter Ethik? Wie stellte sich die nationalsozialistische Philosophie als formale Voraussetzung für eine entsprechende Ethik dar? Diesen Fragen soll im Folgenden kurz nachgegangen werden, bevor die eigentliche Medizinethik ins Blickfeld rückt. 3.1. PHILOSOPHIE UND NATIONALSOZIALISMUS Die Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung sprachen gerne und oft von ihrer „Weltanschauung“, doch war diese gleichzusetzen mit einer Philosophie des Nationalsozialismus? Ob es eine solche Philosophie gegeben hat, ist bis heute umstritten.125 Die diesbezügliche Forschung hat zudem erst begonnen.126 Dagegen bildete die nationalsozialistische Weltanschauung an vielen Universitäten durchaus die Grundlage für die Entwicklung einer eigenen nationalsozialistischen Ideengeschichte.127 Abgesehen von Alfred Rosenberg, dem Chefideologen der 122 123 124 125
Ethik XII (1935/36), S. 1–12. Vgl. dazu auch Frewer (2000a), S. 122f. Lenz (1933). Zu Lenz siehe Anm. 75 der vorliegenden Arbeit. „Zur Berufsethik des Arztes“, in: Ziel und Weg 3 (1933), S. 157–159, hier S. 157. Hartmann (1994) zufolge gab es kein „wie immer geordnetes Ideensystem, welches berechtigte, anders als im umgangssprachlichen Sinn von einer ‚Philosophie des Nationalsozialismus’ zu sprechen.“ Hartmann (1994), S. 62f. Dagegen Leske (1990): „Es gab nicht nur Nazis, die Philosophie betrieben, sondern auch eine Naziphilosophie im Sinne einer mehr oder minder einheitlichen Grundkonzeption.“ Leske (1990), S. 117. Haas spricht zumindest von einer kohärenten „Nazi Ethic“, Haas (1988b), S. 383–385 und passim. 126 Vgl. Böhnigk (2000), S. 9, Wolters (2002), S. 38. Neuerdings ausführlich Tilitzki (2002), jedoch mit problematischen, teils revisionistischen Wertungen. Zuletzt Sandkühler (2008). Zur nationalsozialistischen Moral siehe auch oben, Anm. 18. 127 Vgl. Sandkühler (2008), Tilitzki (2002), Grüttner (1999), Korotin (1994), Laugstien (1990), Leske (1990).
3.1. Philosophie und Nationalsozialismus
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NSDAP und „Wächter der nationalsozialistischen Weltanschauung“,128 der mit seinem Werk „Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts“ den Versuch unternahm, eine systematische Darstellung der offiziellen NS-Philosophie zu geben, bemühten sich auch zahlreiche Fachphilosophen, dem Nationalsozialismus eine metaphysische Basis zu errichten. Denker aus dem universitären Bereich ließen sich keineswegs nur passiv in das Regime verstricken, etliche bemühten sich auch aktiv, es philosophisch zu legitimieren.129 Den ersten Akzent in diese Richtung setzte 1933 Martin Heidegger mit seiner berüchtigten Freiburger Rektoratsrede.130 Weniger bekannt sind die auf deutscher Mystik aufgebaute „Philosophische Grundlegung des Nationalsozialismus“ von Hermann Schwarz, die „Völkischpolitische Anthropologie“ Ernst Kriecks oder die „Politische Pädagogik“ Alfred Baeumlers.131 Baeumler zählte zu den profiliertesten Philosophen des Nationalsozialismus und präsentierte sich als überzeugter Vertreter einer gegen die Eigenrechte des Individuums gerichteten Kollektivethik.132 Mit den Positionen und Gedanken Arnold Gehlens oder Erich Rothackers ließe sich diese Aufzählung leicht verlängern.133 Ohne an dieser Stelle näher auf den Komplex Philosophie und Nationalsozialismus eingehen zu können, lässt sich festhalten, dass Hitlers Weltanschauung keinesfalls nur auf die Rassenideologie reduziert werden kann. Selbst wenn der Schöpfer dieser Weltanschauung selbst ein Anhänger archaischer Naturgesetze blieb, so entwickelte doch auch die Philosophie als Fachdisziplin zum Teil faschistisch geprägte Ideen und Konzepte. Merkmale dieser philosophischen Konzepte waren unter anderem die Bekämpfung des sogenannten „liberalistischen Individualismus“, die Ablehnung der Dialektik als Methode und die Propagierung einer ja auch für die NS-Medizin konstitutiven Ganzheitsmystik.
128 Wistrich (1983), S. 229. Zu Rosenberg vgl. Piper (2005). 129 Siehe hierzu Leske (1990), die darauf hinweist, dass Philosophie, entgegen der von Georg Lucács vertretenen Ansicht, keineswegs immer und prinzipiell mit Vernunft im Sinne von Rationalität und Humanität zusammengehe. So bedeute Zerstörung der Vernunft auch nicht automatisch das Verschwinden von Philosophie, im Gegenteil: philosophisches Denken könne auch als Waffe gegen Weisheit und Wissen eingesetzt werden, vgl. ebd. S. 6. 130 Dazu demnächst Faye (2008). 131 Vgl. Schwarz (1936). Der Versuch einer philosophischen Deutung des „Horst-Wessel-Lieds“ (ebd., S. 28) verrät einiges über den Anspruch dieser Schrift. Schwarz (1864–1951) war Professor für Philosophie in Greifswald und 1922/23 Rektor der dortigen Universität. Nach seiner Emeritierung 1933 Lehrauftrag in Frankfurt am Main (bis 1944). Früher Hitler-Anhänger und Verfasser zahlreicher Schriften im Geist der NS-Ideologie. Zu Krieck vgl. u.a. Grüttner (1999). 132 „Wir verurteilen die Lehre vom absoluten Eigenrecht des Individuums, vom Sichausleben der Persönlichkeit“, so Baeumler in seiner Antrittsvorlesung an der Berliner Universität im Mai 1933, Baeumler (1934), S. 128. Ausführlich zu Baeumler siehe Leske (1990), S. 203–237. Tilitzki sieht in Baeumler und Krieck die wichtigsten Protagonisten einer „dezidiert nationalsozialistischen Philosophie“, Tilitzki (2002), S. 613. Vgl. auch Wolters (2008). 133 Zu den Genannten siehe u.a. Leaman (1993), Haug (1989). Baeumler, Krieck und Rothacker unterzeichneten bereits zur Reichstagswahl im Juli 1932 die „Erklärung deutscher Universitäts- und Hochschullehrer“, in der zur Wahl Hitlers aufgerufen wurde, vgl. Laugstien (1990), S. 202.
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
3.2. „NEUE DEUTSCHE ETHIK“ ALS KRITIK AN DER HERKÖMMLICHEN MORAL Es verwundert kaum, dass auch die Ethik, als Sittenlehre ein Teilgebiet der praktischen Philosophie, eine entscheidende Neuorientierung erlebte. Viele nationalsozialistische Philosophen bemühten sich, eine „neue Ethik“ zu etablieren, die den Grundsätzen der nationalsozialistischen Ideologie entsprach.134 Konkrete Inhalte einer solchen Moralphilosophie blieben jedoch oft hinter plakativen und eher vage gehaltenen Phrasen verborgen. Otto Dietrich, Reichspressechef der NSDAP,135 erklärte in einer vielbeachteten Rede zu den „philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus“ kurzerhand das Sittengesetz Kants zur Basis nationalsozialistischer Ethik: „Kants Sittengesetz: ‚Handele so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten kann’, ist die geradezu klassische Formulierung nationalsozialistischer Ethik“.136 Alfred Rosenberg hingegen verkündete die schlichte Parole: „Die Neue Ethik des Nationalsozialismus heißt Tapferkeit“.137 Ein ständig wiederkehrendes und als solches auch konstant deklariertes Element nationalsozialistischer Ethik war die Fixierung auf das vermeintliche Wohl der Allgemeinheit und des deutschen Volkes im Speziellen. Diese Gemeinschaftsethik vertrat unter den Philosophen bereits 1925 Hermann Schwarz, der mit der nationalsozialistischen Bewegung seit 1923 eng verbunden war.138 Schwarz beschrieb das „Umschlagen des Humanitätsgedankens in den Nationalgedanken“ in der Zeit der deutschen Romantik und be-
134 Vgl. dazu Weikart (2004). Zeitgenössische Forderungen nach einer „neuen Ethik“ erhoben Mandel (1937), S. 24 sowie Hennemann (1938). Bezogen auf die Bevölkerungspolitik und die Medizin sprach 1903 bereits Schallmayer von der Notwendigkeit einer „neuen Ethik“, vgl. ders. (1903), S. 250. 1917 setzte sich Lenz für eine „Erneuerung der Ethik“ ein, die eine „Ethik der Rasse“ sein müsse, Lenz (1917), S. 48. Studien zur Geschichte der Ethik während des Nationalsozialismus sind eher dünn gesät; Weikart (2004) konzentriert sich in erster Linie auf Hitler, wofür einiges sprechen mag. Völlig übergangen wird die nationalsozialistische Epoche bei Schweidler (2004). Der Begriff „nationalsozialistische Ethik“ wird von Autoren oft vermieden oder höchstens apostrophiert verwendet; im Gegensatz dazu: Haas (1988b), Leske (1990). Im Folgenden kann nur auf einige Werke zur Ethik in dieser Zeit eingegangen werden, auch konnte eine eingehende Analyse der zahlreichen Schriften im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht das Ziel sein. 135 Otto Dietrich (1897–1952) studierte Politische Wissenschaften und Philosophie und fungierte von 1933 bis 1945 als Pressechef der NSDAP. Er beriet Hitler in Öffentlichkeitsfragen. 136 Dietrich (1935), S. 23. Dietrich propagierte in diesem Vortrag auch ein kollektivethisches, organisches Weltbild: „Der Mensch tritt uns in der Welt entgegen nicht als Einzelwesen, sondern als Glied einer Gemeinschaft. Der Mensch ist in allen seinen Handlungen Kollektivwesen und kann überhaupt nur so gedacht werden.“ Ebd., S. 16. 137 Zitiert nach Hennemann (1938), S. 85. 138 Zur Gemeinschaftsethik von Schwarz siehe ders. (1925), S. 107f. Schwarz trat 1923 der NSDAP bei und blieb trotz seines Parteiaustritts 1924 der „Bewegung“ eng verbunden. Zu den näheren Umständen vgl. Leaman (1993), S. 79.
3.2. Kritik an der herkömmlichen Moral
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tonte in Anlehnung an Nietzsche den Auslesegedanken in der Politik: „Der Mut und der Krieg haben mehr große Dinge hervorgebracht als die Nächstenliebe.“139 Nationalsozialistische Autoren betrachteten Ethik zunehmend nicht mehr nur als Moralphilosophie im ursprünglichen Sinne. Vielfach trivialisierten und entleerten sie den Ethikbegriff. 1935 kennzeichnete Georg Usadel140 „Zucht und Ordnung“ als „Grundlagen einer nationalsozialistischen Ethik“. Seine gleichnamige Schrift wollte er im Vorwort bewusst als Popularphilosophie verstanden wissen. Geht man davon aus, dass Moral in der wissenschaftlichen Diskussion eher den Bereich der sittlichen Phänomene, und Ethik die philosophische Reflexion auf die Moral bezeichnet, so liest sich Usadels Schrift in weiten Teilen eher als Leitfaden für eine sittliche Lebensgestaltung. „Sittlich“ wiederum verwendeten viele nationalsozialistischen Autoren gleichbedeutend mit „ethisch“.141 Ebenfalls 1935 erschien Hugo Dinglers142 „Absolute Ethik“, in der dieser das Bild von der „Volksgemeinschaft“ als einer „ethische[n] Collektivpersönlichkeit“ entwarf, in der alles sich dem Wohl der Gemeinschaft unterzuordnen hätte.143 Gerade diese Gemeinschaftsideologie sah Dingler als etwas zutiefst Moralisches an, er fasste die Volksgemeinschaft als „ein ethisches Individuum höherer Ordnung“ auf und sprach den Gegnern einer solchen Gemeinschaft jegliche ethische Gesinnung ab.144 Der Medizinethiker Emil Abderhalden, der in seiner Zeitschrift „Ethik“ Dinglers Buch rezensierte, kam zu dem Schluss, dass dessen Anschauungen über Ethik „zu Auffassungen hinführen, wie sie von Adolf Hitler vertreten werden. Es sind Aufgaben von höchstem ethischen Werte, die er dem deutschen Volke gestellt hat.“145 1937 postulierte der in Kiel lehrende Hermann Mandel seine „Wirklichkeitsethik“, in welcher er „Personalethik“ und „Volksethik“ in einer „neuen deutschen
139 Schwarz (1937), S. 50. Schwarz glaubte, bereits in Friedrich Schiller einen Vordenker der Kollektivethik zu erkennen, vgl. ebd., S. 38f. 140 Georg Usadel (1900–1941) war 1934 als Oberregierungsrat im Reichsinnenministerium zuständig für Jugendfragen und somit kein Fachphilosoph. Er war in der NSDAP aktiv und nebenbei publizistisch tätig. 141 Usadel (1935). Das Buch „Zucht und Ordnung“ erschien bereits 1937 in 5. Auflage, bis 1942 wurden über 85.000 Exemplare gedruckt. 142 Hugo Dingler (1881–1954), Professor für Philosophie an der Universität München, polemisierte als Wissenschaftstheoretiker der „Deutschen Physik“ gegen Einsteins Relativitätstheorie und arbeitete daneben auch für die SS-Wissenschaftsorganisation „Das Ahnenerbe“. Er stand unter anderem in Briefkontakt mit dem Berliner Medizinhistoriker Paul Diepgen, vgl. UAHU, IfG, Nr. 27, Bl. 329–336. 143 Dingler (1935), S. 149 und passim. Zu beachten ist, dass Dingler dieses Buch bereits 1933 im wesentlichen abgeschlossen hatte, vgl. ebd., Vorwort. Trotz einiger Ansätze in Richtung auf eine biologistische Ethik kann das Buch nicht als konstitutiv für eine nationalsozialistische Ethik gelten. 144 Dingler (1935), S. 149–152. An anderer Stelle zog auch Dingler das Bild vom „gesunde[n] Körper der Volksgemeinschaft“ heran, ebd., S. 155. Vgl. auch die eher unkritische Rezension von Dinglers „Absoluter Ethik“ im Journal of Philosophy 33 (1936), S. 327f. 145 Ethik XII (1935/36), S. 239.
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
Ethik“ zusammenzuführen suchte,146 dies jedoch nicht immer im Einklang mit der nationalsozialistischen Weltanschauung. So räumte Mandel der völkischen Ethik keinen Absolutheitsanspruch ein: „Wohl ist das Volk ein Hauptgegenstand und -wert des Ethos, aber doch nicht der einzige: neben ihm steht als der andere Grundwert und Verpflichtungsgrund die Person als Person.“147 Auch an anderer Stelle trat Mandel ungewöhnlich deutlich für Recht und Würde des Einzelnen ein: „Die Voraussetzung und Grundlage solcher völkischen Ethik bleibt aber die Würde des Menschen als Person, die ihn [...] erst zum Träger des Ethos überhaupt macht.“148 Im Widerspruch dazu finden sich allerdings auch Passagen, die den völkischen Gemeinschaftsmythos predigen: „Die Person ist für sich nichts, sondern in ihrem Dasein ganz bedingt durch die natürliche Lebensgemeinschaft von der Familie bis zum Volk, in ihrem Wesen bedingt durch Rasse und Erbmasse, ja auch der völkischen Ausprägung der Rasse.“149
Gerhard Hennemann, ein wenig begabter, dafür aber nationalsozialistisch denkender Dozent an der Hochschule für Politik in Berlin,150 umriss 1938 die „Grundzüge einer Deutschen Ethik“. Der Nationalsozialismus habe das Bedürfnis nach einer neuen Moral geweckt, die sich an biologischen Momenten zu orientieren habe und die Rasse zum letzten Wertmaßstab erhebe.151 Bezogen auf die Gesellschaft hob Hennemann unter Berufung auf Nietzsche hervor, dass Grausamkeit unter bestimmten Umständen etwas „Gutes“ sein könne und dass die Kranken „die größte Gefahr für die Gesunden“ darstellten.152 Bereits diese kurzen Schlaglichter lassen erkennen, dass auch im allgemeinen philosophischen Diskurs der Topos einer „neuen Ethik“ großen Anklang fand – sei das fachliche Niveau dieser Beiträge auch noch so anfechtbar. Einflussreiche Philosophen wie Baeumler ordneten individuelle Rechte getreu der NS-Ideologie den vermeintlichen Interessen der Allgemeinheit unter. Anderslautende Auffassungen von Ethik wurden ausgegrenzt: „Was vom Christentum nicht in die nazistische Ethik und Staatslehre paßte, wurde bald als jüdisch, bald als syrisch, bald als römisch ausgemerzt“, so der Zeitzeuge Victor Klemperer rückblickend.153 Die kollektivistisch orientierte Medizinethik der Nationalsozialisten fand somit auch innerhalb der nationalsozialistisch geprägten Philosophie ihre Entsprechung.
146 Mandel (1937), S. 23f. Hermann Mandel (1882–1946), bis 1935 Professor für systematische Theologie in Kiel; nach Versetzung zur Philosophischen Fakultät Professor für Religionsphilosophie und Religionsgeschichte „mit besonderer Berücksichtigung rassenkundlicher Geistesgeschichte“. Zu Mandel siehe Alwast (1995), S. 93–101. 147 Mandel (1937), S. 15. 148 Ebd. S. 138. Zu Mandels „Wirklichkeitsethik“ vgl. Alwast (1995), S. 114–117. 149 Mandel (1937), S. 16. 150 Vgl. Tilitzki (2002), S. 881–884. 151 Hennemann bezieht sich über weite Strecken auf Nietzsches „Aphorismen“, worin dieser scharfe Kritik an der herkömmlichen Moral übt. So habe Nietzsche etwa in der Biologie „einen fruchtbaren Ansatzpunkt zu einer neuen Ethik“ gesehen, Hennemann (1938), S. 7. 152 Ebd., S. 80, 84. 153 Klemperer (1947), S. 170.
3.3. Die Rezeption des moralischen Umbruchs
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3.3. „WIE EIN STURM IST DAS NEUE ÜBER UNS GEKOMMEN“ – DIE REZEPTION DES MORALISCHEN UMBRUCHS Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 lebte der Diskurs zu medizinethischen Fragen auf unterschiedlichen Ebenen fort. In Fachzeitschriften, Monografien, Vorlesungen und Ansprachen fühlten sich Ärzte, Standespolitiker und Medizinhistoriker berufen, die neue Zeit zu kommentieren und meist auch zu legitimieren.154 Von nationalsozialistischer Seite ertönte regelmäßig und in verschiedenen Variationen die Verkündung der Ziele der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik und die Propagierung eines neuen Arztbildes. Die Abkehr von der sogenannten Weimarer „Mitleidsmoral“155 und die angekündigte Steigerung der Wehrhaftigkeit der Bevölkerung durch die Ausgrenzung „untüchtiger“ Bevölkerungsteile machten deutlich, wie einschneidend der „Radikalumbruch deutscher Ethik“ 1933 war.156 Die in den folgenden Jahren stattfindende Vertreibung jüdischer oder politisch missliebiger Kollegen und Kommilitonen von den Hochschulen und aus den Arztpraxen übernahm die deutsche Ärzteschaft ebenso wie ihre eigene Gleichschaltung weitgehend in Eigenregie.157 Kollegialität und Berufsethik waren bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik ausreichend unterhöhlt worden. Die betroffenen Ärzte, Professoren und Studenten stellten die ersten Opfer einer neuen ärztlichen Auffassung von Ethik, Standesbewusstsein und Mitmenschlichkeit dar. Der 1933 zum „Reichsärzteführer“ ernannte Gerhard Wagner158 umriss die Erwartungen, die der neue Staat in die Ärzte setzte: Abkehr von der „marxistische[n] Irrlehre vom ‚Recht auf den eigenen Körper’“ und Anerkennung von Rassen-
154 Mit Blick auf den linksstehenden politischen Gegner äußerte Walter von Brunn fünf Wochen nach der Machtübernahme Hitlers: „[...] wir brauchen den Nationalsozialismus dringend nötig, damit er in Verbindung mit den Deutschnationalen den ärgsten Dreck entfernt!“ Von Brunn an Tibor Györy, 05.03.1933, Oommen-Halbach (2004), S. 201. Auch Emil Abderhalden bekundete Zustimmung zum „neuen Deutschland“, Ethik IX (1932/33), S. 341–343. 155 „Nicht mehr darf liberalistisch humanitätsduseliges weichliches Mitleid allein Leitstern unseres Handelns sein, sondern ein härteres Anfassen [...], ein Hineinstoßen in den Kampf des Lebens, möge neuer Gedanken Kern werden.“ Edgar Weidner, Das neue ärztliche Denken im nationalsozialistischen Staate, in: Ziel und Weg 4 (1934), S. 486–490, 489; Hervorhebung im Original. 156 So in der Rückschau Berger (1941), S. 94. Von einer „grundlegenden Umgestaltung“ des „Arzttums“ ging rückblickend auch Ramm aus, Ramm (1942a), S. 75. Diepgen sprach 1933 euphorisiert von einer „gegenwärtigen Revolution“, Schreiben Diepgens an Karl Brandi, 16.06.1933, SUB Göttingen, Nachlass Karl Brandi, Bl. 119. 157 Dazu als zeitgenössisch Betroffene: Frankenthal (1981). Generell auch Kudlien (1985), Jäckle (1988), Rüther (1997), Waigand (2001). Am Beispiel der Medizinischen Fakultät Kiel: Lohff (2005). 158 Gerhard Wagner (1888–1939), 1921 Freiwilliger im Freikorps Epp, 1929 Eintritt in die NSDAP und Mitbegründer des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB). Ab 1932 Führer des NSDÄB. 1933 Reichskommissar für die ärztlichen Spitzenverbände, 1935 „Reichsärzteführer“ und Chef der Reichsärztekammer, daneben Vertrauter von Rudolf Hess und Martin Bormann.
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
hygiene und Erbbiologie als „Grundlage der Staatsraison“.159 Wagner bekräftigte auch die von Hitler stammende Ansicht „Wenn die Kraft zum Kampfe um die eigene Gesundheit nicht mehr vorhanden ist, endet das Recht zum Leben in dieser Welt des Kampfes.“160 Auch in der Folgezeit bis zu seinem Tod 1939 gab Wagner die Leitlinien der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik vor.161 Diese Politik erfüllte viele der berufsständischen Erwartungen, die die deutsche Ärzteschaft vor 1933 in die Partei Hitlers gesetzt hatte. Der Berliner Medizinhistoriker Paul Diepgen brachte das Empfinden vieler Ärzte nach den ersten Jahren nationalsozialistischer Gesundheitspolitik zum Ausdruck: „Erst dem Nationalsozialismus war es vergönnt, mit der ganzen Macht der Staatsautorität, die hinter ihm stand, und mit der starken Persönlichkeit des Reichsärzteführers Gerhard Wagner [...] viele von den Forderungen und Wünschen zu erfüllen, um die die älteren Ärztegenerationen gekämpft und geopfert hatten [sic], und vieles zu beseitigen, das in der Enge des Kampfes ums Dasein und der parteipolitischen Einseitigkeit morsch geworden war.“162
Von der mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten neuen Regierung erhoffte man für den Ärztestand neben durchgreifenden ökonomischen Verbesserungen auch eine Erhöhung des Ansehens in der Gesellschaft. Der Gautinger Arzt Anton Graf gab den Kern der ärztlichen Erwartungen an die nationalsozialistische Regierung wieder: In früheren Zeiten habe niemand die politische Macht besessen, revolutionäre Änderungen für den Ärztestand einzuführen. „Heute aber haben wir den Mann dazu. Er hat die Ermächtigung, alles das zu machen, was er für den Staat und dessen Stände als notwendig erkennt. [...] Parlamente, auch das Ärzteparlament, mit solchen Fragen zu befassen, hat keinen Zweck.“163
Daneben bezogen, wie schon in den Jahren zuvor, auch nach 1933 insbesondere die Medizinhistoriker die medizinische Ethik in ihren Wirkungsbereich mit ein. Der Berliner Lehrstuhlinhaber und bedeutendste Vertreter seines Faches in Deutschland, Paul Diepgen, ging in seinem für junge Studienanfänger gedachten Buch „Die Heilkunde und der ärztliche Beruf“ nicht nur der Frage nach, wie man als „Arzt im neuen Deutschland“ die Zeit nach 1933 erlebte, er sprach bezeichnenderweise auch „vom Suchen nach ethischen Richtlinien in einer ständig 159 Wagner, wiedergegeben in Conti (1943), S. 14–15. 160 Ebd., S. 31 161 Wagner hielt mehrere Reden auf den Nürnberger Reichsparteitagen und verfügte bis zu seinem Tod 1939 über die Zeitschrift „Ziel und Weg“, das Mitteilungsorgan des NS-Ärztebundes. 162 Diepgen (1938), S. 279. 163 Graf (1933), S. 6. Die Nationalsozialisten erfüllten tatsächlich viele der in sie gesetzten Erwartungen. Als eine der ersten Maßnahmen verfügten sie die Abschaffung der besonders von niedergelassenen Ärzten bekämpften Ambulatorien. Der Überfüllung des Berufsstandes wirkten sie durch Vertreibung jüdischer Mediziner und Begrenzung des Frauenstudiums skrupellos entgegen. Die Verhandlungsposition der Ärzte gegenüber den Krankenkassen verbesserte sich durch die Gründung der kassenärztlichen Vereinigungen; auch die Einrichtung einer Reichsärztekammer verstärkte die organisatorische Schlagkraft der Ärzte. Schließlich begrenzte die Aufhebung der Kurierfreiheit den Einfluss alternativer Behandler in der Patientenversorgung.
3.3. Die Rezeption des moralischen Umbruchs
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sich wandelnden Umwelt, in der das, was erlaubt und verboten ist, seinen Charakter oft gewechselt hat“.164 In diesen Worten klingt die Diskussion über die Wandelbarkeit ärztlicher Ethik an, die bereits Ende der 20er Jahre auf verschiedenen Ebenen geführt wurde.165 Eine weitere wichtige Persönlichkeit hinsichtlich der Vermittlung medizinischer Ethik war Georg Benno Gruber,166 Pathologe und Medizintheoretiker an der Universität Göttingen. Grubers Aktivitäten spiegelten sich in Vorlesungen und Seminaren zur ärztlichen Ethik sowie in zahlreichen Publikationen wider. In ihnen bemühte er sich, das primär am Wohl der Gemeinschaft orientierte Wirken des nationalsozialistischen Arztes in eine historische Traditionslinie zu stellen.167 Wo es nötig schien, war Gruber jedoch zu einer Relativierung der ethischen Überlieferung bereit. Die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zur Anzeige erbkranker Patienten hielt Gruber für notwendig, dies verlange neben dem Gesetz auch „der höhere sittliche Gesichtspunkt“.168 Der Bruch mit medizinethischen Grundsätzen wurde hier als moralisch gute Tat verbrämt. Dem Individuum widmeten die Moraltheoretiker des NS-Staates nur dann Aufmerksamkeit, sobald es um die Frage nach persönlicher Verantwortung für Krankheit ging. In einem Aufsatz über „Krankheit und Schuld“ definierte Ernst Krieck die Krankheit eines Menschen primär als ein „Phänomen des Gemeinschaftslebens: sie wird erkannt und gemessen am Versagen des Gliedes vor seiner Gliedschaft, in seiner Funktion an der Gemeinschaft.“169 Kranksein galt zunehmend als etwas Unmoralisches.
164 Diepgen (1938), S. 266. Bezeichnend für Diepgens Ausdrucksweise war das Vermeiden einer zeitlichen Einordnung oder inhaltlichen Präzisierung. Anstatt beispielsweise deutlich die neue, sehr politische Rolle zu benennen, die Ärzte in Hitlers Staat einnehmen sollten, sprach Diepgen lediglich von „neuen Wertungen des Arzttums“ im NS-Staat oder wich ins Pathetische aus: „Wie ein Sturm ist das Neue über uns gekommen, hat uns bis in die Tiefe unserer Seele erfaßt und unser ganzes ärztliches Denken durchrüttelt.“ Ebd., S. 272. Zur verschwommenen Sprache Diepgens siehe auch eindringlich Lüth (1972), S. 16. 165 Vgl. Abderhalden (1929). Der Frage nach der Wandelbarkeit ethischer Grundsätze war in der Zeitschrift „Ethik“ zwischen 1929 und 1930 mit einem Ausspracheforum ein eigener Schwerpunkt gewidmet. 166 Georg Benno Gruber (1884–1977) wirkte als Professor für Pathologische Anatomie in Innsbruck und Göttingen. In Göttingen erhielt er 1940 den offiziellen Lehrauftrag für Geschichte der Medizin, nachdem er seit 1930 einschlägige Vorlesungen und Seminare gehalten hatte. Ausführlich zu Gruber siehe Mattulat (2007) sowie Mattulat/Frewer (2006). 167 „Diese Tätigkeit des Arztes [...], die heute mit Recht stark betont wird, ist uns nichts neues. Das alte Ärztesymbol, jene leuchtende und sich dabei selbst verzehrende Kerze mit dem Spruch des Nikolaus Tulpius, ‚Aliis inserviendo consumor’, kann und muß so gedeutet werden.“ Gruber (1937a), S. 422. 168 Ebd., S. 423. 169 Krieck (1939), S. 476. Weiter hieß es: „[...] welche Krankheit dich trifft, wie sie dich trifft [...]: das bist du selbst, das ist dein Wesen, dein Charakter, dein Verdienst, dein Schicksal, deine Schuld, deine Zurechung und Verantwortung.“ Ebd., S. 477.
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
3.4. AUF SCHIEFER EBENE: DAS STERILISATIONSGESETZ VON 1934 Mit Beginn des Jahres 1934 wurde im Deutschen Reich das am 14. Juli 1933 beschlossene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ angewendet.170 Ärzte wurden durch das Gesetz angehalten, im Rahmen einer totalen Erfassung alle Patienten, bei denen auch nur der geringste Verdacht auf eine Erbkrankheit oder sonstige „Minderwertigkeit“ vorlag, den eigens eingerichteten Erbgesundheitsgerichten zur Sterilisierung zu melden.171 Mediziner fungierten in dem Verfahren als Antragsteller, Gutachter und Richter zugleich, in jedem Falle jedoch in der bereits im Ersten Weltkrieg eingeübten Rolle als Vertreter staatlicher Interessen.172 Die ärztliche Schweigepflicht sollte in diesen Fällen hinter übergeordnete Interessen des Volkswohls zurücktreten. Dieser schwerwiegende Eingriff in die Arzt-Patient-Beziehung wurde von ärztlicher Seite weitgehend akzeptiert,173 von Medizinethikern gerechtfertigt174 und von Rassenforschern als ein normales, selbstverständlich bei jedem Patienten anzuwendendes Vorgehen dargestellt.175 In der Folge versuchten ganze Patientengruppen aus Angst vor einer ärztlichen Denunziation, Arztbesuche zu vermeiden.176 170 Ausführlich dazu Nowak (1978), Bock (1986), Schmuhl (1987) und zuletzt Ley (2004). 171 Sanktionen bei Missachtung der Anzeigepflicht hatten Ärzte jedoch kaum zu befürchten, vgl. Ley (2004), S. 169–177. Die Definition von Erbkrankheit genügte bereits damals nicht den wissenschaftlichen Maßstäben. Doch galt die Devise: „Die rassenhygienische Beurteilung hat den Vorrang vor jeder medizinisch-diagnostischen Haarspalterei.“ Verschuer (1941), S. 208. Siehe auch Klee (2001a), S. 62–73. Der Gesetzestext sowie eine Aufzählung und Erläuterung der vermeintlichen Erbkrankheiten findet sich bei Gütt et al. (1934), S. 56f. 172 Zu den Einzelheiten des Verfahrens siehe Ley (2004), S. 67–99. 173 Akzeptanz bedeutete jedoch nicht immer Bereitschaft zur aktiven Umsetzung des Gesetzes. Andererseits waren die Beweggründe, der Anzeigepflicht nicht nachzukommen, keineswegs immer moralischer Natur. Manche Ärzte scheuten schlicht den hohen administrativen Aufwand, vgl. Rüther (1997), S. 181. 174 Vgl. die euphemistische Darstellung Grubers: „Diese [erbkranken] Menschen zu erfassen und [...] vor der Weitergabe ihres Keimgutes an eine der Allgemeinheit unerwünschte Nachkommenschaft zu behüten, liegt im ernsten Wollen einer rassenhygienisch bedachten Staatsführung begründet.“ Gruber (1937b), S. 24. Vgl. auch Mattulat (2007), S. 87–89. Ebensolche Zustimmung äußerte Abderhalden, vgl. u.a. Ethik IX (1932/33), S. 341–343. Auch Rudolf Ramm bekräftigte in seinem medizinethischen Lehrbuch die Lockerung der Schweigepflicht zur Durchführung eugenischer Maßnahmen, siehe Ramm (1942a), S. 101. 175 So forderte der Genetiker und Rassenforscher Otmar von Verschuer (1896–1969) in seinem Lehrbuch zur Erbpathologie: „Jeder Arzt sollte Erbarzt sein. Eine der wichtigsten Aufgaben des Erbarztes ist, für jeden deutschen Menschen festzustellen, ob er erbgesund oder erbkrank ist, ob Nachwuchs von ihm erwünscht, nicht erwünscht oder unbedingt zu verhindern ist.“ Verschuer (1937), S. 5. 176 Gottfried Ewald (1888–1963), Ordinarius für Neurologie und Psychiatrie in Göttingen und Kritiker der „Euthanasie“-Aktion, wandte sich 1940 in einem Schreiben gegen die Tötungspraxis und stellte fest: „Schon das weit harmlosere Sterilisationsverfahren hat trotz aller Aufklärung und trotz einleuchtender Notwendigkeit zu Unruhe und unsinnigen Vorstellungen geführt. ‚Wer in die Nervenklinik kommt, wird sterilisiert’; nun wird es heißen: ‚wer in die Heilanstalt kommt, wird getötet’.“ Ewald, zitiert nach Aly (1987), S. 61.
3.4. Auf schiefer Ebene: Das Sterilisationsgesetz von 1934
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Darüber hinaus gab es einige Ärzte, die sich der Anzeigepflicht widersetzten und auf ihrer Schweigepflicht beharrten177 oder zumindest nicht nach der oftmals angewandten Devise „im Zweifel für die Sterilisation“ verfuhren.178 Die Akzeptanz des Gesetzes schien besonders bei den materiell von der Wiederkehr ihrer Patienten abhängigen niedergelassenen Kassenärzten nicht sonderlich hoch gewesen zu sein.179 Umso eifriger beteiligten sich dafür Fachärzte sowie Anstalts-, Krankenhaus- und Kommunalärzte.180 Wenn überhaupt, dann nahmen Ärzte meist nur an der Art der Durchführung des Gesetzes Anstoß, nicht an dessen ethischer Zulässigkeit an sich. Ein besonders zynisches Beispiel ist dafür die 1944 vorgebrachte „Kritik“ des Erlanger Ordinarius für Psychiatrie und beratenden Psychiaters des Ersatzheeres Friedrich Meggendorfer an der Sterilisierungspraxis. Meggendorfer griff nicht das Gesetz als solches an, sondern forderte – angesichts der hohen Verluste an den Fronten – die wegen vermeintlichen Schwachsinns sterilisierten jungen Männer entgegen den bis dato gültigen Bestimmungen doch noch zur Wehrmacht einzuziehen, um so noch mehr Soldaten für den Krieg im Osten mobilisieren zu können.181 Insgesamt wurden zwischen 1934 und 1945 etwa 400.000 Menschen in Deutschland unfruchtbar gemacht, etwa 6.000 Menschen starben an akuten Komplikationen oder langfristigen Folgen des Eingriffs.182 Die medizinische Fachpresse bemühte sich, zweifelnde Ärzte von der Notwendigkeit der Zwangssterilisierungen zu überzeugen. Frauenärzte, die im konkreten Einzelfall bei der Durchführung der nicht ungefährlichen Operation Bedenken hegten, sollten sich vom „rein Handwerksmäßigen der rassenhygienischen Sterilisation frei machen und damit diesen für unser Volkstum so eminent wichtigen Eingriff aus der 177 So beschreibt Gerrens beispielsweise das Verhalten des bekannten Psychiaters Karl Bonhoeffer (1868–1948), vgl. Gerrens (1996), S. 116. Eine kritischere Sichtweise gegenüber Bonhoeffers Gutachtertätigkeit in den Sterilisierungsverfahren vertritt Klee (2001a), S. 69. 178 Vgl. Gerrens (1996), S. 41. Der Erlanger Psychiater Friedrich Meggendorfer erklärte 1944 freimütig: „In der ersten Zeit nach Erlaß des Sterilisationsgesetzes ist man etwas zu scharf vorgegangen. Man hat u.a. ganze Hilfsschulen sterilisiert, obwohl in manchen Städten nur 10 oder 20 % schwachsinnig sind; die übrigen kommen aus sozialer Indikation in die Hilfsschule.“ Meggendorfer, zit. nach Riedesser/Verderber (1996), S. 160. 179 Ein Hinderungsgrund war in vielen Fällen ein gemeinsames Lebensumfeld von Arzt und Patient, wodurch sich außerberufliche Begegnungen und Kontakte mit Patienten ergaben. Dies ließ viele Hausärzte das ihnen von den Patienten entgegengebrachte Vertrauen wahren, vgl. Ley (2004), S. 159, 175. Zur überwiegend positiven Aufnahme des Gesetzes auf kirchlicher Seite siehe Nowak (1978), S. 96f. 180 Vgl. Ley (2004). Der vor seiner Berufung auf den Leipziger Lehrstuhl für Medizingeschichte als Stadtschularzt in Rostock tätige Walter von Brunn äußerte kurz nach Inkrafttreten des Sterilisierungsgesetzes: „Die Hauptsache ist zunächst, daß ich alle Fälle, die in Frage kommen, zur Meldung bringen lasse – was allerdings bei den schwerfälligen Mecklenburgern, den unübertroffenen Meistern des ‚passiven Widerstandes’, schließlich daraus wird, bleibt ungewiß.“ Von Brunn an Györy, 13.01.1934, Oommen-Halbach (2004), S. 238, Hervorhebung im Original. 181 Vgl. Riedesser/Verderber (1996), S. 160f. 182 Diese heute noch maßgeblichen Zahlen nach: Bock (1986), S. 230–238 sowie dies. (1997), S. 150.
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
Sphäre des reinen Fachgebietes herausheben auf die ethische Höhe, auf der dieses Gesetz selbst steht.“183 Auch hieran wird deutlich, dass die Sterilisierungspolitik als etwas moralisch Richtiges empfunden wurde. Wie vielschichtig die Bewertung des Gesetzes ausfiel, lässt sich an einem im Dezember 1933 gehaltenen Vortrag Viktor von Weizsäckers184 ablesen. Weizsäcker zufolge sei jeder Versuch, durch Verhütung der Fortpflanzung die Ausbreitung von Erbkrankheiten zu verhindern „hoch zu begrüßen“. Keineswegs dürfe jedoch „materialistischer Darwinismus und Ökonomismus der Ausmerze“ dabei zum Leitgedanken werden; die hohen Anstaltskosten in der Psychiatrie könnten ebenso verringert werden, „wenn ein Volk wieder bereiter wird, den Abwegigen und Schwachen unter sich zu dulden.“185 Seine zumindest partielle Zustimmung zur nationalsozialistischen Gesundheitspolitik kommt in Weizsäckers „Vorlesungen über allgemeine Therapie“ zum Ausdruck. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Staat und Individuum stellte er fest, „daß eine Sozialpolitik, die nur Erhaltungspolitik treiben will, sich einer Illusion ausliefert. [...] Auch als Ärzte sind wir verantwortlich beteiligt an der Aufopferung des Individuums für die Gesamtheit. Es wäre illusionär, ja es wäre nicht einmal fair, wenn der deutsche Arzt seinen verantwortlichen Anteil an der notgeborenen Vernichtungspolitik glaubte nicht beitragen zu müssen.“186
Zumindest in Teilen der Bevölkerung bestanden offenbar noch Vorbehalte gegen das Sterilisierungsgesetz, wie aus einem 1934 erschienenen Aufsatz in der Zeitschrift „Neues Volk“ hervorgeht.187 Der Artikel versuchte, diese Sorgen mit dem Hinweis zu zerstreuen, bei der Unfruchtbarmachung Erbkranker deckten sich „Staatsethik und christliche Ethik“ vollkommen. Auch werde keineswegs die Tötung unheilbar kranker oder behinderter Patienten von staatlicher Seite angestrebt oder auch nur erwogen.188 Offensichtlich wurde diese Maßnahme von der 183 Siegert (1935), S. 5. 184 Viktor von Weizsäcker (1886–1957) war seit 1911 Assistent an der Medizinischen Klinik in Heidelberg, seit 1920 leitete er die dortige Nervenabteilung. Als Mitbegründer der Psychosomatik galt sein Augenmerk dem Sinn der Krankheit in der Lebensgeschichte eines Patienten. 1941–1945 war er Ordinarius für Neurologie in Breslau. Ausführlicher zur Person von Weizsäcker in der NS-Zeit siehe Böhme (2008) und Benzenhöfer (2007). 185 Weizsäcker (1934b), S. 86. Erwähnenswert scheint, dass Weizsäcker seinen Vortrag in der von dem NS-Philosophen Ernst Krieck herausgegebenen Zeitschrift „Volk im Werden“ abdrucken ließ. 186 Weizsäcker (1934a), S. 69. 187 „Gewisse Kreise wittern antike Grausamkeit, man spricht von Wiederbelebung spartanischer Sitten.“ Neues Volk 2 (1934), Heft 1, S. 9. Der Reichsinnenminister sah sich 1935 sogar veranlasst, im Deutschen Ärzteblatt eine „Warnung vor Hetze gegen das Sterilisationsgesetz“ zu veröffentlichen, die sich insbesondere gegen die katholische Kirche richtete, vgl. Deutsches Ärzteblatt 65 (1935), S. 701. 188 Neues Volk 2 (1934), Heft 1, S. 9. Der Verweis auf die „christliche Ethik“ deutet daraufhin, dass man von staatlicher Seite andere als religiös motivierte Vorbehalte gegen die Sterilisationspraxis gar nicht in Erwägung zu ziehen schien. Der Schriftleiter der Zeitschrift „Neues Volk“, der nationalsozialistische Ärzteschriftsteller Hellmuth Unger, veröffentlichte 1934 das Bühnenstück „Opferstunde“, in dem der „vorbildliche“ Verzicht einer als „erbbelastet“ eingestuften Frau auf Nachwuchs geschildert wird. Zu Unger siehe unten, Anm. 199.
3.5. Totalitäre Ethik: Vom Krankenmord zum Holocaust
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deutschen Öffentlichkeit, ganz im Sinne einer „schiefen Ebene“ („slippery slope“), als nächster, gewissermaßen folgerichtiger Schritt der Rassenpolitik empfunden. Dass diese 1933 noch als Sorge geäußerte Annahme nicht unbegründet war, sollte die spätere Entwicklung zeigen.189 3.5. TOTALITÄRE ETHIK: VOM KRANKENMORD ZUM HOLOCAUST Die nationalsozialistische Volkskörperethik wurde mit dem Sterilisierungsgesetz vom 14. Juli 1933 konsequent verwirklicht; zu Recht hat man es als das „Grundgesetz der Nationalsozialisten“ bezeichnet.190 Nachdem diese erste Maßnahme „negativer Eugenik“191 erfolgreich in die Tat umgesetzt worden war, begann man Mitte der dreißiger Jahre, noch radikalere Methoden ins Auge zu fassen. Die Diskussion über die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ gewann an Intensität und wurde nicht nur unter Ärzten, sondern auch im Kreise von Juristen, Theologen und Philosophen geführt. Ein Abbild dieser Debatte und ihrer Teilnehmer liefert die von Emil Abderhalden herausgegebene Zeitschrift „Ethik“. Abderhalden selbst hatte 1938 Eugenik als „Ethik im höchsten Sinne des Wortes“ bezeichnet,192 und in seiner Zeitschrift spiegelt sich die allmähliche Aufgabe eventuell bestehender moralischer Vorbehalte exemplarisch wider.193 Das zunehmende „Verschwimmen klarer Begriffe einer Menschenwürde“194 und das kontinuierliche Abgleiten in immer radikalere Auffassungen ist in vielen Aufsätzen unübersehbar. Was allgemeine publizistische Stellungnahmen zur „Euthanasie“ betrifft, so ist für die Zeit vor 1939 noch von einem Überwiegen der ablehnenden Meinungen auszugehen, sei es aus Überzeugung oder aus taktischen Erwägungen heraus.195 Zustimmende Äußerungen waren gleichwohl zahlreich vorhanden und stellten sich als die politisch einflussreicheren heraus.196 So gab der Philosoph Ernst Krieck in 189 Hans Walter Schmuhl hat die Jahre zwischen 1934 und 1939 denn auch als „Inkubationszeit“ der „Euthanasie“-Aktion bezeichnet, Schmuhl (1987), S. 178. 190 Klaus Dörner, in: Medizin im Nationalsozialismus (1988), S. 24. Zur Bedeutung des Gesetzes siehe auch Süß (2003), S. 37f. 191 Zu den Maßnahmen „negativer Eugenik“ zählten auch Schwangerschaftsabbrüche aus „eugenischer Indikation“, etwa wenn bei der Mutter eine vermeintliche erbliche oder soziale Belastung (z. B. Alkoholismus) bestand. Klee zufolge durften Zwangsabtreibungen aus rassenhygienischer Indikation jedoch erst ab 1941 erfolgen, Klee (2001a), S. 70. 192 Ethik XIV (1937/38), S. 263. 193 Siehe dazu Frewer (2000a). 194 Frewer (2000a), S. 148. 195 Zu diesem Schluss kommen Nowak (1978), S. 55 und Gerrens (1996), S. 52. Euthanasiekritisch äußerten sich auch Juristen, vgl. Neukamp (1937b). Selbst in einer völkisch orientierten Zeitschrift wie „Deutschlands Erneuerung“ wurde 1939 die aktive Sterbehilfe als Tötungsdelikt verurteilt und die „Freigabe des Gnadentodes“ abgelehnt. Aufhorchen lässt hingegen der Einwand, die Euthanasie sei auch deshalb widersinnig, weil sie die komplexe Erbgesundheitsgesetzgebung überflüssig mache. Becker (1939), S. 42f. Einen Überblick über die Debatte geben Burkhardt (1981), Schwartz (1998) sowie Frewer (2000b). 196 Vgl. neben anderen: Rößler (1986), Schmuhl (1987) sowie Frewer (2000b).
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
einem Aufsatz über „Krankheit und Schuld“ seiner Erwartung Ausdruck, Ärzten möge in naher Zukunft die Tötung „bestimmter Kranker“ erlaubt werden. Krieck stellte dies geradezu als eine Verpflichtung dar, die eine Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen zu erfüllen habe: „Wie jeder aber bis ins letzte der Gemeinschaft verpflichtet ist, so die Gemeinschaft jedem in Not, Schwäche, Krankheit – selbst dort, wo sie dem Verbrecher zum Tode hilft, wie sie bestimmten Kranken zum Tode helfen sollte und auch einmal wieder zum Tode helfen wird, wo der Tod für den Kranken wie für die Gemeinschaft eine Wohltat wäre.“197
Ein Kommentar in der SS-Zeitschrift „Das Schwarze Korps“ sprach sich für die gesetzliche Freigabe der „Euthanasie“ auch bei Kindern aus und brachte ebenfalls die Tötung von unheilbar kranken Erwachsenen ins Gespräch.198 Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die öffentliche Meinung hatte ferner das Wirken des populären Arztschriftstellers Hellmuth Unger,199 der in seinem 1936 erstmals erschienenen Roman „Sendung und Gewissen“ dem sogenannten „Gnadentod“ zu einer breiteren Akzeptanz in der Bevölkerung verhelfen wollte.200 Bewusst verwischte Unger in dem Roman die Unterschiede zwischen ärztlicher Sterbehilfe und staatlicher Tötung. Eingebettet zwischen Naturidyll und Liebesromantik schwingt die Forderung nach Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ im Verlauf der Handlung teils offen, teils unterschwellig mit. Das gleiche Ziel verfolgte der 1941 uraufgeführte Film „Ich klage an“, in dem die Sterbehilfe-Problematik noch zugespitzter dargestellt wurde. Ungers Buch wurde durchaus zwiespältig aufgenommen und löste eine Debatte über die Zulässigkeit des „Gnadentodes“ oder gar der Tötung unheilbar kranker Patienten aus – eine Diskussion, der die nationalsozialistische Führung eine gefährliche Sprengkraft beimaß und die sie deshalb unbedingt vermeiden wollte.201 Allein die Möglichkeit, der Staat könne eine „Euthanasie“ in Betracht ziehen, wurde von parteiamtlicher Seite schnellstens dementiert.202 Trotz vieler affirmativer Stimmen stieß der „Euthanasie“-Gedanke selbst bei überzeugten Nationalsozialisten auf Widerstand. 1936 erschien in einer Berliner Zeitung als direkte Reaktion auf Ungers Roman ein Interview mit bekannten Arztpersönlichkeiten, darunter der Chirurg Ferdinand Sauerbruch, die sich deutlich 197 Krieck (1939), S. 477. 198 Das Schwarze Korps, 18.03.1937, S. 9. Siehe auch Schmuhl (1987), S. 179. 199 Hellmuth Unger (1891–1953), Arzt, Schriftsteller und Pressepolitiker, daneben standespolitisch engagiert und als Gutachter an der Krankenmordaktion beteiligt. Ungers erfolgreichstes Buch war eine populäre Robert-Koch-Biografie, die eine Auflage von über 300.000 Exemplaren erreichte. Zu Unger siehe ausführlich Kiessling (1999). 200 Unger (1936). Auf Grundlage des Buches entstand 1941 der ebenfalls die Tötung auf Verlangen predigende Film „Ich klage an“, siehe dazu Rost (1987), Kiessling (1999), S. 76f. 201 Zur Rezeption von „Sendung und Gewissen“ siehe Roth (1987), Schwartz (1998), S. 641f. sowie Kiessling (1999), S. 73–78. Zur Besprechung des Romans in der Zeitschrift „Ethik“ siehe Frewer (2000b), S. 346–351. Als Beispiel einer zeitgenössischen Kritik an dem Roman siehe Neukamp (1937a). 202 Zur diesbezüglichen Zensur in der „Ethik“ siehe Frewer (2000a), S. 101–104 sowie Frewer (2000b).
3.5. Totalitäre Ethik: Vom Krankenmord zum Holocaust
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gegen eine Liberalisierung der Tötung auf Verlangen aussprachen.203 Der Tuberkulosearzt Kurt Klare,204 ärztlicher Standespolitiker und früher Anhänger der NS-Bewegung, nahm für sich in Anspruch, dieses Interview initiiert zu haben. Klare schien nicht nur aus taktischen oder propagandistischen Erwägungen gehandelt zu haben, es ist wahrscheinlich, dass er die „Euthanasie“ tatsächlich aus Überzeugung ablehnte. So schrieb er im November 1940, die Tötungsaktion war längst in vollem Gange,205 an seinen Freund, den berühmten Pathologen Ludwig Aschoff: „Ich war in der letzten Woche in Berlin und hatte dort eine sehr lange Besprechung mit Dr. Conti in der Frage der Euthanasie. Es würde mich interessieren, zu erfahren, wie Du darüber denkst. Die Form, die jetzt geübt wird, lehne ich grundsätzlich ab [...]. Man darf [Hervorhebung im Original] den Gnadentod nicht freigeben, weil einmal der Mensch und auch der Arzt dem Irrtum unterworfen ist, und weil zum anderen die Wissenschaft morgen vielleicht schon Krankheiten heilt, die wir heute für unheilbar halten.“206
Klare räsonierte weiter: „Außerdem spricht das Ethos dagegen. Immer haben gute Ärzte Schwerleidenden Narkotika gegeben, die den Schmerz milderten und das Leiden vielleicht verkürzten – niemals aber darf es dahin kommen, dass bewusst Leben abgekürzt wird. Wenn wir die Gottesidee bejahen, dürfen wir in den Willen Gottes nicht eingreifen. Ich gehe von dieser Auffassung nicht ab, auch jetzt nicht, nachdem ich vor Jahren von der katholischen Kirche zu den Deutschen Christen übergegangen bin – ich möchte sagen, jetzt erst recht nicht.“207
Eine solche eindeutige Stellungnahme gegen die „Euthanasie“-Aktion war für einen nationalsozialistischen Ärztefunktionär sicher ungewöhnlich und trotz ihres privaten Charakters nicht ohne Brisanz.208 Wie vielschichtig sich die Bewertung der „Euthanasie“ auf nationalsozialistischer Seite darstellte, verdeutlichen Passagen eines Buches, das der Hygieniker und SS-Arzt Joachim Mrugowsky 1939 veröffentlichte. Mrugowsky präsentierte 203 Berliner Illustrierte Nachtausgabe, 21.11.1936, 1. Beiblatt. 204 Kurt Klare (1885–1954), 1918 bis 1939 Direktor einer Lungenheilstätte im Allgäu. 1927 Eintritt in die NSDAP, 1929 Mitbegründer des NSDÄB, ausgedehnte literarische Tätigkeit, antisemitisch geprägt. 1935 Honorarprofessor in München. Als „Beauftragter des Führers für das ärztliche Schrifttum“ und Schriftleiter der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (1939– 1944) besaß Klare erheblichen Einfluss auf die medizinische Fachpresse. Vgl. auch den Nachruf in Deutsche Medizinische Wochenschrift 79 (1954), S. 1390. 205 Vorausgegangen war der auf den Tag des Kriegsbeginns am 1. September 1939 zurückdatierte persönliche Erlass Hitlers zur „Gewährung des Gnadentodes“. Dieser unter anderem an Hitlers Leibarzt Karl Brandt gerichtete Erlass gilt als der Beginn der „Euthanasie“-Aktion, vgl. auch unten, Anm. 509. 206 Klare an Aschoff, 26.11.1940, UAF, Nachlass Ludwig Aschoff. 207 Ebd. 208 Laut späterer Aussage Kurt Blomes habe Klare überdies versucht, sich bei Martin Bormann, dem Leiter der Parteikanzlei, gegen die Tötungsaktion auszusprechen. Klare sei jedoch nur bis zu Reichsärzteführer Conti vorgedrungen, welcher sich wiederum auf den Erlass Hitlers vom 1. September 1939 berufen habe. Vgl. Vernehmung Blomes am 05.12.1961 durch Landgericht Frankfurt/Main, Voruntersuchung gegen Dr. Hans Hefelmann wegen Mordes, BArch Ludwigsburg, B 162/483.
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
Ausschnitte aus Christoph Wilhelm Hufelands „Enchiridion medicum“.209 Dabei gab Mrugowsky auch jenen historischen Passus wieder, in dem sich Hufeland strikt gegen jede Form der Sterbehilfe wandte: „Nicht bloß heilen, sondern auch bei unheilbaren Krankheiten das Leben erhalten und Leiden erleichtern ist die Pflicht und ein großes Verdienst des Arztes. [...] Er soll und darf nichts anderes tun, als Leben erhalten; ob es ein Glück oder Unglück sei, ob es Wert habe oder nicht.“210
Auch Mrugowsky selbst trat zwar in der Einleitung seines Buches für die Zwangssterilisierung ein, blieb aber, trotz des NS-typischen Sprachgebrauchs, beim Thema „Euthanasie“ auffallend zurückhaltend: „Ist das unwerte Leben einmal vorhanden, so achten wir es als eine Schöpfung Gottes, wie jedes andere Leben auch [...].“211 Solche vorsichtigen und indirekt vorgebrachten Stellungnahmen gegen eine Tötung Kranker und Behinderter beweisen, dass eine publizistische Erörterung der sogenannten „Euthanasie“-Frage 1939 äußerst schwierig und keinesfalls erwünscht war. Schon 1936 hatten „Reichsärzteführer“ Wagner und der Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP Walter Gross verfügt, dass eine solche öffentliche Diskussion möglichst zu vermeiden sei.212 Hitler selbst hatte Wagner ein Jahr zuvor, am Rande des Reichsparteitags 1935, wissen lassen, dass er die „Euthanasiefrage“ erst im Krieg aufzugreifen gedenke, da eine Lösung dann angesichts des allgemeinen Kriegsgeschehens glatter und leichter durchzuführen sei.213 Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann Deutschland den Zweiten Weltkrieg, der nicht nur zu einem Vernichtungskrieg nach außen, sondern auch zu einem „Vernichtungskrieg nach innen“ werden sollte.214 Die Ermordung von Anstaltspatienten durch Gas, die deutsche Behörden bereits im September 1939 im besetzten Polen in Gang setzten, wurde im folgenden Jahr auch im Deutschen Reich umgesetzt. Ihr fielen bis zum Kriegsende 1945 ungefähr 296.000 Menschen zum Opfer.215 In der Bevölkerung wuchs das Misstrauen gegenüber Ärzten; man befürchtete, auch alte und gebrechliche oder kriegsbeschädigte Menschen könnten Opfer der „Euthanasie“-Aktion werden.216 „Hat man da noch den Mut, sich mit einem Leiden einem Arzt anzuvertrauen?“ – so die
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Mrugowsky (1939). Ebd., S. 91f. Ebd., S. 10. Auf das Buch wird unten in Kapitel 6.7. ausführlich eingegangen. Siehe dazu Makowski (1996), S. 232 sowie Frewer (2000b), S. 156. Der Abbruch der Debatte manifestierte sich 1938 auch in der Einstellung der Zeitschrift „Ethik“. So die Aussage Karl Brandts im Nürnberger Ärzteprozess, vgl. Mitscherlich/Mielke (1960), S. 184, Schmuhl (1987), S. 362 sowie Schwartz (1998), S. 656f. Zur Quelle dieser erstmals 1979 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes benutzten Formel siehe Ebbinghaus/Dörner (2001), S. 9. Vgl. Faulstich (2000), S. 227f. In der Zahl sind die Opfer in den besetzten Ländern Frankreich, Polen und UdSSR enthalten. Ausführlich dazu Aly (1997), S. 141–151 sowie Süß (2003).
3.6. Zusammenfassung
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Mutter einer ermordeten Patientin an die „behandelnde“ Ärztin der Heil- und Pflegeanstalt Langenfeld.217 Was Julius Moses 1932 in seinem Appell vorausgesehen hatte, war spätestens während des Krieges eingetreten: Ärzte wirkten nicht mehr als „humanitäres Element in der menschlichen Gesellschaft“, sondern betätigten sich in staatlichem Auftrag als Selektionsärzte zur Aussonderung und Vernichtung sogenannter „Ballastexistenzen“. Die Ermordung psychisch Kranker und Behinderter diente zudem als Vorlauf für den Massenmord an den europäischen Juden. Technik und Personal der Krankenmordaktion fanden im Rahmen der sogenannten „Aktion Reinhard“ beim Aufbau der Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka Verwendung.218 Julius Moses wurde selbst Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, er starb 1942 im Ghetto von Theresienstadt an Krankheit und Entkräftung. 3.6. ZUSAMMENFASSUNG Biologistische Strömungen, die bereits in der Weimarer Republik die Diskurse über Moral und Medizin zunehmend beherrscht hatten, erhielten nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine neue Dynamik. Maßnahmen gegen erbkranke oder „minderwertige“ Menschen wurden nun gesetzlich und auch moralisch legitimiert. Mit der staatlich sanktionierten Lockerung der Schweigepflicht brachten die Nationalsozialisten einen wichtigen Grundpfeiler tradierter ärztlicher Ethik zum Einsturz. Von den Menschen, die ab 1934 aufgrund des „Gesetzes zu Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangsweise sterilisiert wurden, forderte man dies als ein Opfer für die Allgemeinheit.219 Der zugrunde liegende Gedanke, wonach alles sittlich sei, was dem Wohl des Volkes diene, war gleichzeitig einer der Kernsätze nationalsozialistischer Ethik – und nicht zuletzt auch der Rechtssprechung.220 Den Hintergrund dazu bildete eine Gemeinschaftsethik, die in ihrer radikalsten Ausprägung die systematische Ermordung kranker und fürsorgebedürftiger Menschen als etwas moralisch Richtiges erscheinen ließ.221 Spätestens hier wird deutlich, dass der Begriff Ethik in sehr unterschiedlicher, aus heutiger Sicht oft paradox erscheinender Weise Verwendung fand. Emil Abderhalden beispielsweise hatte von „Eugenik als höchster Ethik“ gesprochen, das Gesetz zur Sterilisierung Erbkranker bezeichneten seine Befürworter als 217 Brief vom 27.07.1944, zitiert nach Aly (1987), S. 68. 218 So war beispielsweise der erste Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, der Arzt Irmfried Eberl, vormals als Direktor der Tötungsanstalten Brandenburg und Bernburg tätig gewesen. Auch seine Nachfolger entstammten der „Euthanasie“-Aktion, vgl. Baader (2002), S. 217. Siehe auch Friedlander (1995). 219 Vgl. Verschuer (1941), S. 237. 220 So formulierte der hochrangige NS-Jurist Hans Frank im nationalsozialistischen Handbuch für Recht und Gesetzgebung: „Alles was dem Volke nützt, ist Recht, alles was ihm schadet, ist Unrecht.“, zitiert nach Wagner (2002), S. 7. Vgl. auch Aly (1997), S. 117. 221 Zum Begriff „Gemeinschaftsethik“ siehe Wagner (2002).
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3. „Erneuerung der Ethik“ (1933–1939)
„ethisch hochstehend“, und die Schwangerschaftsunterbrechung nach „Rasseschändung“ erzwang man aus „eugenisch-ethischer“ Indikation.222 Dagegen wurde jüdischen Ärzten öffentlich vorgeworfen, sie hätten jahrelang „arteigene Ethik und Moral“ untergraben.223 Wie auch schon in den Jahren vor 1933 enthielt der Ethikbegriff also sehr heterogene Inhalte, die insbesondere von unserem heutigen Verständnis von Ethik zum Teil erheblich abwichen: Gerade die Vorgänge, die wir heute rückblickend als moralisch besonders verwerflich bezeichnen, galten in den dreißiger Jahren nicht selten als ethischer Fortschritt auf dem Weg zur Verwirklichung eugenischer Utopien. Im Krieg wurden diese Utopien zu regelrechten Vernichtungsstrategien weiterentwickelt und erhielten damit eine neue, noch umfassendere Dimension: Die „Euthanasie“-Aktion bildete, nicht zuletzt in personeller und technischer Hinsicht, die direkte Vorstufe zum Holocaust.
222 Tappe (1935), S. 56. 223 Aufruf des NSDÄB, Völkischer Beobachter, Norddeutsche Ausgabe, 25.03.1933, 2. Beiblatt, S. 3.
4. IM DIENST DER NEUEN ETHIK: BERNWARD JOSEF GOTTLIEB UND DIE MEDIZINGESCHICHTE DER SS 4.1. EIN FACH ZWISCHEN INSTRUMENTALISIERUNG UND SELBSTINDIENSTNAHME Befand sich das Fach Medizingeschichte in den Jahren der Weimarer Republik noch in einem „vorprofessionellen Stadium“,224 so gewann es nach 1933 zunehmend an Bedeutung. Die Nationalsozialisten betrachteten die Medizingeschichte als wichtige ideologische Vermittlungsinstanz, und das Fach erwies sich als anfällig gegenüber ideologischer Inanspruchnahme. Diese Anfälligkeit lag nicht zuletzt darin begründet, dass wichtige Vertreter der Medizinhistoriographie recht früh Sympathie für den Nationalsozialismus bewiesen. Stellvertretend seien hier die Ordinarien Walter von Brunn (Leipzig)225 und Fritz Lejeune (Wien)226 genannt sowie der nach der Emeritierung Karl Sudhoffs wichtigste Fachvertreter, der Lehrstuhlinhaber und Leiter des Berliner Instituts für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Paul Diepgen. An Diepgens Verhältnis zum nationalsozialistischen Staat und dessen Exponenten wird die Selbstindienstnahme der Medizinhistoriker besonders deutlich.227 Politisch durch die bürgerliche Sicherheit des Kaiserreichs geprägt, neigte Diepgen bereits im Ersten Weltkrieg zur Heroisierung des Krieges und nationalistischer Idealisierung deutscher Leistungen in der Medizin.228 Sein Verhältnis zur Weimarer Republik blieb unterkühlt und distanziert. Nach der Machtübernahme Hitlers äußerte Diepgen schnell Zustimmung zur neuen Staatsform.229 Adolf 224 Schmierer (2002), S. 34. 225 Walter von Brunn (vgl. oben, Anm. 113) bekannte 1934 seinem ungarischen Kollegen Tibor Györy einmal mehr: „Sie wissen wie ich stramm zu Hitler stehe.“ Von Brunn an Györy, 16.07.1934, Oommen-Halbach (2004), S. 259. 226 Friedrich Lejeune (1892–1966), Medizinhistoriker in Greifswald und Köln, NSDAP-Mitglied seit 1927, wurde 1939 aus politischen Gründen auf den Wiener Lehrstuhl für Medizingeschichte berufen. Fachkollegen, insbesondere Diepgen, zweifelten seine wissenschaftlichen Qualitäten an. Zu Lejeune siehe Schmierer (2002). 227 Ausführlich dazu Nabielek (1985), Jaehn (1991), Kümmel (2001b) sowie Bruns/Frewer (2005). 228 Diepgen (1917), S. 27f. Im Zweiten Weltkrieg kehrte Diepgen zu dieser Sichtweise zurück, die dann schließlich in den weiter unten aufgeführten Arbeiten seines Schülers Gottlieb ihre extreme Ausprägung erlangen sollte. 229 „Darum begrüßen wir [...] freudig und dankbar die neue Welle des Idealismus, die unter der neuen Regierung über unser Vaterland gekommen ist.“ Diepgen (1934), S. 69. Diese positive Haltung bekräftigte Diepgen in späteren Jahren, vgl. Diepgen (1941a). Vgl. auch UAHU, IfG, Nr. 19, Bl. 96. Zu Diepgens zahlreichen Ergebenheitsadressen an den Nationalsozialismus siehe auch Nabielek (1985), Coleman (1986), S. 238–240 sowie Jaehn (1991), S. 58–77 und 83–89.
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
Hitler bezeichnete er in der 1939 zusammen mit Paul Rostock herausgegebenen Chronik des Berliner Universitätsklinikums als „Genius“, und noch 1941 sprach Diepgen von „restloser Bewunderung für diesen einzigartigen Mann“.230 In einem 1937 verfassten Manuskript über „Wesen und Leistung der deutschen Medizin“ widmete sich Diepgen ausführlich dem „völkisch bedingte[n] Charakter der Medizin“ und den Kernpunkten der „deutschen nationalsozialistischen Weltanschauung für die Medizin“;231 lobend hob er 1940 hervor, der Nationalsozialismus habe „ein neues nationales ärztliches Ethos“ geschaffen.232 Entwürfe einer „völkischen“ Medizingeschichtsschreibung stellten in den folgenden Jahren ein ständig wiederkehrendes Element in den Arbeiten Diepgens und besonders in denen seines Schülers Gottlieb dar. Der vorauseilende Gehorsam gegenüber ideologischen Wertsetzungen der neuen Zeit und seine guten Beziehungen zu Männern wie dem „Reichsarzt-SS“ Ernst Robert Grawitz233 und dem Begleitarzt Hitlers Karl Brandt234 lassen Diepgens spätere Beteuerungen, er habe sich von Hitlers Diktatur – wie angeblich so viele Deutsche – nur in den „friedlichen“ Anfangsjahren blenden lassen, nicht sehr glaubwürdig erscheinen.235
230 Diepgen/Rostock (1939), Vorwort. Paul Diepgen an Karl Brandt, 29.08.1941, UAHU, IfG, Nr. 27, Bl. 151. 231 UAHU, Nachlass Diepgen, Nr. 49, Bl. 1–7. 232 Diepgen (1940), S. 365. 233 Ernst Robert Grawitz (1899–1945) war Sohn des bekannten Berliner Hämatologen Ernst Grawitz (1860–1911). Nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1920 am Kapp-Putsch beteiligt. 1919–1925 Medizinstudium in Berlin, dort nach Approbation und Promotion am Krankenhaus Westend und in eigener Praxis tätig. 1931 Eintritt in die SS und 1937 Ernennung zum geschäftsführenden Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes und zum „Reichsarzt-SS“ durch Himmler, dem er direkt unterstellt war. Im Krieg Chef aller SS-Ärzte und verantwortlich für KZ-Experimente. 1941 Honorarprofessor in Graz. Am 24. April 1945 beging Grawitz zusammen mit seiner Familie Selbstmord. Mit Grawitz verband Diepgen eine enge schriftliche Korrespondenz. Diepgen gratulierte Grawitz regelmäßig zu dessen Beförderungen in der SS und bemühte sich unter anderem, ein passendes Geburtstagsgeschenk für Grawitz’ Vorgesetzten, den „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler zu finden, vgl. UAHU, IfG, Nr. 26, Bl. 530. Zu Grawitz siehe auch Cüppers (2005), S. 69f. Zu seiner Tätigkeit an der Spitze des Deutschen Roten Kreuzes siehe Morgenbrod/Merkenich (2008). 234 Der Chirurg Karl Brandt (1904–1948) war spätestens ab 1943 als „Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen“ eine Zentralfigur der NS-Medizin und federführend an der „Euthanasie“-Aktion beteiligt. Brandt war Hauptangeklagter im Nürnberger Ärzteprozess, wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Diepgen stand in engem Kontakt zu Brandt, vgl. UAHU, IfG, Nr. 27, Bl. 145, 151, 263, 264 sowie Diepgen (1966), S. 66. Seit 1943 gehörte Diepgen zum Stab Brandts. Nach dessen Verurteilung setzte sich Diepgen, wie andere bekannte deutsche Ärzte auch, mit einem – letztlich erfolglosen – Gnadengesuch für Brandt ein. Zu Brandt: Süß (2002), ders. (2003), S. 78–94 sowie umfassend Schmidt (2007). 235 Vgl. Diepgen (1966). Tatsächlich wurde er als Katholik und Nicht-Parteimitglied von einigen führenden Nationalsozialisten als „politisch unzuverlässig“ eingestuft. An seinen Leipziger Kollegen Walter von Brunn schrieb Diepgen im September 1943: „Doch bin ich ja wegen ‚katholisierender Tendenz’ politisch untragbar. Von dieser Affäre, die seit dem Paracelsusdebakel 1941 spielt [Diepgen wurde aus politischen Gründen kurzfristig von der zentralen Paracelsus-Gedenkfeier in Salzburg ausgeladen, F.B.], könnte ich Ihnen einen Roman er-
4.1. Ein Fach zwischen Instrumentalisierung und Selbstindienstnahme
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Jaehn bescheinigt Diepgen zu Recht „eine äußerlich weitgehende Identifikation mit den Zielen des Nationalsozialismus“.236 Wie oben bereits angedeutet traf dies auch auf viele seiner Fachkollegen zu.237 4.1.1. Aufschwung und Nachwuchskrise Vertreter der nationalsozialistischen Medizinideologie zeigten sich stets bemüht, ihre Vorstellungen einer neuen Moral in der Medizin unter Hinweis auf angeblich zeitlose ethische Gesetze zu legitimieren. Die Medizingeschichte diente als wichtiges Instrument zur ideologischen Neuausrichtung der Ärzteschaft und erfuhr infolgedessen eine erhebliche Aufwertung. Nicht nur, dass die Medizingeschichte zum Wintersemester 1939/40 erstmals zum Pflichtfach für die Medizinstudierenden wurde, es kam auch zu zahlreichen Neugründungen von medizinhistorischen Instituten und Fachzeitschriften.238 Das 1930 gegründete Berliner Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften bildete den Mittelpunkt dieser Aufwärtsentwicklung. Im Zentrum der Reichshauptstadt angesiedelt, befand es sich dicht an den Schaltzentralen der Macht und besaß überdies internationales Renommee.239 Der Bedeutungszuwachs für die Geschichte der Heilkunde war umso bemerkenswerter, als gerade dieses Fach in den vorangegangenen Jahrzehnten einem erheblichen Legitimierungsdruck ausgesetzt war und ihre Vertreter gewohnt waren, um Anerkennung kämpfen zu müssen.240 Interessanterweise verstärkte sich die „medizinhistorische Welle“, wie Paul Diepgen diese Entwicklung einmal gegenüber seinem dänischen Kollegen Edvard Gotfredsen bezeichnete,241 zu Beginn des Zweiten Weltkriegs noch. Die Geschichte der Medizin hatte einen prominenten Platz im Curriculum des Medizinstudiums und in der öffentlichen Wahrnehmung
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zählen. [...] Erfreulicherweise hat aber der Vertrauensmann des Führers, Professor Brandt, mich gebeten, ruhig weiterzuarbeiten, wie bisher.“ UAHU, IfG, Nr. 31, Bl. 329. Jaehn (1991), S. 88. Zur profaschistischen Haltung vieler Fachvertreter siehe Kümmel (2001b) sowie Frewer/ Bruns (2004). Sogar der greise und ehemals liberale Karl Sudhoff trat 1933 noch der NSDAP bei, vgl. Kümmel (2001b), S. 167f. Diesen Schritt empfanden selbst seine im rechten Lager stehenden Fachkollegen als „sehr peinlich“, vgl. von Brunn an Györy, 10.05.1933, OommenHalbach (2004), S. 208. Vgl. Bruns/Frewer (2005), S. 154. Bezogen auf die Anzahl der Mitarbeiter, den Etat, die Bibliothek und die technische Ausstattung war das Berliner Institut neben dem medizinhistorischen Institut der Johns Hopkins University in Baltimore das größte der Welt, vgl. BArch Berlin/BDC, WI Diepgen, Bl. 128929. Zur herausgehobenen Stellung Diepgens und des Berliner Instituts in der deutschen Medizingeschichte vgl. u.a. die Denkschrift „Über den gegenwärtigen Stand der Medizingeschichte an den deutschen Universitäten“ vom Februar 1937, UAHU, IfG, Nr. 39, Bl. 1–7. Allgemein zur Entstehung der Berliner Forschungsstätte: Diepgen (1931), (1936) sowie Bruchelt (1978). Vgl. u.a. Kümmel (2001a), aber auch schon Sudhoff (1906). Diepgen an Gotfredsen (Kopenhagen) vom 28.02.1941, UAHU, IfG, Nr. 26, Bl. 510. Edvard Gotfredsen (1899–1963) war Professor für Geschichte der Medizin in Kopenhagen. Für Informationen zu Gotfredsen danke ich Thomas Söderqvist und Anders Olsen, Kopenhagen.
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
eingenommen. Diepgens Vorlesungen in Berlin waren außergewöhnlich stark besucht. Bereits im Jahr 1938, als die Geschichte der Medizin noch keine Pflichtvorlesung war, berichtete er dem Pathologen Georg Benno Gruber von über 300 Hörern in Berlin. Gruber wiederum, der in Göttingen Medizingeschichte las, konnte Ähnliches von dort vermelden.242 Die von Diepgen und Ludwig Aschoff herausgegebene „Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin“ erreichte allein zwischen 1936 und 1945 vier Auflagen. Stolz verwiesen beide Autoren darin auf die „zunehmende Bedeutung der Geschichte der Medizin“.243 „Diese großen Fortschritte“, so schrieb Diepgen im Jahr 1943, „wären unmöglich gewesen, wenn nicht die [...] Wendung im ärztlichen Denken immer stürmischer vorwärtsgedrängt hätte. Der Nationalsozialismus erwies sich als mächtig wirksames Ferment. Seine Volksverbundenheit und seine Freude am Volkstum ließen volkstümliches und aus dem Volkstum stammendes Erfahrungswissen älterer Ärztegenerationen neue Bedeutung gewinnen.“244
Diese kurzen Schlaglichter auf die Medizinhistoriographie am Beginn des Krieges machen bereits deutlich, in welcher Weise sich das Fach dem Nationalsozialismus andiente und in welchem Ausmaß es dessen Gedankengut und Terminologie übernommen hatte. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den zunehmenden Einfluss, den die SS auf die Medizingeschichtsschreibung gewann, eine Entwicklung, die im Folgenden genauer beschrieben werden soll.245 Im Kontrast zur steigenden Bedeutung der Medizingeschichte auf institutioneller Ebene stand der prekäre Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs. Ansprüche, die sich aus der politisch geforderten Expansion und Professionalisierung des Faches ergaben, konnten immer weniger erfüllt werden. Die Tatsache, dass Medizingeschichte lange Zeit eine Disziplin war, die von einigen interessierten Klinikern und Theoretikern nur nebenbei betrieben wurde, erwies sich nun als großer struktureller Nachteil. Die ohnehin schmale wissenschaftliche Führungsriege – durch die erzwungene Emigration vieler Fachvertreter seit 1933 nochmals geschrumpft – alterte zusehends, und die Innovationen beschränkten sich in erster Linie auf das in der Reichshauptstadt Berlin angesiedelte Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik.246 Um die mit der neuen Studien242 Vgl. Korrespondenz Diepgen/Gruber, UAHU, Nachlass Diepgen, Bl. 38f. 1940 musste Diepgen seine Vorlesungen, deren Besuch nun obligatorisch war, wegen des großen Andrangs doppelt lesen, vgl. UAHU, IfG, Nr. 29, Bl. 406. 243 Aschoff/Diepgen (1940), S. 69. Von den 2000 Exemplaren der 1940 gedruckten vierten Auflage waren Anfang 1942 bereits über 800 verkauft, so dass bereits 1943 die fünfte Auflage erschien. Die sechste Auflage erschien noch im Jahr 1945. Zu den genauen Zahlen vgl. die Korrespondenz Diepgens mit der Verlagsbuchhandlung Julius Springer, UAHU, Nachlass Diepgen, Nr. 1, Bl. 2, 12, 19, 57, 117. 244 Handschriftliches Manuskript Diepgens von 1943 zu „Geschichte und Bedeutung medizinhistorischer Forschung“, Medizinhistorisches Institut Mainz, Nachlass Diepgen, I/13, S. 7. 245 Vgl. zum Folgenden auch Bruns/Frewer (2005). Zur Geschichtspolitik der SS siehe Lerchenmueller (2001). Zum Geschichtsbild und zur Funktion von Geschichte vgl. auch Wolfrum (2001), insbesondere S. 39–55. 246 1940 war Diepgen 62 Jahre alt, von Brunn (Leipzig) 64 Jahre, Wilhelm Haberling (Düsseldorf) 69 Jahre, Martin Müller (München) 62 Jahre, Georg Sticker (Würzburg) 80 Jahre.
4.1. Ein Fach zwischen Instrumentalisierung und Selbstindienstnahme
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ordnung an allen Medizinischen Fakultäten nötig gewordenen Pflichtvorlesungen zur Medizingeschichte überhaupt mit Dozenten besetzen zu können, veranstaltete der Leiter des Berliner Instituts, Paul Diepgen, im Juli 1939 einen dreitägigen Schulungskurs über den Unterricht in der Medizingeschichte. Dieses einmalig stattfindende Seminar musste den künftigen Lehrbeauftragten einstweilen zur Vorbereitung ihrer Vorlesungen genügen.247 Den Mangel an Nachwuchswissenschaftlern beklagte auch Diepgen des Öfteren und sprach ein Jahr nach Kriegsausbruch in einer Unterredung mit dem Berliner Neurologen und Psychiater Maximinian de Crinis248 gar von einer „trostlosen Lage“, in die das Fach durch den Krieg geraten sei.249 Im November 1940 konnte er jedoch gegenüber dem gleichermaßen in der Medizingeschichte wie in der NSDAP engagierten Hygieniker Heinz Zeiss250 erfreut vermelden, zwei neue Habilitanden für das Berliner Institut gewonnen zu haben.251 Wie es zu dieser für Diepgen unerwarteten Wendung kam, vor welchem Hintergrund sie stattfand und welche Konsequenzen sie für die Medizinhistoriographie in Deutschland nach sich zog, soll im Folgenden genauer erläutert werden.
247 Im Dezember 1938 hatte Diepgen dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung für alle deutschen medizinischen Fakultäten Dozenten vorgeschlagen, die Geschichte der Medizin lesen könnten, vgl. UAHU, IfG, Nr. 39, Bl. 46–48. Zum Schulungskurs siehe UAHU, IfG, Nr. 39, Bl. 70, 80, 86. Aus der Teilnehmerliste geht hervor, dass neben einigen künftigen Lehrbeauftragten auch Landärzte nach Berlin gekommen waren. Zu Inhalten des Kurses vgl. den Erfahrungsbericht von Hammer (1939). 248 Maximinian de Crinis (1889–1945) floh als Mitglied der damals in Österreich noch verbotenen NSDAP 1934 von Graz nach Deutschland. Nach Übernahme des Berliner Lehrstuhls für Neurologie und Psychiatrie im Jahr 1939 (Nachfolge Bonhoeffer) stieg de Crinis als Referent für medizinische Angelegenheiten im Amt W[issenschaft] des Reichserziehungsministeriums zum „einflußreichsten Medizinalfunktionär der NS-Zeit“ (Götz Aly) auf. Ihm oblag die Besetzung aller medizinischen Lehrstühle, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die zunehmende Durchsetzung der Professorenschaft mit jungen Nazis. Vgl. Hubenstorf (2002), S. 324f. Zu de Crinis generell: Jasper (1991). 249 UAHU, IfG, Nr. 39, Bl. 89. Diepgen berichtete dabei auch über die allgemeine Unzufriedenheit mit der Berufung Fritz Lejeunes nach Wien und beklagte, dass Dozenten für die Geschichte der Medizin oftmals zur Wehrmacht eingezogen würden. 250 Heinz Zeiss (1888–1949), Hygieniker und Tropenmediziner, Promotion 1912 in Freiburg, 1914–1921 Assistent am Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. Zeiss lebte und forschte danach jahrelang in Russland, u.a. im Moskauer Pasteur-Institut. Er trat 1931 in die NSDAP ein und wurde 1933 stellvertretender Direktor des Berliner Hygiene-Instituts, ab 1937 ordentlicher Professor. Seit 1934 war Zeiss Vertrauensmann der NSDAP-Reichsleitung an der Medizinischen Fakultät Berlin. Nebenbei war er medizinhistorisch aktiv und 1933 als Nachfolger für Karl Sudhoff in Leipzig im Gespräch gewesen. Zum Werdegang vgl. UAHU, UK, PA Zeiss Z 12, 12a sowie Schleiermacher (2005), (2008). 251 „Die Nachwuchssorgen beschäftigen mich auch sehr. Ich habe schon allerlei Schritte getan, um junge Leute für unser Fach zu gewinnen. Es ist auch schon ein Ansatz da, insofern ich zwei neue Habilitanten [sic] am Institut habe.“ Diepgen an Zeiss, 9.11.1940, UAHU, IfG, Nr. 25, Bl. 414.
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4.1.2. Gottlieb, Berg und die Kontakte zur SS Die neuen Habilitanden am Berliner Institut, von denen Diepgen Zeiss gegenüber sprach, waren die jungen Ärzte Alexander Berg und Bernward Josef Gottlieb. Beide gehörten der Waffen-SS an und kamen mit dem Ziel an das Berliner Institut, sich im Fach Medizingeschichte weiterzubilden und zu habilitieren. Berg wurde 1935 mit einer von der SS geförderten Arbeit zur Volksmedizin in Ostpreußen zum Dr. phil. promoviert und arbeitete seit 1938 als planmäßiger Assistent am Institut. Er gehörte zudem als Sachbearbeiter für Volksmedizin dem Persönlichen Stab des „Reichsführers SS“ Heinrich Himmler an. Bernward Josef Gottlieb kam im November 1940 an Diepgens Institut und entwickelte sich im weiteren Verlauf zur Schlüsselfigur einer von der SS geplanten neuen, völkisch orientierten Medizingeschichtsschreibung. In seinen Arbeiten zeigte sich Gottlieb gegenüber Berg „militanter und strenger an weltanschaulichen Vorgaben orientiert.“252 Der Werdegang Gottliebs und die damit eng verbundenen Versuche, eine „neue Medizingeschichte“ zu etablieren, sollen an dieser Stelle näher betrachtet werden. Bernward Franz Josef Gottlieb wurde 1910 in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern waren der Archivsekretär Heinrich Josef Gottlieb und dessen Frau Christine, geborene Diehl. Gottlieb studierte in Frankfurt Medizin und wurde 1935 zum Dr. med. promoviert.253 1933 trat er der NSDAP und der SS bei.254 Noch im gleichen Jahr teilte die SS Gottlieb als ärztlichen Berater der Dienststelle des Reichsdentistenführers zu.255 Von 1936 bis zu seiner Einberufung zur WaffenSS im Herbst 1939 arbeitete er als Stadtarzt in seiner Heimatstadt Frankfurt. Ein offenbar durch Richard Koch,256 den Frankfurter Pionier der Geschichte und Theorie der Medizin, gewecktes medizinhistorisches Interesse führte Gottlieb 1938 an Walter Artelts Seminar an der Universität Frankfurt.257 Ein erster Versuch, Kontakt zu Paul Diepgen aufzunehmen, endete im März 1939 für Gottlieb zunächst wenig ermutigend: Seine Anfrage, ob er sich mit einer 252 Jaehn (1991), S. 76. 253 Gottlieb (1935). 254 NSDAP-Mitglied seit 01.05.1933, SS-Beitritt am 21.09.1933, letzteres laut handschriftlichem Lebenslauf bereits im Februar 1933, vgl. BArch Berlin/BDC SSO Gottlieb. Gottlieb gehörte fortan der Dienststelle „Reichsarzt SS und Polizei“ an, SS-Nr. 92218, vgl. BArch Berlin ZA I 5917, Bl. 143 (Dienstaltersliste der Waffen-SS vom 01.07.1944). 255 Vgl. Schreiben des Reichsdentistenführers Fritz Blumenstein an Himmler vom 03.06.1943, in dem Blumenstein die zehnjährige Zusammenarbeit mit Gottlieb lobt, BArch Berlin/BDC SSO Gottlieb. 256 Richard Koch (1882–1949), jüdischer Arzt und Medizintheoretiker, seit 1926 Professor für Geschichte der Medizin an der Universität Frankfurt. Koch wirkte entscheidend am Aufbau des dortigen medizinhistorischen Seminars mit, das 1935 nach nur achtjährigem Bestehen von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde. Koch musste 1936 emigrieren und starb im Exil in der Sowjetunion. Zu Koch siehe Töpfer/Wiesing (2004) und Boltres et al. (2006). 257 Vgl. schriftliche Mitteilung Gottliebs an den Verfasser vom 23.01.2002 sowie UAL, KSI, 47c, Bl. 152. 1938 war es zur Neugründung des Frankfurter medizinhistorischen Seminars als „Senckenbergisches Institut für Geschichte der Medizin“ gekommen.
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Arbeit über die Entdeckung des Blutkreislaufes bei Diepgen habilitieren und gleichzeitig eine Assistentenstelle am Berliner Institut erhalten könne, beantwortete dieser mit einer recht harschen Absage und verwies ihn zurück an Walter Artelt.258 Der zweite Versuch verlief erfolgreicher: Gottlieb, seit Juni 1940 Mitarbeiter im Stab des Chefs aller SS-Ärzte, Ernst Robert Grawitz, wurde im November des gleichen Jahres von dort aus für zunächst zwei Jahre an das Berliner Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften „abkommandiert“.259 Nun war es plötzlich Diepgen selbst, der Grawitz den Vorschlag machte, Gottlieb an sein Berliner Institut zu versetzen und auf die Habilitation vorzubereiten.260 Sicher konnte sich Gottlieb dabei die Protektion durch Grawitz zunutze machen. Doch auch Diepgen musste ein zunehmendes Interesse haben, die durch den Kriegsausbruch noch schwieriger gewordenen Nachwuchsprobleme zu lösen und junge Forscher an sich zu binden.261 Die Aussicht, dadurch die von ihm offenbar als wichtig erachteten Kontakte zur SS zu festigen, ließ Diepgen sicher noch leichter über die kurz zuvor beklagten methodischen Schwächen seines Habilitanden hinwegsehen. Da Grawitz wiederum daran gelegen war, einen wissenschaftlich qualifizierten Mitarbeiterstab im Bereich der Geschichte der Heilkunde aufzubauen, trafen in diesem Fall mehrere gleichgerichtete Interessenslagen aufeinander. Gegenüber Grawitz, Gottliebs Vorgesetztem, äußerte sich Diepgen in der Folgezeit mehrfach positiv über die Fortschritte seines Schülers, der – zumindest was die Anzahl an Publikationen betraf – eine erstaunliche Produktivität an den Tag legte.262 An anderer Stelle urteilte Diepgen deutlich kritischer und bezeichnete Gottliebs frühe Arbeiten als „ziemlich dilettantisch“.263 Unabhängig da258 „Was Ihnen fehlt, ist die historische Methode. Diese kann man sich ohne Spezialstudien nicht aneignen. [...] Aber ohne Technik geht es nicht. Sowenig wie beim mikroskopieren und operieren [sic].“ Diepgen an Gottlieb, 14.03.1939, UAHU, IfG, Nr. 21, Bl. 202. 259 Vgl. Schreiben des Chefs des SS-Sanitätsamtes, SS-Oberführer Dr. Genzken an Diepgen vom 23.10.1940, BArch Berlin/BDC SSO Gottlieb. 260 „Ich freue mich, Ihnen berichten zu dürfen, dass der Reichsarzt-SS, Brigadeführer Grawitz, mich auf Vorschlag von Prof. Diepgen an das Berliner Institut für Geschichte der Medizin bis auf weiteres abkommandiert hat. Es ist ein unverdientes Glück, das sich unerwartet aufgetan hat.“ Gottlieb an Aschoff, UAF, Nachlass Ludwig Aschoff, E 10/135. Vgl. auch Gottlieb an Diepgen, 18.10.1940, UAHU, IfG, Nr. 39, Bl. 525, woraus hervorgeht, dass Gottlieb quasi als Gegenleistung seine Kontakte zur SS nutzen sollte, um sich für Diepgens Schüler Walter Artelt einzusetzen. 261 Bereits 1936 hatte Diepgen seinen Freund Ludwig Aschoff von der bevorstehenden Aufnahme der Geschichte der Medizin in das Pflichtcurriculum der neuen Studienordnung in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig von seinem Vorschlag an das Ministerium berichtet, angesichts des erhöhten Bedarfs an Dozenten „geeignete junge Leute 1–2 Jahre an die in Berlin, Leipzig und München bestehenden Institute abzukommandieren [sic], damit sie die Methode lernen.“ UAF, Nachlass Ludwig Aschoff, E 10/115. 262 Vgl. die Publikationsliste Gottliebs, BArch Berlin/BDC PK Gottlieb. 263 Zudem stellte Diepgen bei Gottlieb „eine gelegentlich etwas gefährlich werdende Neigung zu schnellem und, man möchte fast sagen, ‚nervösem’ Arbeiten“ fest. Siehe Beurteilung Gottliebs durch Diepgen vom 29.05.1944, BArch Berlin/BDC PK Gottlieb. Ein Manuskript Gottliebs mit dem Titel „Daniel le Clerc (1652–1728) über die Philosophie und Anatomie des
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von bemühte sich Gottlieb schon vor Beginn seiner Tätigkeit an Diepgens Institut, Kontakte zu Ludwig Aschoff in Freiburg zu knüpfen, und legte diesem seine Publikationen vor.264 Die vielfältige Unterstützung, die Gottlieb seitens der SS zuteil wurde und auf die auch Diepgen mehrfach hinwies,265 wird besonders an den Umständen deutlich, die schließlich zu Gottliebs Ernennung zum Dozenten für Geschichte der Medizin in Graz führten. Eine entscheidende Rolle spielte hierbei der Berliner Neurologe und Psychiater Maximinian de Crinis, der SS-Kameraden bereitwillig förderte und neben Diepgen auch als wohlwollender Korreferent bei Gottliebs Habilitationsarbeit auftrat.266 Gottlieb habilitierte sich am 12. Mai 1942 mit der Arbeit „Zur Geschichte des Vitalismus: Bedeutung und Auswirkungen Georg Ernst Stahl’s insbesondere auf die Schule von Montpellier“.267 Auch in der Folgezeit bat Gottlieb de Crinis um Unterstützung, da die Grazer Medizinische Fakultät seinem Ersuchen auf Zulassung zur Dozentur zunächst ablehnend gegenüberstand und es zu erheblichen Unstimmigkeiten bezüglich der Zuständigkeit für Gottliebs Antragstellung zwischen den Dekanaten der Berliner und der Grazer Fakultät kam.268 Gottlieb nahm die Verzögerungen zum Anlass, de Crinis „vertrauensvoll“ zu bitten, ihm als „altem SS-Arzt“ bei seinem Ersuchen
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Hippokrates“ wollte 1938 weder der Verlag Johann A. Barth drucken, noch akzeptierte es Walter von Brunn für „Sudhoffs Archiv“, da es eine reine Übersetzung eines „allen Medizinhistorikern bekannten“ Buches darstelle. „Es dürfte eine gewisse Zumutung für diese Leser darin liegen, wenn man ihnen jetzt eine deutsche Übersetzung dieses französischen Buches vorlegen würde [...]. Ich halte es für kaum möglich, dieses Ms. auch in gekürzter Form den Lesern des Archivs anzubieten.“ Siehe UAL, KSI, 6a, Bl. 62f. Vgl. Korrespondenz Gottlieb/Aschoff, UAF, Nachlass Ludwig Aschoff, E 10/135. Der weltbekannte Pathologe Ludwig Aschoff (1866–1942) beschäftigte sich auch mit der Medizingeschichte. Zuletzt besaß er von 1936 bis 1940 für dieses Fach einen Lehrauftrag an der Universität Freiburg. In einem Gutachten merkt Diepgen an, dass Gottlieb „durch besonders intensive Förderung seitens seiner Vorgesetzten [...] im Gegensatz zu seinen Alterskameraden seine Arbeit so gut wie ausschließlich der Medizingeschichte widmen und dadurch in der wissenschaftlichen Produktion, was die Quantität angeht, einen Vorsprung gewinnen konnte.“ Siehe Beurteilung Gottliebs durch Diepgen vom 29.05.1944, BArch Berlin/BDC PK Gottlieb. Im Gegensatz zu Berg, der bereits zu Kriegsbeginn zur Waffen-SS eingezogen wurde, blieb Gottlieb während des Krieges „uk-gestellt“ [„unabkömmlich“]. Jaehn sieht darin zu Recht einen weiteren Hinweis auf die gegenüber Berg herausgehobene Position Gottliebs, vgl. Jaehn (1991), S. 76. Es war Diepgen, der de Crinis bat, das Korreferat zu übernehmen und „einige empfehlende Worte“ über Gottlieb auf der Fakultätssitzung zu sagen. Siehe Diepgen an de Crinis, 15.04.1942, BArch Berlin/BDC WI Diepgen. Vgl. auch die positive Beurteilung der Arbeit durch Diepgen und de Crinis, UAHU, Med. Fak. 287 Gottlieb, Bl. 6f. UAHU, Med. Fak. 287 Gottlieb, Bl. 6–11 sowie Gottlieb (1943a). Anwesend bei der Probevorlesung waren unter anderem Ernst Robert Grawitz und der Chef des Sanitätswesens der Waffen-SS, Karl Genzken, vgl. UAHU, Med. Fak. 287 Gottlieb, Bl. 15. Vgl. den umfangreichen Schriftwechsel im BArch Berlin/BDC REM Gottlieb, Bl. 4685, 4693, 4696f., 4700 sowie UAHU, Med. Fak. 287, Gottlieb, Bl. 13, 16–20, 22–23. Unter anderem konnte Gottlieb die vorgeschriebenen Druckexemplare seiner Habilitationsarbeit nicht vorlegen und versuchte dies gegenüber dem Grazer Dekan mit der „ausserordentlichen Papierverknappung“ zu begründen, BArch Berlin/BDC REM Gottlieb, Bl. 4696f.
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auf Zulassung zur Dozentur behilflich zu sein.269 Die Interventionen des einflussreichen de Crinis blieben nicht ohne Erfolg: Nach den Lehrproben im Dezember 1942, zu denen Gottlieb schließlich gegen den Willen der Grazer Medizinischen Fakultät eingeladen wurde,270 erfolgte am 26. Januar 1943 die Ernennung zum Dozenten für Geschichte der Medizin.271 Im folgenden Sommersemester las Gottlieb erstmals die Hauptvorlesung zur Geschichte der Medizin an der Universität Graz, die bis dahin der Grazer Primararzt und Lehrbeauftragte Norbert Moro gehalten hatte. Moro wurde im April 1943 von seinem Lehrauftrag entbunden. 4.1.3. Paracelsus – ein „Kämpfer gegen das Judentum“ In welchem Ausmaß Gottlieb bereit war, die Medizingeschichte in den Dienst des NS-Regimes zu stellen, beweisen zwei Abhandlungen, die er 1941 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte. Dabei bediente Gottlieb mit Ausfällen gegen Juden und Freimaurer exakt jene Feindbilder, die auch Teile des offiziellen NS-Geschichtsbildes ausmachten.272 Die Entstehungsgeschichte der beiden Aufsätze erläuterte Gottlieb wenig später in einem Brief an Diepgen: „Zugleich berichte ich Ihnen noch, daß ich im Rahmen meines politischen Auftrages Material aus der Bibliothek des Reichsführers und Reichsarztes zur Entstehung der Freimaurerei in England sowie zur Judenfrage in der Zeit des Paracelsus bearbeitete [...]. Wie mir der Reichsarzt-SS mitteilte, soll sich der Reichsführer-SS Himmler über die bisher geleistete Arbeit lobend ausgesprochen haben.“273
Wie offen Gottlieb gegenüber Diepgen davon spricht, medizinhistorische Forschung im Rahmen eines „politischen Auftrages“ zu betreiben, ist ein weiterer
269 Gottlieb an de Crinis, 22.06.1942, BArch Berlin/BDC REM Gottlieb, Bl. 4693f. 270 Hafferl an de Crinis, 14.11.1942, BArch Berlin/BDC WI Hafferl. Die Lehrproben hatten die Entdeckungsgeschichte des Blutkreislaufes zum Thema. Zur Resonanz der Fakultät auf die Lehrprobe vgl. BArch Berlin/BDC REM Gottlieb, Bl. 4703, 4708 sowie 4710. Anton Hafferl (1886–1959), Professor der Anatomie, 1938–1945 Dekan der Medizinischen Fakultät und Vertrauensmann des NSD-Dozentenbundes, lehrte ebenfalls an der SS-Ärztlichen Akademie. 271 Hafferl bemühte sich, keinen Zweifel an seiner politischen Zuverlässigkeit aufkommen zu lassen: „Nun hat der Berliner Dekan beim Herrn Reichsminister um Zuweisung von Dr. Gottlieb zur Lehrprobe nach Graz gebeten, und hat anscheinend den Eindruck, als wollte ich Schwierigkeiten bei der Zulassung machen. Das ist von meiner Seite bestimmt nicht der Fall.“ Hafferl an de Crinis, 11.07.1942, BArch Berlin/BDC WI Hafferl. In der Tat scheinen in erster Linie die Ordinarien Otto Reisch (Psychiatrie), Arnold Pillat (Augenheilkunde) und Karl Ehrhardt (Gynäkologie) gegen Gottliebs Ernennung opponiert zu haben, vgl. Schreiben Hafferls an de Crinis, 14.11.1942, BArch Berlin/BDC WI Hafferl. Politische Vorbehalte dürften dabei weniger von Bedeutung gewesen sein: Alle drei können als überzeugte Nationalsozialisten gelten, vgl. Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik (1985), S. 69–71 sowie Scheiblechner (2002). 272 Zum Geschichtsbild der SS u.a. Wegner (1997), S. 56–66. 273 Gottlieb an Diepgen, 14.08.1941, UAHU, IfG, Nr. 28, Bl. 62.
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Beleg dafür, dass dies damals in medizinhistorischen Kreisen offenbar nicht als etwas Außergewöhnliches angesehen wurde.274 Paracelsus wurde von Gottlieb beispielsweise als früher „Kämpfer gegen das Judentum“ und als „Antisemit nicht nur aus konfessionellen Gründen, sondern aus rassischem Instinkt“ dargestellt.275 Die Freimaurer-Logen betrachtete Gottlieb als Ausdruck des imperialen Machtstrebens Englands auf dem europäischen Kontinent und in der Welt. Ohne jeden fachlichen medizinhistorischen Bezug verband Gottlieb hier tendenziöse Forschung mit kriegspolitischer Propaganda.276 Ähnlich verhielt es sich mit dem 1942 erschienenen Bildband „Das Antlitz des germanischen Arztes in vier Jahrhunderten“, den Gottlieb zusammen mit seinem Kollegen Alexander Berg herausbrachte.277 Dieses Produkt einer „völkisch ausgerichteten Wissenschaftsgeschichte“, so die Autoren im Vorwort, war „dem Andenken des deutschen Arztes, seinem Wirken im germanischen Lebensraum“ gewidmet. Es stellte in eklektizistischer Weise dem „germanischen“ Kulturideal entsprechende Ärzte und deren Leistungen heraus. Das Buch, zu dem „ReichsarztSS“ Grawitz das Geleitwort schrieb,278 war „als Vorläufer einer umfassenden Darstellung germanisch-europäischer Kulturleistungen auf dem Gebiet der Heilkunde“ angelegt.279 An der Zusammenstellung der Bilder, Holzschnitte, Stiche und Zeichnungen, versehen jeweils mit einem bescheidenen biographischen Zusatz, war nicht nur das Bildarchiv des SS-Institutes für Medizingeschichte 274 Auch Diepgen verfasste Auftragsarbeiten, deren politische Richtung von Anfang an feststand und von ihm dann auch – vermeintlich historisch begründet – umgesetzt wurde, vgl. etwa Diepgen (1941b). Dieser Aufsatz ging auf eine Anfrage des Schriftleiters der Zeitschrift „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“, Rudolf Ramm, zurück, vgl. UAHU, IfG, Nr. 29, Bl. 374f. In einem ebenfalls für 1941 geplanten Aufsatz in den „Nationalsozialistischen Monatsheften“, einer der wichtigsten Propagandazeitschriften der NSDAP, sollte Diepgen über „Großtaten deutscher Ärzte“ schreiben, vgl. ebd., Bl. 8. Der Artikel, den Diepgen bereits fertiggestellt hatte, konnte schließlich aus Platzgründen nicht erscheinen, vgl. ebd., Bl. 5. Vermutlich beruhte die Absage jedoch eher auf politischen Vorbehalten. 275 Weiter heißt es: „[Paracelsus] war Deutscher und ein entschiedener Kämpfer für die Reinhaltung der deutschen Heilkunde von jüdischen Einflüssen.“ Gottlieb (1941b), S. 328. 276 Vgl. Gottlieb (1941a). Für Mörgeli und Jobmann stehen beide Artikel „in Stil und Inhalt dem ‚Stürmer’ in nichts nach“, Mörgeli/Jobmann (1997), S. 84. 277 Gottlieb/Berg (1942). 278 Nach Aussage Gottliebs war es auch Grawitz, der den ursprünglich von Gottlieb und Berg vorgesehenen Titel „Das Antlitz des deutschen Arztes ...“ in „Das Antlitz des germanischen Arztes ...“ ändern ließ, vgl. schriftliche Mitteilung Gottliebs an den Verfasser vom 15.02. 2002. Dies scheint insofern plausibel, als auch Berg in einem früheren Schreiben an einen Vorgesetzten das Wort „deutsch“ benutzt, vgl. BArch Berlin/BDC Ahnenerbe, Alexander Berg, Schreiben vom 25.04.1942. Das ändert jedoch nichts an der Wirkung und Ausrichtung des Buches. 279 Gottlieb/Berg (1942), S. 5. Zur Bewertung des Buches und seiner bis in die Nachkriegszeit reichenden Rezeptionsgeschichte vgl. Mörgeli/Jobmann (1997) sowie Jobmann (1998), S. 22–30. Während die einen das Buch als rassistische Nazi-Propaganda charakterisieren, sehen andere es als eher harmlos an. Kater beispielsweise hält es für „im großen und ganzen noch tragbar“, weist aber auf die bewusste Unterschlagung der Rolle jüdischer Ärzte hin, vgl. Kater (1974), S. 429. Die American Association for the History of Medicine bezeichnete das Buch 1964 als „monument to racism“, Bulletin for the History of Medicine 5 (1964), S. 462.
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beteiligt; auch Diepgens Berliner und von Brunns Leipziger Institut steuerten Abbildungen bei.280 Neben den politisch motivierten Veröffentlichungen lassen sich bei Gottlieb durchaus auch Aufsätze finden, die frei von NS-Ideologie waren,281 Bezüge zur Kriegsmedizin finden sich jedoch sehr oft.282 Eine quantitative Analyse seiner Veröffentlichungen zwischen 1933 und 1945 lässt erkennen, dass Gottliebs publizistische Aktivität in der zweiten Hälfte der zwölf Jahre währenden NS-Diktatur ihren Höhepunkt erreichte. An der Symbiose von Politik und historischer Wissenschaft schien Gottlieb bis in die letzten Kriegsmonate hinein Gefallen zu finden. Noch im Dezember 1944 berichtete er Diepgen, dass er eine Monographie über Virchow plane. Diepgen, der den Blick offenbar schon in die Nachkriegszeit richtete, riet Gottlieb zu diesem Zeitpunkt allerdings davon ab, sich als „politischer Historiker“ zu versuchen. Dies, so Diepgen, „könnte Ihrem Ruf im Ausland unnötig schaden. Daß Sie diesen Rat als vertraulich ansehen, nehme ich als selbstverständlich an.“283 4.1.4. Das „Institut für Geschichte der Heilkunde beim Reichsarzt SS und Polizei“ Kurz nachdem Gottlieb seine Tätigkeit an Diepgens Institut aufgenommen hatte, erfolgte im Januar 1941 durch Grawitz die Gründung des „Institutes für Geschichte der Heilkunde beim Reichsarzt SS und Polizei“. Die Einrichtung dieses Institutes, das auch auf Gottliebs Initiative hin ins Leben gerufen und mit dessen Leitung er zum 1. September 1941 betraut wurde, musste auf Diepgen wie ein Affront wirken. Vor seinen Augen entstand in Berlin ein zweites medizingeschichtliches Institut, noch dazu unter der Führung eines seiner Schüler, dessen wissenschaftliche Qualifikation Diepgen kurz zuvor noch in Frage gestellt hatte. Und auch die Zielsetzung der neuen Forschungsstätte – „[...] die ethischen Werte überkommenen Arzttums in der Erziehung der SS- und Polizeiärzte wirksam zu machen [...]“ – deutete darauf hin, dass Diepgens Institut offenbar doch nicht bzw. noch nicht in ausreichendem Maße die politische Zweckforschung betrieb, die man sich von Seiten der Partei und der SS wünschte.284 280 Vgl. UAL, KSI, 49c, Bl. 112–117. Insofern verwundert es nicht, dass Diepgen das Buch positiv herausstellt, vgl. BArch Berlin/BDC PK Gottlieb, Gutachten Diepgens über Gottlieb, S. 3 sowie UAHU, IfG, Nr. 17, Bl. 83. Andere Rezensionen, z. B. in medizinischen Fachzeitschriften, finden sich dagegen kaum. Eine zweite, überarbeitete Auflage des Werkes befand sich in Planung, vgl. Gottlieb an von Brunn, 13.09.1943 UAL, KSI, 49c, Bl. 114. 281 Vgl. u.a. Gottlieb (1941c), (1943b), (1944b). 282 Vgl. Gottlieb (1941d), (1943c) und (1943d). Ein Schriftenverzeichnis, in dem die Aufsätze über die Judenfrage bei Paracelsus und über die Freimaurer in England interessanterweise nicht aufgeführt werden, findet sich in BArch Berlin/BDC PK Gottlieb. 283 Briefwechsel Gottlieb/Diepgen vom 29.12.1944 und 08.01.1945, UAHU, IfG, Nr. 33, Bl. 116f. 284 Vgl. die von Gottlieb formulierte Notiz in: Mitteilungen zur Geschichte der Medizin, der Naturwissenschaften und der Technik 40 (1941/42), S. 364 sowie UAHU, IfG, Nr. 17, Bl. 86.
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Die Ausstattung des SS-Institutes war jedoch zunächst sehr bescheiden und bedeutete somit keine ernsthafte Konkurrenz für Diepgen.285 Die Existenz der neuen Einrichtung war in erster Linie für Grawitz von Bedeutung, der sich offenbar mit dem Aufbau einer weiteren SS-Institution bei Himmler ins rechte Licht setzen wollte.286 Dessen ungeachtet bewies die Neugründung mit Gottlieb an der Spitze, wen man in der SS als den kommenden Mann in der Medizingeschichtsschreibung ansah.287 Das SS-Institut reihte sich in die zahlreichen Forschungseinrichtungen ein, die innerhalb der SS und somit außerhalb von Universitäten oder sonstigen herkömmlichen wissenschaftlichen Strukturen entstanden.288 In der Folgezeit bemühte sich Gottlieb, seinen Kollegen Alexander Berg an das Institut zu holen, und auch Berg selbst unternahm Anstrengungen in dieser Richtung.289 4.1.5. Die SS-ärztliche Akademie und die „Aufgaben der Medizingeschichte im Kriege“ Im Zuge der bereits geschilderten Bemühungen Gottliebs, eine Dozentur zu erhalten, und nach seiner erfolgten Versetzung an die SS-Ärztliche Akademie in Graz im Januar 1943 siedelte auch das medizinhistorische Institut der SS nach Graz über.290 Gottliebs Lehrtätigkeit in Graz bedeutet auch einen Erfolg für Paul 285 Anfangs bestand dieses im Wesentlichen aus einer kleinen Bibliothek und dem bereits erwähnten Bildarchiv. Aufhorchen lässt allerdings die Ankündigung, die bereits vorhandene „medikohistorische Bibliothek“ des SS-Institutes solle „in großzügiger Weise ausgebaut werden“ – zumal die Bibliothek in Diepgens Institut zu dieser Zeit bereits über 80.000 Bände umfasste, vgl. Geyer (1940), S. 14. 286 Zum problematischen, oft angespannten Verhältnis zwischen Himmler und Grawitz vgl. Kater (1974), S. 259 sowie Heiber (1968), S. 145f. 287 Gottlieb war zu dieser Zeit von Parteiorganisationen wie der Deutschen Arbeitsfront (DAF) als medizinhistorischer Referent nachgefragt. Ein 1941 vor der DAF in Berlin gehaltener Vortrag bestand im Wesentlichen aus einer propagandistischen Abrechnung mit England, das die „Opfer, die Deutschland für den Fortschritt der Kultur und zu Nutzen aller Kulturvölker gebracht hat“, nicht anerkenne. Vgl. Gottlieb (1942), S. 215. 288 So hatte sich der NS-Staat bereits 1935 mit dem „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland“ unter Walter Frank ein Instrument zur ideologischen Geschichtsforschung geschaffen, vgl. dazu Heiber (1966). Die SS verfügte mit der Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ über eine ähnlichen Zielen dienende Einrichtung, vgl. Kater (1974), zu den Zielen des „Ahnenerbes“ insbesondere ebd., S. 53f. Zu den allgemeinen Grundzügen solcher institutioneller Neuentwicklungen vgl. Schönwälder (1992), S. 82–88. Das organisatorisch vom Ahnenerbe unabhängige SS-Institut für Medizingeschichte war direkt Grawitz unterstellt und in die „Dienststelle Reichsarzt-SS“ eingegliedert, ohne einem der dortigen sechs Ämter zugeordnet zu sein. 289 „Um [...] die für eine nationalsozialistisch ausgerichtete Medizingeschichte notwendigen und grundlegenden Arbeiten in Gemeinschaft mit Dr. Gottlieb in Angriff zu nehmen, wird das Sanitätsamt der Waffen-SS eine Kommandierung zum Institut für Geschichte der Heilkunde beim Reichsarzt-SS beantragen.“ Siehe Schreiben Bergs vom 25.04.1942, BArch Berlin/ BDC Ahnenerbe, Alexander Berg. 290 Vgl. dazu UAL, KSI, 49c, Bl. 118, 125. Gottliebs Versetzung stand offenbar recht früh fest. Bereits im April 1942, noch vor Gottliebs Habilitation, erwähnte Diepgen, dass Gottlieb „als
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Diepgen, auf dessen Anregung hin sich Gottlieb in Graz beworben hatte. Diepgen konnte somit einen seiner Schüler an einer für den Nationalsozialismus wichtigen Universität positionieren291 und damit zugleich den Aufbau eines neuen medizinhistorischen Seminars in die Wege leiten. Dass Medizingeschichte damit in den folgenden Jahren auch an einer Einrichtung gelehrt werden sollte, die ausschließlich der Ausbildung von SS-Ärzten diente, schien Diepgen nicht zu stören. Aufgabe der SS-Ärztlichen Akademie war die Ausbildung junger Sanitätsoffiziere und speziell geschulter Ärzte für die Waffen-SS. Nach dem „Anschluß“ Österreichs wurde die 1937 in Berlin gegründete Einrichtung im Oktober 1940 auf Befehl Hitlers nach Graz verlegt. Die medizinische Ausbildung erhielten die Studenten an der dortigen Universität, der „weltanschauliche Unterricht“ sowie Sport- und Fremdsprachenkurse fanden an der Akademie statt.292 Welche Art von Ärzten die Ausbildung an der SS-Ärztlichen Akademie hervorbringen sollte, geht aus einer Broschüre hervor, mit der junge Abiturienten für die ärztliche Laufbahn in der Waffen-SS geworben wurden. „Der SS-Arzt“, so hieß es dort, „soll die ideale Verbindung von politischem Soldaten und Arzt darstellen.“ Auch die späteren Einsatzmöglichkeiten wurden konkret benannt, wenn auch euphemistisch verbrämt: „Als SS- und Polizeiarzt und als Arzt in Konzentrationslagern wird er zu kriminalbiologischen Aufgaben herangezogen.“293 Gottlieb war neben seiner Dozententätigkeit an der Grazer Karl-FranzensUniversität als Lehrgangsleiter an der SS-Ärztlichen Akademie beschäftigt. 1944 erhielt er den Rang eines SS-Sturmbannführers und wurde 1945 sogar als Kommandant mit der Führung der gesamten Akademie beauftragt.294 Was hatte ein Medizinhistoriker angehenden SS-Ärzten zu sagen? Offenbar vermittelte Gottlieb „[...] in mitreißendem Vortrag nicht nur sachliches Wissen, sondern auch die beispielgebenden Werte deutschen Soldaten- und Ärztetums aus Geschichte und Jetzzeit [sic]. Seine Veröffentlichungen sind von demselben Geist getragen, sie sind zweifellos von erheblichem charaktergestaltenden Einfluss auf den SS-ärztlichen Nachwuchs.“295
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Dozent für die SS-Ärztliche Akademie in Graz in Aussicht genommen [sei].“ Schreiben Diepgens an Rostock, 15.04.1942, UAHU, Med. Fak. 287 Gottlieb, Bl. 4. Grundsätzlich sollte man auch in Erwägung ziehen, dass Diepgen Gottlieb damit auch erfolgreich „wegloben“ und die in Berlin zweifellos vorhandene Konkurrenzsituation beenden konnte. Zur Rolle der Reichsuniversität Graz als „südöstlicher Vorposten“ der NSWissenschaftsauffassung vgl. u.a. Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik (1985), Kernbauer (2001) sowie Hubenstorf (2002), S. 323–340. Zur SS-Ärztlichen Akademie vgl. Kernbauer (2008), Klee (2001b), Pyschik (1999), S. 40– 54, Harzer (1967). Siehe Reichsführer SS (o. J.). Vgl. auch den Artikel „Soldat und Arzt“ in der SS-Zeitschrift „Das schwarze Korps“ 10 (1944), S. 3. Ernst Klee spricht unter anderem von „Praktika“, die im KZ Dachau absolviert wurden, vgl. Klee (2001b), S. 20–26, hier S. 22. Hans Maršálek zufolge hatten viele Studenten „vor der Beendigung der medizinischen Ausbildung ihre Praxis im KLM [Konzentrationslager Mauthausen, F.B.] angetreten“, Maršálek (1980), S. 185. Vgl. Gottlieb (1982), S. 9f. Beurteilung Gottliebs durch Grawitz vom 07.12.1943 anlässlich der Beförderung zum SSSturmbannführer, BArch Berlin/BDC SSO Gottlieb.
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
An de Crinis konnte Gottlieb im Juni 1943 berichten, „[...] daß das Interesse d. Studierenden für mein Fach seit der ersten Vorlesung ständig im Steigen ist. Ich begann mit 25 Hörern; heute i. d. 7. Vorlesung ist die Zahl auf fast 100 angewachsen. Der Versuch, den germanisch-nordischen Geist in d. Heilkunde freizulegen und den werdenden Ärzten zu zeigen, worum wir heute kämpfen, ist auf einen reichen Boden getroffen [sic].“296
Auch von höherer Stelle aus wurde Gottliebs Tätigkeit wohlwollend betrachtet und gleichzeitig hervorgehoben, dass „sein Kolleg – obwohl es kein Prüfungsfach ist – sich eines sehr guten Besuchs erfreut.“297 Seine Publikationen wurden Himmler vorgelegt, der sich persönlich für Medizingeschichte interessierte und Gottliebs Arbeiten positiv beurteilte.298 Darüber hinaus schrieb Himmler, der durch Grawitz regelmäßig Berichte über Gottliebs Fortkommen in Graz erhielt,299 das Vorwort zum ersten Band der von Gottlieb verfassten Publikationsreihe „Ewiges Arzttum“. Diese Schrift wurde an alle SS-Ärzte im Reich verteilt und zeigte, dass die SS zunehmend auch die Gestaltungshoheit über die medizinische Ethik für sich beanspruchte.300 Erst im Sommer 1944 entstand schließlich, wiederum durch Unterstützung von de Crinis, ein eigenes Seminar für Geschichte der Medizin an der Grazer Medizinischen Fakultät, in dem das 1941 in Berlin gegründete medizinhistorische Institut der SS schließlich aufging.301 Im gleichen Jahr umriss Gottlieb in einem programmatischen Aufsatz nochmals die Ziele seiner Arbeit in Graz. Vor dem Hintergrund einer „neuen rassenbiologisch begründeten Geschichtsbetrachtung“ und „in enger Fühlungnahme mit führenden Historikern der Grazer Schule“ habe sich die „vom Reichsarzt-SS und Polizei errichtete medizinhistorische Forschungsstätte“ die Aufgabe gestellt,
296 Schreiben Gottliebs an de Crinis vom 03.06.1943, BArch Berlin/BDC WI Gottlieb. In dem Brief beklagt Gottlieb außerdem die beengten räumlichen Verhältnisse, in denen er in Graz arbeiten müsse. Auch in dieser Angelegenheit konnte er einmal mehr auf de Crinis’ Unterstützung zählen, wie aus dessen Antwort an Gottlieb hervorgeht. Vgl. Brief de Crinis’ an Gottlieb vom 06.07.1943, BArch Berlin/BDC WI Gottlieb. 297 Rektor der Universität Graz an den Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, 20.12.1943, BArch Berlin/BDC REM Gottlieb, Bl. 4725. 298 Grawitz beauftragte Gottlieb unter anderem, über das Kriegssanitätswesen zur Zeit Friedrich des Großen zu forschen. Gottliebs Studie wurde dann Himmler vorgelegt, vgl. Gottlieb (1943c) sowie die dazugehörige Korrespondenz, BArch Berlin, NS 19, 1353. 299 So wurde berichtet, Gottlieb habe in Graz „sehr gut Boden gefaßt und [...] das Vertrauen der Fakultät“ errungen. „Gottlieb [führt] unseren SS-ärztlichen Nachwuchs in einer artgerechten, wissenschaftlich vertieften und zugleich sehr lebendig frischen Weise laufend in die bedeutungsvolle Materie der Geschichte der Heilkunde ein.“ BArch Berlin, NS 19, 1353. 300 Vgl. dazu Frewer/Bruns (2004). 301 Vgl. BArch Berlin/BDC REM Gottlieb, Bl. 4737. Für die Errichtung dieses Seminars und die Bewilligung einer Diätendozentur für dessen Leiter Gottlieb hatte sich auch der Dekan Hafferl eingesetzt, vgl. Schreiben Hafferls an Rektor der Universität Graz vom 21.09.1943 sowie Hafferls an Gottlieb vom 25.03.1944, UAG, Personalakte Gottlieb.
4.2. Berliner Berufungspolitik im Zuge der Diepgen-Nachfolge
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„[...] den indogermanischen Spuren in der Geschichte der Heilkunde nachzuforschen und in der Verbindung von rassenbiologischen, kultur- und medizingeschichtlichen Untersuchungen zu einer Neuwertung der ärztlich-ethischen Überlieferung zu gelangen.“302
Besonders im letztgenannten Aspekt tritt die eigentliche Bedeutung von „Neuer Medizingeschichte“ und „Neuer Medizinethik“ hervor. Medizingeschichtsschreibung wurde von der SS nicht um ihrer selbst willen gefördert. Sie diente als Instrument, um zur Neubewertung ärztlicher Ethik zu gelangen, die dann wiederum die Umsetzung völkischer und rassenideologischer Vorstellungen auf medizinischem Gebiet legitimieren sollte. Die Kriegslage verhinderte schließlich die Fortführung dieses Vorhabens, was auch an Gottliebs Grazer Seminar deutlich wurde: Trotz eines recht konstanten Lehrangebotes, einiger Publikationen und sogar zweier Promotionen kam das Seminar und somit auch das medizinhistorische Institut der SS letztlich nicht über die Anfangsphase der Entwicklung hinaus.303 Von der Qualität der Ausbildung in Graz war Gottlieb noch Jahrzehnte später überzeugt und behauptete sogar explizit: „Keiner der aus der Akademie Hervorgegangenen hat damals ethisch versagt.“304 4.2. BERLINER BERUFUNGSPOLITIK IM ZUGE DER DIEPGEN-NACHFOLGE Mit der vorzeitigen Emeritierung Paul Diepgens, die dieser seit Sommer 1944 immer konkreter vorantrieb, wurde im März 1945 der wichtigste Lehrstuhl für Medizingeschichte in Deutschland vakant. Diepgens Bestrebungen ließen den Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs in diesem Fach erneut hervortreten.305 Es mögen verschiedene Gründe gewesen sein, die Diepgen zu dem Plan veranlassten, Berlin den Rücken zu kehren und als Honorarprofessor nach Tübingen 302 Gottlieb (1944a), S. 57. Zur Rezeption des Artikels vgl. das Schreiben von Himmlers persönlichem Referenten Rudolf Brandt an Grawitz vom 19.05.1944: „Der Reichsführer-SS hat mich beauftragt, Ihnen für die Übersendung des Aufsatzes des SS-Sturmbannführers Dz. Dr. med. habil. Gottlieb, den er mit Interesse gelesen hat, seinen Dank zu übermitteln. Er hat handschriftlich darauf vermerkt: ‚gut’.“ BArch Berlin, NS 19, 1353. 303 Neben der angebotenen Hauptvorlesung zur Geschichte der Medizin und den gleichnamigen Übungen las Gottlieb im Sommersemester 1944 zusätzlich über „Das Leib-Seele-Problem in der Geschichte der Medizin“. Die Promotionsthemen der von Gottlieb betreuten Doktoranden waren frei von NS-Ideologie und beschäftigten sich nicht mit zeitgeschichtlich aktuellen Bereichen. Vgl. etwa Reich (1944). 304 Gottlieb (1982), S. 13. Den Hinweis auf diese Schrift verdanke ich Ernst Klee. 305 Die Berliner Medizinische Fakultät beschäftigte sich im Oktober 1944 in einer Sitzung mit der Lehrstuhlsituation in „Großdeutschland“ und stellte allgemein einen eklatanten Mangel an Nachwuchskräften fest. Mit Abstand am größten sei der Bedarf in der Medizingeschichte, wo 75% der Stellen aus Altersgründen neu besetzt werden müssten, vgl. David (2004), Bd. 1, S. 288. Die prekäre Nachwuchsfrage in diesem Fach lässt sich an der ungeklärten Nachfolge von Brunns in Leipzig ablesen. So konnte beispielsweise Ludwig Aschoff dem Leipziger Prodekan auf dessen Anfrage hin keinen einzigen ernsthaft in Frage kommenden Kandidaten vorschlagen, vgl. Schriftwechsel Aschoff/Jess vom 08. und 12.12.1941, UAF, E 10/135.
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
zu wechseln.306 Seiner Freude über den bevorstehenden Ruhestand gab Diepgen bereits 1943 Ausdruck: „Ich darf gar nicht daran denken, wie schön es wäre, wenn ich im nächsten Jahr in den Ruhestand treten könnte, um ruhig an meinen Büchern zu arbeiten.“307 Eine gewisse Amtsmüdigkeit bekundete er kurz darauf auch seinem Leipziger Kollegen Walter von Brunn, der ebenfalls nur noch mangels eines geeigneten Nachfolgers auf seinem Posten ausharrte.308 Diepgen ahnte offenbar, was der Stadt Berlin und seinem Institut in der Universitätsstraße, nahe der Stadtbahn, an Bombenangriffen und Zerstörungen bevorstand: „Über uns ist eine gewisse Resignation gekommen, man muß wohl damit rechnen, daß wir eines Tages abbrennen. Dann ist mein ganzes Lebenswerk für Berlin vernichtet.“309
Die Unmöglichkeit wissenschaftlichen Arbeitens in der seit 1943 schwer unter dem Krieg leidenden Reichshauptstadt mag Diepgen zusätzlich bewogen haben, seinen Abschied aus Berlin zu planen. Ein geregeltes Arbeiten in Berlin wurde immer schwerer: „Unser Institut ist bei Fliegerangriffen wiederholt im Gebäude schwer geschädigt worden. Gerade in den letzten Tagen hat es wieder beträchtlich gelitten. Ich schreibe Ihnen diesen Brief unter Schutt und in Räumen, durch die der Wind und der Regen fährt.“310
Ein entscheidender Grund war sicher auch das seiner Person entgegengebrachte Misstrauen in politischen Fragen. Die Kränkung, durch die Münchner Parteikanzlei von der großen Salzburger Paracelsus-Gedenkveranstaltung ausgeladen worden zu sein, konnte Diepgen nur schwer verwinden. Bereits 1941 hatte er beklagt: „Ich bin politisch bei der Partei diskreditiert worden. Man sagt mir in München eine ‚katholisierende Tendenz’ nach und hat von dort aus die von mir seit anderthalb Jahren mit großer Mühe vorbereitete wissenschaftliche Veranstaltung bei der Paracelsus-Feier in Salzburg im letzten Augenblick unmöglich gemacht. [...] Werde ich nicht rehabilitiert, so werde ich den Minister um meine Emeritierung bitten. [...] Es ist ein Jammer, daß eine so große und schöne Idee, wie der Hitlersche Nationalsozialismus, zu dem auch ich mich mit glühender Bejahung bekenne, so viel Trübes aufwirbeln kann. Aber das gehört ja wohl zu jeder Revolution, und wir wollen uns dadurch nicht von der freudigsten Mitarbeit abhalten lassen.“ 311
306 Von seiner Sehnsucht nach dem beschaulichen Tübingen berichtete Diepgen seinem dortigen Freund, dem Gynäkologen August Mayer, bereits in einem Brief vom November 1940, vgl. UAHU, IfG, Nr. 25, Bl. 338. 307 Diepgen an F. W. Bayer, September 1943, UAHU, IfG, Nr. 31, Bl. 276. 1943 war Diepgen 65 Jahre alt; die reguläre Emeritierung fand damals nach dem 68. Lebensjahr statt. Für diesen Hinweis danke ich Werner Friedrich Kümmel. 308 Diepgen an von Brunn, 20.09.1943, UAHU, IfG, Nr. 31, Bl. 307. 309 Diepgen an Martin Müller (München), 20.03.1943, UAHU, IfG, Nr. 30, Bl. 183. 1943 hatte man angesichts vermehrter Luftangriffe begonnen, Teilbestände der Institutsbibliothek außerhalb Berlins einzulagern. 310 Diepgen an Kisskalt, 24.07.1944, BSB München, Archiv, unpaginiert. 311 Diepgen an Dr. Georg Buschan, Stettin, 26.11.1941, UAHU, IfG, Nr. 27, Bl. 204. Im Original vorhandene Rechtschreibfehler wurden korrigiert.
4.2. Berliner Berufungspolitik im Zuge der Diepgen-Nachfolge
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Der hier von Diepgen bekundete trotzige Elan war im Herbst 1944 ganz offensichtlich verflogen, so dass der Entschluss nahe lag, die ihm für das Frühjahr 1945 in Aussicht gestellte Honorarprofessur in Tübingen anzunehmen. Seitens der SS wurden alle Anstrengungen unternommen, Bernward Josef Gottlieb als Nachfolger Diepgens auf den Berliner Lehrstuhl zu platzieren.312 Die von der Fakultät gebildete Berufungskommission, der neben Diepgen außerdem die Professoren Gustav von Bergmann (II. Medizinische Klinik), Wolfgang Heubner (Pharmakologie), Hermann Stieve (Anatomie) und Heinz Zeiss (Hygiene) angehörten, entschied jedoch anders. Sie setzte Walter Artelt an die erste Stelle der Berufungsliste; Gottlieb erhielt hinter Edith Heischkel-Artelt nur den dritten Listenplatz. In der Folge entwickelten Himmler und sein Stab zwischen Dezember 1944 und Februar 1945 umfangreiche Aktivitäten, um ihren SS-Mann gegenüber der Fakultät doch noch durchzusetzen. Fast zwangsläufig kam es dabei zu den für die NS-Polykratie typischen Kompetenzstreitigkeiten, insbesondere zwischen Himmler, dem Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Berliner Medizinischen Fakultät.313 Der Chef des Ministeriums, Bernhard Rust,314 sah sich durch Himmlers Intervention derart in seinen Kompetenzen verletzt, dass er Ende 1944 über Martin Bormann, den mächtigen Leiter der Parteikanzlei der NSDAP, eine Klärung durch Hitler zu erwirken versuchte: „Ich halte es für notwendig, Sie von den geradezu abenteuerlichen Zuständen zu unterrichten, die sich auf dem Gebiete meines Amtsbereichs allmählich entwickeln. [...] Ich habe die Angelegenheit Reichsminister Pg. Dr. Lammers zugesandt. Ich bitte ihn zu unterstützen, wenn er den Führer um ein klares Wort bittet.“315
312 Himmler setzte sich im Dezember 1944 beim Dekan der Berliner Medizinischen Fakultät, Paul Rostock, nachdrücklich für Gottlieb ein. Vgl. Rostocks Bericht über diese Intervention in einem Schreiben an das Reichserziehungsministerium (REM), 18.12.1944, BArch Berlin NS 19, 1353. Gegen den Protest des Reichserziehungsministers Rust konnte sich Himmler, unterstützt durch Karl Gebhardt und Max de Crinis, mit seinem Anliegen, den Berliner Lehrstuhl mit Gottlieb zu besetzen, behaupten. Unverhohlen wurde dabei die SS-Zugehörigkeit Gottliebs als wesentliches Auswahlkriterium genannt, vgl. das Schreiben Gebhardts an Himmler, 13.01.1945, BArch Berlin NS 19, 1353. 313 Vgl. die umfangreiche Korrespondenz zwischen Himmler, Rostock und Gebhardt, die der „Weisung des Reichsführers-SS, wonach der freiwerdende Lehrstuhl [...] durch Dr. GottliebGraz besetzt werden soll“, folgte. BArch Berlin, NS 19, 1353. Beteiligt war auch der Leiter des Amtes W[issenschaft] im REM, Rudolf Mentzel. Weitere Beispiele für Himmlers erfolgreiche Intervention bei Berufungen nennt Kater (1974), S. 137f. Dagegen steht die meiner Ansicht nach unzutreffende Sichtweise Hammersteins, wonach die Protegierung schwacher Wissenschaftler nationalsozialistischer Gesinnung trotz einiger spektakulärer Fälle nur höchst selten Erfolg gehabt habe, vgl. Hammerstein (2002), S. 219. Eine Darstellung der formalen Abläufe eines Berufungsverfahrens in der Medizin während der NS-Zeit gibt van den Bussche (1989b), S. 63–73. Siehe auch Grau/Schneck (1993). 314 Bernhard Rust (1883–1945), bis 1930 Studienrat, seit 1925 NSDAP-Mitglied, 1928–1940 Gauleiter von Süd-Hannover-Braunschweig. Von 1934 bis 1945 führte er das mehrfach umbenannte Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Rust galt als unfähiger Minister ohne Machtfülle, vgl. u.a. Heiber (1966), S. 1132. 1945 beging er Selbstmord. 315 Rust an Bormann, 21.12.1944, Akten der Parteikanzlei der NSDAP, hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte München, München 1983, Teil I, Bd. 1, Bl. 101, 18750. Lammers galt in
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
Der Einfluss der SS erstreckte sich jedoch bis in Rusts Ministerium. Der einflussreiche Chef des Amtes W (Wissenschaft) im Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Rudolf Mentzel,316 förderte nach Kräften seine SSKameraden. Ob Rust überhaupt selbst einen der in Rede stehenden Kandidaten favorisierte oder sich einfach nur über Himmlers Einmischung beschweren wollte, geht aus den Akten nicht hervor.317 Zu einem sogenannten „Führerentscheid“ kam es offenbar nicht mehr. Fakultät und Reichserziehungsministerium gaben schließlich dem Druck seitens der SS-Gruppe nach. Im Februar 1945 stand Bernward J. Gottlieb als Nachfolger Paul Diepgens fest – auch wenn ihm zunächst nur ein Extraordinariat verliehen werden sollte. Dies war ein Kompromiss, der die Berufung des noch nicht 35jährigen Gottlieb letztlich erst möglich machte: Diepgens Ordinariat sollte in ein Ordinariat für Kieferchirurgie umgewandelt und dem bisherigen Extraordinarius und Direktor der Kieferklinik, Otto Hofer, verliehen werden. Dessen bisheriges Extraordinariat sollte Gottlieb erhalten.318 Dieser Tausch im Stellenplan stellte einen Kompromissvorschlag dar, den de Crinis Reichsminister Rust erfolgreich unterbreitet hatte. Nach dem Krieg, so de Crinis, „wird es sicher möglich sein, das Ordinariat für Kieferchirurgie zu systemisieren, wodurch die Geschichte der Medizin wieder mit einem Ordinariat besetzt werden könnte.“319 Inwieweit Gottlieb selbst von den Vorgängen um seine Person erfuhr, muss offen bleiben. Immerhin stellte er im Februar 1945 zufrieden fest: „Unser Fachgebiet rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt nationalpolitischer Erziehung [...]“.320 Hätte der sich mit dem russischen Vormarsch auf Berlin bereits abzeichnende Zusammenbruch des Dritten Reiches nicht alle weiteren Planungen verhindert, wäre die Nominierung Gottliebs sicher der Kulminationspunkt einer Entwicklung gewesen, die seit Kriegsbeginn die rassisch-völkische Denkrichtung in der Medizingeschichte immer stärker hervortreten ließ. Was zu Beginn des Krieges noch wie ein Aufstieg aussah, hatte sich als allmähliches Herabsinken des Faches zu einer Legitimationswissenschaft des nationalsozialistischen Staates entpuppt.321 Nach der politisch motivierten Berufung Fritz Lejeunes auf den Wiener Lehrstuhl für Geschichte der Medizin im Jahre 1939 hatten nun auch in Berlin, sozu-
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dieser Zeit als „Pförtner“ der wenigen überhaupt noch zu Hitler führenden Wege, vgl. Heiber (1966), S. 1126. Rudolf Mentzel (1900–1987), Chemiker, 1930 NSDAP-Kreisleiter in Göttingen, seit 1932 SS-Mitglied, 1937–1945 Präsident der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“, seit 1939 Ministerialdirektor im Wissenschaftsministerium, nach 1945 in der Industrie tätig. Vgl. zu Mentzel: Heiber (1966), S. 815f. Die Konflikte zwischen staatlichen Institutionen und der NSDAP um ein Mitspracherecht in Berufungsfragen bildeten in der Wissenschaftspolitik des „Dritten Reiches“ keine Ausnahme, vgl. dazu Heiber (1966), S. 249–256 und passim, Kater (1974), S. 271–301 sowie Zimmermann (2000), S. 22f. Vgl. Aktenvermerk durch de Crinis vom 10.02.1945, BArch Berlin/BDC, WI Hofer. Aktenvermerk von de Crinis, BArch Berlin/BDC, WI Gottlieb. Gottlieb an Diepgen, 04.02.1945, UAHU, IfG, Nr. 33, Bl. 56. Zu diesem Begriff Schöttler (1997), bezogen auf die Medizin u.a. Baader (1999), S. 113.
4.3. Nachspiel an der Saar-Universität
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sagen in letzter Minute, Partei und SS ihre Macht in der Wissenschaftspolitik und insbesondere in der Medizingeschichte noch einmal bewiesen. Paul Diepgen schien sich relativ gut mit dieser Entwicklung abfinden zu können. Die zweifelhaften Umstände der Berufung des von ihm wenige Jahre zuvor wegen mangelnder Qualifikation noch als Habilitanden abgelehnten Gottlieb auf den renommierten Lehrstuhl, der doch sein Lebenswerk darstellte, fochten Diepgen nicht an. Er akzeptierte offensichtlich das Primat der ideologischen Zuverlässigkeit vor wissenschaftlicher Befähigung, welcher dieser Berufung zugrunde lag. Zu berücksichtigen ist auch, dass Gottlieb als „Diepgen-Schüler“ galt, so dass Diepgen dessen Qualifikation kaum in Frage stellen konnte, ohne seinen eigenen Ruf zu beschädigen. Ursprünglich hatte Diepgen hohe Maßstäbe an die methodische Vorbildung seiner Schüler gelegt, wie zum Beispiel eine geisteswissenschaftliche Dissertation als Voraussetzung für die Übernahme einer Dozentur in der Medizingeschichte.322 Von solchen Standards rückte Diepgen jetzt ab, er besaß überdies im Winter 1944/45 nicht mehr die Macht, über seinen eigenen Nachfolger mit zu entscheiden.323 Angesichts der Kriegslage sah die Realität ohnehin anders aus: An eine Übersiedlung Gottliebs von Graz nach Berlin war im Frühjahr 1945 nicht zu denken, Diepgen seinerseits harrte in Berlin aus. 4.3. NACHSPIEL AN DER SAAR-UNIVERSITÄT Als in den ersten Jahren nach Kriegsende die Frage der Nachfolge auf dem Berliner Lehrstuhl für Geschichte der Medizin erneut verhandelt wurde, brachte Diepgen Gottlieb ein weiteres Mal ins Spiel. Dabei hätte sich Diepgen eigentlich bewusst sein müssen, dass schon aufgrund der Bestimmungen der Besatzungsmächte die SS-Zugehörigkeit Gottliebs diesen kompromittierte und von einem Ordinariat zumindest mittelfristig ausschloss. Die seit 1944 fortbestehende und in der personellen Zusammensetzung kaum veränderte Berufungskommission kam schließlich 1947 zu dem Schluss, die Fälle Gottlieb und Berg aufgrund deren SSVergangenheit nicht weiter zu diskutieren.324 Politisch schien es nun opportuner, den 1932 emigrierten Henry Ernest Sigerist für den Berliner Lehrstuhl zu gewinnen, was jedoch nicht gelang. Den freundschaftlichen Kontakt mit Gottlieb pflegte Diepgen auch in der Nachkriegszeit weiter, und zwar mit der gleichen Unbekümmertheit, mit der er sich auch an seinen ehemaligen Doktoranden Theodor Bluth wandte, der verbittert
322 Vgl. Heischkel (1958), S. 596. Diepgen hatte jahrelang erbittert gegen jeglichen „Dilettantismus“ in der Medizingeschichtsschreibung gekämpft, vgl. etwa Diepgen (1943). Aus Briefen an Diepgen geht hervor, dass Gottlieb sich in Graz um eine solche geisteswissenschaftliche Dissertation bemühen wollte, vgl. UAHU, IfG, Nr. 33, Bl. 308. 323 Im Herbst 1944 hatte Diepgen noch geäußert, er „hoffe bestimmt, daß Artelt mein Nachfolger wird.“ Diepgen an v. Brunn, 12.10.1944, UAHU, Nr. 32, Bl. 106. 324 UAHU, PA Diepgen, Bl. 106 (Protokoll über Kommissionssitzung vom 09.07.1947. Anwesend: Diepgen, Hartung, Müller-Hess, Stieve und Dekan Heubner).
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
im Londoner Exil lebte.325 Gottlieb war sich seiner fortwährenden Protektion durch Diepgen dankbar bewusst. 1958 hob er die „Treue“ hervor, die Diepgen vor allem jenen gegenüber gezeigt habe, „denen die Gunst von Zeit und Menschen nicht beschieden war, sei es vor 1945, sei es in den Jahren danach“.326 Noch im Jahr 1961 stellte der Göttinger Medizinhistoriker Gernot Rath gegenüber seinem Zürcher Kollegen Erwin Ackerknecht fest: „Diepgen rührt mächtig die Trommel für seine alten Schüler und SS-Männer Gottlieb und Berg.“327 Tatsächlich hatte Gottlieb bereits 1956 durch gutachterliche Fürsprache seiner Fachkollegen Walter Artelt, Paul Diepgen, Georg Benno Gruber und Karl Eduard Rothschuh einen Lehrauftrag für Geschichte der Medizin an der Universität des Saarlandes in Homburg erhalten. 1960 folgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor für Geschichte der Medizin.328 Gottlieb trat damit pikanterweise an die Stelle seines früheren Berliner Kollegen Lothar Sennewald, der seit 1948 in Homburg als Lehrbeauftragter für Geschichte der Medizin wirkte und 1955 durch alte NSSeilschaften aus dem Amt gedrängt worden war, nachdem er sich für die Auslieferung eines gesuchten Kriegsverbrechers eingesetzt hatte.329 Im Dezember 1964, in der Mitte des Semesters, gab auch Gottlieb seinen Lehrauftrag an der Saar-Universität zurück, offiziell wegen eines „sich ständig verschlimmernden Augenleidens“.330 Kurz zuvor hatte Alexander Berg, ein 325 Briefwechsel Diepgen/Gottlieb vom 01.10.1946 und 26.11.1946, UAHU, Med. Fak. 287, unpaginiert. Briefwechsel Diepgen/Bluth vom 20.10.1948 sowie undatiert, DLA Marbach, A: Bluth. 326 Gottlieb (1958), S. 1930. 327 Schreiben Raths an Ackerknecht vom 09.08.1961, zitiert nach Mörgeli/Jobmann (1997), S. 67. Bei Bruns/Frewer (2005) wird das Zitat Ackerknecht zugeordnet. 1964 nahm Ackerknecht diese Einschätzung Raths zum Anlass, ihm Prinzipienlosigkeit vorzuwerfen, nachdem Rath der Umhabilitierung des ehemaligen SS-Angehörigen Alexander Berg nach Göttingen zugestimmt hatte. Dies war der Auslöser der Affäre Berg/Rath/Ackerknecht, die 1964/65 mit zur Spaltung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (DGGMNT) führte. Ausführlich dazu: Mörgeli/Jobmann (1997) und Jobmann (1998). Erwin Heinz Ackerknecht (1906-1988) studierte Medizin, später auch Ethnologie und promovierte 1931 bei Sigerist in Leipzig. Als Trotzkist musste er 1933 über die Tschechoslowakei nach Frankreich flüchten. Dort brach er mit dem Marxismus und emigrierte 1941 in die USA, wo er als Assistent unter Sigerist in Baltimore und von 1947–1957 als Professor für Medizingeschichte in Madison/Wisconsin tätig war. 1957 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Geschichte der Medizin der Universität Zürich. Zu Ackerknecht siehe zuletzt Rosenberg (2007). 328 Vgl. Groß/Müller (2003), S. 252. 329 Sennewald hatte sich 1943 bei Diepgen habilitiert und war als Gegner des Nationalsozialismus zeitweise in einem Konzentrationslager inhaftiert. Nach dem Krieg setzte er sich für die Auslieferung des von der Tschechoslowakei wegen Kriegsverbrechen gesuchten Richters Erwin Albrecht ein, der seit 1948 als Syndikus der ärztlichen und zahnärztlichen Standesorganisationen des Saarlandes tätig war. Albrecht und andere frühere NS-Funktionäre strengten daraufhin 1953 ein Berufsgerichtsverfahren gegen Sennewald an, in dessen Folge dieser seinen Lehrauftrag in Homburg aufgeben musste und schließlich nach Kanada auswanderte, vgl. Tascher (2007), S. 353, 407. Für Informationen zu Sennewald danke ich Gisela Tascher und Werner Friedrich Kümmel. 330 Groß/Müller (2003), S. 253.
4.3. Nachspiel an der Saar-Universität
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weiterer ehemaliger Kollege Gottliebs aus Berliner Zeiten, seine Dozentur für Geschichte der Medizin an der Universität Göttingen aufgeben müssen, nachdem seine nationalsozialistische Vergangenheit ans Licht kam. Berg, kein Regimegegner wie etwa Sennewald, sondern ähnlich wie Gottlieb NSDAP- und SSMitglied, wurde insbesondere die Mitarbeit am bereits erwähnten Bildband „Das Antlitz des Germanischen Arztes in vier Jahrhunderten“ vorgeworfen. Da Gottlieb seinerzeit Erst-Autor dieses Buches gewesen war und dies in seinem Schriftenverzeichnis anlässlich der Ernennung zum Extraordinarius in Homburg verschwiegen hatte, musste auch er mit Konsequenzen rechnen. Auslöser für Gottliebs Rückzug war letztlich ein Leserbrief Erwin H. Ackerknechts in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Ackerknecht wies darin unter anderem auf Gottliebs antisemitischen Paracelsus-Aufsatz von 1941 hin und kritisierte Gottliebs Aufstieg zum Professor für Geschichte der Medizin in Homburg. Auf Drängen der dortigen Medizinischen Fakultät gab Gottlieb daraufhin nur wenige Tage später seinen Lehrauftrag an der Saar-Universität zurück.331 Im Winter 1964/65 verließ er auch die Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (DGGMNT), auf deren 45. Jahresversammlung er zwei Jahre zuvor noch einen Vortrag gehalten hatte und die jetzt im Zuge der vergangenheitspolitischen Auseinandersetzungen vor der Spaltung stand.332 Die lange vermiedene Debatte über die braune Vergangenheit deutscher Medizinhistoriker musste jedoch erst von außen angestoßen werden, in diesem Fall durch den Zürcher Emigranten Ackerknecht, der in Gottlieb den „co-author of one of the most notorious Nazi publications in medical history“ sah.333
331 Vgl. DIE ZEIT, 27.11.1964, S. 68. Für Hinweise zu diesem Vorgang danke ich Gisela Tascher. 332 Vgl. Nachrichtenblatt DGGMNT 20 (1962), S. 22 sowie Jobmann (1998), S. 112 und passim. Im Zuge der Kontroverse um Berg kam es 1965 zur Gründung einer zweiten Fachgesellschaft, der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte vgl. Mörgeli/Jobmann (1997). 333 Journal of the History of Medicine and allied Sciences 17 (1962), S. 317. 1966 erfolgte eine justizmäßige Überprüfung aller Angehörigen der ehemaligen Dienststelle „Reichsarzt-SS“, darunter auch des ehemaligen SS-Sturmbannführers Gottlieb. Zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kam es jedoch nicht, vgl. BArch Ludwigsburg, B 162/1036, Josef Gottlieb. Gottliebs Spruchkammerakte im Rahmen der Entnazifizierung unterliegt noch der Sperrfrist, vgl. Schreiben des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden an den Verfasser vom 11.03. 2005.
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
4.4. KONSTRUKTION HISTORISCHER KONTINUITÄT: HIPPOKRATES UND DAS „EWIGE ARZTTUM“ Der Name des griechischen Arztes Hippokrates, des „Vaters der abendländischen Heilkunde“, dient häufig als ein Symbol für die ethische Kompetenz des Arztes. Auffällig ist, dass die bewusste Rückbesinnung auf Hippokrates vorzugsweise immer dann stattfand, wenn die Ethik der Medizin – durch welche Einflüsse auch immer – bedroht zu sein schien.334 Dies galt insbesondere auch für die zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, als die Medizin aus wissenschaftlichen, ökonomischen und politischen Gründen in eine Legitimationskrise geraten war. Um einen Weg aus dieser Krise zu finden, deren Ursache viele auch in einem Defizit an ärztlicher Ethik sahen, wurde immer wieder auf die vermeintlich „hippokratischen“ Ideale und Werte der Heilkunde verwiesen. Der Hippokratismus dieser Jahre beinhaltete ein diffuses Ideenkonglomerat aus Volksmedizin, Naturheilkunde sowie allgemeiner Wissenschafts- und Fortschrittsfeindlichkeit.335 Der Leipziger Medizinhistoriker Henry E. Sigerist schrieb 1930 angesichts der Hippokrates-Renaissance: „Der Ruf ‚Zurück zu Hippokrates’ ertönte immer häufiger, wobei kein Mensch genau sagen könnte, was er unter Hippokrates versteht. Der Name des griechischen Arztes war zu allen Zeiten Symbol für den idealen Arzt, das immer dann beschworen wurde, wenn man sich nicht ganz sicher fühlte.“336
Die Wiederentdeckung großer Ärzte, neben Hippokrates betraf dies vor allem Paracelsus, war ein Prozess, der nach 1933 keineswegs sein Ende fand, sondern sich noch verstärkte und im Zweiten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte. In dieser Zeit wurde das Corpus Hippocraticum – zusammengefasst in einem 36 Seiten starken Heft mit dem programmatischen Titel „Ewiges Arzttum“ – von höchster politischer Stelle zur grundlegenden Lektüre für alle SS-Ärzte erhoben. Waren Himmler und Grawitz, um im Bild von Sigerist zu bleiben, sich vielleicht „nicht ganz sicher“, wie sie ihr Handeln medizinethisch rechtfertigen sollten? Außer Frage steht zumindest, dass sich die Initiatoren der nationalsozialistischen „Medizin ohne Menschlichkeit“ intensiv mit medizinischer Ethik und ihrer Geschichte beschäftigten.337 Anhand der Publikation „Ewiges Arzttum“ soll gezeigt werden, wie hippokratische Ethik neu interpretiert, im Sinne der NS-Ideologie umgeformt und dann der Ärzteschaft vermittelt wurde.
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Siehe dazu u.a. Nutton (1993); zur Geschichte des Eides siehe Schubert (2005). Klasen (1984), S. 92–97. Sigerist (1930), S. 99, siehe auch Klasen (1984), S. 93. Karl Brandt etwa, der Hauptverantwortliche für die „Euthanasie“-Aktion, bat 1941 den Berliner Medizinhistoriker Paul Diepgen, für ihn eine kommentierte Liste mit Werken zur ärztlichen Ethik zu erstellen, vgl. UAHU, IfG, Nr. 27, Bl. 145, 151.
4.4. Hippokrates und das „Ewige Arzttum“
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4.4.1. Eine Publikation und ihre Hintergründe 1942 erschien im Verlag „Volk und Reich“ der erste Band der Schriftenreihe „Ewiges Arzttum“ mit dem Titel: „Hippokrates. Gedanken ärztlicher Ethik aus dem Corpus Hippocraticum“. Herausgegeben wurde er vom „Reichsarzt-SS“ Ernst Robert Grawitz. „SS-Obersturmführer“ Bernward Josef Gottlieb hatte die gekürzten Auszüge aus dem Corpus Hippocraticum zusammengestellt und bearbeitet.338 Das Vorwort verfasste der „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler. Die Schrift, so Himmler, wende sich an den SS-Arzt und enthalte „arisches Gedankengut“, das über zwei Jahrtausende hinweg seine Bedeutung nicht verloren habe: „Vor uns steht das heldische Leben des griechischen Arztes Hippokrates in der untrennbaren Einheit von Charakter und Leistung. Es verkündet eine Sittlichkeit, deren Kräfte heute noch unverändert wirksam sind und auch in Zukunft ärztliches Tun und Denken bestimmen sollen [...]“.339
Wie Himmlers einleitende Worte erkennen lassen, wurde das hippokratische Gedankengut nach wie vor als Kernelement zeitgenössischer wie auch zukünftiger Medizinethik präsentiert. Gottlieb hatte Abschnitte ausgewählt, „die in lebendiger Form von dem Geist der hippokratischen Ärzteschule künden“.340 Interessanterweise befand sich darunter jedoch nicht der bekannte hippokratische Eid – er wird auf den gesamten 36 Seiten nicht erwähnt.341 Solche Auslassungen kennzeichnete Gottlieb ebenso wenig wie Umformulierungen gegenüber dem Urtext; zusammen mit dem weitgehenden Verzicht auf Textkommentare entstand dadurch eine populäre Hippokrates-Ausgabe ohne historische oder philosophische Details. Himmler schrieb hierzu nicht nur das Vorwort, er beschäftigte sich zudem intensiv sowohl mit der äußeren Form als auch mit den Inhalten, wie aus der umfangreichen Korrespondenz aus der Entstehungsphase der Edition hervorgeht. „Ich wiederhole noch einmal [...] den Wunsch des Reichsführer-SS, für den ersten Band der Schriftenreihe ‚Ewiges Arzttum’ ‚Hippokrates’ mehrere Einband-Entwürfe vorzulegen. Der Reichsführer-SS wünscht, daß der Umschlag farbig ist oder, [sofern] er weiß ist, mindestens eine farbige Schrift haben soll.“342
Im Herbst 1941 traten offenkundig Probleme bei der Papierbeschaffung auf, was Himmler veranlasste, Grawitz daran zu erinnern, „daß die Schriften trotz des 338 Vgl. Hippokrates (1942). Als Vorlage benutzte Gottlieb die Hippokrates-Übersetzungen von Fuchs aus den Jahren 1895–1900 und von Littré aus den Jahren 1839–1861, vgl. schriftliche Mitteilung Gottliebs an den Verfasser vom 29.07.2002. 339 Hippokrates (1942), Vorwort. 340 Ebd., S. 9. 341 Es ist möglich, dass vor dem Hintergrund der laufenden „Euthanasie“-Aktion vermieden werden sollte, die Ärzte an bestimmte hippokratische Werte wie den unbedingten Schutz des Lebens des Patienten zu erinnern. Andere Autoren verzichteten in ihren Werken jedoch nicht auf die Wiedergabe des Eides, so etwa Rudolf Ramm in seinem ebenfalls 1942 erschienenen Lehrbuch, vgl. Ramm (1942a), S. 6f. Zur bewussten Instrumentalisierung des Eides siehe Kapitel 4.4. der vorliegenden Arbeit. 342 Schreiben eines SS-Sturmbannführers (evtl. Rudolf Brandt) aus dem persönlichen Stab Himmlers an Grawitz, vermutlich Januar 1941, BArch Berlin, NS 19, 1411.
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
Krieges auf [...] anständiges Papier gedruckt werden [...]“.343 Die Herstellung der Broschüre verzögerte sich aufgrund des Papiermangels indes weiter. Schließlich griff Grawitz auf Bestände des Deutschen Roten Kreuzes zurück, so dass er im Juli 1942 seinem Vorgesetzten Himmler vermelden konnte: „[...] das Hippokrates-Heft der Reihe ‚Ewiges Arzttum’ [ist] fertiggestellt und an alle Ärzte, Zahnärzte und Apotheker der Waffen-SS, Allgemeinen-SS und Polizei sowie an alle Angehörigen der SS-ärztlichen Akademie ausgegeben worden [...].“344
Währenddessen waren die Planungen für den zweiten Band, der sich mit dem „deutschen Arzt“ par excellence, Paracelsus, beschäftigen sollte, bereits in vollem Gange. Auch hier fällt auf, wie penibel Himmler persönlich die Entwürfe kontrollierte: „Bei der Schrift über Paracelsus müssen die von Paracelsus zitierten Stellen in Hochdeutsch gebracht werden. Lediglich ein paar ganz wichtige Stellen sind in der Originalsprache und in Hochdeutsch zu bringen. [...] Außerdem soll dem Büchlein eine Landkarte, auf der der Reiseweg des Paracelsus festgelegt ist, beigefügt werden. Ferner soll in dem Büchlein ein anständiges Bild von Paracelsus enthalten sein [...].345
Himmler war nicht nur in besonderer Weise um die „medizinhistorische Qualität“ des Textes und der Abbildungen bemüht, er übte zuweilen auch deutliche Kritik: „[...] Ich kann mich des Eindrucks nicht verwehren [sic], daß dieser Entwurf etwas sehr stark hingehauen zu sein scheint. Ich darf bitten, daß auch auf solche Dinge allergrößte Sorgfalt verwendet wird.“346
Paracelsus wurde in den drei Kapiteln als „der Deutsche“, „der Rufer wahren Arzttums“ und als „Kämpfer gegen jüdische Kurpfuscherei“ dargestellt. Erschienen ist dieser zweite Band der Reihe „Ewiges Arzttum“ nicht mehr – auch wenn Grawitz Himmler die Entwürfe bis ins Jahr 1944 hinein wiederholt zur Durchsicht vorlegte.347 Gottlieb veröffentlichte 1941 einen geringfügig modifizierten Teil des geplanten dritten Kapitels im Deutschen Ärzteblatt.348 Aus den angeführten Passagen im Kontext des „Ewigen Arzttums“ wird deutlich, wie sehr sich Partei und Staat sowie insbesondere die SS selbst in 343 Schreiben Himmlers an Grawitz vom 26.11.1941, S. 2, BArch Berlin, NS 19, 1411. 344 Schreiben Grawitz’ an Himmler vom 15.07.1942, BArch Berlin, NS 19, 1411. Zum Rückgriff auf Papierbestände des Deutschen Roten Kreuzes vgl. schriftliche Mitteilung Gottliebs an den Verfasser vom 23.06.2002. Grawitz war nebenamtlich Präsident des DRK; zu Hintergründen siehe Morgenbrod/Merkenich (2008). Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Broschüre herrschte ein eklatanter Papiermangel in Deutschland, so dass es etwa an Lehrbüchern für Medizinstudierende und Schulbüchern fehlte, vgl. Zimmermann (2000), S. 119. 345 Hervorhebung im Original. Schreiben Himmlers an Grawitz, 26.11.1941, S. 1, BArch Berlin, NS 19, 1411. 346 Ebd., S. 1f. 347 „Ich bitte Sie, noch weiterhin Geduld zu haben. Ich kann im Augenblick beim besten Willen den Reichsführer-SS an die Durchsicht des zweiten Heftes der Schriftenreihe ‚Ewiges Arzttum’ nicht erinnern. [...] Längere Schriften müssen – so bedauerlich es ist – jetzt zurücktreten.“ Schreiben Rudolf Brandts an Grawitz vom 10.07.1944, BArch Berlin, NS 19, 1411. Entwürfe des Paracelsus-Heftes finden sich ebenfalls in BArch Berlin, NS 19, 1411. 348 Gottlieb (1941b).
Abb. 1 Eine Publikation Georg Usadels zur NS-Ethik aus dem Jahr 1935
Abb. 2 Paul Diepgen an seinem Arbeitsplatz in dem von ihm geleiteten Berliner Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaft (vor 1945)
Abb. 3 Mitarbeiter des Berliner medizinhistorischen Instituts während der Kriegsjahre. Im Hintergrund Bernward Josef Gottlieb (in Stiefeln und SS-Uniform)
Abb. 4 Paul Diepgen beim Vortrag im Seminarraum des Instituts in der Universitätsstraße 3b
Abb. 5 Völkische Geschichtsschreibung: der 1942 erschienene Bildband „Das Antlitz des germanischen Arztes in vier Jahrhunderten“
Abb. 6 Alexander Berg, Bernward Jo sef Gottlieb, Edwin Rosner (v. l.n.r.) und Edith Heischkel, auf genommen 1943 in der Bibliothek des Berliner medizinhisto rischen Instituts
Abb. 7 Medizinethik für SS-Ärzte: Die von Gottlieb redigierte Broschüre „Ewiges Arzttum“ aus dem Jahr 1942
Abb. 8 „Reichsarzt SS“ Ernst Robert Grawitz als Redner auf einer Tagung des Deutschen Roten Kreuzes in Wien 1939
Abb. 9 Mitte der 1930er Jahre entstandenes Porträt Rudolf Ramms im Rat haus von Pirmasens, aufgenommen 2005
Abb. 10 Rudolf Ramm bei der Eröffnung der Akademie für Ärztliche Fortbildung in Wien 1939
Abb. 11 Das Lehrbuch zur „Ärztlichen Rechtsund Standeskunde“ von Rudolf Ramm (1942)
Abb. 12 Eröffnung der 7. Wiener Medizinischen Woche am 5. Juni 1944 im Wiener Billroth-Haus. Rechts am Rednerpult „Reichsärzteführer“ Leonardo Conti; als Zuhörer in der ersten Reihe, zweiter von links Rudolf Ramm
4.4. Hippokrates und das „Ewige Arzttum“
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Kriegszeiten für die Disziplin Medizingeschichte als Instrument zur Ideologievermittlung interessierten. Hinsichtlich der Person Grawitz’ drängt sich die Frage auf, wie derselbe Arzt, der sich um die möglichst weite Verbreitung des „hippokratischen Ethos“ bemühte, als Himmler direkt unterstellter Chef aller SS-Ärzte zugleich die Verantwortung für zahllose verbrecherische Menschenexperimente in Konzentrationslagern zu tragen imstande war. Diese paradoxe Gleichzeitigkeit von stilisierten Idealen und pervertiertem Ethos konnte nur in Einklang gebracht werden, wenn man das Konzept einer biologistischen Kollektivethik bereits weitgehend internalisiert hatte.349 Forschungsversuche an „minderwertigen“ Menschen und die Reinigung des „Volkskörpers“ von „lebensunwertem Leben“ konnten vor dem Hintergrund der partikularen Medizinethik des NS-Staates guten Gewissens durchgeführt werden. Und Grawitz bemühte sich als Herausgeber der Hippokrates-Schrift, die nationalsozialistische Medizinethik in die Tradition des weithin anerkannten hippokratischen Ideals zu stellen, mithin eine vermeintliche Kontinuität zu konstruieren. 4.4.2. Hippokrates in neuem Licht Die Rezeption des vielfach als „Grundgesetz ärztlicher Ethik“ angesehenen Corpus Hippocraticum während des Nationalsozialismus war widersprüchlich. Besonders in der Frage der Hervorhebung vermeintlicher Traditionslinien gingen die Meinungen auseinander. Grob lassen sich zwei Denkrichtungen unterscheiden: Einerseits die Hippokrates-Anhänger, die sich für eine auf den hippokratischen Idealen basierende nationalsozialistische Medizinethik einsetzten, andererseits diejenigen, die dem Hippokrates-Kult kritischer gegenüberstanden und sich für eine eigenständige, vom Mystizismus der hippokratischen Überlieferung losgelöste Ethik einsetzten. Zur ersten Gruppe sind die Protagonisten eines „SS-ärztlichen Ethos“ zu rechnen, in erster Linie also Himmler, Grawitz und Gottlieb, die das Corpus Hippocraticum zum „Ewigen Arzttum“ erklärten. Die von Gottlieb ausgewählten Passagen wurden ausdrücklich als konstitutiv für das Ethos der SS-Ärzte bezeichnet.350 Der stellvertretende Reichsärzteführer Kurt Blome351 betonte die Kontinuität des historisch überlieferten Bildes der antiken Medizin: „Wir [...] legen gar keinen Wert auf die Begründung eines Neu-Hippokratismus, sondern sind mit dem alten
349 Vgl. Groeben (1990) sowie Proctor (2000b). 350 Vgl. das oben zitierte Vorwort Himmlers. 351 Kurt Blome (1894–1969), Kriegsfreiwilliger, Studium und Promotion in Göttingen. Bis 1934 als Dermatologe in Rostock tätig. 1931 Beitritt zur NSDAP, seit 1939 stellvertretender Reichsärzteführer. 1943 zum Bevollmächtigten für Krebsforschung im Reichsforschungsrat ernannt, eine Tarnbezeichnung für die ihm übertragene Koordination der Forschungen zur biologischen Kriegsführung. Im Nürnberger Ärzteprozess freigesprochen. Zu Blome siehe den biografischen Exkurs bei Hansen (1993), S. 50–69 sowie neuerdings Moser (2006).
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Hippokrates durchaus zufrieden und wollen dabei bleiben.“352 Auch der Göttinger Pathologe und Medizinhistoriker Georg Benno Gruber bemühte sich, in seinen Veröffentlichungen zur ärztlichen Ethik das hippokratische Standesideal mit der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik in Einklang zu bringen.353 In der Fixierung auf Hippokrates und die gleichzeitige Ablehnung der wissenschaftlichen Schulmedizin stach besonders eine Schrift Josef Lartschneiders hervor, in der Hippokrates und Virchow als historische Antagonisten gegenübergestellt werden.354 Neben sein energisches „Zurück zu Hippokrates!“ stellte Lartschneider den pathetischen „Schrei des Blutes nach einer blutgebundenen, arteigenen Arztwissenschaft, nach dem deutschen Arzttum des Paracelsus“.355 Das vulgäre Pamphlet Lartschneiders forderte Paul Diepgen zu einer scharf formulierten Entgegnung und zur „Ehrenrettung Rudolf Virchows“ heraus.356 Dessen ungeachtet ließ sich Diepgen jedoch ebenfalls auf Seiten der Hippokrates-Verehrer einordnen.357 Mehrfach zog er in seinen Publikationen Parallelen zwischen hippokratischer und nationalsozialistischer Medizin, z. B. in Fragen der Eugenik.358 Ins überschaubare Lager derer, die einer Heranziehung von Hippokrates zur Begründung einer neuen ärztlichen Ethik im Sinne des Nationalsozialismus reservierter gegenüberstanden, gehörten unter anderem zwei Lehrbeauftragte für Ärztliche Rechts- und Standeskunde. Vertreter eines Faches also, das 1939 neben der Medizingeschichte ebenfalls zum Pflichtfach gemacht wurde, um den Medizinstudierenden die Rassen- und Volkskörperideologie näher zu bringen. Der Berliner Lehrbeauftragte Rudolf Ramm ging in seinem 1942 erschienenen Standardwerk „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“ ausführlich auf die nationalsozialistische Medizinethik ein, erwähnte Hippokrates jedoch auffallend wenig, nämlich lediglich an einer Stelle im historischen Einführungskapitel seines Buches.359 352 Blome (1940), S. 10. Blome spielt auf die sogenannten „Neu-Hippokratiker“ an, deren wichtigste Vertreter Erwin Liek, Gerhard Wagner und Karl Kötschau als Begründer der „Neuen Deutschen Heilkunde“ gelten und die der „mechanistischen Medizin“ der Weimarer Zeit eine „wahre hippokratisch-biologische Medizin“ entgegensetzen wollten, vgl. Kötschau (1936), S. 14, 52f. sowie Klasen (1984), S. 92. Die „Neue Deutsche Heilkunde“ konnte sich jedoch – auch aufgrund des Todes Lieks (1935) und Wagners (1939) – nicht durchsetzen und somit keinen Einfluss auf die hier beschriebene Debatte zur Medizinethik erlangen. 353 Vgl. Gruber (1941a) sowie Mattulat (2007). 354 Vgl. Lartschneider (1940/41). 355 Ebd., S. 59. 356 Vgl. Diepgen/Rosner (1941). Siehe dazu auch Mattulat (2007), S. 78. Virchows politische Überzeugungen und seine bahnbrechende Theorie der Zellularpathologie wurden von den Nationalsozialisten abgelehnt und nicht selten verunglimpft. 357 Jaehn (1991), S. 98. 358 Vgl. Jaehn (1991), S. 100f. In einem vergleichbaren Fall, der Paracelsus-Rezeption, agierte Diepgen äußerst widersprüchlich. Einerseits kritisierte er den „Paracelsus-Rummel“, andererseits beteiligte er sich daran, indem er Paracelsus – ganz im Sinne nationalsozialistischer Interpretation – als Vorläufer einer totalitären und rassistischen Medizin charakterisierte, vgl. auch Jaehn (1991), S. 82–89, hier S. 87. 359 Vgl. Ramm (1942a), S. 6–8. Zwar verwendet Ramm an mehreren Stellen das historische Argument, jedoch nur an einer Stelle mit Bezug auf Hippokrates, vgl. ebd., S. 8.
4.4. Hippokrates und das „Ewige Arzttum“
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Sehr viel deutlicher in seiner Ablehnung gegenüber historischen Beziehungssetzungen wird Ramms Kollege Ehrhardt Hamann, der in Halle Ärztliche Rechtsund Standeskunde las: „Ärztliches Ethos ist kein Ding an sich [...]. Man kann es auch nicht aus alten Schriften vergangener großer Ärzte konservieren oder gar als Gedankengut eines Paracelsus, Hippokrates usw. modernisieren, in Form neckischer Histörchen dem heutigen Zeitgeist anpassen oder durch hübsch erzählte Anekdoten illustrieren. Jede Zeit hat ihr eigenes Ethos, die unsere das nationalsozialistische.“360
Auch der häufig zu medizintheoretischen Themen Stellung nehmende Fürstenberger Arzt Hermann Berger361 setzte sich äußerst skeptisch mit der „Hippokratitis“362 auseinander und wies mehrfach auf die unbedingte Zeitgebundenheit hippokratischer Ethik hin.363 Gerade dies bestritten die eingangs genannten Verfechter des „Ewigen Arzttums“ und pochten auf die Zeitlosigkeit des hippokratischen Ethos’. Dieser offenkundige Dissens zwischen Konstruktion von Kontinuität auf der einen und dem Willen zur Erneuerung auf der anderen Seite ist kennzeichnend für die nationalsozialistische Medizinethik. 4.4.3. Ein problematischer Eid Der hippokratische Mythos besaß in Himmlers SS und deren eigener Medizingeschichtsschreibung zu mächtige Verbündete, als dass sich die Kritiker des „Hippokrates-Fiebers“ wie Berger langfristig hätten durchsetzen können. Selbst der in der Grawitz-Gottlieb-Edition ausgesparte Eid des Hippokrates wurde von den Angeklagten des Nürnberger Ärzteprozesses, und hier insbesondere von Karl Brandt, zur moralischen Rechtfertigung ihrer Taten herangezogen. Dabei wurde deutlich, dass sich unter Berufung auf den hippokratischen Eid in gewisser Weise manche medizinische Verbrechen rechtfertigen ließen, der Eid also keinesfalls zum „Zeugen der Anklage“ taugte.364 Hippokrates zum Fundament einer SS-ärztlichen Ethik zu machen, entsprach natürlich mitnichten der historischen Intention 360 Hamann (1940), S. 162. 361 Hermann Berger (1869–?), Approbation 1894 in Berlin, danach als Militärarzt bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China und beim Feldzug gegen die Hereros in DeutschSüdwestafrika eingesetzt, 1909 als Oberstabsarzt verabschiedet. Begründete danach eine Medizinisch-Literarische Zentralstelle in Berlin, war publizistisch aktiv und ab 1921 in Fürstenberg/Mecklenburg tätig, vgl. Willgeroth (1929), S. 55. 362 Vgl. Berger (1939). 363 „Viele Lehren des Hippokrates, die dieser gar nicht in einem dem heutigen ähnlichen Sinn geben konnte [...], stellte man in ein Licht, als habe sie Hippokrates bewusst eklektisch, bewusst vergleichend mit unserem heutigen Wissenschatz [sic] aufgestellt.“ [Hervorhebung im Original], Berger (1940), S. 42. Einen „neuen Hippokrates“ forderte auch Herzog (1944). 364 Brandts Argumentation war in sich durchaus schlüssig, vgl. Siefert (1973), S. 6 sowie Leven (1997), S. 115f. Joachim Mrugowsky, ein weiterer Angeklagter im Ärzteprozess, verfolgte eine andere Verteidigungsstrategie. Mrugowsky bestritt die Anwendbarkeit des Eides auf die kriegsbedingte Forschung am Menschen. Siehe dazu Kapitel 6.10. der vorliegenden Arbeit. Generell zum hippokratischen Ethos zuletzt Miles (2004b).
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des Textes, doch lud der Eid zu Auslegungen ein, mit deren Hilfe man – um mit Leven zu sprechen – „eigentlich alles begründen konnte“.365 In seinem Bedeutungsgehalt ähnlich unspezifisch wie der Begriff des „Arzttums“ konnte der Eid sogar ärztlichen Verbrechern als Legitimation für ihre Taten dienen. Dass die Rückbesinnung auf den hippokratischen Eid und seine aufwändige Neuinterpretation durch die Nationalsozialisten366 kein Zufall, sondern Kalkül war, hat Thomas Rütten schlüssig darlegen können. Er wies darauf hin, dass die bewusste Beibehaltung der vermeintlichen hippokratischen Tradition dem NS-Regime wahrscheinlich eine breitere Gefolgschaft unter den deutschen Ärzten gesichert hat, als dies eine – womöglich gesetzlich sanktionierte – Abschaffung des hippokratischen Eides bewirkt hätte.367 Andererseits hatte der Eid im 20. Jahrhundert bereits viel von seiner Bindungskraft eingebüßt. So äußerten einige der von Robert Jay Lifton nach dem Krieg befragten KZ-Ärzte hinsichtlich des hippokratischen Eides, „daß der Treueid auf Hitler, den sie als SS-Ärzte leisteten, ihnen sehr viel wirklicher vorkam als das verschwommene Ritual, das es bei Abschluß ihres Medizinstudiums gegeben hatte.“368 Problematisch erscheint es, wenn der hippokratische Eid teilweise auch heute noch aufgrund seiner mystischen Popularität als Dokument angeblich zeitloser ärztlicher Ethik herhalten muss. Der Eid vermochte bereits vor über 60 Jahren nicht, die moralische Katastrophe der Medizin zu verhüten, weil er schon damals inhaltlich ebenso beliebig auslegbar war, wie er es heute ist. Spätestens die Probleme moderner Gentechnologie und Biowissenschaften machen deutlich, dass Medizinethik erheblichen zeitgeschichtlichen Wandlungen unterliegt, auf die anders reagiert werden muss als durch das beständige Erneuern einer 2000 Jahre alten Legende.
365 Leven (1997), S. 118. Als extreme Interpretationsform führt Robert Jay Lifton in seinem Buch „The Nazi Doctors“ einen KZ-Arzt an, für den die massenhafte Tötung der Juden im Einklang mit dem Eid des Hippokrates steht: „Mein hippokratischer Eid sagt mir, einen brandigen Blinddarm aus dem menschlichen Körper herauszuschneiden. Die Juden sind der brandige Blinddarm der Menschheit. Also schneide ich sie raus.“ Lifton (1988), S. 267, vgl. auch Leven (1997), S. 124. Zum hippokratischen Ethos außerdem Miles (2004b). 366 Lüth zufolge rückte der Eid sogar erst während der NS-Zeit „wirklich in das Bewußtsein breitester Ärztekreise. Er hatte bis dahin eher ein Schattendasein geführt, vertraut im Grunde nur jenen, die sich mit der Geschichte der Medizin beschäftigten, und diese hatten keineswegs eine so einhellig positive Meinung von ihm.“ Lüth (1975), S. 18. 367 „By effectively utilizing and expropriating an historic hero, the Nazis transformed a number of physicians into more willing followers than would have been the case if they had abrogated the Oath by law.“ Rütten (1996), S. 106. 368 Lifton (1988), S. 243. Zur problematischen Beziehung zwischen medizinischer Ethik und ärztlichen Eidesformeln vgl. u.a. Siefert (1973), S. 24 sowie Tröhler/Reiter-Theil (1997).
4.4. Hippokrates und das „Ewige Arzttum“
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4.4.4. Pathos statt Ethos: Der Begriff des „Arzttums“ Der unspezifische und heute anachronistisch anmutende Topos des „Arzttums“ wurde in der medizinischen Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oft verwendet und vereinte unterschiedliche Bedeutungsinhalte in sich.369 Formulierungen wie „Ewiges Arzttum“ oder „hochstehendes Arzttum“370 weisen darauf hin, dass dem ärztlichen Dasein ein eigenes Wesen zugesprochen wurde. Der Begriff war zudem keineswegs nur eine Bezeichnung für den ärztlichen Berufsstand oder das „Arzt sein“ als solches: wer von Arzttum sprach, meinte oft die ärztliche Ethik, also das moralisch richtige Handeln des Arztes.371 Zahlreiche Autoren, die sich zwischen 1933 und 1945 mit dem Thema Medizin und Moral auseinandersetzten, sprachen von Arzttum und umgingen damit – bewusst oder unbewusst – den Terminus „Ärztliche Ethik“. Dieser implizierte normative Regeln, der unscharfe Begriff „Arzttum“ dagegen vermied jegliche semantische Verbindlichkeiten und eröffnete weite Handlungsspielräume.372 Eine simple Formel lautete: Für Ärzte, die völlig in ihrem Beruf aufgehen, stehe „der Begriff ‚Ethik’ gar nicht zur Diskussion. Einfach, weil reines Arzttum gar nicht unethisch sein kann.“373 Die Nationalsozialisten zögerten nicht, den Topos Arzttum in ihre Begriffswelt der zahlreichen „-tümer“ zu integrieren.374 Während des Dritten Reiches war die sprachliche Unschärfe in Sachen medizinischer Ethik nicht unwillkommen. Die daraus resultierende mangelnde Transparenz und Verbindlichkeit ethischer Konventionen trug mit dazu bei, medizinische Verbrechen möglich zu machen. Die immer abstraktere und auch diffusere Darstellung ethischer Werte und Normen ließ die klare Definition von Recht und Unrecht verschwimmen. So geriet das Töten von Patienten beinahe zur moralischen Verpflichtung, wenn es dem Wohl der Volksgemeinschaft diente: aus einem Tötungsverbot konnte ein Tötungsgebot werden. Während des Krieges entstand das Bild eines neuen, „völkischen Arzttums“,375 das auf biologischem Denken basierte. In ihm entschieden nicht mehr die ethischen Überzeugungen des Arztes über dessen Weltanschauung, sondern
369 Vgl. etwa Gruber (1928), Jacobs (1929), Lingel (1933), Müller (1935), Blome (1938), Hippokrates (1942), Blome (1943). 370 Letzteres bei Ramm (1942a), S. 45. 371 Vgl. dazu u.a. Jacobs (1929), der mangelnden Gemeinschaftssinn und fehlende Moral seines Standes beklagt: „Und immer und immer wieder frage ich mich von neuem: wo ist unser Arzttum, das uns höchste, eigentliche Mission sein sollte?“, ebd., S. 133. 372 Vgl. dazu Lüth (1972), S. 16–18, Leven/Prüll (1994) sowie Leven (1997), S. 124–126. Schon für die Zeit vor 1933 hat Schomerus treffend festgestellt: „Ärztliche Ethik wurde selten beim Namen genannt, [...]“, Schomerus (2001), S. 148. Stattdessen habe man es vorgezogen, vom „Wesen“ und den „Idealen“ der Medizin zu sprechen, ebd., S. 158. 373 Berger (1941), S. 93, Hervorhebung im Original. 374 Vgl. die Verwendung des Arzttum-Begriffes bei Wetzel (1941). 375 Eckhard (1941).
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4. Im Dienst der neuen Ethik: Bernward J. Gottlieb und die Medizingeschichte der SS
umgekehrt, „die weltanschauliche Haltung des Arztes bestimmt[e] sein ärztliches Ethos“.376 Daneben ließen sich dem „Arzttum“ auch militärische Implikationen zuordnen. Ein „Soldatisches Arzttum“377 verhieß die im Krieg notwendige ideale Verbindung von Arzt und Soldat. Der Generalarzt und beratende Chirurg des Heeres Ferdinand Sauerbruch beschwor dazu die „Einheit von Arzttum, Soldatentum, Führertum“. In einer Informationsschrift der Sanitätsinspektion der Wehrmacht hieß es: „Wer Arzt ist und den Begriff ‚Arzttum’ richtig versteht, ist Führer und Kämpfer.“378 Als die Verlustlisten gefallener Ärzte im Deutschen Ärzteblatt immer länger wurden, meldeten sich auch die Medizinhistoriker zu Wort: Im Krieg, so resümierte Lejeune anlässlich eines Vortrags in Wien, erreiche „das Arzttum [...] die höchste Stufe der Männlichkeit“.379 In den Jahren und Jahrzehnten nach 1945 verlor der Begriff des „Arzttums“ zunehmend an Bedeutung.380 Er gehörte einer politisch belasteten, überholten Terminologie an und konnte sich – zu Recht – seines verdächtigen Beiklangs nicht entledigen. Der oft verklärend eingesetzte Begriff, hinter dem sich in der Zeit des Nationalsozialismus schlimmste Verbrechen verbergen ließen, ist heute aus dem Sprachgebrauch weitgehend verschwunden.381 4.5. ZUSAMMENFASSUNG Als theoretisches Fach war die Medizinhistoriographie strukturell anfällig für eine ideologische Inanspruchnahme durch die Nationalsozialisten. Gleichzeitig beteiligten sich wichtige Fachvertreter bereitwillig an der Erstellung eines nationalistisch und rassistisch geprägten Geschichtsbildes. Dass die Geschichte der Medizin zu Beginn des Zweiten Weltkrieges Pflichtfach im Rahmen des Medizinstudiums wurde, verlieh dem Fach zusätzliche Bedeutung. Da sie immer schon enge Bezüge zur medizinischen Ethik aufwies, dominierte die Medizingeschichte den besonders in der Kriegszeit intensiv geführten Diskurs über Fragen ärztlicher Ethik. Die Aufwertung der Medizingeschichte entsprang dem Bemühen der Nationalsozialisten, eine neue Medizinethik zu verbreiten.382 Bestrebungen der SS, 376 Ebd., S. 202. 377 So eine Leitartikel-Überschrift im „Völkischen Beobachter“ vom 18.11.1942, Norddeutsche Ausgabe. 378 Beide Zitate nach Neumann (2005), S. 56 und S. 140. Siehe zum gleichen Thema auch Bircher (1940) sowie Unger (1943). 379 Fritz Lejeune, Das männliche Prinzip in der Geschichte der Medizin. Vortrag, gehalten am 17.09.1942 in Wien, zitiert nach Schmierer (2002), S. 212. 380 Wenn überhaupt benutzte eher die ältere Generation den Begriff; siehe – durchaus problematisch – Birk (1946). Daneben Schumacher (1946), Weizsäcker (1947b), Mayer (1966), Popitz (1967). 381 Im Duden von 2006/07 (24. Aufl.) ist der Begriff nicht verzeichnet. 382 „The decisive motivation was the National Socialist’s idea of using history in order to teach racist thinking, to distinguish a certain ‘German character’ of medicine, and to spread a new medical ethics.“ Labisch (2004), S. 425.
4.5. Zusammenfassung
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eine eigene, „völkische Medizingeschichtsschreibung“ aufzubauen, spiegelten sich am Berliner Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften wider, wo man zwei SS-Ärzte, darunter Bernward Josef Gottlieb, bei Paul Diepgen habilitierte. Gottlieb, der ab 1941 das neu geschaffene „Institut für Geschichte der Heilkunde beim Reichsarzt-SS“ leitete und das Fach Medizingeschichte an der SSÄrztlichen Akademie vertrat, stieg in der Folgezeit zum wichtigsten Exponenten einer SS-gesteuerten Medizingeschichtsforschung auf. Neben politisch relativ neutralen Beiträgen veröffentlichte Gottlieb auch eindeutig ideologisch geprägte Schriften, in denen sich das germanozentrische Weltbild der SS widerspiegelt. 1945 war er als Nachfolger Diepgens für den zentralen Berliner Lehrstuhl vorgesehen. In der Berufungsfrage wirkten ähnliche Mechanismen der Protektion wie bei Gottliebs Versetzung nach Graz, und es zeigten sich deutlich die konkurrierenden Machtinstanzen des NS-Staates. Schließlich gelang es Himmler, seinen Kandidaten Gottlieb durchsetzen; nur das Kriegsende verhinderte dessen Berufung und die weitere Nazifizierung des Faches.383 Anhand der 1942 begonnenen Publikationsreihe „Ewiges Arzttum“, mit der hippokratisches Ethos – populär aufbereitet – den SS-Ärzten nahegebracht werden sollte, ließ sich exemplarisch die Instrumentalisierung und Neuinterpretation ärztlicher Ethik durch die Nationalsozialisten darstellen. Wie eingehend sich beispielsweise Himmler mit Details der Medizingeschichte beschäftigte, belegt die nicht selten bizarr anmutende Korrespondenz aus dem Umfeld der Edition „Ewiges Arzttum“. Zudem konnte gezeigt werden, welche Probleme der unkritische Umgang mit dem hippokratischen Eid und die Konstruktion einer „ewig“ gültigen ärztlichen Ethik mit sich bringen. Die häufige Verwendung des Begriffs „Arzttum“ im medizinethischen Diskurs der NS-Zeit war nicht nur Ausdruck naiver ärztlicher Traditionspflege. Hinter dem Wort „Arzttum“ verbarg sich eine Standesphilosophie, die viel Transzendenz und wenig Konkretes für sich beanspruchte – was die Anpassung an die nationalsozialistische Moral erheblich erleichterte.
383 Vgl. dazu auch Jaehn (1991), Thesen, S. 6f., der zudem den wachsenden Einfluss der durch Partei und SS kontrollierten Paracelsus-Gesellschaft hervorhebt.
5. ÄRZTLICHE RECHTS- UND STANDESKUNDE: RUDOLF RAMM UND DIE WELTANSCHAULICHE SCHULUNG DER ÄRZTESCHAFT 5.1. ARZT UND PARTEIFUNKTIONÄR – STATIONEN EINER KARRIERE Im Rathaus der pfälzischen Stadt Pirmasens findet man heute in der Reihe der Portraits der ehemaligen Stadtoberhäupter auch das Bild von Rudolf Ramm, der zwischen 1934 und 1937 Oberbürgermeister der Stadt war. Nur wenig mehr erinnert heute noch an die Person Rudolf Ramm, der keineswegs nur ein lokalpolitisch tätiger Arzt, sondern auch ein wichtiger Vertreter ärztlicher Standespolitik im Nationalsozialismus war. Bevor Ramm sein Amt als Oberbürgermeister von Pirmasens übernahm, hatte er bereits eine längere politische Karriere aufzuweisen, die ihn als NSDAP-Abgeordneten bis in den Reichstag geführt hatte. Nach dem 1938 erfolgten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich organisierte Ramm als „Beauftragter des Reichsärzteführers im Stabe des Reichskommissars Bürckel“ von Wien aus erfolgreich die Arisierung der österreichischen Ärzteschaft und die Vertreibung jüdischer Mediziner. Als Schriftleiter medizinischer Zeitschriften, als Lehrbeauftragter an der Berliner Universität und als Verfasser des ersten Lehrbuchs über Ärztliche Rechts- und Standeskunde spielte er in der Folgezeit eine zentrale Rolle bei der Umsetzung und Vermittlung nationalsozialistischer Ideologie im Bereich des Gesundheitswesens und in der ärztlichen Ausbildung. Robert N. Proctor sieht in Ramm den „führende[n] Nazi-Medizinethiker“ überhaupt.384 Wenn es um die Wiedergabe prägnanter Zitate zur nationalsozialistischen Rassen- und Gesundheitspolitik geht, ist Rudolf Ramm in der Medizingeschichtsschreibung als Verfasser des 1942 erstmals erschienenen Standardwerks zur ärztlichen Rechts- und Standeskunde ein oft angeführter Autor.385 Außer solchen Nachweisen ist bislang jedoch weder sein persönlicher Werdegang und das politische Wirken noch die Rezeption seines Lehrbuchs erforscht worden. Auch in der regionalen Geschichtsschreibung, sowohl in der Pfalz als auch in Österreich, ist Ramm trotz seiner vielfältigen Tätigkeiten eine nahezu unbekannte Figur geblieben.386 Im Folgenden sollen die umfangreichen Aktivitäten Ramms 384 Proctor (2000a), S. 65. Ebenso bereits Proctor (1992), S. 17. 385 So z. B. bei Ternon/Helman (1973), S. 34, 121, 149, Mersmann (1978), S. 39f., 67f. und passim sowie Proctor (2002), S. 55–57. 386 Die lokale Quellenlage ist äußerst dürftig. Archivalische Spuren Ramms, sofern sie für diese Arbeit von Belang sind, finden sich kaum. Vgl. dazu auch einen Artikel über Ramm in der Zeitung „Die Rheinpfalz“, 06.09.2000. Ähnlich die schriftliche Mitteilung des Regionalhistorikers Willi Hartmann (Lemberg) an den Verfasser vom 24.06.2002. Auch in der umfangreichen regionalgeschichtlichen Studie von Muskalla (1995) oder bei Prantl (1978) findet Ramm keine Erwähnung, dafür jedoch bei Tascher (2007). Mit Ramms Funktion bei der
5.1. Arzt und Parteifunktionär – Stationen einer Karriere
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erstmals einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, der Schwerpunkt liegt dabei auf den Wirkungsbereichen, die Bezüge zur Vermittlung ärztlicher Ethik aufweisen. 5.1.1. Von der Provinz in die Reichshauptstadt Rudolf Ramm wurde am 23. November 1887 in Dortmund geboren. Nach dem Schulbesuch in Witten/Ruhr und Mannheim studierte er Pharmazie und Medizin in Straßburg, München und Köln. In Köln erlangte Ramm 1920 die Approbation als Arzt und die Zulassung als Apotheker.387 Sehr wahrscheinlich wurde er dort im gleichen Jahr promoviert.388 Seinen Militärdienst leistete er von 1913 bis 1914 als Einjährig-Freiwilliger in München ab. Den Ersten Weltkrieg erlebte Ramm nicht an der Front, sondern im Garnisonsdienst.389 1921 ließ er sich als Allgemeinarzt und Reichsbahnarzt in Pirmasens nieder. Dort wurde er 1929 Mitglied des Stadtrates. 1930 trat Ramm der NSDAP bei und wurde Mitglied der SS, aus der er jedoch 1937 wieder austrat.390 In den folgenden Jahren übernahm Ramm nach und nach verschiedene Parteiämter: 1932 wurde er Gauobmann des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB) für den Gau Rheinpfalz und Kreisleiter der NSDAP. Daneben war Ramm ab 1933 Gauamtsleiter des Rassenpolitischen Amtes und 1934 Gauamtsleiter des Amtes für Volkgesundheit.391 Unter der Rubrik „Besondere Kenntnisse und Eignungen“ ließ er in seiner SSAkte vermerken: „Biologie, Medizin, Rassenlehre, Rassenpolitik und allgemeine Politik“.392 Ramm ließ früh seine nationalsozialistische Überzeugung erkennen:
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„Arisierung“ der österreichischen und hier besonders der Wiener Ärzteschaft beschäftigen sich ansatzweise Tálos (2000), S. 701, Malina (1998) sowie Exenberger et al. (1996), S. 141– 144, letztere bezeichnen Ramm fälschlich als „Reichsärzteführer“, ebd. S. 141. Auf Ramms führende Rolle bei der Zerschlagung der traditionsreichen „Gesellschaft der Ärzte in Wien“ geht Spitzy (1987), S. 40–50 ein. BArch Berlin /BDC RÄK Ramm. Ramm, Rudolf: Zur Histologie und Histogenese des Hirncholesteatoms, Diss. med. Köln 1920. Als Herkunftsort Ramms wird hier „Illingen-Saarbezirk“ angegeben. Da ein Lebenslauf fehlt, lässt sich die Dissertation nicht mit letzter Sicherheit Ramm zuordnen. Reichstags-Handbuch, VI. Wahlperiode 1932, hrsg. vom Büro des Reichstags, Berlin 1932, S. 175. BArch Berlin/BDC RÄK Ramm. NSDAP-Mitgliedsnr. 188829, SS-Mitgliedsnr. 4176. BArch Berlin/BDC SSO Ramm, BArch Berlin/BDC NSDAP-Gaukartei Ramm. 1937 bemühte sich Ramm zunächst um eine Wiedereingliederung in die SS, aus der er nach deren zeitweiligem Verbot im Jahre 1932 ausgeschieden war. Mit seinem ursprünglichen Rang als Untersturmführer, der ihm bei seiner Wiederaufnahme 1937 zugeteilt worden war, wollte sich Ramm jedoch nicht begnügen und verließ deshalb die SS noch im gleichen Jahr. Siehe dazu die umfangreiche Korrespondenz BArch Berlin/BDC SSO Ramm. Vgl. BArch Berlin/BDC SSO Ramm. Der Gau Rheinpfalz wurde 1937 zunächst in „Saarpfalz“, 1941 dann in „Westmark“ umbenannt. Zur Funktion und inneren Struktur des Hauptamtes für Volksgesundheit sowie zu Herkunft und Gemeinsamkeiten der ihm angehörigen Ärzte vgl. Süß (2003), S. 114–126. SS-Führerpersonalakten, Rudolf Ramm, BArch Berlin/BDC SSO Ramm.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
1931 erwarb er eine unweit von Pirmasens gelegene Burgruine; der Plan, daraus eine nationalsozialistische Ordensburg entstehen zu lassen, zerschlug sich jedoch in der Folgezeit.393 Als die NSDAP bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 mit 230 Sitzen stärkste Partei im deutschen Parlament wurde, zog Rudolf Ramm für den Wahlkreis Pfalz, neben drei anderen NSDAP-Abgeordneten, darunter der pfälzische Gauleiter Josef Bürckel,394 in den Reichstag ein.395 Nachdem Ramm dieses Mandat bei den im November des gleichen Jahres stattfindenden Neuwahlen – bei denen die NSDAP nur noch 196 Sitze erhielt – wieder verloren hatte, gelang ihm im März 1933 der erneute Einzug in den Reichstag.396 Im darauf folgenden Jahr wurde Ramm auf den Posten des Oberbürgermeisters der Stadt Pirmasens berufen, nachdem sein demokratischer Vorgänger abgesetzt worden war.397 In Ramms Zeit als Oberbürgermeister fielen Ereignisse wie der „Abstimmungskampf“ um die Wiedereingliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich und der Abzug französischer Truppen aus dem Rheinland. Als er das Amt 1937 abgab, stand Ramm erst am Anfang seiner politischen Karriere. An seiner Gesinnungstreue ließ er keinen Zweifel aufkommen.398 5.1.2. Auftakt in Wien: Die Arisierung der österreichischen Ärzteschaft Im Zuge des im März 1938 vollzogenen Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich wurde Rudolf Ramm zum „Beauftragten des Reichsärzteführers für die Ostmark“ ernannt und im Stab des „Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, Josef Bürckel, nach Wien entsandt.399 393 Vgl. Pirmasenser Zeitung, 04.04.2002, Die Rheinpfalz, 06.09.2000 sowie schriftliche Auskunft durch Herrn Willi Hartmann (Lemberg) vom 24.06.2002. 394 Josef Bürckel (1895–1944) gab 1925 seinen Beruf als Lehrer auf und trat der NSDAP bei. Seit 1930 Mitglied des Reichstags. 1934 wurde er von Hitler zum „Saarbeauftragten der Reichsregierung“ ernannt. 1939 avancierte er zum Gauleiter von Wien, 1940 zum dortigen „Reichsstatthalter“. Bürckel, der in viele parteiinterne Konflikte verwickelt war, starb 1944 unter nicht geklärten Umständen. 395 Reichstags-Handbuch, VI. Wahlperiode 1932, hrsg. vom Büro des Reichstags, Berlin 1932, S. 21. Vgl. auch Lilla (2004). Neben Ramm zogen bei dieser Wahl drei weitere Ärzte als NSDAP-Abgeordnete in den Reichstag ein: Paul Hocheisen (1870–1944), München, Walter Ruppin (1885–1945), Neuhardenberg, und Ernst Wegner (1900–1945), Kirchberg/Sachsen. 396 Reichstags-Handbuch, VIII. Wahlperiode 1933, hrsg. vom Büro des Reichstags, Berlin 1933, S. 80. Bei den Wahlen am 5. März 1933 erhielt die NSDAP 288 Mandate. Ab November 1933 gehörte Ramm dem Reichstag nicht mehr an. 397 „Die Rheinpfalz“, 06.09.2000. Generell zur Entwicklung der NSDAP in der Pfalz siehe die älteren Studien von Rothenberger (1981) und (1986), dort auch weitere Literaturhinweise. 398 „Auch nach der Machtergreifung ist R. jung geblieben. R. ist Idealist und ein sehr befähigter Redner.“ Einschätzung eines Mitarbeiters des Hauptamts für Rasse und Siedlungswesen in Berlin vom 31.07.1937, BArch Berlin/BDC SSO Ramm. Zu den gesundheitspolitischen Auswirkungen der Rückgliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich vgl. ausführlich Tascher (2007). 399 Bürckel hatte 1935 erfolgreich den „Abstimmungskampf“ im Saargebiet organisiert: 90 Prozent der mehrheitlich katholischen Saarbevölkerung hatte für die Angliederung an das natio-
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Von Bürckel wird berichtet, dass er in Wien einen Kreis von engen Vertrauten um sich scharte, die ihm aus der sogenannten „Kampfzeit“ der NS-Bewegung in der Pfalz bekannt waren.400 Zu diesem notorischen „pfälzischen Team“ gehörte auch Ramm, der Bürckel mit großer Wahrscheinlichkeit sein Amt als „Beauftragter des Reichsärzteführers im Stabe des Reichskommissars Bürckel“ verdankte.401 Von seinem Amtssitz in der Weihburggasse aus war Ramm für die Eingliederung und Gleichschaltung der österreichischen und besonders der Wiener Ärzteschaft und ihrer Standesverbände in das nationalsozialistische Gesundheitssystem zuständig.402 Mit welchem Elan Ramm diese Aufgabe anging, verriet schon sein in der ersten Ausgabe der „Deutschösterreichischen Ärztezeitung“403 abgedruckter Aufruf „An die deutschösterreichische Ärzteschaft“.404 Darin warb er um Unterstützung bei der „Reorganisation der Ärzteschaft“ in Österreich und rief dazu auf, die „kranken und verelendeten Volksgenossen [in Österreich, F.B.] wieder zur Gesundung zu bringen und den drohenden Volkstod zu verhindern.“405 Außerdem sollten die Ärzte ihren engen Kontakt zur Bevölkerung nutzen, diese dazu zu bewegen, bei der bevorstehenden Volksabstimmung für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich zu stimmen.406 Besonders in Wien mit seinem hohen Anteil jüdischer Ärzte war deren Entrechtung und Vertreibung aus ihrem Berufsstand für die Nationalsozialisten eine Aktion von hoher Symbolkraft. Durch den dadurch entstehenden Ärztemangel kam es jedoch zu erheblichen Problemen. Um die haus- und fachärztliche Versorgung der nichtjüdischen Bevölkerung Wiens durch
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nalsozialistische Deutsche Reich gestimmt. Seine Fähigkeiten in „Anschlussfragen“ sollte Bürckel nun auch am Beispiel Österreichs unter Beweis stellen. Er wurde per Führererlass vom 23.04.1938 zum „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ bestellt. Ramm firmierte erstmals im April 1938 als für die „Neuordnung des österreichischen Ärztewesens“ zuständiger „Beauftragter des Reichsärzteführers“, vgl. Deutschösterreichische Ärztezeitung 1 (1938), S. 7. Vgl. Hüttenberger (1969), S. 145, Wolfanger (1977), S. 31 sowie Tascher (2007), S. 277. Als Gauleiter konnte Bürckel auch über die Besetzung der Gauamtsleiterstellen verfügen, so dass Ramm ihm auch diese Position verdankte. Zur personalpolitischen Bedeutung der Gauleiter in diesem Zusammenhang siehe Süß (2003), S. 124–126. Den Begriff „pfälzisches Team“ benutzt Hüttenberger (1969), S. 145. Siehe dazu auch Malina (1998) sowie allgemein Gröger (1998) und Tálos et al. (2000). Auf Anordnung Ramms wurde die bisherige „Ärztliche Reformzeitung“ im April 1938 in „Deutschösterreichische Ärztezeitung“ umbenannt. Sie erschien zweimal im Monat und wurde allen österreichischen Ärzten zugestellt. Die Schriftleitung behielt zunächst unverändert Dr. Rudolf Bayer, vgl. Deutschösterreichische Ärztezeitung 1 (1938), S. 9. Ebd., S. 6. Auf der folgenden Seite erfuhr die ärztliche Leserschaft erstmals Näheres über die Person Rudolf Ramms und dessen bisherige und zukünftige Aufgabenfelder. Ausdrücklich wurden dabei seine bei der Wiedereingliederung des Saarlandes gesammelten Erfahrungen hervorgehoben, vgl. ebd., S. 7. Ebd., S. 6. Zuvor hatte Ramm an gleicher Stelle den in Österreich herrschenden Geburtenschwund und den schlechten Gesundheitszustand von 2000 von ihm selbst untersuchten Schulkindern beklagt. Den österreichischen Ärzten stellte er zudem materielle Verbesserungen in Aussicht. „Der deutsche Arzt als Volksgenosse hat in seinem Berufe mannigfache Berührung mit dem Volke und kann für den Tag des Bekenntnisses am 10. April von Mund zu Mund den Ruf des Blutes tragen.“ Ebd.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
„arische“ Ärzte sicherzustellen, leitete Ramm Maßnahmen ein, die zur verstärkten Niederlassung von Ärzten aus Wiener Krankenhäusern, anderen Landesteilen Österreichs und dem sogenannten „Altreich“ führen sollten.407 Ramm arbeitete darauf hin, jedes Zusammentreffen jüdischer Ärzte und „arischer“ Patienten oder auch nur die Begegnung jüdischer und „arischer“ Patienten im Wartezimmer eines politisch vielleicht nicht zuverlässigen Arztes zu unterbinden.408 „In den übrigen Gauen“, so Ramm, „spielt die Judenfrage eine untergeordnete Rolle, lediglich in Oberösterreich sind ca. 10 % jüdische Ärzte vorhanden, die jedoch ohne weiteres ausgeschaltet werden können.“409 Parallel dazu betrieb Ramm die Auflösung psychoanalytischer Institute und Vereinigungen in Wien; die Psychoanalyse galt als „jüdische Wissenschaft“: „Rund 15 Waggons Freudscher und seiner Schüler Schriften, die in deutscher Sprache abgefaßt waren, wurden eingestampft und dadurch die Möglichkeit genommen, das aus diesen Büchern sprechende jüdische Geistesgut im Auslande als deutsches zu tarnen.“410
Neben diesen Aktionen koordinierte Ramm die Ausweitung der Reichsärzteordnung und anderer „reichsdeutscher“ Institutionen auf österreichisches Gebiet.411 Bereits im Oktober 1938 zog Ramm im „Ärzteblatt für die deutsche Ostmark“ eine Bilanz seiner „Aufbauarbeit“.412 In diesem von wüster antisemitischer Hetze durchzogenen Aufsatz versuchte Ramm am Beispiel Österreichs nachzuweisen, „wie tief und fest der Jude als Parasit bereits in dem Volkskörper der verschiedenen Nationen Wurzel geschlagen hatte.“ In „allen einträglichen Gebieten des staatlichen und privaten Lebens“ habe das „jüdische Element“ in Österreich eine 407 So intervenierte Ramm etwa beim Wiener Bürgermeister, um den neu anzusiedelnden Ärzten bevorzugt Wohnungen zu sichern. Die Reichsärzteführung stellte erhebliche Summen zur finanziellen Unterstützung dieser Ärzte zur Verfügung. Ramms Angaben zufolge standen schließlich 1.165 niedergelassene nichtjüdische Ärzte für eine „arische“ Bevölkerung Wiens von ca. 1,5 Millionen zur Verfügung. Vgl. Korrespondenz Ramm/Bürckel, 02.05.1938, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2361 (Juden im Ärzteberuf). 408 „Der kranke Jude trifft im Wartezimmer des [nichtnationalsozialistischen] Arztes häufig mit deutschblütigen Volksgenossen zusammen, die bisher der schwarzen, roten oder sogar bolschewistischen Parole gefolgt sind. Der Jude wird bestimmt jede Gelegenheit benutzen, um diese Volksgenossen zu verhetzen. Die politische Klugheit gebietet, diesen Zustand zu verhindern.“ Schreiben Ramms an Bürckel, 20.10.1938, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2355/4 (Verordnung über die Teilnahme von Juden an der kassenärztlichen Versorgung). 409 Schreiben Ramms an Bürckel, 02.05.1938, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2361 (Juden im Ärzteberuf). 410 Ramm (1938), S. 220. Betroffen von der Auflösung waren beispielsweise die Wiener Psychoanalytische Vereinigung und das Wiener Psychoanalytische Ambulatorium, vgl. NSDAPHochschulkommission an Bürckel, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2350 (Gesundheitswesen allgemein). 411 Beschwerden von österreichischer Seite über Ramms vorschnellen Aktivismus belegen, wie radikal dieser die Gleichschaltungsmaßnahmen betrieb, vgl. Österreichischer Minister für Arbeit und Wirtschaft an Reichsarbeitsministerium in Berlin, 27.09.1938, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2355/3 (Ausdehnung des Bereichs der Kassenärztlichen Vereinigung auf Österreich). 412 Vgl. Ramm (1938). Dieser Artikel wurde zusammengefasst auch im Deutschen Ärzteblatt 68 (1938), S. 734f. wiedergegeben.
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führende Rolle übernommen. Besonders die Stadt Wien sei von Juden beherrscht worden, so dass die „Ausschaltung“ der jüdischen Ärzte zur „Klärung der rassischen Fronten“ beitrage und die „Überjudung des Arztberufes“ beende. Folgen müsse dieser Tat „die Ausmerzung jüdischen Geistes“.413 Widerspruch erregten in diesem Artikel lediglich Äußerungen Ramms zum Geltungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung sowie zum Schicksal der kassenärztlichen Ambulatorien, die das Wiener Ministerium für Arbeit und Wirtschaft als unzutreffend und „verfrüht“ kritisierte.414 Gegen die vorgesehene „Ausschaltung“ der jüdischen Ärzte in Österreich erhob sich dagegen kein Einspruch. Ramm konnte seine Pläne ungehindert umsetzen. Das Resultat dokumentierte ein Aufsatz, der ein Jahr später, 1939, in der Zeitschrift „Ziel und Weg“ erschien und die erfolgreiche „Bereinigung“ der Wiener Ärzteschaft mitteilte. Die ungleichen Zahlenverhältnisse zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Ärzten, die noch ein Jahr zuvor geherrscht hätten, seien „nur noch historische, aber darum nicht weniger schreckliche Erinnerungen.“ Schließlich wurde Ramm mit der Feststellung zitiert, die ärztliche Versorgung der arischen Bevölkerung Wiens sei ausreichend gesichert.415 Ähnlich wie andere Nationalsozialisten konnte auch Ramm die „erfolgreiche“ Tätigkeit in Wien als Sprungbrett für seine weitere Karriere nutzen.416 Nachdem die wesentlichen Organisationsstrukturen in Österreich aufgebaut und die Arisierung abgeschlossen waren, berief Reichsärzteführer Leonardo Conti Ramm am 29. August 1939 nach Berlin, um dort das Amt des Beauftragten für das ärztliche Fortbildungswesen zu übernehmen. Kurze Zeit später begann Ramm außerdem seine Tätigkeit als Leiter des Amtes Schulung und Propaganda im Hauptamt für Volksgesundheit.417 5.1.3. Ärztliche Fortbildung als politisches Instrument Das ärztliche Fortbildungswesen in Deutschland konnte zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft bereits auf eine längere Tradition zurückblicken. Ein Zentrum des ärztlichen Fortbildungswesen stellte das 1906 seiner Bestimmung übergebene „Kaiserin Friedrich-Haus für ärztliche Fortbildung“ am Berliner 413 Ebd., S. 219f. 414 Österreichischer Minister für Arbeit und Wirtschaft an Schriftleitung des „Ärzteblatt für die deutsche Ostmark“, 27.09.1938, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2355/3 (Ausdehnung des Bereichs der Kassenärztlichen Vereinigung auf Österreich), in dem eine Gegendarstellung zu Ramms Artikel gefordert wird. 415 „Ein Rückblick auf die Verjudung der Wiener Aerzteschaft“, in: Ziel und Weg 9 (1939), S. 17–21, hier S. 21. 416 Ins Auge fällt beispielsweise die Parallele zur Karriere Adolf Eichmanns. Auch dieser wurde im März 1938 nach Wien entsandt, wo er die Zwangsauswanderung der österreichischen Juden organisieren sollte. Auch Eichmann bewährte sich in diesem Einsatz und kehrte, mit Zwischenstation in Prag, in eine gehobene Position nach Berlin zurück. Siehe zuletzt Wojak (2001), grundlegend immer noch Arendt (1964). 417 Vgl. Deutsches Ärzteblatt 69 (1939), S. 561, BArch Berlin/BDC SSO Ramm sowie Süß (2003), S. 112.
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Robert-Koch-Platz dar,418 wo auch die 1933 gegründete „Berliner Akademie für ärztliche Fortbildung“ ihren Sitz hatte. Diese Einrichtung war Ausdruck der Vereinheitlichung und Ausrichtung der ärztlichen Fortbildung nach nationalsozialistischen Grundsätzen.419 Durch die 1936 in Kraft getretene Reichsärzteordnung fiel das Fortbildungswesen in den Zuständigkeitsbereich der neu geschaffenen Reichsärztekammer; die Berliner Akademie war fortan dem „Beauftragten des Reichsärzteführers für das ärztliche Fortbildungswesen“ unterstellt.420 Gleichzeitig wurden alle Ärzte, die nicht älter als 60 Jahre waren, verpflichtet, alle fünf Jahre an einem dreiwöchigen Fortbildungskurs teilzunehmen.421 Die niedergelassenen Landärzte, die weit entfernt von den Zentren medizinischen Fortschritts, aber auch von gesundheitspolitischer Beeinflussung praktizierten, erhielten als erste die Aufforderung, an der Fortbildung teilzunehmen.422 1937 fand in Berlin der „3. Internationale Kongreß für das ärztliche Fortbildungswesen“ statt. Mit Teilnehmern unter anderem aus den USA, England und Frankreich erfreute sich diese Tagung zwar tatsächlich noch internationaler Beteiligung, sie stand jedoch ganz im Zeichen der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik.423 Nach dem Anschluss Österreichs entstand auch in Wien eine Akademie für ärztliche Fortbildung; ihre Eröffnung im April 1939 gehörte zu den ersten Amtshandlungen des neuen Reichsärzteführers Leonardo Conti.424 Zum Leiter der Wiener Einrichtung wurde Rudolf Ramm bestimmt, den man jedoch schon im 418 Die Frau des nach nur 99 Tagen Regentschaft im Jahr 1888 verstorbenen Kaisers Friedrich III. hatte sich bereits zu ihren Lebzeiten für die öffentliche Krankenfürsorge und die ärztliche Fortbildung eingesetzt. Nach ihrem Tode im Jahr 1901 entstand die „Kaiserin Friedrich-Stiftung für ärztliche Fortbildung“, aus deren Mitteln bis 1906 ein eigens der ärztlichen Fortbildung dienendes Haus errichtet wurde. Das repräsentative und im Krieg kaum in Mitleidenschaft gezogene Gebäude diente nach Kriegsende der russischen Militärkommandantur und später in der DDR der Akademie der Künste als Sitz. Seit 1992 steht das Haus wieder der Ärzteschaft zu unterschiedlichen Zwecken zur Verfügung. 419 Vgl. Ramm (1944), S. 27. 420 Bis zur 1939 erfolgten Übernahme durch Rudolf Ramm hatte Kurt Blome dieses Amt wahrgenommen. 421 Ende 1936 hatten mehr als 5000 Ärzte an der Pflichtfortbildung teilgenommen, vgl. Ziel und Weg 7 (1937), Heft 3, S. 74. Schenkt man den durch Ramm veröffentlichten Zahlen Glauben, hatten bis zur kriegsbedingten Lockerung dieser Bestimmung im Jahr 1939 bereits 60% aller deutschen Ärzte an einer dieser Veranstaltungen teilgenommen, vgl. Ramm (1944), S. 28. Zu Inhalt und Organisation dieser Kurse vgl. Blome (1937). 422 Vgl. Blome (1937), S. 437. 423 Neben dem einleitenden Vortrag des Reichsärzteführers Gerhard Wagner über „Die Stellung des Arztes im neuen Deutschland“ wird dies auch an Ausflügen zur „Führerschule der Ärzteschaft“ nach Alt-Rehse und zum Rudolf-Heß-Krankenhaus nach Dresden deutlich. Ferner wurde Gelegenheit geboten, „die Einrichtungen des neuen Deutschlands – unter anderem Besichtigungen von Arbeitslagern sowie Einrichtungen der Deutschen Arbeitsfront und der NSVolkswohlfahrt – kennenzulernen.“ Ziel und Weg 7 (1937), Heft 14, S. 356. Vgl. auch den Bericht ebd., Heft 17, S. 434–437. 424 Deutsches Ärzteblatt 69 (1939), S. 342–346. Eine dritte und vor allem naturheilkundlich ausgerichtete Akademie für ärztliche Fortbildung bestand in Dresden.
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August des gleichen Jahres in das Amt des Beauftragten für das ärztliche Fortbildungswesen nach Berlin berief. Ramm zählte fortan zum engsten Führungszirkel der deutschen Ärzteschaft und gehörte „zu den wenigen Mitarbeitern, deren Rat der misstrauische Reichsärzteführer gelten ließ.“425 Politische Wirkung erzielte er jedoch vorwiegend in anderen Bereichen des Gesundheitswesens, da die ärztliche Fortbildung unter dem Druck der Kriegsereignisse nur noch eingeschränkt stattfand.426 Repräsentative Veranstaltungen, wie internationale Fortbildungskongresse, blieben seltene Ereignisse, die nach außen hin das Weiterbestehen von medizinischer Wissenschaft und Forschung auch in Kriegszeiten demonstrieren sollten. Die im Mai 1940 stattfindende erste „Wiener Medizinische Woche“, ein internationaler Fortbildungskursus für Ärzte, an dessen Organisation Ramm maßgeblich mitwirkte, war eine solche Veranstaltung. Sie sollte helfen, den deutschen Hegemonialanspruch in Südosteuropa auch in wissenschaftlicher Hinsicht zu bekräftigen.427 Für Ramm bot sich zudem die Gelegenheit, den Rahmen des Einführungsvortrags für eine programmatische Rede zu nutzen, die grundlegend für die gesamte Veranstaltung sein sollte und die mit diesem Tenor auch im Deutschen Ärzteblatt breit besprochen wurde.428 In seiner Kernaussage beschrieb Ramm die Aufgabe der ärztlichen Fortbildung. Diese solle den Arzt unterstützen, „sein Bestes verantwortungsbewußt einzusetzen für sein Volk. Von der Gesundheit ist die Kraft des Volkes abhängig, von dieser seine Weltgeltung und damit folgerichtig auch seine Zukunft.“429 Daneben hob Ramm hervor, dass besonders der schon lange in einer Praxis niedergelassene Arzt durch Fortbildungsveranstaltungen seinen Wissensrückstand in Fächern wie der menschlichen Erblehre und Rassenhygiene, der Arbeitsphysiologie und der Soziologie
425 Süß (2003), S. 113. Zu Ramms einflussreicher Position vgl. u.a. Münchner Medizinische Wochenschrift 89 (1942), S. 1100 sowie Hippokrates 14 (1943), S. 231. Bei wichtigen Anlässen oder Reisen traten Conti und Ramm gemeinsam auf, vgl. Deutsches Ärzteblatt 70 (1940), S. 249, 269 und passim. Nicht selten ließ sich Conti auch durch Ramm vertreten, so z. B. auf einem Kongress spanischer Ärzte in Madrid, wo Ramm 1941 einen Vortrag über „Die Gesundheitsführung im nationalsozialistischen Staat“ hielt, vgl. Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg [o. Jg.] (1941), S. 250f. Contis Verhältnis zu seinem Stellvertreter Kurt Blome galt dagegen als äußerst gespannt, vgl. u.a. Süß (2003), S. 114. 426 Während des Krieges entfiel auch die Pflichtfortbildung. Verbleibende Veranstaltungen widmeten sich vor allem kriegsbedingten Themen, so der Zusammenarbeit zwischen Sanitätsoffizieren und zivilen Ärzten, vgl. Deutsches Ärzteblatt 70 (1940), S. 229. Ramm richtete denn auch große Erwartungen auf die Zeit „nach dem Sieg“, den er noch 1944 prophezeite, vgl. Ramm (1944), S. 28. Zu weiteren Fortbildungskursen und -themen vgl. Ramm (1941e). 427 So wollte Ramm auch den Wiener Gauleiter Bürckel mit einbeziehen: Er bat ihn, „in der alten Hofburg oder in Schönbrunn“ für die Teilnehmer einen Empfang zu veranstalten. „Es wäre dies vom politischen Standpunkte aus meiner Ansicht nach durchaus richtig und geeignet, die Ärzte des Balkans in Bezug auf ihre wissenschaftliche Fortbildung mehr nach Wien hin zu orientieren, die sie bisher an französischen Universitäten zu suchen pflegten.“ [sic]. Schreiben Ramms an Bürckel, 26.03.1940, ÖStA/Archiv der Republik, Nr. 2350 (Gesundheitswesen allgemein). 428 Vgl. Deutsches Ärzteblatt 70 (1940), S. 229–231. 429 Ebd., S. 231.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
aufholen müsse. Nur so könne er seine Aufgaben, z. B. als „Erbpfleger seines Volkes“ erfüllen.430 Eine ähnliche Funktion der weltanschaulichen Fortbildung erfüllten die Kurse an der „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ in Alt-Rehse. Auch Ramm hielt von Zeit zu Zeit Vorträge an dieser Einrichtung. So sprach er 1941 vor volksdeutschen Ärzten, die in einem Lehrgang mit der nationalsozialistischen „Gesundheitsführung“ vertraut gemacht werden sollten, über das „Wesen und Wirken des Arztes im nationalsozialistischen Staat“.431 Offenkundig blieb das ärztliche Fortbildungswesen unter der Führung Ramms nicht auf rein medizinische Fortbildung beschränkt. Internationale Fortbildungskongresse formte Ramm zu außenpolitischen Propagandaveranstaltungen um, die der Erweiterung der deutschen Einflusssphäre dienen sollten. Gleichzeitig wurde die Fortbildung für Ärzte im eigenen Land auch als Instrument benutzt, die gesundheitspolitischen Vorgaben des Nationalsozialismus den in der Provinz niedergelassenen Ärzten zu vermitteln. Ab 1936 gab es erstmals in Deutschland eine Pflichtfortbildung für Ärzte. Angesichts eines alle fünf Jahre vorgeschriebenen dreiwöchigen Kurses erscheint die tatsächliche Wirksamkeit dieser Maßnahme jedoch fraglich. Der Krieg verhinderte schließlich, dass sich selbst dieses begrenzte Vorhaben umsetzen ließ. 5.1.4. Ramm und die Krebsbekämpfung Die deutsche Krebsforschung rangierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts international auf höchstem Niveau.432 Trotz bedeutender Fortschritte in der Grundlagenforschung gelang es in der Folgezeit weder deutschen Ärzten noch Wissenschaftlern aus anderen Ländern, diese Anfangserfolge in durchgreifende Therapiekonzepte umzusetzen. In Deutschland lösten Karzinome 1928 die Tuberkulose als zweithäufigste Todesursache ab.433 Die Nationalsozialisten sahen in der Krebsbekämpfung in erster Linie einen Beitrag zur Steigerung der Wehrkraft des deutschen Volkes. Die forcierte Bekämpfung der Krebskrankheit war deshalb ein wichtiges Element nationalsozialistischer Gesundheitspolitik.434 In Ermangelung neuer Therapieansätze unternahm man besondere Anstrengungen auf dem Gebiet der Prävention, d.h. in der Vermeidung der Exposition gegenüber karzinogenen Stoffen (wie etwa Nikotin) und in der Erhebung umfangreicher epidemiologischer Daten. Die statistische Erfassung von Patienten war ein wichtiger Bestandteil nationalsozialistischer Gesundheitspolitik und während der Kriegsjahre Voraussetzung für die Repression, Ausgrenzung oder Tötung unheilbar Kranker.435 430 431 432 433 434 435
Ebd., S. 230. Vgl. Deutsches Ärzteblatt 71 (1941), S. 115. Allgemein zur Krebsforschung in Deutschland seit 1900 siehe Eckart (2000). Vgl. Proctor (2002), S. 32. Vgl. u.a. Lohff/Stöckel (2000) sowie Proctor (2002). Der stellvertretende Reichsärzteführer Blome sprach in diesem Zusammenhang von „Schicksalsstatistiken“, Hansen (1993), S. 67. Ausführlich zur Rolle der Krebsbekämpfung in der
5.1. Arzt und Parteifunktionär – Stationen einer Karriere
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Am 10. Mai 1940 erschien im Völkischen Beobachter ein Interview mit Rudolf Ramm, in dem dieser zum Stand der Krebsbekämpfung im Deutschen Reich Stellung nahm.436 In seiner Eigenschaft als Leiter der Reichsarbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung und „als einer der führenden Männer der Reichsgesundheitsführung“ betonte Ramm hier die Notwendigkeit der Früherkennung bösartiger Neubildungen und plädierte für jährliche „Vorsichtsuntersuchungen“, die bei Frauen ab dem 30. und bei Männern etwa ab dem 40. Lebensjahr stattfinden sollten. Diese Forderungen unterlegte Ramm mit Zahlen zur Erkrankungshäufigkeit sowie mit neuen Forschungsergebnissen zur Entstehung von Karzinomen.437 Auch der Hinweis auf die Gesundheitspflicht des Einzelnen gegenüber der Volksgemeinschaft, ein zentrales Paradigma der NS-Medizin, fehlte nicht.438 Ramm hatte am 1. April 1940 auch die Leitung der 1934 gegründeten Reichsarbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung übernommen,439 einer Einrichtung, die 1942 im Reichsausschuss für Krebsbekämpfung aufging, dessen stellvertretender Präsident Ramm wurde.440 Ein für die „praktische Krebsbekämpfung“ zuständiger Unterausschuss, der die Aufklärung der Bevölkerung vorantreiben sollte, unterstand Ramm unmittelbar. In den verschiedenen Organisationen zur Krebsbekämpfung widmete sich Ramm in erster Linie der Öffentlichkeitsarbeit und administrativen Aufgaben; an wissenschaftlicher Forschung war er nicht beteiligt. In einem Aufsatz in der Zeitschrift „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“ erläuterte Ramm neben den bereits erfolgten Maßnahmen auch die längerfristig geplanten Schritte im Kampf gegen den Krebs.441 Gemäß der nationalsozialistischen Sichtweise betrachtete auch Ramm die Häufigkeit neoplastischer Erkrankungen primär als ein bevölkerungspolitisches Problem, als eine Gefahr für den „Volksbestand“.442 Er beklagte die „sattsam bekannte Indolenz der breitesten Volksschichten im Kampf gegen den Krebs“ und stellte einen Melde- und Behandlungszwang für Krebskranke in Aussicht. Ein solches „Krebsgesetz“ könne jedoch erst eingeführt werden, wenn bessere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung stünden.443
436 437 438 439 440
441 442 443
nationalsozialistischen Gesundheitspolitik siehe u.a. Proctor (2002). Die Erforschung der kanzerogenen Bedeutung von Nikotin, Anilin oder Röntgenstrahlen war in Deutschland bereits weit fortgeschritten, vgl. Proctor (2002), S. 89f. „Erhöhte Aktivität in der Bekämpfung des Krebses, ‚VB’-Unterredung mit Dr. Rudolf Ramm“, Völkischer Beobachter, Norddeutsche Ausgabe, 10.05.1940, S. 5f. Ebd., S. 5. Vgl. ebd., S. 6. Deutsches Ärzteblatt 70 (1940), S. 166, siehe auch: Monatsschrift für Krebsbekämpfung 8 (1940), S. 117. Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg [o. Jg.] (1942), S. 235 sowie Monatsschrift für Krebsbekämpfung 10 (1942), S. 168f. Zum Reichsausschuss für Krebsbekämpfung siehe Thom (2000). Vgl. Ramm (1942b). Ebd., S. 266. Ebd., S. 270f. Obgleich es in Danzig seit April 1939 ein entsprechendes Gesetz gab, das als Modell gepriesen wurde, und ähnliche Überlegungen auch für Berlin existierten, kam auf Reichsebene ein solches Krebsgesetz nie zustande, vgl. Proctor (2002), S. 56f. Ramm wollte
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Inwieweit Ramm auch in den Bereich der Erforschung und Entwicklung biologischer Kampfstoffe, der oftmals als Krebsforschung getarnt wurde, involviert war, lässt sich nur schwer abschätzen.444 Vor dem Hintergrund nationalsozialistischer Pläne zu einer verstärkten Krebsbekämpfung präsentierte sich Ramm als ein radikaler Vertreter der Gesundheitspflicht und der durch Zwangsmaßnahmen betriebenen Heilung des „Volkskörpers“. Oberstes Ziel war dabei für ihn die Stärkung der „Volkskraft“, um den begonnenen Weltkrieg siegreich zu beenden. 5.1.5. Die „Lösung der Judenfrage“ im Deutschen Ärzteblatt: Ramm als Meinungsbildner 1940–1945 Die Situation medizinischer Fachzeitschriften und berufspolitischer Blätter während des Zweiten Weltkrieges ist bislang nicht umfassend untersucht worden. Die wenigen vorhandenen Studien beziehen sich auf die Zeit der Weimarer Republik und die ersten sechs Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft oder beschränken sich auf Teilaspekte.445 Im Jahr 1939 erschienen neben den eher wissenschaftlich orientierten medizinischen Wochenschriften auch standespolitische Zeitschriften, unter denen in erster Linie das Deutsche Ärzteblatt einschließlich seiner regionalen Ausgaben sowie die Monatsschrift des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB) und des Hauptamtes für Volksgesundheit der NSDAP, „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“, zu nennen wären. Beide Blätter waren Publikationsorgane parteinaher Gliederungen wie der Reichsärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung auf der einen sowie des Hauptamtes für Volksgesundheit und des NSDÄB auf der anderen Seite. Sie dienten somit auch als Prozunächst sowohl das Kriegsende als auch Fortschritte in der Diagnostik und Therapie abwarten. Das Gesetz als solches fand seine ungeteilte Zustimmung; die Darstellung bei Woitke (1993) ist in dieser Hinsicht missverständlich, vgl. ebd., S. 66. 444 Das 1942 geschaffene Reichsinstitut für Krebsforschung, dem unter anderem der stellvertretende Reichsärzteführer Blome vorstand, diente als Tarneinrichtung für die Entwicklung und möglicherweise auch Produktion biologischer Kampfstoffe, vgl. Hansen (1993), S. 139– 140, Proctor (2002), S. 294–297 sowie Moser (2006). Zumindest mit Blome kam Ramm allein schon aufgrund seiner dienstlichen Aufgaben oft in Berührung. 445 Den ersten Versuch einer historischen Aufarbeitung seiner Rolle im Nationalsozialismus unternahm das Deutsche Ärzteblatt im Rahmen einer Serie, die 1972 anlässlich des 100jährigen Bestehens der Zeitschrift erschien; entsprechend widmete sich jedoch nur ein Teil der Serie der Zeit von 1933 bis 1945. Anspruch auf Objektivität und Vollständigkeit erhoben die Autoren ebenfalls nicht, vgl. die Einführung zur Fortsetzungsreihe „Hundert Jahre Deutsches Ärzteblatt“ in: Deutsches Ärzteblatt 69 (1972), S. 8. Die Untersuchung der Zeitschrift „Hippokrates“ durch Bothe (1991) konzentriert sich auf die Neue Deutsche Heilkunde; letzter der von Rohner (1995) behandelten Jahrgänge ist 1938, Waigand (2001) endet 1933. Eine Analyse der „Monatsschrift für Krebsbekämpfung“ erfolgte durch Lohff/Stöckel (2000). Vgl. auch das 2005 begonnene DFG-Projekt zur „Entwicklung der wissenschaftlichen und politischen Kommunikation in deutschen und britischen Zeitschriften von der Zwischenkriegszeit bis in die 1950er Jahre“ der Abteilung Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover.
5.1. Arzt und Parteifunktionär – Stationen einer Karriere
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pagandamittel nationalsozialistischer Medizinideologie. Beiträge zu nichtmedizinischen Themen, insbesondere zur Geschichte und Politik, fanden sich recht häufig; dies war auch schon in den Jahren vor 1939 bzw. 1933 der Fall gewesen.446 Im Januar 1940 übernahm Rudolf Ramm, der zu diesem Zeitpunkt bereits einen Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Standeskunde an der Berliner Universität besaß, die Redaktion des Deutschen Ärzteblatts. Er trat damit die Nachfolge des langjährigen Schriftleiters und Ärztefunktionärs Karl Haedenkamp an,447 der nach Streitigkeiten mit Reichsärzteführer Leonardo Conti dieses Amt verlor.448 Im Mai 1941 wurde Ramm überdies die Schriftleitung der ursprünglich als Kampfblatt des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB) gegründeten Zeitschrift „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“ übertragen. Ramm leitete nun bis 1945 die für die ärztliche Standespolitik in Deutschland wichtigsten Verlautbarungsorgane und fand ausreichend Gelegenheit, das ihm von Conti entgegengebrachte Vertrauen hinsichtlich politischer Wirkungsmacht zu erfüllen. Dass die Leitung der beiden wichtigsten medizinischen Verbandszeitschriften in der Hand einer Person lag, ist gleichzeitig ein beredtes Beispiel für die zentralistische Steuerung der Pressepolitik in der NS-Diktatur. In welcher Weise Ramm seine machtvolle Funktion dazu nutzte, beiden Blättern seinen eigenen Stempel aufzudrücken, lässt sich nur teilweise ermessen. Selbst mithilfe einer eingehenden Analyse beider Zeitschriften für die Kriegsjahre, die bis heute noch aussteht, ließe sich der redaktionelle Wechsel wohl nur in einzelnen Bereichen auch inhaltlich nachvollziehen. Die antisemitische Stoßrichtung des Blattes verschärfte sich nach Übernahme der Schriftleitung durch Ramm zweifellos, was im Folgenden näher belegt werden soll. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich antisemitische Tendenzen im Ärzteblatt selbst vor 1933 schon nachweisen lassen.449 Insgesamt betrachtet fand ein wirklicher Umbruch in den Inhalten durch den redaktionellen Wechsel nicht statt. Auch in der äußeren Form und im Aufbau beider Blätter lassen sich in dieser Hinsicht zwischen 1939 und 1940 nur wenige Unterschiede ausmachen. Inwieweit die neue Schriftleitung bei der Auswahl der eingegangenen oder eingeforderten Beiträge andere Schwerpunkte setzte, lässt sich naturgemäß nur schwer nachvollziehen oder gar belegen. Anders verhält es sich dagegen mit 446 Siehe dazu etwa Waigand (2001). 447 Karl Haedenkamp (1889–1955) war seit 1922 Generalsekretär des Hartmannbundes und 1933 einer der Architekten der Selbstgleichschaltung der ärztlichen Standesvertretung. Schon vor 1933 trat er durch antisemitische Äußerungen hervor. Von 1923 bis 1939 war er Hauptschriftleiter der „Ärztlichen Mitteilungen“ bzw. des „Deutschen Ärzteblattes“. Nach 1945 setzte Haedenkamp seine Karriere ungehindert fort, vgl. dazu ausführlich Schwoch (2001). 448 Vgl. Schwoch (2001), S. 79–84. Der Wechsel an der Spitze wurde im Ärzteblatt mit keinem Wort erwähnt, was bemerkenswert ist, da ansonsten über jede noch so nebensächliche Personalie berichtet wurde. Auch in der Reihe „Einhundert Jahre Deutsches Ärzteblatt“ wird lediglich die Übernahme der Schriftleitung durch Ramm festgehalten, nähere Erläuterungen zu seiner Person und zu seinem Wirken finden sich nicht, vgl. Deutsches Ärzteblatt 69 (1972), S. 2901. 449 Siehe dazu Waigand (2001).
100
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
eigenen Beiträgen des Schriftleiters, von denen einige deshalb an dieser Stelle näher betrachtet werden sollen. Der programmatisch zu nennende Leitartikel, den Ramm im ersten unter seiner Federführung entstandenen Heft der Zeitschrift „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“ veröffentlichte, entsprach ganz dem politischen Profil dieses Blattes.450 Auf mehreren Seiten breitete Ramm sein mit der offiziellen Parteilinie und Goebbels’ Propaganda deckungsgleiches Weltbild aus. Sein „hoher rassischer Wert“ und „der zu enge Lebensraum“ gäben Deutschland das Recht, im Sinne einer „geschichtlichen Sendung“ Europa und die übrigen Länder vom „Weltjudentum“ zu befreien.451 Nach dem „herrlichen, ungeahnten Siegeszuge“ gegen Frankreich sei nur noch England übrig, das nun dem „Dauerhagel deutscher Fliegerbomben“ ausgesetzt sei und nur noch durch das „erbgierige“ Amerika unterstützt werde. Deutschland sei Garant der „Freiheit Europas und der Erhaltung seiner kulturellen Werte“ gegen die „Geldherrschaft“ Englands.452 Ramm beschwor die hohe Opferbereitschaft und die „heldische Grundhaltung des deutschen Menschen“, bevor er schließlich auf die Rolle des Arztes im Kriege zu sprechen kam. Dieser solle trotz augenblicklicher kriegsbedingter Überlastung und hoher Verluste zuversichtlich in die Zukunft blicken. Neben das „große Sozialwerk des Führers“ werde bald ein „Gesundheitswerk“ treten, in dem „der deutsche Arzt seiner Berufung entsprechend den wichtigsten und einflussreichsten Platz erhalten muß“. Dabei müssten „alle die Schäden, die die Sozialversicherung der ärztlichen Tätigkeit und der ärztlichen Berufsauffassung verursacht hat, vermieden werden“. Das Kassenarztsystem müsse abgeschafft, „die unbedingte Freiheit gewissenhaften ärztlichen Handelns“ wiederhergestellt werden.453 Zudem versuchte Ramm die Ärzteschaft in ihrem hohen ethischen Selbstbild zu bestärken: Die deutsche Ärzteschaft sei – einige Ausnahmen bestätigten die Regel – „von einem solch hohen Berufsidealismus durchdrungen, daß sie an sich selbst zuletzt denkt.“454 Überraschend deutlich verband Ramm in diesem Artikel, der einem Aufruf an die Ärzteschaft gleichkam, Kriegs- und Durchhaltepropaganda mit der Aussicht auf Erfüllung lang gehegter materieller und berufspolitischer Forderungen in der Zeit nach dem Sieg. Gleichzeitig fällt die Aggressivität der Hetz- und Hasstiraden gegen das westliche Ausland auf. Kein Wort verlor Ramm hingegen über die Sowjetunion, das nächste Ziel der militärischen Expansionspläne Hitlers. Anlässlich der Wiedereröffnung der deutschen „Reichsuniversität“ Straßburg im November 1941 pries Ramm – früher selbst einmal Straßburger Student – die Universität als „Bastion der deutschen Selbstbehauptung gegen das Vordringen fremder Art und Sitte und gegen die Ausbreitung westischen Ideengutes in deutschen Landen“.455 450 451 452 453 454 455
Vgl. Ramm (1941a). Ebd., S. 161. Ebd., S. 162f. Ebd., S. 164f. Ebd. Ramm (1941d), S. 429.
5.1. Arzt und Parteifunktionär – Stationen einer Karriere
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Im Deutschen Ärzteblatt meldete sich Ramm im gleichen Jahr auch noch zu einem anderen Thema zu Wort: Seine Ausführungen über „Die Lösung der Judenfrage in Europa“ zeigen in beklemmender Weise, wie offen über die Judenverfolgung berichtet und diskutiert wurde.456 Ramms Aufsatz markierte sogar den Beginn einer eigenen, fortan in jeder Ausgabe des Ärzteblatts erscheinenden Rubrik „Zur Lösung der Judenfrage“, in der die ärztliche Leserschaft unter anderem über neue Verfolgungs- und Umsiedlungsmaßnahmen in anderen europäischen Ländern unterrichtet wurde.457 Zwar ist in Ramms Aufsatz nicht explizit von einer geplanten Ermordung der Juden die Rede,458 der Inhalt lässt jedoch kaum einen anderen Schluss zu, nachdem andere „Lösungen“, wie etwa eine Zwangsumsiedlung, in Frage gestellt oder ganz verworfen werden.459 Gegen Ende seiner Ausführungen wagte Ramm gar die Voraussage, „daß am Ende des gegenwärtigen Jahrhunderts in Europa von einem europäischen Judenproblem nicht mehr die Rede sein wird.“460 Ähnliche, den Massenmord an den Juden vorwegnehmende Passagen, finden sich in einem Aufsatz Ramms, der im Mai 1941 in der Verbandszeitschrift „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“ erschien. Ramm berichtete darin von der Gründung des „Institutes zur Erforschung der Judenfrage“ in Frankfurt am Main, welches die „verheerende Arbeit jüdischen Geistes und das zersetzende Wirken jüdischen Blutes“ untersuchen solle.461 Ramms abschließende Forderung, „eine Gesamtlösung der Judenfrage in Europa“ müsse „mit der radikalen Entfernung der Juden enden“,462 kommt dem Terminus der „Endlösung“ sehr nahe und lässt zumindest vermuten, dass Ramm von entsprechenden Planungen an höherer Stelle wusste. Die genannten Artikel belegen schließlich auch, in welchem Maße sich die Leser des Ärzteblattes über die Vorhaben zur Vernichtung der Juden in Deutschland und Europa informieren konnten – wenn sie dies wollten.
456 Ramm (1941b). 457 Vgl. u.a. Deutsches Ärzteblatt 71 (1941), S. 397, 408, 426. Ebenfalls 1941 erschien auch Bernward J. Gottliebs antisemitischer Hetzartikel im Ärzteblatt, vgl. Gottlieb (1941b). 458 Ramm zitierte stattdessen Vorschläge Alfred Rosenbergs zur Errichtung eines „jüdischen Reservats“ und zur zwangsweisen Ansiedlung der jüdischen Bevölkerung „in irgendeinem fremden Erdteil“, vgl. Ramm (1941b), S. 156. 459 Hierzu führte Ramm den Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, Walter Gross, an, demzufolge „aus rassepolitischen Gründen weder eine Aussiedlung in ein europäisches Land noch in ein etwa den Arabern gehörendes Land außerhalb Europas in Frage kommen dürfe.“ Ebd. 460 Ebd. 461 Ramm (1941c), S. 176. Ganz der NS-typischen, biologisch-medizinischen Metaphorik entsprechend sprach Ramm von der „Ausbreitung des jüdischen Parasiten in seinen Wirtsvölkern“, ebd. Zum Gebrauch dieser Metaphern siehe u.a. Schäfer (2005). 462 Ramm (1941c), S. 177.
102
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
5.2. REVISION DES ÄRZTLICHEN ETHOS: DIE ÄRZTLICHE RECHTS- UND STANDESKUNDE Ein Kennzeichen des medizinethischen Diskurses zur Zeit des Nationalsozialismus war, dass sich Ärzte unterschiedlichster Fachrichtungen berufen fühlten, eigene Beiträge und Ansichten zu diesem Thema beizusteuern. Neben Standesvertretern des Gesundheitswesens und diversen medizintheoretisch interessierten Klinikern sind vor allem die Medizinhistoriker zu nennen, die ärztliche Ethik schon früh als Teil ihres Fachgebietes betrachteten. Neben der Pflichtvorlesung zur Geschichte der Medizin wurde 1939 auch die Ärztliche Rechts- und Standeskunde als obligatorisch zu belegende Veranstaltung in den Studienplan aufgenommen. Mit diesem Fach gelang es, die medizinische Ideologie des Nationalsozialismus und die ihr eigene medizinische Ethik auf breiter Front den Medizinstudierenden im Deutschen Reich zu vermitteln. Das Fach Ärztliche Rechts- und Standeskunde hatte es zuvor in dieser Form nicht gegeben. Zu Beginn der 1940er Jahre war es an allen Medizinischen Fakultäten des „Großdeutschen Reiches“ etabliert und wurde von Gerichtsmedizinern und Lehrbeauftragten vertreten, die aus den parteiamtlichen Gliederungen der NSDAP, vornehmlich dem Hauptamt für Volksgesundheit stammten. Exemplarisch steht dafür Rudolf Ramm, der das Fach an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität vertrat. Der folgende Überblick stellt die allgemeine Entwicklung des Faches dar, bevor näher auf die Abläufe an einzelnen Medizinischen Fakultäten eingegangen wird. Danach soll exemplarisch die Tätigkeit von Rudolf Ramm als wichtigstem Vertreter dieses Faches an der Berliner Medizinischen Fakultät dargestellt werden. Schließlich soll das von ihm verfasste Lehrbuch zur Ärztlichen Rechtsund Standeskunde näher untersucht werden. 5.2.1. Die Entwicklung einer neuen Fachdisziplin Die Nationalsozialisten können zwar nicht als Erfinder der Verknüpfung von ärztlicher Rechtskunde und der Lehre ärztlicher Standesethik gelten,463 sie etablierten die Ärztliche Rechts- und Standeskunde jedoch erstmals als eigenständiges Unterrichtsfach, welches bald darauf reichsweit von Lehrbeauftragten vertreten wurde. Einzelne Elemente des Themenkreises Rechts- und Standeskunde waren zuvor meist von Vertretern der Gerichtsmedizin – der Begriff Rechtsmedizin war damals nicht gebräuchlich – in den gleichnamigen Vorlesungen mitbehandelt worden. Da dies naturgemäß nur nebensächlich geschehen konnte, fasste man 1939 im Rahmen der neuen Studienordnung die Rechts- und Standeskunde, einschließlich weiterer Inhalte, zu einem neuen, eigenständigen Fachgebiet zusammen. Dies musste fortan obligatorisch im Umfang von einer Wochenstunde im 10. Semester 463 Bereits vor 1933 hatte es – vereinzelt und unregelmäßig – Vorlesungen gegeben, die sich mit ärztlichen Rechts- und Standesfragen beschäftigten, auch die Bezeichnung Ärztliche Rechtsund Standeskunde ist in einigen Vorlesungsverzeichnissen bereits vor 1939 zu finden.
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
103
des Medizinstudiums belegt werden. Im Zuge der im Februar 1939 vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung veröffentlichten und zum 1. April 1939 in Kraft getretenen neuen Studienordnung wurden mehrere neu gestaltete Fächer in das Medizinstudium aufgenommen. Neben der Ärztlichen Rechts- und Standeskunde waren dies unter anderem Vererbungslehre und Rassenkunde (2. Semester, 3 Wochenstunden), Bevölkerungspolitik (3. Semester, 1 Wochenstunde), Rassenhygiene (10. Semester, 3 Wochenstunden), Geschichte der Medizin (2. Semester, 2 Wochenstunden) sowie Naturgemäße Heilmethoden (9./10. Semester, 2 Wochenstunden).464 Die reformierte Studienordnung sollte neben einer besseren praktischen Ausbildung der Studierenden auch der „Vorbereitung für die neuen Gemeinschaftsaufgaben des Arztes im nationalsozialistischen Staat“ dienen.465 Bei vielen dieser Fächer ergab sich zunächst ein erheblicher Mangel an entsprechend geeignetem Lehrpersonal. Für die Ärztliche Rechts- und Standeskunde bedeutete dies, dass das Fach mancherorts erst nach einigen Semestern angeboten werden konnte. Vielfach übernahmen zunächst die Vertreter der Gerichtlichen Medizin die Vorlesung über Rechts- und Standeskunde oder erweiterten die Vorlesungen über Gerichtliche Medizin bzw. Sozialversicherung in entsprechender Weise.466 Dieser Zustand wurde recht schnell als unbefriedigend angesehen.467 Die ersatzweise Vertretung des Faches entsprach auch nicht den Absichten des Reichserziehungsministeriums.468 Die Ärztliche Rechts- und Standeskunde sollte den Studierenden von politisch geeigneten Dozenten präsentiert werden, die in der Regel nicht der Medizinischen Fakultät angehörten und ärztliche Parteifunktionäre waren. Die Analyse der zwischen 1939 und 1944 erteilten Lehraufträge für Ärztliche Rechts- und Standeskunde ergab, dass es in zehn von zwölf Fällen (83,3 %) Gauamtsleiter des Hauptamtes für Volksgesundheit der NSDAP waren, die mit der 464 Vgl. die detaillierte Darstellung bei Mersmann (1978) sowie van den Bussche (1989c), zu den Fächern insbesondere ebd., S. 135. Zu berücksichtigen ist, dass dies nur die mindestens geforderte Vorgabe durch das Ministerium darstellte. Die einzelnen Fakultäten boten darüber hinaus zahlreiche andere zusätzliche Veranstaltungen an, so im Verlauf des Krieges vor allem im wehrmedizinischen Bereich, aber auch, wie weiter unten dargestellt, im Bereich der medizinischen Ethik. 465 So die Einschätzung von Aschoff/Diepgen (1940), S. 72. 466 Diesen Aspekt erwähnen weder Mallach (1996) noch Herber (2002). In den medizinischen Staatsexamina sollten im Rahmen der Prüfung in gerichtlicher Medizin auch Fragen zur ärztlichen Rechts- und Standeskunde gestellt werden, vgl. Ferdinand v. Neureiter, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 37 (1943), Referate-Teil, S. 7. 467 „Es ist ohne weiteres verständlich, daß der Lehrstuhl der gerichtlichen Medizin, der wie so oft auch hier in Anspruch genommen wurde, um ein am Rande liegendes Gebiet in den Schoß der Fakultät aufzunehmen, für dieses Stiefkind nicht soviel tun konnte[,] wie es wünschenswert gewesen wäre.“ Schroeder (1943b), S. 111. 468 „Die in der Med. Studienordnung für das 10. Semester vorgesehene Pflichtvorlesung ‚Ärztliche Rechts- und Standeskunde’ ist in den Vorlesungsverzeichnissen auch unter dieser Bezeichnung aufzuführen (was noch nicht überall der Fall ist). Für diese Vorlesungen sind besondere Lehraufträge zu erteilen.“ Schreiben des Reichserziehungsministers „An die Medizinischen Fakultäten im Reiche“ vom 19.02.1941, BArch Berlin, R/4901, Nr. 484/12921, Handakten de Crinis betr. Medizinstudium.
104
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Vertretung dieses Faches betraut wurden. Alle Lehrbeauftragten gehörten ausnahmslos der NSDAP an; davon waren 75 % (neun von zwölf) bereits vor 1933 in die Partei eingetreten und somit der parteiamtlichen Sprachregelung zufolge als „Alte Kämpfer“ zu bezeichnen. Die Gauamtsleiter, als „regionale medizinische Funktionselite der NSDAP“,469 waren durchschnittlich deutlich älter als andere Führungskader der NS-Diktatur, fast zwei Drittel gehörten den Geburtsjahrgängen 1891–1900 und damit der sogenannten „jungen Frontgeneration“ an.470 Dieser Befund lässt sich auch bei den hier betrachteten Lehrbeauftragten erkennen, die in zehn von zwölf Fällen (83,3 %) vor 1900 geboren wurden. Die Tabelle Nr. 1 enthält die entsprechenden Informationen zum beruflichen und politischen Hintergrund der Lehrbeauftragten für Ärztliche Rechts- und Standeskunde.471
Name
Jahrgang
Titel und Fachgebiet
NSDAP
Sonstige NSOrganisation
Quelle
Berlin
Rudolf Ramm
1887
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1930
NSDÄB, Gauamtsleiter HAV
BDC
Frankfurt
Wilhelm Mörchen472
1891
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1931
NSDÄB, SA, Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Freiburg
Eduard Eschbacher
1897
Kinderheilkunde
seit 1933
unbekannt
BDC
Gießen
Wilhelm Mörchen
1891
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1931
NSDÄB, SA, Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Halle
Ehrhardt Hamann
1900
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1929
NSDÄB, Gauamtsleiter HAV, SS
UAH
Jena
Richard Rohde
1882
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1930
Gauamtsleiter HAV
Klee (2003)
469 Süß (2003), S. 114. 470 Vgl. Süß (2003), S. 115, die Generationeneinteilung geht auf Gründel (1932) zurück, vgl. dazu ausführlich Kapitel 6.5. der vorliegenden Arbeit. 471 Erläuterung der verwendeten Abkürzungen: BDC – Berlin Document Center (Teil des Bundesarchivs), HAV – Hauptamt für Volksgesundheit der NSDAP, NSDÄB – Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund, VV – Vorlesungsverzeichnis. 472 Mörchen erhielt den Lehrauftrag erst 1943, erste Vorlesung im SS 1944; gleichzeitig Lehrauftrag in Gießen.
105
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
Name
Jahrgang
Titel und Fachgebiet
NSDAP
Sonstige NSOrganisation
Quelle
Kiel
Hans Rinne
1888
Dr. med. Chirurgie
seit 1931
NSDÄB, SS, Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Köln
Rudolf Hartung
1891
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1930
NSDÄB, Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Königsberg
Paul Schroeder
1894
Dr. med. Allgemeinmedizin
seit 1933
NSDÄB
BDC
Marburg
Heinrich Reinhardt
1894
Dr. med. Allgemeinmedizin
Eintrittsdatum ?
Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Rostock
Friedrich Focke473
1900
Dr. med. Chirurgie
seit 1931
NSDÄB, SA, Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Tübingen
Eugen Stähle474
1890
Nervenheilkunde
seit 1927
Ministerialrat, Gauamtsleiter HAV
Süß (2003)
Tabelle 1: Beruflicher und politischer Hintergrund der Lehrbeauftragten für Ärztliche Rechts- und Standeskunde
Wie eng die Vorlesung an das nationalsozialistische Gesundheitssystem angebunden war, verdeutlicht ein entsprechender Erlass des Ministeriums: „Falls zur Abhaltung dieser Vorlesung geeignete Dozenten nicht vorhanden sind, ersuche ich, einen geeigneten Arzt nach Fühlungsnahme mit dem Leiter der zuständigen Ärztekammer zur Erteilung eines entsprechenden Lehrauftrages vorzuschlagen.“475
Nicht selten übernahm es Reichsärzteführer Conti persönlich, verdienten Parteigenossen den Lehrauftrag zu verschaffen, so etwa an der Medizinischen Fakultät in Halle.476 Die inhaltliche Aufgabenstellung der neuen Pflichtvorlesung fügte sich 473 Focke erhielt den Lehrauftrag 1944 und kündigte die Vorlesung erst zum SS 1945 an. 474 Stähle war außerdem Koordinator der „Euthanasie“-Aktion in Württemberg, vgl. Klee (2003), S. 594. 475 Ebd. Vgl. auch die unten folgende Darstellung für die jeweiligen Universitäten. 476 „Der Reichsärzteführer hat bei mir angeregt, dem Leiter der Ärztekammer Sachsen-Anhalt Dr. med. Hamann [...] vom SS 1941 an den Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Standeskunde zu erteilen. Ich ersuche um Stellungnahme zu dieser Anregung und gegebenenfalls um Vorlage eines entsprechenden Antrags.“ Schreiben des Reichserziehungsministers an Universitätskurator Halle vom 19.02.1941, UAH, PA 5605 Hamann. Vgl. auch unten, Kapitel 5.2.3.
106
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
in das Muster ein, das der neuen Studienordnung zugrunde lag, nämlich die nationalsozialistische Gesundheitsideologie in das Medizinstudium zu integrieren, um eine nach deren Grundsätzen geschulte Ärztegeneration auszubilden. Der deutsche Arzt habe, so schrieb das Deutsche Ärzteblatt anlässlich der Einführung der neuen Studienordnung, „aus der biologische[n] Lebensauffassung des Nationalsozialismus heraus“ vor allem die „Leistungs- und Lebenskraft des ganzen Volkes in die Zukunft hinein zu erhalten.“477 An gleicher Stelle hieß es weiter: „Die Studienneuordnung will nicht Gegebenheiten festlegen, sondern sie will Anstoß sein zu einer Entwicklung, die das Studium in die Richtung auf diesen im Entstehen begriffenen neuen Arzttyp lenkt.“478 Die Schaffung dieses neuen Arzttyps war das zentrale Anliegen der nationalsozialistisch ausgerichteten Medizinerausbildung.479 Die Aufgaben, die der Staat an diesen neuen Typ des Arztes stellte, erläuterte Rudolf Ramm in seinem Lehrbuch zur Ärztlichen Rechts- und Standeskunde ausführlich. 5.2.2. Zur Situation an den Medizinischen Fakultäten Bis zum Kriegsende wurde die Ärztliche Rechts- und Standeskunde an allen 29 im deutschen Machtbereich befindlichen Medizinischen Fakultäten vertreten.480 Damit war erstmals ein verpflichtender Unterricht über Fragen ärztlicher Standesethik flächendeckend in Deutschland realisiert worden – allerdings unter den Bedingungen und Zielsetzungen einer totalitären Diktatur. An zwölf Fakultäten waren externe Lehrbeauftragte eingesetzt worden. Tabelle 2 und die ortsspezifischen Anmerkungen in Tabelle 3 zeigen die personelle und institutionelle Aufstellung des Faches an den Medizinischen Fakultäten zwischen 1939 und 1945. Erläuterung: Weißes Feld: keine Vorlesung angeboten Dunkelgraues Feld: gesonderter Lehrauftrag Hellgraues Feld: Vertretung durch Gerichtsmediziner (u.a.) Hell- und dunkelgraues Feld: Lehrbeauftragte und Gerichtsmediziner gemeinsam [*]: kein Vorlesungsverzeichnis verfügbar WiSe: Wintersemester SoSe: Sommersemester Trim: Trimester (1940–1941)
477 Deutsches Ärzteblatt 69 (1939), S. 410. 478 Ebd., Hervorhebung im Original. 479 Verschuer beispielsweise sah in diesem neuen Arzttyp vor allem einen „Erbarzt“, vgl. ders. (1941), S. 236. Der Philosoph Ernst Krieck hatte bereits 1939 Überlegungen zum „Wesen des neuen Arztes“ angestellt, vgl. den Beitrag in „Volk im Werden“ 7 (1939), S. 296. 480 Posen wurde hierbei nicht hinzugerechnet, da dort keine klinische Ausbildung stattfand.
107
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
WiSe 39/40
1. Trim 1940
2. Trim 1940
3. Trim 1940
1. Trim 1941
SoSe 1941
WiSe 41/42
SoSe 1942
WiSe 42/43
SoSe 1943
WiSe 43/44
SoSe 1944
WiSe 44/45
Berlin Bonn Breslau Danzig Düsseldorf
[*]
[*]
Erlangen Frankfurt Freiburg Gießen Göttingen Graz Greifswald Halle Hamburg Heidelberg Innsbruck Jena Kiel Köln Königsberg Leipzig Marburg München Münster Posen Rostock Straßburg Tübingen Wien Würzburg
Tabelle 2: Ärztliche Rechts- und Standeskunde an den Medizinischen Fakultäten im deutschen Machtbereich zwischen 1939 und 1945
108
Fakultät
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Kommentar zur Vorlesung Ärztliche Rechts- und Standeskunde (Lehrbeauftragte sind kursiv hervorgehoben)
Mit Unterbrechung im Wintersemester (WiSe) 1941/42 wurde die Vorlesung durchgehend von Rudolf Ramm gehalten. Mit Unterbrechungen las Friedrich Pietrusky zusammen mit Stadtarzt Josef Basten bis WiSe 1941/42. Im WiSe 1942/43 Assistent Heinrich Saar, ab Bonn Sommersemester (SoSe) 1943 Prof. Gerhart Pannig (Nachfolger Pietruskys), ab SoSe 1944 Prof. Kurt Böhmer (Medizinische Akademie Düsseldorf). Mit Unterbrechungen wurde die Vorlesung durchgehend von Gerhard Buhtz Breslau gehalten. Von WiSe 1935/36 bis SoSe 1939 Vorlesung „Ärztliche Standesethik“ Danzig durch Gauamtsleiter Erich Großmann, nach Schließung der Akademie in (Medizinische den ersten Kriegsjahren wurden die Vorlesungen ab WiSe 1941/42 von Otto Akademie) Schmidt gehalten. Prof. Kurt Böhmer (Gerichtliche Medizin) las bereits im SoSe 1939 ÄrztDüsseldorf liche Rechts- und Standeskunde; Akademie im WiSe 1939/40 vorüber(Medizinische gehend geschlossen, Vorlesungsverzeichnisse WiSe 1943/44 und 1944/45 Akademie) nicht erhältlich. Prof. Hans Molitoris hielt die Vorlesung teilweise zusammen mit LandErlangen gerichtsarzt Julius Schneller, im WiSe 1944/45 las sie Schneller allein. Bereits im SoSe 1939 „Ärztliche Rechts- und Berufskunde“. Im WiSe Frankfurt 1943/44 erhielt Gauärzteführer Wilhelm Mörchen (siehe auch Gießen) den Lehrauftrag. Keine Gerichtsmedizin in Freiburg. Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Freiburg Standeskunde im SoSe 1942 an Eduard Eschbacher, der ab WiSe 1942/43 las. Keine Gerichtsmedizin in Gießen. Im 1. Trim. 1941 las Prof. Georg Haas Gießen (Innere Medizin) Ärztliche Rechts- und Standeskunde, ab WiSe 1942/43 Lehrauftrag an Gauamtsleiter Wilhelm Mörchen. In der Abhaltung der Vorlesung wurde Prof. Gottfried Jungmichel im SoSe Göttingen 1943 durch seinen Assistenten Rudolf Manz abgelöst. Universität im WiSe 39/40 geschlossen. Im 1. und 2. Trim. 1940 las Rudolf Graz Michel, ab dem 3. Trim. 1940 abgelöst durch Prof. Werkgartner. Vorlesung wurde turnusgemäß nur im WiSe angeboten. Prof. Curt Goroncy las bis SoSe 1943, danach übernahm Neugebauer Greifswald (Berlin). Gerhard Schrader las stets zusammen mit dem Lehrbeauftragten Ehrhardt Halle Hamann, zu Details siehe unten Kapitel 5.2.3. Bis WiSe 1941/42 las Prof. Hans Demme allein, danach im Wechsel mit Hamburg Prof. Erich Fritz. Berlin
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
Fortsetzung Heidelberg
Innsbruck Jena
Kiel Köln Königsberg
Leipzig
Marburg
München
Münster Posen Rostock
Straßburg
Die Vorlesung „Ärztliche Standes- und Gesetzeskunde“ übernahm bis SoSe 1942 Herbert Elbel, danach Zusammenfassung von Gerichtsmedizin, Ärztlicher Rechts- und Standeskunde sowie Grundlagen ärztlicher Begutachtung in einer Vorlesung durch Friedrich Pietrusky. Vorlesung durchgehend gelesen von Prof. Franz Riha, teilweise turnusgemäß nur im WiSe. Bereits im WiSe 1935/36 wurde Ärztliche Rechts- und Standeskunde durch Gerhard Buhtz angeboten. Nach Unterbrechung las ab 2. Trim. 1940 Gauamtsleiter Richard Rohde. Vorlesung wurde bis SoSe 1941 durch Prof. Ferdinand Wiethold vertreten, danach mit Unterbrechungen durch Prof. Wilhelm Hallermann. Ab SoSe 1944 las Hallermann gemeinsam mit Gauamtsleiter Hans Rinne. Ab dem 3. Trim. 1940 hielt Gauamtsleiter Rudolf Hartung die Vorlesung. Paul Schroeder las ab WiSe 1939/40 durchgehend bis WiSe 1943/44. Zu Details siehe unten Kapitel 5.2.3. Im SoSe 1944, dem letzten Semester der Königsberger Universität, bot Fritz Hausbrandt (Assistent der Gerichtsmedizin) ein Kolloquium über „Ärztliche Staatsbürgerkunde“ an. Im WiSe 1941/42 und WiSe 1942/43 hielt Prof. Johannes Weicksel die Vorlesung. Im SoSe 1942 und SoSe 1943 bot der Gerichtsmediziner Gottfried Raestrup zusätzlich „Ärztliche Rechts-, Versicherungs- und Berufskunde“ an. Im WiSe 1943/44 und WiSe 1944/45 kündigten Weicksel und Raestrup unabhängig voneinander Ärztliche Rechts- und Standeskunde an; wahrscheinlich lasen beide bzw. wechselten einander ab; Konflikte bezüglich der Zuständigkeit für die Vorlesung schienen aber vorgelegen zu haben. Im WiSe 1939/40 und 2. Trim. 1940 hielt Prof. Augustin Förster die Vorlesung, ab dem 1. Trim. 1941 wurde er durch Gauamtsleiter Heinrich Reinhardt unterstützt. Bis zum 2. Trim. 1940 Vertretung durch Erich Fritz, auf Studenten der Zahnheilkunde beschränkt. Ab 3. Trim. 1940 hielten Prof. Hermann Merkel und Fritz die Vorlesung teils zusammen, teils abwechselnd. Ab dem WiSe 1942/43 Vertretung des Faches durch Franz Josef Holzer (Assistent der Gerichtsmedizin). Ab WiSe 1941/42 hielt Prof. Heinrich Többen die Vorlesung mit mehreren Unterbrechungen. Nur Vorklinik, deshalb keine Ärztliche Rechts- und Standeskunde. Prof. Walther Fischer hielt die Vorlesung unregelmäßig bis SoSe 1942, teilweise im Wechsel mit Medizingeschichte. Im WiSe 1944/45 erging ein Lehrauftrag an Gauärzteführer Friedrich Focke; Ankündigung der Vorlesung zum SoSe 1945. Universität im November 1941 eröffnet. Vorlesung vertreten durch Ferdinand v. Neureiter. Im SoSe 1942 ersatzweise „Kolloquium über ausgewählte Fragen der ärztlichen Ethik“.
109
110
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Fortsetzung Tübingen Wien Würzburg
Keine Gerichtsmedizin in Tübingen, ab dem WiSe 1941/42 Lehrauftrag an Ministerialrat und Gauamtsleiter Eugen Stähle. Ab dem WiSe 1939/40 Vertretung durch Prof. Philipp Schneider, z. T. mit Unterbrechungen. Die Vorlesung wurde seit dem WiSe 1939/40 durchgehend von Prof. Kurt Walcher gehalten.
Tabelle 3: Ortsspezifische Anmerkungen zu den Vorlesungen über Ärztliche Rechts- und Standeskunde
An zunächst 19 Fakultäten mussten wegen fehlender Lehraufträge Dozenten anderer Fächer die Pflichtvorlesung zur Ärztlichen Rechts- und Standeskunde übernehmen. Bei Kriegsende waren es nur noch 17 Fakultäten, an denen Ordinarien anderer Fachgebiete aushalfen. Tabelle Nr. 4 gibt Informationen zum beruflichen und politischen Hintergrund dieser Dozenten, die das inhaltliche Erscheinungsbild der Fachdisziplin ebenso prägten wie die Lehrbeauftragten. Waren im Laufe der Jahre mehrere Dozenten für die Vorlesung zuständig, so ist in der Regel nur derjenige aufgeführt, der die Vorlesung über den längsten Zeitraum hinweg hielt.481
Name
Jahrg.
Bonn
Friedrich Pietrusky
1893
Breslau
Gerhard Buhtz
1896
Danzig
Otto Schmidt
1898
Düsseldorf
Kurt Böhmer
1895
Erlangen
Hans Molitoris
1874
Frankfurt
Ferdinand Wiethold
1893
Titel/Fach Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin
NSDAP
Sonst. NS-Org. Mitglied am seit 1937 Erbgesundheitsobergericht SS seit 1933 NS-Dozentenbund
Quelle
Anwärter seit 1938
unbekannt
Herber (2002)
unbekannt
Mitglied am Erbgesundheitsgericht
Herber (2002)
unbekannt
Gaudozentenbundführer
Herber (2002)
seit 1937
unbekannt
Herber (2002) BDC
Herber (2002) Herber (2002)
481 Die Fakultäten Frankfurt und Rostock sind in Tabelle 1 und in Tabelle 2 enthalten, da hier neben Lehrbeauftragten auch Ordinarien anderer Fächer die Vorlesung hielten. Somit ergeben sich teilweise Differenzen zur Gesamtsumme von 29 in Frage kommenden Fakultäten.
111
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
Name
Jahrg.
Göttingen
Gottfried Jungmichel
1902
Graz
Anton Werkgartner
1890
Greifswald Curt Goroncy
1896
Hans Demme
1900
Heidelberg Herbert Elbel
1907
Hamburg
Innsbruck
Franz Riha
1876
Leipzig
Johannes Weicksel
1882
München
Hermann Merkel
1873
Münster
Heinrich Többen
1880
Rostock
Walther Fischer
1882
Straßburg
Ferdinand v. Neureiter
1893
Wien
Philipp Schneider
1896
Würzburg
Kurt Walcher
1891
Titel/Fach Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Nervenheilkunde Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Zahn-, Mund-, Kieferkrankh. apl. Prof. Versicherungsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Pathologie, Med.gesch. Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin Prof. Dr. med. Gerichtsmedizin
NSDAP
Sonst. NS-Org.
NSDÄB, SA, NSDozentenbund Mitglied am seit 1936 Erbgesundheitsgericht seit 1937
seit 1933
NSDozentenbund
Mitglied am seit 1933 Erbgesundheitsgericht seit 1932
SS, NSDÄB
seit 1940
unbekannt
unbekannt
unbekannt
Mitglied am seit 1937 Erbgesundheitsobergericht SS nein (förderndes Mitglied)
Quelle Herber (2002) Herber (2002) BDC Klee (2003) Forsbach (2006) Vorles.vz. Innsbruck BDC Vorles.vz. Leipzig BDC BDC Dicke (2004) BDC Herber (2002) BDC
unbekannt
unbekannt
seit 1937
NSDÄB
Wechsler (1991)
seit 1933
SS
Klee (2003)
seit 1933
NSDozentenbund
Herber (2002)
Tabelle 4: Die Dozenten für Ärztliche Rechts- und Standeskunde an Fakultäten ohne eigenen Lehrauftrag für dieses Fach
112
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Die Aufstellung zeigt, dass die Mehrzahl der übrigen Dozenten für Ärztliche Rechts- und Standeskunde Gerichtsmediziner waren (15 von 19, d.h. fast 80 %). Auch von diesen Dozenten waren die meisten in der NSDAP und ihren Gliederungen engagiert (gesichert: 13 von 19, d.h. mindestens 68 %). Dass es sich dabei vielfach keineswegs nur um Pro-forma-Mitgliedschaften handelte, wird an den Gerichtsmedizinern Gerhard Buhtz und Friedrich Pietrusky deutlich. Beide galten als glühende Verfechter des Nationalsozialismus.482 Deutlich wird allerdings, dass von den oben aufgeführten Dozenten die Mehrheit erst nach 1933 der NSDAP beitrat. Bei mindestens fünf von ihnen lässt sich eine Mitarbeit bei den Erbgesundheitsgerichten nachweisen. Ihre daraus ableitbare positive Einstellung gegenüber der Erbgesundheitsgesetzgebung dürften diese Fachvertreter auch in ihren Vorlesungen zur Rechts- und Standeskunde vertreten haben. Wie radikal gerade Gerichtsmediziner die nationalsozialistische Medizinethik auslegten und dabei Ärzte ganz konkret zur Gewaltanwendung gegenüber Patienten anhielten, wird an dem gerichtsmedizinischen Standardwerk „Gerichtliche und soziale Medizin einschließlich des Ärzterechts“ von Berthold Mueller und Kurt Walcher deutlich, das 1944 in zweiter Auflage erschien. Mueller, der zu den bedeutendsten Vertretern seines Faches zählte, hob im Vorwort des Buches die engen Beziehungen der gerichtlichen und sozialen Medizin zur ärztlichen Ethik eigens hervor. Vor dem Hintergrund des „im Interesse des Volksganzen notwendige[n] Sterilisierungsgesetz[es]“ mahnte er die strenge Einhaltung der ärztlichen Meldepflicht an, auch wenn dies die Patienten gegen den Arzt aufbrächte: „In derartigen Fällen muß dem Arzt eben seine Pflicht am gesamten Volk näher stehen als persönliche Interessen.“483 Zwar könne der Erbkranke nichts dafür, dass er erbkrank sei, und es sei „daher auf das Strengste zu vermeiden, dass die Unfruchtbarmachung als Strafe empfunden wird.“ Allerdings könne sich „das deutsche Volk [...] in der Bedrängnis, in der es sich auch jetzt noch befindet, den Luxus einer Freiwilligkeit nicht leisten. Der nationalsozialistische Staat musste sich dazu entschließen, um des Ganzen willen [...], es auch auf eine Zwangssterilisierung ankommen zu lassen.“
Zwangseingelieferte, widerstrebende Patienten müsse der Arzt „unter Umständen mit Gewalt narkotisieren lassen, so wenig angenehm eine derartige Prozedur für einen Arzt auch sein mag.“484 Für weitere Einzelheiten verwies Mueller an dieser Stelle auf Rudolf Ramms Buch zur Ärztlichen Rechts- und Standeskunde. 1953 gab Mueller eine von diesen und ähnlichen Passagen „gereinigte“ Neuauflage heraus, die in der Nachkriegszeit zum Standardwerk der deutschen Rechtsmedizin werden sollte. 482 Hofheinz (2006), S. 1002 (zu Buhtz), S. 1017 (zu Pietrusky). 483 Mueller/Walcher (1944), S. 49. Berthold Mueller (1898–1976) arbeitete nach dem Medizinstudium in Königsberg als Assistent u.a. an den gerichtsmedizinischen Instituten in Greifswald, Frankfurt und München. 1933 trat er in die NSDAP ein. 1934 Ordinarius für Gerichtsmedizin in Göttingen, 1937 Wechsel nach Heidelberg, 1941–1944 Lehrstuhlinhaber in Königsberg. 1948 Übernahme des Lehrstuhls für gerichtliche Medizin in Heidelberg, 1968 Emeritierung, vgl. Herber (2002), S. 164–166. 484 Mueller/Walcher (1944), S. 57, 62.
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
113
5.2.3. Exemplarisch: Die Lehrbeauftragten in Königsberg und Halle An der Universität Königsberg hatte der dortige Lehrstuhlinhaber für Gerichtliche Medizin, Martin Nippe, im Sommersemester 1939 erstmals eine Vorlesung über Versicherungsmedizin und ärztliche Standeskunde angeboten. Noch im Juni 1939 erhielt der in Königsberg als praktischer Arzt niedergelassene Paul Schroeder485 den ersten Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Standeskunde im Deutschen Reich. Schroeder war seit 1933 NSDAP-Mitglied, Schriftleiter des „Ärzteblattes für Ostpreußen“ und ab 1942 Leiter der ostpreußischen Ärztekammer. Ab dem folgenden Wintersemester las Schroeder die einstündige Pflichtvorlesung Ärztliche Rechts- und Standeskunde für das 10. Semester. Auch der 1941 als Nachfolger des verstorbenen Nippe auf den Königsberger Lehrstuhl für Gerichtliche Medizin berufene Berthold Mueller überließ Schroeder in den nachfolgenden Semestern die Vertretung der Ärztlichen Rechts- und Standeskunde. Schroeder hielt diese Vorlesung durchgehend bis zum Wintersemester 1943/44; in den letzten Semestern außerhalb der Universität, im Sitzungssaal des Königsberger Ärztehauses. Im letzten regulär ablaufenden Semester der Königsberger Universität, im Sommer 1944, fiel Schroeders Vorlesung aus, stattdessen bot ein wissenschaftlicher Assistent des gerichtsmedizinischen Institutes ein Kolloquium für Mediziner über Ärztliche Staatsbürgerkunde an. An der Universität Halle bezog bereits in den Jahren vor 1939 der Lehrstuhlinhaber für gerichtliche und soziale Medizin, Kurt Walcher, in seine Vorlesungen zur gerichtlichen Medizin die „Ärztliche Rechts- und Gesetzeskunde“ mit ein. Im Wintersemester 1939/40 las Walchers Nachfolger, Gerhard Schrader, erstmals Ärztliche Rechts- und Standeskunde. Schrader war 1933 der NSDAP beigetreten und Mitglied des Erbgesundheitsgerichtes in Halle.486 Unterstützt wurde Schrader vom Leiter der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Ehrhardt Hamann, der 1941 einen Lehrauftrag für „Ärztliche Standeskunde“ erhielt.487 Der auf Anregung des 485 Paul Schroeder (1894–1974), Staatsexamen und Promotion 1920 in Berlin, bis 1929 praktischer Arzt in Dänischenhagen bei Kiel, 1929 bis 1945 in Königsberg, danach wieder in Dänischenhagen. 1933 Eintritt in die NSDAP, Mitglied des NSDÄB. 1966 Bundesverdienstkreuz, 1969 Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft. 486 Gerhard Schrader (1900–1949), seit 1934 Professor für Gerichtliche Medizin in Marburg, dort auch Mitarbeiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP. Seit 1933 NSDAP-Mitglied. Ab 1937 Lehrstuhlinhaber für gerichtliche und soziale Medizin in Halle. Schrader war berüchtigt für seine skrupellose Forschung an Hingerichteten, die er z. T. sogar während der Vollstreckung der Todesstrafe durchführte, vgl. dazu Herber (2002), S. 170f. sowie Eberle (2002), S. 124–127. 487 Ehrhardt Hamann (1900–ca.1958) war bereits 1929 der NSDAP beigetreten und hatte 1930 in Halle die lokale Gruppierung des Nationalsozialistischen Deutsche Ärztebundes (NSDÄB) gegründet. Seit 1934 war er Gauamtsleiter des Amtes für Volksgesundheit im Gau HalleMerseburg, ab 1936 Leiter der Ärztekammer Sachsen-Anhalt. 1940 erfolgte die Beförderung zum SS-Standartenarzt. Als besonderes Forschungsgebiet nannte Hamann, der an der Medizinischen Fakultät erheblichen Einfluss besaß, „Geschichte der Medizin, ärztliche Standeskunde, ärztliche Berufsethik“, vgl. Personalbogen des Lehrkörpers, UAH, Rep. 6, Nr. 1407.
114
5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Reichsärzteführers Leonardo Conti erteilte Lehrauftrag bezog sich ausdrücklich nicht auf die „Ärztliche Rechtskunde“, da der Gerichtsmediziner Schrader dieses Feld für sich beanspruchte. Als Kompromiss einigte man sich auf ein von Schrader und Hamann gehaltenes Gemeinschaftskolleg.488 Hamann, der seit 1929 der NSDAP angehörte, hatte mehrfach Aufsätze über ärztliche Ethik publiziert und war nach eigener Aussage ein „erprobter Nationalsozialist“.489 Seine Vorschläge zur Einschränkung der ärztlichen Behandlung polnischer Zwangsarbeiter werfen ein bezeichnendes Licht auf Hamanns Auffassung von ärztlicher Ethik.490 Diese Ansichten vermittelte er den Studierenden in jedem Wintersemester zusammen mit Schrader in der Vorlesung über Ärztliche Rechts- und Standeskunde. Dass ein derart überzeugter Nationalsozialist eine Vorlesung zur ärztlichen Moralphilosophie hielt, mutet zwar bizarr an, war zwischen 1939 und 1945 jedoch auch an anderen deutschen Universitäten der Fall. 5.2.4. Ramms Wirken als Lehrbeauftragter in Berlin und die Rezeption des Faches Im Oktober 1940 erhielt Rudolf Ramm vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung den Auftrag, das 1939 mit der neuen Studienordnung eingeführte Fach Ärztliche Rechts- und Standeskunde an der Berliner Universität zu vertreten.491 Die Veranstaltungen, die im Vorlesungsverzeichnis bis zum Sommersemester 1941 dem Bereich der Geschichte der Medizin zugeordnet waren,492 fanden überwiegend im Hörsaal des Kaiserin-Friedrich-Hauses für ärztliche Fortbildung am Robert-Koch-Platz statt.493 Dort befand sich gleichzeitig der Dienstsitz Ramms als Beauftragter für das ärztliche Fortbildungswesen, von hier aus steuerte er auch die medizinische Standespresse. Ramm hielt die Vorlesung mit einer Unterbrechung im Wintersemester 1941/42 durchgehend bis ins Wintersemester 1944/45. Wie wurde nun die Einführung des neuen Fachgebietes von der Ärzteschaft aufgenommen? Diese hatte ursprünglich durchaus andere Erwartungen an die reformierte Studienordnung als die bloße Hinzufügung neuer, ideologisch-theore-
488 489 490 491 492
493
Im April 1945 Verhaftung durch amerikanische Truppen, 1947 Niederlassung als praktischer Arzt in Marburg. Zu Hamanns Einflussnahme auf Berufungen vgl. Eberle (2002), S. 119. Vgl. Korrespondenz zwischen dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Medizinischen Fakultät Halle, UAH, PA 5605, Schrader. Vgl. Hamann (1940), das Zitat ebd., S. 161. Siehe dazu Eberle (2002), S. 327. Ernennungsschreiben zum Lehrbeauftragten vom 11.10.1940, UAHU, UK R 16 Bd.1, Bl. 1. Ramms Vorlesung wurde zwischen die von Paul Diepgen gelesene Hauptvorlesung zur Geschichte der Medizin und die Seminare von dessen Assistentin Edith Heischkel platziert, vgl. Vorlesungsverzeichnis Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 3. Trimester 1940, S. 153. Dort hielten ab 1942 auch Paul Diepgen und seine Vertreterin Edith Heischkel ihre Vorlesungen zur Geschichte der Medizin ab.
5.2. Revision des ärztlichen Ethos
115
tisch geprägter Fächer.494 Die Eingliederung eines nicht unmittelbar kriegswichtigen Faches in einen Lehrkanon, der bereits speziell auf die Erfordernisse des Krieges ausgerichtet war, weist auf die ideologische Bedeutung hin, die dem Fach beigemessen wurde. Einen gewissen Einfluss mochten auch die zahlreichen Stimmen ausgeübt haben, die seit längerem für einen wie auch immer gestalteten Ethikunterricht in der ärztlichen Ausbildung plädierten.495 Die Ärztliche Rechts- und Standeskunde vermochte diese Lücke in gewisser Hinsicht zu schließen. In seinem 1941 erschienenen „Kulturspiegel des heutigen Arzttums“ gab der Fürstenberger Arzt Hermann Berger seiner Zufriedenheit darüber Ausdruck, „daß der von uns ‚Ethikkämpfern’ längstgehegte Wunsch, die Pflege des ärztlichen Sittenund Ehrbegriffs solle in die Hochschulausbildung mitübernommen werden, in den letzten Jahren stetig weitergreifend in Erfüllung geht. An der Universität Königsberg i. Pr. hält seit 2 Jahren Dr. Paul Schroeder [...] eine Pflichtvorlesung über ‚Ärztliche Rechts- und Standeskunde’.“496
Aus Bergers Worten wird deutlich, dass die Nationalsozialisten mit der Einführung verpflichtender Vorlesungen über Fragen ärztlicher Ethik einen weiteren, wenn auch im Gegensatz zu anderen berufspolitischen Forderungen weniger laut artikulierten Wunsch der deutschen Ärzteschaft aus der Zeit vor 1933 erfüllten. Dies lässt sich auch an den ausgesprochen positiven Reaktionen auf das Erscheinen von Ramms Lehrbuch über Ärztliche Rechts- und Standeskunde ablesen, auf die weiter unten noch näher eingegangen wird. Die Bedeutung des Faches – und auch die des 1942 erschienenen Lehrbuchs – lag darüber hinaus in der erstmaligen Zusammenstellung und Darbietung vieler Regelungen und Vorschriften, die die ärztliche Berufsgerichtsbarkeit, das Sozialversicherungswesen und andere Bereiche des Arztberufes betrafen.497 5.2.5. Inhalte und Ziele aus Sicht eines Fachvertreters Der von Berger erwähnte Königsberger Lehrbeauftragte für Ärztliche Rechts- und Standeskunde, Dr. Paul Schroeder, beschrieb in einem Aufsatz seine Vorstellung von der Funktion des Faches. Der in Königsberg als praktischer Arzt nieder494 Man erhoffte sich von der Reform des Medizinstudiums vor allem weniger Theorie und mehr Praxisbezug. Beide Erwartungen erfüllten sich nur teilweise; durch die Verkürzung der Studiendauer auf zehn Semester und die Einführung zahlreicher ideologisch befrachteter und daher meist theoretischer Fächer drängten sich nun noch mehr theoretische Lerninhalte auf noch engerem Raum. 495 So etwa Berger (1928) und (1941), S. 99 sowie Buttersack (1931). Auch Emil Abderhalden und Georg B. Gruber hatten einen Ethikunterricht gefordert. 496 Berger (1941), S. 118. 497 „Immer wieder wurde unter den Ärzten die Klage laut, daß sie von Dingen, die für die Durchführung ihres Berufes oft von einschneidender Bedeutung waren, nichts wußten, weil man sie nicht auf der Universität gelehrt hatte und ein geeignetes Schrifttum als Nachschlagewerk nicht zur Verfügung stand.“ Schroeder (1943b), S. 110.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
gelassene Schroeder nannte darin die Erziehung der Studierenden zu „entschlossenen Kämpfern nicht nur für ein zu reformierendes Arzttum, sondern für die Tatwerdung nationalsozialistischen Wollens“ als eines der wichtigsten Ziele seiner Lehrtätigkeit.498 Er hob auch sein Bestreben hervor, die Hörer von der Attraktivität des Allgemeinarztberufes zu überzeugen und gleichzeitig zur Hebung des Ansehens von Landärzten beitragen zu wollen.499 Diese Pläne deckten sich mit den staatlicherseits an das Fach gestellten Erwartungen: Die hohe Zahl an niedergelassenen Allgemeinärzten unter den Lehrbeauftragten (67 %, vgl. Tabelle Nr. 1) ging auf einen Beschluss des Deutschen Medizinischen Fakultätentages zurück. Die Ärztliche Rechts- und Standeskunde diente auch hier als Vermittlerin staatlich gewollter Berufspolitik, nämlich der Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Der Ausbau des Facharztsystems war nicht nur kostspielig und kriegsbedingt schon personell nicht zu leisten, sondern auch ideologisch nicht erwünscht.500 Von der Besprechung medizinethischer Fragestellungen berichtete Schroeder nur am Rande; dagegen erwähnte er die bei einigen seiner ärztlichen Kollegen bestehenden Zweifel an der Notwendigkeit des Ethikunterrichts, besonders während der Kriegszeit.501 Ob den Lehrbeauftragten für Ärztliche Rechts- und Standeskunde seitens des Berliner Ministeriums konkrete inhaltliche Vorgaben für ihre Vorlesungen gemacht wurden, ließ sich bis jetzt anhand der spärlichen Quellenüberlieferung nicht eindeutig feststellen. Eine ausführliche Darstellung der Vorlesungsinhalte lag spätestens 1942 mit der ersten Auflage von Ramms Lehrbuch vor. Verbindlichkeit für andere Lehrbeauftragte konnten die darin behandelten Themen jedoch sicher nicht beanspruchen. Die inhaltliche Analyse stützt sich im wesentlichen auf den bereits angeführten Bericht Schroeders sowie auf das Buch Ramms. Letzteres kann zudem als zuverlässigste und detaillierteste Quelle angesehen werden.
498 Schroeder (1943b), S. 112. 499 „Es gilt, um nur ein Beispiel zu nennen, dem Streben unseres Nachwuchses planvoll Richtung zu geben und etwa zu zeigen, daß auch ein Allgemeinarzt ein Vollarzt ist, auf den es nicht weniger ankommt als auf einen guten Facharztstamm.“ Schroeder (1943b), S. 111. 500 Zum Beschluss des Fakultätentages siehe Scholz/Schroeder (1970), S. 35. Nähere Angaben ließen sich hierzu nicht ermitteln. Kritik an Mechanisierung und Spezialisierung der Medizin war bereits von Erwin Liek vorgebracht worden, vgl. Liek (1926) sowie oben, S. 28f. 501 Einige Kollegen, so Schroeder, fragten, „was denn ein solcher Lehrauftrag in der gegenwärtigen Zeit eigentlich solle – auch wir wären doch ohne einen solchen leidliche Ärzte geworden – [...]“, Schroeder (1943b), S. 111.
5.3. Das Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“
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5.3. DAS LEHRBUCH „ÄRZTLICHE RECHTS- UND STANDESKUNDE“ 1942 erschien im Berliner Verlag Walter de Gruyter Rudolf Ramms Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde – Der Arzt als Gesundheitserzieher“.502 Die Konzeption des Buches ergab sich, so Ramm im Vorwort zur ersten Auflage, aus der Vorlesung über Ärztliche Rechts- und Standeskunde, die er als Lehrbeauftragter an der Berliner Universität hielt. Das Buch richtete sich sowohl an Medizinstudierende als auch an bereits praktizierende Ärzte und sollte, den Worten des Verfassers zufolge, in erster Linie dazu dienen, „den wesentlichen Inhalt der geschriebenen und ungeschriebenen Standesgesetze, vor allem aber das wichtige Gebiet der ärztlichen Ethik und die Aufgaben des Arztes als Gesundheitserzieher zusammenfassend darzustellen.“503
Bereits 1943 erschien eine zweite Auflage, in der Ramm einige Ergänzungen vorgenommen hatte. Grundlage der folgenden Analyse ist zunächst die erste Auflage aus dem Jahr 1942. 5.3.1. Aufbau und Gliederung Das Buch untergliederte sich in sieben Teilkapitel, welche auf 176 Seiten die Aufgaben des Arztes im nationalsozialistischen Staat detailliert darlegten. Ein 122 Seiten umfassender Anhang gab die wichtigsten für die damalige Ärzteschaft geltenden Gesetze und Verordnungen wieder, unter anderem die Bestallungs- und Prüfungsordnung für Ärzte, die Reichsärzteordnung sowie die Berufs- und Disziplinarordnung der Reichsärztekammer. Unter der Überschrift „Arzttum und Ärztestand im Wandel der Zeiten“ ging Ramm im ersten Kapitel auf die historische Entwicklung des ärztlichen Berufes von der Antike bis zur Neuzeit ein. Arische Völker seien, so Ramm, die alleinigen Begründer der Heilkunde gewesen (S. 3).504 Als frühe Dokumente ärztlicher Ethik wurden ein indischer Ärzteeid und der sogenannte Eid des Hippokrates wiedergegeben (S. 4, 6f.).505 Besonderes Augenmerk richtete Ramm in seinem historischen Abriss auf die ärztlichen Ausbildungsordnungen der jeweiligen Epoche (S. 13–20). Neben Andreas Vesal und Francis Bacon stellte Ramm die Figur des Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, heraus (S. 21f.), bevor er sich 502 Ramm (1942a). Interessanterweise wurde am Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Münster im gleichen Jahr eine Dissertation fertiggestellt, die ebenfalls den Titel „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“ trug. Bezüge beider Werke zueinander lassen sich nicht finden. Die Arbeit beschäftigt sich u.a. mit rechtlichen Aspekten des ArztPatient-Verhältnisses. Vgl. Marx (1942). 503 Ramm (1942a), Vorwort. 504 Im Interesse besserer Lesbarkeit werden im Folgenden die Seitenzahlen der angeführten Textstellen in Klammern in den Haupttext aufgenommen. Die Angaben beziehen sich auf die erste Auflage (1942) von Ramms Buch; die zweite Auflage (1943) folgte einer abweichenden Seitenzählung. 505 Vgl. dazu oben, S. 82 und Anm. 359.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
im letzten Teil des Kapitels mit der Organisation des Ärztestandes und der medizinischen Ausbildung in europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten von Amerika beschäftigte (S. 29–32). Das zweite Kapitel trug den Titel „Bestallungsordnung“ und befasste sich ausführlich mit der 1939 reformierten Ausbildungsordnung für Ärzte und der darin enthaltenen neuen Studienordnung (S. 34–38). Neben alten und neuen Inhalten des Medizinstudiums gab Ramm auch die Entwicklung ärztlicher Vereinigungen und ihr Verhältnis zu den Krankenkassen wieder (S. 40–46). Daran anschließend hob er neben der Bedeutung der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 den Ausschluss jüdischer Ärzte aus ihrem Beruf als zentrales Ereignis hervor (S. 46). Die Einrichtung der Kassenärztlichen Vereinigung und der Reichsärztekammer (S. 47–52 bzw. 52–58) sowie die Aufhebung der Kurierfreiheit506 (S. 58–62) waren weitere Schwerpunkte dieses Kapitels. Das dritte Kapitel – „Der öffentliche Gesundheitsdienst und die Aufgaben des staatlichen Gesundheitsamtes“ – beschrieb die Zentralisierung und Vereinheitlichung im Bereich des Gesundheitswesens. Eingegangen wurde auch auf die Aufgaben der Gesundheitsämter und der Amtsärzte, wie z. B. in der Erb- und Rassenpflege (Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses) und im Rahmen der Eheberatung (Ehegesundheitsgesetz) (S. 64–69). Im vierten Kapitel („Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als Hüterin der Volksgesundheit“) stellte Ramm die einzelnen Gliederungen der NSDAP im Bereich der Gesundheitspolitik vor – unter anderem den Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund, das Hauptamt für Volksgesundheit und das Rassenpolitische Amt – und beschrieb deren Bemühungen zur Erfüllung der bevölkerungspolitischen Ziele des Nationalsozialismus. Jeder deutsche Mensch, so postulierte Ramm, habe eine politische und biologische Aufgabe, zu deren Erfüllung ihn die NSDAP erziehen müsse (S. 70). Bei jedem einzelnen Arzt sei ein Gesinnungswandel erforderlich: er müsse vom Arzt des Individuums zum Arzt der Nation werden (S. 75f.). Im fünften und umfangreichsten Kapitel berichtete Ramm „Vom Wesen und Wirken des Arztes im nationalsozialistischen Staat“. Er listete die Voraussetzungen auf, die für die ärztliche Berufsausübung im nationalsozialistischen Staat nötig seien. Zusammenfassend stellte Ramm fest, dass nur ein echter Nationalsozialist ein guter Arzt sein könne. Biologische Gesetze müssten alleinige Maxime seines Handelns sein (S. 79). Im Folgenden widmete sich Ramm Fragen ärztlicher Standesethik (S. 87–93), bevor er sich den konkreten Aufgaben und Pflichten des Arztes in der Praxis zuwandte. Besprochen wurden neben Themen wie ärztlicher Schweige- und Meldepflicht (S. 100f.), Schwangerschaftsunterbrechung (S. 102), Sterbehilfe und Tötung unheilbar Geisteskranker (S. 103f.) 506 Die im 19. Jahrhundert eingeführte Kurierfreiheit erlaubte die Ausübung der Heilkunde auch ohne ärztliche Approbation. Ungefähr seit der Jahrhundertwende kämpfte die Ärzteschaft für die Wiederherstellung ihres Behandlungsmonopols und gegen das „Kurpfuschertum“. Die Nationalsozialisten schafften die Kurierfreiheit 1939 ab und erließen ein restriktives Heilpraktikergesetz.
5.3. Das Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“
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auch Honorar- und Begutachtungsfragen (S. 108f.) sowie der Bereich der ArztPatient-Beziehung (S. 115f.). Die Rolle des Arztes im System der Sozialversicherungen fand ebenfalls ausführliche Erwähnung (S. 120–129). Noch breiteren Raum nahm die Beschreibung der Funktion des Arztes als Rassenpfleger und Bevölkerungspolitiker ein, in dem die Erbgesundheitsgesetze und der Kampf gegen den Geburtenrückgang dargestellt wurden (S. 130–146). Im letzten Abschnitt dieses wichtigen Kapitels erfuhr der Leser Einzelheiten über die nationalsozialistische Gesundheitsführung, die jeden einzelnen Menschen zur gesunden Lebensweise verpflichte (S. 153, 157, 165). Das sechste Kapitel behandelte das Thema „Arzt und Strafrecht“, wobei die Anzeigepflicht im Rahmen der Erbgesundheitsgesetzgebung noch einmal betont wurde. Das siebte und letzte Kapitel gab einen Überblick über „Die ärztliche Standespresse und die Presseorgane der Reichsgesundheitsführung“. In seinem Buch verwendete Ramm über weite Strecken die völkischrassistische Terminologie der Nationalsozialisten. Auf euphemistische Wortschöpfungen, wie sie besonders im Zusammenhang mit der Judenvernichtung von Nationalsozialisten oft verwendet wurden, verzichtete er weitgehend. Dafür war sein Duktus nicht selten von Begriffen durchsetzt, die aus dem militärischen Sprachgebrauch stammten.507 5.3.2. Grundsätze nationalsozialistischer Medizinethik Die nationalsozialistische Bewegung fußte wesentlich auf einer rassischen Volkskörperideologie, in der insbesondere Juden als „rassefremde Elemente“ oder „Volksschädlinge“ betrachtet wurden. Jüdische Ärzte wurden nach 1933 schrittweise aus ihrem Beruf vertrieben. 1938 entzog man ihnen ihre Approbation als Arzt, während des Krieges wurden viele von ihnen Opfer des Holocaust. Aufgrund seiner oben dargestellten politischen Laufbahn und insbesondere seiner Mitwirkung an der „Arisierung“ der österreichischen Ärzteschaft kann es nicht verwundern, dass sich Rudolf Ramm in seinem Buch als fanatischer Antisemit zu erkennen gab. Bereits auf der ersten Seite seines Buches stellte er die Behauptung auf, dass gerade die arischen Völker in der ärztlichen Kunst und Wissenschaft für entscheidende Fortschritte gesorgt hätten (S. 1). Ramm ging noch weiter: Trotz der Verdienste anderer Völker „müssen wir bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse von der allzeit schöpferischen Leistung des Ariers annehmen, daß er der alleinige Begründer der Heilkunde gewesen ist [...].“ (S. 3), Hervorhebung im Original. An anderer Stelle begrüßte Ramm die „Säuberung des Standes von politisch unzuverlässigen und rassefremden Elementen“ und die „gewaltsame Ausscheidung des Juden aus den lebenswichtigen Ständen und den Ämtern des 507 Ärzte und Apotheker bezeichnete Ramm als „Kampfgenosse[n]“, Ramm (1942a), S. 91. Wissen und Können müssten „Waffen“ des Arztes sein, „die er während seines ganzen Lebens weder rosten noch stumpf werden lassen darf.“ Ebd., S. 80. Generell zur „Lingua tertii imperii“ siehe Klemperer (1947).
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Staates“ (S. 46). Er forderte zudem „die radikale Lösung der Judenfrage“. „Je schneller und je gründlicher sie erfolgt, um so eher und besser wird die Gestaltung des europäischen Kontinents auf rassischer Grundlage vor sich gehen [...].“ (S. 132). Bei Erscheinen des Buches 1942 begann diese mörderische „Lösung der Judenfrage“ in den Vernichtungslagern Wirklichkeit zu werden. Das Jahr 1933 markierte für die Medizin neben vielem anderen auch den Einzug des sogenannten Führerprinzips in die Organisation der Ärzteschaft. Auch Ramm hob ausdrücklich den Tag hervor, an dem „die parlamentarisch-liberalistische Epoche dem Führerprinzip weichen musste.“ (S. 45). Das Führerprinzip hielt in abgewandelter Form auch in die Arzt-Patient-Beziehung Einzug. Ramm bekannte sich in seinem Buch ausdrücklich zu der autoritären Rolle, die dem nationalsozialistischen Arzt im Verhältnis zu seinen Patienten zugedacht war: „Gesundheitsführung ist Teil der Menschenführung.“ (S. 147). Nicht zuletzt der Untertitel des gesamten Buches, „Der Arzt als Gesundheitserzieher“, macht dies deutlich. Einher mit dem Prinzip nationalsozialistischer „Gesundheitsführung“ ging die Verkündung einer „Gesundheitspflicht“. Ramm führte hierzu aus: „Es ist das bleibende Verdienst der Partei, daß sie das aus krassem Individualismus hergeleitete ‚Recht auf den eigenen Körper’ in die sittliche ‚Pflicht zur Gesundheit’ umprägte und diese als Forderung der nationalsozialistischen Weltanschauung herausstellte.“ (S. 148).
Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik wurde über die Existenz der Sozialversicherung heftig gestritten. Zu den schärfsten Kritikern des bestehenden Systems gehörte der Danziger Arzt Erwin Liek, der insbesondere durch die Krankenversicherung eine Degeneration des Volkes befürchtete und als gesundheitspolitischer Vordenker der Nationalsozialisten gesehen werden kann.508 Das Fürsorgeprinzip der Krankenversicherung widersprach der nationalsozialistischen Auffassung von natürlicher Auslese und der Stärkung des Präventionsgedankens. Ramm griff in seinem Buch die Kritik am Versicherungssystem auf und bezeichnete das ihm zugrunde liegende Prinzip als falsch (S. 116). Mit dem Begriff der „Verweichlichung des Volkes“ verwendete er überdies exakt die Terminologie Erwin Lieks (S. 63). Ramm erwähnte auch die vorgesehene Errichtung eines „Gesundheitswerks des deutschen Volkes“, in dessen Rahmen „der Erhaltung und Förderung von Gesundheit der Vorrang vor dem Streben nach möglichst umfassender Versorgung der Erkrankten mit baren Mitteln eingeräumt werden müssen.“ Sozialpolitische Bestrebungen müssten sich dann „gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Belangen unterordnen“ (S. 51). Ebenso kompromisslos gab sich Ramm in der Frage der Schwangerschaftsunterbrechung. Außer im Falle einer vitalen Bedrohung der Schwangeren sei eine Abtreibung unter keinen Umständen zulässig (S. 101). Wer diese dennoch vornehme, schwäche damit die „Volkskraft“ und sei „als Volksschädling mit dem Landes- und Volksverräter auf eine Stufe zu stellen.“ Auch „falsches Mitgefühl und Rücksicht auf die gesellschaftliche Stellung der Mutter“ dürfe den Arzt nicht 508 Vgl. dazu oben, S. 33 und Anm. 96.
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zu dem Eingriff verleiten, im Gegenteil: „Es besteht für jeden Arzt die sittliche Verpflichtung, den Willen zum Kind zu stärken und damit die Zukunft seines Volkes zu sichern“ (S. 102). Zu schwerer körperlicher Arbeit dürften Frauen nur herangezogen werden, ohne dadurch „ihrem biologischen Zweck zu schaden“ (S. 164). Das 1934 in Kraft getretene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung des nationalsozialistischen Ideals eines gesunden „Volkskörpers“. 1942 befand es sich bereits im neunten Jahr seiner Anwendung, was die Selbstverständlichkeit erklären mag, mit der Ramm dieses Gesetz in seinem Buch behandelte. Die Missachtung der ärztlichen Schweigepflicht bei der vorgeschriebenen Anzeige betroffener Patienten hatte 1934 keine nennenswerten ethischen Einwände ausgelöst, umso weniger war dies nun der Fall. Ramm wies mehrfach auf die Einhaltung der gesetzlichen Anzeigepflicht bei erbkranken Patienten hin (S. 101, 133, 172). Die Anmerkung Ramms, der Name des meldenden Arztes werde in jedem Fall geheimgehalten (S. 133), ließ mögliche moralische Konflikte anklingen, angesprochen wurden sie jedoch nicht. Der von Hitler auf den Tag des Kriegsbeginns, den 1. September 1939, zurückdatierte „Erlaß zur Gewährung des Gnadentodes“509 zeugt von der Radikalisierung einer Entwicklung, die mit dem Sterilisierungsgesetz 1934 ihren Anfang genommen hatte. Auch Ramm scheute sich nicht, auf dieses Thema einzugehen und deutlich für eine Tötung unheilbar Kranker Stellung zu beziehen. Die christliche Weltanschauung gebiete zwar, dem unheilbar Kranken bis zu seinem Tode beizustehen, schon in der Antike sei dies jedoch nicht praktiziert worden (S. 19). Ramm erwähnte das strafrechtliche Verbot der Sterbehilfe, ohne dies aber mit moralischen Argumenten zu untermauern (S. 103, 170). Von der eigentlichen Sterbehilfe sei, so Ramm, das „Problem der Euthanasie“ abzugrenzen. Letzteres erstrecke sich unter anderem auf Menschen, die unter geistigen oder körperlichen Erbkrankheiten litten und dauerhaft in ihrer Entwicklung beeinträchtigt seien. „Diese lediglich vegetierenden Geschöpfe stellen eine schwere Belastung der Volksgemeinschaft dar, insofern sie nicht allein durch die verursachten Kosten den Lebensstandard ihrer übrigen Familienmitglieder herabdrücken und außerdem einen gesunden Menschen während der Dauer ihres Lebens zu ihrer Pflege benötigen.“ (S. 103f.)
In diesen Fällen, so Ramm, „wäre aus Gründen der Menschlichkeit zweifellos die Euthanasie am Platze. Aufgabe des Ärztestandes ist es, Wegbereiter für diesen Gedanken zu sein, Aufgabe des Staates, ihm Gesetzeskraft zu verleihen.“ (S. 104) 509 Hitlers persönlicher Erlass, gerichtet an seinen Begleitarzt Karl Brandt und den Leiter der „Kanzlei des Führers“ Philipp Bouhler, markiert in seiner euphemistischen Diktion den Beginn der sogenannten „Euthanasie“-Aktion: „Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“ Ein Faksimile findet sich bei Bayle (1950), S. 730. Siehe dazu auch Frewer/Eickhoff (2000).
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
5.3.3. Ramm als Verkünder einer „totalen Ethik“ Wie viele seiner ärztlichen Kollegen zeigte sich auch Ramm überzeugt, dass erst der Nationalsozialismus die „Wiederaufrichtung eines hohen Berufsethos“ mit sich gebracht und die Zeit einer ethischen Krise des ärztlichen Standes beendet habe (S. 46). Mehrfach fanden sich in Ramms Buch Wendungen, die die Abkehr von herkömmlichen moralischen Standards ankündigten. Es war von einer „neuen Geisteshaltung“ der Ärzteschaft die Rede (S. 45), am deutschen Arzt sei eine „geistig-seelische Umstellung“ vorgenommen worden (S. 46) und ein weiterer „Gesinnungswandel“ sei nötig (S. 76). In einem einleitenden medizinhistorischen Abriss versuchte Ramm, Parallelen zwischen der Vergangenheit und der NSMedizin ausfindig zu machen. Darüber hinaus zögerte er nicht, historisch nicht beweisbare Behauptungen („der Arier als alleiniger Begründer der Heilkunde“) zur Stützung seines rassischen Weltbildes aufzustellen. Mehrmals wies Ramm auf die Vorbildfunktion vergangener Epochen, insbesondere der Antike, für das ethische Weltbild nationalsozialistischer Ärzte hin (S. 1, 8) und empfahl das Moralverständnis der damaligen Medizin ausdrücklich als „nachahmenswert“ (S. 1). Ramm versäumte nicht, auch die negative Vorbildfunktion der Vergangenheit zu erwähnen; beispielsweise berichtete er warnend vom „rassischen Verfall des Römertums“ (S. 11). Ramm dachte den sozialdarwinistischen Auslese-Gedanken konsequent zu Ende. Menschen, die nicht dem geforderten gesundheitlichen und rassischem Ideal entsprachen, schloss er aus dem Kreis der übrigen Patienten aus. Das Gebot, jeden Patienten ohne Ansehen der Person gleich zu behandeln, sah Ramm auf den „erbgesunden“ Patientenkreis beschränkt (S. 98). Die Schweigepflicht des Arztes, die Ramm nach wie vor als hohes, schützenswertes Gut hervorhob, galt nicht mehr bei der Behandlung „erbkranker“ Patienten (S. 101). Doch auch zu „erbgesunden“, „arischen“ Volksgenossen sollte der nach den in Ramms Buch wiedergegebenen Prämissen handelnde Arzt ein anderes Verhältnis einnehmen. Als „Gesundheitsführer“ hatte er bei ihnen die im nationalsozialistischen Sinne korrekte Lebensweise zu überwachen, was zum Beispiel die Verhinderung erbbiologisch nicht erwünschter Ehen beinhaltete. Zudem sollten Patienten zur Erfüllung ihrer „Gesundheitspflicht“ angehalten werden; in der Arzt-Patient-Beziehung nahm der nationalsozialistische Arzt eine ausgesprochen autoritäre Rolle ein. Ärzte jedoch, die illegale Abtreibungen vornahmen, betrachtete Ramm als Hoch- oder Landesverräter und forderte für sie somit indirekt die Todesstrafe. Die mit bemerkenswerter Deutlichkeit ausgesprochene Forderung nach Tötung erbkranker oder „der dauernden [geistigen] Umnachtung“ verfallener Menschen (S. 104) folgte einer widersprüchlichen und doch für die damalige Zeit typischen Argumentation. Die Tötung sogenannten „lebensunwerten Lebens“ wurde zunächst ganz offen mit ökonomischen Motiven begründet. Ohne die tatsächliche Lebensqualität der betroffenen Kranken beurteilen zu können, wurde dann „aus Gründen der Menschlichkeit“ deren Tötung gefordert (S. 103f.).510 Ein 510 Zu einer ähnlich schiefen Argumentation vgl. oben, Anm. 87.
5.3. Das Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“
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weiteres Charakteristikum dieser Argumentation war es, die Tötung „Minderwertiger“ als notwendig erscheinen zu lassen, die letztgültige Entscheidung und somit einen Großteil der moralischen Verantwortung jedoch der Politik zu überlassen.511 5.3.4. Krieg und Forschung: Bedeutungsvolle Auslassungen Bei der relativ umfassenden Darstellung der Gebiete ärztlicher Ethik, die wir bei Ramm finden, fällt das Fehlen zweier wichtiger Bereiche umso stärker ins Auge. Die Themen Medizin und Forschung sowie Medizin und Krieg fanden in Ramms Buch an keiner Stelle Erwähnung – und doch wären beide zeitbedingt von äußerster Aktualität gewesen.512 Nicht nur die Auswirkungen des Krieges auf die ärztliche Moral, auch die in Friedenszeiten relevanten „zivilen“ Aspekte einer Forschungsethik blendete Ramm vollständig aus. Die 1931 vom Reichsgesundheitsrat beschlossenen „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ wurden bei Ramm an keiner Stelle erwähnt.513 Was immer auch die Gründe für diese Auslassungen gewesen sein mögen, der Einfluss des Krieges auf die ethischen Normen in der Medizin dürfte kaum zu unterschätzen gewesen sein. Die Menschenversuche in den Konzentrationslagern stellen neben der Krankenmord-Aktion sicherlich die brutalste Ausformung der NS-Medizin dar. Ramm wich einer Auseinandersetzung mit dem Konfliktfeld Forschung am Menschen konsequent aus. Ein wichtiges Element einer umfassenden Medizinethik fehlte damit in seinem Werk.514 5.3.5. Zeitgenössische Wahrnehmung und Wirkung Während der Kriegsjahre wuchs innerhalb der Ärzteschaft ein starkes Bedürfnis nach Orientierung und Festigung des beruflichen Selbstverständnisses. Der Krieg brachte nicht nur eine steigende Zahl gefallener oder verwundeter Ärzte mit sich, auch an der sogenannten Heimatfront nahm die Arbeitsbelastung der Ärzte immer weiter zu. Das Vertrauen in die Führungsfiguren der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik nahm in der Weise ab, in der die Angst vieler Ärzte vor einer
511 Ähnlich verfuhr auch Georg B. Gruber, vgl. Mattulat (2007), S. 125. 512 Von einer einzigen Textstelle abgesehen (S. 51) lässt sich dem Buch nicht entnehmen, dass es mitten im Zweiten Weltkrieg geschrieben wurde. 513 Vgl. dagegen den Abdruck der Richtlinien im „Ärzte-Knigge“ des Leipziger Internisten Seyfarth, Seyfarth (1942), S. 184–187. Carly Seyfarth (1890–?), Dr. med. et phil., war Chef der Inneren Abteilung des St. Georg-Krankenhauses in Leipzig. 514 Der Forschung am Menschen widmete sich etwa Kisskalt (1942), vgl. ebd., S. 134–138. Sein Hauptaugenmerk legte Kisskalt jedoch auf die Frage der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen. Die relative Überbewertung animalischen Lebens gegenüber dem menschlichen ist ein bislang wenig untersuchtes Phänomen der NS-Zeit; siehe dazu Kater (1987), S. 347f.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
dauerhaften Verstaatlichung ihres Berufsstandes wuchs.515 Auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der ärztlichen Versorgung nahm während der Kriegsjahre stetig zu.516 Aufgrund des Ansehensverlusts in der Öffentlichkeit begannen sich Risse im ärztlichen Selbstbild aufzutun; das Wort von der „Vertrauenskrise“ kam auf.517 Reichsärzteführer Leonardo Conti sah sich angesichts zunehmender öffentlicher Vorwürfe aufgrund ärztlichen Fehlverhaltens genötigt, eine Anordnung zur „Abwehr von Angriffen gegen Ärzte und [für] verstärkte Aufklärung der Öffentlichkeit“ zu erlassen.518 Mit Rudolf Ramm nahm nun ein hoher Ärztefunktionär klar und ausführlich Stellung zu Fragen und Problemen, die die Ärzteschaft intensiv beschäftigten und offenkundig zu erheblicher Irritation geführt hatten. Ramm bekannte sich zur ständischen Freiheit des Arztberufes, „ohne die ein hochstehendes Arzttum nicht denkbar ist“ (S. 45). Ramm umriss klar die Aufgaben und Ziele des nationalsozialistischen Arztes. Er stellte das ärztliche Wirken in eine historische Tradition, wies aber auch auf Punkte hin, an denen ein Bruch mit den Traditionen nötig sei. Mit seinem Band gelang es Ramm, eine bestehende Lücke zu schließen und Unsicherheiten über die Rolle des Arztes im nationalsozialistischen Staat weitestgehend auszuräumen.519 Aus dieser Sicht erscheint es nur folgerichtig, dass Ramms Werk zur ärztlichen Rechts- und Standeskunde nach seinem Erscheinen 1942 einhellig begrüßt wurde. Es schien, als habe man auf ein solches „Lehrbuch der Arzttumskunde“ förmlich gewartet.520 Bereits ein Jahr später erschien eine zweite, geringfügig ergänzte Auflage.521 515 „Es sind wiederholt aus Ärztekreisen Befürchtungen geäußert worden, daß die für die Dauer des Krieges getroffenen Maßnahmen zu einer weitgehenden Sozialisierung des Ärztestandes nach Beendigung des Krieges führen könnten.“ Deutsches Ärzteblatt 69 (1939), S. 697. Angesichts dieser Sozialisierungsängste, die viele Ärzte ein Jahrzehnt zuvor erst in die Arme der Nationalsozialisten getrieben hatten, wurde es nötig, öffentlich zu erklären, es sei „der unumstößliche Wille des Reichsgesundheitsführers, den Ärztestand als freien Beruf zu erhalten.“ Ebd. Beispielhaft sei auf die Existenz eines „Beauftragten für die ärztliche Planwirtschaft“ verwiesen, der den Einsatz von Ärzten zentral steuerte. Generell zu diesem Komplex Kater (2000), S. 81–83. 516 Vgl. Süß (2003), S. 301f. sowie 379f. Zur Zunahme der Beschwerden über Ärzte siehe auch Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 38 (1941), S. 158. 517 Unter der Überschrift „Deshalb Vertrauenskrise!“ hatte die SS-Zeitschrift „Das schwarze Korps“ am 24.10.1940 sehr kritisch über Fälle ärztlicher Pflichtverletzung berichtet. Dieser Artikel stieß in der Ärzteschaft auf heftige Gegenwehr, vgl. Schroeder (1940). 518 Deutsches Ärzteblatt 71 (1941), S. 267. Zur Vertrauenskrise der Medizin vgl. Kater (2000), S. 360–388. 519 „Die Aufnahme dieses Buches beweist schlagartig, welche Lücke bestanden hatte und wie notwendig es war, um ihre Schließung besorgt zu sein.“ Schroeder (1943b), S. 111. 520 Berger (1943), S. 560. Die Ärztekammer Ostpreußen plante, das Buch im Rahmen der „Kameradenbetreuung“ in großer Stückzahl an Frontärzte zu verteilen, Schroeder (1943a), S. 44. 521 Ramm (1943). Der mehr auf die praktische ärztliche Tätigkeit ausgerichtete „Ärzte-Knigge“ von Seyfarth erschien 1942 in vierter Auflage (Erstauflage 1935). Der „Ärzte-Knigge“ ähnelt in mancher Hinsicht dem Buch von Ramm, verzichtet jedoch auf nationalsozialistische Propaganda. Der weitgehend fehlende NS-Bezug spiegelt sich auch im Literaturverzeichnis
5.3. Das Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“
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Die Durchsicht der zahlreichen Rezensionen in ärztlichen Fachzeitschriften bestätigt den Befund einer positiven Aufnahme des Buches. Von den insgesamt 28 Rezensionen, die ausfindig gemacht werden konnten und zwischen 1942 und 1944 in verschiedenen Zeitschriften erschienen, seien hier exemplarisch die wichtigsten Stimmen herausgegriffen.522 Für den Rezensenten der Münchner Medizinischen Wochenschrift (P. Balzer, München) war Ramm der „berufene Mann“, um über ärztliche Standeskunde zu schreiben. Er habe in seinem Lehrbuch „mit begeisterndem Schwung den tieferen Sinn des Arzttums überhaupt und des nationalsozialistischen Arztes im besonderen herausgestellt.“ Das fünfte Kapitel, in dem die Rolle des Arztes im nationalsozialistischen Staat dargestellt wird, dürfe, so Balzer, „als das Brevier des Arztes im Dritten Reich bezeichnet werden.“523 Wilhelm Ewig, Saarbrücken, betonte in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, dass Ramm „sich stets für eine strenge und hohe ärztliche Ethik eingesetzt [habe].“ Er nannte Ramms Werk ein „mit Blut geschriebenes Buch“, das verfasst worden sei, „um überall und immer wieder klarzumachen, daß der Arzt des individualistischen Zeitalters auf der ganzen Linie abgelöst werden muß durch den nationalsozialistischen Volksarzt, den deutschen Gesundheitsführer.“524 Etwas vorsichtiger beurteilte die „Medizinische Klinik“ das Buch. Manche Abschnitte könnten ausführlicher sein, für eine etwaige Neuauflage empfehle sich beispielsweise „eine Erweiterung der Ausführungen über ‚Arzt und Strafrecht’, insonderheit über Fahrlässigkeit und Schweigepflicht“, so der Rezensent.525 Die ausführlichste und wohlwollendste Besprechung fand Ramms Buch in der von ihm geleiteten Zeitschrift „Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg“. Ramms Königsberger Kollege, Dr. Paul Schroeder, hob den „bis zum Wesenskern vordringenden Blick des verschworenen Nationalsozialisten“ hervor, mit dem Ramm über Arzttum und Ärztestand im Wandel der Zeiten schreibe. Schroeder wies zudem auf die Lücke hin, die mit dem Buch geschlossen werde; zuvor habe sich der in ethischen Standesfragen Rat suchende Arzt nur „aus alten Schwarten meist allzu liberalistischer Färbung“ bedienen können. Eine besondere Bereicherung sei das Buch „für die Ärzte in den besetzten Gebieten, die erstmalig sich unmittelbar mit deutschem Arzttum auseinanderzusetzen haben [...].“ Das Hauptanliegen des Werkes bestehe darin, „uraltes ärztlich-ethisches Gedankengut mit dem Geiste
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wider. Ramm hingegen benutzte bis auf eine Ausnahme lediglich nach 1933 erschienene Literatur. Weder Seyfarth noch Ramm finden im Buch des anderen Erwähnung. Eine wohlwollende Besprechung von Seyfarths „Ärzte-Knigge“ findet sich in Deutsches Ärzteblatt 73 (1943), S. 80. Vgl. Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur, Bibliographie der Rezensionen, hrsg. von Reinhard Dietrich, Band LXXVI 1943, Reprint, New York, 1962, S. 457 sowie eigene Recherche. P. Balzer, Münchner Medizinische Wochenschrift 89 (1942), S. 1100, Hervorhebung im Original. Wilhelm Ewig, Deutsche Medizinische Wochenschrift 70 (1944), S. 135. Anonymus, Medizinische Klinik 38 (1942), S. 980.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
unserer Zeit zu durchsetzen“, so Schroeder in einem abschließenden Urteil.526 Auch in der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung rühmte Schroeder das Buch als „eine geradezu klassische allgemeine Arztkunde, die Brücken schlägt zwischen uraltem ärztlich-ethischen Gedankengut und nationalsozialistischer Weltanschauung.“527 In der Sprache etwas zurückhaltender formulierte der Arzt und Schriftsteller Hellmuth Unger im Deutschen Ärzteblatt sein Lob für Ramms Buch; auch er legte es „vor allem den rückgesiedelten oder wieder eingegliederten deutschen Ärzten im Westen und Osten des Reiches“ ans Herz.528 Im „Hippokrates“ bescheinigte Ernst Günther Schenck seinem Kollegen Ramm, „eine so schöne und überlegene Darstellung der deutschen ärztlichen Standeskunde“ abgeliefert zu haben, dass jeder Arzt dieses Buch im Besitz haben müsse.529 In der Zusammenschau fallen in den Besprechungen einige häufig wiederkehrende Wendungen und Urteile besonders auf. Mehrfach erfolgt der Hinweis, das Buch schließe eine schmerzlich empfundene Lücke in der Literatur zu ärztlichen Standesfragen.530 Sehr häufig wird Ramms besondere Eignung erwähnt, ein solches Buch zu schreiben; er sei „ein besonders berufener Künder vom Wesen und Wirken des Arztes“.531 Auffallend oft wird auch auf die Bedeutung des Buches für Ärzte verwiesen, die aus von Deutschland besetzten und eroberten Gebieten stammen.532 Tonfall und Stil der Besprechungen differieren zum Teil stark. So urteilten der Heidelberger Internist Richard Siebeck und der Göttinger Pathologe Georg B. Gruber in einer relativ nüchternen Sprache über Ramms Buch,533 während die Rezensionen Schroeders und Ewigs („mit Blut geschriebenes Buch“) ihre nationalsozialistische Diktion nicht verbargen. 5.3.6. Bewertung und Einordnung aus heutiger Perspektive Rudolf Ramm schuf das Handbuch der angewandten NS-Medizin. Kein Autor hatte die Grundsätze dieser Ideologie so umfassend, offen und klar dargelegt wie er. Ramm legte mit seinem Buch auch die Konzeption einer Medizin der Zukunft vor – die dem nationalsozialistischen Ideal, nicht mehr jedoch der Humanität verpflichtet gewesen wäre. Im Hinblick auf die jungen Nachwuchsmediziner leistete 526 527 528 529 530 531
Paul Schroeder, Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg [o. Jg.] (1942), Heft 1, S. 292f. Paul Schroeder, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 40 (1943), S. 68. Hellmuth Unger, Deutsches Ärzteblatt 72 (1942), S. 360. Ernst Günther Schenck, Hippokrates 14 (1943), S. 231. Erwin Risak, Wiener klinische Wochenschrift 56 (1943), S. 113, Schroeder, wie Anm. 526. Schroeder, wie Anm. 526. Ähnlich auch Risak, wie Anm. 530, Anonymus, Wiener medizinische Wochenschrift 93 (1943), S. 15, Ewig, wie Anm. 524 und Schenck, wie Anm. 529. 532 Schroeder, wie Anm. 526, Schroeder, wie Anm. 527, S. 293, Unger, wie Anm. 528. 533 Vgl. Richard Siebeck, Klinische Wochenschrift 22 (1943), S. 127. Gruber nannte Ramms Werk „einen sehr guten Führer durch die Organisation des neuen deutschen Gesundheitswesens“, Georg B. Gruber, Zentralblatt für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie 81 (1943), S. 47.
5.3. Das Lehrbuch „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“
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Ramm das, was Hannah Arendt „Erziehung zum Euthanasiegedanken“ genannt hat: die Bereitschaft zur physischen Vernichtung von Menschen, denen aus rassischen Gründen oder aufgrund fehlender Leistungsfähigkeit ihr Lebensrecht abgesprochen wurde.534 Es war bezeichnend, dass die Verteidiger der im Nürnberger Ärzteprozess angeklagten Mediziner die Bedeutung des Buches herunterzuspielen versuchten; zu deutlich hätte es den inhumanen Charakter nationalsozialistischer Medizinethik hervortreten lassen. Der Versuch des Sachverständigen Werner Leibbrand, das Buch während des Kreuzverhörs in die Diskussion einzuführen, scheiterte.535 Zusätzliche Brisanz erhielt Ramms Buch durch die Zielgruppe, an die es sich richtete und die es zu prägen versuchte: Medizinstudierende und junge Ärzte, die – oft bereits in ihrer Jugend durch den Nationalsozialismus stark beeinflusst – die zukünftige Ärzteschaft des „Tausendjährigen Reiches“ darstellten. Nach 1945 fanden sich diese Ärzte in einem ganz anderen Staat wieder, und es wäre noch zu untersuchen, wie die „Schüler“ Ramms ihre ethischen Überzeugungen im Nachkriegsdeutschland innerlich beibehielten, anpassten oder änderten.536 Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der faschistischen Diktatur entfiel zwar die politische Grundlage für die in Ramms Buch niedergelegten Konzepte. Diese waren inhaltlich derart auf die Ethik des Nationalsozialismus und seiner Medizin ausgerichtet, dass eine „Entbräunung“ des Textes, wie sie etwa Paul Diepgen und Georg Benno Gruber ohne Skrupel in ihren Werken vornahmen, nicht denkbar war. Andererseits wurde ein wesentlicher Aspekt der NS-Medizin, das Erbgesundheitsgesetz, auch Jahrzehnte nach 1945 offiziell nicht als nationalsozialistisches Unrecht anerkannt, sondern von Sachverständigen noch in den 1960er Jahren in seinem Kern moralisch gerechtfertigt – ein Hinweis auf das mancherorts latente Fortwirken der durch Ramm propagierten nationalsozialistischen Moral.537 Das Sterilisationsgesetz wurde nicht aufgehoben und für nichtig erklärt, sondern 1974 lediglich außer Kraft gesetzt, was eine Entschädigung der Opfer lange Zeit verhinderte. Im Jahr 2007 rang sich der Deutsche Bundestag per Beschluss zu einer Ächtung des Gesetzes durch – 62 Jahre nach Ende des Dritten Reiches.
534 Arendt (1964), S. 144. 535 Vgl. Dörner et al. (1999), Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 02001–02003. Die Mikrofiche-Sammlung wird im Folgenden zitiert als Edition Ärzteprozess. Zu Leibbrand siehe unten, Anm. 545. 536 So zeigte sich ein Rezensent, selbst Lehrbeauftragter für das Fach, davon überzeugt, dass der eigentliche Wert des Buches erst in der folgenden Ärztegeneration voll zur Geltung kommen werde: „Welche riesenhaften Aufgaben harren der Lösung, wenn der Krieg erst einmal beendet ist [...].“ Dazu erhielten die zukünftigen Mediziner durch Ramms Buch erst das nötige „Rüstzeug“, vgl. Schroeder (1943b), S. 111. 537 Vgl. Gerst (2007). Erst 1998 erfolgte die formelle Aufhebung durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG), vgl. BGBl. I 1998, S. 2501. Die juristische Kontroverse um den Status des Gesetzes nach 1945 ist komplex, vgl. dazu allgemein Scheulen (2002).
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Ein 1962 erschienenes Lehrbuch über „Ärztliche Rechts- und Standeskunde“ des Münchner Rechtsmediziners Wolfgang Spann geht weder im Haupttext noch im Literaturverzeichnis auf das einflussreiche Vorgänger-Werk ein und entzieht sich damit der gebotenen historisch-kritischen Auseinandersetzung mit diesem.538 Die Ärztliche Rechts- und Standeskunde behielt bis 2003 als eigenständiges Pflichtfach, danach in Modulangebote integriert, ihren Platz im Medizinstudium. 5.4. LETZTE EINBLICKE Rudolf Ramm war sich seiner zentralen Rolle bei der Vermittlung des nationalsozialistischen Ärzte-Ethos’ bewusst. Dass er sich in seiner Tätigkeit nicht nur von reinem Idealismus leiten ließ, offenbart sein Bemühen um die Erlangung des Titels eines Honorarprofessors. Im Jahr 1944 gab er gegenüber dem Dekan der Berliner Medizinischen Fakultät, Paul Rostock, eine Selbsteinschätzung seines Wirkens ab. In bemerkenswerter Offenheit verknüpfte Ramm diese Einschätzung mit dem Wunsch, höhere akademische Ehren verliehen zu bekommen: „Sehr geehrter Herr Dekan! Am 11. Oktober 1940 wurde mir vom Kultusministerium der Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Standeskunde in der Berliner Medizinischen Fakultät erteilt. Ich vertrete dieses Fach nunmehr im 8. Semester. Durch mich ist dem Pflichtfach ‚Ärztliche Rechts- und Standeskunde’ ein für sämtliche Universitäten des Reiches beispielhafter Rahmen und Inhalt gegeben worden. Vor allem ist es auf meine Vorschläge zurückzuführen, dass diesem Kolleg die notwendige weltanschauliche Grundlage gegeben wurde, wie sie in dem von mir verfassten Buch ‚Der Arzt als Gesundheitserzieher’ dargelegt ist. Auf Grund dieser Arbeit und meiner Lehrtätigkeit möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Dekan, bitten, sich beim Kultusministerium dafür einzusetzen, dass mir der Titel eines Honorarprofessors verliehen wird. Heil Hitler!“539
Noch am gleichen Tag versuchte Ramm in einem weiteren, weniger förmlichen Schreiben seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig deutete er an, auf welche Weise er sein Ziel notfalls zu erreichen gewillt war: „Sehr geehrter Herr Rostock! Um jedem Irrtum vorzubeugen, habe ich heute an Sie als Dekan der Medizinischen Fakultät ein förmliches Gesuch um Verleihung des Titels eines Honorarprofessors gerichtet. [...] Wie ich Ihnen bereits mündlich sagte, strebe ich den auf Grund einer Lehrtätigkeit und sonstiger Verdienste zu verleihenden Honorarprofessor-Titel an der Berliner Universität an. [...] Ich bin der Überzeugung, dass weder beim Reichsminister Rust noch bei der Parteikanzlei irgendwelche Schwierigkeiten auftreten werden. Sollte das jedoch der Fall sein, so sind diese nach meiner Ansicht mit Hülfe [sic] einflussreicher Männer leicht zu beseitigen.“540
538 Vgl. Spann (1962). 539 Ramm an Dekan Rostock, 23.04.1944, UAHU, Universitätskurator, PA R 16, Bd. 2, Bl. 3. 540 Ramm an Rostock, 23.04.1944, UAHU, UK, PA R 16 (Ramm), Bd. 2, Bl. 4.
5.5. Zusammenfassung
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Rostock ließ Ramm daraufhin wissen, dass ein Antrag auf Ernennung zum Honorarprofessor von zwei ordentlichen Professoren der Medizinischen Fakultät eingebracht werden müsse. Diese solle Ramm zunächst benennen.541 Dieser Aufforderung kam Ramm, trotz anderslautender Ankündigung,542 offensichtlich nicht nach, so dass er im Gegensatz zu seinem Kollegen Kurt Blome und anderen NSFunktionären auf den Titel eines Honorarprofessors verzichten musste. Ramm blieb auch nach Kriegsende in Berlin. Dort wurde er aus bislang ungeklärten Gründen von einem russischen Militärgericht zum Tode verurteilt und am 9. August 1945 erschossen.543 5.5. ZUSAMMENFASSUNG Die Hinrichtung beendete das Leben eines Mannes, der als überzeugter Nationalsozialist und Parteifunktionär während des Zweiten Weltkrieges zu einem einflussreichen Standespolitiker avanciert war. Entscheidend für die Karriere Ramms sollte sich seine Tätigkeit in Wien erweisen. Dort organisierte er kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs die Entrechtung und Vertreibung jüdischer Ärzte und ließ massenweise Schriften und Bücher der psychoanalytischen Vereinigungen und Institute vernichten. Nachdem er durch diese Maßnahmen seinen Beitrag zur Auslöschung jüdischer Kultur in Wien geleistet hatte, dirigierte Ramm von Berlin aus die Verbreitung und Durchsetzung der nationalsozialistischen Medizinideologie. Mit dem ärztlichen Fortbildungswesen, den beiden wichtigsten standespolitischen Zeitschriften und einem Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Standeskunde an der Berliner Universität besaß er drei entscheidende Instrumente zur Steuerung gesundheitspolitischer und medizinethischer Diskurse. Im Deutschen Ärzteblatt erörterte Ramm 1941 verschiedene Wege zur „Lösung der Judenfrage“; in einem anderen ärztlichen Standesblatt kündigte er offen an, die „Gesamtlösung der Judenfrage in Europa“ müsse „mit der radikalen Entfernung der Juden enden“. 541 Rostock an Ramm, 26.04.1944, UAHU, UK, PA R 16 (Ramm), Bd. 2, Bl. 5. Wie hartnäckig Ramm auf die Verleihung des Professorentitels hinwirkte, schilderte Rostock in einem Schreiben an den Rektor der Berliner Universität, Lothar Kreuz: „Herr Dr. Ramm [...] hat mich mehrfach darauf angesprochen, ob er nicht zum Honorarprofessor ernannt werden kann. Ich habe die Angelegenheit bisher dilatatorisch behandelt, jedoch fragt Herr Ramm mich bei jeder Gelegenheit, wie weit die Sache ist. Heute erwähnte er, dass Herr Conti grundsätzlich bei allen Universitäten erreichen will, dass die Gauamtsleiter usw.[,] welche über Standeskunde sprechen[,] zu Honorarprofessoren ernannt werden sollen.“ Rostock an Kreuz, 18.04.1944, UAHU, UK, PA R 16 (Ramm), Bd. 2, Bl. 2. 542 Ramm an Rostock, 04.05.1944, UAHU, UK, PA R 16 (Ramm) Bd. 2, Bl. 8. 543 Diese Information findet sich u.a. bei Schwarz (1965), S. 732. Eine genaue Klärung des Sachverhalts ist bis jetzt nicht gelungen, vgl. u.a. Schreiben der Außenstelle Ludwigsburg des Bundesarchivs vom 27.01.2005 an den Verfasser. Danach ist lediglich ein von der Staatsanwaltschaft Berlin geführtes Verfahren aktenkundig, das aufgrund einer summarischen Strafanzeige gegen alle Angehörigen des Reichstages eingeleitet wurde. Dies erklärt nicht den sowjetischen Urteilsspruch. Auch die Tochter Ramms gibt an, bis heute keine näheren Gründe für das Urteil zu kennen, vgl. schriftliche Auskunft an den Verfasser vom 17.03.2008.
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5. Rudolf Ramm und die weltanschauliche Schulung der Ärzteschaft
Ramms Lehrbuch über Ärztliche Rechts- und Standeskunde wurde zu einem Standardwerk. Es legte Grundzüge der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik und Medizinethik dar und stieß auf großen publizistischen Widerhall. Robert N. Proctor nennt Ramm zu Recht den „leading Nazi medical ethicist“.544 Das Fach Ärztliche Rechts- und Standeskunde wurde 1939 als Pflichtfach in das Medizinstudium eingeführt und von strikt nationalsozialistisch geprägten Ärzten an allen Medizinischen Fakultäten vertreten. Die reichsweite Organisation der Lehraufträge kennzeichnet den hohen Grad der Professionalisierung, den Medizinrecht und Medizinethik zwischen 1939 und 1945 erreichten; gleichzeitig wird an den Inhalten dieser Fächer sichtbar, wie stark das Medizinstudium in den Kriegsjahren mit dem nationalsozialistischen Ethos durchsetzt war.
544 Proctor (1992), S. 17.
6. STAATSHYGIENE UND MENSCHENVERSUCHE: DAS MEDIZINISCHE ETHOS DES JOACHIM MRUGOWSKY 6.1. PARADOXIE ODER FOLGERICHTIGKEIT? Einen „Treppenwitz der Weltgeschichte“ nannte es der medizinische Sachverständige im Nürnberger Ärzteprozess, Werner Leibbrand,545 dass ausgerechnet ein Mann wie Joachim Mrugowsky, Chefhygieniker der SS und einer der Hauptangeklagten im Ärzteprozess, im Jahr 1939 ein Buch über ärztliche Ethik verfassen konnte.546 Leibbrand konnte sich nicht erklären, weshalb ein zum Mörder gewordener Arzt sich zuvor ausgerechnet mit der Überlieferung ärztlicher Moralphilosophie beschäftigt hatte. Ähnlich wie 1947 Werner Leibbrand, so sieht sich auch der heutige Betrachter bei dem 60 Jahre später stattfindenden Versuch, die Motive des Angeklagten Mrugowsky nachzuvollziehen, mit einer nur schwer zu verstehenden Paradoxie konfrontiert. Wie konnte ein Arzt, der zudem philosophisch und philologisch interessiert war, zu brutalen Menschenversuchen fähig sein und sich am Massenmord in den Vernichtungslagern beteiligen? Im Folgenden soll versucht werden, einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen. Zunächst wird der persönliche und berufliche Werdegang von Joachim Mrugowsky nachgezeichnet. Die biografische Untersuchung seiner politischen Sozialisation könnte bei Mrugowsky ein vielversprechender Ansatz sein, den Hintergrund seines späteren Denkens und Handelns zu beleuchten. Mit einer Analyse seiner Schriften, besonders des 1939 erschienenen Buches „Das ärztliche Ethos“, wird dieses Bild vervollständigt. In einem weiteren Schritt soll versucht werden, Mrugowskys Handeln in den Kontext des Handelns der in den vorherigen Kapiteln behandelten Persönlichkeiten einzureihen. Am Ende wird deutlich werden, dass die nationalsozialistische Interpretation „klassischer“ ärztlicher Ethik die Grundlage für Verbrechen schuf, wie Mrugowsky sie beging. Die ärztliche Ethik selbst entwickelte sich zu einem Teil des Bösen. Somit könnte die von Werner Leibbrand angesprochene, vermeintliche Widersinnigkeit selbst bereits einen Teil der Erklärung enthalten. Joachim Mrugowsky, der sowohl als Protagonist nationalsozialistischer Medizinethik als auch als unmittelbarer Täter angesehen werden muss, ist von der medizinhistorischen Forschung bis heute kaum beachtet worden. Abgesehen von einigen biographischen Skizzen existiert keine Studie, die sich speziell seiner
545 Werner Leibbrand (1896–1974) studierte Medizin und Philosophie und führte seit 1927 eine nervenärztliche Praxis in Berlin. Darüber hinaus betätigte er sich als Wissenschaftshistoriker und Medizinphilosoph. In den letzten Kriegsmonaten musste er mit seiner jüdischen Ehefrau untertauchen. Ausführlich zu Leibbrand siehe Unschuld et al. (2005). 546 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 01994.
132
6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
Person und seiner komplexen Tätigkeit widmet.547 Neben Karl Brandt, der im Zentrum des Prozessgeschehens stand, erscheint Mrugowsky aufgrund der Breite seiner Verantwortungsbereiche und der Tätigkeit auf diversen Feldern der NSMedizin als zweite wichtige Figur des Nürnberger Ärzteprozesses. Nicht zuletzt deshalb bietet sich als wichtige Quelle der vorliegenden Untersuchung das umfangreiche Dokumentenmaterial eben dieses Prozesses an. Im Bemühen um eine differenzierte Darstellung der Handlungsabläufe darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Rekonstruierung der Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges, wie sie im Ärzteprozess unternommen wurde, auch Probleme in sich barg. Die im Prozess vorgebrachten Tatsachen dürfen zwar hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes als relativ gesichert gelten, dafür stellt sich aus heutiger Sicht die Frage nach der selektiven Verwendung aktengestützter Überlieferung. Vorgänge, die während des Prozesses nicht berührt wurden, hätten trotzdem von erheblicher Relevanz gewesen sein können. Umgekehrt ist nicht auszuschließen, dass Randereignissen eine übertriebene Bedeutung zugemessen wurde.548 Wie problematisch etwa die von Zeugen in „Persilscheinen“ bzw. eidesstattlichen Erklärungen getroffenen Aussagen zu beurteilen sind, erschließt sich dem heutigen Betrachter spätestens dann, wenn man von der belasteten Vergangenheit der Leumundszeugen selbst weiß. 6.2. HERKUNFT UND WERDEGANG Joachim Mrugowsky wurde am 15. August 1905 in Rathenow an der Havel als Sohn des praktischen Arztes Dr. Johannes Mrugowsky und dessen Ehefrau Ida geboren. 1914 fiel sein Vater als Stabsarzt der Reserve an der Westfront. Dieses für die Familie einschneidende Ereignis hob Mrugowsky später regelmäßig in Lebensläufen hervor.549 Die finanziellen Verhältnisse gestalteten sich in der Folgezeit äußerst schwierig, so dass Mrugowsky, der 1923 das Realgymnasium in Rathenow mit der Reifeprüfung verließ, zunächst als Anwärter in den mittleren Dienst der Reichszollverwaltung eintrat.550 Als jüngster Angestellter fürchtete er jedoch, als erster von einem drohenden Stellenabbau betroffen zu werden, und begann daher im Dezember 1923 eine Banklehre in seiner Heimatstadt Rathenow. 547 Zu nennen wären neben Kurzbiografien, etwa bei Ebbinghaus/Dörner (2001), S. 636 und Schleiermacher/Schagen (2008), S. 258, lediglich Sterkowicz (1987) sowie die Charakterisierung bei Bayle (1950), S. 252–258. Weindling (2000), S. 247–259 und Eberle (2002), S. 139–141 beschreiben zudem die komplexe Tätigkeit Mrugowskys innerhalb der SS. 548 Der Prozess wurde nach angelsächsischen Rechtsstandards durchgeführt. Dies bedeutete unter anderem, dass die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet war, auch entlastende Beweismomente vorzutragen oder zu berücksichtigen; dies oblag allein der Verteidigung. 549 Dem Vater widmete Mrugowsky auch seine Hufeland-Schrift, vgl. Mrugowsky (1939). Noch 1947 hob Mrugowsky sein Bedauern darüber hervor, dass sich während mehrerer FrankreichAufenthalte nicht eine Gelegenheit zum Besuch des Grabes seines Vaters ergeben habe, vgl. Bayle (1953), S. 300. 550 Vgl. Lebenslauf, UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky, S. 1
6.2. Herkunft und Werdegang
133
Im Sommer 1925 verbesserte sich durch „besondere Umstände“ seine materielle Lage, so dass er sich im Wintersemester 1925/26 an der Universität Halle für das Medizinstudium einschrieb.551 Da ihn das Studium nach eigenen Angaben nicht genügend ausfüllte, begann er ab dem Sommersemester 1925 zusätzlich Botanik, Zoologie und Geologie zu studieren. Schon in der Schule hatte sein besonderes Interesse der Biologie gegolten.552 Vor seinem Studium bereits völkischen Ideen zuneigend, engagierte sich der junge Student nebenbei politisch in rechtsnationalen Vereinigungen, bevor er am 1. März 1930 der NSDAP beitrat.553 Daraufhin wurde Mrugowsky 1930 und 1931 zum Hochschulgruppenführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes ernannt und organisierte unter anderem Hetzkampagnen gegen den Theologen Günther Dehn. 1930 hatte Mrugowsky das naturwissenschaftliche Studium mit der Promotion zum „Dr. sc. nat.“ mit einer durch den Geologen Johannes Weigelt554 angeregten Arbeit zur „Formation der Gipspflanzen“ abgeschlossen.555 Im Sommer 1931 bestand er das medizinische Staatsexamen. Sein Medizinalpraktikantenjahr absolvierte Mrugowsky in der Inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses Küstrin. Nachdem er im September 1932 die Approbation als Arzt erhalten hatte, arbeitete er einige Monate in Küstrin, bevor er das Krankenhaus im November 1932 „aus politischen Gründen“ verlassen musste.556 Er hatte sich im Wahlkampfjahr 1932 unter anderem als Kreisredner der NSDAP betätigt und führte in Küstrin einen Sturmtrupp der Schutzstaffel (SS) an, der er seit Oktober 1931 angehörte. Von Januar 1933 bis Oktober 1935 war Mrugowsky als Hilfsassistent am Hygienischen Institut der Universität Halle unter dessen Direktor Professor Paul Schmidt angestellt. Mrugowsky kam hierbei die stark ansteigende Zahl von Diphtherie-Fällen in Halle zugute, in deren Folge das Personal des Hygiene-Institutes verstärkt werden musste. Sicherlich half ihm auch die Fürsprache seines Jugendfreundes Friedrich Weyrauch, der zwischen 1929 und 1934 als Assistent am Institut arbeitete. Die monatliche Vergütung der zunächst auf ein Jahr befristeten Hilfsassistenten-Stelle betrug zunächst 150 Reichsmark. Im August 1934 stieg Mrugowsky zum außerplanmäßigen Assistenten auf. Als Hauptarbeitsgebiete gab
551 Handschriftlicher Lebenslauf vom 10.02.1934, BArch Berlin/BDC, RS Joachim Mrugowsky. Worin diese Umstände bestanden, denkbar wäre eine Erbschaft, ließ sich nicht ermitteln. 552 „Angeregt durch einen vorzüglichen Lehrer hatte ich mich bereits auf der Schule emsig mit Biologie befasst.“ Handschriftlicher Lebenslauf vom 10.02.1934, BArch Berlin/BDC, RS Joachim Mrugowsky. 553 Er erhielt die NSDAP-Mitgliedsnummer 210049. Im April 1930 wurde er Mitglied der SA. Im Oktober 1931 trat er zur SS über (Mitgliedsnummer 25811). BArch Berlin/BDC NSDAPGaukartei, Mrugowsky. 554 Johannes Weigelt (1890–1948) war Professor für Geologie an der Universität Halle, Mitglied der Akademie der Naturforscher Leopoldina und amtierte von 1936 bis 1945 als Rektor. Weigelt war überzeugter Nationalsozialist und wollte die Universität Halle zu einer „nationalsozialistischen Gebrauchsuniversität“ umformen, vgl. Eberle (2002), S. 244–248, 446f. 555 Vgl. Lebenslauf, UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky, S. 1 sowie Joachim Mrugowsky, Die Formation der Gipspflanzen. Beiträge zur ihrer Soziologie und Ökologie, Leipzig 1931. 556 Handschriftlicher Lebenslauf vom 10.02.1934, BArch Berlin/BDC, RS Joachim Mrugowsky.
134
6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
er unter anderem Epidemiologie und Erbbiologie an.557 Im November 1934 erhielt der erst 29jährige vom Reichserziehungsministerium einen Lehrauftrag für „Menschliche Erblehre und Rassenhygiene“ an der Halleschen Universität. Obwohl Mrugowsky zu diesem Zeitpunkt in der Medizin noch nicht einmal promoviert war, schlug „die Fakultät diese Regelung vor, da sie ihn nach seiner bisherigen Arbeitsrichtung und -leistung und nach seiner weltanschaulichen Einstellung für geeignet“ hielt.558 Im Sommersemester 1935 bot Mrugowsky laut Vorlesungsverzeichnis vier Veranstaltungen zum Thema „Erbbiologie und Rassenpflege“ an, im folgenden Wintersemester unter anderem auch ein „Kolloquium zur Erbpathologie, mit besonderer Berücksichtigung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Mrugowsky wurde währenddessen mit einer Arbeit zum Bakteriengehalt von Anatomie-Leichen zum Dr. med. promoviert. Wegen wissenschaftlich nicht ausreichend belegter Aussagen entspann sich über diese Dissertation zwischen Mrugowsky und dem damaligen Direktor des anatomischen Instituts der Universität Marburg, Ernst Theodor Nauck, eine heftige Kontroverse.559 Da ihm im Sommer 1935 die Führung des Sicherheitsdienstes (SD) der SS im Raum Hannover anvertraut wurde, führte er seinen Lehrauftrag ab dem Wintersemester 1935/36 an der Technischen Hochschule Hannover weiter, bevor er 1937 seine hauptamtliche Tätigkeit als Hygieniker bei der Waffen-SS begann. Im gleichen Jahr habilitierte er sich in Halle unter seinem Lehrer Paul Schmidt im Fach Hygiene.560 Als Mrugowsky 1939 eine Dozentur für Hygiene an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität erhielt, hatte er bereits ein gutes Jahr Dienst als Regimentsarzt der „SS-Leibstandarte Adolf Hitler“ hinter sich gebracht.561 Nebenbei baute Mrugowsky in Himmlers Auftrag das Hygiene-Institut der Waffen-SS auf, dessen Leitung er übernahm. Als Truppenarzt der SS-Division „Das Reich“ nahm Mrugowsky von Mai bis Oktober 1940 am Frankreichfeldzug teil, 1942 wurde er zum „Seuchenkommissar für das Ostland“, 1943 zum „Obersten Hygieniker beim Reichsarzt SS und Polizei“ ernannt.562 In dieser Position war er in zahlreiche Humanexperimente an KZ-Häftlingen involviert und führte im Konzentrationslager Sachsenhausen persönlich Versuche durch, in 557 Vgl. UAH, PA 11613 Mrugowsky, UAH Rep. 6 Nr. 1407 sowie Lebenslauf, UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky, S. 1. Zu Weyrauch vgl. unten, Anm. 691. 558 Rektor an Kurator vom 28.09.1934, UAH PA 11613 Mrugowsky. Seine Habilitationsschrift habe Mrugowsky bislang noch nicht vorlegen können, „da er seit 1930 seine Zeit und seine Kraft der nationalsozialistischen Bewegung voll widmete.“ Darüber hinaus befinde er sich „in einer schwierigen Wirtschaftslage“, vgl. ebd. 559 Joachim Mrugowsky, Über den Bakteriengehalt von Anatomie-Leichen, Diss. med. Halle 1935. Vgl. Naucks „Bemerkungen zu der Arbeit Dr. Mrugowskys“, in: Anatomischer Anzeiger 81 (1935), S. 55–59 sowie Mrugowskys „Entgegnung zu den ‚Bemerkungen’ des Herrn Prof. Dr. Nauck“, in: ebd., S. 171–173. 560 Joachim Mrugowsky, Hygienische Untersuchungen in einem Mansfeldischen Bergmannsdorf, Halle 1938. 561 Lebenslauf, UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky, S. 2. 562 Vgl. SS-Sanitätsamt (Genzken) an den Chef des Personalhauptamtes der Waffen-SS, 07.05.1942, BArch Berlin/BDC SSO Joachim Mrugowsky.
6.3. Studienzeit und politische Prägung
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denen er die Wirkung von vergifteten Geschossen an Gefangenen erprobte. Ob er außerdem an der Beschaffung von Zyklon-B für die Gaskammern der Vernichtungslager beteiligt war, ist nicht abschließend geklärt. Im September 1944 wurde er zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Berlin ernannt. Bei der SS hatte er zuletzt den Rang eines Oberführers inne.563 6.3. STUDIENZEIT UND POLITISCHE PRÄGUNG Im Lebensweg Joachim Mrugowskys spiegeln sich viele Pathologien der deutschen Geschichte wider. Neben das Trauma des verlorenen Ersten Weltkriegs, in dem der Vater mehr oder weniger „umsonst“ sein Leben geopfert hatte, trat für Mrugowsky und viele andere Deutsche die Erfahrung tiefer politischer und wirtschaftlicher Krisen, bis im Jahr 1923 eine vorübergehende Konsolidierung eintrat. Freilich hielten die Konflikte zwischen den politischen Lagern beinahe unvermindert an. Bevor auf die Zeit eingegangen wird, die Mrugowsky als Student der Medizin und der Naturwissenschaften an der Universität Halle verbrachte, sollen kurz die zeitlichen Umstände und Hintergründe umrissen werden, in deren Rahmen ein Universitätsstudium in den Jahren der Weimarer Republik stattfand. Der Überblick dient auch dem Verständnis der Vorgänge, die sich an der Universität Halle und vielen anderen deutschen Hochschulen in den Jahren vor 1933 abspielten und die einen kaum zu unterschätzenden politischen Erfahrungsraum für den jungen Studenten Mrugowsky bildeten. 6.3.1. Exkurs: Studenten in der Weimarer Republik Die bedeutsame Rolle, die Studenten sowohl beim Untergang der Weimarer Republik als auch beim Aufstieg des Nationalsozialismus spielten, ist mittlerweile wissenschaftlich ausführlich dargestellt und sowohl von politischer wie auch sozioökonomischer Seite beleuchtet worden.564 Die nach 1918 in großen Teilen der deutschen Gesellschaft herrschende Kontinuität konservativer und monarchistischer Geisteshaltung fand sich auch in der Studentenschaft wieder. Die Mehrzahl der zwischen 1918 und 1933 Studierenden lehnte Republik und Parlamentarismus als „Staatsform der Sieger“ ab. Viele Nachkriegsstudenten, die als Frontkämpfer aus dem verlorenen Ersten Weltkrieg an die Universitäten zurückkehrten, klammerten sich an den Gedanken einer militärischen und biologischen „Wiederaufrichtung“ des Reiches. Sie bildeten, zusammen mit jüngeren Kommilitonen, die keine Frontkämpfer waren, die aktivsten Mitglieder der deutschen Freikorps, welche gewaltsam und fanatisch gegen Linksrevolutionäre und Kommunisten vor563 Schreiben Mrugowskys an SS-Personalhauptamt Berlin vom 14.10.1944, BArch Berlin/BDC SSO Joachim Mrugowsky. 564 Vgl. etwa Bleuel/Klinnert (1967), Faust (1973), Kater (1975), Chroust (1994). Eine Überblicksdarstellung findet sich bei Wehler (2003), S. 462–472.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
gingen.565 Pazifismus galt diesen Studenten als Verrat an den Toten des Weltkriegs, und in diesem Sinne Verdächtige wurden als Vaterlandsverräter gebrandmarkt und verfolgt.566 Bei diesen Unternehmungen trat neben den nationalen auch der völkische Gedanke: eine „Gesundung“ der Nation sei nur möglich auf der Grundlage einer rassisch homogenen „Volksgemeinschaft“, die fremde Elemente, namentlich die Juden, auszusondern habe. In der Studentenschaft etablierte sich in den Jahren der Weimarer Republik ein starker Antisemitismus, der nicht zuletzt aus der Angst vor jüdischer Konkurrenz auf dem akademischen Arbeitsmarkt herrührte.567 Unter Medizinstudenten war dieses Denken besonders stark verbreitet, von ihnen ging „die stärkste antisemitische Aktivität beruflich orientierter Gruppen [...] aus.“568 Die Studierenden sahen sich in der Weimarer Republik mit völlig neuen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten konfrontiert. Das aus der wilhelminischen Zeit stammende elitäre Selbstverständnis stimmte nicht mehr mit den tatsächlichen Lebensbedingungen überein. Arbeiter und Angestellte gewannen an sozialem Prestige und waren im Vergleich mit Studierenden ökonomisch vielfach besser gestellt. Durch die kriegs- und inflationsbedingte Schwächung des gesellschaftlichen Mittelstandes wuchs in vielen Elternhäusern die wirtschaftliche Not, so dass sich etliche Hochschüler nur mühsam über Wasser halten konnten.569 Aufgrund der Überfüllung vieler akademischer Berufe mangelte es zudem an Perspektiven – dies galt in besonderem Maße für die Medizin. Von den wechselnden Reichsregierungen fühlten sich die notleidenden Studierenden im Stich gelassen, nur wenige erhielten Hilfe durch staatliche Unterstützungsprogramme. Die politische Organisation des akademischen Nachwuchses präsentierte sich in der Weimarer Zeit diffus und uneinheitlich. Zwar waren ungefähr 60 Prozent der Studenten Mitglied in einer studentischen Korporation,570 doch war das Verbindungswesen nicht geeignet, verbreitete soziale und ökonomische Existenzängste der Studenten zu mildern oder auch nur zu artikulieren. Jenseits der in zahlreiche Verbände und Bewegungen aufgesplitterten Gruppierungen existierte bis zum Ende der 20er Jahre keine einheitliche hoch565 Vgl. die Ermordung von 15 Arbeitern im thüringischen Mechterstedt durch ein studentisches Freikorps aus Marburg. Vgl. dazu etwa Bleuel/Klinnert (1967), S. 72–76. Freikorpsmitglieder waren beispielsweise auch der spätere „Reicharzt-SS“ Ernst Robert Grawitz und der spätere „Reichsärzteführer“ Leonardo Conti; letzterer gehörte der berüchtigten Garde-Kavallerie-Schützen-Divison an, die für die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich war. 566 Vgl. etwa die Vertreibung des Medizinprofessors Georg Friedrich Nicolai von der Berliner Universität Anfang der 1920er Jahre, bei der sich der spätere „Reichsärzteführer“ und damalige Medizinstudent Leonardo Conti besonders hervortat. Eine beinahe identische Aktion fand einige Jahre später an der Universität Halle unter Führung Joachim Mrugowskys statt, worauf später noch eingegangen wird. 567 Kater (1975), S. 145–162. Zum studentischen Antisemitismus siehe Bleuel/Klinnert (1967), S. 130–173. 568 Bleuel/Klinnert (1967), S. 153. 569 Siehe u.a. Mens (2001). 570 Kater (1975), S. 80.
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schulpolitische Vereinigung, die die Interessen der Studierenden hätte bündeln und vertreten können. Die aufkommende nationalsozialistische Bewegung sahen viele Studierende als einen Ausweg aus der Krise an. Parolen des 1926 gegründeten Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), die sich zunächst in erster Linie auf die „unsozialen Verhältnisse an den Hochschulen“571 bezogen, fielen auf fruchtbaren Boden – umso mehr angesichts einer fehlenden politischen Sammlungsbewegung innerhalb der Studentenschaft. Der NSDStB konnte hier eine Lücke füllen und zog neben verarmten Studenten, die einst seinen Kern gebildet hatten, zunehmend auch Hochschüler anderer Kreise an.572 In den folgenden Jahren entwickelte sich der NSDStB zum mit Abstand stärksten politischen Studentenverband; die immer engere Zusammenarbeit mit den ebenfalls völkischnational geprägten Korporationen marginalisierte die ohnehin nur schwachen republikanischen Gruppierungen vollends. An beinahe allen Hochschulen gelangen 1930 den „akademischen Jungnazis“ (Hans-Ulrich Wehler) spektakuläre Wahlerfolge. In den Studentenparlamenten hatte die Machtübernahme der Nationalsozialisten somit bereits lange vor 1933 stattgefunden.573 6.3.2. „Ein armer, magerer und abgehärmt aussehender Kerl“ – als Student an der Universität Halle Wie an anderen Universitäten auch fanden an der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg, die im November 1933 in Martin-Luther-Universität umbenannt wurde, erhebliche Auseinandersetzungen zwischen nationalsozialistischen Studierenden und politisch andersdenkenden Kommilitonen und Dozenten statt. Anfang der dreißiger Jahre gewannen in diesen Konflikten die Nationalsozialisten allmählich die Überhand, und es zeigte sich, dass die Mehrzahl der Professoren mit den nazistischen Studenten sympathisierte.574 Als Joachim Mrugowsky im Herbst 1925 sein Medizinstudium an der Universität Halle begann, hatte er nach eigenen Angaben die Entwicklung „zum völkischen Menschen“575 bereits hinter sich. Seine politischen Wurzeln sah Mrugowsky in der deutschen Jugendbewegung.576 Als Schüler neigte er nach eigenen Angaben 571 Völkischer Beobachter, 08.07.1926, zitiert nach Kater (1975), S. 112. 572 Dieser Wandel spiegelte sich auch in der Übernahme der Führung des NSDStB durch den großbürgerlichen Germanistikstudenten Baldur von Schirach im Jahre 1928 wider. 573 Wehler (2003), S. 468. Dort auch Wahlergebnisse; zu den Zahlen an der Universität Halle siehe unten. Vgl. auch Chroust (1994) und Wieben (1994). 574 Beispiele bei Faust (1973). Zur politischen Lage in der Stadt und an der Universität Halle siehe Schmuhl (2007), Eberle (2002). Zur Situation an der Medizinischen Fakultät Halle vgl. auch Kaiser/Völker (1985b). 575 Handschriftlicher Lebenslauf vom 10.02.1934, BArch Berlin/BDC, RS Joachim Mrugowsky. 576 Ebd. Einem Schulfreund zufolge war der naturverbundene Mrugowsky bei den Wandervögeln aktiv, vgl. eidesstattliche Erklärung Kurt Feuerhake vom 10.03.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05355.
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zeitweise dem Kommunismus zu. In Halle fand Mrugowsky Kontakt zum Kyffhäuser-Verband der Vereine deutscher Studenten (VDST), deren Mitglied er bald darauf wurde.577 Der 1881 gegründete VDST war ein ausgesprochen reaktionärer und antisemitischer Studentenverband,578 der bereits in den 1920er Jahren enge Verbindungen zum Nationalsozialismus und später auch zum Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) besaß.579 Aus der Verbandszeitschrift lässt sich ersehen, dass die VDST-Mitglieder regelmäßig in Form von Vorträgen mit rechts-völkischem Gedankengut indoktriniert wurden.580 Nebenbei arbeitete Mrugowsky darüber hinaus auch im nationalistisch geprägten „Verein für das Deutschtum im Ausland“ mit. Zwar schien durch das Studium zunächst die Gefahr eines beruflichen und sozialen Abstiegs gebannt, doch steckte er weiterhin in sozialen und finanziellen Nöten.581 Die sozialrevolutionär anmutenden Parolen des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes beeindruckten den um seinen Lebensunterhalt kämpfenden Studenten. Dem NSDStB haftete zudem der Ruf an, sich für sozial schwache Kommilitonen einzusetzen.582 Im Januar 1930 stellte Mrugowsky den Antrag auf Aufnahme in die NSDAP und trat der Partei im März desselben Jahres bei. Von der NSDAP habe er sich, so Mrugowsky rückblickend, eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland versprochen, von der er selbst erheblich betroffen war.583 Noch 1930 wurde er zum Hochschulgruppenführer des NSDStB an der Universität Halle ernannt. Auch 1931 behielt Mrugowsky die örtliche Leitung des NSDStB, der eng an die Ortsgruppe der NSDAP in Halle angebunden war.584 Nicht ohne Stolz wies er später
577 Siehe handschriftlicher Lebenslauf vom 10.02.1934, BArch Berlin/BDC, RS Joachim Mrugowsky. 578 Der Kyffhäuserverband huldigte von Anfang an dem völkischen Prinzip und galt mit seinem nach 1918 ausdrücklich beibehaltenen Wahlspruch „Mit Gott für Kaiser und Reich“ auch nach der Revolution als „Leibgarde der Hohenzollern“, siehe Bleuel/Klinnert (1967), S. 21, 56, 59. Kater (1975), S. 146. 579 Bleuel/Klinnert (1967), S. 96, Kater (1975), S. 139. 580 Vgl. die „Berichte aus den Bundeshäusern“ in: Akademische Blätter. Zeitschrift des Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten 43 (1928/29), S. 57 und passim. Auch Mrugowsky selbst hielt seinen Bundesbrüdern Vorträge, so zum Beispiel im Februar 1928 in der Reihe „Westfragen“ über den „Rheinbundgedanken in Frankreich“, vgl. Akademische Blätter 42 (1927/28), S. 180. 581 In der Erinnerung Theodor Brugschs war Mrugowsky „ein armer, magerer und abgehärmt aussehender Kerl. Seine Schwester hatte Tuberkulose.“ Brugsch (1957), S. 296. Auch als Hilfsassistent am Hygiene-Institut benötigte Mrugowsky noch Gehaltsvorschüsse und musste an Zahlungsverpflichtungen erinnert werden, vgl. UAH PA 11613 Mrugowsky. 582 Vgl. dazu allgemein Faust (1973) sowie Kater (1975), S. 113f. 583 „Ich hatte bereits eingangs geschildert, dass ich selbst ziemlich stark in die wirtschaftliche Not der damaligen Zeit einbezogen wurde und nach dem Programm dieser Partei glaubte ich und hoffte es, dass diese Partei es fertigbringen würde, Deutschland aus der damaligen wirtschaftlichen Not herauszuführen.“ Aussage Mrugowskys im Ärzteprozess, Edition Ärzteprozess Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05295. 584 Diese organisierte Veranstaltungen unter anderem mit Gregor Strasser und Hermann Göring, vgl. Eberle (2002), S. 31.
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darauf hin, dass der NSDStB in beiden Jahren erstmals bei den Wahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss eine Mehrheit erhielt.585 Die Parteiarbeit sowie die Werbung und Schulung neuer Mitglieder, die vor allem den Korporationen entstammten,586 nahmen Mrugowsky stark in Anspruch. Dass er seine eigene Zukunft inzwischen nicht mehr in der Medizin, sondern innerhalb einer der Gliederungen der NSDAP plante, zeigte sich, als Theodor Brugsch,587 damals Direktor der Medizinischen Klinik in Halle, Mrugowsky eine Assistentenstelle in seiner Klinik anbot. Mrugowsky lehnte ab, er habe „höhere Aufgaben“ zu erfüllen, ließ er Brugsch wissen.588 6.3.3. Rechtsradikale Agitation: Mrugowskys Rolle im „Fall Dehn“ Doch vorerst blieb Mrugowskys Wirkungsfeld die Universität Halle. Hier fiel er bald auf wegen seiner Hetztiraden gegen das „spießerische Bürgertum“ und wegen seiner Forderung, mit Sozialisten und Liberalen „reinen Tisch zu machen“.589 Im Kreis der Professoren traf er damit nicht selten auf stillschweigendes Einverständnis oder gar Unterstützung.590 In seiner Zeit als Hochschulgruppenführer des NS-Studentenbundes in Halle organisierte Mrugowsky eine der größten Protestaktionen nationalsozialistischer Studenten gegen einen missliebigen Professor, die es in der Weimarer Republik bis dahin gegeben hatte.591 Auf Vorschlag des preußischen Kultusministers Adolf Grimme wurde im Februar 1931 der sozialistisch und pazifistisch geprägte Berliner Pfarrer Günther Dehn592 auf den vakanten Lehrstuhl für praktische Theologie an der Universität 585 Handschriftlicher Lebenslauf vom 10.02.1934, BArch Berlin/BDC, RS Joachim Mrugowsky. Bei den AStA-Wahlen im Wintersemester 1930/31 konnte der NSDStB 12 von 24 Sitzen erobern, vgl. UAH Rep. 4, Nr. 1800, Bl. 54. 586 „Eine enttäuschend ‚schwach’ verlaufende Feier zum Gedenken an die Schlacht bei Langemarck trieb dem NSDStB die Korpsstudenten in Scharen zu.“ Eberle (2002), S. 30. 587 Theodor Brugsch (1878–1963), Internist, 1909 Professur in Berlin, 1927 Berufung zum Direktor der Medizinischen Universitätsklinik in Halle. 1935/36 erzwangen die Nationalsozialisten seinen Rückzug von diesem Posten, Brugsch betrieb daraufhin eine Praxis in Berlin. Nach 1945 leitete er die I. Medizinische Klinik der Charité und beteiligte sich am Wiederaufbau des Gesundheitswesens in der sowjetischen Besatzungszone. 588 Brugsch (1957), S. 296f. 589 UAH Rep. 4, Nr. 1800, Bl. 18. 590 Zu den Unterstützern gehörte beispielsweise der spätere Rektor der Universität, Johannes Weigelt, vgl. dazu oben, Anm. 554 sowie Eberle (2002), S. 139. 591 Es ist sicherlich kein Zufall, dass eine Aktion von ähnlicher Bedeutung 1923 von Mrugowskys späterem Mitstreiter, Reichsärzteführer Leonardo Conti, an der Universität Berlin angeführt wurde. Ziel war damals der jüdische Professor und Pazifist Georg Friedrich Nicolai, vgl. Zuelzer (1981), Kater (1985a), S. 302 sowie Maggi (1999), S. 25–27. Siehe auch Ruprecht (1992), S. 37–47. 592 Günther Dehn (1882–1970) wurde nach dem Philologie- und Theologiestudium 1911 Pfarrer in Berlin. Er bemühte sich um die proletarische Großstadtjugend und gründete den „Bund religiöser Sozialisten“, von dem er sich später wieder abwandte. 1931 Berufung zum Professor für praktische Theologie nach Halle, 1932 Beurlaubung, seit 1935 Lehrtätigkeit an der
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Halle berufen.593 Geschah bereits dies gegen erheblichen Widerstand der Theologischen Fakultät, so entwickelte sich unter den rechtsstehenden Studenten ein regelrechter Proteststurm. Sie hielten Dehn einen 1928 in der Magdeburger Ulrichskirche gehaltenen Vortrag über das Gebot „Du sollst nicht töten“ vor, in dem dieser verhaltene Kritik an der romantischen Verklärung des Krieges geübt hatte. Ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung hatte Dehn in diesem Vortrag abgelehnt, jedoch davor gewarnt, „dem Krieg ein romantisches oder gar christliches Gesicht zu geben“. Wer als Soldat getötet worden sei, habe auch selbst töten wollen, daher sei ein solcher Tod aus christlicher Sicht kein „Opfertod“. Dehn warf sodann die Frage auf, ob man nicht die Militärgeistlichkeit abschaffen sollte und ob es „richtig“ sei, „dass die Kirche den Gefallenen Denkmäler in ihren eigenen Mauern errichtet.“594 In einem am 4. Februar 1931 verteilten Flugblatt brandmarkte der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund Dehn als „Pazifisten“ und Beschimpfer der im Ersten Weltkrieg Gefallenen; noch dazu wolle er „die deutschen Kinder zum krassesten und feigen Pazifismus erziehen“.595 Initiator und Mitverfasser dieses Flugblattes war der Hochschulgruppenführer des NSDStB Joachim Mrugowsky, bei dem Dehns Äußerungen einen Nerv getroffen hatten. Der Senat der Universität Halle nahm dieses Flugblatt zum Anlass, den NSDStB an der Universität für ein halbes Jahr zu verbieten.596 Der Popularität des Bundes, der sich nun „Kampfzelle der NSDAP Hochschule Halle“ nannte, tat dies jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil, seine Mitgliederzahl wuchs erheblich an.597 Auch die in Halle erscheinende „Saale-Zeitung“ stand den nationalsozialistischen Studenten wohlwollend gegenüber und bot Mrugowsky eine Plattform, um gegen Dehn und dessen Fürsprecher Grimme zu polemisieren.598 Im Herbst 1931 – Mrugowsky war bereits als Medizinalpraktikant in Küstrin tätig – eskalierte der Kampf gegen Dehn. Die aufgehetzte Studentenschaft drohte mit dem Auszug der Studenten aus Halle und versuchte die Professoren zu überzeugen,
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Hochschule der Bekennenden Kirche in Berlin, 1941 Verhaftung aus politischen Gründen. 1946–1953 Professor der praktischen Theologie in Bonn. Zu Einzelheiten des „Hallischen Universitätskonflikts“ siehe UAH PA 5296 Dehn, UAH Rep. 6 Nr. 1357 sowie Heiber (1991), S. 82–108 und zeitgenössisch Dehn (1931). Zur Sichtweise der NS-Studenten siehe deren Lageberichte in BArch Berlin, NS 38, Nr. 2040. Grimme selbst war zuvor anlässlich eines Besuches in Halle bereits Anfeindungen von studentischer Seite ausgesetzt gewesen, einer der Initiatoren war auch hier Mrugowsky. Dehn (1931), S. 6. Rechtsstehende Kreise hatten diese Äußerungen bereits zum Anlass genommen, Dehns Berufung nach Heidelberg zu verhindern, vgl. Heiber (1991), S. 83–89. Das Flugblatt findet sich in UAH Rep. 6 Nr. 1357. Der Beschlusstext des Senats mitsamt Begründung ist abgedruckt bei Dehn (1931), S. 46–49. Gegenüber dem Reichsleiter des NSDStB, Baldur von Schirach, beklagte sich Mrugowsky über die daraus entstehenden Organisationsprobleme: „Es laufen soundso viele an der Universität herum mit dem Abzeichen, die man nicht kennt und die man nicht erfassen kann.“ Mrugowsky in einem Schreiben an Schirach, 21.01.1931, zitiert nach Kater (1975), S. 177. Vgl. „Saale-Zeitung“, 14.02.1931.
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„daß jeder deutschdenkende und deutschfühlende Volksgenosse einem Manne, der dem Opfertode unserer gefallenen Kommilitonen und Frontkämpfer mit Zweifeln begegnet, glühenden Haß und tiefste Verachtung entgegensetzen muß.“599
Noch verteidigte die Universität unter ihrem Rektor Gustav Aubin die Freiheit von Forschung und Lehre gegen die nationalsozialistische Agitation. Als zu Semesterbeginn nationalsozialistische Studenten, unterstützt durch die örtliche SA, die Vorlesungen Dehns massiv störten, kam es zu Zusammenstößen mit der hinzugerufenen Polizei. Zuvor hatte sich auch Mrugowsky noch einmal mit einem Flugblatt in die Aktion eingeschaltet.600 Allmählich verlor Dehn den Rückhalt der Professorenschaft. Im Oktober 1932 ließ er sich zunächst für zwei Semester beurlauben. Ein Jahr später, im November 1933, entließ man ihn unter Berufung auf § 4 („politische Unzuverlässigkeit“) des von den Nationalsozialisten geschaffenen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Staatsdienst.601 Dehn hatte bereits 1931 die Auseinandersetzungen um seine Person sehr weitsichtig als Vorspiel kommender Ereignisse gedeutet und mahnte jeden, der es lesen wollte: „Es kann sein, daß die Kirche der Gegenwart an der Schwelle schwerster Kämpfe mit dem modernen Nationalismus steht, in denen sie in ihrer Existenz gefordert sein wird. [...] Hier muß Widerstand geleistet werden. Man pflegt der Jugend in ihren gegenwärtigen Kämpfen ja meist einen, wenn auch irregeführten Idealismus lobend zuzugestehen. Ich möchte dagegen doch ernste Bedenken äußern. Verzerrter Idealismus ist Dämonie. Es ist ja einfach nicht wahr, daß diese fanatische, meinetwegen religiös gefärbte, tatsächlich aber von Gott gelöste Vaterlandsliebe dem Vaterland wirklich hilft. Im Gegenteil, sie wird das Vaterland ins Verderben führen.“602
Mrugowsky wiederum nutzte seine aktive Rolle im „Fall Dehn“ als eine Art politische Referenz. In späteren Lebensläufen schmückte er sich mit seiner Teilnahme am „Widerstand gegen den berüchtigten Pazifistenführer Dehn.“603
599 „Der Kampf“, Nr. 99 vom 17.10.1931, archiviert als Zeitungsausschnitt in UAH PA 5296 Dehn. An gleicher Stelle heißt es weiter, „daß ein Mann, der der Kriegsdienstverweigerung Rechte einräumt, schwerste[s] Verbrechen gegen Volk und Vaterland“ begehe. 600 Siehe Eberle (2002), S. 34. 601 Preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung an Kurator der Universität Halle sowie an Professor Günther Dehn, 21.11.1933, UAH PA 5296 Dehn. Wegen „Staatsgefährlichkeit“ verbrachte Dehn während des Krieges ein Jahr im Gefängnis. Nach dem Krieg lehrte er in Bonn, 1962 veröffentlichte er seine Lebenserinnerungen, vgl. Dehn (1962). 602 Dehn (1931), S. 90. 603 Lebenslauf, UAHU ZB II A9 1931, K 65 Mrugowsky, S. 3.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
6.4. KARRIERE IN SICHERHEITSDIENST UND SS „Durch alle diese Unterlagen wird bewiesen, dass Mrugowsky seiner ganzen Einstellung und Lebensführung nach nicht das war, was man unter einem SSMann versteht.“604 Mit diesen Worten versuchte Mrugowskys Verteidiger, Fritz Flemming, 1947 die Mitgliedschaft seines Mandanten in der Schutz-Staffel (SS) zu relativieren, die bereits im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess als verbrecherische Vereinigung eingestuft worden war. Zu den genannten Materialien gehörte eine Erklärung des Hamburger Professors Adolf Meyer-Abich,605 der folgende Begebenheit zu Protokoll gab: „Ich erinnere mich noch gut eines Gespräches, das ich mit Prof. Abderhalden, der in Halle Mrugowskys Lehrer gewesen war, anlässlich einer Leopoldina-Tagung über Mrugowsky hatte. ‚Ein Jammer, dass dieser ausgezeichnete Mensch und Forscher in die SS geraten ist’.“606
Es spricht wenig für die Annahme, Mrugowsky sei Anfang der 1930er Jahre einfach in die SS hineingeraten. Seine eigene, rückblickende Darstellung deutet vielmehr auf eine sehr bewusste Entscheidung hin, 1931 von der SA zur SS zu wechseln: „1931 galten für die SS als Leitgedanke die Grundsätze, dass diese Vereinigung eine Art ‚Neue Garde’ bilden sollte. [...] Ich bin damals in die SS eingetreten, weil ich glaubte, in dieser Organisation am besten meinem Volke dienen zu können, um an dem wirtschaftlichen Aufbau und der Beseitigung der sozialen Not auch gerade in meinem Beruf als Arzt teilnehmen zu können.“607
Diese Beweggründe dürfte Mrugowsky seinerzeit mit vielen anderen SS-Angehörigen der ersten Stunde geteilt haben. Am ungesetzlichen und brutalen Vorgehen der SS als Parteiarmee der NSDAP konnte jedoch damals schon kein Zweifel bestehen. Daran ändern auch die nachträglichen Versuche Mrugowskys nichts, eine innere Distanz zur SS zu konstruieren.608 Zwischen 1934 und 1936 arbeitete Mrugowsky außerdem für den Sicherheitsdienst (SD), der für die Be-
604 Flemming in seinem Plädoyer, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 06022. 605 Adolf Meyer-Abich (1893–1971), Biologe, Philosoph und Wissenschaftshistoriker, Studium in Göttingen und Jena, 1930 apl. Professor in Hamburg, zwischenzeitlich Professor in Santiago de Chile. 1958 Lehrstuhl in Hamburg. Meyer-Abich gilt als Mitbegründer des Holismus, der Lehre, wonach alle Daseinsformen der Welt danach streben, ein Ganzes zu sein. 606 Eidesstattliche Erklärung Adolf Meyer-Abich vom 01.03.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05406, Hervorhebung im Original. 607 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05296. 608 In dieser Weise wollte Mrugowsky seine kirchliche Trauung mit der Pastorentochter Ursula Bredereck aus Strausberg verstanden wissen; zudem sei er nicht aus der Kirche ausgetreten, was für SS-Angehörige ungewöhnlich gewesen sei, vgl. Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05298. Mrugowskys Ehefrau war seit 1931 Mitglied der NSDAP, vgl. BArch Berlin/BDC RS Joachim Mrugowsky. Dort auch die umfangreichen Abstammungsnachweise zur Erlangung der nötigen Heiratserlaubnis durch Himmler.
6.5. Mrugowsky und die Kriegsjugendgeneration
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kämpfung politischer Gegner zuständig war.609 Im Sommersemester 1935 ließ er sich von seiner zuvor mühsam erlangten Lehrtätigkeit in Halle beurlauben, um die Leitung des SD-Oberabschnittes Nord-West in Hannover übernehmen zu können.610 Im folgenden Wintersemester erhielt er einen Lehrauftrag für „Menschliche Erblehre und Rassenhygiene“ an der Technischen Hochschule Hannover. Nach Verlassen des Sicherheitsdienstes erfolgte 1937 der Eintritt in die Waffen-SS.611 Diese durchlief in jenen Jahren der Kriegsvorbereitung eine Phase der stürmischen Expansion, an der Mrugowsky insofern teil hatte, als er das Hygienewesen der SS aufbaute. Bis Ende 1938 war er zudem Regimentsarzt der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“. In einer Beurteilung durch die Gauleitung der NSDAP in Halle hieß es 1939: „M. ist Nationalsozialist vom Scheitel bis zur Sohle.“612 6.5. MRUGOWSKY UND DIE KRIEGSJUGENDGENERATION Der 1905 geborene Mrugowsky entstammte jener Generation, die der Historiker und Kulturphilosoph Günther Gründel in einer 1932 erschienenen Studie als „Kriegsjugendgeneration“ bezeichnet hat. Dieser fehlte zwar das Fronterlebnis, doch blieb der Erste Weltkrieg mitsamt seinen Auswirkungen den zwischen 1900 und 1910 Geborenen als prägendes Erlebnis zeitlebens präsent.613 Der Kriegsbegeisterung von 1914 folgte oftmals der Verlust der Väter sowie das Erleiden von Hunger und Entbehrungen gegen Kriegsende, schließlich die nationale Niederlage und der Umsturz der alten Ordnung. „Das Volk, die Nation und die bösen Feinde waren bereits aktivste Faktoren in unserer harmlosen Kinderwelt“, schrieb der 1903 geborene Gründel.614 Ulrich Herbert spricht in seiner Studie über den Stellvertreter Reinhard Heydrichs und deutschen Statthalter in Dänemark, Werner Best, von einem generationellen Stil, dessen vorherrschende Kennzeichen 609 Vgl. Dienstlaufbahn Mrugowskys in SS und SD, BArch Berlin/BDC SSO Mrugowsky. In Bezug auf akademische Ausbildung und sozialen Status passte Mrugowsky gut in die Gruppe der frühen SD-Mitarbeiter, vgl. dazu Browder (1996), S. 130–152. 610 Vgl. Schreiben Mrugowskys an Hygienisches Institut Halle, 28.05.1935, UAH, PA 11613. 611 Zu den Beweggründen für das Verlassen des SD siehe Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05296–05297 sowie Browder (1996), S. 239. Die Einschätzung, dass Männer, die bereits vor 1939 der Waffen-SS angehörten, sich in besonderer Weise mit der NS-Ideologie identifiziert hätten, ist jüngst von Cüppers (2005) nochmals bestätigt worden. 612 Beurteilung durch den Führer des NS-Dozentenbundes Halle-Merseburg vom 20.02.1939, UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky. 613 Vgl. Gründel (1932), S. 31–42. Gründel unterschied zwischen drei Gruppen, deren Jugend durch „Weltkrieg, Umsturz und Kulturkrise“ geprägt worden sei. Die Jahrgänge zwischen 1890 und 1900 gehörten für Gründel der „jungen Frontgeneration“ an, die zwischen 1900 und 1910 Geborenen bildeten die besagte „Kriegsjugendgeneration“, während die „Nachkriegsgeneration“ die nach 1910 Geborenen umfasse. Vgl. Gründel (1932), S. 22–63. Siehe auch Herbert (1991). Generell zum Begriff der Generation siehe Reulecke (2003), Schulz/ Grebner (2003) sowie Jureit/Wildt (2005). 614 Gründel (1932), S. 33.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
„Kühle, Härte und Sachlichkeit“ gewesen seien.615 Best (1903–1989) gehörte wie Mrugowsky zu einer Gruppe, deren Jugend oft ähnliche Schicksale enthielt: „Verlust des Vaters, frühe Selbstständigkeit und Verantwortung, sozialer Abstieg, militärischer und politischer Zusammenbruch des Reiches [...]“.616 Peter Suhrkamp schrieb in einer zeitgenössischen Charakterisierung über die Angehörigen dieser Generation: „Das Bezeichnendste an ihnen ist ihr Mangel an Humanität, ihre Achtlosigkeit gegen das Menschliche.“617 Viele der späteren nationalsozialistischen Funktionsträger, insbesondere auch im medizinischen Bereich, lassen sich dieser gesellschaftlichen Gruppe zuordnen.618 Dass der Erste Weltkrieg und der Tod seines Vaters für Joachim Mrugowsky stets prägend blieben, deutet sich auch in einem Aufsatz an, den er 1936 für die „Nationalsozialistischen Monatshefte“ verfasste.619 In diesem Artikel versuchte Mrugowsky anhand von Briefen jüdischer und deutscher Frontsoldaten aus dem Ersten Weltkrieg die Existenz einer jüdischen „Rassenseele“ nachzuweisen und die von völkisch-nationalen Kreisen erfundene Legende der „Drückebergerei“ jüdischer Soldaten zu erneuern. Jüdische Soldaten hätten bei weitem nicht die Leistungen und Opfer erbracht wie ihre „deutschen“ Kameraden, letztere hätten zudem das höhere, völkische Sendungsbewusstsein besessen. Auffallend ist die Vehemenz, mit der sich Mrugowsky gegen die angeblich jüdische „Menschheitsidee“ wandte. Deutsche Soldaten definierten sich immer über ihre Volkszugehörigkeit, für jüdische Soldaten gebe es dagegen „noch etwas Höheres, und das heißt ‚Mensch sein’!“ Diese Einstellung sei jedoch gleichbedeutend mit „Verbrüderung, Gleichheit, Individualismus und Rassensumpf.“620 Die Ablehnung des Menschheitsbegriffes stellt sich hier als ein Grundmuster im Denken Mrugowskys dar. Dieses Merkmal war, wie oben gezeigt werden konnte, typisch für die Kriegsjugendgeneration. Gleichzeitig erneuerte Mrugowsky den Mythos vom Heldentod der Frontkämpfer, wobei im Hintergrund die Idealisierung der Vaterfigur zu ahnen ist. Wer diesen Heldenstatus nur ansatzweise in Frage stellte und damit den Sinn der Kriegsopfer in Zweifel zog, wurde – wie das Beispiel Günther Dehn zeigt – hasserfüllt bekämpft.621 615 616 617 618
Herbert (1996), S. 42–44; siehe auch schon Herbert (1991). Herbert (1996), S. 47. Suhrkamp (1932), S. 687. Vgl. auch Niekisch (1965) sowie Kapitel 2.4. dieser Arbeit. Viele SS-Ärzte verfügten über eine ähnliche Biographie wie Mrugowsky, vgl. etwa Walter Sonntag (1907–1948), Lagerarzt des KZ Ravensbrück; Friedrich Mennecke (1904–1947), „Euthanasie“-Arzt in Eichberg und Karl Brandt (1904–1948). Zu Sonntag siehe Stoll (2002), zu Mennecke Chroust (1987), zu Brandt Schmidt (2007). Michael Wildt hat in seiner Studie über die „Generation des Unbedingten“ gezeigt, dass sich das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) zu mehr als drei Vierteln aus Angehörigen der Kriegsjugendgeneration zusammensetzte, vgl. Wildt (2002), S. 25. 619 Mrugowsky (1936). 620 Ebd., S. 636f. 621 Vgl. auch Herbert (1996), S. 47, der Werner Best mit den Worten zitiert: „Mein Leben stand deshalb schon von der Kindheit an unter dem Zeichen der Pflicht, sich ganz für eine Wiedererhebung Deutschlands einzusetzen, damit der Heldentod meines Vaters nicht umsonst gewesen sei.“
6.6. Völkische Ideologie und Hygiene
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6.6. VÖLKISCHE IDEOLOGIE UND HYGIENE Die Hygiene als Wissenschaft befand sich während der Zeit des Nationalsozialismus in einem Umbruch. Wie in anderen Bereichen auch bekämpften nationalsozialistische Forscher die exakte, auf empirischen Daten basierende Wissenschaftstheorie als Produkt einer vergangenen, „mechanistisch“ und „materialistisch“ geprägten Epoche.622 Dies zeigte sich unter anderem in einer Geringschätzung der experimentellen Bakteriologie, deren Leistungen insbesondere von politisch rechtsstehenden Fachvertretern, darunter auch Mrugowsky, in Frage gestellt wurden. In der Folge kam es im Bereich der Hygiene in den 1930er Jahren zu einer Renaissance miasmatischer Theorien der Krankheitsentstehung, die ihren Ursprung im ausgehenden 19. Jahrhundert hatten.623 Die SS erhob die Hygiene neben der Rassenforschung zu einer Leitwissenschaft, weil dieses Fach die wissenschaftlichen Termini zu bieten schien, die es erlaubten, die Blut- und Boden-Mythologie wissenschaftlich zu untermauern.624 In der epidemiologischen Forschung gewannen geographische und konstitutionelle Konzepte an Bedeutung. 1931 hatte der Hygieniker Heinz Zeiss625 die Seuchenlehre Pettenkofers unter dem Namen „Geomedizin“ reaktiviert und erweitert. Diese „Wissenschaft von der raumbezogenen Medizin“ orientierte sich unter Zeiss, der lange Zeit in Russland tätig gewesen war, vor allem nach Osteuropa. Rassische Disposition, volkskundliche Belange sowie Boden- und Klimaverhältnisse galten in der Geomedizin als entscheidende Virulenzfaktoren bei Epidemien.626 Dieser neomiasmatischen Denkrichtung gehörten neben Heinz Zeiss auch Ernst Rodenwaldt627 und Joachim Mrugowsky an. Letzterer definierte die Hygiene in seiner Habilitationsschrift unter anderem als „Umweltforschung“ und grenzte sich scharf von der Milieutheorie Rudolf Virchows ab; diese sei „mechanistisch“ und entspreche „der Weltanschauung einer vergangenen Zeit“.628 Der Hygienebegriff müsse überdies um 622 Mrugowsky (1939), S. 10. 623 Miasma steht im Griechischen für „übler Dunst“ oder „Verunreinigung“. Allgemein zur „hygienischen Revolution“ im ärztlichen Denken siehe Labisch (2001), S. 68–80. 624 Vgl. Hansen (1993), S. 72f. 625 Zu Zeiss vgl. oben, Anm. 250. 626 Vgl. Rodenwaldt/Zeiss (1936) sowie Mrugowsky (1939), S. 219. Siehe auch Schleiermacher (2005), (2008). 627 Ernst Rodenwaldt (1878–1965) war von 1910 bis 1913 als Regierungsarzt in Togo, nach dem Ersten Weltkrieg als Malariaforscher in Indonesien tätig. Redakteur der völkischen Zeitschrift „Volk und Rasse“ mit zahlreichen Veröffentlichungen zur Rassenhygiene. Seit 1935 Ordinarius für Hygiene in Heidelberg, im Zweiten Weltkrieg beratender Tropenhygieniker der Wehrmacht in Afrika und Südeuropa. 1952 gründete Rodenwaldt als Emeritus eine geomedizinische Forschungsstelle an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und gab mit amerikanischer Unterstützung einen „Welt-Seuchen-Atlas“ heraus. 628 Mrugowsky (1939), S. 6. Zwar teilte Mrugowsky die liberalen Überzeugungen Virchows nicht, jedoch bewunderte er dessen Tätigkeit als Sozialreformer und die kritische Einstellung gegenüber der Bakteriologie. In Mrugowskys späterem Dienstzimmer hing angeblich statt des obligatorischen Hitler-Bildes ein Porträt Virchows, vgl. eidesstattliche Erklärung Fritz Krantz vom 25.07.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05596.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
anthropologische, genetische, psychologische und historische Aspekte erweitert werden.629 Mrugowskys naturwissenschaftliche Dissertation beschäftigte sich mit der „Soziologie und Ökologie“ von Gipspflanzen im Bereich des mythenbehafteten Kyffhäuser-Höhenzugs. Erkenntnisse aus dieser Arbeit verwendete er in seinen Kursen zur menschlichen Erblehre und Rassenhygiene in Halle und Hannover.630 Mrugowsky hatte während seines Studiums in Halle Vorlesungen des Genetikers Valentin Haecker631 besucht, der neben der Einführung in die Zoologie stets auch Vorlesungen zur Vererbungs- und Abstammungslehre sowie zur menschlichen Rassen- und Familienforschung anbot und bereits Heinrich Himmler als Lehrer gedient hatte.632 Haecker habe ihn, so Mrugowsky 1934, „aufs Nachhaltigste beeinflusst.“ Als seine akademischen Lehrer nannte Mrugowsky neben Haecker den Hygieniker Paul Schmidt, den Physiologen und Medizinethiker Emil Abderhalden sowie den Internisten Theodor Brugsch.633 Beträchtlichen Einfluss auf den jungen Studenten übte insbesondere der Hallenser Hygieniker Paul Schmidt634 aus, der bereits in den zwanziger Jahren neben der Bakteriologie auch Rassenhygiene las und anthropologische Messungen der Bevölkerung in Sachsen initiierte.635 Schmidt wurde zum eigentlichen Mentor Mrugowskys und verschaffte ihm 1933 nicht nur die dringend benötigte Anstellung als Hilfsassistent im Hygiene-Institut in Halle; er förderte und betreute neben Mrugowskys Promotion auch dessen Habilitation. In seiner Habilitationsschrift über „Hygienische Untersuchungen in einem Mansfeldischen Bergmannsdorf“ versuchte Mrugowsky anhand anthropologischer, bevölkerungsbiologischer und hygienischer Untersuchungen des Dorfes Volkstedt bei Eisleben den „Lebenskreis“ einer Dorfgemeinschaft darzustellen.636 Mit tatkräftiger Hilfe zahlreicher Studenten, die bei den ortsansässigen Bewohnern rassische Untersuchungen vornahmen,637 entstand somit eine Art medi629 Mrugowsky (1938), S. 16. Siehe auch Mrugowsky (1940). 630 Vgl. Weindling (2000), S. 249 sowie Mrugowsky (1931). 631 Valentin Haecker (1864–1927), Genetiker und Zoologe, zunächst in Freiburg und Stuttgart, seit 1909 an der Universität Halle. 1926 Rektor der Universität Halle. Haeckers „Allgemeine Vererbungslehre“ (1911) erreichte bis 1921 drei Auflagen. Haeckers Arbeitsgebiete waren neben der Phänogenetik auch die Familien- und Rassenforschung. 632 Vgl. Weindling (1994), S. 132 und Vorlesungsverzeichnis der Universität Halle-Wittenberg 1926–1927. 633 Vgl. Lebenslauf aus dem Jahr 1934, UAH PA 11613 Mrugowsky sowie Lebenslauf in Mrugowsky (1935). 634 Paul Schmidt (1872–1950) habilitierte sich 1907 in Leipzig und erhielt 1914 einen Ruf auf das Ordinariat für Hygiene an der Universität Gießen. Von 1917 bis zu seiner Emeritierung 1939 war er ordentlicher Professor in Halle und Leiter des Hygienischen Instituts. 635 Vgl. Mrugowsky (1938), S. 15. 636 Mrugowsky (1938). Die Schrift erschien im gleichen Jahr auch unter dem Titel „Biologie eines Mansfeldischen Bergmannsdorfes“ bei der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung in Berlin. 637 Dazu gehörte die Bestimmung von Haarfarbe, „Ohrhöhe“ und „Nasen-Index“ ebenso wie die Erhebung von Daten zu Menstruation und Menopause der Dorfbewohnerinnen, vgl. Mrugowsky (1938), S. 113, 127, 141. In den Dörfern scheint es dabei zu Auseinanderset-
6.6. Völkische Ideologie und Hygiene
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zinische Topographie, die auch soziale und kulturelle Aspekte berücksichtigte. Der dörfliche „Lebenskreis“, von Mrugowsky auch als „Schicksalsgemeinschaft“ bezeichnet, lässt erkennen, was zukünftig als vorrangiges Objekt hygienischer Forschung angesehen wurde: das Volk in seiner Gesamtheit, der Einzelne nur noch „als kleines Glied seiner Sippe und seines Volkes“.638 Die Geomedizin trat hier an die Stelle individueller Gesundheitsfürsorge.639 Mrugowskys Arbeit enthielt ein Geleitwort des „Reichsarztes-SS“ Ernst Robert Grawitz, in dem dieser die Hygieniker dazu anhielt, „sich bewusst und weitsichtig der Aufgabenstellung und Zielsetzung des Nationalsozialismus unterzuordnen und sich auf die ihr vom Dritten Reich vorgeschriebenen Aufgaben einzustellen.“ Wichtig sei dabei vor allem „die Berücksichtigung der Bedeutung der Erb- und Rassenlehre.“640 Auch Mrugowsky selbst versäumte am Ende seiner Arbeit nicht, die Hygiene, in Anlehnung an Heinz Zeiss, als „nationale Wissenschaft“ darzustellen, und hielt als Fazit seiner Untersuchungen fest: „Vor allem darf man eines niemals aus den Augen verlieren: die rassische Zusammensetzung der zu untersuchenden Bevölkerung, denn sie bestimmt die Umwelt, die ein jeder Mensch sich selbst schafft, sie bestimmt das Verhältnis des inneren Menschen zu der äußeren Umgebung.“641
Diese „Forschungsergebnisse“ unterstreichen noch einmal Mrugowskys Auffassung von der Hygiene als „Standortlehre des Menschen“.642 Geographische und holistische Erklärungsansätze zur Krankheitsentstehung blieben dabei prägend für seine Denkweise.643 Die Forschungsmethoden, die Mrugowskys Habilitationsschrift zugrunde lagen, ließen jedoch bereits damals Zweifel am wissenschaftlichen Standard der Arbeit aufkommen.644 Mrugowskys Mentor Schmidt immerhin hielt die Untersuchung „für eine zur Habilitation durchaus ausreichende Studie“; sie diene „dem Volksganzen und Volksinteresse“ und sei zudem „neu-
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zungen zwischen „NS-Aktivisten und anderen Studenten“ gekommen zu sein, vgl. Eberle (2002), S. 203, Anm. 1156. Mrugowsky (1938), S. 15, 219f. „Auch ist das Gebiet der heutigen Hygiene noch viel zu sehr auf den Einzelmenschen abgestimmt. Selbst die Rassenhygiene hat an dieser Einstellung der gesamten Hygiene bis heute noch wenig ändern können; [...]. Es fehlt demnach weiter in der Hygiene völlig die Frage, wer eigentlich geschützt werden soll; denn daß nur der Einzelne, das Individuum, zu schützen sei, ist heute durchaus nicht mehr selbstverständlich.“ Ebd., S. 12. Grawitz, Zum Geleit, in: Mrugowsky (1938), S. 3. Mrugowsky (1938), S. 219. Hervorhebung im Original. Ebd., S. 13. Deutlich wird dies bei der Analyse von Epidemien: „Wir sehen die Seuche viel zu sehr als die Summe einzelner Erkrankungsfälle, die sich örtlich und zeitlich gehäuft haben. Zweifellos aber ist eine Seuche ein Geschehen höherer Ordnung [...].“ Mrugowsky (1942a), S. 361. Vgl. „Scharlatanerie“, Eberle (2002), S. 140. In den Augen der Gutachter der Medizinischen Fakultät Halle wog die politische Einstellung Mrugowskys die erheblichen methodischen Mängel offenbar auf, vgl. die Stellungnahmen in UAH Rep. 29 F II, Nr. 3, Bd. 1, unpaginiert. Zu der von Mrugowsky selbst als problematisch angesehenen methodischen Vorgehensweise siehe Mrugowsky (1940).
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
artig in ihrer Ganzheitsschau“.645 Während des Krieges benutzte Mrugowsky den rassenpsychologischen Ansatz bedenkenlos unter anderem zur Vorhersage und Bekämpfung von Typhus- und Fleckfieber-Epidemien in den besetzten Gebieten der Sowjetunion.646 Gleichzeitig lassen Mrugowskys Feststellungen bereits die in der Kriegspropaganda übliche diskriminierende Herabsetzung der „schmutzigen“ Lebensweise der osteuropäischen, und dort besonders der jüdischen Bevölkerung erahnen. Sie stützten damit auch die rassistische Charakterisierung der osteuropäischen Bevölkerung als „Krankheitsüberträger“, „Schädlinge“ oder „Parasiten“, die zur Dehumanisierung dieser Menschen beitrug. Ähnlich wie in seinem Buch zum ärztlichen Ethos Hufelands versäumte es Mrugowsky auch in seiner Habilitationsschrift nicht, seiner Bewunderung für Erwin Liek, den Vorkämpfer einer ganzheitlichen Medizin, Ausdruck zu verleihen.647 Seine holistische Überzeugung bezog Mrugowsky aus Studien über Friedrich Hölderlin und August Wilhelm von Schlegel. Ebenso faszinierte ihn der bio-geographische Forschungsansatz Alexander von Humboldts.648 6.7. GESCHICHTE UND ÄRZTLICHES ETHOS 6.7.1. Mrugowskys Hufeland-Edition 1939 erschien im völkischen Verlag J. F. Lehmanns in München Joachim Mrugowskys Schrift „Das ärztliche Ethos. Christoph Wilhelm Hufelands Vermächtnis einer fünfzigjährigen Erfahrung“.649 Mrugowsky verband in diesem Buch seine eigenen Gedanken zur nationalsozialistischen Auslegung ärztlicher Ethik mit Auszügen aus Hufelands Werken „Enchiridion medicum oder Anleitung zur medizinischen Praxis“ (1836) und „Makrobiotik oder die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“ (1805).650 Charakteristisch für das Buch ist die mangelnde Differenzierbarkeit zwischen Mrugowskys Ausführungen und den von Hufeland übernommenen Passagen. Das erste einleitende Kapitel stammt aus der Feder Mrugowskys. In ihm umriss er die Grundzüge der nationalsozialistischen Auffassung des ärztlichen Berufs. Einen besonderen Akzent legte Mrugowsky hierbei auf die Wandelbarkeit medizinischer Ethik – ein Thema, das im Jahr 1939, 645 Referat Schmidts über Mrugowskys Habilitationsschrift, undatiert (1937), UAH Rep. 29 F II, Nr. 3, Bd. 1, unpaginiert, Hervorhebung im Original. 646 Dazu ausführlich u.a. Weindling (1994), (1997). 647 Vgl. Mrugowsky (1938), S. 220 sowie erneut Mrugowsky (1939), S. 14. Generell zu den Anhängern Lieks siehe Kater (2000), S. 370. 648 Vgl. eidesstattliche Erklärung Adolf Meyer-Abich vom 01.03.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05399–05411, insbesondere S. 05404. 649 Mrugowsky (1939). Zum Lehmanns-Verlag siehe Stöckel (2002). 650 Als Vorlage benutzte Mrugowsky die Hufeland-Ausgaben „Enchiridion medicum oder Anleitung zur medizinischen Praxis“, 4. Auflage, Berlin 1838, Jonassche Verlagsbuchhandlung sowie „Makrobiotik oder die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“, I. Teil, 4. Auflage, Berlin 1805.
6.7. Geschichte und ärztliches Ethos
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als Fragen der Tötung „lebensunwerten Lebens“ so brisant erschienen, dass sie nicht mehr öffentlich diskutiert werden durften, größte Aktualität besaß. „Jede Generation hat ihre eigene Stellung zu den Problemen des Lebens [...].“ Und: „Immer ist in der jüngeren Generation etwas mehr von dem zur Selbstverständlichkeit geworden, was der älteren noch ein Problem war.“651 Erkennbar sollte hier mit allgemein gehaltenen Feststellungen der Boden bereitet werden für die grundlegende Umwälzung ärztlicher Ethik, wie sie der Nationalsozialismus mit sich brachte. Der Hintergedanke war legitimatorischer Art: Ärztliche Normen und Werte seien immer schon Wandlungen unterworfen gewesen, mithin sei dies auch in der heutigen Zeit nichts Außergewöhnliches. Diese Wandlungen schlossen für Mrugowsky auch die Abkehr von christlichen Moralvorstellungen mit ein: „Unsere Generation hat allen früheren gegenüber den gar nicht hoch genug zu schätzenden Vorzug voraus, eine klar umschriebene Weltanschauung zu besitzen. Nicht mehr das Christentum, das viele Völker umspannt, enthält die oberste Maxime unseres Handelns. [...] Der Glaube an unser ewiges Volk ist unsere Weltanschauung, und ihm zuliebe haben wir den Glauben an eine zweitausendjährige Lehre verlassen.“652
An diese Stelle trat ein Grundsatz der nationalsozialistischen Ideologie, der gleichzeitig auch einen Teil von Mrugowskys eigener völkischer Überzeugung wiedergab: „Wir kennen [...] keinen universellen Menschen mehr, der sich überall auf der Welt gleich wohl fühlt und überall seine Fähigkeiten und Gaben gleich gut zu entfalten vermag, der den schwarzen, gelben und weißen Menschen Bruder nennt [...]. Es ist wohl das größte Geschenk an uns gewesen, daß wir heute die naturgegebenen Unterschiede sehen können und daß wir nur das als einander gleichberechtigt anerkennen, was zu einem Volke gehört, was rassisch demselben Blute entstammt [...].“653
Das menschliche Gleichheitsprinzip lehnte Mrugowsky auch im Bereich der Medizin ab: „Wir kennen heute Unterschiede in bezug auf das menschliche Leben selbst. Es ist nicht durch sein Dasein selbst für unser Volk so wertvoll, daß sich sein Erhaltenbleiben lohnt, sondern nur, wenn es gesund und leistungsfähig ist. Ist das unwerte Leben einmal vorhanden, so achten wir es als eine Schöpfung Gottes [...]; aber wir bemühen uns, von dieser Last das Volk dadurch zu befreien, daß wir seine Zeugung überhaupt verhindern.“654
Einerseits wandte sich Mrugowsky gegen eine Tötung des „unwerten Lebens“, doch sprach er andererseits dem menschlichen Leben generell seinen Selbstzweck ab. Der Wert eines Lebens bemesse sich nur nach seinem Wert für das Volk. In dieser Definition war das Abgleiten in eine euphemistisch als „Euthanasie“ bezeichnete Tötung „lebensunwerten Lebens“ praktisch schon angelegt. Im Folgenden gab sich Mrugowsky als Anhänger der Naturheilkunde und des Holismus zu erkennen. Er verwies auf die „unendliche Macht der Natur“ und forderte vom Arzt, ganz im Sinne Erwin Lieks, den er auch mit Namen nannte, 651 652 653 654
Mrugowsky (1939), S. 7. Ebd., S. 8f. Ebd. Ebd., S. 10.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
eine ganzheitliche Betrachtungs- und Vorgehensweise bei der Behandlung Kranker.655 Heilkunst und Forschung standen in Mrugowskys Augen jedoch nicht im Widerspruch zueinander, „denn der Arzt ist ohne den Forscher und der letztere ohne ihn nicht denkbar.“656 Erst gegen Ende der Einleitung ließ Mrugowsky deutlich werden, weshalb er gerade Hufelands Schriften dem Leser auszugsweise und in kommentierter Form neu präsentierte. Hufeland habe Antworten auf zeitlose Fragen gegeben und hinter den einzelnen Dingen größere Zusammenhänge erblickt. Auch er habe in einer Zeit „weltanschaulichen Umbruchs“ gelebt, in der nicht nur das politische und soziale Leben, sondern auch die „Grundfesten der Medizin“ erschüttert worden seien. Überdies hätten „Treue, Glauben und ein fester Wille“ seine Persönlichkeit ebenso geprägt wie seine „Liebe zum deutschen Volk“. Zwar könne Hufeland weder als direkter Wegbereiter noch als Vorläufer nationalsozialistischer Medizin gelten, doch sei er „eine der wenigen reifen Persönlichkeiten, [...] die uns wegen ihres klaren Lebensweges und ihrer Charakterstärke auch heute noch etwas zu sagen haben.“657 Auch wenn sich Mrugowsky nicht dem Verdacht vereinfachender Gleichsetzungen aussetzen mochte, schrieb er Hufeland doch die für die nationalsozialistische Ideologie typischen Tugenden zu. Zusammen mit seiner Ansicht, die Verhütung von Krankheiten sei wichtiger als ihre Heilung, qualifizierte sich Hufeland in Mrugowskys Augen damit bereits zum Vorbild für die nationalsozialistische Medizin.658 Im zweiten Kapitel, das ebenfalls von Mrugowsky stammt, wird Hufelands Begriff der Lebenskraft näher untersucht. Viele Abschnitte tragen jedoch bereits eher editorischen Charakter. Hinter der Interpretation Hufelands tritt überdies Mrugowskys Sympathie für vitalistische Positionen hervor.659 In den folgenden Kapiteln lassen sich viele Passagen nur bei genauer Lektüre als Kommentare des Herausgebers oder als Zitate Hufelands identifizieren. Überwiegend gab Mrugowsky Abschnitte aus dem Enchiridion wieder, so unter anderem „Allgemeine Regeln für angehende Ärzte“, „Über die Natur und die Heilkunst“, „Grundlagen der Diagnostik“ und „Grundlagen des Heilens“, wobei Mrugowsky die Originalüberschriften zum Teil großzügig veränderte.660 Der letzte Teil des Buches widmet sich noch einmal explizit Fragen ärztlicher Ethik und befasst sich nacheinander mit dem Verhältnis des Arztes zu den Patienten, zur Öffentlichkeit und zu den Kollegen.661 Im Abschnitt „Verhältnis zu den Kollegen“ bricht das Buch dann recht unvermittelt ab.
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Zitat ebd., S. 12. Vgl. auch S. 13f. sowie 22f. Ebd., S. 15. Liek unterschied zwischen „Arzt“ und „Mediziner“. Ebd., S. 20f. Ebd., S. 28. Dieses während der NS-Zeit populäre Interessensgebiet teilte er mit dem Medizinhistoriker Bernward Josef Gottlieb, der diesem Thema seine Habilitationsschrift widmete. 660 Auch Auslassungen kennzeichnete er nicht. „Im allgemeinen“ sei aber, so Mrugowsky, „am Wortlaut nichts geändert worden.“ Mrugowsky (1939), S. 110. 661 Vgl. ebd., S. 82–109.
6.7. Geschichte und ärztliches Ethos
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Besondere Beachtung verdienen die Ausführungen Hufelands zur Sterbehilfe, die Mrugowsky relativ detailliert wiedergab, obwohl sie nicht mit der Sichtweise führender NS-Mediziner übereinstimmten.662 So zitierte Mrugowsky beispielsweise Hufelands unmissverständliches Gebot: „Nicht bloß heilen, sondern auch bei unheilbaren Krankheiten das Leben erhalten und Leiden erleichtern ist die Pflicht und ein großes Verdienst des Arztes.“663 Ebenso unzweideutig auch das Folgende: „Jeder Arzt hat geschworen, nichts zu tun, wodurch das Leben eines Menschen verkürzt werden könnte. – Dieser Punkt ist von großem Gewichte, und er gehört zu denen, von welchen nicht eine Linie breit abgewichen werden darf, ohne die Gefahr unabsehbaren Unglücks hervorzubringen.“664
Dass der Leser in Mrugowskys Schrift auch das folgende recht bekannte Diktum Hufelands fand, zeigt, wie widersprüchlich die Positionen führender NSMediziner kurz vor dem Krieg in der „Euthanasie“-Debatte waren: „Er [der Arzt] soll und darf nichts anderes tun, als Leben erhalten; ob es ein Glück oder Unglück sei, ob es Wert habe oder nicht – dies geht ihn nichts an, und maßt er sich einmal an, diese Rücksicht mit in sein Geschäft aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar und der Arzt wird der gefährlichste Mensch im Staate.“
Weiter hieß es: „Denn ist einmal die Linie überschritten, glaubt sich der Arzt einmal berechtigt, über die Notwendigkeit eines Lebens zu entscheiden, so braucht es nur stufenweise Progressionen, um den Unwert und folglich die Unnötigkeit eines Menschenlebens auch auf andere Fälle anzuwenden.“665
Diese 1836 formulierte düstere Prophezeiung Hufelands erhielt gut hundert Jahre später eine ganz neue Relevanz. Da Mrugowsky in seiner Schrift zuvor mehrfach die zeitlose Gültigkeit der Hufeland’schen Medizinethik auch für die Gegenwart betont hatte, ist davon auszugehen, dass dies auch auf die Aussagen über die gefährliche Allmachtsstellung eines den Wert menschlichen Daseins beurteilenden Arztes zutraf. Eine solche Bewertung menschlichen Lebens war jedoch einer der Grundsätze der nationalsozialistischen Medizin seit 1933 – mit verhängnisvollen Folgen für die Betroffenen. Als Mrugowskys Buch im Jahr 1939 erschien, begann das systematische Töten von psychisch Kranken, zunächst im besetzten Polen, dann auch im Deutschen Reich. Kranken oder behinderten Menschen, die nicht dem Gesundheits- und Leistungsideal der Nationalsozialisten entsprachen, wurde von ärztlicher Seite das Lebensrecht abgesprochen. Die Gefahr, vor der Hufeland in seinem Enchiridion warnte, begann ausgerechnet in dem Jahr Wirklichkeit zu werden, in dem seine Gedanken durch einen führenden SS-Mediziner neu verbreitet wurden. 662 Vgl. etwa die folgenden Hufeland-Zitate, aber auch die Ablehnung der Tötung „unwerten“ Lebens durch Mrugowsky mit den entsprechenden Passagen bei Ramm (1942a), S. 104. 663 Mrugowsky (1939), S. 91. 664 Ebd., S. 92. 665 Ebd., S. 92f.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
Mrugowsky musste sich zweifellos über die Aktualität der von ihm herausgebrachten Schrift im Klaren gewesen sein. Welche Intention dieser Veröffentlichung zugrunde lag, lässt sich im Nachhinein schwer ermessen; im Ärzteprozess machte er dazu keine Aussage. Einerseits verdeutlichte Mrugowsky einmal mehr die Inhalte und Ziele nationalsozialistischer Medizinethik, andererseits sprach er sich mit Hufeland gegen die Tötung sogenannten „unwerten“ Lebens aus. Schenkt man Mrugowskys späterer Aussage im Ärzteprozess Glauben, so erschienen dem „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler die in Mrugowskys Buch getroffenen Aussagen zumindest so brisant, dass er die Verbreitung der Schrift innerhalb der SS untersagte.666 Tatsächlich gaben Himmler und sein „ReichsarztSS“ Ernst Robert Grawitz zwei Jahre später eine eigene, speziell auf die SS-Ärzte zugeschnittene Publikation zur Medizinethik in Auftrag. Unter dem Titel „Ewiges Arzttum“ präsentierte dieses Büchlein selektiv ausgewählte Passagen aus dem Corpus Hippocraticum. Der Titel ließ erkennen, dass auch hier eine historische Traditionslinie konstruiert werden sollte; inhaltlich vermied man jedoch konkrete Festlegungen oder etwa den Abdruck des Hippokratischen Eides mit dem darin enthaltenen Tötungsverbot – ein erheblicher Unterschied zu den klar und eindeutig formulierten Geboten in Mrugowskys Hufeland-Edition.667 Dass Mrugowskys Buch offiziell nicht verboten war, sondern durchaus als zitierfähig galt, lässt sich daran erkennen, dass Ramm es im Literaturverzeichnis seiner 1942 erschienenen „Ärztlichen Rechts- und Standeskunde“ anführte. Ein möglicherweise durch Himmler verfügtes Verbreitungsverbot konnte sich demnach in der Tat nur auf den Kreis der SS-Ärzte beziehen. 6.7.2. Das Buch im Spiegel der Rezensionen Zwischen 1939 und 1941 erschienen in der Fachliteratur zahlreiche Rezensionen, die sich mit Mrugowskys Buch zum ärztlichem Ethos auseinandersetzten.668 Verglichen mit der Aufnahme des Buches zur ärztlichen Rechts- und Standeskunde von Ramm einige Jahre später, blieb der Tenor der Besprechungen zurückhaltend. Einige verdienen es, an dieser Stelle besonders hervorgehoben zu werden, da sie auch Rückschlüsse auf die Absichten zulassen, die Mrugowsky mit seiner Schrift verfolgt haben mag. Kritik entzündete sich zunächst an der Art der Darstellung. Den Rezensenten des Deutschen Ärzteblattes störte, dass „die Schönheit der 666 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05092. 667 Angesichts der Parallelen – SS-Autor, Thema ärztliche Ethik, historische Arztpersönlichkeit als zeitloses Vorbild, Zitatensammlung – wäre zu diskutieren, ob es sich bei Mrugowskys Hufeland-Edition ursprünglich nicht auch um eine Auftragsarbeit der SS gehandelt hat, die dann nicht das gewünschte Ergebnis lieferte. Mrugowskys Aussage, er habe das Manuskript Grawitz und Himmler vorlegen müssen, würde diese These stützen. 668 Untersucht wurden 14 Rezensionen, überwiegend ermittelt mit: Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur, Bibliographie der Rezensionen, hrsg. von Reinhard Dietrich, Bände LXX–LXXVI, 1940–1943, Reprint, New York, 1962. Daneben eigene Recherche des Verfassers.
6.7. Geschichte und ärztliches Ethos
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Worte Hufelands durch die etwas breit gehaltene Einleitung des Herausgebers merkbar verdeckt [wird]“.669 Der Schriftleiter des Rheinischen Ärzteblattes bemängelte die fehlende „Trennung zwischen der eigenen Auffassung und der Darstellung Hufelands“. Ferner warnte er vor einer falschen Interpretation des Hufeland’schen Ursprungswerkes. Die „Umdeutung auf unsere heutigen Begriffe“ berge stets die Gefahr, „daß [...] etwas hineingelegt werden könnte, was der Autor ursprünglich nicht beabsichtigt hat.“670 Ein Beispiel für eine verzerrende Deutung der Äußerungen Hufelands lieferte ein anderer Rezensent, indem er eine solche Deutung selbst vornahm: Die Forderung Hufelands, der Arzt solle bei der Auswahl von Arzneimitteln „das inländische statt des ausländischen“ wählen, „um dem Staate Ausgaben ins Ausland zu ersparen“, sah August Ploner, Schriftleiter und Rezensent der Wiener Medizinischen Wochenschrift, als einen Beweis für die „völkische Auffassung“ Hufelands an.671 Offenbar lud die von Mrugowsky getroffene Auswahl der Hufeland’schen Textstellen an einigen Stellen zu solchen zweifelhaften Parallelisierungen ein. Äußerst reserviert zeigte sich die aus dem Ausland urteilende Schweizerische Medizinische Wochenschrift. Sie hob mahnend die von Mrugowsky propagierte Abkehr des nationalsozialistischen Arztes vom christlichen Ethos und dessen Hinwendung zum Glauben an das „ewige Volk“ hervor.672 Die schärfste Kritik an Mrugowskys Buch äußerte interessanterweise bereits damals Werner Leibbrand, der 1947 im Nürnberger Ärzteprozess als Gutachter gegen Mrugowsky und andere Angeklagte auftreten sollte. In einer 1940 erschienenen Rezension für die Klinische Wochenschrift griff Leibbrand vor allem Mrugowskys ablehnende Haltung dem christlichen Glauben gegenüber an, die in völligem Widerspruch zu Hufelands Überzeugung stehe. Hufeland sei ein „tief religiöser christlicher Mensch“ gewesen, das gehe gerade aus den von Mrugowsky ausgewählten Textstellen hervor.673 Dass Leibbrand bereits 1940 die ethischen Defizite und Widersprüche in Mrugowskys Schrift aufdeckte, unterstreicht rückblickend auch die Glaubwürdigkeit Leibbrands im Ärzteprozess. Dagegen liefert die beschönigende Rezension des Düsseldorfer Medizinhistorikers Wilhelm Haberling ein bezeichnendes Beispiel für die angepasste Haltung der zeitgenössischen Medizingeschichtsschreibung. Die einleitende Darstellung der nationalsozialistischen Medizinethik durch Mrugowsky überging
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Wolpers, Deutsches Ärzteblatt 70 (1940), S. 131. E. Stürzinger, Ärzteblatt für Rheinland 7 (1940), Heft 1, S. 8. August Ploner, Wiener Medizinische Wochenschrift 90 (1940), S. 250. „[...] der christliche Glaube der Väter wurde verlassen. Der ärztliche Beruf wird als göttlicher Auftrag angesehen, der nur von dem Führer Adolf Hitler als Mittler, aus welchem Gott spricht, erteilt wird.“ Anonymus, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 21 (1940), S. 408. 673 Werner Leibbrand, Klinische Wochenschrift 19 (1940), S. 113.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
Haberling geflissentlich und bezeichnete den Anfang des Buches stattdessen schlichtweg als „eine schöne Würdigung des Arzttums Hufelands“.674 Eine wichtige Funktion des Buches, nämlich die Legitimierung der Wandelbarkeit ärztlicher Normen und Werte, enthüllte – in durchaus wohlwollender Absicht – der Hamburger Gerichtsmediziner Ferdinand von Neureiter. Auch dort, wo Hufelands Überzeugung der nationalsozialistischen Lehre entgegenstehe, erkannte von Neureiter das Buch als nützlich an, erfahre der Leser „doch so auch etwas von der wechselvollen Entwicklung, der die Normen für das ärztliche Handeln im Laufe der Zeit unterworfen waren bzw. sind.“675 Diese historische Wandelbarkeit medizinethischer Wertvorstellungen, die auch schon vor 1933 breit diskutiert wurde,676 hervorzuheben, stellte ein zentrales Anliegen Mrugowskys dar. Dem Wechsel von einer Individual- zu einer Kollektivethik, mithin dem Bruch mit einer ärztlichen Tradition, der in der Zeit des Nationalsozialismus erstmals staatlich legitimiert und vorangetrieben wurde, sollte dadurch etwas von seiner Außergewöhnlichkeit genommen werden. Ungeachtet der historischen Reminiszenzen war Mrugowskys Buch somit in erster Linie ein Werk, aus dem man „ein Bekenntnis zu einem neuen deutschen ärztlichen Ethos“ herauslas.677 6.8. HYGIENE UND HOLOCAUST Mrugowskys zentrale Rolle für die NS-Medizin während des Zweiten Weltkriegs und sein Bemühen, diese Medizin moralisch zu legitimieren, lässt sich nur in Verbindung mit seiner komplexen Tätigkeit als völkisch orientierter Hygieniker ermessen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wiesen Rassenideologie und Hygiene nicht nur semantische Überschneidungen („Rassenhygiene“) auf.678 Im Nationalsozialismus erreichte diese Symbiose einen Höhepunkt. Die Reinigung des „Volkskörpers“, wie sie zwischen 1939 und 1945 exzessiv betrieben wurde, ist nicht von der für den Nationalsozialismus grundlegenden medizinischen Kollektivethik zu trennen. Auf beiden Feldern, sowohl der völkischen Säuberung als auch der Propagierung einer legitimatorischen Ethik, war Mrugowsky aktiv. Vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Sowjetunion verknüpften Hygieniker wie Heinrich Zeiss und Joachim Mrugowsky die Lösung realer seuchenmedizinischer Probleme mit rassenideologischen und militärstrategischen Zielen. Die von Zeiss entwickelte Geomedizin diente als „Kampfgrundlage“ zur Eroberung des „Ostraumes“.679 Mit Unterstützung durch Zeiss, der sich als wichtiger Förderer Mrugowskys insbesondere im akademischen Bereich erwies, hatte 674 Mitteilungen zur Geschichte der Medizin, der Naturwissenschaften und der Technik 39 (1940), S. 20. 675 Ferdinand von Neureiter, Monatschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform 32 (1941), S. 113. 676 Vgl. etwa Buttersack (1929) und Abderhalden (1929). 677 So der Rezensent der Zeitschrift „Der deutsche Militärarzt“ 6 (1941), S. 125. 678 Zur „hygienischen Revolution“ im medizinischen Denken siehe Labisch (2001). 679 Zeiss (1943), S. 141.
6.8. Hygiene und Holocaust
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Mrugowsky im Juli 1939 eine Dozentur für Hygiene an der Berliner Universität erhalten.680 Auch die SS hatte mit einem Schreiben an den Rektor der Berliner Universität interveniert, um das Ernennungsverfahren zu beschleunigen.681 Im April 1939 hatte Mrugowsky bereits seine Probevorlesung im Hygienischen Institut in der Berliner Dorotheenstraße zum Thema „Volksstämme und Krankheiten im deutschen Süd-Ost-Raum“ gehalten.682 Im 1. Trimester 1940 las er erstmals über „Seuchenabwehr“ und bot ein Seminar über Hygiene und Infektionskrankheiten an. Während des Krieges beschäftigte sich Mrugowsky auch mit Fragen der biologischen Kriegsführung. Mrugowsky lehnte in einer Denkschrift über „Abwehr biologischer Kampfmittel“ eine Kriegsführung mit diesen Waffen als nicht praktikabel ab.683 Vor allem aber verfolgte er den weiteren Ausbau des Hygiene-Instituts der Waffen-SS, dem im Laufe des Krieges gegen die Sowjetunion immer größere Aufgaben zuwuchsen. Neben der hygienischen Betreuung der Verbände von Waffen-SS und Wehrmacht betrieb das Institut geomedizinische Forschung in den besetzten Gebieten, um diese für die Ansiedlung deutscher Bewohner vorzubereiten. Dazu existierten innerhalb des Instituts eigene Abteilungen unter anderem für Klimatologie und Kulturgeographie, Geologie und Hydrologie sowie Medizinalstatistik und Seuchenvorhersage.684 Mrugowsky untersuchte in den okkupierten Gebieten neben Lebensbedingungen und Hygieneverhältnissen auch die regional vorkommenden Krankheiten.685 Dabei versuchte er, die von den slawischen Völkern ausgehende „rassische Gefahr“ mit den hohen Quoten ansteckender Krankheiten in den östlichen Ländern in Verbindung zu bringen. Wichtigste Aufgabe Mrugowskys und seiner über 200 Institutsmitarbeiter blieb jedoch die Verhütung und Bekämpfung von Typhus- und Fleckfieberepi-
680 Zeiss an Dekan der Medizinischen Fakultät Berlin, 09.01.1939, UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 3, Bl. 4. Mrugowskys Ernennungsschreiben durch das Ministerium datiert vom 18.07. 1939, UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 1, Bl. 8. Zum Verhältnis zwischen Mrugowsky und Zeiss vgl. auch UAHU, Hygienisches Institut, Nr. 42, Bl. 207–231. 681 Grawitz an Rektor der Berliner Universität, 30.06.1939, UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 2, Bl. 21. 682 Vgl. UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky sowie UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 3, Bl. 17–19. Vgl. auch die wohlwollende Beurteilung der Vorlesung durch Zeiss in einem Bericht an den Dekan vom 05.05.1939, UAHU, Hygienisches Institut, Nr. 42, Bl. 230. 683 US-Geheimdienstquellen zufolge soll diese Denkschrift Hitler dazu bewogen haben, auf eine deutsche Aufrüstung mit B-Waffen zu verzichten. Vgl. BArch Berlin, NS 19, 1586 (erhalten ist lediglich das Übersendungsschreiben der Denkschrift) sowie Hansen (1993), S. 82. 684 Vgl. die Auflistung in Mrugowskys Lebenslauf, UAHU ZB II A 1931, K 65 Mrugowsky, S. 2 sowie die von Mrugowsky herausgebrachten Arbeitsanweisungen zur Trinkwassergewinnung, Mrugowsky (1941a). 685 Vgl. Mrugowsky (1942a), (1942b), (1944). Einige Publikationen tragen eher den Charakter von Erlebnisberichten, die wissenschaftlich wenig fundiert erscheinen. „Ich habe den größten Teil des Kampfraumes zwischen Ostsee und Schwarzem Meer kennengelernt und zahllose Infektionskranke in den deutschen Lazaretten und einheimischen Krankenhäusern gesehen. Die Mitteilungen gründen sich daher vorwiegend auf eigenes Erleben.“ Mrugowsky (1944), S. 25.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
demien.686 In mehreren Publikationen, unter anderem zur „Seuchenlage im europäischen Russland“, wertete Mrugowsky das Fleckfieber als „Gemeinschaftskrankheit“, von der besonders „unsaubere“, „minderwertige“ Völker betroffen seien und deshalb als Krankheitsüberträger bevorzugt in Frage kämen.687 Zur Kontrolle der „Einfallstore der Seuchen“ müsse Deutschland daher die Kontrolle über osteuropäische Großstädte wie Warschau, Wilna, Lublin und Lemberg besitzen.688 An diesen medizinischen und strategischen Überlegungen wird deutlich, dass Mrugowsky auf medizinischem Gebiet eine entscheidende Rolle bei der Planung und Durchführung des militärischen Eroberungsfeldzuges gegen die Sowjetunion innehatte. In seiner Funktion als „Seuchenkommissar für das Ostland“ war Mrugowsky ab 1942 unter anderem auch für die Hygiene im Konzentrationslager Auschwitz verantwortlich. Die katastrophalen medizinischen Zustände dort, die Mrugowsky mehrmals persönlich in Augenschein nahm, wurden zunehmend als Bedrohung für deutsche Truppen und die umliegende Bevölkerung wahrgenommen.689 Zwar gelang es Mrugowsky, ausbrechende Krankheiten wie Typhus, Ruhr und Fleckfieber einzudämmen, doch für eine Verbesserung der Situation der Häftlinge setzte sich Mrugowsky nicht ein.690 Dass es Kollegen Mrugowskys gab, die angesichts der Zustände in den Konzentrationslagern innerlich nicht gleichgültig blieben und die von Gewissensqualen verfolgt wurden, verdeutlicht der Fall des Direktors des Hygienischen Institutes der Universität Jena, Friedrich Weyrauch.691 Weyrauch war ein Jugendfreund Mrugowskys und ebenfalls Schüler des Hygienikers Paul Schmidt. Während das Jenaer Institut mehr und mehr Aufgaben für das Konzentrationslager 686 Zum Institut siehe u.a. Ternon/Helman (1969), S. 57. Hingewiesen sei auf die medizinische Untersuchung und Entlausung von über 200.000 rückgesiedelten Wolga-Deutschen, eine Leistung, die in den Augen von Reichsärzteführer Leonardo Conti Deutschland vor einer Fleckfieber-Epidemie bewahrte, vgl. dazu u.a. BArch Berlin NS 19/1591 sowie Weindling (2000), S. 252f. 687 Mrugowsky (1942b), S. 628. „Je sauberer ein Volk ist und je höher seine Wohnkultur steht, desto weniger Fleckfieber tritt auf [...].“ Ebd., S. 628f. Siehe dazu auch die Bewertung durch Weindling (1994), S. 132. 688 Mrugowsky (1942b), S. 629. 689 Ähnliches galt für die Konzentrationslager Buchenwald und Neuengamme, vgl. Weindling (2000), 252. 690 Bereits 1939 hatte Mrugowsky im KZ Buchenwald bewiesen, mit welch rigorosen Mitteln er seuchenhygienische Probleme bekämpfte: „Im Frühjahr 1939 hatten wir eine Typhusepidemie, derentwegen Professor Mrugowsky, Chefhygieniker der SS, zugezogen wurde. Er erklärte brutal, daß die am schwersten Erkrankten, die keine Aussicht auf Genesung hätten, eingeschläfert werden sollten, um unsere dürftigen Bestände an Medikamenten zu schonen.“ Dr. Erwin Ding-Schuler, Lagerarzt des KZ Buchenwald, zitiert nach Joffroy (1972), S. 113. 691 Friedrich Weyrauch (1897–1940) wuchs ebenso wie Mrugowsky in Rathenow/Havel auf, studierte Medizin und war von 1929 bis 1934 Assistent am Hygienischen Institut der Universität Halle. 1933 Eintritt in die NSDAP. Von 1936 bis zu seinem Selbstmord war Weyrauch, der auch der SS angehörte, ordentlicher Professor für Hygiene an der Universität Jena und Leiter der Thüringischen Zentralstelle für Gewerbehygiene. Mrugowsky war Pate von Weyrauchs ältester Tochter.
6.8. Hygiene und Holocaust
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Buchenwald zu erfüllen hatte, erlangte auch Weyrauch anlässlich mehrerer Begehungen Kenntnis von den unmenschlichen Zuständen, die dort herrschten. Bereits dieses Wissen belastete Weyrauch, der durchaus kein Gegner des NS-Regimes war, erheblich.692 Zudem unterrichtete Mrugowsky den Fachkollegen und ihm persönlich nahestehenden Weyrauch vermutlich über die Pläne der SS, in Buchenwald Menschenversuche mit Fleckfieberimpfstoff durchzuführen. Nachdem er im Anschluss an eine Besprechung der SS Anfang November 1940 bereits einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, nahm sich Weyrauch kurz darauf, am 16. November 1940, das Leben. Ob er damit weiteren anstehenden Anforderungen und Aufträgen Mrugowskys und somit der tieferen Verstrickung in die Vorgänge in Buchenwald entgehen wollte, lässt sich anhand der fragmentarischen Quellen nicht sicher belegen, muss jedoch als wahrscheinlichster Beweggrund angenommen werden.693 Im Nürnberger Ärzteprozess beteuerte Mrugowsky, er habe bei seinen Inspektionsfahrten nur das Stammlager Auschwitz besichtigt, nicht jedoch das Lager Auschwitz-Birkenau. Erst nach dem „Zusammenbruch“ 1945 habe er daher vom Massenmord in den Vernichtungslagern erfahren.694 Dies muss rückblickend jedoch als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Vieles deutet darauf hin, dass Mrugowsky noch sehr viel stärker in die Abläufe in den Vernichtungslagern involviert war, so z. B. bei der Planung des Rampendienstes695 und bei der Versorgung der Lager mit dem tödlichen Gas Zyklon-B, was eine Voraussetzung für den Massenmord war.696 Mrugowsky beteuerte später, persönlich nicht in die Lieferung des Blausäure-Gases involviert gewesen zu sein, dies habe ohnehin nur zur Entlausung und zur Seuchenprävention gedient.697 Andererseits scheint sein
692 Vgl. die Aussage seiner Ehefrau Käthe Weyrauch, wiedergegeben bei Zimmermann (2000), S. 183. 693 Vgl. Zimmermann (2000), S. 184 sowie Zimmermann/Zimmermann (2003), S. 419–421. Kritisch gegenüber dieser Deutung: Hirte/Stein (2003), S. 369, 393. In einem Nachruf auf Weyrauch erwähnt Mrugowsky den Selbstmord mit keinem Wort, sondern spricht von einem kurzen und schweren Leiden, vgl. Mrugowsky (1941b). 694 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05476. 695 Nach Aussage des SS-Arztes Hans Münch habe Mrugowsky ihn vom Dienst an der Rampe in Auschwitz mit den Worten entbunden „ich könnte es auch nicht, ich habe auch Kinder“, Lifton (1988), S. 356. Ob sich diese Episode so tatsächlich so zugetragen hat, ist jedoch nicht gesichert, vgl. Kramer (2005), S. 227. 696 Dies geht übereinstimmend aus den Aussagen des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und des engen Mitarbeiters Mrugowskys, Kurt Gerstein, hervor, vgl. Edition Ärzteprozess, Abt. 3 (Anklagematerial), S. 02323–02338 (Gerstein) und ebd., S. 02816–02820 (Höß). Höß zufolge übernahm Mrugowsky ab 1942 die Bestellung des Zyklon B bei den Herstellerfirmen, vgl. ebd., S. 02818. Siehe auch Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05467–05476. 697 Vgl. u.a. Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 6002–6014. Mrugowsky schrieb in seinem während der Nürnberger Haft entstandenen Manuskript zur Typhus-Prävention im Zweiten Weltkrieg, er selbst habe das Blausäure-Gas einmal zur Entlausung eines Barackenlagers verwendet. Das Manuskript befindet sich heute im Besitz der Tochter Mrugowskys, vgl. Weindling (2000), S. 254.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
Institut an der chemischen Entfernung des Warngeruches des Zyklon B beteiligt gewesen zu sein.698 Wo Desinfektion und Entlausung tatsächlich stattfanden und wo sie nur als aseptische Tarnbezeichnungen für den Massenmord fungierten, war im Nürnberger Ärzteprozess nur schwer auszumachen.699 Was sich etwa hinter den harmlos klingenden Abteilungsbezeichnungen verbergen konnte, wird am Beispiel von Mrugowskys Mitarbeiter Kurt Gerstein deutlich.700 Diese gleichermaßen tragische wie umstrittene Persönlichkeit, oft als „Spion im Lager der Mörder“ oder „Kronzeuge der Endlösung“ bezeichnet, gehörte nominell der Abteilung Geologie und Hydrologie des Hygiene-Institutes an. Zu Gersteins Aufgaben gehörte es jedoch, die Effizienz der Massentötungen durch Zyklon B in den Vernichtungslagern zu überprüfen. In Belzec war er 1942 Zeuge einer Vergasungsaktion, der 5000 Juden zum Opfer fielen. Gerstein, der sich selbst als Widerständler begriff, versuchte in der Folgezeit vergeblich, mit seinem Wissen bei ausländischen Diplomaten oder kirchlichen Würdenträgern, darunter der päpstliche Nuntius in Berlin, internationale Reaktionen hervorzurufen.701 Das Hygiene-Institut der Waffen-SS expandierte derweil unter seinem Leiter Mrugowsky, der seit 1942 „praktisch das gesamte Hygienewesen im neu gewonnenen Ostraum“ steuerte, immer weiter.702 Im Zuge einer 1943 vollzogenen Neuorganisation hatte sich Mrugowsky seines bisherigen Vorgesetzten Karl Genzken, der Chef des Sanitätswesens der Waffen-SS war, entledigen können und unterstand fortan direkt dem „Reichsarzt-SS und Polizei“ Ernst Robert Grawitz.703 Gleichzeitig lautete Mrugowskys Bezeichnung nun „Oberster Hygieniker im Stab des Reichsarztes-SS und Polizei“. Mrugowsky baute sein „scientific empire“ 698 Lifton (1988), S. 190 sowie Weindling (2000), S. 255. 699 Im Hygiene-Institut der Waffen-SS waren, so Weindling, „preventive medicine and genocide [...] inextricably linked“, Weindling (2000), S. 254. 700 Kurt Gerstein (1905–1945) war Ingenieur und begann später zusätzlich ein Medizinstudium. 1941 trat er der Waffen-SS bei und war u.a. an der Beschaffung von Zyklon B beteiligt. Nach seiner Verhaftung verfasste er 1945 einen in mehreren Versionen überlieferten Bericht über die Massenvernichtung der europäischen Juden. Noch im gleichen Jahr wurde er in französischer Haft tot aufgefunden. Zu Gerstein siehe Joffroy (1972), Schäfer (1999), Hébert (2006) sowie Friedländer (2007). Zu Gersteins Kontakt mit dem Medizinethiker Emil Abderhalden siehe Frewer (2000a), S. 109f. 701 Der Nuntius lehnte es ab, Gerstein zu empfangen. Vgl. auch die literarische Bearbeitung in Rolf Hochhuths Stück „Der Stellvertreter“, Hochhuth (1963), sowie im Film „Amen“ von Constantin Costa-Gavras aus dem Jahr 2002. Mrugowsky scheint von Gersteins bereits damals erkennbarer Widersprüchlichkeit fasziniert gewesen zu sein, vgl. Joffroy (1972), S. 111 und passim. Joffroy bezieht sich auf spätere Aussagen von Fritz Krantz, einem weiteren Mitarbeiter des Hygiene-Instituts der SS. Dem Buch des Journalisten Joffroy mangelt es jedoch an nachprüfbaren Quellenbelegen. 702 Beurteilung durch Grawitz vom 12.05.1942, BArch Berlin/BDC SSO Joachim Mrugowsky. 703 Vgl. Himmlers „Befehl für die Organisation des Sanitätswesens der SS und Polizei“ vom 21.08.1943, BArch Berlin NS 48, Nr. 25. Darin heißt es unter anderem: „Alle Fragen der Wissenschaft, der Planung und Entwicklung werden in Zukunft von dem Obersten Hygieniker [Mrugowsky, F.B.] ausgehen.“ Siehe auch Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 01159.
6.9. Tödliche Experimente
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(Paul Weindling) immer weiter aus, und es ist anzunehmen, dass Grawitz darin eine zunehmende Bedrohung seiner eigenen, ohnehin wenig gefestigten Position sah.704 Im September 1944 erhielt Mrugowsky schließlich von der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin den lang ersehnten Titel eines außerplanmäßigen Professors für Hygiene verliehen.705 Dies entsprach beinahe dem akademischen Grad, den er immer angestrebt hatte.706 6.9. TÖDLICHE EXPERIMENTE Fleckfieberepidemien gehörten während des Krieges der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion zu den am meisten gefürchteten gesundheitlichen Gefahren für die kämpfende Truppe, die einheimischen Bewohner und auch für die Bevölkerung im Deutschen Reich.707 Die Bekämpfung des Fleckfiebers war eine der zentralen Aufgaben des Hygiene-Instituts der Waffen-SS und anderer Forschungseinrichtungen. Die Labors der I.G. Farben und der Behringwerke arbeiteten seit 1941 eng mit Mrugowsky, dem Chef des Hygiene-Instituts der WaffenSS, zusammen, um neue Impfstoffe zu entwickeln und zu erproben.708 Im 704 Weindling (2000), S. 342. Zur schwachen Position von Grawitz siehe die Aussage Mrugowskys, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05072. Das Verhältnis zwischen Grawitz und Mrugowsky galt als gespannt, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass solche und andere (Zeugen-)Aussagen im Ärzteprozess vornehmlich der Entlastung Mrugowskys dienen sollten. 705 Ernennungsschreiben vom 26.09.1944, UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 1, Bl. 14. Siehe auch das Schreiben Mrugowskys an das SS-Personalhauptamt, 14.10.1944, BArch Berlin/ BDC, SSO Joachim Mrugowsky. Für die Ernennung hatte sich Heinz Zeiss eingesetzt, vgl. Zeiss an Dekan Rostock, 02.02.1944, UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 3, Bl. 49. Die erstmals 1942 ins Gespräch gebrachte Würdigung der Leistungen Mrugowskys in der Seuchenbekämpfung an der Ostfront war seinerzeit gescheitert. Der ihm durchaus wohlgesonnene Zeiss befand, eine Honorarprofessur käme noch zu früh. Der ebenfalls um ein Gutachten befragte Karl Brandt gab an, von Mrugowsky noch nie etwas gehört zu haben, vgl. UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 3, Bl. 46. Negativ äußerte sich auch der Rassenhygieniker Fritz Lenz, der Mrugowskys umwelttheoretische Auffassung der Hygiene als unwissenschaftlich ablehnte, vgl. Lenz an Rostock, 06.07.1942, UAHU, UK, PA Mrugowsky, Bd. 3, Bl. 43. Ob sich Lenz bereits der Ernennung Mrugowskys zum Dozenten am Berliner Hygiene-Institut widersetzt hatte, wie Weindling annimmt, ließ sich nicht nachweisen. Vgl. Weindling (2004), S. 243. Lenz’ negatives Votum vom Juli 1942 bezog sich lediglich auf die Honorarprofessur. Zur Förderung Mrugowskys durch Zeiss siehe auch Schleiermacher (2008), S. 183f. 706 „Mrugowsky hat nur den Ehrgeiz gehabt, in der Wissenschaft etwas zu leisten. Seine Hoffnung war, auf Grund seiner wissenschaftlichen Leistungen eines Tages einen Lehrstuhl der Hygiene [...] zu erhalten.“ Eidesstattliche Erklärung Adolf Meyer-Abich vom 01.03.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05405. 707 Allgemein dazu: Hansen (1993), S. 92–125. Zur ideologisch besetzten Wahrnehmung des Fleckfiebers als „Bedrohung aus dem Osten“ vgl. Weindling (1994) und (1997). In Deutschland herrschte lange Zeit die Meinung vor, nur bestimmte Rassen seien vom Fleckfieber betroffen, vgl. Werther (2001), S. 155. 708 Ausführlich zur Fleckfieber-Forschung siehe Mitscherlich/Mielke (1960), S. 91–126, Weindling (1994) sowie Werther (2001).
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
Konzentrationslager Buchenwald unterhielt Mrugowskys Berliner HygieneInstitut eine eigene Abteilung für Fleckfieber- und Virusforschung, geleitet von SS-Hauptsturmführer Dr. med. Erwin Ding-Schuler.709 Als Ergebnis einer Besprechung im Dezember 1941, an der neben Mrugowsky unter anderem auch Reichsärzteführer Leonardo Conti, der Präsident des Robert-Koch-Institutes Eugen Gildemeister und der Chef des Wehrmachtssanitätswesens Siegfried Handloser teilnahmen, wurde Dr. Ding-Schuler beauftragt, im KZ Buchenwald Menschenversuche zur Erprobung von Fleckfieberimpfstoffen durchzuführen.710 DingSchuler führte in Buchenwald zwischen 1942 und 1944 Versuche an etwa 450 Häftlingen durch, die gegen ihren Willen mit Fleckfieber infiziert wurden. Einige der Versuchsreihen initiierte Mrugowsky selbst. Insgesamt starben an den Fleckfieberexperimenten mehr als 150 Häftlinge.711 Über die Ergebnisse der Versuche informierte Ding-Schuler in regelmäßigen Abständen Mrugowsky, der wiederum Grawitz Bericht erstattete.712 1942 beauftragte Mrugowsky Ding-Schuler, im Rahmen der Suche nach einem Mittel gegen Gasbrandinfektionen die tödliche Wirkung von intravenös verabreichtem Phenol an KZ-Häftlingen zu überprüfen. Den Phenolinjektionen fielen mindestens fünf Häftlinge zum Opfer.713 Im gleichen Jahr stellte Mrugowsky sein Laboratorium nebst Mitarbeitern dem beratenden Chirurgen der Waffen-SS und Chefarzt der SS-Heilanstalt Hohenlychen, Karl Gebhardt, für 709 Erwin Ding-Schuler (1912–1945) war ein Schüler von Zeiss und Mrugowsky. 1938 wurde er Lagerarzt im KZ Buchenwald, später leitete er das dortige Fleckfieber-Forschungsinstitut. Sein Schreiber war der seit 1939 in Buchenwald inhaftierte Eugen Kogon. Ding-Schuler leitete zeitweise Lehrgänge an der SS-Ärztlichen Akademie in Graz, vgl. Aussage Mrugowsky, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05433. Ding-Schuler beging 1945 in amerikanischer Haft Selbstmord. 710 Vgl. dazu Edition Ärzteprozess, Abt. 3 (Anklagematerial), S. 01524–01530. Zum Folgenden u.a. die Aussage Eugen Kogons, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 01191– 01213. Zur fraglichen Authentizität des Tagebuchs von Ding-Schuler siehe ebd., Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 01253–01259, 05162–05163 sowie 05476–05477. Zum Konzentrationslager Buchenwald zuletzt Benz/Distel (2006). 711 Zahlen nach Hackett (1995), S. 72. Vgl. auch Kogon (1946), S. 136–141, hier S. 137. Im Ärzteprozess ging das Gericht von über 700 Häftlingen aus, an denen Versuche durchgeführt wurden, vgl. Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 11672. 712 Mrugowsky verteidigte sich im Ärzteprozess damit, dass Ding-Schulers Berichte oftmals direkt an Grawitz gingen, ohne dass er, Mrugowsky, davon gewusst habe. Zusammenfassend siehe Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 11669–11673 sowie Mitscherlich/ Mielke (1960), S. 100–118. Wie intensiv Mrugowsky und Ding-Schuler dagegen in Wirklichkeit korrespondierten, geht u.a. aus einem Schreiben Mrugowskys an Ding-Schuler vom 08.04.1944 hervor, vgl. BArch Berlin, NS 48, Nr. 25. Vgl. auch die umfangreiche Korrespondenz über Detailfragen u.a. zum Konzentrationslager Mittelbau-Dora, in BArch Berlin, NS 48, Nr. 25–26. Ob Mrugowsky tatsächlich, wie Lifton behauptet, Häftlingsärzte in den Laboratorien der Konzentrationslager für sich arbeiten ließ und deren Forschungsergebnisse dann unter seinem Namen veröffentlichte, ließ sich nicht belegen. Vgl. Lifton (1988), S. 351. 713 Die tödliche Wirkung des Phenols stand dabei von vornherein fest, es ging lediglich um die Beschreibung der tödlichen Wirkung, vgl. Klee (1997), S. 151f., Ebbinghaus/Roth (2001), S. 191f.
Abb. 13 Joachim Mrugowskys 1934 ausgestellter Sippenforscherausweis
Abb. 14 Antisemitische Agitation des Medizinstudenten Mrugowsky in Halle
Abb. 15 Von Mrugowsky verfasstes Flugblatt aus dem Jahr 1931
Abb. 16 Mrugowskys 1939 publizierte Hufeland-Edition
Abb. 17 Auszug aus dem Protokoll eines tödlichen Geschoss-Versuchs, 1944 im Konzen trationslager Sachsenhausen durchgeführt
Abb. 18 Mrugowsky (stehend am Mikrofon) auf der Anklagebank des Nürnberger Ärzteprozesses
Abb. 19 Gerichtssaal im Nürnberger Justizpalast, im Hintergrund die beiden Reihen der im Ärzteprozess Angeklagten
Abb. 20 Mrugowsky im Zeugenstand des Nürnberger Ärzteprozesses
Abb. 21 Nürnberg, 20. August 1947: Mrugowsky während der Urteilsverkündung im Ärzteprozess
6.9. Tödliche Experimente
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dessen Sulfonamidversuche im KZ Ravensbrück zur Verfügung.714 Im September 1944 prüfte Mrugowsky persönlich die Wirkung von vergifteter Munition an fünf sowjetischen Häftlingen im KZ Sachsenhausen. Der Rapportführer des Lagers, SS-Hauptscharführer Otto Böhm, feuerte die Giftmunition auf die wehrlosen Häftlinge ab, Mrugowsky übernahm die Leitung des „Versuchs“. Über die verheerende Wirkung der mit Akonitinnitrat versehenen Projektile an den Versuchsopfern fertigte Mrugowsky ein Protokoll an, das den Todeskampf der Angeschossenen genauestens beschreibt: „Die Versuchspersonen erhielten im Liegen je einen Schuß in den linken Oberschenkel. [...] Nach 40 bis 44 Minuten setzte starker Speichelfluß ein. Die Vergifteten schluckten häufig, später ist der Speichelfluß so stark, daß er durch Hinunterschlucken nicht mehr bewältigt werden kann. Schaumiger Speichel entfließt dem Mund. Dann setzten Würgreiz und Erbrechen ein. Der Puls war bei zwei Personen nach 85 Minuten nicht mehr zu tasten. Der Dritte hatte 76 Pulsschläge.“715
Mrugowsky notierte weiter: „Nach ungefähr 90 Minuten setzte bei einer Versuchsperson wieder eine tiefe Atmung ein, begleitet von einer zunehmenden motorischen Unruhe. Die Atmung ging dann in eine oberflächlich jagende über. Gleichzeitig bestand ein starker Brechreiz. Der eine Vergiftete versuchte vergebens zu erbrechen. Um dies zu erreichen, steckte er 4 Finger der Hand bis zu den Grundgelenken tief in den Mund. Trotzdem setzte kein Erbrechen ein. Das Gesicht war dabei gerötet. [...] Die motorische Unruhe wuchs später so stark, daß sich die Personen aufbäumten, wieder hinwarfen, die Augen verdrehten, sinnlose Bewegungen mit den Händen und Armen ausführten. [...] Der Tod trat 121, 123 und 129 Minuten nach Erhalten des Schusses ein.“716
Mrugowsky verschwieg, dass die Opfer zunächst zu fliehen versucht hatten, vom SS-Wachpersonal jedoch wieder an den Ort des Geschehens zurückgebracht wurden. Zwei Häftlinge, bei denen das Projektil den Oberschenkel durchschlug und auf der anderen Seite wieder austrat, und die damit als Versuchsobjekte uninteressant geworden waren, wurden sofort erschossen. Die Darstellung Mrugowskys im Nürnberger Ärzteprozess, es habe sich nicht um einen Versuch, sondern um eine „legale Hinrichtung“ verurteilter Verbrecher gehandelt, an der er lediglich als Exekutionsarzt teilzunehmen hatte, erscheint in diesem Zusammenhang abwegig und wurde durch die amerikanischen Richter nicht akzeptiert.717 Die verschiedenen medizinischen Versuche an Menschen, die deutsche Ärzte während des Zweiten Weltkrieges in den Konzentrationslagern durchführten, sind in der Forschungsliteratur inzwischen umfassend dargestellt worden.718 Dabei 714 Mitscherlich/Mielke (1960), S. 134. 715 Schreiben Mrugowskys an Dr. Widmann (Kriminaltechnisches Institut Berlin) vom 12.09. 1944, Edition Ärzteprozess, Abt. 3 (Anklagematerial), S. 03004–03005, 03004. Zur Vorgeschichte, den genauen Abläufen und weiteren beteiligten Personen siehe Ley/Morsch (2007), S. 370–377. 716 Ebd., S. 03005. 717 Siehe Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05271–05276, Zitat S. 05272. 718 Grundlegend immer noch Mitscherlich/Mielke (1960). Allgemein zum Thema Menschenversuche: Pethes et al. (2008), Roelcke/Maio (2004). Siehe auch Ley/Morsch (2007), Pasternak (2006), Ley/Ruisinger (2006), Spitz (2005), Hahn et al. (2005), Ebbinghaus/Dörner (2001).
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
wird ersichtlich, dass Mrugowsky mit Ausnahme der luftfahrtmedizinischen Versuche in beinahe alle unfreiwilligen Humanversuche involviert war, die während des Nürnberger Ärzteprozesses verhandelt wurden.719 6.10. „MEIN LEBEN, MEIN HANDELN UND MEIN WOLLEN WAREN SAUBER“ Der Nürnberger Ärzteprozess vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. August 1947 war der erste der sogenannten Nachfolgeprozesse, die dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess folgten. Der Ärzteprozess („United States vs. Karl Brandt et al.“) offenbarte der ganzen Welt die Schreckensbilanz der NS-Medizin.720 Als moralisch besonders verwerflich wurden weltweit die Menschenversuche in Konzentrationslagern wahrgenommen. Die Frau des Angeklagten Kurt Blome, selbst Ärztin, schrieb an ihren Mann: „Wenn Du auf die M.V. [Menschenversuche, der Verf.] zu sprechen kommst kannst Du sie nur schärfstens ablehnen, [...]. Einem Göring, Keitel, Frick usw. hat man ihre Taten nicht so hoch angerechnet wie den Ärzten diese Menschenversuche.“721 Neben dem Hauptbeschuldigten Karl Brandt mussten sich 22 weitere Angeklagte vor dem amerikanischen Militärgerichtshof verantworten, darunter auch der am 13. Mai 1945 von der britischen Armee in einem Dorf in der Nähe von Husum verhaftete Joachim Mrugowsky.722 Die Anklage warf Mrugowsky unter anderem die Beteiligung an Fleckfieber-Experimenten, an Giftversuchen sowie an Sulfonamidversuchen vor. Mrugowskys Rolle in der Belieferung der Konzentrationslager mit dem dort bei Vergasungen eingesetzten Blausäure-Gas Zyklon B konnte letztlich nicht geklärt werden und floss nicht mit in das Urteil ein. Mrugowsky und sein Rechtsanwalt Dr. Fritz Flemming (1914–1965) versuchten, die Verantwortung für die tödlichen Fleckfieber-Versuche sowohl auf Mrugowskys Vorgesetzten, Ernst Robert Grawitz, als auch auf seinen Untergebenen, den Leiter der Fleckfieber-Forschungsstelle in Buchenwald, Erwin Ding-Schuler, abzuwälzen, die beide 1945 Selbstmord begangen hatten.723 Mrugowsky habe die von Himmler und Grawitz angeordneten Menschenversuche abgelehnt.724 Befragt, warum er diesen Plänen nicht energischer entgegengetreten sei, antwortete Mrugowsky:
719 Zu dieser Feststellung kommen Ebbinghaus/Dörner (2001), S. 636. 720 Zum Ärzteprozess zuletzt Schmidt/Frewer (2007b). Vgl. auch Schmidt (2004), Ebbinghaus/ Dörner (2001), Frewer/Wiesemann (1999), Mitscherlich/Mielke (1960). 721 Kassiber Bettina Blomes an ihren Mann, 14.03.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 8 (Quellen zum Umfeld), S. 01088, Hervorhebung im Original. 722 Weindling (2004), S. 348. 723 Vgl. zusammenfassend die Feststellung Flemmings in seinem Plädoyer, das Gericht klage „statt Grawitz Mrugowsky an“, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 011247. 724 Hierbei verwies Verteidiger Flemming auf die eidesstattliche Erklärung Hildegard Pfaffingers vom 31.01.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05010.
6.10. „Mein Leben, mein Handeln und mein Wollen waren sauber“
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„So war das ja nicht in Deutschland, daß jeder seine Meinung sofort mit Erfolg durchsetzen konnte, sondern wenn irgend jemand von den verantwortlichen hohen Männern sich etwas vorgenommen hatte, dann ging er von seinem gegebenen Befehl nicht wieder ab.“725
Obwohl Mrugowsky einerseits die Verantwortung für die Versuche abstritt, bemühte sich die Verteidigung intensiv, die Fleckfieber-Experimente medizinethisch zu rechtfertigen.726 Ob diese Strategie für sich betrachtet sonderlich geschickt war, sei dahingestellt. Ein zentrales Element in Mrugowskys Argumentation zur ethischen Rechtfertigung von KZ-Versuchen war die Unterscheidung zwischen kranken Patienten und gesunden Versuchspersonen: „[...] alle Versuche, welche hier Gegenstand der Anklage sind, sind nicht an einem Kranken ausgeführt worden, welcher sich vertrauensvoll in die Hand eines Arztes begeben hat, sondern es waren Häftlinge in Konzentrationslagern. Diese Männer waren völlig gesund. [...] Sie waren also nicht Patienten des Arztes im Sinn der ärztlichen Ethik und der Auffassung, des Verhältnisses zwischen Arzt und Patienten [sic]. Deshalb ist auch das, was wir unter ärztlicher Ethik verstehen, auf diesen Fall nur sehr bedingt anwendbar.“727
Die Konstellation „Häftling im Konzentrationslager“, noch dazu während des Krieges, wurde hier – einmal mehr – als Situation gedeutet, in der weder juristische noch ethische Standards Geltung beanspruchen konnten. Der hippokratische Eid besaß hier für die ärztlichen Täter keine Gültigkeit. Der Eid selbst sei ihm, so Mrugowsky, während der Ausbildung überdies niemals vorgelegt worden und er habe ihn auch nie schwören müssen.728 Auf die Frage seines Anwalts, ob ein Staat das Recht habe, über Gesundheit und Leben von Häftlingen zu entscheiden und sie für lebensgefährliche medizinische Versuche heranzuziehen, hob Mrugowsky die Bedeutung des Krieges hervor: „In normalen Zeiten hat der Staat dieses Recht zweifellos nicht. Die Versuche, welche hier zur Anklage stehen, sind aber während des Krieges vorgenommen worden und zwar in Deutschland, ebenso wie in England ist ausdrücklich der totale Kriegseinsatz des gesamten Volkes angeordnet worden [...]. Unter diesen so ungewöhnlichen Umständen, in dem der Staat also über die gesamten Bürger befiehlt, glaube ich auch, dass die Insassen von Konzentrationslagern keine Ausnahme machen können.“729
Zur Frage, ob ein Arzt unter den genannten Umständen berechtigt sei, potenziell tödliche Impfversuche durchzuführen, äußerte Mrugowsky: „Ich halte einen Arzt dafür nicht berechtigt, wenn es sich um seine eigene Initiative dabei handelt. Ich halte ihn aber für verpflichtet, dem Befehl seines Staates zu folgen, [wenn] der dafür verantwortliche höchste Beamte des Staates derartige Versuche zu irgend einem Zweck 725 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05501. Siehe auch Mitscherlich/Mielke (1960), S. 98. 726 So charakterisierte Flemming die Fleckfieberforschung als „eine Forschungsarbeit, die durchgeführt werden musste, wenn nicht weitere Hunderttausende von Menschen an Fleckfieber sterben sollten, denen allein auf Grund dieser Versuche das Leben gerettet werden konnte.“ Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 02220. 727 Mrugowsky im Verhör durch seinen Anwalt Fritz Flemming, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 05093. 728 Ebd., S. 05088. 729 Ebd., S. 05095.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky ihm anbefiehlt und den Personenkreis dafür ausdrücklich bestimmt. Es ist ja Aufgabe des Staates, die Gesamtheit seiner Bürger vor Schaden nach Möglichkeit zu bewahren [...].“730
Zu dieser Form von „Pflichtenethik“, so zeigte sich anhand der Aussagen zahlreicher Mitarbeiter, gesellte sich bei Mrugowsky ein hohes Maß an nüchterner Sachlichkeit und Ehrgeiz.731 Die Verteidigung versuchte, oppositionelle Aspekte in Mrugowskys Verhalten während der NS-Zeit hervorzukehren. So habe er unter anderem gegen Himmlers ausdrücklichen Wunsch seinen „polnisch klingenden Namen“ (so Himmler) beibehalten.732 Der Biologe und Philosoph Adolf Meyer-Abich, mit Mrugowsky seit 1935 bekannt und wie dieser ein Anhänger des Holismus, hob dessen umfassende philologische Bildung hervor. Mrugowskys hauptsächliches Interesse habe der Geschichte der Medizin und der Biologie gegolten,733 in der Goethezeit sei er „geistig vollkommen zu Hause“ gewesen. Er besaß ferner, so Meyer-Abich weiter, „die schönste private Sammlung von Werken von und über Alexander von Humboldt, die ich gesehen habe. Er war unser bester Humboldtkenner [...].“734 Schließlich gab Meyer-Abich seiner Überzeugung Ausdruck, dass „ein Arzt und Forscher von solchen Gesinnungen unmöglich sich an jeder ärztlichen Ethik hohnsprechenden Aktionen beteiligt haben kann.“735 Diese Einschätzung versuchte Mrugowskys Anwalt Fritz Flemming zusätzlich mit Passagen aus dessen Schrift über das ärztliche Ethos Hufelands zu untermauern.736 In seinem Schlusswort am 19. Juli 1947 hob Mrugowsky noch einmal seine Überzeugung hervor, rechtlich und auch moralisch korrekt gehandelt zu haben: „Meine eigene Auffassung über die ethischen Pflichten des Arztes habe ich in meinem Buch über dieses ärztliche Ethos niedergelegt. Ich glaube, ich habe immer nach diesen Grundsätzen gelebt und gehandelt. Mein Leben, mein Handeln und mein Wollen waren sauber. Darum weiss ich mich auch jetzt am Schluss dieses Prozesses frei von jeder persönlichen Schuld.“737
Die Richter konnte dies nicht beeindrucken. Einen Monat später befanden sie Mrugowsky in den Anklagepunkten 2 (Kriegsverbrechen), 3 (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und 4 (Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation) für schuldig. Er habe an der Besprechung vom 29. Dezember 1941 in Berlin teilgenommen, in der beschlossen worden war, Fleckfieber-Versuche an KZ-Häft730 Ebd., S. 05096. 731 „Mrugowsky war ein Mann der sachlichen Arbeit, nüchtern und äusserst klug.“ Eidesstattliche Erklärung Heinrich Wehle, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05150. „Nur auf eines sah Mr.[ugowsky] sehr scharf, nämlich dass gewissenhaft und fleissig gearbeitet wurde.“ Eidesstattliche Erklärung Dr. Wilhelm Grotepass, Mitarbeiter im Hygiene-Institut, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05189. 732 Siehe eidesstattliche Erklärung Susanne Dumonts, der Sekretärin Mrugowskys, vom 01.02. 1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05008. 733 Eidesstattliche Erklärung Adolf Meyer-Abich vom 01.03.1947, Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 05403. 734 Ebd., S. 05404. 735 Ebd., S. 05405; Druckfehler des Originals wurden verbessert. 736 Vgl. Edition Ärzteprozess, Abt. 4 (Verteidigungsmaterial), S. 04972–04984. 737 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 11535.
6.11. Zusammenfassung
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lingen vorzunehmen. Die Versuche seien von Ding-Schuler „aufgrund der Befehle oder der Machtbefugnis des Angeklagten Mrugowsky ausgeführt“ worden.738 Die Urteilsbegründung stützte sich vor allem auf die Aussage des Hauptbelastungszeugen Eugen Kogon und das Tagebuch Ding-Schulers. Letzteres dokumentierte die Versuche in allen Einzelheiten. Mrugowsky habe ferner Versuche mit vergifteter Munition an russischen Kriegsgefangenen durchgeführt, die Tötung von Häftlingen mit Phenol angeordnet und die Sulfonamidversuche in Ravensbrück unterstützt.739 Am 20. August 1947 verurteilten die Richter Mrugowsky zum Tod durch den Strang.740 „Zwar ist es selten möglich, daß die Fehler des Arztes von einem Tribunal gerichtet oder bestraft werden können [...]“, so hieß es in Mrugowskys HufelandEdition, „aber desto gewisser und desto furchtbarer wartet sein eigenes inneres Tribunal, das Gewissen, wo ihn keine Ausflucht, keine Bemäntelung, kein mangelnder Kläger schützt [...].“741 Mrugowsky musste sich 1946/47 vor einem ganz realen Tribunal verantworten. Wie es um sein inneres Gewissen bestellt war, wissen wir nicht. Nach außen gab er sich bis zuletzt von seiner Unschuld überzeugt. Die Hinrichtung fand am 2. Juni 1948 in Landsberg am Lech statt. Noch auf dem Schafott beschwor Mrugowsky die Ungerechtigkeit seiner Strafe. Er habe die ihm zur Last gelegten Verbrechen niemals begangen und sterbe als deutscher Offizier, der von einem brutalen Feind verurteilt worden sei.742 6.11. ZUSAMMENFASSUNG Der 1905 geborene SS-Arzt und Hygieniker Joachim Mrugowsky entstammte einer Generation, die aufgrund ihrer politischen und sozialen Prägung eine Stütze des nationalsozialistischen Systems bildete. Als früher Aktivist der nationalsozialistischen Bewegung bekämpfte er bereits als Student skrupellos politische Gegner. Die Zugehörigkeit zur SS, der er 1931 beitrat, vermittelte Mrugowsky das Gefühl, einer ordensähnlichen, elitären Gruppierung anzugehören, die außerdem über zunehmende gesellschaftliche Machtbefugnisse verfügte. Parallel zu seinem Aufstieg in der SS strebte Mrugowsky eine akademische Laufbahn als Hygieniker an. In der Hygiene sah Mrugowsky eine Schlüsselwissenschaft der nationalsozialistischen Medizinideologie, und er betrieb sie vorwiegend unter neomiasmatischen und bio-geographischen Aspekten. Mrugowskys Methoden entbehrten dabei oftmals wissenschaftlicher Exaktheit. Sowohl seine medizinische Dissertation als auch die spätere Habilitation wurden bereits von Zeitgenossen, wie etwa dem Anatomen Ernst Theodor Nauck, bemängelt. Letztlich tat dies der Karriere 738 So der Vorsitzende Richter Beals in der Urteilsbegründung, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 11673. 739 Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 11673–11676. 740 Ebd., S. 11752. 741 Mrugowsky (1939), S. 85. 742 Alexander Mitscherlich/Fred Mielke, Epilogue: Seven Were Hanged, in: Annas/Grodin (1992), S. 105–107, hier S. 106.
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6. Das medizinische Ethos des Joachim Mrugowsky
Mrugowskys, die an der Berliner Medizinischen Fakultät von dem einflussreichen Hygieniker und Nationalsozialisten Heinz Zeiss gefördert wurde, keinen Abbruch. Mrugowsky beschäftigte sich darüber hinaus mit dem Verhältnis tradierter medizinischer Ethik und nationalsozialistischer Moral. In seiner 1939 erschienenen Hufeland-Edition bemühte sich Mrugowsky, die zeitbedingte Variabilität ärztlicher Ethik historisch nachzuweisen. Ausdrücklich wandte er sich gegen die Annahme von der Gleichheit der Menschen.743 In der Interpretation Mrugowskys ging Hufelands Auffassung vom ärztlichen Ethos eine enge Verbindung mit nationalsozialistischem Gedankengut ein, das auch im Bereich der Medizin durch Auslese, Bereitschaft zur Ausgrenzung und von mitleidsloser Härte gekennzeichnet war. Trotz des Krieges wurde das Buch schnell und breit rezipiert, was sich unter anderem durch die hohe Anzahl an Rezensionen belegen lässt. Mrugowsky vereinigte zwei Tätertypen in sich: Neben der theoretischen Fundierung der unmenschlichen NS-Medizin beteiligte er sich auch an ihrer praktischen Umsetzung. Als Nachwuchswissenschaftler der SS wurde er zur Seuchenbekämpfung vornehmlich in der Sowjetunion eingesetzt. Als „Oberster Hygieniker“ der SS koordinierte Mrugowsky tödliche Menschenversuche, die von der Erprobung von Fleckfieberimpfstoff bis zur Beschreibung der Wirkung vergifteter Munition reichten. In letzterem Fall war er direkt an den Versuchen beteiligt. Mrugowsky war ebenfalls für die Hygiene und Bekämpfung von Epidemien in Konzentrationslagern zuständig, wobei die Grenzen zwischen Desinfektion, Entlausung und Massenmord durch Zyklon B rückblickend oft schwer zu ziehen sind. 1944 avancierte er in Berlin, wo er 1939 zum Dozenten für Hygiene ernannt worden war, zum außerplanmäßigen Professor. Als Angeklagter im Ärzteprozess wies Mrugowsky bis zum Schluss jedes Fehlverhalten von sich. Der seitens der Verteidigung unternommene Versuch, Mrugowsky als heimlichen Dissidenten erscheinen zu lassen, kann einer historischen Betrachtung nicht standhalten. Trotz gewisser Ambivalenzen ist in Mrugowskys Interpretation ärztlicher Ethik und seinem Handeln eine Folgerichtigkeit erkennbar, deren mörderische Konsequenzen er ohne erkennbare Skrupel exekutierte.
743 Vgl. u.a. Mrugowsky (1939), S. 8f.
7. ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG 7.1. BERLIN ALS SCHNITTPUNKT DREIER KARRIEREN Als Hauptstadt des Dritten Reiches stellte Berlin nach 1933 das Zentrum der politischen und ideologischen Macht des Nationalsozialismus dar. Wie in einem Brennglas konzentrierten sich hier die Ereignisse. Rund um die Schaltstellen der politischen und militärischen Macht gruppierten sich im Stadtzentrum die Einrichtungen sowohl des Universitätsklinikums Charité als auch der sogenannten „Reichsgesundheitsführung“. Die Charité war in jener Zeit die größte deutsche medizinische Ausbildungsstätte und genoss nach wie vor Weltruf. Ihr internationales wissenschaftliches Renommee hatte jedoch seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten durch die Vertreibung jüdischer Mediziner und die internationale Selbstisolierung beträchtlichen Schaden erlitten.744 Der Krieg brachte weitere Einschränkungen des Lehr- und Forschungsbetriebes mit sich. Die Politisierung der Professoren verhinderte zudem eine ideologiefreie Wissenschaft in der Medizinischen Fakultät. Viele nationalsozialistische Gesundheitspolitiker, darunter Leonardo Conti und Rudolf Ramm, hielten Lehrveranstaltungen an der Berliner Universität ab oder wurden hier, wie etwa Contis Stellvertreter Kurt Blome oder Joachim Mrugowsky, mit einem Professorentitel ausgezeichnet.745 Nach Kriegsbeginn gelangten drei für die medizinische Ethik im Dritten Reich wichtige Schlüsselfiguren in die Reichshauptstadt. Der bis dahin in Wien für die „Arisierung“ der österreichischen Ärzteschaft zuständige Rudolf Ramm bezog im August 1939 als frisch ernannter „Beauftragter für das ärztliche Fortbildungswesen“ seinen Dienstsitz am Robert-Koch-Platz. Anfang 1940 übernahm er die Schriftleitung des Deutschen Ärzteblattes und erhielt im Oktober des gleichen Jahres einen Lehrauftrag für Ärztliche Rechts- und Standeskunde an der Berliner Universität. Von seinem Dienstsitz aus im nahe der Charité gelegenen Kaiserin-Friedrich-Haus lenkte Ramm nicht nur die wichtigsten Presseorgane des Gesundheitswesens, er wirkte als Lehrbeauftragter und Autor eines Standardlehrbuches auch direkt auf den ärztlichen Nachwuchs ein. Obwohl Ramm bereits während seiner Zeit in Wien große Machtfülle besaß, markierte die Tätigkeit in Berlin den Höhepunkt seiner Karriere. Ein weiterer wichtiger Ort in der wissenschaftspolitischen Topographie der Stadt war das nicht weit entfernte Institut für Geschichte der Medizin und der 744 Siehe dazu u.a. Schleiermacher/Schagen (2008), Hinz-Wessels (2008), vom Bruch (2005), Jahr (2005), Vossen (2005). Ebenso Pross/Winau (1984), Winau (1987), Fischer et al. (1994), Hubenstorf (1994), Jarausch (1998). Zur politischen Situation in der Reichshauptstadt aus Sicht eines ausländischen Korrespondenten vgl. Shirer (2002). 745 Zehn der 23 in Nürnberg Angeklagten waren Medizinprofessoren, davon hatten allein sieben ihren Titel von der Berliner Medizinischen Fakultät erhalten. Vgl. dazu auch Schleiermacher/ Schagen (2008).
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7. Zusammenfassende Darstellung
Naturwissenschaften unter der Leitung von Paul Diepgen. Hier begann im Juni 1940 der Aufstieg des jungen SS-Arztes Bernward Josef Gottlieb. Als Medizinhistoriker im Stab des Chefs aller SS-Ärzte, Ernst Robert Grawitz, sollte Gottlieb, der zwischenzeitlich in Graz tätig war, eine von der SS gesteuerte Medizingeschichtsschreibung aufbauen und – davon ausgehend – eine neue Medizinethik etablieren. 1945 konnte die SS-Führung Gottlieb als designierten Nachfolger Diepgens auf dem Berliner Lehrstuhl für Medizingeschichte durchsetzen. Auch der Hygieniker und SS-Arzt Joachim Mrugowsky hatte eine entscheidende Etappe seiner Laufbahn erreicht, als er im Sommer 1939 zum Dozenten am Berliner Hygiene-Institut ernannt worden war. Im selben Jahr hatte er ein Buch zur ärztlichen Ethik Christoph Wilhelm Hufelands veröffentlicht. Neben Grawitz war Mrugowsky als „Oberster Hygieniker“ der SS eine Schlüsselfigur bei der Koordinierung medizinischer Experimente in den Konzentrationslagern. Beim Vergleich dieser drei für die Medizinethik der NS-Zeit zentralen Akteure steht ihr medizintheoretisches Wirken im Mittelpunkt. Daneben muss jedoch auch ihre unterschiedliche Herkunft Berücksichtigung finden. Der jüngste, Bernward Josef Gottlieb, wurde 1910 als Sohn eines Archivsekretärs in Frankfurt am Main geboren. Noch vor Abschluss seines Medizinstudiums war er 1933 Mitglied der NSDAP und der SS geworden und trat einige Jahre später in die Dienststelle des „Reichsarztes-SS“ Grawitz ein. Philologische Neigung und eine komplexe Interessenlage seines Vorgesetzten führten Gottlieb 1943 zur Habilitation im Fach Medizingeschichte. Erfahrungen aus der politischen Kampfzeit der nationalsozialistischen Bewegung konnte Gottlieb nicht aufweisen. Der 1887 in Dortmund geborene Rudolf Ramm entstammte einer anderen Generation und war bereits 43 Jahre alt, als er sich 1930 der Partei Hitlers anschloss. Die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochene ärztliche Ausbildung hatte Ramm im Jahr 1920 erfolgreich beendet und sich danach als praktischer Arzt in Pirmasens niedergelassen. Dort begann er zunächst lokalpolitisch aktiv zu werden, bevor er 1932 für die NSDAP in den Reichstag gewählt wurde. Später stieg er in den Gliederungen der Partei zu einem gesundheitspolitischen Multifunktionär auf. Joachim Mrugowsky, der 1905 als Sohn eines Arztes in Rathenow/Havel geboren wurde, gehörte einer mit Blick auf die spätere Karriere im Nationalsozialismus typischen gesellschaftlichen Gruppierung an. Der Tod des Vaters im Ersten Weltkrieg bedrohte sowohl die soziale Stellung der Familie als auch die Chancen auf eine akademische Ausbildung des Sohnes. Während seiner Studienzeit in prekärer wirtschaftlicher Lage lebend, verschrieb sich Mrugowsky verschiedenen völkischen und antisemitischen Bewegungen und trat schließlich 1930 in die NSDAP ein, von deren Programm er sich eine allgemeine Besserung der Verhältnisse versprach. Wie viele Angehörige seiner Generation bemühte sich auch Mrugowsky nach Kräften, dem Kriegstod des Vaters einen Sinn zu geben. Dementsprechend wurden Personen, die den idealisierten Heldenstatus der Frontkämpfer anzuzweifeln wagten, wie etwa der Theologe Dehn, hasserfüllt bekämpft. Mrugowsky selbst, der auch Biologie studiert hatte, sollte in späteren Jahren nicht nur innerhalb der SS, sondern auch auf dem Gebiet der Hygiene Karriere machen; wobei das eine eng mit dem anderen zusammenhing.
7.1. Berlin als Schnittpunkt dreier Karrieren
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Bei der Suche nach den Motiven für ihr frühes nationalsozialistisches Engagement stößt man auf unterschiedliche Beweggründe. Im Falle Gottliebs mag bei der Entscheidung für die NSDAP die Hoffnung auf berufliche Vorteile eine Rolle gespielt haben, bei Ramm kämen neben ökonomischen Interessen als Kassenarzt auch politische Prägungen in Betracht. Als unmittelbar betroffener Grenzlandbewohner – Elsass-Lothringen und das bis 1935 französisch besetzte Saargebiet waren nicht weit – darf bei Ramm die schärfste Ablehnung des Versailler Vertrages und eine entsprechend revisionistische Haltung vermutet werden.746 Aus Mrugowskys Biographie glaubt man die Hinwendung zum Nationalsozialismus am leichtesten erklären zu können – zumal er hierzu im Nürnberger Ärzteprozess detaillierte Aussagen machte. Sein Lebensweg war geprägt durch wirtschaftliche Existenzgefährdung, Härte und Kompromisslosigkeit in politischen Fragen.747 Zur Überzeugung von der Notwendigkeit des Überlebenskampfes, sei es auf individueller oder auf nationaler Ebene,748 gesellte sich die innere Ablehnung des menschlichen Gleichheitsprinzips.749 Diese Erfahrungen und Ansichten, die er zum Teil sicher seinen Lehrern Haecker, Schmidt und Abderhalden in Halle verdankte, fand Mrugowsky allesamt in der Ideologie der Nationalsozialisten wieder. Die Analyse ihrer Schriften fördert sowohl bei Gottlieb und Ramm als auch bei Mrugowsky einen ausgeprägten Antisemitismus zu Tage. Tat sich Gottlieb in diesem Punkt mit nur einem Aufsatz noch am wenigsten hervor, so sind die Äußerungen Ramms während seiner Wiener Zeit und später vor allem zur sogenannten „Endlösung“ an Schärfe kaum zu überbieten. Mrugowsky gab bereits als Student seine antisemitische Gesinnung zu erkennen; seine Diffamierung jüdischer Weltkriegsteilnehmer in einer Publikation aus dem Jahr 1936 spricht ebenfalls für sich.750 Trotz vieler späterer Kontinuitäten bedeutete das Kriegsende 1945 für die Mehrzahl der Protagonisten nationalsozialistischer Medizin eine scharfe Zäsur. Die Führungsfiguren – wie etwa Grawitz, Conti und de Crinis – begingen entweder Selbstmord oder wurden im Nürnberger Ärzteprozess angeklagt. Brandt, Gebhardt und auch Mrugowsky wurden in Nürnberg – neben weiteren Angeklagten – zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet.751 Rudolf Ramm überlebte den Krieg nur um einige Monate; im August 1945 verurteilte ihn ein russisches 746 Vgl. auch sein Aufsatz zur „Rückeroberung“ der Reichsuniversität Straßburg, an der er einst studiert hatte, Ramm (1941d). 747 Ein sehr negatives Bild von Mrugowskys Charaktereigenschaften zeichnete der französische Psychiater und Prozessbeobachter François Bayle, vgl. Bayle (1953), S. 299–301. 748 Die Begriffe „Gleichheit, Menschheit, Weltfriede“ schrieb Mrugowsky in getreuer Wiedergabe der NS-Ideologie dem Judentum zu, während das deutsche Volk „Rasse, Volk und Kampf um sein Lebensrecht“ verinnerlicht habe, vgl. Mrugowsky (1936), S. 638. 749 Vgl. Mrugowsky (1938), S. 11, ebenso Mrugowsky (1939), S. 10. 750 Vgl. Mrugowsky (1936). 751 Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere sehr viele ehemalige „Euthanasie“-Ärzte ihre Karriere nach dem Krieg ungehindert und ungestraft fortsetzen konnten, vgl. hierzu u.a. Frei (2001), Klee (2001a), S. 309–347.
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7. Zusammenfassende Darstellung
Militärgericht zum Tode und ließ ihn hinrichten. Bernward Josef Gottlieb verließ im Sommer 1945 Graz und kehrte nach Frankfurt am Main zurück. 1960 erhielt er den Titel eines außerplanmäßigen Professors für Geschichte der Medizin in Homburg/Saar. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete Gottlieb als Internist; nebenbei schrieb und veröffentlichte er Gedichte. Er publizierte auch zu medizinhistorischen Themen, so etwa in apologetischem Stil über seine ehemalige Wirkungsstätte, die SS-Ärztliche Akademie in Graz.752 7.2. UNTERSCHIEDLICHE PERSPEKTIVEN UND BEGRÜNDUNGSANSÄTZE Gottlieb, Ramm und Mrugowsky waren zwischen 1939 und 1945 entscheidend an der Umformung der bisherigen moralischen Grundlagen der Medizin beteiligt; ihre jeweiligen Ausgangspunkte waren jedoch verschieden. Als junger Assistenzarzt wandte sich Gottlieb früh der Medizingeschichte zu und personifizierte alsbald die Einflussnahme der SS auf dieses Fach. Neben schriftlichen Beiträgen war auch die Lehre an der SS-Ärztlichen Akademie in Graz Teil seines Wirkens. Ramm dagegen hatte bereits langjährige Erfahrung als praktischer Arzt und Politiker hinter sich, ehe er während des Krieges von zentraler Stelle aus die Grundsätze der NS-Medizin publizistisch und akademisch zu verbreiten begann. Als Arzt ähnlich wie Gottlieb bis dahin kaum mit individueller Krankenversorgung in Berührung gekommen, verschrieb sich Mrugowsky der Hygiene, die er bereits in seiner Habilitationsschrift um rassenideologische und biologische Aspekte zu erweitern suchte. Als Autor beteiligte er sich auch an der Umformung tradierter Moraltheorie in ein neues, nationalsozialistisches ArztEthos. Parallelen weisen die untersuchten Protagonisten in Bezug auf ihr Engagement in der akademischen Lehre und somit bei der Vermittlung nationalsozialistischer Medizinethik auf. Die von Gottlieb, Ramm und Mrugowsky jeweils vertretenen Lehrfächer – Medizingeschichte, Ärztliche Rechts- und Standeskunde sowie Hygiene – geben dabei den Blick auf das Spektrum der in Frage kommenden, ideologieanfälligen Fächer frei. Die führende Rolle in der Lehre nahm Ramm ein, der – neben der Erstellung eines Lehrbuches – über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg in Berlin eine Art Mustervorlesung zur Ärztlichen Rechts- und Standeskunde hielt. Ramm widmete sich überdies der Schulungsarbeit im Bereich ärztlicher Fortbildung. Mrugowsky hielt seine erste Vorlesung über Rassenhygiene mit 29 Jahren, Gottlieb war mit 33 Jahren bereits habilitierter Dozent in Graz und hätte wenig später einen Lehrstuhl übernehmen sollen. Beide 752 Vgl. Gottlieb (1982), Schlatter Binswanger (2008), Theopold (1986), S. 370–372 sowie wiederkehrende Veröffentlichungen im Almanach deutscher Schriftsteller-Ärzte (siehe etwa 1985, 1987, 1993). Vgl. auch Gottlieb (1972), (2001). Gottlieb benutzte mehrere Varianten seiner Vornamen: „Bernward Josef“, „Sepp“ (Kriegsjahre), „Franz Joseph“ (etwa seit den 1960er Jahren).
7.2. Unterschiedliche Perspektiven und Begründungsansätze
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erreichten somit schon in jungen Jahren bedeutende Positionen – ein wichtiges Strukturmerkmal des Nationalsozialismus.753 Weder Gottlieb noch Ramm wirkten so aktiv und unmittelbar an der mörderischen Praxis der NS-Medizin mit wie Mrugowsky. Sie hatten jedoch entscheidenden Anteil an der Schaffung einer geistigen Grundlage für diese lebensvernichtende Medizin. Ramm stand beispielhaft für die neue Medizinethik der Nationalsozialisten, die an keiner Stelle derart unmissverständlich und radikal dargestellt wird, wie in seinem Buch über Ärztliche Rechts- und Standeskunde. Als gesundheitspolitischer Vordenker propagierte er das Bild eines kollektivistisch orientierten Arztes, der Patienten, die aus nationalsozialistischer Sicht als minderwertig galten, aus dem Rahmen der moralischen Verbindlichkeit754 auszuschließen habe. Ramm war ein Apologet der nationalsozialistischen Moral, die das Einzelschicksal in jedem Fall den vermeintlichen Interessen der Gemeinschaft unterordnete. Die Formulierung einer solchen, totalitären Ethik war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Ermordung dieser Patienten. Gottlieb wiederum bemühte sich, als Medizinhistoriker die rassistische Medizin des totalitären Staates historisch und ethisch begründet erscheinen zu lassen. Unterstützt wurde er dabei von seinem Lehrer Paul Diepgen, der sich in ähnlicher Weise exponierte. Diepgens schon im Ersten Weltkrieg erkennbare Bemühungen, propagandistisch die internationale Bedeutung deutscher Medizin hervorzuheben, trieb Gottlieb während des Zweiten Weltkriegs auf die Spitze. Dieser deutsche Weltgeltungsgedanke schlug sich in Gottliebs Wirken sehr viel stärker nieder als etwa die Volkskörperideologie, auf der Mrugowsky sein Denken und Handeln gründete. Die Überzeugung, das deutsche Volk müsse, ähnlich einem von Krankheit bedrohten Organismus, von schädigenden Elementen befreit werden, stellte eine Grundkonstante in Mrugowskys Denken dar. Seine bio-geografische Interpretation der Hygienewissenschaft, die er überdies um anthropologische, genetische und psychologische Aspekte erweitern wollte,755 ließ die künftige Denkrichtung erkennen: Statt individuell orientierter Bakteriologie, die er ablehnte, interessierte Mrugowsky ein Bereich, der sich als Bevölkerungsbiologie bezeichnen ließe. Wissenschaftliche Standards ließ er dabei nicht selten außer Acht, was bereits in den 1930er Jahren vereinzelt Kritik an seinen Methoden hervorrief. Eines seiner Hauptarbeitsgebiete während des Krieges war das der Desinfektion. Mrugowsky sah Begriffe wie Reinheit und Sauberkeit nicht mehr nur allein im Zusammenhang mit Krankheitsprävention und Seuchenprävention, sondern übertrug sie zunehmend auch auf eine völkische Ebene.756 Seine Rolle bei der Beschaffung von Zyklon B, einem Schädlingsbekämpfungsmittel, zur Sicherstellung des Massenmordes in den Vernichtungslagern erweckt unwillkürlich das Bild eines überge753 754 755 756
Vgl. Kater (1985b), Grüttner (2002). Zu diesem Begriff vgl. Welzer (2005), S. 216. Mrugowsky (1938), S. 16. Siehe auch Mrugowsky (1940). Dies zeigen schon seine Ausführungen über den hygienischen „Charakter“ einzelner Volksgruppen.
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7. Zusammenfassende Darstellung
ordneten Desinfektors. Hygiene und Massenmord gingen eine verbrecherische Verflechtung ein, deren monströse Dimension sich am Rande unseres heutigen Vorstellungsvermögen bewegt.757 Reinheitsvisionen gerieten bei Mrugowsky nicht nur in Gestalt einer „Säuberung des Volkskörpers“ zur Metapher; auch im Nürnberger Ärzteprozess kam es ihm darauf an, sein Leben, Handeln und Wollen als „sauber“ darzustellen.758 Der mörderische Zug in Mrugowskys völkischer Ethik, die Verachtung des Individuums, schlug sich auch in seinem Verhalten als Forscher nieder. In der Überzeugung, einem höheren Ziel (dem militärischen „Endsieg“) und einem größeren Ganzen (dem deutschen Volk) zu dienen, ließ er bedenkenlos tödliche Menschenversuche durchführen. Dabei nutzte er nicht nur konsequent die Freiräume, die sich aus totalem Kriegseinsatz und der besonderen Situation in Konzentrationslagern ergaben, auch sein wissenschaftlicher Ehrgeiz, etwa in der Impfstoffentwicklung, fand hier ein Betätigungsfeld. Von der ethischen Zulässigkeit solchen Handelns zeigte sich Mrugowsky auch noch im Nürnberger Ärzteprozess überzeugt. 7.3. ZUR ROLLE VON MEDIZINGESCHICHTE UND ÄRZTLICHER RECHTS- UND STANDESKUNDE ZWISCHEN 1939 UND 1945 In den zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft wurden moraltheoretische Fragen in der deutschen Ärzteschaft eingehend thematisiert. Monographien und zahllose schriftliche Beiträge in Fach- und Standeszeitschriften geben davon Zeugnis. Ein Novum war die Integration der Ethik in das Curriculum des Medizinstudiums im Rahmen der 1939 reformierten Studienordnung. Mit dem neuen Pflichtfach Ärztliche Rechts- und Standeskunde gelang es, ähnlich wie mithilfe der ebenfalls obligatorisch gewordenen Medizingeschichte, die nationalsozialistische Ideologie und die damit verbundenen neuen moralischen Standards in der Medizin auf breiter Front den Medizinstudierenden zu vermitteln. Dass beide Fächer sich bis 1945 im zunehmend auf die praktische Kriegsmedizin ausgerichteten Stundenplan halten konnten, ist ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung, die dem Thema Ethik selbst oder vielleicht gerade in der Kriegszeit beigemessen wurde. Die Analyse des Faches und seiner Vertreter ergab, dass die Ärztliche Rechtsund Standeskunde zwischen 1940 und 1945 an jeder Medizinischen Fakultät des damaligen deutschen Machtbereichs Teil der klinischen Ausbildung war. Ferner 757 „His military and SS identity, and demonic sense of duty to the Nazi cause were overwhelming.” Weindling (2000), S. 254. 758 Schlusswort Mrugowskys, Edition Ärzteprozess, Abt. 2 (Wortprotokolle), S. 011535. Wie lange sich die Vorstellung vom kranken Volksorganismus noch hielt und wie austauschbar das jeweils zu eliminierende Objekt war, beweist eine Verlautbarung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung aus dem Jahr 1961, die versicherte, das „Gift“ des Nazismus sei nunmehr aus dem „deutschen Volkskörper“ entfernt worden. Zitiert nach Weiss (2006), S. 112.
7.3. Zur Rolle von Medizingeschichte und Ärztlicher Rechts- und Standeskunde
173
konnte gezeigt werden, dass sämtliche Lehrbeauftragte des Faches frühe Mitglieder der NSDAP waren und sich als Gauamtsleiter für Volksgesundheit oder Mitglieder von Erbgesundheitsgerichten überdurchschnittlich in der NS-Gesundheitspolitik engagierten. Hierdurch konnte das vermutete Motiv, das zur Schaffung dieses Faches führte, nämlich in erster Linie die Indoktrinierung der Studierenden, bestätigt werden. Zahlenmäßig überwogen unter den Lehrbeauftragten mit Abstand die niedergelassenen Allgemeinmediziner. Der Berliner Lehrbeauftragte für Ärztliche Rechts- und Standeskunde, Rudolf Ramm, verfasste 1942 ein Lehrbuch für dieses Fach, in dem er die Grundsätze nationalsozialistischer Medizinethik festhielt. Auch daran lässt sich der vorgesehene Zweck dieses neuen Faches ablesen. Ramm war außerdem ein wichtiger gesundheitspolitischer Funktionär, der sich neben der akademischen Lehre auch in der ideologischen Schulung und Fortbildung von Ärzten engagierte. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war es ab 1939 im Gesundheitswesen zu einer weiteren Radikalisierung nationalsozialistischer Medizinethik gekommen. Maßnahmen wie die systematische Ermordung von psychisch Kranken und Behinderten bedrohten das traditionelle Bild des Arztes innerhalb der „Volksgemeinschaft“. In der Folge wuchs auf ärztlicher wie auch auf politischer Seite das Bedürfnis nach historischer Selbstvergewisserung und der Pflege ärztlicher Ideale. Die Medizingeschichte schien geeignet, durch neue Geschichtsdeutungen entstehende Legitimationsdefizite aufzufangen. Viele Medizinhistoriker stellten sich bereitwillig für diese Aufgabe zur Verfügung. Insbesondere der Berliner Lehrstuhlinhaber Paul Diepgen erfreute sich am Bedeutungszuwachs, den seine bis dahin oft verkannte Disziplin erfuhr. Diepgen bemühte sich, seine politische Zuverlässigkeit immer wieder aufs Neue zu beweisen. Er stellte sich nicht nur für politische Auftragsarbeiten zur Verfügung, sondern hatte solche auch schon initiiert, als noch kein entsprechender Druck seitens der Nationalsozialisten zu spüren war.759 Seinem Schüler Gottlieb wurde er damit zu einem Vorbild. Darüber hinaus pflegte Diepgen enge Kontakte zur SS und trug dazu bei, dass diese zunehmende Kontrolle über das Fach erhielt. Gottlieb selbst wurde von der SS konsequent als Nachwuchswissenschaftler aufgebaut und von höchster Stelle protegiert. Gottlieb bediente das erwähnte Bedürfnis nach moralischer Legitimation der NS-Medizin, indem er das rassistische Prinzip dieser Medizin in die Tradition berühmter deutscher Arztpersönlichkeiten einordnete, die angeblich bereits ähnliche Moralkonzepte vertreten hätten. Exemplarisch dafür ist die von Gottlieb vorgenommene Stilisierung des Paracelsus zum „Antisemiten aus rassischem Instinkt“. Medizingeschichte reduzierte sich somit vielfach auf die Geschichte einzelner heroischer Führerpersönlichkeiten, deren ethische Auffassungen als zeitlos gültig dargestellt wurden. Dies schlug sich bei759 Vgl. etwa Diepgens Korrespondenz mit dem Göttinger Historiker Karl Brandi über die Vortragsthemen auf dem für 1933 anstehenden internationalen Historiker-Kongress in Warschau. So sollte etwa ein geplanter deutscher Vortrag über Kopernikus in Diepgens Augen „die Slaven, die Koppernick [sic] als den ihrigen beanspruchen, lediglich zur Vorsicht mahnen.“ Schreiben Diepgens an Brandi, 05.04.1933, SUB Göttingen, Nachlass Karl Brandi, Bl. 106.
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7. Zusammenfassende Darstellung
spielhaft in der ebenfalls von Gottlieb konzipierten und an alle SS-Ärzte verteilten Broschüre „Ewiges Arzttum“ nieder, deren erster Band jeweils passend erscheinende Passagen aus dem Corpus Hippocraticum enthielt. Gottlieb galt bei Kriegsende als kommender Mann seiner Zunft und war als Nachfolger Diepgens in Berlin vorgesehen. Die teilweise bizarre Züge tragende Auseinandersetzung um den Berliner Lehrstuhl spiegelte die polykratische Herrschaftsstruktur des Nationalsozialismus wider. Auch wenn es der Wissenschaftspolitik der SS letztlich nicht gelungen war, sich vollständig von der in den traditionellen universitären Strukturen verankerten Medizingeschichte abzusetzen: Das endgültige Herabsinken der Medizinhistoriographie zu einer reinen Legitimationswissenschaft nationalsozialistischer Auslese- und Vernichtungspolitik ist am Ende nur durch die alliierte Befreiung verhindert worden. In der Zusammenschau lässt sich feststellen, dass die Nationalsozialisten nur in Ansätzen ein völlig neues medizinethisches Konzept entwarfen. Der Bezug auf tradierte Wurzeln war weiterhin nötig, und sei es nur, um daran die Variabilität von Moralvorstellungen zu zeigen, wie es etwa Mrugowsky versuchte. Anders ging Gottlieb vor, dessen Konstrukt des „Ewigen Arzttums“ zeitlose Gültigkeit überkommenen Gedankenguts suggerieren sollte. Um der NS-Ethik den Anschein geschichtlicher Tiefe zu verleihen, wurden vermeintlich zu dieser Ethik passende historische Versatzstücke einseitig hervorgehoben und instrumentalisiert. Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie vorhandene Moralkonzepte aufgriffen, modifizierten und neu interpretierten. Während sich der Medizinhistoriker in SS-Uniform, wie auf dem Titelbild dargestellt, in weihevoller Pose über Vesals frühneuzeitliche Anatomiestudien beugt, untergräbt er zur gleichen Zeit mit seinem Wirken elementare Werte von Medizin und Moral.
8. SCHLUSSBETRACHTUNG Die Jahre zwischen 1939 und 1945 stellten einen signifikanten Zeitabschnitt in der Geschichte der Medizinethik dar. Die erschreckende Bereitwilligkeit, mit der sich Ärzte für die Ziele des Nationalsozialismus engagierten, fordert noch heute zu der Frage nach den tieferen Beweggründen heraus. Mit dem Gesetz zur Zwangssterilisierung von 1933 waren bereits wichtige Grundsätze ärztlicher Ethik, neben der Schweigepflicht auch das Nichtschadensgebot (nihil nocere), ins Wanken gebracht worden. Doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges erfuhr die Umwertung moralischer Maßstäbe im Bereich der Medizin eine neue Dynamik. Das ärztliche Gebot, alle Patienten ohne Ansehen der Person gleich zu behandeln, verlor seine Bindungskraft, indem bestimmte Menschengruppen von diesem Gebot ausgenommen wurden. Entscheidend dafür war der ihnen von der NS-Ideologie zugewiesene „Wert“. Neben die faschistische Utopie einer rassisch reinen und genetisch gesunden Bevölkerung trat zunehmend auch ein an knappen Ressourcen orientiertes Nützlichkeitsdenken. Im Schatten des Krieges begannen die Patiententötungen im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion. Zudem eröffnete der Krieg Freiräume, die von Ärzten und Wissenschaftlern in menschenverachtender Weise zu Humanexperimenten ausgenutzt wurden. Die im Nürnberger Ärzteprozess dafür zur Verantwortung gezogenen Mediziner beriefen sich in ihrer Rechtfertigung nicht nur auf kollektivethische Konzepte, sondern auch auf den Krieg als handlungsleitendes Motiv. Es ist jedoch nicht hinreichend, die medizinischen Verbrechen der NS-Zeit allein darauf zurückzuführen, dass Wissenschaftler schlicht die Möglichkeit der straflosen Unmenschlichkeit für ihre ehrgeizigen Ziele genutzt hätten. Anhand der Moralkonzepte, die von den drei in dieser Arbeit untersuchten Medizinern propagiert wurden, ließ sich zeigen, dass das verbrecherische Handeln vieler Ärzte während der NS-Zeit durchaus auf – totalitär geprägten – moraltheoretischen Grundlagen beruhte und somit nicht allein situativen Gegebenheiten entsprang. Kollektivethische Prinzipien galten nicht nur als oberste ärztliche Handlungsmaxime, sondern auch als zutiefst moralisch. Die vielfach gebrauchte Parole, wonach alles sittlich sei, was dem Volkswohl diene, fand hier praktische Anwendung. In der zweiten Hälfte der nationalsozialistischen Herrschaft nahmen entscheidende Entwicklungslinien auf dem Weg zur Professionalisierung von Medizingeschichte und Medizinethik ihren Anfang. Die 1933 in Gang gesetzte „Umwertung aller Werte“ in der moralischen Urteilsbildung760 verschärfte sich 1939 noch einmal. Wichtige Protagonisten medizinischer Ethik wie Rudolf Ramm oder Joachim Mrugowsky veröffentlichten ihre Schriften unmittelbar vor oder auf dem 760 Mit diesem Diktum Nietzsches charakterisierten bereits Zeitgenossen den Umbruch von 1933; zur Rezeption und Vulgarisierung Nietzsches durch die Nationalsozialisten siehe Stern (1963), S. 335–341 sowie Aschheim (1992), S. 232–271.
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8. Schlussbetrachtung
Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges. Auch die Medizinhistoriographie wuchs erst nach 1939 vollends in ihre Rolle als historische Legitimationsinstanz der neuen Medizinethik hinein. Im selben Jahr führte man zudem mit der Ärztlichen Rechtsund Standeskunde ein gänzlich neues Fach in das Pflichtcurriculum des Medizinstudiums ein, das den Nachwuchsärzten die nationalsozialistische Moral vermitteln sollte. Spätestens in den Kriegsjahren hatten viele Ärzte die nationalsozialistische Medizinideologie völlig internalisiert. Mediziner beteiligten sich maßgeblich an der Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus. Bereits vor dem Krieg hatten zahlreiche Ärzte an der Kategorisierung der verschiedenen Opfergruppen gemäß rassischer Kriterien mitgewirkt. Nach 1939 organisierten und vollzogen Ärzte die Tötung körperlich und geistig kranker Menschen – eine Vorläufer-Aktion des Holocaust. In den Vernichtungslagern wiederum führten Ärzte die Selektion der eintreffenden Häftlinge durch oder nahmen medizinische Versuche an ihnen vor, die oft tödlich endeten. Keiner der dort eingesetzten Ärzte wurde zur Mitwirkung an diesen Verbrechen gezwungen, doch nur sehr wenige Beteiligte entzogen sich der Teilnahme daran. Von den nach 1945 angeklagten „Euthanasie“-Ärzten zeigten die wenigsten Zeichen von Reue oder Schuldbewusstsein; sie hatten ihr Handeln während des Krieges schlichtweg nicht als unmoralisch empfunden. Im Nürnberger Ärzteprozess versuchten die Angeklagten gar, ihre Taten mit ethischen Argumenten zu begründen und zu rechtfertigen. Der hippokratische Eid wurde dabei entweder umgedeutet oder seine Anwendbarkeit auf den jeweiligen Fall bestritten. Die vorliegende Untersuchung stellt biographische und strukturelle Entwicklungslinien nationalsozialistischer Medizinethik während der Zeit des Zweiten Weltkrieges dar. Die Arbeit versteht sich als notwendige Erweiterung und Fortsetzung vorhandener Analysen, die schwerpunktmäßig die Jahre vor 1939 behandelt haben. Die darauf folgende Radikalisierung, aber auch die institutionelle Professionalisierung der Medizinethik in den Kriegsjahren konnte aufgezeigt werden. Für staatlich-institutionelle Verbrechen gilt, dass die Verantwortung der Täter mit der Entfernung zum Tatort steigt. Die drei im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Mediziner waren auf unterschiedliche Weise Wegbereiter und Vermittler einer ärztlichen Moral, die auf eine völlige Entwertung und die anschließende Vernichtung individuellen Lebens hinauslief. Die sogenannte generative Ethik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Wohl des Volkes und künftiger Generationen zu zentralen Wertbegriffen erhoben hatte, kulminierte im Zweiten Weltkrieg in einem medizinisch-biologistischen Staatsterror, der vulnerable Bevölkerungsgruppen existenziell bedrohte. Die praktische Umsetzung dieser totalitaristischen Ethik, die mit dem völligen Verlust individueller Rechte einherging und schließlich in einen gesundheitspolitischen Krieg nach innen mündete, war nur in einer totalitären Diktatur möglich. Ideologisch bis zur letzten Konsequenz ausgedeutete und mit einer inhärenten Logik ausgestattete Moralsysteme können jedoch darüber hinaus generell zur Grundlage für jegliche Form von Fundamentalismus und Fanatismus werden.
8. Schlussbetrachtung
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Die daraus abzuleitende historische Erfahrung, dass die Ethik in der Medizin in besonderer Weise den Moralvorstellungen der jeweiligen Zeit unterliegt und daher stets anfällig für gravierende Wandlungen ist, wirkt bis in unsere Gegenwart fort. Um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts richtig zu begegnen und um Fehlentwicklungen und Gefahren rechtzeitig erkennen zu können, wird sich die Medizinethik immer wieder aufs Neue ihrer Vergangenheit stellen müssen. Nur dann kann sie ihre wichtigste Aufgabe erfüllen, nämlich zu verhindern, dass der ärztliche Heilungsauftrag erneut ideologischen Dogmen unterworfen wird und Menschen unterschiedliche Werte oder Lebensrechte zugemessen werden.
9. VERZEICHNIS DER BENUTZTEN ABKÜRZUNGEN Anm. BArch BDC BGBl. BSB DFG DGGMNT DLA DRK F.B. HAV IfG KSI MfS MWEV NS NSDÄB NSDAP NSDStB PA REM SD SS SoSe SUB Trim UAF UAG UAH UAHU UAL UK VDST VV WiSe
Anmerkung Bundesarchiv Berlin bzw. Ludwigsburg Ehemaliges Berlin Document Center, heute dem Bundesarchiv Berlin angeschlossen Bundesgesetzblatt Bayerische Staatsbibliothek München Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik (gegründet 1901) Deutsches Literaturarchiv in Marbach am Neckar Deutsches Rotes Kreuz Florian Bruns Hauptamt für Volksgesundheit der NSDAP Institut für Geschichte der Medizin [Archivsignatur des UAHU] Karl-Sudhoff-Institut der Universität Leipzig Ministerium für Staatssicherheit der DDR Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung nationalsozialistisch Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund Personalakte Reichserziehungsministerium Sicherheitsdienst Schutzstaffel Sommersemester Staats- und Universitätsbibliothek [Göttingen] Trimester Universitätsarchiv Freiburg Universitätsarchiv Graz Universitätsarchiv Halle Universitätsarchiv der Humboldt-Universität Berlin Universitätsarchiv Leipzig Universitätskurator Verein(e) Deutscher Studenten [Kyffhäuser-Verband] Vorlesungsverzeichnis Wintersemester
10. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 10.1. ARCHIVALIEN UND SONSTIGE QUELLEN Bundesarchiv Standort Berlin • NS 19 Persönlicher Stab Reichsführer-SS, Nr. 1586, 1591, 1353, 1411 • NS 38 Reichsstudentenführung und NS-Deutscher Studentenbund, Nr. 42, 2040 • NS 48 Sonstige zentrale Dienststellen und Einrichtungen der SS, Nr. 25– 27 Bundesarchiv Standort Ludwigsburg • B 162/483 (Hefelmann), B 162/1036 (Gottlieb) Bundesarchiv Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten • NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) ZA I 5917 A-1, ZA I 6060 A-17, ZA I 10983 A-1, ZM 1395 A-16, ZM 1551 A-1 Berlin Document Center (BDC), heute Bundesarchiv Berlin • PK (Parteikorrespondenz) • REM (Reichserziehungsministerium) • SSO (SS-Führerpersonalakten) • WI (Amt Wissenschaft) • DS (Diverses) • NSDAP-Zentralkartei/NSDAP-Gaukartei • NSLB (Nationalsozialistischer Lehrer-/Dozentenbund) • RÄK (Reichsärztekammer) • RS (Rasse- und Siedlungshauptamt) Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), Wien • Nr. 18860/23, 34 (Gesundheitsamt Wien) Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main • Magistratsakten Nr. 7113 Bd. 1–2 (Stadtärzte und Stadtmedizinalräte) Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar (DLA) • Handschriftenabteilung, A: Theodor Bluth Medizinhistorisches Institut der Universität Mainz • Nachlass und Korrespondenz Paul Diepgen
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10. Quellen- und Literaturverzeichnis
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) • Handschriftenabteilung, Nachlass Karl Brandi (Cod. Ms. K. Brandi 45) Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz • Zentrale Kartei der Autographen • Zeitungsarchiv Westhafen Universitätsarchiv der Humboldt-Universität Berlin (UAHU) • Institut für Geschichte der Medizin (IfG) • Institut für Hygiene • Medizinische Fakultät • Nachlass Paul Diepgen • Bestand Universitätskurator (UK): Personalakten de Crinis, Gottlieb, Mrugowsky, Ramm, Zeiss Universitätsarchiv Freiburg (UAF) • Nachlass Ludwig Aschoff, E 10/115, E 10/135 Universitätsarchiv Graz (UAG) • Personalakte Gottlieb Universitätsarchiv Halle (UAH) • Personalakten: PA 5296 Dehn, PA 7239 Hamann, PA 11613 Mrugowsky • Bestand Rektor: Rep. 4 Nr. 1800 • Bestand Kurator: Rep. 6 Nr. 1357, 1407 • Bestand Medizinische Fakultät: Rep. 29 F II Nr. Bd. 1 Universitätsarchiv Leipzig (UAL) • Karl-Sudhoff-Institut (KSI), Nr. 6a, 47c, 49c Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA)/Archiv der Republik, Wien • Nr. 2350 (Gesundheitswesen allgemein), 2355/3 (Ausdehnung des Bereichs der Kassenärztlichen Vereinigung auf Österreich), 2355/4 (Verordnung über die Teilnahme von Juden an der kassenärztlichen Versorgung), 2361 (Juden im Ärzteberuf) • Nr. 9-A (Bestand Stillhaltekommissar Wien)
10.1. Archivalien und sonstige Quellen
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Gedruckte Quellen •
• •
•
Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP, Rekonstruktion eines verlorengegangenen Bestandes, Mikrofiche-Sammlung, hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte München, München 1983. Reichsmedizinalkalender. Verzeichnis der deutschen Ärzte und Heilanstalten, Leipzig 1937. Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur, Bibliographie der Rezensionen, hrsg. von Reinhard Dietrich, Bände LXX–LXXVI 1940– 1943, Reprint, New York, 1962 Der Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47. Wortprotokolle, Anklage- und Verteidigungsmaterial, Quellen zum Umfeld, Deutsche Ausgabe. Im Auftrag der Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts herausgegeben von Klaus Dörner, Angelika Ebbinghaus und Karsten Linne; in Zusammenarbeit mit Karl Heinz Roth und Paul Weindling, bearbeitet von Karsten Linne, Einleitung von Angelika Ebbinghaus. Mikrofiche-Edition, München/New York 1999, zitiert als: Edition Ärzteprozess.
Vor 1945 erschienene Zeitungen und Zeitschriften (nur zum Teil systematisch ausgewertet; nicht aufgeführt sind Periodika, aus denen lediglich Rezensionen entnommen wurden): Ärzteblatt für Mitteldeutschland, Ärzteblatt für die deutsche Ostmark, Ärzteblatt für Ostpreußen, Arbeiterwohlfahrt, Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie, Das Schwarze Korps, Der Gerichtssaal, Der Jungarzt, Der Landarzt, Deutsche Dentistische Wochenschrift, Deutsche Medizinische Wochenschrift, Deutsche Strafrechtszeitung, Deutsches Ärzteblatt, Deutschlands Erneuerung, Die Ärztin, Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg (bis 1939: Ziel und Weg), Die Medizinische Welt, Die Neue Rundschau, Ethik. Sexual- und Gesellschaftsethik, Forschungen und Fortschritte, Hippokrates, Klinische Wochenschrift, Lychnos, Münchener Medizinische Wochenschrift, Nationalsozialistische Monatshefte, Neue Blätter für den Sozialismus, Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie, Virchows Archiv, Völkischer Beobachter, Volk im Werden, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Zeitschrift für Kreislaufforschung, Zeitschrift für psychische Hygiene.
Schriftliche Korrespondenz mit Prof. Franz Joseph Gottlieb vom 23.01.2002, 13.02.2002, 18.06.2002, 23.06.2002, 29.07.2002, 09.01.2004, 21.04.2004 und 21.08.2008.
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10. Quellen- und Literaturverzeichnis
10.2. LITERATUR 10.2.1. Darstellungen vor 1945 Abderhalden, Emil (1929) Sind ethische Grundsätze wandelbar?, in: Ethik V (1929), S. 410–421. Ackermann, Wilhelm (1938) Der ärztliche Nachwuchs zwischen Weltkrieg und nationalsozialistischer Erhebung, Diss. med. Köln. Anschriftenbuch/Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten (1931), Berlin. Aschoff, Ludwig/Diepgen, Paul (1940) Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin, 4. Auflage, München. Baeumler, Alfred (1934) Männerbund und Wissenschaft, Berlin. Baur, Erwin/Fischer, Eugen/Lenz, Fritz (1921) Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene, Band I: Menschliche Erblichkeitslehre. Band II: Menschliche Auslese und Rassenhygiene, München. Becker, W. (1939) Das Problem der Euthanasie, in: Deutschlands Erneuerung 23, S. 41–43. Berger, Hermann (1928) Ärzte-Areopage. Dem deutschen Arzttum ein Weg zur Gesundung, Neustadt a. d. Haardt. Berger, Hermann (1939) Die Hippokratitis. Meine diesjährige Bitte an die Kongresse, in: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 36, S. 220–223. Berger, Hermann (1940) Kleiner Kulturspiegel des heutigen Arzttums nach Zeitschriftenstimmen des letzten Jahrzehnts, Band 1, Jena. Berger, Hermann (1941) Kleiner Kulturspiegel des heutigen Arzttums nach Zeitschriftenstimmen des letzten Jahrzehnts, Band 2, Jena. Berger, Hermann (1943) Die kulturelle Sendung des Arztes, in: Medizinische Klinik 39, S. 530–532 und S. 560–561. Berger, Hermann (1944) Kulturelles Selbstbewußtsein – eine vaterländische Arztpflicht, in: Die Ärztin 20, S. 13–15. Binding, Karl/Hoche, Alfred (1920) Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form, Leipzig. Bircher, Eugen (1940) Soldat und Arzt. Eine psychologische Betrachtung, Stuttgart. Blome, Kurt (1937) Das ärztliche Fortbildungswesen in Deutschland. Vortrag, gehalten auf dem 3. Internationalen Kongreß für ärztliche Fortbildung, Berlin, 21.8.1937, in: Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg, Heft 17, S, 437–439. Blome, Kurt (1938) Arzttum in Kultur und Wissenschaft, in: Deutsches Ärzteblatt 68, S. 134–137. Blome, Kurt (1940) Gesundheitsführung und Wissenschaft, in: Veröffentlichungen der Berliner Akademie für ärztliche Fortbildung 6, S. 5–11. Blome, Kurt (1943) Über Arzttum in Krieg und Frieden, in: Deutsches Ärzteblatt 73, S. 158–159. Borchardt, [?] (1922) Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, in: Deutsche Strafrechtszeitung 9, S. 206–210.
10.2. Literatur
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Bruckner, Ferdinand (1928) Krankheit der Jugend. Schauspiel in drei Akten, Berlin. Buttersack, Felix (1926) Wider die Minderwertigkeit! Die Vorbedingung für Deutschlands Gesundung. Skizzen zur Völker-Pathologie, Leipzig. Buttersack, Felix (1929) Ist die ärztliche Ethik wandelbar?, in: Der Landarzt 10, S. 531–533. Buttersack, Felix (1931) Ethik tut not!, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 78, S. 1570–1571. Conti, Leonardo (1943) Reden und Aufrufe – Gerhard Wagner, 1888–1939, Berlin/Wien. Dehn, Günther (Hg.) (1931) Kirche und Völkerversöhnung. Dokumente zum Halleschen Universitätskonflikt, Berlin. Diepgen, Paul (1917) Die politische Entwicklung der Völker und die Medizin, Freiburg. Diepgen, Paul (1928) Die Grundlagen der Medizin im 19. Jahrhundert und ihre gegenwärtige Krise, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 54, S. 2171– 2175. Diepgen, Paul (1931) Mitteilungen aus dem Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften in Berlin. Die Aufgaben und Ziele des Instituts, in: Klinische Wochenschrift 10, S. 269–271. Diepgen, Paul (1934) Das Schicksal der deutschen Medizingeschichte im Zeitalter der Naturwissenschaften und ihre Aufgaben in der Gegenwart, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 60, S. 66–70. Diepgen, Paul (1936) Das Berliner Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, in: Lychnos 1, S. 230–234. Diepgen, Paul (1938) Die Heilkunde und der ärztliche Beruf. Eine Einführung, München/Berlin. Diepgen, Paul (1940) Die Geschichte der Medizin in Deutschland, in: Forschungen und Fortschritte 16, S. 365–370. Diepgen, Paul (1941a) Der Arzt Paracelsus und die moderne Medizin, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 88, S. 1041–1044. Diepgen, Paul (1941b) Der Arzt Paracelsus und die moderne Medizin, in: Die Gesundheitsführung – Ziel und Weg Jg. 1941, S. 287–299. Diepgen, Paul (1943) Über die Lektüre des jungen Mediziners und den Dilettantismus in der Medizingeschichte, in: Medizinische Welt 17, S. 493–495. Diepgen, Paul/Rosner, Edwin (1941) Zur Ehrenrettung Rudolf Virchows und der deutschen Zellforscher, in: Virchows Archiv 3, S. 457–489. Diepgen, Paul/Rostock, Paul (Hg.) (1939) Das Universitätsklinikum in Berlin. Seine Ärzte und seine wissenschaftliche Leistung 1810–1933, Leipzig. Dietrich, Otto (1935) Die philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus. Ein Ruf zu den Waffen deutschen Geistes, Breslau. Dingler, Hugo (1935) Das Handeln im Sinne des höchsten Zieles (Absolute Ethik), München. Eckhard, W. [?] (1941) Völkisches Arzttum. Dargestellt an Dietrich Georg Kiefer, in: Volk im Werden 9, S. 201–210.
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10. Quellen- und Literaturverzeichnis
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10.2. Literatur
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10.2. Literatur
213
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10. Quellen- und Literaturverzeichnis
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11. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Abbildung 2:
Usadel (1935), Umschlagtitel Archiv Institut für Geschichte der Medizin der Charité –
Abbildung 3:
Universitätsmedizin Berlin Archiv Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Abbildung 4:
Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15:
Archiv Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin Gottlieb/Berg (1942), Innentitel Archiv Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin Hippokrates (1942), Umschlagtitel BSB, Fotoarchiv Hoffmann, hoff-28995 Fotografie des Verfassers, März 2005 Deutsches Ärzteblatt 69 (1939), S. 346 Ramm (1942a), Umschlagtitel BSB, Fotoarchiv Hoffmann, hoff-50610 BArch, NS-Archiv des MfS, ZM 1551 A-1 UAH Rep. 4 Nr. 1800 UAH Rep. 4 Nr. 1800
Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18:
Mrugowsky (1939), Umschlagtitel Edition Ärzteprozess, Abt. 3 (Anklagematerial), S. 03005 Stadtarchiv Nürnberg, Bestand A 80, Nr. 109
Abbildung 19:
Stadtarchiv Nürnberg, Bestand A 80, Nr. 70
Abbildung 20: Abbildung 21:
Stadtarchiv Nürnberg, Bestand A 80, Nr. 110 Stadtarchiv Nürnberg, Bestand A 80, Nr. 111
Abbildung 5: Abbildung 6:
12. PERSONENREGISTER
Abderhalden, Emil .......... 35, 40, 43, 45, 47f., 51, 55, 115, 142, 146, 154, 158, 169, 182, 194 Ach, Johann S. ..................... 11, 189 Ackerknecht, Erwin Heinz... 22, 76f., 204, 207 Ackermann, Wilhelm ........... 33, 182 Albrecht, Erwin............................ 76 Alwast, Jendris ..................... 44, 189 Aly, Götz................. 15, 48, 54f., 61, 189, 207 Annas, George J. ............11, 21, 165, 189, 192, 206 Arendt, Hannah .............93, 127, 189 Artelt, Walter ........... 9, 62f., 73, 75f. Aschheim, Steven E. .....27, 175, 189 Aschoff, Ludwig ........... 53, 60, 63f., 71, 103, 180, 182 Aubin, Gustav ............................ 141 Aust, Stefan.......................... 12, 189 Baader, Gerhard ........14, 55, 74, 189 Bacon, Francis............................ 117 Baeumler, Alfred.............41, 44, 182 Bajohr, Frank ..................... 189, 198 Balzer, P. ................................... 125 Baranzke, Heike ................... 13, 189 Bareuther, Herbert.............. 189, 201 Basten, Josef .............................. 108 Baur, Erwin...................31, 182, 193 Bayer, Friedrich Wilhelm ............. 72 Bayer, Rudolf ............................... 91 Bayertz, Kurt........................ 27, 213 Bayle, François.............20, 121, 132, 169, 189 Beals, Walter B. ......................... 165 Beck, Christoph.................... 14, 189 Becker, Oskar..................... 195, 214 Becker, W. ........................... 51, 182 Bedenbecker-Busch, Mechthild .. 189
Beischl, Konrad ....................23, 189 Benz, Wolfgang ............ 23, 160, 190 Benzenhöfer, Udo .................50, 190 Berg, Alexander ......... 22, 62, 64, 66, 68, 75–77, 184, 204 Berg, Manfred.............................190 Bergdolt, Klaus ............... 11, 21, 190 Berger, Hermann..............45, 83, 85, 115, 124, 182 Bergmann, Gustav von................. 73 Best, Werner .................... 143f., 198 Betz, Angelika ............................... 9 Binding, Karl ........................31, 182 Bircher, Eugen ......................86, 182 Birk, Walter ..........................86, 190 Bleker, Johanna... 190, 194, 201, 203 Bleuel, Hans Peter.....135f., 138, 190 Bloche, M. Gregg..................11, 203 Blome, Bettina ............................162 Blome, Kurt ....... 53, 81f., 85, 94–96, 98, 129, 162, 167, 182, 204 Blumenstein, Fritz........................ 62 Blumenthal, Sandra...................... 10 Bluth, Theodor................... 75f., 179 Bock, Gisela ...................... 48f., 190 Boenheim, Felix..........................207 Böhm, Otto .................................161 Böhme, Gernot........... 11, 16, 20, 50, 190, 192 Böhmer, Kurt ......................108, 110 Böhnigk, Volker....................40, 190 Boltres, Daniela .............. 37, 62, 190 Bonah, Christian ...................21, 190 Bonde, Ingo ..........................11, 190 Bonhoeffer, Dietrich .............21, 195 Bonhoeffer, Karl ....... 21, 49, 61, 195 Bormann, Martin...............45, 53, 73 Bösch, Frank.......................190, 213 Bothe, Detlef................... 34, 98, 190 Bouhler, Philipp ..........................121
12. Personenregister
Brandi, Karl ..................45, 173, 180 Brandt, Karl .......12, 15, 21–23, 53f., 58f., 78, 83, 121, 132, 144, 159, 162, 169, 195, 208, 211 Brandt, Rudolf...................... 71, 79f. Brassington, Ian ................... 11, 191 Bredereck, Ursula....................... 142 Bröer, Ralf ....................16, 189, 191 Bromberger, Barbara .......27, 31, 191 Browder, George C. ........... 143, 191 Browning, Christopher ......... 14, 191 Bruch, Rüdiger vom .....19, 167, 191, 196f. Bruchelt, Gabriele ................ 59, 191 Bruckner, Ferdinand............. 32, 183 Brugsch, Theodor..... 138f., 146, 191 Brunn, Walter von ......... 36f., 45, 49, 57–60, 64, 67, 71f., 75, 205 Bruns, Alfred................................ 10 Bruns, Florian ....... 11f., 22, 57, 59f., 70, 76, 178, 191, 195 Buhtz, Gerhard ............108–110, 112 Bürckel, Josef...... 88, 90–92, 95, 204 Burg, Wibren van der ........... 13, 191 Burkhardt, Claudia ....25, 32, 51, 191 Burleigh, Michael............... 12, 191f. Buschan, Georg............................ 72 Bussche, Hendrik van den ... 73, 103, 192 Buttersack, Felix ....31, 35, 115, 154, 183 Caplan, Arthur L. ............12, 16, 192 Caregorodcev, Genadij I....... 21, 211 Chamberlain, Houston Stuart........ 29 Chroust, Peter...... 135, 137, 144, 192 Cocks, Geoffrey ................. 190, 199 Coleman, William ................ 57, 192 Conti, Leonardo..........23, 38, 46, 53, 93–95, 99, 105, 114, 124, 129, 136, 139, 156, 160, 167, 169, 183, 199, 202f. Costa-Gavras, Constantin ........... 158 Cranach, Michael von........... 15, 192 Cüppers, Martin ............58, 143, 192
217
Darwin, Charles .............. 26, 30, 212 David, Heinz.........................71, 192 de Crinis, Maximinian... 61, 64f., 70, 73f., 103, 169, 180, 199 Dehn, Günther.... 133, 139–141, 144, 168, 180, 183, 192 Demme, Hans .....................108, 111 Dicke, Jan Nikolas ..............111, 192 Diepgen, Paul........22, 34, 43, 45–47, 57–69, 71–76, 78, 82, 87, 103, 114, 127, 168, 171, 173f., 179f., 182f., 192, 196–198, 204 Dietrich, Otto ........................42, 183 Dietrich, Reinhard....... 125, 152, 181 Dingler, Hugo .......................43, 183 Ding-Schuler, Erwin .. 156, 160, 162, 165 Distel, Barbara .............. 23, 160, 190 Dörner, Klaus.........14f., 51, 54, 127, 132, 161f., 192f., 201, 213 Drewes, Timo .............................201 Dumont, Susanne ........................164 Dütsch, Thomas ............................. 9 Düwell, Marcus............. 16, 192, 213 Ebbinghaus, Angelika ... 14f., 18, 54, 132, 160–162, 192f., 201, 213 Eben, Antonia K. ............ 21, 24, 193 Eberl, Irmfried ................ 23, 55, 196 Eberle, Henrik...... 113f., 132f., 137– 139, 141, 147, 193 Eckart, Wolfgang U. ........11, 22, 28, 96, 193, 198, 202, 204, 211 Ehrhardt, Karl .............................. 65 Eichmann, Adolf........... 93, 189, 214 Eickhoff, Clemens...........13, 21, 121, 192, 194f., 206, 209 Elbel, Herbert......................109, 111 Elkeles, Barbara ....................25, 193 Enke, Ulrike........................193, 200 Eschbacher, Eduard.............104, 108 Eucken, Rudolf .....................29, 184 Ewald, Gottfried........................... 48 Ewig, Wilhelm......................... 125f. Exenberger, Herbert ..............89, 193
218
12. Personenregister
Fahrenbach, Sabine .......22, 193, 198 Fangerau, Heiner ...........31, 193, 209 Faulstich, Heinz............ 29, 54, 193f. Faust, Anselm .......... 135, 137f., 194 Faye, Emmanuel................... 41, 194 Fenner, Dagmar.................... 12, 194 Feuerhake, Kurt.......................... 137 Feyerabend, Christian................... 12 Fischer, Eugen...............31, 182, 193 Fischer, Isidor ...................... 25, 184 Fischer, Walther ................. 109, 111 Fischer, Wolfram................ 167, 194 Fischer-Homberger, Esther... 28, 194 Fleischbein, Klaus von ................... 9 Flemming, Fritz...........142, 162–164 Focke, Friedrich ................. 105, 109 Föllmer, Moritz .................... 32, 194 Forsbach, Ralf ...... 14, 20f., 111, 194 Förster, Augustin........................ 109 Förstl, Hans.................192, 194, 214 Frank, Hans.................................. 55 Frank, Walter ....................... 68, 197 Frankenthal, Käte ................. 45, 194 Frei, Norbert.. 18, 169, 190, 194, 213 Freidl, Wolfgang ................ 194, 200 Frewer, Andreas .....9, 11, 13–17, 19, 21f., 24, 27, 32, 35, 40, 47, 51f., 54, 57, 59f., 70, 76, 121, 158, 162, 191–195, 201–204, 208–211, 213 Frick, Wilhelm ........................... 162 Friedlander, Henry ............... 55, 195 Friedländer, Saul ................ 158, 195 Friedrich der Große .............. 70, 184 Friedrich III., Kaiser..................... 94 Fritsch, Theodor ........................... 34 Fritz, Erich ............................... 108f. Fuchs, Petra.....................15, 18, 195 Fuchs, Robert ............................... 79 Fuchs-Heinritz, Werner ........ 17, 195 Gabriel, Eberhard ........189, 195, 198 Galton, Francis ..................... 27, 184 Gebhardt, Karl...............73, 160, 169 Gehlen, Arnold............................. 41 Geiger, M. .................................. 207
Genzken, Karl .............63f., 134, 158 Gerhardt, Moritz .........................190 Gerhardt, Uta ..............................191 Gerrens, Uwe ............ 21, 49, 51, 195 Gerst, Thomas.....................127, 195 Gerstein, Kurt ..........157f., 195, 197, 199, 208 Gethmann-Siefert, Annemarie....195, 214 Geyer, Guido ........................68, 184 Geyer-Kordesch, Johanna ...........212 Gieseler, Daniela.......................... 12 Gilbert, Gustave M. ..............14, 195 Gildemeister, Eugen....................160 Glover, Jonathan ...................16, 196 Gobineau, Joseph A. Comte de..... 26 Goebbels, Joseph ........................100 Goerke, Heinz................................ 9 Gordijn, Bert.........................13, 196 Göring, Hermann ................138, 162 Goroncy, Curt .....................108, 111 Gotfredsen, Edvard ...................... 59 Gottlieb, Bernward Josef....9, 17–19, 22, 57f., 62–71, 73–77, 79–81, 83, 87, 101, 150, 168–171, 173f., 179–181, 184f., 196, 208, 215 Gottlieb, Heinrich Josef................ 62 Grabher, Michael ..................23, 196 Gradmann, Christoph .... 28, 193, 211 Graf, Anton...........................46, 185 Graf, Rüdiger ........................32, 194 Grau, Günter .........................73, 196 Grawitz, Ernst .............................. 58 Grawitz, Ernst Robert.......... 58, 63f., 66–71, 78–81, 83, 136, 147, 152, 155, 158–160, 162, 168f., 185 Grebner, Gundula................143, 209 Griesecke, Birgit .........................205 Grimme, Adolf......................... 139f. Grodin, Michael A. ...... 21, 165, 189, 192, 206 Groeben, Norbert ..................81, 196 Gröger, Helmut .................9, 91, 196 Groß, Dominik......................76, 196 Gross, Heinrich ............................ 12
12. Personenregister
Gross, Raphael ................... 15f., 196 Gross, Walter ....................... 54, 101 Großmann, Erich ........................ 108 Grotepass, Wilhelm .................... 164 Gruber, Georg Benno .... 22, 47f., 60, 76, 82, 85, 115, 123, 126f., 185, 203 Gruber, Max von .................. 29, 184 Grübler, Gerd ....................... 32, 196 Gründel, Günther...30, 104, 143, 185 Grüttner, Michael ....... 40f., 171, 196 Guckes, Barbara ...............12f., 196f. Gunderson, Martin ............... 11, 197 Günther, Hans F. K. ..................... 31 Gütt, Arthur.......................... 48, 185 Györy, Tibor . 36, 45, 49, 57, 59, 205 Haas, Georg ............................... 108 Haas, Peter J. ...... 14–16, 40, 42, 197 Haberling, Wilhelm ............ 60, 153f. Habermas, Jürgen ................. 11, 197 Hachtmann, Rüdiger................... 196 Hackett, David A. .............. 160, 197 Haeckel, Ernst .................... 26, 206f. Haecker, Valentin............... 146, 169 Haedenkamp, Karl................ 99, 210 Hafferl, Anton ........................ 65, 70 Haffner, Sebastian ................ 30, 197 Hahn, Judith ..................15, 161, 197 Hahn, Susanne...................... 21, 197 Hallermann, Wilhelm ................. 109 Hamann, Ehrhardt ..... 83, 104f., 108, 113f., 180, 185 Hammerstein, Notker ........... 73, 197 Handloser, Siegfried......23, 160, 205 Hanisch, Ernst ............................ 211 Hansen, Friedrich .....81, 96, 98, 145, 155, 159, 197 Hartmann, Frank .................. 40, 197 Hartmann, Fritz .................... 19, 197 Hartmann, Willi...................... 88, 90 Hartung, Rudolf ................. 105, 109 Haug, Wolfgang Fritz........... 41, 197 Häupl, Waltraud ................... 18, 197 Hausbrandt, Fritz........................ 109
219
Hébert, Valerie....................158, 197 Hefelmann, Hans ..................53, 179 Heiber, Helmut .....68, 73f., 140, 197 Heidegger, Martin. 41, 191, 194, 201 Heim, Aribert............................... 12 Heischkel (-Artelt), Edith ...9, 73, 75, 114, 197 Heisler, August .....................33, 185 Helman, Socrate...... 22, 88, 156, 211 Hennemann, Gerhard ...... 42, 44, 185 Herber, Friedrich. 103, 110–113, 197 Herbert, Ulrich............30, 143f., 198 Herwig, Ingeborg ......................... 10 Herwig, Wolfgang........................ 10 Herzog, H. ............................83, 185 Hess, Rudolf ................................ 45 Hess, Volker .................................. 9 Heubner, Wolfgang.................73, 75 Himmler, Heinrich......21, 58, 62, 65, 68, 70f., 73f., 78–81, 83, 87, 134, 142, 146, 152, 158, 162, 164, 197 Hinz-Wessels, Annette........167, 198 Hippokrates.............. 64, 78–85, 117, 126, 185, 190, 195, 201f., 211 Hirschberg, Irene ........................... 9 Hirte, Ronald ......................157, 198 Hitler, Adolf .. 12, 24, 36, 38, 40–43, 45–47, 53f., 57f., 69, 73f., 84, 90, 100, 121, 134, 143, 145, 153, 155, 168, 191, 194, 199, 203, 205, 207 Hoche, Alfred .......................31, 182 Hocheisen, Paul ........................... 90 Hochhuth, Rolf ...................158, 198 Hofer, Hans-Georg................16, 198 Hofer, Otto................................... 74 Höffe, Otfried ................. 11, 17, 198 Hoffmann, Gerhard ...................... 31 Hofheinz, Ralf-Dieter..........112, 198 Hohendorf, Gerrit.............14, 19, 26, 195f., 198, 214 Hölderlin, Friedrich.....................148 Holzer, Franz Josef .....................109 Honigmann, Georg G. ...........34, 200 Höß, Rudolf ................................157 Hoßfeld, Uwe......................198, 214
220
12. Personenregister
Hubenstorf, Michael...22, 33, 36, 61, 69, 167, 194, 198, 203 Hübenthal, Christoph.................. 192 Huener, Jonathan.................. 22, 205 Hufeland, Christoph Wilhelm...... 54, 132, 148, 150–154, 164–166, 168, 186 Huisman, Frank.............16, 198, 201 Humboldt, Alexander von .. 148, 164 Hummers-Pradier, Eva ................... 9 Hüttenberger, Peter............... 91, 198 Jachertz, Norbert .........190, 201, 203 Jäckle, Renate ...................... 45, 198 Jacobs, Carl.....................36, 85, 185 Jaehn, Thomas ......22, 57, 59, 62, 64, 82, 87, 198 Jahr, Christoph ................... 167, 199 Janßen, Jörg ............................... 195 Jarausch, Konrad H. ........... 167, 199 Jasper, Hinrich ..................... 61, 199 Jehs, Michael........................ 33, 199 Jess, Adolf.................................... 71 Jobmann, Anke.............. 22, 66, 76f., 199, 204 Joffroy, Pierre .............156, 158, 199 Johe, Werner .............................. 189 Joost, Regine ................................ 10 Jost, Adolf............................ 25, 185 Jungmichel, Gottfried......... 108, 111 Jureit, Ulrike ...................... 143, 199 Jütte, Robert ....................... 199, 207 Kaderas, Brigitte .........191, 196, 197 Kaiser, Jochen-Christoph............ 199 Kaiser, Tina................................ 190 Kaiser, Wolfram............21, 137, 199 Kant, Immanuel...............30, 42, 190 Kapp, Wolfgang ..................... 29, 58 Kater, Michael H. .......15, 19, 66, 68, 73f., 123f., 135–140, 148, 171, 199 Kathan, Bernhard ................. 11, 199 Kavčič, Silvija............................ 197 Kayß, Matthias ........................... 189 Keitel, Wilhelm .......................... 162
Kennan, George F. ....................... 28 Kernbauer, Alois........... 69, 194, 200 Kiessling, Claudia S. .............52, 200 Kipke, Roland .................... 12f., 200 Kisskalt, Karl ................ 72, 123, 185 Klare, Kurt................................... 53 Klasen, Eva-Maria .... 33, 78, 82, 200 Klee, Ernst .............. 9, 14f., 18, 28f., 48f., 51, 69, 71, 104f., 111, 160, 169, 200 Klein, Kerstin..............................190 Klemperer, Victor ......... 44, 119, 200 Klinnert, Ernst...........135f., 138, 190 Knipper, Michael ............... 33f., 200 Koch, Richard ......... 37, 62, 190, 212 Kogon, Eugen ............. 160, 165, 200 Kohli, Martin ........................17, 200 Kolb, Stephan .............................190 König, Helmut ......................12, 200 Konitzer, Werner ............... 15f., 196 Koonz, Claudia .....................15, 200 Koop, Herbert .............................. 10 Kopernikus, Nikolaus..................173 Kopke, Christoph ........................197 Korotin, Ilse..........................40, 200 Koß, Johann................................193 Kötschau, Karl ......................82, 185 Kramer, Helgard ..... 12, 14, 157, 200 Krantz, Fritz........................145, 158 Krause, Marcus ...........................205 Kreuz, Lothar..............................129 Krieck, Ernst.............. 41, 47, 50–52, 106, 185 Kroll, Jürgen .........................27, 213 Kröner, Peter............. 12, 14, 19, 200 Krupp, Friedrich........................... 26 Kudlien, Fridolf ....................45, 200 Kühl, Stefan..........................27, 201 Kümmel, Werner Friedrich ..... 9, 22, 24, 34, 37, 57, 59, 72, 76, 201 Labisch, Alfons................13, 16, 86, 145, 154, 201f. LaFleur, William R. ....................190 Lammers, Heinrich ...................... 73
12. Personenregister
Lang, Hans-Joachim............. 18, 201 Langkafel, Peter ................... 12, 201 Lartschneider, Josef.............. 82, 185 Laugstien, Thomas ............. 40f., 201 Leaman, George ................. 41f., 201 Leibbrand, Werner .....127, 131, 153, 212 Lejeune, Fritz........22, 33, 57, 61, 74, 86, 209 Lenz, Fritz.......... 29–31, 40, 42, 159, 182, 185, 193 Lepicard, Étienne ................. 21, 190 Lerchenmueller, Joachim...... 60, 201 Lerner, Paul.......................... 29, 201 Leske, Monika.................40–42, 201 Leven, Karl-Heinz.. 15, 83–85, 201f. Ley, Astrid ......... 14f., 48f., 161, 202 Leyh, Ernst-Alfred ............... 23, 202 Liebknecht, Karl......................... 136 Liek, Erwin ...... 33, 36, 82, 116, 120, 148–150, 186, 190, 199, 208 Lifton, Robert Jay.. 11, 15, 84, 157f., 160, 202 Lilla, Joachim....................... 90, 202 Lingel, Robert ...................... 85, 186 Linne, Karsten............................ 192 Littré, Emile ................................. 79 Locher, Wolfgang G................... 212 Lohalm, Uwe.............................. 189 Lohff, Brigitte ....... 9, 32, 45, 96, 98, 202, 204, 211 Lübbe, Hermann................... 12, 202 Lucács, Georg .............................. 41 Lüth, Paul............... 21, 47, 84f., 202 Luther, Ernst ........................ 20, 202 Luxemburg, Rosa ....................... 136 Maehle, Andreas-Holger .... 16, 24f., 202 Maggi, Flavio ..................... 139, 203 Magull-Seltenreich, Achim... 19, 198 Maio, Giovanni.............11f., 17, 161, 203f., 207 Makowski, Christine C. ........ 54, 203 Malina, Peter ...................89, 91, 203
221
Mallach, Hans Joachim .......103, 203 Mandel, Hermann ........... 42–44, 186 Mann, Ernst .........................31, 186 Mann, Gunter........................26, 203 Manz, Rudolf ..............................108 Marckmann, Georg ...............17, 213 Marks, Jonathan H. ...............11, 203 Maršálek, Hans .....................69, 203 Marx, Ferdinand..................117, 186 Marz, Ilona .................................... 9 Mattulat, Martin..........9, 22, 47f., 82, 123, 203 Mausbach, Hans..........................191 Mayer, August ................ 72, 86, 203 Meggendorfer, Friedrich .............. 49 Meinel, Christoph ....... 198, 203, 213 Mennecke, Friedrich ...........144, 192 Mens, Fenja Britt ................136, 203 Mentzel, Rudolf ......................... 73f. Merkel, Christian ..................32, 204 Merkel, Hermann ................109, 111 Merkenich, Stephanie...... 58, 80, 204 Mersmann, Ingrid.... 22, 88, 103, 204 Meyer-Abich, Adolf... 142, 148, 159, 164 Michalczyk, John J. ..............21, 204 Michel, Rudolf............................108 Michl, Susanne .....................28, 204 Mielke, Fred...........12, 14f., 19f., 54, 159–163, 165, 201, 204f. Miles, Steven H. .....11, 21, 83f., 204 Mitscherlich, Alexander ...... 12, 14f., 19f., 54, 159–163, 165, 201, 204f. Mittelstraß, Jürgen ..............195, 214 Molitoris, Hans ...................108, 110 Moll, Albert ........ 24f., 186, 193, 202 Möller, Mareike ....................12, 204 Mörchen, Wilhelm ..............104, 108 Moreno, Jonathan D. .............11, 204 Mörgeli, Christoph........ 22, 66, 76f., 204 Morgenbrod, Birgitt ........ 58, 80, 204 Moro, Norbert .............................. 65 Morsch, Günter ...................161, 202 Moser, Gabriele .............. 81, 98, 204
222
12. Personenregister
Moses, Julius........... 32, 34f., 37–39, 55, 186, 204, 209 Mrugowsky, Joachim ..17f., 22f., 30, 53f., 83, 131–172, 174f., 180, 186, 211 Mrugowsky, Johannes ................ 132 Mueller, Berthold ............. 112f., 186 Müller, Martin........................ 60, 72 Müller, Otfried ..................... 85, 187 Müller, Sebastian........................ 201 Müller, Ulrich ............................ 195 Müller, Wolfgang................. 76, 196 Müller-Hess, Viktor...................... 75 Münch, Hans ...................... 157, 200 Muskalla, Dieter................... 88, 204 Nabielek, Rainer................... 57, 204 Nadav, Daniel S. ................ 34f., 204 Nauck, Ernst Theodor......... 134, 165 Neisser, Albert ............................. 25 Neitzke, Gerald .......... 12, 204f., 211 Neugebauer, Wolfgang...... 189, 195, 198, 211 Neukamp, Franz ................. 51f., 187 Neumann, Alexander......22, 86, 193, 205 Neumann, Josef N. ...... 21f., 24, 193, 195, 201f., 209 Neureiter, Ferdinand von ... 103, 109, 111, 154 Nicolai, Georg Friedrich.... 136, 139, 214 Nicosia, Francis R. ............... 22, 205 Nida-Rümelin, Julian............ 16, 205 Niekisch, Ernst ..............30, 144, 205 Nietzsche, Friedrich...... 27, 43f., 175 Nippe, Martin............................. 113 Noack, Richard Horst ................. 194 Nowak, Kurt....15, 48f., 51, 199, 205 Nutton, Vivian...................... 78, 205 Oberheuser, Herta................. 23, 210 Oehler-Klein, Sigrid ........19, 21, 205 Olsen, Anders............................... 59 Oommen-Halbach, Anne Kristin . 36, 45, 49, 57, 59, 205
Pagel, Julius................................. 24 Pannig, Gerhart ...........................108 Paracelsus (Theophrastus von Hohenheim) ... 58, 65–67, 72, 77f., 80, 82f., 87, 117, 173, 183f., 188 Pasternak, Alfred ................161, 205 Paul, Christopher ......................... 12 Paul, Norbert ...............13, 16, 201f., 205, 209 Pawliczek, Aleksandra ................191 Person, Christiane .................23, 205 Peter, Jürgen ...................... 19f., 205 Pethes, Nicolas.............. 11, 161, 205 Pettenkofer, Max von ..................145 Peukert, Detlev J. K. ...31f., 189, 205 Pfaffinger, Hildegard ..................162 Pietrusky, Friedrich..... 108–110, 112 Pillat, Arnold ............................... 65 Piper, Ernst ...........................41, 205 Platen-Hallermund, Alice von .... 15, 206 Ploetz, Alfred..................... 28f., 187 Ploner, August ............................153 Popitz, Friedrich....................86, 206 Post, Stephen Garrard............17, 206 Prahl, Hans-Werner.............189, 206 Prantl, Helmut.......................88, 206 Proctor, Robert N. ...........16, 22, 26, 29, 81, 88, 96–98, 130, 206 Pross, Christian ............. 19, 167, 206 Prüll, Cay-Rüdiger ............. 85, 201f. Przyrembel, Alexandra..........31, 206 Pyschik, Martin.....................69, 206 Rabi, Barbara .................. 22, 25, 206 Raestrup, Gottfried......................109 Ramm, Rudolf....17f., 22, 38, 45, 48, 66, 79, 82f., 85, 88–102, 104, 106, 108, 112, 114–130, 151f., 167– 171, 173, 175, 180, 187 Rath, Gernot ................... 22, 76, 204 Rauprich, Oliver....................11, 206 Reich, Philipp Wilhelm .........71, 187 Reinhardt, Heinrich.............105, 109 Reisch, Otto ................................. 65
12. Personenregister
Reiter, Raimond ................... 15, 206 Reiter-Theil, Stella ..........21, 84, 212 Reulecke, Jürgen ................ 143, 206 Richards, Robert J. ............... 26, 206 Richter, Paul............................... 195 Riedesser, Peter...............29, 49, 207 Riha, Franz......................... 109, 111 Rinne, Hans........................ 105, 109 Risak, Erwin............................... 126 Rodenwaldt, Ernst .............. 145, 187 Roelcke, Volker....11, 14, 16, 19–21, 24, 161, 190, 193, 195, 201, 204f., 207 Rohde, Richard................... 104, 109 Rohner, Christina ................. 98, 207 Rosenberg, Alfred ...40–42, 101, 205 Rosenberg, Charles E. .......... 76, 207 Rosner, Edwin...................... 82, 183 Rößler, H.............................. 51, 207 Rost, Karl Ludwig ................ 52, 207 Rostock, Paul ........ 58, 69, 73, 128f., 159, 183 Roth, Karl-Heinz ....... 52, 160, 192f., 207 Rothacker, Erich........................... 41 Rothenberger, K.-H. ............. 90, 207 Rothschuh, Karl Eduard ............... 76 Rotzoll, Maike............................ 195 Rüdin, Ernst ......................... 36, 185 Ruisinger, Marion Maria ... 14f., 161, 202 Ruppin, Walter ............................. 90 Ruprecht, Thomas Michael. 139, 207 Rürup, Reinhard ......................... 196 Rust, Bernhard ................... 73f., 128 Rüther, Martin.................45, 48, 207 Rütten, Thomas ...............15, 84, 207 Ruttke, Falk................................ 185 Saar, Heinrich ............................ 108 Sabisch, Katja ............................ 205 Sachse, Carola...............18, 207, 214 Sandkühler, Hans Jörg...40, 207, 214 Sandmann, Jürgen ................ 26, 207 Sauer, Werner............................. 194
223
Sauerbruch, Ferdinand ............52, 86 Sauerteig, Lutz......................16, 198 Schaarschmidt, Rebecca......191, 199 Schäfer, Alfred......................13, 207 Schäfer, Daniel ...................101, 207 Schäfer, Jürgen ...................158, 208 Schagen, Udo .............. 21, 132, 167, 194, 208, 214 Schallmayer, Wilhelm...... 26–28, 42, 187, 213 Scheiblechner, Petra..............65, 208 Schenck, Ernst Günther...............126 Scheulen, Andreas...............127, 208 Schiller, Friedrich ........................ 43 Schirach, Baldur von...........137, 140 Schlatter Binswanger, Georg H. .170, 208 Schlegel, August Wilhelm von ....148 Schleiermacher, Sabine .. 21, 61, 132, 145, 159, 167, 194, 208, 214 Schlich, Thomas....... 13, 16, 19, 202, 205, 208 Schmid, Wolfgang ................33, 208 Schmidt, Otto......................108, 110 Schmidt, Paul...........133f., 146–148, 156, 169 Schmidt, Ulf .......... 9, 11f., 14f., 21– 23, 58, 144, 162, 195, 208 Schmid-Tannwald, Ingolf......12, 208 Schmiedebach, Heinz-Peter..29, 190, 194, 209 Schmierer, Klaus..............22, 33, 57, 86, 209 Schmuhl, Hans-Walter ........ 12, 14f., 26, 48, 51f., 54, 137, 209 Schnabel, Reimund ...............15, 209 Schneck, Peter.......................73, 196 Schneider, Michael ...............35, 209 Schneider, Philipp.................... 110f. Schneller, Julius ..........................108 Scholz, Harry ......................116, 209 Schomerus, Georg..... 22, 25, 85, 209 Schönwälder, Karen ..............68, 209 Schott, Heinz ................11f., 16, 209 Schöttler, Peter......................74, 209
224
12. Personenregister
Schrader, Gerhard............. 108, 113f. Schroeder, Paul ..........103, 105, 109, 113, 115f., 124–127, 187f., 209 Schubert, Charlotte..........21, 78, 209 Schultz, Ulrich ..................... 14, 189 Schulz, Andreas.................. 143, 209 Schulz, Stefan .................... 11f., 209 Schumacher, Joseph ............. 86, 209 Schumann, Olaf J. .............. 189, 210 Schwan, Gesine .................... 15, 210 Schwartz, Michael......27, 32, 36, 38, 51f., 54, 199, 210 Schwarz, Hermann ..........41–43, 188 Schwarz, Max .................... 129, 210 Schweidler, Walter ............... 42, 210 Schwoch, Rebecca................ 99, 210 Sellin, Volker ............................. 193 Sennewald, Lothar......................76f. Seyfarth, Carly ............123–125, 188 Shimazono, Susumu ................... 190 Shirer, William L. .............. 167, 210 Siebeck, Richard ........................ 126 Siedbürger, Günther ........... 195, 210 Sieder, Reinhard......................... 211 Siefert, Helmut ..... 15, 20f., 83f., 210 Siegert, Friedrich.................. 50, 188 Sievert, Lars Endrik.............. 21, 210 Sigerist, Henry Ernest.... 36, 75f., 78, 188 Simon, Eva-Corinna ............. 12, 210 Söderqvist, Thomas...................... 59 Sodt, Michael ....................... 33, 210 Sonntag, Walter.................. 144, 211 Spaar, Horst ....................... 199, 212 Spann, Wolfgang................ 128, 210 Spitz, Vivian .................15, 161, 210 Spitzy, Karl Hermann........... 89, 210 Spörl, Gerhard...................... 12, 189 Stadler, Friedrich................ 198, 210 Stahl, Georg Ernst ................ 64, 184 Stähle, Eugen ..................... 105, 110 Steenbuck, Ulrike................. 23, 210 Steger, Florian.........11, 13, 206, 211 Steigleder, Klaus ........................ 209 Stein, Harry........................ 157, 198
Sterkowicz, Stanislaw ... 22, 132, 211 Stern, Fritz ..........................175, 211 Sticker, Georg .............................. 60 Stieve, Hermann......................73, 75 Stöckel, Sigrid............ 12, 29, 96, 98, 148, 202, 204, 211 Stoll, Katrin ........................144, 211 Strasser, Gregor ..........................138 Stürzbecher, Manfred..................... 9 Stürzinger, E. ..............................153 Sudhoff, Karl ...... 24, 57, 59, 61, 188 Suhrkamp, Peter..................144, 188 Süß, Winfried............. 22, 51, 54, 58, 89, 91, 93, 95, 104f., 124, 211 Tálos, Emmerich............. 89, 91, 211 Tamm, Ingo ..........................28, 211 Tappe, Herbert ......................56, 188 Tascher, Gisela ............... 9, 76f., 88, 90f., 211 Tashiro, Elke.........................25, 211 Ternon, Yves .......... 22, 88, 156, 211 Thaler, Burchard ...................20, 202 Theopold, Wilhelm .............170, 211 Thom, Achim...............21f., 97, 193, 198f., 211f. Thomann, Klaus-Dieter...............191 Thomsen, Peter .....................33, 212 Tilitzki, Christian ..........40f., 44, 212 Többen, Heinrich ................109, 111 Toellner, Richard ..... 13, 16, 21, 196, 200f., 203, 212 Töpfer, Frank ................ 62, 190, 212 Tröhler, Ulrich ................ 21, 84, 212 Tugendhat, Ernst...................16, 212 Ungar-Klein, Brigitte ..................193 Unger, Hellmuth ..............50, 52, 86, 126, 188, 200 Unschuld, Paul U. ...............131, 212 Usadel, Georg .......................43, 188 Verderber, Axel .............. 29, 49, 207 Verschuer, Otmar Freiherr von.... 28, 48, 55, 106, 188 Vesal, Andreas....................117, 174
12. Personenregister
Vilmar, Karsten............................ 19 Virchow, Rudolf.....67, 82, 145, 183, 185 Vögele, Jörg ....................... 211, 214 Voges, Wolfgang.................. 17, 212 Völker, Arina ................21, 137, 199 Vossen, Johannes ............... 167, 212 Voswinckel, Peter........198, 203, 213 Wagner, Gerhard ...... 45f., 54, 82, 94 Wagner, Kay ........................ 55, 212 Waigand, Beate ............ 45, 98f., 212 Walcher, Kurt..............110–113, 186 Warner, John H. ................... 16, 198 Wear, Andrew .................... 205, 212 Weber, Matthias M. ................... 212 Wechsler, Patrick ............... 111, 212 Wegner, Bernd ..................... 65, 212 Wegner, Ernst .............................. 90 Wehle, Heinrich ......................... 164 Wehler, Hans-Ulrich ....32, 135, 137, 212 Weicksel, Johannes ............ 109, 111 Weidner, Edgar ............................ 45 Weigelt, Johannes............... 133, 139 Weikart, Richard .............26, 42, 212 Weindling, Paul...........14f., 21f., 36, 132, 146, 148, 156–159, 162, 172, 192, 213 Weingart, Peter................... 26f., 213 Weiss, Matthias.................. 172, 213 Weiss, Sheila Faith..........27, 31, 213 Weizsäcker, Viktor von ... 20, 50, 86, 188, 190, 213 Welsh, James........................ 11, 213 Welzer, Harald ........... 14f., 171, 213 Werkgartner, Anton............ 108, 111 Werner, Micha H. ...................... 192 Werther, Thomas................ 159, 213
225
Wetzel, Robert ......................85, 188 Weyrauch, Friedrich....... 133f., 156f. Weyrauch, Käthe ........................157 Widmann, Albert ........................161 Wieben, Matthias ................137, 213 Wiesemann, Claudia ......... 14f., 162, 195, 213 Wiesing, Urban ........13, 16f., 21, 62, 190, 196, 200f., 203, 212f. Wiethold, Ferdinand................. 109f. Wildt, Michael ..........143f., 199, 214 Wilkinson, Stephen ...............12, 214 Willgeroth, Gustav................83, 188 Williams, Bernard .................16, 214 Wilmanns, Juliane C. ...... 14, 26, 214 Winau, Rolf ........... 12, 35, 167, 194, 206, 209, 214 Winkelmann, Otto.......................... 9 Winkler, Heinrich August .....32, 214 Wirths, Eduard.............. 23, 189, 200 Wistrich, Robert....................41, 214 Woelk, Wolfgang................211, 214 Woitke, Ronald .....................98, 214 Wojak, Irmtrud .....................93, 214 Wolf, Caroline ............................190 Wolfanger, Dieter .................91, 214 Wolfrum, Edgar ....................60, 214 Wolgast, Eike..............................193 Wolters, Gereon ................. 40f., 214 Wuttke-Groneberg, Walter.....14, 33, 214 Zeiss, Heinz ........ 61f., 73, 145, 147, 154f., 159f., 166, 180, 187f., 208 Zimmermann, Susanne...........74, 80, 157, 214 Zimmermann, Thomas ................214 Zuelzer, Wolf......................139, 214