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German Pages [424] Year 1991
WIESFLECKER
· MAXIMILIAN I.
QVI MA LEDKXT PRINdPl SVOMOKTEMORIATyR -Εχ.χχι
Konrad Celtis überreicht Maximilian seine Holzschnitt von Albrecht Dürer.
Werke.
HERMANN WIESFLECKER
MAXIMILIAN I. Die Fundamente des habsburgischen Weltreiches
1991
VERLAG FÜR GESCHICHTE UND POLITIK WIEN R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wiesflecker, Hermann: Maximilian I. : die Fundamente des habsburgischen Weltreiches / Hermann Wiesflecker. - Wien : Verl. für Geschichte und Politik ; München : Oldenbourg, 1991 ISBN 3-7028-0308-4 (Verl. für Geschichte und Politik) Gb. ISBN 3-486-55875-7 (Oldenbourg) Gb.
© 1991. Verlag für Geschichte und Politik Wien Alle Rechte vorbehalten Umschlag und Einband gestaltet von Maria E. Wessely, Wien, unter Verwendung der Unterschrift Maximilians (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien) und des Originals von Albrecht Dürer „Kaiser Maximilian I." (Kunsthistorisches Museum, Wien). Vorlagen für die Abbildungen im Buch: Kunsthistorisches Institut, Universität Graz. Herstellung: Druckerei G. Grasl, 2540 Bad Vöslau ISBN 3-7028-0308-4 Verlag für Geschichte und Politik Wien ISBN 3-486-55875-7 R. Oldenbourg Verlag München
INHALT
I. EINLEITUNG II. DIE HABSBURGISCHE FAMILIE. G R Ü N D U N G DER ÖSTERREICHISCHEN HAUSMACHT. MAXIMILIANS JUGEND
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Aufstieg der Familie und Hausmachtbildung 17 — Maximilians Jugend 26 III. BURGUNDISCHE HEIRAT. ERBFALL U N D ERBFOLGEKRIEG. MAXIMILIANS BURGUNDISCHES ERLEBNIS . . .
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Burgund, das „Große Herzogtum des Abendlandes" 36 — Das Treffen von Trier 38 — Karls des Kühnen Ende 40 — Staatskrise. Burgundische Heirat 42 — Der niederländische Erbfolgekrieg 46 — Schlacht bei Guinegate-Therouanne 48 — Der Tod Marias von Burgund 50 — Fortgang des Krieges 51 — Krieg mit Gent und Brügge 52 — Gefangenschaft in Brügge 56 — Reichsfeldzug gegen Brügge und Gent 58 — Das burgundische Erlebnis 61 IV. KAISERLICHE UNIVERSALPOLITIK. FUNDAMENTE DER HABSBURGISCHEN GROSSMACHT 1. R Ö M I S C H E R K Ö N I G . H E I M K E H R NACH Ö S T E R R E I C H
66 66
Königswahl in Frankfurt. Krönung in Aachen 66 — Das Tiroler Erbe 69 — Befreiung Wiens. Feldzug gegen Ungarn 70 — Der „bretonische Brautraub" 73 2 . N A C H F O L G E IM R E I C H . ITALIENPOLITIK. E N T M A C H T U N G IM R E I C H UND IN EUROPA
Friedrichs III. Tod. Türkennot 77 — Die Mailänder Heirat 78 — Der Zug ins Reich 82 — Übergabe der niederländischen Regierung 84 — Italien, das Reich und Europa 85 — Der Italienzug Karls VIII. Die Heilige Liga von Venedig 90 — Die spanischen Heirats- und Bündnisverträge 94 — Englische Politik 97 — Maximilians Italienzug. „Der große Plan" 98 — Auflösung der Heiligen Liga 109 — Schweizer- und Schwabenkrieg 112 — Der Verlust Mailands 121 — Enttäuschungen des Augsburger Reichstages (1500). Entmachtung des Königs 123 — Ostpolitik 125
77
6
Inhalt
3. D I E
NEUE W E S T P O L I T I K .
UMSTURZ
DER BÜNDNISSE.
AUSGLEICH
MIT FRANKREICH
134
Der außenpolitische Systemwechsel 134 — Der Kampf um Neapel 138 — Friedensverhandlungen zu Lyon, Blois und Hagenau 142 — Der bayerisch-pfälzische Erbfolgekrieg 145 —' Der Feldzug gegen Ungarn (1506) 148 — Bruch des Vertrages von Hagenau. Spanische Sonderpolitik 149 — König Philipps Tod. Die spanische Erbfolgefrage 151 4.
D E R K R I E G UM ITALIEN. D A S SPANISCHE E R B E . D I E W I E N E R V E R -
TRÄGE. D I E F U N D A M E N T E EINES W E L T R E I C H E S
153
Der Konstanzer Reichstag (1507) 153 — Ausbruch des Krieges um Italien. Kaiserproklamation 156 — Die Liga von Cambrai. Rückkehr zum französischen Bündnis 161 — Parteiwechsel des Papstes. Der Kaiser und Frankreich 163 — Der Kaiser-Papst-Plan 169 — Die neue Heilige Liga (1511) und die „Dreieinigkeit" 170 — Der Ausgang des Krieges und seine Folgen 180 — Der Wiener Kongreß 1515. Fundamente der Donaumonarchie 187 — Der Augsburger Reichstag (1518). Türkenpläne und Nachfolge im Reich 192 V. I N N E R D E U T S C H E REICHSPOLITIK. REFORM DES REICHES U N D DER ÖSTERREICHISCHEN ERBLÄNDER . . . 1. D E R K A I S E R H O F
198 198
H o f - und Reichsregiment 198 — Das neue Beamtensystem 203 — Das neue Gesandtschaftswesen 208 — Haus- und Reichspropaganda 211 — Das Hofleben 214 2.
D E R KAISER U N D DIE R E I C H S S T Ä N D E . D I E L A G E DES R E I C H E S U N D
DER ERBLÄNDER
224
Kaiser, Kurfürsten und Fürsten 224 — Freund des Ritterstandes 236 — Der Kaiser und die Städte. „Der Bürgermeister von Augsburg" 240 — Die Bauern 242 — Fürstenfehden, Heckenreiter, städtische Wirren und Bauernkriege 245 — Der Schwäbische Bund 253 3 . D I E REICHSREFORM
Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts 255 — Der Wormser Reformreichstag (1495) 261 — Die Reichstage von Lindau, Freiburg und Augsburg (1496—1500) 266 — Das Nürnberger Regiment. Der Kurverein von Gelnhausen. Der Sturz Bertholds von Mainz 271 — Die weitere Reformpolitik (1503—1518) 273 — Ergebnisse der Reichsreform 276
255
Inhalt
4.
KIRCHENPOLITIK
7
279
Persönliche Frömmigkeit 279 — Landesfürstliche und kaiserliche Kirchenhoheit 284 — Die Reichskirche 286 — Der Kaiser und die Päpste seiner Zeit 287 — Kirchenreformfragen 290 5 . D I E HABSBURGISCHE H A U S M A C H T
291
Die burgundischen Länder 291 — Die österreichischen Länder 295 — Das österreichische Einrichtungswerk. Die große Verwaltungsreform 303 — Haus- und Heiratspolitik 310 VI. PERSÖNLICHKEIT. HERRSCHER U N D M E N S C H
320
Kunstfreund und Künstler 320 — Feldherr und Feldzeugmeister 336 — Finanzpolitik. Kriegswirtschaft 345 — Charakter. Entwicklung der Persönlichkeit 351 — Ideengehalt der kaiserlichen Politik 365 VII. KRANKHEIT, T O D U N D HINTERLASSENSCHAFT. AUFSTAND DER ÖSTERREICHISCHEN LÄNDER
376
Der Tod in Wels. Das Testament 376 — Maximilians Hinterlassenschaft. Unglaubliche Schulden. Aufstand der Landstände 385
ZEITTAFEL
389
REGISTER
407
STAMMTAFEL
424
Meiner Frau Inge in Dankbarkeit
gewidmet
I EINLEITUNG
Die Warnung des Celtis, daß niemand, auf sich allein gestellt, imstande sei, die Geschichte Maximilians zu schreiben, war ernst zu nehmen, denn er ist an diesem Versuch gescheitert. Gemeinsam mit einem Stab von Mitarbeitern durchforschte ich vierzig Jahre lang die Archive Österreichs, des Reiches und Europas nach Quellen zur Geschichte des Kaisers und habe die Ergebnisse in fünf umfangreichen Bänden über „Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit" niedergelegt. Es sind Forschungsbände für den Fachmann, die vorwiegend untersuchen, beweisen, widerlegen und einen sehr umfangreichen wissenschaftlichen Apparat enthalten. Der Wunsch des Verlages und der Rat von Freunden bewogen mich dazu, die Ergebnisse in einer kürzeren, einbändigen Biographie für einen weiteren Kreis von Geschichtsfreunden zusammenzufassen. Der vorliegende Band folgt in den Grundzügen naturgemäß meinem großen Werk und darf sich daher den wissenschaftlichen Apparat ersparen; er bietet über die Forschungsbände hinaus — wie jede in Jahrzehnten gereifte Gesamtschau — doch auch manches Neue: neue Gesichtspunkte, neue Akzente, manche Ergänzungen, aber auch Verbesserungen, die sich aus der neuerlichen Durcharbeitung des gesamten Stoffes ergaben. Vielleicht ist es mir damit gelungen, das Bild Maximilians noch mehr als bisher dem „Original" anzunähern und seine Geschichte zu neuem Leben zu erwecken. Insofern war diese Kurzfassung, gegen die ich mich innerlich lange Zeit sträubte, doch nicht sinnlos und hat mir schließlich sogar Freude gemacht. Maximilian war weder als Mensch noch als Herrscher ein gewöhnliches Mittelmaß. Als „Held" einer ganz anderen Zeit ist er für uns nicht mehr ohne weiteres zu verstehen. Ein Kaiser, der die Welt als große Turniergesellschaft ansah und drohende Kriege durch einen Zweikampf mit dem König von Frankreich oder mit dem Sultan entscheiden wollte, ist mit den rationalen Maßstäben unserer Gegenwart nicht zu messen. Sein Bild unterlag zu allen Zeiten, besonders seit dem 19. Jahrhundert, sehr widersprechenden Deutungen und Wertungen; das hatte aber vor allem politische, weniger wissenschaftliche Gründe. Bedeutende Zeitgenossen, wie Peutinger, Pirckheimer oder Cuspinian, hielten den Kaiser für ein Genie; man nannte ihn wohl auch „den Großen". Seine auswärtigen Feinde dagegen, Franzosen, Venezianer, Engländer und auch der Papst, überschütteten ihn zuweilen mit Hohn und Spott, wozu manche Verstiegenheiten seines Wesens reichlich Anlaß boten. Seine Politik und seine unübersehbaren Erfolge erregten eben nicht nur Zustimmung. Der
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Einleitung
Kaiser selbst verstand es, sich durch seine Propaganda — wenigstens innerhalb des Reiches — in helles, allzu helles Licht zu setzen. Große Meister wie Dürer, Holbein d. J., Strigel oder de Predis u. a. machten seine äußere Erscheinung populär. Jakob Fuggers „Ehrenspiegel" (1555), aus der Feder des biederen Augsburger Bürgers Clemens Jäger, setzte Maximilian ein farbenprächtiges Denkmal, das der Nürnberger Dichter Sigmund von Birken literarisch bearbeitete und neu herausbrachte (1668). Dieses Werk prägte jenes überbelichtete Maximilianbild, das bis ins 19. Jahrhundert Bestand hatte und den Widerspruch späterer, kritischer Generationen herausforderte. Was machte das eigentliche Wesen dieser reich entwickelten Persönlichkeit aus? Maximilian selbst hielt die Ehre seiner Person, des Reiches und seines Hauses für das höchste, wofür ihm kein Opfer zu groß schien. Er fühlte sich als „Theuerdank", als Mensch, der Großes im Sinn hat. Er wollte „der größte Kaiser nach Karl dem Großen" sein. Es ist nicht leicht, aus der schillernden Fülle von Gegensätzen und Spannungen, aus den Fehlern und Tugenden, die Maximilian in vollendeter Anpassung an die jeweilige Lage ausspielte, jene hervorzuheben, die sein eigentliches Wesen ausmachen. „Uber ihn reden, bedeutet so viel, wie über die Trinität disputieren", meinte ein Florentiner. J e nach der Lage zeigte er sich tollkühn oder vorsichtig zögernd; bald als kluger Diplomat, bald als polternder, prahlender Eisenfresser, bald als grübelnder Denker; bald leutselig, bald unnahbar majestätisch; bald freimütig offen, bald als Meister der Verstellung oder mißtrauisch verschlossen. Er sprühte von Einfällen und Entwürfen, die er seinen literarischen und künstlerischen Sekretären zur Durchführung hinwarf. Mit seiner reichen Phantasie und Geschicklichkeit hätte er ein bedeutender Erfinder werden können. Einerseits war er freigebig bis zur Verschwendung, anderseits ein rücksichtsloser Erpresser. Bald schwollen ihm in aufbrausendem Zorn Gesicht und Adern, bald machte er seinen heftigen Gefühlen in Tränen und lauten Klagen Luft. Bald scherzte er voll sprühenden Humors, bald zog er sich zurück in tagelange Trauer; bald übte er verzeihende Milde, bald harte Rache bis hin zu barbarischer Grausamkeit. Pathos und persönliche Ausstrahlung verliehen ihm geheime Macht über seine Umgebung: nicht selten vermochte er seine rauhen Landsknechte durch die Kraft seiner Rede und seines Beispiels mitzureißen, fallweise sogar die Reichsstände zu Tränen zu rühren. Diplomaten und Gelehrte waren überrascht von seiner Klugheit und von der Tiefe seiner Fragestellungen. Er lebte aus einem bergeversetzenden Glauben an seine Sendung. In unerschütterlicher Zuversicht auf die göttliche Gnade, die ihn durch alle Hindernisse hindurch — per tot discrimina rerum — ans Ziel führen werde, hoffte er in schwierigster Lage auf den Sieg. Seine Frömmigkeit fühlte sich unmittelbar zu Gott, ja, gottähnlich und mehr als dies. Obschon ihm die Religion die Magie verbot, verließ ihn doch nie die Neugier nach den geheimen Wissenschaften. E r liebte Leute „mit dem zweiten Gesicht", Propheten, Sterndeuter und Zauberer von der Art des Agrippa von Nettesheim, des Trithemius und des Grünpeck. So lebte der Kaiser aus einem schier unerschöpflichen Vorrat
Einleitung
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an guten und minder guten Eigenschaften, die sich beliebig mischten, verstärkten oder aufhoben. Da vieles an ihm maßlos war, gab es doch ein gewisses Gleichgewicht der Maßlosigkeiten. Das 19. Jahrundert, der preußisch-österreichische Kampf um die Vorherrschaft und die folgende kleindeutsche Geschichtsschreibung haben auch den Begründer des Hauses Osterreich einer sehr starken Abwertung unterworfen. Schon Leopold von Ranke hat — bei allem Maß — der Person und dem politischen Werk des Kaisers deutliche Schatten eingezeichnet, obschon er ein meisterhaftes Kleinporträt des Kaisers entwarf, das in meiner Jugendzeit noch in den österreichischen Lesebüchern stand. Die nachfolgenden Generationen aber haben das Bild Maximilians mitunter bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Schon Heinrich Ulmanns großem Werk gelang es nicht immer, historische Gerechtigkeit walten zu lassen, ganz abgesehen davon, daß er die Masse an Dokumenten allein nicht bewältigen konnte. Die folgenden Korrepetitoren haben Ulmanns Maximilianbild — meist ohne eigene Forschungen — vergröbert und sich immer leidenschaftlicher in die negativen Vorstellungen vom unsteten, sprunghaften Phantasten hineingeschrieben, der keinen großen Gesamtplan entwickelt, nur politisches Flickwerk und kümmerliche Bruchstücke seiner Phantasie hinterlassen habe und nur vom Erbglück emporgetragen worden sei. Man sprach von einem „Mangel an leitenden Ideen". Ganz allgemein entwarf man das Bild vom Verderber des Reiches und der Reichsreform, der die Deutsche Nation nur im Munde geführt, im Grunde aber verachtet habe, vom bedenkenlosen Vertreter österreichischer Hauspolitik, der das Reich nur als Anhängsel des zur Weltmacht strebenden habsburgischen Hauses ausgebeutet habe. Seine politische Skrupellosigkeit erinnere an Machiavelli; er sei von der „unfaßbaren Treulosigkeit der Welschen" gewesen, ein oberflächlicher Augenblicksmensch, voll unbekümmerten Leichtsinns, voll nichtssagender Liebenswürdigkeit; die harmonische Persönlichkeit und innere Zuverlässigkeit hätten ihm gefehlt. Einige wollten ihm doch zugestehen, daß er ein interessanter Charakter, ein Mann von ungewöhnlichen Gaben, eine sprühende Persönlichkeit gewesen sei. In jenem Zeitalter des übersteigerten Nationalismus waren die Antipathien gegen den habsburgischen Universalismus in der europäischen Geschichtsschreibung so allgemein, die Stimme der kleindeutschen Gelehrten so übermächtig, daß dagegen die österreichischen, süddeutschen und rheinischen Historiker, welche sich gegen diese übertriebenen Abwertungen wandten, kaum Gehör fanden. Maximilian sei „eines der ungerechtest behandelten Opfer der Ranke-Schule", klagte Heinrich Friedjung, ein gewiß unverdächtiger deutschnationaler Österreicher. Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur kaum ein ähnliches Beispiel gegensätzlicher, meist abschätziger Wertungen — abgesehen etwa vom älteren Bild Karls V. oder Philipps II. Ahnliches haben sich umgekehrt manche Österreicher in der Abwertung Friedrichs II. von Preußen geleistet. Ohne Kenntnis der primären Quellen ist auf Grund sekundärer und tertiärer Literaturen das Widersprechendste frei komponiert worden. Vor allem das Ne-
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Einleitung
gative hat sich in einem durch Jahrzehnte unkontrollierten, quellenfernen Abschreibeprozeß bis zur Unwahrscheinlichkeit gesteigert. Zweiffellos mangelt es im Lebenswerk nicht an Schwächen und schweren Fehlern; aber er konnte ihrer kraft seiner moralischen und geistigen Fähigkeiten immer wieder Herr werden und in einer fast manischen Hingabe an eine große Idee, welcher er alle seine Einzelhandlungen unterordnete, für Jahrhunderte Geschichte machen. Viele Fragen sind damit aufgeworfen. Ohne dem Urteil, das sich der Leser selber bilden soll, vorzugreifen, darf ich wenigstens einige leicht überprüfbare Tatsachen andeuten. Maximilian setzte sich nach der Erwerbung des burgundischen Erbes die Wiederherstellung des Kaisertums und des Reiches der Karolinger, Ottonen und Staufer und die Rückgewinnung Reichsitaliens, des „Thrones des Imperiums", zum Ziel. Er hat dieses Ziel zwar verfehlt, legte aber dafür die Fundamente des Hauses Österreich in Burgund, Spanien, Österreich, Ungarn und Böhmen und schuf die Grundlagen für den sogenannten habsburgischen Universaldominat und für die Donaumonarchie. Daß er auch den bis dahin fortschreitenden Reichsverfall aufhielt, den Deutschen ihr Selbstbewußtsein zurückgab und dem Reich eine gewisse, wenn auch bescheidene innere Ordnung sicherte, wird nicht ganz übersehen werden können. In seinen österreichischen Ländern schuf er durch seine großen Verwaltungsreformen ein inneres Einrichtungswerk, das bis in die Zeiten Maria Theresiens Bestand hatte. Dort begann er mit dem „modernen" Beamtenstaat, schuf die österreichische Verteidigungsgemeinschaft gegen die Türken, die Anfänge einer Wirtschaftseinheit und legte damit den Grund für den österreichischen Gesamtstaat, der den mittelalterlichen Feudalismus überwand und zu einer hohen Form moderner Staatlichkeit fortschritt. Es ist nicht leicht zu sagen, ob dieses innere Einrichtungswerk geringer einzuschätzen ist als die äußeren Gründungen. Daß er auch in Literatur und Kunst Bedeutendes schuf, ist ziemlich allgemein anerkannt. Die Enkel, Karl V. und Ferdinand I., die sich die gewaltige Erbmasse teilten, konnten aus den Händen des Großvaters Realität und Idee eines Weltreiches fertig übernehmen und sie gegen die Fährnisse des neuen Jahrhunderts bewahren. Je größer der Umfang und die Dauer seiner Nachwirkung, desto höher wird man ein Lebenswerk einschätzen müssen. Man könnte gegen diese Tatsachen einwenden, daß die Jahrhunderte des Hauses Österreich ein Unglück für das Reich und Europa gewesen seien, wie das vereinzelt auch behauptet wurde. Wie immer man sich dazu stellt, man wird nicht übersehen können, daß Maximilian einer jener schöpferischen Herrscher und Durchbruchsmenschen gewesen ist, der durch seine Gründungen Jahrhunderten das Gesetz der Entwicklung vorschrieb. Nichts liegt mir ferner als ein Heldenepos, denn das Beste an der Geschichte ist nicht die Begeisterung, wie Goethe meinte, sondern das Streben nach Wahrheit. Die Reichstagsakten, die Regesta Imperii und wohl auch meine Forschungsbände konnten die zahlreich vorhandenen Quellen zum er-
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sten Mal einigermaßen ausreichend erfassen. Selbstverständlich waren alle Nachrichten, ob für oder wider, mit gleichem Maß und Gewicht zu messen und zu wägen. Stoff ist in Fülle vorhanden: er war nur zum Leben zu erwecken. Besonders wichtig war dies für die Deutung der Persönlichkeit und ihrer leitenden Ideen. Das Innere eines bedeutenden Menschen zu enthüllen, das in so frühen Zeiten nur in wenigen Quellen sichtbar wird, zu erkennen, was er gedacht und gewollt, gefehlt und gelitten hat, macht die besondere Aufgabe und den besonderen Reiz jeder Biographie. Leider sind es in so frühen Zeiten nur die Großen, welche durch die Quellen zu uns reden — und auch sie nicht immer deutlich. Meine Darstellung enthält natürlich nur Tatsachen, die den Quellen entnommen sind; daß auf bezeugte Anekdoten nicht ganz verzichtet werden konnte, wird man verstehen. Dies gilt vor allem für die vielen witzigen Aussprüche des Kaisers, die ihn besonders charakterisieren, ihm sprechende Wahrheit geben und die äußere Ereignisgeschichte mit Leben erfüllen. Auch wenn sie aus Stilgründen in indirekter Rede geboten werden, wobei die altertümliche Sprache nur fein angedeutet ist, habe ich sie öfter unter Anführungszeichen gesetzt, um ihre Echtheit zu kennzeichnen. Ein einziger originaler Satz des Kaisers charakterisiert ihn manchmal besser als eine längere Darstellung. Auch die Bildausstattung, die zum größten Teil aus den Holzschnitten seiner autobiographischen Werke ausgewählt wurde, läßt die Eigenart des Kaisers und seiner Ideenwelt deutlich erkennen. Der Leser soll alles — Licht und Schatten — im Zusammenhang der Ereignisse nacherleben können, denn in seinen Aussagen und Handlungen stellt sich der Kaiser selbst dar, ohne daß man ihn beschreiben und bewerten müßte. Das schöpferische Nacherlebnis, das sich der Persönlichkeit anzunähern versucht, vermittelt — ähnlich dem naturwissenschaftlichen Experiment — den einzigen, wenn auch bescheidenen Zugang zur historischen Erkenntnis. Daher habe ich in meinen Forschungsbänden die Ereignisgeschichte bis in kleine Einzelheiten vorgetrieben, weil es ohne gesicherte Einzelheiten kein Verständnis des Ganzen und ohne genauere Kenntnis des Ganzen keine einigermaßen gerechte Wertung geben kann. Es ging mir um eine ganzheitliche Betrachtungsweise und daher auch um die historische Umwelt, um ein Bild des ganzen Zeitalters, wie der Kaiser es erlebte und mitgestaltete. Nicht der Kaiser allein ist der „Held", sondern seine ganze Zeit und Umgebung, seine Familie, seine Beamten und Feldherren, seine Gelehrten und Künstler; er sollte nicht nur in seinen äußeren Kriegen, sondern auch in den inneren Auseinandersetzungen mit seinen Reichsständen, den Kurfürsten, Fürsten, Geldleuten, Bürgern und Bauern und im Gegensatz zwischen alter und neuer Lebensauffassung gezeigt werden. Nicht bloß eine Anatomie des Kopfes, sondern eine Physiologie des gesamten Reichskörpers war geplant. Mir geht es um ein Maximilianbild, das sich der historischen Wirklichkeit so weit als möglich zu nähern versucht. Ein hervorragender Herrscher im Ubergang zweier Zeitalter, seine Wandlungen, Visionen und Schatten,
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Einleitung
seine Tugenden und Fehler, sein Jubel und Jammer und seine weltgeschichtliche Bedeutung sollen dargestellt werden. Dabei waren der Kaiser und seine Zeit an ihren eigenen Maßstäben und Möglichkeiten zu messen und zu werten, denn, wer Cäesar tadelt, daß er die Rheinbrücke aus Holz und nicht aus Stahlbeton bauen ließ, erregt mit Recht Heiterkeit. Zum Schlüsse danke ich allen Personen und Einrichtungen, besonders den Regesta Imperii, die im Laufe von vierzig Jahren die Maximilianforschungen unterstützten. Großen Dank schulde ich auch dem Verlag, der meine fünf Forschungsbände ohne die heutzutage üblichen, öffentlichen Subventionen herausbrachte. Besonders wertvolle Hilfe verdanke ich meiner Frau Inge. Durch mehrere Jahrzehnte hat sie an den Maximilian-Regesten mitgearbeitet, meine Quellenforschungen wesentlich unterstützt und auch die Korrekturen dieses Bandes mitgelesen. Ihr sei dieses Werk dankbar gewidmet.
II DIE HABSBURGISCHE FAMILIE G R Ü N D U N G DER ÖSTERREICHISCHEN HAUSMACHT MAXIMILIANS J U G E N D Aufstieg der Familie und
Hausmachtbildung
Am Oberrhein, im Aargau, im Zürichgau, im Elsaß, in Schwaben und im Schwarzwald hatte die habsburgische Familie ihr Hausgut. Sie besaß dort verstreute Herrschaften und Güter, die nie ganz zusammengefaßt werden konnten. Die Habichtsburg im „Eigen" zeugt heute noch von den eher bescheidenen Anfängen des Geschlechtes. Nicht groß genug, um die reichsfürstlichen Sonderbestrebungen ernsthaft zu stören, schienen die Habsburger den Kurfürsten für die deutsche Königskrone gerade recht. Daher wurde Graf Rudolf — als erster seines Hauses — 1273 zum römisch-deutschen König gewählt. Niemand erwartete, daß er zum Erneuerer des Königtums nach den Wirren des Zwischenreiches und zum Begründer der österreichischen Hausmacht seines Geschlechtes aufsteigen werde. Aber nicht Rudolf war für Maximilian das Vorbild seiner Herrschaft, sondern Karl der Große und Friedrich Barbarossa. Die Abstammung des habsburgischen Hauses wurde von Maximilian mit einem förmlichen Kult umgeben. Er verlegte den Ursprung seines Geschlechtes in die fernsten Zeiten zurück, verband es mit allen großen Geschlechtern der Vergangenheit und Gegenwart, um daraus politische Ansprüche abzuleiten; ja, selbst mit den Heiligen des Himmels, denen er kultische Verehrung darbrachte. Ein ganzer Gelehrtenstab befaßte sich durch Jahrzehnte mit genealogischen Forschungen, die das habsburgische Geschlecht einerseits von den alten Römern ableiteten, andererseits über die Franken, Merowinger und Karolinger auf die alten Trojaner, auf Noah und die biblischen Erzväter zurückführten. Alles edle Blut im Himmel und auf Erden sollte mit den Habsburgern verwandt sein. Diese Forschungen, denen Maximilian größtes Interesse entgegenbrachte, förderten eine große Zahl von Handschriften, Stammbaumentwürfen und Holzschnittfolgen über die kaiserliche Sipp- und Magschaft, über die Heiligen und Seligen des Geschlechtes, die zu kühnen Theorien führten. Die Genealogie schien dem Kaiser als eine der wichtigsten Wissenschaften. Wie das Matthäus-Evangelium mit dem Stammbaum Jesu Christi beginnt, so begann auch für Maximilian die Geschichte der Habsburger mit dem Stammbaum ihres Geschlechtes. Rudolf I. griff vom Oberrhein auf das babenbergisch-spanheimische Erbe in Osterreich, Steiermark, Kärnten und Krain über und verschaffte seinem Königtum jene Hausmacht, ohne die eine wirksame Reichsgewalt
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Die habsburgische Familie
längst nicht mehr möglich war. Eine Wiederherstellung des Herzogtums Schwaben, das den Habsburgern eigentlich am nächsten lag, wurde zwar jetzt und später immer wieder versucht, scheiterte aber an den örtlichen Mächten, die hier inzwischen groß geworden waren. Selbst Maximilian griff den Gedanken einer Unterwerfung der Eidgenossen und der Eingliederung Württembergs in die österreichischen Vorlande nochmals auf — allerdings vergebens. Rudolfs Griff nach Osterreich war für die künftige Größe des Geschlechtes entscheidend. Er ließ dem Böhmenkönig Ottokar das babenbergische und spanheimische Erbe, das er sich während des Interregnums angeeignet hatte, durch ein Reichsverfahren aberkennen (1274/75), um es dann mit bewaffneter Macht einzuziehen. In zwei Feldzügen, die mit Ottokars Niederlage und Tod auf dem Schlachtfeld endeten (1278), eroberte Rudolf die östlichen Herzogtümer für seine Familie, vermochte aber erst nach jahrelangen Bemühungen, den Kurfürsten und Fürsten die Zustimmung zur Ubertragung der österreichischen Länder an seine Söhne abzuringen. Um Weihnachten 1282 empfingen Albrecht I. und Rudolf II. die Herzogtümer Osterreich und Steiermark zur gesamten Hand, nachdem sie auf Kärnten und Krain verzichtet hatten, das Meinhard II. überlassen worden war. Die Gesamthand schloß freilich die ständige Gefahr der Teilung in sich. Dadurch waren die Habsburger neben den Luxemburgern und Wittelsbachern zu einer der ersten Mächte im Reich aufgerückt. Seit dieser Zeit versuchten sie in stets neuen Anläufen, auch Böhmen und Ungarn zu erwerben. Schon seit den Zeiten der letzten Babenberger fühlte sich Österreich nicht mehr als Mark des Reiches, sondern als Mittelpunkt einer immer selbständiger werdenden östlichen Großmacht. Schon der Babenberger Friedrich II. hatte ein eigenes Königreich Osterreich in naher Aussicht, wofür die Erhebungsurkunde bereits entworfen war. Albrecht I. (1282—1308), als König zunächst übergangen, erschlug seinen Vorgänger und Gegner, König Adolf von Nassau, in der Schlacht bei Göllheim (1298) angeblich mit eigener Hand. Er war mit der Tirolerin Elisabeth, einer Halbschwester Konradins, verheiratet und dachte, lebte und fühlte ganz in den Traditionen der Staufer. Er suchte sein Geschlecht am Rhein und an der Donau gleich fest zu verankern, womöglich das Herzogtum Schwaben wiederherzustellen und auch Böhmen und Ungarn zu gewinnen. Die Eidgenossen sahen in König Albrecht einen gefährlichen Zwingherrn. Das Mißtrauen gegen das habsburgische Geschlecht blieb die Leitlinie ihrer künftigen Politik bis zur Ewigen Richtung von 1474. Ein geschlossenes System habsburgischer Länder, Osterreich, Steiermark, Böhmen, Thüringen, Meißen, dazu die Vorlande am Oberrhein, im Elsaß, Schwaben und in der Schweiz, drohten den ganzen Süden habsburgisch zu machen. Die junge Eidgenossenschaft mußten sich ebenso bedroht fühlen wie Bayern. Diesem gewalttätigen König, dem nicht zu Unrecht der Ruf gefährlicher Rücksichtslosigkeit — auch gegen die nächsten Verwandten — vorausging, war in der Tat der Versuch einer Unterwerfung der reichsfürstlichen Sonderstaaten, das
Ahnenbilder der „Vorfahren" Maximilians im Holzschnitt — Triumph: Kaiser Karl der Große als erster christlicher Kaiser, König Chlodwig als Gründer der fränkischen Dynastie, König Stephan der Heilige als Gründer der ungarischen Dynastie und König Rudolf I. als Gründer der habsburgischen Dynastie; sie sind mit Hilfe des Miniaturen-Triumphes sicher einzudeuten. Die umfangreichen Stammbaumforschungen sollten sowohl der ideologischen Propaganda des Kaisers als auch den künstlerischen Plänen der Ehrenpforte, des Triumphes und des Grabmales dienen. Holzschnitt von H.
Springinklee.
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Die habsburgische Familie
Streben nach einem kaiserlichen Einheitsstaat und einem habsburgischen Erbreich zuzutrauen. Da wurde Albrecht I. am 1. Mai 1308 von seinem eigenen unzufriedenen Neffen Johannes ermordet, den man später deswegen Parricida nannte. Der Tod dieses Königs warf das habsburgische Haus in seiner Entwicklung um ein gutes Jahrhundert zurück. Die Kaiserkrone ging an die Luxemburger und an die Wittelsbacher über. Die Eidgenossenschaft kämpfte sich frei, und Österreich hatte von der Vorderbühne der Geschichte zurückzutreten. Die Doppelwahl und das Königtum Friedrichs (III.) des Schönen (1314—1330) wurde im eigenen Haus stillschweigend übergangen. Daß es Albrecht II., der durch ein schweres körperliches Leiden behindert war, nach dem Aussterben der Meinhardiner gelang, Kärnten und Krain zu erwerben (1335), konnte als bedeutender Gewinn gelten. Der größte Politiker des Hauses während dieses leidvollen Jahrhunderts wurde Rudolf IV. (1358 — 1365), den man später den „Stifter" nannte. Gegen heftigen Widerstand der Wittelsbacher und Luxemburger gewann er 1363 das Land Tirol, wodurch die Landverbindung von Osterreich an den Oberrhein nahezu vollendet und auch die Italienstraße über den Brenner gewonnen wurde. Außerdem stieß Herzog Rudolf von Krain aus, über die Görzer Teilherrschaften nach Istrien und an die Adria vor. 1382 unterstellte sich Triest freiwillig der habsburgischen Schutzherrschaft, um sich dem Handelsneid Venedigs zu entziehen. Erbittert über die offensichtliche Benachteiligung seines Hauses durch die kurfürstliche Oligarchie in der Goldenen Bulle von 1356, ließ Rudolf IV. in seiner Kanzlei das „Privilegium Maius" herstellen (1358/59), eine Sammlung von außerordentlichen Vorrechten, die den österreichischen Landesfürsten in allen ihren Ländern eine königsähnliche Stellung sichern, fast völlige Unabhängigkeit von Kaiser und Reich verbürgen und unbeschränkten Ausbau der landesfürstlichen Gewalt im Innern gestatten sollten. Seit den Tagen Cäsars und Neros sei Osterreich besonderer Vorrechte teilhaftig, heißt es im Maius. Primogenitur in männlicher und weiblicher Linie, Unteilbarkeit, volle Gerichtshoheit, alle Hoheitsrechte und Regalien, Kirchenvogtei auch über die Hochstifte Salzburg und Passau, eine Lehenshoheit, die von Kaiser und Reich fast unabhängig machte, und ganz besondere Herrschaftssymbole wurden in Anspruch genommen; außerdem der Titel eines Pfalzerzherzogs, eines Herzogs von Schwaben, eines Reichserzjägermeisters und eine Art Königskrone mit Bügel und Kreuz — vielleicht eine Erinnerung an den österreichischen Königsplan von 1245. Zwar wurde dieser Urkunde von Kaiser Karl IV. zunächst die reichsrechtliche Bestätigung versagt, welche ihr erst Friedrich III. erteilte (1453); aber ihre tatsächliche Wirkung war von Anfang an gegeben, zumal die meisten Bestimmungen der allgemeinen reichsfürstlichen Rechtsstellung entsprachen, so daß man später geradezu von einer sachlich nicht ganz unzutreffenden „Korrektur" alter Ungerechtigkeiten sprach (Lhotsky). Das Maius gehörte zum Allerheiligsten des Hauses Österreich; es war die Magna Charta aller Länder^ die zur neuen „Herrschaft
Aufstieg der Familie und Hausmachtbildung
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zu Osterreich" gehörten. Maximilian stellte die Urkunde in einer Prunkausgabe wieder in das helle Licht, und Karl V. verbot jede Diskussion über die Echtheit dieses Instrumentes. Rudolf IV. bemühte sich auf jede Weise, die Größe seines Hauses hervorzuheben. Wien, das durch die Pest von 1348/49 schwer gelitten hatte, sollte durch wirtschaftliche Privilegien, durch den Ausbau von St. Stefan, durch die geplante Errichtung eines Bistums und vor allem durch die Gründung der Universität (1365) zu einer Hauptstadt der österreichischen Länder und des Reiches werden. Der Ideenwelt des Herzogs entsprang auch die merkwürdige Fabelchronik von den 95 Herrschaften, die Stainreuter etwas später niederschrieb, der die Geschichte Österreichs über 95 heidnische, jüdische und christliche Dynastien, von den Anfängen der Welt bis in die Gegenwart heraufführte, um Osterreich eine berühmtere Geschichte zu geben, als sie irgendein Nachbarland besaß. Diese Chronik galt zu Maximilians Jugendzeiten noch wie die Bibel. Kaiser Friedrich III. hatte die Phantasie-Wappen der 95 Herrschaften in Stein meißeln und an die große Wappenwand des Wiener Neustädter Schlosses einmauern lassen. Zweifellos wurde bereits der Knabe Maximilian mit diesen Wundergeschichten vom ewigen Österreich vertraut gemacht. War unter Rudolf IV. der Einheitsgedanke der „Herrschaft zu Österreich", der alle habsburgischen Länder zusammenhielt, noch mächtig gewesen, so setzte sich unter den streitbaren Brüdern und Vettern seit der Neuberger Teilung (1379) immer mehr der Teilungsgedanke durch: Die Länder wurden abwechselnd zwei- und dreigeteilt, in Niederösterreich (ob und unter der Enns), Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain) und Vorderösterreich (Tirol mit den Vorlanden). Die Teilungen brachten zwar nützliche politische Verbindungen nach allen Himmelsrichtungen, von Polen und Ungarn über Mailand und Frankreich bis Aragon und Portugal. Sie mochten einerseits den politischen Weitblick schärfen; die einheitliche Stoßkraft der Dynastie wurde jedoch geschwächt. Zersplitterung war die natürliche Folge. Leopold III. von Vorderösterreich, mit der Mailänderin Viridis Visconti verheiratet, mischte sich in Italien ein. Er verheiratete einen Sohn sogar nach Polen, ohne dort seine Ziele zu erreichen. Als er die Eidgenossen endgültig unterwerfen wollte, verlor er gegen die vereinigten Schweizer und Schwaben bei Sempach (1386) Schlacht und Leben. Die Eidgenossenschaft und Schwaben konnten seither als verloren gelten. An den größeren Ereignissen im Reich, an den Königswahlen, Konzilien und Hussitenkriegen, hatten die Habsburger keinen erheblichen, geschweige denn einen führenden Anteil mehr. Mehr Glück hatten die niederösterreichischen Albertiner, die über die Heirat Albrechts V. (II.) mit Elisabeth von Luxemburg die Anwartschaft auf Böhmen und Ungarn erwarben. Tatsächlich konnte Albrecht seinem Schwiegervater Kaiser Sigismund 1437 nachfolgen. Als man ihn 1438 auch zum Römischen König wählte, kehrte nach mehr als hundert Jahren die Krone wieder zum Haus Habsburg zurück. Für kurze Zeit erfüllte Albrecht den alten Traum seines Hauses: die Vereinigung des Kaisertums mit den Kronen
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Böhmens und Ungarns und dem österreichischen Erzherzogtum. Ernst der Eiserne (1406—1424) heiratete Zimburgis von Masovien, die wegen ihrer sagenhaften Kraft in der Familie unvergessen blieb; noch Maximilian leitete von ihr Ansprüche auf Gebiete Polens ab. Ein Großreich schien in Bildung begriffen, das den christlichen Völkern des Ostens Schutz gegen die immer gefährlicheren Türken würde bieten können. Im Krieg gegen die Türken ist König Albrecht von der Lagerseuche dahingerafft worden (1439). Die großen Hoffnungen der Dynastie standen in keinem Verhältnis zu ihrer damaligen Hausmacht. Friedrich III. aus der innerösterreichischen Linie wurde überraschend der Senior des Hauses, zugleich der Vormund Sigmunds von Tirol und des Ladislaus Postumus, des nachgeborenen Sohnes Albrechts II., der außer den niederösterreichischen Ländern auch die Kronen Böhmens und Ungarns zu erwarten hatte. Friedrich III. vereinigte für kurze Zeit das ganze Haus Osterreich in seiner Hand, konnte freilich mit den geringen Mitteln seiner innerösterreichischen Hausmacht das große Erbe nicht halten und noch weniger das Reich regieren, das ihn 1440 zum König und künftigen Kaiser gewählt hatte. Seit Generationen war das Kaisertum jeder realen Macht entkleidet. Es hätte einer starken Hausmacht bedurft, um der kaiserlichen Würde wieder Kraft und Nachdruck zu verleihen. Aber gerade seine Schwäche hatte Friedrich III. den Kurfürsten für die Königswahl empfohlen. Die Macht des Reiches lebte seit Jahrhunderten in seinen Ländern, und die Reichsgeschichte war zur Ländergeschichte geworden. Nicht selten standen recht kleine dynastische Irrungen und Wirrungen, Fehden, Grenzund Erbstreitigkeiten im Vordergrund. Das Reich befand sich in völliger Auflösung und der Kaiser fühlte sich nicht stark genug, dieser Entwicklung durch eine durchgreifende Reichsreform zu begegnen. Selbst der viel mächtigere Maximilian, der die Reichsreform später tollkühn anzufassen wagte, konnte nur mit größtem Risiko — er war zeitweilig sogar von der Absetzung bedroht — einen bescheidenen Rest von Kaiserrechten wieder herstellen. Der Auflösung des Reiches entsprachen ähnliche Erscheinungen in der Kirche: landeskirchliche Bestrebungen bis hin zur offenen geistlichen Revolution. Echte Kirchenreformen waren den Konzilien so wenig gelungen wie den Päpsten. Für Friedrich III. war die Autorität ein fester Grundsatz. Wie er — theoretisch wenigstens — seine kaiserliche Autorität verteidigte, trat er auch für die päpstliche Autorität ein und sicherte sich dadurch das Wohlwollen der Kurie, die ihn mit vielen landeskirchlichen Zugeständnissen belohnte. Papst Nikolaus V. gewährte ihm durch das Wiener Konkordat (1448) bedeutende und gewinnbringende Nutzungsrechte in der österreichischen Landeskirche. Später wurden ihm Landesbistümer in Laibach (1461), Wiener Neustadt (1469) und Wien (1469) und ein besonderer Einfluß auf deren Besetzung zugestanden. Der Kaiser sah in diesen Bistumsgründungen wohl eine Voraussetzung für ein „Königreich Osterreich", das er gern begründet hätte. Nicht geringer als im Reich waren Friedrichs III. Schwierigkeiten in den eigenen Ländern. Nach dem Tod des Ladislaus Postumus (1457) vermochte
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er, das große albertinische Erbe in Böhmen und Ungarn gegen den starken Widerstand nationaler Gruppen nicht zu halten. Sein eigener Bruder, Albrecht VI., machte ihm auch Wien und die niederösterreichischen Länder streitig. Die Vormundschaft über Sigmund den Münzreichen, über Tirol und die Vorlande hatte er bereits 1446 verloren; eine tiefe Verstimmung zwischen den Vettern der vorder- und innerösterreichischen Linie war die Folge. Die Teilungen und Familienkriege waren begleitet von dauernden Landfriedensbrüchen: Adelige und gemeine Räuber versetzten das Land in Schrecken, plünderten die Kauffahrer, unterbanden Handel und Wandel und verängstigten die Bevölkerung. Die Lebensmittel verschwanden von den Märkten und die Preise stiegen. Hungersnöte, Seuchen und Heuschrecken kamen als „Gottesplagen" über das Land. Die Steuern blieben aus. Durch Ausprägung immer schlechterer Münzen, der „Schinderlinge", suchte der Kaiser, sich über Wasser zu halten, wodurch das wirtschaftliche Gefüge vollständig zerstört wurde. Die Macht des Adels und der Stände wuchs ins Maßlose, zumal der Landesfürst von ihnen immer wieder Geld und Hilfe brauchte. Inmitten dieses Jammers wollte sich der Kaiser auf eigene Weise Ansehen verschaffen: durch eine vornehme Heirat und durch die Kaiserkrönung in Rom. Der Herzog von Burgund, willens, mit dem Kaiser sein Glück zu versuchen und selber mit einer Prinzessin aus Portugal verheiratet, machte Friedrich III. auf die schöne Infantin Eleonore aus Portugal aufmerksam. Nach eingehenden Erkundigungen ließ der Kaiser um sie werben; wohl nicht nur im Hinblick auf ihre engelgleiche Schönheit, sondern auch wegen der Entdeckungen und Reichtümer der aufsteigenden portugiesischen Dynastie. Ecce potentiam, hatte der kaiserliche Gesandte angesichts der Pracht des portugiesischen Hofes staunend ausgerufen. Die Dynastie von Portugal, ein hartes Geschlecht von Seefahrern, Machtmenschen und Königstürzern, war durch die Kämpfe gegen die Mauren und durch die Seefahrt groß geworden; ständige Familienkriege hatten stets die härtesten Männer an die Herrschaft gebracht. Ein guter Schuß Abenteurerblut und Gewalttätigkeit mag sich über die Mutter auf Maximilian vererbt haben. Kaiser Friedrich III., der — anders als die alten Kaiser — ohne Heer, mit kleiner Begleitung, Privilegien verkaufend durch Italien „reiste", traf mit seiner Braut in Livorno zusammen und führte sie zur Kaiserkrönung nach Rom, wo Papst Nikolaus V. zunächst die Ehe segnete und am 19. März 1452 die Kaiserkrönung vollzog. Friedrich III. zögerte nicht, dem Papst als der höchsten geistlichen Autorität die umstrittenen Marschalldienste zu leisten, ohne daß er deswegen seinen kaiserlichen Rechten das geringste vergeben hätte. Vielmehr ließ er sich seine Höflichkeiten überreich bezahlen. Der Papst leitete auf seine Bitte den Prozeß zur Heiligsprechung des Markgrafen Leopold III. ein, womit sich das österreichische Haus mit neuem Glanz zu umgeben hoffte. Maximilian ließ später die Gebeine des neuen Hausheiligen
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feierlich erheben, in einen silbernen Sarg legen und in einer eigenen Kapelle beisetzen (1506). Romzug, Kaiserkrönung und Vermählung waren wohl die Höhepunkte in Friedrichs III. Leben. War sein Kaisertum im Reich angezweifelt, ja, von Gegnern angefochten worden, so schien es nun durch die Freundschaft mit dem Papst gesichert. Der Kaiser schien, worauf er größten Wert legte, durch die Krönung offensichtlich neben den Papst an die Spitze der christlichen Welt aufgerückt. Es war die erste und letzte Kaiserkrönung eines Habsburgers, überhaupt die letzte Krönung, welche durch die Hand des Papstes in St. Peter zu Rom in altkirchlichen Formen vollzogen wurde. Dem Sohn Maximilian sollte die Kaiserkrönung durch den Papst versagt bleiben, sosehr er sich zeit seines Lebens darum bemühte. Die Kaiserproklamation in Trient (1508) bedeutete ihm nur eine matte Ersatzhandlung. So änderten sich die Zeiten. Für die junge Kaiserin gab es in Österreich ein trübes Erwachen. Als Kind der Sonne und des Südens mochte sie sich durch die Düsternis des nördlichen Winters, durch die Rauheit des Klimas, durch die Enge und Dürftigkeit des Wiener Neustädter Hofes sowie der steirischen und österreichischen Schlösser bedrückt fühlen. Dazu kam der freche Uberfall der niederösterreichischen Landstände, die den Kaiser in seiner eigenen Residenz belagerten und zur Auslieferung des Ladislaus Postumus zwangen, für den fortan die Stände die Regierung führten. Welch demütigendes Erlebnis! Um einen Schein österreichischer und kaiserlicher Größe vorzuspielen, bestätigte Friedrich III. am Dreikönigstag 1453 zu Wiener Neustadt kraft kaiserlichen Majestätsrechtes das Privilegium Maius Rudolfs IV., ließ es feierlich publizieren und mit einer goldenen Bulle festigen. Seitdem führten die Habsburger — zunächst nur die innerösterreichische Linie — den Titel eines Erzherzogs. Friedrich III. war fortan bemüht, auch die übrigen Ehrenvorrechte des Maius, vor allem die Rang- und Sitzordnung neben den Kurfürsten, durchzusetzen. Gerne hätte er aus Osterreich ein Königreich gemacht, was Maximilian mit noch größerem Eifer versuchte, aber auch nicht erreichte. Wohl auch der jungen Frau zu Ehren wurde das Wiener Neustädter Schloß mit der St. Georgskirche ausgebaut und die große steinerne Wappenwand aufgezogen, welche die große Geschichte Österreichs sichtbar machen sollte. Viel dringender waren angesichts der Lage die Arbeiten an den städtischen Befestigungen, zumal aus dem Osten immer größere Gefahren drohten. Im Mai 1453 war — nach fast einjähriger Belagerung — Konstantinopel in die Hand der Türken gefallen und das Reich der Oströmer zusammengebrochen. Die Osmanen hatten sich als jüngste Großmacht des Mittelalters an den Grenzen Europas festgesetzt. Bald würde man sie an den Grenzen Ungarns und Österreichs zu erwarten haben. Wie ein Blitz durchzuckte diese Schreckensnachricht das Abendland. Reich und Kirche, die dem Islam einst gewaltige Heere auf seinem eigenen Boden, in Kleinasien, entgegengestellt hatten, waren nun plötzlich in die Ver-
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teidigung zurückgedrängt. Wie sollte das Reich, ein Staat ohne feste Ordnung, dieser neuen Großmacht widerstehen? Die nächsten Nachbarn mußten die Türken fast allein abwehren, die 1456 bereits vor Belgrad erschienen. In Belgrad fiel Ulrich von Cilli, der ebenso mächtige wie listige Ratgeber des Ladislaus Postumus, einem Mordanschlag des jungen Ladislaus Corvinus zum Opfer (1456). Die Corvinen zerschlugen damit nicht nur den Cillier Plan der Gründung eines größeren südslawischen Staates, der die Untersteiermark, Kärnten, Krain und Teile Ungarns umfassen sollte; sie planten wohl auch, Ladislaus Postumus aus seinem ungarischen Erbe zu verdrängen, der schon im nächsten Jahr bei seiner Hochzeit mit einer französischen Prinzessin in Prag unter auffallenden Umständen — man sprach von Gift — aus dem Leben schied (1457). Mit Ladislaus' T o d war das Band zerrissen, das die österreichischen Länder mit Böhmen und Ungarn Zusammenschloß. Friedrich III. konnte die Trennung nicht verhindern; in Ungarn wie in Böhmen folgten nationale Könige. Wenn dem Kaiser gegenwärtig auch die Macht fehlte, seine Ansprüche durchzusetzen, so hielt er im Odenburger Vertrag (1463) doch wenigstens das ungarische Erbrecht fest. Die Idee der Vereinigung dieser Länder lebte fort. Der Odenburger Vertrag führte schließlich zu den Heirats- und Bündnisverträgen der Wiener Doppelhochzeit von 1515. Größeres Glück hatte Friedrich III. mit dem Erbe Ulrichs von Cilli. Er konnte dessen junges Landesfürstentum in der Untersteiermark und in Kärnten, dessen zahlreiche Herrschaften in Niederösterreich und in Ungarn seiner habsburgischen Landeshoheit unterwerfen. Die Cillier Grafen hatten mit zwanzig Erben listige Erbverträge abgeschlossen — darunter mit den recht mächtigen Grafen von Görz, die aus dem Feld zu schlagen waren, ehe der Kaiser im Frieden von Pusarnitz (1460) Kärnten und die Untersteiermark gewinnen und die Einheit dieser Länder sichern konnte. Neben dem unaufhaltsamen Abfall der Königreiche Ungarn und Böhmen war auch der Kern der österreichischen Erbländer von Zerspaltung bedroht. Während dem ganzen Lauf der Drau entlang der Cillier Erbfolgekrieg tobte, entbrannte an der Donau, in Wien und Niederösterreich, der Streit um das österreichische Erbe des Ladislaus, das Albrecht V I . für sich forderte. Diesem widerwärtigen Bruderzwist folgte alsbald ein allgemeiner Bürgerkrieg, der sich durch Jahre hinzog. Allenthalben standen Bandenführer gegeneinander auf, richtige Werwölfe, die das Land in Schrecken versetzten. Streunende Knechte, von ihren Herren nicht abgelöhnt, überzogen das Land mit Diebstahl, Brandschatzung und Raub. Mißernten, Münzverfall, Teuerung, Hungersnot und Pest waren die Folge. Die Stände suchten ihren Vorteil bald bei diesem, bald bei jenem Gewalttäter. Wien geriet in den Mittelpunkt der Bewegung. Friedrich III. wurde samt seiner Familie mit dem kleinen Maximilian in der Hofburg durch sieben W o chen belagert (1462). Der Kaiser wollte sich lieber unter den Trümmern seiner Burg begraben lassen als aufgeben; aber er mußte schließlich doch froh sein, daß ihn der wackere Andreas Baumkircher mit einer böhmischen
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Söldnertruppe befreite. „Judenkönig" und „Khets gen Graetz" ( = zieht ab nach Graz) schrie der Wiener Pöbel dem abziehenden Kaiser nach. Dies demütigende Erlebnis gehörte zu Maximilians ersten Kinderheitserinnerungen. Er schämte sich seines Vaters und bewunderte später seinen Onkel Albrecht, einen großartigen Herrn von verschwenderischen Gaben und Neigungen. Als Albrecht VI. überraschend starb (1463), schien Gott selber die Ordnung wieder hergestellt und dem Kaiser das Seinige zurückgegeben zu haben. Friedrichs Stärke lag im zähen Abwarten; in allen Lagen behielt er den festen Glauben an die künftige Größe seines Hauses.
Maximilians
Jugend
In diesen ungemein schwierigen Zeiten wurde Maximilian am Gründonnerstag, dem 22. März 1459 geboren, im Ostturm der Wiener Neustädter Burg, „der bereits auf ungarischem Boden stehe; er sei ein geborener Ungar", sagte Maximilian später, wenn er es brauchte. Die Hofmär ließ im Augenblick der Geburt — es war, nach dem Astrologen Grünpeck, gegen vier Uhr nachmittags — einen Kometen besonderer Größe über den Himmel ziehen und die Planeten zu wunderlichen Konstellationen zusammentreten. Ein Horoskop sagte dem künftigen Kaiser angeblich ein wechselvolles Leben voraus, einen ständigen Kampf gegen seinen widrigen Stern, aus dessen unheilvollem Einfluß ihn nur die Gnade Gottes retten könne. Gerne rückte die spätere Staatspropaganda den Kaiser, seine Geburt und sein Leben — nicht selten in Worten und Beispielen aus den Evangelien — in die Nähe des Welterlösers. Grünpeck berichtet, das Knäblein habe sich in der Badewanne hoch aufgerichtet, womit sich angeblich der kommende Weltenherrscher offenbarte. Dieses Zukunftssymbol wurden von Grünpeck wohl mit Bedacht erfunden. Friedrichs III. köstlicher Eigensinn wählte für das Kind den Namen des apokryphen heiligen Maximilian von Lorch, der als Glaubensbote in Cilli das Martyrium erlitten haben soll. Die klassischen Namensdeutungen, welche die Humanisten später erfanden, spielten für den Vater gewiß keine Rolle. Man hatte vorher an den ritterlichen heiligen Georg oder an den Namen des christlichen Weltkaisers Konstantin gedacht — alles Wunschnamen, die es im Hause bisher nie gegeben hatte, die aber auf die großen Aufgaben im Osten hinweisen sollten. Der Woiwode Nikolaus Ujlaki, der vor den Türken aus Siebenbürgen hatte flüchten müssen, stand dem Kind Pate. Maximilian stammte von hervorragenden Ahnen ab. Das edelste Blut ganz Europas war ihm von Vater- und Mutterseite zugeflossen. Die väterlichen Ahnen waren vorwiegend deutsch. Stark war das portugiesisch-spanische Erbe von seiner Mutter her. Die Großmutter, Czimbarka oder Zimburgis von Masovien, stammte von litauischen, polnischen, normannischen und russischen Geschlechtern ab. Dazu kamen einige französische und italienische Ahnen. Er sei kein deutscher Fürst, sagten einige seiner kleindeutschen Kritiker und meinten damit einen Monarchen minderer Güte.
Die Unterweisung des Jungen Weißkunig", zusammen mit österreichischen Adelskindem, die auf einer abgesonderten Bank sitzen. Der Lehrer — wohl Thomas von Cilli — erteilt offenbar höheren Sprachunterricht, worauf die dicken Folianten hinweisen. Auf dem Pult liegt neben dem aufgeschlagenen Buch ein Rosenkranz: pietas et sapientia. Die vor Maximilian liegende Rechentafel weist auf die Mathematik. Holzschnitt von L. Beck aus dem Weißkunig.
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Die ganze Liebe des Sohnes gehörte der Mutter. Ihre wahrhaft königliche Haltung bei der Belagerung in der Wiener Hofburg blieb ihm stets in Erinnerung. Entrüstet über die beschämende Lage des Kaisers, soll sie gesagt haben: „Wüßte ich, mein Sohn, Du würdest einst wie Dein Vater, ich müßte bedauern, dich für den Thron geboren zu haben." Dieses Wort, den Hunger und den Donner der Bombarden hat Maximilian nie vergessen. Als er später in Brügge gefangen saß (1488), mag er sich wieder an die Wiener Belagerung erinnert haben. Eine starke Abneigung gegen stadtbürgerliche Selbstherrlichkeiten erfüllte ihn zeitlebens. Der oligarchische Stadtstaat von Venedig oder die freiheitslustigen niederländischen Handelsstädte erschienen ihm später geradezu als Störung der gottgewollten Stände- und Herrschaftsordnung. Der Vater vermochte zunächst nicht, jene Bewunderung des Sohnes zu erregen, wie sie junge Menschen gerne einem Vorbild entgegenbringen. Zu still flöß der Strom seines Lebens. Selbst die Kaiserin konnte sich in Stunden der Demütigung harten Tadels kaum enthalten: „der Kaiser sei nicht wert, seine Scham mit einem Schurz zu bedecken, da er das Unrecht nicht mit gebotener Strenge strafe". Mit solchen Bemerkungen mag sie das Kind vergiftet haben. Erst später lernte Maximilian den „alten weisen Kunig" richtig einschätzen, trug er doch selber viel vom väterlichen Wesen in sich: vor allem die Zähigkeit des Vaters, das erkannte Ziel auf stets neuen Wegen, mit stets neuen Mitteln zu verfolgen und niemals aufzugeben; außerdem die Geduld im Ertragen von Schmerz und Leid, die ungebrochene Zuversicht, ja, den mystischen Glauben an die künftige Größe Österreichs. Auch im Minderguten gibt es überraschende Ähnlichkeiten: Niemals gab es am väterlichen Hof geordnete Finanzen. Als Dauerzustand herrschten Armut und Schulden. Während sich der alte Herr mit geiziger Sparsamkeit zu helfen suchte, verstand es der Sohn, das Geld aus den Untertanen herauszupressen. Beiden eignete ein tiefsitzendes Mißtrauen, das sich auf niemanden ganz verließ, das der Sohn allerdings mit Leutseligkeit zu überdecken verstand. Zum Unterschied vom Vater, der den Tanz verachtete, liebte der Sohn frohe Geselligkeit, Mummereien und Tanzfeste; er wollte „Freydal", der freudenreichste König, sein. Die Bedächtigkeit des „alten weisen Kunigs" war dem Sohne eher fremd. Er liebte mehr die südländische Beweglichkeit seiner Mutter; von ihr hatte er die lebhafte Phantasie, das lodernde Feuer, die Beweglichkeit des Geistes, den Tätigkeitsdrang, den Zug ins Weite und Große, die Lust zum gewagten Abenteuer auf der Jagd, im Krieg und auch in der großen Politik. Der alte Herr hatte offenbar wenig Verständnis für den unreifen Jungen, der mit1 dem Mundwerk bereits „die Welt eroberte", bevor er die Vorschule des Lebens abgeschlossen hatte; er empfahl dem Sohn, Maß zu halten, was ihm zeitlebens schwer fiel. Nach der aufregenden Wiener Zeit kehrte die kaiserliche Familie nach Wiener Neustadt zurück, wo Maximilian mit seiner Schwester Kunigunde heranwuchs. Von seinen vier Geschwistern waren drei gestorben: Christoph, Helena und Johannes — infolge des Ungeschicks der Mutter, wie der Kaiser
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behauptete, die ihre Kinder nach portugiesischer Art mit Süßigkeiten überfüttert habe. Maximilian dagegen wollte seine wunderbare Errettung aus schwerer Kinderkrankheit dem Gebet seiner heiligmäßigen Mutter verdanken, wie er in seinen Lebenserinnerungen versichert. Sorge bereiteten den Eltern angeblich gewisse Lernhemmungen des eigensinnigen Knaben, die bis ins neunte Lebensjahr anhielten. Es ist möglich, daß Cuspinian damit etwas übertrieben hat, um eine dichterische Antithese zur anerkannten Beredsamkeit des Kaisers in späteren Jahren zu gewinnen. Auf dem Frankfurter Wahltag (1486) erinnerte sich Kaiser Friedrich, als man ihm das Latein seines Sohnes lobte, Maximilian habe als Knabe davon nichts wissen wollen, so daß man zweifelte, ob er es je richtig lernen werde. Dies hatte wohl im Ungeschick der groben Schulmeister seine Ursache. Der Knabe verlebte seine Kinderjahre zunächst in der bescheidenen Umwelt des Wiener Neustädter Schlosses mit seinen weiten Anlagen und seinen Baumgärten, die der Vater selber pflegte, mit seinen Tiergärten, Fischweiden und Forsten, inmitten einer gesunden weiten Landschaft, die von der Ebene bis ins Gebirge reichte. Er wurde zusammen mit österreichischen Adelskindern erzogen, damit er sich an seine späteren „Landleute" gewöhne. Auch Otman Calixt, „des türkischen Kaisers Sohn", den man als möglichen Prätendenten am Hof aufgenommen hatte und gerne öffentlich vorzeigte, gehörte zu seinen Jugendgespielen. Die Knaben wurden auf Befehl des Kaisers möglichst natürlich und einfach gehalten. Sie pflegten ganz natürlichen Umgang mit dem Hofgesinde; das Verständnis für einfache Leute ist Maximilian geblieben. Der „weise Kunig" legte größten Wert auf gründliche geistige Bildung, denn „ein König ohne Bildung sei wie ein gekrönter Esel", war schon im Erziehungsbuch für Ladislaus Postumus zu lesen. Wir kennen die Lehrbücher des Prinzen — Meisterwerke der Buchmalerei. Diesen herrlichen Buchstabenbildern und Miniaturen seiner Kinderbücher, seinem Schreiblehrer haben wir vielleicht — neben burgundischen Vorbildern — die graphischen Wunderwerke zu verdanken, die der Kaiser später herstellen ließ (Fichtenau). Anhand dieser kunstreichen ABC-Bücher sollte der Prinz über das Buchstabieren zum Lesen, zum Verstehen und zum lateinischen Gespräch fortschreiten. Wahrscheinlich durfte er auch in der Wenzelsbibel, einem Kunstwerk von besonderer Schönheit, blättern. Kein Humanist, kein wirklich namhafter Mann war unter Maximilians Lehrern, sondern ausschließlich Männer der alten Schule — zunächst der Steirer Jakob von Fladnitz; offenbar wünschte der Kaiser keine Lehrer aus Wien und Niederösterrreich. Den Peter Engelbrecht aus Passail — einen greinenden Pedanten — behielt Maximilian in besonders übler Erinnerung, weil er ihm die Grammatik buchstäblich einzubläuen versuchte, zumal auch der strenge Vater für den widerstrebenden Knaben — dem Rat der Bibel entsprechend — die Rute empfahl, von der Meister Engelbrecht wohl ausgiebigen Gebrauch machte. Wie ein edles Pferd widerstrebte der Prinz störrisch und trotzig jeder Zähmung. Peter Engelbrecht war offenbar der Erzieher
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nach dem Herzen des Vaters, dem wohl nüchterner Hausverstand als höchstes Erziehungsziel vorschweben mochte. Kein höherer Geistesfunke, kein Hauch von Güte und Verständnis scheint den trockenen Streber beseelt zu haben. Dieser Lehrer sei sein Unglück gewesen, meinte Maximilian später; man müsse zwar seinen Lehrern dankbar sein, aber wenn Peter Engelbrecht noch lebte, wolle er ihm zeigen, wie man Kinder erzieht. Erst später bemühte sich der Kaiser, in Gesprächen mit Gelehrten nachzuholen, was er in der Jugend versäumt hatte. Mit Thomas von Cilli schritt der Prinz wohl zur Oberstufe der Grammatik, zur gehobenen Lektüre fort. Er sprach zwar ein flüssiges Gebrauchslatein; die korrekte lateinische Hochsprache, wie sie dem Geschmack der Humanisten entsprochen hätte, hat er aber zeitlebens nicht erlernt. Die „stotternden" und holperigen Diktate seiner lateinischen Autobiographie bezeugen dies zur Genüge. Im übrigen übte sich der Prinz in allen möglichen Fremdsprachen — wenn auch nicht immer gründlich, wie dies seinem flinken Wesen entsprach. Von den Gesindeleuten in Wiener Neustadt und Graz eignete er sich einige Brocken Windisch an; am burgundischen Hof erlernte er Flämisch und Französisch, das er später geläufig sprach und schrieb; mit den Landsknechten radebrechte er Englisch und Spanisch. Das Italienische beherrschte er recht gut. Als 1467 die Mutter Eleonore starb, begann für Maximilian mit dem ständigen Wechsel des Aufenthalts die Unruhe seines Lebens, die erst mit dem Tode endete. Der Bildnisstein über dem Grab der Mutter im Neukloster zu Wiener Neustadt vermittelt eine Ahnung ihrer überirdischen Schönheit: „Kein frumer Weib, so werde, ich nie erkannt auf Erde." Mit dem Tod der Mutter schied für die Kinder die Liebe aus ihrem jungen Leben. Die verwaiste kleine Familie bestand meist nur mehr aus den zwei Geschwistern und einem sehr bescheidenen Hofhalt. Der Prinz kam in Männerhände. Sigmund Prüschenk und Wolfgang Polheim wurden seine engsten Vertrauten. Das Waffenhandwerk und die Jagd gehörten fortan zu seiner Lieblingsbeschäftigung, die ihn vielleicht auch von seinem frühkindlichen Nervenleiden heilte. Von frühester Kindheit an hatte er mit Pferden, Hunden und Falken, mit Stechzeug, Rennzeug und Jagdgeräten gespielt, was ihm wichtiger schien als die Bücher. Bereits der Sechsjährige besaß einen versilberten Prunkharnisch mit Goldschmuck, ein Geschenk Erzherzog Sigmunds, womit er gern den Anführer spielte und — nach Grünpeck ein protziger Kerl — seine Spielgefährten nach Herzenslust plagte. Der Prinz wuchs gleichsam zu Pferde auf. Nun übte er sich nicht nur in allen Arten des Zweikampfes zu Pferd und zu Fuß, mit Schwert und Spieß, sondern erfand auch selber neue Kampfesarten, worin er zeitlebens ein Meister blieb. Ein Hang zur Tollkühnheit trat immer mehr hervor. Noch ein Kind, versuchte er, eine Bombarde mit Schwarzpulver zu laden und abzufeuern, wurde aber früh genug daran gehindert. Die Gefahrenteufel seines Lebens, „Unfallo, Neidelhart und Fürwittig", wie er sie im Theuerdank
Maximilians Kinderspiele: Im Hintergrund das Abenteuer mit der Bombarde, das Spiel mit der Armbrust und der Steinschleuder. Im Vordergrund kindliche Tumierspiele mit Figuren und auf dem Rücken der Diener. Maximilian ist jeweils am „Ehrenkränzel" zu erkennen. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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nennt, machten ihm stets zu schaffen; wenn er ihnen glücklich entkam, hatte er es nach seiner Überzeugung nur der besonderen Gnade Gottes zu verdanken, die ihre Auserwählten nicht verläßt. Waffenhandwerk, Jagd und Bewegung in freier Natur sollten den jungen Mann nach dem ernsten Sinn des Vaters von allen unlauteren Vergnügungen und Liebestorheiten fernehalten. In der Tat rühmte sich Maximilian später immer wieder, den Damen stets nur züchtige Verehrung entgegengebracht zu haben, aber ein jüngst aufgefundener Ermahnungs- und Erziehungsbrief aus Rom, den wohl der alte „weise Kunig" bestellt haben dürfte, wirft freilich ein neues Licht auf den ungebärdigen Wandel des Prinzen: sein Abweichen von den väterlichen Tugenden, sein mangelnder Lerneifer und seine Maßlosigkeit werden ihm vorgehalten; er solle sich durch das schlechte Beispiel Onkel Albrechts gewarnt sein lassen; der junge Herr scheint sich gegen den Vater aufgespielt zu haben, so daß ihn der päpstliche Vikar ermahnte, zunächst einmal dem Vater zu gehorchen, fleißig zu lernen und dann erst „die Welt zu erobern". Auch weiß man vom Umgang des Prinzen mit der „alten Buberin", die ihn offenbar in die Liebe einführte, und mit Rosina, der schönen Kraigerin, deretwegen er sich nur schwer entschloß, die Brautfahrt nach Burgund anzutreten. Offenbar ging der junge Mann öfter seine eigenen Wege und ließ es auch an der gebotenen Ehrfurcht gegenüber dem Vater manchmal fehlen. Wenn sich Maximilian später an seine Jugendtorheiten zurückerinnerte, pflegte er zu sagen, ein junger Kerl müsse sieben Jahre lang ein rechter Narr gewesen sein; wenn er während dieser Zeit nur ein einziges Mal etwas Vernünftiges treibe, müsse er noch einmal sieben Jahre lang ein Narr bleiben. Mit den Jahren kam dann auch die Neigung zu den Büchern, wovon die väterliche Bibliothek vieles Wertvolle enthielt. Uber Bibel und Legenden, Sagen und Heldenepen näherte er sich wohl der Chronik und der Geschichte, seinem späteren Lieblingsgegenstand — wohl auch der österreichischen „Geschichtsbibel", der „Chronik von den 95 Herrschaften". Vom humanistischen Enthusiasmus der Zeit, dem der Vater mit kühler Distanz gegenüberstand, ist auch der Sohn kaum ergriffen worden. Zwar ließ er die Humanisten später gewähren, aber er lebte geistig in anderen Welten. Er suchte seine Helden in der Bibel und in den deutschen Heldenliedern, nicht aber bei den klassischen Autoren. Cäsar scheint er gelesen zu haben; öfter bediente er sich der Bilder des Nibelungenliedes, wenn er sich etwa von seinen Reichsständen „nicht an den Nagel hängen lassen wollte", wie König Gunter von Brunhilde. Erzkanzler Berthold spöttelte einmal, „der Kaiser rede mit den Fürsten in Parabeln wie Christus mit seinen Jüngern". Nicht ohne Selbstgefälligkeit verglich sich Maximilian im Weißkunig mit dem Jesusknaben im Tempel, der seinen Lehrern Fragen vorlegte, die sie ihm nicht beantworten konnten. Größere Vertrautheit mit der Literatur, vor allem mit der Geschichte seiner Zeit und den Anreiz, sein eigenes Leben dichterisch zu gestalten, vermittelten ihm wohl erst die Geschichtschreiber, die Dichter und die reiche Bibliothek des burgundischen Hofes. Dort fanden sich die antiken Klassiker
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ebenso wie die volkstümlichen Geschichtsromane älterer und neuer Zeit, vor allem aber die großen Meister Froissard, Chastellain, Olivier de la Marche und Molinet, von denen man sagte, „sie hätten die ganze Geschichte burgundisch gemacht". Die großen Bilderchroniken, dienten ihm als Vorbilder für seine eigenen Werke. Dort gab es auch — anders als daheim — eine reiche Literatur nicht nur über Kriegskunst, Jagd, Schachspiel, Haushalt, über historische und politische Moralitäten, über Kirchengeschichte und Kreuzzüge, sondern auch über die Kunst der Liebe. Früh erwachte im empfindsamen Knaben die besondere Liebe zur Musik: „Obwohl sie von vielen Leuten unter allen Lehrgegenständen am geringsten geachtet und als entbehrlich angesehen werde, habe man sie, wenn man sie näher kennenlerne, doch lieber als jede andere Kunst" (Weißkunig). Die Musik, eine herrliche Gottesgabe, ein Labsal für betrübte Menschen, verscheuchte ihm manch melancholische Stunde. Höchstwahrscheinlich lernte der Prinz bereits am väterlichen Hof den nachmals berühmten Paul Hofhaimer aus Radstadt kennen, der in der Hofkapelle als Singknabe anfing und dort das Orgelspiel erlernte. Größtes Verständnis wandte Maximilian später seiner Kantorei, der Hofkapelle und ihrer „süßen Musik" zu; aber nicht minder den berittenen Trompetern, Posaunern und Paukenschlägern, seiner „Kriegsmusik", die er erfunden haben möchte, die bei allen großen kaiserlichen Auftritten und auch im Kriege zu hören war. „Wolle der Sohn ein Reich regieren, müsse er mehr wissen als gewöhnliche Landesfürsten und Untertanen." Daher behielt es sich der Kaiser persönlich vor, dem Sohn die Geheimnisse der Regierung zu eröffnen; keinen von den Großen des Hofes ließ er an den jungen Herrn heran. Persönlich unterwies er ihn in der „Secretarikunst" und warnte ihn davor, sich seinen Sekretären auszuliefern. Besonders nachdrücklich warnte er den Sohn vor den Landständen, die es nur darauf abgesehen hätten, den Fürsten um seine Macht zu bringen und wie ihren Tanzbären bei der Nase herumzuführen. Die väterliche Lehre bezog sich offenbar nur auf die Verwaltung. Von der großen Politik hatte der Prinz ganz andere Vorstellungen als der Vater; dafür gab es auch keinen anderen hochmögenden Erzieher, der das Schlafgemach mit dem Prinzen geteilt und jederzeit sein Ohr gehabt hätte, wie dies an anderen Höfen üblich war. So wurde der junge Mann von Anfang an geistig doppelt gefüttert: einerseits mit romantischen und frommen Phantasien, anderseits mit nüchternem Rationalismus. Es gefiel dem nüchternen Vater, den Sohn auch in allen handwerklichen Künsten ausbilden zu lassen: im Waffenschmieden und Geschützgießen, im Harnischschlagen und im Münzenprägen, im Steinbau und im Holzbau, selbst an der Drechselbank. Maximilian galt später als Meister aller Handfertigkeiten, der selbst einem Seusenhofer in der Waffenschmiede etwas zeigen konnte. Freilich wird man nicht alles glauben dürfen, was die lateinische Autobiographie, Weißkunig und Grünpeck über die wunderbare Geschicklichkeit des Prinzen zu berichten wissen. Am Anfang aller Ausbildung stand die Religion. Fast die Hälfte der vä-
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terlichen Bibliothek diente der Frömmigkeit. Die Bibel schätzte der alte Kaiser über alles und wollte sie vierzehn Mal ganz durchgelesen haben. Er besaß die überaus kunstvolle und kostbare Handschrift der Wenzelsbibel, deren Rückgabe in den böhmischen Hausschatz des Ladislaus Postumus der Kaiser beharrlich verweigerte. Vater und Mutter gaben den Kindern ein Beispiel der Frömmigkeit. Täglicher Gottesdienst und die lieben Heiligen, Beten und Fasten, Almosen und fromme Stiftungen, Reliquien und Wallfahrten gehörten zum Alltag des Hofes. Das Gebetbuch Kaiserin Eleonores zeigt die Mutter mit dem Prinzen auf zehn Vollbildern im Gebete dargestellt. Maximilian versetzte seine Mutter in verklärter Erinnerung unter die Seligen des Himmels. Anderer Art war die Frömmigkeit des Vaters, der Kirche und Geschäft in naiver Unbefangenheit zu verbinden wußte. Die kaiserliche Verwaltung lebte zum guten Teil von Kirchenpfründen. „Pfaffengut ist unser Kammergut", pflegte er zu sagen, ein Grundsatz, den er auch seinem Sohn weitergab. Wie der Vater in Notzeiten die Opferstöcke leerte, wird auch Maximilian ohne Bedenken die Truhen mit den Kreuzzugsgeldern aufbrechen lassen, um damit seine Schulden zu bezahlen. Religion, Kirche und Papsttum waren ihm später getrennte Bereiche. Zum Allergeheimsten gehörten des Vaters schwarze Bücher, die er dem Sohn keineswegs vorenthielt. Zeitlebens beschäftigten Maximilian Alchimie, Nigromantik, Astrologie, Mystik, Schutzzauber und alle Arten von Aberglauben. Zu gerne hätte er Gold und Edelsteine in der Retorte erzeugt; nicht von ungefähr brachte ihn die Sage mit dem Doktor Faust zusammen. Prognostiker und Sterndeuter wie Johannes Lichtenberger, Josef Grünpeck, Trithemius oder Agrippa von Nettesheim fanden bei Maximilian stets offene Türen. Gerne hätte er die geheimen Wissenschaften in einem Buch zusammengefaßt, wagte aber nicht, dieses Zauberwerk fortzusetzen, „weil es von der Kirche verboten sei". Väterliches Erbe ist vor allem der unerschütterliche Glaube an die Größe und Erwählung des habsburgischen Hauses. Das AEIOU, auf allem väterlichen Besitz angebracht, galt wohl damals schon als mystisches Zeichen der habsburgischen Berufung zur Weltherrschaft. Die Erwählung seiner Person zum höchsten Amt, ja seine Gottähnlichkeit wurden Maximilian durch das burgundische Gottesgnadentum noch tiefer eingeprägt. Der Kaiser zog 1468 zum zweiten Mal nach Rom, währenddessen der Prinz teils in Graz, teils in Kärnten Zuflucht suchen mußte, denn Jahr für Jahr überfielen die türkischen Renner und Brenner die österreichischen Länder. Da und dort erhoben sich die Bauern. In Steiermark und Kärnten rührte sich auch der landständische Widerstand und suchte Verbindung mit Matthias Corvinus, dem neuen König von Ungarn, der seine Waffen lieber gegen Österreich richtete als gegen die Türken. Dabei spielte Andreas Baumkircher als Verschwörer gegen den Kaiser eine zwielichtige Rolle, wurde überlistet und ohne Richterspruch in Graz enthauptet (1471). Der mißtrauische alte Herr wollte zeigen, daß er auch durchgreifen konnte. „Es sei recht,
Maximilians Jugend
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Gewalttätern das gegebene Wort zu brechen", entschuldigte er sich. M a g sein, daß er angesichts der Lage in äußerster Notwehr handelte. Auf dem Regensburger „Christentag" (1471) und noch mehr in Trier (1473) erlebte der junge Maximilian das erste Mal an der Seite des Vaters die große Welt der Reichsversammlungen, den Prunk kaiserlicher Majestät auf großen Empfängen, bei feierlichen Belehnungen und Festen. Er durfte in vollem Ornat als Erzherzog von Osterreich an der rechten Seite des Vaters sitzen — vor den Kurfürsten, wie das Privilegium Maius es vorschrieb. Er durchschaute wohl auch die lahmen Hilfsversprechungen des Reichstages, die zu Friedrichs Zeiten so wenig eingehalten wurden wie später. Die Türkennot der Erbländer und die große Versammlung der christlichen Mächte zu Regensburg machten dem Prinzen wohl deutlich, daß in der „großen Kirchfahrt", im Türkenkreuzzug, eine Hauptaufgabe seines Lebens liegen werde. Papst Pius II., ehemaliger kaiserlicher Sekretär, warb unablässig für die heilige Sache, gewährte Kreuzzugsablässe und ließ Kruziatgelder einsammeln. Der Kaiser hatte den St. Georgsorden gegründet (1467) und damit begonnen, entlang der südöstlichen Grenze seiner Erbländer eine Verteidigungslinie aufzubauen. Es waren die Anfänge der nachmals berühmten „Militärgrenze". Die Türken waren für Osterreich zur Existenzfrage geworden und sollten es durch Jahrhunderte bleiben.
III BURGUNDISCHE HEIRAT ERBFALL U N D ERBFOLGEKRIEG MAXIMILIANS BURGUNDISCHES ERLEBNIS Burgund, das „Große Herzogtum
des
Abendlandes"
Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatte sich auf dem traditionsreichen Boden des alten Lotharingien, beiderseits der französisch-deutschen Sprachgrenze, im Flußgebiet des unteren Rheins, der Maas, der Scheide und der Yssel, aus verschiedenen, weder national noch wirtschaftlich oder kulturell einheitlichen Ländern, teils aus Reichslehen, teils aus französischen Kronlehen der burgundische Staat zu bilden begonnen, der im 15. Jahrhundert zur europäischen Großmacht aufstieg. Eine tatkräftige Dynastie, eine Seitenlienie der französischen Valois, vermochte das Problem des Zusammenlebens zweier Nationen unter einer Herrschaft gegen den Widerstand der großen Nachbarn, des Reiches und Frankreichs, zu meistern. König Johann II. von Frankreich (tl364) hatte das französische Herzogtum Burgund beim Aussterben der alten Herzoge eingezogen und nicht dem Thronfolger, sondern seinem Lieblingssohn Philipp dem Kühnen übertragen (1361), der durch seine Heirat mit Margarethe von Flandern die Grafschaften Flandern, Artois, die Freigrafschaft Burgund und andere Gebiete dazuerwarb und damit dieses eigenartige, selbständige Zwischenreich begründete. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß die burgundischen Valois, direkte Sprößlinge der französischen Könige, die burgundischen Länder dem französischen Mutterland völlig entfremdeten. Der zweite Herzog, Johann ohne Furcht (tl491), gewann durch seine Heirat mit Margarethe von Bayern die Grafschaften Holland, Seeland, Friesland und den Hennegau dazu, die durchaus Lehen des Reiches waren. Philipp der Gute (fl467) fügte noch die Länder Brabant und Limburg hinzu — eine Ländermasse, welche auch die dazwischenliegenden Kirchenländer von Lüttich, Cambrai und Utrecht unter ihren Schutz nahm. Während des Hundertjährigen Krieges sicherte er sich noch die französischen Lehen Picardie, Boulogne, Mäcon, Auxonne und schließlich auch noch Namur und Luxemburg. Die niedere und obere burgundische Ländergruppe war durch das dazwischenliegende Herzogtum Lothringen getrennt, das sich die Burgunder Herzoge immer gerne einverleibt hätten, um über die Lothringer Ansprüche auf das Königreich Arelat den Anschluß an das Mittelmeer zu finden. Im Kampf um Lothringen ist der letzte Herzog von Burgund gefallen (1477). Burgund fühlte sich längst als selbständiger Staat, und das Gefühl der Lehensverpflichtung gegenüber dem Reich und Frankreich trat immer mehr
Burgund, das „Große Herzogtum des Abendlandes"
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zurück, zumal selbst die formale Lehenshuldigung nach Möglichkeit „vergessen" wurde. Man nannte den neuen Staat „das Große Herzogtum des Abendlandes", da es an Macht und Reichtum die meisten Monarchien Europas übertraf. Schon Philipp der Gute wollte sich mit dem Haus Habsburg verbinden, um dadurch an das Königtum, vielleicht sogar an das Kaisertum zu gelangen. Burgund bestand aus einer Reihe selbständiger Länder mit eigenen Landtagen, eigenem Recht und besonderen Privilegien, welche sich nur durch die Person und das Haus ihres Erbherrn auf eine besondere Weise verbunden fühlten. Immerhin vermochten die großen Herzoge, ihre Länder allmählich durch zentrale Verwaltungseinrichtungen, durch einen gemeinsamen Großen Rat für Politik und Rechtssprechung, durch einheitliche Raitkammern und durch General-Landtage enger zusammenzufassen. In dieser Hinsicht hatte der burgundische Staat große Ähnlichkeit mit den österreichischen Ländern an der Donau und in den Alpen, welche auch nur die dynastische Idee als Einheitsband zusammenhielt. Der große Umfang, die Bevölkerungszahl, die finanzielle und militärische Kraft machten die burgundischen Länder zu einem der reichsten und mächtigsten Staaten Europas; sie waren sozusagen eine einzige große Manufaktur, ein einziger großer Marktplatz: alle großen Handelsnationen, die deutsche Hanse, die Venezianer, Florentiner, Portugiesen, Spanier, selbstverständlich die benachbarten Engländer, selbst die Levantiner waren auf den Weltmärkten von Gent, Brügge und Antwerpen vertreten. Der unvergleichliche Reichtum ihrer Länder gestattete den Herzogen die Kriegs- und Friedenspolitik einer Großmacht. Ihre jährlichen Einkünfte bewegten sich um eine Million Dukaten und lagen höher als die der meisten Geldmächte jener Zeit; das Reich oder Osterreich konnte sich damit kaum vergleichen. Unter dem letzten Herzog, Karl dem Kühnen, sollte sich im Westen eine Entscheidung für Jahrhunderte vollziehen: die burgundisch-habsburgische Verbindung durch die Heirat Maximilians von Osterreich mit Maria von Burgund, womit Herzog Karl dem burgundischen Staatsbau die Krone aufsetzen wollte. Als Herr über so viele, reiche Länder konnte der Herzog mit Recht eine Königskrone, vielleicht sogar die Römische Königskrone und damit die Nachfolge im Kaisertum anstreben. Karl der Kühne faßte dieses Ziel nun ernsthaft ins Auge. Über die Hand seiner einzigen Tochter Maria, deren unvergleichliches Erbgut selbst den Kaiser reizen mußte, hoffte er, dieses Ziel zu erreichen. Maria hatte noch mehr zu bieten als die beiden großen Margarethen von Flandern und von Holland zusammengenommen, die das Fundament zum burgundischen Staat gelegt hatten. Kein Geringerer als Papst Pius II. hatte eine Heirat des Kaisersohnes Maximilian mit Maria von Burgund bereits 1463 angeregt, um die Stellung des Kaisers im Reich durch die burgundische Großmacht zu verstärken und beide gegen die Türken einzusetzen; zugleich war von einer Erhebung Burgunds zum Königreich die Rede gewesen. Aber beide Seiten zögerten wegen
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
der Jugend ihrer Kinder; vergessen wurde dieser Plan aber nicht, der beiden Partnern glänzende Aussichten eröffnete. Alsbald schaltete sich auch Erzherzog Sigmund von Tirol als Vermittler ein, weil er sich davon Hilfe gegen die Eidgenossen erhoffte. Dieser wenig tüchtige Habsburger ahnte nicht, welchen weltgeschichtlichen Dienst er damit seinem Hause leistete. Karl der Kühne forderte f ü r die H a n d seiner Tochter nichts Geringeres als die Erhebung zum Römischen König oder doch wenigstens die Bestellung zum Reichsvikar links des Rheins. Der Kaiser trat diesem Angebot aber nur mit größtem Mißtrauen gegenüber; er wäre bestenfalls bereit gewesen, dem Burgunder eine reichslehenbare Königskrone unter dem Titel eines der burgundischen Länder zuzugestehen, was Herzog Karl offenbar zu wenig war. Nachdem sich die Verhandlungen vorerst zerschlagen hatten und verschiedene andere Heiratspläne in Aussicht genommen wurden, fanden Friedrich III. und Herzog Karl erst 1473 wieder zusammen, wobei der mißtrauische Kaiser dem Drängen des Burgunders noch immer mit größter Vorsicht begegnete.
Das Treffen von Trier Das Reich, ja ganz Europa richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Zusammenkunft des Kaisers mit dem Herzog von Burgund, die nach wiederholten Verschiebungen im September 1473 endlich in Trier zustande kam. Einerseits erhoffte man sich davon den Frieden im Reich, die Einigung der Christenheit gegen die Türken und die Vorbereitung eines großen Kreuzzuges; andererseits fürchtete man den Zusammenschluß der Häuser Habsburg und Burgund zu einem gewaltigen Machtblock, der nicht nur Frankreich, sondern auch die Selbstherrlichkeit der Reichsfürsten gefährden konnte. Daher schlossen sich deutsche Reichsfürsten in großer Zahl dem kaiserlichen H o f z u g an, um dem Treffen beizuwohnen und den Kaiser im Auge zu behalten. Am 28. September 1473 hielt der Kaiser mit großem Gefolge von Kurfürsten, Fürsten und Herren, begleitet von seinem Sohn Maximilian und dem „türkischen Kaiser" Otman, — mit insgesamt etwa 2500 Pferden — unter dem Geläute aller Glocken glänzenden Einzug in die alte Bischofstadt Trier. Zwei Tage später zog auch der Herzog von Burgund, von der Elite des burgundischen Adels begleitet, mit 8000 Reitern und 6000 Knechten und mehreren Abteilungen Artillerie weitaus prächtiger als der Kaiser, der sich vom „welschen Geprotze" des Burgunders unangenehm berührt fühlte, in die Stadt ein. Größten Eindruck erweckte Herzog Karl, ein stattlicher Mann, mit dem berühmten Lehensrock (den später Maximilian für seine Kaiserkrönung vorsah) überaus prächtig gekleidet. In gut gespielter Demut näherte er sich dem Kaiser, als wolle er ihn kniefällig begrüßen, was der alte H e r r verhinderte.
Das Treffen von Trier
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Ein gewisses Aufsehen erregte naturgemäß auch der Kaisersohn Maximilian, redete man doch seit längerer Zeit von einer möglichen Heirat mit der Erbtochter von Burgund. Der Erzherzog bot auf seinem braunen Hengst eine ritterliche Erscheinung und wirkte weit älter, als er war. Die Beobachter fanden ihn stattlich, heiter und strahlend. Herzog Karl soll am Prinzen vom ersten Augenblick an besonderes Wohlgefallen gefunden haben; er lud ihn zu sich, zeigte ihm seinen sprechenden Papagei und schenkte ihm eine herrlich ausgestattete burgundische Feldordnung. Karl blieb für Maximilian zeitlebens — mehr als der Vater — das bewunderte Vorbild. Nach den üblichen Begrüßungen und Empfängen, wobei stets Friede und Heil der Christenheit und der gemeinsame Türkenkrieg hervorgehoben wurden, näherte man sich in vertraulichen Gesprächen dem Hauptgegenstand, Karls burgundischen Königshoffnungen und der Heiratssache. Man sprach wohl auch über die Lothringer Frage, über Köln, über die Fehde mit dem Pfalzgrafen und über die vorderösterreichischen Pfandherrschaften. Zwischendurch gab es immer wieder Einladungen, Festlichkeiten, große Kirchgänge, Gastmähler und Turniere, wobei gleichsam um die Wette geprunkt wurde. Der Herzog hatte auf 400 Wagen seinen gesamten geistlichen und weltlichen Hausschatz an Gold- und Silbergeschirr, die berühmte burgundische Kredenz, die besonders kostbaren Sakralgeräte und seine herrlichen Tapisserien mitgeführt, wogegen der eher armselige Aufzug des Kaisers sehr stark abfiel. Die Festsäle und die Trierer Domkirche waren mit den Herrlichkeiten der burgundischen Kunst- und Wunderkammern ausgeschmückt; darunter eine mannshohe Lilie aus reinem Gold, mit Edelsteinen voll besetzt, ein Stück von ungeheurem Wert, das der Kaiser wohlgefällig betrachtete und sogar mit der Hand betastete. Der Altarraum war geschmückt mit zwölf vollsilbernen Apostelstatuen, der Dom mit kostbaren Wandteppichen behangen. Bei großen Anlässen konnte man die burgundische Hofkapelle mit ihren „himmlischen" Gesängen hören. Nach diesen äußerlichen Schaustellungen trat man in die geheimen Verhandlungen ein, die acht Wochen dauerten, worüber es keine Aufzeichnungen, sondern nur Vermutungen gibt. Nach außen hin war nur die Rede von der christlichen Eintracht und vom Türkenkrieg. Im Mittelpunkt standen gewiß die Heirats- und Königspläne. Friedrich III. lehnte offenbar die Forderungen Herzog Karls nach dem Römischen Königtum und der Nachfolge im Reich entschieden ab, womit man sich über die Rechte der Kurfürsten hinweggesetzt hätte. Das ungestüme Auftreten des Burgunders ärgerte den vorsichtigen Kaiser; er zog als Unterstützung die anwesenden Kurfürsten und Fürsten ins Gespräch, um unziemliche Zumutungen leichter zurückzuweisen. Karl der Kühne wäre nun auch mit einem burgundischen Königreich zufrieden gewesen, das durch mehrere Länder vergrößert werden und vom Reich möglichst unabhängig sein sollte. Der Kaiser zeigte sich wohl bereit, dem einen oder anderen burgundischen Land den königlichen Namen zu verleihen; aber Herzog Karl wollte wahrscheinlich ein Königreich über alle
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
burgundischen Länder, das auch die Kirchenländer Lüttich, Utrecht, Toul und Verdun, außerdem Friesland, Geldern, Kleve, Savoyen und Lothringen miteingeschlossen hätte. Näheres weiß man nicht. Karl wünschte außerdem für sein Königreich kurfürstliche Willebriefe. Gerade hierin war der Kaiser besonders empfindlich, denn er vertrat die Meinung, daß die Verleihung des königlichen Namens zu den kaiserlichen Majestätsrechten gehöre. Friedrich III. verlieh dem Burgunder zwar noch das Herzogtum Geldern; auch für einen kleinen Königstitel wäre er zu haben gewesen; der Krönungstag war bereits in Aussicht genommen und der Dom vorbereitet. Aber Karls stets wachsende Forderungen führten zu neuen Reibungen. Der Kaiser wollte sich zu keinem weiteren Zugeständnis bereitfinden, das auf Kosten seines Majestätsrechtes und des Reiches gegangen wäre. Er hegte den nicht unbegründeten Verdacht, daß Karl mit dem Königsplan nur seine Länder vom Reich trennen wolle. Außerdem war der stürmische Gewaltmensch dem bedächtigen Kaiser unheimlich. Quertreibereien auf beiden Seiten taten das übrige. Am 25. November verließ Friedrich III. ohne die übliche Verabschiedung, in aller Frühe die Stadt Trier. „An einem Tag verspricht der Herzog etwas, am anderen T a g ist damit wieder nichts", sagte der Kaiser den burgundischen Boten, die ihn zurückhalten wollten. Das tiefsitzende gegenseitige Mißtrauen hatte den Trierer T a g zu Fall gebracht.
Karls des Kühnen
Ende
Karl der Kühne mochte hoffen, seine Königspläne, die in Trier fehlgeschlagen waren, durch einen gewalttätigen Uberfall auf das Reich zu erzwingen. Der Kölner Bistumsstreit gab ihm Gelegenheit, sich gegen den Kaiser und für den Erzbischof einzusetzen und auch Köln zu unterwerfen, wie sich die Bistümer Lüttich, Utrecht u. a. den Herzogen von Burgund bereits unterwerfen hatten müssen. Karl belagerte die Stadt Neuß am Niederrhein (1474), konnte sie aber in mehr als zehn Monaten nicht erobern, während der ganz unkriegerische Kaiser — wider Erwarten — ein Reichsheer sammelte und die Stadt entsetzte. Frankreich und Lothringen verbanden sich mit dem Kaiser; auch die oberrheinischen Pfandherrschaften und die Elsässer erhoben sich gegen die burgundischen Zwingherrn. Unter dem Druck der auswärtigen Mächte und des langsam vorrückenden Reichsheeres hatte der Burgunder, „vor Wut schäumend wie ein Eber", die Belagerung von Neuß abbrechen müssen; er beugte sich der Einsicht, daß Nachgiebigkeit für den Augenblick das beste sei, Schloß mit dem Kaiser Waffenstillstand und machte ihm eine geheime Zusage zur Vermählung seiner Tochter mit Maximilian. Das Heiratsversprechen, wofür in Trier noch eine Königskrone gefordert worden war, ergab sich hier ohne Gegenleistung. Nach dem Mißerfolg vor Neuß warf sich Herzog Karl auf Lothringen und eroberte in einem Blitzkrieg das ganze Herzogtum — ein Erfolg, der
Karls des Kühnen Ende
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sein Selbstbewußtsein wieder mächtig stärkte. Dafür, daß der Kaiser zu diesen Übergriffen, die letztlich auf Kosten des Reiches gingen, schwieg, bestätigte ihm der Burgunder im Feldlager vor Nancy zum ersten Mal — schriftlich auf einem Zettel — das Versprechen, seine Tochter Maria mit Maximilian zu verloben (November 1475). Gleichwohl behielt er noch immer andere Möglichkeiten im Auge: sieben angesehene höchste Herrn hatte der Herzog im Laufe der Jahre als Anwärter für seine Tochter in Betracht gezogen. Nun wollte Herzog Karl die Eidgenossen strafen, die schon den Elsässer Aufstand und auch die Lothringer unterstützt hatten. Dann sollte der Hauptgegner, der König von Frankreich, an die Reihe kommen. Der Feldzug gegen die Eidgenossen wurde dem Herzog zum Verhängnis. Er wurde von ihnen das erste Mal bei Grandson geschlagen (März 1476) und verlor dabei nicht nur einen Teil seines Hausschatzes, sondern auch seine Waffenehre als Feldherr und damit sein seelisches Gleichgewicht. Er raste, schäumte und fluchte, wie Augenzeugen berichten, und war seither nicht mehr ganz bei Sinnen. In dieser Lage trafen die kaiserlichen Unterhändler mit Herzog Karl in Lausanne zusammen, um den Frieden von Nancy zu bestätigen und die Heirat zwischen Maximilian und Maria einzumahnen. In dieser schwierigen Lage empfand der Burgunder die Parteinahme Kaiser Friedrichs als Wohltat und unschätzbare Hilfe; er bestätigte dafür die älteren Eheversprechen: bereits um Martini 1475 sollte in Köln Hochzeit gefeiert werden. Dies war die eigentliche Rechtsgrundlage für die habsburgisch-burgundische Heirat, die den Staat Karls des Kühnen rettete und die Habsburger zur Weltmacht führen sollte. Aber mit Herzog Karl ging es unaufhaltsam abwärts. Im Juni 1476 wurde er von den Eidgenossen und ihren Verbündeten bei Murten vernichtend geschlagen, wobei er nicht nur sein Lager, den Kern seiner alten Truppen und den Rest seines Ruhmes verlor; er fand auch nicht mehr die innere Kraft zur Besinnung und zur Uberprüfung seiner Pläne, sondern stürmte blindwütig dem Abgrund entgegen. Als nun auch Lothringen wieder abfiel, warf er sich mit weit unterlegenen Kräften vor Nancy. Öfter als früher dachte er jetzt an seine Nachfolge und versicherte den kaiserlichen Gesandten noch einmal seine Zustimmung zur Heirat. Der Herzog erkannte wohl, daß im Falle seines Hinscheidens nur Habsburg und das Reich den Untergang des burgundischen Staates würden verhindern können. Nach seinem Willen sollte diese Heirat nicht nur seine Dynastie erhalten, sondern seine Niederlande an die Spitze des Reiches und der Christenheit emporführen. Anfang Jänner 1477 vollendete sich vor Nancy das Schicksal des letzten Herzogs von Burgund. Als er vor der Schlacht, dunkler Ahnungen voll, in den Sattel stieg, soll er noch verfügt haben, im Falle seines Todes die Hochzeit seiner Tochter mit Maximilian von Österreich rasch zu vollziehen. Am Tage nach der Schlacht fand man die Leiche des Herzogs im Morast eines Teiches halb eingefroren, von Söldnern völlig ausgeraubt, nackt, von Blut und Wunden entstellt und kaum zu erkennen.
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
Die Hofchronisten Olivier de la Marche und Molinet sangen dem Dahingeschiedenen ein hohes Lied und begründeten einen Karl-Mythos, den auch Maximilian mit eigenen Erinnerungen verklärte. „Wenn H e r z o g Karl noch lebte, ginge alles besser", pflegte er später öfter in schwierigen Lagen zu sagen.
Staatskrise. Burgundische
Heirat
D e r T o d Karls des Kühnen bei Nancy (5. Jänner 1477) erfüllte den König von Frankreich mit ausgelassener Freude, hoffte er doch auf den Zusammenbruch des burgundischen Staates. Sofort zog er die altburgundischen Länder für die französische Krone ein, da sie als Männerlehen nicht an Maria übergehen könnten. An der Festtafel verteilte er an seine Hofleute die burgundischen Länder und Herrschaften und setzte seine Armeen gegen die Niederlande in Bewegung. Das Geld, das er großzügig verteilte, wirkte Wunder: das engere Herzogtum Burgund, die Picardie und die Freigrafschaft Burgund ergaben sich rasch den Franzosen. Entweder würde — nach Ludwigs X I . Plänen — durch eine Ehe des Dauphin mit der Erbtochter Maria der ganze burgundische Staat gewonnen, oder es sollten die deutschen und wallonischen Gebiete zwischen Frankreich, England und dem Reich aufgeteilt werden. Auch im Innern der meisten burgundischen Länder erhoben sich die Stände gegen den Steuerdruck und die Gewaltpolitik des gefallenen Herzogs. Die Länder forderten ihre alten Freiheiten zurück. Es gab starke Spannungen zwischen Handwerkern und Geschäftsleuten als den eigentlichen Steuerträgern und den herzoglichen Beamten als den Vollstreckern des harten Zentralismus. Nationale Spannungen zwischen Flamen und Wallonen kamen hinzu. Alle Gegensätze, die Karl der Kühne gewaltsam unterdrückt hatte, brachen nun plötzlich hervor; der burgundische Staat drohte sich aufzulösen und im Chaos zu versinken. Herzogin Maria, von den meisten verlassen, ohne Armee, trat den äußeren und inneren Feinden entschieden entgegen. An ihrer Seite standen die Herzogin-Witwe, die kluge und willensstarke Margarethe von Y o r k , und einige Herren von Geblüt, Verwandte und Bastarde des burgundischen Hauses, soweit sie nicht auch abgefallen waren. Nachdem sich Verhandlungen mit dem König von Frankreich zerschlagen hatten, berief die Herzogin die Generalstände nach Gent, um Geld- und Truppenhilfe gegen die französische Invasion zu erbitten. Die Stände forderten dafür die Rückgabe ihrer Privilegien, die ihnen H e r z o g Karl geschmälert oder genommen hatte. Die unteren Schichten, Taglöhner, Handwerker und Zünfte, vergewaltigten die öffentliche Meinung und rissen die Ständeversammlung zum offenen Aufstand fort. Die führenden Beamten wurden vor Gericht gestellt. U m die Gemüter zu beruhigen, bestätigte Herzogin Maria das sogenannte Große Privileg (Februar 1477), das den Ständerechten weitesten Raum gewährte,
Staatskrise. Burgundische Heirat
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dem burgundischen Einheitsstaat der Herzoge ein Ende setzte und die wichtigsten Einrichtungen der Zentralverwaltung wieder abschaffte. Der König von Frankreich verstand es, die Ratgeber der Herzogin bei den Ständevertretern zu verdächtigen, als hätten sie die laufenden Friedensverhandlungen hintertrieben. Hugonet und Humbercourt, treue Diener des burgundischen Hauses, aber Feinde der landständischen Freiheiten, wurden gefangengesetzt, gefoltert und wegen geheimer Verbindung mit dem Feind auf offenem Marktplatz zu Gent enthauptet. Die Herzogin hatte es nicht verhindern können. Die Stände wollten ihr wohl zeigen, wohin es führte, wenn sie an der Politik ihres Vaters festhielt. Wie ein Fieber ergriff der Genter Aufstand auch die anderen Provinzen; überall gab es ähnliche Prozesse und Hinrichtungen. Vor der Person der Herzogin machte die Rebellion zwar halt, aber sie war tatsächlich eine Gefangene der Generalstände. Maria bewährte sich in dieser schwierigen Lage als kluge und starke Frau. Sie setzte ihre ganze Hoffnung auf die österreichische Heirat, die bereits am 21. April 1477 durch Ferntrauung in Brüssel abgeschlossen wurde. Die Herzogin ließ ihren Bräutigam wissen, wenn er nicht rasch komme, müsse sie vielleicht in Dinge einwilligen, die sie freiwillig niemals täte. Die Nachricht von diesem Heiratsvertrag löste eine unerwartete Wendung der öffentlichen Meinung aus. Die Gemäßigten erhofften sich von Osterreich und dem Reich die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung und einen wirksamen Schutz gegen Frankreich; die Rebellen ließen von den Verfolgungen und Hinrichtungen allmählich ab. Immer einmütiger regte sich der Wille zum Widerstand gegen die französischen Eindringlinge. Daß es sich bei der Erbherrin um eine Frau handelte, war geeignet, die ritterlichen Gefühle des Adels und des Volkes zu wecken, so daß sich der Widerstand gegen Frankreich in den Grenzstädten immer mehr verstärkte. Die niederländischen Stände würden ihre Fürstin wahrscheinlich zu einer französischen Heirat gedrängt haben, wenn Ludwig XI. nicht die Zerschlagung und Aufteilung des burgundischen Staates verfolgt hätte. Angesichts der Gewalttaten begann man zu zweifeln, ob die Könige von Frankreich mildere Herren sein würden als die alten Herzoge von Burgund. Herzogin Maria wurde von vielen Freiern bedrängt. Eine Heirat mit dem Dauphin, der noch ein Kind war, schien kaum zumutbar. Eine englische Heirat, auf die Margarethe von York hinarbeitete, ließ einen neuen „Hundertjährigen Krieg" befürchten. Daher schien auch den burgundischen Ständen die habsburgische Heirat, die auch dem Herzenswunsch ihrer Erbherrin entsprach, die beste Lösung zu sein. Als Kaiser Friedrich III. vom Tode Karls des Kühnen erfuhr, entfaltete er eine für ihn ungewöhnliche Rührigkeit, um die Heirat durchzuführen und seinem Haus die burgundischen Länder zu sichern. Er ließ es an nichts fehlen, um den Sohn für das schwierige Unternehmen auszurüsten. Bereits im April 1477 schickte der Kaiser eine Reichsgesandtschaft, angeführt von Kardinal Heßler, begleitet von 300 Panzerreitern, nach Burgund, welche die
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
Ankunft des Kaisersohnes vorbereiten und zur größeren Sicherheit die Ehe durch das symbolische Beilager vollziehen sollte. Begeistert berichteten die Gesandten aus den Niederlanden, der Prinz werde wie der „Erlöser" erwartet; er solle nicht zögern und bedenken, daß er durch diese Hochzeit zum mächtigsten Fürsten aufsteige, den es im Haus Osterreich je gegeben habe; hier herrsche Uberfluß an allen Gütern; die Einnahmen der Niederlande betrügen 1,200.000 Gulden jährlich. Das Volk sei treu und bedürfe nur eines Fürsten. Im Mai 1477 brach Maximilian von Wien auf, um über Frankfurt und Köln in die Niederlande zu ziehen. Der Kaiser hatte Kurfürsten, Fürsten und Städte aufgerufen, den Zug seines Sohnes durch Reisige und Knechte zu unterstützen, um die Niederlande beim Reich zu erhalten. Aber nur wenige leisteten Folge. In Köln wurde Maximilian von einer burgundischen Gesandtschaft erwartet, die ihm fürs erste mit 100.000 Gulden aushalf und auf jede Morgengabe oder Widerlage verzichtete. Die niederländischen Städte überboten einander, den Prinzen allenthalben glänzend zu empfangen. Am 18. August 1477 hielt Maximilian mit 1200 Reisigen Einzug in die flandrische Hauptstadt Gent, wo er unter lautem Jubel des Volkes von der Bürgergarde eingeholt wurde. Die Stadt schien völlig verändert. Auf Triumphbögen konnte man lesen: „Erlauchter Fürst, schütze uns . . . Was du befiehlst, werden wir tun." Maximilian, der im silbernen, goldverzierten Prunkharnisch mit goldener Fürstenkrone auf weißem Zelter einritt, erschien „wie ein Engel, der vom Himmel kam", berichtet der überschwengliche Höfling Molinet. Am gleichen Abend begegneten sich die Brautleute erstmals im Stadtschloß zu Gent. Die lateinische Begrüßungsrede bediente sich der Worte des englischen Grußes: „Gesegnet seist du unter den Frauen . . . der Kaisersohn hat dich zur Gemahlin auserkoren. Du wirst ihm einen Sohn gebären, der sein Volk aus den Finsternissen des Todes befreien soll. Sein Name wird groß sein unter den Menschen", worauf Maria mit biblischer Demut antwortete: „Siehe, ich bin eine Magd meines Herrn, mir geschehe nach seinem Wort." Der brandenburgische Gesandte erzählt die reizende Geschichte von der Nelke als Liebessymbol, die der Bräutigam unter dem Herzen der Braut zu suchen hatte, wozu ihn der Erzbischof von Trier fröhlich ermuntern mußte. Vielleicht war das erste niederländische Porträt Maximilians mit der Nelke durch diese neckische Geschichte angeregt. Noch am Ankunftstag wurde der endgültige Heiratsvertrag unterzeichnet. Nach dem Rechtsgeschäft erneuerten die Brautleute ihr Verlöbnis. Darauf folgte — wegen der Hoftrauer um Karl den Kühnen — ein bescheidenes Mahl, bei dem sich Braut und Bräutigam zunächst nur durch Zeichen verständigen konnten. Aber es gab vom ersten Augenblick an innigstes Einverständnis, wie Molinet versichert. Anderntags (19. August) wurde in der Hofkapelle in schlichten Formen die Hochzeit gefeiert. Ein eher einfaches Festmahl, Turniere und Mummereien folgten. Mit dem üblichen zeremoniellen Geleit in das Brautgemach
Der Junge Weißkunig" und Maria von Burgund lehren einander ihre Sprachen. Die Lustbarkeit des burgundischen Hofes, worüber Maximilian öfter schwärmt, ist durch die schönen Gartenanlagen, den Springbrunnen, die Raumausstattung und die spazierenden Liebespaare angedeutet. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
Schloß der eher bescheidene Festtag. Die Höflinge, welche noch die prunkvolle Hochzeit Karls des Kühnen erlebt hatten, waren wohl enttäuscht. Ludwig XI. setzte das Gerücht vom geizigsten Bräutigam der Welt in Umlauf: der Prinz sei so arm in die Niederlande gekommen, daß er erst mit Kleidern habe ausgestattet werden müssen. Während der nächsten Tage gab es auf dem offenen Marktplatz die Erbhuldigung der Stadt Gent, dann die ersten Verhandlungen über Geldund Truppenhilfe gegen Frankreich. Von Gent eilte das junge Paar zur Nachfeier der Hochzeit, zur Erbhuldigung und zu Hilfsverhandlungen nach Brügge und in die anderen Hauptstädte der Niederlande. Der niederländische Erbfolgekrieg
Die Franzosen waren inzwischen an die Grenzen Flanderns und des Hennegaues vorgerückt und machten sich bereit, gegen Brügge, Gent, Brüssel und Lüttich vorzustoßen. Maximilian bewies — trotz seiner Jugend — als Verteidiger der angeheirateten Länder so viel Umsicht und Kampfbereitschaft, wie es der König von Frankreich kaum erwartet hatte. Er forderte Ludwig XI. sofort zur Rückgabe der besetzten Gebiete auf, während Friedrich III. mit dem Reichskrieg drohte, was freilich viel weniger gefährlich war, als es klang. Die Niederlande aber bewilligten dem jungen Herrn 500.000 Taler. Eine so große Summe sollte er später nie mehr — weder von einem Reichstag noch von einem Landtag — bewilligt, geschweige denn ausbezahlt erhalten. Ludwig XI., der nichts mehr fürchtete als harte Waffengänge, willigte in einen Waffenstillstand ein (November 1477), trat einige Grenzgebiete, darunter die Reichstadt Cambrai ab, behielt aber den größten Teil seiner Eroberungen, vor allem das Herzogtum Burgund, zurück. Trotz dieser Verluste gehörte der erste moralische Erfolg doch dem jungen Herzog, der mit weit unterlegenen Kräften den französischen Vormarsch aufgehalten hatte. Mit Habsburg war eine starke Schutzmacht an den burgundischen Grenzen erschienen. Maximilian erkannte klar, daß dieser Krieg noch lange nicht gewonnen war. Dringend bat er den Vater um Hilfe, sonst würde er das nächste Jahr kaum überstehen können; der König von Frankreich liege mit seinen Truppen an der Grenze und suche, die Niederlande finanziell zu erschöpfen. Wenn der Kaiser helfe, könne man den König von Frankreich hinter Paris zurücktreiben, denn es gebe keinen „verzagteren Bösewicht" als ihn. Nur wer im Felde Herr sei, bleibe Herr im Land; sonst müsse er gewärtigen, in Schanden verjagt zu werden. Aber Maximilian vermochte weder den Vater zu gewinnen, der bereits in den Krieg gegen Ungarn verstrickt war, noch die Reichsstände, noch seinen Vetter Sigmund von Tirol, der sein Geld lieber verjubelte, noch die Eidgenossen oder Lothringen. Nur England, das seine Ansprüche aus dem Hun-
Der niederländische Erbfolgekrieg
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dertjährigen Krieg noch immer nicht vergessen hatte, konnte mit Hilfe der Schwiegermutter, Margarethe von York, gewonnen werden. Das burgundische Bündnissystem, das Österreich-Burgund, England und Spanien gegen das dazwischenliegende Frankreich Zusammenschloß und durch Jahrhunderte immer wieder die europäische Staatenwelt bestimmen sollte, begann fast von selbst zu wirken. Im folgenden Winter 1477/78 herrschte Ruhe. Man fand Zeit, das junge Eheglück zu genießen. Für Maximilian war Maria die schönste Frau der Welt, wie er seinem Freund Prüschenk schrieb: „Ich hab ein schöns, froms, tugenhafftigs weib, . . . von leib klein, viel kleiner den die Rosina und schneeweis; ein prauns haar, ein kleins naßl, ein kleins heuptel und antlitz, praun undt grabe äugen gemischt, schön und lauter . . . Der mund ist etwas hoch, doch rein und rot . . . Mein gemahl ist ein gantze waidtmännin mit valcken und hundten. Sie hat ein weiß windtspil . . . das liegt alle nacht bey uns . . . Ich bin aber der armist mensch, daz ich nicht eßn, schlaffn, spatziren, stechen mag von (wegen) übrigen geschefften . . Maximilian und Maria waren einander durch besondere Natürlichkeit verwandt, beide tüchtige Reiter, Jäger und Falkner; beide den schönen Künsten aufgeschlossen. Alsbald lernten sie voneinander ihre Muttersprachen. Maximilian sprach das Französische immer flüssiger und lernte es — wenn auch etwas eigenwillig — gut zu schreiben. Das Flämische, das die Generalstände als Verwaltungssprache dringend forderten, lag ihm naturgemäß noch näher, wie er denn an jeder Sprache Gefallen fand. Wie seine Briefe aus den Niederlanden zeigen, war Maximilian vom burgundischen Erlebnis überwältigt; hier durfte er sich als großer Herr fühlen. Hier gab es an die zwanzig große Städte ähnlich Wien, dazu zahlreiche kleinere Städte wie Steyr oder Graz. Welche Pracht der Schlösser! Seine Herberge in Lille sei das schönste und lustigste Haus, das er sein Lebtag gesehen habe; ein solches Schloß besitze er in jeder Stadt. Außerdem habe er zwanzig Wasserschlösser, ähnlich Laxenburg. Dazu gebe es 22 große Geschlechter mit prächtigen Herrensitzen und ebenso viele gefürstete Klöster allein im Hennegau. — Wie arm waren dagegen die österreichischen Länder. Maximilian war begeistert von der Pracht des burgundischen Hofes: hier herrsche größte Freiheit der Sitten; in Burgund könne man lieben und küssen lernen; „wenn Frieden herrsche, so säße er mit seiner jungen Gemahlin im Rosengarten". Kardinal Heßler berichtete dem alten Kaiser, daß es am burgundischen Hof toll zugehe. Aber Maximilian beteuert, daß er nichts zu beichten habe; was er tue, sei vor aller Augen offenkundig. Niemals scheint er sich so völlig im Strudel des Vergnügens verloren zu haben, daß er darüber die Pflicht vernachlässigt hätte, wenn er auch das burgundische Frauenzimmer nicht ganz übersah, das Tag und Nacht geöffnet sei, wie er sagte. Im Frühjahr 1478 folgte ein neuer Waffengang mit Frankreich. Nicht nur im Süden, auch in Holland und Seeland hatte Ludwig XI. den uralten
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
Krieg zwischen den Parteien der H o e k s ( = Angelhaken) und der Kabeljaus ( = Stockfische) wieder entfachen können. Er benützte die Gelegenheit, inzwischen gegen den Hennegau vorzurücken. Maximilian eilte sofort vom Norden an die Südgrenze, um das Land zu schützen. Wieder z o g sich Ludwig X I . durch einen günstigen Waffenstillstand aus der schwierigen Lage, ohne den burgundischen Staat anzuerkennen oder irgendetwas zurückzustellen. Er nannte Maximilian und Maria stets nur „ H e r z o g und Herzogin von Osterreich". Der Waffenstillstand konnte daher nur eine Atempause bedeuten. Damals wurde Maximilian und Maria der erste Sohn geboren (Juni 1478). Der Knabe mußte nackt dem Volk gezeigt werden, weil die Franzosenfreunde das Gerücht verbreiteten, es sei ein Mädchen geboren worden. M a n wählte den Namen Philippus, der in die burgundische Ahnenreihe wies und an den Wohlstand und den Frieden des Landes unter Philipp dem Guten erinnern sollte. 1480 kam eine Tochter zur Welt, die man nach den drei großen Burgunderinnen auf den Namen Margarethe taufte. Ein drittes Kind wurde nach dem H e r z o g der Bretagne Franz genannt, starb aber bald nach der Geburt. Immerhin war die burgundische Dynastie dadurch doppelt gesichert und die Franzosen um eine H o f f n u n g ärmer.
Schlacht bei
Guinegate-Therouanne
Für das Jahr 1479 bereitete Ludwig X I . einen entscheidenden Waffengang vor. Die Lage zwang Maximilian zu hohen Steuerbitten an die niederländischen Landtage, obwohl sie an den Kriegslasten bereits schwer zu tragen hatten. Der Erzherzog selber hatte nicht gezögert, auch einen Teil des burgundischen Hausschatzes zu verpfänden: D a s Silbergeschirr des H o f e s wurde in die Münze geschickt; Familienschmuck, selbst Karls des Kühnen Lehenrock, den er in Trier getragen hatte, wurde versetzt, denn von Kaiser und Reich war keine Hilfe zu erwarten. Im April 1479 eröffnete Ludwig X I . den großen Angriffskrieg an der Südgrenze. Maximilian stellte rasch eine Armee von etwa 20.000 Reisigen und Knechten auf — darunter die ersten deutschen Landsknechte, die er nach seinen Vorstellungen ausbildete, als Ersatz für die Schweizer, die man nicht bekam oder nicht bezahlen konnte. Er führte sie gegen das Städtchen Guinegate-Therouanne, um die Franzosen zum Gottesgericht herauszufordern. D o r t kam es am 7. August 1479 zur Schlacht. N o c h im Weißkunig erinnert sich der König der strahlenden Sonne von Guinegate. An der Vorderfront des Treffens hatte er englische und deutsche Bogenschützen sowie H a kenbüchsen, außerdem leichte Feldgeschütze aufgestellt, um damit die Schlacht zu eröffnen. Im Zentrum erwarteten flandrische und deutsche Knechte den anstürmenden Feind nach Schweizer Art mit ihren langen Spießen. Die flandrischen Bürgergarden und die bäuerlichen Landwehren
Schlacht bei Guinegate-Therouanne
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glühten vor Kampfbereitschaft. Mitten unter ihnen, hoch zu Roß der junge Maximilian mit der Hauptfahne, mit der burgundischen Garde und dem Stab seiner Hauptleute, mit dem er die Schlacht führte. Er verstand es, durch Ansprache und Gebet vor der Schlacht den burgundischen Stolz zu höchster Leidenschaft anzufeuern. Im ersten Zusammenprall wurden die vorgeschobenen deutschen und englischen Schützen und die leichte Feldartillerie von der französischen Reiterei niedergeritten; aber vor dem lanzenstarrenden Wall der Knechte mußten die Reiter abdrehen. Sie stürzten sich auf die burgundische Reiterei, die sie alsbald in die Flucht schlugen und im Eifer weit über das Schlachtfeld hinaus verfolgten. Dabei gerieten sie in das ganz ungeschützte burgundische Lager, wo sie Köche, Troßleute, Weiber und Kinder erschlugen und billige Beute machten, während sie die Hauptschlacht verloren. Als Maximilian seine burgundischen Reiter fliehen sah, ließ er nach „böhmischer und österreichischer Art" — wie er selbst schreibt — seine Troßwagen zum Flankenschutz vorziehen und die Fußtruppen im Schutz dieser Wagenburg weiterkämpfen, wo sie für die französischen Reiter und Knechte unschlagbar waren. Das Beispiel des Erzherzogs, der inmitten seiner Fußknechte ausharrte, als seine Reiter geschlagen waren, begeisterte die Knechte zu äußerstem Einsatz. Wo immer die Franzosen die Wagenburg zu fassen versuchten, wurden sie mit schweren Verlusten abgewiesen. Romont und Nassau warfen die Reste der burgundischen Reiterei in die Schlacht, welche die französischen Reihen durchbrachen und nach stundenlangem Gemetzel bei Anbruch der Nacht das Schlachtfeld besetzten. Die Franzosen hatten Lager und Artillerie zurücklassen müssen. Der „Löwe von Flandern" hatte gesiegt; nationales Selbstbewußtsein erfaßte Volk und Land. Guinegate-Therouanne war die erste große Entscheidungsschlacht des jungen Maximilian. Wenn er auch bei seiner Jugend die Führung mit seinen erfahrenen Hauptleuten — vor allem mit Romont — teilte, so zeigt die Schlacht doch deutlich seinen späteren Führungsstil: kühnen Angriff trotz Unterlegenheit der Kräfte, strategische Phantasie, rasche Reaktion, die sich der wechselnden Lage blitzschnell anpaßte, magische Wirkung auf die Truppe und persönlichen Einsatz. Er war der Sieger, denn er hatte mit seinem Namen Sieg oder Niederlage zu verantworten. Er ließ das Ereignis durch Freudenkundgebungen im ganzen Lande feiern und durch Flugblätter in alle Welt verbreiten. Der Sieg von Guinegate machte ihn mit einem Schlag zum bekannten Feldherrn; den Niederländern erschien er als würdiger Nachfolger ihrer großen Herzoge. Die französische Armee war freilich nicht vernichtet, und Ludwig X I . ließ dem Sieger spöttisch melden, „wenn er schon das Schlachtfeld behauptet habe, so solle er doch Bohnen darauf setzen lassen". Der bleibende Erfolg war wirklich nicht allzu groß. Auch vermochte Maximilian, den Sieg nicht zu nutzen, weil die Landstände bald nach der Schlacht Knechte und Artillerie samt Pferden abzogen, obwohl der Krieg an der Südgrenze weiterging. Die Bauern der Grenzländer litten bittere Not, weil ihre Ernten Jahr für Jahr ent-
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
weder dem Krieg oder französischen Sicheln und Sensen zum Opfer fielen. Die Einfuhr ausländischen Getreides wurde verhindert, denn die französische Flotte sperrte die Küsten Flanderns, Seelands und Hollands; sie kaperte die niederländischen Getreideschiffe und Heringsflotten. Die N o t in Stadt und Land wuchs von T a g zu T a g und damit die Unzufriedenheit und der Geist des Aufruhrs. Der Widerstand vor allem der großen Städte Gent und Brügge gegen Maximilian wurde immer stärker: er habe nichts mitgebracht, nehme alles, was er brauche, aus dem Lande und setze die Gewaltpolitik Karls des Kühnen fort. Obwohl Maximilians Aufwand, verglichen mit jenem der alten Herzoge, eher bescheiden war, gewann man doch den Eindruck der Verschwendung. Zumal die führenden Herren des H o f e s und der Verwaltung, die Maximilian mitgebracht hatte, suchten sich in ihren Stellungen zu bereichern. Französische Agenten verbreiteten das Gerücht, daß die niederländischen Gelder nach Osterreich verschleppt würden. Richtig ist, daß mancher Österreicher in Burgund reich geworden ist.
Der Tod Marias von Burgund D a s Jahr 1480 begann mit neuen französischen Überfällen auf die Südgrenze. Im Norden drohten sich alle Gegner Habsburgs von Holland, Seeland über Utrecht bis Geldern gegen Maximilian zusammenzuschließen, der sich ihrer nur mit äußerster N o t erwehrte. Dort entging er knapp einem Mordanschlag, so daß er seither meist ein Panzerhemd trug; so gefährlich lebte man inmitten unbezahlter Knechte, gedungener Mörder und Giftmischer. Als alle Versuche, eine wirksame Reichshilfe zu erhalten, fehlgeschlagen waren, kam Maximilian ein Freundschaftsbündnis mit England (August 1480) zu Hilfe, das Margarethe von York zustandegebracht hatte. Ludwig X I . mußte sich daraufhin zum Abschluß eines neuen Waffenstillstandes entschließen; aber von einem endgültigen Frieden wollte keine Seite etwas wissen — auch Maximilian nicht, der immer noch auf die Rückgewinnung des gesamten burgundischen Staates hoffte. Er wollte die Engländer zur Eroberung ihrer alten Gebiete in Frankreich, ja zur „Vernichtung" Frankreichs bewegen — eine verstiegene Idee, die ihm nie mehr ganz aus dem Kopf ging. Aber der K ö n i g von Frankreich gebrauchte jede mögliche List, um Maximilian von den Engländern zu trennen: „Ihr blutigen Trottel", schrieb er seinen Gesandten nach England, „die burgundischen Gesandten lügen, lügt ebenso!" Von Ludwig XI., dem unübertrefflichen Meister der Verschlagenheit, konnte Maximilian während des niederländischen Krieges manchen weniger schönen Kunstgriff lernen. Im nächsten Jahr (1481) sah sich Maximilian gezwungen, mit zwei Flottillen vor Dortrecht, Rotterdam und Leyden zu erscheinen, um Holland zu unterwerfen. Die Häupter der H o e k s verloren ihre Güter; wenn sie nicht
Der Tod Marias von Burgund
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außer Landes flüchten konnten, wurden sie dem Henker übergeben. Als Maximilian auch Geldern unterworfen glaubte, feierte er den Frieden, der keinen Frieden brachte, mit Festlichkeiten und Turnieren. Dieses Jahr war besonders erfolgreich gewesen. Ludwig XI. war schwer erkrankt und sein Tod bald zu erwarten, was der burgundischen Politik neue Möglichkeiten zu eröffnen schien. Man Schloß bereits ein enges Bündnis mit der Bretagne, um Frankreich nach dem Tod des Königs zusammen mit England in die Zange zu nehmen und dort einen Umsturz herbeizuführen. Da stellte der tragische Tod Marias von Burgund alles in Frage. Ludwig XI. sei auf die Nachricht von diesem Ereignis vor Freude von seinem Krankenlager aufgesprungen, berichtet Commines. Dieser schwere Schicksalsschlag vernichtete nicht nur das junge Familienglück, sondern auch das eben gewonnene Gleichgewicht des burgundischen Staates. Herzogin Maria war aus Brügge zur Reiherbeize ausgeritten und hatte mit ihrem Pferd einen Graben übersprungen, wobei vermutlich der Sattelgurt riß, so daß sie gegen einen Baumstrunk stürzte. Die inneren Verletzungen — die Herzogin war offenbar schwanger gewesen — führten innerhalb von drei qualvollen Wochen zum Tode (27. M ä r z 1482). Sie hatte ihre Kinder als Erben eingesetzt, ihren Gemahl aber zu deren Vormund bestellt und ihm die Regentschaft bis zur Volljährigkeit des Sohnes übertragen. Ritter des Goldenen Vlieses wurden an ihr Sterbelager gerufen und auf dieses Testament verpflichtet. Vergebens, wie sich zeigen sollte. Mit einem Leichengepränge, „wie es die Welt bis dahin nicht gesehen", wurde die Herzogin von Burgund zu Grabe geleitet. Nie, solange er lebe, werde er dieses traute Weib vergessen, soll Maximilian gesagt haben. In zahlreichen Bildern und Dichtungen ließ er die Erinnerung an Maria festhalten. Die Legende erzählt, daß ihm Abt Trithemius von Sponheim auf seine Bitte die Gemahlin einmal habe aus dem Jenseits beschwören müssen.
Fortgang
des
Krieges
Kaum war die „natürliche Erbherrin" beigesetzt, forderten die niederländischen Stände die Regentschaft über ihren Erbprinzen; zwar bestätigten sie Maximilian eine nominelle Vormundschaft, gaben ihm aber zu verstehen, er solle nach Osterreich zurückkehren. Wieder schürte Ludwig XI. den Aufstand im Süden und im Norden der Niederlande. Wie im Jahre 1477 rissen die Genter die Führung des Widerstandes an sich; sie wünschten Frieden um jeden Preis und drängten auf eine Heiratsverbindung der Prinzessin Margarethe mit dem Dauphin und zeigten sich bereit, dafür sogar auf das Herzogtum Burgund, auf Artois, Picardie und andere Gebiete zugunsten Frankreichs endgültig zu verzichten. Auf einem Ständetag zu Alost wurden über den Kopf Maximilians hinweg Friedens- und Heiratsverhandlungen mit Frankreich beschlossen, die bereits am 23. Dezember 1482 im Vertrag zu Arras festgeschrieben wurden, der dem
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
König von Frankreich die kleine Margarethe und die schönsten Teile der südlichen Niederlande auslieferte. Margarethe sollte sofort nach Frankreich gebracht und dort erzogen werden, während Philipp in der Vormundschaft der Stände zu bleiben hatte. Maximilian betrachtete diesen Vertrag als schwere Niederlage. Unter dem Titel der Mitgift war ein schöner Teil des burgundischen Erbes verloren. Bis ins nächste Jahr weigerte er sich, den „Schandvertrag" zu unterzeichnen, mußte sich aber schließlich beugen, da die Genter seinen Sohn in der Hand hatten. Erzherzogin Margarethe wurde im Triumph nach Frankreich gebracht und mit dem Dauphin verlobt. Niemand konnte angesichts der großen Festlichkeiten ahnen, welch beschämenden Ausgang dieses Verlöbnis nehmen werde. Philipp wurde von den Gentern zurückbehalten. Der unglückliche Vater sei sich vorgekommen wie der heilige Eustachius, dem ein Wolf seinen Sohn und ein Löwe seine Tochter geraubt habe, schreibt Olivier de la Marche. Da ließ sich Maximilian zu einem Akt der Rache hinreißen, der die Lage weiter verschärfte. Uberraschend befahl er, seine Gegner in Mecheln, Löwen, Brüssel und Antwerpen zu verhaften. Die Ständehäupter wurden vor Gericht gestellt und einige von ihnen — darunter der Bürgermeister von Antwerpen — enthauptet. Diese Gewalttat gab den Anstoß zum allgemeinen Aufstand, der von Gent angeführt wurde. Man erhob die heftigsten Anklagen gegen den Fürsten: er führe unnütze Kriege, und seine Deutschen verschleppten das niederländische Geld ins Ausland; während die Deutschen zu Ehren, Geld und Amtern kämen, müßten die Niederländer ihre Knechte sein. Der fürchterliche Krieg, der seit den Zeiten Karls des Kühnen nie aufgehört hatte, erfuhr eine neue Steigerung. Allenthalben schlugen die Flammen wieder aus der Asche: in Utrecht, Geldern, Lüttich, Namur, in Holland und Seeland brannte es lichterloh. Es war ein Krieg aller gegen alle, ohne feste Fronten, ohne sichere Bundesgenossen, Krieg zu Lande und Kaperkrieg zur See. Man kämpfte auf beiden Seiten mit wilder Grausamkeit, vernichtete sich gegenseitig die Ernten, raubte das Vieh und erschlug die Bauern. Die Hoeks von Utrecht hatten ihren Bischof, einen Bastard des burgundischen Hauses und Anhänger Maximilians, vertrieben. Der König führte persönlich den Feldzug gegen die rebellische Stadt. Erst nach zweimonatiger Belagerung, nachdem man die Stadt mit schwerem Geschütz sturmreif geschossen hatte, erschien der Stadtrat, barfuß, mit Stricken um den Hals im Lager und bat kniefällig um Gnade (September 1483). Maximilian ließ die Mauern schleifen und in der Stadt eine Zwingburg errichten. Städtische Sonderrechte blieben ihm zeitlebens widerwärtig. Krieg mit Gent und
Brügge
Ungebrochen war immer noch der Widerstand der großen flandrischen Städte Gent, Brügge und Ypern, die im Sommer 1484 den offenen Krieg be-
Das Strafgericht in Gent (1485): in der Mitte die Enthauptung der Schuldigen, rechts die bittflehende Bürgerschaft, links die siegreichen Landsknechte unter der burgundischen Andreas-Fahne. Auf dem Hügel im Hintergrund die Richtstätte mit Rad und Galgen. Holzschnitt von L. Beck aus dem Weißkunig.
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
gannen. Mit tollkühnem Überraschungsschlag nahm Maximilian die Stadt Dendermonde (November 1484). Kriegsknechte, die als flüchtige Mönche und Nonnen verkleidet, auf einem Heuwagen in die Stadt fuhren, besetzten ein Tor, während Maximilian aus dem Hinterhalt einige hundert Reiter durch das offene T o r auf den Marktplatz führte, wo er sich den überraschten Bürgern zu erkennen gab und die Stadt besetzte. Ebenso eroberte er die Stadt Oudenaarde (Januar 1485) und wies einen Vorstoß der Flamen gegen Brüssel zurück. Landesnot, Aufgebot und Werbungen hatten dem König viele Truppen zugeführt — darunter zahlreiche deutsche Landsknechte, so daß er über die größte Armee verfügte, die ihm in den Niederlanden jemals zu Gebote stand. D a sich die Flandrer erschreckt zurückzogen, schickten die Franzosen Verstärkungen; sie gaben vor, die Rechte des Erbprinzen Philipp gegen den Vater zu verteidigen. Bei Gent, dem Mittelpunkt des Widerstandes, sollte die Entscheidung fallen. Als Meister der Kriegslist hatte Maximilian einen Hinterhalt, wohlversteckt, vor das Stadttor gelegt und hierauf vor den Augen der Genter die Umgebung verwüsten, ihre Landhäuser und Windmühlen anzünden lassen, so daß der dicke Rauch den Anmarsch seiner Truppen verdeckte. Als die Genter aus der Stadt stürmten, um die Brandstifter vor den Toren zu vertreiben, fielen die Herzogsleute aus dem Hinterhalt den Bürgern in den Rücken, so daß sie sich mit größten Verlusten zum Stadttor durchschlagen mußten und nur mit Mühe verhindern konnten, daß die Feinde in die Stadt eindrangen. In höchster Not hatte die Torwache das Schußgatter über die kämpfenden Haufen niedersausen lassen; die Bürger, welche draußen kämpften, wurden niedergemacht oder gefangengenommen. Fast wäre Maximilian die ganze Stadt in die Hände gefallen. Die Friedenspartei, Kaufleute und Reeder, gewannen nun die Oberhand, wiesen die französische Besatzung aus und suchten den Frieden. Maximilian führte seine Knechte nun gegen Brügge. Zugleich rüstete er in Antwerpen eine Flotte von hundert Schiffen aus, um Sluis, den Hafen von Brügge, anzugreifen und dem flandrischen Kaperkrieg ein Ende zu bereiten. Auch die Kaufleute von Brügge, über die Seesperre, den Verlust ihrer Schiffe und Waren und nicht minder um Ruhe und Ordnung besorgt, drängten — ähnlich wie die Genter — energisch zum Frieden und öffneten Maximilian die Tore. Die Stadt huldigte und erhielt ihre Privilegien bestätigt. Die Rebellen aber wurden hart bestraft. Inzwischen hatte auch in Gent die Friedenspartei in stürmischen Ratssitzungen die Oberhand über die Kriegshetzer gewonnen: sie wurden gefangengesetzt, vor Gericht gestellt und enthauptet. Die neue Stadtregierung Schloß mit Maximilian Frieden (Juni 1485), anerkannte ihn als Vormund seines Sohnes und stellte den Prinzen dem Vater zurück. Sie hatten die ungeheure Summe von 350.000 Talern Kriegsentschädigung zu zahlen. Ein zweiter Aufstand machte die Lage für die Stadt noch schwieriger, die Bedingungen härter und die Strafen schärfer.
Krieg mit Gent und Brügge
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Als Maximilian in die unterworfene Stadt einzog, marschierte er mit geschultertem Spieß an der Spitze seiner deutschen Landsknechte, um dieser neuen Truppe seine besondere Anerkennung zu erweisen. Die „neue Ordnung" der Landsknechte, wie sie sich in den niederländischen Kriegen allmählich ausbildete, wurde hier zum ersten Mal in der Parade vorgeführt, und der gemeine Fußknecht als Hauptträger des Krieges neben dem adeligen Ritter ausgezeichnet. Was keinem Grafen von Flandern bisher glückte, war Maximilian gelungen: das übermächtige Gent war niedergeworfen, der Sohn zurückgewonnen, und Maximilian als Vormund und Regent der Niederlande anerkannt. Fast auf den Tag genau, als Maximilian siegreich in Gent eingezogen war, hatte König Matthias Corvinus von Ungarn Wien besetzt. Kaiser Friedrich III. zog seither landflüchtig und hilfesuchend durch das Reich und richtete seine ganze Hoffnung auf seinen siegreichen Sohn; dies taten auch viele Reichsstände, die dem alten Kaiser, der seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen schien, den Sohn zur Seite stellen wollten; er würde den Reichskrieg gegen Ungarn wohl mit eigenen Mitteln führen können, ohne das Reich allzusehr zu belasten, hofften sie. Maximilian, auf einem Höhepunkt seines Erfolges, folgte dem Ruf des Vaters und der Reichsfürsten sehr gern, die seine Königswahl im Reiche vorbereiteten und durchführten. Aber nach den glänzenden Wahl- und Krönungsveranstaltungen in Frankfurt und Aachen warteten die österreichischen Länder vergebens auf die Hilfe des Reiches und des jungen Königs. Zur allgemeinen Überraschung kehrte Maximilian wieder in die Niederlande zurück, die noch lange nicht befriedet waren; er war zutiefst überzeugt und blieb es sein Leben lang, daß die großen Entscheidungen für sein Haus im Westen fallen mußten; nicht daß er den Osten unterschätzt hätte, er hielt ihn nur — trotz der Türken — für weit weniger gefährlich als Frankreich. Wohl um den Vater von seinen Verlusten abzulenken, nahm er ihn in die Niederlande mit, wo man den Kaiser mit so großen Ehren empfing, daß ihm angesichts des Reichtums dieses Landes die Augen übergingen. Maximilian versuchte den Vater offenbar zu überzeugen, daß erst die Niederlande befriedet werden mußten, ehe man sich gegen Ungarn wenden könne. Die Rückkehr in die Niederlande wurde umso dringender, als der König von Frankreich sich mit Matthias Corvinus und dem neuen König von England aus dem Haus Tudor verbündete, um einen neuen großen Krieg gegen Habsburg zu beginnen. Maximilian Schloß dagegen ein Bündnis mit der freien Bretagne und mit dem innerfranzösischen Widerstand der großen Kronvasallen, die sich gegen die Politik Ludwigs XI. erhoben. Neue Kriege folgten. Wieder brauchte Maximilian die niederländischen Stände und ihre Steuerhilfe, was den allgemeinen Unmut reizte; wieder war er genötigt, die Schätze seiner Kunstkammern zu veräußern, darunter die berühmte goldene Lilie. Die Lage wurde noch schwieriger durch die Niederlage der Herzogsleute bei Bethune (Juli 1487), wo die Burgunder in einen tiefgestaffelten französischen Hinterhalt gerieten; die Blüte des niederländischen Adels fiel oder
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
wurde gefangen — unter ihnen Karl von Egmont, den die Franzosen alsbald als Prätendenten von Geldern gegen Maximilian ins Feld schickten. Eine Wunde war damit aufgerissen, welche die Habsburger in vielen Jahrzehnten nicht heilen konnten.
Gefangenschaft in Brügge Als die Flamen wieder die „Hörner der Rebellion" erhoben, schienen für Maximilian alle Erfolge in Frage gestellt. In Gent und Brügge rissen wiederum die unteren Stände die Stadtherrschaft an sich, beschwerten sich über die fremden Kriegsvölker, über die Einquartierungen, über die fremden Beamten und über den Steuerdruck. Man forderte Frieden mit Frankreich. Die alten Herzoge hätten in ihrem ganzen Leben nicht so viel Geld verschleudert wie Maximilian in wenigen Jahren. Sie forderten Rechenschaft, wohin das viele Geld gekommen sei; die deutschen und burgundischen Beamten würden reich, das Land hingegen immer ärmer. Gent Schloß sich in aller Form dem König von Frankreich an, der den Bürgern die Stellung einer unabhängigen Stadtrepublik unter dem Schutz Frankreichs einräumte und Maximilian seiner Herrschaftsrechte über Flandern entsetzte. Maximilian war Ende 1487 mit 500 Reitern in die ebenfalls unruhige Stadt Brügge eingezogen. Er wollte den flandrischen Löwen an der Mähne fassen und ihm, wenn nötig, das Genick brechen. Er fand die Stadt zunächst völlig ruhig und schickte daher den größten Teil seiner Truppen gegen die Rebellen nach Gent. Wahrscheinlich hatten die Genter Verschwörer die Bürger von Brügge auf den dreisten Gedanken gebracht, den König überraschend zu verhaften. So erwartete Maximilian in Brügge eines der merkwürdigsten Abenteuer seines an Abenteuern wahrhaftig nicht armen Lebens. Vergebens hatte Kunz von der Rosen, sein „lustiger Rat", Maximilian vor der Falschheit der Bürger gewarnt. Als der König mit seinen Landsknechten die Stadt verlassen wollte, um den Krieg gegen Gent zu eröffnen, sammelten sich die Zünfte bewaffnet auf dem großen Marktplatz und besetzten alle Stadttore, welche sie „bis zum letzten Blutstropfen" verteidigen wollten. Maximilian erschien auf dem Marktplatz, um mit den Bürgern gütlich zu verhandeln; sie aber schrieen ihn trotzig nieder. Als die deutschen Landsknechte gegen die drohende Menge die Spieße fällten, stob sie zunächst auseinander und rief um Hilfe. Obwohl nichts geschehen war, schlug man die Sturmglocken. Alles eilte zu den Waffen. Man errichtete auf dem Marktplatz eine Wagenburg und sicherte sich nach allen Seiten mit schweren Geschützen. Man stürmte die Häuser der Parteigänger des Königs und plünderte sie völlig aus. Man verhaftete die Stadtbeamten und wählte einen neuen Stadtrat, der die Auslieferung der Finanzbeamten forderte. Während die Landsknechte entwaffnet wurden, mußte eine Bürgergarde zur Bewachung des Königs in das Schloß eingelassen werden. Damit war der Maximilian ein Gefangener der Bürgerschaft.
Gefangenschaft in Brügge
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Als er noch einmal auf dem Marktplatz mit den Bürgern verhandelte, forderte man vom ihm die Köpfe der hauptschuldigen Hofbeamten und überführte ihn mit ganz kleiner Begleitung in die sogenannte Kranenburg in sichere Haft. Hier begann Anfang Februar 1488 Maximilians Gefangenschaft, die bis Mitte Mai — lange 16 Wochen — dauern sollte. Man forderte vom König dringend Rechenschaft über die Finanzwirtschaft der letzten Jahre, Bestrafung der schuldigen Beamten, Frieden mit Frankreich, Verzicht auf die Regentschaft und die sofortige Entfernung aller Ausländer aus den Ämtern. Wenige Tage später trafen einige hundert Genter in Brügge ein, die den Aufstand auf die Spitze trieben — unter ihnen der blutrünstige Schuster Coppenhole, der das Genter Stadtregiment an sich gerissen hatte. Als das Gerücht laut wurde, das Hofgesinde versuche, den König zu befreien, wurde er in der Kranenburg wie in einem Käfig eingesperrt. Man machte ihm Katzenmusik und trieb allerlei Unfug unter seinen Fenstern. Die Wachen durften sich erlauben, was sie wollten: ein Armbrustschütze am gegenüberliegenden Fenster machte sich einen Spaß daraus, auf den König anzulegen; er mußte auf das Äußerste, selbst auf Gift, gefaßt sein. Man beraubte ihn seiner letzten Begleiter, die man in andere Gefängnisse überführte. Unaufhörlich bedrängten ihn die Rebellen, auf die Regentschaft zu verzichten und das Land zu verlassen, was Maximilian beharrlich zurückwies. Mitte Februar errichteten die Rebellen auf dem Hauptmarkt unter den Fenstern der Kranenburg vor den Augen des Königs ein Schaugerüst mit Streckbank, Stock und Galgen und ließen einige verhaftete Räte öffentlich foltern. Ganz unschuldig waren sie gewiß nicht, aber man ließ sie doppelt und dreifach sterben und preßte ihnen die wunderlichsten Geständnisse ab, so daß sie vor Qualen um die Gnade des Todes baten. Zehn von ihnen wurden enthauptet, andere nach Gent überführt, wo sie das Ärgste zu erwarten hatten, denn dort feierte die Blutherrschaft ihre schlimmsten Orgien und die Scharfrichter kamen durch Wochen nicht mehr zur Ruhe. Der König mußte die Torturen und Hinrichtungen der Seinigen durch das vergitterte Fenster der Kranenburg mitansehen. Selbst die armen Landsknechte aus der königlichen Begleitung holte man aus ihren Verstecken, hetzte sie durch die Straßen und schlug viele mutwillig zu Tode. Mitte März verbrachte man den König in ein Haus nächst der St. Jakobs-Kirche, das mit Gittern von allen Seiten wohl gesichert war. Er mußte sich auf das Äußerste gefaßt machen, denn hinter seinen Kerkermeistern stand der König von Frankreich. Maximilian verlor während dieser furchtbaren Wochen weder Mut noch Würde; immerfort suchte er, mit der Außenwelt geheime Verbindung zu halten und, soweit dies seine Lage zuließ, seine Rechte zu verteidigen. Er hielt den Gewalttätern die möglichen Folgen ihrer Verbrechen gegen den gesalbten Römischen König vor Augen und warnte sie, sich an seiner Person zu vergreifen oder ihn den Franzosen auszuliefern, denn das Haus Osterreich sei noch immer mächtig genug, ihn zu rächen. In diesen Wochen versuchte der treue Kunz von der Rosen, seinen
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
Herrn zu befreien, indem er sich in einer Franziskanerkutte, mit geschorener Platte als Beichtvater bei Maximilian einschlich, um ihn zu scheren und mit geschorenem Kopf, in der Mönchskutte hinauszuschmuggeln: „Die Brüggelingen sollen einen Narren haben, und der König wird ihnen entwischt sein." Ein guter Plan, aber Maximilian lehnte ab; er hoffte, auf andere Weise freizukommen, denn der Wüstungskrieg seiner Parteigänger brandete bereits an die Stadtmauern von Brügge.
Reichsfeldzug gegen Brügge und Gent
Indes begann sich der Widerstand gegen Brügge und für die Befreiung des Königs allmählich zu sammeln. Die Generalstände der treuen Länder traten in Mecheln zusammen, wandten sich an Papst und Kaiser um Hilfe und gingen zum Gegenangriff über. Die gesamte christliche Welt entsetzte sich über das Verbrechen von Brügge. Der Kaiser hatte inzwischen das Reich aufgeboten; der Papst drohte mit dem Kirchenbann; auch die Könige von England, Spanien und Portugal drohten den Rebellen. Was noch mehr wirkte: die großen Handelsgesellschaften verließen Gent und Brügge und zogen sich mit ihren Geschäften nach Antwerpen zurück. Als der 73jährige Kaiser mit dem Reichsheer in den Niederlanden erschien, fanden sich die Rebellen nach wochenlangen Verhandlungen zu einem Vergleich bereit, der allerdings die Wiederherstellung der landständischen Freiheiten und die Entmachtung des Herzogs zum Ziele hatte. Der gefangene König gab unter dem Druck seiner Lage nach, verzichtete auf die Regentschaft und versprach, die fremden Kriegsvölker aus dem Lande abzuziehen, mit Frankreich Frieden zu schließen, und unterzeichnete den Vertrag von Brügge (Mai 1488). Als er die unfreundliche Stadt verließ, deutete er an, daß er vielleicht die strafende Hand des Kaisers nicht werde zurückhalten können, was er offenbar von vornherein gewußt hatte. Der Frevel der Gefangennahme eines Königs war nach dem Gefühl der Zeit nicht so leicht abzuwaschen und ein Majestätsverbrechen nicht so einfach aus der Welt zu schaffen. Der erzürnte Kaiser dachte nicht daran, sich an den Vertrag von Brügge zu halten. Ein Fürstengericht zu Löwen erklärte, Maximilians Eid sei erzwungen und deshalb nichtig, weil er dem Reichsrecht und dem Krönungseid widerspreche. Daraus dem König den Vorwurf besonderer Ehrlosigkeit zu machen, geht wohl zu weit. Maximilian verließ den Kriegsschauplatz in Flandern, um den Vertrag, soweit es an ihm persönlich lag, zu halten. Das Reichsheer rückte zunächst gegen Gent und Brügge, ohne viel auszurichten. Aber das flache Land wurde völlig verwüstet, die Dörfer ausgeplündert, niedergebrannt und die Bauern erschlagen. Die flandrischen Städte, Teile von Brabant, Holland und Seeland schlossen sich erneut zum Widerstand zusammen. Von Sluis, dem Seehafen von Brügge, aus wurde Land- und Seekrieg gegen Herzog, Kaiser und Reich geführt. Nur wenige Städte und
Maximilians Gefangenschaft in der Kranenburg zu Brügge (1488). Am Fenster im Hintergrund der gefangene König, der die Folterung und Enthauptung seiner Beamten und Landsknechte mitansehen muß. Kolorierte Federzeichnung des „Historia-Meisters
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Burgundische Heirat. Maximilians burgundisches Erlebnis
Länder hielten Maximilian die Treue. Die Rückschläge waren so schwer, daß er Gefahr lief, alles zu verlieren. Bei Amsterdam geriet Maximilian auf der Überfahrt über die stürmische Nordsee in äußerste Seenot (Januar 1489); nur einem Wunder und den frommen Stiftungen seines treuen Florian Waldauf glaubte er, sein Leben zu verdanken. Nachdem er die Lage durch ein neues Kriegsbündnis mit England, Bretagne und Spanien gesichert hielt, übergab er die Kriegführung Albrecht von Sachsen und eilte selber auf den Frankfurter Reichstag, um Kriegshilfe zu erwirken und einen Frieden mit dem Hauptfeind — Frankreich — vorzubereiten, was schließlich gelang (Juli 1489). Die aufständischen Niederländer gaben indessen noch lange nicht auf und führten ihren Krieg, obwohl von Frankreich verlassen, noch durch vier volle Jahre weiter, bis die Kriegsfurie allmählich an ihren eigenen Verwüstungen, Hungersnöten, Seuchen und an der allgemeinen Erschöpfung verendete. Albrecht von Sachsen machte dem Krieg mit harten Schlägen ein Ende. Mit der Unterwerfung von Gent war der ständische Widerstand ins Herz getroffen, der burgundische Gesamtstaat, das Erbe der alten Herzoge, gesichert. Nachdem auch Sluis, das Nest des Kaperkrieges, gefallen war, konnte der Erbfolgekrieg als gewonnen gelten. Herzog Albrecht wollte zu diesem Krieg etwa 300.000 Gulden an eigenen Mitteln zugesetzt haben; diese sogenannten Sachsenschulden waren noch zu Zeiten Kaiser Karls V. nicht ganz bezahlt. Die Folgen dieses 15jährigen Erbfolgekrieges, eines Wüstungskrieges zu Land und eines Kaperkrieges zur See, waren für die Niederlande fürchterlich. Als man endlich Frieden Schloß, waren die Dörfer ausgeplündert, verbrannt, die Bauern erschlagen oder geflüchtet, die Felder unbebaut, die Wälder abgeholzt, das Land weithin ein Revier für Raubzeug und Wölfe. Der städtische Wohlstand war durch den Krieg verzehrt, die Währung abgewertet, die Manufakturen, Handel und Wandel zerstört. Hungrige Bauern und verarmte Städter durchzogen als „Brot- und Käsevolk" bettelnd und plündernd das Land. Hier nahmen die Bauernkriege und sozialen Unruhen des folgenden Jahrhunderts ihren Ausgang. Die Schuld an dieser Katastrophe wiesen die Niederländer allzu einseitig Maximilian zu, aber schuldlos war er keineswegs. Es fällt auf, daß fast alle, die Maximilian in die Niederlande begleitet hatten, als reiche Leute zurückkehrten. Selbst das Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies fand den König nicht ohne Schuld. Nachdem es zunächst mit den Verrätern aus den eigenen Reihen abgerechnet hatte, die zum Feind übergelaufen waren und ihren Ordenssouverän verraten hatten, tadelte es auch den König, daß er zuviel Geld und Gut an Leute verschwendet habe, die es nicht verdienten, und daß er Verbrechen — sogar gegen treue Diener — ungesühnt gelassen habe. Allen Widerständen zum Trotz hatte Maximilian die schwere Aufgabe lösen und den angeheirateten burgundischen Staat seinem Haus erhalten können. Er hatte dem Ausdehnungsstreben König Ludwigs XI. Grenzen gesetzt und die Rebellion der niederländischen Stände niedergeworfen. Maxi-
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milian hatte Österreich in jenes weltgeschichtliche Mächtebündnis eingeführt, das die Größe des Hauses Habsburg begründen sollte.
Das burgundische
Erlebnis
Die burgundischen Erlebnisse wiesen Maximilian die Richtung für das ganze weitere Leben. E r kehrte als ganzer Burgunder ins Reich zurück. Burgund hatte ihm eine ganz neue politische, soziale und kulturelle Welt eröffnet. Aus der Armut Innerösterreichs war er in die überspannte ritterlichhöfische Welt, in die märchenhafte Pracht des burgundischen Hofes übersiedelt, die sich mit dem kaufmännischen Realismus der niederländischen Geschäftswelt auf das eigenartigste mischte. Man hat vom burgundischen IdeoRealismus gesprochen. Dieses Schweben zwischen Idee und Wirklichkeit wurde zur Weltschau Maximilians. D e m jungen Mann blieb nichts geschenkt. Während des fünfzehnjährigen Erbfolgekrieges hatte er den angeheirateten Staat gegen einen der mächtigsten und verschlagensten Feinde, gegen König Ludwig X I . , zu verteidigen. E r blieb überzeugt, daß nur ein Sieg über die französische Großmacht die europäische Vorherrschaft des Kaisers sichern könne. Außerdem galt es, größte innere Schwierigkeiten, Aufstände der eigenen Untertanen, Verrat und Abfall selbst der Ritter des Goldenen Vlieses, den Raub seiner Kinder, die Gefangenschaft in Brügge, endlose Strapazen und Kriege zu überstehen. Maximilian lernte in diesen Jahren, seine Hausmacht, das Reich, Europa, die Christenheit, ja, das ganze Leben mit den Augen des Burgunders zu betrachten. Burgundische Weltanschauung und Lebenskultur, burgundisches Bündnisdenken, burgundische Regierungs- und Verwaltungsformen und vor allem burgundischer „Militarismus" beherrschten fortan die politischen Planungen des Königs. Wenn man Molinets Hymnen auf die Kaiserherrlichkeit nachliest, eine Reichsidee, die in den deutschen Ländern längst nicht mehr so lebendig war, so könnte man denken, daß sich auch das hohe Reichsbewußtsein Maximilians, das sich nach karolingischen und staufischen Vorbildern richtete, in Burgund neu entzündet habe. Burgund hatte seit dem Hundertjährigen Krieg ein ganz eigenes Bündnissystem entwickelt, das fast ausschließlich gegen Frankreich — gegen die feindlichen Vettern aus dem Haus Valois — gerichtet war. Als nächste Bundesgenossen boten sich England, die Bretagne, die sich gegen ihre Einverleibung in den französischen Einheitsstaat zu erwehren suchte, außerdem die jungen spanischen Königreiche und die italienischen Nachbarn ganz natürlich an. Damit schien der Kreis um Frankreich geschlossen. V o m Reich dagegen durfte sich Maximilian aus bekannten Gründen nur wenig Hilfe erwarten. In der westlichen Staatenwelt schien sich für ihn das Schicksal seines Hauses, des Reiches und Europas zu entscheiden. Blieb man im Westen erfolgreich, würden sich die Schwierigkeiten im Osten von selber lösen: ein Grundsatz der habsburgischen Außenpolitik durch viele Jahrhunderte.
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Burgund wurde für Maximilian der eigentliche Lehrmeister des Krieges. Hier gab es eine zahlreiche kriegslustige Ritterschaft, ein stets schlagkräftiges Lehensaufgebot, das im Dienst der Ehre und des Kriegsgewinns beschäftigt sein wollte und den militärischen Charakter des jungen Staates prägte. M a n könnte von einem burgundischen „Militarismus" reden, weil die „milites", der waffentragende Adel, sowohl die Politik wie die Kultur dieses Landes prägten, wofür eine hochentwickelte Wirtschaft das nötige Geld aufzubringen hatte. Der H e r z o g unterhielt stehende Ordonnanz-Kompanien nach französischem Vorbild, besaß die beste Artillerie und stellte die neuen Landsknechte auf. Die burgundische Staatsidee wirkte an einem Großreich von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Schon Karl der Kühne soll gesagt haben, der liebe Gott habe diese Welt, um die er sich nicht kümmere, den Herzogen von Burgund überlassen. Nun stand für Maximilian Kaisertum und Universalreich in naher Aussicht. Der lange Erbfolgekrieg hatte ihm die Uberzeugung beigebracht, daß sich die Welt im Wesen durch den Krieg gestalte. Auch die Wirtschaft der Niederlande stand ganz im Dienst des Krieges und eröffnete Maximilian neue Möglichkeiten; er lernte die reichen Geldquellen dieser Länder für seine Kammer nutzen. Die großen Hilfsmittel Burgunds gaben all seinen Planungen von Anfang an etwas Großzügiges, „Phantastisches", so daß er mit den weit knapperen Geldmitteln seiner österreichischen Länder später kein Auslangen mehr finden konnte. Als Maximilian die Niederlande verließ, war er ein erfahrener Feldherr. Er hatte Feldzüge zu Land und Kaperkriege zur See geführt, Entscheidungsschlachten und Belagerungen geplant und immer wieder das Gottesgericht des Krieges herausgefordert. Coeur d'acier, H e r z aus Stahl, nennt ihn der burgundische Chronist Olivier de la Marche. Er war gewohnt, alle Probleme vom Krieg her zu sehen. Seine niederländischen Kriegserlebnisse verglich er gern mit Caesars Gallischem Krieg und ließ sie später nach eigenen Diktaten aufzeichnen. Freilich reichten auch die großen Mittel der Niederlande für seinen gewaltigen Kriegsaufwand nicht aus, so daß er schon dort lernen mußte, sich mit unzureichenden Mitteln durchzuschlagen. Bleibende Eindrücke vermittelte ihm die burgundische Hofkultur mit ihren hohen Lebensformen. Schon die Hochzeitsfeierlichkeiten, die joyeuse entree und die Erbhuldigungen mögen den Prinzen tief beeindruckt haben. Was gab es in Burgund für reiche Städte, Residenzen und Jagdreviere! In vielen Schlössern unterhielt man Wildparkanlagen und Zwinger mit Löwen, Bären, Kamelen und Elephanten; Käfige mit den seltensten Vögeln, ein zahlreiches Jagdgesinde mit Hunden und Falken. Nächst dem Krieg und der J a g d kam das Turnier den Neigungen des jungen Fürsten am meisten entgegen. Kein Fest ohne große Ritterspiele. T a gelang wurden Ausscheidungskämpfe geführt, denen der Schlußkampf folgte, um den Besten zu finden. Es gab Massengefechte, welche die Wirklichkeit des Krieges vortäuschen sollten, wie denn das Turnier überhaupt als ständige Übung für den Krieg angesehen wurde. Maximilian zeigte sich als
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Meister in der Erfindung immer neuer Kampfesarten. E r selber war ein gefürchteter Turnierkämpfer, der mehr als einen Gegner zu Tode rannte. Der Krieg war für ihn ein großes Turnier zur Verteilung der Welt. Nicht nur den König von Frankreich, sondern auch den Sultan fordert er anstatt eines Krieges zum ritterlichen Zweikampf heraus, denn die Könige sollen es sich untereinander ausmachen und nicht ihre Völker auf die Schlachtbank führen. Offenbar hat auch die burgundische Ritterdichtung mit ihren allegorischen Verkleidungen, mit ihrer Überhöhung der Wirklichkeit stark auf ihn eingewirkt, wie dies den autobiographischen Romanen, dem Freydal, dem Theuerdank und dem Weißkunig zu entnehmen ist, in denen sich der König die Spannungen zwischen Idee und Wirklichkeit von der Seele schrieb. Die burgundische Bibliothek bot ihm reiche literarische Vorbilder. Es ist nicht zu bezweifeln, daß sich Maximilian mit der Bibliothek, ihren religiösen, historischen, genealogischen und politischen Werken, aber auch mit den hauswirtschaftlichen Handbüchern gründlich beschäftigte, wobei er das schön ausgestattete Buch stets besonders liebte. Die graphischen und literarischen Werke seiner späteren Jahre wären ohne das burgundische Vorbild kaum denkbar. In Burgund gewöhnte sich Maximilian an den regelmäßigen Umgang mit Künstlern und Malern. Mit Vorliebe beschäftigte er Porträtisten, Buchmaler, Graphiker, aber auch Literaten, die seinen Diktaten die letzte Form gaben, womit er seine Lebenswerke in W o r t und Bild unter das Volk zu bringen wünschte. Gerade die höfische Kunst offenbart jenen Ideo-Realismus, jenes phantasievolle Schweben zwischen Idee und Wirklichkeit, das auch die Lebenshaltung Maximilians, seine Politik, ja selbst seine Kriegführung kennzeichnet. Dies war die eigentliche Mitgift seiner zweiten Heimat. Die Briefe an Prüschenk offenbaren den überwältigenden Eindruck, den die burgundische Welt auf Maximilian ausübte. Nichts ließ sich mit der Pracht der burgundischen Residenzen vergleichen. Kein Einrichtungsstück, das nicht Reichtum und feinstes Kunsthandwerk verriet. An der Sonne dieses Hofes gewann die Kunst einen Glanz, den sie sonst nur in Italien hatte. Dabei war der burgundische H o f — besonders während der Kriegsjahre — in beständiger Wanderschaft. In zahllosen Wagen wurden Einrichtungen, Tapisserien, Gold- und Silbergeschirr mitgeführt. Maximilian gewöhnte sich an die Wanderschaft des Hofes, die dem Zwang des Krieges, der Leidenschaft wochenlanger Jagden in verschiedenen Revieren und den Wünschen seiner vielen Länder entsprach, den H o f zeitweilig bei sich zu haben. Auch als Kaiser besaß Maximilian keine feste Residenz, zog durch die Länder und regierte aus dem Sattel seines Pferdes. Man wird vom burgundischen H o f nicht sprechen können, ohne den Orden vom Goldenen Vlies zu erwähnen, eine politisch-religiöse Gemeinschaft von größter Bedeutung. Man mußte vor aller Welt durch Tapferkeit, Ehre und Ansehen glänzen, ehe man die Ordenskette aus Schlagringen und sprühenden Diamanten mit dem goldenen Widderfell empfing, welche nicht nur die führenden Herrengeschlechter Burgunds, sondern auch jene der
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österreichischen Länder und des Reiches, vor allem aber die befreundeten Könige Europas auf das burgundische Bündnissystem verpflichtete. Bei allem Uberschwang der äußeren Formen war der Orden ein sehr realer Faktor im politischen Leben nicht nur Burgunds, sondern ganz Europas und für Habsburg ein Symbol der göttlichen Erwählung — nächst der Kaiserkrone das Allerheiligste des Hauses Burgund-Österreich. Das hochfeierliche Zeremoniell, das den burgundischen Hof umgab, hat Maximilian unter dem Druck des Krieges und der Finanzen weitgehend abgebaut, sich daran aber immer wieder erinnert, wenn es galt, die Hoheit des Kaisertums würdig darzustellen. Erst als Herzoge von Burgund haben die Habsburger gelernt, wahrhaft kaiserlich aufzutreten. Die überirdische Stellung des Fürsten, des Königs und Kaisers wollte Maximilian — bei aller Volkstümlichkeit — stets gewahrt wissen. Gerne ließ er sich von der höfischen Propaganda in die Nähe Christi emporheben, wie dies schon die alten Burgunder Herzoge getan hatten. Im burgundischen Fürstenkult hatten auch die literarischen und graphischen Ehrenwerke ihren Ursprung, die Maximilian zur Verherrlichung seines Namens und seines Hauses teils selbst entwarf, teils in Auftrag gab. Bei aller sonstigen Schlichtheit versäumte er es auch später nie, die großen Staatsakte burgundisch zu zelebrieren. Freilich riß sein köstlicher Humor viele Schranken altburgundischer Steifheit nieder. Für die ganze Hofhaltung und Regierung hat Maximilian später das burgundische Vorbild übernommen, wenn er es auch zwangsläufig viel sparsamer und einfacher gestaltete. Die Hofdienste, Regierung und Verwaltung, die am H o f ihr Zentrum hatten, Hof- und Staatspropaganda, Kanzlei, Kapelle, Bibliothek und Schatz — alles war weitgehend burgundischen Vorbildern nachgemacht. Selbst einen Zweig des Vliesordens wollte er in Osterreich einrichten, was aber Erzherzog Philipp als Großmeister verhinderte. Maßgebend und besonders wichtig war das Vorbild der burgundischen Verwaltung, die viel „moderner" war als in Osterreich und im Reich. Ein gesamtstaatliches Regiment für Politik und Justiz und eine staatseinheitliche Finanzkammer bestanden hier schon lange, ehe dies in Osterreich eingerichtet werden konnte. Die hohen Bedürfnisse eines langen Krieges erforderten gerade in der Finanzverwaltung immer neue Experimente. Man handhabte hier längst eine Buchhaltung, die der Praxis der großen Unternehmungen abgeschaut war. Das sogenannte „Finanzen", das Geldaufbringen mittels Anleihen, das Budgetieren im großen Rahmen und auf lange Sicht, waren hier längst gewohnte Übung. Wenn man später Finanzfachleute für das Reich oder die österreichischen Länder brauchte, holte man sie aus Burgund oder ließ sie dort ausbilden. Die neue Finanzpolitik hieß in Osterreich geradezu das „burgundische System". Man übernahm sogar weitgehend die burgundisch-französische Verwaltungsterminologie. Den Einfluß der burgundischen Verwaltungsformen wird man zweifellos weit höher anschlagen müssen, als dies der österreichische Lokalpatriotismus bisher gelten lassen wollte. Burgund war gegen Ende des 15. Jahrhunderts wohl der fortschritt-
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lichste Staat des Westens, in dem der junge Fürst einen besonderen Wohlstand, aber auch Gegensätze kennenlernte, die im Reich und in Osterreich erst viel später ausreiften. Vor allem in den großen Städten gab es soziale Spannungen, die sich im Reich und in Osterreich erst Jahrzehnte später entluden: Gegensätze zwischen Stadtadel und Großbürgern, zwischen Kapital und Handarbeit, zwischen Handel und Gewerbe, zwischen „Ehrbarkeit und Pofel", Gegensätze zwischen Stadt und Land. Die rebellischen Bauern, das aufständische „Brot- und Käsevolk", marschierten hier — als Folge des Krieges — um Jahrzehnte früher als im Reich und in Osterreich. Besonders scharfe Gegensätze gab es hier zwischen landständischem Selbstgefühl und fürstenstaatlichem Absolutismus. Was waren doch die burgundischen Generalstände seit 1477 für eine selbstbewußte Versammlung! Was war andererseits Karl der Kühne f ü r ein absoluter Tyrann! Wie schwer war es, diesen eigenwilligen und verschiedenartigen Staaten (Provinzen) ein Gesarntstaatsdenken aufzuzwingen. Der maximilianische Absolutismus hatte in Karl dem Kühnen sein Vorbild, das nach Osterreich übertragen wurde. Der „moderne" Fürstenstaat war in Burgund längst voll entwickelt, während ihm Maximilian in Osterreich erst allmählich die Bahn brechen mußte. Maximilian muß sehr wesentlich von seinen burgundischen Jugenderlebnissen her verstanden werden. So „phantastisch und mittelalterlich" sein politisches Konzept im Großen war — Wiederherstellung des universalen Reiches der Karolinger und Staufer, Kreuzzug u. a. — so „modern" waren die Mittel. Maximilian hat gesamtstaatliche Verfassung, Regierung und Verwaltung, Behörden, Beamte, Armee, Wirtschaftspolitik und Staatspropaganda auf den modernsten Stand zu bringen versucht und auf große Ziele eingestellt, wie er dies in Burgund gesehen hatte.
IV KAISERLICHE UNIVERSALPOLITIK FUNDAMENTE DER HABSBURGISCHEN GROSSMACHT 1. R Ö M I S C H E R K Ö N I G . H E I M K E H R NACH Ö S T E R R E I C H
Königswahl
in Frankfurt. Krönung in Aachen
Als Kaisersohn und Herr der Niederlande fühlte sich Maximilian zum Römischen König und künftigen Kaiser berufen. Er verband mit dem Römischen Königtum und mit der zu erwartenden Kaiserkrone den göttlichen Auftrag zur Wiederherstellung des universalen Reiches. Der Gegensatz zwischen dem Zustand des Reiches und den politischen Visionen des jungen Herrn hätte nicht größer sein können. Kaiser Friedrich III. hatte Wien, Niederösterreich, die Steiermark und große Teile Kärntens an Ungarn verloren und räumen müssen (1485). Er war mit 42 Lastwagen, seinem Hausschatz, Kanzlei und Archiv, nach Tirol geflüchtet, wo auch seine Tochter, Erzherzogin Kunigunde, Zuflucht fand. Es war die Zeit der tiefsten Erniedrigung des alten Kaisers, als der Kärntner Chronist Unrest schrieb, die fünf Vokale AEIOU seien wahr geworden: „Aller Erst Ist Oesterreich Verloren"; anfänglich seien sie freilich anders gemeint gewesen. Der Kaiser war auf die Begastung in Städten und Klöstern angewiesen und fuhr zuzeiten sogar im Ochsengespann durch die deutschen Länder. Er wandte sich ins Reich, um die Kurfürsten für die Königswahl seines Sohnes zu gewinnen, denn die Lage des Reiches, vor allem Österreichs, schien einer stärkeren, jüngeren Hand zu bedürfen; das fühlten alle und das stimmte sie auch einer Königswahl geneigter. Nach einigen Widerständen ließen sich die Kurfürsten schließlich doch für die Wahl Maximilians gewinnen, weil man hoffte, daß ein so reicher Fürst von ihnen nichts brauchen werde. Auch hatte Maximilian selber mit reichen Versprechungen und Wahlgeschenken nachgeholfen. Eine spätere Quelle behauptete, Kaiser Friedrich III. habe in seinem bekannten Eigensinn die Wahl des Sohnes zu verhindern gesucht. Bei den vorherrschenden Widerständen wäre nichts leichter gewesen als dies. Gewiß hat der alte Herr den ungestüm drängenden jungen „Welteroberer" zeitweilig zurückgehalten. Als aber die Zeit gekommen war, arbeitete er zäh und klug auf die Wahl des Sohnes hin. Maximilian bezeichnete den Vater in seinen Erinnerungen geradezu als den Urheber seiner Wahl. Damit sollte diese Frage wohl als entschieden gelten. Am 16. Februar 1486 wurde Maximilian in Frankfurt einstimmig gewählt; allerdings hatte er versprechen müssen, die Herrschaftsgewalt des Kai-
Wahl und Krönung Maximilians zum Römischen König (1486) durch drei geistliche und drei weltliche Kurfürsten; der König von Böhmen fehlte. Holzschnitt von W. Traut aus der Ehrenpforte,
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sers bis an dessen Lebensende nicht zu beschränken; darin dürfte das Märchen vom Widerstand des Vaters gegen die Wahl des Sohnes seine Wurzel haben. Die Wahl wurde vom Volk, aber auch von den jüngeren Fürsten mit Jubel begrüßt, weil man sich vom jungen König die Erneuerung des Reiches erwartete. „Alexander der Große hat nicht so viel Lobes gehabt, als man von Maximilian hört", berichtete eher scherzhaft der bayerische Gesandte. Wenn Friedrich III. angesichts der Wahl seines Sohnes Tränen vergossen haben soll, dann gewiß nicht deshalb, weil er die Wahl bedauerte. Die Königswahl des Sohnes war ein glänzender Erfolg seiner Politik: neben dem Wahlrecht war erstmals wieder das Erbrecht auf die Krone berücksichtigt worden, was schon lange nicht mehr möglich gewesen war. Der Papst hielt indes die Bestätigung der Wahl durch Jahre zurück: es war nämlich der König von Böhmen als Kurfürst nicht beigezogen worden. Auf dem gleichzeitigen Frankfurter Reichstag wurden bereits alle großen Fragen der Reichsreform, der Reichshilfe, des Regiments, der Reichssteuer, des Landfriedens und des Kammergerichtes aufgeworfen. Die Stände forderten dringend Reformen — allerdings zu ihren Gunsten. Als sich Maximilian vorwitzig, ohne Absprache mit dem Vater als Reformfreund aufspielte, wurde er vom alten Herrn entschieden in die Schranken gewiesen: Der junge König sei mit der Lage des Reiches zu wenig vertraut. Nur der Landfriede wurde in den alten Formen für die nächsten zehn Jahre verlängert. Weiter wollte der Kaiser in der Reichsreform nicht gehen. Von Frankfurt zog man zur Krönung nach Aachen (April 1486), wo Maximilian in den altheiligen Formen gesalbt, mit den Gewändern und Insignien „Kaiser Karls" investiert, gekrönt und auf den Stuhl Karls des Großen gesetzt wurde, nachdem er den Krönungseid geleistet hatte. Den Schwur, das Reich in seinen Grenzen und Rechten zu schützen und alles wiederherzustellen, was ihm widerrechtlich entzogen worden war, hat Maximilian zeitlebens wörtlich genommen. In diesem Sinn erschienen ihm alle Kriege, die er zur Wiederherstellung des Reiches führte, als gerechte Kriege. Nach der Krönung wurde das Hochamt fortgesetzt, wobei der König als Kanoniker des Aachener Domes das Evangelium in so einwandfreiem Latein sang, daß sich alle wunderten. Dazu bemerkte der alte Kaiser, Maximilian habe mit zehn Jahren noch so schlecht (Latein) gesprochen, daß man zweifelte, ob er es je richtig sprechen lernen werde. Maximilian hatte die Niederlande nicht so weit befriedet hinterlassen, daß er sofort an die Donau eilen und die österreichischen Länder aus der Hand der Ungarn hätte befreien können. Vielmehr kehrte er zunächst wieder in die Niederlande zurück. Erst nach zwölf harten Kriegsjahren konnte der enttäuschte König die Niederlande verlassen, die erst sein Statthalter Albrecht von Sachsen endgültig unterwerfen sollte. Das Reich und die österreichischen Erbländer brauchten den jungen König. Herzog Albrecht von Bayern hatte die freie Reichsstadt Regensburg besetzt und versuchte, durch Kauf und Verpfändung auch Tirol und die Vorlande in seine Hand zu bekommen. Gegen den Willen Kaiser Friedrichs hatte
Das Tiroler Erbe
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H e r z o g Albrecht die Erzherzogin Kunigunde heimgeführt und mochte vielleicht hoffen, sich dadurch nach dem kinderlosen Sigmund das Tiroler Erbe, vielleicht sogar ein gesamthabsburgisches Erbrecht zu sichern. Der mißtrauische Kaiser fürchtete wohl, eine bayerische Großmacht könne die Habsburger aus dem Südosten verdrängen. Das schlimmste aber war, daß die Ungarn Wien und weite Gebiete der österreichischen Länder besetzt hielten.
Das Tiroler Erbe Es schien offensichtlich, daß Kaiser Friedrich III. von seinem Tiroler Vetter, „einem Fürsten ohne Ehrgefühl und Verstand", wie Commines ihn nannte, nicht das geringste zu erwarten hatte; vielmehr mußte er fürchten, nachdem er bereits Wien und Niederösterreich an Matthias Corvinus verloren hatte, auch Tirol und die Vorlande zu verlieren, denn Erzherzog Sigmund, von üblen Ratgebern beeinflußt, von ständiger Geldnot und den Verlusten des Venezianerkrieges bedrückt, schien entschlossen, seine Länder bei Lebzeiten stückweise zu verkaufen. Die bayerische Politik schien Bahnen einzuschlagen, die dem Kaiser und seinem H a u s gefährlich werden konnten. Daher erschien der Kaiser persönlich in Innsbruck und vermochte mit Hilfe der Tiroler Landstände, den altersblöden Landesfürsten von seinen „bösen Räten" zu trennen und auf das österreichische Hausgesetz zu verpflichten. Eine Abtretung des Landes konnte er allerdings noch nicht durchsetzen. Die allgemeine Sorge vor der bayerischen Ubermacht führte zur Gründung des Schwäbischen Bundes (1488), in dem sich die Städte, Ritterschaften und Fürsten des deutschen Südwestens mit dem Kaiser gegen Bayern, die Eidgenossen und die Franzosen zusammenschlossen. Dieser Bund sollte mit seiner Kriegsmacht während der nächsten Jahrzehnte an der Seite des Kaisers eine bedeutende Rolle spielen. Der junge König erschien in Innsbruck und verstand es, mit Unterstützung heimlicher Helfershelfer, wie des Kanzlers Dr. Stünzel, Waldaufs von Waldenstein, des Bischofs von Brixen, Pauls von Liechtenstein, Nikolaus von Firmian u. a. den „Onkel" Sigmund durch Freundlichkeiten, große Pensionsversprechungen und mit sanfter Gewalt zum Rücktritt und zur sofortigen Ubergabe seiner Länder zu bewegen, nachdem ihn vorher der Landtag durch peinliche Vorwürfe mürbe gemacht hatte. Seine vierzig außerehelichen Kinder wollte er versorgt wissen, denn sie seien von seinem Fleisch und Blut. Tief erschüttert ließ sich der kranke Landesfürst aus der Versammlung tragen. Er werde wegen dieser Streitigkeiten vorzeitig sterben, klagte er. Die Art, wie Maximilian die Tiroler Landstände gegen ihren Erzherzog ausspielte, ohne sich ihnen dafür enger zu verpflichten, beweist sein diplomatisches Geschick, aber auch seine fallweise Bedenkenlosigkeit in der Wahl der Mittel. Über Nacht entschloß sich Sigmund zum Rücktritt (16. März 1490) und bat um die Zustimmung des Landtags, „damit niemand sagen könne, daß
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Maximilian die Sache nur mit seinem Vetter hinter dem O f e n " ausgehandelt habe; er wolle von seinem Volk nicht im Groll scheiden. Damit war die Einheit des habsburgischen Gesamthauses gesichert. Der Kaiser verzichtete für seine Person, und Maximilian übernahm nun auch Tirol und die Vorlande als selbständiger Landesfürst. Den Landständen freilich sollte diese Veränderung keinen Vorteil bringen. Als entschiedener Gegner landständischer Selbstherrlichkeit hielt sich Maximilian vorzüglich an jene Leute, die treu landesfürstlich gesinnt waren. Er unterließ nichts, den abgetretenen Landesfürsten durch kleine Aufmerksamkeiten und Geschenke bei guter Laune zu halten; wenn Sigmund in Regierungsrechte eingriff, wurde er allerdings entschieden zurückgewiesen. Auch die versprochene Jahrespension wurde ihm wohl nicht regelmäßig ausbezahlt. Tirol wurde fortan eine Hauptstütze der politischen und militärischen Pläne Maximilians, da dieses Land einerseits eine natürliche Brücke von Innerösterreich in die Vorlande und nach Burgund bildete, andererseits die alte Kaiserstraße über den Brenner nach Italien beherrschte und wie eine Festung in die oberitalienische Ebene hineinragte. Tirol war für Maximilian „eine Klause, Schild und Porten der Teutschen gegen Welsche Nation". Er betrachtete Tirol als das „ H e r z des deutschen Reiches" und Innsbruck als seine künftige Hauptstadt. Der Reichtum Tirols, zumal die Schwazer Silber- und Kupferbergwerke, das Haller Salz und der oft bewährte gute Wille der Tiroler Landstände boten den Unternehmungen Maximilians einen festen finanziellen Rückhalt. Auch menschlich lag ihm dieses herrliche Land und sein treues Bauernvolk am Herzen.
Befreiung Wiens. Feldzug gegen Ungarn Nachdem Tirol und die Vorlande gesichert waren, galt es, Bayern mit dem Schwäbischen Bund auszugleichen, denn die Schwaben rüsteten bereits ihr Bundesheer zum Krieg gegen Bayern. Maximilian aber brauchte die süddeutsche Bundeshilfe zur Vertreibung der Ungarn aus Österreich und drängte daher auf einen Frieden. Auf dem T a g zu Augsburg (Mai 1492) konnte Maximilian den H e r z o g von Bayern mit seinem aufsässigen Landadel versöhnen und zum Verzicht auf die Reichsstadt Regensburg bewegen. Jetzt endlich fand sich auch der Kaiser bereit, den H e r z o g , seine Tochter Kunigunde und die Enkelkinder das erste Mal seit ihrer heimlichen Heirat zu empfangen und nach langen Jahren der Bitterkeit in Gnaden aufzunehmen. Für Maximilian war die Beilegung des bayerischen Streites ein besonderer Erfolg. Die Hauptaufgabe, weswegen Kaiser Friedrich III. seinen Sohn aus den Niederlanden zurückgerufen hatte, war die Vertreibung der Ungarn aus Österreich und Wien, aus Steiermark und Kärnten. Ein Reichsheer hatte gegen Ungarn nichts ausrichten können. Maximilian, dem die Niederlande zunächst weit wichtiger schienen, dachte sogar an einen Ausgleich mit König Matthias, was der Vater aber hartnäckig ablehnte, da er, wie man sich er-
Maximilian erobert Wien zurück (1490). Einsatz der Artillerie und Sturm der Landsknechte auf die Mauern mit Steigleitern und Schilden. Die Kriegsfahnen zeigen das burgundische Andreaskreuz und das Feuereisen des Goldenen Vlieses. Holzschnitt von H. Springinklee aus der Ehrenpforte.
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zählte, in hellsichtiger Ahnung den baldigen T o d des kränklichen Ungarnkönigs erwartet haben soll. König Matthias Corvinus wurde am 6. April 1490 in der Wiener Burg überraschend vom Schlag hinweggerafft; allerdings zu einem Zeitpunkt, da sich Maximilian gerade für die bretonische Heirat rüstete. Das unglückliche Zusammentreffen von zwei großen Aufgaben im Westen und Osten stellte den jungen König vor eine besonders schwierige Entscheidung. Er entschied sich zunächst für den Krieg im Osten, den er sehr rasch zu beenden hoffte, um sich dann der Bretagne zuzuwenden. Binnen weniger Wochen stampfte er ein Landsknechteheer aus dem Boden, wobei ihn die Tiroler mit hohen Kriegssteuern unterstützen, eroberte im Herbst 1490 Wien und vertrieb die Ungarn aus den österreichischen Ländern. Uberglücklich schrieb damals der Wiener Stadtarzt Tichtel in sein Tagebuch: „Der allmächtige Gott in seiner Gnade hat den Österreichern den tapferen Maximilian als Retter gesandt." Dreimal unterstrich er den Namen des Königs mit roter und grüner Tinte. Von Osterreich aus stieß Maximilian mit seinen Landsknechten tief in das ungarische Königreich vor, besetzte die westungarischen Komitate, stürmte die Krönungsstadt Stuhlweißenburg, wo die Landsknechte durch mehrere T a g e plünderten und überreiche Beute machten. Maximilian hoffte, bald in Ofen zu sein und das ganze Königreich zu erobern. Aber das fehlende Soldgeld, die Zuchtlosigkeit seiner Landsknechte, die vor allem ihre Beute nach Hause bringen wollten, und der plötzliche Einbruch eines ungewöhnlich harten Winters, der den Nachschub über die Donau verhinderte, der zähe ungarische Widerstand und das Eingreifen der polnischen Jagelionen zugunsten ihres ungarischen Bruders zwangen Maximilian, vor den Mauern Ofens umzukehren. Die ungarischen Stände hatten inzwischen Wladislaw von Böhmen zum König gewählt, von dem sie scherzten, er sei ihr König, sie aber seien seine Herren. Der gutmütige Schwächling, der schon seinem böhmischen Königreich nicht gewachsen war und zu allem „gut, gut" zu sagen pflegte, war den Ungarn gerade recht, aber freilich nicht imstande, das gefährdete Königreich zu schützen. Ungarn, bisher eine Vormauer der Christenheit, drohte nun das allgemeine Schlachtfeld zu werden. D a auch die verbündeten Fürsten heimdrängten, blieb Maximilian nichts übrig, als den Feldzug über den Winter einzustellen, zumal er inzwischen erfuhr, daß die bretonische Heirat in Stellvertretung abgeschlossen worden war (Dezember 1490), und ein Gegenschlag des Königs von Frankreich erwartet werden müsse. Der Kaiser versagte sich dem bretonischen Abenteuer Maximilians ganz und gar. Vorwurfsvoll tadelte er ihn, daß er sich gleichzeitig zwei große Kriege aufgeladen habe, und mahnte ihn, den „Reichsadler nicht in Schimpf und Schande zu bringen". Der Kaiser wünschte, daß Maximilian anstatt des bretonischen Vorhabens den Krieg gegen Ungarn zu Ende führe, ehe er das Land wieder verließ. Maximilian nützte daher das Entgegenkommen Wladislaws und Schloß mit ihm den Preßburger Frieden (November 1491). Dies war
Der „bretonische Brautraub"
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ein Erfolg nicht nur f ü r den Augenblick, sondern auch f ü r die Zukunft, einer jener grundlegenden Verträge, die den ungarisch-böhmischen Erbfall von 1526 vorbereiteten. Wladislaw anerkannte das österreichische Erbrecht auf Ungarn f ü r den Fall, daß er selber ohne Erben sterben sollte, und versprach überdies, auch in Böhmen f ü r die habsburgische Erbfolge zu wirken. Maximilian sollte außerdem eine hohe Kriegsentschädigung und die westungarischen Grenzkomitate erhalten; er durfte fortan — neben König Wladislaw — den Titel eines Königs von Ungarn führen. Widerwillig mußten die ungarischen Reichsstände diese Friedensartikel garantieren. Maximilian war mit dem Erfolg keineswegs zufrieden: „Der bretonische Handel und der tückische Anschlag des Königs von Frankreich hätten ihn um Ungarn gebracht, hätten ihm das gegen die T ü r k e n erhobene Schwert aus der H a n d geschlagen." Etwa gleichzeitig, im Spätherbst 1491, vollzog sich der letzte Akt des bretonischen Dramas.
Der „bretonische
Brautraub"
Unter den Verbündeten, die sich Maximilian f ü r seinen Kampf gegen Frankreich anboten, befand sich neben England und Spanien auch die Bretagne. Gelang es dem Römischen König, sich den H e r z o g Franz von der Bretagne enger zu verpflichten, so schien der Einkreisungsring um Frankreich so gut wie geschlossen. Beziehungen zwischen Burgund und der Bretagne hatten schon unter den alten Herzogen bestanden; Maximilian führte sie weiter und bereitete ein enges Hilfs- und Heiratsbündnis zwischen der burgundischen und der bretonischen Dynastie vor. Aber auch die französische Vereinigungspolitik versuchte dieses Land f ü r sich zu gewinnen, zumal der H e r z o g keine männlichen Erben hatte. Die Bretagne, welche den Engländern durch Jahrhunderte einen Brückenkopf gegen Frankreich geboten hatte, sollte endlich der französischen Krone einverleibt werden. Je mehr sich das Land durch die Eroberungspolitik Ludwigs XI. bedroht fühlte, desto enger Schloß es sich mit der innerfranzösischen Opposition und mit den auswärtigen Mächten, mit Maximilian, den Engländern und Spaniern, gegen Frankreich zusammen, das die Unterwerfung der Bretagne beharrlich verfolgte. Während Maximilian in Brügge gefangen saß, konnten die Franzosen den H e r z o g Franz bei St. Aubin besiegen (Juli 1488) und zu einem demütigenden Frieden zwingen. Als der H e r z o g — wohl wegen dieses Rückschlages — überraschend starb, schien die zwölfjährige Erbtochter Anna dem König von Frankreich hilflos ausgeliefert, zumal die bretonischen Stände teils von Frankreich gekauft waren. Herzogin Anna, wegen ihres reichen Erbes nicht weniger umworben als seinerzeit Maria von Burgund, zart, ehrgeizig und, obwohl etwas hinkend, wegen ihrer hohen Intelligenz und Natürlichkeit sehr anziehend, versuchte zunächst, bei Maximilian gegen die französische Übermacht Schutz zu finden.
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Für den König von Frankreich wäre eine Heirat mit Anna von der Bretagne die natürlichste Lösung der bretonischen Frage gewesen, wenn er nicht bereits seit 1482 mit Erzherzogin Margarethe, der Tochter Maximilians, verlobt gewesen wäre und dafür große Länder, wie das Herzogtum und die Freigrafschaft Burgund, als Mitgift empfangen hätte; Länder, die für Frankreich nicht weniger wichtig waren als die Bretagne. Umgekehrt hielt auch Maximilian seine Heirat mit Anna für das beste Mittel zur Erhaltung der freien Bretagne und zur Einkreisung Frankreichs. Die kleine Herzogin zeigte sich sofort bereit, als ihr Maximilian die Heirat anbot. Offenbar schmeichelte es ihrem Ehrgeiz, Römische Königin und später Kaiserin zu werden. Maximilian verbündete sich nun mit den Engländern und Spaniern zur Verteidigung der Bretagne. Ein Heer englischer, spanischer und deutscher Soldtruppen besetzte die Halbinsel. Die Bretagne drohte wieder, wie im Hundertjährigen Krieg, ein feindlicher Brückenkopf zu werden. Engländer und Spanier sollten von der Bretagne und von den Pyrenäen aus, Maximilian hingegen von den Niederlanden und vom Sundgau aus Frankreich von allen Seiten zugleich angreifen und wo möglich „vernichten" — der sogenannte „große Plan", der seit den Zeiten des Hundertjährigen Krieges bis auf Kaiser Karl V. die Köpfe verwirrte. Aber der König von Frankreich erkannte die drohende Gefahr und gewann zunächst einmal Kaiser und Reich durch große Zugeständnisse für den Frieden von Frankfurt (Juli 1489). Nun setzte Maximilian einen Paukenschlag: die Bretagne, die ihm als Angelpunkt seiner gesamten Weststaatspolitik erschien, sollte durch einen besonders klugen Schachzug seinem Bündnissystem eingegliedert und für Frankreich, wie er meinte, unangreifbar werden. Er ordnete eine hochrangige Gesandtschaft in die Bretagne ab, die im Dezember 1490 die Heiratsverträge mit Anna abschloß. Der Bischof von Rennes segnete diese Ferntrauung ein, und der „schöne Polheim" mußte als Stellvertreter Maximilians vor den Augen des Hofes, wie dies dort üblich war, gerüstet das Hochzeitsbett besteigen und so die Ehe symbolisch vollziehen. Diese Ferntrauung per procuram oder per verba de praesenti begründete eine kanonisch gültige Ehe, wenn auch der Papst die Möglichkeit hatte, sie zu lösen, weil sie noch nicht vollzogen war. Maximilian ließ diese Heirat allen Höfen mitteilen. Der König von Frankreich mußte diesen Ehebund als Anschlag gegen die Einigung des französischen Staates empfinden, während Maximilian das Herzogtum gegen eine Eroberung durch Frankreich schützen wollte. Hatte er nicht mit dieser Heirat den denkbar friedlichsten Weg gewählt? Konnte er damit rechnen, daß sein künftiger Schwiegersohn, König Karl VIII., seine Tochter Margarethe verstoßen und seine „Gemahlin" Anna heiraten werde? Aber Karl VIII. war in dieser Lebensfrage seines Staates zum Äußersten entschlossen. Die Gelegenheit war günstig, denn Maximilian war durch den Krieg in Ungarn gebunden, die spanischen Könige mit den Mauren beschäftigt, die englischen Tudor aber mißtrauten Maximilian, der immer noch das
Der „bretonische Brautraub"
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Haus York unterstützte. Maximilians Verwicklung in den ungarischen Krieg sicherte den Franzosen einen raschen und leichten Sieg. Karl VIII. rückte mit Heeresmacht in das Herzogtum ein, nahm Festung um Festung, eroberte Nantes und belagerte Königin-Herzogin Anna in ihrer Hauptstadt Rennes (Oktober 1491). Annas Umgebung, aber auch die Landstände rieten ihrer Herrin zur Unterwerfung und wohl auch zu einer neuen Ehe, weil Maximilian offensichtlich nicht imstande war, ihr wirksame Hilfe zu bringen. Der Nürnberger Reichstag verweigerte ihm jede Unterstützung. Die Bundesgenossen, Spanien und England, die sich übervorteilt fühlten, zogen sich allmählich zurück. Der alte Kaiser aber warnte vor „dem liederlichen Handel, der keinen Bestand haben könne". Völlig verlassen, ohne Geld und Truppen, aus Sorge, ihr Land zu verlieren, scheint sich Anna mit der Möglichkeit eines Vergleiches, ja, einer Heirat mit dem König von Frankreich, allmählich abgefunden zu haben: „Wenn sie sich als Königin zu einer Heirat entschließe, wolle sie nur einen König heiraten." Darin lag wohl ein Angebot an Karl VIII. Die Königin-Herzogin traf sich mit dem König von Frankreich zu einer langen Aussprache, die Klarheit schuf; Anna wußte, was sie wollte; sie heiratete im Laufe ihres Lebens drei Könige und war trotz ihrer Bresthaftigkeit eine der bedeutenden Frauen ihrer Zeit. Bereits nach wenigen Tagen fand in einer Kapelle bei Rennes vor versammeltem Hof das Verlöbnis mit dem König von Frankreich statt — zur völligen Überraschung des Botschafters Wolfgang von Polheim, der nichts geahnt hatte. Nicht nur die unmittelbar betroffenen Burgunder und Deutschen, die ganze christliche Welt war über diese „ungeheuerliche" Heiratsgeschichte zunächst entsetzt. Bereits am 6. Dezember 1492 wurde die Ehe in aller Form abgeschlossen und kirchlich eingesegnet, wozu zwar nicht der Papst, aber ein willfähriger Hofklerus eine Art Dispens erteilt hatte. Eine solche Schande sei noch keinem Römischen König widerfahren und könne nur durch Blut abgewaschen werden, meinte ein Zeitgenosse. Maximilian mußte sich durch Karl VIII. doppelt beleidigt fühlen: als Vater, dessen Tochter vom König, ihrem Verlobten, verstoßen wurde, der sich obendrein weigerte, die große Mitgift zurückzustellen; und als Gatte, dem der König von Frankreich die „Gemahlin geraubt hatte", um sie selber zu heiraten. Maximilian wollte den König von Frankreich zum Zweikampf fordern; er fühlte sein Ansehen schwer erschüttert und konnte sich von diesem Erlebnis nie mehr ganz freimachen: „Kein Mensch auf Erden habe so viel Schmach erleiden müssen, wie ihm die Franzosen angetan hätten". Sein Haß gegen Frankreich entartete zeitweilig zur Uberzeugung, daß dieses Königreich und sein Haus „vernichtet" werden müßten. Er führte, wie er später einmal sagte, ein rotes Buch, worin alle Untaten des Königs von Frankreich verzeichnet wurden. Um den Rachekrieg des Reiches gegen Karl VIII. zu begründen, erfand die königliche Propaganda die Version vom „Brautraub", die mit einer Flut von Flugschriften gegen den „buckeligen König" in das Volk getragen
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wurde. Man wollte den Frevler von Gott selber bestraft sehen: „Die französischen Lilien werden welken", prophezeite Wimpfeling. Der Schweizer Anshelm, auf die körperlichen Gebrechen des französischen Königspaares anspielend, meinte: „Höcker auf Höcker, das gibt Krüppel". In der Tat ist keines der Kinder aus dieser Ehe groß geworden. Die überhitzte Empörung des Volkes fand keinen Widerhall auf dem Koblenzer Reichstag (1492). Die Fürsten lachten; selbst der Kaiser zeigte wenig Anteilnahme. Das Reich versagte sich ganz und gar. Die Bundesgenossen England und Spanien schlossen alsbald einen Sonderfrieden mit Frankreich, so daß Maximilian den bretonischen Krieg fast nur mit seinen Tiroler Truppen führen mußte. Während Herzog Albrecht von Sachsen die letzten Widerstände in Flandern niederkämpfte und den Erbfolgekrieg beendete, führte Maximilian einen Vorstoß in die Freigrafschaft Burgund, worauf die Franzosen Verhandlungen einleiteten. Maximilians eifriger Parteigänger Sebastian Brant sah im „Donnerstein", einem Meteor, der damals bei Ensisheim vom Himmel gefallen war, ein Vorzeichen, daß der König als neuer Herkules und Alexander den König von Frankreich züchtigen werde. Der folgende Friede von Senlis (Mai 1493) setzte sowohl den bretonischen Händeln wie dem burgundischen Erbfolgekrieg ein Ende. Maximilian erhielt größere Teile der Mitgift Erzherzogin Margarethes zurück, was, verglichen mit dem Frieden von Arras (1482), als Erfolg gelten konnte. Der burgundische Staat war gegen Frankreich endgültig gesichert; zumal die Rückeroberung der Freigrafschaft Burgund bot der westlichen Reichsgrenze neue Sicherheit. Das Herzogtum Burgund blieb allerdings bei Frankreich, was von der burgundischen Politik stets als unverzichtbarer Verlust empfunden wurde, während es den Franzosen als Herzstück ihres Königreiches galt. Diese Wunde blutete bis in die Zeiten Karls V. Alle Erinnerungen an die bretonische Heiratsgeschichte — peinlich für beide Teile — wurden nach dem Friedensschluß einvernehmlich von allen Beteiligten, stillschweigend und sorgfältig aus der Welt geschafft. Keine Spur vom bretonischen Heiratsvertrag hat sich erhalten. Papst Innozenz VIII. hatte von der Heirat Karls VIII. und Annas nichts wissen wollen. Am französischen Hof leitete man einen Eheprozeß ein, der sich bis in die Zeiten Papst Alexanders VI. hinzog. In Rom wurde schließlich ein Vergleich gefunden, der wohl mit den Gesandten Maximilians abgesprochen war: die bretonische Ehe wurde offenbar im Einvernehmen mit Maximilian, der damals bereits um Bianca Maria von Mailand warb, als nie bestehend betrachtet und daher nicht mehr erwähnt. Alle einschlägigen Urkunden und Akten wurden beseitigt. Nur die dreizehn Goldtaler, die Wolfgang von Polheim beim Opfergang anläßlich der Einsegung der Ehe im Dom zu Rennes (Dezember 1490) namens des abwesenden Bräutigams spendete, sind in den Akten zufällig überliefert. Umgekehrt wurde die Heirat Karls VIII. mit Anna auf ganz unauffällige Weise anerkannt, indem man ihren Sohn Karl Roland im Vertrag von Senlis als Partner und somit als ehelichen Sohn anerkannte. Erst bei den
Friedrichs III. T o d . T ü r k e n n o t
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Wiener Verhandlungen im Dezember 1493 wurde diese peinliche Geschichte zwischen Maximilian und Karl VIII. endgültig aus der Welt geschafft. Karl VIII. hatte in Senlis freie Hand gegen Neapel gefordert. Offenbar hatte Maximilian diese Forderung nicht ernst genug genommen und um des Friedens willen mit sehr allgemeinen Worten zugestimmt, obwohl ihm gewiß nichts ferner lag, als den Franzosen Italien zu öffnen, was seine ganze weitere Politik noch zeigen sollte.
2 . N A C H F O L G E IM R E I C H . ITALIENPOLITIK. E N T M A C H T U N G IM R E I C H U N D IN E U R O P A
Friedrichs
III. Tod.
Türkennot
Im August 1493 war Kaiser Friedrich III. im hohen Alter von 78 Jahren an den Folgen einer Beinamputation in der Linzer Burg verstorben. Ein Fußleiden hatte ihn seit Jahren geplagt und immer unbeweglicher gemacht. In einem Stübchen der Linzer Burg ging er angeblich seinen astrologischen und alchimistischen Heimlichkeiten nach, „wofür ihn Gott sichtbar bestraft habe". Lästermäuler wollten wissen, er sammle Mäusekot und fange Fliegen. Der alte Herr gab nichts von seinen Rechten aus der Hand und hielt auch den Sohn immer wieder von eigensinnigen Unternehmungen zurück, so daß Maximilian dem Vater — besonders während der letzten Jahre — eher fremd gegenüberstand; der Vater weigerte sich mitunter sogar, den Sohn zu empfangen. „Er wolle das Regiment in seinen Händen behalten und nicht einem Fremden überlassen", sagte der alte Herr dem Brandenburger Gesandten. Besondere Sorge bereitete Maximilian des Kaisers Testament und dessen heimlicher Schatz, von dem man großartige Gerüchte in Umlauf gesetzt hatte, wohl um den angeschlagenen Kredit zu verbessern. Niemand wußte, wo dieser Schatz lag. Erst nach dem Tode wurden Teile auf Schloß Strechau in der Steiermark und andere Teile in einer Kirche zu Nürnberg vermauert aufgefunden. Im Juni 1493 wurde dem Kaiser von zwei Meistern der Chirurgie bei wachen Sinnen das schwarzbrandige Bein abgesägt, was der alte Herr heroisch ertrug. Angeblich klagte er nur, das Römische Reich hinke fortan auf einem Bein. Der Zustand des Kaisers verschlechterte sich durch unvorsichtigen Genuß von Wasser und Melonen, so daß er am 19. August an allgemeiner Schwäche verschied. 53 Jahre lang hatte Kaiser Friedrich regiert, hatte viele Päpste, Könige und Fürsten, Feinde und Freunde überlebt und hatte, wie er gerne betete, den Tag des Heiles noch schauen dürfen. Ein Umschwung der Lage zeichnete sich ab, wie ihn der Kaiser kaum erwartet hatte. Unter welchen Schwierigkeiten hatte Friedrich doch begonnen! Mit den ganz geringen Hilfsmitteln
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Nachfolge im Reich. Italienpolitik. Entmachtung im Reich und in Europa
Innerösterreichs, der Steiermark, Kärntens und Krains, sollte er das Reich regieren, was unmöglich war, weshalb er auch auf die Reichsregierung fast ganz verzichtete und sich nur seinen österreichischen Ländern widmete. Seine Gemahlin war ihm f r ü h gestorben; die Erbländer gingen teilweise verloren; wiederholt drohte ihm die Gefahr der Absetzung im Reich; das Leben hat ihm nichts erspart. Schließlich durfte er die burgundische Heirat seines Sohnes, dessen einhellige Königswahl und die Bewahrung der Kaiserkrone f ü r sein H a u s erleben. Die Ungarn wurden aus Osterreich vertrieben, Teile Ungarns erobert, der ungarische Königstitel und die ungarisch-böhmische Erbfolge neu gesichert. Man wird den Anteil des alten Kaisers, aber auch Maximilians an dieser glücklichen Wendung des österreichischen Schicksals nicht so gering einschätzen dürfen, wie dies bisher o f t geschah. Erst nach Abschluß des Türkenfeldzuges von 1493 wurde Friedrich III. im Dezember in St. Stephan zu Wien feierlich beigesetzt und mit 8422 Messen in die ewige Seligkeit geleitet, wie die „Zeitungen" genau zu berichten wissen. In das prächtige Hochgrab, das Maximilian im C h o r des rechten Seitenschiffes von St. Stephan errichten ließ, wurde der Kaiser erst 1513 umgebettet. Die nächste Generation, welche die maximilianischen Kriegszeiten mit ihren schweren Belastungen durchzumachen hatte, sah in Kaiser Friedrich III. einen wahren Salomon von schier übermenschlicher Weisheit, der den Frieden geliebt und den Krieg vermieden habe. Erst die politisierende Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hat aus Friedrich III. die „Erzschlafmütze des Reiches" gemacht. Unmittelbar nach dem Hinscheiden des alten Kaisers hatten Türkeneinfälle nach Ungarn, Kroatien, Krain, Steiermark und Kärnten den gesamten Osten wiederum in Schrecken versetzt. D e r kroatische Heerbann war von den T ü r k e n völlig vernichtet worden (1493). Maximilian hatte die dringendsten Geschäfte des Regierungsantritts, sogar die Beisetzungsfeierlichkeiten f ü r den Vater, zurückstellen müssen, um mit einem Kreuzheer an die Grenzen der Steiermark zu eilen. Ehe er am Kriegsschauplatz erschien, waren die Türken abgezogen. Maximilian mußte bald erkennen, daß Karl VIII. unter dem Vorwand eines Kreuzzuges den Uberfall auf Italien vorbereitete. Schweren Herzens brach er seine östlichen Unternehmungen ab, weil er Italien keinesfalls den Franzosen überlassen wollte. „Italien gehört mir (Italia quae mea est)", pflegte Maximilian in seinem ungefügen Reiterlatein zu sagen. „Es ist mir unerträglich, Frankreich zum Pförtner Italiens zu machen", erklärte er den Reichsständen auf dem Wormser Tag.
Die Mailänder
Heirat
D e r Sicherung Reichsitaliens galt auch die neue Heirat mit Bianca Maria Sforza von Mailand. Noch zu Lebzeiten des Vaters hatte er heimliche Hei-
1
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Friedrich III. im Kaiseromat mit Infelkrone, Zepter und Reichsschwert. Rechts oben LorbeerRosenkranz als Symbole des Ruhmes und der Frömmigkeit; unten der Reichsadler. Holzschnitt H. Burgkmair aus der Genealogie.
und von
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N a c h f o l g e im Reich. Italienpolitik. Entmachtung im Reich und in Europa
ratsverhandlungen mit Ludovico Sforza eingeleitet, denn der alte Herr würde eine derartige Mißheirat mit der Angehörigen einer „Dynastie von Schustern" kaum gestattet haben. Der Großvater hatte angeblich noch Schuhe gedoppelt, berichtet Commines. Maximilian hoffte, durch diese Verbindung seine politische Stellung in Italien zu stärken und sich die reichen Geldquellen der Sforza zu erschließen, denn Bianca Maria war eine der reichsten Bräute der Welt. Ihr Onkel Ludovico Moro sollte nach den Wünschen Maximilians den Franzosen den Eintritt nach Italien verwehren, ihm selber aber den Hafen von Genua, den Zugang zum Meer und die Kaiserstraße nach Rom offenhalten. Andererseits hoffte auch Moro, der den rechtmäßigen, aber kränklichen Herzog Giangaleazzo — seinen Neffen — verdrängt hatte, mit Hilfe des Römischen Königs seine Stellung zu festigen und, wenn möglich, seinem Herzogtum den Königstitel zu verschaffen. Seit dem tragikomischen Ausgang der bretonischen Heiratsgeschichte bereitete Maximilian in größter Heimlichkeit seine Mailänder Heirat vor, die erst nach dem Tode Friedrichs III. zunächst durch Stellvertretung abgeschlossen wurde (November 1493). Man hielt in Mailand eine prachtvolle Hochzeit, auf der nichts fehlte außer der Bräutigam. Als Mitgift wurden der Braut 400.000 Dukaten, dazu Ausstattung und Schmuck im Wert von 40.000 Dukaten verschrieben. Ein ansehnlicher Teil davon war noch vor der Heirat ausbezahlt worden. Moro sollte dafür mit dem Herzogtum belehnt werden, was allerdings erst nach einem Jahr kundgemacht werden durfte, denn man fürchtete die öffentliche Meinung, weil der rechtmäßige Herzog Giangaleazzo noch lebte. Die Braut wurde samt ihren reichen Schätzen noch im Spätherbst 1493 über das tiefverschneite Wormser Joch nach Innsbruck gebracht, wo sie drei Monate lang auf Maximilian warten mußte, der mit dem Türkeneinfall in die Steiermark und mit der Neuordnung der niederösterreichischen Länder beschäftigt war. Zwar ließ es der Innsbrucker Hof an nichts fehlen, um die künftige Königin und ihre italienischen Damen gut zu unterhalten, aber die lange Verschiebung des Beilagers erregte peinliches Aufsehen: man fürchtete in Mailand ernstlich, Maximilian könnte es sich inzwischen anders überlegt haben. Erst im März 1494 erschien der König in Tirol, um in Hall und Innsbruck den gemeinsamen „Kirchgang unter der Krone" und das Beilager zu feiern. Damit eröffnete Maximilian die lange Reihe der italienischen Heiraten der Habsburger, die den Einfluß des Reiches und Österreichs auf die italienischen Fürstentümer stärken sollten — eine Politik, die bis in das 19. Jahrhundert andauerte. An der Festtafel rühmte der Mailänder Gesandte Jason Maynus den Römischen König mit überschwänglichem Lob als Türkensieger; Herzog Ludovico werde Italien schützen, während Maximilian den Kreuzzug anführe; wenn sich zwei Sterne solcher Größe träfen, geschehe Großes auf der Welt. Der überglückliche Herzog legte Maximilian gerne eine weitere Mitgiftrate von 200.000 Dukaten auf den Tisch.
Die Mailänder Heirat
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Die Mailänder Ehe hielt nicht, was sich Maximilian davon erwartet hatte. Die reiche Mitgift war nur zu rasch verbraucht, und von Liebe war schon bald keine Spur mehr. Bianca Maria war nicht besonders schön, obwohl die Lobpreisungen der Humanisten das Gegenteil behaupten; sie war immer etwas kränklich, nervös, kapriziös, vernascht, daher mollig und blieb zeitlebens ein Kind, das am Boden sitzend spielte, ohne sich ihrer Stellung an der Seite des Kaisers je bewußt zu werden. Der König sagte zum Mailänder Gesandten, sie sei nicht sehr klug, aber sie werde sich schon machen. Maximilian, ein Naturmensch, Reiter und Jäger, konnte mit dem einfältigen Kind nicht viel anfangen. Vielleicht trug Bianca Maria an einem düsteren Erbe: angeblich sei schon ihre Mutter Bona „von geringem Verstand" gewesen; der Bruder Giangaleazzo, für den Ludovico Moro die Regierung führte, verdämmerte in schwerem Siechtum. Cuspinian nennt Bianca amatrix suae gentis, was wohl nichts anderes bedeuten kann, als daß sie ihre Sforza-Sippe liebte. Dies ist — meines Erachtens unrichtig — auch anders gedeutet worden. Gerne hätte Maximilian von ihr Kinder gehabt, man sprach von Schwangerschaften, aber das ersehnte Kind blieb aus. Vielleicht war auch dies ein Grund für die wachsende Entfremdung. Der Kaiser fand kein rechtes Verhältnis zu ihr, hat sie bald vernachlässigt und schließlich kaum noch gesehen; es reichte meist nicht einmal für ein clains priefl. Bereits 1498 sprach man von Scheidung. Der König kehrte zu seinen „Schlafweibern" zurück, meist Damen von Stand, die ihm neun Kinder schenkten. Bianca Maria wurde immer einsamer. Sie lebte mit ihrem kleinen Hofstaat nicht selten in demütigenden Verhältnissen. Der König überließ sie monatelang den Wirten der deutschen Reichsstädte als Pfand für unbezahlte Schulden, was man in ganz Europa wußte und hämisch bespöttelte. Wenn sie Gelegenheit hatte, rächte sie sich mit größeren Geldausgaben. Der Hofmeister Niklas von Firmian hatte größte Schwierigkeiten, die Königin und ihr Mailänder Gesinde befehlsgemäß zu überwachen. Königin Bianca erschöpfte sich in Kleinigkeiten und war nicht gescheit genug, sich höheren Aufgaben zu stellen. Maximilian gestattete ihr kleine Interventionen, aber nicht den geringsten politischen Einfluß. Sie mußte zusehen, wie ihr Onkel Ludovico als Gefangener nach Frankreich abgeführt wurde, ohne daß Maximilian ihm helfen konnte. Ihr Leben verdämmerte in völliger Bedeutungslosigkeit und in unerfüllten Wünschen. Schmuck, Essen und Religion genügten ihr, berichtet der Mailänder Gesandte. Sie sei aus Lebensüberdruß gestorben, meinte Grünpeck; andere sagten, am Übergenuß von Schnecken. Wie bei der Hochzeit in Mailand, so fehlte Maximilian auch, als man Bianca im Kloster Stams begrub (1511). Auch zu einem Grabstein reichte es nicht. Seit der Gefangenschaft des Ludovico Moro (1500) mag dem König die Mailänder Heirat überhaupt als Fehlspekulation erschienen sein. Ein Relief am Goldenen Dachl zu Innsbruck hält die Erinnerung an diese Hochzeit fest.
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Nachfolge im Reich. Italienpolitik. Entmachtung im Reich und in Europa
Der Zug ins Reich Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten in Innsbruck mußte der König dringend ins Reich und in die Niederlande. Der erste Umritt durch das Reich, die Verleihung der Regalien an Reichsfürsten und Städte, die Erneuerung der Privilegien, Rechte und Freiheiten und die damit verbundenen Taxen, die Mitgiftzahlungen aus Mailand und die regelmäßigen Anleihen der Fugger verhalfen dem König zunächst zu ausreichenden Geldmitteln. Uber Füssen und Kempten, wo durch viele Wochen Privilegien erneuert und Taxen eingehoben wurden, eilte Maximilian an den Rhein. Er verweilte mehrere Tage in Speyer, wo er die Gräber der Römischen Kaiser und Könige besuchte. Uberall gab es pompöse Einzüge unter dem Baldachin, feierliches Geläute aller Glocken, Volksjubel, die üblichen Ehrengeschenke und Huldigungen. Die Bürger staunten über einen König, der auf sie zutrat und ihrem Bürgermeister die Hand reichte. In Mainz schlichtete Maximilian die Fehde zwischen den Kurfürsten von Mainz und Pfalz, erneuerte den Landfrieden Kaiser Friedrichs III. für weitere drei Jahre und gab damit seinen Reformwillen zu erkennen. Erzbischof Berthold, der noch auf dem Koblenzer Tag (1492) scharfe Töne angeschlagen hatte, mußte froh sein, daß ihn Maximilian gegen den übermächtigen Pfälzer in Schutz nahm. Gerne Schloß sich Berthold dem H o f z u g an, übernahm als Erzkanzler die Leitung der Reichskanzlei und begleitete den König in die Niederlande. Es scheint in jenen ersten Monaten eine gewisse Ubereinstimmung über Grundfragen der Reichsreform bestanden zu haben. Freilich ärgerte sich Maximilian, daß der Erzkanzler allzu viele Kanzleiagenden, sogar königliche Haussachen, an sich zu ziehen suchte. Große Sorgen bereitete dem König die Wiederherstellung des Landfriedens. Schon zu Zeiten Kaiser Friedrichs III. hatten die Fehden im Reich überhandgenommen. Es gab Streitigkeiten der Städte Nürnberg, Windsheim und Weißenburg im Nordgau mit den Markgrafen von Brandenburg, Streit der Städte Worms und Köln mit ihren Bischöfen, Streit des Pfalzgrafen bei Rhein gegen Stadt und Stift Weißenburg im Elsaß, Streit des Erzbischofs von Trier gegen die Stadt Boppard, Streit zwischen der Stadt und dem Stift Kempten, Krieg der Freileute von Friesland mit der Stadt Groningen und die schon erwähnte scharfe Fehde zwischen Pfalzgraf Philipp bei Rhein und dem Erbischof Berthold von Mainz um die Stadt Bingen; das waren nur die größeren Fälle neben zahlreichen kleineren. Nicht zu übersehen waren die vielen innerstädtischen Streitigkeiten zwischen den alten Geschlechtern, welche ihre Stadtherrschaft gegen die aufstrebenden Handwerker und Zünfte verteidigten. Als schlimme Landfriedensbrecher gebärdeten sich auch die vielen ritterlichen „Rechtshelfer", die sich erbötig machten, beim Versagen der Reichsgewalt und der öffentlichen Gerichte ihren Schützlingen im Wege der „rechten" Fehde zu ihrem Recht zu verhelfen. Maximilian trat überall sehr entschieden f ü r den Landfrieden ein, lud die Ruhestörer vor sein Gericht, schlichtete die Streitigkeiten und gebot
D e r Zug ins Reich
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den Landfrieden. Sein entschiedenes und doch leutseliges Auftreten sicherte ihm überall Vertrauen und Zuneigung. Zugleich drängten sich die Aufgaben der großen europäischen Politik, vor allem Reichsitaliens, dem König unwiderstehlich auf. Schon in Innsbruck und auf der ganzen Reise bedrängten ihn französische Gesandte und warben um seine Zustimmung zu einem Italienzug Karls VIII., den man scheinheilig als „Kreuzzug" bezeichnete; tatsächlich aber plante man die Eroberung Neapels — im weiteren vielleicht ganz Italiens. Maximilian, der nichts leidenschaftlicher anstrebte, als die Wiederherstellung der alten Kaiserrechte in Italien, konnte nichts ferner liegen, als Italien den Franzosen zu überlassen oder auch nur mit ihnen zu teilen, obwohl er ihnen in Senlis gewisse Zugeständnisse gemacht hatte, die er bei den Wiener Verhandlungen im Dezember 1493 wieder halb zurückzog. Ohne ein ausdrückliches Nein versuchte er alle derartigen Zumutungen klug hinzuhalten, indem er die Führung auch der französischen Truppen in Italien als künftiger Kaiser für sich forderte. Indem Maximilian hohe Ansprüche wie die Rückgabe des Herzogtums Burgund anmeldete, gleichzeitig seine Truppen verstärkte und sich mit Spanien verbündete, hoffte er, den König von Frankreich von Italien abzuhalten. Eine persönliche Aussprache, die Karl VIII. immer wieder suchte, die Maximilian auch immer wieder versprach, wurde vorsätzlich verschleppt, um einer klaren Antwort auszuweichen. Maximilian unterließ nichts, um die Stellung des Reiches in Italien zu verstärken. Er begünstigte Ludovico von Mailand, den er als künftigen Wächter der Reichsrechte in Italien weit überschätzte. Noch zu Lebzeiten des kränklichen Giangaleazzo, des eigentlichen Herzogs, wurde die Übertragung des Mailänder Reichslehens an Ludovico vorbereitet. Maximilian versuchte, die reichslehenbaren Fürstentümer von Mantua, Ferrara, Savoyen, Montferrat u. a. durch die Investitur dem Reich wieder enger zu verpflichten; er verhandelte mit Venedig, Florenz, Pisa, Siena und dem Papst, um den Franzosen den Durchmarsch zu versperren. Im Sommer 1494 reiste Maximilian rheinabwärts gegen die Niederlande und bekam es zunächst mit Geldern zu tun. Dieses Herzogtum war noch von Karl dem Kühnen mit Geld und Gewalt dem burgundischen Staat einverleibt worden (1472). Der Erbprinz Karl von Geldern, zunächst am burgundischen Hof erzogen, war in der Schlacht von Bethune (1488) in französische Gefangenschaft geraten und bald dafür gewonnen worden, als rechtmäßiger Herr von Geldern gegen die Habsburger aufzutreten. Mit starker französischer Hilfe kehrte er in sein Land zurück und konnte sich dort als selbständiger Fürst behaupten. Geldern beherrschte den Unterlauf der großen Ströme, war im Schutz seines breiten Stromgürtels schwer zu erobern und wegen seiner reichen Vorräte an Getreide und Vieh kaum auszuhungern. Außerdem schnitt Geldern die nördlichen und südlichen Niederlande mitten auseinander. Im Kriegsfall konnte Frankreich mit Hilfe dieses Landes den burgundischen Staat in Schach halten. Da die gelderischen Städte Maximilian die Tore sperrten, versuchte er
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den Widerstand mit Gewalt zu brechen. Obwohl er die großen Festungen nicht nehmen konnte, setzten seine Kriegsvölker dem Lande doch so stark zu, daß sich Herzog Karl auf Schloß Ravenstein bei Grave zu einem Vergleich bereitfand (August 1494). Man einigte sich, die Entscheidung den Kurfürsten vorzulegen. Kaum war der Vergleich geschlossen und die feindlichen Truppen aus dem Land, brach der junge Herzog den Vertrag, und der Krieg begann von neuem. Nicht mindere Schwierigkeiten machte Friesland, wo sich die Stadt Groningen das gesamte Land unterwerfen wollte. Als Maximilian durch Verhandlungen eine formelle Huldigung und Tributzahlungen durchgesetzt hatte, gab er sich zufrieden. Er dachte daran, Friesland seinem Freund, Herzog Albrecht von Sachsen, als Reichslehen zu übergeben, um ihn für seine Ausgaben im niederländischen Krieg zu entschädigen. Der Herzog sollte das Land als Reichslehen wieder der Reichspolitik dienstbar machen. Maximilian war seit langem der erste König, der die Reichshoheit auch im Norden wieder entschiedener in Erinnerung brachte.
Ubergabe der niederländischen
Regierung
Maximilian eilte weiter in die Niederlande, um Erzherzog Philipp, der inzwischen 16 Jahre alt geworden war, auf entschiedenen Wunsch der Generalstaaten aus der Vormundschaft zu entlassen und ihm die Regierung der Länder zu übergeben. Auf dem Landtag zu Löwen wurde Philipp in Gegenwart der Landstände feierlich als Herr von Brabant eingeführt (September 1494). Nun folgte von Stadt zu Stadt eine Inauguration der anderen; nur in Gent erschien der Erbherr nicht persönlich, sondern ließ sich vertreten — als Strafe für die Haltung der Stadt während der Erbfolgekriege. Erzherzog Philipp wurde für die Niederländer das Symbol der Einheit und des Sonderwillens ihres Staates, den er auch seinem Vater und dem Reich gegenüber entschieden vertrat. Aber der niederländische Separatismus war nach den langen Erbfolgekriegen doch so weit gemäßigt, daß man sich auf einen Mittelweg zwischen landesfürstlicher Gewalt und ständischer Autonomie besann. Entscheidend war es, daß sich Maximilian und Philipp mit der Opposition aus den Zeiten des Krieges, zumal mit Philipp von Kleve, dem langjährigen Führer des niederländischen Widerstandes, versöhnten. Eine Investitur Erzherzog Philipps durch den König und das Reich fand auffallenderweise nicht statt. Kaiser Friedrich III. hatte Maria und Maximilian mit allen hinterlassenen Ländern Karls des Kühnen von Reichs wegen belehnt (April 1478) und sie damit als Ganzes — auch die französischen Kronlehen — dem Reich unterstellt und zu einem Gesamtstaat zusammengefaßt. Maximilian hat dies nicht getan, vielleicht weil er selbst alleiniger Inhaber aller niederländischen Reichslehen bleiben wollte; vielleicht auch, weil er der Unterscheidung französischer Kronlehen und deutscher Reichslehen nicht nähertreten wollte.
Übergabe der niederländischen Regierung
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Maximilian war darauf bedacht, durch die Entlassung des Sohnes aus der Vormundschaft nicht alle Rechte der Mitregierung an den burgundischen Rat zu verlieren. Dieser Absicht diente vor allem die Einrichtung einer Regiments· und H o f o r d n u n g , die einerseits den Bedürfnissen des burgundischen Gesamtstaates entsprach, andererseits aber den Einfluß Maximilians auf die Niederlande weiterhin sicherstellen sollte. Besonders wichtig erschien dem König die Zusammenfassung der niederländischen und der österreichischen Finanzen in der H a n d eines einzigen Generalschatzmeisters und damit die Verfügungsgewalt über die reichen Geldmittel Burgunds, was indes nie gelingen sollte. Maximilian umgab den Sohn zunächst mit einigen Vertrauensleuten, damit in den Niederlanden nichts geschehen könne, womit er nicht einverstanden sei. Ein Teil der Hofleute sollte aus der Deutschen Nation genommen werden; keine Stelle durfte ohne Zustimmung des Königs besetzt werden. Zwei Räte Erzherzog Philipps sollten sich stets am Hoflager Maximilians aufhalten und die Verbindung der niederländischen Politik mit den österreichischen Ländern und dem Reich gewährleisten. Wegen der hohen politischen Bedeutung des Ordens vom Goldenen Vlies dachte Maximilian daran, auch einen österreichischen Zweig dieses Ordens einzurichten. Aber Maximilians H o f f n u n g e n , sich die Unterstützung der Niederlande f ü r die Z u k u n f t gesichert zu haben, sollten sich nicht erfüllen. Seine Beziehungen zum Sohn waren nie besonders gut gewesen. Philipp war jahrelang in der O b h u t der Stände erzogen und offenbar gegen den Vater eingenommen worden; später hatte er unter dem straffen väterlichen Regiment gelitten; selbständig geworden, ließ er dem Vater sagen, „er wolle sich nicht länger wie ein dummer Knabe behandeln lassen". Er wollte von väterlicher Bevormundung nichts mehr wissen. Der burgundische Rat, der den jungen Erzherzog bald völlig beherrschte, vor allem Franz von Busleyden, der Propst von Lüttich, vertrat schon bald eine sehr entschiedene, selbstbewußte burgundische Sonderpolitik, welche sich über die Einmischungsversuche Maximilians immer stärker hinwegsetzte. O f t fühlte sich der König von seinem Sohn völlig verlassen und klagte, Philipp sei ein „ganzer Franzose" geworden.
Italien, das Reich und
Europa
Anfang September 1494 e r f u h r Maximilian vom Einmarsch Karls VIII. in Italien, der die bestehende O r d n u n g umzuwerfen drohte. Zwar hatte der König vom französischen Plan gewußt, ihn aber nicht ernst genug genommen. N u n mußte er mitansehen, wie die Franzosen innerhalb weniger Monate die Apenninenhalbinsel durchstürmten und Neapel samt Unteritalien besetzten. Das Italien des späten 15. Jahrhunderts forderte durch seine Zersplitterung und seine inneren Streitigkeiten die Einmischung der großen Nachbarstaaten geradezu heraus. Italien war eine bunte Welt von Klein- und Mittel-
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N a c h f o l g e im Reich. Italienpolitik. Entmachtung im Reich und in Europa
Staaten, Republiken und Monarchien, deren politische Verbindungen immer wieder wechselten. Außer den Päpsten spielten die Signorie von Venedig, die Medici von Florenz, die Aragonesen von Neapel und die Sforza von Mailand die Hauptrolle; daneben hatten die Gonzaga von Mantua, die Este von Ferrara, die Stadtstaaten von Genua, Bologna, Pisa und Siena geringere Bedeutung; zumal die Paßstaaten, Savoyen, Montferrat und Saluzzo, mußten zwischen dem Reich und Frankreich schaukeln, wenn sie ihr Leben erhalten wollten. Seit den Zeiten Karls des Großen hatte das Reich, als Nachfolger der lombardischen Könige, ein nicht genau begrenzbares „Königreich Italien", das im Wesen Ober- und Mittelitalien umfaßte, und die Schutzherrschaft über Rom und den Papst inne. Die Staufer hatten auch Neapel und Sizilien besessen, was Maximilian nie vergaß. Er beanspruchte in aller Form die Lehenshoheit über mehrere Fürstentümer und Stadtstaaten wie Mailand, Genua, Mantua, Ferrara, Bologna, Florenz, Lucca, Pisa, Siena und über die Paßstaaten, wovon manches freilich umstritten war. Maximilian erinnerte sogar Venedig an seine Reichsverpflichtungen. Einige dieser italienischen „Reichsstädte" wären nicht ungern bereit gewesen, die milde und ferne Herrschaft des künftigen Kaisers hinzunehmen, wenn er sie gegen ihre gewalttätigen Nachbarn geschützt hätte. So blieb ihnen nur eine geschickte Schaukelpolitik: bald suchten sie Anlehnung beim Reich, bald bei Frankreich. Seit dem 14. Jahrhundert war die Reichshoheit in Italien immer mehr zurückgewichen, wiesehr dies ein Dante auch beklagt hatte. Viele italienische Staaten gebärdeten sich immer selbständiger. Venedig hatte seit dem 15. Jahrhundert die alten Reichslehen Friaul, Vicenza, Treviso, Verona und Padua in Besitz genommen, die Lehenshuldigung aber verweigert. Auch Frankreich erhob Erbansprüche auf Mailand, insbesondere auf Neapel und über Kaiser Karl den Großen — er war für sie ihr Charlemagne — kaum verhüllte Ansprüche auf ganz Italien. Aragon besaß seit langer Zeit Sizilien und erhob ebenfalls Ansprüche auf Neapel. Sowohl Franzosen wie Deutsche suchten sich vor allem Mailands zu bemächtigen, das die Alpenpässe überwachte und den Schlüssel nach Italien in seinen Mauern verwahrte. Das große Duell setzte ein, dessen Siegespreis Italien sein sollte. Eine geistliche und weltliche Großmacht zugleich bildete der Kirchenstaat. Er ruhte noch immer fest und sicher in der Mitte der Halbinsel und der christlichen Welt. Die Hauptsorge der Päpste dieser Zeit galt mehr ihrer Machtstellung in Italien, während die religiösen Aufgaben mitunter stark zurücktraten. Die Römische Kurie stellte zwar keine eindrucksvolle Kriegsmacht, wohl aber eine der ersten Finanzmächte der damaligen Zeit dar. Nicht nur die Religion, auch der Humanismus machten das „ewige Rom" zum unbestrittenen Mittelpunkt der christlichen Welt. Der Papst bestätigte immer noch die deutsche Königswahl und krönte den Römischen Kaiser. Da aber die Kaiser Italien seit Jahrhunderten vernachlässigten, zeigten die Päpste der neueren Zeit wenig Lust, den Deutschen König zur Kaiserkrönung in Rom zu empfangen und die Reichsrechte alter Zeit zu erneuern. Päpste wie Alex-
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ander VI., Julius II. oder Leo X . wären durchaus bereit gewesen, die Kaiserkrone der Deutschen Nation zu entziehen und dem Meistbieter zu überlassen. So schien das Kaisertum der Deutschen Nation auch von dieser Seite her bedroht, zumal wenn der Römische König nicht imstande war, Romzug und Kaiserkrönung gegen den Willen der Kurie und der großen Mächte zu erzwingen. Die auf weltliche Dinge gerichtete Politik der Römischen Kurie und ihr keineswegs einwandfreier Wandel stellten die Heiligkeit des Papsttums in Frage und machten die Forderung nach Konzil und Kirchenreform zu einem allgemeinen Anliegen. Gerade in der Deutschen Nation, wo man über alle Einzelheiten bestens unterrichtet war, wurden diese letzten Pontifikate als ein einziger Skandal empfunden. An den Kirchenstaat grenzte im Norden Florenz, das Maximilian immer noch als „Reichsstadt" betrachtete, während sich die Florentiner eher an Frankreich hielten. Die Stadt hatte unter Lorenzo dem Prächtigen von Medici (1469—1492) glänzende Zeiten erlebt, verfügte über eine bedeutende Wirtschafts- und Kapitalmacht und sicherte sich als Mittelpunkt gelehrter Studien, des Humanismus und der Renaissance bedeutendes Ansehen. Die Medici verstanden es lange Zeit, zusammen mit Neapel und Mailand und nicht zuletzt mit den Päpsten das politische Gleichgewicht Italiens zu sichern. Erst der T o d Lorenzos (1492), der folgende Streit zwischen Neapel und Mailand und das machtvolle Streben Venedigs, seine Herrschaft auch über das Festland auszubreiten, haben das italienische Gleichgewicht stark erschüttert. Als Karl VIII. in Italien erschien, schlugen sich die Florentiner unter dem feurigen Sittenprediger Savonarola auf seine Seite. Man erblickte im König von Frankreich den neuen, gottgesandten Weltherrscher und Reformer der Kirche und in Savonarola seinen Propheten. So wurde Florenz für längere Zeit Hauptstützpunkt der französischen Partei in Italien, ehe nach langen Kriegen die Medici wiederkehrten, die ganze Toskana eroberten und bei den Päpsten und den Spaniern eine Stütze fanden. Die einzig wirkliche Großmacht Italiens — vom Kirchenstaat abgesehen — war die Republik Venedig. Ihre Größe lag seit dem Mittelalter im Handel mit der Levante und über die Alpen hinweg nach Deutschland und Frankreich. Alle Produkte, Manufakturen und Kostbarkeiten des Ostens und Westens kreuzten sich in den venezianischen Lagerhäusern und wurden von dort in alle Richtungen der Windrose verkauft. Die Jahreseinnahmen der Republik bewegten sich angeblich um eine Million Dukaten. Kein Römischer Kaiser hätte sich mit dieser Kapitalmacht vergleichen können. Die Umleitung des Welthandels auf den Atlantischen Ozean begann sich erst später allmählich auszuwirken. Die politische Stärke der Republik beruhte auf ihrer wohlorganisierten Regierung und Verwaltung, auf der sprichwörtlichen Strenge und Klugheit der Signorie, auf ihrer hervorragenden Diplomatie, welche die ganze Welt mit einem dichten Nachrichtennetz überzog, und nicht zuletzt auf den hohen Bürgertugenden seiner Führungsschichten, die sich in Notzeiten stets be-
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währten, obwohl die Republik ihre Kriege hauptsächlich mit fremden Söldnern, meist mit dalmatinischen und albanischen „Stradioten", auszufechten pflegte. Für Heer und Flotte standen im Kriegsfall reiche Geldmittel zur Verfügung. Die venezianische Flotte beherrschte die Adria und besaß allenthalben in der Levante feste Stützpunkte; allerdings machten ihr die Türken das östliche Mittelmeer, aber auch die Adria streitig. Für einen Kreuzzug waren die Venezianer nur zu haben, wenn sie sich in ihrem engeren Lebensraum bedroht fühlten, sonst legten sie Wert auf Frieden mit der Hohen Pforte und auf ungestörte Handelsbeziehungen. In der Adria, ihrem innersten Lebensraum, zeigte sich die Signorie von Venedig stets besonders empfindlich und wies jeden anderen Seehandel entschieden zurück. Auf die Frage eines Papstes, wo sich denn die Vorherrschaft der Signorie über die Adria verbrieft finde, antwortete nach einer netten Anekdote der venezianische Gesandte spöttisch: „Auf der Rückseite der Konstantinischen Schenkung." Die Signorie setzte der imaginären weltlichen Herrschaft des Papstes über die gesamte Christenheit den ebenso imaginären Herrschaftsanspruch Venedigs über alle Meere entgegen. Ganz selbstverständlich hatten die venezianischen Kardinäle in Rom venezianische Politik zu machen. Aus Sorge, sie könnten von den Türken aus der Levante verdrängt werden, suchten die Venezianer ihre italienischen Festlandsbesitzungen auszubauen und ihre Grenzen bis an die Alpen und an das Ligurische Meer auszudehnen, wodurch sie die Feindschaft aller Nachbarn erregten. Das Reich und Osterreich fühlten sich aus den alten Reichslehen und Hausgütern in Friaul, Treviso, Vicenza, Verona und Padua zu Unrecht verdrängt. Mit Mailand stritten sich die Venezianer um den Besitz von Brescia, Bergamo und Cremona. Auf Kosten von Florenz begann sich die Signorie in Livorno, Pisa und Librafatta einzumischen. Das schwache Königreich Neapel mußte es sich gefallen lassen, daß die Venezianer die Küstenplätze von Benevent, Bari und Otranto besetzten, um die Einfahrt in die Adria zu überwachen. Besonders aufreizend empfand man es, daß Venedig einen Moment der Schwäche benutzte und auch dem Kirchenstaat die sogenannte „Pentapolis" wegnahm (1504) — eine der Hauptursachen für den Ausbruch des großen Venezianerkrieges. Was Venedig vom Reich und den meisten anderen Nachbarn wesentlich trennte, war seine ganz andere soziale Ordnung. Stets hatten Seefahrt, Handel und Manufakturen den Charakter dieser Stadt bestimmt und eine Handelsaristokratie hervorgebracht, die den Lehensadel der Nachbarstaaten an Wohlstand weit überflügelte. Kein Kaiserschloß kam an den Palast des Dogen heran. In ihrer glänzenden Isolation, vom Festland her so gut wie unangreifbar, durfte es die Republik zeitweilig wagen, nicht nur den italienischen Nachbarn, sondern auch den europäischen Großmächten, zumal dem Reich, hochmütig entgegenzutreten. Nicht selten kam es vor, daß man Kaiser und Reich in Venedig öffentlich verspottete.
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Die Signorie anerkannte wohl einen allgemeinen Ehrenvorrang des Kaisers, weigerte sich aber beharrlich, die dem Reich entzogenen Länder und Stadtherrschaften zu Lehen zu nehmen, worauf Maximilian öfter drängte. Die Venezianer wagten es sogar, immer wieder das Trienter Kirchenland anzugreifen und neuerdings auch die Grafschaft Görz für sich zu fordern. Als Maximilian die Ansprüche des Reiches und des Hauses Österreich, die freilich längst verjährt waren, erneuerte, wurde die Lage immer gespannter. Der König dachte öfter daran, bei passender Gelegenheit Venedig zu überfallen und den ganzen Staat dem Reich einzuverleiben, den er wegen seiner finanziellen Überlegenheit und wegen seiner hochbürgerlichen Selbstherrlichkeit nicht minder haßte als Frankreich. Der Zankapfel Italiens wurde Mailand. Der Mailänder Staat war rings von Feinden umgeben: Frankreich erhob Ansprüche auf das Herzogtum und wollte von dort aus nach Neapel vorstoßen. Von Norden versuchten die Eidgenossen, die Mailänder Ebene zu gewinnen und sich im reichen Mailand festzusetzen; von Osten war die Stadt durch die neue Festlandspolitik Venedigs bedroht; Maximilian aber erblickte im Mailänder Lehen die Säule seiner Reichspolitik in Italien. Mailand gehörte seit 1450 der Condottiere-Dynastie der Sforza, einem Geschlecht ganz niederer Herkunft. Aus Kriegsknechten konnten in jenen veränderungslustigen Zeiten Herzoge werden. Auch die deutschen Fürsten rümpften die Nase über die Heirat ihres Königs mit Bianca Maria; aber das Mailänder Geld und Ludovicos vermeintliche Machtstellung gaben den Ausschlag. Auf dem Höhepunkt seiner Macht prahlte Ludovico, der Papst sei sein Kaplan, der Kaiser sein Condottiere und der König von Frankreich sein Läufer. Tatsächlich übte er an der Römischen Kurie über seinen Bruder, den Kardinal Ascanio Sforza, einen gewissen Einfluß und den Römischen König hielt er sich durch sein Geld gewogen. Ludovico Moro versuchte, Franzosen wie Deutsche durch eine ausgeklügelte Schaukelpolitik gegeneinander auszuspielen, indem er bald die einen, bald die anderen nach Italien rief, um sie für sich einzuspannen. Als er schließlich — wie die meisten politischen Seiltänzer seiner Art — abstürzte und sein Leben als französischer Staatsgefangener beschloß, fluchte ihm ganz Italien, „daß er die Barbaren ins Land gerufen habe". Eine ähnliche Schaukelpolitik mußten auch die Paßstaaten Savoyen, Montferrat und Saluzzo versuchen, die dem Namen nach zum Reich gehörten, sich wegen ihrer Grenzlage aber auch dem König von Frankreich dienstbar erwiesen. Nicht anders verhielten sich die inneritalienischen Kleinstaaten Mantua, Ferrara, Urbino, Bologna, Siena u. a., die als Anhängsel dieser oder jener Macht mitunter eine kleine Rolle spielen durften. Seit dem Fall Konstantinopels (1453) und der Eroberung des Balkans traten auch die Türken als mögliche Eroberer Italiens auf den Plan. Sie besetzten 1480 bereits Otranto in Apulien. Man mußte jederzeit befürchten, sie könnten mit einer großen Landeoperation in Italien Fuß fassen, gegen Rom vorstoßen und die ganze Halbinsel erobern. Wie es angesichts so gefährlicher
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Gegner öfter geschieht, begannen gerade die italienischen Kleinstaaten, um sich zu retten, mit den Türken zu verhandeln; zumal wenn sie in der Klemme saßen, drohten sie ihren Gegnern mit einem Türkenbündnis. Es war ein Glück, daß man den Sultan durch türkische Prätendenten längere Zeit im Zaum halten konnte. Wie weit entfernt vom wissenschaftlichen Nacherleben jener Zeit sind doch manche Historiker, welche die Kreuzzugsbewegung jener Jahrzehnte als spätmittelalterliche Romantik oder politische Phantasterei abtun möchten. In dieser unruhigen Welt von Mittel- und Kleinstaaten, wo die Kleineren stets fürchten mußten, von den Großen verschlungen zu werden, entwickelte sich f r ü h die Idee des politischen Gleichgewichtes zwischen den größeren Staaten Rom, Venedig, Mailand, Florenz und Neapel, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts die Ruhe und den Frieden Italiens sicherten, bis Karl VIII. die Halbinsel f ü r Frankreich erobern wollte. Die Heilige Liga von Venedig (März 1495) hat die Gleichgewichtsidee Italiens auf die europäischen Großmächte übertragen. N u n begann der Kampf um Italien.
Der Italienzug
Karls VIII. Die Heilige
Liga von
Venedig
Karl VIII. hatte offenbar angenommen, daß ihm Maximilian in Italien freie H a n d lassen werde, denn es hatte darüber bei den Friedensverhandlungen von Senlis (1493) Gespräche und Versprechungen gegeben. Der König von Frankreich hatte Maximilian als Entschädigung das venezianische Festland angeboten. Aber der „künftige Kaiser", der so sehr in den Plänen der Reichserneuerung lebte, der in der Kaiserkrone „die höchste Ehre der Deutschen Nation" sah, konnte unmöglich auf Italien, einen so ehrwürdigen Teil des Imperiums, und auf den Schutz des Papstes verzichten, der dem Kaiser zustand — von seinen realen Spekulationen auf die Reichtümer Italiens ganz abgesehen. Der Kaiser war immer noch nominell H e r r Italiens und hatte dort alte Rechte zu verteidigen. „Ich will nicht, daß Italien in fremde H ä n d e kommt, denn es gehört mir", sagte Maximilian einem französischen Gesandten und bezeichnete damit die Grundlinie seiner gesamten Außenpolitik. Mit dem Zug Karls VIII. nach Neapel begann jener jahrhundertelange Kampf um Italien, den die Habsburger zunächst im Rahmen des Reiches und später als Katholische Könige auch von Spanien aus gegen Frankreich führten. U m diese italienischen Kriege sollte sich das europäische Staatensystem der Neuzeit f ü r lange Zeit ordnen. Maximilian hatte wohl gehofft, daß der König von Frankreich, durch den 15jährigen niederländischen und bretonischen Krieg ermüdet, einige Jahre Ruhe brauchen werde. Er mochte auch hoffen, sein Bündnis mit Ludovico M o r o werde ausreichen, die Reichsrechte in Italien während des geplanten Türkenkrieges zu sichern. N u n mußte er mitansehen, wie 30.000 französische Reisige und Knechte die Alpen überschritten und in der Lom-
Der Italienzug Karls VIII. Die Heilige Liga von Venedig
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bardei erschienen (1494), wie H e r z o g Ludovico mit ihnen geradezu gemeinsame Sache machte, und wie gleichzeitig eine starke französische Flotte gegen Neapel in See stach. Florenz öffnete den Franzosen die Tore, die mit fliegenden Kreuzzugsfahnen feierlich Einzug hielten. Mit einem Jubel ohne gleichen fiel ihm ganz Italien zu Füßen. Uber die Reichsrechte in Florenz, Pisa und Siena setzte sich Karl VIII. glatt hinweg. Gegen den Willen Alexanders VI. betrat er Rom, verständigte sich aber mit dem erschrockenen Papst und zwang ihn, den Türkenprinzen Dschem, einen Bruder Bajezids, auszuliefern, den der König als Prätendenten gegen den Sultan auszuspielen gedachte. Binnen weniger Monate hatte Karl VIII. die Apenninenhalbinsel durchstürmt, zog als Sieger in Neapel ein und unterwarf sich ganz Unteritalien. Der buckelige, aber ehrgeizige, kleine König trat in Italien auf, als wäre er der Nachfolger Karls des Großen und der „capo del mondo". Die Italiener sahen in ihm den großen Retter, und nur wenige erkannten, daß die Zeit der Fremdherrschaft begonnen hatte. Würde Karl, der schon den Papst gedemütigt hatte, vielleicht auch das Römische Kaisertum f ü r sich fordern, nachdem er das byzantinische Kaiserreich bereits durch eine feierliche Zeremonie in Besitz genommen hatte? Maximilian fühlte sich durch den französischen Uberfall herausgefordert und entschloß sich zum Widerstand, hielt aber vorsichtigerweise weiterhin Verbindung mit dem siegreichen König, bis der Abschluß der Heiligen Liga sicher war. Während sich die Franzosen in Neapel und Unteritalien f ü r eine dauernde Herrschaft einrichteten, suchten der Papst, Maximilian und Spanien die europäischen Großmächte zu einem Schutz- und Trutzbündnis gegen Frankreich zu einigen, das die „Ruhe Italiens, die Würde und die Rechte des Heiligen Stuhles und des Römischen Reiches wiederherstellen" und sichern sollte. Dem Eroberungsdrang Karls VIII. wurde der Grundsatz des Gleichgewichtes der Mächte entgegengestellt, der nun von der Staatenwelt Italiens auf ganz Europa übertragen wurde, wo er im Lauf der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte seine klassische Gestalt gewann. An die Stelle des universalen Kaisers als des gottgesandten Friedenswahrers in der christlichen Welt trat nun das Gleichgewicht der Mächte; man könnte darin den Beginn der Neuzeit der Staatenwelt erkennen. Maximilian sah sich außerstande, dem kriegsgewaltigen Frankreich allein, nur mit den Hilfsmitteln des Reiches, entgegenzutreten und wandte sich daher zunächst an die Könige von Spanien, mit denen er damals gerade seine hochpolitische Doppelheirat aushandelte. Karl VIII. wurde indes durch unverbindliche Verhandlungen, vage Versprechungen und freundliche Briefe hingehalten. Erst später gab Maximilian zu verstehen, daß er den Vorstoß gegen Neapel als Angriff gegen das Reich betrachte. Der Papst, Maximilian und die Spanier rückten nun immer enger zusammen. Alexander VI. gestattete, daß in St. Peter „für den erwählten Kaiser Maximilian, den Vogt der Kirche" feierlich gebetet werde; den spanischen Königen aber verlieh er, um
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ihren Eifer zur Verteidigung des Heiligen Stuhles anzufeuern, den Ehrentitel „Katholische Könige". Als sich Karl VIII. Rom näherte, begannen die Gesandten der europäischen Mächte in „Venedig die Köpfe zusammenzustecken" (Commines) und zu beraten, wie man die Franzosen aufhalten und aus Italien vertreiben könne. Die spanischen Gesandten warfen als erste den Franzosen offen den Fehdehandschuh hin und rissen alle anderen mit. In Capua starb auf geheimnisvolle Weise der Türkenprinz Dschem; Cesare Borgia, der Sohn des Papstes, verschwand unvermutet aus dem Lager. Bedenkliche Vorzeichen. Auch Ludovico Moro, der die Franzosen zu Hilfe gerufen hatte, begann sich bald von ihnen abzusetzen und der Liga anzuschließen. Die päpstliche Autorität aber gab den Verhandlungen großen Auftrieb und dem folgenden Bündnis den Namen einer „Heiligen Liga". Die Verhandlungen schritten sehr rasch voran, nicht zuletzt beflügelt von den fast täglich eintreffenden französischen Siegesmeldungen aus Unteritalien. Während sich Maximilian, Spanien und Mailand die Liga als ein mächtiges Angriffsbündnis dachten, um Frankreich nicht nur aus Italien zu vertreiben, sondern auch innerhalb seiner Grenzen zu „vernichten", gelang es den klugen Venezianern, der Liga den Charakter eines reinen Verteidigungsbündnisses zu geben. Die gemeinsamen Angriffspläne wurden in weniger verbindlichen Geheimklauseln untergebracht. Venedig wünschte nicht, anstatt der gegenwärtigen französischen Vormacht eine spätere Hegemonie des künftigen Kaisers oder Spaniens zu fördern. Am 31. März 1495, spät nachts, wurde das schwierige Vertragswerk der Heiligen Liga im Dogenpalast zu Venedig unterzeichnet und anderntags dem niedergeschlagenen französischen Gesandten, dem berühmtem Geschichtsschreiber Commines, mitgeteilt. Er war erschüttert und dachte nur an die gefährliche Lage seines Königs: Wenn ihm die Deutschen und Venezianer auf dem Rückzug mit ihren Armeen entgegentraten, war er verloren. Aber die Franzosen hatten Glück: der deutsche Reichstag, der eben in Worms seine ersten Sitzungen abhielt, besaß nicht den politischen Weitblick, die Gunst der Stunde militärisch zu nützen. Die Artikel der Liga verpflichteten die Bundesgenossen für 25 Jahre zu genau festgesetzten Hilfeleistungen gegen jeden Angreifer, womit unausgesprochen der König von Frankreich gemeint war. Wie stets gab man aber vor, daß sich der Vertrag in erster Linie gegen die Türken richte. Einen bedeutenden Verhandlungserfolg seiner Gesandten sah Maximilian darin, daß die gesamte Liga den Romzug des künftigen Kaisers zu unterstützen versprach. Als es dazu kam, war freilich alles vergessen. Die Heilige Liga war die erste große außenpolitische Entscheidung des jungen Königs und die Antwort auf den französischen Uberfall auf Neapel; sie hatte den Italienzug Maximilians von 1496 und die Italienkriege von 1508 —1516 zur Folge. War die Entscheidung richtig? Hätte der künftige Kaiser besser getan, sich jedes Eingriffs in Italien zu enthalten? Wäre dies überhaupt möglich gewesen zu einer Zeit, da fast alle europäischen Mächte,
Der Italienzug Karls VIII. Die Heilige Liga von Venedig
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selbst die kleine Eidgenossenschaft, sich in Italien festsetzten? Dies wäre einer Abdankung des Reiches, einem Verzicht auf seine traditionellen Rechte gleichgekommen. Der Römische König konnte auch auf die reichen Einkünfte Reichsitaliens kaum verzichten, wo ihm Mailand allein mehr an Hilfsgeldern einbrachte, als das ganze Deutsche Reich an Steuern leistete. Italien wurde für die europäischen Großmächte wieder ein zentrales Problem und blieb es durch dreihundert Jahre; als solches hat es Maximilian klar erkannt. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Botschaft vom Abschluß der Liga das französische Heer in Neapel, wo Bacchus und Venus seit Wochen hemmungslose Orgien feierten, und eine neuartige Lustseuche (Syphilis) ihre Opfer massenweise ergriff. König Karl mußte an raschen Rückzug denken, denn die Spanier landeten in Unteritalien, und die Venezianer besetzten die apulischen Küstenstädte; außerdem mußte man annehmen, daß Maximilian, Mailand und Venedig den Rückmarsch durch die Lombardei sperren würden. Aber das Reich, von dessen Eingreifen Commines das Allerschlimmste befürchtete, und der Wormser Reichstag verweigerten der Liga jede wirksame Hilfe und ließen den König von Frankreich unbehindert zurückmarschieren. Unter dem Vorwand, daß zuerst Reformfragen gelöst werden müßten, ehe man Italien Hilfe gewähren könne, hielt man den Römischen König während dieser 14 weltgeschichtlich entscheidenden Wochen in Worms fest. Dem französischen Gesandten Commines schien es sicher, daß Karl VIII. Frankreich nie wieder gesehen hätte, wenn es Maximilian möglich gewesen wäre, mit stärkeren deutschen Truppen einzugreifen. Man wird ohne Ubertreibung sagen können, der Wormser Reichtag habe Karl VIII. und sein Heer gerettet. Die Ligamächte mußten erkennen, daß die Reichsfürsten Maximilian daran hinderten, den Verpflichtungen des Vertrages von Venedig nachzukommen, und daß ein Bündnis mit Maximilian wenig Vorteil brachte. Karl "VIII. konnte unbehindert die Apenninenpässe überschreiten, „wo einige Geschütze genügt hätten, die französische Armee aufzuhalten" (Commines). Durch den Sieg bei Fornuovo konnte er den Durchmarsch durch die Lombardei erzwingen und, durch einen französischen Vorstoß gegen Novara entlastet, die französischen Alpen erreichen. Venedig und Mailand allein waren zu schwach, ihn aufzuhalten. Das Reich hatte eine nie wiederkehrende Gelegenheit verstreichen lassen, seine alten Rechte in Italien wiederherzustellen; wer solche Gelegenheiten versäumt, wird von der Geschichte überrollt; denn die Macht ist gewalttätig wie die Natur. Herzog Ludovico, der bereits im Mai die Investitur des Reiches für das Mailänder Herzogtum erhalten hatte, vollbrachte ein neues Meisterstück seiner Schaukelpolitik: er Schloß nun mit dem zurückmarschierenden König von Frankreich den Frieden von Vercelli (Oktober 1495) und setzte sich damit über den Ligavertrag einfach hinweg. „Es wäre um Italien geschehen gewesen", wenn er diesen Vertrag nicht eingegangen wäre, entschuldigte sich
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Moro immer wieder. Als die Franzosen über die Alpen abgezogen waren, kehrte er sofort wieder an die Seite der Liga zurück. Der Zustand der Unsicherheit und des „Wechselfiebers" hielt sich in Italien auch nach dem Abzug König Karls, zumal er immer wieder versicherte, er werde bald zurückkehren, was die Bundesgenossen veranlaßte, die Liga weiterhin am Leben zu erhalten; vor allem versuchte man, Maximilian und die Reichsstände für einen Italienzug zu gewinnen, um das Land gegen einen neuen französischen Überfall zu schützen.
Die spanischen
Heirats-
und
Bündnisverträge
Aus dem Streit der Mächte um Italien entstand nach jahrelangen Verhandlungen, die König Ferdinand von Aragon eifrig vorangetrieben, Maximilian aber vorsichtig und zurückhaltend geführt hatte, jene berühmte habsburgisch-spanische Doppelheirat, die folgenreichste dynastische Verbindung der Neuzeit, die das „Jahrhundert des Hauses Osterreich" (Lhotsky) und den habsburgischen Universaldominat in Europa begründen sollte. Die Verbindungen mit Spanien wie mit England hatten ihren Ursprung in Burgund und gehörten zum Wesen des niederländischen Bündnissystems. Spanien, Burgund und England hatten einen gemeinsamen Feind: Frankreich, das seit dem Ende des Hundertjährigen Krieges mit frischer Kraft seinen „natürlichen Grenzen", den Pyrenäen, den Alpen, der Maas, der Scheide und dem Rhein zustrebte. Im niederländischen Erbfolgekrieg und in den Kämpfen um die Bretagne hatte Maximilian an Spanien und an England Bundesgenossen gefunden. Daher wollte er schon 1487 selber eine spanische Prinzessin heiraten; aber die spanischen Könige drängten auf eine aussichtsreichere Heiratsverbindung mit Maximilians Kindern. Nachdem Karl VIII. seine Braut, Erzherzogin Margarethe, die Tochter Maximilians, verstoßen hatte, wurde eine habsburgische Doppelheirat aussichtsreicher, aber Maximilian scheute vor einer allzu einseitigen Bindung seiner Kinder an die Weststaatspolitik lange Zeit zurück, denn auch eine Heiratsverbindung nach dem Osten sollte möglich bleiben, wenn ihm auch der Westen besonders wichtig erschien. Der Uberfall Karls VIII. auf Italien gab den Heiratsverhandlungen mit Spanien eine entscheidende Wendung. Maximilian zeigte sich nun auch mit einer Doppelheirat einverstanden, die außerdem den Vorteil hatte, daß sich die Mitgiften aufhoben und beiden Seiten nichts kosteten. Als Karl VIII. im Spätsommer 1494 die Alpen überschritt, waren die Vorverhandlungen bereits beendet: die spanischen Königskinder, Don Juan und Donna Juana, sollten Maximilians Kinder, Margarethe und Philipp, heiraten. Der französischen Politik war es nicht gelungen, diese für Frankreich so bedrohliche Verbindung zu verhindern. Es bereitete Maximilian offenbar große Genugtuung, seine von Karl VIII. schwer gekränkte Tochter mit den Königskronen Spaniens entschädigt zu sehen. Ende Oktober 1494 rühmte
Heirat Philipps des Schönen mit Juana von Spanien (1496). Die spanische Hochzeit im Triumph. Spanien war das edelste „Beutestück" der kaiserlichen Politik. Der Außau wird von herrlich geschmückten Hirschen getragen, was symbolisch zu verstehen ist: der Hirsch ist nicht nur eines der edelsten jagdbaren Tiere; er bedeutet in der Zeichensprache der Zeit Glaube, Hoffnung und Liebe. Holzschnitt von H. Springinklee aus dem Triumph.
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Petrus Martyr bereits die bevorstehende Doppelhochzeit und — wie eine Zukunftsvision — die Wunder der neuentdeckten Welt. Der Uberfall Karls VIII. auf Italien hatte nicht nur die Liga von Venedig, sondern auch die habsburgisch-spanischen Bündnis- und Heiratsverträge und damit jene Einkreisung herausgefordert, die den französischen Staat durch Jahrhunderte gefährlich bedrohen sollte. Bereits im Jänner 1495 konnte Maximilian zu Antwerpen den grundlegenden Vorvertrag unterzeichnen. Zugleich schlossen beide Parteien einen ewigen Freundschaftsbund und versprachen, einander in Italien mit voller K r a f t zu unterstützen. Erzkanzler Berthold von Mainz war zu den entscheidenden Verhandlungen und zur Unterzeichnung des Vertrages beigezogen worden, der nicht nur familienrechtliche Verbindlichkeit haben, sondern auch das Reich auf die gemeinsame Politik mit Spanien — vor allem in Italien — verpflichten sollte. Die Arenga des Vertrages verkündete, er sei zur Ehre des Erlösers, zur Erhaltung und Mehrung der christlichen Religion, des Friedens der gesamten Christenheit und zur Erhaltung der bestehenden O r d n u n g unter den christlichen Staaten geschlossen worden. Die Idee des mittelalterlichen Kaisertums, des katholischen Königtums und ihrer universalen Berufung, die Erhaltung ihrer Königreiche, Länder und Häuser klingt auch in der Präambel dieses Vertrages an, der per omnia saecula saeculorum dauern sollte. In der T a t begründete dieser Vertrag ein außenpolitisches System, das die europäische Politik durch zwei Jahrhunderte bestimmen sollte, obwohl er von Maximilian zunächst mit vielen inneren Vorbehalten hingenommen wurde. Der König hielt daher die Ratifikation dieses schwerwiegenden Vertragswerkes lange Zeit vorsichtig zurück, zumal es über das Erbrecht in den burgundischen Ländern noch mancherlei Meinungsverschiedenheiten gab: Maximilian wollte verhindern, daß die Spanier ein Erbrecht auf die deutschen Reichslehen der Niederlande gewannen; es sollte auf die französischen Kronlehen beschränkt bleiben: „Man könne den Spaniern wohl die datierten Heiratsurkunden aushändigen, solle es aber an den sakramentalen Worten fehlen lassen; so schaffe der Vertrag zunächst keine gültige Ehe", empfahl Maximilian seinen Kindern. Aber die Spanier trieben den Abschluß mit großzügigen Angeboten und viel Geld rascher voran, als es Maximilian recht war. Am 5. November 1495 wurde zu St. Peter in Mecheln die Ehe in Stellvertretung abgeschlossen, wobei der spanische Gesandte Francisco Rojas die spanischen Königskinder vertrat. Es war eine nach den Gesetzen der Kirche gültige Ferntrauung, die allerdings erst durch den persönlichen Vollzug unauflöslich wurde. Wegen der Verzögerungen durch den Italienzug war es Erzherzog Philipp erst im O k t o b e r 1496 möglich, auch das Beilager mit Juana zu Lierre in den Niederlanden zu vollziehen. Erzherzogin Margarethe feierte gar erst im April 1497 zu Burgos in Spanien Hochzeit und Beilager — mit märchenhaftem Prunk, wie venezianische Gesandte ausführlich berichten. Aber schon nach einem halben Jahr starb der Infant Juan an Auszehrung, wie man sagte. Sein T o d — er hatte die junge Liebe angeblich über alles M a ß genossen — galt der Familie als warnendes Beispiel.
Englische Politik
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Es schien zunächst, als sollte Portugal die spanische Monarchie erben. Aber binnen dreier Jahre geschah etwas völlig Unerwartetes. Der Reihe nach starben alle Thronanwärter und das Nachfolgerecht in allen spanischen Ländern der alten und neuen Welt fiel auf Juana und Erzherzog Philipp. Als Juana im Februar 1500 einen Sohn gebar, schienen die Erbfolge und der habsburgische Universaldominat fürs erste gesichert, was aber beim Abschluß der Heiraten niemand hatte ahnen können. Man taufte ihn nach dem burgundischen Urgroßvater Karl, denn der Name Maximilians war wenig volkstümlich. Freilich bedurfte es langer und zäher diplomatischer Anstrengungen, diese Erbfolge gegen den Widerstand König Ferdinands auch durchzusetzen.
Englische
Politik
Mit der spanischen war die englische Politik Maximilians damals auf das engste verknüpft. Wenn man Frankreich in Schranken halten wollte, bedurfte man Englands, das seit dem Hundertjährigen Krieg noch immer gewisse Teile Frankreichs für sich in Anspruch nahm und gegebenenfalls auch über die Mittel verfügte, diese Ansprüche zu verfechten. Karl der Kühne hatte in dritter Ehe Margarethe von York, eine Schwester König Eduards IV. von England, geheiratet und an der Seite der Weißen Rose gegen Frankreich gekämpft. Auch Maximilian sah im englischen Bündnis eine Gewähr für die Erhaltung seines gefährdeten burgundischen Erbes und unterstützte sogar Richard III. von York als Bundesgenosse, obwohl er des Thronraubes bezichtigt wurde. Erst als Heinrich VII. Tudor in England landete, Richard III. schlug und das Haus York vernichtete, kam es zum Bruch mit England. Maximilian stellte Heinrich VII. Tudor — zunächst wohl guten Glaubens — einen gewissen Perkin Warbeck als Prätendent gegenüber, der sich als Richard von York ausgab und angeblich dem Mordanschlag seiner Feinde entkommen war. Der Schwindler verstand es, viele Anhänger und politische Flüchtlinge unter den Fahnen der Weißen Rose zu sammeln und sogar die HerzoginWitwe Margarethe, eine Todfeindin des Hauses Tudor, und bald auch Maximilian und Philipp für sich zu gewinnen. Bei den Begräbnisfeierlichkeiten für Kaiser Friedrich III. in Wien trat Perkin Warbeck vor den Gesandten Europas und den deutschen Fürsten das erste Mal öffentlich als „König von England" auf. Der Prätendent sollte nach den Plänen Maximilians in England landen, die Krone an sich reißen, in die Heilige Liga eintreten, Frankreich angreifen und vernichten helfen und sich zum König der vereinigten Reiche von England und Frankreich aufwerfen. Maximilian und Erzherzog Philipp waren so zuversichtlich, daß sie für den falschen York bereits eine Flotte und ein Heer ausrüsteten. Was den Räten des Innsbrucker Regimentes phantastisch vorkam, schien Maximilian, der in den Ideen des burgundischen Bündnissystems dachte, naheliegend, ja, selbstverständlich.
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Spanien, das weiterhin auf die Tudor setzte, und Maximilian mit Heinrich VII. aussöhnen wollte, konnte lange Zeit nichts ausrichten. Als Perkin Warbeck im Sommer 1495 in England zu landen versuchte, wurde er mit leichter Mühe zurückgeschlagen; er wandte sich nach Irland und Schottland, um von dort aus seine Unternehmungen zu wiederholen, die aber alle fehlschlugen. Der Römische König aber hielt am Prätendenten fest. Zwar wurde Heinrich VII. schließlich auf gemeinsamen Wunsch aller Bundesgenossen in die Liga aufgenommen (Juli 1496), ohne aber deren Hoffnungen und Wünsche zu erfüllen. Heinrich VII., ein großer Liebhaber des Geldes, zog Neutralität und allgemeinen Frieden jedem kriegerischen Abenteuer vor; er möchte „als Zuseher Zeuge der Wunder werden, welche der Römische König noch wirken wolle", spottete er; denn er hielt die Kriegspolitik der Liga gegen Frankreich für aussichtslos. Der Abenteurer Warbeck, dessen Schicksal sogar die dichterische Phantasie Schillers anregte, endete nach wiederholten Niederlagen und nach langer Gefangenschaft auf dem Galgen. Erzherzog Philipp, der den Hochstapler schon lange aufgegeben hatte, schloß nun mit England endgültigen Frieden. Anders Maximilian: als ein neuer, diesmal echter Prätendent, der Graf von Suffolk, gegen Heinrich VII. Tudor auftrat, nahm ihn der Römische König wieder in seinen Schutz. Es bedurfte noch jahrelanger Verhandlungen und vielen englischen Geldes, bis das tiefsitzende Mißtrauen Maximilians gegen das Haus Tudor überwunden war.
Maximilians
Italienzug. „Der große Plan"
Seit dem Abschluß der Heiligen Liga verfolgte Maximilian vor allem ein Hauptziel, den Krönungszug nach Rom; damit begann die neue Kaiserpolitik in Italien. Nachdem ihn der Wormser Reichstag durch fünf Monate festgehalten hatte, drängte der König nun auf ein gemeinsames Unternehmen der Liga, das Frankreich vernichten, die Reichsrechte in Italien wiederherstellen und mit der Kaiserkrönung die „Universalherrschaft" begründen sollte. Aber gerade unter den weltlichen Fürsten gab es nicht wenige, die Italien, Rom und die Kaiserkrone am liebsten preisgegeben hätten. Auch die Italiener waren an einer Reichshilfe nur so lange interessiert, als sie sich von Frankreich unmittelbar bedroht fühlten. Nach leidenschaftlichen Auseinandersetzungen hatten die Reichsstände in Worms eine recht bescheidene Kriegshilfe „zur Rettung Italiens" zugestanden: Man schickte zunächst ein deutsches Hilfskorps nach Mailand, konnte aber nicht verhindern, daß sich Ludovico Moro im Frieden von Vercelli mit dem König von Frankreich ausglich. Zeigten sich die Reichsstände mit Geld und Truppenhilfe äußerst zurückhaltend, so suchten dafür die Ligamächte, allen voran Mailand und Venedig, aber auch der Papst, Spanien und Neapel, den König mit großzügigen Versprechungen für einen Italienzug zu gewinnen. Zwar hatte Frankreich
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unter dem Druck der Liga 1495 die Halbinsel wieder verlassen müssen, aber die französische Bedrohung schien unvermindert anzudauern. Maximilian sah in Italien — außer den traditionellen Reichsrechten — seinen Geldschrein, sein Arsenal, ja, das „Herz des Reiches" und damit sein politisches Hauptanliegen. „Italien gehört mir", pflegte er zu sagen. Er wolle Italien dem Reich einverleiben, behaupteten die Spanier. Lieber wolle er Burgund verlieren als Italien, sagte Maximilian selber immer wieder. Er versuchte seine Deutschen zu überzeugen, daß der kaiserliche Vorrang und die Herrschaft über die christliche Welt auf dem Besitz Italiens beruhten. Nach langwierigen diplomatischen Vorbereitungen und schwierigen Kreditoperationen mit Venedig und Mailand, die sich länger als ein Jahr hinzogen und doch nur gegen 60.000 Dukaten Kriegshilfe in Aussicht stellten, begann Maximilian fast ohne Geld seine Rüstungen. Die Reichsstände hatten sich zwar angesichts des französischen Uberfalls zu einer Kriegshilfe entschließen müssen; einen Beitritt zur Heiligen Liga aber lehnten sie — entgegen allen Aufforderungen Maximilians, des Papstes, Spaniens, Venedigs und Mailands — beharrlich ab, obwohl einige Kurfürsten und Fürsten offen zugaben, daß die Liga eine gute Sache sei; aber sie fürchteten mit Recht, daß Erfolge ihres Königs in Italien seine Stellung innerhalb des Reiches zu ihrem Nachteil verstärken müßten. Maximilians Hoffnung auf den Gemeinen Pfennig, auf die insgesamt 250.000 Gulden Eilender und Währender Hilfe, die der Reichstag schon im vergangenen Jahr auch für Italien bewilligt hatte, erwies sich als hinfällig, denn von der Steuer kam zunächst nicht viel herein. Der Gemeine Pfennig war auf dem Wormser T a g zwar bewilligt worden, aber er wurde von den meisten Reichsständen nicht bezahlt — dies, obwohl es um den Römerzug und um die Kaiserkrönung ging, was zu den ältesten Hilfsverpflichtungen des Reiches gehörte. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Es handelte sich um einen offensichtlichen Akt des reichsfürstlichen Widerstandes, wie er aus den Spannungen des Verfassungskampfes zu verstehen ist. Maximilian konnte zunächst nur den Gemeinen Pfennig aus seinen österreichischen Ländern eintreiben, den er nicht dem Reich zuleitete, sondern unmittelbar für die Rüstungen verbrauchte, was ihm die Reichsstände später beharrlich vorhielten. Nicht wenig Geld brachten die Verpfändungen des österreichischen Kammerguts, insbesondere der Tiroler Silber- und Kupferbergwerke an die Fugger und andere süddeutsche Firmen. Auch die Judenaustreibungen aus Innerösterreich ließ sich Maximilian durch hohe Summen ablösen. Gleichwohl war seine Finanzlage so beklemmend, daß er nicht einmal den Hofstaat seiner Frau bei den niederländischen und deutschen Wirten auslösen konnte. Maximilian mußte bald erkennen, daß er mit einem gerüsteten Reichsaufgebot und mit einer Steuerhilfe des Reiches für den kommenden Italienzug nicht rechnen konnte. Vergeblich war der Appell an die Romzugsverpflichtung der Fürsten; diese Tradition war vergessen. Der König konnte nur mit der Heiligen Liga rechnen, die ihm half, Italien gegen die Franzosen zu
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verteidigen. Außerdem hoffte er auf Erzherzog Philipp und Burgund; aber der Widerstand des burgundischen Rates gegen einen Krieg mit Frankreich war unüberwindlich. Ohne Abschiedsgruß verließ Maximilian Augsburg, wo er seinen Sohn empfangen und mit den Vertretern des Reiches und der Liga verhandelt hatte. Er eilte nach Tirol, um mit den Hilfsgeldern aus Mailand und Venedig den Aufmarsch seiner wenigen Truppen zu vollenden. Seinen widerstrebenden Räten ließ er sagen, „er liebe zwar den Frieden, aber ein Friede mit Frankreich sei nur durch den Krieg zu gewinnen." Auch in Innsbruck gab es große Enttäuschungen: die Kassen waren so gut wie leer. Nicht ohne Überstürzung befahl Maximilian die Einrichtung einer „österreichischen Schatzkammer", die als oberste Finanzbehörde den letzten lockeren Pfennig aus den österreichischen Ländern und aus dem Reich herausholen sollte. Aber die Hilfsmittel der österreichischen Länder waren durch den langen Krieg erschöpft. Maximilian hatte dafür wenig Verständnis: „Der König von Frankreich hole sich von seinen Bauern das Getreide von den Feldern weg, wenn sie ihre Steuern nicht zahlten." Rücksichtslos forderte er von den Innsbrucker Regenten 258.000 Gulden für den Krieg, obwohl man ihm beteuerte, daß die Kammer gegenwärtig so gut wie bankrott sei. Von politischer Durchschnittsvernunft ließ sich Maximilian selten leiten. Seine kühne politische Phantasie war gewohnt, alle Realitäten zu überspringen: er führte den Gesandten seine Geschütze vor, sprach von 14.000 Reitern und Knechten, die er nach Italien führen wolle; er brenne auf den Kampf mit dem König von Frankreich und auf die Kaiserkrönung in Rom. So versuchte er, allenthalben Zuversicht zu verbreiten. Maximilian wußte, daß dem Unternehmen die finanzielle Grundlage völlig fehlte; aber er hoffte auf die unerschöpflichen Bargeldmittel Italiens. Ende Juli 1496 traf er sich mit dem Herzog von Mailand, dem Nuntius sowie den Gesandten Venedigs, Spaniens und mehrerer italienischer Fürstenstaaten in Mals und Glums, im oberen Vinschgau. Der kaiserliche Hofstaat machte den Italienern einen armseligen Eindruck: „Alles ist in schlechtem Zustand." Die Gesandten wurden über mehrere Orte verteilt, damit sie weniger Ränke spinnen konnten. Maximilian streute Gerüchte und Optimismus aus, um die Diplomaten kriegsbereit zu stimmen. Er forderte klare Artikel für die gemeinsame Führung des Krieges sowie für den Abschluß des Friedens und fand damit allgemeine Zustimmung. Die Venezianer aber hielten sich von Anfang an auffallend zurück; nur für den Fall eines neuerlichen französischen Überfalls wünschten sie den Römischen König in Italien; man habe aber erfahren, daß die Franzosen heuer zu Hause bleiben würden, daher solle auch Maximilian Italien meiden und lieber von Burgund aus angreifen. Der Kriegs- und Friedensplan, den Maximilian der Versammlung vorlegte, sollte ganz Europa zu einem Vernichtungskrieg gegen Frankreich sammeln und das Königreich unter die Angreifer aufteilen. Maximilian versprach, 20.000 Mann nach Italien zu führen und dort „kaiserliche Taten zu setzen". Ebenso sollten die Könige von Spanien mit 20.000 Mann über die Pyrenäen hinweg Frankreich angreifen; Neapel sollte 10.000 Mann stellen,
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Venedig und Mailand ebensoviel; der Papst 5.000. Insgesamt war auf dem Papier eine Kriegsmacht von 75.000 Streitern vorgesehen, die Frankreich gleichzeitig, von allen Seiten überfallen sollten. Dies war der sogenannte „große Plan", und die völlige Vernichtung Frankreichs das Ziel. Das Königreich sollte buchstäblich zerstückelt und in jenen Binnenstaat zurückverwandelt werden, den es während des Hundertjährigen Krieges zeitweilig gebildet hatte; selbst die Absetzung der gegenwärtigen Dynastie wurde offen erwogen. Es war ein maßloser, ungeheuerlicher Plan, geboren aus dem Haß der Burgunderkriege gegen Frankreich; zumal aus jenem tiefgründigen Haß, den Maximilian seit dem sogenannten „Brautraub" in sich trug. „Er möchte den Franzosen auf die Gurgel steigen, möchte ihnen die Flügel stutzen, möchte ihnen den Schädel einschlagen", äußerte er zum venezianischen Gesandten. Dieser „große Plan" und die Kriegs- und Friedensartikel von Mals gingen den Bundesgenossen offenbar viel zu weit: nur Schutz und Hilfe gegen ein übermächtiges Frankreich im Sinne des Gleichgewichtes wünschten sie; keinesfalls sollte die französische Vorherrschaft in Italien durch eine allzu straffe Reichsherrschaft abgelöst werden. Die Gesandten suchten sich mit Erfolg auf weitere Beratungen auszureden. Vor allem Venedig trat offen gegen diese Kriegspläne auf und empfahl dem König — zwar vorsichtig, aber deutlich —, Frankreich von Burgund aus anzugreifen. Anders der Herzog von Mailand und der Nuntius: sie luden Maximilian mit allgemeinen Versprechungen ein, sofort nach Italien zu kommen, ohne indes nähere Verpflichtungen einzugehen; er werde dort alles finden, was er brauche. So ließ sich Maximilian durch Versprechungen zu einem Krieg fortreißen, wofür ihm gegenwärtig Geld und Truppen völlig fehlten. Man hatte sich in Mals weder auf einen Feldzugsplan, noch über das Geld durch einen festen Vertrag einigen können. „Wenn er auf einem Esel kommen müßte", er wollte sofort nach Italien. Was mag Maximilian bewogen haben, trotz Mangels an Geld und Truppen nach Italien zu ziehen? Zweifellos die uralte Tradition der Römerzüge und der Kaiserkrönung durch den Papst und der Überfall des Königs von Frankreich auf Italien. Die Gelegenheit schien gegenwärtig insofern günstig, als ihm die Liga jene Hilfe versprach, die ihm das Reich stets versagte. Würde ein so großes Bündnis gegen Frankreich je wieder Zustandekommen? Der König fühlte sich seinen Bundesgenossen durch den Ligavertrag und durch seine königliche Ehre verpflichtet, „die ihm mehr bedeutete als das Leben." Ein Rückzug in diesem Augenblick hätte das Ansehen des Römischen Königs unter den Mächten schwer erschüttern müssen, wie ihm die italienischen Gesandten öfter zu verstehen gaben. Maximilian hatte die Gefahren dieses Unternehmens ein ganzes Jahr lang abgewogen und wohl kaum unterschätzt: es war ein Glücksspiel. Er legte es darauf an, den Kriegsbrand gegen Frankreich an einem Ende des Königreichs zu entzünden, dann den ringsum angehäuften Zündstoff zum allgemeinen Brand anzufachen, der den französischen Staat verzehren sollte. Auf
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sein bloßes Erscheinen hin — so hoffte der König, und so redete es ihm vor allem Ludovico Moro ein — würden die Italiener mit eigenen Mitteln die Reste der Franzosen von ihrer Halbinsel vertreiben, Florenz der Liga unterwerfen, Pisa befreien und die Alpenpässe sichern. Maximilian wollte von Genua aus mit italienischen Schiffen und Truppen nach Frankreich übersetzen, in der Provence landen und damit das Zeichen zum allgemeinen Uberfall geben. Von allen Seiten sollten nun Deutsche, Italiener, Spanier und Burgunder gegen Paris marschieren und den Wüstungskrieg in das Herz Frankreichs tragen; vielleicht würden sich nach den ersten Erfolgen auch die Engländer und die deutschen Reichsfürsten zur Aufteilung der Beute einfinden. So hoffte Maximilian, ohne größere eigene Mittel ganz Europa in diesen Vernichtungskrieg gegen Frankreich hineinzureißen. Dies war der „große Plan", der Maximilian seit den Tagen des burgundischen Erbfolgekrieges beschäftigte und immer wieder verblendete — ein haßerfüllter Plan, zu klug gesponnen, viel zu weiträumig, von allzu vielen Zufällen abhängig, vor allem zu ungeheuerlich, als daß er hätte gelingen können. Es ist der Kriegsplan des Barbarossa in der Flugschrift vom „Traum des Hermansgrün", der auch die deutschen Reichsstände mitreißen sollte. Noch Karl V. wird vom „großen Plan" des Marsches auf Paris träumen. Zum Abschluß der Verhandlungen führte der König seinen Gästen am Fuße des Wormser Joches eine große Treibjagd vor. Während die Gäste von unten aus zusahen, trieb er das Wild durch die Felsenwände, als ob es durch ebenes Gelände ginge. „Den Zuschauern wurde zeitweise schwarz vor den Augen", berichtet ein Mailänder. Zum Schluß wurden die Gemsen von allen Seiten zusammengetrieben, in dichten Rudeln an den Gästen vorbeigehetzt und vor ihren Augen von den Hunden zerrissen. Maximilian sah den Krieg gerne in der Jagd vorgebildet: so sollte es den von der Liga rings umstellten Franzosen gehen. Schon vor einem Jahr hatte er den Krieg gegen Frankreich als „große Gemsenjagd" angekündigt: das Jagdgeschrei werde in den Ohren aller „bösen Christen", damit meinte er die Franzosen, widerhallen. Der König traf sich nochmals mit seinem Sohn, um auch die Niederländer auf den Krieg gegen Frankreich zu verpflichten und den eben zusammentretenden Lindauer Reichstag an die in Worms beschlossene Kriegshilfe erinnern zu lassen. Alles vergebens. Von Burgund war nichts zu erwarten. Der Reichstag antwortete dem König nicht einmal auf seine Hilferufe. Kein Reichsstand erschien gerüstet auf dem Sammelplatz. Maximilian blieb ganz auf Italien und auf die fernen Spanier angewiesen. Die Venezianer prahlten überheblich und ohne jede Ursache, der Kaiser komme als ihr Condottiere nach Italien. Karl VIII. war klug genug, sich angesichts der Kampfbereitschaft der Liga jeder Angriffshandlung zu enthalten, die augenblicklich einen Überfall ganz Europas hätte auslösen können. Vielmehr beteuerte er immer wieder seine friedliche Gesinnung und schrieb der Reichsversammlung und dem Erzkanzler, daß er niemals daran gedacht habe, die Kaiserkrone, Reichsoder Kirchenrechte in Italien an sich zu bringen. Dies war für Venedig das
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Zeichen, auch den Römischen König — noch dringender als bisher — von seinem Italienzug abzuhalten und die versprochenen Hilfsgelder zu verzögern, was ihm während der nächsten Wochen große Sorgen bereitete. Nicht leicht hätte es ein anderer gewagt, sich ohne ausreichende eigene Macht ganz der Hilfe der Bundesgenossen anzuvertrauen. Maximilian aber hielt die Gesamtlage doch für so günstig, daß er das große Abenteuer wagte: „Jetzt lasse sich mit einem Gulden mehr erreichen, als später mit deren zehn", sagte er öfter und träumte von Erfolgen, „wie sie seit hundert Jahren nicht mehr errungen wurden." Kein Zweifel, daß ihm auch Haß und Rache die Augen trübten. Ende August 1496 zog Maximilian über die Alpen in die Lombardei. Er hatte nur etwa dreihundert Reisige bei sich; kleinere Verbände folgten auf anderen Straßen nach Italien. Kein Reichsfürst war mitgekommen. Der König kam wie ein kleiner „deutscher Kastellan" oder wie ein „Jäger", spotteten die Italiener. Angesichts der geringen deutschen Heeresmacht hielten sich auch die Italiener immer mehr zurück. Die venezianischen Gesandten empfahlen ihm offen die Rückkehr in das Reich. Um seine hochfliegenden Pläne zu verhöhnen, zeigten venezianische Flugblätter den aufsteigenden Reichsadler, der nicht einmal eine Mücke fangen könne. Es gab peinliche Zusammenstöße des Königs mit den Gesandten und heftige Ausbrüche der Enttäuschung und des Zornes: „Wenn man ihn verrate, werde er als Racheengel in Italien erscheinen." Maximilian faßte als nächstes Ziel Genua, Pisa und Florenz ins Auge und befahl die Vorbereitung eines Seeunternehmens, das von Genua aus, einerseits gegen Pisa und Florenz, andererseits gegen die Provence geführt werden sollte. Noch einmal wandte er sich an die Reichsversammlung in Lindau, bat sie um Auszahlung der versprochenen Anleihe aus dem Gemeinen Pfennig und warnte sie vor den Folgen ihres Ungehorsams. Die Stände gaben wieder keine Antwort. Auch der Papst hatte inzwischen seinen Sinn geändert. Da die Franzosen zu Hause blieben, wollte er auch den Römischen König von Italien, insbesondere von Rom fernehalten. Er bot Maximilian durch seinen Legaten eine Art Kaiserkrönung in Mailand an, um ihn von einem Krönungszug nach Rom abzubringen. Aber der König lehnte diese Ersatzkrönung, auch die Eiserne Krone der Langobarden, derzeit ab. Er zog an Mailand vorbei, wo er sich wegen seiner geringen Truppenmacht gar nicht sehen lassen wollte, und begab sich zunächst nach Vigevano. Dort legte er den Gesandten der Liga noch einmal seine Kriegspläne vor, die noch kein Verbündeter ratifiziert hatte. Der König wollte in Genua eine Flotte ausrüsten und die französischen Heimkehrerschiffe aus Neapel auf hoher See abfangen. Als nächstes Kriegsziel verkündete er die Befreiung von Pisa, das sich stets als Reichsstadt bekannte, die Eroberung des französischen Stützpunktes Livorno und die Unterwerfung von Florenz unter die Liga. Außerdem überraschte Maximilian die Gesandten, daß er nach Abschluß des Unternehmens gegen Livorno seine Truppen in die Provence übersetzen
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und zusammen mit den Spaniern gegen Paris marschieren wolle, das gleichzeitig von den Engländern und Burgundern angegriffen werden sollte; dadurch würden auch die Alpenpässe entlastet und Mailand ein für alle Mal von jeder französischen Bedrohung befreit. Diese weitausholenden Pläne stießen auf allgemeinen Widerstand, aber Maximilian wies alle Einwände schroff zurück. Indem er Mailand und Venedig klug gegeneinander ausspielte, erreichte er, daß die Venezianer, auf die es vor allem ankam, zunächst dem Unternehmen gegen Livorno zustimmten. Auch gegen eine Landung in der Provence, die den König aus Italien weggeführt hätte, und gegen einen Angriff auf Paris — obgleich er ihnen irreal erschien — wollten die Venezianer nichts einwenden, denn sie würden sich daran gewiß nicht beteiligt haben. So schien der hinhaltende Widerstand Venedigs zunächst überwunden. Ende September — einen Monat später als geplant — zog Maximilian mit großer Feierlichkeit in Genua ein. Klugerweise untersagte er dem Bürgermeister die traditionellen Steigbügeldienste und machte damit gute Stimmung. Leutselig wie immer verstand er es, die Bürgerschaft dafür zu gewinnen, seine Seerüstungen zu unterstützen. Der König nahm die Flottenrüstung selber in die Hand, wobei ihm seine Erfahrungen aus den niederländischen Seekriegen zustatten kamen. Aber es fehlte an allen Enden das Geld. Die Venezianer hielten die vereinbarten Hilfsgelder beharrlich zurück. Auch der Papst zahlte keinen Pfennig. Die Reichsstände schrieben nun aus Lindau, sie seien immer noch nicht beschlußfähig, so daß der König in aufwallendem Zorn seine berüchtigten „scharfen Mandate" dahin absandte: „Wenn die versprochene Steuer nicht bezahlt werde, müsse er Italien verlassen . . . Während er Gut und Blut einsetze, brächten die Stände nicht das geringste Opfer für das Reich und beklagten sich über die unbequemen Lindauer Quartiere." Die Italiener wußten es längst, daß die Reichsstände ihren König vorsätzlich im Stiche ließen, und hatten natürlich keine Lust, die Kriegskosten ganz allein zu tragen. Maximilian sah sich bereits gezwungen, seinen Hausrat, Tafelsilber und Teppiche zu verpfänden. Die Genuesen, die seine Leichtfertigkeit in Geldsachen noch nicht kannten, liehen ihm arglos jede Summe. Es sollte Jahre dauern, bis sie ihre Anleihen zurückerhielten. Am 6. Oktober stach Maximilian mit dem Flaggschiff Grimalda und einer kleinen Flotte von 21 größeren und kleineren Schiffen in See. Er führte 2000 Knechte und einige Geschütze mit. Etwa gleich viele marschierten auf dem Landweg nach Pisa. Herbststürme und Regengüsse setzten bereits ein — kein gutes Vorzeichen für das Unternehmen. Am 21. Oktober erreichte der König Pisa. Der wankelmütige Pöbel, der eben noch Karl VIII. bejubelt hatte, warf nun das Lilienwappen in den Arno und huldigte begeistert dem Römischen König. Aber von einer Reichshoheit über Pisa wollte im Grunde keiner der Bundesgenossen etwas wissen. So hemmten die Streitereien um die künftige Stellung Pisas und Livornos von Anfang an das Unternehmen. Das
Maximilians Seekrieg vor Livorno (1496). Im Vordergrund der Untergang von vier „Hauptschiffen" mit brechenden Masten, verzweifelten und ertrinkenden Landsknechten. Im Hintergrund die Einfahrt zum inneren Hafen von Livomo. Die Hafenbefestigungen stimmen mit bekannten zeitgenössischen Beschreibungen überein. Holzschnitt von H. Burkmair aus dem Weißkunig.
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gegenseitige Mißtrauen, das schon alle bisherigen Beratungen erschwert hatte, sollte im Feldlager vor Livorno noch peinlicher hervortreten. Falsch war die Hoffnung, daß es nur der königlichen Autorität bedürfe und keines Heeres, um die Italiener gegen Frankreich und dessen italienische Bundesgenossen zu einigen. Außerdem verlor der König durch den beharrlichen Widerstand der in Lindau versammelten Fürsten und Stände jeden Rückhalt am Reich. Maximilian wollte mit Livorno rasch fertig werden, um seine Kriegsflotte gegen Frankreich zu führen. Er besichtigte die Festungsanlagen und erkundete die Möglichkeiten eines umfassenden Angriffes, wobei ihm eine Falkonettkugel der feindlichen Artillerie den Ärmel seines Rockes zerfetzt haben soll. Die Hafeneinfahrt war beiderseits durch mehrere besonders starke Türme befestigt. Der König wollte die Stadt von Land und See aus zugleich angreifen. V o r der Hafeneinfahrt kreuzten venezianische und genuesische Schiffe, um jede Zufuhr zu sperren. Ein anderer Teil der Flotte jagte auf hoher See den französischen Heimkehrerschiffen aus Neapel nach. Zu Lande vollzog sich über das Sumpfgelände hinweg sehr langsam die schwierige Bereitstellung des Landheeres und der Artillerie, die größtenteils die Bundesgenossen hatten stellen müssen. Am 28. Oktober wurde der Angriff auf die Stadt mit einem Feuerschlag der Artillerie eröffnet. Aber die Geschoße taten wenig Wirkung und erregten nur den Spott der Verteidiger. Maximilian hatte inzwischen sein Flaggschiff bestiegen, um mit der Flotte den Hafen zu erobern; aber zum Angriff kam es nicht. Ein Gefühl der Überlegenheit erwachte unter den Livornesen, die durch immer häufigere Ausfälle aus der Stadt die Verbündeten aus ihren Stellungen warfen. Bereits am 29. Oktober erschienen sechs große französische Schiffe und fuhren unter günstigem Rückenwind, nach allen Seiten feuernd, in den Hafen von Livorno ein, ohne daß es die Flotte der Liga hätte verhindern können. Nur ein französisches Lastschiff, das sich verspätet hatte, konnten die Venezianer aufbringen. Die Franzosen entluden große Mengen von Lebensmitteln sowie Vorräte aller Art und setzten außerdem 800 eidgenössische und französische Knechte an Land, die in frischer Begeisterung einen erfolgreichen Ausfall gegen die Geschützstellungen der Liga unternahmen und Kriegsgerät sowie Artillerie erbeuteten. Ein beschämender Rückschlag für Maximilian. Seit dem 29. Oktober war das Unternehmen gegen Livorno für die Liga verloren. Wie stets in solchen Fällen, wurden im Lager der Bundesgenossen gegenseitige Beschuldigungen laut: die Venezianer behaupteten, der König sei angesichts der französischen Flotte mit seinem Flaggschiff ausgerissen. Daß die Venezianer alle Unternehmungen heimlich behinderten und keinen Pfennig mehr bezahlten, war allgemein bekannt. Zu allem Unglück setzten schwere Südweststürme ein, die den König fast zwei Wochen auf hoher See festhielten, ohne daß er persönlich oder auch nur durch einen Boten in die Kriegführung hätte eingreifen können. Das Landheer, das infolge der dauernden Regengüsse in
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seinen Schlammstellungen fast versank, mußte zur Erholung vorübergehend ins Ruhelager nach Pisa zurückgeführt werden. Noch einmal versuchte Maximilian, ähnlich wie das erste Mal, durch einen vereinigten Großangriff von Land und See aus die Stadt zu nehmen. Die französischen Schiffe sollten auf offener Reede über Enterbrücken angegriffen und erobert werden; hierauf wollte der König den Hafen stürmen lassen. Diesmal verweigerten aber die Knechte, echte Landratten, die durch Stürme und Seekrankheit völlig zermürbt waren, den Gehorsam: sie hätten sich nicht für den Schiffskampf, sondern für den Landkrieg anwerben lassen. Maximilian, der sie ohnehin nicht bezahlen konnte, war machtlos. Die Entscheidungsschlacht blieb aus, was manchem deutschen und eidgenössischen Knecht das Leben rettete. Als Maximilian endlich wieder von der stürmischen See an Land zurückkehren konnte, entging er mit knapper Not dem Tode. Sein Flaggschiff, das er eben verlassen hatte, wurde vor seinen Augen vom Sturm erfaßt, hochgehoben und an die nahe Küste geschleudert, wo es zerschellte. Die Liga hatte drei oder vier ihrer größten und besten Schiffe und gegen 500 Mann Besatzung verloren. Diese Verluste, die Gefahr neuer französischer Landungen, der einbrechende Winter und die Unverläßlichkeit der Bundesgenossen, vor allem aber die Haltung des Lindauer Reichstages, zwangen ihn, das Unternehmen abzubrechen. Die Geldnot war so groß, daß er bei Hofleuten und Bundesgenossen um kleine und kleinste Darlehen betteln mußte, um seine Tafel zu versorgen. Das ganze Feldlager redete von diesen beschämenden Pumpversuchen des Königs. Als die französische Flotte am 12. November den Hafen von Livorno verließ, vermochte es die Ligaflotte wieder nicht zu verhindern. Die Venezianer gaben den Genuesen die Schuld; alle anderen beschuldigten die Venezianer. Machiavelli meinte, der Südweststurm habe Livorno gerettet. Maximilian mußte nun fürchten, daß die Franzosen auch in Genua landeten und ihm den Rückweg in das Reich abschneiden könnten. Ende November waren auch die Subsidienverträge abgelaufen, so daß fortan keine Hilfsgelder der Liga mehr zu erwarten waren, zumal die Venezianer schon bisher nicht regelmäßig gezahlt hatten. Nicht minder entmutigten den König die geheimen Widerstände im Heer, die allenthalben spürbar waren, sich aber nirgends richtig fassen ließen. Die Venezianer steckten dahinter, wie man wußte. Aber auch der Papst und die Spanier gingen bereits eigene Wege. In Vico Pisano hielt Maximilian die letzte Ratssitzung der Liga, wobei er seinen ganzen Zorn über die Köpfe der bestürzten Gesandten entlud: die Italiener — gemeint waren die Venezianer — hätten ihn zum Narren gehalten; er werde ihnen diese Niedertracht nicht vergessen; man könne nicht gegen Menschen und Natur zugleich ankämpfen, wiederholte er immer wieder. Bei fürchterlichem Wetter, Regen, Schnee und Eis marschierte er mit seinem stark geschwächten Heer über den ligurischen Apennin in die Lombardei zurück. Jetzt erst unterrichtete er die Reichsstände vom völligen Zu-
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sammenbruch seines Feldzuges vor Livorno; inständig bat er um Auszahlung der versprochenen Italienhilfe. Wieder vergebens. In Pavia machte der König einige Tage Rast. Sein Rückzug ließ unter den Bundesgenossen die Sorge aufkommen, daß der König von Frankreich die günstige Gelegenheit benützen und nach Italien einfallen könne. Die Gesandten umdrängten ihn daher mit Bitten und großen Angeboten. Selbst die Venezianer versprachen, ihre bisherigen Zahlungen zu verdoppeln, wenn der König in Italien bleibe. Aber solchen Angeboten war nach den jüngsten Erfahrungen nicht zu trauen. Der Papst sollte ihm die Kaiserkrönung anbieten, um ihn festzuhalten. Aber unter diesen Umständen nach Rom zu ziehen, wäre f ü r den König unmöglich gewesen. Die Gesamtlage, vor allem die Haltung der Reichsstände zwang ihn, Italien zu verlassen. Maximilian schied im Zorn. Die Venezianer hatten ihn schwer enttäuscht: wie einen „Bettler" hätten sie ihn behandelt und ihm die „schuldige Achtung versagt". Noch Jahre später empfand der König „Brechreiz" (nausea), wenn er sich an diese Vorgänge erinnerte. Aber er war klug genug, sich möglichst wenig anmerken zu lassen, denn er wollte die Liga nicht nur erhalten, sondern festigen, weil er sie gegen Karl VIII. weiter brauchte. Der H e r z o g von Mailand hatte sich als Bundesgenosse bestens bewährt und weit mehr beigesteuert, als ihm zukam. Dagegen hatte der Papst so gut wie nichts geleistet. D a ß der eigene Sohn und die Niederlande sich völlig versagten, kam hinzu. Am übelsten hatten dem König zweifellos die deutschen Reichsstände mitgespielt. Erst als seine Niederlage in Italien sicher war, fanden sie sich bereit, Verhandlungen über die Einhebung des Gemeinen Pfennigs näherzutreten, der bereits vor einem Jahr beschlossen worden war. In Eilmärschen zog Maximilian von Pavia an Mailand vorbei nach Como. Vergebens versuchten H e r z o g Ludovico und der päpstliche Legat, den König in Italien festzuhalten. Maximilian blieb hart und fand sich nur bereit, einige Knechte und Reiter in Italien zurückzulassen. Während des Rückzuges verschickte er seine geheimnisvolle Consultatio mystica an die Bundesgenossen. Mit recht deutlichen Anspielungen und Drohungen hielt er den Bundesgenossen ihre Haltung während der letzten Monate vor und forderte eine Neufassung des Ligavertrages und des königlichen Führungsrechtes. Wenn Europa nicht einmütig der französischen Gefahr entgegentrete, „so sagten die Astronomen den Zerfall der Liga und viel künftiges Unglück voraus". Keineswegs entmutigt, sondern im Gegenteil voll neuer Pläne verließ Maximilian Italien. Durch das Veltlin aufwärts, über das tiefverschneite Wormser Joch zog er durch das obere Inntal nach Innsbruck, wo er mit einigen Reichsfürsten und den Gesandten, die ihm folgten, die Unternehmungen des nächsten Jahres besprach. Er gab den Gedanken der „Vernichtung Frankreichs" durch einen Umfassungsangriff von allen Seiten noch immer nicht auf. M a n wird den „Erfolg" dieses Italienzuges auch nach dem bewerten müssen, was verhindert wurde, nicht nur danach, was nicht gewonnen
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werden konnte. Die Verdrängung Karls VIII. aus Italien war für den Römischen König gewiß ein Teilerfolg. Als eigentlicher Sieger konnte zunächst die Signorie von Venedig gelten, die es klug verstanden hatte, die Deutschen gegen die Franzosen einzusetzen und eine Erneuerung der Reichsherrschaft in Italien ebenso zu verhindern wie eine Vorherrschaft der Franzosen.
Auflösung
der Heiligen
Liga
Maximilian wollte den Italienzug des Jahres 1496 nicht als endgültige Niederlage ansehen, sondern höchstens als unglücklichen Zwischenfall, denn die Wiederherstellung der Reichsrechte in Italien blieb nach wie vor sein Ziel. Um den Einfluß in Italien nicht zu verlieren, rief er die italienischen Gesandten an seinen Hof. Mit der ihm eigenen zähen Beharrlichkeit wollte er schon im Frühjahr 1497 den „großen Plan" wieder aufnehmen und den Ligavertrag zielbewußt für sich nützen. Aber er konnte weder das Mißtrauen der Mächte, noch den Widerstand des deutschen Reichstages überwinden. Die Haltung der deutschen Fürsten und die Ohnmacht des Reiches machten die Liga für die Italiener nachgerade wertlos. Das Reich, an Menschen und Mitteln stärker als alle anderen, konnte seine Kraft innerhalb der Staatenwelt in keiner Weise zur Geltung bringen. Es gab nicht einmal ein Reichsheer, während die französische Kriegsmacht einen immer stärkeren Druck auf alle Nachbarn ausübte. Spanien und England schlossen mit Frankreich Waffenstillstand und alsbald Frieden. Auch der Papst begann sich Frankreich zu nähern. Venedig geriet durch den Erbstreit um die Grafschaft Görz in heftigen Gegensatz gegen Maximilian und begann sich immer stärker an Frankreich anzulehnen. Daher war die Heilige Liga 1497/98 bereits völlig ausgehöhlt, wenn sie auch noch kurze Zeit den Anschein der Geschlossenheit vortäuschte. Wirklich festhalten konnte Maximilian nur den Herzog von Mailand, dessen Staat einzig von seiner Gunst lebte. Alle Versuche des Königs, die Liga neu zu beleben, schlugen fehl. Karl VIII. hielt sich klug in seinen Grenzen, und die Drohungen Maximilians mit der Ubermacht Frankreichs wurden von niemandem mehr geglaubt. Als KarlVIII. überraschend starb (7. April 1498), sah Maximilian eine Möglichkeit, wenigstens die verlorenen burgundischen Gebiete, vor allem das Herzogtum Burgund, zurückzugewinnen und die Selbständigkeit der Bretagne wieder herzustellen. Aber der neue König Ludwig XII., ein weit geschickterer Politiker als sein Vorgänger, konnte seine Stellung binnen kürzester Zeit festigen. Rasch entschlossen heiratete er die Witwe seines Vorgängers, Anna von der Bretagne, um sich das eben erst gewonnene Herzogtum zu erhalten, und einigte sich mit Erzherzog Philipp und den Königen von England und Spanien. Schon bald nahm er den Titel eines Herzogs von Mailand an, um seine Ansprüche auf Italien anzumelden. Er ging klüger vor als Karl VIII.: zuerst Mailand, dann erst Neapel.
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Maximilian sah sich allenthalben isoliert. Am bittersten empfand er den Ungehorsam seines Sohnes Philipp, der von einem Krieg gegen Frankreich und einer Rückforderung seines Herzogtums Burgund nichts wissen wollte. Auch Venedig und der Papst bereiteten den Bündniswechsel und den engeren Anschluß an Frankreich vor, was man freilich zunächst klug verbarg. An einen neuen Uberfall Frankreichs auf Italien, den Maximilian stets prophezeite, wollte niemand glauben; aber binnen Jahresfrist sollte sich seine Vorhersage erfüllen. Auf dem Reichstag zu Freiburg (1498) forderte Maximilian sehr entschieden, unter Scheltworten und Drohungen, die längst beschlossene, aber niemals ausbezahlte Reichshilfe von 150.000 Gulden. Dies wäre sein letztes Wort; er sei zum Krieg gegen Ludwig XII. entschlossen; er werde den Franzosen einen Backenstreich versetzen, dessen man in hundert Jahren noch gedenke; er dulde keinen Widerspruch, eher lege er die Krone nieder als nachzugeben; wenn er nur vier Reisige besitze, werde er den Feldzug wagen. Da lenkten die Fürsten zwar ein, erfanden aber alle möglichen Vorwände, um die Übergabe des Geldes zu verzögern. Wieder mußte der ohnehin völlig ausgebeutete Herzog von Mailand aushelfen. Maximilian stieß mit etwa 20.000 Mann überfallsartig gegen die Champagne und Hochburgund vor. Aber Erzherzog Philipp, der den Feldzug von den Niederlanden aus hätte unterstützen sollen, schloß inzwischen — zum größten Arger des Vaters — mit Ludwig XII. den Frieden von Paris (20. Juli 1498), obwohl es um die burgundischen Länder ging. — Für Maximilian war dies unbegreiflich, für die ausgebluteten burgundischen Länder wohl verständlich. Maximilian dachte zunächst nicht daran, diesen Waffenstillstand anzunehmen. Als ein wuchtiger französischer Gegenstoß das Reichsheer an die Grenzen der Freigrafschaft zurückwarf — ein Rückschlag, der die nationalen Leidenschaften der Elsässer heftig anfachte — griff zwar alles zu den Waffen, aber es fehlte das Geld, die Truppen zu bezahlen. Auch war die gute Jahreszeit vorbei und Maximilian konnte auf weitere Erfolge nicht hoffen. Man Schloß Waffenstillstand, und dabei blieb es durch Jahre. Einen Friedensschluß ohne Rückgabe des Herzogtums Burgund lehnte Maximilian entschieden ab. Aber angesichts der Haltung Erzherzog Philipps und der rasch fortschreitenden Auflösung der Heiligen Liga blieb Maximilian nichts anderes übrig, als der Rückzug in die Niederlande, zumal französische Abteilungen den Krieg durch das Lütticher Kirchenland hindurch bereits nach Geldern trugen. Erzherzog Philipps französische Sonderpolitik war so weit gegangen, daß er dem König von Frankreich gegen den Willen seines Vaters einen allgemeinen Frieden und seine verwitwete Schwester Margarethe als Gemahlin anbot, sich mit Flandern belehnen ließ und auf alle burgundischen Ansprüche verzichtete, was Maximilian als besonders „ehr- und würdelos" empfand. „Wenn Karl der Kühne noch lebte", sagte er zum Mailänder Gesandten, „würden wir zusammen den Ubermut der Franzosen sehr rasch bändigen" —
Auflösung der Heiligen Liga
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eine Bemerkung, die er gern wiederholte, wenn er auf die Unverläßlichkeit seines Sohnes anspielte. Ende Oktober 1498 traf Maximilian mit seinem Sohn in Brüssel und Löwen zusammen. Über seine Schwiegertochter Juana, die er zum ersten Mal sah, war er hell erfreut. Sie stand vor der Niederkunft und das Fortleben der Familie schien gesichert. „Diese Heirat hat wahrhaftig der Himmel gestiftet", freute sich Maximilian, der in trüben Stunden stets das Aussterben seines Hauses befürchtete. Weit weniger Freude machte ihm Erzherzog Philipp. Alle Versuche, den Sohn vom französischen Bündnis abzubringen, schlugen fehl. Es gab laute Auftritte zwischen Vater und Sohn, der sich hinter seinen niederländischen Ständen verschanzte, die von einem Krieg gegen Frankreich aus gutem Grund nichts mehr wissen wollten. Maximilian war über die Haltung des Sohnes so erzürnt, daß er nicht einmal die Taufe seiner Enkelin Eleonore abwartete. Er hatte auf einen männlichen Erben gehofft, so fiel ihm die Abreise nicht allzu schwer. Bereits im November 1498 zog Maximilian nach Geldern, um dieses Land zu unterwerfen, das sich immer wieder gegen den burgundischen Gesamtstaat erhob. Geldern war die ewig blutende Wunde am burgundischen Staatskörper. Der König eroberte einige Städte und Festungen, aber völlig unterwerfen konnte er das rebellische Land nicht. Die Niederlande hatten ihm jede Unterstützung versagt. Auf einem Landtag zu Antwerpen forderte er die Übernahme der alten Schulden aus den Zeiten der Vormundschaft und des Erbfolgekrieges sowie Entschädigung für den gegenwärtigen Feldzug, aber die Generalstaaten lehnten alles ab. Vater und Sohn seien im Streit geschieden, wußte man im Reiche zu erzählen. Sooft er von Erzherzog Philipp sprach seufzte der König: „Wenn ich nur über meinen Sohn Macht hätte, wüßte ich, was zu tun wäre." Inzwischen trafen die ersten schlechten Nachrichten vom Schweizerkrieg ein, der eben ausgebrochen war. Die Niederlagen beunruhigten Maximilian so stark, daß er den Feldzug in Geldern abbrach, um an die Schweizer Grenze zu eilen. Erzherzog Philipp aber unterwarf sich ganz der französischen Politik, so daß Ludwig XII., von Burgund aus völlig unbehelligt, zum entscheidenden Schlag gegen Mailand ausholen konnte. Es war ihm gelungen, den Einkreisungsring, den die Liga um Frankreich gelegt hatte, zu sprengen und den Römischen König in jene verhängnisvolle Isolation zu drängen, die er den Franzosen zugedacht hatte. Als Ludwig XII. sich vorbereitete, dem Herzog von Mailand sein Land wegzunehmen, wollten die Venezianer nicht völlig leer ausgehen. Der König von Frankreich erkannte klar, daß er zur Eroberung Mailands die Unterstützung der Venezianer, aber auch der Eidgenossen brauche. Maximilian vermochte den Abfall der Signorie weder durch Angebote noch durch Drohungen zu verhindern. Eine Hauptschuld am Zerfall der Liga trug zweifellos Erzherzog Philipp mit seinem französischen Frieden, der auch den Italienern den Bündniswechsel nahelegte. Etwas später schlossen auch die Katholischen
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Könige mit Frankreich Frieden, ohne sich um Maximilian und die Liga weiter zu kümmern. Die letzten Waffengänge Maximilians in Italien, Burgund und Geldern hatten gezeigt, daß die Mächte ein Reich, das nicht einmal ein stehendes Heer besaß, nicht weiter achteten. Im Februar 1499 schlossen die Venezianer nach langen Geheimverhandlungen einen Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Ludwig XII. und versprachen ihm Waffenhilfe gegen Mailand. Diesmal waren es die Venezianer gewesen, die als erste die Franzosen nach Italien riefen. Dieser Vertrag lieferte nicht nur Mailand, sondern auch Ferrara, Bologna, Florenz und Neapel den Franzosen aus. Ebenso rasch wie Venedig vermochte der König von Frankreich auch den Papst zu gewinnen. Er bot Cesare Borgia, dem Sohn Alexanders VI., der eben das Kardinalat aufgegeben hatte, das Fürstentum Valence und die Hand einer französischen Prinzessin an. Dafür erhielt Ludwig XII. die doppelte Dispens für die Scheidung von seiner ersten Frau und für die Heirat mit der Witwe seines Vorgängers. Sein erster Minister, George d' Amboise, empfing den roten Hut und erhoffte sich im stillen den Aufstieg zum Papsttum. Die Drohung Maximilians mit dem Schisma und dem Abfall des Reiches machten auf Alexander VI. wenig Eindruck, denn er hatte nichts anderes im Kopf als die Machtstellung seines Cesare und hätte dafür „St. Peter und Paul samt dem lieben Gott und dem ganzen Himmel verkauft". Wenn es auch zu keinem förmlichen Vertrag kam, hielt er doch fest zu Ludwig XII., „weil er unseren Cesare liebt, und die Mailänder Dynastie vernichtet werden muß". Die kleineren Mächte Italiens konnten nur dem Beispiel Venedigs und des Papstes folgen. Maximilian war völlig isoliert, und der Verlust Mailands nur mehr eine Frage kurzer Zeit. Das Reich aber war aus Italien völlig verdrängt. Spanier und Franzosen einigten sich bereits heimlich über die Teilung Neapels und Unteritaliens. Der Papst sprach es offen aus, daß eigentlich Frankreich zum Haupt der Christenheit berufen sei. Maximilian mußte ernsthaft fürchten, daß ihn der Papst aus seiner kaiserlichen Vorrangstellung verdrängen wolle. Von besonderem Gewicht war auch der offene Ubertritt der Eidgenossen an die Seite Frankreichs. Die Schweizer versprachen, ihr altes Bündnis mit Herzog Ludovico preiszugeben und Mailand keine Hilfe gegen Frankreich zu leisten. Damit war der Herzog seiner lebenswichtigen Unterstützung beraubt, während er vom Reich keine Hilfe zu erwarten hatte. Der König von Frankreich aber versprach den Eidgenossen dafür volle Unterstützung in ihrem bevorstehenden Kampf gegen Maximilian. Das gab ihnen den Mut, den Waffengang gegen den Römischen König und das Reich zu wagen. Schweizer- und Schwabenkrieg
Die fortschreitende Auflösung der Liga, das offensichtliche Versagen des Reiches bei allen auswärtigen Unternehmungen, die bekannten Span-
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nungen des innerdeutschen Verfassungskampfes, vor allem aber das Freundschaftsbündnis mit dem König von Frankreich machten den Eidgenossen Mut, den Kampf gegen die verhaßten Schwaben, Tiroler, Vorderösterreicher und gegen das Reich aufzunehmen. Die Ursachen für die Unzufriedenheit und den schließlichen Abfall der Eidgenossen vom Reich gehen weit zurück. Der Freiheitswille dieser stolzen Bauern und Bürger sträubte sich gegen jede Herrschaft, die sich in die inneren Verhältnisse der eidgenössischen Orte einzumischen suchte. Dazu kam die uralte Erbfeindschaft gegen das Haus Habsburg, das seit Friedrich III. wieder die Kaiser stellte. Sagen von der Art der Tell-Geschichte, die wenig später ihren Niederschlag in Tschudis Chronik fanden, zeigen, wie lebendig die Abneigung gegen Osterreich unter den Eidgenossen fortlebte. Die „Ewige Richtung" von 1474 war — nach zwei Jahrhunderten — der erste Versuch, einen dauernden Frieden aufzurichten. Seit die Habsburger Burgund geerbt hatten (1477), war das Verhältnis auch noch durch die Erinnerung an Karl den Kühnen und die Burgunderkriege belastet. Der volksstaatliche Aufbau der eidgenössischen Bauern- und Bürgerrepublik wurde im monarchisch-fürstenstaatlichen Reich als Fremdkörper empfunden. Mit Verachtung sahen Fürsten und Junker des Schwäbischen Bundes auf die „groben Bauern, denen jeder Adel fremd ist". Seit langer Zeit hatten die Eidgenossen kaum einen Reichstag besucht und fühlten sich mehr als Freistaat denn als Reichsglied, wenn sie auch auf eine lockere Zugehörigkeit zum Staatenverband des „Heiligen Reiches" hohen Wert legten. Maximilian hätte nichts mehr gewünscht, als dieses tapfere Bergvolk, dessen Kriegstüchtigkeit er schätzte, enger an sich zu binden. Aber die Eidgenossen wollten sich in der Freiheit des Reislaufes — für die armen Bergbauern ein gutes Geschäft — nicht beschränken lassen, wollten weiterhin jener Kriegspartei zulaufen dürfen, die besser bezahlte; meist waren die Werber des Königs von Frankreich unter den Eidgenossen erfolgreicher als der geldschwache Römische König. Die Schweizer galten seit den Burgunderkriegen, seit ihren großen Siegen bei Grandson (1474) und Murten (1476) als eine Kriegsmacht, die im Feld neben den Großmächten bestehen konnte; sie waren weit über ihre Grenzen geachtet und gefürchtet. Ihr Ansehen wirkte über den Bodensee und den Rhein hinüber nach Schwaben und über den Arlberg bis Tirol. Rottweil, inmitten von Schwaben, wo ein altes Reichshofgericht bestand, zählte sich zu den eidgenössischen Zugewandten. Selbst große Städte wie Konstanz, Basel, Straßburg, Kolmar u. a. spielten mit dem Gedanken eines Anschlusses an die Eidgenossen, weil man sich unter dem Schweizer Kreuz geborgener und freier fühlte als unter dem Adler des Römischen Reiches. Maximilian war einerseits entschlossen, der eidgenössischen Ausdehnung Grenzen zu setzen, andererseits hätte er die Schweizer gerne durch ein neues Bundesverhältnis fester in den Reichsverband eingegliedert, und sich ihrer immerwährenden Kriegshilfe versichert. Aber die Eidgenossen hatten Ursache, dem jungen König, dessen gewalttätige Art sie aus den Burgunder-
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kriegen kannten, mit gleichem Mißtrauen zu begegnen wie seinen Ahnen. Die „bösen Räte", die als Mitschuldige an den Landverkäufen Erzherzog Sigmunds in die Schweiz hatten flüchten müssen, warnten die Eidgenossen immerfort vor der österreichisch-burgundischen Gefahr, welche durch die Vereinigung des österreichisch-burgundischen Großstaates noch größer geworden sei. Als Erzfeind galt den Eidgenossen der Schwäbische Bund, der 1488 unter Mitwirkung Kaiser Friedrichs III. zur Wahrung des Landfriedens im Südwesten des Reiches gegründet worden war. Die Eidgenossen betrachteten den Schwäbischen Bund — eine Vereinigung von Fürsten, Herren und Städten — geradezu als Anschlag gegen ihre Freiheit. Als neue Herausforderung empfanden sie die Wormser Reformgesetze, die eine engere Bindung zum Reich herstellen wollten, aber das gerade Gegenteil bewirkten. Die Eidgenossen sollten sich „den andern im Reich gleichmäßig halten". Aber sie lehnten den Ewigen Landfrieden, das Reichskammergericht, vor allem aber den Gemeinen Pfennig rundweg ab; sie brauchten diese Reformen wirklich nicht, weil sie Landfrieden, Landesverteidigung, Recht und Ordnung längst in eigene Hände genommen hatten. Man hätte mit dieser Reform nur verloren und nichts gewonnen. Mit Recht wehrten sich die Eidgenossen gegen die überheblichen Reichsstände, welche den „bösen Bauern" Reichssteuern zumuteten, die sie selber beharrlich verweigerten. Bereits im November 1495 schlossen die Schweizer dagegen ein Schutz- und Trutzbündnis mit dem König von Frankreich. Als der Kampf gegen Frankreich um den Besitz Italiens begann, hätte eine klügere Reichspolitik vielleicht auch die Eidgenossen gewinnen können, die ein lebhaftes Interesse hatten, sich in der fruchtbaren lombardischen Ebene oder wenigstens in deren Randlandschaften festzusetzen. Während Maximilian und die deutschen Reichsstände dieser Frage völlig verständnislos gegenüberstanden, konnte Ludwig XII., der eben seinen Uberfall auf Italien vorbereitete, einen großen Teil der Eidgenossen für seine italienische Politik gewinnen, indem er ihnen, neben guten Sold- und Pensionszahlungen, einige Mailänder Grenzgebiete in Aussicht stellte. Es gab auch Schweizer, die anders dachten und es als Ehre eines Christenmenschen ansahen, den Römischen König und „künftigen Kaiser" zur Krönung nach Rom zu begleiten. Hätte Maximilian nur Geld genug besessen, wären ihm viele Schweizer gefolgt. Da aber die Reichshilfe ebenso ausblieb wie die Subsidien der Liga, konnten auch die wenigen Schweizer, die man angeworben hatte, nicht ausbezahlt werden, was begreifliche Empörung auslöste und den Reichsdienst mehr und mehr in Verruf brachte, während das Ansehen des Königs von Frankreich immerfort stieg. Die Spannungen wuchsen, als das neue Kammergericht auf die Klage der Varenbühler und Schwendiner gegen die Orte St. Gallen und Appenzell mit der Reichsacht vorging. Maximilian wäre den Eidgenossen in diesem Rechtsstreit nicht ungern entgegengekommen, konnte sich aber gegen den frischen Eifer des neuen Kammergerichts nicht durchsetzen. Erzkanzler
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Berthold meinte, es sei Zeit, den Eidgenossen den Herrn zu zeigen. Die Schweizer aber erwiderten, „man habe sie mit Spießen und Hellebarden nicht zähmen können, umso weniger mit Tinte und Feder; . . . sie seien ein unanständiges Volk und würden auch eine Königskrone nicht verschonen". Das war deutlich. Immer schärfer traten die Gegensätze hervor, zumal sich das französische Gold in Strömen in die Schweiz ergoß. Es gab außerdem Streitigkeiten um Konstanz, Graubünden und Engadin. M a n redete auf den Tagsatzungen nun schon offen von der Kriegsgefahr, zumal auch diesseits des Rheins der Schwäbische Bund zu rüsten begann. Maximilian arbeitete zunächst noch auf einen Ausgleich hin, sodaß man in Ständekreisen seine „Milde" tadelte. Ihm kam es vor allem auf die Erhaltung des Friedens, auf die Erneuerung der „Ewigen Richtung" und auf den Abschluß eines österreichisch-eidgenössischen Freundschaftsbündnisses an. Die Schweizer erschienen zwar auf dem Freiburger Reichstag (1498), um ihre Angelegenheiten zu verhandeln; aber den Besuch der Sitzungen, „welche sie nichts angingen", lehnten sie ab. Drohungen mit der Reichsgewalt empfanden sie als verletzend, ohne sie im Grunde ernstzunehmen. Zu groß waren die Blößen, welche sich das Reich allenthalben gegeben hatte, zu gering das Ansehen seiner Kriegsmacht. Der H a ß zwischen Eidgenossen und Schwaben, der Brotneid zwischen Schweizer Reisläufern und deutschen Landsknechten kannte keine Grenzen. Beschimpfungen und Schmähreden flogen über den Rhein hin und her. Die naturwüchsige Grobheit der Landsknechte und die rohe Überheblichkeit der schwäbischen Junker wählten die bäuerliche Einfachheit der Schweizer zur Zielscheibe ihres maßlosen Spottes: „Kuemeuller, Kuekijer . . . muh, muh" gehörte zum Alltäglichen. So beleidigt fühlten sich die Schweizer durch diese Beschimpfungen, daß sie deren Abstellung sogar noch in der Baseler Friedensurkunde ausdrücklich forderten. Die in ihrer Ehre zutiefst verletzten Schweizer brannten nur mehr darauf, über die Rheingrenze hinweg loszubrechen, um zu zeigen, wessen ein in seinem guten alten Recht und in seinen heiligsten Gefühlen beleidigtes Volk fähig ist. Als ein Rat des Innsbrucker Regiments, Georg Gossembrot, von Schweizern überfallen und mißhandelt wurde, glaubte die Regierung den abwesenden König besonders tatkräftig vertreten zu sollen. In Uberschätzung seiner Macht ließ das Innsbrucker Regiment das Frauenkloster Münster im Vinschgau besetzen, wo Untertanen Tirols und des Bischofs von Chur in gemischten Siedlungen nebeneinander wohnten. Habsburg wollte sich schon längst Teile des Churer Kirchenlandes aneignen, um eine unmittelbare Verbindung zwischen Tirol und dem Herzogtum Mailand herzustellen. Die Graubündner aber suchten Hilfe bei den Eidgenossen, während die Tiroler die Hilfe des Schwäbischen Bundes anriefen. Daran entzündete sich der Krieg. Allenthalben wurde Sturm geläutet, alles lief zu den Waffen. Die Landsknechte prahlten, sie würden „sengen und brennen, daß der liebe Herrgott
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auf dem Regenbogen die Füße einziehen müsse vor Hitze". Während das Landvolk in Tirol und Schwaben in diesem Krieg keinen tieferen Sinn erkennen konnte, standen für die Eidgenossen und Graubündner Ehre und Freiheit auf dem Spiel. Sie gingen, etwa 12.000 Mann stark, überall zum Angriff über. Bald wurde von Graubünden durch das ganze Rheintal bis Basel mit beispielloser Härte gekämpft. Die Eidgenossen überschritten westlich des Bodensees den Rhein, stießen alles verwüstend nach Schwaben vor, so daß die österreichischen Vorlande vor ihnen zitterten; sie eroberten fast das ganze Land bis zum Arlberg. Wo „der Heini" — so nannte man die Eidgenossen — mit dem Schweizerkreuz auf der Brust und der Hahnenfeder am Hut, mit Streitaxt und Spieß erschien, verbreitete er Furcht und Schrecken. In größter Sorge schrieb Paul von Liechtenstein an den König, er dürfe den Schweizerkrieg nicht unterschätzen; wenn er glaube, am Niederrhein ein Land zu gewinnen, so verliere er hier am Oberrhein gleichzeitig deren drei. Maximilian kämpfte damals in Geldern und dachte an nichts weniger als an einen gleichzeitigen Krieg mit den Schweizern. Nun mußte er aber auslöffeln, was ihm seine unvorsichtigen Innsbrucker Räte, die hochfahrenden schwäbischen Junker und nicht zuletzt die Drohungen des Erzkanzlers eingebrockt hatten. Freilich suchte er die Schuldigen einzig bei den Graubündnern und den Eidgenossen. Er hegte im Grunde seines Herzens eine Haßliebe gegen die kriegsmächtige Schweizer Bauern- und Bürgerrepublik, als den „Erbfeind aller Ritterschaft, allen Adels und aller Ehrbarkeit". Das Reichsaufgebot, das der König schon von Geldern aus erlassen hatte, verhallte fast ungehört. Während die Eidgenossen eine bewundernswerte Einmütigkeit bewiesen und in Massen zu den Waffen eilten, rückten von den Reichsständen nur die wenigsten an. Die schwäbischen Städte schickten schlechtes und ungeübtes Kriegsvolk, das den Schweizern weit unterlegen war. Maximilian bestellte seinen Schwager, Herzog Albrecht von Bayern, zu seinem Feldhauptmann, der aber beim Kriegsvolk als „Schreiber und Student" wenig geschätzt war. Die Eidgenossen waren schon im ersten Anlauf überall siegreich geblieben: bei Hard am Bodensee (Februar 1499) und im Bruderholz nächst Basel (März 1499). Im Schwaderloh (April 1499) nahmen sie den beuteschweren Reichstruppen das gesamte Plündergut und fast die ganze Artillerie weg; die Landsknechte behielten nur den Ruf der Lächerlichkeit. Die Tiroler führten einen Raub- und Plünderzug in das untere Engadin, wo man 6000 Stück Vieh wegtrieb; aber die Rache der Bündner ließ nicht lange auf sich warten. Bei Frastanz nächst Feldkirch warfen die Eidgenossen die zahlenmäßig überlegenen Schwaben und Tiroler in die III (April 1499). Etwa 3000 Mann fielen in der Schlacht. Die Stimmung war allgemein so gedrückt, daß die schwäbischen Junker am liebsten heimgezogen wären. Bitter bemerkt Pirckheimer, daß die schwäbischen Herren zum Straßenraub gegen wehrlose Kaufleute besser aufgelegt seien als zum Kampf gegen die Schweizer. Vereinzelt erhoben sich bereits die schwäbischen Bauern gegen ihre
Schlacht bei Hart am Bodensee vor den Mauem von Bregenz (1499). Die Reichstruppen werden von den Schweizern in die Sümpfe getrieben und vernichtet. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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Grundherren, um sich auf die Seite der Schweizer zu schlagen. Ähnlich erklärten die Städte, welche sich von der freien Ordnung der Schweizer Bundesstädte angezogen fühlten, dieser Krieg gehe sie nichts an. Die schwäbischen Bauern und Bürger sahen in den Schweizern eher Erlöser aus der Knechtschaft der Herren, weigerten sich doch die Junker, mit gemeinen Knechten Schulter an Schulter zu kämpfen. In dieser Lage übernahm Maximilian Ende April 1499 persönlich den Oberbefehl. Er hatte — wie stets — zwar einen großartigen Kriegsplan, aber keine Mittel, ihn durchzuführen: er wollte die Eidgenossen vom Engadin angefangen, die ganze Rheinfront und den Bodensee entlang bis in den Elsaß von allen Seiten gleichzeitig angreifen. Die Reichstruppen sollten von Lindau und Basel aus in das Herz der Schweiz vorstoßen; aber sie versagten völlig. Die Fürsten, die auf allen Reichstagen über den fortschreitenden Verlust von Reichsgebieten beredte Klage führten, waren größtenteils ausgeblieben. Maximilian selber wollte vom Tiroler Vinschgau aus einen wuchtigen Schlag gegen Graubünden führen, um den Krieg rasch zu beenden; er hatte aber nur wenig Truppen und war auf das Geld und die Lebensmittel angewiesen, die ihm der Herzog von Mailand über das Gebirge anlieferte. Ludovico Moro hoffte, daß ihn Maximilian dafür gegen Frankreich schützen werde, das eben den Uberfall auf Mailand vorbereitete. Aber die Eidgenossen, welche die aufsteigende Gefahr in Graubünden ahnten, kamen dem König zuvor. Noch ehe er mit seinen Verstärkungen eingetroffen war, überfielen die Graubündner im Mai 1499 die Tiroler Stellungen an der Calven, einer Talenge nächst Münster, und bereiteten den Tirolern, die sich tapfer wehrten, die schwerste Niederlage des ganzen Krieges. Die Eidgenossen hatten die Tiroler umgangen, sie von vorn und hinten zugleich angegriffen und völlig vernichtet. Die Ritter, die in naher Bereitschaft standen, waren auf dem Höhepunkt der Schlacht, anstatt einzugreifen, ausgerissen und hatten den bäuerlichen Landsturm der Vernichtung preisgegeben. An die 4000 Bauern dürften gefallen sein. Der Bündner Steinbock und der Stier von Uri hätten den Tiroler Adler zur Krähe gemacht, frohlockten eidgenössische Flugblätter. Die Calven-Schlacht galt neben Morgarten und Sempach als besonderer Ruhmestitel der eidgenössischen Kriegsgeschichte. Maximilian war durch diese Niederlage schwer getroffen, zumal als er erfuhr, wie schändlich sich seine Reiter verhalten hatten. Der Anblick des Schlachtfeldes und der noch nicht bestatteten Toten — ein Bild des Entsetzens — mußte ihn zutiefst erschüttern. Es war ein schlechter Trost, die Bündner mit einem neuen Plünderzug zu bestrafen, indem er ihnen 10.000 Stück Vieh wegtrieb. Der Wohlstand der umliegenden Täler war für eine Generation vernichtet. Pirckheimer traf i m Vinschgau viele Kinder, die von ihren Müttern sozusagen „auf die Weide getrieben wurden", um mit Gras und Sauerampfer ihren Hunger zu stillen, nachdem man ihnen Haus und Hof niedergebrannt hatte. Unter dem Eindruck dieser Niederlage beschloß der Tiroler Landtag zu Meran ein allgemeines Landesaufgebot nach Art des späteren Landlibells, das
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die Landesverteidigung künftig ordnen sollte. Man war bereit, Junge und Alte, Väter und Söhne, Verheiratete und Ledige ins Feld zu stellen, wenn die Landesnot es forderte. Während der König im Vinschgau gegen die Graubündner vorging, überfielen die Eidgenossen wiederum Schwaben. Das Reichsvolk aber versagte völlig und schob alle Schuld auf den abwesenden König, ohne den man nichts machen könne. Als Maximilian wiederum nach Schwaben eilte, hatte sich das Heer aus dem Hauptlager verflüchtigt und mußte neu gesammelt werden. Auf den Befehl Maximilians zum Angriff antworteten die Hauptleute, sie seien nur zum Schutz von Konstanz erschienen, aber nicht zum Angriff; andere sagten, man dürfe die Ehre des Königs und des Reiches gegen die Bauern nicht auf das Spiel setzen. Einige Reichsstände verweigerten den Einsatz ihrer Mannschaften, solange nicht auch die anderen Reichsstände erschienen seien. So geschah nichts. Das Reichsheer verlor keinen einzigen Mann; es sammelte Brennholz und pflückte Beeren. Der wackere Reinprecht von Reichenburg stand nicht an, den städtischen Milizen ihre Untüchtigkeit vorzuhalten; ähnlich dachte der junge Götz von Berlichingen. Zornig warf der König die Handschuhe zur Erde: „Mit Schweizern werde man keine Schweizer schlagen." Er spielte darauf an, daß Städte und Bauern aus ihrer Vorliebe f ü r die Eidgenossen kein Hehl mehr machten. Widerwärtige Streitigkeiten machten jeden Befehl hinfällig. Mit einer solchen T r u p p e ließ sich selbst der kleinste Feldzug nicht gewinnen. Weiß Gott, was geschehen wäre, wenn sich die Eidgenossen entschlossen auf diesen ungleichartigen, kriegsmüden H a u f e n des Reichsheeres geworfen hätten. Etwa gleichzeitig versuchte Graf Heinrich von Fürstenberg, aus dem Raum von Basel zur Entlastung des Königs einen Vorstoß gegen Solothurn, Bern und Freiburg im Uchtland zu führen. Er legte sich mit seiner Truppe vor das feste Schloß Dorneck. Die Eidgenossen rückten heimlich zum Entsatz heran, überfielen das sorg- und achtlose Belagerungsheer und bereiteten ihm eine furchtbare Niederlage (Juli 1499). Was nicht fliehen konnte, wurde unbarmherzig niedergemacht. 3500 Mann blieben auf der Walstatt, unter ihnen ihr Hauptmann, Graf Heinrich von Fürstenberg. Fahnen, Kriegskasse, Artillerie, Wagenburg und alles Zeug fiel in die Hände der Sieger. Die H o f f nung, diesen Krieg erfolgreich zu beenden, war damit vereitelt. Maximilian — in jenen Wochen noch gereizter als sonst — nahm die Hiobsbotschaft von Dorneck zur allgemeinen Überraschung gelassen hin: „man müsse vergessen, was nicht zu ändern sei". Das könnte auch sein Vater gesagt haben. Untertags diktierte Maximilian an seiner lateinischen Lebensgeschichte; abends trat er ans Fenster und philosophierte über die wunderbare O r d n u n g der Sterne und der menschlichen Schicksale. Seine Stimmungen wechselten: Anderntags, nach dem Gottesdienst f ü r die Gefallenen habe Maximilian gesagt, nun hätte man f ü r die Toten gebetet; jetzt gelte es, sie zu rächen. Das Unglück war noch nicht voll: gleichzeitig trafen Hilferufe Ludovico
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Moros ein, der König von Frankreich greife Mailand an; Maximilian solle mit den Schweizern rasch Frieden schließen und Mailand zu Hilfe eilen. Als die Mailänder Hilfsgelder ausblieben, konnte Maximilian an eine Fortführung des Schweizerkrieges nicht mehr denken. Aber auch die Eidgenossen waren am Ende: Tausende waren gefallen, das Land viele Meilen tief verwüstet, und überall schrie das Volk „aus vollem Hals nach Frieden". Die Eidgenossen ließen sagen, sie seien einem Waffenstillstand oder Frieden geneigt, notfalls aber auch bereit, für ihre Freiheit zu sterben. Nun ordnete der König eine Friedensgesandtschaft nach Basel ab, zumal der Schwäbische Bund und das Reich bereits ihre Truppen zurückzogen und nicht einmal unter Waffen bleiben wollten, bis der Friede geschlossen sei. Ludovico Moro hatte längst versucht, im Interesse seines Mailänder Staates einen Frieden zu vermitteln. Französische Gesandte dagegen bemühten sich, Friedensverhandlungen zu hintertreiben, um den Römischen König durch den Schweizerkrieg zu binden und unterdessen den Mailänder Staat erobern zu können. Auch Maximilian selbst zögerte, solange er noch auf einen Erfolg hoffen konnte. Erst die Niederlage von Dorneck machte ihn friedensbereit. Maximilians Unterhändler mußten bald erkennen, daß die hohen Forderungen ihres Königs, wie Unterwerfung der Eidgenossen unter die Wormser Gesetze, nicht durchgesetzt werden konnten. Die Schweizer waren — ganz ungewöhnlich — mit einer Wagenburg, mit Geschützen, mit 2000 Knechten und stark bewaffnet zu den Verhandlungen in Basel erschienen. Sie zeigten sich voll Stolz in prächtigen Kleidern, mit goldenen Ketten und kostbaren Schwertern. Ende August einigte man sich auf die Friedensartikel. Da inzwischen bereits Franzosen und Venezianer gegen Mailand marschierten, fand sich M a ximilian rasch mit diesen Artikeln ab und riet seinen Unterhändlern nur, alles möglichst dunkel und allgemein zu fassen, um für künftige Auslegungen verschiedene Möglichkeiten offenzuhalten. Er betrachtete die Basler Artikel offenbar nur als Zwischenspiel; und doch sollte dieser Friede die Weichen für Jahrhunderte stellen. Am 21. September wurde zu Basel der endgültige Friede abgeschlossen, der im Wesen den status quo festhielt: die Zugehörigkeit der Eidgenossenschaft zum Reich wurde zwar nicht ausdrücklich aufgekündigt, aber auch der ursprünglich vorgesehene Satz weggelassen, daß die Eidgenossen wieder als Glied des Reiches in Gnaden aufgenommen würden. Jegliche Reichsgewalt war fortan aus der Eidgenossenschaft ausgeschlossen. Aber man legte doch einen gewissen Wert darauf, dem Reich als Gemeinschaft der christlichen Staaten weiterhin in einer nicht näher verpflichtenden Form anzugehören. Tatsächlich hatte sich gegenüber dem Zustand vor dem Krieg nicht viel geändert. Trotz des Friedens blieben die Eidgenossen weiter unter Waffen. Mit Recht schätzten sie die Reichsstände so gering ein, daß sie es weiter wagten, die benachbarten Städte Basel, Schaffhausen, Konstanz u. a. an sich
Der Verlust Mailands
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zu ziehen. Daß man den König auch in der Schweizer Frage kaum unterstützte, zeigt die fürstliche Reichsidee. In jenen Tagen bitterer Niederlagen kam Maximilian nach Donaueschingen, an die Quelle der Donau und gab dort unter Zelten ein merkwürdiges Fest mit Mählern und Tänzen, denn die Donau sei nicht nur der Hauptstrom Österreichs, Deutschlands und des Römischen Reiches, sondern ganz Europas. Wollte er sich über die Verluste am Rhein hinwegtrösten und den Strom feiern, an dem sein Geschlecht seine eigentliche Hausmacht besaß? Mag sein, daß ihn auch die Strom-Mystik Alexanders des Großen anregte, mit dem er sich ja gerne vergleichen ließ.
Der Verlust
Mailands
In diesen Tagen vollzog sich auch das Schicksal Ludovico Moros und des Herzogtums Mailand, das Maximilian nicht minder als Glied des Reiches betrachtete und „als eine Säule, darauf unser Kaisertum gegründet ist". Der Mailänder Herzog war für Maximilian auch als Geldgeber fast unersetzlich. Er hatte sein Land — nicht zuletzt im Dienst des Reiches — übermäßig ausgepreßt und sich allenthalben verhaßt gemacht. Als die Nachricht vom Ausbruch des Schweizerkrieges am französischen Hof eintraf, sagte Kardinalminister d'Amboise zum venezianischen Gesandten: „Jetzt wird es Zeit, gegen Mailand vorzugehen." Alte Erbansprüche boten dem König von Frankreich den Vorwand, sich des Mailänder Staates zu bemächtigen. Der Papst, Venedig sowie die Alpenstaaten Savoyen, Montferrat und Saluzzo waren für den Handstreich längst gewonnen. Maximilian, der mit den Eidgenossen nicht fertig geworden war, konnte einen Waffengang mit Frankreich noch viel weniger wagen. Er habe den Herzog nie gemocht und ihm daher auch nicht geholfen, sagte Maximilian später — eine Halbwahrheit, womit er sein Versagen zu verdrängen suchte. Im August 1499 erschienen die Franzosen in der Lombardei; bereits im September rückten sie in Mailand ein und besetzten bald darauf auch Genua. Der Herzog war mit seinem Hausschatz an den Königshof nach Innsbruck geflohen. Maximilian schlug vor, die Hilfe des kommenden Augsburger Tages abzuwarten und dann Ludovico mit einem Reichsheer nach Mailand zurückzuführen. Der Herzog aber, der die Haltung der Reichsstände richtig einschätzte, war entschlossen, sich so rasch wie möglich selbst zu helfen. Mit 12.000 Mann, die er in aller Eile angeworben hatte, und mit einigen Geschützen kehrte Moro im Jänner 1500 nach Mailand zurück und konnte seine Hauptstadt für kurze Zeit besetzen. Maximilian unterstützte ihn zwar mit seinen bescheidenen Mitteln; die Hilfe des Reiches aber konnte er ihm nicht vermitteln. Die Fürsten zögerten die Eröffnung des Reichstages so lange hinaus, bis jede Hilfe zu spät kam. Die Franzosen hatten Verstärkungen herangeführt und schlossen den Herzog in Novara ein. Ludovico versuchte sich durch einen Vergleich mit
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dem Gegner zu retten; aber die Franzosen forderten nicht nur den Mailänder Staat, sondern auch die Auslieferung des Herzogs. Als der listenreiche Mann versuchte, als Kriegsknecht verkleidet und geschoren, heimlich der französischen Gefangenschaft zu entkommen, wurde er von einem Schweizer Knecht verraten und samt seinen Geldtruhen als Gefangener nach Frankreich weggeführt. Das kolossale Reiterdenkmal Ludovicos aus der Meisterhand des Leonardo da Vinci, das die Größe des Hauses Sforza verewigen sollte, genauer gesagt dessen Gußform aus Ton, wurde von den mutwilligen französischen Knechten zerstört. Die enge Freundschaft zum großen Leonardo beweist, daß im Mailänder Herzog doch etwas Höheres lebte. Die Zeitgenossen waren geneigt, Ludovicos Schicksal als gerechte Strafe Gottes anzusehen, weil er die Franzosen, dann die Deutschen und sogar die Türken nach Italien gerufen habe. Heute weiß man, daß die „Barbaren" auch von anderen gerufen wurden, und auch ohne Ludovico nach Italien gekommen wären, und zwar auf Grund der Machtverhältnisse: die Macht ist der Natur selber gleich und dringt zwangsläufig in alle politischen Leerräume ein. Am 10. April 1500, dem Tag der Eröffnung des Augsburger Reichstages, wurde Herzog Ludovico in die französische Gefangenschaft abgeführt — für seinen nahen Verwandten, König Maximilian, fast so beschämend wie einst der sogenannte Brautraub. Das Herzogtum Mailand, ein uraltes Reichslehen, wurde mit Frankreich vereinigt, wofür Ludwig XII. nun die Investitur des Reiches forderte. Maximilian zog sich tieferschüttert durch Tage aus der Öffentlichkeit zurück. Den Kindern Moros richtete er eine bescheidene, kleine Hofhaltung ein, denn er hoffte, sie wieder einzusetzen; den Mailänder Flüchtlingen gewährte er freundliche Aufnahme und versprach ihnen, sie zurückzuführen. Vergebens bemühte sich Maximilian um die Freilassung des gefangenen Herzogs, dessen Haft für ihn und die Königin eine persönliche Demütigung bedeutete. Kardinal Ascanio Sforza, den die Franzosen auch erwischt hatten, wurde nach geraumer Zeit freigegeben. Ludovico hingegen starb 1508 als französischer Staatsgefangener. Der Verlust Mailands an Frankreich war für Maximilian ein schwerer Schlag. Der Herzog war ihm als Geldgeber unersetzlich: annähernd eine Million Gulden hatte ihm Ludovico seit 1493 auf den Tisch gelegt — weit mehr als das ganze Reich während seiner 25 Regierungsjahre; seine politischen Erwartungen hatte der Herzog freilich nicht erfüllen können. Es war ein schwacher Trost, daß fast gleichzeitig Leonhard, der letzte Graf von Görz, verstarb (April 1500) und seine Herrschaften im Drautal, am Isonzo und in Friaul dem Kaiser vererbte, der damit ein neues Standbein in Italien gewann. Die deutschen Reichsfürsten fühlten sich durch diese Niederlage Maximilians ermutigt, auf dem kommenden Augsburger Reichstag das königliche Regiment zu beseitigen. Hatten sich die Fürsten schon um den Verlust der Eidgenossenschaft wenig gekümmert, so bedeutete ihnen der Verlust Mailands weit weniger. Die venezianischen Gesandten wiederholten es immer
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Enttäuschungen des Augsburger Reichstages
wieder, daß die Reichsfürsten äußere Erfolge des Königs verhinderten, weil sie dadurch eine Verstärkung der königlichen Gewalt und eine Einschränkung ihrer reichsfürstlichen Freiheiten fürchteten. Die Spanier sahen die Sache ganz nüchtern: Ludovico sei zugrunde gegangen, weil die Reichsfürsten dem König jede Hilfe für Mailand verweigerten.
Enttäuschungen des Augsburger Reichstages Entmachtung des Königs
(1500).
Als Maximilian im Dezember 1499 den Augsburger Reichstag einberief, stellte er zwar die Abwehr der äußeren Feinde, Franzosen und Türken, in den Vordergrund, sprach aber auch von der Vollendung der inneren Reformen, vor allem der Reichsverteidigung, die sich im Schweizerkrieg so schlecht bewährt hatte. Ohne ein Reichsheer war an die Rettung Mailands nicht zu denken. Maximilian brauchte dafür eine ausgiebige Kriegshilfe der Reichsstände, wofür er bereit war, das Reichsregiment mit Fürsten und Ständen zu teilen. Kurfürsten und Fürsten aber wollten das Regiment als ganzes in ihre Hände bringen. Italien und Mailand waren ihnen gleichgültig. Bei der Eröffnung des Reichstages zeichnete der König ein düsteres Bild der Lage: die Türken näherten sich der oberen Adria; Venedig habe sich mit Frankreich gegen das Reich verbündet, um Mailand zu unterwerfen. Frankreich wolle nun ganz Italien und die Kaiserkrone. Die Franzosen würden schließlich auch vor dem Reich und den österreichischen Ländern nicht haltmachen — auch nicht vor den deutschen Fürstenstaaten, die ihre Herrschaften verlieren könnten. Indes traf fast gleichzeitig die Nachricht ein, daß die Franzosen Mailand das zweite Mal, endgültig erobert und H e r z o g Ludovico gefangengenommen hatten. Aber die Fürsten weigerten sich, den Mailänder Fall sofort zu behandeln. D e r Angriff auf ein großes Reichslehen war für sie keine dringende Sache, schon gar nicht ein Kriegsfall. M a n antwortete dem König, es gebe keine französische Gefahr; mit König Ludwig X I I . könne man sich durch eine Gesandtschaft verständigen. Die Fürsten dachten im Augenblick nur daran, die Zwangslage des Königs zu nützen und ihm den Rest seiner Herrschaftsrechte zu nehmen. Als im Mai die Verhandlungen des Reichstages endlich begannen, verwies Erzkanzler Berthold wohl auf die Gefahr für die Reichsrechte in Italien, für R o m und die Kaiserkrone, tatsächlich aber hatte er, wie der ganze Verlauf des Reichstages zeigt, nur die Eroberung des Regiments im Sinn. Maximilian wünschte eine bessere Steuerordnung, da der Gemeine Pfennig von 1495 völlig versagt hatte. Aber die Steuer wurde von den Fürsten mit der Regimentsordnung gekoppelt: ohne Überlassung des Regimentes an die Stände sollte es keine Steuer geben. D e r König scheint sich zäh gewehrt zu haben. T r o t z strenger Geheimhaltung drang der eine und andere Ausbruch des königlichen Zornes sogar nach außen. Rücksichtslos wurde er Schritt für
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Schritt zurückgedrängt und mußte schließlich fast alle Königsrechte an die Fürsten abtreten, wenn er nicht von vornherein auf eine Kriegssteuer und auf die Aufstellung eines Reichsheeres verzichten wollte. Am 2. Juli 1500 wurde die neue Regiments- und Steuerordnung kundgemacht, die einen völligen Umsturz der alten Reichsverfassung enthielt. So gut wie alle Hoheitsrechte gingen an den neuen Reichsrat über. Als Gegenleistung hatte man dem König eine Steuerhilfe in Aussicht gestellt. Aber die Verteidigung Italiens und Mailands, worauf es ihm vor allem ankam, wurde nicht näher erwähnt. In der Vollversammlung versuchte er den Ständen ins Gewissen zu reden: Er sei ihnen stets entgegengekommen — besonders hier in Augsburg; er fordere nun auch von den Ständen die Einhaltung der eidlich beschworenen Ordnungen. In höchstem Zorn fügte er drohend hinzu, „wenn sie sich auch diesmal ihrer Hilfspflicht entzögen, so werde er nicht warten, bis ihm die Feinde die Krone raubten, sondern er werde sie selbst zu Boden schleudern und nach ihren Stücken greifen; wer die Stücke an sich bringe, der möge sie behalten". Diese dunklen Drohungen sollten wohl andeuten, daß er sich das Seinige nehmen und den Rest des Reiches dem Machtkampf der Fürsten preisgeben werde; dann würden die mittleren und kleinen Reichsstände sehen, wo sie blieben. Der Augsburger Abschied vom 10. September 1500 enthielt alle Neuerungen, soweit sie nicht schon in der Regiments- und Hilfsordnung niedergelegt waren. Das neue Reichsregiment übernahm den größten Teil der Rechte des jährlichen Reichstages, wie ihn die Wormser Ordnung vorgesehen hatte, und damit den größten Teil der Königsrechte. Der Abschied enthielt auch die neue Kriegsordnung: die Kriegserklärung bedurfte eines Regimentsbeschlusses, was sicher ein Fortschritt gewesen wäre, wenn es alle Staaten so gehalten hätten; aber in jenem machtkämpferischen Zeitalter war dies ganz ungewöhnlich. Auch die Führung des Reichsheeres wurde dem König aus der Hand genommen und einem Reichshauptmann übertragen, was Maximilian besonders tief verletzen mußte, denn es widersprach allen Traditionen des Kaisertums. Hatte Maximilian anfangs fest gehofft, gegen Zugeständnisse in der Regimentsfrage wenigstens die Reichssteuer, die Kriegshoheit und ein stehendes Reichsheer einzutauschen, womit er Mailand und Italien zurückerobern wollte, so zerflossen gegen Ende des Reichstages alle diese H o f f nungen in nichts. Nicht einmal das Recht, mit auswärtigen Mächten zu verhandeln, wollte man ihm zugestehen. Er fühlte sich von den Ständen buchstäblich überrumpelt und betrogen. Kein König hätte sich dies gefallen lassen können (Ulmann). Sicher nicht ganz zu Unrecht gab der König dem Erzkanzler Berthold die Hauptschuld. Der Bruch war seither unheilbar. Berthold soll 22 Schmähartikel gegen den König verbreitet haben, was er ihm über den Tod hinaus nicht vergaß. Maximilian scheint dem Abschied und der Kriegsordnung seine Unterschrift und das Siegel verweigert zu haben. Verbittert reiste er ab, blieb
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auch der Einsetzung des Reichsregiments in Nürnberg fern und verweigerte Berthold jede Zusammenarbeit. Diese Augsburger Gesetze zusammen mit den letzten Niederlagen gegen die Eidgenossen, dem Verlust Mailands und dem sich anbahnenden Verlust Neapels, das Maximilian als altes Reichsgebiet betrachtete, und damit ganz Italiens führten Maximilian auf den offensichtlichen Tiefpunkt seiner Regierungszeit. Als Sieger verließen Kurfürsten und Fürsten den Augsburger Tag: sie hatten den Kampf um das innere Regiment vorläufig für sich entschieden und das Reich nach außen hin auf die Politik des völligen Machtverzichtes festlegen können. Ein Reichsheer wurde zwar beschlossen, aber nicht aufgestellt, so daß sich deutsche Landsknechte — ähnlich wie die Schweizer — gezwungen sahen, ihren Sold unter den französischen Fahnen zu verdienen. Der König war aus der inneren Reichsregierung ebenso ausgeschaltet wie aus dem Kräftespiel der europäischen Mächte. Sogar die Reichsgesandtschaft nach Frankreich wurde von den Ständen abgeordnet. Ludwig XII. aber höhnte, Maximilian sei ein Sprüchemacher, um den man sich nicht mehr zu kümmern brauche; er rede nur vom Krieg, ohne ihn führen zu können. An der Römischen Kurie äußerte man, der König von Frankreich solle eigentlich Kaiser sein.
Ostpolitik In den letzten Jahren hatte der König von Frankreich auch im Osten eine Liga mit Ungarn, Böhmen, Polen und Litauen vorbereitet und war auf dem besten Weg, König Wladislaw von Ungarn durch die Heirat mit einer französischen Prinzessin fest an Frankreich zu binden, um Maximilian auch vom Osten her zu fesseln und dessen Erbhoffnungen auf Böhmen und Ungarn zu vereiteln. Dem habsburgisch-spanischen Heiratsbündnis sollte ein wirksamer französischer Gegenbund nicht nur in Italien, sondern auch im Osten entgegengestellt werden. Ungarn war für Maximilian stets ein Turm im großen politischen Spiel — die Vormauer der Christenheit gegen die Türken und Aufmarschraum für jeden Kreuzzug. Er hätte dieses Königreich sehr gerne dem österreichischen Länderverband angeschlossen. Nach dem T o d e des Matthias Corvinus stellte sich Maximilian sogar der ungarischen Königswahl, verlor aber gegen Wladislaw aus dem Haus der Jagellonen, der durch ein Heiratsversprechen an die Königin-Witwe Beatrix die Corvinen-Partei und damit die Königswahl gewinnen konnte. Maximilian stieß mit Heeresmacht gegen Ofen vor und konnte sich im Preßburger Frieden (1491) Teile Westungarns mit dem Recht, neben Wladislaw den ungarischen Königstitel zu führen, außerdem ein Erbrecht auf das Königreich für den Fall des Aussterbens der ungarischen Dynastie sichern. Maximilian versuchte während der folgenden Jahre noch öfter, das Kö-
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nigreich vor seinen Wagen zu spannen, wurde aber von den selbstbewußten ungarischen Ständen erfolgreich zurückgewiesen. Um der Hilfe des Römischen Königs nicht zu bedürfen, schloß man einen billigen Frieden mit der Hohen Pforte und suchte aus Furcht vor Maximilian alsbald heimliche Verbindungen zu Frankreich. Den starken Gegensatz zwischen Ungarn und dem Reich verschärften die Kroaten, welche seit alters zur Stephanskrone gehörten. Da Ungarn nicht imstande war, sie gegen die Türken zu schützen, richtete das bedrängte Volk seine Hoffnungen auf den Römischen König. Seit ihnen die Türken eine Frist zur Unterwerfung gesetzt hatten, suchten die Kroaten mit wiederholten Gesandtschaften die Hilfe des Reiches. Aber Maximilian wagte es doch nicht, durch eine Schutzherrschaft über Kroatien in offene Feindschaft mit Ungarn oder gar mit der türkischen Großmacht zu geraten. Einen Hauptgegensatz zwischen Maximilian und Wladislaw bildete der Heirats- oder Scheidungshandel des Königs von Ungarn und der KöniginWitwe Beatrix. Nachdem sich Wladislaw im Thronstreit durch eine „Scheinehe" ihrer Hilfe und ihrer Reichtümer versichert hatte, suchte er die Witwe, die als unfruchtbar galt, wieder loszuwerden, um aus einer anderen Ehe Kinder und Thronerben zu gewinnen. Maximilian, der alte Verbindungen mit Königin Beatrix unterhielt, bemühte sich in wiederholten Vorstellungen beim Papst, die Unauflöslichkeit der ungarischen Ehe durchzusetzen, weil er sich gerade infolge der angeblichen Unfruchtbarkeit der Königin gute Erbfolgeaussichten auf Ungarn und Böhmen ausrechnete. Es gelang ihm sogar, mehrere Heiratspläne Wladislaws zu vereiteln. Umgekehrt versuchte auch Ludwig XII., den König von Ungarn nach seiner allfälligen Scheidung mit einer französischen Prinzessin zu verheiraten, um das Königreich fester an Frankreich zu binden. Als Maximilian erkannte, daß die Ehescheidung nicht mehr zu verhindern war, dachte er sogar daran, König Wladislaw mit seiner Tochter Margarethe zu verheiraten, deren Gemahl Juan von Spanien inzwischen gestorben war. Aber die ungarischen Jagiellonen wandten sich immer entschiedener den Franzosen zu. Die Gefahren eines französisch-ungarischen Bündnisses, wie es schon zu Matthias Corvinus' Zeiten bestanden hatte, drohten wiederzukehren. Der ausbrechende große Türkenkrieg von 1499—1503, in dem das Reich und Maximilian ohnmächtig abseits standen, eröffnete der französisch-venezianischen Diplomatie in Ungarn neue Möglichkeiten. Die Franzosen, die mit Venedig bereits eng verbündet waren, schlossen nun auch mit Ungarn, Polen und Litauen eine Liga gegen die Türken, die bald durch eine Liga des Papstes mit Venedig und Ungarn ergänzt wurde (1501). Alexander VI. erklärte die Heirat mit Beatrix für nichtig, um König Wladislaw für eine französische Eheverbindung freizumachen. Wenn man auch beteuerte, daß dies alles nicht gegen Maximilian gerichtet sei, so handelte es sich offensichtlich doch um ein Sonderbündnis zur Einkreisung der Habs-
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burger und des Reiches. Es war die französische Antwort auf die habsburgisch-spanische Heirat. Hinter Ungarn stand die Großmacht Polen. Maximilian nahm den jagellonischen Machtblock, der außer Ungarn, Böhmen, Polen und Litauen auch Kiew umfaßte, sehr ernst, zumal sich diese Großmacht mit Frankreich zur Einkreisung des Reiches Zusammenschloß. Besorgt äußerte Maximilian um 1500, „das polnische Geschlecht werde noch statt des österreichischen im niederen Europa herrschen". Diese Gefahr hatte schon Kaiser Friedrich III. bewogen, als Gegengewicht gegen die Jagellonen die Bundesgenossenschaft des Großfürsten von Moskau zu suchen. Das erste russische Bündnis Maximilians von 1492 blieb zunächst ohne größere Bedeutung, weil er damals nur gegen Ungarn und die Pforte, nicht aber gegen die polnischen Jagellonen kämpfte; nur gegen sie hätte der Großfürst von Moskau seine Truppen in Bewegung gesetzt. Abgesehen von Ungarn gab es mit den polnischen Jagellonen weit ältere Gegensätze: hauptsächlich den Deutschen Orden, der zwar dem Papst unterstand, nicht aber dem Reich, obwohl fast alle Ritter aus Deutschland stammten. Die Niederlage von Tannenberg und der Thorner Frieden (1466) zwangen den Deutschherren außer großen Landverlusten die Lehenshoheit des Königs von Polen auf, was zu dauernden Streitigkeiten führte. Maximilian nahm sich der Anliegen und Beschwerden des Ordens wieder tatkräftiger an, zumal auch die Fürsten von Masovien, unmittelbare Nachbarn des Ordenslandes, die mit Maximilian seit den Zeiten seiner Großmutter Zimburgis nahe verwandt waren, über polnische Unterdrückung klagten. Maximilian forderte den Fürsten von Masovien auf, sein Land den Habsburgern zu vermachen und sich mit dem Deutschen Orden in Preußen und Livland zu einem Bündnis gegen Polen zusammenzuschließen, während er selbst den Großfürsten von Moskau für diesen antipolnischen Bund gewinnen wollte. Vergebens, denn zu stark waren die Gegensätze zwischen dem Deutschen Orden, zumal den Schwertbrüdern in Livland, und dem Großfürsten Ivan. Der Preßburger Friede mit den ungarischen Jagellonen (1491) entschärfte auch allmählich die Spannungen Maximilians mit Polen, so daß er auf das russische Bündnis einstweilen verzichten konnte. Der Nordosten war wieder sich selber überlassen, da sich Maximilian während der nächsten Jahre ganz der Italienpolitik hingab. Ungestört konnte nun König Johann Albrecht von Polen gegen Preußen vorgehen, während der Großfürst den Deutschen Orden in Livland bedrängte, sodaß der Hochmeister Hilfe beim Deutschen Reichstag suchte. Dort bekam der Orden stets schöne Worte und die üblichen Ausreden: „Die Notlage des Reiches gestatte keine Hilfe; man wolle die Sache auf dem nächsten Reichstag behandeln". So antwortete man in Freiburg (1498) und ähnlich auf dem Augsburger Tag (1500). Tatsächlich ging das Reich damals über vor Reichtum, Volks- und Lebenskraft, wie auch Machiavelli urteilte. Polen versuchte, den Orden ganz aus Preußen zu verdrängen; man dachte daran, die Deutschherren nach Podolien zu verlegen, wo sich ihre Kraft am Türkenkrieg verbrauchen sollte.
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Türken und Tataren brachen von Podolien und Bessarabien aus gegen Polen los und schlugen das Land mit einer Reihe schwerer Niederlagen (1498). Vorübergehend schien sogar die Hauptstadt Krakau bedroht. Es ist verständlich, daß das Reich den Hilferufen angesichts der polnischen Ordenspolitik kein Gehör schenkte. Umgekehrt durfte man sich nicht wundern, daß die Jagellonen 1500 eine Liga mit dem König von Frankreich abschlossen, die sich gewiß auch gegen die Türken richtete, aber ebensosehr gegen Maximilian, das Reich und den Deutschen Orden. Die Deutschherren nützten nun ihrerseits, von Maximilian und dem Reichstag dazu ermuntert, die polnische Niederlage dazu aus, um die Lehenshoheit abzuschütteln und den Treueid an den König zu verweigern. Der neue Hochmeister, Friedrich von Sachsen, wurde von Maximilian persönlich zum Ritter geschlagen. Der König forderte Polen auf, dem Deutschen Orden die alten Rechte zurückzugeben; der Lehenseid sei für den Hochmeister unziemlich und für den Römischen König unerträglich. Aber es blieb bei Worten. Wie hätte Maximilian, der von den Ständen nicht einmal die schuldige Reichshilfe gegen die Eidgenossen oder für seinen Krönungszug erreichen konnte, eine Kriegshilfe für den Deutschen Orden gegen Polen erwirken können? Maximilian schwebte als Selbsthilfe eine Vereinigung aller Ritterorden vor Augen: ein Zusammenschluß seines österreichischen Georgsordens mit dem Deutschen Orden und den Johannitern, um den Ungläubigen besser widerstehen zu können. Obwohl der Nordosten für Maximilian sehr ferne lag, und die großen Entscheidungen für ihn anderswo fielen, wandte er diesen „entfremdeten Reichsgebieten" doch mehr Aufmerksamkeit zu, als die meisten seiner Vorgänger. Der Reichstag beschränkte sich auf die üblichen Ausreden. Jahr für Jahr verdingten sich Tausende von Landsknechten in fremde Kriegsdienste, während das Reich nicht einmal die Mittel zur Verteidigung seiner Grenzstädte gegen die Eidgenossen aufbringen wollte. Im Osten drohte die größte Gefahr von den Türken. Eduard Fueter vertrat in seiner Geschichte des europäischen Staatensystems das höchst anfechtbare Urteil, die Türken hätten für Europa im 16. Jahrhundert niemals eine echte Gefahr bedeutet. In Osterreich schätzte man die Lage seit dem Fall von Konstantinopel (1453) und seit den Jahr für Jahr wiederkehrenden Überfällen auf Krain, Steiermark, Kärnten und Friaul, nach den türkischen Vorstößen gegen Ungarn, Polen und in die obere Adria sicher richtiger ein. Die Türken waren ein Naturvolk von ungebrochener Tapferkeit, beseelt von leidenschaftlichem Eroberungswillen; eine furchtgebietende Großmacht mit hervorragender Kriegsverfassung, die — zum Unterschied vom Reich — über ein gewaltiges Lehensaufgebot und über stehende Elitetruppen, die Janitscharen, verfügte. Die türkische Artillerie war auf höchstem Stand. Die Kriegssteuern dieses Großreiches betrugen etwa das Fünfzigfache dessen, was der Kaiser in einem Jahr zu verbrauchen hatte. Stand ein starker Sultan an der Spitze, so zeigte sich dieser Erobererstaat zu Kraftausbrüchen fähig, welche die Nachbarn erzittern ließen. Welche Vermessenheit, wenn Maximilian mit den venezianischen Gesandten scherzte, mit 12 Reitern traue er sich,
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die Türken vom Balkan zu vertreiben. Es handelt sich in der Sprache der Zeit allerdings um eine Symbolzahl, welche „ganz wenig" bedeutet. Man wußte, daß die Türken die Eroberung Ungarns und Italiens planten. Eine alte Weissagung mahnte den Sultan, den „roten Apfel" zu pflücken, worunter Rom, der Sitz des Papstes, verstanden wurde; wäre dieses größte aller Ziele erreicht, so folge alles andere von selbst: Ofen, der Sitz des Königs von Ungarn, und Wien, die Hauptstadt des Kaisers, schienen leichter erreichbar. An den österreichischen Grenzen empfand man die Türkengefahr daher viel drohender als im Innern des Reiches. Durch Jahrhunderte erinnerte man sich Abend für Abend beim Schlag der „Türkenglocke" an diese tödliche Gefahr. Trotz seiner starken Vorliebe für den Westen betrachtete auch Maximilian die Türkenfrage als eine Hauptaufgabe seines Lebens. Er sah im Kreuzzug, den man zunächst nur als Vertreibung des Islam aus Europa plante, eine Ehrenpflicht des christlichen Kaisers, obwohl ihm die Weltlage jede Möglichkeit zu versperren schien. Mit einem Türkenzug begann er nach dem Tod des Vaters seine Alleinherrschaft; mit den großen Kreuzzugsplänen des Augsburger Tages (1518) Schloß er sein Lebenswerk. Es ist gewiß richtig, daß er mitunter etwas anderes meinte, wenn er von „Türkenhilfe" redete. Aber das widerlegt nicht seinen ehrlichen Kreuzzugswillen, selbst wenn er damit oft politische Nahziele verband. Er wolle das „schwarze Trauergewand" nicht ablegen, ehe er den Kreuzzug unternommen habe, beteuerte er öfter. Die Franzosen hätten ihm das gegen die Türken erhobene Schwert aus der Hand geschlagen, sagte Maximilian, als er unter dem Druck der italienischen Eroberungen Karls VIII. von Frankreich seine Vorbereitungen für einen großen Türkenzug wieder einstellen mußte. Er war im Herbst 1493, nach dem Tod des alten Kaisers, einem Einfall der Türken nach Krain, Steiermark und Kärnten entgegengetreten und hatte dann einen großen Gegenangriff aller christlichen Mächte über den Balkan hinweg, hauptsächlich aber der dalmatinischen Küste entlang gegen die Türken geplant, den Kardinal Peraudi und die Römische Kurie unterstützten, Venedig aber beharrlich ablehnte. Karl VIII. hat ihn dann durch seinen Überfall auf Italien endgültig durchkreuzt. Unmittelbar darauf begann Maximilian an den südöstlichen Grenzen eine ständige Türkenabwehr aufzubauen — die spätere Militärgrenze — welche 1495 auf dem Wormser Reichstag sogar der Obhut des Reiches unterstellt wurde. Der St. GeorgsRitterorden sollte eine durch viele große und kleine Festungen gesicherte Verteidigungslinie aufbauen, die sich von der Untersteiermark, der Drau entlang, an der großen Ordenskaserne von Millstatt vorbei, den Tiroler Bergen entlang bis zum Bodensee hinziehen sollte; denn der König rechnete bereits mit der Möglichkeit des Verlustes von ganz Italien. Pessimisten sahen die Türken bereits am Rhein. Es war ein Glück für Maximilian, daß der „fromme" und beschauliche Sultan Bajezid II. während der Jahre des französischen Überfalls auf Italien die günstige Gelegenheit nicht nützte; er fürchtete wohl einen Angriff
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Karls VIII. gegen Konstantinopel. Solange der König von Frankreich den Bruder des Sultans, den Prinzen Dschem, und Maximilian den Prinzen Otman Kalixt in Händen hatten, die als Gegensultane aufgestellt werden konnten, hielt sich Bajezid, der auch mit der Feindschaft der Sultane von Ägypten und Babylon zu rechnen hatte, vorsichtig zurück. Er hätte für jeden dieser Prätendenten 300.000 Dukaten bezahlt — so sehr fürchtete er sie. Als diese Prinzen gestorben waren, mußte Maximilian wieder mit der Angriffswut der Türken rechnen. Aber zunächst zog Italien seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich, und der König mußte froh sein, sich im Osten dem ungarischen Türkenfrieden von 1495 anschließen zu dürfen. Im Feldlager von Vigevano traf Maximilian im September 1496 mit einem türkischen Gesandten griechischer Abkunft zusammen: er solle in Konstantinopel melden, der Sultan möge den Römischen König nicht durch Kleinkriege zu einem übereilten Frieden mit Frankreich zwingen, sondern seine Kräfte für einen entscheidenden Waffengang sparen, zu dem ihn Maximilian herausfordern werde. Er bot dem Großherrn eine Art Turnier nach ritterlichen Gesetzen an, das den Krieg entscheiden sollte. Zum allgemeinen Erstaunen der Hofgesellschaft schlug Maximilian den Türken zum Ritter — eine Auszeichnung, die wenig kostete und in Konstantinopel einen guten Eindruck machte. Sultan Bajezid II. schickte bereits im Frühjahr 1497 seinen christlichen Ritter als persönlichen Gesandten ins Reich zurück, wo er im Juli auf der Herzogswiese, nächst dem Kloster Stams in Tirol, in Gegenwart vieler Fürsten und Gesandten feierlich empfangen wurde — die erste türkische Gesandtschaft, die im Reich erschien und dementsprechendes Aufsehen erregte. Es gab Vergnügungen aller Art, öffentliche Empfänge, geheime Verhandlungen und große Angebote: der Sultan, der damals weitausholende Umfassungsangriffe gegen Polen und über die Adria gegen Venedig vorbereitete, suchte ein Friedensbündnis mit Maximilian auf Lebenszeit, das ein „christlicher Kaiser" weder gewähren konnte noch wollte. Einen Dauerfrieden mit den Ungläubigen durfte es nach christlicher Auffassung nicht geben, galt doch sogar der diplomatische Verkehr mit den Türken als „unchristlich". Gleichwohl fertigte auch Maximilian eine heimliche Botschaft nach Konstantinopel ab. Das Ergebnis war ein Waffenstillstand, der die österreichischen Grenzen für längere Zeit vor einem türkischen Großangriff bewahrte. Ein europäischer Türkenkrieg drohte auszubrechen, als 1497 Polen und Ungarn dem Sultan die Walachei zu entreißen suchten, der mit einem harten Gegenschlag antwortete. Der Freiburger Reichstag (1498) überhörte wegen der bekannten Klagen des Deutschen Ordens die Hilferufe aus Polen. Der Banus von Kroatien, der Maximilian und den Reichstag „unter Tränen" um Hilfe anflehte, wurde mit dem leeren Versprechen von 5000 Gulden abgefertigt, die man ihm niemals ausbezahlte. Die Deutsche Nation allein vermöge nichts, meinten die Stände, es müsse die ganze Christenheit zusammenhelfen. Der Angriff der Türken gegen Venedig kam Maximilian während der großen Rückschläge in den Jahren 1499/1500 geradezu recht: wenigstens die
Die „Kroatenschlacht" (1493). Türken schneiden den christlichen Gefangenen die Nase ab, bespucken die Toten und fuhren die Köpfe der Erschlagenen auf Spießen mit. Holzschnitt von L. Beck aus dem Weißkunig.
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Venezianer waren gebunden. Ludovico Moro, der den Verlust seines Herzogtums an die Franzosen zu fürchten hatte, ließ in Konstantinopel verlauten, der Sultan könne mit der Unterstützung aller italienischen Staaten gegen Venedig rechnen. So ist es verständlich, daß in Venedig das Gerücht aufkam, Maximilian und Moro hätten den Türken für einen Angriff gegen Venedig viel Geld angeboten; man schwätzte sogar, der Herzog von Mailand wolle eine Tochter des Großtürken zur Frau nehmen. Im Frühsommer 1499 ließ der Großherr seine Flotte in die Adria einlaufen. Maximilian durfte sich durch den türkischen Angriff auf Venedig geradezu entlastet fühlen. Er rührte keinen Finger für Venedig — auch nicht, als die Türken 1499 in doppeltem Angriffsstoß, zu Land und zur See, gegen Venedig vorgingen, den Karst überstiegen, Friaul überschwemmten und bis Treviso vorstießen. Die Venezianer behaupteten sogar, die Türken seien von österreichischen Agenten geführt worden. Tatsächlich konnte Maximilian aus der Beschäftigung Venedigs mit den Türken für sich einen recht bedeutenden Vorteil ziehen: Als der letzte Graf Leonhard aus dem Hause Görz im April 1500 auf Schloß Bruck bei Lienz verstarb, besetzten kaiserliche Truppen die recht ansehnliche Grafschaft im Pustertal, in Görz, am Isonzo und einige Herrschaften in Friaul, ohne daß es die Signorie, die darauf Teilansprüche erhob, hätte verhindern können. Damit war die Landbrücke zwischen den habsburgischen Besitzungen in den Vorlanden und in Innerösterreich geschlossen, und ein fester Standplatz in Italien gewonnen. Während Maximilian im Sommer 1499 den dreijährigen Waffenstillstand mit den Türken erneuert hatte, suchte der Papst — angesichts der großen Gefahr für Italien — eine gesamtchristliche Türkenabwehr aus dem Boden zu stampfen, indem er einen Kongreß aller christlichen Mächte nach Rom berief. Aber die Haltung des Papstes in der Italienfrage — zumal der Raub Mailands durch Ludwig XII. — machten es dem Römischen König unmöglich, sich mit dem Papst und Frankreich gegen die Türken zu verbünden; er blieb dem Unternehmen fern. Der Papst hielt sich fortan ganz an Frankreich, „das berufen sei, die christlichen Mächte anzuführen". Die Venezianer mußten schwere Niederlagen hinnehmen, verloren während der nächsten Monate die Adriafestungen Modon und Koron sowie die Insel Korfu an die Türken, so daß sie bittflehend die Hilfe der christlichen Staaten suchten. Der Papst dachte bereits an Flucht aus Italien, denn in Brindisi — wenige Tagesreisen von Rom entfernt — war ein türkisches Korps an Land gegangen. Wer immer zur Hilfe in Italien erschien, wäre dem Papst und den Venezianern recht gewesen. Maximilian sagte zur venezianischen Hilfsbitte nur, er sei durch den König von Frankreich, „dem Gott verzeihen möge", leider gebunden, und empfahl der Signorie Standhaftigkeit. Unter dem Eindruck der Bedrohung Roms fühlte sich Alexander VI. so sehr aufgerüttelt, daß er sich mit dem Kardinalskollegium zu bedeutenden persönlichen Geldopfern aufraffte. Kreuzzugslegaten wurden in alle christlichen Länder, ins Reich, nach Portugal, Norwegen, Schweden, England,
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Schottland, Ungarn, Böhmen, Polen und Preußen abgesandt, um den Jubelablaß und Kreuzzugsgelder einzusammeln. Der alte Plan von 1490 für einen großen, dreijährigen Kreuzzug wurde wieder hervorgeholt, aber Maximilian lehnte beharrlich ab, da er sich von der Führung offensichtlich ausgeschaltet fühlte. Dieser Plan überließ Franzosen und Spaniern ganz Italien als Aufmarschgebiet, während Maximilian auf den unwirtlichen Balkan abgeschoben werden sollte. So weit ging der Groll des Königs, daß er dem Kreuzzugslegaten Peraudi sogar eine Zeit lang die Einreise in das Reich untersagte. Sein Mißtrauen war um so größer, weil er die Türkenbündnisse des Papstes und der Franzosen mit Venedig, Ungarn und Polen, zumal die ungarisch-französische Heirat als Einkreisung seiner österreichischen Länder und des Reiches empfinden mußte, so daß er seinen Landständen in düsteren Farben die Gefahren schilderte, die Kaiserkrone und Reichsitalien zu verlieren, vielleicht sogar durch Ungarn, Venezianer und Franzosen aus seinen österreichischen Ländern vertrieben zu werden. Es war noch nicht sehr lange her, daß Matthias Corvinus in Wien seine Residenz aufgeschlagen hatte. So mußte Maximilian zusehen, wie die Ereignisse über ihn hinweggingen. Die äußeren Niederlagen des Schweizerkrieges und der Verlust Mailands sowie die Entmachtung auf dem Augsburger Tag hatten ihn aus der europäischen Machtpolitik völlig ausgeschaltet. Wenn er auch so tat, als ob er sich des Eingriffs in den Türkenkrieg freiwillig enthielte, so wußte doch jedermann, daß er gar nicht eingreifen hätte können. Ohne daß er dagegen etwas unternehmen konnte, überfielen Franzosen und Spanier unter dem Vorwand des „Kreuzzuges" das Königreich Neapel, um Unteritalien unter sich aufzuteilen. Indes gelang es den Venezianern, nach langen Verhandlungen im Sommer 1503 mit den Türken, die durch Perser und Ägypter bedrängt, ihre Truppen anderswo brauchten, einen allgemeinen Frieden zu schließen. Rasch und gern trat Maximilian diesem Frieden bei. Der Türkenkrieg war damit zu Ende, den der König mit sehr wechselnden Gefühlen verfolgt hatte: zunächst schadenfroh, weil er den Venezianern die Schläge gönnte; später eifersüchtig, als Haupt der Christenheit an den Rand des Geschehns abgedrängt zu sein und ohnmächtig zusehen zu müssen, wie sich Spanier und Franzosen Italien teilten. Er mußte erkennen, daß ihn nur eine völlige Änderung seines außenpolitischen Systems aus dieser Ohnmacht herausführen könne: vielleicht konnte er gerade durch die Anführung eines „Kreuzzuges" als künftiger Kaiser wieder in den Mittelpunkt des Reiches und der christlichen Völker zurückkehren.
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Die neue Westpolitik. Umsturz der Bündnisse. Ausgleich mit Frankreich 3 . D I E NEUE WESTPOLITIK. U M S T U R Z DER BÜNDNISSE. A U S G L E I C H MIT FRANKREICH
Der außenpolitische
Systemwechsel
König und Reich hatten schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Italien schien verloren. Was war aus dem „großen Plan" geworden, Frankreich einzukreisen und zu vernichten? Das gerade Gegenteil trat ein. Die Heilige Liga von Venedig war gesprengt, Romzug, Kaiserkrönung und Reichsreform schienen fehlgeschlagen. Italien, „das sein Eigentum war", wie der König gerne sagte, drohte ganz in französische Hand überzugehen. Spanien und Frankreich einigten sich eben, auch Unteritalien aufzuteilen. Der Papst und Venedig standen auf Seiten der Franzosen. Die Jagelionen von Böhmen, Ungarn und Polen verhandelten mit den Franzosen. Ludwig XII. war vom Papst als Anführer der Christenheit gegen die Türken vorgesehen. Würde der König von Frankreich Kaiser werden? Maximilian war an den Rand der europäischen Staatengesellschaft abgedrängt und das Reich schien als Großmacht abzudanken. Das Reichsregiment in Nürnberg, das auch die Verhandlungen mit Frankreich an sich riß, hatte Ludwig XII. nach der Eroberung Mailands den Waffenstillstand geradezu „geschenkt" und nicht einmal eine Garantie für das restliche Reichsitalien gefordert. An der Römischen Kurie sprach man es offen aus, daß die Führung der Christenheit jetzt eigentlich dem König von Frankreich gebühre. Es war kein leeres Schreckgespenst, wenn Maximilian öfter auf die Gefahr hinwies, die Kaiserkrone könne an Frankreich verlorengehen; die Fährnisse der Kaiserwahl von 1519 sollten dies noch deutlich zeigen. Die auswärtige Lage schien sich auf einen großen Zweikampf der Häuser Habsburg und Valois zuzuspitzen. Konnte sich der „künftige Kaiser" aus diesen Kämpfen um die Neuverteilung der Welt heraushalten? Würde seine Hausmacht, auf die sich Maximilian allein stützen konnte, ausreichen, das Duell mit dem König von Frankreich zu gewinnen und die großen Aufgaben des europäischen Gleichgewichtes zu meistern? Offenbar waren neue Wege, ein Wechsel des außenpolitischen Systems nötig. Dieser Einsicht konnte sich Maximilian angesichts der Haltung der Reichsstände auf dem Augsburger T a g nicht dauernd verschließen. Er begann zu erkennen, daß er die Vorherrschaft mit Waffengewalt niemals werde erzwingen können, daß sie nur durch kluge Diplomatie, durch Koalitionen und Heiratsbündnisse zu erreichen sei. Den äußeren Niederlagen und den Demütigungen des Augsburger Tages war die Entmachtung durch das Nürnberger Regiment gefolgt. Hatten sich die Reichsstände dabei am Vorbild des venezianischen Zehnerrates angeregt, der über alles und jedes bestimmte und im Dogen nur mehr einen Staatsnotar sah? Maximilian befand sich auf dem absoluten Tiefpunkt seiner Politik. Erbittert reiste er aus Nürnberg ab; auf einem flüchtigen Zettel
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schrieb er den Regenten, „die Mailänder hätten um Hilfe gerufen, weil sie lieber dem Teufel als dem König von Frankreich dienten, aber man habe ihnen nicht geholfen. Der König müsse sich vor den Hasen auf der Linzer Heide schämen. Er hoffe, man werde ihm seine Sporen wenigstens gegen die Türken vergolden." In jenen Wochen und Monaten der Niedergeschlagenheit suchte er Trost in der Geschichte, in den Chroniken seines Hauses, in der Arbeit für sein „Gedächtnis" und im Entwurf seines Grabmales. Damals verfaßte er sein erstes Testament. Es war wohl ein Dokument der vorübergehenden Hoffnungslosigkeit, wurde deshalb von seinem Enkel Ferdinand eingezogen und der Vergessenheit übergeben. In jenen Jahren der Erniedrigung trat offenbar ein Grundzug seines Wesens stärker hervor: ein Hauch „melancholischer" Schwermut, die nach Meinung der Zeitgenossen große Menschen kennzeichnete, überschattete sein sonst freundliches Wesen. Der König überschritt eine Schwelle seiner inneren Entwicklung: der jugendliche Ubermut war überwunden. Waren die politischen Visionen Luftschlösser, reine Phantasiegebilde? — Inmitten dieser Niederlagen gab es Lichtblicke: vor allem die ganz unerwartete Wendung der spanischen Erbfolge, Erzherzog Philipps Anwartschaft auf das spanische Erbe und die Geburt des Thronerben Karl (V.); außerdem die Erwerbung der Grafschaft Görz im Pustertal, am Isonzo und in Friaul, die ihm fortan einen festen Stützpunkt im Rücken Venedigs sicherte. Vielleicht war der Zusammenbruch doch nicht endgültig? Maximilians Stimmungen schwankten. Scharfsinnige Berechnung, kühne Visionen und stürmische Leidenschaft lagen bei ihm dicht nebeneinander. Ausbrüchen verletzten Ehrgefühls und der Hoffnungslosigkeit folgten scharfsichtige Analysen seiner Lage und leidenschaftliche Kundgebungen der Zuversicht: er wollte „der größte Kaiser" nach Barbarossa sein; er sprach dies in seinen Ehrenwerken und in der berühmten Konstanzer Rede (1508) in naiver Großartigkeit aus. Er wollte nun während einiger Jahre der Erholung und der Ruhe die Rückkehr in die große Politik vorbereiten. Er hatte Fehler gemacht, mit unzureichenden Mitteln Unerreichbares angestrebt, gegen äußere Feinde und innere Schwierigkeiten zugleich gekämpft, durch Maßlosigkeit ebenso gesündigt wie durch Vertrauensseligkeit, was ihm seine Ordensbrüder vom Goldenen Vlies bei einem Kapitel offen vorhielten. Dies einzugestehen, fiel seinem Selbstgefühl nicht leicht. Er suchte die Schuld vielmehr bei den Widerwärtigkeiten seines Gestirns, bei seinem „spiritus adversus", bei „Unfallo und Neidelhart", den bösen Geistern seines Lebens. „Er habe gelitten wie Jesus Christus", sagte er öfter. Heimlich mochte er es sich wohl eingestehen, daß er den Bogen fallweise überspannt hatte. Der allzu kühnen Devise: „Ich hab's gewagt", folgte das vorsichtigere „Halt Maß in allen Dingen". Leichtfertige Entschlüsse wollte er meiden, überstürzte Unternehmungen wie die bretonische Heirat, den Italienzug von 1496 und den Schweizerkrieg von 1499, den ihm eigentlich seine Innsbrucker Räte eingebrockt hatten, würde er allein wohl nicht
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mehr wagen. Ja, er geriet nachgerade in den Ruf eines Zauderers, weil er sich nicht mehr erbötig machte, allein mit „sieben Reisigen einen Krieg anzufangen". — Zwangsläufig folgten nun Jahre der finanziellen Zurückhaltung, der Sanierung seiner Finanzen und der inneren Reformen, ehe er wiederum die große Bühne der Weltgeschichte betrat. Vor allem sah er allmählich ein, daß er sein außenpolitisches System ändern, sich mit seinem „Todfeind" Frankreich ausgleichen müsse, wenn er das politische Gleichgewicht wiederfinden und sich unter den Mächten behaupten wollte. Er mußte freilich über den eigenen Schatten springen, wenn er nach den Erlebnissen seiner Jugend und des burgundischen Erbfolgekrieges, sich von den Plänen der Einkreisung und „Vernichtung Frankreichs" freimachen, den sogenannten „Brautraub" vergessen und dem „inimico cordialissimo" die Hand zum Bund reichen wollte. Er gab lange Zeit die Hoffnung nicht auf, daß sich doch ein anderer Ausweg finden lasse und brauchte drei Jahre, ehe er sein Mißtrauen überwinden konnte und sich zur neuen Westpolitik entschloß. Erzherzog Philipp, ganz abhängig von seinem burgundischen Rat, gründete alle seine Pläne auf einen dauerhaften Frieden mit Frankreich und wurde nicht müde auch dem Vater den Ausgleich mit Frankreich einzureden, der allein einen Ausweg aus dem politischen Zusammenbruch von 1500 zu eröffnen schien. Vater und Sohn, einander seit Jahren politisch und menschlich entfremdet, begannen sich allmählich wieder zu finden. Ludwig XII. forderte von Maximilian als Bedingung die Belehnung mit Mailand und damit die Anerkennung seiner italienischen Eroberungen, wozu sich Maximilian nur sehr schwer bereitfand, wußte er doch, daß der König von Frankreich in Mailand nicht stehenbleiben werde, zumal er der Unterstützung durch Papst Alexander VI. sicher sein durfte, dessen Sohn Cesare Borgia sich an den Raubzügen in Mittelitalien beteiligte, um sich dort einen Staat zu schaffen. Entscheidend war, daß sich auch König Ferdinand von Aragon mit Ludwig XII. über die Aufteilung Neapels einigte. Maximilian blieb nur die Möglichkeit, über seinen Sohn Philipp mit dem König von Frankreich ins Gespräch zu kommen, um auf diesem Weg in das politische Spiel der Großmächte zurückzukehren. Der König hatte sich bereits im August 1501 zu einem begrenzten Waffenstillstand mit Frankreich bereitgefunden, aber eine Belehnung mit Mailand zunächst noch abgelehnt. Ludwig XII. warf nun den Lockköder einer großen politischen Heirat seiner Erbtochter Claudia mit dem habsburgischen Erbenkel Karl (V.) aus. Die Möglichkeit einer Vereinigung des Reiches, Spaniens und Frankreichs schien sich abzuzeichnen. Mittels dieses erregenden Heiratsplanes konnte er allmählich auch Maximilian für eine Belehnung mit Mailand gewinnen: denn durch diese Heirat würde Karl Ansprüche auf Mailand, die Bretagne, auf das verlorene Herzogtum Burgund und auf die französischen Anteile Unteritaliens gewinnen, vor allem aber die Mailänder Frage auf einfache Weise aus der Welt schaffen. Die französischen, burgundischen und spanischen Gesandten bedrängten Maximilian mit diesem An-
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gebot, forderten die Verlängerung des Waffenstillstandes und freie Hand gegen Neapel, das die Franzosen bereits im August 1501 besetzten, wobei Maximilian untätig zusehen mußte. Aber das Angebot war zu großartig, als daß es Maximilian rundweg hätte abschlagen können, obwohl dieser Ehehandel sehr unsicher, und Claudia — etwas schielend und hinkend wie ihre Mutter — alles eher als anziehend war; aber sie würde wahrscheinlich Kinder haben und ein Königreich mitbringen, was dem Kaiser das wichtigste schien. Erzherzog Philipp und Juana waren seit dem Juli 1500 Erben der spanischen Königreiche, damit auch Anwärter auf die spanischen Eroberungen in Unteritalien und durch die geplante Heirat Karls mit Claudia auch Anwärter der laufenden französischen Eroberungen. Wenn diese „Weltheirat" zwischen Karl und Claudia zustande käme, würde Karl außer seinen burgundischen Ländern auch Spanien, Mailand, Neapel, die österreichischen Länder, vielleicht sogar Frankreich und als Kaiser das Deutsche Reich besitzen und der größte Monarch dieser Welt sein, wie die Venezianer fürchteten. Aber Ludwig XII. dachte im Ernst nicht daran, diesen Heiratsvertrag wirklich einzuhalten; er sollte ihm nur die Belehnung mit Mailand verschaffen und den Vormarsch in Italien freimachen. Es zeigt vom politischen Feingefühl Maximilians, daß er diesen großartigen Angeboten, sosehr sie seinen universalen Ideen sonst entsprochen hätten, mit größtem Mißtrauen begegnete: „Dieser Heiratsvertrag sei von den Franzosen nur erfunden, um das Reich von Italien fernezuhalten", was sich bald bestätigen sollte. Er versuchte daher immer noch ein Reichsheer aufzustellen; denn wenn man mit den Franzosen ernsthaft verhandeln wolle, könne dies nur aus einer gewissen Machtstellung heraus geschehen. Im Oktober 1501 traf Maximilian das erste Mal mit dem französischen Kardinalminister d' Amboise in Trient zusammen. Der König war in Jägertracht mit 300 Reisigen, zahlreichen erlegten Hirschen und einem gefangenen Bären in die Stadt eingezogen. Das Schauspiel sollte über seine „Armut", den völligen Mangel an Mitteln hinwegtäuschen. „Welch ein herrlicher König!", lobten die anwesenden Franzosen. Auch der große Empfang unter dem Thronhimmel sollte die Mittellosigkeit Maximilians verhüllen. Bei den geheimen Verhandlungen ging es um ein Freundschaftsbündnis mit Frankreich, um die Ratifikation der großen Heirat, um eine Reform der Kirche, um ein allgemeines Konzil und um eine mögliche Absetzung Papst Alexanders VI., wobei sich d' Amboise als Anwärter auf die Tiara empfohlen haben dürfte. Dafür sollte Maximilian den König von Frankreich mit Mailand belehnen; Ludwig XII. aber würde den Romzug und die Kaiserkrönung Maximilians unterstützen. In einem Geheimvertrag scheint man sich auch auf eine Aufteilung des venezianischen Festlandbesitzes geeinigt zu haben, worauf die späteren Verträge von Blois und Hagenau zurückkamen. Maximilian hielt nichts von diesem Vertragsgebäude; zu groß war sein Mißtrauen. In der Tat war alles Blendwerk, was Ludwig XII. versprochen
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hatte; nichts gedachte er einzuhalten. Schon wenige Wochen später wurde der Vertrag in Gesprächen mit Erzherzog Philipp zuungunsten Maximilians abgeändert. Der König verweigerte daher die Ratifikation und entließ den französischen Gesandten mit unverblümten Drohungen für den Fall, daß Franzosen und Spanier sich Italien ohne ihn teilen würden. So schien das Versöhnungswerk zunächst geplatzt. Der König von Frankreich nahm nun keine Rücksicht mehr und folgte seiner Armee sogar persönlich nach Italien, wo ihn Kardinäle, Fürsten und städtische Gesandte untertänig begrüßten, während sich die deutschen Kurfürsten und Fürsten zu Gelnhausen (Juli 1502) gegen Maximilian verbündeten und allen Versuchen eines Reichsaufgebotes unter dem Titel der Romfahrt oder des Türkenzuges entschieden widersetzten. Die Strähne des Unglücks schien für Maximilian noch immer nicht abzureißen. Italien sollte zwischen Franzosen und Spaniern geteilt werden, und das Reich mit seinen siebenhundertjährigen traditionellen Rechten war nicht dabei. Dahin hatte der vorsätzliche Machtverzicht des Reiches geführt. Das Heilige Reich war der friedlichste aller Staaten, hat aber auf diese Weise zum allgemeinen Frieden wenig beigetragen, denn die Macht ist der Natur selber gleich: wo Leerräume sich auftun, dringt sie unwiderstehlich ein, wo die Stützen versagen, kommt es zum Einbruch.
Der Kampf um Neapel Der Streit um den Besitz Neapels und Siziliens war uralt. Maximilian, der die Geschichte der Staufer in Unteritalien wohl kannte, betrachtete diese Länder als altes Reichsgebiet und hatte sich schon 1495/96 bemüht, nicht nur Karl VIII. aus Italien wieder zu vertreiben, sondern auch den König von Neapel in die Liga und in den Schutz des Reiches aufzunehmen. Der König von Frankreich, der bereits Mailand erobert hatte, forderte nun auch Neapel. Maximilian, durch das neue Reichsregiment gebunden, stand diesen Anschlägen hilflos gegenüber, wie sehr ihn auch der letzte König von Neapel um Hilfe bat. König Ferdinand von Aragon, seit der Doppelheirat von 1496/97 mit Habsburg eng verwandt, zögerte gleichwohl keinen Augenblick, sich mit Ludwig X I I . über eine Teilung Neapels zu verständigen. Für einen harten Rechner wie König Ferdinand, dem Urbild von Machiavellis „Principe", waren die verwandten Habsburger Figuren auf dem politischen Schachbrett, die er beliebig hin- und herschob und wegen ihrer „Armut" eher gering einschätzte. Noch während ihres „Kreuzzuges" gegen die Türken in der Adria (1501) fielen Spanier und Franzosen, nachdem sie sich des Papstes versichert hatten, über Neapel her. Man hatte König Fedrigo vorsorglich beschuldigt, er habe die Türken zu Hilfe gerufen. Nichts war damals geeigneter, die öffentliche Meinung aufzuregen. Außerdem hatte sich diese Bastarddynastie
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der Aragonesen durch Verbrechen ohne gleichen verhaßt gemacht und endete würdelos, wie sie regiert hatte. „Ein Bluthund ist niemals tapfer", bemerkte dazu Commines. Der Papst zögerte nicht, den König von Frankreich mit Neapel zu belehnen, nachdem die französische Armee die Stadt besetzt hatte. Man führte den letzten König samt seiner Familie nach Frankreich weg — der zweite italienische Fürst war französischer Staatsgefangener geworden. Gleichzeitig führte Cesare Borgia mit Unterstützung der Franzosen, mit List und Gewalt, mit Raub und Mord seinen ganz persönlichen Krieg zur Aufrichtung seines Fürstentums Romagna; angeblich hatte er noch weit Größeres im Sinn. Maximilian mußte tatenlos zusehen, wie sich dieser „Schlächter anständiger Menschen" auch am Reichsgut vergriff. Alexander VI. wagte es sogar, Maximilian zu drohen, er werde die Romagna und Bologna den Franzosen zuwenden, wenn der Römische König seinen Sohn nicht mit Siena, Pisa und Lucca belehne. Die Spanier besetzten den Süden der Halbinsel. Es war die große Zeit des Kriegsmeisters Gonzalo Hernandez de Cordoba, des „Gran Capitän", wie ihn seine Truppen in scheuer Bewunderung nannten, der die spanischen Kriegsvölker, alte Maurenkämpfer, teils Abenteurer, teils Verbrecher, mit eiserner Zucht zusammenhielt und mit spanischem Ehrgeiz erfüllte. Viele Feldherrn der nächsten Zukunft verdienten sich unter dem Gran Capitän ihre Sporen. Unteritalien, wo spanisch-maurisches Waffenhandwerk mit deutschburgundisch-französischer Kriegskunst wetteiferte, wurde das Übungsfeld für die weltgeschichtlichen Waffengänge der nächsten Jahrzehnte. Es war merkwürdig, daß nicht nur Spanier und Franzosen, sondern auch kleinere Mächte, wie Cesare Borgia oder die Eidgenossen, sich in Italien Herrschaften aneigneten, während das Reich einen seiner wesentlichen Bestandteile, sein „Königreich Italien", dank der Politik des Nürnberger Regimentes völlig preisgab. Die Genuesen entfernten damals den Reichsadler aus dem Hauptsaal des Dogenpalastes und ersetzten ihn durch die französische Lilie. Das Reich zählte unter den europäischen Mächten nicht mehr. Erzkanzler Berthold meinte, es wäre besser, halb Italien zu verlieren, als den Waffenstillstand mit Frankreich zu gefährden. Für Maximilian hingegen war der Gedanke, bei der Neuverteilung Italiens nicht dabei zu sein, unerträglich. Sein plänereicher Kopf beschäftigte sich immerfort mit Romfahrt, Kaiserkrönung und Kreuzzug. Gerade über den „Kreuzzug", der damals alle Gemüter bewegte, hoffte Maximilian, am ehesten wieder in die große Politik einzusteigen. Vielleicht würde ihm der Papst dann die deutschen Kreuzzugsgelder überlassen, die ihm aus der drükkenden Geldnot heraushelfen könnten? Vielleicht ließen sich unter dem Titel des Türkenzuges der Friede unter den christlichen Mächten anbahnen und die Reichsrechte in Italien wiederherstellen, was Maximilian als Voraussetzung für jeden Türkenzug ansah. Der neue Kreuzzugsplan sah die Sicherung der italienischen Reichsrechte, den Römerzug und die Kaiserkrönung als Voraussetzung für den
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Türkenkrieg vor: denn nur als „Kaiser", als Oberhaupt aller christlichen Fürsten konnte er zusammen mit dem Papst die nunmehr friedlich geeinte Christenheit anführen. Käme der Kreuzzug aber nicht zustande, so würde der König wenigstens Rom und die Kaiserkrone erreichen. Spanien und Frankreich sollten in Italien mit dem Kaiser wieder rechnen müssen. Seit dem Trienter Vertrag (Oktober 1501) begann Maximilian, sich wieder entschiedener auf Italien einzustellen. Er kündigte nun feierlich seinen Kreuzzug an und unterstützte die päpstlichen Kreuzprediger, die das Geld dafür aufbringen sollten. Ein ganz neuartiger Werbefeldzug wurde eingeleitet. „Wunderzeichen" wiesen angeblich auf das gottgewollte Unternehmen hin. Man berichtete von „Kreuzregen", kreuzförmigen Flecken, die vor allem im Schnee, aber auch auf lichten Kleidern sichtbar wurden; man sprach von Visionen heiliger Jungfrauen, von blutenden Hostien, die als göttliche Aufforderung zum Kreuzzug gedeutet wurden, und von vermeintlichen Gottesstrafen wie den „bösen Blattern" (Syphilis). Maximilian wollte den Papst gewinnen, sich den Zugriff auf die Kreuzzugsgelder erzwingen, ein Heer ausrüsten und nach Italien ziehen. In sprachgewaltigen Aufrufen versuchte Maximilian, die Reichsstände zum Kreuzzug aufzubieten: angeblich würden Perser und Ägypter die Türken im Rücken angreifen und den christlichen Kreuzzug wirksam unterstützen. Maximilian bot auch die schwäbische St. Georgs-Gesellschaft auf. Er wollte mit einer starken Armee nach Italien ziehen, die Kaiserkrone erlangen, dann mit seinem Kreuzheer nach Griechenland übersetzen und die Türken schlagen. Aber alle Aufrufe verhallten ungehört. Der Kurverein und die Fürsten setzten sich über diese Werbungen kühl hinweg; es entbrannte als Folge des Verfassungskampfes ein handfester Streit um die Kreuzzugsgelder. Inzwischen war der Kampf zwischen Spaniern und Franzosen um Neapel ausgebrochen. Maximilian drängte noch entschiedener nach Italien, um bei der großen Beuteverteilung dabeizusein. Aber die Türken hatten inzwischen die Adria verlassen. Der Kreuzzug war nicht mehr wichtig; die Unterstützung der Spanier gegen die Franzosen, die Verteidigung der Reichsrechte und die Kaiserkrönung traten wieder in den Vordergrund. Eine ganz neue Lage schuf der Tod Papst Alexanders VI. (1503 August) Sein Römischer Gesandter empfahl dem König, die einzigartige Gelegenheit der Sedisvakanz zu nützen, die Kreuzzugsgelder an sich zu bringen, nach Rom zu ziehen und einen genehmen Papst wählen zu helfen. Als man Pius III., einen großen Freund der Habsburger, wählte, wurde eine Kaiserkrönung aussichtsreicher. Wieder wurde mit dem Römerzug zugleich der Kreuzzug gegen die Türken verkündet. Aber zehn Tage nach seiner Krönung starb Pius III., und Maximilian mußte seine Hoffnungen wiederum begraben. „Lieber ein Schisma, als ein feindlicher Papst!" ließ sich der „künftige Kaiser" hören. Gewählt wurde Giuliano della Rovere, ein alter Freund Frankreichs. Zur größten Überraschung lud der neue Papst, Julius II., den Römischen König schon sehr bald nach Rom ein und empfahl ihm den Römerzug geradezu als kaiserliche Pflicht. Der Papst hoffte, Maximilian werde
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dafür die Venezianer züchtigen und die Signorie zur Rückstellung der fünf päpstlichen Städte (Pentapolis) in der Romagna zwingen. In Italien hatte sich das Blatt völlig gewendet. Spanier und Franzosen waren über die Aufteilung der Beute in Streit geraten. Da sich das Glück den Franzosen zuzuwenden drohte, wußten die Spanier seit langer Zeit erstmals wieder den Römischen König zu finden: er sollte den Franzosen in den Rücken fallen und Mailand zurückerobern. Aber er konnte das Reich nicht zum Eingreifen bewegen. In aller Öffentlichkeit tadelte Maximilian den Erzkanzler, der ihm das Regiment entzogen habe, Rüstung, Türkenzug und Kaiserkrönung verhinderte, weil er von den Franzosen bestochen sei; er, der König, wolle vom Reich geschieden sein, wenn man ihm jetzt nicht helfe; aber er blieb allein. Immerhin konnte er den Gran Capitän über Triest und Venedig mit deutschen Landsknechten, Artillerie und schweren Waffen unterstützen. Nicht weniger als 3000 deutsche Knechte kämpften an der Seite der Spanier in Unteritalien, was wohl den Ausschlag zum Sieg über Frankreich gab. Der Gran Capitän konnte die Franzosen in mehreren Schlachten besiegen und schließlich Neapel und Gaeta erobern. Er dachte nicht daran, sich durch voreilige Friedensgespräche Erzherzog Philipps in seinem Siegeslauf aufhalten zu lassen, sondern fühlte sich mit Maximilian eines Sinnes, der alle Gegner Frankreichs sammelte, um Ludwig XII. unter Druck zu setzen und an den Verhandlungstisch zu zwingen. Als die Franzosen im Dezember 1503 am Garigliano eine Entscheidung gegen die Spanier suchten, wurden sie vernichtend zurückgeschlagen, so daß sie die Halbinsel in völliger Auflösung räumten; ihre Niederlage war vollständig, und Unteritalien gehörte den Spaniern. Für Ludwig XII. blieb nur die Flucht in den Waffenstillstand und in den Frieden. Maximilian aber boten der Ausgleich mit Frankreich und die Friedensvermittlung die Möglichkeit, in die große europäische Politik zurückzukehren. Plötzlich war der König wieder umworben und erhielt von Frankreich Angebote eines umfassenden Friedens und einer aussichtsreichen Heirat. Nun stellte sich Maximilian unter dem Einfluß Erzherzog Philipps immer entschiedener auf einen außenpolitischen Systemwechsel, auf einen Frieden mit Frankreich ein. Diese Politik fand auch die Unterstützung des neuen Papstes, der als „großer Franzose" einerseits Ludwig XII. helfen wollte, andererseits aber ein französisch-deutsches Bündnis begünstigte, um Venedig zur Rückgabe der Pentapolis zu zwingen. Venedig sollte die Zeche bezahlen. Man plante nichts Geringeres, als den Festlandsbesitz der Signorie zwischen dem Papst, dem König von Frankreich und Maximilian aufzuteilen. Um den Römischen König vollends zu gewinnen, versprach ihm der Papst die Kaiserkrönung. Ludwig XII. sollte den Römerzug unterstützen. So schien sich für Maximilian die Überlassung Mailands an Frankreich zu lohnen. Der König mußte außerdem befürchten, daß sich Ludwig XII. mit den
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deutschen Fürsten gegen ihn verbünden und über seinen Kopf hinweg den Ausgleich mit dem Papst und Spanien suchen könne. Daher war Eile geboten, wenn er nicht wieder in die Isolierung abgedrängt werden wollte. Den letzten Anstoß zu raschen Verhandlungen mit Frankreich gab der T o d des Herzogs Georg von Bayern-Landshut (Dezember 1503), der die Gefahr eines großen Erbfolgekrieges heraufbeschwor. Wenn sich Ludwig XII. an der Seite des Kurfürsten Philipp von der Pfalz in den bayerischen Erbfolgekrieg einmischte und die verbündeten Könige von Ungarn und Polen gegen die Erbländer ins Feld rief, so war die Sache Maximilians verloren. Sein Sekretär Matthäus Lang sah darin den „Garaus" für seinen König. Daher faßte Maximilian um die Jahreswende 1503/04 den raschen Entschluß, mit Ludwig XII. ernsthaft zu verhandeln und abzuschließen. Damit war der große Systemwechsel vollzogen, der sich seit 1500 — nicht ohne ein gewisses Widerstreben Maximilians — vorbereitet hatte. Dieses neue Bündnis führte den König aus der schwierigsten Lage seines Lebens heraus. Frankreichs Ausdehnung in Italien wurden damit Grenzen gesetzt, der Einfluß Ludwigs XII. auf den reichsfürstlichen Widerstand wurde ausgeschaltet und die mit Frankreich verbündeten Mächte des Ostens waren ungefährlich gemacht. Auch der Papst und Spanien fühlten sich Maximilian wegen seiner guten Dienste verpflichtet. Friedensverhandlungen
zu Lyon, Blois und Hagenau
Ludwig XII., der damals nur eine einzige Sorge hatte, aus der Niederlage von Neapel möglichst glimpflich herauszusteigen, nahm die Friedensvermittlung Maximilians willig an. Der Ausbruch des bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieges zwang auch Maximilian zu einem raschen Frieden. Nicht minder drängte der Papst; vor allem aber Philipp und sein niederländischer Rat. Der erfahrene burgundische Gesandte Naturelli und Hofkanzler Serntein wurden nach Lyon abgeordnet, um die habsburgischen Interessen wahrzunehmen. Als sich Serntein gegen diese Sendung nach Frankreich krankheitshalber sträubte, tadelte ihn der ungeduldige König: „Jetzt gehe es nicht um eine Pfarre, sondern um zwei Königreiche . . . und wenn er nach Kalikut reisen müsse, viel weiter als nach Jerusalem, dürfe es ihn nicht verdrießen, denn es handle sich um das Wohl des Hauses Osterreich, um so große Sachen, wie sie kein König in hundert Jahren gehandelt habe . ..". Die Vertragsentwürfe von Lyon (Februar 1504) versuchten den Streit um Neapel und die Mailänder Frage mit einem Heiratsvertrag zwischen Karl (V.) und Claudia auf geradezu salomonische Weise zu lösen. Neapel und Mailand in der Hand Karls und Claudias, das erschien Maximilian als das Wundermittel, das alle Fragen auf die bestmögliche Weise löste. König Ferdinand von Aragon freilich lehnte diese „Lösung" entschieden
Friedensverhandlungen zu Lyon, Blois und Hagenau
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ab. Für ihn war die habsburgische Erbfolge in Kastilien oder gar in Aragon noch lange nicht ausgemacht; ebenso wenig in Neapel und Sizilien. Der unternehmungslustige König, der das Ende seiner Gemahlin Isabella nahen fühlte, erhoffte aus einer neuen Ehe immer noch männliche Nachkommen und die Begründung einer eigenen Dynastie. Er wollte daher von einer Erbfolge der Habsburger in Spanien oder Neapel noch nichts wissen. Es bedurfte noch jahrelanger diplomatischer Anstrengungen Maximilians, ehe sich König Ferdinand bereitfand, sein spanisches Haus mit Österreich-Burgund zu vereinigen. Ludwig XII. sparte nicht mit Schmiergeldern, um die Verhandlungen in Schwung zu halten und die deutschen Gesandten, die sich bereits auf ein großes „Bratenschneiden" freuten, auf seine Seite zu ziehen. Auch der Papst stellte sich an die Seite Ludwigs XII., drängte auf die Wiederherstellung seiner Herrschaften in der Romagna und auf die Bestrafung Venedigs. Maximilian zögerte lange; er wollte zuwarten, bis der inzwischen ausgebrochene bayerische Erbfolgekrieg gewonnen war, und Ludwig XII. keine Gelegenheit mehr fand, zugunsten der Pfälzer Partei und der deutschen Fürstenopposition einzugreifen. Erst als sich der Sieg über die Rebellen abzeichnete, wurden die Verhandlungen in Blois wieder aufgenommen. Lang mahnte Serntein, ja die Schmiergelder nicht zu vergessen. Der Heiratsvertrag, Neapel und Mailand, das waren die großen Fragen, welche alle Parteien aufregten. Die Spanier verließen beleidigt Blois, weil sie nicht daran dachten, Neapel an Karl und Claudia abzutreten. Im September 1504 wurde der Vorvertrag von Blois abgeschlossen, aber erst nach langen Verzögerungen ratifiziert. Maximilian konnte sich dazu nicht leicht entschließen. Von Philipp und den burgundischen Räten unablässig bedrängt, mußte er schließlich nachgeben, ohne daß Prinzessin Claudia zur Sicherstellung der Heirat dem burgundischen Hof übergeben worden wäre, wie Maximilian es verlangt hatte. Das umfangreiche Vertragswerk wurde erst im April 1505 auf der alten Reichsburg zu Hagenau ratifiziert. Dieses große Friedensfest sollte aufwandreich vorbereitet und prunkvoll gefeiert werden. Die venezianischen Gesandten waren überwältigt von der Prachtentfaltung, vom Gold, den Edelsteinen, Perlen und Diamanten, die zur Schau getragen wurden. Die Reichsinsignien und der Hausschatz wurden für die Gäste ausgestellt. Hagenau sollte nach jahrzehntelangen Kriegen die endgültige Aussöhnung — ein ewiges Friedens- und Freundschaftsbündnis zwischen Maximilian, König Philipp und Frankreich begründen: sie wollten fortan „eine Seele in drei Körpern sein". Am 4. April wurde nach einem feierlichen Hochamt, wobei die beiden Chöre der deutschen und burgundischen Hofkapelle um die Wette sangen, der Friedensvertag feierlich verlesen und von Maximilian, König Philipp und dem französischen Kardinal-Minister d' Amboise öffentlich beschworen — für „weltewige Zeiten", wie es immer wieder hieß. Als der König von Frankreich davon erfuhr, soll er in vollendeter Verstellung ausgerufen haben, „er verlange nun von Gott nichts mehr auf dieser Welt, als das
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Angesicht seines Bruders Maximilian zu sehen". — Er besaß Mailand und dachte im Ernst nicht daran, diesen Vertrag einzuhalten. Das Hauptereignis war die Belehnung des Königs von Frankreich mit dem Herzogtum Mailand, die der Kardinal-Minister als Stellvertreter seines Herrn empfing — allerdings in größter Heimlichkeit und ohne die im Reiche üblichen Rechtsformen; auch die Kurfürsten wurden nicht gefragt, was bei so großen Lehen üblich war. Offenbar wollte sich Maximilian eine Möglichkeit offenhalten, diese Investitur nötigenfalls zu widerrufen. Wie, um diese Tatsache zu unterstreichen, fragte er nachher die anwesenden Gesandten, ob sie je eine Belehnung in solchen Formen gesehen hätten? Tags vorher hatte Maximilian die Hälfte der Lehenstaxe — 100.000 Franken — erhalten, für damalige Verhältnisse eine ungeheure Summe. Die frühere Belehnung Ludovico Moros wurde für null und nichtig erklärt, keine kleine Demütigung für Maximilian, der seinen Verwandten in aller Form fallenlassen mußte. Königin Bianca Maria war diesen für sie beschämenden Ereignissen ferngeblieben. Ein zweiter Vertrag betraf die Heirat zwischen Karl und Claudia sowie die Garantie ihres Erbrechtes und Heiratsgutes. Mit diesem Köder hatte Ludwig XII. zunächst König Philipp und dann auch Maximilian an seine Angel gelockt. Man sprach bereits von den „vereinigten Häusern Osterreich und Frankreich". Konnte dieser Heiratsvertrag nicht ähnliche Folgen haben wie der spanische? Wie hätte sich Maximilian solchen Sirenentönen von vornherein verschließen können? Das Vertragswerk Schloß mit einem Angriffspakt gegen Venedig, dessen Festlandsbesitz zwischen dem Papst, dem König von Frankreich und Maximilian aufgeteilt werden sollte, womit es Ludwig XII. aber keinesfalls eilig hatte; auch Maximilian nicht, weil er gegenwärtig mit Bayern und Ungarn größere Sorgen hatte. In den Freudenbecher des großen Friedensfestes fiel freilich auch mancher Wermutstropfen. König Ferdinand ließ gegen diesen „treulosen Sonderfrieden" protestieren: „Maximilian habe sich als schlechter Freund erwiesen und glaube, er könne über Neapel verfügen wie über die Grafschaft Tirol oder Burgund". Ludwig XII. aber triumphierte heimlich, denn die enge Familieneinheit zwischen Habsburg und Spanien schien ernsthaft gestört, wenn nicht zerbrochen. Auch der Papst verweigerte schließlich die Ratifikation des Vertrages, weil er inzwischen hoffte, mit der Signorie in Sonderverhandlungen ans gewünschte Ziel zu kommen. Von Krönungsangeboten an Maximilian war nun keine Rede mehr. Ludwig XII., der nie daran gedacht hatte, diesen Vertrag einzuhalten, näherte sich heimlich wieder den Venezianern. Sie hatten es verstanden, durch Sonderverhandlungen ihren Kopf klug aus der Schlinge zu ziehen. „Man kann sagen, was man will, tüchtige Leute sind diese Venezianer . . . sie werden nie untergehen", äußerte Maximilian mit zurückhaltender Anerkennung, denn eigentlich haßte er diese „Giftmischer und Krämer, die erst vor hundert Jahren aus den Sümpfen gekrochen waren" und ihm immer wieder übel mitspielten.
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D a s Vertragswerk von Blois-Hagenau erwies sich bald als Totgeburt, obwohl zunächst alles nach einem großen Erfolg aussah. Jedoch konnte sich Maximilian durch diese Verträge der Neutralität Frankreichs während der gefährlichen Waffengänge des bayerischen Erbfolgekriegs versichern, seine Autorität im Innern des Reiches wiederherstellen und den Großmächten als Schiedsrichter gegenübertreten. Der Erbgang König Philipps in Spanien schien von französischer Seite nicht mehr gefährdet. Ludwig X I I . versprach sogar, als neuer Vasall des Reiches Maximilians Krönungszug nach R o m zu unterstützen. Die politische Niederlage und Isolierung von 1500 war überwunden. Der Abschluß dieses Vertrages weckte teils Furcht, teils H o f f n u n g . Die Universalmonarchie, ein Zusammenschluß des Reiches, Frankreichs, Burgunds, Spaniens und Italiens schien sich vorzubereiten. Man konnte darin den Anfang eines allgemeinen Friedens der Christenheit und eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Türken sehen. Erstand das Reich Karls des Großen wieder? Viele befürchteten eine Vergewaltigung der Welt. Ein Gefühl des Schwindels überfiel manche beim Gedanken an eine solche Großmacht. Warum sollte den Habsburgern mit Frankreich nicht gelingen, was ihnen mit Spanien gelungen war? Sollte Frankreich zum Nebenland dieses Großreiches werden? War eine habsburgische Universalmonarchie im Entstehen? Würde sie nicht den Untergang aller freien Staaten bedeuten? D a s Selbstbewußtsein Maximilians war mächtig gewachsen, seine politischen Visionen grenzenlos. M a n sprach von der „Herrschaft über Europa, Asien und Afrika". Immer wieder empfing er Berichte aus Spanien und Portugal über Ereignisse in der neuen Welt. Als 1505 eine portugiesische Flotte nach Indien absegelte, stattete sie Maximilian mit einem „kaiserlichen" Empfehlungsschreiben an die Könige von Indien aus. Aber die Sorge der Mächte vor dieser neuen Universalmonarchie war übertrieben. Schon wenige Monate nach der Ratifikation kündigte der König von Frankreich den Heiratsvertrag wieder auf, der vielleicht ansehnliche Teile Frankreichs in die H ä n d e der Habsburger gebracht haben würde. So leicht machte es sich jene Zeit mit Vertragsbrüchen.
Der bayerisch-pfälzische Erbfolgekrieg Der Sieg im bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg führte Maximilian auf einen Höhepunkt seiner Macht im Reich. H e r z o g Georg von BayernLandshut hatte sein großes Erbe — es handelte sich um viele, reiche Herrschaften und um große Schätze an Geld und Gold — ohne sich um den kaiserlichen Oberlehensherrn zu kümmern, mit der H a n d seiner Tochter dem Pfälzer Prinzen Ruprecht zugewendet. Kurpfalz, ein Hauptfeind Maximilians, verband sich mit den Häuptern der innerdeutschen Opposition und erhob die Fahne des Aufruhrs.
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Dieser Krieg, der ganz Bayern, Süddeutschland und die Pfalz verwüstete — etwa 50.000 Mann standen insgesamt gegeneinander im Felde — wurde von beiden Seiten mit barbarischer Grausamkeit geführt. Maximilian übernahm bald die gesamte Kriegführung, erschien persönlich an der Donau und rückte in die Rheinpfalz bis unter die Mauern von Heidelberg vor, so daß sich der Kurfürst zur Unterwerfung genötigt sah. Maximilian spielte sogar mit dem Gedanken, dem Pfälzer auch die Kurwürde zu nehmen und unter dem Titel des Reichshofmeisters dem Land Tirol und seinem Sohn Philipp zu verleihen, scheute aber vor dem letzten Schritt doch zurück. Er schlug die Pfälzer Parteigänger in waghalsigem persönlichen Einsatz am Wenzenberg bei Regensburg (September 1504), wobei er selbst an der Spitze seiner Reiter in Lebensgefahr geriet, aus der ihn Erich von Braunschweig rettete. Die böhmischen Söldner wurden zum größten Teil niedergemacht. „Man würgte sie nieder wie die Schweine", verkündete gemütvoll eine Zeitung. Bald darauf befehligte Maximilian die Belagerung und Eroberung von Kufstein, der bayerischen Hauptfestung im unteren Inntal (Oktober 1504). Das grausame Kufsteiner Blutgericht über Pienzenauer und die jugendlichen Verteidiger der Festung, das Maximilian wie ein Barbarenfürst der Urzeit persönlich leitete, erregte weithin Entrüstung über das „unritterliche und unadelige" Vorgehen, aber vor allem Angst und Schrecken. Der König verteidigte sich, er habe ein Exempel für andere Deutsche setzen wollen, denn es sei seit vielen Jahrhunderten nicht vorgekommen, daß ein Deutscher gegen seinen König die Waffen erhoben habe; daher habe er über die Grenzen des Kriegsrechtes hinaus gestraft. Diese Siege hatten den König als überlegenen Kriegsmeister gezeigt. Er hatte seine Macht und sein Ansehen gegen die Opposition innerhalb des Reiches wiederhergestellt. „Der König ist so mächtig unter den deutschen Fürsten, daß ihm keiner zu widersprechen wagt", berichtete ein venezianischer Gesandter. Auf dem folgenden Kölner Reichstag (1505) setzte Maximilian dem bayerisch-pfälzischen Erbstreit durch seinen Königsspruch ein Ende, der Sieger und Besiegte zu vergleichen und zu versöhnen suchte. Klug, wie er fallweise sein konnte, verfuhr er gegen die Pfälzer als Achter und Aberächter des Reiches nicht nach der vollen Strenge des Gesetzes, sondern nahm sie wieder zu Gnaden auf und Schloß sie in die Erbschaftsteilung ein. BayernMünchen sollte nicht einseitig vergrößert werden. Auch seine eigenen Entschädigungsforderungen für die Unkosten des Krieges, sein „Interesse", war nicht gering. Er forderte und erhielt das ganze nordöstliche bayerische Tirol, eine Abrundung der obderennsischen Grenzen am Inn, die Gebiete von Mondsee und St. Wolfgang und Grenzgebiete im habsburgischen Schwaben; außerdem große Summen an Kriegsentschädigung. Der König benützte die Gelegenheit, sowohl dem Pfälzer als auch Bayern-München Grenzen zu setzen. „Wer wird den unschuldigen Pfälzer Kindern Unterhalt gewähren, wenn ich den Vater verjage? Sie würden Kaiser und Reich zur Last fallen", antwortete Maximilian seinem oberbayerischen Schwager, der auf die völ-
Das Kufsteiner Blutgericht (1504): Die Enthauptung des Pienzenauer und seiner Genossen. Maximilian wohnte der Hinrichtung persönlich bei, was andere Bildzeugnisse und schriftliche Quellen beweisen. Mitleid und Unmut der Landsknechte im Hintergrund. Uber der eroberten Festung weht die Tiroler Fahne. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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D i e neue Westpolitik. U m s t u r z der Bündnisse. Ausgleich mit Frankreich
lige Beraubung der Pfälzer drängte. Aber der König überließ ihnen die „junge Pfalz". D e m venezianischen Gesandten erschien Maximilian damals tamquam verus Imperator Imperii in Germania. Erzkanzler Berthold, Maximilians gefährlichster Feind, war gestorben. Das Erzkanzleramt wurde Mainz entzogen und — ganz unerhört im Reich — dem gefügigeren Erzbischof von Köln übertragen. Der Pfalzgraf Philipp war geschlagen und mußte um Verzeihung bitten. Kurfürst Friedrich von Sachsen hätte gerne Maximilians Tochter Margarethe geheiratet. Der König schien nun alle Kurfürsten in der H a n d zu haben.
Der Feldzug gegen Ungarn (1506) Ohne besondere Schwierigkeit gewährten die Reichsstände dem König auf dem Kölner T a g eine Kriegshilfe gegen das aufständische Ungarn. Dort hatte eine nationale Partei unter Johann Zäpolya den Preßburger Vertrag von 1491 verworfen. Als König Wladislaw schwer erkrankte, beschlossen sie, im Falle seines T o d e s nur einen geborenen Ungarn zu ihrem König zu wählen, wodurch die habsburgischen Erbhoffnungen ernsthaft gefährdet schienen. Maximilian meinte humorvoll, er sei im ungarischen T u r m des Wiener Neustädter Schlosses geboren, daher ein geborener Ungar. T r o t z seiner französischen Heirat konnte König Wladislaw von Ludwig X I I . seit dessen Niederlage in Neapel keine Hilfe mehr erwarten. Frankreich mußte sich aus Ungarn zurückziehen und diesen Hoffnungsraum wieder Maximilian überlassen, der sein Erbrecht mit Waffengewalt zu verteidigen gedachte: der Donau entlang rückte er gegen Preßburg vor, aus dem Raum von Eisenstadt und im Süden, aus der Untersteiermark, brach er in Mittelungarn ein (1506). Ein rascher Vorstoß hatte genügt, um den Widerstand der Magnatenpartei zu brechen. Maximilian hatte bereits Preßburg und die westlichen Grenzkomitate besetzt, als er von der Geburt eines ungarischen Thronerben, des Prinzen Ludwig, erfuhr, wodurch die Nachfolgefrage ein neues Gesicht gewann. Daher griff er das ungarische Friedensangebot sofort auf, begnügte sich mit der Bestätigung des Preßburger Friedens von 1491 und vereinbarte mit König Wladislaw einen geheimen österreichisch-ungarischen DoppelheiratsVertrag (1507), der die habsburgischen Erbhoffnungen neu sicherte. Die folgenreichste politische Schöpfung Maximilians war damit vorbereitet, was er damals freilich nicht ahnen konnte. Es hing zunächst alles nur am Geheimvertrag mit dem König. Die Stände verfolgten nach wie vor ihre alte Politik. Es bedurfte jahrelanger, zäher Verhandlungen, bis 1515 die längst vereinbarte Doppelheirat wirklich zustandekam. Maximilians Vorgehen gegen Ungarn wirkte auch auf den jagelionischen Bruderstaat Polen, das unter dem Eindruck dieses Feldzuges und wie-
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Der Feldzug gegen Ungarn (1506)
derholter Interventionen vom Druck gegen den Deutschen Orden zeitweilig ablassen mußte. Weniger Erfolg hatte Maximilian beim Großfürsten Ivan III. von Moskau. Mehrere Gesandtschaften waren nach Rußland gegangen, um den Großfürsten für den Deutschen Orden gegen Polen zu gewinnen und die habsburgische Politik in Polen, Böhmen und Ungarn zu unterstützen. Aber Gegensätze des Glaubens, jahrzehntelange Grenzkriege mit den Schwertbrüdern in Livland, die Vertreibung der Hanse aus Nowgorod, die jahrelange Gefangenschaft deutscher Kaufleute, dies alles machte die Verhandlungen schwierig. Es vergingen Jahre, ehe der selbstbewußte Großfürst die Gesandten Maximilians überhaupt empfing — so tief war das Ansehen des Römischen Königs infolge der Augsburger Ereignisse auch im fernen Rußland gesunken; durfte sich der Großfürst doch mit Maximilians Juwelen schmücken, welche russische Gesandte als verfallene Pfänder in Venedig gekauft hatten. Da der König dem Großfürsten — außer Worten freundschaftlicher Gesinnung — nichts Greifbares zu bieten hatte, ließ es auch Ivan III. bei kleinen Geschenken, roten und weißen Jagdfalken, bewenden. Immerhin bewirkten diese Freundschaftsbesuche, daß es Polen nicht wagte, einen offenen Krieg gegen den Deutschen Orden zu führen oder Ungarn gegen Habsburg zu ermutigen. Maximilian war infolge seiner neuen Politik binnen weniger Jahre aus tiefster Erniedrigung wieder unter die Großmächte aufgestiegen. Der innerdeutsche Widerstand war niedergeworfen, die Ungarnfrage glücklich gelöst. Mit Frankreich herrschte zwar Friede, aber man wußte nicht wie lange. Erzherzog Philipp durfte hoffen, nach dem Hinscheiden Königin Isabellas (1504) sein Königreich Kastilien zu übernehmen. Maximilian setzte auf seinen Sohn große Hoffnungen. Vielleicht würde es Maximilian möglich sein, zugleich mit dem Empfang der Kaiserkrone dem Sohn den Weg zum Römischen Königtum vorzubereiten. Ostpolitik und Westpolitik begannen sich in den Plänen Maximilians allmählich zu einem politischen Gesamtsystem zu ordnen, innerhalb dessen zunächst wohl der Westen den eindeutigen Vorrang behauptete, der Osten aber im Lauf der Jahre immer stärker hervortrat und den Habsburgern schließlich die dauerhaftesten Erfolge bescheren sollte. Es war Maximilians Schicksal, seine großen Erfolge nur vorbereiten, nicht aber erleben zu dürfen.
Bruch des Vertrages von Hagenau. Spanische
Sonderpolitik
Im Westen bereiteten sich schwere Rückschläge vor. Maximilian hatte geahnt, daß der Vertrag von Hagenau nicht lange halten werde. Schon nach wenigen Monaten begann Ludwig XII. dieses Vertragswerk schrittweise abzubauen und die Restzahlungen für die Mailänder Belehnungstaxe zurückzuhalten. Der Heiratsvertrag, an dem das ganze Friedenswerk hing, wurde
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Die neue Westpolitik. Umsturz der Bündnisse. Ausgleich mit Frankreich
widerrufen, und Claudia schließlich in aller Form mit dem französischen Thronfolger, Franz von Angouleme, verlobt. Die Vorgangsweise erinnerte an die beleidigende Verstoßung Erzherzogin Margarethes (1491). Die Überbringer dieser Nachricht kanzelte der König ab wie Dienstleute, hielt ihnen die alten französischen Vertragsbrüche vor und zwar so heftig, daß sich der König von Frankreich beleidigt fühlen sollte. Alsbald nahm Ludwig XII. die Beziehungen zu den Venezianern wieder auf, die er in Hagenau eben noch der Aufteilung preisgeben wollte. Die Signorie sollte mithelfen, Maximilian den Römerzug und die Kaiserkrönung zu verwehren. Der König zeigte sich wenig überrascht: „Die Franzosen lesen anders, als geschrieben", sagte er. Schon in Hagenau hatte er prophezeit, Frankreich werde diesen Vertrag brechen, noch ehe die Tinte trocken sei. Noch schmerzlicher und enttäuschender als der Vertragsbruch des Königs von Frankreich war für Maximilian der Abfall König Ferdinands von Aragon, der in den habsburgischen Erbplänen eine ganz besondere Rolle spielte. Im November 1504 war Königin Isabella gestorben, worauf Kastilien an Juana und Philipp überging. König Ferdinand wollte dies in sinnlosem Haß gegen die Habsburger um jeden Preis verhindern, hoffte er doch noch immer auf Nachkommen aus einer zweiten Ehe, denen er womöglich nicht nur Aragon, sondern alle spanischen Königreiche und Länder zuwenden wollte, was er aber durch überfreundliche Zusicherungen gegenüber Maximilian und Philipp klug verbarg. Er suchte und fand in diesem Erbstreit Hilfe bei König Ludwig XII. Ferdinand Schloß Frieden mit dem König und heiratete dessen Nichte Germaine de Foix. Dafür überließ Ludwig XII. der Braut seine Ansprüche auf Neapel, die er eben noch dem Ehepaar Karl und Claudia zugesichert hatte. Maßlos war der Groll Maximilians über diese „schamlose Heirat". Als er hörte, Germaine erwarte ein Kind, fluchte er, „der Teufel habe sie geschwängert"; denn gingen aus dieser Ehe Kinder hervor, wäre die habsburgische Erbfolge zumindest in Aragon, Neapel und Sizilien, vielleicht aber auch in Kastilien verhindert worden. Maximilian schalt auf die „französischen Verräter": sie würden auch die Spanier noch betrügen; leider habe er seinem Sohn nachgegeben, der sich ganz von seinen burgundischen Räten leiten lasse; man könne sich vor diesen „französischen Füchsen" nie genug in acht nehmen. Schlag auf Schlag folgten nun die Überraschungen dieses diplomatischen Krieges: die spanisch-französische Heirat wurde in aller Eile vollzogen (März 1506), noch ehe König Philipp in Kastilien erscheinen konnte; ebenso die Verstoßung Karls und die öffentliche Verlobung Claudias mit dem französischen Thronfolger Franz (I.). Ludwig XII. scheute keinen Vertragsbruch, um die Universalmonarchie zu verhindern, die Frankreich zu umklammern drohte und den Habsburgern herrliche Länder und Königreiche als Mitgift zugewendet, unter Umständen den ganzen französischen Staat ausgeliefert hätte. Die politische Moral hatte einen Tiefpunkt erreicht. Verträge wech-
König Philipps T o d . Die spanische Erbfolgefrage
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selten wie flüchtige Laufbilder. Man wird es dem König von Frankreich allerdings zugutehalten müssen, daß Frankreich zwischen den burgundischen Ländern, dem Reich, Spanien und dem spanischen Italien in die Zange zu geraten drohte und daher mit allen Mitteln versuchen mußte, den Ring seiner Widersacher zu sprengen. Die Überlegungen der Staatsraison wogen schwerer als Überlegungen der Moral, denn kein Staat kann seine Existenz der Einhaltung eines Vertrages opfern.
König Philipps Tod. Die spanische Erbfolgefrage Der schwerste Schlag für Maximilian war der überraschende T o d seines Sohnes in Burgos. Als König Philipp nach Kastilien aufbrach, um die Erbhuldigung seines neuen Königreiches zu empfangen, wählte er in begründetem Mißtrauen nicht den Landweg über Frankreich, sondern die nicht ungefährliche Seefahrt. Ein heftiger Sturm warf ihn an die englische Küste (Jänner 1506), wo ihn König Heinrich VII. zwar freundlich aufnahm, aber so lange festhielt, bis er alles an Zugeständnissen erreicht hatte, was er wünschte: vor allem die Preisgabe des Prätendenten Suffolk, mittels dessen ihn die Habsburger zu erpressen suchten wie einst mit dem falschen York. Heinrich VII. erzwang außerdem einen Handelsvertrag, der die Niederlande empfindlich benachteiligte, und wünschte für sich selbst eine Heirat mit Erzherzogin Margarethe. Trotzdem war das neue englische Bündnis für König Philipp bei der Übernahme des spanischen Erbes eine echte Hilfe gegen die feindlichen Könige von Aragon und Frankreich. Maximilian verband mit dieser Reise seines Sohnes die größten Hoffnungen, denn er sah die künftige Größe seines Hauses nicht zuletzt im Besitz Spaniens. Von den kastilischen Granden unterstützt, konnte König Philipp den Erbstreit um Kastilien gegen König Ferdinand zunächst für sich entscheiden. Ferdinand mußte sich nach Aragon zurückziehen und zusehen, daß er wenigstens Neapel und Sizilien behauptete, zumal der Gran Capitän eher Maximilian zuneigte. Wenn König Philipp zu seinen burgundischen Ländern auch noch Kastilien dazugewann, wenn vielleicht gar die Engländer zu seiner Unterstützung nach alter Tradition in Frankreich landeten, dann sei er verloren, fürchtete Ludwig X I I . Machtgebilde begannen sich abzuzeichnen, die den Zeitgenossen Schrecken einjagten. Von den ungarischen Grenzen wollte Maximilian seine Truppen nach Italien führen. König Philipp sollte mit der spanischen Flotte in Ostia landen und den Vater zur Kaiserkrönung in Rom treffen. Als Kaiser plante er, dem Sohn den Weg zum Römischen Königtum vorzubereiten. Aber die europäischen Mächte, auch der Papst, erschraken vor diesem Großunternehmen und schlossen sich zur Abwehr zusammen. Venedig sperrte die Veroneser Klause: nur einen „friedfertigen" Kaiser — ohne Heer — wolle man durchziehen lassen. Maximilian mußte es als Hohn empfinden, daß Venedig bestimmen
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Die neue Westpolitik. Umsturz der Bündnisse. Ausgleich mit Frankreich
wollte, mit welchem Gefolge ein Kaiser zur Krönung nach Rom ziehen dürfe. Maximilian wäre mit eigenen Kräften niemals durchgekommen; niemals hätte König Philipp in seiner schwierigen Lage dem Vater jene Hilfe leisten können, welche dieser erwartete. Die Luft war gewitterschwül. Alle Welt befürchtete den Ausbruch eines großen Krieges in Italien. Ein Komet und andere Himmelszeichen, welche die abergläubischen Gemüter schreckten, schienen darauf hinzuweisen. D a setzte König Philipps T o d allen Befürchtungen und Plänen ein plötzliches Ende. Inmitten schwerer familiärer Heimsuchungen durch seine geisteskranke Frau Juana, bedrängt von finanziellen Sorgen, geplagt von den Streitigkeiten seiner überheblichen burgundischen Hofleute mit den nicht minder hochmütigen kastilischen Granden, beunruhigt vom Aufmarsch französischer Truppen an den spanischen und burgundischen Grenzen, besorgt wegen der feindseligen Haltung seines Schwiegervaters, wurde König Philipp in Burgos innerhalb weniger T a g e von einer Fieberseuche hinweggerafft (September 1506). Zurück blieben eine völlig verstörte, regierungsunfähige Witwe, die aus ihrer geistigen Umnachtung nie mehr erwachen sollte, eine Schar unmündiger Kinder und ein völlig ungeschütztes Königreich. Diese Hinterlassenschaft gegen den mißgünstigen spanischen Großvater Ferdinand und die feindseligen europäischen Mächte durch viele Jahre erfolgreich zu verteidigen, war Maximilians große politische Leistung, die wesentlich zur Bildung des habsburgischen Großreiches beigetragen hat. Mit König Philipp hatte Maximilian den wichtigsten Bundesgenossen verloren: „Mein Gott, warum hast Du mich und das Reich verlassen? Nun bleibt mir nichts im Leben als die Hoffnung," stieß der König in der ersten Verzweiflung hervor. Seine großartigen Visionen schienen sich — wie Seifenblasen — in nichts aufzulösen. Noch zu Lebzeiten des Sohnes hatte Maximilian besorgt geäußert, „er werde vielleicht der letzte Kaiser aus seinem Hause sein; Frankreich werde das Kaisertum gewinnen und sich Deutschland und Italien unterwerfen; wer es erlebe, werde es sehen". Er glaubte, sein Sohn wäre von französischen Agenten vergiftet worden, denn mit rechten Dingen könne es nicht zugegangen sein. Trotz dieses schweren Schlages verlor Maximilian die Zügel seines Schicksals nicht aus der Hand. Er war entschlossen, nötigenfalls sogar nach Spanien zu ziehen, um mit Waffengewalt das Erbe seiner Enkel gegen König Ferdinand und Frankreich zu verteidigen. Das geplante Spanienunternehmen verband seine Staatspropaganda — um sich des Gottesfriedens zu versichern — mit einem „Kreuzzug nach Afrika". Was hätte ihn als Erben der Katholischen Könige mehr ausgezeichnet als dies? Aber er war klug genug, zuerst die verwaisten burgundischen Länder gegen Frankreich abzusichern. Das burgundisch-englische Bündnis hinderte Ludwig XII. daran, diese Krise für sich zu nützen. Die wichtigste Helferin Maximilians in dieser schwierigen Lage war Erzherzogin Margarethe — für ihn „die klügste Frau der Welt", die ihn besser unterstützte als der verstorbene Sohn.
König Philipps T o d . Die spanische Erbfolgefrage
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Maximilian entschied sich in der spanischen Sache doch für den Weg der Verhandlungen mit König Ferdinand, den er mit höchsten Angeboten, dem Kaisertitel und der Herrschaft über Italien, lockte. Er hatte bereits ein spanisch-habsburgisches Italien vor Augen. Ferdinand anerkannte grundsätzlich die Nachfolge Karls (V.), forderte aber für sich die Regentschaft bis zu dessen Volljährigkeit. Luca de Renaldis vollbrachte als Unterhändler ein politisches Meisterstück, indem er die weltgeschichtliche Verständigung mit König Ferdinand einleitete. Der Gesandte war durchdrungen von den Plänen seines Herrn: „Karl müsse über alle Fürsten der Christenheit herrschen; gelinge dies nicht, so folge der allgemeine Zusammenbruch". Die Kraft und Klugheit, mit der Maximilian die Niederlage von 1500 und den Schicksalsschlag von 1506 überwand, erwiesen ihn als politischen Meister. Niemals ließ er sich durch Schwierigkeiten entmutigen, denn seine Entschlüsse wurzelten in einer tieferen Ideenwelt. Innerhalb weniger Jahre stieg er aus tiefster Erniedrigung unter die großen Mächte auf und träumte bereits wieder von der „Herrschaft über Europa, Asien und Afrika". Seine politischen Phantasien — ebenso wie seine künstlerischen — fanden keine Grenzen. Er suchte eine neue Lösung der universalkaiserlichen Aufgabe: weniger mit Hilfe des Reiches, das sich durchwegs versagte — sondern mit Hilfe der österreichischen, burgundischen und der zu erwartenden spanischen Länder seines Hauses.
4 . D E R K R I E G UM ITALIEN. D A S SPANISCHE E R B E . D I E W I E N E R V E R T R Ä G E . D I E F U N D A M E N T E EINES W E L T R E I C H E S
Der Konstanzer
Reichstag
(1507)
Mit einer hinreißenden Rede für die Erhaltung Italiens und die Kaiserkrönung trat Maximilian vor den Konstanzer Reichstag. Er klagte zwar im Freundeskreis über die Lasten, die das Reich ihm auferlege: „Sie hätten ihn und sein Haus fast zugrunde gerichtet und mit Schulden überladen, die kaum mehr abgetragen werden könnten; . . . was wäre aus Habsburg doch geworden, wenn er, Maximilian, und seine Vorfahren ihre Kräfte auf etwas anderes als auf das Kaisertum verwendet hätten, das nichts einbringe! Was habe doch die Italienpolitik im Dienst des Reiches gekostet", äußerte Maximilian zu Friedrich von der Pfalz. Aber man wußte, wie sehr er seine eigentlichen Pläne und Gedanken zu verhüllen pflegte, und wie sehr ihm gerade das am Herzen lag, was er mitunter lebhaft von sich zu weisen schien: die Kaiserwürde und Italien. Gewiß waren die materiellen Vorteile aus dem Kaisertum und dem Reich eher gering; aber der ideelle Gewinn war noch immer groß. Maximilian, der aus hohen Ideen gestaltete, wußte dies besser als andere. Die Verbindungen mit den Päpsten, mit den Königen von Spanien, Frankreich, Eng-
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Der Krieg um Italien. Das spanische Erbe. Die Wiener Verträge
land, Polen, Böhmen und Ungarn standen in dieser Form doch nur einem „künftigen Kaiser" offen, keinesfalls einem Erzherzog von Österreich und Herzog von Burgund. Kaum hätten sich — auf die Zukunft hin gesehen — die Kronen des Ostens, Böhmens und Ungarns, einer anderen als der Kaiserkrone unterstellt. Niemals vergaß Maximilian, daß er unter dem Titel des Kaisertums nicht nur die deutschen Fürsten, sondern auch die christlichen Könige des Abendlandes aufbieten durfte — zum mindesten auf dem Papier. Er kannte die geheime Kraft der Kaiser- und Reichsidee und tat alles, um ihr nicht nur neuen Glanz, sondern auch Wirklichkeit zu verleihen. Rom und die Kaiserkrönung kehrten als Zielsetzungen in Maximilians Leben immer wieder. Auch der T o d König Philipps in Burgos konnte ihn von seinen Kaiserplänen nicht abbringen. Schon bald nach der Todesnachricht berief er die Reichsstände nach Konstanz, um den Römerzug zu beraten. Falls Venedig den Durchzug sperrte, schien sich Genua dem „künftigen Kaiser" als Stützpunkt anzubieten. Selbst Pläne eines „Kreuzzuges" über Spanien und nach Afrika wurden erwogen. Es war Maximilians alte List, durch eine Fülle verschiedener Andeutungen seinen eigentlichen Plan zu verhüllen; niemand sollte wissen, was er eigentlich wollte. Die Konstanzer Rede für die Erhaltung Italiens und der Kaiserkrone wurde als Flugblatt weit über die Grenzen des Reiches verbreitet. Maximilian bot den Ständen ein wahres Schauspiel seiner Redekunst, voll Schwung und leidenschaftlicher Übertreibungen: „Zehn Millionen Gulden habe er bisher für das Reich ausgelegt, das seinerseits kaum eine Million beitrug. Kein König habe für das Reich so viel geleistet, wie er; man könne ihn mit Kaiser Barbarossa vergleichen. Ein Mann, dessen Namen er nicht nennen wolle (Erzkanzler Berthold), habe ihn bisher daran gehindert, die Straße nach Rom einzuschlagen, Mailand und die Kaiserkrone zu gewinnen. Die Franzosen hätten seinen Sohn vergiftet. Nun sei es Sache des Reiches, die Anschläge des Königs von Frankreich abzuwehren. Er selber werde es an nichts fehlen lassen und wolle sich um das Reich und die Deutsche Nation in alle Ewigkeit verdient machen". Die meisten Zuhörer waren hingerissen vom Feuer seiner Rede. „Ich wollte, Euer Gnaden hätten den König gehört", schrieb der Brandenburger Gesandte nach Hause. Man fühlte, daß hinter seinen Reden, auch hinter seinen Ubertreibungen, der ganze König stand. Gerade den jüngeren Fürsten gefielen Offenheit, Schärfe, Prahlerei und Schwertgerassel; sie erwarteten sich von diesem König Eroberungen im reichen Italien, Herrschaften und Pfründen im Dienst des Reiches. Den Kurfürsten versprach er eine Besserung der Goldenen Bulle. Die Städtevertreter freilich fürchteten für den deutsch-italienischen Handel und hielten sich vorsichtig zurück. Das große Kapital hingegen erhoffte sich Kriegsgewinne aus Lieferungen von Waffen, Lebensmitteln und aus Darlehensgeschäften. Zumal Jakob Fugger zeigte sich bereit, die kriegerischen Unternehmungen des Kaisers zu unterstützen. Ein Versuch, die Eidgenossen für den Römerzug zu gewinnen, mißlang — ein schwerwiegender Nachteil. Von der Absage der Eidgenossen fühlte
Der Konstanzer Reichstag (1507)
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sich der König tief enttäuscht; ohne sie schien ein Feldzug schwer möglich. Im Scherz hatte er sie gebeten, „gut kaiserlich zu sein, denn als Herr von Habsburg sei er einer der ältesten Eidgenossen; er wolle mit ihnen auf den Schweizer Bergen Gemsen jagen und werde ihren Bruder Klaus — wie St. Leopold von Österreich — zum Heiligen erheben lassen". Weder Scherz noch Ernst wirkten; das Mißtrauen der Eidgenossen war nach den Ereignissen von 1499 nicht mehr zu überwinden. Entscheidend war, daß Venedig, von Frankreich unterstützt, nach wie vor den Durchmarsch durch die Veroneser Klause sperrte. Alle Überredungskünste Maximilians blieben vergeblich: „Er sei zwar Deutscher, plane und fühle aber wie ein Italiener . . . wenn er sich aus Italien zurückziehe, würden die Venezianer sehen, was sie mit Franzosen und Spaniern mitzumachen hätten", so warb er um die Gunst der Italiener. Aber weder gute Worte noch Drohungen mit einem neuen „Barbarensturm" machten Eindruck; noch weniger, daß der König gegen alle diplomatische Klugheit in aufwallendem Zorn die Fassung verlor, apokalyptische Drohungen ausstieß und ein mögliches Bündnis mit den Franzosen oder Türken andeutete. Kaum hatte er die Ruhe wiedergewonnen, scherzte der König, „er habe vier Teufel: die Franzosen und Venezianer, die nichts halten, was sie versprechen; die Türken, richtige Biedermänner, welche die geschlossenen Verträge achten; der vierte Teufel seien die Schweizer, die alles umwerfen, was der König aufbaut; und wenn man ihn auf seinen Eid frage, wer die Hauptschuld an allem trage; das seien die deutschen Fürsten". Der Reichstag verlief nicht ohne großes Aufsehen: französische Gesandte, welche die Verhandlungen durch ihre geheimen Machenschaften zu stören versuchten, ließ der König verhaften, womit nicht nur die Franzosen, sondern auch die Reichsstände von solchen Umtrieben abgeschreckt werden sollten. Durch höchst unglaubwürdige Geschichten, wie den Giftmord an König Philipp, wurde die Stimmung gegen Frankreich aufgeheizt. An offener Hoftafel wetterte Maximilian gegen König Ludwig, daß der verlegene venezianische Gesandte nicht wußte, was er dazu sagen sollte. Auch die Verhandlungen mit den Ständen über Regiment, Kammergericht, Reichssteuer und Kriegführung wurden wieder lebhafter und hitziger geführt als in Köln. Der Widerstand wagte sich wieder an die Öffentlichkeit. Der König rechnete den Ständen vor, daß es im Reich eine Million Fußknechte und mindestens 60.000 Reiter gebe, wovon er nur einen Bruchteil brauche. Wolle man das Kaisertum behaupten, sei es nicht mit kurzen Eroberungen getan; man müsse einen großen Krieg gegen Frankreich führen. Das Ziel müsse Rom und die Kaiserkrone sein. Als die Stände den König — um ihn zu fesseln — wieder mit der Einsetzung von Reichshauptleuten bedrängten, erwiderte er ihnen, wenn er schon die Mühe auf sich nehme, wolle er auch die Führungsrechte für sich haben. Die Stände bewilligten schließlich 12.000 Mann Römerhilfe oder 120.000 Gulden. Der Öffentlichkeit wollte man eine Hilfe von 30.000 Mann vorgaukeln. Diese Hilfsgelder, welche — wie stets — überhaupt nicht oder
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Der Krieg um Italien. Das spanische Erbe. Die Wiener Verträge
mit großer Verspätung eingingen, standen in keinem Verhältnis zu den Schwierigkeiten eines Römerzuges in der gegenwärtigen Lage. Hätten nicht die Fugger bereitwillig Darlehen vorgestreckt, die mit den Erträgnissen der österreichischen Bergwerke zurückgezahlt wurden, wären nicht einmal die ersten Vorbereitungen möglich gewesen. Der Reichsabschied sprach großartig von Römerzug, Kaiserkrönung und Wiederherstellung der Reichsrechte in Italien. Kammergericht und Landfriede wurden etwas verbessert. Gern hätte Maximilian zusammen mit den Ständen ein neues Hof- und Reichsregiment eingerichtet; aber von einer solchen Neuerung wollten sie gerade jetzt, im Hinblick auf den zu erwartenden Krieg und die Steuerlasten, so wenig wissen wie in Köln. Der König sollte die Verantwortung für diesen Krieg allein tragen und ihn auch möglichst aus eigenen Mitteln bezahlen. Er müsse nach Italien ziehen, erklärte Maximilian den Ständen, weil dies der Nutzen des Reiches fordere. Habe er die Kaiserkrone empfangen, werde er gegen die Ungläubigen ziehen. „Fortan wolle er nicht kleinen Händeln, sondern großen Sachen nachreiten; auf der Tiberbrücke zu Rom werde sich die rechte Ritterschaft erweisen", so orakelte er in dunklen Bildern. Maximilian ist als „Heldenkönig" einer ganz anderen Zeit zu sehen und mit modernen Maßstäben rationaler Staatskunst nicht zu messen, sondern nach der Weltschau des Theuerdank und des Weißkunig, worin er sein Leben versinnbildete. Das Kaisertum wiederherzustellen, schien ihm Hauptaufgabe seines Lebens, die er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit lebenslang verfolgte. Spätere Generationen haben diese Politik meist als „phantastisch" verworfen, ohne zu bedenken, welch wahrhaft historische Veränderungen sie bewirkte. Damit wird nur bewiesen, wie fremd und unverständlich unserer Zeit das ganz andere Lebens- und Wertgefühl eines spätmittelalterlichen Königs ist, wie sehr — selbst Historiker — dem Anachronismus unterliegen, der Hauptsünde wider den Geist des geschichtlichen Verstehens.
Ausbruch des Krieges um Italien.
Kaiserproklamation
Die Aussichten Maximilians, nach Rom vorzustoßen, waren gering, weil alle Mächte Europas eifrig rüsteten, um ihn daran zu hindern. Die Venezianer ließen ihm sagen, er solle als friedlicher Pilger kommen wie einst sein Vater, dann dürfe er durchziehen. Aber Maximilian wollte als „künftiger Kaiser" in Rom erscheinen. Die Kriegshilfe des Konstanzer Tages — an sich gering — tröpfelte nur sehr langsam ein. Viele Reichsstände zahlten überhaupt nichts. Von den bewilligten 120.000 Gulden waren zu Kriegsbeginn kaum 40.000 eingegangen. Anstatt der 12.000 Reiter und Knechte standen nur etwa 1000 Mann Reichstruppen bereit. Der Reichsschatzmeister Hans von Landau jammerte: „ . . . wir haben ganz kein Geld, sein ärmer denn arm". Der König klagte,
Ausbruch des Krieges um Italien. Kaiserproklamation
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daß ihn die Reichsstände „zu ewiger Schmach und übler Nachrede im Stiche ließen". Auch die Rüstung arbeitete ihm zu langsam, so daß er den Innsbrucker Waffenschmieden drohte, er werde sie in den Krieg schicken und ohne Harnisch in das erste Glied stellen, wenn sie nicht rascher lieferten. Was ihm das Reich versagte, suchte Maximilian, durch Herrschaftsverkäufe, Verpfändungen und Anleihen aus seinem Kammergut herauszuholen. Von den Landtagen der österreichischen Länder preßte er Gelder und Truppen heraus. Unwillig erklärten die Tiroler, „der Kaiser solle lieber seine Gemahlin bei den Wirten auslösen, als einen neuen Krieg anfangen"; aber sie zahlten schließlich doch. Größte Hoffnung setzte der König auf die Reichtümer Italiens: wenn die kaiserlichen Truppen erst die Lombardei erreicht hätten, sollte Italien allein die gesamte Kriegslast tragen, versprach er den Reichsständen in aller Offenheit. Den Fürsten und Herrn stellte er Reichsgut in Italien als Belohnung in Aussicht, wenn sie ihn zur Krönung nach Rom begleiteten. Anfang Februar 1508 standen im Raum von Trient insgesamt etwa 7000 Reiter und Knechte bereit, davon nur 1000 Mann Reichstruppen — ein klägliches Aufgebot, verglichen mit der vereinigten Kriegsmacht der Venezianer und Franzosen. Für einen Römerzug reichte dies keinesfalls. Gleichwohl mußte Maximilian, nachdem der Aufmarsch der Truppen einmal vollzogen war, wenigstens ein kleineres Unternehmen wagen, wenn er das kriegsbereite Heer nicht wieder — ähnlich wie einst im Schweizerkrieg — zum Holzsammeln schicken wollte. Als Maximilian erkannte, daß er nicht einmal die Veroneser Klause werde aufbrechen können, griff er, um sich nicht ganz lächerlich zu machen, auf den päpstlichen Plan zurück, die Kaiserkrone im Reich zu empfangen. Aber auch damit gab es Schwierigkeiten: Julius II. weigerte sich — entgegen früheren Versprechungen — die Kaiserkrone durch zwei Kardinäle „ins Heer zu schicken". Daher entschloß sich der König zur sofortigen Annahme des Kaisertitels — zunächst ohne Krönung. Ein so bedeutender Staatsakt konnte die Kosten des Aufmarsches im Angesicht der Öffentlichkeit wenigstens einigermaßen rechtfertigen; später würde man die Krönung in Rom vielleicht nachholen können? Maximilian hatte die wenigen geistlichen und weltlichen Fürsten, die sich seinem Römerzug anschlossen, und alle Truppen nach Trient befohlen. Er und seine Umgebung trugen beim Einzug in die Stadt Pilgerkleidung, breitkrempige Muschelhüte, lange Mäntel, Pilgerstäbe und um den Hals den Rosenkranz, um das Unternehmen vor aller Welt als fromme „Kirchfahrt" anzukündigen und das Recht auf „Gottesfrieden" zu fordern. Aber die Feinde an der Veroneser Klause kümmerten sich wenig um diese fromme Maskerade. Am 4. Februar war die feierliche Zeremonie im Trienter Dom festgesetzt. Es sollte eine in überlieferten Formen gehaltene Kundgebung des königlichen Anrechtes auf die Kaiserkrone sein. So hatten es Römische Könige schon früher gehalten, wenn sie Italien betraten und dem Papst ihre Ankunft meldeten. Maximilian wurde in großer Prozession zum Dom geführt. Alles
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was es an Reliquien in den Kirchen der Stadt und der Umgebung gab — vor allem der Reliquienschrein des seligen Simon von Trient — wurde mitgetragen. Ahnlich wie die großen Krönungshandlungen in Rom oder Aachen sollte auch die folgende Kaiserproklamation im Angesicht der Heiligen und ihrer Reliquien stattfinden. Maximilian erschien in schwarzem Samt auf weißem Roß. Nur wenige Fürsten begleiteten ihn — kein einziger Kurfürst. Auch Königin Bianca Maria fehlte. Etwa 1000 Reiter mit den Fahnen des Reiches und des heiligen Georg gaben dem Fest etwas Glanz und Farbe. Im Dom nahmen die anwesenden Fürsten, Grafen, Herrn und Ritter den St. Georgsorden an und empfingen an den Chorstufen den Ritterschlag. Bischof Matthäus Lang verkündete vom Chor-Ambo aus, daß Maximilian willens sei, den Krönungszug anzutreten, daß er daher nach alter Gewohnheit fortan nicht mehr Römischer König, sondern „Erwählter Römischer Kaiser" zu nennen sei. Das bedeutete für die Reichsstände den Anspruch des Kaisers auf die „Römermonate", die immer noch das Ausmaß der höchsten Reichsverpflichtung darstellten. Es folgte das feierliche Hilfsversprechen der Heeresgemeinde, die üblichen Kaiserzurufe und Glückwünsche, welche im Klang der Orgel, im Schmettern der Trompeten und im Schlag der Trommeln und Pauken untergingen, wovon die beiden Eßlinger und Frankfurter Berichterstatter so benommen waren, daß sie darüber manches Wichtigere vergaßen. Die Amtskirche hielt sich angesichts der Haltung des Papstes ganz zurück. Der kaiserfreundliche Kardinal Carvajal blieb in Bozen und wagte nicht — wohl aus Furcht vor dem Zorn Julius' II. —, den Zeremonien beizuwohnen; auch nicht der Fürstbischof von Trient. Nur sein Weihbischof las zu diesem großen Anlaß den feierlichen Gottesdienst und die Fürbitten für Kaiser und Reich: „Der Herr möge ihn über alle Fürsten der Erde erheben". Maximilian wurde in Trient weder gekrönt noch gesalbt; es blieb bei der Proklamation, bei den Kaiserzurufen und bei den kirchlichen Segensgebeten. Der Kaiser trug damals zum ersten Mal die für diesen Zweck angefertigte Infelkrone, welche ihm allein als Kaiserkrone galt. Immerhin hat der Papst den neuen Kaisertitel sofort bestätigt, denn er hatte einen vollen Sieg errungen: es war ihm gelungen, den Kaiser von Italien fernzuhalten und „anstatt einer Krönung mit einem Stück Pergament abzufertigen", wie ein Zeitgenosse richtig urteilte. Maximilian lag vor allem an der Wahrung seines Ansehens. Er ließ aus diesem Anlaß auch große Schaumünzen prägen, die ihn hoch zu Roß, mit der Kaiserkrone und mit dem kaiserlichen Doppeladler zeigen, der von den Wappen der Königreiche Ungarn, Dalmatien, Spanien, Portugal, Böhmen, England und Osterreich umgeben ist, was eine mehr als fragliche heraldische Utopie darstellte. Nichts lag Maximilian ferner, als durch diese Zeremonie ein „romfreies" Kaisertum zu begründen, wie seit Leopold Ranke viele Historiker angenommen haben. Nur der Name des Kaisertums wurde für den Römischen König in Anspruch genommen; ausdrücklich wurde das päpstliche Krönungsrecht anerkannt und der Wunsch nach Salbung und Kaiserkrönung
Maximilian
und die St. Georgsritter geloben einen Kreuzzug gegen die Türken. A. Altdorfer aus der Ehrenpforte.
Holzschnitt
von
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durch den Papst ausgesprochen. Nicht um eine Trennung des Kaisertums von Rom ging es Maximilian, sondern um eine noch engere Verbindung. Mehr als andere wollte Maximilian im Sinne der Reformatio Sigismundi ein priesterlicher Kaiser sein, ja, — wenn möglich — Kaiser und Papst zugleich werden, wie sich noch zeigen sollte. In der gleichen Nacht verließ Maximilian Trient, um seine Truppen gegen die venezianischen Grenzen vorrücken zu lassen. Damit war der große Krieg ausgebrochen, der nicht nur den Kaiser und seine Erbländer, sondern ganz Italien, ja, große Teile Europas acht Jahre lang mit furchtbaren Verwüstungen heimsuchte, in denen die Welt des Mittelalters in schweren Erschütterungen endgültig unterging. Der Kaiser hatte gegen Venedig an drei Fronten aufmarschieren lassen: vom Etschtal aus wollte er durch die Veroneser Klause in die Lombardei einbrechen; anderseits plante er, vom Cadore und von Görz aus Friaul in die Zange zu nehmen. Für alle Fälle waren auch Truppen in der Freigrafschaft Burgund gegen Frankreich bereitgestellt. Aber das schwache kaiserliche Heer wurde nicht nur überall aufgehalten, sondern sogar über die Grenzen zurückgeschlagen. Die schlimmste Niederlage erlitten die Kaiserlichen im Cadore. Maximilian hatte befohlen, die Venezianer vom Cadore aus, im Rücken und in der Flanke zu fassen und von Angriffen gegen Görz und Triest abzuhalten. Voll übertriebener Hoffnungen schrieb der Kaiser damals dem Kurfürsten von Sachsen, „er habe dem venezianischen Löwen bereits drei Klauen abgehauen, die er auf dem Festland habe; bald werde er auch die vierte Klaue haben". Welch verhängnisvolle Täuschung! Die Venezianer umzingelten die Kaiserlichen im Cadore. In einer engen Klause versperrten sie ihnen durch Steinlawinen den Rückzug und machten sie bis auf den letzten Mann nieder. Es war die grausamste Niederlage dieses kurzen Feldzuges. Voll Stolz ließ der Doge diesen Sieg vom jungen Tizian an die Wand des großen Ratssaales seines Palastes malen. Die Venezianer warfen nun ihre ganze Streitmacht gegen Görz, Triest und Istrien. Städte und Schlösser fielen der Reihe nach in ihre Hand. Die Kaiserlichen wurden über Görz und Triest zurückgeworfen. Die Venezianer bedrohten Krain, besetzten ganz Istrien und sogar Fiume. Die Italiener lachten über den „flüchtigen" Kaiser, „der in Trient bereits Rom gesehen haben wollte". König Ferdinand von Aragon, der sein Lebtag keine Feldschlacht angeführt hatte, meinte wegwerfend, „der Römische König verdiene nicht, einen Staat zu regieren". Durch einen raschen Waffenstillstand mit Venedig in Santa Maria delle Grazie (Juni 1508) konnte sich Maximilian weiteren Landverlusten entziehen. Er zog ins Reich und in die Niederlande, wo Erzherzogin Margarethe in Verhandlungen mit Frankreich eine völlige Wendung der politischen Lage vorbereitete. Die letzten Siege und Eroberungen der Venezianer erregten Furcht, ja, Haßgefühle gegen die Signorie, weil sie nach dem Raub der päpstlichen
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Städte in der Romagna nun auch in die kaiserlichen Erblande einfiel — ganz abgesehen von den alten Reichsgebieten, welche sie seit mehr als hundert Jahren besetzt hielt, ohne dafür die Lehenshuldigung zu leisten. Was war das für ein Staat, der es wagen durfte, nicht nur dem Papst, sondern auch dem Kaiser Städte und Herrschaften wegzunehmen? Auch der König von Frankreich war erbittert, daß es die Signorie gewagt hatte, mit dem Kaiser Waffenstillstand zu schließen, ohne den Bundesgenossen zu verständigen. In diesem Klima war es leicht, alle Mächte gegen Venedig zu sammeln.
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Maximilian hatte den Kriegsschauplatz verlassen, wandte sich über Süddeutschland an den Rhein und in die Niederlande. Die venezianischen Prahlereien und Siegesmeldungen verfolgten ihn von Ort zu Ort und steigerten seinen Haß. Umso leichter war es dem päpstlichen Legaten Carvajal, den Kaiser für eine Liga gegen Venedig zu gewinnen. Auch Maximilian war entschlossen, die Gelegenheit zu nützen und zum Bündnis mit Frankreich zurückzukehren, um den Venezianern die Eroberungen der letzten Monate wieder abzunehmen. Nur das französische Bündnis schien größere Lösungen zu ermöglichen. Maximilian hatte auch seine staatskluge Tochter, Erzherzogin Margarethe, eingeschaltet, ihr seinen ersten Ratgeber Matthäus Lang, einen großen Freund Frankreichs, und Mercurino Gattinara, einen Universalpolitiker nach seinem Herzen, den späteren Großkanzler Karls V., beigegeben. Der Kaiser legte alles in die bewährten Hände Langs, der Ludwig XII. die Erneuerung der Verträge von Blois-Hagenau anbieten sollte — jedoch ohne die Heirat Karls mit Claudia. Die Reichsfürsten hatte der Kaiser nicht beigezogen, was gewiß nicht klug war; das bot ihnen später den Vorwand, das ganze Vertragswerk und jede Reichshilfe abzulehnen. In kürzester Zeit glückte, was niemand für möglich gehalten hatte. Rasch fanden sich der Kaiser und der König von Frankreich zur neuen Heiligen Liga von Cambrai (Dezember 1508) bereit, die alle Schwierigkeiten mit dem Papst, mit Frankreich, Spanien und mit Burgund zu lösen schien. Der Kaiser verbündete sich mit den Mächten zur Vernichtung und Aufteilung Venedigs. Das französische Bündnis, an dem die burgundische Politik seit 1501 geduldig gewirkt hatte, das in Hagenau scheinbar vollendet, aber von Ludwig XII. bal'd wieder zerrissen wurde, schien nun — wie alle großen Bündnisse damaliger Zeit — für „weltewige" Zeiten erneuert. Kunz von der Rosen, des Kaisers lustiger Rat, scherzte, er sei schon über zweihundert Jahre alt geworden, denn er habe sowohl den Vertrag von Hagenau als auch die Liga von Cambrai überlebt, die beide auf hundert Jahre geschlossen worden seien. Diese Liga richtete sich angeblich gegen die Türken, was laut verkündet wurde, — tatsächlich aber gegen die Venezianer, was jedermann wußte, obwohl es hartnäckig geleugnet wurde. Man wollte die Besitzungen der Kirche,
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des Reiches und des Hauses Österreich, die Venedig an sich gerissen hatte, zurückstellen und die „Fische in das Meer zurückwerfen". Vom Festlandbesitz Venedigs sollte der Papst die Pentapolis zurückerhalten, die Franzosen einige Grenzgebiete in der Lombardei und der Kaiser Istrien, Friaul, Padua, Verona und Vicenza. Venedig hatte sich während der letzten Jahre durch seine Eroberungen auf dem Festland bei allen Nachbarn mißliebig, ja, verhaßt gemacht. Alle hatten mehr oder minder berechtigte territoriale Forderungen, weswegen sich alle Gegner der Republik rasch zusammenfanden. Um den Überfall mit dem Schein des Rechtes zu verhüllen, sollte der Papst die Venezianer mit Kirchenbann und Interdikt belegen und den Kaiser sowie die christlichen Mächte zu Hilfe rufen. Die Liga von Cambrai brachte einen völligen Umsturz der Bündnisse: für Frankreich einen Treuebruch gegenüber seinem alten Bundesgenossen Venedig, für den Kaiser den Bruch des eben geschlossenen Waffenstillstandes. Auf dem Pergament sah die Lage für Maximilian günstig aus. Er zeigte sich über diesen Abschluß so glücklich, daß er dem König von Frankreich schrieb, „er habe zum Zeichen des ewigen Dankes sein rotes Buch verbrannt, das in Speyer aufbewahrt werde, worin seine Beschwerden gegen Frankreich verzeichnet seien". Der Kaiser durfte hoffen, mit französischer Waffenhilfe nicht nur die Verluste des letzten Feldzuges gegen Venedig wettzumachen, sondern auch den alten Reichsbesitz in Italien und das habsburgische Hausgut im südlichen Alpenvorland zurückzuerobern. Was ihm an eigenen Kräften fehlte, schien ihm das französische Bündnis zu ersetzen. Die Venezianer erfaßten erst Anfang 1509 allmählich die ungeheure Gefahr eines vereinigten Angriffes aller Großmächte, der auf sie zurollte. Der Kaiser hatte angesichts der Lage die Liga mit dem Papst, Frankreich und Spanien gewiß nicht schlecht gewählt. Seit 1501 verfolgte er den Plan, alle christlichen Staaten, auch Frankreich, durch Bündnisse und Wechselheiraten zu einem politischen Weltsystem zu vereinigen, um die Christenheit zum Kampf gegen die Türken zu sammeln. Ähnlich dem Papst, mußte auch der Kaiser sehen, seine eigene Schwäche durch mächtige Koalitionen zu stärken. Es war Maximilian gelungen, seine Erzfeinde, Venedig und Frankreich, zu trennen und sich mit dem mächtigeren zu verbünden. Er konnte hoffen, zunächst mit französischer Waffenhilfe den Venezianern das alte Reichsgut und das österreichische Hausgut wieder abzunehmen, mit Hilfe Spaniens die Vorherrschaft über Italien aufzurichten und die Franzosen allmählich von der Halbinsel zu verdrängen. Das waren klare Rechnungen die teilweise aufgehen sollten, nicht nur Phantasien. Freilich war es die spanische Hegemonie, die schließlich in Italien obsiegte, und nicht die Reichsherrschaft. Das Reich stand diesem Umsturz der europäischen Staatenwelt aufgrund seiner eigenartigen Verfassung in vorsätzlicher Machtenthaltung, ohne Reichsheer, daher politisch-militärisch fast handlungsunfähig gegenüber. Es war auch als Bundesgenosse kaum mehr ernst zu nehmen; nicht einmal zur Wahrung des Gleichgewichtes bereit, geschweige denn ent-
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schlossen, seine traditionellen Rechte und Pflichten in Italien wahrzunehmen. Wem ist die Schuld am Ausbruch dieses achtjährigen, mörderischen Krieges zuzuschreiben? Die eigentliche machtpolitische und damit fast naturgesetzliche Ursache der folgenden Kriege liegt im politischen Vakuum Italien, dessen materielle und ideelle Reichtümer demjenigen die Vorherrschaft über Europa verbürgten, der die Halbinsel besaß. Das Reich, das seit siebenhundert Jahren die Pflicht hatte, Italien als einen wesentlichen Teil des Imperiums zu schützen, war dieser Aufgabe in keiner Weise mehr gewachsen. Dieses Versagen rief zwangsläufig die mächtigen Nachbarn auf den Plan. Keiner der italienischen Mittelstaaten, weder der Papst noch Venedig, vermochten die Halbinsel zu einigen und zu beschützen. Die Intervention der fremden Mächte schien daher bis ins 19. Jahrhundert das einzige Mittel, Italien zu ordnen. Darin lag die tiefste Ursache dieser Kriege.
Parteiwechsel des Papstes. Der Kaiser und Frankreich Die Liga von Cambrai löste die achtjährigen italienischen Kriege aus, die gegen Venedig begannen und sich allmählich zu einem Machtkampf um ganz Italien auswuchsen, zu einem großen europäischen Krieg, wie es ihn — solchen Ausmaßes — bisher kaum gegeben hatte. Dieser Krieg war der verwirrendste, der je geführt wurde, weil keine Macht der anderen sicher sein konnte. Die Bündnisse wechselten in rascher Folge: ehe man sich dessen versah, war die Lage völlig verändert, und der Bundesgenosse auf der Gegenseite. Julius II., der die „Barbaren" gerufen hatte, damit sie für ihn die Venezianer züchtigten, versuchte sie nach getaner Arbeit mit stets wechselnden Plänen gegeneinander auszuspielen, um sie wieder loszuwerden, was allerdings nicht mehr gelingen sollte. Die politische Moral der Zeit, die sich von den Bindungen des Christentums mehr und mehr löste, setzte sich, wenn es um die Eroberung und Erhaltung der Macht ging, über alle Forderungen des Sittengesetzes hinweg. Machiavelli hat diese Grundsätze nicht erfunden, sondern nur beschrieben, wie er sie beobachtete. Frankreich eröffnete den Krieg mit der Schlacht bei Agnadello (Mai 1509), die das venezianische Hauptheer zerschmetterte, so daß die terra ferma allen Gegnern offenstand. Die Franzosen stürmten bis an die Lagunen vor. Innerhalb weniger Wochen hatten sie alles erobert, was ihnen der Vertrag von Cambrai zugestand, damit allerdings die Mißgunst aller Bundesgenossen geweckt. Der Papst fürchtete bereits, Ludwig X I I . werde gegen Rom marschieren. Der Kaiser erschien erst viel später mit einem sehr schwachen Heer in Italien — insgesamt kaum 10.000 Mann und 1500 Reiter — weil ihm die Reichsstände auf dem Wormser T a g (1509) wieder jede Kriegshilfe verweigert hatten, denn sie wären über die neue Liga nicht verständigt worden. Nur
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seine Erbländer, vor allem Tirol, halfen ihm mit Geld und Truppen. So konnte der Kaiser im ersten Ansturm die Städte Verona und Padua besetzen, welche ihm die Venezianer im Schock der Niederlage kampflos überließen. Venezianische Gesandte erschienen vor dem Kaiser und baten ihn kniefällig um einen Waffenstillstand; er aber lehnte ab. Im Osten eroberten die Kaiserlichen Triest und Görz zurück. Padua ging allerdings sehr bald wieder verloren und konnte trotz härtester Belagerung nicht zurückgewonnen werden. Der Kaiser war nicht mehr der alte, ritt seinen Truppen nicht mehr voran, sondern suchte, von Bassano aus, die Unternehmungen in Padua, Verona und Friaul zu leiten und aufeinander abzustimmen. Die Führung der Kampftruppen überließ er unterstellten Hauptleuten, die keineswegs alle an einem Seil zogen. Die Franzosen, die dem Kaiser durch ihre Siege große Landgewinne kampflos zugespielt hatten, zeigten keine Lust mehr, ihm auch noch zum Rest seiner Ansprüche zu verhelfen und seine Erwerbungen zu verteidigen und zogen sich daher in ihre Winterquartiere zurück. Ludwig XII. hätte mit einem einzigen gezielten Stoß Venedig vernichten können, hütete sich aber angesichts des Neides der Großmächte mit Recht, einen möglichen Bundesgenossen der Zukunft völlig zu vernichten. Trotz des zeitweiligen Ingrimms gegen die Signorie war man doch überzeugt, daß Venedig für das italienische Gleichgewicht nötig sei und „geschaffen werden müsse, wenn es nicht bestünde". Die ganze militärische Ohnmacht des Kaisers und des Reiches trat bei der vergeblichen Belagerung von Padua und beim Rückzug auf Verona ins volle Licht der Öffentlichkeit. „Hätte der König von Frankreich gewollt, würde man Padua genommen haben", grollte Maximilian in vertrautem Kreise. Aber sollten sich die Franzosen für deutsche Unternehmungen einsetzen, wenn der Wormser Reichstag keinen einzigen Pfennig Kriegshilfe leistete und dies auch dem venezianischen Gesandten offen mitteilte? Wie in den schlimmsten Zeiten des Verfassungskampfes flüsterte man hinter vorgehaltener Hand über eine mögliche Absetzung des Kaisers. Die Kriegslage wurde schlechter. Die Belagerung von Padua mußte abgebrochen werden. Nie zuvor sei er so starken Festungen und solchen Truppenmassen gegenübergestanden, schrieb der Kaiser seiner Tochter. Die Eintracht der Verbündeten ließ zu wünschen übrig. Die französischen Ritter weigerten sich, mit den deutschen Landsknechten, „Schustern, Schneidern und Stallknechten", gemeinsam zu stürmen. Es fehlte an Ordnung und einheitlichem Befehl. Wie Raubtiere fielen die kaiserlichen Heeresbeamten über das besetzte Land her, um es völlig auszuplündern; hunderttausend Teufel habe Maximilian nach Italien geführt, um das Land zu kreuzigen und auszurauben, klagte der Papst. Dem Kaiser, der gehofft hatte, mit diesen Eroberungen den Krieg zu bezahlen, blieb wenig oder nichts. Er mußte sogar Teile der Stadt Verona den Franzosen verpfänden, um sie für die Verteidigung dieser Festung zu gewinnen. Gemeinsame Führung und Verwaltung versagten ganz: Grausamkeit, Habsucht, Mangel an Geld, an Ordnung und
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Wirtschaft und völliges Versagen der Reichsfürsten: das waren die Eindrücke eines spanischen Beobachters. In einer zornigen Rechtfertigungsschrift, die durch Flugblätter im ganzen Reich verbreitet wurde, warf der Kaiser alle Schuld f ü r Schimpf und Schande auf die Reichsstände, die ihn völlig im Stiche gelassen hätten. In der T a t war das Reich als Kriegsmacht nicht mehr ernst zu nehmen. Die Spanier zogen ihre Flotte aus der Adria zurück. Der Papst verhandelte bereits heimlich mit den Venezianern, und auch England trat entschieden f ü r die Erhaltung Venedigs ein. In dieser verzweifelten Lage trat erstmals ein kluger und mutiger Ratgeber hervor, Mercurino Gattinara, der spätere Großkanzler Karls V. Er warnte davor, nach der Niederlage von Padua etwa Italien zu verlassen: „Hier sei des Kaisers Platz; Italien sei das Kernland des Reiches. Verlasse der Kaiser Italien, werde er alles verlieren." Italien war f ü r ihn das H e r z des Imperiums, die Deutsche Nation dessen Schwert und Schild. Ein großer Erfolg Maximilians in dieser schweren Zeit war sein Ausgleich mit König Ferdinand von Aragon über die Kastilienfrage (Dezember 1509). Maximilian überließ Ferdinand die Regentschaft in Kastilien und die meisten Einkünfte auf Lebenszeit und erhielt d a f ü r die Zusicherung der Nachfolge Karls. Ludwig XII. war es in langwierigen Verhandlungen gelungen, diesen Ausgleich zu vermitteln — ein großer Dienst, den er dem Kaiser leistete; die nachteiligen Folgen f ü r Frankreich schätzte er im Augenblick wahrscheinlich nicht richtig ein. Er bezeichnete sich überheblich als „Schützer des Kaisers" und sah im Augenblick offenbar nur die Notwendigkeit, die bereits zerfallende Liga zusammenzuhalten. Für König Ferdinand trat die Eroberung Italiens und die Vertreibung der Franzosen in den Mittelpunkt seiner Interessen. Seit sein und Germaines Sohn gestorben war, begann er, sich mit der Nachfolge Karls (V.) abzufinden, und sah seinen natürlichen Platz an der Seite Habsburgs. Er fürchtete in Frankreich den eigentlichen Feind, den möglichen Eroberer ganz Italiens und begann, gegen Ludwig XII. eine starke spanisch-deutsch-englische Front aufzubauen; das führte ihn mit Maximilian wieder enger zusammen. Beide sahen in Italien das Kernland des Imperiums und das natürliche Bindeglied zwischen der spanischen und der deutschen Ländermasse ihrer beiden Dynastien. Obschon Ferdinand nicht selten zu unabsehbaren politischen Seitensprüngen neigte, war Maximilian im Hinblick auf das Erbe meist bereit mitzugehen — wenn auch nicht immer zu seinem Vorteil. Kaum hatte Julius II. die Pentapolis den Venezianern abgenommen, Schloß er mit ihnen Frieden (Februar 1510). Er fürchtete, die siegreichen Franzosen könnten sich Roms bemächtigen und Kardinal d' Amboise zum Papst erheben. Er verstieß die Franzosen aus der Liga, bot gegen sie die Eidgenossen auf und forderte die „Vertreibung der Barbaren". Der Kaiser blieb trotz der beharrlichen Einwirkungen des Papstes, Spaniens und Englands an der Seite des Königs von Frankreich, denn flüchtige Bündniswechsel sind seine Sache nie gewesen. Er verlieh Ludwig XII. noch
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einmal unter günstigen Bedingungen das Herzogtum Mailand. Der engste Anschluß an Frankreich schien ihm derzeit die einzig mögliche Politik. Als erfahrener Kriegsmann wußte er, daß es unmöglich sei, Frankreich zu besiegen; im Bunde mit Frankreich Venedig zu unterwerfen, aber durfte er hoffen. Freilich bedachte er nicht, daß Frankreich nicht das geringste Interesse hatte, Venedig über ein gewisses Maß hinaus zu verkleinern. Der Kaiser sah im Papst den „Verräter", der den Sieg über die Venezianer, die Landzuteilungen von Cambrai und die Wiederherstellung der Reichsrechte verhindert habe. Wutentbrannt soll er die Absolutionsbulle des Papstes zu Boden geschleudert haben. Nie konnte er Julius II. diesen Schritt ganz vergessen. In der Tat hatte sich die Liga von Cambrai mit dem Abfall des Papstes aufgelöst. Seither klammerte sich der Kaiser noch enger an Frankreich an, zumal ihm auch der Augsburger Reichstag von 1510 keine ausreichende Kriegshilfe gewährte. Das Bündnis mit Frankreich blieb ihm als einziger Ausweg. Er war daher bereit, den verwegensten Plänen Ludwigs XII. zu folgen — bis hin zum Kirchenkampf und zur Absetzung des Papstes. Julius II. äußerte, die Kurfürsten sollten den Kaiser unter Kuratel stellen, denn er benehme sich wie ein Narr. Ludwig XII. hatte eine Synode der gallikanischen Kirche nach Tours berufen (September 1510) und bedrohte den Papst mit Konzil und Absetzung. Julius II. antwortete mit dem Kirchenbann und berief ein päpstliches Konzil in den Lateran (Mai 1512). Der König von Frankreich umwarb und umschmeichelte den Kaiser, um ihn an seiner Seite festzuhalten: „Er werde der größte Kaiser nach Karl dem Großen sein." Anders der Papst: er schalt den Kaiser „einen Schafskopf und ein dummes Kind, nicht geschaffen, andere zu regieren; nicht einmal imstande, mit einem Fäßchen Wein fertig zu werden", — geschweige denn mit der großen Politik. Der Kaiser dagegen schrieb zornig seiner Tochter: „Der verfluchte Pfaffe, der Papst, wolle um keinen Preis gestatten, daß er zur Kaiserkrönung nach Rom ziehe, aus Furcht, man werde ihm wegen seiner großen Sünden die Leviten lesen und eine Reform machen." Anstatt der Kaiserkrönung, die sich Maximilian als Lohn für die Unterstützung des Papstes gegen Venedig wohl erwartet hatte, mußte er fürchten, zusammen mit Ludwig XII. aus Italien verdrängt zu werden. Er hielt daher trotz vieler Enttäuschungen am französischen Bündnis fest, denn nur die gewaltige Kriegsmacht Ludwigs XII. schien ihm die Rückeroberung seiner italienischen Landanteile zu verbürgen, die er inzwischen größtenteils wieder verloren hatte. Auf dem Kongreß zu Blois (November 1510) Schloß sich der Kaiser auf das engste an Frankreich an; ja, er unterstützte sogar das sogenannte „Konzil" von Pisa, das Ludwig XII. mit Hilfe einiger schismatischer Kardinäle gegen den „treulosen" Papst zustande brachte. „Julius II. gebe den Christen das schlechteste Beispiel", eiferte der Kaiser. „Die deutschen Kirchengelder, die täglich an seinen Hof fließen, würden mehr zum Triumph als zum Gottesdienst und zur Abwehr der Türken verwendet. Der Papst sei ein reißender Wolf, der alles Göttliche und Menschliche zuschanden mache, den
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man zur Rechenschaft ziehen müsse." Man sprach offen von der Absetzung Julius' II. Damals fiel sogar Michelangelos berühmtes Bronzestandbild des Papstes in Bologna der Volkswut zum Opfer. Es war wohl vorzüglich Matthäus Lang, „ein ganzer Franzose", der diese gefährliche Politik vorantrieb und alle Werbungen Julius' II. auf dem Kongreß zu Bologna (April 1511) — selbst den Kardinalshut und das Patriarchat von Aquileia — zurückwies; auch alle zudringlichen Werbungen des Königs Ferdinand von Aragon, der ihn von Frankreich abziehen und mit Venedig versöhnen wollte. Lang „stand gerade wie eine Kerze", rühmten die Franzosen. Sein hochfahrendes Auftreten — auch gegenüber dem Papst — erregte anderseits Aufsehen und Ärgernis. Was dachte sich wohl der ganz ungeistliche Bischof von Gurk, als er sich (1511) in der Innsbrucker Plattnerei das Prachtwerk eines Harnisches bestellte. Am Innsbrucker Hof sagte man allgemein, in Bologna sei eine Gelegenheit zum Frieden versäumt worden, und Lang trage die Schuld daran. Die Sommerfeldzüge der Jahre 1510/11, die Maximilian zur Eroberung Friauls und Trevisos anstrengte, um den Krieg mit Venedig zu beenden, blieben mangels jeder französischen Unterstützung ohne Erfolg. Vergebens wartete der Kaiser auf die Wiederherstellung der Reichsrechte in Italien und auf die 500.000 Gulden jährlicher Kriegssteuern, womit er seine Feldzüge bezahlen wollte. Nur die Tiroler halfen immer wieder mit Mannschaften und Kriegssteuern aus. In Form eines großen Privilegs gewährte der Kaiser den Ständen das berühmte Landlibell (1511 Juni), das Recht, bei Landesnot je nach der Gefahr 5000 bis 20.000 Mann aufzubieten. Während des Venezianerkrieges schickte Tirol alljährlich gegen 10.000 Man an die Grenzen. Das Landlibell wurde zum Vorbild für die gesamte österreichische Verteidigungsordnung. Der Kaiser kündigte an, er werde gegen Venedig ziehen und „dort ein Johannesfeuer anzünden, wie man es noch nicht gesehen habe". Flugblätter sollten ihm den Weg bereiten: Erst vor hundert Jahren seien die Venezianer aus ihren Sümpfen hervorgekrochen . . . aus armen Fischern und Krämern seien Räuber und Giftmischer geworden; sie forderten die Herrschaft über die Meere und unterdrückten die Untertanen auf dem Festland; sie schimpfen alle Fremden „Barbaren"; keine Komödie werde in Venedig aufgeführt, ohne einen Deutschen zu verspotten; alle Laster kämen in dieser Stadt zusammen; auf ihren Märkten verkaufe man sogar Menschenfleisch. Solche Töne überzeugten niemanden. Die Venezianer — als Kaufleute an ständiges Risiko gewöhnt — kämpften ihren Kampf um Sein oder Nichtsein mit zäher Verbissenheit bis ans Ende. Sie schickten nicht nur ihre Söhne ins Feld, was bisher nicht üblich gewesen war, sondern holten sich auch die gefährlichen Stradioten aus Dalmatien und Albanien. Sie gaben auch nicht nach, als die Kriegsfurie das ganze Festland verwüstete. Indem sie Mordbrennerbanden in das österreichische Hinterland schickten, um Städte und Dörfer in Brand zu stecken, suchten sie sich zu entlasten und zu rächen. Vergebens versuchte die kaiserliche Propaganda, das Volk der terra
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ferma durch Flugschriften gegen die „unersättliche Habsucht" der Venezianer aufzuwiegeln und ihnen die Milde des Reiches einzureden. Die Grausamkeiten der deutschen Kriegsknechte belehrten sie eines anderen: In einer Höhle nächst Vicenza verbrannten diese „leibhaftigen Teufel" flüchtende Frauen und Kinder bei lebendigem Leib. Man wußte, was man von den Eroberern zu erwarten hatte. Die gute venezianische Verwaltung war den Untertanen lieber. Städte und Landvolk boten ein wunderbares Beispiel des Zusammenhaltes. Die flüchtigen Bauern schlossen sich zu Banden zusammen und unterstützten die venezianische Armee. So gelang es den Venezianern, gegen Jahresende 1511 fast alles verlorene Land zurückzugewinnen und bis unter die Mauern von Verona vorzudringen. Der Kaiser klagte, daß seine Deutschen, einst die besten Kriegsleute, den Venezianern zum Gespött geworden seien. Maximilian war in diesem schweren Ringen allein auf seine Erbländer angewiesen, unter denen Tirol wegen seiner Nachbarschaft zu Venedig die Hauptlast zu tragen hatte. Die Reichsstände dagegen schlugen die Hilfsbitten des Kaisers entweder ab, oder antworteten bestenfalls mit halben Zusagen. Der Reichstag zu Worms (1509) hatte überhaupt jede Hilfe verweigert. Der Kampf gegen Venedig erschien den süddeutschen Städten wegen der Störung des Handels geradezu als Widersinn. Auch der Augsburger Tag (1510) machte nur kleine Zugeständnisse. Hätte das Reich zu Kriegsbeginn nur geringe Hilfe geleistet, um die italienischen Städte und Herrschaften zu behalten, welche ihm die französischen Siege nach dem venezianischen Schock von Agnadello ohne Schwertstreich zuspielten, wäre ihm ein leichter und voller Erfolg sicher gewesen. In der beharrlichen Hilfsverweigerung durch Fürsten und Stände lag die eigentliche Ursache für die Niederlage des Kaisers in den nächsten Kriegsjahren. Der Plan eines stehenden Reichsheeres, wie es alle Mächte besaßen, das in jenen kampferfüllten Zeiten der Neuverteilung Europas nötig gewesen wäre, war nicht durchzusetzen. Machiavelli meinte im Hinblick auf diesen Augsburger Tag, Staaten ohne stehendes Heer könnten nicht bestehen. Mag sein, daß die stürmische Unternehmungslust des Kaisers den Ständen — nicht ganz zu Unrecht — unheimlich schien. Vergebens mahnte der Kaiser, „die Stände sollten ihre alte Gewohnheit aufgeben, die Reichstage entweder zu versäumen oder nichts zu beschließen". Er rechnete ihnen vor, „sie seien sehr wohl imstande, Hilfe zu leisten, die den einzelnen nur wenig belaste, zusammengenommen aber doch sehr viel einbringe. Er, der Kaiser, habe seine Erbländer für das Reich heruntergewirtschaftet und verpfändet; die Stände dagegen hätten für das Reich so gut wie nichts getan . . . Verliere ein Kaufmann einen Pfeffersack, so solle der Kaiser das ganze Reich aufbieten; gehe es aber um Kaiser und Reich, so sei niemand zu bewegen. Sterbe der Kaiser, so gehe vielleicht sogar das Kaisertum verloren." Nach drei Kriegsjahren war die Sehnsucht nach einem Frieden bereits allgemein. Besonders das Innsbrucker Regiment, dem die Bewirtschaftung
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des Krieges oblag, drängte beharrlich auf den Abschluß eines Friedens. Männer wie Paul von Liechtenstein, Zyprian Sernteiner oder Michael von Wolkenstein erblickten das einzige Heil in einem baldigen Friedensschluß. D e r Kaiser wäre mit jedem Frieden einverstanden gewesen, der seine „Ehre und seinen Vorteil" wahrte. Auch Lang war nicht der Kriegstreiber, f ü r den man ihn allgemein hielt; er machte die Politik seines Herrn und war bemüht, den Kaiser aus dem Labyrinth dieses Krieges herauszuführen. Aber niemand fand die Kraft, den rasenden Lauf des Krieges anzuhalten und eine Vergleichslösung zu finden, mit der sich alle hätten abfinden können.
Der
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Als Papst Julius II. so schwer erkrankte, daß man ihn bereits totsagte (September 1511), sah der Kaiser eine Möglichkeit, den Ereignissen eine überraschende Wendung zu geben: er wollte sich der päpstlichen Würde bemächtigen. Lang sollte die Wahlhandlungen in Rom in die H a n d nehmen: vielleicht würde er selbst gewählt? Oder er sollte versuchen, Maximilian entweder als Koadjutor des regierenden Papstes oder als Gegenpapst durchzusetzen, wozu ihn die schismatischen Kardinäle des Pisaner „Konzils" ermunterten und gewiß auch gewählt haben würden. Die sehr hoch veranschlagten Bestechungsgelder sollten durch Anleihen der Fugger bereitgestellt werden. Es war Simonie der allerschlimmsten Art, die der Kaiser bedenkenlos vorbereitete. Wenn er das „Konzil" von Pisa unterstütze, werde er von ihm erhalten, was er wünsche, ließ man ihm sagen. Hinter diesem „Konzil" aber stand die Kriegsmacht Ludwigs XII., der den Kaiser nicht ungern in ein unabsehbares Schisma verstrickt hätte, das ihn noch fester an die Hilfe Frankreichs binden mußte. Die apostolische Gewalt über die ganze Christenheit an sich zu bringen, durfte der Kaiser nicht rechnen; aber als Gegenpapst — wenigstens im Bereich der französischen, zumal der deutschen Kirche — würde er sich wohl durchgesetzt haben, wenn man an die antirömischen Stimmungen denkt, die nicht viel später Martin Luther emportrugen. Sein „Papsttum" hätte dem Kaiser entscheidenden Einfluß auf die Reichskirche, insbesondere auf die deutschen Kirchengelder, und auf Italien gesichert. Die schwierigen Krönungs- und Nachfolgepläne, die ihm Julius II. völlig durchkreuzt hatte, würden dann leicht lösbar sein. Für den persönlich frommen Kaiser waren Päpste, wie Alexander VI. und Julius II., „verfluchte P f a f f e n . . . Menschen, die Prügel verdienten, weil sie der Christenheit das schlechteste Beispiel gaben". Er sah in ihnen nur Figuren eines politischen Machtspieles. Nie konnte er ihnen die beharrliche Störung seiner Pläne verzeihen. Gerne hätte er der Deutschen Nation innerhalb der Kirche eine ähnliche Stellung gesichert, wie sie die gallikanische Kirche längst besaß, denn er sah die Deutschen in allem benachteiligt. Besonders wichtig wäre dem Kaiser der Zugriff auf die deutschen Kirchengelder
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gewesen, deren Verwaltung er den Fuggern übertragen wollte. Die Kirchengelder hätten ihn von den Reichssteuern, die niemals ordentlich bezahlt wurden, unabhängig machen sollen und hätten ihm die Finanzierung der großen Politik und des Krieges wesentlich erleichtert. An eine Kirchenreform im höheren Sinn hat der Kaiser zunächst wohl kaum gedacht. Er wollte „der größte Kaiser nach Karl dem Großen sein . . . ein priesterlicher Kaiser, der vom Aufgang bis zum Niedergang herrsche". Für die Tiara wäre er bereit gewesen, „keine nackte Frau mehr anzusehen und unter die Heiligen einzugehen", wie er scherzend seiner Tochter schrieb. Zweiffeilos trieb ihn auch maßloser Ehrgeiz voran. Er wollte le plus grand du monde sein, wie die Franzosen ihm nachsagten. — Aber der Papst genas und der Plan war hinfällig. Die neuere Literatur lächelte — meist ohne jede Kenntnis der näheren Umstände — über dieses kaiserliche „Hirngespinst". Aber hatte es nicht wenige Jahrzehnte davor einen bescheidenen Herzog von Savoyen gegeben, der sich zum Gegenpapst wählen ließ? Gab es nicht binnen weniger Jahrzehnte zahlreiche Könige und Fürsten, die sich in ihren Ländern zu Päpsten machten? Merkwürdig war dieser Kaiser-Papst-Plan gewiß, aber für die Zeitgenossen eher furchterregend als lächerlich. Selbst ein so klarer Kopf wie Julius II. fürchtete die Möglichkeit eines neuen Schismas und scheute kein finanzielles und politisches Opfer, den Kaiser davon abzubringen, was schließlich nur dem klugen Rat seiner Tochter Margarethe und dem starken Einfluß König Ferdinands von Aragon gelang, der die größten Anstrengungen unternahm, den Kaiser für eine neue Heilige Liga mit dem Papst zu gewinnen und von Frankreich zu trennen. Beharrlich redete ihm Erzherzogin Margarethe ein, seine wahren Freunde seien Spanien und England und nicht Frankreich. Erst als Maximilian, von der französischen Hilfe enttäuscht, mit seinen Kräften am Ende war, entschloß er sich allmählich — wenn auch ungern — das französische Bündnis zu verlassen.
Die neue Heilige Liga (1511) und die
„Dreieinigkeit"
Papst Julius II. hatte mit Hilfe König Ferdinands eine neue Heilige Liga mit Spanien, England, Venedig und den Eidgenossen zustandegebracht (Oktober 1511) und versuchte, allmählich auch den Kaiser dafür zu gewinnen. Obwohl Maximilian keine große Armee ins Feld führen konnte, war die Autorität der Kaiserkrone für die Bundesgenossen — insbesondere für den Papst — von allergrößtem Wert. Die vielen kleinen und großen Enttäuschungen durch den König von Frankreich erleichterten Maximilian diesen neuerlichen Bündniswechsel, obwohl er sich ohne Frankreich unsicher fühlte. Am liebsten hätte er einen allgemeinen Frieden aller christlichen Mächte gesehen und den König von Frankreich einbezogen — wohl auf Kosten Venedigs, das ihm Verona, Brescia und Friaul abtreten sollte, was auch der Papst unterstützte. Ein Waffenstillstand für das Jahr 1512 sollte den ersehnten all-
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gemeinen Frieden vorbereiten, für den sich der Kaiser bereits „Hände und Füße abschneiden" lassen wollte. Im Frühjahr 1512 errangen Franzosen und Kaiserliche ihre letzten gemeinsamen Siege: sie stürmten Brescia, das sie durch eine Woche plünderten, und nahmen Bologna. Bei Ravenna — „der blutigsten Schlacht seit der Völkerwanderung" (April 1512) — kämpften das letzte Mal Franzosen und Landsknechte Schulter an Schulter. Aber der Kaiser war nun so völlig erschöpft, daß er nicht mehr hoffen konnte, an der Seite der Franzosen die Kaiserkrönung in Rom zu erreichen; aber mit Hilfe des Papstes und Spaniens würde es vielleicht möglich sein. Im April 1512 folgte der Waffenstillstand des Kaisers mit Venedig für ein Jahr, den der Papst vermittelt hatte. Die T a g e der Franzosen in Italien waren nun gezählt, denn die Eidgenossen erschienen als „Retter des Heiligen Stuhles" in der Lombardei, eroberten Mailand und trieben die Franzosen über die Alpen nach Frankreich zurück (1512). Der Papst feierte die Befreiung Italiens von den Franzosen mit großen Dankgottesdiensten. Meister Raffael malte die Befreiung des heiligen Petrus und die Verweisung Attilas aus Italien als Gleichnisgemälde an die Wände der vatikanischen Stanzen. König Ferdinand besetzte das Königreich Navarra in den Pyrenäen (Juli 1512), weil dieses Land Ludwig X I I . unterstützt hatte, und setzte damit den Fuß in die französische Haustüre. Jetzt endlich verließ auch Maximilian nach langem Zögern und nicht ohne Gewissensbisse das französische Bündnis (Juni 1512), beteuerte aber immer wieder seine Neutralität: er wolle nicht gegen Frankreich kämpfen, sondern einen allgemeinen Frieden vermitteln. Offenbar dachte er an ein diplomatisches Vermittlungsgeschäft wie seinerzeit in Lyon und Blois (1504), denn er blieb überzeugt, das Bündnis mit Frankreich sei am ehesten geeignet gewesen, die italienische Frage zu lösen, wenn Ludwig X I I . den Kaiser wirksam unterstützt hätte. Aber der Papst ließ sich den Übertritt des Kaisers in die Heilige Liga viel Geld kosten, so wertvoll war ihm die Autorität des kaiserlichen Namens. Zur gleichen Zeit, da sich Maximilian der Heiligen Liga und dem Papst zuwandte, näherte sich der König von Frankreich wieder der Signorie von Venedig: er werde es zu verhindern wissen, daß man die Venezianer ihres Staates beraube. Der Kongreß der Ligamächte zu Mantua (August 1512) sollte Italien nach dem Rückzug der Franzosen eine neue Ordnung geben. Mailand wurde — nicht ohne starke Widerstände — dem Hause Sforza zurückgestellt und die Medici erhielten Florenz zurück. Der Papst nahm sich die Reichslehen Parma und Piacenza. Matthäus Lang forderte für den Kaiser die Landzuteilungen von Cambrai (1508), mußte aber bald erkennen, daß sich Venedig Gebietsabtretungen nicht gefallen lassen werde. E r hätte die Venezianer am liebsten „in die Sümpfe zurückgetrieben und von allen Verhandlungen ausgeschlossen". Daher verschob man die Friedensverhandlungen mit der Signorie nach Rom. Die Beziehungen zu Venedig hatten sich durch den Waffenstillstand nicht gebessert: Als dort eine unsichere Nachricht eintraf, der Kaiser
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sei in Antwerpen vergiftet worden, vertraute der sonst recht biedere Sanuto seinem Tagebuch den bösen Wunsch an: „Gebe Gott, daß diese herrliche Neuigkeit auch wahr sei". Maximilian, obwohl ohne Armee, trat mit seiner kaiserlichen Autorität für die nächsten Monate in den Mittelpunkt der päpstlichen Pläne. Julius II. hoffte, in einem klugen diplomatischen Spiel der Reihe nach alle fremden Mächte aus Italien zu entfernen. Maximilian sollte zunächst von Frankreich und den Schismatikern vollständig getrennt werden, wofür ihm der Papst großartige Angebote machte: Rückstellung des gesamten Reichsgutes und Vernichtung Venedigs, wenn es sich nicht fügen wolle. Aber Julius II. dachte nicht daran, den größten Wunsch des Kaisers zu erfüllen und ihn zur Krönung nach Rom einzuladen. Im November 1512 erschien Matthäus Lang wiederum in Rom, um namens des Kaisers dem Schisma von Pisa und Tours feierlich abzuschwören, dem Lateran-Konzil und der Heiligen Liga beizutreten und den Frieden mit Venedig zu verhandeln. Der Papst eilte dem Gesandten des Kaisers bis in die äußerste Antikamera entgegen; für ihn war Lang „der Kaiser in Italien, . . . Maximilian sei alt und cholerisch, daher ein schwieriger Verhandlungspartner". Mit Lang hoffte der Papst das große Friedenswerk zu beenden. Bereits seit zwei Jahren war Lang als Kardinal „in pectore" vorgesehen und wurde nun als solcher feierlich publiziert. Aber der erfahrene Hofbischof war klug genug, die Annahme des roten Hutes auch diesmal abzulehnen, um bei seinem mißtrauischen Herrn keinen falschen Verdacht zu erwecken. Weder Papst noch Kardinäle konnten ihn bewegen, seine schwarze Amtstracht und das Schwert mit geistlicher Kleidung zu vertauschen; jeden Anschein einer Unterordnung unter den Papst wollte Lang vermeiden. Aber die Venezianer, die bereits die Franzosen an ihrer Seite wußten, lehnten einen Frieden mit Landabtretungen an den Kaiser ab. Als sie sich gegen alle Vermittlungsvorschläge des Papstes sträubten, stieß sie Julius II. unter Drohungen und Flüchen aus der Liga aus und wies jeden Widerspruch zornig zurück. Obwohl der Papst die geringe Kriegsmacht des Kaisers und des Reiches kannte, entschloß er sich doch — wenn auch schweren Herzens — zu dieser politischen Wendung. Sicher gab es ihm zu denken, daß König Ferdinand dringend davor warnte, die Venezianer auszustoßen und zwangsläufig den Franzosen in die Arme zu treiben. Aber der Papst brauchte die Autorität des Kaisers im Kampf gegen das Schisma, denn er fürchtete nichts mehr als einen möglichen Gegenpapst. Auch Maximilian fiel es nicht leicht, den Reichsständen seinen neuerlichen Stellungswechsel zu erklären. Er berief sich auf seine kaiserliche Pflicht zum Schutz des Papstes und der Kirche. Bitter beklagte er sich über das Verhalten der Franzosen als Bundesgenossen, insbesondere über deren Umtriebe in Geldern: „Werde Geldern französisch, so sei Burgund nicht weiter beim Reich zu halten; auch die Länder der rheinischen Kurfürsten seien unmittelbar bedroht". Bei aller Ubertreibung war Frankreichs Druck gegen die deutsche Westgrenze nicht ganz zu übersehen.
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Die Gesamtlage sah für den Kaiser um die Jahreswende 1512/13 nicht ungünstig aus. Der Weg zum Endsieg und zur Wiederherstellung Reichsitaliens schien vorbereitet. Frankreich war über die Alpen zurückgeworfen, und in Mailand saß der junge Sforza; die befreundeten Medici beherrschten Florenz. Der Papst und Spanien waren mit dem Kaiser eng verbündet. England hatte zur Unterstützung der Heiligen Liga Truppen an der französischen Küste gelandet, um die Niederlande gegen Geldern zu unterstützen. Heinrich VIII. half dem Kaiser mit großen Darlehen. Venedig schien noch durch den Waffenstillstand gebunden und völlig isoliert. Es hatte allerdings bereits insgeheim ein Bündnis mit Frankreich vorbereitet. Frankreich aber war von allen Seiten umstellt, so daß die Verbündeten hoffen konnten, im kommenden Jahr mit Ludwig XII. und Venedig fertig zu werden und den Frieden zu erzwingen, den alle wünschten. Der Tod Julius II. (Februar 1513) und die Wahl des friedfertigen, aber weichlichen und kränklichen Leo X., der alles eher war als ein Löwe, nahmen der Heiligen Liga Kraft und Nachdruck; sie begann sich rasch aufzulösen. Julius II. war — weltlich gesehen — ein gewaltiger Fürst gewesen, in manchen seiner Tugenden und Untugenden dem Kaiser ähnlich, ein Papst, der den Kirchenstaat wiederherstellte und durch ein Jahrzehnt das christliche Staatensystem entscheidend mitgestaltete. Der Kaiser hatte ihn gehaßt; jetzt aber starb ihm dieser Papst sehr ungelegen, denn seit den letzten Verträgen hätte er dem Kaiser eine mächtige Stütze gegen Venedig bieten können. Die Absicht Maximilians, selbst Papst zu werden, war bei den Wahlhandlungen wieder erwähnt worden. Wenigstens gelang es ihm, einen Venezianer oder Franzosen zu verhindern. Eine völlige Veränderung der Weltbühne bereitete sich nun vor. Frankreich und Venedig fühlten sich durch den Tod des gewaltigen Papstes sehr entlastet, denn Leo X. versuchte, die Großmächte zu versöhnen und womöglich alle aus Italien hinauszuverhandeln. Von der Kriegspolitik seines Vorgängers wollte er nichts wissen; er wünschte den allgemeinen Frieden und die Vereinigung der christlichen Mächte gegen die Türken. Venedig sollte zwar verkleinert, aber als „Bollwerk Italiens" erhalten bleiben. Vergeblich hatte der Kaiser versucht, Venedig zu isolieren und zu Landabtretungen zu zwingen; starrsinnig beharrte er auf der Wiederherstellung der Reichsrechte in vollem Umfang. Daher fanden sich die Venezianer rasch mit ihrem alten Bundesgenossen Frankreich zusammen und schlossen im März 1513 ein neues Schutz- und Trutzbündnis gegen Papst und Kaiser. Die Hartnäckigkeit Maximilians trage die Hauptschuld am Frontwechsel der Venezianer, urteilte König Ferdinand. Als Antwort auf dieses neue französisch-venezianische Bündnis schlossen der Kaiser, König Ferdinand und England über eifrige Vermittlung Erzherzogin Margarethes bereits im April 1513 ein neues Kriegsbündnis in Mecheln, eine Neuauflage des „großen Planes" von 1496. Der Kaiser wollte als oberster Hauptmann die vereinigte englische und kaiserliche Armee gegen Frankreich anführen, während die Spanier vom Süden her angreifen sollten.
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Obwohl an Mitteln völlig erschöpft, entschloß sich der Kaiser zu neuen Rüstungen, um Frankreich im eigenen Land zu überfallen und nach dem alten Plan zu „vernichten". Maximilian, der ausgefallene, mitunter blasphemische Vergleiche liebte, bezeichnete dieses Bündnis als „Dreieinigkeit", die den französischen Teufel in die Hölle schicken werde. Eine Heirat sollte dieses Bündnis noch enger knüpfen: man vereinbarte eine Ehe zwischen Karl (V.) und Prinzessin Maria von England, einer Schwester Heinrichs VIII. Der Kaiser fühlte sich so glücklich, daß er dem König von England einen Prunkharnisch schenkte, wie man sie damals in den Innsbrucker Werkstätten unübertrefflich herstellte. Aber die „Dreieinigkeit" hatte sich mit dem König von Spanien gründlich verrechnet. Ferdinand verhandelte gleichzeitig heimlich mit Ludwig XII., der ihm die verlockendsten Angebote machte, und Schloß, noch ehe der neue Waffengang mit Frankreich begonnen hatte, einen Waffenstillstand, der allerdings nur für die Pyrenäengrenze, nicht für Italien gelten sollte. Niemand wußte genau, was der alte Fuchs eigentlich wollte: offenbar seine abgekämpfte spanische Armee schonen, seine Eroberungen in Navarra sichern, Frankreich aus Italien fernhalten und die weiteren Angebote Ludwigs XII. abwarten. Für Maximilian aber war — bei aller Überraschung — die Rücksicht auf das spanische Erbe oberstes Gebot. Durch den Waffenstillstand König Ferdinands fehlte der spanische Angriff gegen Frankreich aus dem Süden; der Kaiser war über die spanischen Winkelzüge so verzweifelt, daß er öfter davon sprach, Mönch zu werden. Ebenso versagten die Sforza von Mailand. Sie hatten in der Verbannung nichts vergessen und nichts dazugelernt. Man erzählte sich Schauergeschichten über die kostspieligen Feste, die der junge Herzog mit seinen Freunden feierte. „Sie hätten verdient" — nach der Erzählung der Odyssee —, „in Schweine verwandelt zu werden". Angesichts des Zwiespaltes unter seinen Feinden, wagte Ludwig XII. einen neuen Uberfall auf die Lombardei; aber er hatte die Gegner unterschätzt. Die Eidgenossen allein konnten die Franzosen bei Novara vernichtend schlagen (Juni 1513), obwohl das Reich jede Hilfe versagt hatte. Ludwig XII. mußte Italien räumen. Was er nicht erwartet hatte: der unberechenbare König von Spanien trat zur gemeinsamen Verteidigung Italiens sofort an die Seite des Kaisers und der Schweizer. Für Maximilian und England war dies das Zeichen, die Franzosen gleichzeitig in Flandern anzugreifen, während Spanier und Schweizer in Italien die Stellung hielten. Unweit Therouanne traf Maximilian mit Heinrich VIII. zusammen: der Kaiser schlicht und einfach, in der Armut des sechsten Kriegsjahres; der König von England dagegen im vollen Prunk seiner Eitelkeit; allein sein Pferd und Sattelzeug schätzte man auf 150.000 Kronen. Der Kaiser war nicht glücklich über den kleinen Festungskrieg im Artois, der nichts brachte; er hätte die englische Armee — etwa 30.000 Mann — gerne zu weiträumigen Feldzügen in das Innere Frankreichs, gegen Paris geführt. Aber Therouanne, das die Franzosen zu entsetzen versuchten, mußte
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schon der Ehre wegen zuerst genommen werden. Die vereinigten Engländer und Deutschen konnten unter Maximilians Führung einen französischen Verpflegungszug aufheben, der die belagerte Festung Th£rouanne speisen sollte. Die Sieger sprachen von der „Sporenschlacht", weil die Franzosen mehr die Sporen zur Flucht, als die Schwerter zum Kampf gebraucht hätten (1513 August). Das letzte Mal erlebte der Kaiser das Hochgefühl eines eigenen Sieges — und dies an einem Ort, wo er die erste siegreiche Schlacht seines Lebens geschlagen hatte. Die Franzosen konnten die Festung nicht entsetzen; sie fiel in die Hand der Sieger. Zwischen den Bundesgenossen herrschte herzliches Einvernehmen. Maximilian und Heinrich VIII. nannten sich „Vater und Sohn". Der Kaiser sah in Heinrich VIII. bereits den künftigen Römischen König und den nächsten Kaiser, dem dann der junge Karl (V.) folgen sollte. Nun sehe die Welt, welch ein Kriegsheld der Kaiser sei, lobte die K ö nigin von England. Maximilian hoffte, den Feldzug während des ganzen Winters weiterzuführen und „den Hochmut der Franzosen mit Gottes Hilfe zu brechen". Wieder sprach man in übertriebener Zuversicht von einer Aufteilung Frankreichs unter die Bundesgenossen. Heinrich VIII., der sich — wie seine Vorgänger — auch König von Frankreich nannte, plante bereits, sich in Reims krönen zu lassen. Hätten auch die Spanier an der Pyrenäenfront angegriffen, wäre es um den König von Fankreich wohl geschehen gewesen. Die Schweizer sollten den Franzosen durch die burgundische Pforte in die Flanke fallen (September 1513). „Wenn Ludwig X I I . diesen Sturm überstehe, verdiene er den Namen eines Königs", meinte ein auswärtiger Beobachter. Aber die Eidgenossen ließen sich durch französisches Geld den Frieden von Dijon abkaufen und zogen nach Hause. Der Zorn des Kaisers war maßlos: Nun, wo er Frankreich in der Zange zu haben glaubte, sprangen die Eidgenossen aus, um mit Ludwig X I I . ihr Geschäft zu machen. Der stets wiederkehrende Plan des „Marsches auf Paris" blieb auch diesmal auf dem Papier. Als auch Heinrich VIII. wegen innerer Unruhen heimkehren mußte, wandte sich Maximilian wieder nach Italien, um zusammen mit den Spaniern endlich die Venezianer zu unterwerfen. Erzherzogin Margarethe schien recht zu haben: der König von Spanien werde nichts mehr tun, was den gemeinsamen Erben schaden könnte. Das Reich lehnte wieder jede Kriegshilfe ab. Der Kaiser klagte, „er habe jeden Fürsten persönlich besuchen und anbetteln müssen"; dann brach sein Zorn hemmungslos hervor: „wenn er nicht gesalbt wäre, würde er gern einen oder zwei dieser großen Hansen schnellen, daß ihnen Nase und Maul abfielen". Mailand wäre verloren gewesen, wenn nicht Eidgenossen und Spanier das Herzogtum des jungen Sforza gerettet hätten. Die Schweizer Kriegsmacht beherrschte nun die ganze Lombardei, ja, sie gewann für kurze Zeit den Anschein einer europäischen Großmacht. Maximilian fühlte sich durch die Erfolge der Eidgenossen und der Spanier ermutigt, den Krieg in der Lombardei und in Venezien wieder aufzu-
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nehmen. Er befahl nun, das venezianische Festland durch einen grausamen Wüstungskrieg heimzusuchen, um die Signorie in die Knie zu zwingen. In einem Plünderzug alles verwüstend, alles verbrennend rückten kaiserliche Truppen zusammen mit Spaniern an Padua vorbei, das sie nicht erobern konnten, gegen Mestre vor und ließen die Stadt in Flammen aufgehen. Das venezianische Festland wurde in der Pracht der Erntezeit zur verbrannten Erde. Von Mestre aus schoß die kaiserliche Artillerie sogar einige Kugeln nach Venedig hinein — ein kurzes Spektakel, das Furcht erregen sollte, aber wenig ausrichtete, denn die Seestadt war uneinnehmbar. Auch Hungerblokkade und Handelssperre konnten Venedig nicht mürbe machen. Bei Vicenza hoffte man, die vereinigte kaiserlich-spanische Brandstifterund Plündererarmee in einen Gebirgskessel abdrängen, einkreisen und schlagen zu können, aber Spanier und Landsknechte unter Jörg von Frundsberg erkämpften sich in einer mörderischen Ausbruchsschlacht den freien Abzug (Oktober 1513). „Viel Feind, viel Ehr," war der Tagesbefehl des Frundsbergers. Man erzählte sich Wunderdinge von der List und der Tapferkeit der Landsknechte. Die Venezianer wurden so vernichtend geschlagen wie einst bei Agnadello, daß sie im ersten Schock den Papst baten, Waffenstillstand und Frieden mit dem Kaiser zu vermitteln. Da sich im Dezember 1513 auch der König von Frankreich mit dem Papst aussöhnte, dem Schisma abschwor und sich dem Lateran-Konzil anschloß, schien der von Leo X. ersehnte allgemeine Friede in naher Aussicht. Die Beendigung des Schismas war für den Papst ein großer Erfolg. Er durfte es wagen, durch das LateranKonzil die Bulle Unam Sanctam Bonifaz' VIII. zu erneuern, welche die päpstliche Vollgewalt über alle Christgläubigen forderte. Dieses Ereignis schien Leo X. so wichtig, daß er es durch ein Symbolgemälde Raffaels mit entsprechendem Text in den Stanzen des Vatikans festhalten ließ (Pastor). Das abgelaufene Jahr war für Maximilian schwer gewesen. Der größte und umfassendste Angriffsplan gegen Frankreich und Venedig war zusammengebrochen. Obwohl nicht mehr der jüngste, war er manchmal noch zehn Stunden lang im Sattel seines Hengstes gesessen. Aber die Folgen ständiger Überanstrengung begannen sich zu melden: das alte Fußleiden machte ihm wieder stärker zu schaffen; vielleicht auch die Folgen einer venerischen Erkrankung, von der nicht nur die Venezianer wußten. Auch die seelische Last eines schier unabsehbaren Krieges mochte ihn drücken. Der Kaiser fühlte sich alt und dem Tode nahe: „Gerne wolle er jemandem Platz machen, der tüchtiger sei als er." Auch die Spanier waren erschöpft, König Ferdinand müde und alt und nur mehr darauf bedacht, die Franzosen aus Italien fernezuhalten, im übrigen aber seine spanischen Länder zu schonen. Alle ersehnten den Frieden, aber niemand war zu den nötigen Zugeständnissen bereit. Maximilian hätte längst gerne Frieden geschlossen, „aber nicht ohne Ehre und Gewinn". Ebenso wie König Ferdinand dachte auch er an Italien und an die nötige Landverbindung zwischen den österreichischen und spanischen Ländern seiner Erben. Für ihn war es außerdem Ehrensache, die Land-
Sturm der Venezianer gegen Verona (Ii 14). Schwere Geschütze haben eine Bresche geschossen, ehe die venezianischen Fußknechte zum Sturm ansetzen und abgeschlagen werden. Uber den Mauem und Türmen der Festung wehen die kaiserlichen Fahnen. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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Zuteilungen der Liga von Cambrai (1508) zu behaupten, wo doch alle übrigen Mächte ihre Landanteile längst besetzt hatten; sollte er als Kaiser vor der Stadtrepublik Venedig zurückweichen müssen? Der letzte Sieg bei Vicenza hatte auch die Begehrlichkeit der kaiserlichen Partei wieder gesteigert. Im November 1513 erschien Matthäus Lang wiederum in Rom, um Leo X. Obedienz zu leisten und mit Venedig einen ehrenvollen Frieden zu schließen. Diesmal nahm er die wiederholt angebotene und immer wieder zurückgewiesene Kardinalswürde endlich an und trat in Rom auf, „als ob er mehr sei als der Papst", wie ein venezianischer Gesandter sagte. Lang — obwohl Bischof von Gurk — erschien in weltlichen Kleidern, bewaffnet, mit wallender Haartracht und mit modischem Barett. Auf Vorhaltungen des Zeremonienmeisters erwiderte er nur, auch Jesus Christus habe lange Haare getragen. Lang forderte als Vertreter des Kaisers den Vorrang vor allen Kardinälen und für sich die Deutsche Legation, was abgelehnt wurde; aber seine Salzburger Pläne konnte er fördern. Die Römer tadelten seine Überheblichkeit: „er tue, als wäre er der Kaiser; er sei der ewige Kriegstreiber". Die Friedensverhandlungen scheiterten auch diesmal an der Starrköpfigkeit beider Parteien. Lang hatte nur begrenzte Vollmachten und wäre äußerstenfalls bereit gewesen, der Signorie von Venedig gegen eine hohe Lehenstaxe und einen Jahrestribut Padua und Treviso zu überlassen, forderte aber dafür Verona, Vicenza, Brescia und Bergamo. Die Venezianer hingegen sprachen von „bestialischen Forderungen" und behaupteten, der Kaiser wolle den venezianischen Staat vernichten. Der Papst vermittelte einen neuen Waffenstillstand — „weder kalt noch warm" — der nicht lange dauern sollte. Nachdem sich die Venezianer von der letzten schweren Niederlage wieder etwas erholt hatten, zeigten sie sich unnachgiebiger als vorher und lehnten jede Landabtretung entschieden ab. Da auch der Papst eher die Sache der Signorie begünstigte, wurde der Waffenstillstand sehr bald wieder aufgekündigt und der Krieg noch erbitterter weitergeführt. Auch der Kaiser rüstete sich f ü r einen letzten, entscheidenden Waffengang. Der Tiroler Landtag bewilligte ihm dafür 50.000 Gulden, was er „den ersten und trefflichsten unter seinen Untertanen" nie vergessen wollte. Damit war die letzte Gelegenheit zu einem günstigen Verhandlungsfrieden verpaßt. Der Kaiser versuchte, mit einem Großangriff das venezianische Festland zu erobern und die Republik zum Frieden zu zwingen; aber die kaiserlichen Waffen waren zu schwach dazu. Maximilian führte heran, was er aus den österreichischen Ländern herauspressen konnte. Sein Fußleiden hinderte ihn, die Truppen selber anzuführen. Marano konnte er entsetzen und den völligen Zusammenbruch seiner Armee verhindern. Aber die Venezianer gewannen nicht nur ganz Friaul zurück, sondern wagten es sogar — wenn auch vergebens — Verona zu belagern (1514). Sie kämpften um ihre Existenz; für den Kaiser ging es nur um „honneur et prouffit", wie er selber sagte. Da auch der König von Frankreich seinem durch Jahre überforderten
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Staat eine Ruhepause gönnen mußte und Italien während des ganzen Jahres 1514 in Ruhe ließ, schien — wenigstens mit Frankreich — eine neue Wendung der Dinge möglich. Lang steuerte eine Rückkehr ins französische Bündnis an, das ihm allein einen günstigen Abschluß des Krieges zu sichern schien, und fand damit Anklang bei Spanien — weniger beim Kaiser. König Ferdinand wurde zur treibenden Kraft bei den folgenden Geheimverhandlungen mit Ludwig XII., die zu überraschenden politischen Veränderungen führen sollten. In unübertrefflicher Schlauheit hatte der König von Frankreich dem Kaiser und König Ferdinand das verlockende Angebot einer Heirat seiner Tochter Renate mit dem Erzherzog-Infanten Ferdinand vorgegaukelt; Ludwig XII. selber wollte Erzherzogin Eleonore heimführen. Das ganze war ein ähnliches Blendwerk wie einst die Heirat zwischen Claudia und Karl (V.). Aber das Angebot war zu schön, als daß man es von vornherein hätte ablehnen wollen. Ein Königreich Lombardei-Italien sollte als Mitgift f ü r das Ehepaar alle Streitigkeiten zwischen Valois und Habsburg aus der Welt schaffen und den großen Krieg beenden, den der Kaiser nicht mehr länger durchhalten konnte. König Ferdinand, der bereits ganz in den Vorstellungen der habsburgischen Erbschaft plante, war von diesem Vorschlag begeistert. Der sonst so schlaue König nahm den giftigen Köder an und gab auch dem Kaiser davon zu kosten. Die Beendigung des langwierigen italienischen Krieges und ein spanisch-habsburgisches Königreich Oberitalien f ü r den Erzherzog-Infanten Ferdinand — das hätte sich als Kriegsbeute ausgezahlt. Außerdem brauchte der Kaiser den Frieden im Westen f ü r den bevorstehenden Abschluß der großen Ostverträge. Maximilian mißtraute zwar, aber er mußte König Ferdinand wegen des spanischen Erbes mehr entgegenkommen, als ihm lieb war, zumal auch Lang die neue französische Politik unterstützte. Der Kaiser schlug daher alle Warnungen Erzherzogin Margarethes und die vielen schlechten Erfahrungen mit französischen Heiratsangeboten in den Wind. Der König von Frankreich verständigte augenblicklich Heinrich VIII. von den geheimen Umtrieben seiner Bundesgenossen und vermochte tiefes Mißtrauen zu erwecken. Der König von England fühlte sich „wie ein Knabe behandelt". So gelang es Ludwig XII., den Kaiser und Spanien von ihrem englischen Bundesgenossen zu trennen und aus seiner schier tödlichen Umklammerung auszubrechen. Es war das Meisterstück seines letzten Lebensjahres. Während der Kaiser und Spanien mit Frankreich Waffenstillstand schlossen (März 1514), die englische Heirat zwischen Karl und Maria aufkündigten und die neue französische Heirat vorbereiteten, suchte der enttäuschte König von England, über diesen Treuebruch tief verletzt, raschen Anschluß an Ludwig XII., der sich seiner in geheimen Verhandlungen längst versichert hatte und den Kaiser sowie die Spanier als betrogene Betrüger sitzen ließ. Heinrich VIII. Schloß mit Frankreich den Vertrag von London (August 1514) und verheiratete seine Schwester Maria, die mit Karl (V.) verlobt war, mit dem alten König Ludwig XII., der sein junges Glück allerdings
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nur um wenige Monate überlebte. Schadenfroh bemerkte der Kaiser: „Wenn man einen alten Mann ins Grab bringen will, gibt man ihm eine junge Frau". Die Engländer gaben Maximilians „Torheit, Verrat und fahriger Politik" die Schuld an diesem überraschenden Bündniswechsel. Der Kaiser hatte mit Rücksicht auf König Ferdinand und auf das spanische Erbe so handeln müssen; nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Ostpolitik: Wenn Erzherzog Ferdinand Renate von Frankreich heiraten sollte, mußte Erzherzog Karl für die lange geplante ungarische Doppelheirat freibleiben. Für Maximilian mußten die Zusammenarbeit mit Spanien und seine ungarischen Heiratspläne, die gerade 1514 eine entscheidende Wendung nahmen, den ersten Rang behalten. Daß die wiederholten, lockenden französischen Angebote nichts als Irrlichter waren, wollte vor allem König Ferdinand nicht sehen. Dieser erfahrene politische Spieler, „der klügste Fürst seiner Zeit", hatte sich diesmal gründlich verrechnet. Ein Umsturz der Bündnisse war die Folge, ein diplomatisches Ringelspiel, das während des ganzen Jahres 1514 nicht zur Ruhe kam. Ludwig XII. konnte Venedig als Bundesgenossen festhalten, die Liga seiner Feinde sprengen und England für sich gewinnen. Auch Venedig fühlte sich durch das französisch-englische Bündnis im Widerstand gegen den Kaiser neu bestärkt und nahm den Krieg an allen Fronten mit ungebrochener Kraft wieder auf. Sogar der Papst unterstützte das englisch-französische Bündnis, da er die Gefahr einer spanisch-habsburgischen Großmacht in Italien nicht weniger fürchtete als eine französische Vorherrschaft. Noch mehr plagte den Papst die Sorge, daß sich Habsburger und Spanier mit den Valois verständigen und Italien einvernehmlich teilen könnten, wogegen kein wirksamer Widerstand möglich sein würde. Daher versuchte Leo X., sie gegeneinander auszuspielen und das Kaisertum Franz I. anzubieten. Dagegen wollten Habsburger und Spanier nun auch Frankreich in einen allgemeinen Frieden einschließen, um sich gemeinsam über eine Teilung Italiens zu verständigen; denn mit Waffengewalt konnten sie gegen Franzosen und Venezianer nichts mehr ausrichten, seit sich Heinrich VIII. aus der „Dreieinigkeit" gelöst hatte. Als man 1514 eines Tages drei Sonnen mit leuchtenden Höfen und am gleichen Abend drei Monde mit merkwürdigen Zeichen beobachtet haben wollte, schlossen ebenso gescheite wie abergläubische Leute daraus auf große Veränderungen in der Welt — auf ein Schisma, auf einen neuen Papst, auf einen neuen Kaiser oder auf neue große Kriege. Der Ausgang
des Krieges
und seine
Folgen
Der Krieg nahm eine völlig neue Wendung, als Franz I. den französischen Thron bestieg (Jänner 1515). Vergebens schlug man auch dem neuen König eine einvernehmliche Teilung Italiens vor, wobei die spanischen Anteile, die Reichsrechte und das habsburgische Hausgut zusammengenommen
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ein ansehnliches „Königreich Italien" gebildet hätten. Aber die Franzosen, die stets die gefährliche Umklammerung durch Habsburg-Spanien zu fürchten hatten und in Italien das Bindeglied der habsburgisch-spanischen Großmacht erkannten, ließen sich von ihrem alten Bundesgenossen Venedig nicht mehr trennen und vertrauten lieber auf die Kraft und das Glück ihrer Waffen. Auch König Franz setzte sich — wie seine Vorgänger — zunächst die Eroberung Mailands, dann Neapels zum Ziel. Auf diesem Wege hoffte er, vielleicht zum Römischen Kaisertum zu gelangen, das seinem Land, der „Heimat Karls des Großen", nach seinen Vorstellungen nicht weniger zustand als dem verfallenden Reich Deutscher Nation. Brennend vor Ehrgeiz, „ein wahrer Teufel", überstieg der junge König die Alpen, nachdem er seinen Überfall diplomatisch gut vorbereitet hatte. Er schlug die von allen Bundesgenossen verlassenen Schweizer in der zweitägigen „Gigantenschlacht" bei Marignano (September 1515). Sie kämpften ohne Artillerie und ohne Reiter einen aussichtslosen Kampf. Kaiser und Reich hatten keine Hilfe geschickt. Es war ein Sieg der deutschen Landsknechte, die gegen gutes Geld für Frankreich kämpften. Nun spotteten sie über die geschlagenen „Schweizer Federhansen", denen ihre langen Spieße nichts genützt hätten. König Franz gewann Mailand zurück und besetzte die ganze Lombardei. Maximilian war durch den Wiener Kongreß, durch die Hochzeitsfeierlichkeiten und die Ostpolitik während des ganzen Jahres 1515 so in Anspruch genommen, daß er den König von Frankreich in Italien gewähren lassen mußte. Der junge Massimiliano Sforza dankte ab, wurde auf einem Esel nach Frankreich geführt und dort — ähnlich seinem Vater — bis an sein Ende festgehalten. Der Überfall Franz' I. traf Italien wie eine Bombe. Auch der Papst mußte sich dem Diktat des Siegers unterwerfen und im Konkordat von Bologna (Dezember 1515), das die alte Pragmatische Sanktion von Bourges ersetzte, die Rechte der gallikanischen Kirche mit dem König von Frankreich teilen. Durch die Stielbrille blinzelnd und leicht verwundert, ließ Leo X . das Donnerwetter des hochfahrenden Siegers über sich ergehen, der sich aber bald mäßigte, weil er den Papst gegen den Kaiser und Spanien brauchte. Die habsburgisch-spanische Partei gab sich nach dieser Niederlage noch nicht geschlagen. Mit letzter Anstrengung stellte der alte, bereits vom Tode gezeichnete König Ferdinand dem siegreichen Frankreich eine neue Liga des Kaisers, Spaniens und der Eidgenossen entgegen (September 1515). Selbst England kehrte in die Liga zurück, die auch der Papst heimlich unterstützte, obschon er sich vorsichtig zurückhalten mußte, wenn er nicht ein neues „Avignon" herausfordern wollte. Die Liga plante einen neuen Feldzug gegen Frankreich, den Maximilian — seine Kräfte weit überschätzend — persönlich anführen wollte. Da starb König Ferdinand von Spanien, der Hilfsgelder und kraftvollen Einsatz zu Lande und zur See versprochen hatte. Ein schwerer Schlag für die Liga. Der Feldzug des Jahres 1516, den der kränkliche Kaiser in einer letzten Kraftanstrengung gegen das französische Mailand rasch und kühn voran-
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trieb, kam vor der gut befestigten Hauptstadt zum Stillstand. O f t hatte er gedroht, als neuer Barbarossa in Italien zu erscheinen. Er führte 14.000 Knechte und Reiter, viel schweres Gerät und hundert leichte Geschütze mit sich, besaß aber kaum das Soldgeld f ü r die nächsten zwei Wochen, so daß er seine Landsknechte nicht mehr bezahlen konnte. Eine Belagerung der starken Festung durfte er nicht wagen, weil ihm schwere, mauerbrechende Geschütze fehlten. Vergebens h o f f t e er, heimliche Parteigänger würden ihm aus H a ß gegen die Franzosen die Stadt übergeben. Schweizer kämpften teils auf Seiten der Liga, teils auf Seiten der Franzosen. Auf welche Partei sie sich endgültig einigen würden, wußte niemand. D e r Kaiser hatte das Schicksal Ludovico Moros vor Augen, den seine Schweizer Söldner an den König von Frankreich verraten hatten. Auch die spanische Hilfe blieb nach dem T o d e König Ferdinands völlig aus. Der Enkel Karl kümmerte sich nur um die Erbfolge und ließ den G r o ß vater in Italien ganz im Stich. „Das werde in Karls Cronica als boess stückle unvergessen bleiben", tadelte der Kaiser. Karl hielt sich ganz an die französische Politik seines burgundischen Rates und Schloß mit König Franz Frieden. „Wir können beim Prinzen Karl keine kindliche Zuneigung zu Eurer Majestät erkennen", berichtete der kaiserliche Gesandte. Auch die englischen Hilfsgelder flössen größtenteils den Schweizern zu, „die alle Zitzen in ihren Mäulern hatten", wie Kardinal Schiner tadelte. Dem Kaiser hingegen, dem Heinrich VIII. den „Verrat" von 1514 nicht verzeihen konnte, wurden im entscheidenden Zeitpunkt des Feldzuges die Soldgelder vorenthalten. Daher waren der Zusammenbruch dieser Liga und die Auflösung der Armee nicht mehr aufzuhalten. Die Venezianer bedrohten die völlig ungedeckten Rückzugslinien. Geldmangel, Enttäuschung und Krankheit hatten den Kaiser so zermürbt, daß er den Feldzug abbrach und seine Truppen nach Tirol zurückführte. Uberall gab es Meuterei, Plünderung und Fahnenflucht. Die Landsknechte schrien nach „Geld" und immerfort nach „Geld". Als sie Maximilian einen „Strohkönig, einen Apfelkönig" schalten, trat er nach altem Brauch, mit dem Spieß in der H a n d in ihren Ring: „Er wolle nicht als ihr H e r r mit ihnen reden; sie sollten ihre Ehre bedenken! O d e r seien sie in Italien Welsche geworden? Sie seien deutsche Landsknechte und nicht Schweizer. Sie sollten Gott fürchten und die Schande, wenn sie sich an ihrem Kaiser vergriffen. Hätten sie vergessen, welche Gewinne er ihnen verschafft habe, und daß man sie seine Kinder nenne? Nicht er sei schuld, daß sich die Soldzahlungen verzögert hätten. Sie seien doch redliche Landsknechte, die nicht allein um Geld, sondern auch um Ehre kämpfen." Aber die Knechte brüllten ihn nieder; wenig fehlte, und sie hätten sich an ihm vergriffen. In ähnlicher Lage ist später der alte Jörg von Frundsberg inmitten seiner meuternden Knechte, vom Schlag getroffen, zusammengebrochen. Es war ein bitteres letztes Erlebnis des alten Kaisers. Er wußte, daß man zur Sicherheit einen zweiten Kopf mitnehmen mußte, wenn man mit zornigen Landsknechten verhandelte. Der freie Zuruf im Ring war ihr gutes
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Recht; aber sie schrien ihn nieder und verhöhnten ihn. In gesunden Tagen hätte er den nächststehenden Schreier niedergeschlagen. N u n war er krank und alt, aber immer noch jeder Zoll ein Kaiser. Als er ihnen befahl abzutreten, gingen sie. Eine Schuld an der Niederlage und am Zusammenbruch der Liga trug wohl auch der neue englische Gesandte Dr. Pace, dessen einseitige Berichte nicht nur Heinrich VIII. gegen den Kaiser einnahmen, sondern das Bild Maximilians in der englischen Literatur bis heute entstellen: „Der Kaiser sei ein Esel, ein Geldbettler, eine Null, ein Wetterhahn, ein Judas". Indes war gerade das Ausbleiben der englischen Soldgelder eine Hauptursache f ü r das Scheitern des ganzen Unternehmens; dies und der Abzug der Schweizer entschieden diesen Feldzug. Über den jähen Abbruch des Feldzuges ist viel gerätselt worden. Der zeitgenössische Vielschreiber Jovius berichtet, dem Kaiser wären sein Ahnherr H e r z o g Leopold, der bei Sempach fiel, und sein Schwiegervater Karl der Kühne blutüberströmt im Traum erschienen und hätten ihn vor den Schweizern gewarnt. Die Haltung der Eidgenossen hat den mißtrauischen Kaiser sicher sehr beschäftigt. Auch war Maximilian vor Mailand längst nicht mehr der alte. Schwere gesundheitliche Störungen machten ihm zu schaffen. Er hatte Mühe, auf ein Pferd zu steigen. Sein Enkel Karl empfahl ihm, sich zu schonen und einen erfahrenen Generalkapitän an die Spitze des Feldzuges zu stellen, was der Kaiser wohl als verblümte Entmündigung verstehen sollte. So endete der 27. und letzte Feldzug Maximilians mit einem weithin sichtbaren Fehlschlag. In Flugblättern und Komödien gössen Franzosen und Venezianer ihren H o h n über ihn aus. Als Herold des venezianischen Sieges entwarf der junge Tizian einen Holzschnittbogen, welcher die wunderbare Errettung des auserwählten (venezianischen) Volkes und den Untergang seiner Verfolger im biblischen Bild des Pharao der Welt verkünden sollte. Alles war wie ein Wunder: f ü r die Venezianer ein herrlicher Sieg, f ü r den Kaiser eine schwere Niederlage. Wenigstens Verona, sein „Dietrichs-Bern", wie es der Kaiser gerne nannte, wollte er f ü r sich behalten. Er schickte als letztes Aufgebot seine Bergknappen nach Verona, offenbar weil sie sich auf Minen, Gegenminen und Sprengungen, wie man sie im Belagerungskrieg brauchte, besonders verstanden. Die Besatzungen leisteten den venezianischen Großangriffen tapferen Widerstand, obwohl sie bereits ihre Pferde schlachten mußten, um nicht zu verhungern. Die Stadt konnte bis zum Friedensschluß gehalten werden — ein Trost und eine H o f f n u n g f ü r den in seinem Stolz tief verletzten Kaiser. Seit sich die Liga aufgelöst hatte, und England seine Hilfsgelder völlig einstellte, mußte sich Maximilian damit abfinden, daß sein Enkel Karl die Vermittlung des Friedens mit Frankreich übernahm und ihm einen gangbaren Ausweg aus der Niederlage eröffnete. Es war nicht zu übersehen, daß sich die Großmächte mehr an Karl zu halten begannen. Des Kaisers Stern war im Sinken.
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Der Sieg Frankreichs schien zunächst überwältigend. Aber von den schweren Niederlagen des Kaisers verdeckt, erhob sich fast unbemerkt die neue Großmacht Karls (V.), der inzwischen Spanien geerbt hatte und mit seinen Ländern Frankreich von allen Seiten umklammerte. Karl war klug genug, seine Macht zunächst bescheiden zurückzuhalten und zu unterspielen. Aber im Ernst dachte er nicht daran, irgendeinen Rechtstitel seines Großvaters auf die Dauer preiszugeben — am allerwenigsten Italien, das Kernland des Imperiums, das die spanischen und deutschen Länder seines Hauses verbinden sollte. König Karl setzte gegen den Willen des Kaisers die Verträge von Noyon (August 1516) und Brüssel (Dezember 1516) durch, die den Frieden mit Frankreich und den Waffenstillstand mit Venedig besiegelten. Karl mußte versprechen, beim Großvater den Verzicht auf Verona zu erwirken. Die Stadt sollte für eine Entschädigung von 200.000 Goldkronen an Venedig übergehen. Maximilian konnte „den verfluchten Vertrag" nicht verhindern. Sogar Kardinal Lang ließ seinen alten Herrn im Stich und unterstützte offenbar die Politik des jungen Königs: Der Papst meinte, „der Kaiser dürfe nicht wegen Verona die ganze Christenheit verderben . . . es wäre am besten, wenn er in das Paradies abfahre". Es bedurfte des vereinten Ansturms der einflußreichsten Hofleute, um dem Kaiser die Unterschrift unter dieses Vertragswerk abzuringen. Bitter für den alten Herrn, daß er sich mitunter bereits der Politik Karls und seines burgundischen Rates unterwerfen mußte. Maximilian hatte in Brüssel fast nur Verluste hinnehmen müssen. Alle Landzuteilungen von Cambrai (1508), selbst Verona, das der Kaiser bis zuletzt zäh verteidigt hatte und zum Land Tirol schlagen wollte, wurde ihm abgesprochen. Mailand blieb in französischer Hand. Nur einige bescheidene Grenzplätze, wie Rovereto, Riva, Ala und Cortina ließ man ihm. Der Kaiser ertrug es schwer, wenn sich der Enkel, der alles geerbt und noch nichts geschaffen hatte, als sein politischer Vormund aufspielte. Maximilian zog sich mehrere Tage von aller Welt zurück, so sehr erschütterten ihn diese Verluste. Nach Abschluß des Brüsseler Friedens wollte der Kaiser das Land Tirol noch einmal zur Erhaltung von Verona aufbieten; aber der Landtag lehnte ab. Auch Tirol war am Ende seiner Kräfte. Der Friede war zu einseitig, als daß er längeren Bestand hätte haben können. Zwar bemühte man sich, die großen Zugeständnisse an Frankreich durch ein zweites Bündnis mit England auszugleichen, denn Maximilian sah in England den großen Verbündeten der Zukunft. Kardinal Schiner, der den Londoner Vertrag (Oktober 1516) für den Kaiser verhandelte, schien Kardinal Lang, den großen Franzosenfreund, aus seiner Vorrangstellung zu verdrängen. Aber das Mißtrauen Heinrichs VIII., der sich auch durch diesen Doppelvertrag verraten fühlte, obwohl er einen allgemeinen Frieden der Christenheit zur Vorbereitung des Kreuzzuges zum Ziele hatte, war nicht mehr zu beschwichtigen. Daß der Kaiser das englische Bündnis „mit zynischer Schamlosigkeit" gebrochen habe, ist eine ungerechte Übertreibung. Nie würde er sich auf den Frieden mit Frankreich, den ihm König Karl auf-
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drängte, eingelassen haben, wenn die englische Hilfe vor Mailand nicht in äußerster Notlage völlig versagt hätte. Einen Friedensschluß mit Venedig lehnte der Kaiser ab, denn er war weit entfernt, den gegenwärtigen Besitzstand in Italien für die Dauer anzuerkennen. Immer wieder kam er auf den alten Plan eines Königreiches Italien oder Lombardei für Erzherzog Ferdinand zurück, auf das er sich die Anwartschaft sichern wollte. Angesichts des geringen Ergebnisses seines langwierigen Krieges um Italien erhebt sich die Frage, ob es nicht sinnlos war, daß Maximilian im Zeitalter der fortschreitenden nationalstaatlichen Sonderung Italienpolitik nach dem Vorbild der mittelalterlichen Kaiser trieb. Ich versuche, diese Frage im Schlußkapitel zu beantworten. Der achtjährige Krieg um Italien schlug den österreichischen Ländern schwere Wunden, denn der Kaiser mußte Truppen und Geld fast ausschließlich aus seiner Hausmacht aufbringen und sein Kammergut, vor allem die Erträge seiner Bergwerke als Pfänder einsetzen. Er hatte eine Schuldenlast aufgehäuft, die etwa das Zehnfache der gesamten Einnahmen eines Jahres aus seinen Ländern und dem Reich ausmachten — „unglaubliche Schulden . . . Schulden wie Wälder", klagten die Nachlaßverwalter des Kaisers. Die Landstände waren unzufrieden. Bürger und Bauern stöhnten unter der Steuerlast und klagten über die rasch fortschreitende Geldentwertung. In Krain, an den Grenzen Kärntens und der Steiermark, wo die Bauern seit alters besonders schlecht gestellt waren, kam es bereits 1515 zu einem blutigen Bauernaufstand, der auf Befehl des Kaisers grausam niedergeschlagen wurde. Dieser Venezianerkrieg war einer der längsten, schwersten und verlustreichsten vor dem Dreißigjährigen Krieg; unabsehbar waren seine Folgen. Erstmals waren Massenheere gegeneinander angetreten. Die Opfer des Krieges gingen in die Zehntausende. In den Kriegsgebieten Friauls und Oberitaliens waren ganze Landstriche verödet, Dörfer und Städte wiederholt gebrandschatzt oder eingeäschert, die Felder durch Jahre unbestellt. Es gehörte zum sogenannten „fliegenden Krieg", den Nährstand des Gegners, die Bauern, zu vernichten. Von den zahlreichen Greueltaten, wie sie jeder Krieg mit sich bringt, haben sich nur die furchtbarsten im Gedächtnis erhalten: so die Verbrennung flüchtiger Frauen und Kinder in den Höhlen nächst Vicenza. Die Landsknechte, die im langen Krieg immer mehr verwilderten, bildeten nach ihrer Rückkehr auch für die Heimat eine Gefahr, weil sie den Anschluß an das einfache Leben kaum mehr fanden. Um sie aus dem Reich fernzuhalten, behandelte man sie aus geringem Anlaß wie Verbrecher, fing sie ein, stach ihnen die Augen aus, hackte ihnen die Hände ab, wenn sie stahlen, oder verkaufte sie auf die Galeeren. „Das geschehe ihnen recht", meinte ein Chronist aus Villingen. Die abgedankten Landsknechte der italienischen Kriege wurden zu Anführern der kommenden Ritter- und Bauernaufstände. Das war vielleicht die verhängnisvollste Hinterlassenschaft des kriegerischen Kaisers.
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Der Krieg um Italien. Das spanische Erbe. Die Wiener Verträge
Die österreichischen Länder waren zwar von der Kriegsfurie nicht unmittelbar betroffen, hatten aber unter dem Ausfall des Handels, unter Plünderungen durchziehender Truppen, unter Hungersnöten und Seuchen besonders zu leiden. Auf dem großen Generallandtag zu Innsbruck (1518) machte sich die Unzufriedenheit stürmisch Luft. Die Stände wünschten Frieden und keine auswärtigen Kriege ohne ihre Zustimmung. Dafür waren sie sogar bereit, einer gemeinsamen Verteidigungsordnung aller österreichischen Länder zuzustimmen, die der Kaiser nach dem Muster des Tiroler Landlibells einführte. Schon die Zeitgenossen, zumal die führenden Männer des Innsbrucker Regimentes, die den Krieg zu bewirtschaften hatten, konnten nur wenig Verständnis für eine Weltpolitik aufbringen, welche die österreichischen Länder völlig erschöpfte. Man stand dem halbfertigen Neubau der maximilianischen Gründungen teils ratlos, teils mißtrauisch, teils verzweifelt gegenüber. Was würde schließlich aus allem werden? Es gibt kaum einen österreichischen Zeitgenossen, der damals die politischen Gründungen des Kaisers groß gelobt hätte. Es war in der Tat die Frage, ob der Preis, den gerade die österreichischen Länder für das habsburgische Weltreich zu zahlen hatten, nicht zu groß war, zumal Spanien daraus den eigentlichen Vorteil zog. „Das Glück Karls in Spanien hat das Unglück Maximilians ausgeglichen", urteilte der biedere Tiroler Georg Kirchmair. Die lange Reihe der Mißerfolge des Kaisers hatte auch ihr Gutes. Man übersah das allmähliche, aber beständige Wachstum der habsburgischen Großmacht und traute dem sieglosen Kaiser und dessen blassem, zaghaftem Enkel offenbar wenig zu. Diesen Eindruck mußte die innere Zerüttung und Ohnmacht des Reiches, von dem man keinen Kraftakt zu fürchten hatte, noch verstärken. Als der habsburgische Phönix mit der Wahl Karls V. aus der Asche stieg, war es für die Gegner zu spät. Im Jänner 1516 war König Ferdinand von Aragon, Herr der spanischen Länder, Siziliens, Neapels und der Neuen Welt, gestorben. Seit 1509 hatte er sich allmählich mit dem Erbfall seiner Länder an Habsburg abgefunden und lange Zeit im Zweitgeborenen, Erzherzog-Infant Ferdinand, den eigentlichen Erben seiner spanischen Länder gesehen. Seine Königreiche sollten ihren eigenen Herrn haben, denn nichts fürchtete König Ferdinand mehr, als daß Spanien ein Nebenland des Reiches werden könnte. Er mißtraute den politischen „Phantasien" Maximilians, die auf Kosten des spanischen Staatsgedankens — mit untauglichen Mitteln, wie ihm schien — ein christliches Universalreich anstrebten. In der Tat hat Maximilian durch eine ebenso kluge wie ausdauernde Politik seinem Haus das spanische Erbe gegen größte Widerstände erhalten — eine Leistung mit weltgeschichtlichen Folgen. Karl, dessen Bedeutung nicht verkleinert werden soll, hatte sein Reich ganz und gar seinem Großvater zu verdanken; aber er konnte es sichern und erhalten. Erst nach langem Schwanken bestätigte König Ferdinands letzter Wille die spanische Erbschaft Karls. So ereignete sich das Merkwürdige, daß der „Spanier", Erzherzog-Infant Ferdinand, die österreichischen Länder über-
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nahm, während der Flame, „Karl von Gent", wie man ihn zunächst nannte, über die spanischen Königreiche und Länder herrschen sollte. Maximilian mußte König Karl erst gegen engherzige burgundische und spanische Einflüsterungen überzeugen, daß er sich um die Römische Kaiserkrone bewerben müsse, wenn er nicht alles in Frage stellen wolle. Gattinara, der Großkanzler, wurde neben Erzherzogin Margarethe wohl der eigentliche Vermittler der universalen Ideen Maximilians an Karl V. Seither begann sich die habsburgische Monarchie in den Kämpfen mit den Nationalstaaten immer klarer abzuheben. Damit vollzog sich die letzte Translatio Imperii auf das Haus Habsburg in Spanien und Osterreich. Wohl blieb der kaiserliche Name beim Reich, aber die kaiserliche Macht ruhte seit Karl V. auf den beiden habsburgischen Stämmen in Österreich und Spanien. Die Welt drehte sich fast zwei Jahrhunderte lang um die Achse Wien-Madrid, wie ein Bild aus dieser Zeit es ausdrückt. Der nächste Erbe des maximilianischen Universalismus wurde allerdings Spanien. Osterreich, das die Hauptlast getragen hatte, blieb daneben lange Zeit nur der arme Verwandte. Die Spanier aber, die so sehr gefürchtet hatten, unter den Habsburgern ein Nebenland zu werden, stiegen zur führenden Weltmacht auf. Sie übernahmen nun die traditionelle Aufgabe des Reiches zur Sicherung Italiens, zum Schutz des Papstes und der Römischen Kirche und zur Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Türken. Der habsburgische Universaldominat, ein Schreckbild für die jungen Nationalstaaten und für die konfessionellen Spaltungsbewegungen, der Europa fast zwei Jahrhunderte beherrschen sollte, war im Aufbruch begriffen.
Der Wiener Kongreß 1515. Fundamente der
Donaumonarchie
Nicht der größte, aber der dauerhafteste Erfolg überraschte den Kaiser im Osten. Es war kein Geschenk des reinen Zufalls. Langwierige diplomatische, politische und militärische Anstrengungen waren nötig, um die schicksalhafte ungarische Doppelheirat vorzubereiten, zu sichern und durchzuführen, obgleich deren weltgeschichtliche Folgen auch nicht von vornherein und so rasch zu erwarten waren. Maximilians Beharrlichkeit in der Ostpolitik fällt nicht weniger auf als seine Ausdauer in der italienischen und spanischen Politik. Das zähe Festhalten einmal gefaßter Pläne hatte er von seinem Vater. Der Kaiser suchte in erster Linie im Westen die großen Entscheidungen. Mit der burgundischen Heirat und dem siegreichen Erbfolgekrieg war der Grund gelegt. Die spanische Heirat begründete das spanische Erbe mit seinen weltgeschichtlichen Folgen. Nun wollte der Kaiser auch im Osten wenigstens das bisher Erreichte, den Preßburger Vertrag von 1491 und den geheimen Doppelheiratsvertrag von 1506/07, für seine Nachkommen sichern. Der gewandte kaiserliche Diplomat Cuspinian reiste im Laufe der Jahre nicht
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weniger als zweiunddreißig Mal nach Ungarn, zweimal rückte die kaiserliche Armee ins Land, um dieses stets gefährdete Vertragsgebäude zu sichern. Im Frühjahr 1515 war es so weit. Der Kaiser wandte während der nächsten Monate seine ganze Aufmerksamkeit einer Zusammenkunft mit den Königen von Ungarn-Böhmen und Polen zu, den er in Wien aufwandreich und unbeirrbar vorbereitete, obwohl König Franz I. die Bindung Maximilians im Osten dazu benützte, die Lombardei zu überfallen und Mailand zu erobern. Der Kongreß kostete kaum weniger als ein Feldzug. Aber der Kaiser pflegte zu sagen, „die Erzherzoge von Österreich hätten durch Freigiebigkeit stets mehr gewonnen als andere durch Sparen". Der König von Ungarn, der seine aufsässigen Magnaten, zumal Johann Zäpolya, kaum weniger fürchten mußte als den kriegslustigen Sultan Selim, sah in der engen Verbindung mit den Habsburgern und dem Reich die Rettung Ungarns gegen die Türken. Aber es kam vor allem auf das Oberhaupt der Jagellonen-Dynastie, auf König Sigismund von Polen, an, dessen Heirat mit Barbara Zäpolya, der Schwester des ungarischen Magnatenführers, dem Kaiser große Sorgen bereitete. Es hatte lange den Anschein, als ob der König von Polen zusammen mit der Zäpolya-Sippe die Habsburger aus dem Donauraum verdrängen wollte. Seit der Kaiser wieder Verhandlungen mit dem Großfürsten Wasilij III. von Moskau aufgenommen hatte, zeigte sich auch König Sigismund von Polen entgegenkommender. Nach den Plänen des Kaisers sollte Moskau zusammen mit Dänemark und dem Deutschen Orden eine antipolnische Front aufbauen. Großfürst Wasilij III., der in die Vertragsurkunde mit dem Kaiser (1514) eigenmächtig den Titel eines „Zaren aller Reussen" eingeführt hatte — die erste Verwendung des Zarentitels in der Geschichte — eröffnete sofort den Krieg gegen Polen. Indem Maximilian mit allen Feinden Polens, besonders mit Moskau, aber auch mit den Königen von Böhmen-Ungarn und Polen zugleich verhandelte, gelang es ihm, die Familien-Union der Jagellonen für umfassende Verhandlungen zu gewinnen. Maximilian wurde wochenlang in Innsbruck von einer schweren Krankheit festgehalten. Man sprach von einem Schlaganfall, wodurch er zeitweilig den Gebrauch der Glieder, sogar die Sprache verloren haben soll. Als kranker Mann mußte er den großen Kongreß meist in der Sänfte mitmachen; nur zum Abschluß des Festes bestieg er noch einmal das Pferd, um sich und seinen Gästen Gesundheit vorzutäuschen. Als der Kaiser die Könige des Ostens im Juli 1515 in Wien empfing, war das Einvernehmen durch die geschickten Vorverhandlungen Cuspinians und Langs in Preßburg grundsätzlich bereits hergestellt. Durch ein „Linsengericht", wie polnische Historiker sagen, konnte König Sigismund für die Doppelhochzeit und für die Überlassung des gesamten Donauraums an die Habsburger gewonnen werden. Der Kaiser hatte dafür das höchst unbestimmte, persönliche Versprechen gegeben, „den Deutschen Orden nicht weiter zu unterstützen", was reichsrechtlich keine Verbindlichkeit hatte, weil keine Zustimmung des Kurkollegs, des Reichstags oder des Kammergerichtes einge-
Der Wiener Kongreß 1515. Fundamente der Donaumonarchie
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holt worden war. Auch konnte diese Zusage bestenfalls Maximilian persönlich, nicht aber dessen Nachfolger, schon gar nicht das Reich binden. Der Kaiser hat es übrigens an der Unterstützung des Ordens auch in der Folgezeit nicht fehlen lassen. Mit keinem Wort legte er dem Hochmeister die Unterwerfung unter Polen nahe, sondern riet ihm, sich gegen alle wirklichen und vermeintlichen Ubergriffe zu wehren. Nur das Bündnis mit Moskau gab er in aller Form preis. Der Deutsche Orden ist bekanntlich durch eine ganz persönliche Entscheidung des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg, durch dessen Übertritt zur Reformation und durch die Säkularisierung des Ordensstaates (1525), endgültig unter polnische Lehenshoheit gekommen und nicht durch das Verschulden Habsburgs. Der Haß der nächsten Nachbarn, sogar der deutschen Städte gegen den Orden, sein sichtbarer Verfall, seine religiöse und ideelle Entleerung, nicht zuletzt die Gleichgültigkeit des Reiches hatten den entscheidenden Schritt des Hochmeisters vorbereitet. Der Wiener Kongreß verlief in babylonischer Prachtentfaltung. Am 17. Juli hielt man von Schwechat aus den feierlichen Einzug in die Stadt. Insgesamt ritten weit über 10.000 Reisige des Kaisers, der Könige von Ungarn, Böhmen und Polen und der deutschen Fürsten in Wien ein. Maximilian und seine Gäste fühlten sich bald als ein Herz und eine Seele: „Er werde in seinen alten Tagen noch einmal nach Polen reisen, um Auerochsen und Büffel zu jagen", scherzte der Kaiser. Eine Freundschaft auf den ersten Blick verband ihn mit dem König von Polen: „Sigismund allein sei die Verbindung des habsburgischen Hauses mit den ungarischen Königskindern zu verdanken", erinnerte sich der Kaiser später. Bald versuchte er, auch den König von Polen durch eine Heirat an sein Haus zu binden. „Sigismund sei ein mächtiger König, der hunderttausend Streiter aufbieten könne; die Polen seien — anders als die feindseligen Ungarn — Freunde der Deutschen". In den folgenden Tagen wurden die Endfassungen der großen Heiratsverträge verhandelt, wobei Kardinal Lang Wort und Feder führte. Gleichzeitig adoptierte der Kaiser den Prinzen Ludwig von Ungarn als seinen Sohn, wodurch er seine Mitherrschaft über Ungarn, die er bereits seit dem Preßburger Vertrag (1491) innehatte, noch verstärkte. Er bestellte den Prinzen als seinen Sohn zugleich zum Generalvikar des Reiches, ein Rechtstitel, der für das zu schaffende „Königreich Österreich" vorgesehen war, aber erst der Anerkennung durch Kurfürsten und Fürsten bedurft hätte, um rechtskräftig zu sein. Maximilian war schon früher zum Vormund der ungarischen Königskinder und damit zum Statthalter in Ungarn bestellt worden, für den Fall daß König Wladislaw vorzeitig sterben sollte. Das Band zwischen Ungarn, Österreich und dem Reich war auf diese Weise so eng wie möglich geknüpft. Am 22. Juli 1515 wurde zunächst in der Burg, dann zu St. Stephan in Wien die große weltgeschichtliche Doppelhochzeit gefeiert. Es war der Höhepunkt des Kongresses. Der Kaiser führte als Stellvertreter Prinzessin Anna von Ungarn zum Traualtar, die entweder Erzherzog Karl oder dem jüngeren Erzherzog Ferdinand zugedacht war; nur wenn keine dieser Ehen zustande
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Der Krieg um Italien. Das spanische Erbe. Die Wiener Verträge
komme, sollte Prinzessin Anna die Gemahlin des Kaisers sein. Prinz Ludwig führte Maria heim. Maximilian setzte der Braut jene goldene Krone auf, mit der einst König Ladislaus Postumus gekrönt worden sein soll — als Andeutung ihrer königlichen Würde und der wünschenswerten Vereinigung der österreichischen, böhmischen und ungarischen Länder in der einen oder anderen Hand. „Kind, bitte Gott um meine Gesundheit!", flüsterte ihr der Kaiser vor dem Altar ins Ohr; er fühlte wohl, daß seine Jahre gezählt waren. Die Stellung Annas hatte bei den Heiratsverhandlungen offenbar eine wichtige Rolle gespielt. Die Prinzessin sollte durch diese Heirat jedenfalls eine Königin werden; entweder an der Seite Karls, Königin von Kastilien etc. oder an der Seite Ferdinands, Königin von Italien oder von Osterreich, was sehr ernsthaft besprochen wurde. Der Kaiser werde Österreich zum Königreich erheben, versicherte man den Ungarn. Sei dies nicht möglich, dann solle Anna an der Seite Maximilians Kaiserin werden. Sie übersiedelte sofort an den Kaiserhof. Alle Künste wurden zur Verherrlichung dieses großen Ereignisses aufgeboten. Der Kaiser ließ seinen Hausschatz nach Wien überführen, um ihn — wie üblich — bei den Festlichkeiten zur Schau zu stellen. Musiker, Dichter und Redner gaben sich in Wien ein Stelldichein, um den Ruhm des Kaisers und seines Hauses zu feiern. Albrecht Dürer war als Festgestalter gewonnen worden. Sein Triumphzug war Abbild oder Vorbild dessen, was sich beim Empfang der Könige des Ostens und beim Einzug des Kaisers und seiner Gäste abspielte. „Was der Dürer in der Malerei, war der Hofhaimer auf der Orgel", sagte Paracelsus. Hofhaimer leitete den Festchor in St. Stefan und spielte die Orgel. Das große Te Deum, ein Wechselspiel von feinem Piano und dröhnendem Fortissimo blieb allen unvergessen: „Paulus blies die Orgel so stark, daß die ganze Kirche einzustürzen schien; tausend Stimmen zugleich, einem rasenden Wagen vergleichbar . . ." Dagegen fühlte man sich von der dumpfen Feldmusik der Ostvölker, „vergleichbar dem Surren von Wespen und Hornissen", wie sie beim Empfang auf dem Hartfeld zu hören war, eher irritiert. „Leute, die noch Pferdefleisch fressen und Pferdeblut trinken", urteilte abschätzig und verärgert der Humanist Bartholinus, der keine Gelegenheit fand, mit seiner Festrede zu glänzen. Anschließend gab es große Festgelage, Massenturniere und Reiterspiele der polnischen Kosaken, wie man sie hier noch nie gesehen hatte; die Gebildeten unterhielten sich bei Theateraufführungen und gelehrten Akademien. Die große Schlußkundgebung am 28. Juli verkündete „ewigen Frieden und Freundschaft zur Ehre Gottes, zur Erhaltung der Christenheit, zu gegenseitigem Schutz und Schirm, vor allem gegen die ungläubigen Türken . . . Die Brut Mohammeds sollte ausgerottet werden und die Religion Jesu Christi sich über die ganze Welt, auch über die neu entdeckten Länder ausbreiten." Das Geschrei der begeisterten Massen, Trompetengeschmetter und Paukenschlag schlossen die Kundgebung und drangen „bis an die Sterne". Diese Doppelheirat war der dauerhafteste Erfolg der maximilianischen Ostpolitik; aber niemand konnte wissen, daß bereits wenige Jahre später
Paul Hofhaimer auf dem Orgelwagen des Triumph. Hofhaimer, Heinrich Isaac und Ludwig Senfl stehen am Anfang der reichen Musikkultur des österreichischen Hofes, die von der burgundischen Hofkapelle stark beeinflußt war. Hofhaimer war Maximilians oberster „Orgelmeister". Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Triumph.
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Der Krieg um Italien. Das spanische Erbe. Die Wiener Verträge
(1526) der ungarisch-böhmische Erbfall eintreten werde. Ranke, der dem Kaiser mit Vorbehalten gegenüberstand, sprach ihm doch jene politische Gabe zu, die er für eine der größten hält: eine „Ahnung dessen, was kommt". „Laß andere Kriege führen, Du, glückliches Österreich, heirate", dichtete ein oberflächlicher humanistischer Reimer, als ob Habsburgs Aufstieg allein im Ehestiften begründet gewesen wäre. Welche diplomatischen, politischen und militärischen Anstrengungen kostete es doch, diese Heiraten zustandezubringen, das Erbe zu behaupten und Ungarn nach opferreichen Kriegen von den Türken zu befreien und wiederherzustellen. Die Wiener Verträge besiegelten den festen Zusammenschluß der Ostmächte gegen die Türken. Dies war der eigentliche Leitgedanke der Verhandlungen; dafür waren alle Parteien bereit, Zugeständnisse zu machen. Wenn man bedenkt, daß Sultan Soliman schon wenige Jahre später Ungarn überrannte und 1529 das erste Mal vor Wien erschien, wird man den politischen Weitblick der Kongreß-Politik nicht unterschätzen.
Der Augsburger Reichstag (1518). Türkenpläne und Nachfolge im Reich
Das letzte Lebensjahr war gekennzeichnet von der rastlosen Tätigkeit dessen, der sein Ende nahe fühlte. Gern hätte Maximilian bei Lebzeiten seinen Enkel Karl zum Römischen König gemacht, um jede Gefährdung der habsburgischen Nachfolge im Reich und der Universalmonarchie auszuschließen. Karl sollte mit der vereinigten Macht Spaniens, Burgunds, Österreichs und des Reiches das vollenden, was Maximilian versagt geblieben war; er sollte das gelobte Land betreten, das der Großvater in seinen Visionen nur von ferne hatte schauen dürfen. Er sollte als Herr der spanischen Königreiche und Länder über das Römische Kaisertum zur Weltmonarchie aufsteigen. Für die Hausmacht Maximilians war das Kaisertum eine allzuschwere Last gewesen, wie er in trüben Stunden öfter beteuerte. Erzherzog Ferdinand sollte nach dem Willen des Großvaters die österreichischen Länder erben — womöglich unter dem Titel eines „Königreiches Österreich", wofür sich der Kaiser schon auf dem Wiener Kongreß bemüht hatte. Der Plan scheiterte an der Eifersucht König Karls, am Widerstand der deutschen Fürsten und wohl auch an der Verständnislosigkeit der österreichischen Stände. Als die Habsburger die Königreiche Ungarn und Böhmen erworben hatten, schien ihnen ein Königreich Österreich überflüssig. Bereits kränkelnd zog der Kaiser noch einmal in die Niederlande (1517), um Karl für seine Pläne zu gewinnen, ehe dieser nach Spanien abreiste. Er fand den jungen König kalt und teilnahmslos „wie eine Statue" — zunächst nicht einmal für das Kaisertum interessiert. Es bedurfte der wiederholten Ermahnungen des Großvaters und wohl auch der Einwirkungen Erzherzogin Margarethes und Gattinaras, um Karl zu überzeugen, daß in diesem Augenblick das Schicksal der Dynastie mit dem Kaisertum untrennbar verbunden
D e r Augsburger Reichstag (1518). Türkenpläne und Nachfolge im Reich
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war. Unzufrieden mit der Haltung des Enkels, verließ der Kaiser das Land seiner Jugend. In den Niederlanden hatte Maximilian wiederum unter Anfällen seiner verschiedenen Krankheiten zu leiden gehabt. Auf der Rückreise bereitete ihm der Reichstag zu Mainz (1517), den er nur aus der Ferne verfolgte, manchen Ärger. Überall gab es Klagen über den Mangel an Frieden und Recht, über Gewalttaten von Fürsten, ritterlichen „Rechtshelfern", heimgekehrten Landsknechten und rebellischen Bürgern und Bauern. Die Landfriedensbrüche und Fehden des Sickingen, des Götz von Berlichingen und anderer erregten die Gemüter. Der schlimmste Fall war wohl jener des Herzogs Ulrich von Württemberg, der seinen Stallmeister Hans von Hutten, einen Vetter des streitbaren Dichters, ermordet hatte, um dessen Frau zu besitzen. Die Reichsfürsten scheuten sich nicht, diesen gemeinen Verbrecher, ihren Standesgenossen, gegen das Reichsrecht zu schützen. So blieben Verbrechen, Straßenraub und Heckenreiterei meist unbestraft. Der Kaiser sollte den Landfrieden schützen, aber die Fürsten versagten ihm die Hilfe. Mißmutig verließ er das Reich und reiste zurück nach Osterreich, wo er in den Heilbädern von Baden bei Wien vergebens Besserung seiner Leiden suchte. Noch einmal raffte der Kaiser seine ganze Kraft zusammen, um auf dem Augsburger Reichstag von 1518 — seinem letzten und einem der glänzendsten — den Kreuzzug vorzubereiten und die Nachfolge für Karl zu ordnen. Die Hauptfrage des Reichstages, die sozusagen auf der Vorderbühne spielte und die öffentliche Meinung erregte, war der Kreuzzug gegen die Türken. Maximilian, der durch die Grenzlage seiner Länder davon unmittelbar berührt war, nahm daran ganz persönlichen Anteil; aber die Reichsstände wollten davon im Ernst nichts wissen, obwohl man dies nicht so offen aussprach. Seit der kriegerische Sultan Selim I. die Perser zurückgeschlagen, Syrien und Ägypten erobert hatte, rüstete er zum Großangriff gegen das Abendland. Angesichts der wachsenden Gefahr versuchte Papst Leo X., die christlichen Könige und Fürsten gegen die Osmanen zu einigen. Seine Legaten, Cajetan und Lang, sollten Kaiser und Reich dafür gewinnen; dann würden auch die übrigen Mächte folgen, hoffte der Papst. Maximilian, nicht mehr der jüngste, außerdem schon sehr kränklich, zeigte sich bereit, als Anführer des Kreuzheeres persönlich mitzuziehen, denn „der Christenheit ganzer Trost lag bei der Deutschen Nation". Im Rahmen eines großen Festgottesdienstes erhielt der Kaiser von den Legaten namens des Papstes den geweihten Hut und das Schwert. Aber Maximilian mußte bald erkennen, daß ein Kreuzzug nicht nur am Widerstand seiner Deutschen, sondern auch am gegenseitigen Mißtrauen der Großmächte scheitern werde. Der Kaiser legte dem Augsburger Reichstag die alten Kreuzzugspläne vor, die bereits in den neunziger Jahren ausgearbeitet und auch 1500 wieder hervorgeholt worden waren. In der Grundanlage hatte sich nichts geändert: Drei christliche Heere sollten innerhalb von drei Jahren unter Mithilfe des Großfürsten von Moskau und des Schahs von Persien Konstantinopel und
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Jerusalem erreichen, aber auch die Berberstaaten in Nordafrika und Ägypten erobern und das Osmanische Reich vernichten. Die spanische Mittelmeerpolitik wird in diesen Plänen sichtbar: Gelang es, sich des ganzen Mittelmeers zu bemächtigen, dann war Karl von Spanien — gleich den ajten Römern — Herr der Welt, und der allgemeine christliche Friede würde allen Kriegen ein Ende setzen. Welche Weite der politischen und militärischen Entwürfe! Phantasien, welche die Grenze des Möglichen überstiegen? Seifenblasen? Wenigstens Europa hätte man befreien, den Balkan und Italien ein für allemal sichern können. Auch der Papst gab sich siegessicher. Er hatte von Raffael eben den Seesieg seines Vorgängers Leos IV. über die Sarazenen in Ostia in den Stanzen malen lassen. Das Bild sollte ihn täglich an seine große Aufgabe erinnern. Eine Skizze davon, die wohl auch für den Kaiser gedacht war, sandte Raffael an Albrecht Dürer. Diese weitausgreifenden Pläne erregten bei den Reichsständen von Anfang an Mißtrauen und heftigen Widerstand. Man wollte an die Gefahr aus dem Osten nicht glauben und bezichtigte die Römische Kurie eines Plünderzuges um die deutschen Kreuzzugsgelder. Gerade die Verbindung des Kreuzzuges mit Steuerforderungen, Ablaß und Sakramentsempfang erregte die Stände, warf doch der Ablaßkrieg, den Luthers Thesen eben ausgelöst hatten, bereits hohe Wogen nach Augsburg. Der Widerstand gegen die Türkensteuer wurde immer stärker. Da halfen auch die Festgottesdienste, die feierlichen Belehnungen, Hochzeiten und Turniere nichts, womit der Kaiser den Reichstag mitreißen oder ablenken wollte. Unter dem Eindruck des Lutherischen Thesenkrieges, gehässiger Kreuzzugsdebatten und feindseliger Flugschriften gegen die „römischen Türken" schlug die Stimmung des Reichstages völlig um: „Der Papst sei schlimmer als der Türke", hieß es. Die Urgewalt der antirömischen Agitation, die am Vorabend der Reformation leidenschaftlich hervorbrach, fegte den Kreuzzugsplan bald vom Tisch. Auch war die Türkengefahr in Jahrzehnten so zerredet worden, daß niemand mehr recht daran glauben wollte. Es bedurfte erst der Ereignisse von 1526 und 1529, der Eroberung Ungarns und der ersten Belagerung Wiens, um das Reich und Europa vom Ernst der Lage im Osten zu überzeugen. Mit dem Kreuzzugsplan wurde auch die Wahl eines Römischen Königs unumgänglich, der den Kaiser während seiner Abwesenheit vertreten sollte. Die Wahlfrage wurde hinter verschlossenen Türen eifrig verhandelt. Wiederholt hatte Maximilian das Römische Königtum fremden Königen, bald England, bald Ungarn angeboten, vielleicht um den Anschein eines habsburgischen Erbrechtes zu verhüllen, vielleicht um seinen unschlüssigen Enkel und den niederländischen Rat zur Bewerbung herauszufordern, vielleicht auch um die deutschen Kurfürsten seinem Enkel, als einem „geborenen Deutschen aus den Niederlanden", geneigter zu stimmen; vielleicht wollte Maximilian auch nur die Widerstände seiner zahlreichen Feinde von seinem Enkel ablenken. Daß er das Kaisertum nicht für alle Zeiten einer fremden Macht
Maximilian Hoforganist
bei der hl. Messe in Augsburg, rechts im Hintergrund knieend. Links im Vordergrund der Paul Hofhaimer am sogenannten Apfelregal. Rechts die Kantorei, aus dem Chorbuch singend. Holzschnitt von H. Weiditz.
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überlassen wollte, kann man als sicher annehmen. Als Meister der Verstellung suchte er in der großen Politik stets zu verbergen, was er eigentlich wollte. Im Lauf der Wahlverhandlungen, die der kranke Kaiser mit bewundernswerter Kraft und Zielstrebigkeit führte, konnte er die Mehrzahl der Kurfürsten — allerdings nicht ohne horrende Bestechungsgelder — für die Wahl Karls gewinnen. Maximilian war entschlossen, alle seine Mittel, Geld und — wenn es sein mußte — auch Gewalt, für die Wahl seines Enkels einzusetzen. Er sparte nicht mit großen Geschenken an die Kurfürsten, Fürsten und deren Räte, die nahezu eine Million Gulden erforderten. Da die spanischen Gelder auf sich warten ließen — die spanischen Stände wehrten sich gegen Steuern für den deutschen Wahlkampf —, stellte Jakob Fugger die nötigen Darlehen in Aussicht. Der Kaiser warf auch österreichisches Geld in die Wahlwerbung — mehr als er verantworten konnte, so daß ihm das Innsbrucker Regiment den Dienst aufsagte. Die Kurfürsten mußten der Reihe nach gekauft werden. Nur Sachsen und Trier widerstanden längere Zeit: Ein Römischer König könne nicht gewählt werden, solange Maximilian nicht selbst zum Kaiser gekrönt sei. Dies hatte vor allem auch der Papst einzuwenden, denn er fürchtete die Ubermacht Karls, dessen italienische Herrschaften — wie einst zu Zeiten der Staufer — den Kirchenstaat im Norden und Süden umfassen würden. Der Papst begann zu erkennen, daß die habsburgisch-spanische Vorherrschaft für den Heiligen Stuhl und Italien noch gefährlicher werden könne als die französische Großmacht. Das Bild Karls des Großen in Raffaels Kaiserkrönung trug ganz offenbar die Züge König Franz' I. von Frankreich. Mit staunenswerter Spannkraft konnte der kranke Kaiser binnen weniger Wochen die versammelten Kurfürsten für sich gewinnen und seine Gegner — Sachsen samt der päpstlichen und französischen Partei — in die Ecke drängen. Schließlich ließen auch Sachsen und Trier erkennen, daß sie der Mehrheit folgen würden. In einer eindrucksvollen Abschiedsrede bat Maximilian die Kurfürsten, sie sollten nach seinem Tode Karl zum Römischen König wählen, denn bei Lebzeiten könne er, Maximilian, die Kaiserkrone wohl nicht mehr einholen. Er habe im Dienst des Reiches sein ganzes väterliches Erbe eingesetzt und seinen österreichischen Ländern damit großen Schaden zugefügt. Die Kurfürsten sollten auch nicht vergessen, daß er ihre Freiheiten gemehrt und niemandem etwas genommen habe. Der Kaiser verstand es, solchen Szenen vollendeten Stil zu geben. Es war ein ergreifender Abschluß, als ihm die Kurfürsten — zwar im üblichen Hofstil —, aber doch erschüttert antworteten, wie sehr sie die Ankündigung seines Todes betrübe; lieber möchten sie selber sterben. Der Kaiser habe in Ehren regiert, sie würden seine Verdienste nicht vergessen und das Haus Österreich zum Kaisertum erheben. So konnte Maximilian mit Unsummen Geldes, mit Liebenswürdigkeit und bewaffneter Drohung sich die Kurfürsten gefügig machen — der letzte
Der Augsburger Reichstag (1518). Türkenpläne und Nachfolge im Reich
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Erfolg dieses Meisters der Verhandlungskunst: die Wahl schien gesichert, aber sie verzögerte sich, da der Papst eine Kaiserkrönung Maximilians im Reich nicht zuließ. „Kein Papst, solange ich gelebt, hat mir die Treue gehalten", klagte der Kaiser verbittert und enttäuscht, denn er hatte die Römische Kurie in der Sache Luthers eben noch eifervoll unterstützt. Andere Erfolge hatte der Reichstag nicht gebracht. Maximilian soll sich mit dem Gedanken getragen haben, nach der Wahl und Krönung des Enkels abzudanken und sich in die Einsamkeit zurückzuziehen — ein Plan, den er schon öfter geäußert hatte; denn er war müde, krank, weit über die Jahre gealtert und dieser Welt bereits entrückt. So hat ihn Albrecht Dürer auf dem letzten Kohleporträt „zu Augsburg, hoch oben auf der Pfalz, in seinem kleinen Stüblein künterfett" und hernach auf dem großen Ölgemälde dargestellt. Die ganze Tragik eines Herrscherlebens scheint aus diesem Gemälde zu sprechen.
ν INNERDEUTSCHE REICHSPOLITIK REFORM DES REICHES U N D DER ÖSTERREICHISCHEN ERBLÄNDER
1. DER KAISERHOF
Hof- und Reichsregiment Kaiser und Kaiserhof standen im Mittelpunkt der gesamten Reichsregierung und Verwaltung. Fast alle Zentral- und Mittelbehörden des Reiches und der österreichischen Länder waren aus der Hofregierung hervorgegangen. Am Hof hatten die kaiserliche Haus- und Universalpolitik und die Diplomatie ihren Sitz; hier arbeitete die Haus- und Reichspropaganda, die einen Stab von Humanisten und Künstlern beschäftigte. Die Reformen im Reich und in den Erbländern empfingen von hier Anstoß und dauernde Förderung. Als Maximilian 1493 das Reich übernahm, führte er mit seinen Innsbrucker Behörden zunächst recht alleinherrlich auch die Geschäfte der Reichsregierung. Dr. Konrad Stürtzel verwaltete mit seiner Tiroler Kanzlei, unterstützt von Serntein, auch die Reichskanzlei; Matthäus Lang besorgte seit 1494 das persönliche Sekretariat des Königs, in dem alle Fäden zusammenliefen. Die Regierung des Reiches und seiner Länder war für Maximilian eine untrennbare Einheit. Aber bald erschien Erzkanzler Berthold am Hoflager, und Maximilian mußte ihm die Reichskanzlei überlassen, wenn er sich dessen Mitarbeit bei Regierung und Reichsreform sichern wollte. Da sich schon auf dem Wormser Tag (1495) immer klarer zeigte, daß es Berthold und die Fürstenpartei auf die Eroberung der Regierungsgewalt abgesehen hatten, entschloß sich Maximilian, ihnen durch einen umfassenden Neubau der obersten Behörden zuvorzukommen. Um die Jahreswende 1497/98 errichtete der König einen neuen H o f r a t mit H o f k a m m e r und Hofkanzlei, die als oberste Regierungsorgane des Königs nicht nur f ü r das Reich, sondern auch für Osterreich und Burgund zuständig sein sollten; damit schien einem ständischen Reichsregiment ein Riegel vorgeschoben. Als Statthalter dieses neuen Hofrates hatte sich Kurfürst Friedrich von Sachsen gewinnen lassen, als Hofmeister wurde Georg der Reiche von Bayern berufen. Maximilian wollte zunächst noch mit jenen Kurfürsten und Fürsten regieren, die sich von der Partei Bertholds trennen ließen. Als bürgerliche Beamte wirkten im H o f r a t zunächst nur Stürtzel und Serntein; aber sie waren — zusammen mit Lang — die Männer der Zukunft.
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Berthold und sein Anhang rüsteten bald zum Gegenschlag. Auf dem Augsburger Tag (1500) gelang es ihnen, den königlichen Hofrat durch ein rein ständisches Reichsregiment zu verdrängen. Aber schon 1503, nachdem Bertholds Reichsregiment völlig abgewirtschaftet hatte, wurde der alte Hofrat wiederhergestellt. Der Erzkanzler mußte das Reichssiegel herausgeben und blieb seitdem von jeder Mitregierung ausgeschaltet. Nun vollzog sich der große Wandel, der allmähliche Übergang zur Beamtenregierung. Das burgundisch-österreichische System wurde nun auch auf die Reichsregierung übertragen. Die Regierung der österreichischen Länder und des Reiches sollte wieder eine Einheit bilden. Maximilian besetzte die führenden Posten fortan nicht mehr mit Reichsfürsten, sondern mit Leuten freiherrlichen oder ritterlichen Standes und mit juridisch gebildeten Beamten bürgerlicher Herkunft, die durchaus seine Sold- und Befehlsempfänger waren. In diesem allmählichen Ubergang vom Fürstenregiment auf die Beamtenherrschaft kündigte sich der Anbrach eines neuen Zeitalters im Bereich der Staatsverwaltung an. Da sich die Reichsstände beharrlich weigerten, den königlichen Hofrat als Reichsregiment anzuerkennen, blieb er eine Hilfsbehörde der kaiserlichen Hofregierung. Vergeblich versuchte Maximilian, den Reichsständen seinen Hofrat als Reichsregierung schmackhaft zu machen. Sie wichen aus: „Der König habe stets gut regiert und solle so weitermachen." Obwohl er das größte Interesse gehabt hätte, Fürsten und Stände in die Reichsregierung und damit vor allem in die Verantwortung für die Steuereinhebung einzubinden, sollte ihm dies nie gelingen. Die Fürsten wünschten Mitregierang und nicht nur Beratung. Die großen Entscheidungen fielen freilich nicht im Hofrat, sondern im Geheimen Rat des Kaisers, in dem Maximilian Leute seines besonderen Vertrauens nach Belieben und ohne feste Bindung zur Beratung heranzog. Eine wichtige Rolle spielte naturgemäß die Hofkammer, welche die große Politik und den Krieg mit Geld zu versorgen hatte. Sie hätte als zentrale Behörde für das Reich, Osterreich und Burgund ausgebaut werden sollen, wogegen sich aber die burgundischen Länder entschieden wehrten, die mit ihrem guten Geld nicht die Löcher der Reichsfinanzen stopfen wollten. Aber die österreichischen Länder hatten keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, und wurden daher die eigentlichen Lastträger der kaiserlichen Kriegspolitik. Mit einem Beamtenstab von etwa dreißig Leuten, die stets von der Innsbrucker Raitkammer unterstützt wurden, führte die Hofkammer die Finanzpolitik des Reiches und der österreichischen Länder. Etwas vom Wichtigsten war das Geldauftreiben, das sogenannte „Finanzen" — ein Geschäft, in dem laufend mehrere, meist führende Hofleute unterwegs waren. Einer der tüchtigsten, der Geld „aufzureißen" vermochte, wo alle anderen versagten, war der quirrlige Blasius Hölzl, „ein anhabiges Finanzerli", dessen Zudringlichkeit alle Welt fürchtete. „Wenn man ihn vorn hinauswarf, kam er rückwärts wieder herein", klagte der Salzburger Erzbischof.
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Das Rückgrat des ganzen Staatshaushaltes bildeten stets die österreichischen Einnahmen, die Maximilian zeitweilig einzelnen Unternehmern wie dem Augsburger Geschäftsmann Georg Gossembrot verpachtete, der den Staatshaushalt nach kaufmännischen Grundsätzen wieder in Ordnung bringen sollte. Die größte Zerreißprobe der Finanzpolitik, die Belastungen des Venezianerkrieges, hatte zunächst Paul von Liechtenstein zu meistern. Er galt als „der beste Mann aus dem Land Tirol" und war unter den kaiserlichen Schatzmeistern zweifellos der bedeutendste, der es auch wagte, dem Kaiser mitunter dessen unordentliche Finanzpraktiken vorzuhalten; sogar abfällige Bemerkungen über den Geldverbrauch einer kaiserlichen Kebse ließ er fallen. Er galt bei Hofe als „Grobian". Es ehrt den Kaiser, daß er diesen freimütigen Tiroler Landherren trotz wiederholter persönlicher Gegensätze so lange im Amt behielt und ihn sogar zum Vliesritter machte. Liechtenstein leitete — anders als Gossembrot — das große Geschäft mit den Fuggern ein, denen er gegen regelmäßige jährliche Darlehen fast das ganze Tiroler Silber und Kupfer verpfändete und auf diese Weise lange Zeit einen ausgeglichenen Staatshaushalt erzielte. Daß er von den Fuggern eine hohe Jahrespension bezog, entsprach den Gewohnheiten seiner Zeit; ebenso, daß er dem Kaiser mit großen Darlehen aushalf. Als Finanzmann und Trienter Landherr hatte er für den Venezianerkrieg nur wenig Verständnis und riet immerfort zum Frieden. Offenbar trat er als Kriegsgegner so schroff hervor, daß er sich allmählich den Unwillen des Kaisers zuzog. Als das Finanzchaos bedrohliche Ausmaße annahm, lehnte der rechtschaffene Mann die weitere Verantwortung ab und trat zurück. Der viel jüngere Jakob Villinger stand schon bereit, die Geschäfte zu übernehmen. Er hatte sich im Geldaufbringen schon bewährt, hatte in die Augsburger Hochfinanz eingeheiratet und besaß daher gute Beziehungen zum großen Geld. Als bürgerlicher Aufsteiger konnte er sich den Eigensinn Liechtensteins nicht leisten, sondern mußte alle gefährlichen Finanztouren des Kaisers mitmachen. Maximilian stattete ihn mit größten Vollmachten aus, ernannte ihn zu seinem Generalschatzmeister und traf mit ihm alle großen Entscheidungen. Zweifellos war Villinger ein kühner, ja, bedenkenloser „Finanzer"; sonst hätte er dieses Chaos nicht übernommen. Offenbar verstand er es auch, grob zu verdienen, hat aber anderseits fast 200.000 Gulden eigenen Vermögens in den Staatshaushalt investiert, so daß er fürchten mußte, beim Tod des Kaisers „in Grund und Boden zu verderben". So kam es auch. Der Venezianerkrieg und die kostspieligen Wahlwerbungen für Karl V. hinterließen „unglaubliche Schulden", eine Art Staatsbankrott, der darin bestand, daß der neue Generalschatzmeister Gabriel Salamanca einen großen Teil der Schuldverpflichtungen einfach strich. Kaum dürften die hohen Forderungen Villingers anerkannt worden sein, der, von Anschuldigungen verfolgt, aus dem Dienst entlassen wurde und den Anschluß an den neuen Herren nicht mehr fand. Das ausführende Organ des Hofrates und der Hofkammer war die Hof-
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kanzlei mit ihren Hilfsämtern, wo Gesetze und Mandate des Kaisers und seiner Regierung ausgefertigt und — wenn nötig — mittels des neuen Buchdruckes vervielfältigt und den Parteien zugestellt wurden. Während ein Teil der Hofkanzlei mit dem wandernden H o f durch die Länder zog, hielt der andere Teil die Stellung in Innsbruck, wo auch der Hofkanzler meist arbeitete. Auch Registratur und Archiv blieben in Innsbruck. Die Hofregierung mußte sich mit einer kleinen Handregistratur behelfen, die in Truhen mitgeführt wurde und den Fährnissen des Verlustes dauernd ausgesetzt war. Innsbruck war die Anlaufstelle für die gesamte Post aus den Ländern, aus dem Reich und aus der Welt, die dem H o f von hier aus nachgesandt wurde. Die Kanzlei wurde allmählich selbst zu einer Regierungsbehörde, zumal der Hofkanzler, der nach 1502 praktisch auch den Reichskanzler spielte, einer der führenden Männer neben dem Kaiser war und sich der Kanzlei als seines wichtigsten Hilfsamtes persönlich bediente. Sie wurde zur Befehlszentrale, die durch die neubegründete Post mit den Ländern und allen wichtigen Außenposten in ständiger Verbindung stand. Der erste Hofkanzler Maximilians war Dr. Konrad Stürtzel. Er hatte mitgeholfen, Erzherzog Sigmund zur vorzeitigen Ubergabe des Landes Tirol an Maximilian zu bewegen, wofür ihn der König reichlich belohnte und als Regenten und Tiroler Kanzler in das Regiment berief. Er teilte sich mit Serntein und Lang die Geschäfte der Hofkanzlei. Die Drei schlossen sich gegen Bertholds Römische Kanzlei zusammen und wiesen, vom König unterstützt, die oft maßlosen Ansprüche des Erzkanzlers auf die Führung aller Reichsund Hofsachen beharrlich zurück. Stürtzel, nur ein mittelmäßiges Talent, zeigte sich auf die Dauer größeren Aufgaben nicht gewachsen. Vor dem vereinigten Ansturm der Stände auf dem Lindauer T a g wich er hilflos zurück, so daß ihn Maximilian geradezu der Unterstützung Bertholds bezichtigte. Als die Augsburger Ordnung dem Hofkanzler alle Reichssachen entzog, schied Stürtzel auf eigene Bitte aus dem Amt und machte dem weit wendigeren Serntein Platz. Zyprian von Northeim, genannt Sernteiner, wurde nun Maximilians eigentlicher Hofkanzler und seit 1502 praktisch auch Reichskanzler. Auch er hatte sich als Anhänger der österreichischen Partei gegen Erzherzog Sigmund den Dank des Königs verdient. Der kleine, lebenslustige Mann stieg die Leiter des Erfolges rasch empor. Er galt als Mann von sagenhafter Arbeitskraft, zugleich als „Prokurator aller Frauen und Jungfrauen beim K ö n i g " und als Mann vollkommener Verschwiegenheit. Sehr bald gehörte er zu jener „Hecke", die den König undurchdringlich umgab. Seine Informationen waren umfassend und seine geheime Mappe hatten viele zu fürchten. Er suchte alles zu wissen, aber nichts auszuplaudern entsprechend seinem Grundsatz: silentium imposui ori meo (ich hülle mich in Schweigen). Keine Zeile, die an ihn gerichtet war, vernichtete er — auch dann nicht, wenn man ihn ausdrücklich darum bat; er selbst schrieb gerne anonym. Das Schriftgut der Hofkanzlei ließ er nicht im Archiv zu Innsbruck hinterlegen, sondern auf sein Schloß Fragenstein bringen — gewiß nicht ohne Hintergedanken. Bald
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war er einer der einflußreichsten Männer bei Hof, an den großen Reformen von 1497/98 führend beteiligt und die eigentliche „Seele der Kanzlei". Nach dem Umsturz von 1500 übernahm er die Hofkanzlei, bald auch die Tiroler Kanzlei, und nachdem Berthold abgesetzt war, auch die Reichskanzlei. Er unterstützte zunächst Maximilians und Langs Außenpolitik, trat aber nach den großen Rückschlägen in Italien — zumal wegen der schwierigen Lage Tirols — immer entschiedener für den Frieden ein: „Was dem Lande Tirol zugute kommt, das will ich handeln", sagte er. Lang schien ihm nicht mehr der rechte Mann für Friedensverhandlungen. Es kam zu Spannungen. Als sein Verwandter, der mächtige Paul von Liechtenstein, stürzte, entging auch Serntein nur mit knapper N o t der Entlassung; aber er war nicht nur als Kanzler, sondern auch als Finanzer unentbehrlich, zumal er als Schwager des reichen Gewerken Hans Stöckl mit der Hochfinanz eng verbündet war. Die große Hilfs- und Steuerordnung des Innsbrucker Generallandtages war wohl vorwiegend sein Werk. Auch Serntein vermochte nach dem T o d des Kaisers den Anschluß an die neuen Herren nicht mehr zu finden. Die einflußreichste Abteilung der Kanzlei war gewiß das persönliche Sekretariat des Kaisers, was man später als Kabinettskanzlei bezeichnet hätte. Lang war ihr erster geheimer Sekretär und trat neben Stünzel und Serntein immer mehr in den Vordergrund, als ein Mann von Geist und Willenskraft, dessen nüchterner Verstand der allzu reichen Phantasie des Kaisers wohl günstig entgegenwirkte. Seit 1500 wurde Lang Maximilians einflußreichster Ratgeber. Der Tausendkünstler, der sich, stets gegenwärtig, mit unverwüstlicher Arbeitskraft um alles kümmerte, die geheime Staatskorrespondenz besorgte, auch alle anderen Wünsche des Kaisers erfüllte, indem er etwa zusammen mit Serntein dem Kaiser jene Damen zuführte, die ihm die abwesende Kaiserin ersetzen sollten. Außerdem war der tüchtige Mann auch in Finanzgeschäften daheim. Aus finanziellen Gründen ergriff er den geistlichen Stand, brachte viele, fette Pfründen an sich, die dem prunksüchtigen Emporkömmling ein aufwendiges, nicht selten anstößiges Leben ermöglichten. Er wurde bald das Haupt jenes höfischen Klüngels, den die Spanier die „Hecke" nannten. Serntein gehörte offenbar zu seinen engsten Verbündeten, während Liechtenstein dem Emporkömmling eher mißtrauisch begegnete. Der Kaiser wollte Lang „keinen Augenblick entbehren" und gestand ihm gerade in der Außenpolitik einen größeren Einfluß zu als irgendeinem anderen. Lang leitete auch den literarisch-publizistischen Dienst des Hofes und verstand es, dem Kaiser eine „gute Presse" zu besorgen. Mit großer Ausdauer vertrat er das Bündnis mit Frankreich, womit der Kaiser nicht immer einverstanden war. Wenn italienische Stimmen Lang als den „anderen Kaiser" bezeichneten, so war dies reichlich übertrieben, denn Maximilian hat sich grundsätzlich niemals seinen Räten ausgeliefert. Seit Lang Bischof von Gurk geworden war — ohne die höheren Weihen zu empfangen —, hatte er den Vorrang vor allen anderen Höflingen und
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legte größten Wert darauf, „Fürst" genannt zu werden. Sein hochmütiges Auftreten und sein ganz ungeistlicher Lebensstil erregten Ärgernis. Daß er die Salzburger Domherren für seine Wahl zum Erzbischof gewann, indem er ihnen die Augustinerregel und das Chorgebet erließ, charakterisiert nicht nur den Zeitgeist. Als erster Mann bei Hofe hatte Lang 1508 die Ehre, in Trient die Kaiserproklamation von der Kanzel zu verkünden. Mit der Liga von Cambrai (1508), die er zustandegebracht hatte, hoffte er, seinem Herrn die Pforten Italiens wiederum zu öffnen und die Freundschaft Frankreichs und Spaniens zurückzugewinnen, die Karl (V.) den Weg zum spanischen Erbe frei machte. Das Bistum Cartagena war der Lohn. Am Frieden mit Venedig hatte Lang weniger Interesse und galt den Tiroler Räten, aber auch der Römischen Kurie als der eigentliche Kriegstreiber. Langs größter diplomatischer Erfolg war wohl die Vorbereitung und Durchführung der Wiener Verträge von 1515. Als er in der Schlußphase des italienischen Krieges gegen den Willen des Kaisers wiederum ein Bündnis mit Frankreich unterstützte, wohl um seinen Stellungswechsel zu Karl (V.) vorzubereiten, fiel er bei Maximilian in Ungnade. Offenbar stimmten der Kaiser und Lang in der großen Politik lange Zeit ziemlich überein. Erst seit 1515 scheinen Meinungsverschiedenheiten aufgetreten zu sein, welche die letzten Jahre überschatteten. Lang war zweifellos ein Mann von geistigem Gehalt und bedeutender Tatkraft, einer der ersten großen „Kardinal-Minister" der neueren Zeit, dessen Glanz einzig von seinem Herrn überstrahlt wurde.
Das neue
Beamtensystem
Eine der zukunftsreichsten Neuerungen Maximilians war die allmähliche Einführung eines neuen Beamtensystems vor allem im Bereich der Hofund Zentralstellen der österreichischen Länder und der eng damit zusammenhängenden Reichsregierung. Es überrascht, wie Ulmann zur Meinung kommen konnte, Maximilian habe „kein Behördenwesen aufkommen lassen wollen." Nachdem Kurfürst Friedrich von Sachsen die Statthalterschaft des Hofrates und Herzog Georg von Bayern das Hofmeisteramt niedergelegt hatten (1499), als das Nürnberger Regiment ganz versagte, und dem Erzkanzler schließlich das Reichssiegel abgefordert wurde (1502), entschied sich Maximilian auch in der Reichsregierung zu einem völligen Systemwechsel. An Stelle der Kurfürsten und Fürsten, die ihm abgesagt hatten, wählte er die führenden Männer der Hof- und Zentralregierung — soweit sie zu repräsentieren hatten — aus einigen ärmeren gräflichen und reichsritterlichen Geschlechtern; die eigentlichen Verwaltungsgeschäfte aber führten fast ausnahmlos die neuen, juridisch gebildeten Beamten und Doktoren, die sich aus rittermäßigen, aber auch aus bürgerlichen, teils sogar aus bäuerlichen Aufsteigern ja, aus ehemaligen Unfreien zusammensetzten; aus Leuten, die dem
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Kaiser unmittelbar verpflichtet, von ihm lohnabhängig und weisungsgebunden waren. Mit durchschnittlich etwa fünfzig bürgerlichen und kleinritterlichen Hofbeamten regierte Maximilian das Reich und seine Länder; der größte Teil arbeitete in der zentralen Finanzverwaltung. Ungefähr ebenso viele wirkten gleichzeitig im diplomatischen Dienst für die Außenpolitik. In der päpstlichen Kanzlei arbeiteten nach den genauen Angaben des berühmten Zeremonienmeisters Burchard gleichzeitig gegen 400 Kanzleibeamte, wobei der diplomatische Dienst nicht mitgezählt ist. Der Vergleich zeigt die vielfache Überlegenheit der römischen Bürokratie. Aber auch in der kaiserlichen Kanzlei stieg eine neue Schicht von Laien, Doktoren, Räten und Sekretären zu Ansehen und Einfluß auf. Das hatte in Osterreich wohl schon im 15. Jahrhundert allmählich begonnen. In den Niederlanden lernte Maximilian bereits den vollkommenen Beamtenstaat kennen: eine dem Landesfürsten ergebene Beamtenschaft, die dessen Befehle auszuführen hatte und in einer besonderen persönlichen Verantwortung für den Fürsten gerade stand — bis hin zum Schafott, wie dies die Beamtenprozesse nach dem Tode Karls des Kühnen und während Maximilians Gefangenschaft in Brügge beweisen. Nach Tirol zurückgekehrt, vertrieb Maximilian Erzherzog Sigmunds „böse Räte", eine Art ständischer Alleinregierung, die mit dem Landesfürsten tat, was sie wollte. Maximilian ersetzte sie durch seine neuen Beamten, die in Freiburg, Wien und Italien das Römische Recht studiert hatten. Wenn sie sich auch nicht durchaus Doktoren nennen durften, waren fast alle römisch-rechtlich gebildete Juristen, die allmählich alle Geschäfte an sich zogen. Das Kammergericht mußte halbteils mit gelernten Juristen besetzt werden, wie die Wormser Kammergerichtsordnung bestimmte; das machte allenthalben Schule. Maximilian hatte unter seinen Sekretären auch Humanisten, Poeten und Redner, desgleichen „Journalisten", die für seine Person und seine Politik zu werben hatten. Dies alles beweist den hohen Bildungsstand der Kanzlei. Der geistliche Stand, weil er dem Kirchenrecht unterworfen blieb, wurde in der H o f - und Reichsverwaltung merklich zurückgedrängt. Die Einheit von Kanzlei und Kapelle, wie sie an den Kaiserhöfen des hohen Mittelalters bestanden hatte, gab es längst nicht mehr. Freilich hatten einige Bischöfe und Kardinäle als geistliche Hofbeamte begonnen; aber Männer wie Melchior von Meckau, Matthäus Lang, Georg Slatkonia oder Sebastian Sprentz betrachteten den geistlichen Stand zunächst als eine wirtschaftliche Sicherstellung, die Bischofs- und Kardinalswürde aber als Steigerung der Autorität, als Auszeichnung für erfolgreiche Dienste und als Verpflichtung, auch in der neuen Stellung dem Kaiser zu dienen. Die Verdrängung aus dem Verwaltungsdienst des Reiches und der österreichischen Länder tat gerade den Klerikern sehr weh, wie wir den bewegten Klagen entnehmen können, die ein Geistlicher auf den Einbanddeckel einer Handschrift schrieb, die Maximilian überreicht werden sollte: Der Kaiser solle sich lieber an gelehrte geistliche Räte halten, denn die weltlichen Räte sorgen nur für die eigenen Taschen, und „wie die Schweine aus dem Acker
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dein Gut vernaschen". Es ist kein Zweifel, daß unter dem Druck der steigenden Geldwirtschaft die Käuflichkeit in der Verwaltung seltsame Sumpfblüten hervorbrachte — in der kaiserlichen Kanzlei ähnlich wie in der päpstlichen. Die Merkantilisierung des ganzen öffentlichen Lebens machte reißende Fortschritte. Nicht geringer war der Widerstand der weltlichen Stände gegen die Juristen und deren neue Methoden nach den strengen Grundsätzen des Römischen Rechtes. Ich erinnere nur an den Kampf der österreichischen Stände gegen den Fiskal. Ein Sturm der Empörung richtete sich gegen die Beamten: „Juristen sind schlechte Christen", hieß es. Auf die „garstigen Juristen" mit ihren bösen Praktiken, auf die „Silber-Juristen", die ohne Geld weder Rat noch Hilfe wissen, und auf die „Schandjuristen" pflegte man allgemein zu schelten. Daß sie der Kaiser deckte, wurde ihm beharrlich vorgeworfen. Für die Kammer bemühte sich der Kaiser um gelernte „Finanzer", die teils in der burgundischen Verwaltung gedient hatten, teils aus dem städtischen Unternehmertum kamen wie Gossembrot oder Wolf von Wolfstal. Die Hofkammer wurde ganz auf die burgundische Amtsmonokratie (Tresorier general) und auf kaufmännische Arbeitsweise umgestellt, während Regierung, Verwaltung und Gericht von den neuen Juristen nach dem Römischen Recht geführt wurden. Durch das Römische Recht, das nun an allen Universitäten des Reiches gelehrt wurde, war eine gewisse ideelle Einheit des Reiches, zumindest auf dem Gebiet des Staatsrechtes, gegeben. Durch zahlreiche gelehrte und auch volkstümliche Handbücher wurde das neue „Kaiserrecht" verbreitet. Trotz des Widerstandes der Fürsten und des hohen Adels hielt der Kaiser an diesen neuen Leuten fest, auf die er sich verlassen konnte. Auf die beständige Klage über Käuflichkeit und Säumigkeit der Beamten antwortete der Kaiser den Fürsten, die völlig versagt hatten: „Wenn sie bessere finden könnten, werde er sie gerne aufnehmen; er müsse wohl jene Leute gebrauchen, die das Geschäft verstehen, wenn andere untüchtig und zu träge sind". Die Fürsten, die sich noch immer als unabhängige Reichsstände fühlten und ihre eigenen Interessen vertraten, wurden aus Regierung und Verwaltung fast ganz ausgeschieden. Diese Umstellung auf das Berufsbeamtentum trat bei Hofe erst nach 1500 in die entscheidende Phase und war 1502 mit der Auflösung von Bertholds Reichsregiment und Römischer Kanzlei so gut wie entschieden. Als sich später Herzog Wilhelm von Bayern zum Hofdienst anbot, lehnte der Kaiser ab; offenbar wollte er sich mit den Fürsten nichts mehr anfangen, es sei denn im Kriegsdienst oder in gewissen dekorativen Stellungen, die immer mehr an Bedeutung verloren. Maximilian hatte ein Auge für tüchtige Leute, die er ohne Ansehen der Person heranzog, zumal sie in größerer Zahl schwer zu finden waren. „Kluge Köpfe haben ihren Adel von Gott", pflegte er zu sagen, und scheute sich nicht, Leute niederen Standes zu hohen Staatsämtern aufsteigen zu lassen, etwa den Bauernsohn Florian Waldauf, den er zu seinem Protonotar und
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zum Goldenen Ritter machte. Einen sagenhaften Aufstieg nahm auch der Tiroler Bauernbub Kaspar Gramaiser, genannt Lechtaler, der zum obersten Gebirgs- und Jägermeister in den niederösterreichischen Ländern bestellt und geadelt wurde. Maßgebend war für den Kaiser nicht der Geburtsstand, sondern die Dienstleistung, so daß mitunter ein Bürgerlicher wie Lorenz Saurer, welcher aus der Verwaltung der Hofschneiderei kam, als österreichischer, Vizedom den adeligen Herren dienstlich zu befehlen hatte, wogegen sich gerade der niederösterreichische Adel heftig sträubte. Sogar Reichsfürsten mußten sich von den Beamten allerlei gefallen lassen, was noch in den Wahlkapitulationen von 1519 übel vermerkt wurde. Maximilian ließ sich von seinen Beamten zwar beraten, aber keineswegs „dreinreden", auch nicht vom überragenden Matthäus Lang. Versuche von Spitzenbeamten, die kaiserliche Macht einzuschränken oder seine Geldausgaben zu kontrollieren, wurden einfach übergangen oder ungnädig zurückgewiesen. Liechtenstein, von dem sich der Kaiser viel gefallen ließ, ist darüber schließlich doch gestürzt. Je älter, desto schwieriger, mißtrauischer und zornmütiger wurde der Kaiser und wollte von seinen Beamten klug behandelt sein. Gab es strittige Fragen, pflegten sie einen Blitzableiter vorzuschicken — etwa den witzigen Putsch, der den Kaiser zu nehmen verstand. Wer die Wahrheit mit Witz zu würzen wußte, hatte im allgemeinen keinen ungnädigen Kaiser zu gewärtigen. In großen Sachen pflegte er die Meinung einiger Räte anzuhören, seine eigene aber zurückzuhalten, so daß man niemals wußte, was er selber dachte. Nie vergaß er den Rat seines Vaters, „sich niemals den Sekretären auszuliefern". Trotz aller Rivalitäten und Parteiungen, die unter den Beamten herrschten, bildeten sie doch eine enge Arbeits- und Lebensgemeinschaft. Der Kaiser sprach scherzhaft von „seinem Kloster mit den vielen Brüdern, wo es arm zugehe". Man speiste gemeinsam und trug die gleiche Hoftracht; außerdem waren viele Beamte miteinander verwandt oder verschwägert und bildeten im guten wie im schlechten eine eng verfilzte Sippschaft, was naturgemäß die Vetternwirtschaft förderte. Es gab zahlreiche kleine „Kaiserlein", die den Zugang zum Kaiser versperrten. Von „der Hecke", die Maximilian umgab, war die Rede. Man pflegte einander — nicht immer sauber — in die Hände zu arbeiten. Gleichwohl hielt der Kaiser an seinen Beamten beharrlich fest. Aufsehenerregende Entlassungen gab es selten. Da der Kaiser die Beamten — besonders die kleinen — öfter nicht rechtzeitig, vor allem nicht regelmäßig bezahlen konnte, gestattete er ihnen manchen Nebenerwerb, was böses Blut machte. Geschenkannahme, auswärtige Pensionen, Beteiligung an Handelsunternehmungen und an Bankgeschäften gehörten zum System; ebenso hohe Taxen, die für alles Mögliche und Unmögliche eingehoben wurden. Bei großen Vertragsabschlüssen rechneten die führenden Beamten ganz selbstverständlich damit, „sich etwas vom Braten abzuschneiden". Über kleinere Diebstähle pflegte der Kaiser zu lachen; mittlere Schiebungen nahm er hin; nur gegen große Betrügereien griff
Maximilian erledigt während der Mahlzeit Regierungsgeschäfte. Zwei Räte reden gleichzeitig auf ihn ein. Zugleich diktiert er zwei Sekretären. Im Vordergrund der Hofnarr. Kolorierte Federzeichnung des „Historia-Meisters
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er durch. Seine Beamten, die Hirsche und die H u n d e galten dem Kaiser alles, klagte Kirchmair. In der T a t gab es bei H o f e aufsehenerregende Fälle von Bestechlichkeit. Der österreichische Kanzler Johannes Waldner entzog sich durch Selbstmord dem Strafgericht f ü r jahrzehntelange üble Geschäfte. Der Urkundenverkäufer Praitschwert wurde lebendig „eingemauert". Es ist kein Wunder, daß die Zeitgenossen über die „höfische Räuberbande" klagten. „Ein ehrlicher Mensch habe an diesem H o f keinen Platz", hieß es. M a n beschimpfte die Beamten als Wegelagerer (laurbuben), die sich mit dem kaiserlichen Siegel zu helfen wüßten, den Kaiser arm, sich selber aber reich machten. D a ß die rasch aufschießende Bürokratie zusammen mit der Geldwirtschaft die Korruption in der Verwaltung förderten, daß beim Mangel an studierten Leuten auch mancher Glücksritter im Verwaltungsdienst Aufnahme fand, ist wahrscheinlich. M a n tadelte die Geschäftemachern der Beamten und sah darin eine Hauptursache allen Unglücks, was gewiß übertrieben war. Maximilian betrachtete seine Beamten als seine „Diener" im strengsten Sinn des Wortes; sie hätten es nicht wagen dürfen, sich ohne seine Zustimmung zu verheiraten. Umgekehrt nahm er an ihren Freuden und Sorgen persönlichen Anteil, sparte nicht mit Hochzeits- und Taufgeschenken und kümmerte sich um die Versorgung der Witwen und Waisen. Gelegentlich verschaffte er tüchtigen Beamten reiche Frauen, Geistlichen aber gute Pfründen, wobei er freilich das Seinige abzweigte. Ganz selbstverständlich forderte er von seinen Beamten Darlehen und Bürgschaften, als nähme er eigenes Geld in Anspruch. Das neue Beamtenregiment stellte bei allen Mängeln doch den Fortschritt dar, weil es der feudalen Verwaltung der alten Zeit, die dem Fortschritt zum modernen Staat offensichtlich im Wege stand, zunächst Schranken setzte und sie allmählich überwand. Mit Hilfe seiner Beamten wollte der Kaiser den Staat führen können wie eine Armee.
Das neue
Gesandtschaftswesen
Vor allem Außenpolitik und Gesandtschaftswesen hatten am Kaiserhof ihren Mittelpunkt. Bis 1502 versuchten Berthold und die Reichsfürsten auch die Außenpolitik und die Gesandtschaften an sich zu reißen. Nicht selten waren in der gleichen Sache, gleichzeitig sowohl Gesandtschaften des Königs als auch Gesandtschaften der Reichsstände getrennt und mit eigenen Instruktionen unterwegs; man kann sich die Wirksamkeit dieser doppelten Diplomatie vorstellen. Erst der Sturz Bertholds und die Niederlage der Ständehäupter im Pfälzer Krieg gab dem Kaiser die volle Führung der Außenpolitik zurück. Maximilian baute seine politischen Verbindungen im Laufe der Zeit von Portugal und Spanien bis Moskau und Konstantinopel, bis Persien und Ägypten aus. Wie die Zahl der Beamten, wuchs auch jene der Diplomaten
Das neue Gesandtschaftswesen
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nun ständig an. An einigen besonders wichtigen Plätzen wie Rom und Venedig wurden ständige Gesandtschaften eingerichtet. Während seiner 25 Regierungsjahre waren für den Kaiser etwa dreihundert Gesandte unterwegs; ihr Anteil an der Vorbereitung des Weltreiches kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch in der Diplomatie begannen Humanisten und Doktoren — meist hochgebildete Männer aus aller Herren Ländern — eine immer größere Rolle zu spielen, wenn auch besonders feierliche Gesandtschaften zu den großen Mächten meist noch von geistlichen oder weltlichen Fürsten angeführt wurden. Schwerpunkte der maximilianischen Diplomatie lagen in der Schweiz, von wo aus Frankreich und die Lombardei beobachtet werden konnten. Das Wiener Regiment und der ungarische Hof waren diplomatische Stützpunkte für die gesamte Ostpolitik. Dort galt es vor allem, die kaiserfreundliche Politik in der Umgebung des schwachen Königs von Ungarn zu unterstützen. Mitunter hatten die Gesandten auch Auftrag, wertvolle griechische Handschriften nicht nur in Ofen, sondern auch in Konstantinopel aufzuspüren. Einen Hauptstützpunkt für die gesamte Weststaatspolitik bildeten die Niederlande, wo sich die Gesandten aus Frankreich, Spanien, England, Dänemark und Schweden, aber auch aus Rom und Venedig trafen. Dort stand dem Kaiser auch der ältere, viel besser eingespielte burgundische Gesandtschaftsdienst zur Verfügung. Kopf der Außenpolitik blieb der Kaiser selbst, der den Einsatz der gesamten Diplomatie leitete. Gleichwohl bildeten sich bei Hofe gerade um die Außenpolitik verschiedene politische Klüngel, welche päpstliche, französische, venezianische, englische oder spanische Interessen vertraten und dafür von diesen Mächten Pensionen oder wenigstens fallweise Schmiergelder bezogen. Dies geschah meist mit Wissen und zum Vorteil des Kaisers; denn nur selten wagte jemand, die Grenzen des Zulässigen zu überschreiten. Lang erhielt von allen Seiten Zuwendungen, ließ sich aber niemals gegen seinen Herrn kaufen. „Er stand gerade wie eine Kerze", sagte man. Wagte einer die kaiserliche Politik zu durchkreuzen, so griff Maximilian unbarmherzig durch. Luca de Renaldis, der im Interesse Venedigs die Liga von Cambrai verhindern wollte, wurde ins Gefängnis geworfen; ebenso Juan Manuel, der die Beziehungen Burgunds zu Spanien zu vergiften suchte. Verhältnismäßig großen Einfluß gestattete der Kaiser seiner Tochter Erzherzogin Margarethe, „der besten Diplomatin, die er besaß"; ging sie allzu selbständig zu Werke, wurde auch sie scharf zurechtgewiesen. Ihre Entdeckung war der Italiener Mercurino Gattinara, dem ein christlich-römisches Weltreich mit dem Mittelpunkt Italien vorschwebte; auch am weltgeschichtlichen Ausgleich des Kaisers mit Spanien hatte er wesentlichen Anteil. Er vermittelte Karl (V.), dessen erster Großkanzler er wurde, wohl die Vorstellung Maximilians von der Erneuerung des christlichen Weltreiches. Die Gesandtschaftsberichte, denen wir als Geschichtsquelle mit Recht große Bedeutung zumessen, hatten am Kaiserhof keine richtige Tradition, daher auch wenig Form. Sie können sich mit den Berichten der veneziani-
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Der Kaiserhof
sehen Gesandten oder der päpstlichen Nuntien im allgemeinen noch nicht messen. Während in Venedig der Schlußbericht eines heimkehrenden Gesandten einen feierlichen Staatsakt vor dem Dogen und dem Großen Rat darstellte, vollzog sich dies am Kaiserhof eher formlos, in der Stille des kaiserlichen Kabinettes. Maximilian hörte sich die mündlichen Berichte zwar mit größtem Interesse an; aber der Gedanke einer literarischen Gestaltung lag im allgemeinen fern. Erst Sigmund von Herberstein begann mit seinen Rußlandberichten auch am Kaiserhof Schule zu machen. Während sich Reichsfürsten, wenn sie als Gesandte unterwegs waren, zunächst selbst versorgten, waren Beamte auf laufenden Sold und Lieferung angewiesen. Nicht selten blieb alles aus, so daß sie sogar ihre Pferde, Schmuck und Kleider verkaufen mußten, um durchzukommen. Während die fremden Gesandten meist reichlich Geld, selbst für Bestechung, Spionage und Geschenke, zur Verfügung hatten, fehlte den kaiserlichen Gesandten oft das nötige Post- und Botengeld. Die Venezianer pflegten wöchentlich zu berichten, zu wichtigen Sachen fast täglich, während die Berichte der kaiserlichen Gesandten oft Wochen auf sich warten ließen, was Vorbereitung und Abschluß eines Vertrages sehr erschweren konnte. Die regelmäßige Post, die Maximilian von Amts wegen einrichtete, sollte nicht nur der Verwaltung und Kriegführung, sondern auch der Diplomatie dienen und die Verbindung mit allen Regierungsämtern, den kaiserlichen Diplomaten und Feldherren herstellen. Maximilian übertrug die Amtspost zunächst der Familie Taxis, nahm sie aber zeitweilig in eigene Verwaltung, weil ihm diese Gesellschaft zu teuer war. Auf allen wichtigen Reisewegen, die den Hof mit den Regimenten in Innsbruck und Wien und diese wieder mit ihren lokalen Amtern verbanden, wurden Poststationen mit Herbergen und Stallungen für den Pferdewechsel eingerichtet. Für besondere Bedürfnisse der Diplomatie und des Krieges legte man vorübergehend sogar eigene Postlinien: so wurde während der schwierigen Verhandlungen mit Polen und Rußland (1517/18) angeblich sogar eine Stafettenkette bis Moskau eingerichtet. Je weiter die Weltpolitik ausgriff, desto größere Bedeutung gewann gerade die diplomatische Post. Die Taxis waren nicht die Erfinder, sondern nur die ersten Pächter der Post; ihre Einführung in die Reichsverwaltung war dem Kaiser zu verdanken — eine Leistung, die damals so gering geschätzt wurde, daß der Kurfürst von Brandenburg spotten konnte, der Kaiser sei nur in der „Posterei" und in manchen anderen Nebensachen unübertrefflich. Mit wenig Geld und viel Idealismus haben die kaiserlichen Diplomaten am Bau des Weltreiches mitgewirkt. Der Kaiser unterließ nichts, sie ständig anzutreiben: „Es gehe nicht um eine Pfarre, sondern um zwei Königreiche", schrieb er dem widerstrebenden Serntein, der sich von einer Mission nach Frankreich drücken wollte. „Wenn er nach Kalikut reisen müsse, dürfe er keinen Augenblick zögern, denn es handle sich um das Wohl des Hauses Österreich". Maximilian, der die Übertreibung liebte, schärfte seinen Gesandten immer wieder ein, daß es um Großes gehe: „Um die Vereinigung der Christenheit . . . um die Herrschaft über Europa, Asien und Afrika".
Haus- und Reichspropaganda
Haus- und
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Reichspropaganda
Wollte der Kaiser den beharrlichen Widerstand der Stände gegen seine Politik überwinden und die Öffentlichkeit f ü r sich gewinnen, bedurfte er einer breiten Meinungsbildung. Er bediente sich der politischen Werbung in einem Übermaß, wie man es bis dahin im Reich nicht kannte. Auch das hatte er vorzüglich von den rhetoriqueurs der burgundischen Herzoge und von seinen französischen Gegenspielern gelernt. Gleichwohl hat es Ansätze dazu auch an den heimischen H ö f e n gegeben, wenn wir an den Federkrieg Erzherzog Sigmunds von Tirol und seines Advokaten Gregor von Haimburg gegen Nikolaus Cusanus und Papst Pius II. denken. Es war aber doch das burgundische Vorbild, nach dem Maximilian seinen eigenen literarisch-publizistischen Dienst einrichtete; Matthäus Lang hatte ihn mit Hilfe der Kanzlei, der befreundeten Humanisten, der Universitäten und Sodalitäten zu betreuen. Die Propaganda wurde eine Macht ersten Ranges, welche sich die öffentliche Meinung fast ganz unterwarf. Der Kaiser wies der politischen Werbung die große Richtung, lieferte Ideen und wünschte alles — bis zur Gestaltung der Flugblätter — persönlich zu begutachten. Ö f t e r diktierte er selber die Entwürfe, welche von den höfischen Publizisten ausgearbeitet und, mit Holzschnitten illustriert, gedruckt wurden. Sie beherrschten nicht nur die geschliffene Sprachform, sondern verfügten auch über geheimes Material, was ihre Schlagkraft schärfte. Wir stehen an den Anfängen der „modernen" Presse. Durch den neuen Buchdruck konnte der Kaiser alles, was ihm geeignet schien, unmittelbar unter das Volk bringen. So verbreitete die kaiserliche Propaganda — von den großen literarisch-graphischen Buchwerken abgesehen — im Laufe der Jahre gerade auf den Höhepunkten der äußeren oder inneren Politik zahlreiche Flugschriften, die teilweise sogar in der großen Geschichtsschreibung des Auslandes — etwa in Guicciardinis Storia d'Italia — ihren Niederschlag fanden. Zeitweilig kam es zu heftigen Pressekriegen mit den auswärtigen Gegnern, meist mit Frankreich und Venedig, aber auch mit den Eidgenossen, die nicht gerade fein ausgetragen wurden. Zumal der H a ß gegen Italiener und Franzosen schlug hohe Wogen. Besonders bekannt wurde der publizistische Kampf gegen Frankreich wegen des „Bretonischen Brautraubes" (1491), den vor allem der wackere Jakob Wimpfeling f ü r den König führte. Da war kein Ausdruck scharf genug, den Gegner zu treffen. Nach dem Bruch der Verträge von Blois-Hagenau wurde der König von Frankreich in offener Reichstagsrede bezichtigt, König Philipp vergiftet zu haben. Zumal in der Kreuzzugspropaganda wurde alles aufgeboten, um Leser und H ö r e r mitzureißen. Himmelszeichen, Meteore, Blutregen, allerlei Monstrositäten, die bösen Blattern (Syphilis) und Prophetien sollten als M a h n u n g Gottes zum Kreuzzug verstanden werden. Was ständig wiederkehrte, waren Aufrufe zur Rückgewinnung Italiens, das dem Reich gehöre, Mahnungen zum Römerzug und zur Kaiserkrönung als einer besonderen Verpflichtung der Deutschen Nation, Aufrufe zum T ü r -
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kenkrieg als einer besonderen Aufgabe der Christenheit, die Wiederherstellung des Kaisertumes und des Reiches, der ständige Hinweis auf das Vorbild der großen Kaiser der Vergangenheit, die Reichsreform als nötige Voraussetzung einer Wiederherstellung des Reiches, die göttliche Berufung der Deutschen Nation zur Weltherrschaft, düstere Untergangsprophetien für den Fall des Versagens, die Berufung des habsburgischen Hauses zum Kaisertum, der Hinweis auf die eigenen Opfer und Leistungen des Kaisers und seines Hauses im Dienst des Reiches — das waren die Themen, die in Wort und Holzschnitt abgewandelt wurden. Selbst die amtlichen Vorlagen für die Reichs- und Landtage, die eine große und hochpolitische Öffentlichkeit hatten und nicht selten auch durch Flugblätter verbreitet wurden, flössen von Propaganda über. Dabei spielten die großen Reichstagsreden des Kaisers mit ihren meist sehr einseitigen Berichten über die Lage der großen Politik und des Krieges eine besondere Rolle; sie fanden durch Flugblätter oder „Neue Zeitungen" weite Verbreitung. Während die gebildete Welt von den kaiserlichen Publizisten mit Berichten oder politischen Dialogen nach der Art Huttens bearbeitet wurde, setzte man für die breite Masse volkstümliche Liedermacher und Bänkelsänger ein, welche die kaiserliche Werbung in derbe Texte umsetzten und nach allbekannten Melodien dem gemeinen Mann nahebrachten. Mit Vorliebe wurde das Theater zur politischen Werbung herangezogen. Das berühmteste Beispiel dieser Art — eine allegorische Aufforderung zum Türkenkrieg — war der Ludus Dianae des Celtis, der am kaiserlichen Hoflager zu Linz aufgeführt wurde (1500), wofür Paul Hofhaimer die Musik komponierte. Der Kaiser scheute sich nicht, auch die Pfarrer aufzufordern, von der Kanzel aus — wenigstens in der Form der Kreuzzugswerbung — Reichspolitik zu predigen und zum fleißigen Steuerzahlen zu mahnen. Der höfische Wissenschafts- und Kunstbetrieb war fast ganz auf politische Werbung zugeschnitten und hatte vor allem der Idee des habsburgischen Hauses zu dienen. Ladislaus Sunthaym, Johannes Stabius, Jakob Mennel, Marx Treitzsaurwein, Melchior Pfintzing und Sigmund von Dietrichstein besorgten die Redaktion der genealogischen Sammlungen, der Hauschroniken und historisierenden Ehrenwerke; sie schufen damit die ideologische Grundlage für das künstlerische Programm des Grabmales als der Krönung des kaiserlichen Gedächtnisses und der Größe des habsburgischen Hauses. Josef Grünpeck, Konrad Celtis, Johannes Cuspinian und Konrad Peutinger bemühten sich um eine wissenschaftliche Kaiser- und Reichsgeschichte. Der Kaiser und Lang konnten auch zahlreiche auswärtige Humanisten für die Kaiser- und Reichspropaganda gewinnen: in Nürnberg wirkte Willibald Pirckheimer und in Augsburg Konrad Peutinger für die Sache Maximilians; sie vermittelten der kaiserlichen Werbung die besten süddeutschen Humanisten und Künstler. Der Mailänder Jason Maynus warb für Maximilian in Italien; Riccardo Bartholini verfaßte eine Austritts, ein hymnisches Epos
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auf den Kaiser und auf Österreich, das — ähnlich Vergil — als Schullektüre gedacht war, und schrieb einen begeisterten Bericht über die Wiener Festtage von 1515. Michael Köchlin-Coccinius bekämpfte den Papst und die Konstantinische Schenkung, schrieb vier Bücher Geschichte des italienischen Krieges, rühmte die göttliche Berufung der Deutschen zur Weltherrschaft und versuchte, den Fürsten die Notwendigkeit einer deutschen Wehrverfassung einzureden. Der Schwabe Sebastian Brant war kaiserlicher Zeitungsschreiber mit Jahresgehalt, ein glühender Kreuzzugswerber und Lobredner der kaiserlichen Weltreichspläne. Jakob Wimpfelings „Germania" verfocht mit Leidenschaft das Deutschtum des Elsaß gegen Frankreich; er versuchte sich erstmals, voll bramarbasierendem Nationalstolz und hohem Lob für Maximilian mit einer Deutschen Geschichte, die ihm indes nicht ganz gelang; als kaiserlicher Meinungsmacher unterstützte er alle großen Aktionen Maximilians gegen Türken, Franzosen und Eidgenossen und redigierte für ihn die „Gravamina der Deutschen Nation". Hans Lupus von Hermansgrün führte den Reichsständen auf dem Wormser Tag (1495) seine Visionen von der alten Größe des Reiches und von dessen gegenwärtigem Verfall vor Augen und mahnte die Fürsten — klug getarnt — sie sollten den „trägen Maximilian" zum Kampf gegen den König von Frankreich zwingen. Auch der Tübinger Professor Heinrich Bebel erinnerte die Deutschen an die Größe des alten Reiches, lobte den Kaiser als Vorkämpfer für das Reich, tadelte den Widerstand der Fürsten und mahnte sie zur Einigkeit. Ulrich Hutten unterstützte den Venezianerkrieg des Kaisers mit glühendem Eifer und wurde dafür zum Dichter gekrönt. Der Fernwirkung der kaiserlichen Popaganda auf die Sodalitas Augustana ist es wohl zu danken, daß der biedere Augsburger Zollschreiber Clemens Jäger — eine Generation später — über Fuggers Auftrag den berühmten „Ehrenspiegel des Hauses Österreich" verfaßte, ein Prunkwerk der Buchmalerei, voll krauser Phantasie und naiver Bewunderung für das Haus Habsburg und Maximilian, das hundert Jahre später Sigmund von Birken überarbeitete und drucken ließ. Dieses volkstümliche Werk bestimmte mehr als alle anderen das Bild des Kaisers bis in das Zeitalter der erwachenden historischen Kritik. Lang hatte die politische Werbung nach den Anweisungen des Kaisers zu leiten, der wechselnden Lage anzupassen und die jeweilige Sprachregelung zu finden. Es war nicht immer leicht, den plötzlichen Wandel der politischen Richtung — etwa die Liga von Cambrai (1508) — den Fürsten und Ständen zu erklären, zumal wenn sie nicht verstehen wollten. Lang hatte die Verbindung des Hofes mit den Stützpunkten der kaiserlichen Kulturpolitik, mit den literarischen Sodalitäten in Wien, Augsburg, Nürnberg und am Rhein und mit den Universitäten Wien, Freiburg und Tübingen zu unterhalten. Ihnen verdankte der Kaiser seine hervorragende „Presse". Neben Lang und seinen Sekretären Bartholini, Sprentz und Spiegel, die selbst literarisch hervortraten, wird man auch Serntein und Niklas Ziegler nicht vergessen dürfen, die von den Zeitgenossen als Meister der Kanzleisprache gerühmt wurden.
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Die Kaiser- und Reichspropaganda sowie das literarische Ruhmeswerk haben die Hof- und Kanzleisprache sicher wesentlich gehoben und geformt. Dafür war gewiß nicht nur der Stil der literarischen Sekretäre maßgebend, sondern auch die Ausdrucksweise des Kaisers selbst, der das Deutsche so lebendig, anschaulich, fallweise auch grob, aber stets natürlich sprach, daß man daran den Meister des Wortes erkennen konnte. In manchem erinnert er an die Sprechweise Luthers, denn auch er hat den Leuten buchstäblich „auf das Maul geschaut". Die hohe Sprachform war eine höfische Gemeinschaftsleistung, die nach damaligem Zeugnis schon vor und neben Luthers Bibel zur Ausbildung einer deutschen Einheitssprache beitrug. Der Kaiser hatte mit seiner Wort- und Bildwerbung für die Idee des Kaisertumes und des Reiches, für sein Haus und für sich selber die Deutsche Nation geradezu überwältigt, so daß die öffentliche Meinung bei den Wahlhandlungen von 1518/19 fast selbstverständlich einen Habsburger als Kaiser forderte. Seit den Tagen Walthers von der Vogelweide hatte man kaum je eine so vielstimmige Verherrlichung des Reiches gehört wie jetzt aus dem Mund der kaiserlichen Hofdichter. Die Humanisten, aber auch der gemeine Mann waren offenbar stolz auf die alte Tradition des Weltreiches, und die „deutschnationalen" Vorbehalte (des 19. Jahrhunderts) gegen Karl (V.) waren jener Generation wohl eher fremd. Die Kurfürsten allerdings ließen sich von dieser Welle der Kaiserpropaganda nicht mitreißen; sie mußten Mann für Mann gekauft werden.
Das
Hofleben
Der Hof Maximilians war viel schlichter und einfacher als jener der alten Herzoge von Burgund. Das prunkvolle, umständliche burgundische Zeremoniell hat Maximilian nicht übernommen — das einzige Erbstück, das er nicht besonders schätzte. Ein strenges Zeremoniell, das seine Freiheit beschränkte, hätte Maximilians Lebensstil nicht entsprochen, der sich ganz nach dem Alltag der Regierungs- und Verwaltungsarbeit und des Krieges richtete. Schon seine Hochzeit war sehr bescheiden gefeiert worden, so daß man vom „geizigsten Bräutigam der Welt" tuschelte. Das Begräbnis Marias von Burgund war wohl die letzte düstere Prachtentfaltung des burgundischen Totenpompes gewesen. Größerer höfischer Aufwand war Maximilian einerseits zu teuer, anderseits wesensfremd. Da sich der Hof oft auf Wanderschaft befand, war Maximilians eigentliche Residenz der Sattel. Groß repräsentieren konnten erst die Nachfolger, die" das burgundische Zeremoniell wieder aufnahmen und zum spanischen Zeremoniell weiterentwickelten. Am Hofe Maximilians vollzog sich alles eher locker und ohne steife Würde. Luxus, Baldachine, ehrfürchtige Distanz, Kniefälle und Handküsse, Hofwürden mit verschnörkelten Titeln und Hofdienste für kleinste Bedürfnisse — wie sie dem burgundischen Zeremoniell entsprachen — waren am
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Hofe Maximilians schon während der Burgunderkriege bald außer Übung gekommen. Der Kaiser verkehrte mit seinen Räten und Hauptleuten ungezwungen und natürlich. Er hielt nichts von einem Zeremoniell, das im Feldlager unbrauchbar gewesen wäre. Dabei war er für Selbstdarstellung nicht unempfindlich. Eine gewisse Vorliebe für die feierliche, schwarze Hoftracht behielt er bei: „er wollte sie erst ablegen, wenn er den Kreuzzug unternommen habe". Nur bei ganz großen Anlässen erschien Maximilian „unter der Krone, in den Gewändern Karls des Großen", umgeben von Kurfürsten und Fürsten, um die Majestät, ja Gottähnlickeit des Kaisers zur Schau zu stellen, was ihm manchmal wichtig schien. Auf den großen Reichstagen wurde anläßlich feierlicher Investituren meist auf öffentlichen Plätzen eine hohe Tribüne mit Thronhimmel aufgebaut, wo die Fürsten mit fliegenden Fahnen und großem Gefolge zum Lehensempfang vor dem Kaiser aufritten. Zusammenkünften mit auswärtigen Königen, etwa mit dem König von Frankreich, wich Maximilian geflissentlich aus, weil ihm stets die Mittel fehlten, kaiserlich aufzutreten. Das Treffen seines Vaters mit Karl dem Kühnen in Trier (1473) weckte in dieser Hinsicht eher peinliche Erinnerungen; desgleichen sein eigenes Treffen mit dem König von England in den Niederlanden (1513), das seine „Armut" bloßstellte. Wirklich kaiserlich ging es nur bei der Wiener Doppelhochzeit von 1515 zu, als Maximilian die Könige von Ungarn-Böhmen und Polen traf. Der Schatz des Kaisers wurde von der Propaganda stets besonders gerühmt, wohl um den Kredit des Hofes zu verbessern. Maximilian hatte ihn nach dem Tode Friedrichs III. erst mühsam aus den verschiedenen Verstecken, aus Schloß Strechau in der Steiermark und aus Nürnberg, zusammenholen müssen. Er hinterlegte ihn im Schatzturm zu Innsbruck und im Wiener Neustädter Schloß. Was er an Schätzen, Gold, Edelsteinen, Perlen, Herrschaftszeichen und Kirchengeräten besaß, muß bedeutend gewesen sein. Leider ist von den zahlreichen Werken der Goldschmiedekunst aus jener Zeit fast nichts erhalten, obwohl die Akten viele Wertstücke, Schmuckbestellungen und -käufe des Kaisers bezeugen. Zu großen Anlässen wurde der Schatz auf mächtigen Schautischen nach Art der burgundischen Kredenz ausgestellt. Nach dem T o d des Kaisers sollen den Testamentariern „die Augen übergegangen sein", von dem, was trotz der ewigen Finanzkrisen immer noch vorhanden war. Nach seiner Rückkehr aus Burgund übernahm Maximilian zunächst den Tiroler H o f Erzherzog Sigmunds in Innsbruck und richtete sich dort weit sparsamer ein als sein „Onkel", der das meiste Geld für eine üppige Hofhaltung verbraucht hatte. Im Alltag schien dem Kaiser größte Einfachheit als eindrucksvollste Darstellung der Majestät. Es genügte ihm, seine Garde, seine Jäger, Pferde, Hunde und Falken vorzuführen. Die alten Erzämter des Reiches wurden selbst bei großen Anlässen nur mehr selten von ihren eigentlichen Inhabern ausgeübt. Auch die Erbämter der österreichischen Länder waren längst nur mehr leere Titel. Aus den haus-
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eigenen Hofämtern — dem Hofmeister, Marschall oder Kämmerer — waren inzwischen Regierungs- und Verwaltungsämter des Reiches und der Erbländer geworden. Die Hausverwaltung im engeren Sinn, den Dienst in Küche und Keller, in den Gemächern und im Marstall, übten meist kleine Dienstleute und Edelknaben aus, welche die Hofsitte lernen sollten; aber auch einfache Burschen aus dem Volk, die nicht selten als „Einspännige" in den Ritterstand aufstiegen, meist rechtschaffene, im Kriegsdienst erprobte Kerle. Unter ihnen befand sich gewiß auch mancher käufliche Schuft, der die fremden Gesandten gegen gutes Geld mit Neuigkeiten bediente. D a der mißtrauische Kaiser dies wußte, pflegte er zur gleichen Sache dreimal des Tages etwas anderes zu verbreiten, damit niemand sicher wissen konnte, was er wirklich plante. Daher kam es, daß die Gesandten immer wieder verärgert nach Hause meldeten, der Kaiser wechsle stündlich seine Meinung, was von manchen Historikern noch immer geglaubt wird. Eine Vorherrschaft des Klerus bei H o f e und in der Reichsverwaltung gab es nicht mehr. Die Geistlichkeit wurde auf den Gottesdienst beschränkt und hatte die Kantorei, den Kirchengesang des Knabenchores und das Orchester zu betreuen. Ebenso gehörten einige Hofchronisten, wie Sunthaym, Stabius und Pfintzing, noch dem geistlichen Stand an. Ein höfisches Beichtamt scheint es — zumindest für den Kaiser — nicht gegeben zu haben. Er holte sich als Beichtväter — meist zur Osterzeit — Seelsorger besonderen Ranges, wie den wortgewaltigen Straßburger Domprediger Geiler von Kaisersberg, den geistlichen Reichspatrioten Wimpfeling, den gelehrten Benediktiner Trithemius, den Dominikaner Johannes Faber oder den frommen Karthäuser Gregor Reisch, meist freidenkende Kirchenreformer, die aus der fallweise gewagten Kirchenpolitik des Kaisers keinen Gewissensfall machten, wenngleich sie ihm mitunter zur Mäßigung rieten. Eine eigene Rolle spielten die Hofhandwerker, vor allem Schneider und Schuster; sie waren privilegierte Großunternehmer, die nicht nur den Hofstaat, sondern auch die Armee versorgten, auf eigene Rechnung wirtschafteten und damit gut verdienten. Mehrmals im Jahr, zu allen besonderen Anlässen, war der ganze Hof neu auszustatten. Für die Wiener Festtage von 1515 wurde das gesamte berittene Aufgebot, das in die Tausende ging, farbenprächtig rot-golden eingekleidet, was gewiß nicht wenig kostete. Man kann sich denken, was erst verdient wurde, wenn eine Feldarmee einzukleiden war. Der oberste Hofschneider Martin Trumer war ein reicher Mann, der dem Kaiser mit regelmäßigen Krediten aushalf. Der Hofstaat des Kaisers, der durchschnittlich etwa vierhundert Personen umfaßte, kostete jährlich gegen 90.000 Gulden, was als sparsam gelten kann, denn darin waren auch die Gesamtkosten der obersten H o f - und Reichsverwaltung enthalten. Sein Hofhalt war viel kleiner als jener seines Sohnes: Während der burgundische Hof jährlich 300.000 Gulden verbrauchte und durchschnittlich mit 1500 Pferden ausrückte, besaß der Kaiserhof nur gegen vierhundert Pferde. Die Anzahl der Pferde war die Maß-
Die Schalksnarren Die vorgesehenen
Maximilians, mit dicken, goldenen Ketten als „lustige Räte" gekennzeichnet. Texte in den Spruchschleifen kamen leider nicht zustande. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Triumph.
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einheit für die Größe eines Hofstaates wie für den Rang der obersten Hofbeamten. Dazu kam noch die berittene Garde — im Durchschnitt etwa dreihundert bis fünfhundert reisige Knechte — die den Hof begleiteten, die Wachdienste zu stellen und auf dem Marsch durch unsichere Gebiete den Geleitschutz wahrzunehmen hatten. Während der Kaiser durch die Länder zog oder im Felde weilte, blieben ein fester Stamm an Beamten und Dienern, Kanzlei und Registratur, Archiv und Hausschatz, Kammer und Warenlager in Innsbruck zurück. Kaiserin Bianca Maria, die meist getrennt von Maximilian lebte, unterhielt ihren eigenen, viel kleineren Hofstaat, der gar nicht selten als Pfand für offene Wirtshausrechnungen in den Niederlanden oder in deutschen Reichsstädten zurückgehalten wurde, was in ganz Europa peinliches Aufsehen erregte. Auch das „Frauenzimmer" der Kaiserin bereitete Maximilian — noch mehr dem Hofmeister — ständige Sorgen, so daß er sich schon bald genötigt sah, einen Teil der italienischen Hofdamen wegen der ständigen Streitigkeiten und Indiskretionen nach Hause zu schicken. Auch glaubte der Kaiser zu bemerken, wie die älteren Hofdamen ihre jüngeren „heimlichen Gespielinnen" verdarben, wogegen er durch zeitgerechte Ausheirat der Damen Vorsorgen wollte. Das bot ihm Gelegenheit, unter den Hofleuten Heiraten zu stiften und sich mitunter einen wohlgefütterten Kuppelpelz zu verdienen. Die Augsburger Bürgerstochter Apollonia Lang, die Schwester des Kardinals, die das Frauenzimmer überwacht hatte, wurde schließlich dem Grafen Lodron verheiratet. Nicht zu übersehen war bei Hofe das Narrenvolk; es füllte einen ganzen Wagen des Triumphzuges. Der Narr war im 16. Jahrhundert eine Art Selbstironie der Mächtigen. Maximilians lustiger Rat, ein Narr höherer Ordnung, war Kunz von der Rosen, der seinem Herrn in Brügge (1488) nicht nur mit gutem Rat, sondern mit dem Einsatz seines Lebens diente und ihm bis ans Ende Treue bewies. Er hatte das Recht, ja die Pflicht, dem Kaiser Wahrheiten zu sagen, die andere nicht auszusprechen wagten, wovon zahlreiche Anekdoten berichten. Bestens informiert, witzig und boshaft, weise und unsinnig zugleich, gab er seinem Herrn manchen guten Rat, verulkte dessen Fehler und bewahrte ihn vor manchem Mißgriff. Maximilian wollte ein „fröhlicher König, ein unübertrefflicher Festgestalter sein", wie er selber sagte. Den Fasching pflegte er besonders kräftig zu feiern. Da gab es die beliebten, weniger kostspieligen Mummereien, die wir aus vielen Bildern des Freydal kennen, mit immer neuen Masken, neuen Gruppen und neuen Spielaufzügen. Dabei ging es wesentlich gröber zu als in Burgund. Die italienischen Gesandten bemerkten abschätzig, wie die übermütigen deutschen Edelknaben beim Fakeltanz nicht nur die Kleider, sondern auch die Haare der Damen mit ihren Fakeln versengt hätten. Die italienischen Hofdamen wieder wunderten sich, wie dreist sie beim Reigentanz von den deutschen Herren angefaßt wurden. Berufstänzer traten auf — man vergleiche die Reliefbilder am Goldenen Dachl in Innsbruck — und „warfen die Jungfrauen in die Höhe, daß man ihnen hinten und vorn hinaufsah".
Mummerei oder Maskenfest: Im Hintergrund die Damen an der festlich gedeckten Tafel und die Kredenz. Maximilian in der Mitte als Festgestalter. Eine Gruppe von Türken mit Raubvogelmasken, angeführt von einem Fackelträger. Im Vordergrund links die Ballmusik. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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Auch die zahlreichen Possenreißer fanden Gelegenheit, ihre große Schau zu bieten. Unterwegs gab es in den Reichsstädten die feierlichen Einzüge mit weltlichem und geistlichem Prunk, von historischen und allegorischen Spielen begleitet. In den Tanzhäusern fanden immer wieder große Tanzfeste und Mummereien statt, die der Kaiser besonders liebte, weil sie ihm Gelegenheit boten, sich bei den Damen der Bürger beliebt zu machen; aber auch Bauerntänze waren für die höfische Gesellschaft eine liebe Abwechslung. Ebenso vergnügte man sich an den bürgerlichen Vergröberungen des Turnieres, an sogenannten Gesellenrennen: junge Bürgersöhne bewaffneten sich mit Helmen und Wämsern, die mit Heu ausgestopft waren; so traten sie gegeneinander zum „Turnier" an und stachen zum allgemeinen Spaß mit langen Stangen aufeinander los. Edlerer Art waren die großen Aufführungen der Kantorei in der Kirche, im Hoftheater und im Ballsaal, die der Kaiser besonders liebte. Bei besten Meistern bestellte er immer neue Orgeln, immer neue Instrumente und versuchte, zusammen mit seinen Instrumentenbauern immer neue Klangwunder — etwa Vogelstimmen — zu erfinden. Die Orgel der Hofkirche zu Innsbruck war nach dem Zeugnis des Kardinals d'Aragona eine der schönsten der Welt. Paul Hofhaimer war des Kaisers großer Orgelmeister und Heinrich Isaac sein Hofkomponist. Wahrscheinlich spielte der Kaiser „ähnlich König Alexander" selbst die Laute. Mitunter überraschte er seine Gäste sogar mit dem Auftritt von Sängerinnen, was damals ganz ungewöhnlich war. Wenn man dem Weißkunig glauben darf, hat der Kaiser seine Kapelle gelegentlich sogar persönlich dirigiert. W o immer sie auftrat, erregte sie Bewunderung. Sogar die russischen Gesandten verlangten, sie anläßlich der Osterzeremonien zu hören. Die Wiener Festtage von 1515 machten die große Öffentlichkeit mit der kaiserlichen Hofkapelle und ihrem großen Meister Paul Hofhaimer erst besser bekannt. Noch heute vermag uns diese neue Tonwelt zu gefallen. Der musikalische Martin Luther war über die Motetten des Ludwig Senfl geradezu entzückt. Einen besonderen Ruf genoß die burgundische Hoftafel; aber die erlesenen Gastmähler und Schaugelage kamen während der langen Kriege ab. Gewisse Köstlichkeiten der burgundischen Küche hat der Kaiser zeitlebens geschätzt und Köche mitunter sogar zur Sonderausbildung nach Burgund geschickt. Maßlosigkeit in Speise und Trank, wie sie damals an manchen Höfen üblich war, sah der Kaiser ungern. Er pflegte nur mäßig zu trinken, so daß der trinkfeste Papst Julius II. spotten konnte, „der Kaiser werde nicht einmal mit einem Fäßchen Wein fertig". Die Unsitte des Zutrinkens wurde sogar durch Reichsgesetz verboten, obwohl die Deutschen das Saufen für eine Ehre hielten, wie uns die Zimmersche Chronik versichert. Man trank bei großen Anlässen schon nicht mehr aus Krügen, sondern aus Eimern. Des Kaisers Freund Sigmund von Dietrichstein gründete einen Mäßigkeitsorden, der — gewiß nicht ohne Berechnung — alle höfischen Weltverbesserer zu einer Interessengemeinschaft Zusammenschloß.
Das Hofleben
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Der Kaiser selbst liebte einfache und natürliche Mahlzeiten, lebte er doch auf seinen Reisen oft nur vom Küchenwagen. Er speiste gern allein, liebte aber Tafelmusik; er begnügte sich mit kleiner Bedienung und mit bescheidenem Gedeck, denn sein Tafelsilber war meist nicht zur Hand und mit den „goldenen Schüsseln, auf denen er speisen wolle, wenn er in Rom die Kaiserkrone empfange", konnte er nur prahlen. Für seine eigene Hochzeit in Innsbruck mußte er sich das Tafelsilber Erzherzog Sigmunds ausleihen und hätte beinahe vergessen, es zurückzustellen. In der guten Jahreszeit zog der Kaiser die Vergnügungen in der freien Natur, Jagd und Fischerei, allem anderen vor. Das neumodische, kindische Ballspiel hatte für ihn keinen Reiz; dagegen schätzte er besonders das männliche Turnier als Kampfsport und als ständige körperliche Übung für den Krieg, wie er sagte. Maximilian hatte das Turnier in Burgund zu neuem Leben erweckt, dafür neue Spielregeln erfunden und diesen ritterlichen Sport um gute hundert Jahre verlängert. Ohne Turnier gab es kein großes höfisches Fest. Sein Hof sollte alle Turnierhelden versammeln, die sich in der Ritterschaft auszeichnen wollten. Das Wormser Turnier Maximilians (1495) mit dem burgundischen „champion d'armes" Claude de Vaudrey, wo Maximilian den Großsprecher nach unentschiedenem Rennen, zu Fuß mit dem Schwert besiegte — echt oder gestellt, bleibt fraglich — ist berühmt geworden; dieses höfische Theater wurde fortgesetzt, indem man Artus' Tafelrunde spielte, einander mit den Namen der Sagenhelden anredete und vom Heiligen Gral schwärmte. Im Freydal ließ Maximilian alle Turniere, die er mitgemacht hatte, verzeichnen und im Bild festhalten Ganz besonders liebte der Kaiser die Gemsenjagd im Tiroler Hochgebirge, die Falkenbeize in den Aulandschaften bei Augsburg und die Bärenjagd in den Niederlanden. In seiner Jugendgeschichte erwähnt er stolz den ersten Bär, den er im Brüsseler Wald mit eigener Hand gefällt hatte. Der Steinbock im Tiroler Hochgebirge galt als König der hohen Jagd, den der Kaiser besonders geschont wissen wollte, weil er damals schon selten war. Die weiten Reisen des Kaisers glichen großen Jagdausflügen. Wohin er kam, gehörte ihm die Jagd. Bären, Hirsche und anderes Wildzeug, das er unterwegs lebendig fing, führte er in großen Käfigen im Hofzug mit und erregte in allen Städten und Dörfern, durch die er zog, gebührendes Staunen. Gern unterhielt der „große Waidmann", wie er sich selbst nannte, den Hof mit kühn angelegten Schaujagden für Damen und Gäste oder mit einem fröhlichen Fischfang an einem der nahen Seen, Lustbarkeiten, die meist mit Banketten unter freiem Himmel endeten. Bei der großen Schaujagd im Vinschgau (1496) trieb er vor den Augen der Mailänder Gäste die Gemsen durch die Felsen, daß den Zusehern „schwarz vor den Augen wurde". Für den türkischen Gesandten gab Maximilian eine große Hirschjagd auf der Herzogswiese bei Stams (1497), die sogar in einem Gemälde festgehalten wurde. Die Geschichte vom Kaiser Max in der Martinswand hält die Erinnerung an die kaiserlichen Jagdabenteuer auf besondere Weise fest. Der Kaiserhof mußte sich auf seinen vielen Reisen nicht selten mit ganz
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Der Kaiserhof
bescheidenen Quartieren begnügen und war kein Ort ständiger, raffinierter Lustbarkeiten wie in Burgund, „wo das Frauenzimmer T a g und Nacht offen stand und man richtig lieben und küssen lernen konnte"; der Kaiserhof war vielmehr ein Stabsquartier der Regierung und Kriegführung, in dem es meist aufgeregt und geschäftig, vor allem aber sparsam zuging. Die höfischen Laster hatten hier keine Heimstatt. Der Kaiser verglich seinen Hof gern mit einem Kloster, in dem Zucht und Armut herrschte. Von den höfischen Bacchanalien und Götterfesten, wie sie Tizian gleichzeitig aus dem Leben der italienischen Fürstenhäuser malte, findet sich an diesem kriegerischen Männerhof kaum eine Spur. Als er beim Fürstentreffen in Mals (1496) Quartier bezog, rümpften die venezianischen Gesandten die Nase über die Ärmlichkeit des Hofstaates. O f t drängte sich das kaiserliche Quartier, Hof- und Reichsregierung im engen Raum eines kleinen Landschlößchens oder verteilte sich auf einige Bürgeroder Bauernhäuser, wenn man sich nicht gar mit einem Zelt behelfen mußte. Die auswärtigen Gesandten wußten ein Lied zu singen von den Mühsalen ihrer deutschen Missionen, wenn sie dem Kaiser über Berg und Tal, durch Freundes- und Feindesland, bei Frost und Hitze, bald hungrig, bald durstig folgen mußten. Anschaulich berichtet der englische Gesandte Robert Wingfield, daß er auf seinen jahrelangen Märschen „durch die kalten, schneebedeckten Berge weiße Haare bekommen habe — wie ein Schneehase". Mitunter entschwand der Kaiser zur Jagd ins Gebirge und blieb tagelang unerreichbar — vor allem für Gläubiger oder lästige Gesandte. Da nächtigte er in Almhütten oder Bauernhäusern, denn nur in guten Revieren gab es Jagdhäuser oder gar Schlösser. Großartig war es um den H o f Maximilians niemals bestellt. Prunkvolle Residenzbauten gab es nicht. Freilich würde Maximilian den goldenen Käfig einer prunkvollen Residenz kaum länger ertragen haben. Während kleine italienische Fürsten neben kunstvoll und kostbar ausgestatteten Stadtpalästen auch antikisierende Villenanlagen und Lustgärten auf dem Land besaßen, mußte sich der Kaiser mit einigen alten, muffigen Schlössern und bescheidenen Jagdhäusern begnügen. Auch die Innsbrucker und die Wiener Burg waren eher bescheiden. An den italienischen Höfen waren die Fürstenzimmer von den ersten Meistern mit herrlichen Gemälden und plastischem Schmuck überreich ausgestattet, während die kaiserlichen Räume bestenfalls mit Wiese, Wald, Wild und Vögeln — ganz grün — ausgemalt waren. Wenn es hoch herging, verhängte man die Wände mit Teppichen, die man noch aus der burgundischen Zeit besaß. Sie waren mit der Pracht der Arazzi, der Wandteppiche, welche Raffael entwarf und Leo X . in Brüssel fertigen ließ, wohl nicht zu vergleichen. Auch die Flucht von Korridoren und Vorzimmern mit Statuen und Gemälden, wie in Venedig, Mailand, Mantua, Ferrara oder Rom, als Zugang zum Allerheiligsten der kaiserlichen Majestät gab es nirgends. Ein Schlafraum, der öfter zugleich Arbeitszimmer war, und ein Empfangsraum genügten Maximilian. So sah es zum Beispiel im Welser Schloß aus, als Maximilian dort krank darniederlag, noch eine englische Gesandt-
Abenteuer auf einer Gemsenjagd bei Innsbruck: „Vor so viel schönen Frauen fällt er den Gams ohn alles Grauen." Er kann sich auf einem Felsvorsprung kaum noch halten (Anspielung auf das Abenteuer in der Martinswand?). Unten links die zusehenden Hofdamen. Rechts der listige Fürwittig, der dem Kaiser diese Falle stellte. Anonymer Holzschnitt aus dem Theuerdank.
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Der Kaiser und die Reichsstände. Die Lage des Reiches und der Erbländer
Schaft empfing und bald darauf starb. Einen Palast für große Staatshandlungen, „Ehrenpforten" oder große Kirchenbauten, die er in seinem Testament verordnete, konnte er sich nur von seinen Zeichnern auf dem Papier entwerfen lassen. Erst eine Generation später hatte sich Österreich von den maximilianischen Kriegen so weit erholt, daß der Hof mit Hilfe italienischer Baumeister und Künstler allmählich den Anschluß an das Kunstleben der italienischen Renaissance fand.
2 . D E R K A I S E R U N D DIE R E I C H S S T Ä N D E . D I E L A G E DES R E I C H E S U N D DER E R B L Ä N D E R
Kaiser, Kurfürsten
und
Fürsten
Jeder neue König und Kaiser hatte von Anfang an hauptsächlich mit seinen Kurfürsten und Fürsten zu rechnen, die ihm nicht alle freundlich gegenüberstanden. Der Kaiser hasse die Fürsten, sagte man im Reich; das war zweifellos übertrieben, denn er hatte auch gute Freunde unter ihnen. Im Laufe des Mittelalters waren etwa vierzig kurfürstliche und fürstliche Geschlechter allmählich emporgestiegen, die ihre Länderstaaten gegen den Kaiser abgrenzten und den Thron so dicht umstellten, daß er ohne sie nicht viel ausrichten konnte. Gegen Ende des Mittelalters war die Reichsgewalt aus den Ländern beinahe ganz verdrängt. Auch die alten lehensrechtlichen Bindungen, Lehensfolge, Römerzug und Steuerhilfe waren fast vergessen oder wurden einfach verweigert. Maximilian konnte nur mehr mit Hilfe seiner Hausmacht regieren. Nicht selten tadelten die Zeitgenossen ihre Fürsten, die dem Reich alle Mittel entzögen, so daß der Kaiser „bei den Fürsten um Reichshilfe betteln gehen müsse". Sicher waren manche dieser Äußerungen von der kaiserlichen Propaganda gesteuert; aber es muß doch auffallen, daß ein so entschiedener Vertreter der reichsständischen Ordnung wie Nikolaus von Kues das Heil in der Wiederherstellung der nötigsten kaiserlichen Rechte sah. Schon die Goldene Bulle Karls IV. (1356) hatte die Landeshoheit und die besonderen Vorrechte der Kurfürsten ein für allemal festgeschrieben. Die drei geistlichen Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier, außerdem der Kurpfälzer saßen am Rhein. Die Ostgruppe bestand aus Kur-Sachsen, Kur-Brandenburg und Böhmen, welches aus dem Reich allmählich hinausgewachsen war, so daß es an der Königswahl von 1486 nicht mehr teilnahm und erst von Maximilian allmählich wieder ins Reich zurückgeführt wurde. Die Kurfürsten bildeten die Eckpfeiler des Reiches, die tragenden „Säulen, die erst zermalmt werden mußten, ehe der Satan rechnen konnte, das Heilige Reich zu vernichten". Die Kurfürsten wählten und krönten den König und bildeten eine Art Reichsrat, der bei wichtigen Geschäften nicht umgangen werden
Kaiser, Kurfürsten und Fürsten
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durfte. Sie versuchten, ihre erbliche Fürstengewalt gegen jeden Wahlkaiser auszuspielen, ein Erbkaisertum aber zu verhindern. Maximilian wäre zunächst bereit gewesen, Kurfürsten und Fürsten zur Mitregierung heranzuziehen. Ein Hofstaat von fürstlichen Räten hätte ihm Freude gemacht. Er behandelte sie mit Vorsicht und meist mit größter H ö f lichkeit, wie Fürsten von Gottes Gnaden, wie Bundesgenossen; freilich hätte er bessere Unterstützung erwartet. Wenn gesagt wurde, er habe die Fürsten gehaßt, so mag dies f ü r einige „große Hansen" gelten, nicht f ü r alle. Erst als er merkte, daß sich die Fürsten seinen Erneuerungsplänen entgegenstellten, daß Erzkanzler Berthold die Reichsregierung ganz an sich reißen wollte, trat er solchen kurfürstlichen Reformplänen entgegen. Er versuchte es nicht, an den föderativen Charakter des Reiches zu rühren, griff aber — wie in Württemberg oder in der Pfalz — entschieden ein, wenn es die Lage erforderte. Man munkelte, er wolle sich mit Hilfe der Reichsritterschaft die Fürsten unterwerfen, was er im Ernst kaum plante, wenn er auch in Andeutungen damit drohte. Vielmehr bemühte er sich, sie weiterhin im Reichsregiment zur Mitverantwortung heranzuziehen, was indes nie gelang. Daher entschloß sich der König seit dem Augsburger T a g (1500), die Reichsregierung mit Hilfe seiner Beamten und seines kleinen Hofadels fortzuführen. Auch die geistlichen Kurfürsten verfochten, wie ihre weltlichen Kollegen, in erster Linie ihre Privilegien. Allerdings kamen sie der Italienpolitik Maximilians, vor allem dem Schutz des Papstes, etwas freundlicher entgegen, da ihre Stellung als Wähler des Römischen Kaisers — in gewisser Hinsicht dem Kardinalsamt ähnlich — keine rein deutsche, sondern eine gesamtchristliche Würde darstellte, die mit Rom und dem Papst eng zusammenhing. Sie empfanden immer noch einen gewissen Reichsuniversalismus, der den weltlichen Fürsten schon ziemlich fremd geworden war. Die Kurfürsten hatten in Erzbischof Berthold von Mainz, als dem Erzkanzler des Reiches, einen geistigen Führer, dessen Kampf gegen den König sie zwar unterstützten; vor offener Rebellion jedoch scheuten sie zurück. Als Berthold die Sache zum Äußersten trieb, ließen sie ihn im Stich. Erzkanzler Berthold ist dem König zeitweise zwar gefährlich geworden, aber er war kein durchschlagskräftiger, kühner Mann, sondern eher ein „subtiler" Charakter, der an der Uberspannung des ständischen Reichsgedankens, an der allzu geringen Einschätzung der monarchischen Idee, an einer Uberschätzung des fürstlichen Willens zur Zusammenarbeit und an einer offensichtlichen Unterschätzung Maximilians scheitern mußte. Es war freilich kein Glück f ü r das Reich, daß der kluge, wenn auch herrschsüchtige Erzkanzler keinen Ausgleich mit dem König fand, denn wegen des unversöhnlichen Gegensatzes dieser beiden Männer konnte die Reichsreform das erwünschte Ziel nicht erreichen. Nachdem Maximilian dem Erzkanzler noch zu Lebzeiten das Reichssiegel abgefordert hatte (1502), entzog er dem Mainzer Erzstuhl auch die Reichskanzlei, was unerhört war in der deutschen Geschichte, und übertrug sie Köln, wohl um die beiden Kurfürsten von einander zu trennen. Erst 1513
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erhielt der kaisertreue Erzbischof Uriel von Mainz die inzwischen bedeutungslos gewordene Reichskanzlei wieder zurück. Dem Kaiser gelang es allmählich, die rheinischen Kurfürstentümer wenigstens teilweise mit Männern seines Vertrauens zu besetzen. In Trier folgten aufeinander zwei Herren aus dem Hause Baden, die mit den Habsburgern verwandt und Gefolgsleute Maximilians waren. Unter den weltlichen Kurfürsten hatte Berthold eher verläßlichere Gefolgsleute als unter den geistlichen. Sie gingen in ihren Forderungen sogar noch weiter als Berthold: sowohl Landfriede wie Kammergericht waren ihnen verdächtig; die Reichsreform sollte vor allem ihre Hoheitsrechte und Privilegien erhalten und die Königsrechte zurückdrängen. Wo es um ihre Interessen ging, scheuten sie nicht davor zurück, selbst reichsfürstliche Verbrecher wie Herzog Ulrich von Württemberg in Schutz zu nehmen. Auf den Reichstagen kam es zu harten Wortgefechten zwischen ihnen und ihren Räten mit dem Kaiser und seinen Anwälten. Kurfürsten und Fürsten schlossen sich zu „Einungen" gegen den Kaiser zusammen; sie versammelten sich auf Sondertagen, die der Kaiser nicht berufen hatte. Maximilian wollte wissen, daß man seine Absetzung plane; die Fürsten dagegen fühlten sich vom Kaiser geradezu „gehaßt". Maximilian ließ mitunter hören, daß er sie anders anfassen würde, wenn er nicht gesalbt wäre. Das Schicksal Bertholds von Mainz war bekannt. Zwei Herzoge von Württemberg hatte er abgesetzt; vor der Absetzung des Kurfürsten von der Pfalz scheute er allerdings zurück. Selbst Kurfürst Friedrich von Sachsen fürchtete, vom Kaiser mit Heeresmacht überfallen zu werden. Der König von Frankreich schürte das Feuer, indem er immer wieder das Gerücht verbreitete, der Kaiser wolle Kurfürsten und Fürsten absetzen und sich zum Erbkaiser machen. Maximilian klagte einmal, „die deutschen Fürsten seien die wahren Teufel, die alles umwerfen möchten, was er angefangen habe; einige wenige genügten, alle seine Unternehmungen zu verhindern; die Türken seien dagegen wahre Biedermänner". Derartige Äußerungen — oft nur im Scherz hingeworfen, wie es des Kaisers Art war — machten die Runde und haben das Klima gewiß nicht verbessert. Im Widerstand gegen den Kaiser stimmten mit den Kurfürsten manche größere Reichsfürsten überein — weniger die kleinen Reichsstände, die den Schutz des Kaisers gegen die Übergriffe der Großen brauchten. Es gab damals mehr als dreißig reichsfürstliche Geschlechter; dazu eine noch viel größere Anzahl von Reichsbischöfen, Reichsprälaten, Grafen und Freien Herren, die allerdings nur mit acht Stimmen im Fürstenrat vertreten waren. Unter den Fürsten besaß Maximilian einige treue und verläßliche Anhänger, wenn auch viele den Kurfürsten folgten. Nur auf dem Papier war der Kaiser absoluter Herr im Reich, obwohl er sich nicht ungern als „Herrn der Welt" bezeichnen ließ. Im Scherz pflegte er zu sagen, er sei ein „König der Könige", denn in seinem Reiche tue jeder Fürst, was er wolle; der König von Frankreich dagegen sei ein „König der Tiere", weil ihm seine Untertanen widerspruchslos zu gehorchen hätten.
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Als Berthold von Mainz gestorben war (1504), und der reichsfürstliche Widerstand nach der großen Niederlage im Pfälzerkrieg sich erst nach Jahren allmählich wieder erholte, trat Kurfürst Friedrich von Sachsen als Anführer der Opposition hervor; aber er war weit weniger gefährlich als seinerzeit Erzkanzler Berthold. Kurfürst Friedrich von Sachsen fühlte sich — wie das ganze sächsische Haus — anfänglich dem Kaiser eng verbunden. Maximilian beschäftigte ihn längere Zeit als Rat, Hofmeister und später als Statthalter des Hofrates in seinen Diensten. Aber die Spannungen zwischen königlicher und kurfürstlicher Reichspolitik waren zu stark, der Gegensatz der Charaktere zu groß, als daß diese Freundschaft auf Dauer hätte bestehen können. Zwar stimmten sie in manchen Neigungen, Jagd, Turnier, Kunst und Musik, überein; in der Politik aber verstanden sie sich je länger, desto weniger. Maximilian träumte von der Wiederherstellung des Reiches, Friedrich dagegen war ein ruheseliger Haus- und Landesvater, ein ängstlicher Zauderer, der einen einzigen Brief mitunter zwanzigmal verbessern ließ. Er liebte den Frieden, „duckte sich" eher und litt, als daß er etwas wagte. Maximilian war ein waghalsiger Kriegsmann, Friedrich dagegen ein bedächtiger Biedermann, der über das engere Reich und sein sächsisches Kurfürstentum kaum hinausblickte. Immerhin genoß er unter den Fürsten großes Ansehen. In Worms (1495) mag er nicht unwesentlich zum Vergleich der Reformparteien beigetragen haben. Aber 1498 verließ er verärgert den Hof, weil er sich mit Maximilians Italienpolitik nicht abfinden konnte und sich von den neuen Beamten zur Seite gedrängt fühlte. Der sparsame Mann ärgerte sich wohl auch, daß ihm Maximilian seit Jahren seine Dienstgelder und Darlehen schuldig blieb. Der Abfall dieses einflußreichen Mannes einigte die kurfürstliche Front gegen den König und führte zum Umsturz von 1500. Kurfürst Friedrich stieg als Statthalter des Regimentes zum Stellvertreter des Königs auf. Aber seine Herrlichkeit war wie jene Bertholds von kurzer Dauer. Wie es seine Art war, leistete er nur zaghaften Widerstand, ließ sich allerdings auch vom König nicht mehr gewinnen, obwohl dieser beharrlich um ihn warb; selbst von einer Heirat der Erzherzogin Margarethe mit dem Kurfürsten war kurz die Rede. Seit dem Abschluß der Liga von Cambrai (1508), wobei sich die Kurfürsten übergangen fühlten, wurde er als Führer des Widerstandes neuerlich vorgeschoben, weil er über die engere sächsische Hausmacht hinaus im ganzen nord- und mitteldeutschen Raum über großen Einfluß verfügte. Der Widerstand wandelte sich allmählich in schlecht verhüllte, zeitweise offene Feindschaft gegen den Kaiser, der „den Kopf des Kurfürsten von Sachsen" noch kennenlernen sollte. Bei den Wahlwerbungen für Karl (V.) prallten die Gegensätze noch einmal scharf aufeinander. Friedrich wies alle Angebote des Kaisers entschieden zurück, indem er moralisch-rechtliche Bedenken vorschützte; tatsächlich wäre er selbst gerne gewählt worden. Friedrich fürchtete damals, der Kaiser könne ihn mit Heeresmacht überfallen wie einst den Württemberger oder den Pfälzer. Aber Maximilian bewahrte dem sächsischen Gegenspieler
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die äußere Freundlichkeit und ging über dessen Widerstand großzügig hinweg. In der Tat wurde sein Widerstand am Wahltag rasch gebrochen: Man bot dem kränklichen, alten Mann, dem niemand mehr ernstlich die Kraft und Gesundheit für die kaiserliche Aufgabe zugetraut hätte, zum Schein die Krone an und gab ihm die ehrenvolle Gelegenheit abzulehnen, was als Zeichen besonderer Achtung und als symbolischer Verzicht auf das Erbrecht des Königtums gelten konnte. Dafür fand sich Kurfürst Friedrich bereit, der Wahl Karls zuzustimmen, die er nicht hätte verhindern können. „Die Raben wollten eben einen Geier haben", soll er dazu gesagt haben. Zu den Feinden des Kaiser gehörte außer Berthold von Mainz und Kurfürst Friedrich von Sachsen auch Kurfürst Philipp von der Pfalz. Der Kaiser äußerte einmal, nur wenige Fürsten seien ihm ausgesprochen feindselig; aber diese wären so mächtig, daß sie auf den Reichstagen den Ausschlag geben. Kurfürst Philipp, der von Frankreich unterstützt wurde, und sein Pfälzer Verein im Südwesten des Reiches waren besonders gefährlich. Zu ihm hielt auch der Herzog von Lothringen, ein Erbfeind Burgunds, der Karl den Kühnen vernichtet hatte. Kurfürst Philipp war zum Widerstand gegen den Kaiser und für Pfälzer Großmachtpläne geradezu erzogen worden. Als gewandter Turnierkämpfer warf er gelegentlich des Frankfurter Tages von 1486 Maximilian sogar aus dem Sattel — zur Schadenfreude des alten Kaisers, der dem König jedes Turnier mit „Untertanen" verboten hatte. Der Pfälzer suchte eine Hausmacht aufzubauen, welche die Habsburger aus den Vorlanden verdrängen sollte. Maximilian unterließ nichts, den stolzen Kurfürsten für sich zu gewinnen, was ihm aber nie gelang. Philipp rühmte sich angeblich, „den Gemeinen Pfennig zum Besten Frankreichs verhindert zu haben". In der Tat unterhielt der Pfälzer enge Beziehungen zum französischen König. In der Fürstenverschwörung von 1502 spielte er eine führende Rolle, obwohl ihn mancherlei Sonderinteressen von Kur-Mainz und Kur-Sachsen trennten. Zum Verhängnis wurde ihm der Landshuter Erbfolgekrieg. Alle Gegner, die unter seinen Übergriffen zu leiden gehabt hatten, fielen einmütig über ihn her, und Frankreich — durch die Verhandlungen von Blois-Hagenau gebunden — mußte untätig zusehen. Der Kurfürst hatte die Schlagkraft des kriegstüchtigen Königs völlig unterschätzt. Maximilian überschritt den Rhein und erschien vor Heidelberg. Er machte bereits jene Urkunde fertig, die Philipp und dessen Sohn die Kurwürde mit allen Rechten absprach, scheute aber vor dieser Gewalttat doch zurück. Da sich der Pfälzer unterwarf, verzichtete Maximilian auf dessen Absetzung, gestattete aber den Siegern, alle Eroberungen auf Kosten der Pfalz zu behalten; auch das Reichsvikariat wurde Philipp entzogen. Dieser Sieg Maximilians brach dem reichsfürstlichen Widerstand die Spitze ab. Aber der König zeigte sich maßvoll: er verzichtete darauf, die Reichsacht am Pfälzer zu vollstrecken und überließ den unschuldigen Pfälzer Kindern einen Teil ihres Erbes, die „junge Pfalz". Pfalzgraf Friedrich II., einer der Söhne, gehörte sogar zu Maximilians besonderen Günstlingen, den er an
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den Hof zog und mit dem er nicht ungern vertrauliche Gespräche führte, so daß die oberbayerischen Brüder über die allzugroße Freundschaft des Königs mit dem jungen Pfalzgrafen klagten. Die Pfälzer näherten sich mit ihrer Wahlhilfe f ü r Karl (V.) noch einmal der habsburgischen Partei, um sich bald darauf endgültig davon zu trennen. Lothringen, ein uraltes Reichsland, war bemüht — ähnlich den Niederlanden — einen selbständigen Staat zwischen dem Reich und Frankreich zu begründen. Durch Heiraten in die französische Königsfamilie geriet das H e r z o g t u m immer stärker in den französischen Macht- und Kulturbereich. Die Herzoge hingen alt-anjouvinischen Träumen nach den Königreichen Sizilien und Arelat nach und waren nicht mehr willens, die Lehenshoheit des Reiches anzuerkennen. Gegenüber Burgund bestand Feindschaft auf Leben und T o d , besonders seit H e r z o g Rene II. in der Schlacht bei Nancy (1477) Karl den Kühnen vernichtend geschlagen hatte, eine Tat, die seinen Namen in der Geschichte festhielt. D a ß er sein zerstückeltes Lothringen zwischen Burgund, dem Reich und Frankreich behaupten konnte, war gewiß eine bedeutende Leistung. Maximilian versuchte, den H e r z o g wieder näher an das Reich heranzuführen. — Vergebens. Er verweigerte den Lehenseid und lehnte nach dem Wormser T a g (1495) auch Reichssteuer und Kammergericht f ü r Lothringen ab. Auch mit einer habsburgischen Heirat konnte ihn Maximilian nicht ködern. Der H e r z o g hielt in allen Kriegs- und Friedenshändeln zu Frankreich. Einige Fürsten und Dynastien konnte Maximilian wenigstens zeitweise fester an seine Politik binden; so Bayern, Baden und Sachsen, mit denen er eng verwandt war. Eheverbindungen seiner Kinder und Enkel mit reichsfürstlichen Familien hat der Kaiser nicht versucht, weil ihm Wechselheiraten mit den großen europäischen Königshäusern wichtiger schienen. Eine Ausnahme bildete die Heirat seiner Schwester Kunigunde mit H e r z o g Albrecht von Bayern, die noch Sigmund von Tirol gegen den Willen des alten Kaisers heimlich eingefädelt hatte. Sie brach dem alten bayerisch-österreichischen Gegensatz die Spitze ab, entschärfte den Streit um Vorderösterreich sowie um die Reichsstadt Regensburg und beeinflußte die Haltung Bayerns im Verfassungskampf. Besonders herzlich war diese Freundschaft freilich nie. „Wollte man das bayerische und das österreichische Geblüt in einem Topf zusammensieden, würde eines das andere herausspringen machen", scherzte Maximilian einmal. Interventionen seiner Schwester Kunigunde, „eines Frauenbildes, das ihrer Tage nicht viel in der Welt zu regieren gepflogen", zugunsten ihrer Familie schätzte der Kaiser ganz und gar nicht. Auf dem Wormser T a g (1495) leisteten die Herzoge von Bayern dem König nicht unbedeutende Hilfe, indem sie dem Reichstag fernblieben und ihre Standesgenossen im Stiche ließen; freilich haben sie auch den König nicht unterstützt. D a ß Maximilian den Landshuter Erbfolgekrieg, eine der größten Tragödien des Wittelsbacher Hauses, so sehr f ü r sein eigenes „Interesse" ausnützte, konnten ihm die Herzoge nur schwer verzeihen und zogen sich fortan beleidigt aus der habsburgischen Gefolgschaft zurück. Da nützte
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auch keine Drohung Maximilians mit „einem großen Gewitter, von dem niemand wissen kann, wen es treffen wird". Die Bayern wollten nach dem Tode Maximilians alles zurückerobern, was er dem Haus Wittelsbach entrissen habe. An einer Demütigung Bayerns war Maximilian gewiß nie gelegen: er wünschte zwar kein übermächtiges, aber doch ein starkes Bayern als Bundesgenossen und war überzeugt, daß er ohne oder gar gegen Bayern das Reich nicht regieren könne. Aber die Herzoge lösten sich bald nach Maximilians Tod aus der habsburgischen Bevormundung und entschlossen sich zu einer freien Bündnispolitik. Auch Württemberg gehörte nach einigen Wirren und Widerständen zur Partei des Königs. 1495 erhob er das Land zum Herzogtum — allerdings nur als Mannslehen — und bestätigte ihm das Ehrenrecht auf des Reiches Sturmfahne. Herzog Ulrich, den Maximilian nach Absetzung des geisteskranken Eberhard II. — noch minderjährig — an die Herrschaft gebracht hatte, gehörte lange Zeit zu seinen ausgesprochenen Liebkindern. Der König schätzte den leidenschaftlichen, fallweise unberechenbaren jungen Herren als Jagdgenossen und Kriegsgefährten und überließ ihm nach dem Landshuter Feldzug bedeutende Kriegsgewinne. Die ersten großen Enttäuschungen bereitete ihm Herzog Ulrich durch seinen Austritt aus dem kaisertreuen Schwäbischen Bund und durch den „Verrat" während des Feldzuges von 1513, als er angeblich für ein französisches Schmiergeld einen Waffenstillstand abgeschlossen und den Kaiser im Stich gelassen hatte. Die Freundschaft fand ein jähes Ende, als Herzog Ulrich seinen Stallmeister Hans von Hutten, den Ehemann seiner Geliebten, mit eigener Hand heimtückisch ermordete, und als die Gemahlin des gewalttätigen Württembergers, eine Nichte des Kaisers, zu ihren Brüdern nach Bayern flüchten mußte. Der verzogene Liebling des Kaisers wurde nun zu dessen verbissenem Gegner. Maximilian sprach gegen ihn die Reichsacht aus, die aber gegen den Widerstand der Reichsfürsten nicht vollstreckt werden konnte. Da mit dem Abfall Württembergs das ganze südwestdeutsche Bündnisystem der Habsburger zusammenzubrechen drohte, entschloß sich der Kaiser, den Rebellen mit Hilfe Bayerns aus seinem Lande zu vertreiben und Württemberg zu besetzen. Damit war ein Problem in die Welt gesetzt, das sich nicht so bald lösen ließ. Zu den treuen Anhängern der Habsburger gehörten die Markgrafen von Baden. Markgraf Christoph war ein Vetter Maximilians und konnte mit dessen Unterstützung seine kleine badische Hausmacht durch niederländische Erwerbungen bedeutend verstärken. Er verstand es überdies, durch seine weit ausholende Kirchenpolitik mehrere Bistümer an seine Familie zu bringen, vor allem das Kurfürstentum Trier, wodurch auch der König seinen Einfluß auf das Kurkolleg verstärkte. Seit alters unterhielt Baden auch gute Beziehungen zur Kur-Pfalz und erwies Maximilian wie dem Pfälzer während des großen Erbfolgekrieges als Vermittler gute Dienste. Auch die sächsische Familie war mit den Habsburgern eng verwandt. Die Eltern hatten ihren Kindern empfohlen, stets zur Ehre des Kaisers und des Reiches zu handeln und „kaiserliche Majestät nit zu verlassen". Albrecht
Fahnengruppe der österreichischen Fürstentümer (Steiermark, Alt-Österreich und Österreich). Die Namen auf dem oberen Rand des Banners fehlen. Die Bannerträger der Länder, um die der Kaiser kämpfte, tragen Hämisch. Holzschnitt von A. Altdorfer aus dem Triumph.
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der Beherzte von Sachsen hatte für den abwesenden Maximilian während der letzten Jahre den niederländischen Krieg erfolgreich beendet, ohne dafür je ganz ausbezahlt zu werden; die offenen „Sachsenschulden" belasteten noch die Enkel. Uber Kurfürst Friedrichs Wandel vom engen Freund des Kaisers zu dessen offenem Feind war bereits die Rede. Am Niederrhein hatten die Herzoge von Kleve und Jülich, von Burgund unterstützt, ansehnliche Länderstaaten ausgebildet. Beide Herzogtümer standen an der Seite Maximilians und wurden mit dessen Hilfe durch Heirat in der Hand Johanns III. von Kleve vereinigt, der sich dafür lange dankbar zeigte. Die vereinigten Herzogtümer bildeten fortan einen mächtigen Staat, der beiderseits des Niederrheins, vom Teutoburger Wald bis an die Grenzen von Holland und Brabant heranreichte. Mit Hilfe von Kleve-Jülich hatten die Habsburger sowohl Geldern wie das Erzstift Köln einigermaßen in der Hand. Wie viele andere deutsche Fürsten, die sich Maximilian hatte verpflichten können, verließ auch der Herzog von Kleve bald nach des Kaisers Tod die habsburgische Partei. Auf der Seite Maximilians standen auch die Landgrafen von Hessen. Wilhelm III. (^"1509), der die beiden hessischen Linien vereinigte und seither mächtig auftreten konnte, bewährte sich während des Verfassungskampfes und der geheimen Fürstenbünde als „guter Österreicher". Er unterstützte den König im Landshuter Krieg kräftiger als die meisten anderen Fürsten, wovon die Vernichtung vieler Pfälzer Städte, Dörfer und Klöster düsteres Zeugnis gab. Noch im Testament rühmte sich Landgraf Wilhelm, zeitlebens „gut österreichisch" gewesen zu sein. Nach seinem Hinscheiden folgten Familienfehden zwischen den hinterbliebenen Witwen der Brüder und Vettern, bei denen sich der Kaiser wenig hilfreich zeigte. Aus den langen Wirren ging schließlich Philipp I. als Landgraf hervor, der keine Ursache hatte, dem Kaiser dankbar zu sein, und sich bald auf die Seite Frankreichs und des fürstlichen Widerstandes schlug. Er wurde künftig der eigentliche Anführer des neuen Kirchenwesens und der Opposition gegen den Kaiser. Sein Abfall von der habsburgischen Sache und vom alten Glauben gab der deutschen Geschichte eine entscheidende Wendung. Einer der angesehensten Reichsfürsten der älteren Zeit und verläßlicher Bundesgenosse Kaiser Friedrichs III. war Albrecht Achilles von Brandenburg gewesen. Er hatte sich um die Wahl Maximilians (1486) verdient gemacht. Als er den hohenzollerschen Gesamtbesitz teilte, überließ er dem jüngeren Sohn, Markgraf Friedrich, das Fürstentum Ansbach-Bayreuth, dem älteren Sohn Johann III. hingegen Kur-Brandenburg. Auch Markgraf Friedrich von Ansbach-Bayreuth stand in Krieg und Frieden fest an der Seite Maximilians. Als der Markgraf seinen Raubkrieg gegen die Reichsstadt Nürnberg führte, konnte der König nicht umhin, den Brandenburger gegen die Stadt zu unterstützen, wie denn die Städte gegen die Fürsten stets den kürzeren zogen. Dafür stand der Markgraf während der Zeiten der Fürstenverschwörung treu zum König und hielt auch seinen Bruder, den Kurfürsten von Brandenburg, von feindseligen Schritten zurück.
Kaiser, Kurfürsten und Fürsten
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Friedrichs Sohn Kasimir, ein roher Haudegen, begleitete den Kaiser auf vielen Feldzügen. Maximilian ehrte den fürstlichen „Landsknecht", indem er ihm seine Nichte Susanne von Bayern als Frau vermittelte und persönlich den Brautführer spielte. Markgraf Friedrich und seine Söhne gehörten zu den wenigen Reichsfürsten, die Maximilian bei der Kaiserproklamation in Trient (1508) die Ehre gaben. Im Gegensatz zu den fränkischen Hohenzollern standen die Kurfürsten von Brandenburg dem Kaiser eher fern, ohne sich indes gegen ihn vorzuwagen. Auf dem Wormser Tag (1495) machte Kurfürst Johann III. von sich reden, als er zusammen mit Sachsen die Zuständigkeit des Kammergerichtes f ü r sein Land ablehnte, worauf man sich auf das feine „Suppenessergericht" einigen mußte. Auch dessen Sohn Joachim I. (|1535) hielt sich von der Fürstenverschwörung fern, stand aber auch nicht zum König, der außer „Posterei, Jägerei und Falknerei" nicht viel verstehe, wie der Brandenburger einmal überheblich spottete. Für die große Politik Maximilians — sei es Italien, sei es der Deutsche Orden — fehlte dem nüchternen, eher geizigen Kurfürsten jeder Sinn: „Der Kaiser greife zu viele Sachen an; . . . was kümmere Brandenburg der Deutsche Orden? . . . Man lade nur Gefahren auf sich", äußerte er, obwohl sein Vetter Albrecht Hochmeister des Deutschen Ordens war und um Sein oder Nichtsein kämpfte. Maximilian hatte Joachims Bruder Albrecht bei der Erwerbung des Kurfürstentums Mainz, des Erzbistums Magdeburg und des Bistums Halberstadt unterstützt und außerdem f ü r die Kardinalswürde empfohlen, wodurch er sich nicht nur Mainz, sondern auch Brandenburg zu verpflichten hoffte. Gleichwohl verhandelte Joachim bei der Kaiserwahl 1518/19 in sehr unschöner Weise auch mit dem König von Frankreich, steigerte laufend seine Forderungen und konnte schließlich nur gegen hohe Versprechungen f ü r Karl (V.) gewonnen werden. Den Ausschlag gab neben dem Geld wohl die Eifersucht gegen Friedrich von Sachsen. Dieser schäbige Stimmenverkauf ist in besonders unguter Erinnerung geblieben. Unter den kleineren Fürsten hielten Anhalt, Braunschweig, Mecklenburg und Pommern fest zum Kaiser. Die Fürsten von Anhalt gehörten zu jenen kleineren Reichsständen, die sich am ehesten im engen Anschluß an Kaiser und Reich selbständig erhalten und der Unterwerfung durch mächtige Nachbarn entziehen konnten. Der bedeutendste Vertreter des Hauses, der im Dienste Maximilians aufstieg und wirtschaftliche Besserstellung suchte, war Fürst Rudolf ("|"1510), „das treue Blut", der als kaiserlicher Feldherr eine bedeutende Rolle spielte, während sein Vetter Magnus von Anhalt im Lager Bertholds stand und sich nach der Niederlage der reichsständischen Sache in die geistliche Versorgung eines Dompropstes von Magdeburg zurückzog. Zu den treuesten Anhängern Maximilians gehörte Fürst Bogislaw von Pommern, der mit Hilfe des Kaisers die Brandenburger Lehenshoheit abzuschütteln hoffte, was Maximilian gegen den mächtigen Kurfürsten noch nicht zulassen konnte. Das schaffte erst Karl V., der den Pommern endlich
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den kaiserlichen Lehensbrief verlieh, ohne sich um die Ansprüche Brandenburgs zu kümmern. Auch die Braunschweiger Fürsten unterstützten die Sache des Königs. Während des Pfälzer Krieges kämpften Braunschweiger, Hessen und Mecklenburger treu an der Seite Maximilians. Zumal Herzog Erich von Braunschweig, der durch seine Heirat mit der Witwe Erzherzog Sigmunds von Tirol zum nahen Verwandten Maximilians aufrückte, durfte sich seit der Schlacht am Wenzenberg (1504), wo er dem König das Leben rettete, dessen „Sohn und Bruder" nennen. Obwohl er dem Kaiser auch im Venezianerkrieg mit Hingabe diente, wurde er wegen seiner geringen Erfolge schließlich entlassen. Auch Erichs Bruder, Heinrich d.A., leistete dem Kaiser Kriegsdienste und war sogar einmal als Reichshauptmann vorgesehen, zog sich aber wohl zusammen mit Erich — ohne Dank vom Hause Österreich — aus dem Hofdienst zurück. Während der Wahlhandlungen für Karl (V.) standen die Braunschweiger bereits im Lager der Gegner, weil „Österreich und Maximilian mit allzugroßer Gewalt geherrscht und die Stände unterdrückt hatten". Gerade unter den jüngeren Fürstensöhnen der kleineren Dynastien, die auf kaiserliche Dienstgelder angewiesen waren oder auf Landerwerbungen in Italien hofften, hatte sich Maximilian zeitlebens Freunde und Gefolgsleute gesichert. Er widmete ihnen als seinen Feldhauptleuten im „Triumphzug", als seinen „erkorenen Fürsten" ein ehrenvolles Andenken. In der Regierung und Verwaltung wurden Fürsten aber kaum mehr verwendet. Aus dem königlichen Hofrat waren sie mit der Augsburger Reform von 1500 ausgeschieden. Als Maximilian 1502 seinen Hofrat als Reichsregiment erneuerte, wurden die Fürsten ferngehalten. An ihre Stelle traten kleinere reichsfreie Grafen, Herren und Ritter, meist aber Beamte. Ungleich stärker an Zahl als die großen weltlichen Geschlechter waren die geistlichen Fürstentümer, Erzbistümer, Bistümer und Reichsabteien — insgesamt gegen neunzig —, die teilweise zwar von den benachbarten Ländern wie Zweitgeburtslehen besetzt und beherrscht wurden, im allgemeinen aber doch aus Gründen der Selbsterhaltung dem Kaiser treu ergeben blieben und nicht selten zu Reichsdiensten im Hofgericht, Kammergericht oder zu wichtigen Gesandtschaften herangezogen wurden. Auf den Reichstagen gingen sie anfänglich wohl mit Berthold von Mainz, später aber meist mit dem Kaiser. Als Gerüchte aus Gelnhausen von Absetzungsplänen berichteten, meinte Eitelfritz von Zollern, der Kaiser solle sich mehr an die geistlichen Fürsten halten, denn die Bischöfe seien ihm treu und strebten nicht nach der Kaiserwürde. Auf der Fürstenbank saßen auch vier Vertreter der Grafen und Freien Herrn, die in älterer Zeit — weil sie nicht allzu mächtig waren — sogar Könige stellen durften. Die Habsburger waren aus diesem Stand aufgestiegen. Sie suchten den Reichs- und Königsdienst, wo sie Ehre, Wohlstand und Schutz gegen die übermächtigen Fürsten zu erwarten hatten. Ihre Dienste waren dem Kaiser umso willkommener, weil sie den Anschein der Mitwir-
Kaiser, Kurfürsten und Fürsten
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kung des Reiches an seiner Regierung erweckten, was ihm seit dem Ausscheiden der Fürsten besonders wichtig schien. Unter Maximilian spielten die Grafen von Nassau eine führende Rolle, die in älterer Zeit sogar einen König gestellt hatten, der im Kampf gegen Albrecht I. von Habsburg gefallen war (1298). Adolf von Nassau begleitete Maximilian in die Niederlande, dürfte dort reichlich verdient und sich bei den Niederländern, „den welschen Verrätern", nicht besonders beliebt gemacht haben. Während der deutschen Verfassungskämpfe versuchte er wohl zwischen Maximilian und Berthold hindurchzusteuern, was ihm der König schwer verübelte; erst nach dem Zusammenbruch des fürstlichen Widerstandes bezog Graf Adolf wieder klare Stellung. Als unabhängiger Reichsstand, der unter Umständen auch eigene Wege gehen konnte, unterschied er sich doch wesentlich von Höflingen wie Serntein oder Lang. Seit sich Maximilian ganz auf seine Beamten umstellte, brauchte er auch die Grafen nicht mehr unbedingt — vor allem, wenn sie allzu selbständig auftraten. Eine große Rolle spielte auch Graf Engelbert II. von Nassau-Breda, ein entfernter Vetter des Grafen Adolf. Er gehörte zu den führenden Hofwürdenträgern und Feldhauptleuten, der bei Guinegate (1479) und Bethune (1487) mitkämpfte und als Maximilians Brautwerber in der Bretagne auftrat. Er spielte im burgundischen Rat eine führende Rolle, ohne dessen französischen Kurs verhindern zu können. Sein Geschlecht erwarb später das Fürstentum Oranien und stieg als Gegner Habsburgs unter die großen Herrschergeschlechter Europas auf. Besonders nahe standen Maximilian die schwäbischen Grafen von Zollern, die sich aus Sorge vor der Ubermacht Württembergs unter den Schutz der Habsburger stellten; Graf Eitelfritz II. spielte als enger Vertrauter Maximilians eine besondere Rolle. Er kämpfte in den Niederlanden, vertrat seinen Herrn bei den Preßburger Friedensverhandlungen (1491) und bei der Schatzsuche nach Kaiser Friedrichs III. Tod, was als besondere Vertrauenssache galt. Bei der großen Behördenreform von 1497/98 zog Graf Eitelfritz in den neuen königlichen Hofrat ein, der damals noch vorwiegend von Fürsten geleitet war. Er war einer der verhaßten Schwaben und gehörte zu jenen engen Vertrauensleuten, die den König niemals enttäuschten, der sogar mit dem Goldenen Vlies ausgezeichnet wurde. Nach dem Ausscheiden der Fürsten (1500) rückte er als treu ergebener Reichsstand an die Spitze des königlichen Hofrates vor, wurde oberster Hofmeister und spielte bei allen Kriegs- und Friedensgeschäften eine führende Rolle. Nach dem Hinscheiden des Grafen von Zollern rissen die Doktoren und Juristen zum größten Ärger der Kurfürsten fast alle Macht an sich. Maximilian hatte im Laufe seiner Regierung ein verhältnismäßig starkes Bündnissystem unter den weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, den Grafen, Freiherrn und Rittern aufgebaut, das ihn während der langen Kriege in Italien zwar nicht gegen alle inneren Verlegenheiten, aber doch gegen große Überraschungen wie die Fürstenverschwörung von 1502/03 sicherte. Daß er von den Kurfürsten und Fürsten Reichshilfe nur im allergeringsten
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Ausmaß erwarten durfte, daß selbst beschlossene Steuern nur sehr schwer hereingebracht werden konnten, war nicht zu ändern. Maximilian mußte zufrieden sein, daß seine Königs- und Kaiserrechte seit 1503 nicht mehr grundsätzlich angefochten wurden, und daß er gerade bei den kleinen Reichsständen immer wieder Hilfe und Verständnis fand. Nach dem Tode des Kaisers ist dieses Bündnissystem allerdings sehr rasch zerfallen: „Er habe allzu gewalttätig geherrscht", sagte man. Die Wahlkapitulation von 1519 aber führte Klage, „man habe Leute minderen Standes über die Kurfürsten gestellt".
Freund
des
Ritterstandes
„Arm an Gut, groß an Mut, das Schwert in der Hand, das ist der Ritterstand", sagte man. Aber damals galt der Ritter nicht mehr viel. Als „Einspänniger", mit einem Pferd, stieg man in den kleinen Adel auf. Kriegsdienst oder Hofdienst zu Pferde genügte. Mit Recht rümpfte Cuspinian die Nase über die vielen Neulinge, die sich bei den Wiener Festtagen von 1515 den Ritterschlag des Kaisers holten, obwohl sie noch den Geruch des Stalles nach sich zogen. Maximilian, „der letzte Ritter", fühlte sich diesem Stande besonders verbunden, vermehrte ihn je nach Bedarf, zeichnete diese Aufsteiger als „Goldene Ritter" oder „Gekrönte Ritter" besonders aus und beschenkte sie großzügig mit Wappenbriefen. Er hatte den Rittern im Rahmen seiner Reichsreform eine bedeutende Aufgabe zugedacht und eröffnete ihnen neue Aufstiegsmöglichkeiten, wo immer er konnte. Aber eine Zusammenfassung der reichsfreien Ritter zum Machtkampf gegen die Fürsten, womit der Kaiser in Andeutungen drohte, wäre ihm wohl kaum gelungen. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Niedergang des Ritterstandes schien seit dem 15. Jahrhundert kaum mehr aufzuhalten, sosehr sich gerade Maximilian bemühte, der ritterlichen Lebensform neuen Inhalt zu geben. Altritterliche Kampfesweise, das Turnier, war zur leeren Schau geworden; den Krieg trugen hauptsächlich die Feuerwaffen und die Landsknechte. Seit das Bargeld den Ausschlag gab und nicht der Grundbesitz, entschwanden den Rittern auch ihre wirtschaftlichen Grundlagen. Ihre kleinen Grundherrschaften reichten nicht immer zu einem standesgemäßen Auftreten, so daß sie mit dem aufsteigenden Bürgertum kaum mehr Schritt halten konnten. Sie suchten ihre Zuflucht in geistlichen Pfründen der Domkapitel, Herrenklöster und Ritterorden, die geradezu als „Spitäler des Adels" in Anspruch genommen wurden. Viele Ritter nahmen Hofdienst bei benachbarten Fürsten und verloren dadurch nicht selten ihre Reichsfreiheit. Manche dieser „Einspännigen" dienten an den Höfen als Wächter, berittene Boten oder bessere Knechte in der Waffenkammer oder im Marstall. Manche verkauften sich als „Rechtshelfer", schlossen sich zu Banden zusammen und betrachteten die Fehde im Dienst zahlungskräftiger Auftrag-
„Ritter, Tod und Teufel." Symbol für die Haltung des christlichen Ritters: unbeirrt von den Fährnissen dieser Welt reitet er, begleitet vom klugen Hund, dem von ferne sichtbaren Montsalvat entgegen. Kupferstich von A. Dürer.
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geber als rechtmäßiges Geschäft. Der Mangel an höheren Aufgaben drohte dem Ritterstand jedes höhere sittliche Empfinden zu nehmen. Der hochgebildete Ulrich von Hutten nannte seine Standesgenossen „Kentauren", halb Mensch halb Vieh, weil sie jeder höheren Lebensform entbehrten. Gewaltige Kräfte des politischen und sozialen Umsturzes wären in diesem Stand lebendig gewesen, wenn sie der Kaiser nur aufgeboten hätte. So aber verlegten sich viele auf gewöhnlichen Straßenraub, machten sich erbötig, gegen Geld Gerichtsurteile zu vollstrecken, ausständige Schulden einzutreiben, Geldleute zu erpressen, Kaufmannszüge zu bewachen oder zu überfallen, wenn das Schutzgeld verweigert wurde. Als ob es keinen Ewigen Landfrieden gebe, verschickten sie weiter ihre Fehdebriefe und umgaben ihre Gewalttaten mit dem Mantel des „guten alten Rechtes". Auf dieser Ebene bewegten sich die Fehden eines Götz von Berlichingen oder Franz von Sickingen, der nach italienischem Muster zum Condottiere, zum Kriegsunternehmer großen Stils, aufstieg. Was bedeutet wohl Dürers berühmter Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel", der 1513 entstand, als Raubritter allenthalben ihr Unwesen trieben? Es ist ein Gegenstück zu den vielen Reiterbildern des Kaisers und zeigt den Ritter, der sich weder von Tod noch Teufel abschrecken läßt, sondern ruhigen Rittes und erhobenen Hauptes seines Weges zieht, vom treuen Hund, „dem weisesten aller Tiere", begleitet. Auch hier finden sich — wie im Misterium — die geheimnisvollen Hieroglyphenzeichen des Horapoll (Hund, Schwein und Salamander). Eine Beziehung zu den großen Auftragswerken des Kaisers ist nicht unwahrscheinlich. Vielleicht sollte dem Ritterstand die Symbolfigur des Eques christianus vor Augen gestellt werden, dem der Tod drohend sein Ende anzeigt, wenn er den rechten Weg verläßt. Der Kaiser bemühte sich, die Ritter in den Reichsdienst einzubauen. Neben den Doktoren sollten sie ein Anrecht auf die höchsten Richterstellen im Kammergericht haben; überhaupt wollte er Gerichtsbarkeit und Urteilsvollstreckung im Reich vorzüglich dem Ritterstand übertragen. In seinen österreichischen Ländern dienten Ritter sogar als Regenten in Innsbruck und Wien; als Landrichter, Pfleger und Hauptleute bildeten sie das Rückgrat der Lokalverwaltung. Da machten kleine „Einspännige" wie Florian Waldauf oder Blasius Hölzl oder Kaspar Lechtaler einen glänzenden Aufstieg. Die Ritterwürde war noch immer gesucht, und der Kaiser verstand es, mit der Verteilung von Adelsbriefen sich Geld und Freunde zu schaffen. Wenn er sich auswärtige Gesandte besonders verpflichten wollte, machte er sie zu „Goldenen Rittern", was wieder als hohe Ehre galt. Vor allem im Kriegsdienst fand der Ritterstand neue und lohnende Aufgaben. Die mittleren und höheren Führungsposten im Landsknechtheer wurden durchaus mit Rittern besetzt. Rittermäßige stellten das Reiterheer, das neben den Landsknechten weiterhin unentbehrlich blieb. Der rittermäßige „Provisoner", der lebenslänglichen Sold (Provision) erhielt, fand nicht nur im Hofdienst, etwa bei der Garde, sondern auch im Aufgebot der Länder und des Reiches ein ehrenvolles, wenn auch bescheidenes Auskommen.
Freund des Ritterstandes
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Manche dieser Soldritter, wie Jörg von Frundsberg, stiegen zu angesehenen Feldherren auf. In den Rittern vom St. Jörgenschild, aber auch in den Rittern des St. Georgsordens sah Maximilian eine Kerntruppe des Reiches, wie er denn überhaupt ein großer Freund aller Ritterorden gewesen ist, die er gerne zu einer umfassenden Ordensgemeinschaft zusammengeschlossen hätte. Der Kaiser plante, das burgundisch-österreichische Wehrsystem auf das Reich zu übertragen und ein stehendes Reichsheer aufzustellen; Ritter und Landsknechte sollten in die Wehrverfassung des Reiches eingebaut werden — ein Plan, den schon die Reformatio Sigismundi und Nikolaus von Kues angeregt hatten. Auf vielen Reichstagen hatte Maximilian diese neue Kriegsordnung vorgeschlagen. Dabei dachte er nicht nur an auswärtige Kriege; auch innerhalb des Reiches sollten ritterliche Schutzmannschaften unter dem Befehl eines Reichshauptmannes und mehrerer Unterhauptleute mit Hilfe von Rittergerichten den Landfrieden innerhalb der neuen Reichskreise wahrnehmen. Damit wären den Rittern bedeutende Aufgaben, einflußreiche Stellungen und feste Einkünfte zugefallen. Kaiser und Reich hätten mittels dieser Schutzmannschaften in die Länder eingreifen, den inneren Frieden sichern und die Abwehrbereitschaft nach außen wahrnehmen können. Die alte Reichsministerialität sollte in modernen Formen erneuert werden. Wie zu erwarten, haben Kurfürsten und Fürsten diese sehr fortschrittlichen Pläne auf allen Reichstagen beharrlich zurückgewiesen, weil sie eine Zunahme der Reichsgewalt und kaiserliches Vollzugsrecht innerhalb ihrer Länder verhindern wollten. Eine derartige Neuerung hätte der inneren Entwicklung des Reiches eine ganz neue Richtung gewiesen, wäre aber sicher nur im Wege der Gewalt durchzusetzen gewesen. Äußerungen Maximilians aus den Jahren 1503 und 1507 lassen vermuten, daß er sogar daran dachte, mit Hilfe des Ritterstandes gegen die Fürsten vorzugehen und eine Umgestaltung des Reiches zu erzwingen. Seine dunklen Drohungen sind mitunter so verstanden worden. Ein politisches Lied forderte den Kaiser geradezu auf, „sich an die Spitze der Stare ( = Ritter) zu stellen, da ihm die Falken ( = Fürsten) nicht folgen wollten", aber einen so gefährlichen Umsturz, von dem man nie wissen konnte, wo er zum Stillstand kam, hat der Kaiser nicht gewagt. Die Ritter wären vielleicht bereit gewesen, den lodernden Pechkranz in das morsche Gebäude des alten Reiches zu werfen, was der Ritterkrieg von 1523 wahrscheinlich macht. Aber das hätte einen allgemeinen politischen und sozialen Umsturz des gewachsenen Reichssystems bedeutet, der dem Gottesgnadendenken des Kaisers fernelag. Was den Königen von Frankreich in Jahrhunderten glückte, die Kräfte des kleinen Adels gegen die Großen für den Ausbau der königlichen Macht zu nützen, konnte dem Kaiser — unter ganz anderen Verhältnissen — nicht gelingen. Wie Kriegsleute gerne tun, führten die Ritter öfter großartige Sprüche: Sie seien nur dem Kaiser verpflichtet, „hätten auf dem Römerzug Zelt, Krone und Zepter des Kaisers zu bewachen . . . ihre Ehre sei der Ritterschlag auf der Tiberbrücke"; jede weitere Verpflichtung für das Reich, zumal den Gemeinen Pfennig, lehnten sie ab. Auch der Kaiser konnte sie dazu nicht be-
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Der Kaiser und die Reichsstände. Die Lage des Reiches und der Erbländer
wegen. Von den Reichstagen, auf denen sie nicht vertreten waren, wollten sie nichts wissen. Der Kaiser hielt zwar stets Verbindung zum reichsfreien Ritterstand — geschlossen einsetzen konnte er ihn aber nicht. Da ihm die Stände eine Friedenstruppe versagten, suchte er fallweise sogar Verbindung mit dunklen Ehrenmännern ritterlichen Standes wie Götz von Berlichingen oder Franz von Sickingen. So hatten die Habsburger die Wahl Karls V. nicht zuletzt auch der schwäbischen und rheinischen Ritterschaft zu verdanken, die zum Marsch auf Frankfurt bereitstand.
Der Kaiser
und die Städte. „Der Bürgermeister
von
Augsburg"
Der Kaiser reichte Bürgermeistern und Ratsherren bei feierlichen Empfängen gern die Hand zum Gruß, was es bis dahin kaum gegeben hatte. Er lud die Bürger zum Schießen auf die Festwiese, gab ihnen reiche Gastmähler, tanzte und scherzte mit ihren Frauen und Töchtern und machte dem Modebedürfnis bürgerlicher Damen manches Zugeständnis, das die Standesunterschiede bisher verboten hatten, und befreite die Augsburger Bürgersfrauen vom lästigen „Sturz", der die weiblichen Reize völlig verhüllte. Großbürgerliche Geldleute wie die Fugger, Welser, Adler u. a. behandelte der Kaiser fast wie Fürsten und ließ sich ihre Gastfreundschaft gefallen. Man nannte Maximilian — nicht nur im Reich — öfter „den Bürgermeister von Augsburg", worauf er stolz war. In der Tat genoß er in dieser Stadt besondere Rechte. Maximilian galt als Freund der Bürger und der Städte; er brauchte sie, und insoweit waren sie ihm lieb und teuer. Der Kredit der städtischen Bankhäuser und Handelsunternehmungen, die Darlehen der Fugger u. a., die nicht selten eine ganz andere politische Richtung verfolgten als die übrige Stadtgemeinde, bot der kaiserlichen Weltpolitik die nötige finanzielle Hilfe. Ohne sie hätte er seine große Politik kaum finanzieren können. Besonders hilfreich waren dem Kaiser die internationalen Verbindungen der großen Bankleute, die ihm das nötige Geld rasch bereitstellten, wo immer er es brauchte. Die großen Bankhäuser zeigten sich bereit, die kühnsten Unternehmungen des Kaisers, vor allem seine Italienkriege, mit den nötigen Anleihen zu unterstützen, wenn sie nur durch gute Pfänder, Bergwerke oder Kammergut gesichert waren. Der Kaiser überließ ihnen dafür ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung Handelsprivilegien größten Ausmaßes wie den verhaßten „Fürkauf". Die Kirche verzichtete damals sogar auf ihr altes Zinsverbot, so daß christliche Bankleute stärker als vorher auch in dieses uralte Vorrecht der Juden eindrangen. Eine wirksame Beaufsichtigung und Beschränkung der großen Unternehmer wagte niemand. Während des Venezianerkrieges gestattete er den Handelsunternehmungen zum fassungslosen Staunen aller Kriegsleute sogar den freien Warenaustausch mit Venedig. Obwohl die Monopole auf dem Kölner Tag (1512) verboten wurden, änderte sich nichts, da der Kaiser auf den Kredit der Großunternehmer nicht verzichten wollte. Die unterschiedlichen Interessen trennten die großbürgerliche
Der Kaiser und die Städte. „Der Bürgermeister von Augsburg"
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Hochfinanz von der mittel- und kleinbürgerlichen Stadtgemeinde. Während die Fugger die kaiserliche Kriegspolitik bedenkenlos finanzierten, wehrten sich die Stadtgemeinden auf den Reichstagen gegen die auswärtigen Kriege, welche ihre Handelsgeschäfte mit Italien störten. Sie vergaßen allerdings, daß in dieser Welt des unbarmherzigen Wettbewerbs der bewaffnete Schutz des Reiches die auswärtigen Märkte erst erschließen und dann sichern mußte. Im allgemeinen hielten die Städte auf den Reichstagen doch zum Kaiser. Er hatte ihre Zulassung zu den Reichstagen gefördert, weil sie die leistungsfähigsten Steuerzahler waren. Ahnlich den Rittern unterstanden auch die Reichsstädte unmittelbar dem Kaiser; ihr enger Anschluß an Kaiser und Reich war f ü r sie eine Uberlebensfrage, wenn sie ihre Freiheit gegen die benachbarten Fürstenstaaten erhalten wollten. Hatten doch die Fürsten auf dem Wormser Tag vorgeschlagen, der Kaiser möge — um sich Geld zu verschaffen — die Reichsstädte samt und sonders verpfänden, was der Anfang des Endes ihrer Freiheit gewesen wäre. Die Reichsreform war den Städten ein echtes Anliegen: vor allem gutes Regiment, Landfriede, Kammergericht, Sicherung der Handelsstraßen, gute Marktgesetze und reichseinheitliche Münze. Die Reichssteuer freilich, welche die Fürsten größtenteils auf die Städte abzuwälzen suchten, erschien ihnen als lästiges „Servitut", zumal sie bereits ihre regelmäßige jährliche Stadtsteuer zu zahlen hatten. — Mit den Städtevertretern kamen auf den Reichstagen erstmals wirtschaftliche und „demokratische" Ideen zur Sprache, die sich von der oligarchischen Weltschau der Fürsten wesentlich unterschieden und auch beim Kaiser nur auf geringes Verständnis stießen. In eine besonders schwierige Lage geriet der Kaiser, wenn er bei Streitigkeiten zwischen Städten und Fürsten, etwa zwischen Nürnberg und dem Markgrafen Friedrich von Ansbach-Bayreuth oder zwischen den aufsässigen Bürgern von Worms und ihrem bischöflichen Stadtherrn, entscheiden sollte. Da hielt Maximilian meist doch zu den mächtigeren Fürsten — weniger zu den geistlichen Stadtherren. Ebensowenig hatten die Städte in solchen Fällen vom Reichstag zu erwarten: „Es war, als ob man sich bei seiner Stiefmutter beklagte", meinten die Frankfurter. Immerhin konnte der Kaiser Regensburg, Weißenburg, Konstanz, Landau und andere Städte beim Reich erhalten. Die freien Reichsstädte, die sich als Stützpunkte des Kaisers über das ganze Reich verteilten, gegen den Zugriff der Fürsten zu verteidigen, alte Verpfändungen einzulösen und neue zu verhindern, war f ü r Maximilian ein echtes Anliegen. Bei den damals sehr häufigen innerstädtischen Verfassungskämpfen der aufstrebenden Zünfte, welche gegen die alten Patriziergeschlechter volle Ratsfähigkeit, Gleichberechtigung und Mitbestimmung forderten, trat der Kaiser meist f ü r die Partei der G r o ß k ö p f e ein, die ja auch seine wichtigsten Geldgeber waren. Uberhaupt empfand er innerstädtische Freiheitsbewegungen im Grunde seines Herzens als widerwärtig. Er hatte als Kind den Aufstand der Wiener gegen seinen Vater miterlebt; in Brügge war er von
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Der Kaiser und die Reichsstände. Die Lage des Reiches und der Erbländer
meuterischen Bürgern gefangengehalten w o r d e n — eine der peinlichsten Erinnerungen seines Lebens. Die Stadtrepublik Venedig, „ein Staat o h n e Adel und Ehrbarkeit", schien ihm wider alle göttliche und menschliche O r d n u n g . E r schützte d a h e r die oligarchischen Stadtverfassungen, suchte im allgemeinen das Regiment der alten Geschlechter zu erhalten, aber doch auch die aufstrebenden Z ü n f t e durch mäßige Zugeständnisse zu beruhigen. Städtische Festungsanlagen im Binnenland schienen dem Kaiser unnötig. Als ihn Amsterdam bat, den Bau einer Stadtmauer zu genehmigen, antwortete er, man habe keine Ursache etwas zu f ü r c h t e n , außer Kriege, welche die Städte untereinander o d e r gegen ihren H e r z o g f ü h r t e n ; die sollten aber besser unterbleiben. Als Maximilian Utrecht eroberte (1483), ließ er die Stadtmauern schleifen und nicht wieder a u f b a u e n ; er nahm sich das Recht, innerhalb der Stadt eine Zwingburg zu errichten. Die Städte sollten weniger Büchsenmeister und d a f ü r mehr Schulmeister halten. In seinen österreichischen Städten sah der Kaiser auf straffes stadtherrliches Regiment, zumal in Wien, das sich durch M i n d e r u n g seiner alten Stadtrechte wirtschaftlich und politisch benachteiligt fühlte. Diese Stadt lag f ü r seine politischen Planungen, die sich m e h r um den Westen drehten, etwas am R a n d e — ein H a u p t g r u n d , w a r u m der Kaiser seltener in Wien erschien, was zum G e r ü c h t Anlaß gab, er habe diese Stadt weniger geliebt. D e r bevorzugte Mittelpunkt des damaligen Länderverbandes w a r allerdings Innsbruck, das Maximilian eigentlich als seine kaiserliche Residenz, als H a u p t s t a d t nicht nur der österreichischen Länder, sondern auch des Reiches behandelte. A u ß e r in Augsburg hat sich der Kaiser in Innsbruck wohl am häufigsten aufgehalten. Er soll den T e x t des elegischen Abschiedsliedes „Innsbruck, ich m u ß dich lassen" gedichtet haben, das Heinrich Isaak vertonte. D a ß ihm die Innsbrucker Wirte w ä h r e n d seines letzten Aufenthaltes wegen der o f f e n e n Rechnungen den T r o ß nicht in ihre Stallungen aufnahmen, mag ihn verletzt haben. An der H ö h e der o f f e n e n Rechnungen — 20.000 Gulden — mag man ermessen, was Innsbruck mit dem H o f verdiente. Die Stadt erlebte damals in jeder Hinsicht eine goldene Zeit.
Die Bauern Es gibt zahlreiche Geschichten über den freundschaftlichen U m g a n g des Kaisers mit den Bauern. In der T a t benützte er jede Gelegenheit, mit dem „armen M a n n " ins Gespräch zu k o m m e n . Auf der Jagd fragte er die Bauern gern nach ihren Anliegen, die ein Sekretär s o f o r t aufzuschreiben hatte. Als N a t u r m e n s c h hatte der Kaiser das gesunde G e f ü h l , d a ß das Land hauptsächlich von den Bauern lebte. Es störte ihn nicht, wenn Bauernkinder wie Florian Waldauf über den H o f d i e n s t in den rittermäßigen Adel aufstiegen, denn er schätzte bäuerlichen Fleiß u n d Hausverstand. Die Bauern machten damals etwa neun Zehntel der gesamten Bevölker u n g aus, gehörten aber nicht zu jenen Ständen, die auf Landtagen o d e r
Die Bauern
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Reichstagen vertreten waren. Innerhalb seiner Erbländer saßen die Bauern nur in Tirol als vierter Stand im Landtag. Hier galt der Landesfürst schon immer als der besondere Schutzherr der Bauern. Gerne hätte der Kaiser ihre Stellung in allen seinen Ländern verbessert, wenn er nicht immer wieder ihre Steuern f ü r den Krieg gebraucht hätte. Die Lage des Bauernstandes in den verschiedenen Gegenden des Reiches war sehr ungleich. Auch innerhalb Österreichs gab es starke Unterschiede: In den östlichen Erbländern konnten sich die Bauern von den Ungarn- und Türkenkriegen kaum erholen. Die Grundherrschaft lastete hier drückender auf dem Bauernstand als im Westen. In Tirol und vor dem Arlberg gab es ein sehr günstiges Besitzrecht, den Erbbau, der dem freien Eigen fast gleichkam. Hier lebten gewiß nicht nur gedrückte und gebrochene Bauern, sondern vielmehr selbstbewußte, wehrhafte Leute, aus denen die Landsknechte angeworben wurden, die es den freien Schweizern gleichtaten. Wegen des regen Handelsverkehres über den Brenner, wegen der nahen Bergwerke und der blühenden Städte erfreuten sich vor allem die Bauern in Tirol und Schwaben eines guten Absatzes und eines gewissen Wohlstandes. Der Reichsabschied von Lindau (1497) verordnete, daß der gemeine Bauersmann und die Lohnarbeiter in den Städten oder auf dem Land kein Tuch tragen sollten, wovon die Elle über einen halben Gulden kostete; auch sollten sie keinerlei Gold, Perlen, Samt, Seide oder gestückelte Kleider tragen, noch ihren Weibern und Kindern zu tragen gestatten, was auf einen teilweise sehr wohlhabenden Bauernstand schließen läßt. Die zeitgenössische Graphik kennt übrigens vorwiegend den üppigen Bauern bei Fraß und Völlerei, nicht aber den bäuerlichen Hungerleider. Sicher gab es neben wohlhabenden Großbauern viele arme Kleinbauern und vor allem das völlig besitzlose bäuerliche Gesinde, von dem fast keine Quelle spricht; dort war vor allem die Unzufriedenheit zu Hause, die sich in den Bauernkriegen Luft machte — zumal bei den Kriegsheimkehrern. Im Osten der österreichischen Länder herrschte das viel ungünstigere Freistiftrecht, das die jährliche Abstiftung zuließ, wenn sie auch wegen des Mangels an Arbeitskräften fast nie gehandhabt wurde. Von entscheidender Bedeutung f ü r das bäuerliche Wohlbefinden war da wie dort die gute oder weniger gute Verwaltung und Rechtspflege, die unter dem Druck der langen Kriege immer schlechter wurde. Maximilian legte größten Wert darauf, den gesamten Bauernstand seiner Länder, eigene wie fremde Untertanen, unmittelbar zu beschützen, wie dies in Tirol längst Rechtsbrauch war. In den Bestellungsurkunden f ü r seine Pfleger und Richter fehlte niemals der ausdrückliche Befehl, die Bauern in ihren alten Rechten zu schützen, keine Schmiergelder anzunehmen, Armen und Reichen gleiches Recht zu sprechen, vor allem aber die bäuerlichen Leistungen nicht zu steigern. Alle Grundherrschaften sollten der landesfürstlichen Aufsicht unterworfen sein, und jedem Bauern die Berufung an den Kaiser offenstehen. Sicher sind solche Berufungen öfter vorgekommen, wenn auch die Akten darüber spärlich sind. Sie lösten unter den Grundherren
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einen Sturm der Entrüstung aus; noch auf dem Innsbrucker Generallandtag (1518) gab es darüber laute Klagen. Was die Lage der Bauernschaft laufend verschlechterte, waren die langen Kriege. Einerseits steigerte der Krieg die Nachfrage nach Lebensmitteln, Getreide, Vieh und Wein und brachte den Bauern gute Einnahmen; anderseits wurden ihnen diese Kriegsgewinne durch hohe Kriegssteuern wieder aus der Tasche gezogen, was besonders weh tat. Außerdem hatten die Länder, welche an die großen Kriegsschauplätze angrenzten — Tirol, Kärnten, Steiermark, Krain und Görz — unter den ständigen Kontributionen, Truppendurchzügen und Verwüstungen besonders stark zu leiden. Wenn Not an Truppen herrschte, wurden einfach die Bauern aus den nächsten Dörfern zusammengeholt und ohne Ausbildung in den Krieg getrieben. Besonders drückend empfanden es die Bauern, daß die großen Handelsgesellschaften immer stärker in den ländlichen Wirtschaftsraum einbrachen, die Bauern vom Markt verdrängten, ihnen die Waren um billigen Preis aus der Hand rissen und den Absatz monopolisierten. Anderseits machten sich der Staat und die Beamten im bäuerlichen Bereich immer lästiger bemerkbar. Die römisch-rechtlichen Praktiken setzten sich schroff über das „gute alte Recht" des einfachen Volkes hinweg: Immer neue Steuern wurden erfunden, die allmählich ins Unerträgliche stiegen. Die Beamten, welche diese „neuen Fündlein", wie man sie nannte, einzutreiben hatten, traf der ganze Haß der Bauern; sie pflegten stets, den „guten Kaiser" von seinen „schlechten Beamten" zu unterscheiden. Einen besonderen Klagepunkt bildete die fortschreitende Beschränkung des bäuerlichen Lebensraumes durch maßlose Uberhegung des Wildes, die der Kaiser in seiner verblendeten Jagdleidenschaft von einem zahlreichen Forstpersonal überwachen ließ. Die Hochjagd war fast überall allein dem Kaiser vorbehalten und nicht einmal dem Adel gestattet. Es war noch nicht allzu lange her, daß der Bauer in den Wäldern frei jagen, holzen und die Allmende frei nutzen durfte. Nun wurde alles verboten. Daß sich der Bauer gegen das Schadenwild nicht mehr wehren sollte, daß Übertretungen mit strengsten Leibesstrafen, ja, mit dem Tod geahndet wurden, erregte gerade in Tirol mehr Unwillen als andere Mißstände. So nährte sich die Unzufriedenheit aus verschiedenen Ursachen: mancherorts gewiß auch aus dumpfer Verzweiflung im Kampf ums Dasein; oft auch aus dem Selbstbewußtsein eines starken Bauernstandes, der eine Änderung der unleidlichen Zustände forderte. Eine ganz neue Schwierigkeit brachten die Kriegsheimkehrer mit sich, jüngere Bauernsöhne, die als streunende Landsknechte nicht mehr in die alte bäuerliche Arbeitswelt zurückfanden. In dieser Gruppe haben wir auch die zahlreichen Gesindeleute, Knechte und Taglöhner zu suchen, von denen unsere Quellen fast nichts wissen. Sie hatten im Krieg reichlich verdient und sollten sich nun wieder — ohne ein Stücklein eigenen Bodens — mit dem Los eines Knechtes abfinden. Diese Streuner trugen die Parolen des Umsturzes durch das ganze Land. Für sie war der Friede fürchterlich; sie hofften auf
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Die Bauern
einen allgemeinen sozialen und politischen Umsturz und sahen im Kaiser, „der sich ein Bauernhütlein aufsetzen sollte", einen Freund und Helfer. Diese Leute waren die berufenen Führer im kommenden Bauernkrieg. Man lebte in ständiger Angst vor einer Erhebung der Bauernschaft. Aufständische Bauern, zumal wenn sie sich an der „Schweizer Freiheit" ein Beispiel nahmen, traf des Kaisers ganzer Zorn, zumal er gerade vom Bauer bedingungslosen Gehorsam erwartete. Die Eidgenossen schätzte er zwar als Kriegsleute; als Gegner aber schalt er sie „ein rohes Volk . . . Erbfeinde aller Ritterschaft, allen Adels und aller Ehrbarkeit . . . grobe, böse, schnöde Bauersleute, denen keine Tugend, kein adeliges Geblüt, keine Mäßigung, sondern nur Üppigkeit, Untreue und Haß innewohnen". Wo immer Bauern ihm feindlich entgegentraten wie 1513 in Friaul, wollte er sie „zu Zehntausenden totschlagen lassen . . . dann werde Ruhe sein". Hier bricht der Gewaltmensch spontan hervor, der, nur mühsam gebändigt, im Grunde seiner Seele hauste. Die Krainer, Untersteirer und Kärntner Bauern, die auf seine Versprechungen hofften, ließ er 1515 zunächst hinhalten, dann unbarmherzig niederschlagen. Hatte sein großes Ansehen im Volk bisher die schweren inneren Mißstände verhüllt, so sollte der Tod des Kaisers (1519) alle Fesseln lösen und vor allem die wohlhabenden Bauern in Tirol und Schwaben zum Aufstand ermutigen.
Fürstenfehden,
Heckenreiter,
städtische
Wirren und
Bauernkriege
Wilde Fehden, Mord und Straßenraub, Unfriede und Unrecht waren die Geißeln dieser Zeit; der Ruf nach Landfrieden und Recht war allgemein. Schon Kaiser Friedrich III. hatte 1486 einen allgemeinen Landfrieden verkündet, den Maximilian 1494 verlängerte, bevor er auf dem Wormser Reichstag (1495) zusammen mit den Ständen den Ewigen Landfrieden zustande brachte. So schön sich dieses große Reichsgesetz auch las, so wenig kümmerten sich die Mächtigen darum. Nicht nur viele Fürsten setzten sich darüber hinweg, sondern auch viele kleine rittermäßige „Rechtshelfer". Ebenso wurde das Kammergericht gerade von den Mächtigen umgangen; es war außerdem häufig arbeitsunfähig, weil man die Richter nicht bezahlen konnte, wenn die Reichssteuern ausblieben. Die Kurfürsten hätten es auf dem Gelnhauser Tag (1502) am liebsten wieder aufgehoben. Vor allem gab es niemanden, der die Urteile gegen die Mächtigen vollstrecken konnte. Dem König war die Vollzugsgewalt durch die Reform weitgehend genommen, und auch das ständische Reichsregiment war dazu nicht fähig. Kurfürsten und Fürsten waren stark genug, sich selbst zu helfen. So wurden weiterhin viele Streitfälle von den Beteiligten als Fehden oder Kleinkriege ausgefochten, ganz zu schweigen von den großen Fällen wie dem bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg. So gingen gerade die Fürstenfehden während der nächsten Jahrzehnte weiter, als ob es keinen ewigen Landfrieden gäbe, und der Kaiser konnte meist nur hilflos zuschauen.
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Der Kaiser und die Reichsstände. Die Lage des Reiches und der Erbländer
Einer der übelsten Selbsthelfer und Friedensstörer war Kurfürst Philipp von der Pfalz, der sogar den Erzkanzler Berthold von Mainz mit seinen Fehdehändeln bedrängte. Maximilian konnte ihn erst mit Hilfe des Schwäbischen Bundes zu einem Vergleich zwingen. Weit schlimmer ging es der Stadt und Reichsabtei Weißenburg im Elsaß, die der Pfälzer dem Reich entziehen und seiner Herrschaft unterwerfen wollte. Weder König noch Reichstag waren imstande, den Pfälzer von dieser Gewalttat abzuhalten. Der Erzbischof von Trier benützte diese Pfälzer Fehde, um auch seinerseits die Reichsstadt Boppard zu überfallen und unter seine Herrschaft zu bringen. Der Landfriede war für die Mächtigen eben nur ein Stück Pergament. Maximilian war machtlos dagegen; er sah allerdings auch zu, wie sein Landvogt im Elsaß über den Bischof von Straßburg herfiel. Ein besonders schwieriger Fall war die Reichsstadt Regensburg, die sich Bayern gerne einverleibt hätte. Diesmal konnte sich der König durchsetzen; er schickte einen Reichshauptmann in die Stadt, der mit Schwert und Galgen die Reichshoheit wiederherstellte. Die angesehene Reichsstadt Nürnberg stritt sich mit Markgraf Friedrich von Ansbach-Bayreuth um Besitzungen und Wehranlagen in der näheren Umgebung der Stadt (1500). Der Markgraf wartete das Reichsverfahren gar nicht ab, sondern warb einige Heckenreiter an, führte ein Heer gegen die Stadt und legte die Umgebung in Schutt und Asche. Auch Maximilian schaute weg, weil er weder der Stadt noch seinem treuen fürstlichen Bundesgenossen nahetreten wollte. Wie nicht anders zu erwarten, wurden die Nürnberger von der Reichsversammlung zu Augsburg verurteilt, dem Markgrafen nachzugeben und ihre Befestigungen zu schleifen. Das sei eben das Schicksal der Städte, klagte der Frankfurter Gesandte. Zu einem jahrelangen verheerenden Krieg führte der Streit um das Landshuter Erbe. Maximilian mußte eingreifen, wenn er seine eigene Macht nicht völlig verspielen wollte, denn der Pfälzer war die Säule des reichsfürstlichen Widerstandes. Der König schlug die Pfälzer Partei auf der ganzen Linie, siegte am Wenzenberg, eroberte Kufstein (1504) und unterwarf sich mit dem Pfälzer zugleich die gesamte fürstliche Opposition. Die Folgen dieses Krieges waren allerdings fürchterlich. In der Rheinpfalz gingen mehr als dreihundert Dörfer, Schlösser, Klöster und Städte in Flammen auf. Graf Emicho von Leiningen ließ die Abtei Limburg durch zehn Tage plündern und bis auf den Grund niederbrennen. In Bayern, zumal im Landshuter Gebiet, war es nicht viel besser. Weite Teile Süddeutschlands lagen in Schutt und Asche. Armut und Verzweiflung der Bevölkerung waren die Folge und eine der Ursachen der folgenden Bauernkriege. Im Nordwesten, in Friesland und Geldern, wütete schon seit den Zeiten Kaiser Friedrichs III. die Kriegsfurie. In Friesland versuchte Groningen, seine Stadtherrschaft über das reichsfreie Bauernland auszudehnen. Maximilian übergab Friesland als Reichslehen seinem Freund, Herzog Albrecht von Sachsen: damit sollten einerseits der Sachse für seine großen Auslagen im niederländischen Erbfolgekrieg entschädigt, anderseits die freiheitsliebenden
Fürstenfehden, Heckenreiter, städtische Wirren und Bauernkriege
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Friesen durch die sächsische Familie wieder fester mit dem Reich verbunden werden; denn ähnlich der Schweizer Freiheit drohte auch die friesische Freiheit ihre eigenen Wege zu gehen. Aber auch die sächsische Dynastie konnte Friesland nicht behaupten. Als H e r z o g Albrecht die Hilfe des Reiches gebraucht hätte, erklärten ihm die Städtevertreter zu Augsburg (1500), „wo komme man denn hin, wenn man jeden Fürsten bei seinen Landerwerbungen unterstützen wolle". Hatten sie unrecht? Völlige Verwirrung herrschte seit 1509 auch in der Landgrafschaft Hessen, wo die Witwen der hessischen Brüder und Vettern leidenschaftliche Erbstreitigkeiten gegeneinander ausfochten. Vergeblich hofften sie auf eine Vermittlung des Kaisers oder des Reichstages. Auch gegen die Brandschatzungen des Franz von Sickingen, von dem sie sich durch hohe Summen loskaufen mußten, wagte ihnen niemand zu helfen, was f ü r den jungen Landgrafen Philipp wohl der erste Anstoß gewesen sein mag, später die Partei des Kaisers zu verlassen. In Mitteldeutschland gab es Streit zwischen Kur-Sachsen und KurMainz um die Stadt Erfurt, einen jahrelangen Kleinkrieg mit ständigen Uberfällen, Brandstiftungen und Handelssperren. Der Kaiser, welcher damals in Italien kämpfte und vom Reich kaum einen Pfennig Steuerhilfe erhielt, beschränkte sich auf kraftlose Friedensgebote. Vielleicht war es ihm auch nicht ganz unrecht, daß sich die beiden mächtigen Kurfürsten — der Sachse war sein gefährlicher Widersacher geworden — während seiner Abwesenheit gegenseitig banden. Größtes Aufsehen erregten die Untaten des Herzogs Ulrich von Württemberg. Seine Mißwirtschaft und Verschwendung forderten den Widerstand des Volkes, vor allem der Bauern, heraus, die sich zum „Armen Konrad" zusammenschlossen, wogegen der H e r z o g mit Schwert und Galgen vorging. Die alte Mißwirtschaft ging weiter. Schlimmstes Aufsehen erregte des H e r zogs Ehebruch mit der Frau seines Stallmeisters Hans von Hutten, den er hinterrücks ermordete. Maximilian lud den M ö r d e r vor sein Gericht. Als der H e r z o g nicht erschien, wurde die Reichsacht gegen ihn ausgesprochen. Aber der Württemberger spielte den „unschuldig geschlagenen H u n d " , setzte sich über alle Urteile hinweg, verfolgte seine Gegner mit Feuer und Schwert und überfiel sogar die Stadt Reutlingen. Er glaubte, sich alles leisten zu können, weil er die heimliche Unterstützung seiner Standesgenossen hatte, denen er einredete, sie hätten ähnliches zu gewärtigen, wenn sie den Kaiser gewähren ließen. Aber die Hilfe der Fürsten und des Königs von Frankreich konnten den tollen H e r z o g diesmal nicht retten. Ein kurzer Feldzug der Österreicher und Bayern führte zur Besetzung Württembergs, das Österreich mit seinen Vorlanden und mit Burgund noch enger verbinden und jeden Herd des Widerstandes im Südwesten ausschalten sollte. Diese habsburgische Gewalttat geschah allerdings erst unter Karl V. Nicht anders als die Fürsten verhielten sich die vielen rittermäßigen „Rechtshelfer". Fürsten, aber auch Geldleute hielten sich mitunter Banden ritterlichen Standes, abgedankte Landsknechte, Gewalttäter, Wegelagerer
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und Erpresser, welche sie für die Vollstreckung ihrer vermeintlichen Rechtsansprüche in Sold nahmen. Ein Fall der Raubritter von Hohenkrähen, der in meinem letzten Forschungsband nachzulesen ist, beleuchtet auf galgenhumorige Weise die Rechtsunsicherheit der Zeit. Ein Kemptener Bürgersohn, in seinem Recht gekränkt, von allen zuständigen Stellen abgewiesen, suchte Hilfe bei den Raubrittern auf Hohenkrähen. Kein geringerer als Jörg von Frundsberg führte das Aufgebot des Schwäbischen Bundes gegen das verhaßte Raubnest. Die „Rechtshelfer" brachten sich in Sicherheit, der arme Hilfesucher aber wurde gefangen und gehenkt. Einer der frechsten und zugleich gefährlichsten Friedensbrecher war Götz von Berlichingen, ein fränkischer Reichsritter, der die Verkündung des Ewigen Landfriedens auf dem Wormser Tag selbst miterlebt hatte, sich aber zeitlebens keinen Deut darum kümmerte. Dabei verstand er es stets, den Rechtshelfer und Verteidiger unschuldig Verfolgter hervorzukehren, und ist zu unrecht als solcher in die Literatur eingegangen. Er hatte im Pfälzer Krieg seine rechte Hand verloren, die ihm ein kunstfertiger Schmied durch eine eiserne ersetzte. Fortan suchte er in der Raubfehde seinen Lebensinhalt, überfiel große Kaufmannszüge und hielt mitunter an die hundert Kaufleute als Geiseln fest. Wenn er den Auftrag hatte, 100 Gulden einzutreiben, dann erpreßte er dafür 1000 Gulden. Dem Grafen Philipp von Waldeck nahm er 8000 Gulden ab, wofür er sich eine neue Schloßherrschaft kaufte. Sein Jagdgebiet reichte vom Niederrhein bis an die obere Donau und hin bis zum Böhmerwald. Seit der Venezianerkrieg dem Kaiser die Hände völlig band, war Götzens Geschäft fast ohne Risiko. Den Bischof von Bamberg wollte er sogar persönlich gefangen nehmen, was ihm aber nicht gelang. Er scheute sich nicht, auch mit dem Erzbischof von Mainz, dem ersten Kurfürsten des Reiches, anzubinden. Selbst über den Kaiser prahlte Götz: „Er hätte dessen Schatz wohl zu finden gewußt, wenn er nur gewollt hätte." Fürsten und Städte riefen den Kaiser gegen den Räuber zu Hilfe, der über Götz zwar die Reichsacht verhängte, sie aber aus bekannten Gründen nicht vollziehen konnte. „Was würdet ihr wohl machen, wenn der Götz zwei Hände hätte", fragte der Kaiser die jammernden Kläger. Als man in den Kirchen den Bann gegen ihn verkündete und dabei nach altem Brauch die Kerzen löschte, spottete Götz, „die Pfaffen hätten von der Kanzel mit Lichtern auf ihn geschossen", was ihn wenig kümmerte. Seine Antwort auf die Drohungen des Schwäbischen Bundes ist bekannt. Als der Kaiser nach Abschluß des Venezianerkrieges gegen ihn einschreiten konnte und dabei die Hilfe mehrerer geschädigter Reichsstände fand, sollte das Glück den alten Räuberhauptmann verlassen. Noch gefährlicher als Götz war der grausame Franz von Sickingen, der sich nicht mit Pfeffersäcken begnügte, sondern höheren Zielen nachjagte. Auch er hatte im Pfälzer Krieg sein blutiges Geschäft begonnen, vertauschte dann den Fürstendienst mit der „Rechtshilfe" und nahm sich in der Wormser Fehde der Partei des Bischofs an. Als die Bürger zögerten, einem bischöf-
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liehen Sekretär sein Recht zu gewähren, überfiel Sickingen Wormser Kaufmannszüge und führte die Gefangenen auf seine Ebernburg, „den Hort der Freiheit". Mit einem Heer von 1100 Reitern und 6000 Knechten, wie es der Kaiser in Italien nur selten zustande brachte, belagerte er die Stadt Worms, ließ die Umgebung verwüsten, Frauen und Mädchen, wenn er sie erwischte, die Kleider über dem Gürtel abschneiden, was man noch als derben Spaß gelten lassen könnte, den Weinbergarbeitern aber die Hände abhacken. Die Stadt blieb durch Monate von Handel und Wandel ausgesperrt; jede Feldarbeit in der Umgebung wurde nachgerade unmöglich. Die Reichsstände aber lehnten eine Unterstützung des Kaisers ab. Auch wirksame Hilfe der Nachbarn blieb aus, weil man die Rache des Raubritters fürchtete. Im Sommer 1516 rückte Sickingen im Dienste des Königs von Frankreich, der ihn mit hohen Ehren empfangen hatte, mit einer Armee von 10.000 Mann gegen den Herzog von Lothringen ins Feld, wodurch Worms entlastet wurde. Er führte Fehde gegen die Reichsstadt Metz, gegen Frankfurt, gegen den Landgrafen von Hessen und erpreßte dabei hohe Brandschatzungen. Die Fürsten aber versagten jede Hilfe, weil sie den Gewalttäter nicht zu reizen wagten. Sickingen war ein militärischer Großunternehmer, mit dem Kaiser und Könige rechnen mußten. Maximilian versuchte, den gefährlichen Mann, dem er ohne die Hilfe der Fürsten niemals beikommen konnte, mit anderen Mitteln auf seine Seite zu ziehen. Sickingen betrachtete es offenbar als hohe Ehre, daß sogar der Kaiser mit ihm verhandelte. Er stellte die Wormser Fehde ein, gab sein Bündnis mit Frankreich auf und sagte jeder Fehde gegen den Kaiser ab. Von Strafe oder Schadenersatz war keine Rede mehr. Der Kaiser nahm ihn sogar in seinen Dienst, damit er für ihn ein schlagkräftiges Reiterheer aufstelle, das bei den Wahlhandlungen für Karl V. eine entscheidende Rolle spielen sollte. Sickingen war ein Söldnerführer großen Zuschnittes, den selbst der Kaiser fürchtete, zumal ihn seine ritterlichen Standesgenossen als ihren Vorkämpfer verehrten. Erst durch den Versuch, das Kurfürstentum Trier an sich zu reißen, zog der Raubritter den ganzen H a ß der Fürsten auf sich, die ihn nun gemeinsam fertigmachten (1523). In all diesen großen und kleinen Fehdehändeln zeigte sich in erschrekkender Weise das Versagen der Stände und die Ohnmacht des Kaisers, dem jede Vollzugsgewalt genommen war. Zumal seit dem Ausbruch des Venezianerkrieges, während der Kaiser in Italien kämpfte, wurden die Straßen immer unsicherer, am schlimmsten dort, wo in kleinen Ländchen auch der landesfürstliche Friedensschutz völlig versagte, und neben den großen Landfriedensbrechern viele kleine ihr Unwesen trieben. Um die reichen Städte und großen Handelsstraßen kreisten ganze Rudel solcher Raubtiere. Das reiche Nürnberg war ein besonders beliebtes Opfer. Als die Räuber des Bürgermeisters habhaft wurden, schlugen sie ihm die linke Hand ab und brannten zehn Dörfer im Umkreis der Stadt nieder. Freilich waren auch die wohlhabenden Rechtsverweigerer nicht ohne Schuld, die das Geschäft der „Rechtshelfer"
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erst recht herausforderten. Oft genug ging es um die Verweigerung des gerechten Lohnes oder des gerechten Preises. Mit Groll sahen viele die ungesunde Kapitalanhäufung in den Händen weniger, und wie ungerecht die Reichen und Mächtigen bevorzugt wurden; da schien jedes Mittel dagegen recht. Die größte Schuld lag freilich bei den Fürsten, die jeden reichseinheitlichen Strafvollzug aus bekannten Gründen vereitelten, so daß die Reichsacht nur mehr verhöhnt wurde. Auch in den Städten kündigte sich der künftige Umsturz an. Von Burgund ausgehend, sprangen bürgerliche Umsturzbewegungen auf den Niederrhein über, erfaßten die Städte Mittel- und Norddeutschlands, erreichten den Oberrhein und griffen auf Schwaben, Bayern und Salzburg über. Die österreichischen Städte — wirtschaftlich weniger entwickelt — blieben davon fast unberührt, ausgenommen Wien, wo die kaiserliche Wirtschaftspolitik reichlichen Anlaß zur Unzufriedenheit gab. In den Reichs- und Bischofsstädten tobten die Verfassungskämpfe zwischen Bürgergemeinde und Stadtherrschaft, zwischen alten Geschlechtern und aufsteigenden Zünften. Vor allen die geistlichen Stadtherrschaften wurden leidenschaftlich bekämpft. Worms war der Musterfall der Auflehnung einer selbstbewußten Bürgerschaft gegen die überlieferten Vorrechte ihres Bischofs und eigentlichen Stadtherren. Der Kaiser gab — je nachdem, wie er es brauchte — bald dem Bischof, bald den Bürgern recht. Aber auch das Regiment der Geschlechter innerhalb der Bürgergemeinden wurde von den Zünften hart angefochten, die sich im Ansturm gegen die alten Stadtregierungen nicht selten durch die städtische Armut, die Insassen der Armenhäuser oder durch zugewanderte Pfahlbürger verstärkten. In manchen Städten kam es zu sehr schweren, jahrzehntelangen Verfassungs- und Ständekämpfen, stürmischem Machtwechsel, zeitweiliger Schreckensherrschaft der einen oder anderen Partei, zu gegenseitigen Verfolgungen, Hinrichtungen und Austreibungen. Ubergreifende Verbindungen mit den aufständischen Bauern kamen kaum zustande; daher blieb es bei lokalen Beben ohne größere Fernwirkung. Der Kaiser stellte sich meist an die Seite der Stadtherrschaft und der alten Geschlechter und versuchte, zwischen den Streitparteien zu vermitteln. Fast überall ging es um Mitbestimmung, Aufsicht über die städtischen Finanzen und um Gleichberechtigung. Die gesellschaftlichen Rivalitäten waren so stark, daß selbst der Kaiser nach mehreren vergeblichen Versuchen darauf verzichten mußte, seinem Freund, dem neureichen Finanzmann Adler, den Eintritt in die Augsburger Geschlechterstube zu verschaffen. Eine Bewegung ganz anderer Art, die Kaiser und Fürsten plötzlich in Schrecken versetzte, waren die Bauernunruhen, die sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ständig steigerten. Unvergessen waren die Parolen des Pfeiferhans von Nikiashausen: „Fürsten und Herren sollten noch um einen Taglohn arbeiten müssen." Die geforderte Aufhebung aller Standesunterschiede war dem Kaiser, der die Fürsten keineswegs liebte, den Adel nicht übermäßig schätzte und den sozialen Aufstieg tüchtiger Untertanen förderte,
Landsknechte unter der burgundischen Fahne schlagen mit schweren Waffen das holländische „Brotund Käsevolk" nieder, „den Bauernhund mit der seltsamen Fahne". Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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Der Kaiser und die Reichsstände. Die Lage des Reiches und der Erbländer
denn doch unheimlich. Er nahm daher gerade die Bauernaufstände besonders ernst. Schon in den Niederlanden hatte Maximilian im Lauf der Erbfolgekriege die Hungeraufstände des „Brot- und Käsevolkes" kennengelernt. Von dort zog der Geist des Aufruhrs rheinaufwärts und glühte unter der Asche fort. Zur Zeit des großen Wormser Reichstages (1495) eiferte der „Oberrheinische Revolutionär" gegen die Willkür geistlicher und weltlicher Herrschaften, hoffte aber noch — freilich vergebens — auf den König als den Bauernbefreier. Die Bewegung erhielt durch den Schweizerkrieg (1499) neuen Aufwind und drohte, sich zum lichterlohen Brand zu entzünden. Die Bauern klagten gegen die steigenden Zinsen und Steuern, forderten freie Allmende, Jagd und Fischerei. Die geistlichen Grundherrschaften versuchte man mit religiösen Forderungen anzugreifen. Merkwürdigerweise dachte im Zuge der Reichsreform niemand an eine Besserstellung des armen Mannes. Je offensichtlicher Reichstage und Landtage, geistliche und weltliche Herrschaften in der sozialen Frage versagten, desto mehr wuchs die Unzufriedenheit der bäuerlichen Massen. Dazu kam die Einhebung der neuen Reichssteuer durch die Pfarrer in den Kirchen, und seit 1500 die laufenden Sammlungen von Kreuzzugsgeldern in ablaßähnlichen Formen; aber niemals gab es einen Kreuzzug. Was geschah mit dem Geld? Die streunenden Landsknechte sorgten für weitere Unruhe, schlossen sich nicht selten mit den ritterlichen „Rechtshelfern" zu Räuberbanden zusammen oder führten als Hauptleute bäuerliche Aufstandsbewegungen. Forderungsartikel, eine kräftige Mischung sozialrevolutionärer und religiöser Gedanken — „Gerechtigkeit, Ehre Gottes und gemeiner Nutzen" — wurden in das Volk geworfen. Um 1502 kam es um Bruchsal und Speyer zum ersten großen Aufstand, der nicht nur Maximilian, sondern auch die rebellischen Kurfürsten in Gelnhausen plötzlich aufschreckte. Der König bot den Schwäbischen Bund auf und verstärkte ihn mit vorländischem Kriegsvolk. Der rasche Gegenschlag und die grausamen Strafen nahmen dem Aufstand die Stoßkraft, noch bevor er sich ausbreiten konnte. Aber viele Anführer waren entkommen, und der Bundschuh lebte weiter. Die Rebellionen in den oberdeutschen Städten machten den Bauern Mut, 1513 wiederum die Bundschuhfahne zu erheben. Der grobe bäuerliche Arbeitsschuh war das Symbol des Aufstandes. Mit 14 Artikeln wandten sich die Bauern zwar gegen Fürsten und Herren, beriefen sich aber auf Kaiser und Papst als ihre gerechte Obrigkeit, von der sie sich in Gottes Namen Hilfe in ihrer Not erwarteten. Man verbreitete sogar das Gerücht, der Kaiser schütze den Bundschuh. Der Gedanke, sich mit den aufsässigen Bauern oder Rittern gegen die Fürsten zu verbünden, was dem „Vater der Landsknechte" wahrscheinlich möglich gewesen wäre, mochte wie eine Versuchung zur Sünde wider die göttliche Weltordnung öfter an ihn herantreten. Auch diesmal wurde der Plan vorzeitig verraten und die Bewegung grausam unterdrückt, noch ehe sie richtig losgebrochen war. Aber der Bund-
Fürstenfehden, Heckenreiter, städtische W i r r e n und Bauernkriege
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schuh war keineswegs tot. Zwischen 1514 und 1517 erhoben sich die Bauern immer wieder unter dem Namen des „Armen Konrad" gegen die Mißwirtschaft des Herzogs von Württemberg. Wieder griff der Kaiser ein, verkündete die Reichsacht und unterstützte sogar die Bluturteile des tollen Herzogs gegen die Bauernrebellen. Niemand dachte daran, die Übel abzustellen, welche zum großen Bauernkrieg von 1525 führten. Auch in den österreichischen Ländern, in Krain, Untersteier und Kärnten, erhoben sich 1515 die Bauern und versetzten den Kaiser und die Landstände zeitweilig in größte Furcht. Die stets steigenden Steuerlasten infolge des Venezianerkrieges, die hauptsächlich auf die Schultern der Bauern abgewälzt wurden, und der große Bauernaufstand im benachbarten Ungarn hatten den letzten Anstoß gegeben. Die Bauern forderten „stara pravda", die alte Gerechtigkeit und die Abschaffung der neuen Zinse und Kriegssteuern. Sie fanden Anhang unter den Bergknappen, den armen Leuten der Städte und sogar unter den niederen Geistlichen. Seltsame Maskerade der Geschichte, wenn sogar Geistliche mit den plündernden Bauern mithielten und zwischendurch mit ihnen Gottesdienst feierten. Gegen 10.000 Bauern durchzogen das Land, stürmten Schlösser und Klöster und trugen nach Art der Türken die Köpfe ihrer Opfer auf Spießen vor sich her. Sie lehnten alle Friedensvermittler ab und erhofften sich von einer persönlichen Vorsprache beim Kaiser Besserung ihrer Lage. Maximilian empfing die Bauernvertreter, mahnte sie aber zum Frieden und versprach ihnen ihr „altes Recht". — Welch seltsame Sinnesverwirrung dieser einfachen Köpfe! Einerseits grenzenloses Vertrauen auf die große, rein und gerecht gedachte kaiserliche Gewalt; anderseits die fürchterlichsten Grausamkeiten gegen alles, was sich Herrschaft nannte. Sogar einen kaiserlichen Burghüter köpften sie und steckten dessen Frau in Bauernkleider, damit sie wisse, was Bauernleben sei. Wegen des Wiener Kongresses (1515), den er eben vorbereitete, sah sich der Kaiser gezwungen, hart durchzugreifen. Es gelang den Landeshauptleuten, die Bauernhaufen mittels ihrer überlegenen Reiter rasch niederzuschlagen. Der Kaiser gab zwar Befehl, die Rädelsführer streng zu bestrafen, aber auch die Beschwerden der Bauern zu untersuchen und abzustellen. Tatsächlich wurde die Glut des Aufstandes unbarmherzig bis auf den letzten Funken ausgetreten. Diese Länder — seit vielen Jahren Kriegs- und Elendsgebiete — lagen so völlig darnieder, daß sie beim großen Bauernaufstand von 1525 nicht mehr die Kraft hatten, sich zu erheben.
Der Schwäbische
Bund
Im deutschen Südwesten gab es den Schwäbischen Bund, der diese fürstlichen und ritterlichen Fehden, bürgerlichen und bäuerlichen Aufstände meist gar nicht aufkommen ließ. Der Bund galt dem Ausland „als das erste und mächtigste Reichsglied"; er war in der Tat ein Hort des Friedens in dieser Welt der Fehden und Kleinkriege und galt als Vorbild für die Reichs-
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kreise, die Maximilian nach längeren Versuchen auf dem Kölner Tag (1512) endlich durchsetzte. Kaiser Friedrich III. hatte den Schwäbischen Bund 1488 als Vereinigung von Fürsten, Herren, Rittern und Städten unter österreichischer Führung gegründet — zunächst gegen die Ausdehnungspolitik der Wittelsbacher und der Eidgenossen, dann zur Verteidigung der kleineren schwäbischen Reichsstände und des österreichischen Streubesitzes in den Vorlanden. Maximilian konnte den Bund zielstrebig zu einem Machtmittel der österreichischen Politik ausbauen. Alsbald traten dem Bund auch benachbarte Fürsten bei, so daß er sich allmählich zur stärksten bewaffneten Macht im Reiche entwickelte, die, jederzeit einsatzbereit, für die Landfriedenssicherung weit erfolgreicher war als Kammergericht, Regiment oder Reichstag. Selbst der Herzog von Württemberg erlag der Macht des Bundes. Das Raubrittertum hütete sich wohl, die Grenzen des Bundes zu überschreiten; so stark war die Macht dieses ersten selbständigen Friedenskreises im Reich, dessen Schlagkraft die späteren Reichskreise nie erreichen sollten. Im Schweizerkrieg (1499) waren die Schwaben Maximilians mächtigste Bundesgenossen. Dem Kaiser und dem Schwäbischen Bund war es zu danken, daß dem fortschreitenden Ubertritt deutscher Städte zu den Eidgenossen Grenzen gesetzt werden konnten. Schon 1463 hatte sich die Stadt Rottweil, inmitten Schwabens, als zugeordneter Ort den Eidgenossen angeschlossen. Seit den Erfolgen des Schweizerkrieges war die Werbekraft der eidgenössischen Freiheit noch gestiegen. Um 1500 traten auch Basel und Schaffhausen den Eidgenossen bei. Den Ubertritt von Konstanz konnte der Kaiser nur mit Mühe verhindern. Der Bund trug wesentlich zum Sieg Maximilians im Pfälzerkrieg bei, der seine Herrschaftsgewalt im Reich wenigstens teilweise wiederherstellte. Bei seinen wiederholten großen Angeboten an die Reichsritter dachte Maximilian wohl vorzüglich an seine schwäbische Ritterschaft, die im Kriegs- und Verwaltungsdienst des Reiches bereits eine bedeutende Rolle spielte. Solange Maximilian lebte, war der Schwäbische Bund fest in seiner Hand. Obwohl sich auch andere Fürsten wie Württemberg, Pfalz und Mainz im Bund stärker machen wollten, gelang es dem Kaiser, seine Stellung zu behaupten. Man klagte öfter, daß die Schwaben am Kaiserhof den Ton angäben; wirklich spielten schwäbische Grafen, Herren, Ritter, Doktoren und Beamte eine hervorragende Rolle. Es kam wohl auch vor, daß der Kaiser zwar die schwäbische Bundesversammlung besuchte, um Hilfsfragen zu verhandeln — nicht aber den gleichzeitigen Reichstag. Aus dem Bundesgebiet warb der Kaiser den größten Teil seiner Landsknechte an; dort erneuerte er die Ritterschaft vom St. Jörgenschild, welche Fürsten und Adel zum Kampf gegen die Türken verpflichten sollte. Maximilian dachte offenbar an eine freie Vereinigung des uralten schwäbischen Ritterbundes mit seiner St. Georgs-Bruderschaft. Es ist nicht zu übersehen, daß es zwischen dem Kaiser und dem Bund
Der Schwäbische Bund
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auch manche ernste Gegensätze gab. Die Bundesstädte, die immer wieder zu Zahlungen und Anleihen herangezogen w u r d e n , beklagten sich mit Recht, d a ß sie der Kaiser stets im Stich lasse, wenn er von den Fürsten unter D r u c k gesetzt werde. In der T a t hat Maximilian dem Bund immer wieder kriegerische u n d finanzielle H i l f e abgefordert, die ihm das Reich niemals bewilligt hätte. N a c h den österreichischen Ländern, vor allem Tirol, kam bei allen A u f g e b o t e n der Schwäbische Bund stets als nächster z u m Zug. Mit Recht zeigte man sich auch ungehalten, d a ß der Kaiser den Bund zwar stets f ü r sich einsetzte, seine vorderösterreichischen H e r r s c h a f t e n aber der Bundeshoheit geflissentlich entzog. Als mit den Reichskreisen ein eigener Schwäbischer Kreis geschaffen w u r d e (1512), schlug der Kaiser die habsburgischen Vorlande zu seinem Osterreichischen Kreis. M a n hatte das G e f ü h l , d a ß sich Maximilian das Bundesgebiet, vor allem das H e r z o g t u m W ü r t t e m berg, gerne angeeignet hätte. Die S c h a f f u n g der Reichskreise, die nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes eingerichtet w u r d e n und bis ans E n d e des alten Reiches bestanden, war einer der schönsten Erfolge der schwäbischen Bundesidee. Seit 1511/12 begann sich f ü r den Kaiser das Blatt zu wenden, weil sich die mächtigsten Fürsten unter F ü h r u n g W ü r t t e m b e r g s vom Bunde abwandten und z u m „ K o n t r a b u n d " zusammenschlossen, w o d u r c h der reichsfürstliche Widerstand einen neuen Mittelpunkt gewann. D e r letzte entscheidende Einsatz des Schwäbischen Bundes f ü r H a b s b u r g , der vorzüglich der Ritterschaft zu danken war, galt der W a h l Karls V. zum Römischen König und künftigen Kaiser. Als die R e f o r m a t i o n den Schwäbischen Bund zunächst zersetzte und schließlich sprengte, verloren die H a b s b u r g e r ihre mächtigste Stütze im deutschen Südwesten.
3. D I E
REICHSREFORM
Reformbewegungen
des 15. Jahrhunderts
Ein Ruhmestitel Maximilians ist die Einleitung und maßgebende Förderung der Reichsreform, die S c h a f f u n g von Einrichtungen, die — bei aller U n vollkommenheit — bis zum Ende des Heiligen Reiches bestanden. D e r Anteil des Kaisers an der R e f o r m ist seit Rankes Urteil, das sich kaum auf Quellen stützen konnte, lange Zeit unterschätzt w o r d e n . „ M a n m u ß sich w u n d e r n " , meinte er, „daß man den R u h m , die Reichsverfassung begründet zu haben, so lange und allgemein dem König beigemessen hat, dem die E n t w ü r f e derselben a u f g e d r u n g e n werden mußten . . . der die A u s f ü h r u n g bei weitem m e h r verhinderte, als begünstigte". Dieses Urteil Rankes erweist sich, wenn man näher zusieht, als durchaus unrichtig, beginnt sich aber erst jetzt allmählich zu verflüchtigen. W ä h r e n d die maßgebenden Reichsstände, K u r f ü r s t e n und Fürsten, hauptsächlich ihre Sonderstaaten und Privilegien verfochten,
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Die Reichsreform
versuchte die kaiserliche Reform in Zusammenarbeit mit den Ständen den Fortschritt des gesamten Reiches zu fördern. Maximilian ist mit den Erinnerungen an ein großes Reich und mit der Reformsehnsucht seines Zeitalters aufgewachsen. Schon dem Vater war die Reformfrage nicht fremd; aber der vorsichtige alte Herr wagte nicht, diese Lawine loszutreten, von der niemand wußte, wo, wann und wie sie wieder zur Ruhe kommen werde, zumal er nicht die Machtmittel besessen hätte, diese umstürzende Bewegung zu steuern. Für Maximilian bedeutete reformatio die Rückkehr zum guten Alten, zugleich aber auch die Öffnung für das gute Neue. Seine große politische Vision war die Wiederherstellung der Kaiserherrlichkeit der Karolinger, Ottonen und Staufer unter Führung seines habsburgischen Hauses. Die Reform sollte, zusammen mit den Ständen, das Reich durch eine gemäßigte Monarchie einigen und wieder regierbar machen. Der bedeutendste ältere Entwurf einer umfassenden Reichs- und Kirchenreform, den alle Gebildeten kannten, die Concordantia Catholica (1433), stammt von Nikolaus von Kues. Sie empfahl Konkordanz, das heißt Einheit zwischen Kaiser und Reichsständen, Harmonie der Teile mit dem Ganzen; sie empfahl weiter jährliche Reichstage, ein gesamtstaatliches Regiment, das zusammen mit dem Kaiser die Regierung führen, ein stehendes Heer aufstellen, den äußeren und inneren Frieden schützen, Gerichtsbarkeit üben und das Recht wahren sollte. Eine regelmäßige jährliche Reichssteuer war für den Kusaner die selbstverständliche Grundlage der Reform. Er sah in der gesetzgebenden Gewalt des Kaisers und des Reiches sowie in der Vollzugsgewalt des Kaisers, der nicht durch Wahlkapitulationen gefesselt werden dürfe, das eigentliche Fundament einer neuen Reichsverfassung, die alle Stände, bei voller Wahrung ihrer Freiheit, unter kaiserlicher Führung zur Einheit eines großen christlichen Reiches zusammenfassen sollte. Auf dieser Linie bewegten sich auch Maximilians Reformpläne, die vor allem die kriegerische Stärke des Reiches nach außen — ein Reichsheer — zum Ziele hatten, aber als Voraussetzung jeder Erneuerung einheitliches Regiment, Landfrieden, gutes Gericht und eine allgemeine Reichssteuer forderten. Weite Kreise, soweit sie politisch dachten, erkannten die eigentliche Schwäche des Reiches in der Ohnmacht des Kaisers und in den ständigen Übergriffen der Fürsten, „die den Kaiser seiner Herrschaft berauben möchten" und die benachbarten schwächeren Reichsstifte, Städte, Ritterschaften sowie den restlichen Streubesitz des Reiches womöglich ihrer Herrschaft unterwerfen wollten. Daher forderte die Reformatio Sigismundi (1439), eine anonyme Flugschrift, der Kaiser solle ein starkes Regiment aufrichten, einheitliches Recht schaffen, die Fehde unterdrücken, das entfremdete Reichsgut zurücknehmen, eine gute Reichsverwaltung einrichten, regelmäßige Steuern einheben, die geistlichen Fürsten entweltlichen und das Kirchengut für das Reich einziehen. Der Ritterstand habe die Aufgabe, Reich und Kirche nach außen und innen zu schützen; was die Geistlichen für die
R e f o r m b e w e g u n g e n des 15. Jahrhunderts
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Kirche, das seien die Ritter für das Reich — die Vollstrecker des kaiserlichen Regimentes. Dies sei die einzige Rechtfertigung ihres Adels. Gerade den Gedanken einer Reichsreform mittels des Ritterstandes hat Maximilian öfter aufgegriffen — das letzte Mal auf dem Mainzer Reichstag 1517 — ohne gegen die Fürsten durchzudringen. Im T r a u m schaute Sigismund in seiner R e f o r m a t i o einen Kaiser der Zukunft, „der zugleich Priester ist, von einem M e e r zum andern herrschen und das Reich erneuern werde". Solche Gedanken mögen auch Maximilian bewegt haben, als er 1511 daran dachte, als Kaiser zugleich Papst zu werden. Weit leidenschaftlicher und schärfer als die Reformatio Sigismundi tadelte der sogenannte „Oberrheinische Revolutionär" die Unrechte Gewalt der Herren und setzte seine ganze H o f f n u n g auf einen mächtigen Kaiser, der Friede, Recht und O r d n u n g wiederherstellen und den kleinen M a n n gegen die Großen schützen werde. Aber der Revolutionär verzweifelte schließlich an dieser letzten H o f f n u n g . Während diese gelehrten und volkstümlichen Richtungen eher die starke Monarchie unterstützten, sahen die kurfürstlich-fürstlichen R e f o r m entwürfe im Kurverein die eigentliche Reichsregierung. Ihr Hauptziel war es, den Kaiser aus der Reichsgewalt möglichst zu verdrängen und ihm jede Steuerhilfe so lange zu versagen, bis sie ihr Ziel erreicht hätten. Ihnen ging es in erster Linie um die Erhaltung ihrer Freiheiten. Die anderen Anliegen der R e f o r m waren ihnen meist weniger wichtig, ja, geradezu verdächtig. Die Kurfürsten-Partei hatte zwar keinen großen Anhang — selbst viele Fürsten waren dagegen — aber ihre M a c h t genügte, um alle mißliebigen Pläne des Königs umzuwerfen. Ihr Anführer war Erzkanzler Berthold von Mainz. Seine ausgesprochen königsfeindliche Haltung trat im Verlauf der Wormser Reformhandlungen immer schroffer hervor. Verläßliche Feinde hatte der K ö n i g auch an den Beamten der landesfürstlichen Regierungen, die von ihren Sonderstaaten lebten und vom Reich wenig oder nichts wissen wollten. Die Städte hatten zwar nicht viel zu reden, aber als Hauptsteuerträger konnte man sie nicht mehr g a n z übergehen. G e r a d e bei Geldfragen verstand es der kluge Erzkanzler, die Städte vorzuschicken. Ohne jede echte Vertretung war der größte Stand im Reich — die Bauern, die seit Jahrhunderten von einem großen Kaiser der Zukunft träumten, der sie von allen unbilligen Lasten befreien werde. Wer den Reichstag und die Stände des 15./16. Jahrhunderts mit der demokratisch-parlamentarischen Mitbestimmung des 19./20. Jahrhunderts gleichsetzt, was — zumindest unterbewußt — sehr häufig geschieht, vergleicht ganz Unvergleichbares und unterliegt einem wesentlichen Irrtum. Kurfürsten und Fürsten waren in den Verfassungskämpfen der nächsten Jahrzehnte nur selten die Vertreter echten Fortschrittes, keineswegs Vertreter des Volkes und des gesamten Reiches. U b e r die schutzbedürftigen kleinen Reichsstände und über die breiten M a s s e n der Untertanen schritten sie rücksichtslos hinweg. Auch für die politischen Interessen des Gesamtreiches hatten sie wenig oder kein Verständnis.
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Die Reichsreform
Der Wettstreit zwischen königlicher und reichsfürstlicher Gewalt innerhalb des Regimentes stand im Mittelpunkt des folgenden Verfassungskampfes. Das Geld — Steuerbewilligung oder Steuerverweigerung — war das Mittel, den König in allen Machtfragen zu erpressen und gefügig zu machen. Mit der Reichssteuer hing unmittelbar die Wehrverfassung zusammen, die Aufstellung eines Reichsheeres, das in jenem machtkämpferischen Zeitalter, wo es um die Neuverteilung der Welt ging, kein Staat ohne schweren eigenen Schaden ganz entbehren konnte, denn es war nicht zu erwarten, daß der einseitige Friedenseifer der deutschen Stände Türken und Franzosen abhalten werde, das Reich anzugreifen. Eine Schutzmannschaft wäre aber auch zur Erhaltung des Landfriedens im Innern des Reiches nötig gewesen. Das Reich bedurfte dringend einer durchgreifenden Reform, wenn es im Innern gutes Regiment, Ruhe und Ordnung sichern und sich gegen die äußeren Feinde behaupten wollte. Es hatte während der letzten hundert Jahre ein gutes Drittel seines Gebietes, Italien, Arelat, die Schweiz, Lothringen, Friesland, Böhmen etc., fast ganz verloren. Die Reichsfürsten hielten dem König stets die schwindende Macht des Reiches vor, forderten dringend die Rückgewinnung der verlorenen Gebiete, „damit sie nicht alle Steuern allein tragen müßten", versagten ihm aber alle Mittel dazu. Die Macht des Reiches lag bei seinen großen Fürstenstaaten, die aber ihren eigenen Vorteil verfolgten und keine mächtige Zentralgewalt — weder den Kaiser noch ein reichsständisches Regiment — über sich dulden wollten. Die Deutsche Nation — das war der Name für das engere Reich — strotzte vor ursprünglicher Kraft in allen seinen Gliedern. Der Gesamtkörper aber war fast handlungsunfähig. Alljährlich nahmen tausende deutsche Landsknechte den Kriegsdienst fremder Mächte, aber die Aufstellung eines eigenen Reichsheeres wurde von den Fürsten beharrlich verhindert. Die alte Verpflichtung der Stände zum Römerzug war vorsätzlich vergessen und in dieser Form gewiß überholt, obwohl die Reichssteuer immer noch nach „Römermonaten" bemessen wurde. Man glaubte nicht, daß der Verlust Italiens auch die Kaiserkrone kosten könne. Die Fürsten wünschten keinen Krieg um Italien — vor allem nicht vor der Lösung der deutschen Verfassungsfrage: Der Krieg kostete Geld und ein Sieg würde den König übermächtig machen. Nicht nur den Römerzug und die Erhaltung Reichsitaliens lehnte man ab; auch die Erhaltung der Eidgenossenschaft beim Reich, der Schutz des Deutschen Ordens gegen Polen oder die Verteidigung der Niederlande gegen Frankreich wurden verabsäumt. Im Nordosten unterstellten sich die Reichsstädte Danzig und Thorn dem König von Polen; im Südwesten gingen Basel und Schaffhausen zu den Eidgenossen über, und die Reichsstände ließen es geschehen. Auch Ruhe und Ordnung im Inneren, Landfriede und Kammergericht waren für Kurfürsten und Fürsten keine besonderen Anliegen, weil dadurch ihre Gerichtsprivilegien eingeschränkt werden konnten. Während die Fürstenstaaten gute Verwaltungsapparate — zumal Steuerbehörden — ausgebildet hatten, besaß das Reich als solches — von der Hofkanzlei, der Reichs-
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kanzlei, den Kammerrichtern und dem Fiskal abgesehen — so gut wie keine Vollzugsorgane, weder Beamte noch eine Schutztruppe für die innere Sicherheit, geschweige denn ein Heer zur Sicherung der Reichsgrenzen, wie es damals alle anderen europäischen Staaten selbstverständlich besaßen. Die Landesfürsten hatten das Reich aus ihren Ländern völlig verdrängt und gestatteten ihm keinerlei Eingriffe in ihre Rechte. Der Kaiser durfte das Reich zwar formell vertreten, Lehen vergeben und in seiner nächsten Umgebung Gericht halten; seine Urteile hatten aber nur Kraft, wenn er stark genug war, sie auch zu vollstrecken. Die Großen, die sich selber schützen konnten, waren im allgemeinen sicher, wenn auch sie mitunter aufsässige Ritter oder rebellische Bauern zu fürchten hatten. Kleinere Reichsstände aber waren schutzlos den Ubergriffen der Großen, sogar der ritterlichen „Rechtswahrer" ausgeliefert. So war das Reich im Inneren durch wilde Fehden zerissen und für den Kaiser unregierbar geworden; nach außen hin war es völlig ohnmächtig. Der Gesamtkörper des Reiches war arm und schwach, besaß weder eigene Steuereinkünfte noch ein eigenes Heer, kein Reichsgericht und keine Beamten, welche die Urteile vollstreckt hätten. Die alten Reichsgebiete in Italien, die Eidgenossenschaft, Lothringen, die Niederlande waren von Abtrennung bedroht, der Deutsche Orden in Preußen und Livland vom Reich verlassen. Nur eine Reform der überalterten Verfassung konnte dem Reich jene Kraft zurückgeben, deren es bedurfte, um sich im überstürzenden Gleichgewichtsspiel der Großmächte zu behaupten. In diesem Sinn äußerte Maximilian von Anfang an den entschiedenen Willen zu durchgreifenden Reformen, für die er aus den Niederlanden klare Vorstellungen mitbrachte. Für ihn standen allerdings die außenpolitischen Ziele, die Wiederherstellung des alten Reiches, im Vordergrund. Die inneren Reformen erschienen ihm als notwendige Voraussetzung dazu. Der König setzte sich eine maßvolle Verstärkung seiner Regierungsgewalt zum Ziel, die gemeinsam mit Kurverein und Reichstag den Staat wieder hätte regierbar machen sollen. Keineswegs konnte er eine straffe monarchische Alleinregierung fordern, die den Überlieferungen des Reiches in keiner Weise entsprochen hätte und auch niemals durchzusetzen gewesen wäre. Sein Ziel war Zusammenarbeit zwischen den Fürstenstaaten und einer gemäßigten kaiserlichen Monarchie. Er wollte den gewachsenen fürstenstaatlich-ständischen Aufbau des Reiches durch einen gemäßigt monarchischen Uberbau vollenden und jenes Mindestmaß an Kaisergewalt herstellen, das nötig gewesen wäre, um das Reich zu regieren. Darum lagen ihm Landfriede, gutes Gericht, Steuer und Wehrverfassung besonders am Herzen. Wer die Quellen kennt, wird kaum behaupten, der Kaiser habe „die Reichsreform mehr behindert als gefördert", oder „es sei ihm nur um das Geld gegangen". Freilich ist ohne Geld keine Reform möglich. Im übrigen waren seine Reformvorstellungen in vieler Hinsicht fortschrittlicher als jene der meisten Fürsten, wie sich noch zeigen wird. Die Wiederherstellung eines universalen Reiches nach seinen Visionen forderte allerdings bedeutende
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Opfer, so daß Fürsten und Stände Ursache hatten, dem außenpolitischen und kriegerischen Ubereifer des Königs, den sie von seinen niederländischen Kriegen kannten, Schranken zu setzen — vor allem deshalb, weil ihnen ein siegreicher König im Verfassungskampf gefährlich werden konnte — eine Beobachtung, welche die venezianischen Gesandten immer wieder hervorhoben. Die Reichsstände waren indes keineswegs geschlossen gegen die königliche Politik — nicht einmal alle Kurfürsten. Den Ausschlag gab freilich die Widerstandsgruppe um Erzkanzler Berthold. Starken Anhang hatte der König unter den Mittel- und Kleinstaaten, die er gegen den Zugriff der großen Nachbarn in Schutz nahm. Besonderes Ansehen genoß der König auch unter den Reichsrittern, denen er bei Durchführung der Reichsreform größere Aufgaben zugedacht hatte. Ebenso besaß Maximilian unter den Städten einzelne Freunde, weil gerade großbürgerliche Unternehmer an seiner Kriegs- und Rüstungspolitik verdienten. Die Masse der Bürgerschaft aber lehnte auswärtige Kriege, die ihren Handel störten, entschieden ab; ebenso Reichssteuern, welche sie als unbilliges „Servitut" betrachteten. Anderseits durften sich die Städte am ehesten vom König den Schutz des allgemeinen Landfriedens erwarten, der ihnen die Straßen offen hielt und ihre Handelsinteressen gegenüber auswärtigen Mächten vertrat. Den Humanisten, aber auch der öffentlichen Meinung galt Maximilian als der eigentliche Reformer. Geiler von Kaisersberg predigte gegen die Fürsten, die sich dem Gehorsam des Reiches entziehen: „Es werde ihnen gehen wie den Ochsen; die fraß der Wolf, den einen nach dem anderen, weil sie einander nicht halfen." Der „Traum des Hermansgrün" tadelte die Eigensucht, Trägheit, Uneinigkeit und politische Ahnungslosigkeit der Fürsten mit noch härteren Worten. Besonders scharf ging der Oberrheinische Revolutionär mit ihnen ins Gericht; ähnlich Sebastian Brant oder Heinrich Bebel, die alle den Widerstand der Fürsten gegen den Kaiser als Hauptübel ansahen. Als der kommende Reformer ist Maximilian 1486 zum Römischen König gewählt worden. Schon bald nach der Wahl mußte sich der vorsichtige Vater über den Reformeifer des Sohnes ärgern, der offenbar nicht ahnte, auf welches Wagnis er sich einließ; denn Maximilian setzte sich sofort für Landfrieden, Kammergericht, jährliche Reichstage, Friedenskreise und Wehrverfassung ein. Aber der entschiedene Einspruch Kaiser Friedrichs III. vereitelte derartige Versuche, und Maximilian mußte sich — wenn auch widerstrebend — beugen. Aber man wußte im Reich, wie er dachte. Bald nach dem T o d des Vaters wandte sich der König in das von Fehden heimgesuchte Reich und verlängerte den Landfrieden Kaiser Friedrichs III. um weitere drei Jahre. „Er wisse von seinem Vater, wie wichtig Friede und Recht im Reich seien", betonte er immer wieder. Gerade der Landfriede war ihm ein echtes Anliegen. Auch Erzkanzler Berthold von Mainz, dem der Landfriede in seiner Fehde mit Kurpfalz besonders zugutekam, stellte sich zunächst an die Seite des jungen Königs, begleitete ihn rheinabwärts in die Niederlande und schien
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zunächst bereit, Maximilian zu unterstützen. Der König überließ ihm die Führung der Reichskanzlei, die der Erzkanzler fast ganz an sich zu bringen suchte und sich sogar in kaiserliche Haussachen mischte, so daß es darüber bald zu Gegensätzen kam. Als Vertreter des Kurvereins, der Fürsten und Stände hoffte Berthold neben dem König seine Stellung als Erzkanzler zu verstärken. Der Mailänder Gesandte wußte zu berichten, daß er Präsident des Reichsregimentes werden wollte. Maximilian behauptete später, Berthold habe sich wohl „neben und über den König zum Regierer des Reiches . . . zum neuen Kaiser aufwerfen wollen". Daran sollte die Zusammenarbeit bald zerbrechen. Die Erwartungen, welche Maximilian in den Wormser Reichstag setzte, kamen nirgends klarer zum Ausdruck als in einer Werbeschrift, welche die sächsische Herzogsfamilie — Ernst, Erzbischof von Magdeburg, sein Bruder, Kurfürst Friedrich von Sachsen, und deren Onkel, H e r z o g Albrecht, der alte Kampfgefährte Maximilians — mit Hilfe eines Humanisten, unter dem Titel „Traum des Hans von Hermansgrün" unter die Reichsstände brachte. Die Sachsenfürsten waren damals mit Maximilian eng befreundet und veranlaßten diese Werbeschrift zweifellos im Einvernehmen mit dem König: Im T r a u m sah Hermansgrün — ähnlich Kaiser Sigismund in seiner Reformatio — die großen Kaiser der Vergangenheit, Karl den Großen, O t t o den Großen und Friedrich Barbarossa. Sie warnten die versammelten Reichsstände vor der Kriegsgefahr durch Türken und Franzosen. Die alten Kaiser hätten die Welt beherrscht, die Gegenwart aber sei in Trägheit und Feigheit verkommen. Die einzelnen Fürsten seien großmächtig, der König und das Reich aber müßten zu den Fürsten um Geld und Kriegshilfe „betteln" gehen. Die Fürsten schwächten den König und hofften, auch mit einem anderen Herrn gut auszukommen. Aber die Franzosen, wenn sie siegen, würden die Fürsten aus ihren Herrschaften vertreiben. Die Fürsten sollten daher den Reichstag rasch beenden, um gegen T ü r k e n und Franzosen zu ziehen; sie sollten einstweilen Kroatien, Istrien und die österreichischen Länder gegen die Türken befestigen; denn der Hauptfeind sei zunächst Frankreich, gegen den sich die Fürsten zusammenschließen müßten. Die Herrschaft der Welt könne nur erhalten werden, wenn man Italien den Franzosen entreißt, denn Rom verleiht den Kaisertitel und Italien ist das Zünglein an der Waage zur Weltherrschaft. Wenn Maximilian so versage wie bisher, sollten die Fürsten im Kampf gegen Frankreich allein vorangehen. Mit diesem kritischen Zusatz sollte wohl verschleiert werden, daß die Flugschrift f ü r nichts anderes als f ü r die Pläne Maximilians warb. Sie predigte ein einziges großes Ziel: Auf, nach Italien, zum Kampf gegen die Franzosen. Genau dies war Maximilians Plan.
Der Wormser Reformreichstag
(1495)
Maximilians Interesse war auf dem ersten Wormser Reichstag (1495) angesichts des französischen Uberfalls auf Italien so sehr auf den Römerzug
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Die Reichsreform
gerichtet, daß er die anlaufenden Reformhandlungen erst nach seiner Rückkehr aus Italien vollenden wollte, während die Stände den Italienzug ablehnten und den König in Worms festhielten. Wenn sich Maximilian zunächst dagegen sträubte, dann nicht gegen die Reformen; er sträubte sich gegen den Zeitpunkt, glaubte, daß der Widerstand gegen Karl VIII. keine Verzögerung dulde, und sah im drohenden Verlust Italiens den Ruin des Reiches; die Fürsten hingegen erkannten in der Zwangslage des Königs die denkbar beste Gelegenheit für einen erfolgreichen Verfassungskampf. In der Tat verstanden sie es, den Reichstag durch immer neue Schwierigkeiten über Monate hinauszuzögern, bis die gute Jahreszeit vorbei und der Italienzug unmöglich war. Dies war Bertholds geschickte Planung; Maximilian sprach geradezu von „Verrat". Obwohl von den Ereignissen in Italien bedrängt, ging der König mit Verständnis auf die Forderungen der Fürsten ein, ohne aber die eigenen Reformvorstellungen preiszugeben. Während er auf stärkeres königliches Reichsregiment, auf Sicherung des Landfriedens und ausreichende Steuerhilfe für die Aufstellung eines Heeres drängte, versuchten Kurfürsten und Fürsten vor allem das Reichsregiment unter ihren beherrschenden Einfluß zu bringen und das Reich als kurfürstlich-fürstliche Oligarchie einzurichten. Schon ihr erster Entwurf forderte ein vorwiegend kurfürstliches Reichsregiment. Das war das eigentliche Ziel der reichsfürstlichen Reform. Man wird schwerlich behaupten können, dies wäre für das Reich die große Lösung gewesen. Den Italienzug, den Maximilian in den Vordergrund stellte und mit ungewohnten Geldforderungen verband, suchten sie zu verhindern, und setzten daher gerade den Steuergesetzen und damit der Aufstellung eines Heeres den härtesten Widerstand entgegen, denn auswärtige Erfolge hätten dem König zu übermächtiger Stellung im Verfassungskampf verholfen. Indes riefen die Italiener unablässig um Hilfe: Jede Verzögerung fördere den Ruin des Mailänder Staates; aber die Fürsten blieben hart. Der Gemeine Pfennig wurde auf einen Bruchteil des ursprünglichen Ansatzes gekürzt; die Wehrverfassung aber ganz zu Fall gebracht. Als sich Maximilian von den kurfürstlich-fürstlichen Sonderverhandlungen ausgeschlossen sah, als man gar seine überlieferten, ohnehin spärlichen Königsrechte bedrohte, setzte er sich entrüstet zur Wehr: Er wolle bei Beratungen „nicht vor der Türe der Ratsstube stehen, was man nicht einmal einem Bürgermeister zumuten könne; . . . er werde keinen Präsidenten über sich dulden; . . . er lasse sich nicht an Händen und Füßen binden und an den Nagel hängen" — er spielte auf das bekannte Mißgeschick König Gunthers im Nibelungenlied an. Auch den auswärtigen Gesandten blieben die Demütigungen nicht verborgen, die der König immer wieder hinnehmen mußte. Ein eindrucksvolles Bild der Verhandlungen geben die Berichte des venezianischen Gesandten Contarini, die man in den Reichstagsakten oder in meinen Maximilian-Regesten nachlesen kann. Schließlich setzte er doch durch, daß er die Beratungen nach Belieben besuchen konnte, und daß Kurfürsten und Fürsten regelmäßig
Maximilian
auf dem Wormser Reichstag (1495), umgeben von den sechs Kurfürsten. den Ansbacher Reichstagsakten, offenbar als Flugblatt gedacht.
Holzschnitt
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zur Berichterstattung erscheinen mußten. Mit den Kurfürsten saß er halbe Nächte beisammen, gewann aber immer mehr den Eindruck, daß sie echte Ergebnisse nur verzögern und verhindern wollten. Wenn ihn der Zorn übermannte, schalt er sie „Bestien, mehr als Bestien". Nach langwierigen, mitunter dramatischen Verhandlungen, die der König größtenteils persönlich führte, wobei er es an Winkelzügen und Hartnäckigkeit nicht fehlen ließ, erreichte er einen Vergleich. Berthold hatte Maximilians Pläne zwar weitgehend vereitelt, aber doch nicht ganz verhindern können. Er fühlte wohl, daß man den König weder ganz ausschalten dürfe noch könne. Maximilian empfand den Erzkanzler als so widerwärtig — wir wissen es aus den Berichten Contarinis — daß der Bruch früher oder später nicht ausbleiben konnte: „Berthold sei die Hauptursache allen Übels, der Mann, der selbst das Reich regieren und sich den König unterwerfen wolle; . . . er werde diesem Schulmeister noch die Flügel stutzen; . . . am liebsten würde er ihn ..," — das weitere deutete er nur an — köpfen lassen. Ende Juli 1495 hatte man sich mehr schlecht als recht geeinigt. Berthold suchte den Abschluß bis zum letzten Tag zu verzögern. Beim Landfrieden vertrat der König manche Verbesserung. Er brachte bei den letzten Verhandlungen den „Pfändungsartikel" zu Fall, den die Fürsten als Rest des Fehderechtes festzuhalten suchten. Beim Kammergericht machte der König Zugeständnisse, ohne seinen Einfluß ganz preiszugeben. Ohne Widerstand einigten sich König und Stände auf die Einführung des Römischen Rechtes im Kammergericht, — ein Reichsgesetz von unabsehbarer Bedeutung. Am zähesten wurde um die Reichssteuer gerungen. Dabei ging es Maximilian „um das Hemd", wie er sagte; „alle anderen Fragen berührten nur den Rock". In wochenlangen Verhandlungen mußte er sich von einer regelmäßigen, ordentlichen Steuer über eine zehnjährige Steuer schließlich auf vier Jahre herunterhandeln lassen. Man hatte von einer Million Gulden pro Jahr geredet, also von vier Millionen insgesamt; einen Bruchteil davon, 250.000 Gulden, erhielt er schließlich zugesprochen. „In der Steuerfrage habe das Reich völlig versagt", äußerte der enttäuschte König. „Von den Fürsten sei keine Hilfe zu erwarten, denn sie glaubten nicht an die Verteidigung Italiens, sähen nicht, daß die Kaiserkrone in Gefahr sei, hätten keinen Blick für das Nötige." Die Stände ihrerseits konnten freilich nicht zulassen, daß der König den ungehemmten Zugriff auf die Reichssteuer forderte. Er wollte auch die Schatzmeister allein auswählen, während die Stände Kontrolle forderten. Gegen diese Einseitigkeit waren alle Stände einig. Die großen Reformgesetze vom August 1495 vereinigten reichsständische und königliche Vorschläge noch einmal zu einem Vergleich, der allerdings nicht ganz befriedigen konnte. Maximilian zögerte lange, ob er die Gesetze in dieser Form annehmen sollte, schien doch nicht einmal der Italienzug gesichert; aber er unterschrieb und siegelte Reformgesetze und Abschied. Zweifellos bedeuteten die Wormser Gesetze bei allen Mängeln einen relativen Fortschritt. Manche gute Neuerungen hatten sich durchgesetzt. Der
Der Wormser Reformreichstag (1495)
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Ewige Landfriede und das Kammergericht, das Verbot der Fehde und die allgemeine Verpflichtung auf das zuständige Gericht bedeuteten das Ende des Faustrechtes und den Anbruch der Neuzeit auf dem Gebiet des Rechtswesens — zunächst freilich nur auf dem Papier. Wenn sich das rechte Gericht auch nur langsam durchsetzen konnte, so war es doch eine Schöpfung von bleibender Bedeutung. Daß Kurfürsten und Fürsten gerade dem Landfrieden und Kammergericht Mißtrauen und Widerstand entgegensetzten und durch die jämmerliche Einrichtung des sogenannten „Suppenessergerichtes" zu umgehen suchten, wurde allgemein getadelt: Wenn Fürsten von geringeren Reichsständen geklagt wurden, sollte ein Gerichtshof, gebildet aus den Beamten des beklagten Fürsten, die „seine Suppe aßen", über ihn Recht sprechen. Das erregte zwar Spott, war aber nicht zu ändern. Was sollte außerdem ein Landfriede, wenn es keine stehende Schutztruppe gab, ihn zu sichern und die Gerichtsurteile zu vollstrecken. Unmittelbar wirksam war dagegen die Bestimmung, daß die Hälfte der Beisitzer beim Kammergericht gelehrte Juristen sein sollten, und daß nach „des Reiches gemeinen Rechten" und nach dem Kaiserrecht vorzugehen und zu urteilen sei. Damit wurde das Römische Recht als deutsches Reichsrecht rezipiert und vom Kammergericht aus allmählich auch in die Rechtsprechung und Gesetzgebung der Länder übertragen, soweit es dort nicht schon vorher aushilfsweise herangezogen worden war. Den Gemeinen Pfennig mußte das Reich mangels eigener Behörden von den Pfarrern in den Kirchen einsammeln lassen, weil Fürsten und Stände ihren Steuerapparat dem Reich nicht zur Verfügung stellten. Noch vor Ablauf der vier Jahre mußte der Gemeine Pfennig eingestellt werden, weil ihn viele nicht bezahlten. Es wurde allgemeine Übung im Reich, beschlossene Steuern einfach nicht zu bezahlen. Man habe nicht zugestimmt und brauche daher nicht zu bezahlen, lautete eine gängige Ausrede; oder, die vom Reich abgefallenen Ausländer, die Italiener, oder die Juden sollten bezahlen. In der mangelhaften Steuermoral der Stände lag eine der Hauptschwächen der Reform, die nicht überwunden werden konnte. Mit dem Versagen der Reichssteuer erwies sich nicht nur die Aufstellung eines Reichsheeres, sondern auch die Bezahlung der Kammerrichter als unmöglich. Ganz ungelöst blieb die Regimentsfrage, die den Verfassungskampf der nächsten Jahre erst richtig anheizte. Maximilian hatte die Heilige Liga abgeschlossen, ohne die Kurfürsten zu verständigen, was allgemeinen Unwillen erregte, denn sie forderten an allen Regierungsakten beteiligt zu werden. Maximilian wünschte zwar Mitverantwortung, wollte aber „keinen Präsidenten über sich dulden" und betrachtete das Regiment als seinen Hofrat, was für Kurfürsten und Fürsten unannehmbar war. Daran sollte sich bis zum T o d des Kaisers nichts ändern. Die Entwicklung der Fürstenstaaten war zu weit fortgeschritten, als daß ihnen eine freiwillige Beschränkung ihrer landesherrlichen Gewalt zugunsten einer stärkeren Reichsregierung zugemutet werden konnte. Dafür kam die Reform zu spät. Einen Kaiser, der regieren wollte, war man längst nicht mehr
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Die Reichsreform
gewohnt. Ein reichsständisches Kollegium, dem die geheiligte Autorität der Krone fehlte, hatte aber noch weniger Aussicht, allgemeine Anerkennung und Gehorsam zu finden. Das Reich war fast unregierbar geworden. Naturgemäß bemerkten die auswärtigen Gesandten die Scheinherrlichkeit des Reiches, die Ohnmacht des Kaisers sowie den völligen Mangel an Autorität und Gehorsam im Reich, das als Bundesgenosse von niemandem mehr ernst genommen wurde. Die Zugehörigkeit zum Heiligen Reich war nur mehr eine ehrwürdige Tradition, und die milde Reichsherrschaft noch immer sprichwörtlich; aber sie bot niemandem mehr Schutz und Sicherheit.
Die Reichstage von Lindau, Freiburg und Augsburg
(1496—1500)
Auf dem folgenden Lindauer Reichstag (1496/97) hatte Erzkanzler Berthold die Reichsstände bereits so weit in der Hand, daß er sie im Verfassungskampf gegen den König ziemlich geschlossen einsetzen konnte. Maximilian hatte sich bereits in Worms dem venezianischen Gesandten gegenüber besorgt geäußert, Berthold wolle ihn mit der Reichssteuer in eine Zwangslage bringen und ihm dann das Geld entziehen, damit er sich geschlagen geben müsse, denn Berthold „wolle selber Kaiser sein". So geschah es auch. Man ließ den König beim Vormarsch in Italien und bei den Kämpfen vor Livorno ohne jede Steuerhilfe und ohne Truppen. Seine Hilferufe blieben zunächst unbeantwortet. Als Maxmilian seinen Hofkanzler Stürtzel mit „scharfen Mandaten" nach Lindau schickte, antwortete man auf diese Strafpredigt mit so heftiger Empörung, daß der Hofkanzler erschrocken und nicht sehr geschickt nachgab und damit den ständischen Widerstand erst richtig ermutigte. Der merkwürdigste Vorwurf der Stände lautete, der König habe ohne ihre Erlaubnis den Italienkrieg begonnen. Sie mußten doch wissen, daß sie in Worms eine Italienhilfe ausdrücklich beschlossen hatten, und daß ein Römischer König keine Bewilligung der Stände brauchte, wenn er zur Kaiserkrönung zog. Da man die Steuer beharrlich verweigerte, konnten nicht einmal mehr die Kammerrichter besoldet werden. „Man solle sie mit einer Judensteuer besolden", empfahlen die Reichsstände. Wenn der König die Steuerschulden durch den Reichsfiskal beim Kammergericht einklagen und rasche Urteile erwirken wollte, traten ihm die Reichsstände mit dem Vorwurf entgegen, er greife in den freien Lauf des Gerichtes ein. Man rügte sogar, daß Maximilian die österreichischen Steuereingänge unmittelbar für den Italienzug verbrauchte, anstatt sie dem Reichsschatzmeister abzuliefern. Der Reichstag wollte einfach nicht helfen, urteilten die Italiener. So verging der Herbst, ohne daß die Stände für ihren König in Italien das geringste unternahmen, und ohne daß die Reform einen Schritt vorankam. Aber sie erreichten, was sie eigentlich wollten: Maximilian mußte den Italienzug abbrechen und heimkehren. Das Ansehen des Reiches und des Königs bei den Italienern erlitt dadurch einen schweren Schlag. Dem Papst er-
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schien schon jetzt der König von Frankreich als der eigentliche kommende Kaiser. Selbst Berthold bekam allmählich Angst vor dem, was er angerichtet hatte, und sicherte sich durch ein Geheimbündnis mit den Kurfürsten und Fürsten gegen den zu erwartenden Zorn des Königs. Maximilian ließ nach seiner Rückkehr dem widerspenstigen Reichstag sagen, er werde nicht aufgeben, selbst wenn man ihn in allen Wirtshäusern verspotte, und wenn er Armut halber zu Fuß gehen müsse; er fürchte die Ränke nicht, die man gegen ihn spinne, er fürchte nicht einmal den Teufel in der Hölle. Wenn man eine Reform wolle, müsse man endlich die Reichssteuer bezahlen. Wie könne man Steuern von den Italienern fordern, wenn man sie selbst nicht zahle? Die Stände waren über die Vorwürfe, Drohungen und Forderungen doch so erschrocken, daß sie sich auf allgemeine Versprechungen einließen, den Pfennig einzuheben, aber garantieren wollten sie nichts. Berthold suchte mit süßen Entschuldigungen — man nannte ihn die Nachtigall — den König zu besänftigen, und versäumte nicht, zum Schein auch die Stände zu tadeln, die auf allen Linien siegten. Sie hatten den König gezwungen, Italien preiszugeben, hatten ein Kampfbündnis gegen ihn abgeschlossen, das ihnen gestattete, ohne Furcht vor Strafe ihren Widerstand fortzusetzen. Berthold hatte die Versammlung fest in der Hand und war entschlossen, sie auf dem Weg des Verfassungskampfes anzuführen. Die Stände strebten nichts Geringeres an als die volle Regierungsgewalt im Reich. Berthold spielte bereits mit dem Gedanken an eine Absetzung des Königs, wie er dem Brandenburger Gesandten anvertraute. Das kennzeichnet die Schärfe der Gegensätze. Maximilian war nach den letzten Erlebnissen entschlossen, keinen Reichstag mehr zu besuchen, wenn nicht zuvor der in Worms beschlossene Gemeine Pfennig bezahlt werde. Auf dem schlecht besuchten zweiten Wormser Reichstag (1497) mußte selbst Berthold bekennen, es sei „wenig Ernst und Fleiß bei den Ständen von den Oberen bis zu den Unteren . . . das Reich werde immer kleiner und die Steuerlasten immer größer . . . es müsse ein Zwingherr mit eiserner Rute kommen". — Vom Gemeinen Pfennig kam so gut wie nichts herein. Man wiederholte in Ständekreisen die ewig gleiche Leier: Man zahle erst, wenn die Nachbarn gezahlt hätten; die Italiener oder die Juden sollten zahlen. Das Kammergericht löste sich mangels Besoldung auf. Nicht einmal die Stände konnten leugnen, daß die Reichssteuer die Grundlage jeder Reform war. — Indes nahmen überall im Reich die Fehdehändel überhand, als ob es nie einen Ewigen Landfrieden gegeben habe. Angesichts des völligen Versagens der Reichstage setzte sich auch Maximilian über die Wormser Ordnung von 1495 in einem der wichtigsten Punkte hinweg und richtete um die Jahreswende 1497/98 als oberste Regierungsund Gerichtsbehörde seinen eigenen Hofrat ein, um ein vorwiegend ständisches Reichsregiment zu verhindern, womit ihn die Stände immerfort bedrängten. Der neue Hofrat und die ihm zugeordnete Hofkammer und Hofkanzlei sollten ihren Hauptsitz in Innsbruck haben und Aufgaben des Reiches und der österreichischen Länder gemeinsam erledigen. Maximilian war
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es zunächst gelungen, mehrere mächtige Reichsfürsten für diese neue Einrichtung zu gewinnen, die es sich aber sehr bald anders überlegten. Damit wollte er seinen beharrlichsten Widersacher, Erzkanzler Berthold, und dessen Reichskanzlei aus der Reichsregierung verdrängen, was den offenen Ausbruch des Verfassungskampfes nach sich zog. Auf dem Freiburger T a g (1497/98) erwartete man den König mit Ungeduld. Man wußte offenbar schon von der neuen Hofratsordnung, die ohne Zustimmung der Stände eingeführt worden war. Man ärgerte sich, daß Maximilian den Reichstag so lange sitzen ließ. Erst als die Nachricht vom T o d e Karls VIII. eintraf, schien dem König der Besuch des Reichstages dringend, denn man erwartete allgemein eine völlige Wendung der äußeren Lage. Maximilian wollte die Stände für ein großes Unternehmen gegen Frankreich gewinnen; die Stände dagegen hofften auf Zugeständnisse in der Regimentsfrage. Schon unmittelbar nach der Ankunft Maximilians gab es stürmische Auftritte mit den Kurfürsten und Fürsten, da die Reichssteuer nur zum geringsten Teil eingesammelt war. Der König forderte entschieden die ausständigen Steuern für einen Feldzug gegen Frankreich. Wenn ihm das Reich nicht helfe, die von Frankreich geraubten burgundischen Länder zurückzugewinnen, werde er sich von seinem Krönungseid dispensieren, denn er sei auch dem Hause Osterreich verpflichtet. Dies alles stieß er in höchster Erregung und in dunklen Andeutungen hervor. Berthold erlaubte sich den feinen Spott, der König rede in Parabeln wie Christus zu den Jüngern. Maximilian antwortete, „er werde noch deutsch mit ihnen reden, denn er lasse sich nicht an Händen und Füßen binden und an den Nagel hängen". Die Fürsten warfen dem König „seine großen Torheiten" vor und meinten damit den Italienzug, den sie erfolgreich behindert hatten. Manche Fürsten meinten gar, man solle Italien den Franzosen überlassen, dann werde das Reich seine Ruhe haben. Der König hingegen tadelte die Stände ob ihrer „törichten Antworten". So gereizt begegnete man einander. Wieder drohte Maximilian, „er werde die Krone vor die Füße setzen und zertreten". Erst nach langen, zähen Verhandlungen und heftigen Auftritten erzwang der König die tropfenweise Auszahlung eines kläglichen Restes aus dem Gemeinen Pfennig. Auf die weitere Einhebung mußte er verzichten. Was sonst an dringenden Sachen anstand, die Hilfsbitte des Banus von Kroatien und des Königs von Polen gegen die Türken und die Hilferufe des Deutschen Ordens gegen die Russen, blieben unerledigt, zumal man den Eindruck hatte, es gehe dem König nur um neue Geldforderungen. Die Masse der inneren Reformfragen blieb überhaupt liegen, weil Maximilian nun seinen Feldzug gegen Frankreich eröffnete, von dem er sich die Rückeroberung des Herzogtums Burgund erhoffte. Der König überraschte die Stände mit immer neuen Forderungen, bald gegen die Franzosen, bald gegen die Türken, die eigentlich auf eine Reform der Kriegsverfassung abzielten; er wünschte ein stehendes Heer, das er be-
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liebig einsetzen konnte; diese Forderungen wurden aber beharrlich abgewiesen. Stände und König blieben einander in ihren taktischen Winkelzügen nichts schuldig. Die Stimmung war so gereizt, daß Berthold im vertrautem Kreis von einer Absetzung geredet haben soll; mindestens wollte er den König „seiner ungebundenen Gewalt etwas restringieren", während Maximilian sogar den auswärtigen Gesandten sagte, Berthold sei ein schlechter Kerl, er werde ihn durch einen besseren Mann ersetzen. Der Freiburger Abschied (September 1498), mit dem die Stände keineswegs zufrieden waren, anullierte alle Ergebnisse mit einem einzigen Artikel: Wenn es dem König bis Weihnachten nicht gelinge, alle Stände auf den Abschied zu verpflichten, sollten alle Vereinbarungen null und nichtig sein. Wie sollte dies dem König gelingen? Die Stände arbeiteten offenbar auf eine f ü r sie günstigere Lösung der Regimentsfrage hin. Alles schien sich auf einen Entscheidungskampf um die Macht im Reiche zuzuspitzen. Diesem König, von dem man nie wußte, wessen man sich zu versehen hatte, da er glaubte, er könne — wie die alten Kaiser der Vorzeit — die Fürsten ohne Zustimmung zum Römerzug oder zum Reichskrieg aufbieten, dem wollte man zeigen, daß sich die Zeiten geändert hatten. Zwar hatte Maximilian den Erzkanzler durch gewisse Zugeständnisse in der Reichsregierung und durch Überlassung der Römischen Kanzlei (September 1498) zu begütigen versucht; aber nichtsdestoweniger arbeitete Berthold auf den Sturz des Hofregimentes hin. Auch Kurfürst Friedrich von Sachsen verließ damals enttäuscht das Hoflager, um unter dem Einfluß Bertholds im Verfassungskampf wieder an die Seite seiner Standesgenossen zurückzukehren und mit ihnen den Sturz des neuen Hofrates und die Entmachtung der verhaßten „Schwaben" vorzubereiten. Vergebens warnte Maximilian die Verschwörer, ein „Parlament und Regierung zu machen wider seiner Majestät Regiment". Berthold und die Stände warteten nur noch auf eine günstige Gelegenheit, den entscheidenden Schlag zu führen. Auf dem Reichstag zu Augsburg (1500) errang die Opposition einen vollständigen Sieg über den König. Unter dem Druck der schweren äußeren Niederlagen, die von den Ständen vorsätzlich gefördert worden waren, und infolge des Verlustes der Eidgenossenschaft und des Herzogtums Mailand mußte Maximilian die Reichsgewalt fast ganz den Ständen überlassen. Seit sich auch Kur-Sachsen mit dem Erzkanzler verbündet hatte, war der König völlig isoliert und gezwungen, in allem nachzugeben. Berthold und die Fürsten versprachen ihm zwar eine neue Steuer- und Wehrverfassung, — die auf dem Papier blieb — entzogen ihm aber d a f ü r alle Regierungsrechte. An Stelle des königlichen Hofrates wurde ein ständisches Reichsregiment in Nürnberg eingerichtet, innerhalb dessen der König nur mehr eine Art Ehrenvorsitz führen sollte. Selbst das Kriegsrecht war ihm entzogen; ein Reichshauptmann sollte bestellt werden, der dem König nicht zu gehorchen braucht. Maximilian sollte sich wie ein anderer Reichsstand auch mit seinen österreichischen Ländern Bertholds neuer O r d n u n g unterwerfen. Maximilian hatte den Ständen schwerste O p f e r gebracht in der H o f f -
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nung, sie würden ihre Versprechen halten und eine Wehrverfassung einrichten. Bald mußte er erkennen, daß er getäuscht wurde. Keines der Versprechen wurde eingelöst. Maximilian habe vor Zorn getobt, er sei erkrankt, berichteten venezianische Spione: wenn man ihm nicht einmal die Kriegführung anvertraue, lehne er alle Verantwortung ab und wolle Krone und Regiment den Ständen überlassen. Aber die Drohung schreckte niemanden, denn man wußte, wie sehr er an der Kaiserwürde hing. Maximilian gab Berthold die Hauptschuld: er habe „Subtilität" gebraucht, um ihm die Ehre zu nehmen; er habe ihn zu seinem Knecht machen wollen, dahinter aber stünden die Machenschaften des Königs von Frankreich. Zwischen dem König und seinem Erzkanzler entbrannte ein Kampf auf Leben und Tod. Maximilian entließ nun den kränklichen Hofkanzler Stürtzel, der schon auf dem Lindauer Tag versagt hatte, und ersetzte ihn durch Serntein, der dem schlauen Erzkanzler eher gewachsen war. Kein König damaliger Zeiten hätte sich auf die Dauer einer solchen Verfassung unterwerfen können, urteilte selbst Ulmann, der Maximilian wenig freundlich behandelte. Um sein Gesicht zu wahren, zeigte sich der Kaiser dem Volk bei den großen Investituren in der strahlenden Herrlichkeit seiner Majestät, mit der Krone und den Gewändern Karls des Großen und versuchte, die breite Öffentlichkeit durch große Feste über seine Niederlage hinwegzutäuschen. Die Stände hatten den Höhepunkt ihrer Macht erreicht und feierten ihren Sieg mit fröhlichen Gelagen. Aber schon nach wenigen Monaten offenbarte sich die ganze Schwäche des reichsständischen Systems. Kurfürsten und Fürsten wollten sich ein ständisches Regiment ebensowenig gefallen lassen, wie das königliche. Außerdem waren sie zu träge, wie der König sagte, abwechselnd ihren Dienst in Nürnberg zu versehen, was die Augsburger Ordnung vorschrieb. Es genügte ihnen, die monarchische Gestaltung der Reichsverfassung verhindert zu haben; sie durch eine ständische Zentralregierung zu ersetzen, lag ihnen ebenso fern. Dem Reichsregiment, dem auch kleinere Reichsstände und Beamte angehörten, Gehorsam leisten zu müssen, erschien den großmächtigen Herren als Demütigung; sie widerstrebten eben jeder Zentralgewalt. Berthold vermochte ohne die Hilfe seiner Standesgenossen, ohne reale Macht, ohne Geld und ohne eigene Reichsbeamte noch viel weniger das Reich zu regieren als der König, der außer seiner Weihe auch seine Hausmacht einsetzen konnte. Es muß zu denken geben, daß sich kein bedeutender Zeitgenosse zugunsten des fürstlichen Reichsregimentes aussprach. Der Humanist Bebel fühlte sich — ähnlich wie Hans von Hermansgrün — im Traum von Mutter Germania angesprochen. Sie mahnte ihn, Maximilian auf die trostlose Lage des Reiches hinzuweisen; der König solle den Mut nicht verlieren, denn auf ihn setze das Reich seine ganze Hoffnung; er könne das Reich noch retten. Die Fäulnis habe so weit um sich gegriffen, daß der König unnachsichtig das Messer gebrauchen müsse. In der Sonderbündelei und im Ungehorsam
Nürnberger Regiment. Kurverein von Gelnhausen. Sturz Bertholds von Mainz
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einiger Großer, im Eigennutz und in der inneren Zwietracht liege die Ursache des Untergangs mächtiger Reiche. Gewiß schrieb Bebel im Auftrag des Hofes; aber er fand keinen Widerspruch.
Das Nürnberger Regiment. Der Kurverein von Der Sturz Bertholds von Mainz
Geinbausen.
Auch das Nürnberger Regiment konnte mit den Schwierigkeiten in keiner Weise fertig werden: Die Fürsten erschienen nicht zur vorgesehenen Dienstleistung. Die beschlossenen Steuern kamen wieder nicht herein; ebensowenig wurde eine Reichsarmee aufgestellt. Nur in seinen österreichischen Ländern ließ der Kaiser die neue Wehrverfassung durchführen. Nicht einmal der Übertritt der Reichsstädte Basel und Schaffhausen zur Eidgenossenschaft konnte verhindert werden. Dem Eroberungskrieg der Franzosen und Spanier gegen Neapel stand man hilf- und tatenlos gegenüber. Der päpstliche Legat Peraudi tadelte die Reichsstände, die nicht einmal ein Reichsheer aufstellten, weil sie die Macht ihres Kaisers fürchteten — und dies angesichts von 20.000 Türken, die sich in Bosnien zum Angriff gegen die Christenheit bereitstellen. Die Fürsten seien es, die dem Kaiser zum Türkenzug nicht folgen wollten. Aber Berthold verstand es, den Legaten bald für die fürstliche Partei zu gewinnen. Nach einem guten Jahr fortgesetzter Mißerfolge löste Maximilian das Nürnberger Regiment wieder auf (März 1502), forderte dem Erzkanzler Berthold das Reichssiegel ab und übertrug die Regierungsgeschäfte wieder seinem eigenen Hofrat. Ebenso richtete er mit Unterstützung einiger treuer Reichsstände das Kammergericht wieder auf. In Ständekreisen wurde kaum ein Wort des Widerspruches gegen diese Neuerungen laut; so offensichtlich hatte das Nürnberger Regiment versagt. Der königliche Hofrat schien bei aller Unvollkommenheit doch besser als das ständische Regiment, zumal Maximilian die Mitbestimmung im Reichstag, im Kurverein und im Kammergericht keineswegs beschränkte. Er war fest entschlossen, an den gemeinsamen Errungenschaften der Reform, an jährlichen Reichstagen, Regiment und Kammergericht, auch weiterhin festzuhalten und die Zusammenarbeit, ja, die Mitverantwortung der Stände zu suchen. Die Reform ging auch ohne Berthold, unter Führung des Königs weiter. Berthold und die Kurfürsten versuchten zunächst noch, den offenen Widerstand fortzusetzen. Der Erzkanzler versammelte den Kurverein in Gelnhausen (Juli 1502). Die Kurfürsten schlossen ein Schutz- und Trutzbündnis gegen den König, das in mehreren Punkten versteckte Drohungen enthielt. Offenbar wollte sich Berthold, der nach der Regimentsauflösung mit einem Anschlag gegen seine Person rechnen mochte, durch diese Hilfsartikel sichern. Einige Kurfürsten dachten sogar daran, das Fehderecht wiederherzustellen — unter Umständen wohl auch gegen den König. Sie sahen im Landfrieden nur eine Verkürzung ihrer fürstlichen Rechte.
Ill
Die Reichsreform
Beharrlich hielt sich das Gerücht, man wolle den König absetzen. Aber Maximilian hatte den Schwäbischen Bund und einige jüngere Fürsten an seiner Seite. Außerdem drohte eine Erhebung des „Bundschuh" im Südwesten, die sich vor allem gegen die benachbarten Fürsten richtete und allen schwere Sorge bereitete. Der Kurverein wandte sich daher von Bertholds aussichtsloser Sonderpolitik allmählich ab, der von allen verlassen, allein zurückblieb. Der Erzkanzler lieferte nun endlich Siegel und Kammergerichtsakten ab und bat den König flehentlich um Gnade. Maximilian antwortete hart und unversöhnlich: Berthold habe seit vielen Jahren auf allen Reichstagen den Türkenzug verhindert und die Kaiserkrone um ihr Ansehen gebracht; stets sei er in vorderster Linie der Gegner des Königs gestanden und habe kein Verständnis für die große Weltlage bewiesen. — Berthold beteuerte, er sei schuldlos, niemals habe er sich über den König stellen wollen; er sei bereit, sich vor dem Kurverein oder vor dem Reichstag zu verantworten. Maximilian schrieb zurück, er wolle sich mit Bertholds Entschuldigungen nicht mehr beschäftigen und wünsche keinen weiteren Streit. Damit war dem Erzkanzler die Öffentlichkeit genommen. Eine Versöhnung war ausgeschlossen, umsomehr als Berthold auch den Legaten Peraudi gegen den König ausgespielt hatte. Maximilian arbeitete fortan auf die völlige Ausschaltung Bertholds hin. Geschickt verstanden es seine Agenten, die öffentliche Meinung gegen Kurfürsten und Fürsten einzusetzen. Flugschriften beschworen den Himmel, „den Wölfen, die sich Fürsten nennen, nicht zu gestatten, das Reich zu zerreißen". Mutter Germania ermahnte die Fürsten, „den inneren Streit beizulegen und ihren König zu unterstützen". D a sich auch die äußere Lage, der Krieg in Neapel und die Wahl Papst Pius III. zugunsten Maximilians wendeten, schien seine Sache gewonnen. Er konnte dem Kurverein die Aufnahme seines Sohnes Philipp in die Reihe der Kurfürsten empfehlen und den Erzkanzler in aller Form zum Rücktritt auffordern. Wenn dies auch nicht geschah, so begannen sich doch die Widerstände des Kurvereins gegen den König allmählich zu entschärfen; er konnte es wagen, einen Teil der Ablaßgelder — gegen den Protest Peraudis — an sich zu bringen, indem er einfach die Sammeltruhen aufbrechen ließ. Berthold mußte erkennen, daß er verloren hatte. Seine Unschuldsbeteuerungen wirkten eher kläglich. Gewiß hatte er es an Eifer für die Reichsreform nicht weniger fehlen lassen als der König. Beiden ging es offenbar um eine straffere Zusammenfassung des Reiches. Aber Maximilian meinte, ohne den besserwisserischen, aber weltfremden „Schulmeister", wie er ihn nannte, mit den Schwierigkeiten eher fertig zu werden. Berthold hingegen versuchte bereits auf dem Wormser T a g , dem König jede wirksame Steuerhilfe zu entziehen und ihn aus dem Reichsregiment völlig zu verdrängen, ohne daß er die Kraft besessen hätte, anstatt dessen ein wirksames ständisches Regiment einzurichten. Dem Erzkanzler fehlte nicht nur der Blick für die europäische Aufgabe des Reiches in jener Zeit des allgemeinen Umbruchs, sondern auch
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der Sinn für die gemäßigte Monarchie, die in jenen Zeiten die natürliche Trägerin des Einheitsgedankens im Reiche war; vor allem fehlte ihm die richtige Einschätzung seiner eigenen Möglichkeiten: Er hatte die Stände, die er anführen wollte, nicht fest genug in der Hand; eine schöpferische Persönlichkeit, stark genug, ein reichseinheitliches Ständeregiment aufzurichten und anzuführen, war Berthold gewiß nicht. Er war eben doch nur ein mittelmäßiger „Kleinstaatler", wie ihn Härtung nannte. Ranke, dem noch die Quellen fehlten, hat Berthold zweifellos überschätzt. Als der Erzkanzler 1504 starb, war er bereits bedeutungslos geworden. Die Stände verloren an ihm zwar einen wortgewandten Redner, aber keinen überragenden Führer. Der König grollte ihm noch über das Grab hinaus, daß er die Reform, den Kreuzzug und die Kaiserkrönung durch seine Politik verhindert habe. Der König und der Erzkanzler waren die großen Gegenspieler im Ringen zwischen kaiserlicher und fürstenstaatlicher Gewalt um die Vorherrschaft. Beide Standpunkte hatten ihre Zeit und ihre Aufgabe, und nichts läge mir ferner, als die eine oder die andere Partei zu verurteilen. In der Auseinandersetzung wäre die richtige Mitte zu finden gewesen. Eines freilich scheint mir mehr als unwahrscheinlich: daß die kurfürstliche „Reform", wie wir sie aus zahlreichen Aktionen kennenlernten, das Reich erneuert hätte. Die Kurfürsten aber hatten den Verfassungskampf noch nicht ganz verloren. Erst der Bayerisch-Pfälzische Krieg (1503—1505) und die entscheidenden Siege des Königs am Wenzenberg, die Eroberung von Kufstein, die Niederlage der Pfälzer Partei und nicht zuletzt das harte Strafgericht gegen Kurfürst Philipp wendeten die Lage völlig zugunsten des Königs, zumal auch Ludwig XII. von Frankreich die Sache der deutschen Fürsten im Stiche lassen mußte und mit Maximilian den Frieden von Hagenau (1505) abschloß. Angesichts des Schicksals Bertholds und des Pfalzgrafen Philipp, wagte es zunächst niemand mehr, gegen den König offen vorzugehen. Es waren fortan der kleine Hofadel und die Beamten, die im Hofrat und in der Hofkanzlei die Regierung und Verwaltung führten — Leute „niedrigen Standes", gegen welche sich die Kurfürsten in der Wahlkapitulation von 1519 ausdrücklich und mit aller Schärfe verwahrten. Der Widerstand des Kurvereines war damit erschöpft, aber keineswegs die Reichsreform, die unter Führung des Königs fortan eher besser voranschritt als vorher unter Berthold. Freilich konnte das Ziel einer durchgreifenden Reform ohne die Stände nicht erreicht werden; aber wenigstens Hofrat, Hofkanzlei, Hofkammer und Kammergericht konnten, wie Maximilian sie geschaffen hatte, von König Ferdinand I. übernommen werden und hatten Bestand bis ans Ende des Heiligen Reiches.
Die weitere Reformpolitik
(1505 — 1518)
Der Reichstag zu Köln (1505) stellte den Landfrieden wieder her. Maximilian gab zu verstehen, daß man mit ihm nun nicht mehr in der Sprache Bertholds reden könne. Er stand als Sieger auf dem Höhepunkt seiner
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Die Reichsreform
Macht. Dem neuen Regimentsplan, der die Königsgewalt zwar verstärken, aber auch die Stände zur Mitverantwortung heranziehen wollte, stimmte der Reichstag zwar nicht förmlich zu, aber man nahm ihn hin; ebenso das Kammergericht, das während des Krieges geruht hatte und nun vom König erneuert wurde. Aber anderen Verbesserungsvorschlägen Maximilians entzogen sich die Stände mit List und Höflichkeit. Ironisch erklärten sie, „der König habe bisher gut regiert und solle so fortfahren; . . . wenn man sie brauche, seien sie bereit mitzuwirken. . . man wolle dem König nicht M a ß und Form seines Regimentes vorschreiben". Tatsächlich wollten Kurfürsten und Fürsten vom neuen, verbeamteten Hofregiment nichts wissen, gingen jeder Mitverantwortung, die f ü r sie Steuerzahlen bedeutete, aus dem Weg und zogen sich auf hinhaltenden Widerstand zurück. Die Führung der Reformpolitik war seither auf allen Reichstagen eindeutig beim König. D a ß das Reichskammergericht gerettet und erhalten wurde, war nicht zuletzt sein Verdienst (Smend). Der Konstanzer Reichstag (1507) hatte sich hauptsächlich mit dem geplanten Römerzug zu beschäftigen und bewilligte zwar etwas mehr Truppen und Geld — 120.000 Gulden — aber wie stets hielt man sich auch diesmal nicht an die Beschlüsse. Eine Reform des Regimentes, wie sie Maximilian wieder vorschlug, eine ständische Mitverantwortung an der Reichsregierung, an der Steuereinhebung und Aufstellung eines Reichsheeres lehnte der Reichstag auch diesmal ab. M a n nahm den H o f r a t zur Kenntnis, ohne ihn zu bestätigen. Ein gemeinsamer Erfolg war nur die Neuordnung des Kammergerichtes. Allerdings lehnten die Fürsten auch da eine wirksame Vollstreckung der Gerichtsurteile durch ritterliche Reichsmilizen, wie sie der König immer wieder vorschlug, entschieden ab, weil sie dadurch ihre Landeshoheit eingeschränkt sahen. Angesichts der ständig wachsenden Schwierigkeiten des Italienkrieges (1508 —1516), erhob sich der Widerstand im Reich wieder aus seinen verdeckten Stellungen, da sich günstige Aussichten eröffneten, den Verfassungskampf wieder aufzunehmen. Auf dem Reichstag zu Worms (1509) verweigerten Kurfürsten, Fürsten und Stände dem Kaiser einmütig jede Italienhilfe, obwohl gerade damals die nie wiederkehrende Gelegenheit bestanden hätte, die alten Rechte des Reiches in Italien aufgrund der französischen Siege fast ohne eigene Kraftanstrengung wieder herzustellen. Die Reichsstände traten dem Kaiser — wie in den Tagen Bertholds — wieder in geschlossener Front entgegen. Nicht einmal auf Reformhandlungen ließ man sich ein, um nicht auch über Steuerhilfe reden zu müssen. Fürsten und Stände hatten gewiß ihre Gründe. Die Städte lehnten den Krieg gegen Venedig als Störung ihres Handels entschieden ab; außerdem mußte die plötzliche außenpolitische Wende von Cambrai (1508) alle überraschen. Hatte die kaiserliche Propaganda eben noch Frankreich als Erzfeind verteufelt, wie konnte es über Nacht der Freund und Bundesgenosse sein? Kurfürsten und Fürsten waren über nichts informiert worden. Der tiefste Grund der Ablehnung war aber die Überzeugung, daß ein Erfolg des Kaisers in Italien
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den Fürsten im Reich gefährlich werden könne. Man tuschelte wieder von einer „Neuwahl". Auf dem nächsten Reichstag zu Augsburg (1510) konnte man sich der Einsicht nicht ganz verschließen, im vergangenen Jahr einiges versäumt und verschuldet zu haben. Man bewilligte daher eine bescheidene Hilfe, allerdings viel zu spät und viel zu wenig — und dies mit Absicht: auswärtige Erfolge des Kaisers sollten möglichst verhindert werden. Der päpstliche N u n tius und die venezianischen Gesandten verstanden es, heimlich gegen den Kaiser zu werben: er führe diesen Krieg nicht f ü r das Reich, sondern nur f ü r die Vergrößerung des Hauses Osterreich. Auch diesen Reichstag beschäftigte der Kaiser mit sehr fortschrittlichen Reformvorschlägen: mit dem Plan eines stehenden Reichsheeres von 50.000 Landsknechten und 10.000 Reitern, wie er ihn ähnlich schon in Augsburg (1500) vertreten hatte. Selbstverständlich rechnete der Kaiser bestenfalls mit einem Bruchteil seiner Forderungen. Mit dieser stehenden Truppe sollten nicht nur äußere Kriege geführt, sondern auch der Landfriede im Innern des Reiches gesichert werden. Eine besondere Aufgabe war dabei wieder den Reichsrittern zugedacht, die innerhalb ihrer „Viertel" die Sicherungsmannschaften stellen sollten. Aber die Stände ließen sich nicht einmal auf eine Beratung dieses Vorschlages ein. Es gab in Augsburg zwar herrliche Feste — sogar ein großes Turnier zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen — sonst aber nur wenig Entgegenkommen. Die fürstlichen Reformer suchten sich jetzt auch den alljährlichen Reichstagen, welche sie früher leidenschaftlich gefordert hatten, zu entziehen, weil ihnen nicht nur die Steuerforderungen, sondern auch alle anderen Reformen unangenehm waren, denn sie gingen meist auf Kosten ihrer fürstlichen Privilegien. So scheiterte der Fortschritt der Reichsreform hauptsächlich am reichsfürstlichen Libertäts- und Privilegiendenken und nicht an der angeblichen Reformfeindschaft des Kaisers. Erst 1512 gelang es dem Kaiser, die Reichsstände wieder in Trier und Köln zu versammeln. Diesmal konnte er sogar ein gemischt kaiserlich-ständisches Reichsregiment mit acht Räten durchsetzen, das in seiner Abwesenheit die Regierung führen, den Landfrieden sichern und die Steuern einheben sollte. Damit wären die Reichsstände zur Mitverantwortung verpflichtet gewesen; aber der Beschluß blieb — wie meist — auf dem Papier. Die wichtigste und zukunftsreichste Neuerung des Kölner Tages war die Einführung von zehn Reichskreisen; freilich wurden sie erst später voll eingerichtet. Es handelte sich um Friedensbezirke nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes, dessen Durchschlagskraft sie freilich nicht erreichten. Innerhalb dieser Kreise sollte ein Hauptmann nicht nur die äußere Landesverteidigung anführen, sondern auch den inneren Landfrieden wahren und die Kammergerichtsurteile vollstrecken. Der alte kaiserliche Plan, d a f ü r die Reichsritter als ständige Hilfs- und Schutztruppe heranzuziehen, mußte auch diesmal dem lebhaften Widerspruch der Kurfürsten und Fürsten geopfert
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Die Reichsreform
werden; ebenso die Aufstellung eines stehenden Reichsheeres, die vom Kaiser wieder vorgeschlagen worden war. Während der folgenden Jahre versuchte der Kaiser öfter, Reichsversammlungen einzuherufen, was aber stets mißlang; einerseits war er selber öfter am Erscheinen verhindert, anderseits hatten die Stände keine Lust mehr mitzuwirken. Sie fürchteten den vorwärts stürmenden Feuergeist des Kaisers, der sie durch den Druck der öffentlichen Meinung zu Beschlüssen drängen könnte, die auf Kosten ihrer Privilegien gingen. Derartigen unliebsamen Verhandlungen entzog man sich am besten durch Fernbleiben. Erst als die Landfriedensbrüche, die Fürstenfehden, der Straßenraub ritterlicher Selbsthelfer, der Bürgerkrieg in den Reichs- und Bischofsstädten und die Bauernaufstände auf dem flachen Land unerträglich wurden, konnte Maximilian die Stände nach vierjähriger Pause in Mainz (1517) wieder versammeln. Die Verbrechen H e r z o g Ulrichs von Württemberg und die Raubüberfälle Sickingens auf die Stadt Worms erforderten dringend das Eingreifen des Reiches. Gerade der Württemberger Handel zeigt, daß die Reichsfürsten selbst einen M ö r d e r und Landfriedensbrecher schützten, wenn es sich um ihren Standesgenossen handelte. Wieder schlug Maximilian vor, den Ritterstand in den unmittelbaren Dienst des Reiches zu übernehmen und ihm die Vollstreckung der Gerichtsurteile und die Sicherung des Landfriedens zu übertragen. Rittergerichte sollten innerhalb der Reichskreise dem adeligen Fehdewesen und wohl auch den fürstlichen Ubergriffen gegen kleinere Reichsstände Grenzen setzen; aber er konnte gegen den Widerstand der Fürsten nicht durchdringen. D e r Landfriede sei nichts wert, hieß es allgemein; man könne ihn gleich „ins Feuer werfen . . . Acht und Aberacht seien eben nur sechzehn." Auch der Augsburger T a g (1518) — einer der größten und glänzendsten, die unter Maximilian zusammentraten — brachte die Reichsreform um keinen Schritt voran. D e r Kampf gegen die Steuer — ein Hauptpunkt der jahrelangen Verfassungskämpfe — wurde noch gesteigert durch den H a ß gegen die ablaßähnlichen Formen einer vom Papst verkündeten Kreuzzugssteuer. Auf der Hinterbühne des Reichstages aber vollzogen sich die geheimen Wahlhandlungen für Karl (V.), die alles andere verdrängten. D e r T o d Maximilians schob alle Reformfragen auf die lange Bank.
Ergebnisse der Reichsreform Die Wahlkapitulationen für Karl (V.) faßten die alten Klagepunkte und zugleich die Reformvorstellungen der Kurfürsten besonders deutlich zusammen. M a n wollte ein Regiment aus Kurfürsten, Fürsten und anderen mächtigen Personen aus der Deutschen Nation aufrichten; Ausländer sollten ausgeschlossen sein. D e r Kaiser sollte Sondertagungen der Kurfürsten nicht ungnädig begegnen; man spielte offenbar auf den Rebellentag von Gelnhausen (1502) an. Dagegen sollte der Kaiser alle Empörungen des niederen
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Adels und des gemeinen Volkes gegen Kurfürsten und Fürsten unterdrücken. Die Fürsten fürchteten offenbar, der Kaiser könne zusammen mit dem gemeinen Volk und der unzufriedenen Ritterschaft gegen sie vorgehen, was in der Tat der Stimmung weiter Kreise entsprach, und was Maximilian öfter in dunklen Worten angedroht hatte. Auswärtige Bündnisse sollten nicht ohne Zustimmung der Kurfürsten geschlossen werden. Die Kurfürsten erinnerten sich offenbar an die Heilige Liga von Venedig (1495) und Cambrai (1508). Verlorene Gebiete sollten dem Reich zurückgewonnen werden. Dies stand freilich zur gesamten Außenpolitik der Kurfürsten und Fürsten während der letzten Jahrzehnte in auffallendem Widerspruch, denn sie hatten den Kaiser bei allen Unternehmungen zur Erhaltung der Eidgenossenschaft, des Deutschen Ordens, Burgunds, vor allem aber Reichsitaliens kaum unterstützt, meist sogar vorsätzlich behindert. Das Reich sollte keine regelmäßige, ordentliche Steuer einheben und auch außerordentliche Steuern nur mit Zustimmung der Kurfürsten. Das Reichs- und Hofregiment solle mit Fürsten, Grafen und Herren, nicht mit Leuten niederen Standes besetzt werden, worunter man die Beamten und den kleinen Hofadel verstand. Es dürfe keinerlei Gewalt, Acht und Aberacht gegen Kurfürsten, Fürsten und andere Reichsstände ohne ordentliches Gerichtsverfahren geben. Man dachte offenbar an den Sturz des Pfälzers und an den Landfriedensbrecher Ulrich von Württemberg. Damit waren den Ansprüchen einer mittelalterlichen Kaiserpolitik durch die deutschen Fürstenstaaten Grenzen gesetzt. Diese kurfürstlichen Forderungen betrafen hauptsächlich hochfürstliche Machtfragen und übersahen fast alle anderen Reformanliegen. Dagegen hatte sich Maximilian seit dem Kölner Tag (1505) nicht nur um die Reichssteuern beharrlich bemüht, sondern auch um die innere Sicherheit, den Landfrieden und die Reichskreise; er hatte die Aufstellung ritterlicher Schutzmannschaften, die Einrichtung von Rittergerichten innerhalb der Kreise und die Einsetzung von Kreishauptleuten vorgeschlagen; er plante einen obersten Hauptmann und eine Wehrverfassung des Reiches; er bemühte sich immer wieder um Verbesserung des Regimentes, des Kammergerichts und um regelmäßige Reichstage. Seine Vorschläge fanden aber nur selten die Zustimmung der Kurfürsten und Fürsten. Hingegen einigten sich Kaiser und Fürsten ohne jeden Streit auf die Rezeption des Römischen Rechtes, obwohl es im Volke wenig beliebt war: Im Kammergericht sollte entsprechend dem neuen Gesetz nach dem allgemeinen und nach dem kaiserlichen Recht (das ist das Römische) verhandelt und geurteilt werden. Die Einführung des Römischen Rechtes hatte im Reich und in Osterreich eine lange Tradition. Es wurde in Wien — ebenso wie das Kanonische Recht — schon seit Jahrhunderten gelehrt. Auch hatten viele Juristen in Italien studiert und von dort römisch-rechtliche Vorstellungen mitgebracht. Gelegentlich der Wiener Universitätsreform berief Maximilian mehrere italienische Juristen, die das klassische Römische Recht den gegenwärtigen Bedürfnissen der Rechtsprechung und Verwaltung anzupassen hatten. Die Universitäten Wien und Freiburg wurden die Hohen Schulen für die kai-
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Die Reichsreform
serlichen Beamten. Römisch-rechtliche Leitfäden sollten Studenten und Beamten den Zugang zum neuen Kaiserrecht erleichtern. Weil es die hochfürstlichen Interessen ebenso begünstigte wie die kaiserlichen, gab es wenigstens in diesem Punkt keine Gegensätze. Das Römische Recht war damit in aller Form als Reichsrecht anerkannt, was weitreichende Folgen hatte, wenn auch die überlieferten Landrechte nicht völlig ausgeschaltet sein sollten. Freilich hätte es darüber hinaus noch anderes gegeben, was sowohl der Kaiser als auch die Reichsstände geflissentlich übersahen: die große Masse der sozialen Mißstände, die grundherrlichen Belastungen, die Unterdrükkung des „Armen Mannes". D a ß der Sozialrevolutionäre Zündstoff, die Forderungen der Bauern, Kleinbürger, der verarmten Ritter und des niederen Klerus völlig übersehen wurden, war der Hauptmangel dieser Reform. D a f ü r brachten weder der Erzkanzler noch der Kaiser das nötige Verständnis auf, wie uns der Oberrheinische Revolutionär glaubhaft berichtet. M a n faßte zwar Beschlüsse gegen das schlechte „Weingemächt", gegen das betrügerische Tuchstrecken, gegen Üppigkeit in Kleidung, Speise und T r a n k , gegen das barbarische Zutrinken, gegen Bettler, Zigeuner und Musikanten, gegen streunende Landsknechte und Heckenreiter; aber die nächstliegenden MißStände, die alsbald Reich und Kirche erschüttern sollten, nahm man gar nicht wahr. Jedoch ist in manchen Bereichen ein relativer Forschritt nicht ganz zu übersehen. Immerhin wurde im langjährigen Ringen der Grund zu einer neuen Verfassung gelegt, um das Reich regierbarer zu machen. Landfrieden und Kammergericht können wir als die ersten Grundgesetze des Reiches bezeichnen. Eine monarchisch-ständische Reichsregierung zu schaffen und dem Gesamtreich ein wirksames Regiment zu geben, ist nicht gelungen. Der Versuch der Stände, den Kaiser möglichst auszuschalten, war ungebrochen. Der erbliche Reichsfürstenstand war im Begriffe, sich die kaiserliche Wahlmonarchie allmählich zu unterwerfen. Maximilian konnte die monarchische Gewalt zwar etwas stärken, den Aberwitz des unbeschränkten Widerstands und der Steuerverweigerung aber nie überwinden. Der extreme Partikularismus der fast selbständigen Fürstenstaaten war so weit fortgeschritten, daß eine leistungsfähige, gemeinsame Reichsregierung kaum mehr möglich war. „Deutschland ist wie ein schöner Hengst, der Futter und alles hat, was er braucht. Es fehlt ihm nur ein Reiter, ohne den er hin und her und in die Irre läuft. Deutschland ist mächtig und stark an Leuten; es mangelt ihm nur ein gutes Oberhaupt", so urteilte Luther. Ungefähr das gleiche meinte Machiavelli. Es war ein Wunder, daß die archaische Kaiseridee den lockeren Staatenverband des Reiches ohne eigentliche Machtmittel durch Jahrhunderte zusammenhalten konnte. Die Lösung wäre wohl in der schöpferischen Synthese des gewachsenen fürstenstaatlichen Unterbaues mit einem gemäßigten, einheitsstaatlichen, monarchischen Überbau zu suchen gewesen. Kurfürsten und Fürsten mochten vielleicht fürchten, der kriegslustige Kaiser könnte auf ihre Kosten
Persönliche Frömmigkeit
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aus dem Reich einen monarchischen Einheitsstaat nach dem Vorbild Frankreichs, Englands oder Spaniens machen. Drohungen dieser Art gab es; dem wollten die Fürsten mit allen Mitteln vorbauen, obwohl es im Grunde nicht zu befürchten war.
4 . KIRCHENPOLITIK
Persönliche
Frömmigkeit
Die neuen Ideen des Humanismus stellten die Herrschaftskirche des Mittelalters in Frage. Das Zeitalter des Menschen forderte neue Diesseitsideale und die Lösung aus kirchlichen Bindungen. Starke antiklerikale und antirömische Strömungen richteten sich gegen die überlieferte Kirchenherrschaft. Das reiche Kirchengut, die vielen kirchlichen Privilegien wirkten nicht nur aufreizend auf Bauern, Bürger und verarmte Ritter, sondern auch auf Herren und Fürsten. Gegen die „reiche Kirche", die kaum die Macht besaß, sich selber mit Waffengewalt zu verteidigen, richtete sich die allgemeine Begehrlichkeit; gegen sie wandten sich fast alle — der Kaiser nicht ganz ausgenommen. Maximilian war ein entschiedener Vertreter der landesfürstlichen Kirchenhoheit, aber doch tiefgläubig, von religiösen Gefühlen ganz durchdrungen und dadurch der Kirche — nicht der Herrschaftskirche — eng verbunden. Staat und Kirche blieben f ü r ihn eine Einheit, innerhalb deren der Landesfürst, noch mehr der Kaiser — nicht der Papst — der von Gott berufene Stellvertreter sein sollte. Maximilian war zwar von mystischer, aber nicht ganz unkritischer Frömmigkeit. Das lebensfrohe Neuheidentum der jüngeren Humanisten, das sich über die Kirche gleichgültig hinwegsetzte, war ihm fremd. Kirchliche Segnungen, Symbole und Sakramente bedeuteten ihm Kraftquellen, die er nicht entbehren wollte. Seit Jugendtagen gehörte er der Kölner Rosenkranz-Bruderschaft an; mit einem weißen Karthäuser Rosenkranz wollte er begraben werden; mit vielen Klöstern lebte er in Gebetsverbrüderung und widmete den Kirchen zahlreiche, wenn auch nur kleinere Privilegien und Stiftungen. Maximilian wurde von Vater und Mutter in der schlichten Frömmigkeit der Zehn Gebote erzogen. Kaiser Friedrich war ein eifriger Bibelleser gewesen. Auch Maximilian erwies sich später als ungewöhnlich bibelfest, drückte sich gern in biblischen Versen und Bildern aus. Seine religiöse Bildung übertraf wohl die meisten „Junker Gottes", wie sie damals — mehr der P f r ü n d e n wegen — auf Bischofsstühlen und in Domkapiteln saßen. Streng hielt er sich auch an die Gebote der Kirche, wie er im Weißkunig ausdrücklich beteuert. Er ging täglich zu Messe, selbst wenn er schon im ersten M o r gengrauen zur Jagd aufbrach. Den Glanz des Gottesdienstes förderte er durch viele fromme Stiftungen und reiche Geschenke; er liebte große Litur-
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Kirchenpolitik
gien und Zeremonien, vor allem aber die Kirchenmusik. Die Teilnahme an großen Kirchenfesten und an pomphaften Prozessionen war ihm geistliches und weltliches Bedürfnis zugleich. Oft und gern beschäftigte sich der Kaiser mit religiösen Fragen über das Wesen Gottes, was der Mensch Gott und den lieben Heiligen schuldig sei, was die Kirche im Einzelnen lehre. Seine Fragestellungen scheinen von den Visionen der hl. Birgitta von Schweden angeregt zu sein. Der allerseligsten Jungfrau Maria gehörte seine ganze Liebe, versicherte er dem Hochmeister des Deutschen Ordens. Dem ritterlichen hl. Georg, als seinem christlichen „Kriegsgott", erwies er in zahlreichen Stiftungen und Gebeten seine Verehrung. Besonders lieb waren ihm die Heiligen seiner eigenen Sipp- und Magschaft, unter denen die Phantasie seiner Genealogen manchen Unbekannten aus älteren Legenden oder aus der Volksüberlieferung hervorholte. Der Kaiser empfahl dem Papst die Heiligsprechung einer frommen Jungfrau aus Gent, „denn in diesen gottlosen Zeiten, könne man die wenigen Heiligen nicht genug verehren". Den Eidgenossen versprach er, wenn sie nur treu zu ihm hielten, ihren Bruder Klaus unter die Heiligen erheben zu lassen. Neben solchen äußeren Formen richtete sich seine Frömmigkeit auch auf das Wesentliche: auf Jesus Christus, dessen Leiden und Opfertod. Das berühmte Buch des Thomas a Kempis von der Nachfolge Christi und der neue Frömmigkeitsstil der Brüder vom gemeinsamen Leben zu Deventer, was alle frommen Gemüter bewegte, war dem Kaiser kaum unbekannt geblieben. Sicher wissen wir, daß ihn die Visionen der hl. Birgitta über das Wesen Gottes, über die Passion des Herrn, über Maria, „die Kaiserin aller Königinnen", ihre Reformvorstöße und ihre politischen Offenbarungen über Päpste und Könige besonders beschäftigten. Auch Dürers große und kleine Passion mit den Texten des Wiener Schottenmönches Chelidonius und das Marienleben dürften nicht ohne den Kaiser entstanden sein. Er machte Christi Leiden zu seinem persönlichen Erlebnis: „Er habe gelitten wie Jesus Christus . . . mein Gott, warum hast du mich verlassen". Auf dem Trierer Reichstag (1512) trug der Kaiser zu Ostern in härenem Gewand das Kreuz durch die Gassen, wie dies seit alters die Päpste in Rom zu tun pflegten. Den „ungeteilten Rock Christi", den man gefunden zu haben glaubte, ließ er 1512 im Trierer Dom feierlich ausstellen, freilich nicht ganz ohne materielle Hintergedanken: die neue Wallfahrt sollte Kreuzzugsgelder flüssig machen; die Trierer Krämer hielten in der T a t goldene Ernte. Mit einem kräftigen Schuß von urväterischem Aberglauben verehrte der Kaiser die Reliquien. Die große Reliquiensammlung seines Protonotars Florian Waldauf in der Allerheiligen-Kapelle zu Hall in Tirol förderte er durch Schenkungen und bemühte dafür sogar seinen Gesandten in Rom. Darunter gab es freilich manches, was den Spott der freisinnigen Humanisten herausforderte: etwa ein Stück vom Lehm, aus dem Adam geschaffen wurde. Für Waldauf und den Kaiser bedeutete dies wohl auch nur frommen Humor. In Klosterneuburg ließ der Kaiser die Gebeine des heiligen Markgrafen Leopold feierlich erheben (1506) und in einen silbernen Sarg legen. V o r den Re-
Die Gottesmutter und die Schutzheiligen Georg, Andreas, Maximilian, Sebastian, Barbara und Leopold empfehlen Maximilian der Gnade Gottes, der ihm nach dem irdischen Reich die himmlische Krone verleihen möge. Gedächtnisblatt an den Tod Maximilians, Holzschnitt von H. Springinklee.
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Kirchenpolitik
liquien des seligen Simon von Trient wünschte er seine Kaiserproklamation zu vollziehen. Er erwartete sich davon offenbar Kraft und Segen. Für Weissagungen alter und neuer Propheten hatte der Kaiser ein geneigtes Ohr, und Träume bedeuteten ihm geheime Offenbarungen: im Traumgesicht begegneten ihm die großen Kaiser der Vergangenheit und gaben ihm Lehren für Gegenwart und Zukunft. Gerne hielt er sich in seinen Unternehmungen an die Sterne und tröstete sich im Unglück mit der Unendlichkeit des Himmels und der Kleinheit und Vergänglichkeit alles Menschlichen. Geheimnisvolle Männer wie Lichtenberger, Grünpeck, Stabius, Tannstetter, Trithemius oder Agrippa von Nettersheim, die seinen astrologischen und metaphysischen Neugierden entgegenkamen, erregten sein besonderes Interesse; aber aufsässigen Schwarmgeistern von der Art des Oberrheinischen Revolutionärs, die den offenen Umsturz der bestehenden Ordnung prophezeiten, ließ er schroff die Türe weisen, obwohl er selbst nicht ungern mit dem drohenden Untergang des Reiches Angst erzeugte. Die erwähnten Offenbarungen der hl. Birgitta, die Florian Waldauf lateinisch und deutsch hatte drucken lassen, gehörten wohl zu seiner regelmäßigen geistlichen Lektüre. Auch die Schriften über den sagenhaften Priesterkönig Johannes ließ der Kaiser aufzeichnen. Stets beschäftigten ihn Gedanken über die letzten Dinge, T o d und Gericht, Himmel und Hölle, wie sie in der Legende von Tundalus und Brandan und deren Himmelfahrten und Höllenreisen enthalten waren. Einem Gesandten erzählte der Kaiser von einem Mann, der aus dem T o d ins Leben zurückgekehrt sei und vom Jenseits berichtet habe. Die Glut der Buße mit Geißelung, Aschensymbolen, Ausbrechen der Zähne, Abschneiden der Haare und Verzicht auf alle Eitelkeiten brach gerade im Angesicht des Todes auf schaurige Weise durch. Zum T o d e suchte der Kaiser ein vertrautes Verhältnis, wie es nicht nur dem Christen, sondern auch dem Kriegsmann zukam. Dies lassen bereits einzelne seiner Jugendbriefe, mehr noch seine Gebetbücher erkennen. Das eindrucksvollste Beispiel seiner Frömmigkeit war sein gottergebenes Sterben. Auf dem letzten Krankenlager wandelte sich „der Held zum Heiligen". Mit dem Kirchenjahr lebte der Kaiser das Leben Jesu mit, und auf die heiligen Zeiten, vor allem auf Ostern, pflegte er sich in klösterlicher Einsamkeit mehrere T a g e lang vorzubereiten. Öfter äußerte er den Gedanken, sich aus dieser Welt in ein Kloster zurückziehen zu wollen. Gern sprach er mit gelehrten Theologen wie Geiler von Kaisersberg, Trithemius, Gregor Reisch, Wimpfeling oder Johannes Faber nicht nur über religiöse Anliegen, sondern auch über kirchenpolitische Fragen. Ähnlich dem großen Kusaner, suchte er die Religionen miteinander zu vergleichen und plante ein Buch „Der vierundzwanzig Glauben". Er wollte wissen, warum der christliche Glaube in so viele Geheimnisse gehüllt sei. Mit den bekannten acht Fragen an Trithemius, die wieder an die Fragen der hl. Birgitta erinnern, suchte der Kaiser auf seine Weise in die Tiefe der Dinge vorzustoßen: Wie kann Gott bewiesen werden? Warum will Gott nur geglaubt und nicht — wie von den Engeln — erkannt
Maximilian wird mit der Schwarzkunst und Zauberei bekannt gemacht: Links eine Hexe und der Teufel und rechts ein Mönch mit dem Engel als Symbole des Bösen und des Guten. Die Zukunft hängt verschlossen in den Sternen. In der Mitte lehrt die Kirche den rechten Weg. Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißkunig.
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werden? Kann man außerhalb des christlichen Glaubens selig werden? Es scheint, als hätte er — wie die Humanisten — an die relative Güte aller Religionen geglaubt. Wie ist die ewige Verdammnis mit Gottes Barmherzigkeit zu vereinbaren? Seine Frömmigkeit lebte gleichermaßen aus rationalen und mystischen Wurzeln. Besonders interessierten den Kaiser Magie, Hexen und böse Geister — ein weites Feld für seine üppige Phantasie. Schon als Kind hatte ihn das „schwarze Buch" des Vaters angezogen, von dem er sich nur trennte, „weil es die Kirche verbietet", wie er ausdrücklich bemerkte. Aber ganz verließ ihn diese Neugierde nie. Der Abt von Stams sollte ihm einmal einen zauberkundigen Mönch an das Hoflager schicken. Die Verfasser des sogenannten Hexenhammers, die beiden Dominikaner Heinrich Institoris und Jakob Sprenger, nahm er in seinen Schutz und förderte ihre Tätigkeit im Reich. Offenbar kannte der Kaiser das düstere Buch. Öfter beschäftigte ihn die Frage, warum Gott Teufel und Hexen gegen die Menschen losgelassen habe, und er befragte deswegen auch den ebenso gelehrten wie abergläubischen Trithemius. Diese uns Heutigen unverständliche Haltung ist aus dem damaligen Geisterglauben zu verstehen: Alle Welt fürchtete sich vor Teufeln, Hexen und Zauberern und erwartete sich von Kaiser und Papst, von Staat und Kirche Abhilfe gegen diese „Bedrohung". Stets trug der Kaiser „den Teufel", einen wundertätigen Ring, an seinem Finger, der ihn gegen solche „Gefahren" schützen sollte. Auch für Wunderzeichen war Maximilian besonders empfänglich; aber sie wurden öfter zur Bußpredigt mißbraucht und für die Kreuzzugswerbung eingesetzt. Der berühmte Kreuzregen, vulkanischer Staub, der um 1501 in verschiedenen Gegenden des Reiches vom Himmel fiel und im weißen Schnee merkwürdige Zeichen hinterließ, sollte eine Aufforderung Gottes zum Türkenkrieg bedeuten; ebenso der berühmte „Donnerstein", ein großer Meteor, der zu Ensisheim vom Himmel fiel. Selbst vom „wundertätigen Lamenitlein", einer Schwindlerin, die sich angeblich nur von der Hostie ernährte, ließ sich der Kaiser einige Zeit betrügen; aber auch sie brauchte er für seine Kreuzzugswerbung.
Landesfürstliche
und kaiserliche
Kirchenhoheit
In der Kirchenpolitik aber ließ sich der fromme Kaiser niemals von Gefühlen leiten. Er hielt sich für den „ersten Sohn der Kirche", für den „Schützer des Papstes und des Heiligen Stuhles", für das Oberhaupt der christlichen Welt und den Anführer der Christenheit gegen die Türken und — über dem Papst — auch zur Reform der Kirche unmittelbar berufen. Reich und Kirche bildeten für ihn ein und dieselbe Christenheit; auch der Papst war daher nur ein dienendes Glied des Gottesreiches. Als Kaiser fühlte sich Maximilian zum unmittelbaren Stellvertreter Gottes auf Erden berufen,
Landesfürstliche und kaiserliche Kirchenhoheit
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dem er Papst und Kirche ganz selbstverständlich unterordnete. Die Erinnerung, daß die Kaiser in alten Zeiten über dem Papst die großen Konzilien geleitet hatten, war in jenem Jahrhundert des Konziliarismus natürlich auch dem Kaiser bewußt. Dementsprechend nahm er gegenüber dem Papst nicht nur ein Reformationsrecht in Anspruch, sondern führte gegen ihn auch Kriege, als ob es gelte, ein aufsässiges Glied der Christenheit zu züchtigen. Kaiser Sigismund war für ihn ein „Pfaffenbüttel", weil er dem Papst in Konstanz viel zu weit entgegengekommen sei. Nicht ganz zu unrecht warf er dem Papst und der Kurie vor, daß sie mehr ihrer Herrschaft als der Religion dienten. Die eigentliche Basis seiner Kirchenpolitik bildete die starke landesfürstliche Kirchenhoheit innerhalb seiner Länder, die Maximilian aus den Händen seines Vaters übernahm. Seit Rudolf IV. wollten die österreichischen Landesfürsten in ihren Ländern „Pfarrer, Dechant, Bischof und Papst" sein. Friedrich III. pfegte gern zu sagen: „Pfaffenhab ist unser Kammergut". Er hatte im Laufe der Zeit das Nominationsrecht über die meisten österreichischen Bistümer erworben und hatte auch neue Bistümer gegründet, welche die Kirchenrechte von Passau, Salzburg, Freising und Aquileia aus den österreichischen Ländern verdrängen sollten. Sogar auf das reichsunmittelbare Salzburg gewann der Kaiser so viel Einfluß, daß er fast immer Parteigänger Österreichs als Erzbischöfe durchsetzen konnte. Das Wiener Konkordat (1448) gestattete ihm, die Hälfte aller frei werdenden österreichischen Kirchenpfründen zu besetzen, so daß der Pfründenmarkt zwischen Landesfürst und Kirche fast halbiert war. Diese geistlichen Lehenschaften waren für den Kaiser ein willkommenes Mittel, Tätigkeiten im Landes- und Reichsdienst zu entlohnen, zumal das Bargeld in der kaiserlichen Kammer stets sehr knapp war. Der gesamte Hof- und Verwaltungsklerus lebte von der Kirche. Die Landeskirche hatte außerdem — gemeinsam mit den Städten — die Hauptlast der außerordentlichen Steuern zu tragen. Beim Zugriff auf Kirchengelder war der Landesfürst nicht minder erfinderisch als die päpstliche Kammer und behauptete dabei meist sein Vorrecht. So wurde die Kirche nachgerade die Hauptreserve der landesfürstlichen und kaiserlichen Finanzen und mußte mit ihrem Geld sehr wesentlich zur habsburgischen Reichsbildung beitragen. Maximilian führte die landeskirchlichen Praktiken noch entschiedener durch als sein Vater. Besonders lag ihm an der Ausdehnung seiner Landeshoheit über alle kirchlichen Enklaven, an der Einschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere an den kirchlichen Bergwerksrechten, die er sich rücksichtslos aneignete. Wie sein Vater besetzte er Bistümer und Pfarrpfründen mit seinen Leuten. Sein erster Sekretär, Matthäus Lang, konnte teils nebeneinander, teils nacheinander etwa zehn große Kirchenpfründen nutzen. Gegen den Willen des Salzburger Erzbischofes wurde Lang als Koadjutor mit Nachfolgerecht durchgesetzt und das Erzbistum vom Kaiser fast wie ein österreichisches Land ausgebeutet. Schon früher war Lang das Bistum Gurk übertragen worden. In Chur setzte der Kaiser Paul Ziegler, den
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Kirchenpolitik
Bruder seines Protonotars, als Bischof durch. Brixen und Trient wurden vom Kaiser fast wie Eigenbistümer behandelt. An diesen Herren hatte er treue Bundesgenossen und willfährige Geldgeber. Ahnlich war es in den österreichischen Klöstern und Domkapiteln, wo der Kaiser meistens seine Kandidaten durchdrückte. Maximilian fühlte sich in diesen Praktiken bestärkt, seit er mit dem noch schrofferen burgundischen Staatskirchenwesen bekannt wurde, das sich an Frankreich sein Vorbild nahm. Karl der Kühne hatte sich von seinen Kanonisten belehren lassen, daß er in seinen Ländern alleiniger „Papst und Kaiser" sei. D o r t konnte niemand ohne seine Zustimmung die W ü r d e eines Abtes, Priors oder Propstes erlangen, was ihm schließlich sogar der Papst bestätigen mußte. Die reichsten Bistümer wurden in der Regel Bastardsöhnen des burgundischen Hauses übertragen; ähnlich hielt es Maximilian mit seinen unehelichen Söhnen Georg und Leopold. Die großen Klöster und Pfarren wurden wie landesfürstliches Hausgut an Hofkleriker und Günstlinge vergeben. Auch in Burgund lebten Hof und Landesverwaltung, höfischer Wissenschafts-, Kunst- und Kulturbetrieb, etwa die Sänger und M u siker der Hofkapelle, die Geschichtsschreiber und politischen Propagandisten, meist von Kirchenpfründen, so daß sich Maximilian in Österreich und Burgund daran gewöhnte, sich der Kirche wie seines persönlichen Eigentumes zu bedienen.
Die Reichskirche Gerne hätte sich Maximilian auch die Reichskirche unterworfen, weil die Kaiser — angesichts des Widerstandes der weltlichen Fürsten — auf die Besetzung der Reichsbistümer größten Wert legen mußten. In der T a t hat er manchen langwierigen Besetzungsstreit nicht nur mit Rom, sondern auch mit den zuständigen Domkapiteln ausgetragen, denn es war am ehesten möglich, über die Domkapitel auf die Bischofswahlen einzuwirken, was Maximilian öfter gelang als seinem Vater — aber durchaus nicht immer. Gleichwohl gehörten die Bischöfe im allgemeinen zu den Anhängern des Kaisers und standen ihm f ü r Reichs- und Hofdienste nicht ungern zur Verfügung. Beim allgemeinen Appetit der Zeit auf das reiche Kirchengut fanden die Bischöfe und Prälaten beim keineswegs uneigennützigen Kaiser noch am ehesten Schutz und Hilfe. Die Reichskirche und ihre Einkünfte dem Papst so weit zu entziehen, wie dies die französischen und spanischen Könige, die Herzoge von Burgund oder die Signorie von Venedig bereits geschafft hatten, ist dem Kaiser nie gelungen. Ahnlich wie in seinen Ländern, versuchte er, die geistliche Gerichtsbarkeit sowohl des Papstes wie der Bischöfe auch im Reich einzuschränken. Es war gewiß ein kluger Schachzug, daß der Kaiser einen Bischof an die Spitze des Kammergerichtes stellte, so daß dieses oberste reichsständische Gericht — obwohl rein weltlich — einen gewissen geistlichen Anstrich er-
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Die Reichskirche
hielt. Waren da für geistliche Personen und Sachen Appellationen nach Rom noch nötig? Vor allem suchte Maximilian, die Ausbeutung des Reiches durch kirchliche Taxen, die Rom zum Teil in ärgerlicher Weise einforderte, zu verhindern; der Abfluß von Konfirmations- und Palliengeldern, von Annaten, Reservationen und Exspektanzen nach Rom sollte möglichst gedrosselt werden. Der Zugriff auf die reichen Kruziat- und Jubiläumsablässe blieb zeitlebens ein Anliegen des Kaisers, der damit den Ausfall der Reichssteuern zu ersetzen hoffte; ähnliches plante auch das Reichsregiment während seiner kurzen Tätigkeit. Als Krönung seiner Kirchenpolitik wollte der Kaiser eine Legation für Deutschland oder ein deutsches Patriarchat mit umfassenden staatskirchlichen Vollmachten einrichten — eine „Pragmatische Sanktion" für die deutsche Kirche, wie sie die Könige von Frankreich besaßen, was er aber nie durchsetzen konnte. Viele Monate lang (1513/14) hatte sich Lang in Rom vergebens darum bemüht. Durch die Kreation deutscher Kardinäle wollte der Kaiser seinen Einfluß an der Kurie heben. Es hatte dort anfänglich keinen einzigen deutschen Kardinal gegeben. Maximilian konnte mit Hilfe Spaniens und Mailands allmählich im Kardinalskollegium eine kleine Reichspartei aufbauen und im Laufe der Jahre fünf deutsche Kardinäle durchsetzen — darunter seinen ersten Rat Matthäus Lang und Erzbischof Albrecht von Mainz. Der Kaiser dachte öfter daran, unter dem Vorwand der „Kirchenreform" kaiserfeindliche Päpste wie Alexander VI. oder Julius II. abzusetzen. Aus solchen Überlegungen, vor allem aus dem Wunsch, sich der deutschen Kirchengelder zu bemächtigen, entstand auch der merkwürdige Plan, sich mit Hilfe Frankreichs und des Pisaner Konzils gegen den verhaßten Julius II. zum Papst-Koadjutor, zum Gegenpapst oder zum Nachfolger aufzuwerfen (1511). Er gab diesen verwegenen Plan aber auf, als er den Widerstand nicht nur König Ferdinands von Spanien, sondern auch der deutschen Bischöfe und Geistlichen gegen das Schisma spürte, denn er legte auf ein gutes Verhältnis zur Reichskirche größten Wert. Papst Leo X. hatte durch seine kluge Schaukelpolitik seine Stellung derart gestärkt, daß er vom Laterankonzil die Bulle Bonifaz' VIII. Unam Sanctam erneuern lassen konnte, welche die umfassende päpstliche Vollgewalt verkündete. Im berühmten Bild Raffaels vom päpstlichen Reinigungseid, „daß niemand außer Gott über Bischöfe zu richten habe", war dies sogar an den Wänden der Stanzen für alle Zukunft festgehalten (Pastor). Der Kaiser und die Päpste seiner
Zeit
Maximilians Verhältnis zu den Päpsten seiner Zeit war fast immer schlecht. Papst und Kurie waren für ihn zunächst politische Größen, und sein Verhältnis zu Rom von religiösen Gefühlen kaum berührt. Er fühlte sich eher als Herr der Päpste, erwartete sich von ihnen Hilfe und betrachtete
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Kirchenpolitik
jeden Widerspruch — nicht nur die Verweigerung der Kaiserkrone — als „Treubruch und Verrat". Wie sollte Maximilian dem Papsttum Ehrfurcht erweisen, wo er über die Zustände am Römischen Hof, über das Lasterleben Alexanders VI. und über die satanischen Verbrechen Cesare Borgias genau unterrichtet war? Flüchtlinge aus Rom berichteten dem König über die Orgien des Römischen Hofes, über die Verbrechen der Borgiasippe, über Simonie, räuberischen Nepotismus, Verschwendung, Giftmord und Totschlag (Pastor). Man wollte sogar den Reichstag damit beschäftigen. Das stark besuchte Jubiläum von 1500 verbreitete die Gerüchte über diese Ungeheuerlichkeiten in der ganzen christlichen Welt. Da drohte Maximilian nicht ohne Grund mit „Kirchenreform, Schisma und Konzil" und bedachte den Papst mit Schmähungen, die an Grobheit kaum zu überbieten waren: „Papst Alexander sei ein Mensch, der Prügel verdiene, dem man ein Schisma an den Hals hängen solle . . . ein neuer Mohammed und Antichrist". Cesare sei ein „Schlächter rechtschaffener Menschen". Nicht viel besser verstand sich der Kaiser mit Julius II., der seinen Römerzug und die Kaiserkrönung verhindert hatte (1508). Als dieser Papst die Liga verließ (1510), nannte ihn Maximilian „einen reißenden Wolf, der alles Göttliche und Menschliche zuschanden mache. Ohne Gottesfurcht stürze dieser grausame Tyrann die Christenheit in Unruhe, lechze nach Christenblut und ziehe beide Schwerter ohne Unterschied gegen alle; kein Versprechen, keine Treue, keine Religion halte er. Man solle ein allgemeines Konzil berufen und sich auf einen guten Nachfolger einigen." Das war bereits die Sprache der Flugschriften der Reformationszeit. Daher kommt es, daß man den Kaiser gelegentlich als geheimen Anhänger Luthers bezeichnete, was keineswegs zutraf. Der Papst blieb dem Kaiser bekanntlich nichts schuldig: „Die Kurfürsten sollten den Kaiser unter Kuratel stellen und an einem sicheren Ort verwahren, weil man Narren wie ihn nicht frei herumlaufen lassen dürfe." Julius II. war doch um so viel besser als sein Vorgänger, daß er sogar die Berufung eines Konzils nach Rom wagen konnte, womit er den Forderungen der Christenheit entgegenkam und seinen Gegnern den Wind aus den Segeln nahm. Schließlich fand sich auch der Kaiser bereit, das Schisma von Pisa preiszugeben und dem päpstlichen Konzil beizutreten. Als sich Julius II. im Neubau von St. Peter ein Symbol seiner Macht und seiner Kirchenhoheit setzte, wurde dies der Anstoß zum Ablaßstreit und zur Glaubensspaltung. Die Päpste erkannten längst, daß sie — nach dem Erstarken der Nationalstaaten — den Kaiser als Vogt der Kirche nicht mehr brauchten. Seit der weltliche Arm des Reiches schwach, ja, lahm geworden war und die Kirche nicht mehr schützen konnte, mußten die altüberlieferten kaiserlichen Ansprüche die päpstliche Vollgewalt eher gefährden. Der König von Frankreich ließ dem Kaiser bereits sagen, „sein Anspruch, oberster Vogt und Schützer der Kirche zu sein, wäre reine Ketzerei, weil alle Völker dem Papst gleichmäßig Untertan seien". Darauf erwiderte Maximilian zum ersten Mal mit der Drohung, „er werde nach Rom ziehen, um Papst und Kaiser zugleich zu werden" (1507).
Der Kaiser und die Päpste seiner Zeit
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Leo X., von den Humanisten übermäßig gepriesen und von der Kunst Raffaels verklärt, hat den großen Fragen seiner Zeit, weder der Kirchenreform noch der Türkengefahr, jenen Ernst zugewandt, den sie verdient hätten. Der Aufstieg des Hauses Medici war — außer seinem literarischen Mäzenat — sein größstes Anliegen; in dieser Hinsicht dachte er kaum besser als Alexander VI., nur fehlte ihm ein Cesare. Weil es ihm an Kraft und Aufrichtigkeit mangelte, hielt er auch in der großen Politik keine feste Linie. Der Kaiser hatte an Leo X. — besonders während der letzten Jahre — eher einen stillen Gegner. Der Papst hatte Grund zur Sorge, der Kaiser wolle sich in die Durchführung und in den Abschluß des Lateran-Konziles einmischen, ja, er fordere eine Art Vorsitz neben dem Papst; er sah in Maximilian ein Haupthindernis für den Frieden, den er ebenso wie sein ungestörtes Wohlleben über alles liebte. Gleichwohl wäre der Kaiser bereit gewesen, dem päpstlichen Kreuzzugsaufgebot zu folgen, aber der Augsburger Reichstag (1518) sah darin nichts anderes als einen Anschlag auf die deutschen Kirchengelder. Als Luther gegen den Papst und die Römische Kirche zum Kampf antrat, stellte sich Maximilian aber entschieden auf die Seite Roms. Er hatte zwar anfangs gemeint, man solle sich dieses Mönches annehmen, denn man werde ihn vielleicht noch brauchen; dann aber erklärte der Kaiser doch, er werde den Kirchenbann gegen Luther, falls ihn der Papst verhängen sollte, durch die Reichsacht unterstützen. Denn Luthers Ablaßstreit war dem Kaiser zuwider — nicht aus religiösen, sondern aus fiskalischen Gründen. Wieviel Geld hatten nicht nur er, sondern auch das Reich und die Fürsten aus den Kreuzzugs- und Jubelablässen für sich abgezweigt! Eine der größten Enttäuschungen seines Lebens empfand Maximilian, als ihm Papst Leo X. die Ubersendung der Kaiserkrone ins Reich oder eine Krönung an den Grenzen Italiens verweigerte, die er für die Wahl Karls (V.) dringend gebraucht hätte. Er wußte, daß Leo X. die Kaiserkrone nicht ungern an Frankreich übertragen hätte — noch lieber an einen kleinen deutschen Fürsten. Auf dem Fresko von der Krönung Karls des Großen, das Raffael in den Stanzen gemalt hatte, erschien Kaiser Karl anspielungsweise in der Gestalt Franz' I. von Frankreich. Es mußte für die Kurie verlockend sein, die Kaiserkrone abwechselnd, bald diesem, bald jenem christlichen König zu übertragen, was man längst durch kaiserähnliche Titel wie „Allerchristlichster König" oder „Katholischer König" vorbereitet hatte. „Kein Papst hat mir die Treue gehalten", soll sich Maximilian beklagt haben. Alle Päpste hatten ihm teils mit List, teils mit Gewalt die Kaiserkrönung in Rom vereitelt. Er hatte das Gefühl, daß man sich in Rom gegen die Deutsche Nation alles erlaube, weil man jederzeit die Fürsten gegen den Kaiser ausspielen konnte. Bei der folgenden Wahlwerbung versuchte die Kurie, bald den König von Frankreich, bald den Kurfürsten Friedrich von Sachsen gegen Karl (V.) vorzuschieben. Der Papst fürchtete nichts mehr, als von den Habsburgern — wie einst in den Tagen der Staufer — von Mailand und Neapel her umfaßt zu werden.
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Kirchenpolitik
Kirchenreformfragen
In der Kirchenpolitik ging es dem Kaiser vorzüglich um Macht und Geld. Für die religiösen Anliegen besaß er — bei aller persönlichen Frömmigkeit — nur geringes Verständnis; er sah zwar die Mißstände, sprach gern von Reform und Konzil, aber von den Aufgaben einer echten Kirchenreform hatte er keine klaren Vorstellungen, wenn er auch da und dort gegen kirchliche Mißstände auftrat, sein Visitationsrecht ausübte, verwahrloste Klöster mit Hilfe des Papstes räumen ließ und mit Reformmönchen oder mit Ritterorden wieder besiedelte. Auf die Kirchen- und Klosterzucht hatten diese Einzelmaßnahmen weder breitere noch tiefere Wirkung. Dabei kam es dem Kaiser offensichtlich viel mehr auf die Wiederherstellung der verwahrlosten Wirtschaft an, weniger auf die Erneuerung des religiösen Lebens. Ein echtes Anliegen war ihm auch die Verteidigung der Reichsabteien, etwa der Reichenau oder der Abtei Weißenburg, gegen den Zugriff benachbarter Fürsten, weil er sie als Stützpunkte der kaiserlichen Macht betrachtete. Ungleich energischer als im Reich ging der Kaiser gegen verwahrloste Klöster χή den eigenen Erbländern vor, etwa gegen Viktring, Admont, Klosterneuburg u. a.; Millstatt hatte schon Friedrich III. dem Georgsorden übergeben. Aber auch da stand öfter die Wirtschaft im Vordergrund der Reform. Die Kirche sollte als Finanzreserve des Landesfürsten und Kaisers erhalten werden. Das Wesen kirchlicher Reform war dem Kaiser eben fremd. Er dachte vorzüglich an die Vorteile der geistlichen Stellenbesetzung, an ausgiebige Nutzungsrechte, Einschränkung der geistlichen Hoheitsrechte, fallweise auch an die Enteignung brauchbaren Kirchengutes, zumal die öffentliche Meinung immer öfter deren Säkularisierung forderte. Was die Ablaß-Mißbräuche betraf, welche die Reformation auslösten, waren auch Kaiser, Reich und Fürsten deren Nutznießer gewesen. Der Wuchergeist des erwachenden jungen Kapitalismus hatte nicht nur an der päpstlichen Kurie, sondern auch am Kaiserhof und in den fürstlichen Hofkammern immer neue Möglichkeiten entdeckt, mit Hilfe der Kirche Geld zu machen. Weder der Kaiser noch die Stände hatten ein echtes Interesse, die Ablässe abzustellen; man hätte sie nur gerne dem Papst und den Römern entzogen. Reichssteuern waren immer wieder unter ablaßähnlichen Formen eingetrieben worden; die Kreuzzugsgelder (1500—1503) hatte man mißbräuchlich zwischen Papst, Kaiser und Fürsten aufgeteilt, was gewiß ebenso tiefes und weites Ärgernis erregte als die Ablaßpredigten Tetzeis, die den dynamisch zupackenden Martin Luther auf den Plan riefen. Der gemeinsame Kampf des Kaisers und der Stände gegen die „Kurtisanen", die Günstlinge der Römischen Kurie, traf einen Kern der Mißstände: zahlreiche deutsche Pfründenjäger zogen über die Alpen, um in Rom ihr Glück zu machen und dort deutsche Kirchenpfründen zu verzehren. Allerdings ging es Kaiser und Reich weniger um den simonistischen Ämterschacher, den man im Grunde auch selbst betrieb, sondern nur um den Abfluß deutscher Gelder nach Rom.
Die burgundischen Länder
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Die Kirche blieb die ständige finanzielle Aushilfe des Kaisers. Für den habsburgischen Reichsbau und dessen Verteidigung gegen die Türken wurden — außer den Mitteln der österreichischen Länder — Kirchengelder in großem Ausmaß herangezogen.
5 . D I E HABSBURGISCHE H A U S M A C H T
Die burgundischen
Länder
Die burgundische Heirat (1477) verhalf Maximilian zu einem reichen, großen Länderstaat, der das Haus Habsburg-Burgund, wie man es fortan nannte, allmählich zur Vorherrschaft in der christlichen Welt führte. Als Herr von Burgund vermochte Maximilian auch dem Kaisertum wieder Macht und Inhalt zu geben. Burgund öffnete ihm das T o r zur „Weltherrschaft". Es war eine weltgeschichtliche Wende für Jahrhunderte. Maximilian betrachtete die Hausmacht nicht als Selbstzweck, sondern stets und vorwiegend als Mittel zur Wiederherstellung des Imperiums. Karl der Kühne, sein tollkühnes Wesen, sein hohes Herrschaftsgefühl, seine ausgreifende Aktivität, seine grenzenlose Phantasie und sein brennender Ehrgeiz waren für Maximilian das große Vorbild; er übernahm die Devise seines Schwiegervaters: „Ich hab's gewagt." Aber Burgund war kein billiges Heiratsgeschenk. Maximilian mußte die Niederlande durch einen fünfzehnjährigen, harten Erbfolgekrieg gegen die Angriffe Frankreichs verteidigen, denn die Erwerbung Burgunds war ein bedrohlicher Einbruch Habsburgs in eine Sekundogenitur der französischen Königsfamilie der Valois. Die natürliche Folge war eine jahrhundertelange Erbfeindschaft. Als Ludwig X I V . nach seinem Überfall auf die Niederlande das Grab Marias von Burgund in der Liebfrauenkirche zu Brügge besuchte, soll er gesagt haben: „Hier liegt die Ursache aller unserer Kriege." D a ß sich Maximilian ohne die Hilfe seines Vaters und des Reiches gegen das erstarkte Frankreich durchsetzen konnte, war eine große Leistung des kaum zwanzigjährigen Prinzen; man konnte die Krallen des Löwen erkennen. In diesem Existenzkampf bewährte sich das altburgundische Bündnissystem, das die Habsburger nach Spanien und England führte. Aus den burgundischen Kriegen zog Maximilian die frühe Erkenntnis, daß sich in der westlichen Staatenwelt — vorzüglich im Kampf gegen Frankreich — das Schicksal seines Hauses und des Reiches entscheiden werde. Nur wenn man Frankreich besiegte, meinte er, werde man Italien und die Kaiserkrone beim Reich erhalten können. D e r T o d seiner Gemahlin Maria (1482) machte Maximilian in Burgund plötzlich zum Ausländer. E r hatte sich schon vorher durch das schroffe burgundische Verwaltungssystem, das er beibehielt, durch Krieg und Steuerdruck so verhaßt gemacht, daß ihn die Landstände am liebsten mit Hilfe
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Die habsburgische Hausmacht
Frankreichs vertrieben hätten. Er mußte bekanntlich den demütigenden Vertrag von Arras (1482) hinnehmen und seine Tochter Margarethe mit dem Stammherzogtum Burgund-Bourgogne und vielen anderen Herrschaften an Frankreich ausliefern. Als der Erbfolgekrieg zu Ende war, lagen die Niederlande weithin verwüstet darnieder. Der alte Wohlstand war durch den Krieg verzehrt, die Städte verarmt und in den ausgebrannten Dörfern hausten die Wölfe. Maximilian hinterließ kein freundliches Andenken. Gerechterweise wird man anerkennen müssen, daß er den burgundischen Staat gegen die französische Eroberung erfolgreich verteidigte und dadurch das Gesamtstaatsgefühl der Niederländer entscheidend stärkte. Die ständig blutende Wunde des niederländischen Staatskörpers war das Herzogtum Geldern, das unter eigenen Herzogen selbständig bleiben und sich aus dem burgundischen Länderverband befreien wollte. Mit dem Widerstand Gelderns verband sich ganz natürlich das benachbarte Friesland, das Maximilian als Entschädigung für die großen Aufwendungen im burgundischen Erbfolgekrieg dem Herzog Albrecht von Sachsen überlassen wollte; aber die sächsische Dynastie konnte sich nicht durchsetzen. Gefährlich wurde die Sache für die Habsburger, als Geldern und Friesland mit vereinten Kräften die burgundische Herrschaft abschütteln wollten. Diese Kriege zogen sich — mit ständiger Unterstützung Frankreichs — endlos hin und konnten erst von Karl V. beendet werden. Die Erbfolgekriege gaben den Anlaß, das Kriegswesen nach burgundisch-deutschen Traditionen und Schweizer Erfahrungen zeitgemäß weiterzubilden. Weit wichtiger und folgenreicher war das Vorbild des burgundischen Verwaltungssystems, der „niederländischen Regierung", wie man es in den österreichischen Ländern später nannte, wovon noch näher die Rede sein wird. Maximilian war nun entschlossen, dieses burgundische System, das sich in Krieg und Frieden bewährt hatte, auch auf die ähnlichen Verhältnisse seiner österreichischen Länder, ja sogar auf die Finanzverwaltung des Reiches zu übertragen. Nach Abschluß des Krieges befahl der König, zur gleichen Zeit wie in den österreichischen Ländern auch in Burgund eine Reform des gesamten Finanz- und Domänenwesens. Vor allem wünschte er, die Finanzen der österreichischen Länder, des Reiches und Burgunds gleichzuschalten und von einem einzigen Generalschatzmeister (tresorier general) verwalten zu lassen, wie dies der Finanzmonokratie des burgundischen Systems entsprach. Dies Experiment scheiterte allerdings am beharrlichen Widerstand aller Betroffenen. Eine Vereinigung der Finanzkraft aller seiner Länder sollte den Kaiser noch oft beschäftigen; er dachte sogar an ein vereinigtes burgundischösterreichisches Königreich, womit er weder im selbstbewußten Burgund noch in Osterreich Verständnis fand. Fest stand für Maximilian stets die Zugehörigkeit der burgundischen Länder zum Reich, was schon die erbrechtlichen Bestimmungen der spanisch-burgundischen Doppelheirat deutlich erkennen lassen. Obwohl sich
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der burgundische Rat gegen jede Reichssteuer sträubte, war der Kaiser immer bemüht, die burgundischen Länder den Steuergesetzen des Reiches zu unterwerfen — meist vergebens. Ganz selbstverständlich wurden die Niederlande als burgundischer Kreis dem Reich eingegliedert (1512), obwohl die selbstbewußten Niederländer, seit den Tagen ihrer großen Herzoge von der Reichszugehörigkeit nicht mehr viel wissen wollten. Die Zuteilung der burgundischen Länder zu Spanien, wie sie Karl V. später durchsetzte, würde Maximilian nie gebilligt haben. Vor allem im burgundischen Rat herrschte eine sehr selbstbewußte, eigenstaatliche Interessenpolitik, der sich auch Philipp völlig unterwarf, nachdem er 1494 die selbständige Regierung übernommen hatte. Das Gefühl der Lehensverpflichtung gegenüber dem Reich war seit dem 14. Jahrhundert immer mehr zurückgetreten; selbst formale Lehenshuldigungen für die zahlreichen Reichslehen waren meist unterblieben, während man den französischen Königen f ü r deren Kronlehen regelmäßig huldigte. Erzherzog Philipp ließ sich nur die Investitur mit Geldern und Zutphen gefallen (1505), als er die väterliche Hilfe zur Rückeroberung dieser Länder brauchte. Von den kostspieligen universalen Entwürfen Maximilians wollte man nach dem verheerenden Erbfolgekrieg nichts mehr wissen. Die Niederlande suchten vielmehr Erholung in guten Handelsbeziehungen mit England und im Frieden mit Frankreich. Maximilians Vertrauensleute führten bittere Klage über diese Sonderpolitik. Erzherzog Philipp, der sich vom Vater jahrelang wie „ein dummer Knabe" behandelt fühlte, war froh, dessen drückender Vormundschaft entwachsen zu sein, und tat fortan, was er wollte. Der König konnte dagegen nichts ausrichten und klagte öfter, „sein Sohn sei ein ganzer Franzose geworden". Erzherzog Philipp schien eher bereit, auf das verlorene H e r z o g t u m Burgund-Bourgogne zu verzichten als den Frieden mit Frankreich zu gefährden. Daher lehnte er auch die Italienpolitik seines Vaters, die sich wesentlich gegen Frankreich richtete, im Grunde ab. Mit Recht konnte Ludwig XII. sagen, Erzherzog Philipp sei „so gut französisch wie der Wein von Orleans". Philipp hatte manchen liebenswürdigen Zug von seinem Vater; von dessen sprühender T a t k r a f t aber wenig oder nichts. Man nannte ihn später „den Schönen", was auf seine leichtlebige, liebenswürdige Bedeutungslosigkeit hinweist. Seine Frauengeschichten verletzten seine seelisch zart besaitete Gemahlin Juana, deren erwachende Geisteskrankheit und eigenwilliges Verhalten ihm öfter schwere Sorgen bereitete. Den Niederländern galt Erzherzog Philipp als „guter Fürst", weil er dem Lande nach jahrzehntelangen Kriegen eine Zeit des Friedens und der Erholung gönnte. Er war in der T a t ein friedliebender Herr; tatenscheu und eher träge, überließ er die Geschäfte seinem Rat, dem er widerspruchslos folgte. Dem Vater und dessen politischer Ideenwelt stand er ziemlich verständnislos gegenüber; erst während der letzten Jahre der gemeinsamen französischen Politik kamen sie einander etwas näher. Maximilian versuchte, den Sohn vor allem durch die spanische Heirat,
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später durch die spanische Erbfolgepolitik oder auch durch den Titel eines Königs von Ungarn für seine Universalpolitik zu gewinnen. Aber Erzherzog Philipp sah immer noch in einem völligen außenpolitischen Systemwechsel des Vaters — in einem Bündnis mit Frankreich und in einer Heirat Karls (V.) mit einer französischen Prinzessin — den besseren Weg. Warum sollte nach der glücklichen Verbindung mit Spanien nicht auch ein ebenso glückliches Heiratsbündnis mit Frankreich möglich sein, das zunächst Mailand und Neapel, später vielleicht sogar die Nachfolge in Frankreich und damit die Vereinigung der gesamten Christenheit bringen würde? Auf diesem Wege schienen sich Vater und Sohn allmählich wieder zu verstehen. So kamen die Verträge von Blois (1504) und Hagenau (1505) zustande, die sich allerdings sehr rasch in nichts auflösten. Der frühe Tod König Philipps in Burgos (1506) hat die Zusammenarbeit zwischen Osterreich und Burgund eher gefördert. Maximilian übertrug die Regentschaft für den unmündigen Karl an seine Tochter Margarethe, die dem Vater in vielem ähnlich war und die frankophile burgundische Hofpartei nach Möglichkeit zurückdrängte. Weit mehr als Phillipp richtete sie ihr Interesse auf die Wiederherstellung des alten Groß-Burgund, vor allem auf das verlorene Herzogtum Burgund-Bourgogne. Sie stellte dem Vater die Hilfsmittel der Niederlande zwar bereitwilliger zur Verfügung als Philipp, gestattete aber nicht, daß ihre Länder finanziell ausgeplündert wurden, denn Burgund stand ihr näher als die kostspielige und — wie ihr schien — unsichere Italienpolitik des Vaters. Vater und Tochter verband ein herzliches Verhältnis, wovon ihr französischer Briefwechsel Zeugnis gibt. Die Briefe enthielten viel Politik, manche Meinungsverschiedenheiten, auch Derbheiten und viele Späße, wie sie der Kaiser liebte. Anläßlich seiner Kaiser-Papstpläne schrieb er launig: „Nun sei er Witwer und wolle keine nackte Frau mehr ansehen; er könne Papst werden, dann werde er wohl gar ein Heiliger, zu dem sie nach seinem Tod beten müsse, was er großartig finde." Ein andermal dankt der Kaiser für die wunderschönen Hemden, an denen sie eigenhändig gearbeitet habe. „Diese herrliche Leinwand, wie sie nur die Engel im Paradies tragen, werde seinem Leib wohltun." Margarethe führte als Statthalterin Maximilians in Mecheln einen eher bescheidenen Hof, umgab sich mit Kunstwerken, Sammlungen und Büchern, versammelte um sich eine Akademie von Künstlern und Gelehrten wie Erasmus von Rotterdam, Adrian von Leyden u. a. Sie war ihren Neffen und Nichten eine liebevolle Tante und tüchtige Erzieherin und dürfte Karl die politische Gedankenwelt des Großvaters nahegebracht haben. Mercurino Gattinara war ihr besonderer Vertrauensmann, der ganz in der politischen Ideenwelt Maximilians lebte und diese als Großkanzler auf die Regierung Karls V. übertrug. Margarethe war ihrem Wesen nach dem Vater weit ähnlicher als ihr Bruder: willensstark, leidenschaftlich und zugleich leidensbereit. Höchst kunstverständig, ließ sie für ihren verstorbenen Gemahl Philibert von Savoyen in der Klosterkirche von Brou das berühmte „Grabmal ihrer Liebe"
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errichten. Ihre Devise fortune, infortune, fort une (Im Glück wie im Unglück überaus tapfer) konnte auch für ihren Vater gelten. Als vollendete Schachspielerin, die dem Vater manch denkwürdige Partie lieferte, hatte sie auch am Spiel der Mächtigen bedeutenden Anteil. Entscheidenden Einfluß nahm Erzherzogin Margarethe auf den Abschluß der Liga von Cambrai (1508), wovon sie sich die endgültige Unterwerfung Gelderns versprach. Als Cambrai nicht brachte, was sie sich erwartete, förderte sie die Politik der „Dreieinigkeit" und der Liga von Mecheln (1513), das Bündnis des Kaisers mit Spanien und England, von dem sie sich wieder die Eroberung des Herzogtums Burgund-Bourgogne erwartete. Aber bereits das nächste Jahr (1514) brachte den bekannten Umsturz der Bündnisse. Maximilian, Ferdinand von Aragon und Erzherzogin Margarethe fielen betrogen zwischen alle Stühle. Maximilian hätte seine Tochter und auch den König von England nicht ärger enttäuschen können als durch diesen unglückseligen politischen Seitensprung. Margarethe, ganz von der Westpolitik besessen, hatte auch für die ungarischen Heiraten kein Verständnis, die zur Lösung der englischen Verlobung führten; darin hat sich die kluge Frau freilich gründlich geirrt. Im Jänner 1515 mußte Maximilian gegen eine hohe Abschlagszahlung die Großjährigkeit Erzherzog Karls anerkennen, wodurch er seinen Einfluß auf die Niederlande fast ganz verlor. Karl, der gleichzeitig auch das spanische Erbe antreten konnte, übernahm aus den Händen des Großvaters als Erbe ein Weltreich: zunächst die burgundischen und spanischen Länder samt den Besitzungen in Ubersee; dann die Aussicht auf die österreichischen Länder und auf die Kaiserkrone. Schließlich war — wenn auch noch nicht absehbar — das ungarisch-böhmische Erbe vorbereitet. Karl hatte nur zu übernehmen und zu erhalten. Auch König Karl versuchte es zunächst mit der französischen Politik seines burgundischen Rates, ließ seinen Großvater mit bemerkenswerter Kälte völlig im Stich und zwang ihn zum Frieden von Noyon und Brüssel (1516). Das schien wie ein Verzicht auf die Kaiserpolitik, die Karl aber schon wenige Jahre später ganz im Sinne des Großvaters wieder aufnahm. 1516, bei seiner Abreise nach Spanien, setzte Karl seine Tante Margarethe wiederum als Statthalterin der Niederlande ein. Das überraschendste aber war, daß er bald einen entschiedenen Vertreter des maximilianischen Universalismus, Mercurino Gattinara, zu seinem Großkanzler bestellte und damit die großväterliche Politik geradlinig fortsetzte.
Die österreichischen
Länder
Als Maximilian aus den Niederlanden in die österreichischen Länder zurückkehrte, fand er hier ähnliche Aufgaben vor wie dort. Auch Osterreich war ein künstliches dynastisches Gebilde aus verschiedenartigen, selbständigen Ländern, die erst zu einem Gesamtstaat zusammengefaßt werden
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Die habsburgische H a u s m a c h t
mußten. Auch hier gab es keine einheitliche Regierung und Verwaltung, dagegen von Land zu Land verschiedene Landrechte, eigene Landtage mit sehr eigenwilligen Ständen und kaum ein österreichisches Gesamtstaatsbewußtsein. Ahnlich wie in den Niederlanden mußte auch hier ein gesamtstaatlicher Uberbau erstellt werden, der die Verwaltung der verschiedenen Länder zu größerer Einheit zusammenfaßte. Es war wohl naheliegend, daß sich Maximilian dazu des burgundischen Systems bediente, das sich in fünfzehn Kriegsjahren bewährte, und das er gegen den Ansturm der niederländischen Stände erfolgreich verteidigt hatte. Anders als in den Niederlanden waren die österreichische Wirtschaft und daher auch die landesfürstliche Finanzverwaltung wenig entwickelt. Während die burgundischen Länder vor dem großen Krieg an der „Weltwirtschaft" damaliger Zeit vollen Anteil nahmen und über eine Million Gulden an jährlichen Steuern leisteten, brachten die österreichischen Länder nur einen Bruchteil davon auf. Daher sah Maximilian in der Reform der österreichischen Finanzverwaltung seine erste große Aufgabe, denn seine Länder sollten ihm die Geldmittel für eine neue, große Politik bereitstellen. War es bisher in den österreichischen Ländern um einige zehntausend Gulden gegangen, so ging es fortan um einige hunderttausend. In der Tat steigerte Maximilian die Einnahmen aus seinen Ländern im Laufe der nächsten zwanzig Jahre auf ein Mehrfaches. Seine österreichische Hausmacht war für Maximilian niemals das Ziel, sondern stets nur Mittel seiner großen Politik, der eigentliche Lastträger jahrzehntelanger finanzieller und militärischer Überforderung. In besinnlichen Stunden gab er später selbst zu, er hätte das Kaisertum nie übernehmen dürfen, denn er habe den Wohlstand seiner Länder dafür verbraucht. Tirol und die Vorlande waren die ersten österreichischen Länder, die Maximilian nach seiner Rückkehr ins Reich erwarb; er machte Tirol bald zur Hauptstütze seiner Kriegs- und Finanzpolitik und führte das Land — trotz ständiger Belastungen — doch zu einer ansehnlichen wirtschaftlichen und kulturellen Blüte, die allerdings im großen Wirtschaftsaufschwung der Zeit, zumal im stets steigenden Handel über die Brennerstraße und im fast wunderbaren Bergsegen ihre Hauptursache hatte. Tirol — im Mittelpunkt des gesamten österreichisch-burgundischen Länderverbandes, an einer wirtschaftlichen Lebensader des Reiches und an der alten Kaiserstraße gelegen, im Besitze reicher Bergschätze — bildete mit seiner Hauptstadt Innsbruck eine selbständige Ländergruppe, welche auch die weit verstreuten vorländischen Herrschaften vor dem Arlberg, in Schwaben, Breisgau und Elsaß zusammenfaßte. Die einzelnen Länder und Herrschaften sollten nach burgundischem Vorbild einer gesamtheitlichen Verwaltung unterstehen. Tirol war für Maximilian Schatzkammer, Waffenschmiede, Zeughaus und Aufmarschraum für seine italienischen Feldzüge. Er suchte das Land zu vergrößern, wo immer er konnte; sogar eine Kurwürde wollte er ihm verschaffen (1504). Nach dem Aussterben der Görzer Grafen (1500) schlug er
Die österreichischen Lander
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das görzische Pustertal samt Lienz zu Tirol, obwohl diese Herrschaften nach ihrer Geschichte eigentlich zu Kärnten gehört hätten. Bei der Aufteilung des niederbayerischen Erbes (1505) schenkte er dem Lande die Unterinntaler Gerichte Rattenberg, Wörgl, Kitzbühel und Kufstein. Nach dem Venezianerkrieg erhielt das Land die Grenzgebiete von Cortina, Rovereto, Ala und Riva. Verona, das der Kaiser den Tirolern als Kriegsbeute versprochen hatte, mußte aber an Venedig abgetreten werden. Innsbruck war neben Augsburg der liebste und häufigste Aufenthalt des Kaisers und seines wandernden Hofes, eine Art Hauptstadt der Länder und des Reiches und Sitz des oberösterreichischen Regimentes. Der Kaiser liebte diese Stadt und das Land Tirol, das er mit einem guten Bauernrock verglich, der warm halte, und mit einer Geldbörse, in die man immer wieder greifen könne. Die Tiroler waren f ü r ihn „die ersten und trefflichsten unter seinen Untertanen." Wahrscheinlich war es Maximilian, der den Tiroler Adler mit dem grünen „Ehrenkränzel" auszeichnete. Das Landlibell stellte ihm mehr Mannschaften und Kriegssteuern als alle anderen. Der Tiroler Adel war eher arm, aber dem Landesfürsten treu ergeben; auch unter Bürgern und Bauern war der Kaiser sehr beliebt. In den Tiroler Bergen und Jagdgründen fühlte er sich besonders wohl. Mit Tirol stand in enger Verbindung der Schwäbische Bund, das stärkste Bollwerk im deutschen Südwesten, aus dem Maximilian gerne ein habsburgisches Schwaben gemacht hätte, wie er denn auch heimlich das Ziel verfolgte, Württemberg seinen Vorlanden einzuverleiben. Der Kaiser richtete f ü r die Vorlande später sogar ein eigenes Regiment in Ensisheim ein (1510), um diese Gebiete, welche die Ausdehnung der Eidgenossen und den französischen Drang ins Elsaß abwehren sollten, besser verwalten zu können. Im österreichischen Freiburg mit seiner Universität hatten die Vorlande auch ein geistiges Zentrum, das viele Beamte ausbildete und einen starken österreichischen Reichspatriotismus ausstrahlte. Das Erzherzogtum Osterreich im engeren Sinn, damals längst in die Länder ob und unter der Enns geschieden — ursprünglich die reichsten österreichischen Gebiete —, waren durch die Ungarnkriege wirtschaftlich stark herabgekommen, brachten aber immer noch Einnahmen in gleicher H ö h e wie Tirol. Die ständigen Kriegswirren der letzten Jahrzehnte hatten Verwaltung und Finanzen stark in U n o r d n u n g gebracht. Die Landstände verhielten sich hier weit widerspenstiger als in den anderen Ländern und waren auch viel mächtiger, die Bauern hingegen am Ende ihrer Kräfte. „Es glost an allen Enden, wann es brennen wird, weiß man nicht", berichtete Wolfgang von Polheim dem König. Besonders unzufrieden zeigte sich die Hauptstadt Wien, die durch kaiserliche Verordnungen und durch das neue Stadtrecht (1517) nicht nur wirtschaftlich geschädigt, sondern auch der Selbstverwaltung beraubt worden war. Der Kaiser hatte kein Verständnis dafür, daß größere wirtschaftliche Freiheiten den Wohlstand seiner Städte mehr gefördert hätten, wie man dies bei den süddeutschen Handelsstädten deutlich sah. Das Wiener Regiment
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wurde zwar mit wichtigen Aufgaben der kaiserlichen Ostpolitik betraut, die schließlich zu den Verträgen von 1515 führte, blieb aber in allen Finanzfragen in geradezu demütigender Weise der Innsbrucker Kammer unterstellt. Der Kaiser wünschte offenbar — wie seinerzeit in den Niederlanden — in Innsbruck eine Art Gesamtstaatsregierung einzurichten, der auch die niederösterreichischen Länder unterstehen sollten. Man hatte das Gefühl, daß der Kaiser Wien nicht besonders liebte, und die öffentliche Meinung erfand dafür mancherlei Gründe. Richtig ist, daß der Kaiser der Westpolitik stets größere Bedeutung beimaß und daher im Osten seltener erschien. Aber Wien überragte doch alle anderen österreichischen Städte und bildete mit seiner berühmten Universität ein Zentrum des deutschen, slawischen und magyarischen Humanismus, wo viele kaiserliche Juristen, Doktoren und Beamte studiert hatten. Am schlechtesten war es um die innerösterreichischen Länder, Steiermark, Kärnten und Krain, bestellt. Infolge der jahrzehntelangen ungarischen und türkischen Einfälle waren sie völlig verarmt und daher wenig steuerkräftig. Alle innerösterreichischen Länder zusammengenommen, zahlten jährlich weniger Steuern als Tirol allein. Sie hatten immer wieder türkische Einfälle zu gewärtigen und mußten fürchten — ähnlich Kroatien — vom Islam verschlungen zu werden. Der König richtete daher schon seit 1493 hier mit bescheidensten Mitteln eine Art „Militärgrenze" ein, eine Verteidigungslinie mit festen Städten, Burgen, Täbern und größeren Vorratslagern; sie wurde zunächst mit recht schwachen Besatzungen gesichert und erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts von den innerösterreichischen Landesfürsten stärker ausgebaut. Maximilian war gezwungen, sich fast alles nötige Geld aus seinen Erbländern zu holen. Die Einnahmen aus dem Reich fielen daneben kaum ins Gewicht. Bei vorsichtiger Schätzung kann man die Jahresleistungen aller österreichischen Länder insgesamt in den guten Zeiten zwischen 500.000 Gulden und einer Million schwankend annehmen; diese Summen wurden mittels des in Burgund erlernten Fiskalismus, durch regelmäßige außerordentliche Steuerforderungen, Zölle, Bergschätze, Kupfer- und Silberverkäufe und Verpfändung des Kammergutes aus den Ländern herausgepreßt. Die Leistungsfähigkeit der österreichischen Länder wurde fortan durch Jahrzehnte wohl um ein Mehrfaches überspannt. „Es sei ein Glück, daß seine Schätze so tief in den Bergen lägen, sonst hätte er längst alles verbraucht", scherzte der Kaiser in wenig angebrachter Weise. Aber die Mittel seiner Länder reichten aber bei weitem nicht für seine großen Unternehmungen, die nicht selten auf halbem Weg finanziell zusammenbrachen. Das meiste Geld — ungefähr 70 Prozent der jährlichen Gesamteinnahmen — verschlang seit 1508 der Venezianerkrieg. „Die Blätter der Pappeln ganz Italiens, in Gold verwandelt, hätten für den Kaiser nicht ausgereicht", urteilte Machiavelli. Die österreichischen Länder erlebten unter ihren älteren Landesfürsten zweiffellos bessere Zeiten als unter Maximilian, dessen große Politik den Landständen das Äußerste abforderte. Die Tiroler erin-
Die österreichischen Länder
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nerten sich wehmütig, daß es unter Herzog Sigmund keine außerordentlichen Steuern gegeben habe. Sogenannte große Zeiten, in denen die Fundamente für ein Weltreich gelegt wurden, sind den Zeitgenossen niemals und in keiner Hinsicht billig gekommen. Die Landstände wurden unter Maximilian fast ganz entmachtet. Nur in Niederösterreich behielten die großen Geschlechter des Herrenstandes weiterhin einen gewissen Einfluß. Die Länder mußten einen ansehnlichen Teil ihrer Rechte an die neuen übergeordneten Regimente und Kammern abtreten, innerhalb deren sie lange Zeit nichts und später — seit 1508 — nur wenig zu reden hatten. Immerhin vermochten sie sich mit ihren Landeshauptleuten, Landtagen und ihrer landschaftlichen Selbstverwaltung zu halten. Aber selbst das ständische Steuerbewilligungsrecht wurde allmählich zur leeren Form. Der Kaiser schrieb den Landtagen die nötigen Steuersummen einfach vor, und die säumigen Zahler wurden mit noch größeren Steuerauflagen bestraft. Die Landschaften versuchten es mit hinhaltendem Widerstand; besonders die Niederösterreicher haben sich durch Verzögerung der Kriegshilfe während des Venezianerkrieges am Kaiser empfindlich gerächt. Aber zu bewaffnetem Widerstand wie in den Niederlanden ist es in Osterreich zu Lebzeiten Maximilians nicht gekommen. Daß die Landeskirche dem Kaiser mit Hab und Gut zu dienen hatte, ist bereits erwähnt worden. Die österreichischen Städte waren fast durchaus Kammergut und konnten mit dem freien Unternehmertum der großen Reichsstädte kaum in Wettbewerb treten. Außerdem litten auch sie an den Nachwehen jahrzehntelanger Kriege. Selbst Wien hatte viel von seinem früheren Wohlstand eingebüßt. Der Kaiser beschnitt die Prägerechte der Münzer Hausgenossen; er opferte das traditionelle Stapelrecht, welches seit Jahrhunderten das Wunder des wirtschaftlichen Wohlstandes dieser Stadt bewirkt hatte, den Forderungen der süddeutschen Handelsgesellschaften, die den österreichischen Lebensmittel-Großhandel beherrschten, was durchaus auf Kosten heimischer Kaufleute ging. Die Bauern hatten — abgesehen von Tirol — nicht den geringsten Einfluß und lebten vor allem im Osten unter dürftigen Verhältnissen. Die eigentliche Wirtschaftskraft der österreichischen Länder lag im steigenden Erzgeschäft. Wie der Doge von Venedig sich alljährlich mit dem Meer vermählte, so trug der Kaiser an seinem Daumen einen dicken Silberring, wofür er das Silbererz mit eigener Hand in Schwaz gebrochen hatte. Zeichen der engen Verbindung mit seinen Bergschätzen. Er hatte ein offenes Auge für jeden bunten Stein, der ihn vielleicht zu einem neuen Erzlager führen konnte. Ein Glück, daß seine Schätze so tief unter der Erde lagen, scherzte er öfter, sonst hätte er sie längst verbraucht. Die Bergwerke, vor allem das Silber und das Kupfer von Schwaz, Taufers, Schladming und von vielen kleineren Gruben, aber auch die Salinen in Hall und im Salzkammergut sicherten dem Kaiser die laufenden Bankkredite für seine große Politik. Die süddeutschen Handelsgesellschaften, die Fugger, Baumgartner, Höchstetter u. a. aber auch die heimischen Gewerken halfen
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Die habsburgische Hausmacht
dem Kaiser mit regelmäßigen Darlehen. Während die Städtevertreter der kaiserlichen Großmachtpolitik im allgemeinen widerstrebten, erkannte Jakob Fugger, daß ein Weltreich auch eine Art Welthandel begünstigen werde. Fuggersche Darlehen waren schon für die Rücklösung der an Bayern verpfändeten vorländischen Herrschaften wichtig gewesen; sie finanzierten weiterhin die vielen Kriege, zumal den großen Italienkrieg von 1508 —1516. Jakob Fugger streckte dem Kaiser alljährlich gegen 150.000 Gulden vor und erhielt dafür dessen Einnahmen aus dem Schwazer Silber und Kupfer. Eine weltgeschichtliche Rolle spielte das Fuggersche Geld bekanntlich bei der Doppelhochzeit von 1515 und bei der Wahl Karls V. Das meiste Geld flöß in die Rüstung, in die Grenzbefestigungen und in den Krieg. Seit den neunziger Jahren stellte Maximilian in den österreichischen Ländern — ähnlich wie in Burgund — eine stehende Reitertruppe auf, die sogenannten Ordonnanzen, die einerseits die kaiserliche Garde, anderseits die Kerntruppe für das ganze berittene Aufgebot der österreichischen Länder und des Reiches bilden sollten. Die erste niederösterreichische Defensionsordnung wurde 1502 vorbereitet und durch Rudolf von Anhalt durchgeführt. In Tirol war es bereits während des Schweizer Krieges (1499) zu einer geregelten Aufgebotsordnung gekommen, die im Landlibell von 1511 festgeschrieben wurde und sich bis ins 19. Jahrhundert bewährte. Diese Ordnung wurde auf dem Innsbrucker Generallandtag (1518) auch auf die anderen Länder übertragen und eine gesamtösterreichische Defensionsordnung geschaffen, die den Staat für die großen Machtkämpfe der folgenden Jahrhunderte vorbereitete. Wiederholte Versuche, diese österreichische Wehrverfassung auch auf das Reich zu übertragen, scheiterten stets am Widerstand der Reichsstände. Ranke meinte, Maximilian habe seine österreichischen Länder vom Reich getrennt halten wollen; dagegen wäre es Bertholds Anliegen gewesen, Österreichs Reichsverpflichtung festzuhalten. Die österreichischen Landesfürsten — besonders seit sie Kaiser wurden — mußten zwangsläufig ihre Reichsverpflichtung stets um ein Mehrfaches überbieten. Es ist richtig, daß Maximilian in Stunden des Zornes über den reichsfürstlichen Widerstand mit dem Alleingang Österreichs drohte — so in Freiburg (1498) oder in Augsburg (1500). Mußte sein Jähzorn nicht hervorbrechen, wenn ihm zugemutet wurde, auch die österreichischen Steueranteile ohne jede Gegenleistung dem Reichsärar abzuliefern, selbst wenn diese Gelder schon im Reichsdienst verbraucht waren, und andere Reichsstände überhaupt nicht zahlten? Der Kaiser behandelte Österreich und das Reich in seinen Regimentsplänen stets als untrennbare Einheit. Die obersten Reichsbeamten waren auch für die österreichischen Länder zuständig, und österreichische Gelder mußten laufend für die Reichsverwaltung ausgegeben werden. Eine Kurwürde für Tirol sollte Österreich enger mit der Reichspolitik verbinden, allerdings auch den Widerstand des Kurvereines schwächen. In ähnlicher Absicht griff Maximilian die alten Pläne eines Königreiches Österreich wieder auf. Der „König von Österreich" hätte als „Marschall des Reiches" Aufgebot
Maximilian beim Geschützguß in seiner Mühlauer Gießhütte. Im Vordergrund der Kaiser beim Anstich des Ofens. Der Gußmeister leitet die Schmelzmasse in die vorbereitete Form; daneben ein Pfeilschifier. Im Hintergrund weist der Kaiser die Arbeiter in den Gebrauch des angeblich von ihm erfundenen Geschützflaschenzuges ein. Kolorierte Federzeichnung des „Historia-Meisters
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und Reichsverteidigung befehligen sollen, ein Vorrecht, das nur Geld kostete, wofür — aus ganz verschiedenen Gründen — weder die österreichischen Landstände noch die Reichsstände Verständnis aufbrachten. Für den Kaiser freilich hätte das „Königreich Osterreich" die Krönung seiner erbländischen Gesamtstaatspolitik bedeutet. Auch die Hof Ordnung von 1518 zeigt, daß der Kaiser bis zum Schluß fest entschlossen blieb, seine österreichischen Länder auf das engste mit dem Reich zu verbinden: von den 18 Hofräten sollten fünf aus dem Reich und sieben aus den österreichischen Ländern genommen werden; die Hofräte aus dem Reich hatten an den österreichischen Angelegenheiten ebenso mitzuwirken wie umgekehrt. Auch wurden die Finanzen der österreichischen Länder und des Reiches in der Hofkammer und beim Schatzmeister vereinigt, wobei die Gelder aus dem Reich bekanntlich sehr spärlich flössen. Diese Hofordnung, die wegen Maximilians Tod zunächst liegenblieb, wurde 1527 von König Ferdinand in ähnlicher Weise vollzogen. Mit Recht — aber ganz vergeblich — forderten die Landstände, es müsse auch das Reich zur Abdeckung der maximilianischen Schulden herangezogen werden, da ja das österreichische Kammergut auch im Dienst des Reiches verbraucht worden sei. Die österreichischen Länder haben sich im großen Krieg um Italien (1508 —1516) wirtschaftlich buchstäblich verblutet. Fast das gesamte Kammergut, Schlösser, Herrschaften, Mauten, Zölle etc. mußten verpfändet werden; ebenso wurden die Bergwerke für die laufenden Anleihen den Augsburger Firmen zur Nutzung überlassen. Die österreichischen Landstände pochten daher immer dringender auf ihr Steuerbewilligungsrecht und auf Mitbestimmung in Kammer, Regiment und Hofrat. Der Innsbrucker Generallandtag (1518) ging mit den Wirtschaftssünden des Kaisers hart ins Gericht. Die Innsbrucker Libelle über Hofordnung, Rüstung und allgemeine Beschwerden bieten ein vollkommenes Bild von der Lage der Länder nach dem großen Krieg. Aber die Innsbrucker Reform brachte zunächst keine Entlastung. Es folgten vielmehr die Wahlhandlungen für Karl V., die wieder gegen eine Million Gulden verschlangen. Maximilian war vermessen genug, auch die Finanzen seiner Länder mit der Wahl Karls zu belasten, der sein spanisches Geld vorsichtig zurückhielt. Als der Kaiser starb, hinterließ er „unglaubliche Schulden . . . Schulden wie Wälder", die Ferdinand zu übernehmen hatte. Sein Generalschatzmeister Gabriel Salamanca mußte in einem unbarmherzigen Verfahren, das einem Staatsbankrott glich, die Schuldenlasten allmählich abstoßen, indem er den meisten, vor allem den kleinen Gläubigern einen ansehnlichen Teil ihrer Forderungen einfach strich. Maximilian hatte Weltpolitik auf Borg betrieben, und die Österreicher mußten den größten Teil der Schulden bezahlen. Dem Finanzchaos, das der Kaiser hinterließ, folgte ein Aufstand der Landstände in Niederösterreich und Wien, der mit dem Wiener Neustädter Blutgericht endete (1522), und auch eine zeitweilige Absetzung der landesfürstlichen Behörden, weil man — gleich wie seinerzeit in Burgund — die
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Die österreichischen Länder
Beamten für die Hauptschuldigen hielt. Die Ausbrüche des Hasses richteten sich weniger gegen das Andenken des verstorbenen Kaisers als vielmehr gegen die neuen Regimente und den Hofrat. Aber der moderne Beamtenstaat, den der Kaiser begründet hatte, konnte diese erste schwere Krise überstehen, denn ihm gehörte die Zukunft. Österreich hatte die Hauptlast der Kriege und Gründungen Maximilians zu tragen. Weit weniger leisteten dafür die Niederlande. Das Reich aber konnte sich der kaiserlichen Universalpolitik und ihren Belastungen fast ganz entziehen. Gleichwohl hatte auch das Reich vom steigenden Ansehen der kaiserlichen Dynastie einen gewissen Nutzen. Das habsburgische Großreich brachte der Deutschen Nation zweiffellos manchen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Vorteil; im Ernstfall — wie im Dreißigjährigen Krieg — stand die mächtige Bundeshilfe der spanischen Habsburger gegen Frankreich bereit. Anderseits verdankten die Habsburger der Kaiserkrone den Anschein der Weltherrschaft. Den Hauptvorteil zog freilich der spanische Zweig des Hauses aus dem habsburgischen „Universaldominat", während die österreichischen Länder zunächst auf den Schulden sitzenblieben. Immerhin fielen auch ihnen 1526 als Geschenk der maximilianischen Ostpolitik — ganz überraschend — die böhmisch-ungarischen Länder zu und damit die Aufgaben einer donauländischen Großmacht, die allerdings mit dem verhängnisvollen Angebinde eines jahrhundertelangen Türkenkrieges belastet war.
Das österreichische Einrichtungswerk.
Die große
Verwaltungsreform
Man muß sich wundern, wie Maximilian als Gegner von Reformen hingestellt werden konnte; hat es doch kaum einen leidenschaftlicheren und beharrlicheren Reformer des gesamten Staatswesens gegeben als ihn — sowohl in seinen Ländern als auch im Reich. Es ist richtig, daß die Reichsreform — allen Anstrengungen des Kaisers zum T r o t z — nur zu halben Erfolgen führte, während die österreichische Verwaltungsreform, von den Ständen fast unbehindert, zu einem staatlichen Einrichtungswerk gedieh, das durch Jahrhunderte, bis in die Reformzeiten Maria Theresiens und Josefs II., nachwirkte. Ziel der österreichischen Reformen war — wie in Burgund — die Stärkung der landesfürstlichen Gewalt, größere Einheit der österreichischen Länder nach dem Vorbild des burgundischen Gesamstaates, Steigerung ihrer Steuerleistung, ein brauchbarer gesamtstaatlicher Regierungs- und Verwaltungsapparat, ein neuer Beamtenstand meist römisch-rechtlich gebildeter J u risten, ein Arbeitsstil nach dem burgundischen System und den Methoden des jungen Kapitalismus und eine enge Zusammenarbeit mit den süddeutschen Bankhäusern und den heimischen Bergunternehmern, um den ungeheuren Geldbedarf des Krieges und der großen Politik zu befriedigen. Burgund bot das Vorbild für die österreichische Verwaltungsreform. Es
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Die habsburgische Hausmacht
galt in älteren Zeiten — unbegreiflicherweise — als „Ehrensache" der österreichischen Geschichtswissenschaft, „nachzuweisen", daß es eine Abhängigkeit der maximilianischen Reformen vom burgundischen Vorbild nicht gegeben habe, die indes auf Schritt und Tritt, im Großen wie im Kleinen festzustellen ist. In Burgund waren unter ähnlichen Verhältnissen die verschiedenen Provinzen durch ein gesamtstaatliches Regiment für Politik und Justiz und durch eine staatseinheitliche Finanzkammer — noch radikaler als in Osterreich — zu einer großen Verwaltungseinheit zusammmengefügt worden. Maximilian hat dieses burgundische System in einem fünfzehnjährigen Krieg gegen den Ansturm der widerstrebenden Stände erfolgreich verteidigt und schließlich — weil es sich offensichtlich bewährt hatte — auch nach Osterreich übertragen. Hier schuf er — weil er Tirol und die Vorlande früher und die niederösterreichischen Länder erst später übernehmen konnte — zunächst zwei getrennte Ländergruppen. Das burgundische System sollte ihm die gewaltigen Geldsummen aufbringen, die er zunächst für die Rückeroberung der niederösterreichischen Länder, für die Erwerbung Ungarns und für den drohenden Türkenkrieg brauchte. Später kamen die noch viel kostspieligeren Bedürfnisse einer groß geplanten Kaiserpolitik und die Italienkriege dazu, die vorzüglich von den österreichischen Ländern bezahlt werden mußten. Maximilian fand bei seiner Rückkehr in Tirol und in den Vorlanden Regierungs- und Verwaltungsverhältnisse vor, die der Reform dringend bedurften. Eine schlimme landständische Vetternwirtschaft, „die bösen Räte", hatten dem Herzog Sigmund die Zügel völlig aus der Hand genommen und das reiche Land nahezu in den Bankrott getrieben. Man begann bereits mit dem Ausverkauf und der Verpfändung der vorländischen Herrschaften an Bayern, weil man kaum mehr den allerdings recht aufwendigen Bedarf des Hofes bezahlen konnte. Durch einen raschen Staatsstreich hatte Maximilian Tirol in seine Hand gebracht und stellte die Landesverwaltung alsbald auf ganz neue Grundlagen. Er richtete in Innsbruck Regiment und Kammer für Tirol und die Vorlande neu ein und stellte diese Behörden, die unter Herzog Sigmund noch mit der veralteten Arbeitsweise der grundherrlichen Hauswirtschaft verwaltet hatten, auf größere Aufgaben um. Die Kammerbetriebe, die das große Geld brachten, die Hütten- und Schmelzwerke, Jagd und Fischerei, aber auch das Zeughaus, das Geld verbrauchte, wurden von der neuen Hauskammer verwaltet. Sofort nach der Übernahme Tirols gab Maximilian dem für seine Finanzreform so wichtigen Bergwesen eine neue Ordnung und erließ bereits 1490 seine berühmten Berggesetze, die einen Ausgleich der Interessen zwischen dem Landesfürsten, den Gewerken und den Bergknappen regelten, die Streitigkeiten beilegten und die Produktion sicherten und steigerten. Der Codex Maximilaneus gewährte den Knappen unter anderem den Achtstundentag und die Altersversorgung. Seine fortschrittlichen Grundsätze beeinflußte noch die spanischen Berggesetze in Amerika.
D a s österreichische Einrichtungswerk. D i e große Verwaltungsreform
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Die Landstände wurden — wie in Burgund — aus den neuen Ämtern fast ganz verdrängt, durch Beamte und Fachleute ersetzt. Neben den alten Tiroler Beamten arbeiteten fortan teils geborene, teils gelernte Burgunder, die ihre Amtspraktiken — „die niederländische Regierung", wie man es fallweise nannte — mitbrachten. Dies war umso wichtiger, als man heimische Spitzenkräfte nicht leicht finden konnte. Gerade im wichtigen Finanzbereich wurde das alte Kollegialprinzip durchbrochen, und die Kammerverwaltung allmächtigen Finanzmonokraten, zunächst einem Generalschatzmeister, übertragen, der dieses wichtige Amt alleinherrlich führen sollte. Er mußte selbstverständlich Unternehmer und Beamter in einem sein und dem Herrn mit laufenden Anleihen aushelfen. Die Steuerkraft wurde durch außerordentliche Steuern gründlich ausgeschöpft, wie man es bis dahin nicht gewohnt war. Erzverkäufe, Zölle, Darlehen und Pfandschaften brachten jährlich zusätzliche Summen. Die Beamtenherrschaft wurde straffer angezogen und die Zahl der Beamten laufend vermehrt. Mit der wachsenden Schriftlichkeit, mit der Anlage von Geschäftsbüchern aller Art, den doppelt geführten Raitbüchern und den zahlreichen Korrespondenzen begannen die Papiermassen von Jahr zu Jahr anzuschwellen. Die Kontrollen wurden verschärft, eine durchgreifende Reform der lokalen Amter durch die sogenannten „Umreiter" und die regelmäßige Abrechnung wurden eingeführt. Maximilian faßte eine Vereinigung der burgundischen und östereichischen Verwaltung ins Auge, wogegen sich freilich die Stände da wie dort wehrten; aber eine gewisse Annäherung kam doch zustande. Einige burgundische Verbindungsleute, darunter der Schatzmeister Jean Bontemps, sollten sich stets am Königshof aufhalten und die burgundische und österreichische Verwaltung koordinieren. Das Ergebnis waren eine Annäherung der beiden Verwaltungssysteme und jährlich steigende Einnahmen, welche die neue Politik erst möglich machten. Von den Untertanen freilich wurde das neue System als drückend empfunden und je länger, desto mehr abgelehnt. Die Abhängigkeit vom burgundischen Vorbild ist nicht nur in der Übernahme der burgundischen Amtsterminologie gegeben: schon das Wort Finanzen ist burgundisch-französischen Ursprunges, desgleichen t r e s o r i e r general, receveur,
Controllern, greffier,
etat; b u r g u n d i s c h w a r e n auch die neuen
Arbeitsmethoden, vor allem in der Finanzverwaltung. Man schickte Finanzbeamte zur besseren Ausbildung in die Niederlande; man suchte für leitende Posten im Reichsärar einen tüchtigen Burgunder; in der Kanzlei arbeiteten die burgundischen Sekretäre Waudripont, Marmier, Martens, Numans u. a.; man gebrauchte für die Korrespondenz in Kanzlei und Kammer ein aus Burgund entlehntes Formularbuch. Selbst in der Waffenherstellung, als Geschützgießer, Bogenmacher und als Harnischmeister, ja sogar im Jagdwesen und in der Hofküche wurden geborene oder gelernte Burgunder eingestellt; eine besondere Rolle spielten sie in der Verwaltung. Offenbar hat Maximilian die Grundsätze der burgundischen Rezeption persönlich festgelegt, wie er denn nach Aussage seiner Beamten, alles person-
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lieh zu leiten und zu ordnen wünschte. Gewiß baute er auf heimischen Grundlagen weiter, hat aber mit Hilfe seiner Fachleute seine burgundischen Erfahrungen umgesetzt und ein System entwickelt, das größeren Aufgaben gewachsen sein sollte. Während die Innsbrucker Kammer zu Sigmunds Zeiten kaum den Hof ernährte, war sie nun imstande, den ungeheuren Aufwand der Politik und des Krieges — wenn auch höchst unvollkommen — zu bestreiten. Nach dem Hinscheiden Friedrichs III. (1493) konnte Maximilian auch die niederösterreichischen Länder zu einer Ländergruppe zusammenfassen und auf sein neues System umstellen, so daß sich die Gesamtstaatsbehörden nun auf zwei Ländergruppen verteilten: auf die oberösterreichische Ländergruppe mit Regiment, Kammer und Kanzlei in Innsbruck, die stets einen gewissen Vorrang behauptete, und auf die niederösterreichische Ländergruppe mit Regiment, Kammer und Kanzlei meist in Wien und einem eigenen Kammergericht in Wiener Neustadt. Die Landesregierungen wehrten sich — ähnlich wie in Burgund — gegen die übergeordneten Gesamtbehörden, deren Eingriffe sie als Verletzung ihrer Landrechte empfanden, zumal die Stände aus den Regimenten und Kammern zunächst fast ganz verdrängt und durch Beamte des persönlichen Vertrauens ersetzt wurden. In die Innsbrucker Amter rückten, wie bereits gesagt, vereinzelt als Lehrmeister geborene oder gelernte Niederländer ein, auch zugereiste Augsburger Bankleute, Sachsen oder Schwaben. Später schickte man besonders tüchtige Tiroler nach Niederösterreich, wo sie als landfremde Saubermänner und Aufpasser verhaßt waren. Auch dies gehörte zum burgundischen System und war bisher ganz ungewöhnlich: landfremde Beamte einzusetzen, die keinerlei persönliche Rücksichten zu üben brauchten, was dem alten Landrecht völlig widersprach. Vor allem die Finanzverwaltung, worauf es dem König besonders ankam, sollte zunächst f ü r alle österreichischen und burgundischen Länder sowie f ü r das Reich einheitlich eingerichtet und — entgegen dem alten Kollegialprinzip — dem Generalschatzmeister Simon von Hungerspach unterstellt werden. Aber dieser erste Versuch einer umfassenden Zentralisierung scheiterte am Widerstand der Niederländer, an der beharrlichen Ablehnung der Reichsstände und nicht zuletzt auch am Widerspruch der österreichischen Länder. Während des Italienkrieges 1496 verlegte Maximilian unter dem Druck äußerster Geldnot die zentrale Kammerverwaltung nach Innsbruck und richtete dort eine neue „österreichische Schatzkammer" mit umfassenden Zuständigkeiten ein, die jedoch ihren großen Aufgaben auch nicht gewachsen war. Nach der Rückkehr aus Italien entschloß sich Maximilian zu einer neuerlichen, grundlegenden Reform der Behörden des Reiches und seiner Länder (1497/98), die er als untrennbare Einheit behandelte; sie sollten die Reichsstände — vor allem Erzkanzler Berthold — aus der Mitregierung verdrängen. Es entstanden, wie bereits näher ausgeführt, H o f r a t , H o f k a m m e r und Hofkanzlei als zentrale H o f - und Reichsämter, die das Reich und die österreichischen Länder gemeinsam regierten. Die Innsbrucker und Wiener
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Regimente und Kammern wurden dieser H o f b e h ö r d e unterstellt. Der König hatte das sichere Gefühl, „ein gutes Haus errichtet zu haben . . ." Man wird schwerlich behaupten können, es sei wenig Folgerichtigkeit am Werk gewesen. Es war in der T a t ein wohldurchdachtes Gesamtsystem, das Maximilian gegen den Widerstand seiner Länder und der Reichsstände hatte durchsetzen müssen. Gewiß gab es wechselnde Versuche, Vorschläge und Gegenschläge, einmal mehr kollegiale, ein ander Mal mehr monokratische Organisationsformen, aber doch größte Folgerichtigkeit im Ganzen. Bei einem so großen Unternehmen, wie dem Neubau der gesamten Verwaltung, gab es natürlich laufend Experimente, was keineswegs Kopflosigkeit bedeutete. So entstand ein Neubau der gesamten Verwaltung, den Ferdinand I. in seiner Hofstaatsordnung von 1527 fast unverändert übernahm, und dessen Grundfesten bis in die Zeiten Maria Theresiens Bestand hatten. Die Augsburger Reform (1500) und die Machtergreifung durch die Reichsstände führten vorübergehend einen Umsturz der maximilianischen Behörden herbei: diese neuen H o f b e h ö r d e n wurden aus der Reichsregierung zunächst wieder völlig ausgeschlossen, so daß sie ihre Tätigkeit auf die engeren Königssachen und auf die österreichischen Länder beschränken mußten, was für Innsbruck und Wien eher drückend wurde und zeitweilig zu ernsten Krisen führte. Nachdem die Augsburger O r d n u n g den eben errichteten Verwaltungsbau — allerdings nur im Reich — umgestürzt hatte, mußte Maximilian versuchen, die verbliebenen Schuldenlasten durch eine Reform der österreichischen Finanzen abzubauen. Wieder wurden die Finanzen einem einzigen Fachmann anvertraut. Die sogenannten Gossembrot-Verträge (1501/02) übertrugen die gesamte österreichische Verwaltung pachtweise dem Augsburger Geschäftsmann Jörg Gossembrot, der dem König f ü r die Gesamtverwaltung der österreichischen Länder die vereinbarten runden Summen auf den Tisch zu legen und die bestehenden Schulden laufend abzutragen hatte. Dieses monokratische Experiment ging über das Vorbild des Generalschatzmeisters noch weit hinaus. Angeblich habe Gossembrot der Geschäftemacherei der Fugger Grenzen gesetzt. Als er nach sehr kurzer, aber erfolgreicher Geschäftsführung starb — man sagte, die Fugger hätten ihn vergiftet — wurde das verhaßte System unterbrochen, und man kehrte zur alten Ordnung zurück. Auch im Reich wurde 1502 die Augsburger O r d n u n g wieder beseitigt, und die alte Hofregierung von 1497/98 f ü r das Reich und die österreichischen Länder wiederhergestellt. Die größten Anforderungen — vor allem an die Kammer — stellte der Venezianerkrieg. Wieder sah sich der Kaiser gezwungen, die oberste Finanzverwaltung dem Monokraten Paul von Liechtenstein zu übertragen, der die Behörden hart an die Leine nahm. Die Niederösterreicher empfanden die Abhängigkeit von Innsbruck, wo sie zur Jahresabrechnung zu erscheinen hatten, als besonders demütigend; aber dem Kaiser schwebte von Anfang an — wie in den burgundischen Ländern — eine Gesamtstaatsverwaltung vor Augen. Es hatte in Wien aufregende Bestechungsfälle gegeben, die den Vor-
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wand boten, an der Innsbrucker Kontrolle festzuhalten. Der Kaiser hätte am liebsten den scharfen Paul von Liechtenstein nach Wien versetzt, der jedoch ablehnte: „Die Wiener würden Pech und Schwefel auf ihn niederregnen lassen." Der letzte große Finanzmonokrat war Jakob Villinger, der sich in der Hofkammer emporgedient hatte und 1514 Paul von Liechtenstein ablöste. Er besorgte die Geldmittel für den Wiener Kongreß (1515), für den Mailänder Feldzug (1516), für den Augsburger Reichstag (1518) und für die Wahlwerbung Karls V. Als letzter Generalschatzmeister des Kaisers mußte der waghalsige Unternehmer die ganze Verantwortung für die „ungeheuren Schulden" übernehmen, fiel bei den Nachfolgern in Ungnade und büßte einen großen Teil seines Vermögens ein. Aber er hatte zweiffellos für sich vorgesorgt. In Innsbruck, als der heimlichen Hauptstadt, wurden auch das Archiv und die Registratur des Reiches und der österreichischen Länder eingerichtet. Der Kaiser befahl im Hinblick auf das riesenhafte Anwachsen der Papiermassen eine neue Ordnung der Archive, die der Registrator Wilhelm Putsch in zwanzigjähriger, mühsamer Arbeit durchführte. Die wertvollsten Rechtstitel wurden wohl nach altem Brauch, zusammen mit dem Schatz, im Turm der neuen Hofburg verwahrt. Besonders wichtige Einzelstücke lagen zeitweilig — wahrscheinlich über Peutingers Vermittlung — in Sonderverwahrung des Augsburger Stadtarchives. Die wichtigen Aktenmassen der Raitkammer wurden wohl im Neuen Hof unter dem Goldenen Dachl feuersicher untergebracht. Das eigentliche Haus-, Hof- und Reichsarchiv befand sich wahrscheinlich in den Gewölben der neuen Hofburg (Mitterhof). Die tagtäglich gebrauchten Hofrats- und Finanzakten sowie die wichtigen Registerbücher führte der wandernde Hof mit sich, woraus sich auch die vielen Verluste erklären. Daß die obersten Beamten wichtige Bestände privat verwahrten, hat gewiß auch zur Zerstreuung beigetragen. Nach Einrichtung des selbständigen niederösterreichischen Regimentes wurde auch ein eigenes Archiv in der Wiener Burg eingerichtet. Hier gingen in späterer Zeit unter dem Druck der nachwachsenden Aktenmassen die geschlossenen Reihen der niederösterreichischen Kanzleiregister und Raitbücher fast ganz verloren, während in Innsbruck doch der größere Teil erhalten blieb. Durch die zentralisierenden Anordnungen Maria Theresiens und ihrer nächsten Nachfolger, die alle wichtigen Archivbestände in Wien vereinigt sehen wollten, wurden auch die ehemals geschlossenen Innsbrucker Bestände sinnlos zerrissen. In den niederösterreichischen Ländern gab es neben Regiment und Kammer ein eigenes landesfürstliches Kammergericht in Wiener Neustadt, das den besonderen Widerwillen der steirischen Landstände erregte, die nicht im „Ausland" vor Gericht erscheinen wollten. Die Unterwerfung der selbständigen Länder und Landrechte unter ein übergeordnetes Regiment oder Kammergericht, das überhebliche Auftreten der neuen Regenten, Richter und Beamten erregte — wie seinerzeit in Burgund — den heftigen Zorn der
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Länder. Als besonders lästig empfanden die niederösterreichischen Landherren die planmäßige Uberprüfung aller Rechts- und Besitztitel der adeligen Eigen- und Lehensgüter, wie sie Maximilian unmittelbar nach seinem Regierungsantritt, gleichzeitig auch in den burgundischen Ländern durchführen ließ. Die Grundherren hatten sich gerade in Niederösterreich während der Ungarnkriege landesfürstliche Güter und Rechte angeeignet und bisher nicht zurückgestellt. Diese Überprüfungen geschahen durch den verhaßten „Fiskal", eine Einrichtung, die es nach Aussage der Stände in Osterreich bisher nie gegeben haben soll. Maximilian tröstete sie, „daß die Zeiten sich eben ändern, und man sich im Lauf der Zeit an alles gewöhnen werde"; er nannte den Fiskal fortan etwas harmloser Kammerprokurator. Bekanntlich hat sich der Kaiser zur W a h r u n g der Rechtstitel des Reiches gegen reichsständische Übergriffe auch eines Reichsfiskals bedient, der sich des geballten Hasses der Fürsten und Stände „erfreute". Der Ausbruch des Venezianerkrieges und der Generallandtag zu Augsburg (1510) eröffneten den Ständen stärkeren Einfluß auf Regiment und Kammer. Der Kaiser mußte sich sogar verpflichten, fortan nicht mehr in den ordentlichen Haushalt der Innsbrucker Kammer einzugreifen (1512). Freilich hatte es derartige Verpflichtungen schon f r ü h e r gegeben, an die sich der Kaiser nicht zu halten pflegte. Krieg und Kriegsführung, Geld und Truppenhilfe, Nachschub, Werbung und Besoldung entzogen den Ländern den letzten Pfennig, während die eigentlichen Anliegen des Volkes, Friede, Recht und Wirtschaft, im argen lagen. Auf dem Innsbrucker Generallandtag (1518) schaffte sich der allgemeine U n m u t in einer langen Liste von Klagen und Beschwerden Luft. Gleichwohl zeigten die Länder guten Willen, an der Lösung der nachkriegsbedingten Schwierigkeiten mitzuhelfen. Sie verhielten sich weit geduldiger als seinerzeit die niederländischen Städte und Provinzen und gewährten dem Kaiser eine große Steuerhilfe zur Abzahlung der Kriegsschulden und zur Rücklösung des Kammergutes. Sie bewilligten eine neue Hofstaatsordnung und anerkannten den H o f r a t — wenn auch ungern — als oberste Regierung des Reiches und der österreichischen Länder. Eine gemeinsame österreichische Verteidigungsordnung wurde eingeführt, ohne welche Österreich die Türkenkriege der nächsten Jahrzehnte kaum überstanden hätte. Das Tiroler Landlibell hatte offenbar Anstoß und Vorbild dafür abgegeben. Der Innsbrucker Generallandtag war der erste Vorläufer eines echten Reichsparlamentes aller österreichischen Länder, der die Ländergruppen zu einem Gesamtstaat zusammenführte und eine gemeinsame oberste Regierung und Reichsverteidigung mit wechselseitiger Kriegshilfe vorsah. Der Kaiser konnte die Gesamtstaatsidee nach burgundischem Vorbild erst nach fast dreißigjährigen Anstrengungen auch in Osterreich zwar nicht ganz, aber doch nahezu durchsetzen. Der Kaiser hatte brauchbare Zentral- und Mittelbehörden grundgelegt und in wiederholten Reformen erprobt, die imstande waren, das im Entstehen begriffene Großreich zu regieren und zu verwalten. Er hat dem „mo-
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dernen" Staat die Bahn gebrochen, gegen den sich die alte Gesellschaft mit allen Kräften wehrte. Auch die Revolution, die nach dem T o d des Kaisers in Wien, aber auch in Tirol ausbrach und sich — ähnlich wie seinerzeit in Burgund — hauptsächlich gegen den gesamtstaatlichen Verwaltungsneubau und gegen das verhaßte Beamtenwesen richtete, konnte das kaiserliche Aufbauwerk nicht überwältigen, das trotz aller Mängel doch den Weg des Fortschrittes eröffnete. Obgleich der T o d des Kaisers die Reformen zunächst unterbrach, konnte sie Ferdinand I. doch wieder aufgreifen und in der Hofstaatsordnung von 1527 vollenden. Auch das Reich wurde Karl V. „in einer gegen früher erstaunlich geordneten Verfassung hinterlassen" (Brandl). Das burgundischösterreichische Vorbild dürfte auch die Behördenordnung mancher deutschen Fürstenstaaten beeinflußt haben (Härtung).
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„Laß andere Kriege führen, du, glückliches Osterreich, heirate", diese bekannten barocken Verse führten zur oberflächlichen Annahme, der Kaiser sei nur im Heiratstiften groß gewesen, nur vom Erbglück emporgetragen worden; im übrigen habe er keinen großen Gesamtplan verfolgt. Dies trifft aber gewiß nicht den Kern der Sache. Politische Heiraten waren zu allen Zeiten ein erprobtes Mittel der Hauspolitik — bei den Habsburgern ebenso wie bei allen anderen Dynastien. Maximilian Schloß Heiraten stets im Rahmen eines großen außenpolitischen Systems. Heiraten mußten sich jeweils als politische Bündnisse und erbrechtliche H o f f n u n g e n empfehlen und durch Geld und Machtzuwachs auszahlen. Schon Maximilians eigene Heirat mit Maria von Burgund, die noch der Vater zusammen mit dem Papst und Sigmund von Tirol eingefädelt hatte, war eine politische Weltheirat gewesen. Auch seine Kinder und Enkel verheiratete Maximilian nach wohlüberlegten Plänen fast nur an die großen königlichen Geschlechter der Christenheit. Verbindungen mit reichsfürstlichen Häusern spielten fast keine Rolle. Die Genealogie war für Maximilian eine Art Religion, aber auch eine der wichtigsten Wissenschaften, die außer der Familiengeschichte vor allem dynastische Rechtstitel erforschen und festhalten sollte. Uber die großen Erbheiraten hinaus hielt der Kaiser auch ganz ferne liegende Erbrechte fest, die auf den ersten Blick mehr als phantastisch, geradezu sinnlos erscheinen: Uber seine Großmutter Zimburgis beanspruchte er ein Erbrecht auf Masovien; vom falschen York ließ er sich ein Erbrecht auf ganz England und Frankreich verbriefen; über die Heirat seiner Enkelin Isabella mit Christian von Dänemark setzte er H o f f n u n g e n auf Dänemark, Norwegen und Schweden; von seiner Mutter Eleonore leitete er Erbrechte auf Portugal ab, die, von seinen Enkeln konsequent verfolgt, tatsächlich zur vorübergehenden Vereinigung Spaniens und Portugals führten, dem größten Reich, das es je gab. Die
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bedeutendsten Ereignisse dieser Welt werden manchmal durch naive Visionen geahnt und vorbereitet. Das meinte Ranke offenbar, der dem Kaiser ein besonderes Ahnungsvermögen zuschrieb. Maximilians Heiratspolitik bewegte sich zunächst ganz im Rahmen des burgundischen Bündnissystems und suchte zur Sicherung gegen Frankreich Familienverbindungen mit England, Spanien, Portugal und der Bretagne. Erzherzog Philipp, kaum geboren, war bereits 1479 als künftiger Gemahl der Anna von York vorgesehen, ein Heiratsplan, der sich nach dem Sturz der Weißen Rose und dem Regierungsantritt des Hauses T u d o r in nichts auflöste; aber die Sicherungspolitik gegen Frankreich kam später zwangsläufig auf ein englisches Heiratsbündnis zurück. Um die Kriegspolitik Maximilians gegen Frankreich zu durchkreuzen, unternahmen die niederländischen Stände den bedeutsamen Versuch, zusammen mit dem König von Frankreich eine Verlobung Erzherzogin Margarethes mit dem Dauphin Karl (VIII.) zu erzwingen. Der ewige Friede, den man sich aus dem folgenden Vertrag von Arras (1482) erwartete, trat allerdings nicht ein, denn die Erzherzogin wurde von ihrem Verlobten verstoßen, ohne daß man die reiche Mitgift der Braut, darunter das Herzogtum Burgund-Bourgogne, zurückstellte. Der Kampf um die Rückgabe dieser Mitgift, zumal des Stammherzogtumes, nach dem sich die großen Herzoge benannt hatten, das aber auch ein Herzstück Frankreichs war, sollte jahrzehntelange Kriege nach sich ziehen. Maximilian setzte indes seine Einkreisungspolitik gegen Frankreich fort. Nach verschiedenen Heiratsplänen mit Savoyen oder Lothringen entschloß er sich zu einer Ehe mit Anna von der Bretagne (1490), um dieses selbständige Herzogtum gegen den Zugriff Frankreichs zu sichern. England und Spanien zeigten sich bereit, die Erhaltung der freien Bretagne zu unterstützen. Frankreich, das immer noch in der Urangst des Hundertjährigen Krieges lebte, beantwortete diesen Anschlag auf sein unmittelbares Vorfeld und gegen seine Grenzen mit dem sogenannten „Brautraub", von dessen Folgen bereits die Rede war. Erzherzogin Margarethe wurde ohne Rückgabe der Mitgift, mit Schimpf und Schande nach Hause geschickt. Diese höchst merkwürdige bretonische Heiratsgeschichte — f ü r keinen Teil ehrenvoll — wurde später einvernehmlich aus der Welt geschafft, als ob diese Ehe nie stattgefunden habe. Maximilian hatte im Zuge des burgundischen Erbfolgekrieges natürlichen Anschluß an die Könige von Aragon-Kastilien gefunden. Diese töchterreiche und fruchtbare Dynastie ließ zahlreiche Nachkommen und bedeutende politische Verbindungen erwarten. Maximilian dachte zunächst daran, selbst die spanische Infantin Isabella zu heiraten; aber sie war bereits nach Portugal versprochen. Ferdinand und Isabella sahen lieber eine Heiratsverbindung der jüngeren Generation, und zwar eine Doppelheirat der spanischen und habsburgischen Königskinder, die zugleich mit einem ewigen Freundschaftsbündnis abgeschlossen werden sollte. Frankreich hatte schon früher — allerdings vergebens — die Union der spanischen Länder zu ver-
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hindern und Kastilien an sich zu bringen versucht und bedrohte gegenwärtig die Aragonesen in Neapel. Es wurde Familientradition der Häuser Österreich-Burgund und Spanien, daß Frankreich der Erbfeind und von allen Gegnern der gefährlichste sei; das verband sie. Der französische Überfall auf Italien und die Vertreibung der Aragonesen aus Neapel gaben den letzten Anstoß zum endlichen Abschluß dieser seit Jahren verhandelten und von Maximilian immer wieder vorsichtig verzögerten Verbindung zwischen Erzherzogin Margarethe und dem Infanten Juan (1497) und zwischen Erzherzog Philipp und Infantin Juana (1496). Die Präambel des großen Vertragswerkes betonte ahnungsvoll die „Ewigkeit" dieser Verbindung, die beide Häuser „durch alle Jahrhunderte" vereinigen sollte. Menschlich freilich war diese Ehe für Erzherzog Philipp eine Tragödie; für Juana endete sie im Wahnsinn, den sie von ihrer portugiesischen Großmutter Isabella geerbt hatte. Gleichwohl gebar sie sechs gesunde Kinder, die dem Vater und Großvater für hochpolitische Heiraten zur Verfügung standen. Karl, der das Reich und Spanien erbte, heiratete eine portugiesische Königstochter, Ferdinand dagegen Anna von Ungarn. Eleonore heiratete zuerst den König von Portugal, dann den König von Frankreich; Maria wurde dem König von Ungarn vermählt, Isabella dem König von Dänemark, Norwegen und Schweden und Katharina dem Erbprinzen von Portugal. Weltpolitisch gesehen, wurde die spanische Heirat die folgenreichste dynastische Verbindung der Neuzeit, denn der überraschende T o d Juans (1497), seines Söhnchens (1497), seiner Schwester Isabella von Portugal (1498) und ihres Kindes Miguel (1500) öffnete den Habsburgern ganz unerwartet die Erbfolge in Kastilien-Aragon und in der Neuen Welt. Die „Kunst" der Hofärzte, die sich im Purgieren und Aderlassen erschöpfte, außerdem die damals häufigen Frühgeburten, welche meist zum Tode führten, hatten daran ihr zweifelhaftes „Verdienst". Dies war — weit mehr als die burgundische Heirat — eine weltgeschichtliche Wende. Was zunächst nur als Sicherung gegen Frankreich gedacht war, führte zur Vereinigung der österreichisch-burgundischen und der spanischen Länder und zur Achse Wien — Madrid, um welche sich die Welt fast zwei Jahrhunderte lang drehen sollte. „Das Jahrhundert des Hauses Österreich" und der „habsburgische Universaldominat" waren begründet — allerdings noch keineswegs gesichert, denn König Ferdinand wollte lange Zeit von einer habsburgischen Erbfolge in seinen Ländern nichts wissen. Er sah nach dem T o d seiner ersten Gemahlin Isabella von Kastilien (1504) immer noch die Möglichkeit, eine eigene Dynastie zu begründen und das Eindringen der Habsburger nach Spanien, wenigstens nach Aragon, zu verhindern. Er hätte selbst die Vereinigung der spanischen Länder preisgegeben, um nicht das ganze Reich den Habsburgern zu überlassen, und Schloß — gegen jede spanische Tradition — mit einer Nichte Ludwigs XII., Germaine de Foix, eine zweite Ehe (1506). Maximilian wetterte gegen diese „schändliche Heirat" mit einer Französin und suchte Bundesgenossen in England und Portugal, um das spanische Erbe seinem Haus zu erhalten.
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Erst als König Ferdinand nach einer Fehlgeburt seiner Frau alle Hoffnungen auf weitere Nachkommen fahrenlassen mußte, konnte Maximilian allmählich seine spanischen Erbpläne durchsetzen. Es war eine Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet der König von Frankreich die Versöhnung zwischen Ferdinand und Maximilian vermittelte. Was als Zwischenspiel gedacht war, wurde zur großen Wende. Durch den Vertrag von Blois (Dezember 1509) kehrte Ferdinand allmählich zur habsburgischen Politik zurück, was Frankreich noch schwere Sorgen bereiten sollte. Spanien bot dem Kaiser fortan enge Zusammenarbeit vor allem in Italien. Die österreichische Erbfolge in Spanien war damit gesichert. Außer Spanien umkreisten die politischen Spekulationen Maximilians stets auch Portugal, die Heimat seiner Mutter, die sagenhaften portugiesischen Entdeckungen und Indien, das Land des Priesterkönigs Johannes. Auch die spanische Dynastie hatte Portugal stets umworben, wie auch Maximilian seine portugiesischen „Ansprüche" niemals aufgab und später zusammen mit Karl (V.) begann, dieses Königreich mit einem Netz von habsburgischen Ehebündnissen zu überziehen, um jeden französischen Einbruch in das spanische oder portugiesische Erbe zu verhindern. Ziel war die Einigung der gesamten Iberischen Halbinsel und des beiderseitigen Kolonialbesitzes, was Philipp II. tatsächlich gelingen sollte. Die düsteren Folgen dieser stets wiederholten Verwandtenheiraten sind bekannt. Das eigentliche Bindeglied, das die österreichische und spanische Politik von Anfang an und durch alle Jahrzehnte verband, war Italien. Für Maximilian war das Königreich Italien das Stammland des Kaisertums im christlichen wie im humanistischen Sinn. Die Spanier dagegen verfochten in Italien die Rechte des Hauses Aragon auf Sizilien und Unteritalien und den Schutz des Papstes gegen eine neue „babylonische Gefangenschaft" durch die Franzosen. Für Italien war Maximilian zeit seines Lebens zu jedem Opfer bereit. Er fädelte hinter dem Rücken des Vaters seine Ehe mit Bianca Maria Sforza ein, eine nicht ebenbürtige Heirat mit einem Geschlecht, das vor zwei Generationen angeblich noch das Schusterhandwerk betrieben haben soll — eine Heirat, die Kaiser Friedrich nie gestattet haben würde. Maximilian hoffte sich von dieser Verbindung mit Herzog Ludovico Sforza, den er maßlos überschätzte, entscheidende Hilfe im Kampf um Italien, um das sich alle seine Reichserneuerungspläne drehten. Damit setzte sich der Reigen der italienischen Heiraten fort, die den Einfluß der Habsburger auf Italien sichern sollten. Ludovico Moro sollte helfen, die Franzosen aus Italien fernzuhalten und die Kaiserstraße nach Rom zu bewachen. Bald folgte eine Heirat der Kaisertochter Margarethe mit Herzog Philibert von Savoyen (1501), die dem gleichen Ziel dienen sollte. Die kaiserliche Heirat, auf welche Bianca Maria durch Monate in Innsbruck warten mußte, wurde im März 1494 in höchst bescheidenen Formen vollzogen. Abgesehen von der hohen Mitgift und den reichen Hilfsgeldern, die Maximilian dem Mailänder Herzog während der nächsten Jahre ent-
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reißen konnte, war diese Heirat politisch wie menschlich eine Fehlrechnung. Die märchenhaften Mitgiftsummen waren rasch verbraucht. Der Kaiser fand nie ein näheres Verhältnis zu diesem unreifen Kind aus Mailand. Nach dem Sturz H e r z o g Ludovicos war diese Heirat f ü r den Kaiser wertlos geworden. Einen völligen Wandel des außenpolitischen Systems und der weiteren Heiratspläne bewirkte die Versöhnung Maximilians mit dem König von Frankreich, die er unter dem Einfluß seines Sohnes Philipp vollzog. Man plante nun eine Heirat Erzherzog Karls, des künftigen Herren Burgunds und des Erben Spaniens, mit Claudia, der Tochter Ludwigs XII. Dieser Ehebund sollte Erzherzog Karl nach dem T o d e Ludwigs XII. die Herzogtümer Mailand, Burgund-Bourgogne, Bretagne und die französischen Ansprüche auf Neapel einbringen. Sollte das, was als Erbstreit begonnen hatte, nicht durch eine Erbheirat ausgeglichen werden können? Man erhoffte sich von dieser Heirat die Beendigung aller Kriege um Italien, außerdem französische Hilfe zur Kaiserkrönung in Rom, zum Kreuzzug, zur Erwerbung Spaniens und Ungarns. Unter Umständen hätte diese französische Heirat — ähnlich der spanischen — zu einer Vereinigung der Kronen und Reiche der Habsburger, Trastamara und Valois in der einen oder anderen H a n d führen können. Ein politischer Kopf wie Papst Julius II. zeigte sich über diese Möglichkeiten eines christlichen Weltreiches eher besorgt. Der König von Frankreich erhielt d a f ü r in den Verträgen von Blois und Hagenau die Investitur mit Mailand übertragen, worauf es ihm einzig ankam. Das Verlöbnis war freilich nur vorgeschwindelt worden, um das Reichslehen Mailand zu gewinnen. Im Ernst dachte Ludwig XII. nicht daran, sein Königreich durch Abtretungen zu verkleinern oder gar zum Nebenland eines Weltverbandes herabzumindern. Ein mittelalterlicher Reichsuniversalismus — gar unter deutscher Führung — lag den französischen Königen naturgemäß fern. Ludwig XII. hatte Claudia längst anderweitig vergeben — ein Vertragsbruch, der selbst damals ein gewisses Aufsehen erregte. Aber Heiratsschwindel dieser Art gehörte damals zum politischen Alltag. Die spanische Sicherungspolitik gegen Frankreich hatte bereits früher Heinrich VII. von England f ü r ein Heiratsbündnis des englischen Kronprinzen mit der Infantin Katharina gewonnen. König Ferdinand war schon immer bemüht gewesen, Maximilian die ständigen Feindseligkeiten gegen das H a u s T u d o r und die Unterstützung des Schwindlers Warbeck, der sich als Richard von York ausgab, auszureden und die endliche Versöhnung mit England zu vermitteln. Als Ludwig XII. das Heiratsversprechen Claudias gegenüber Karl gebrochen hatte (1506), und die Erbfolge der Habsburger in Spanien durch den T o d König Philipps in Burgos (1506) und durch die neue Heirat König Ferdinands mit Germaine de Foix (1506) äußerst gefährdet schien, war Maximilian endlich bereit, die Feindschaft gegen das Haus T u d o r zu begraben und auch mit England ein Ehebündnis gegen Frankreich abzuschließen. Gerne hätte er seine Tochter Margarethe dem König von England verheiratet; aber die vom Eheglück wenig verwöhnte, zweifache
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Witwe — sie hatte H e r z o g Philibert von Savoyen nach kurzer, glücklicher Ehe verloren — widersetzte sich hartnäckig allen Überredungskünsten des Vaters. D a h e r verlobte man Karl (V.) mit Maria, einer T o c h t e r Heinrichs V I I . , während die spanische Infantin Katharina zunächst dem K r o n prinzen Arthur und nach dessen T o d mit Heinrich (VIII.) verheiratet wurde, wodurch die „Dreieinigkeit" doppelt gesichert schien. Als sich Frankreich völlig isoliert sah, gelang es Ludwig X I I . , durch den bekannten politischen Meisterstreich von 1514 seine Gegner zu trennen. Schon einmal hatte der König von Frankreich den Kaiser mit einem ähnlichen Angebot betrogen. Aber der K ö d e r war so verlockend, daß Maximilian über beständiges Drängen König Ferdinands auch diesmal wieder auf das französische Angebot einging und das wiederholt besiegelte englische V e r löbnis Karls mit Maria preisgab, denn nach einer französischen Heirat Ferdinands mußte Karl für die ungarische Heirat frei bleiben, da gerade damals die Ostverträge in die entscheidende Phase eintraten. Es war ein offener Vertragsbruch des Kaisers, der nichts brachte, aber den König von England schwer beleidigen mußte. Ludwig X I I . aber erreichte, was er wollte: Heinrich V I I I . löste augenblicklich alle Beziehungen zum Kaiser und zu Spanien. Die französischen Heiratspläne, welche Maximilian seit 1504 mit großer Ausdauer verfolgte — vielleicht in der heimlichen H o f f n u n g , damit eine „spanische Lösung" vorzubereiten — erwiesen sich als reines Blendwerk. Aus der Heirat des Infanten Ferdinand mit Claudia von Frankreich wurde nichts. Aber der Kaiser wollte doch wenigstens versuchen, sich mit dem König von Frankreich auszusöhnen, was die Einigung der Christenheit gegen die T ü r k e n und den oft beschworenen allgemeinen Frieden hätte fördern sollen. Auch Karl V. ließ sich aus ähnlichen Gründen bald darauf durch das Blendwerk neuer französischer Heiraten sogar von der Kriegshilfe für den eigenen Großvater abbringen; aber vielleicht suchte diesmal auch Karl in einem französischen Ehevertrag nichts anderes, als vorübergehende R ü c k e n freiheit beim Antritt seines spanischen Erbes. Aus keinem dieser Verlöbnisse ist etwas geworden. Die unverschämte Behandlung von Heiratsverträgen wurde nachgerade ein besonderes Kennzeichen damaliger Politik. D e n dauerhaftesten Erfolg erreichte Maximilian mit der habsburgischjagellonischen Doppelheirat. Seit 1490 verfolgte er den Plan der Erwerbung Ungarns und einer Eheverbindung mit König Wladislaw von Ungarn und Böhmen, den er durch Jahrzehnte immer wieder in den verschiedensten Abwandlungen versuchte. Im Zuge dieser ausdauernden Bemühungen kam es auch zu einem Freundschaftsvertrag mit dem Großfürsten von M o s k a u , wobei über eine Heirat Maximilians mit einer T o c h t e r des Großfürsten Ivan verhandelt wurde. Es blieb indes bei einem Schutz- und Trutzbündnis (1492), das während der nächsten Jahrzehnte die Jagelionen in Polen, Böhmen und Ungarn unter beständigen D r u c k setzte und die große Lösung von 1515 förderte. Als sich König Wladislaw von der unfruchtbaren Beatrix, der Witwe
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nach Matthias Corvinus, trennen wollte, bedrängte Maximilian den Papst, diese kinderlose Ehe nicht zu scheiden, damit die Habsburger aufgrund des Preßburger Vertrages von 1491 als Erben in Ungarn und Böhmen nachfolgen könnten. Aber der König von Frankreich durchkreuzte diese Pläne, indem er die Ehescheidung Wladislaws von Beatrix beim Papst durchsetzte und dem König von Ungarn seine Nichte Anna von Candale als Gemahlin vermittelte (1502). Was den Habsburgern mit der spanischen Heirat gelungen war, schien dem König von Frankreich nun mit der ungarischen Heirat zu gelingen: die Habsburger mit Hilfe der Jagelionen im Osten einzukreisen. Die ungarische Erbfolge schien endgültig verspielt, als Johannes Zäpolya und seine nationale Partei den Preßburger Vertrag von 1491 verwarfen und beschlossen, nach dem Tod Wladislaws, der immer noch keinen Sohn besaß, nur einen „geborenen Ungarn" zu ihrem König zu wählen. Da geschah das Unerwartete, daß Königin Anna — obwohl geborene Französin — mit bemerkenswertem realpolitischen Blick für die nötige Zusammenfassung aller Kräfte zum Kampf gegen den Islam die Partei Habsburgs unterstützte. Maximilian ließ ein Reichsheer aufmarschieren und erzwang im März 1506 ein Doppelverlöbnis seiner Enkel mit den ungarischen Königskindern, obwohl der sehnlich erwartete ungarische Kronprinz damals noch gar nicht geboren war; so locker handhabte man das fürstliche Eherecht. Diese Doppelheirat hatte — wie schon seinerzeit die spanische — den großen Vorteil, daß sich die Mitgiften gegenseitig aufhoben und die Heirat keiner Seite etwas kostete; das war umso wichtiger, als die Aussteuer einer Königstochter fast den Aufwand eines Feldzuges erforderte. Dieser Vertrag wurde 1507 feierlich erneuert, in jahrelangen Verhandlungen durch die bedeutendsten kaiserlichen Diplomaten weiter gefördert und 1515 vom Kaiser persönlich in besonders feierlichen Formen abgeschlossen. Die Heiratsurkunde wurde durch einen Adoptionsvertrag ergänzt, dessen hohe Bedeutung öfter unterschätzt wurde. Prinz Ludwig von Ungarn heiratete Erzherzogin Maria. Wegen der verworrenen erbrechtlichen Lage führte der Kaiser selbst in Stellvertretung Prinzessin Anna zum Altar. — Niemand konnte ahnen, daß bereits elf Jahre später der ungarisch-böhmische Erbfall eintreten werde. Mehrere andere Eheverbindungen sollten die jagellonische Doppelheirat und das habsburgische Erbrecht auf Dauer sichern. Zunächst war der lange und zähe Widerstand König Sigmunds von Polen, eines Bruders Wladislaws, zu überwinden. Der König von Polen war lange Zeit ein scharfer Gegner der Doppelheirat und der habsburgischen Donauraum-Politik gewesen. Maximilian hatte gegen ihn im Laufe der Jahre eine große antipolnische Koalition aufgebaut, deren Haupt Christian II. von Dänemark sein sollte. Dafür wurde ihm Erzherzogin Isabella als Gemahlin angetraut (1514), die an der Seite dieses Wüstlings ein glückloses Leben führte. Der Kaiser forderte von seinen Kindern und Enkeln im Dienste der Familie rücksichtslos jedes persönliche Opfer. Aber niemals sollten die viel weitergehenden Rechnungen aufgehen, die Maximilian auf die dänische Heirat gesetzt hatte: die Erwerbung von Norwegen und Schweden.
Die österreichisch-ungarische Doppelheirat (1515). Maximilian (links)ßihrtAnna von Ungarn an der Hand. König Wladislaw (Mitte) führt Ludwig und Maria zusammen. Sigmund von Polen (rechts) sieht wohlwollend zu. Holzschnitt von A. Dürer aus der Ehrenpforte.
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Die habsburgische Hausmacht
Um das Ost- und Nordostsystem besser zu sichern, verstand es Maximilian, auch König Sigmund von Polen verwandtschaftliche Fesseln anzulegen, indem er ihm die reiche und schöne Bona Sforza vermittelte. Der burgundische H o f , der nur auf die Westpolitik setzte, lehnte alle diese östlichen Verbindungen, auch die ungarischen Heiraten, ab. Karl führte zwar Maximilians Heiratspolitik fort, richtete aber sein Augenmerk weit mehr auf Spanien, Portugal und sogar auf England, das er habsburgisch zu machen hoffte. Neben und zwischen diesen großen Heiraten gab es zahlreiche, weniger wichtige Pläne, die zum Teil gar nicht zustande kamen. Größeres Aufsehen erregte die Heirat der Kaisertochter Kunigunde, der einzigen Schwester Maximilians, mit H e r z o g Albrecht von Bayern-München. Kaiser Friedrich III. hatte sie höchsten Bewerbern zugedacht: dem König von Frankreich, ja sogar Sultan Bajezid, den sie zum Christentum hätte bekehren sollen. Was waren — damit verglichen — Maximilians Utopien? Kaiser Friedrich empfand die bayerische Heirat, die Sigmund von Tirol hinter seinem Rücken eingefädelt hatte, als schwere Beleidigung und Bedrohung seines Tiroler Erbes. Maximilian aber fand bald ein gutes Verhältnis zu seinem Schwager, den er f ü r seine Reichspolitik — nicht immer erfolgreich — zu gebrauchen suchte. Der König dachte sogar daran, seinen Sohn Philipp mit der Erbtochter Elisabeth von Bayern-Landshut zu verheiraten, was Osterreich bedeutenden, unmittelbar angrenzenden Länderzuwachs hätte einbringen können; aber schließlich zog er f ü r seinen einzigen Sohn doch die spanische Heirat vor. Als sich Maximilian über Philipps Sonderpolitik dauernd ärgerte, plante er kurz, seine Tochter Margarethe mit dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen zu verheiraten und ihm die Nachfolge im Reich zu übertragen (1498); aber die Lage änderte sich, und der Sachse verlor das Vertrauen des Kaisers. Innerdeutsche Verbindungen schienen dem Kaiser weniger wichtig; d a f ü r waren ihm seine bayerischen Nichten gerade recht. Sabine von Bayern heiratete bekanntlich Ulrich von Württemberg, Susanne aber Kasimir von Brandenburg und Sibylle den Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein. Die eigenen Kinder und Enkel hielt der Kaiser zu H ö h e r e m geboren. Als sich Pfalzgraf Friedrich um Erzherzogin Eleonore bemühte, wurde er schroff abgewiesen. Der Tiroler Chronist Brandis entschuldigt den Kaiser, daß er in 21 Jahren seines Witwerstandes auch etliche natürliche Kinder bekommen habe. Zehn sind näher bekannt; aber sie gehörten f ü r Maximilian nicht zur kaiserlichen Familie, obwohl man in solchen Fragen in Burgund und in Italien damals freier dachte. Der Sohn Leopold war Bischof von Cordoba, Georg Bischof von Lüttich, Valencia und Brixen. Maximilian von Amberg wurde später Landsknecht-Obrist. Von den Töchtern heiratete Margarethe den obersten Tiroler Jägermeister Jan Hillandt, Martha den Grafen Ludwig von Helfenstein, den die aufständischen Bauern 1525 zusammen mit siebzig adeligen Herrn durch die Spieße jagten. Anna und Dorothea dienten zunächst als H o f d a m e n Marias von Ungarn und wurden später in den Niederlanden reich und hochadelig verheiratet. Cornelius und Christoph verlieren sich bereits als Schüler aus den Quellen. Besonders hervorgetreten ist keines der un-
H a u s - und Heiratspolitik
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ehelichen Kinder sowenig wie deren Mütter. Keiner der Söhne genoß zu Maximilians Zeiten die Auszeichnung, „von Osterreich" zu heißen, wie dies später bei den spanischen Habsburgern Sitte wurde. Maximilian hinterließ seinem Enkel Karl V. ein Reich, das sich zwar gutenteils auf politische Heiraten und dynastisches Familienrecht gründete, aber ohne die Anziehungskraft der Kaiserkrone und der christlich-humanistischen Reichstraditionen, ohne die großen O p f e r der habsburgischen Hausländer und deren Machteinsatz nie zustande gekommen wäre. Das bekannte bella gerant alii wollte — nicht ohne einen starken Schuß Propaganda — kundtun, daß der habsburgische Universaldominat, der die christliche Reichsidee fortsetzte, nicht als Erobererstaat entstanden sei, sondern mit den friedlichen Mitteln des Familienrechtes die christliche Staatenfamilie, den Gottesstaat der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens erneuern wollte, den Gott der Deutschen Nation und nun — so sah es der Kaiser — dem Hause Habsburg übertragen habe.
VI PERSÖNLICHKEIT HERRSCHERUND MENSCH Kunstfreund
und
Künstler
Man könnte Maximilian nach seinem innersten Wesen einen Künstler nennen, den sein Schicksal — etwas übertrieben gesagt — in die Politik verschlagen hat. Als Freund der Künste und Wissenschaften, als Künstler und Kunstmäzen möchten ihm selbst einige seiner strengsten Kritiker „die Palme der Unsterblichkeit reichen". Eine Glanzperiode des deutschen Kulturlebens nahm mit ihm seinen Anfang. Der Kaiser hat mit seinen eigenen Werken und mit seinen Aufträgen das Kunstleben seiner Zeit wesentlich mitgeprägt. Die Zeitgenossen hielten Maximilian im Hinblick auf seine Unberechenbarkeiten für einen „Melancholiker", was damals so viel bedeutete wie Genie. In der Tat gibt es in der tausendjährigen Geschichte der Römischen Kaiser Deutscher Nation keinen, der als Freund der Wissenschaften und Künste, als Anreger, Erfinder, Förderer und selbständiger Künstler so hervorgetreten wäre wie Maximilian. Karl V., obwohl weit reicher an Mitteln, und Ferdinand I. blieben in dieser Hinsicht weit hinter dem Großvater zurück. Maximilian fühlte wohl, wie er selber, der aus ganz anderen geistigen Welten kam, durch den Humanismus wuchs, und unterließ nichts, dieser neuen Bewegung freie Bahn zu schaffen. Der Kaiser nahm zwar manche humanistische Anregung auf, aber dachte und dichtete selber doch wie ein mittelalterlicher Mensch und begeisterte sich mehr an den Heldensagen der deutschen Vorzeit, die er sammeln ließ, als an den lateinischen Klassikern, denen er kein allzugroßes Interesse entgegenbrachte. Das Latein beherrschte er zwar als Gebrauchssprache vollkommen, nicht aber als literarische Hochsprache, während er das Deutsche geradezu sprachschöpferisch meisterte. Geistig empfänglich, wie er war, eröffnete er den Humanisten Möglichkeiten, als ob er einer der Ihrigen gewesen wäre. Er selbst lebte indes im Zeitalter des Uberganges in seiner burgundischen Nachblüte. Er ließ die in Tirol noch lebendigen altdeutschen Heldenlieder aufzeichnen, darunter die „Kudrun", die für uns als einzige Uberlieferung dieses Gedichtes unschätzbar ist. Diese wertvolle Sammlung, als Ambraser Heldenbuch bekannt, würde allein genügen, dem Kaiser einen Platz in der Kulturgeschichte des deutschen Volkes zu sichern. Mit Recht nannte man Maximilian den „letzten höfischen Epiker" (Joachimsen). Gleichwohl bezeichnete er die Humanisten als seine Freunde, wie Cuspinian berichtet und anfügt: „Es gibt keinen zweiten Herrscher, der sich so willig belehren läßt von denen, die mehr gelernt haben als er, und der so rei-
Kunstfreund und Künstler
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chen Geistes ist, daß er schon durch seine Fragen belehrt." Die Künstler hielt der Kaiser hoch in Ehren, weil sie Gott vor anderen Menschen sichtbar ausgezeichnet habe. Viele Humanisten zeichnete er mit dem Dichterlorbeer aus, w o f ü r sie im Sinne der neuen Reichs- und Kaiseridee wirkten. Nur zum gefeierten H a u p t des Humanismus, zu Erasmus von Rotterdam, welcher der Kriegspolitik kritisch gegenüberstand, vermochte der Kaiser kein rechtes Verhältnis zu finden. Laufend schrieb er seinen humanistischen Freunden. Bald braucht er theologische, bald philologische Auskünfte über eine Chronik, über Hieroglyphen, über genealogische Zusammenhänge oder Ahnenbilder f ü r sein Grabmal, über eine m e r k w ü r d i g e U r k u n d e , eine Handschrift oder über einen M ü n z f u n d . Da fördert er die Abschrift eines alten Heldenbuches, den Druck eines neuen Werkes, den Kunstdruck eines Gebetbuches oder einer Chronik; dort hat er Sorgen mit Zeichnern, Holzschneidern und Bronzegießern, läßt sich Entwürfe vorlegen und verbessert die Zeichnungen mit eigener H a n d . Seinen Sekretären wirft er laufend seine literarischen Entw ü r f e hin, welche sie auszuarbeiten hatten. Es gehörte zum Wesen des Kaisers, sich f ü r alles zu interessieren und sich allen Anregungen zu öffnen. Seine Phantasie ergoß sich befruchtend auf alle Gebiete des öffentlichen und kulturellen Lebens. Der geistige Aufbruch k a m natürlich auch den Universitäten zugute. Maximilian förderte vor allem die Wiener Universität, die ihm besonders am H e r z e n lag. Ganz allgemein empfahl er den deutschen Kurfürsten, in ihren Ländern Universitäten zu gründen. Er brach die Vorherrschaft der Scholastiker, berief italienische Humanisten nach Wien, um die Ausbildung seiner Beamten und Diplomaten im klassischen Latein und im Römischen Recht zu verbessern. Auf den Einsatz der Wissenschaften und Künste im Dienst des Reiches wollte der Kaiser nicht verzichten. Die neuen Lehrer sollten mit der lateinischen Beredsamkeit zugleich Philosophie, Geschichte und Staatskunst vortragen, aber auch die deutsche Geschichte nicht vergessen, die der altrömischen gleichwertig sei. Wollten die Italiener die moderne Welt nur durch die klassische Antike erneuern, so legten der Kaiser und seine Humanisten W e r t auf das Vorbild der alten Deutschen. J e lauter die Italiener alle anderen als „Barbaren" gering schätzten, desto wichtiger schien es dem Kaiser, die Werte der deutschen Nation zu betonen. Ein besonderer Gewinn w a r der deutsche Erzhumanist Konrad Celtis, der auf ausdrücklichen W u n s c h Maximilians nach W i e n berufen wurde und dem deutschen Humanismus dort zum Durchbruch verhalf. Er begründete den wissenschaftlichen Freundeskreis der Sodalitas Danubiana, der alles angehörte, was geistig R a n g und Namen hatte, und das geistige Leben Wiens und der Nachbarländer auch außerhalb der Universität stark beeinflußte. Celtis w u r d e — ähnlich Hutten — ein Herold des Kaiserkultes und der Reichspropaganda, wie sie Maximilian brauchte. Der alte Ruhm Deutschlands und seine große Zukunft waren Celtis' Lieblingsthemen. Er vefsprach dem Kaiser sogar eine Maximilianeis, die wohl den Vergil als Pflichtlektüre
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an den Universitäten ersetzen sollte; aber er kam über die Versicherung nicht hinaus, daß es schwierig sei, das Leben dieses Kaisers zu beschreiben. Neben der Poesie sollten auch Mathematik und Naturwissenschaften stärker zur Geltung kommen. Daher begründete Maximilian mit Hilfe des Celtis das Collegium poetarum et mathematicorum, das auch den historischen Grundlagenforschungen im Sinne des Kaisers dienen sollte. Im Kloster Ebrach fand Celtis eine Handschrift des Ligurinus, der die Taten Barbarossas und seine Kämpfe gegen Mailand verherrlichte. In St. Emmeram in Regensburg entdeckte er die Gesta Ottonis, die Taten Ottos des Großen, ein Werk der Äbtissin Hroswitha von Gandersheim, das mit Widmungsblättern aus der Hand Dürers erschien. Cuspinian gab die Gesta Friderici, die Staufergeschichte Ottos von Freising, heraus — alles Quellenwerke, welche Herzenswünsche des Kaisers befriedigten. Celtis hatte auch eine römische Weltkarte aufgefunden, die er Peutinger überließ, weshalb sie als Tabula Peutingeriana bekannt wurde. Er befaßte sich auch gründlich mit der Germania des Tacitus und wollte in seiner Germania illustrata ein Gesamtbild Deutschlands, seiner geographischen Gegebenheiten, seiner Geschichte und seiner geistigen Kultur geben. Auch Cuspinian lenkte mit seiner Austria in diese Richtung ein und versuchte eine große österreichische Landeskunde, die er mit Karten ausstattete, ein Unternehmen, das später Lazius fortsetzte. Es enthält die ersten Ansätze einer Landesvermesssung und -beschreibung, die gewiß auch Zwecken der Verwaltung dienen sollte. Sicher hatte der Kaiser in Nürnberg den Globus des Martin Beheim gesehen, der die Erde erstmals in Kugelform darstellte. Stabius brachte, vom Kaiser unterstützt, zusammen mit den Nürnberger Kartographen, Zeichnern und Holzschneidern eine Weltkarte heraus, die Aufsehen erregte. Martin Waldseemüller veröffentlichte unter dem Schutz eines kaiserlichen Druckprivilegs Berichte über die Amerikafahrt des Amerigo Vespucci; die beigegebene Weltkarte nannte den neuen Kontinent zum ersten Mal Amerika. Mit lebhaftem Interesse verfolgte der Kaiser die großen Entdeckungen seiner spanischen und portugiesischen Verwandten. Der Triumphzug feierte das „Reich der fünfzehnhundert Inseln" bereits wie einen habsburgischen Familienbesitz: angeführt von einem Elefanten, laufen die „kalkuttischen Leute" im Schmuck ihrer Waffen, mit Weibern und Kindern, mit Früchten und Tieren ihres Landes im Festzug mit. Der Kaiser brauchte vor allem Karten für seine Feldzüge, zunächst Karten der eigenen Länder, welche ihm Stabius und Kölderer entwarfen; leider sind nur Bruchstücke davon erhalten. Aber auch Karten der Türkei für den Kreuzzug waren gefragt, die Peutinger besorgte; angeblich kannte der Kaiser dort jeden Weg und Steg. Er besaß auch alle Kartenwerke, „wie man sie in Venedig herstellte". Eine Rußlandkarte brachte ihm Herberstein von seiner großen Reise mit. Von Grünpeck erfahren wir, daß der Kaiser Länder und Meere nach den Karten des Ptolemäus gründlich studierte. Stets pflegte er seine Pläne an Hand von Karten zu entwickeln, wie wir aus Gesandtschaftsberichten wissen.
Die Gruppe der „kalikutischen Leute", angeführt von einem Elefantenreiter, Symbol der Herrschaft über die Neue Welt. Die Reimtafel sollte den Vers tragen: „Der Kaiser auch mit Kriegesmacht zugleich hat untertänig gemacht uns die kalikutischen Leut ..." Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Triumph.
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Ebenso wichtig wie die Landkarten waren für den Kaiser Himmelskarten, womit er seine astronomische und astrologische Neugier befriedigte, denn für ihn war es sicher, daß „die Menschen ihre Natur vom Einfluß des Himmels und von der Wirkung der Sterne empfangen", wie er im Weißkunig schreibt. H o r o s k o p und astrologische Zeitwahl schienen dem Kaiser vor allen größeren Unternehmungen wichtig. Der spiritus adversus seines H o r o skopes verfolgte ihn durch das ganze Leben. U m die Astronomie sammelte sich ein Wust von verschiedenen Geheimwissenschaften, wofür der Kaiser — wie alle Zeitgenossen — besonders anfällig war. Sein übermächtiger Drang nach Erkenntnis ließ sich nicht auf den engsten Gesichtskreis beschränken; er wollte darüber hinausgelangen und er brannte nach Berichten und Bildern aus der Neuen Welt und dem Land des Priesterkönigs Johannes. Auch Fragen der Medizin fesselten den Kaiser. Darüber hatte er von seinem Vater einiges gelernt, der eine ansehnliche medizinische Literatur besaß; noch mehr enthielt die burgundische Bibliothek. Maximilian ließ die Klosterbibliotheken nicht nur nach historischen, sondern auch nach naturwissenschaftlichen und medizinischen Werken durchstöbern. Aber sein natürliches Gefühl sträubte sich doch gegen die vorwiegend philologisch betriebene Schulmedizin: anstatt die Heilbehandlung bei Hippokrates oder Galen nachzuschlagen, zog er es vor, sich mit den Erfahrungen der Volksmedizin und mit eigenen Rezepten zu behelfen, die er auch in seinen Notizbüchern festhielt. N o c h im Testament verordnete er den Pfründnern seiner Spitäler einen Kräutertee aus Berberitzen, den er offenbar selbst ausprobiert hatte. Hierin hielt es der Kaiser mit dem Naturheiler Paracelsus. Zumal die italienische, aber auch die jüdische Heilkunde wußte er zu schätzen und befragte zuweilen auch einen jüdischen Arzt. Den geheimnisvollen Abt Johannes Trithemius, einen humanistischen Tausendkünstler, der sich mit Medizin ebenso befaßte wie mit Naturphilosophie, Astrologie und Magie, der dem Kaiser angeblich die Erscheinung seiner ersten Gemahlin herbeizauberte, der auch Geschichtsquellen erfand, wie er sie brauchte, hätte der Kaiser gerne an seinen H o f gezogen. Aber der Wundermönch lehnte ab. Auch der geheimnisvolle Agrippa von Nettesheim, Arzt, Historiker, Hebräist und Philosoph, den man öfter als Zauberer verdächtigte (Vorbild des D o k t o r Faust), soll zeitweilig im H o f - und Kriegsdienst des Kaisers gestanden sein, was bei dessen Vorliebe für solche Leute nicht überrascht. Von ähnlicher Eigenart war Gregor Reisch, Kathäuserprior in Freiburg, der seine Theologie mit den Naturwissenschaften verband und die verwilderten Spekulationen des Kaisers einigermaßen ordnete. Maximilian bestellte den Mönch in besonderer Verehrung als Beichtvater an sein Sterbebett. Eine wissenschaftliche und politische Streitfrage zugleich brachten die „Dunkelmännerbriefe" ans Licht der Öffentlichkeit und zwangen den Kaiser, in einer schwierigen Frage zu entscheiden. Der getaufte J u d e Pfefferkorn hatte vorgeschlagen, alle hebräischen Bücher zu vernichten, weil sie die Christen verhöhnten und die Bekehrung der Juden verhinderten. Der Kaiser erbat nicht nur Gutachten der deutschen Universitäten, sondern auch des be-
K u n s t f r e u n d und Künstler
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rühmten Judaisten Johannes Reuchlin, der — im Gegensatz zu den meisten Universitäten — die Erhaltung der wissenschaftlich wertvollen jüdischen Bücher empfahl. Auch eine gelehrte H o f k o m m i s s i o n wurde mit dieser schwierigen Frage befaßt; da sie zunächst zögerte, versuchte der Kaiser, den Streit zu unterdrücken, die Parteileidenschaften einzuschläfern und die Bücher zu erhalten, die ihm schon wegen ihres Gegenstandes und ihres Alters ehrwürdig erschienen. Durch die nicht unfreundliche Haltung des Kaisers ermutigt, erfanden einige humanistische Witzbolde die „Dunkelmännerbriefe", angebliche Zuschriften von Anhängern Pfefferkorns, welche gegen die Verteidiger der Judenbücher wetterten, sich aber durch ihre naive Dummheit als geistige Nullen charakterisieren sollten; alles in einem schlechten Latein, welches das allgemeine Gelächter der Humanisten über die mönchischen „Dunkelmänner" auslöste. Wohl unter dem Einfluß Langs ermutigte der Kaiser die Humanisten, für Reuchlin einzutreten; ja, er empfing den Gelehrten persönlich, unterstützte dessen Sache vor den geistlichen Gerichten und konnte damit dessen Verurteilung jahrelang verhindern; erst nach Maximilians T o d fiel das Schlußurteil gegen Reuchlin, das aber durch die Reformation bedeutungslos wurde. D e r wissenschaftliche, literarische und publizistische Dienst des Kaisers, — man könnte ihn H o f a k a d e m i e nennen —, der mit den Universitäten und Sodalitäten eng zusammenarbeitete, beherrschte nicht nur die öffentliche Meinung, sondern war einflußreich genug, den Betrieb der Wissenschaften und Künste im ganzen Reich wirksam zu fördern. Der H o f stand mit allen geistigen Zentren des Humanismus, mit den Elsässern, den Straßburgern und Heidelbergern, die in der Sodalitas Rhenana zusammengeschlossen waren, ebenso mit der Augsburger Sodalitas Augustana, mit den Nürnbergern, aber auch mit den Erfurter Humanisten und mit den Sachsen in enger wissenschaftlicher Verbindung. D e r hervorragende Augsburger, Straßburger und Wiener Buchdruck waren imstande, die literarischen und künstlerischen Aufträge des Kaisers auf die beste Weise zu besorgen. Maximilian ließ sich Druck und Absatz von Büchern, Editionen, Kunstdruckwerken, Landkarten etc. angelegen sein und förderte sie durch besondere Schutzprivilegien, wohl auch durch Geldpreise, wovon die vielen Widmungen Zeugnis geben. Die Wortführer des süddeutschen Humanismus waren der Nürnberger Willibald Pirckheimer, der dem Kaiser manchen tüchtigen Künstler vermittelte, und vor allen anderen K o n r a d Peutinger, das H a u p t des Augsburger Kreises. D e r Kaiser z o g ihn immer wieder zu Beratungen in historischen, genealogischen, theologischen, kirchenrechtlichen, aber auch wirtschaftlichen Fragen heran und übertrug ihm sogar die Aufsicht über sein Grabmal. Im Mittelpunkt aller geistigen, literarischen und künstlerischen Bestrebungen stand für Maximilian die Pflege seines „Gedächtnisses" und die Prop a g a n d a für das Kaisertum, das Reich und sein H a u s . „Wer ihme im Leben kein Gedächtnis macht, der hat nach seinem T o d kein Gedächtnis", schreibt er im Weißkunig. Seine überreiche Phantasie warf die Pläne hin, welche die
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Künstler auszuführen hatten. Die literarischen Sekretäre gaben den kaiserlichen Diktaten die letzte Form. Waren es auch nicht literarische Werke höchsten Ranges, so beweisen sie doch die höhere Sprachform, die in der kaiserlichen Kanzlei aufkam und bekanntlich zur Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache nicht unwesentlich beitrug. Hervorragende Maler, Zeichner und Holzschneider schufen die dazugehörigen Bilder. Die Themen waren groß und schön genug, daß die besten Künstler der Zeit daran den Meister zeigen konnten. Man denke nur an die herrlichen Holzschnitte des Theuerdank, Weißkunig, der Ehrenpforte und des Triumph, woran die großen Holzschneider Burgkmair, Springinklee, Beck, Negker, Schäuffelin u. a. mitwirkten; man betrachte die zahlreichen Miniaturen, welche die Grabmalentwürfe vorbereiteten, die Gebetbücher, woran Dürer, Altdorfer, Cranach u. a. ihre Kunst bewiesen. Gerade die Gebetbücher stellen große Kunst dar, die in Wort und Bild Wesen und Frömmigkeistsstil des Kaisers wiedergeben. Daß es daneben auch kleinere Aufträge gab, lag im Wesen des höfischen Kunstbetriebes. Auch Kleinigkeiten wurden künstlerisch gestaltet: so mußte der nicht unbedeutende Kölderer manchmal auch Festdekorationen herstellen, manchmal sogar Möbel streichen. Was mit dem Kaiser in Berührung kam, wurde zum Kunstwerk: zum Beispiel die ganz gewöhnlichen Inventare des Innsbrucker Arsenals, die Zeugbücher, oder die Jagd- und Fischereibücher, die im Grunde nichts anderes sein sollten, als Handbücher der Regalienverwaltung. Ganz besondere menschliche und künstlerische Aussagekraft haben die autobiographischen Werke des Kaisers, welche als die eigentlichen Herolde seiner Größe gedacht waren. Sie sollten sich keineswegs in äußerlichen Tatsachenberichten erschöpfen, sondern in ausgesuchter Symbolik, in Bildern und Allegorien reden und in die Welt der kaiserlichen Ideen einführen. Nach langen Versuchen einer lateinischen Vita, wovon verschiedene bessere und schlechtere Entwürfe vorhanden sind, die ihm nicht recht gelingen wollten, verfaßte der Kaiser mit der Trilogie von Freydal, Theuerdank und Weißkunig eine deutsche Geschichte seines Lebens nach der Art der Bilderchroniken, wie er sie in Burgund gesehen hatte. Er fühlte — gottlob — seine Unfähigkeit, sich mit Latein künstlerisch auszudrücken. Maximilian selber verkleidete sich als Freydal, Theuerdank und Weißkunig und möchte seinem Leben einen höheren Sinn geben: als Vorbild aller Könige und Fürsten, als Turnierheld, als großer Waidmann, als „der härteste Kriegsmann". In der Kunstform des deutschen Epos, im Reich seit den Tagen des Nibelungendichters und Wolframs von Eschenbach heimisch und der rittermäßigen Gesellschaft noch immer vertraut, konnte sich des Kaisers allzeit schwärmerisch erregter und nach Gestaltung drängender Geist frei entfalten. Freilich gaben die alten Saiten der abgespielten Harfe nicht mehr den vollen Klang. Freydal setzte dem mittelalterlichen Frauendienst, dem Turnier und den höfischen Festen zu Ehren einer Dame ein letztes Denkmal. In anschaulichen
Maximilian, im vollen Kaiseromat, beschäftigt Künstler, Maler, Holzschneider, Geschichtsschreiber, Dichter und Gelehrte mit seinem „Gedächtnis", mit den Taten seiner Vorfahren und seinem eigenen Leben. Holzschnitt von H. Springinklee aus dem Weißkunig.
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Turnierbildern sieht man die Lanzen zersplittern, die Tartschen durch die Luft fliegen, die Kämpfer aus den Sätteln stürzen. Bilder von Fußkämpfen sollen die Ritter daran gewöhnen, nach Art der Landsknechte auch zu Fuß zu fechten. Ebenso sind die Mummereien, die höfischen Maskenbälle, die den Turnieren zu folgen pflegten, in Wort und Bild festgehalten. Maximilian wollte als Freydal ein Muster aller höfischen Tugenden sein und allen K ö nigen und Fürsten ein Handbuch des höfischen Lebens bieten. Der Theuerdank, ein Versepos, das den Freydal fortsetzt, bedeutet den Ritter, der nach Höherem strebt, den Chevalier du grand, penser, den Magnanimus, den hochgemuten Helden. Theuerdank ist ein hohes Lied auf die ritterliche Ehre: „Alles in der Welt zergeht, ausgenommen die Ehre bleibt stet." Der Kaiser lieferte die Entwürfe und die Idee; die Verse machten die literarischen Sekretäre, vor allem Sigmund von Dietrichstein; die Schlußredaktion besorgte Melchior Pfintzing. Hervorragende Zeichner und Holzschneider fertigten die Druckplatten. Schönsperger in Nürnberg stellte 1517 den Erstdruck dieses „schönsten Buches des 16. Jahrhunderts" her. Theuerdank ist die verkleidete Geschichte der Brautwerbung Maximilians um Maria von Burgund, eine Folge von wunderlichen Abenteuern, vor allem von Jagdabenteuern, von siegreichen Kämpfen gegen die Ungunst der Sterne, gegen die widerwärtigen Unholde Fürwittig, Unfallo und Neidelhard und gegen die Verführungskünste des Teufels, den der Kaiser mit den Worten Christi zurückweist: „Weiche Satan . . .". Zum guten Schluß erringt Theuerdank die Königin Ehrenreich, welche ihm die Pflicht zum Kreuzzug auferlegt. Das Werk strahlt hohes sittliches Pathos aus: nur der wahrhaft gute Mensch kann mit der Gnade Gottes alle Gefahren überwinden und ans höchste Ziel gelangen. Göttliche Gnade und Erwählung kehren als Grundüberzeugung in vielen Werken des Kaisers wieder. Ein geistiger Tiefgang ist gerade in diesem Werk nicht zu übersehen. Aus den Versen und Bildern spricht das innerste Wesen einer sittlich hochstehenden Persönlichkeit. Der Theuerdank bedeutete für den Kaiser eine Art Lebensplan. Der Weißkunig, ein verschlüsselter Prosaroman, enthält die Lebensgeschichte Maximilians, vor allem dessen Jugend, die burgundischen Kriege und die weiteren Kriegs- und Friedenstaten des Kaisers, welche dem, der die Verschlüsselungen zu lösen vermag, viel Tatsächliches offenbaren. Der Weißkunig ist nicht nur der „weise", sondern auch der „weiße" König mit der strahlend weißen Rüstung, wogegen die anderen als schwarze, graue, jedenfalls dunkle Gesellschaften erscheinen; manche auch in hellerer Farbensymbolik als blauer, grüner oder roter König. Auch der Weißkunig versucht, Fürstenlehre und Ritterethik zu vermitteln. Das Werk blieb unvollendet, wurde erst seit dem späten 18. Jahrhundert allmählich bekannter und erregte wegen seines historischen Gehaltes und seiner herrlichen Holzschnitte wachsendes Interesse. Ganz persönlicher Art ist das Geheime Jagdbuch, ein Lehrbuch, das teilweise vom Kaiser selbst geschrieben wurde, in dem er als „König von Osterreich" oder als „großmächtiger Waidmann" seinen Enkeln Jagderfahrungen
Turnier: Links Maximilian, erkennbar an den Eselsobren, die er zum Scherz als Helmzier trug. Lanzen und Tartscben fliegen durch die Luft. Maximilian erneuerte nach burgundischem Vorbild das Turnier und erfand neue Ritterspiele. Kolorierter Holzschnitt aus dem Freydal.
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und -erlebnisse anvertraut, ihnen für dieses gefährliche Vergnügen kluge Verhaltensregeln erteilt und auch sein Jägerlatein zum bestem gibt. Auch Notizbücher des Kaisers sind überliefert — man nennt sie Gedenkbücher —, worin er alle möglichen Einfalle eintrug. Aus der Fülle der Notizen treten seine vielseitigen Interessen besonders deutlich hervor. Die Aufzeichnungen beschäftigen sich mit Regierung und Verwaltung, Finanzen, Kriegssachen, Gebäuden, Hauswirtschaft, Küche und Keller, Garten, Jagd und Fischerei, Chroniken, Münz- und Antikenfunden; von besonderem Interesse sind die Bücherpläne des Kaisers: 38 Buchtitel werden aufgezählt, die allerdings nur teilweise ausgeführt wurden. Die Notizen enthalten auch Kunstaufträge, etwa für die Fresken auf Schloß Runkelstein und für die Grabmalarbeiten. Daneben finden sich allgemeine Merksätze, Kochrezepte etc. Um die Eintragungen nicht zu vergessen, pflegte sie der Kaiser an gewissen Tagen des Jahres nachzulesen. Die Notizbücher erweisen den Kaiser auch als Praktiker des täglichen Lebens. Er verstand sich auf alle möglichen Handgriffe, schrieb sich manche Erfindungen im Waffenwesen zu, etwa Verbesserungen bei der Härtung des Eisens, das Preßverfahren für die Massenherstellung von Krebsen, Verbesserungen im Geschützguß u. a. Nicht ungern entspannte er sich durch Handarbeit. In der Innsbrucker Burg richtete er eine Dachstube ein, wo er sich in Mußestunden an der Drechselbank beschäftigte. Wer keinerlei Handfertigkeit besitzt, vermag meist auch den Federstiel nicht zu führen, geschweige denn, das Leben zu meistern. Maximilians besondere Vorliebe galt der Stammchronik seines Hauses, welche Sunthaym, Manlius und Stabius in sechs Bänden zusammenfaßten, nachdem sie auf weiten Reisen Archive und Bibliotheken ganz Europas nach Quellen durchsucht hatten. Sie führten den habsburgischen Stammbaum über die Merowinger auf die alten Römer und Trojaner, schließlich auf die Ägypter und weiter bis auf Adam zurück, wobei sich die genealogischen Konstruktionen im Laufe der Zeit mehrfach änderten. „Deutschnationale" Humanisten nahmen nicht selten Anstoß an den nichtdeutschen Verwandtschaften des Kaisers. Uber die Heiligen aus der habsburgischen Sipp- und Magschaft wurde das Geschlecht auch an die Heiligen des Himmels angeschlossen. Der „Stamm" war für den Kaiser — ebenso wie der Stammbaum Jesu Christi im Matthäus-Evangelium — der Anfang alles Wissenswerten und aller Geschichte. Maximilian machte sich zum leiblichen Verwandten des Hl. Josef und der allerseligsten Jungfrau Maria und damit zum Verwandten Jesu Christi, was er nicht nur im berühmten Familienbild Strigels, sondern auch in Gesprächen öfter andeutete. Die Stammchronik war für Maximilian das „Historibuech" schlechthin, das ihn mit allen großen Königs- und Fürstengeschlechtern verband. Sein lustiger Rat Kunz von der Rosen soll ihn allerdings gewarnt haben, daß er sich mit solcher Art Ahnenforschung mit jedem Bettler und jeder Dirne verbrüdere. Für den Kaiser hatte alles seinen besonderen Sinn. Die ägyptische Abstammung verband ihn mit dem höchsten heidnischen Himmelsgott Osiris
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und dessen Sohn, dem Weltherrscher Horus. Die griechisch-römische Tradition deutete auf das Anrecht und die Pflicht, das Ost- und Weströmische Reich wieder zu vereinigen. So wollte Maximilian in Fleisch und Blut die gesamte Menschheitsfamilie vertreten. — Für das umfangreiche Werk waren bereits herrliche Holzschnittreihen vorgesehen; aber es sollte nicht fertig werden. Im Zuge dieser Sammelarbeiten wurden auch Archiv und Bibliothek neu geordnet, Bücher, Handschriften und Archivalien aus ihrer Zerstreuung in Innsbruck zusammengetragen und neu aufgestellt. Vieles wurde aus Klöstern der österreichischen Länder und des Reiches entlehnt, aber auch im Ausland, in Ofen und Konstantinopel, erworben, um der höfischen Repräsentation, der Regierungsarbeit und den gelehrten Stammbaumforschungen zu dienen. Nicht selten wurde die Rückgabe wertvoller Codices „vergessen", denn das Büchersammeln war eine Zeitkrankheit; nicht grundlos wurden die Bände da und dort mit eisernen Ketten angeschmiedet. Diese genealogischen Klitterungen, die auch einige brauchbare Materialien ans Licht brachten, hatten den Stoff für die großen künstlerischen Planungen zu liefern: vorzüglich für die Ehrenpforte mit ihrem Stammbaum, für den Triumph mit den zahlreichen Familiengruppen und für die Ahnenbilder des Grabmales. Damit waren die größten Meister seiner Zeit beschäftigt, unter anderem Dürer, der dem Kaiser besonders nahestand, seit den Neunzigerjahren bei allen großen künstlerischen Unternehmungen mitarbeitete und für das Grabmal die schönsten Statuen entwarf. Die Ehrenpforte sollte auf dem Papier einen antiken Triumphbogen nachahmen, weil das Geld für einen wirklichen Triumphbau fehlte. Manche Kunstkritiker nennen es ein Holzschnittmonstrum: die Fülle des Kleinen lasse das Große nicht hervortreten, und das Große erdrücke das Kleine. Aber die vielen Bilder und Verse aus der Lebensgeschichte des Kaisers — vieles aus der Meisterhand Dürers — entzücken nicht nur den Liebhaber des künstlerischen Teilwerkes, sondern auch den Historiker, der die vielen Bild- und Textaussagen besonders zu schätzen weiß. Die Ehrenpforte ist ein Bilderbogen von unschätzbarem historischen Zeugniswert, eine wahrhaftige „Gemäldepoesie", wie schon die Zeitgenossen fanden. Der Stammbaum über der Mittelpforte zeigt die Ahnen Maximilians und seine Vorgänger im Reich bis Julius Cäsar — ein Zeugnis für die kaiserliche Reichsidee. Die drei Türme sind gekrönt mit dem österreichischen Erzherzogshut, der Deutschen Königskrone und der Römischen Kaiserkrone — Ausdruck des Aufstieges Habsburgs zur höchsten Würde der Welt. Etwas vom Merkwürdigsten ist das sogenannte „Misterium" der Ehrenpforte, die Apotheose des Kaisers, der in einem Tabernakel thront, ein Wunder weit hergeholter, gelehrter Erfindungen. Die hervorragenden Eigenschaften des Kaisers, ja, seine Gottähnlichkeit, sollten mit altägyptischen Symbolen angedeutet werden, die Pirckheimer aus den Hieroglyphica des Horapollon zusammengestellt hatte. Symbol und Allegorie sollten die Person
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des Kaisers in das Reich des göttlichen Geheimnisses emporheben, das nur eingeweihten Kreisen sich offenbarte. Die natürliche Ergänzung der Ehrenpforte ist der Triumphzug, der sich durch die drei Tore der Ehrenpforte hindurchbewegen soll. Auch der Triumph ist in allen seinen Teilen vom Kaiser selbst erdacht; Bilder und Text sind voll ideengeschichtlicher Aussagen. Die Durchführung wurde den Sekretären, den Malern und Holzschneidern mit genauen Anweisungen übertragen. So entstanden zwei Serien nebeneinander: der gemalte MiniaturenTriumph aus der Hand Kölderers und Altdorfers, ein herrliches Kunstwerk, das durch laufende Diebstähle gelichtet wurde, so daß davon nur mehr 59 Blätter erhalten sind. Daneben gibt es den viel bekannteren HolzschnittTriumph aus der Hand Dürers und eines Stabes von Holzschneidern. Man weiß nicht, ob man die Farbenpracht der Miniaturen oder die Vielfalt und den Einfallsreichtum der Holzschnitte mehr bewundern soll. Der Triumph ist eine zum Festzug geordnete Bilderchronik der kaiserlichen Kriegs- und Friedenstaten — eine der wenigen Anleihen des Kaisers bei der humanistischen Mode der trionfi. Auf 75 Meter Länge bewegen sich die Gruppen des Hofstaates und seiner Begleitung, der Jäger, der Hofkapelle, der Narren und Masken fort. Die Bannerträger des Reiches, der österreichischen und burgundischen „Königreiche", die Fahnengruppen der „erkorenen Fürsten", die Trägergruppen mit den Darstellungen maximilianischer Kriege, die Festwagen mit der habsburgischen Familie und ihren Heiraten, die drei Kronen des Kaisers, die Landsknechteinheiten, die reitende Kriegsmusik, die Artillerie und die Ahnenbilder des Grabmales treten besonders hervor. Nicht zu übersehen sind die Wappen des „Reiches der tausendfünfhundert Inseln" in Ubersee, die Gruppe der Indianer und der „kalkuttischen Leute" mit einem Elefanten; zum Schluß die Wagenburg und der Troß. Ein Festzug voll Farbenpracht, Vielfalt, Phantasie und Bewegung, eine Bilderfolge von weltgeschichtlichen Hochzeiten und Kriegen, mit fliegenden Fahnen, marschierenden Truppen, voll Pathos, Festjubel und kriegerischem Marschrythmus. Die Phantasie des Kaisers offenbart sich in grenzenloser Fülle und die Künstler verliehen ihr glänzenden Ausdruck. Der Triumph, vor allem Dürers großer Festwagen, war auch als Symbol der Kaiseridee gedacht: Quod in coelis Sol, hoc in terra Caesar. Der Kaiser über allen Mächten dieser Welt, selbst über dem Papst, das ist der tiefere Sinn des Triumphes. Ein würdiges Gegenstück dazu — das eine ohne Kenntnis des anderen kaum denkbar — stellte der trionfo di Cristo von Tizian dar, der ungefähr gleichzeitig entstanden sein dürfte. Ganz einseitig und verfehlt wäre es, diese Auftrags arbeiten ausschließlich unter eng ästhetisierenden Gesichtspunkten zu beurteilen, wie dies der eine und andere Beckmesser getan hat, der die Themen als solche ablehnte, weil er ihren tieferen Sinn nicht verstand. Man wird nicht übersehen dürfen, daß diese Werke für eine große Sache werben wollten. Die Themen waren für ihre Zeit groß und schön genug, daß sich auch große Künstler ihrer mit Freude und in Ehren annahmen. Höchstwahrscheinlich gingen auch die An-
Kunstfreund und Künstler
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regungen zu Dürers großer und kleiner Passion und zum Marienleben vom Kaiser aus, der ein großer Verehrer des Leidens Christi und der Jungfrau Maria war. Was f ü r Michelangelo und Raffael die Freundschaft des Papstes, das bedeutete f ü r Dürer die Freundschaft des Kaisers, der den Meister immer wieder heranzog, dessen Werke mit besonderem Interesse begleitete und nach Vermögen bezahlte. Der Kaiser liebte ihn; „sie waren unter dem gleichen Stern geboren." Die besondere Vorliebe des Kaisers gehörte dem Holzschnitt, dessen lebhafte Bewegung, Kraft, Anschaulichkeit, Mannigfaltigkeit und zugleich strenge O r d n u n g seinem Wesen besonders entsprachen, führte er doch selbst gern den Zeichenstift. Übrigens war auch Dürer seinem innersten Wesen nach Zeichner, der gerade an den Holzschnittwerken des Kaisers größten Anteil nahm. Daneben schätzte der Kaiser ganz besonders seine Erzgießer, Harnischschläger und Waffenschmiede: auch Rüstungen und Kanonen sollten Kunstwerke sein. Besonderen Wert legte Maximilian auf sein Bild. Zahlreiche Holzschnitte brachten sein Bild unter das Volk. Jedes bessere Haus sollte sich wenigstens einen Holzschnitt des Kaisers in die Stube hängen können. So wünschte es die Kaiserpropaganda. Der eigentliche Hofporträtist war der Schwabe Bernhard Strigel aus Memmingen, der zwei offizielle Kaiserbildnisse malte: das eine mit Kaiserkrone, Zepter und Schwert, das andere mit Schaube, Barett und Vliesorden. Beide sind so o f t wiederholt worden, daß das Original kaum mehr festzustellen ist. Gelegentlich der Wiener Festtage von 1515 malte er ein Familienbild, das auf die Verwandtschaft des Kaisers mit Jesus Christus hinweist. All diese Bilder — obwohl etwas steif — lassen etwas vom Wesen des Kaisers ahnen. Eine Meisterleistung ist das Kohleporträt Dürers als Entwurf für ein Gemälde, das der Meister erst nach Maximilians T o d vollendete. Bei der allgemeinen Verehrung, die der Kaiser genoß, mußte er es sich wohl gefallen lassen, auch von manchem Stümper bedient zu werden: „Jeder, der eine große Nase zeichnen kann, wolle ihn auch schon malen", scherzte er. Eine kaum überschaubare Anzahl von Porträtgemälden und Einblattdrucken machten den Kaiser allgegenwärtig, woraus sich ein Brauch entwickelte, der bis heute fortlebt. Im Zug der umfassenden Abwertung, welche Maximilian durch eine vorwiegend politisierende Geschichtsschreibung widerfuhr, wurden von einzelnen Kritikern auch seine künstlerischen Leistungen in Frage gezogen. Die seltsamste Äußerung dieser Art behauptet, Maximilian sei „ein Mensch von beträchtlicher geistiger Trägheit gewesen". Daran mag man erkennen, was alles möglich ist. Tatsächlich war er selbst ein Künstler von Rang und hat als erster Kaiser Gelehrte und Künstler in großer Zahl beschäftigt. „Adelige könne er sich nach Belieben machen", sagte er einmal, „die Künstler aber hätten ihren Adel von Gott". Die Krönung des Gedächtnisses war gewiß das Grabmal mit seinen 28 überlebensgroßen Erzstandbildern der kaiserlichen Ahnen, ein Wunderwerk des Kunstgusses, das der Innsbrucker Werkstätte Weltruf eintrug. In Italien
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gab es herrliche Vorbilder des Erzgusses; es mochte reizen, sie nachzuahmen. Der Grabtempel für die geplante Kaisergruft in Speyer — eine originelle Idee Maximilians — ist leider auch dem ständigen Geldmangel zum Opfer gefallen; ebenso das Reiterdenkmal, das er sich selber nach einem Entwurf von Burgkmair in Augsburg errichten lassen wollte. In größeren Hochbauten konnte der Kaiser sein Gedächtnis nicht verewigen, weil ihm dafür stets die Mittel fehlten. Kein großer Baumeister findet sich in seiner Umgebung. Der neue Baustil Italiens, wo damals im nahen Mantua, in Venedig, Mailand und Rom Wunderwerke der Baukunst entstanden, hat die österreichischen Länder erst viel später erreicht, denn hier verschlang alles der Krieg. Das Geld flöß in die Festungsanlagen gegen Venezianer und Türken. Nur die Innsbrucker Burg konnte durch Umbauten etwas erweitert werden. Der Neue Hof wurde für Raitkammer und Regiment hergerichtet und als Sitz des Geldes mit einem „Goldenen Dach!" gekrönt, dessen söllerartiger Prunkerker mit seinen Reliefs und Gemälden heute noch den Besucher der Innsbrucker Altstadt entzückt. Gegen den Rennweg zu wurde die vordere Hofburg ausgebaut, welche gegen Osten der wuchtige „Kölderer-Turm" begrenzte, dessen Wände Kölderer mit Wappen bunt bemalte. Während italienische Kleinfürsten große Prunkschlösser errichteten, und die Päpste St. Peter bauten, reichte es bei Maximilian nur für die Erweiterung seiner Innsbrucker Burg, für einige Schlösser und Jagdhäuser. Große Geschichtsschreibung, eine zeitgenössische Geschichte des Kaisers und seiner Gründungen kam nicht zustande, obwohl er nichts mehr gewünscht hätte als dies. Maximilian fand keinen Commines, Guicciardini, Giovio oder Zurita. Aus seinen autobiographischen Werken und seiner Stammchronik sind seine politisch-militärischen Leistungen kaum zu erkennen; eher noch aus den Bilderbogen und Begleittexten der Ehrenpforte und des Triumphzuges. Seine Holzschnittmeister waren die besten „Historienmaler", deren Bilder das äußere Leben des Kaisers fast besser darstellen als seine Geschichtsschreiber. Peutinger, Maximilians wissenschaftliches und künstlerisches Orakel, arbeitete über Bitten des Kaisers mit wissenschaftlicher Umständlichkeit an einem „Kaiserbuch", das die Geschichte von Julius Caesar bis Maximilian in Wort und Bild enthalten sollte; er kam über Stoffsammlungen, die auch der Beratung des Grabmals dienten, nie hinaus. Celtis versprach eine Maximilianeis, aber nichts davon erschien. Bei Sebastian Brant bestellte der Kaiser eine Darstellung der Römerzüge, die ihn besonders interessiert hätten; sie kam nie zustande. — Jakob Wimpfeling verfaßte eine Deutsche Geschichte von Karl dem Großen bis Maximilian, den er mit höchsten Lobeserhebungen pries; das Werk diente der Propaganda, aber nicht der Wissenschaft. Mehr bietet uns Grünpecks Historia Friderici et Maximiliani. Er hatte den Kaiser schon beim Entwurf der lateinischen Vita unterstützt und konnte auf Grund dieser Vorarbeiten seine Historia schreiben — freilich in einem eher ledernen und unreinen Latein. Er bot das Lob eines Musterkaisers, das Maximilian selber übertrieben fand. Das Wesen der kaiserlichen Grün-
Maximilian bei den Musikern. Handhabung und Kantorstab scheinen den Dirigenten anzudeuten. Das Bild wirkt wie eine Probe der kaiserlichen Hofkapelle. „Der Kaiser war ein einzigartiger Musikliebhaber, der alle großen Meister der Tonkunst in jeder Musikgattung und auf allen Instrumenten förderte ... Wo gibt es in aller Welt einen Fürsten, der die Musiker so zu schätzen weiß und belohnt wie der Kaiser?" (Cuspinian). Holzschnitt von H. Burgkmair aus dem Weißburgund.
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düngen wurde freilich nicht erfaßt. Aber es ist doch eine der wertvollsten erzählenden Quellen zur kaiserlichen Lebensgeschichte, weil Grünpeck aus guter Kenntnis der Persönlichkeit und der Umwelt Maximilians berichten konnte. Als Astrologe hat er dem Kaiser vielleicht die Idee von der Ungunst der Sterne und der bewahrenden Gnade Gottes eingegeben, die das ganze autobiographische Werk durchzieht. Auch die Gottähnlichkeit des Kaisers und dessen Berufung zur Weltherrschaft findet sich bei Grünpeck in feinen Andeutungen. Das weitaus Beste leistete als Biograph Johannes Cuspinian, der als Humanist, Arzt und Diplomat auch das Talent zum Historiker besaß, wie seine Kaisergeschichte beweist. Er Schloß sein Werk mit einer eingehenden Lebensgeschichte Maximilians, welche für ihre Zeit hohen Ansprüchen genügte. Ihm war als erfahrenem Diplomaten und Baumeister der Wiener Verträge von 1515 eine gewisse weltgeschichtliche Schau zu eigen; als Humanist verstand er sich außerdem auf die lateinische Sprache. Aber auch Cuspinian wird übertroffen von den Berichten der venezianischen Gesandten, die den Kaiser begleiteten und scharf beobachtend, aber niemals ohne Hochachtung schilderten; sie wußten bereits, was äußere und innere Charakteristik einer Persönlichkeit erfordert. Biographie, diplomatische Berichte und Geschichtsschreibung hatten um diese Zeit im Reich noch wenig Tradition; aber Maximilian bereitete doch den Mutterboden, auf dem Geschichtswerke allmählich wachsen konnten. Der Kaiser erweckte ein starkes Geschichtsbewußtsein und ein deutsches Nationalgefühl, das zur bewegenden Kraft, ja zur Lebensmacht zu werden begann. Die Kunst war dem Kaiser so unentbehrlich wie das tägliche Brot, weil sie ihn über die Häßlichkeit und Feindseligkeit des täglichen Lebens hinwegtröstete. Wahrscheinlich hat ihm die Musik am meisten geholfen, welcher er im Weißkunig ein hohes Lied singt. Wenn ihm übermächtige Gefühle Herz und Phantasie bewegten, brachen sie unaufhaltsam hervor, selbst während mörderischer Kriege, politischer Rückschläge und schwerer finanzieller Krisen. Das Aufblühen der Künste und Wissenschaften ist mit dem Namen Maximilians untrennbar verbunden. Er gab dem ganzen geistigen und künstlerischen Leben seiner Zeit starke Impulse, die weit über den engeren Hofkreis hinauswirkten. Ohne den Kaiser würden selbst Dürer, Celtis oder Hutten ihre volle Entfaltung kaum gefunden haben. Es war nach dem Ausruf Huttens ein herrliches Frühlingserwachen: „O Jahrhundert, ο Künste; es ist eine Lust zu leben!"
Feldherr und
Feldzeugmeister
Über den Kriegsmann und Feldherrn Maximilian gab es bisher unterschiedliche, meist abschätzige Gemeinplätze, aber keine wissenschaftliche Darstellung. Der Kaiser ist ohne diese Seite seines Wesens nicht zu ver-
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stehen. „Was hat ein König Größeres als einen Harnisch?", fragt Maximilian im Weißkunig. Er wollte der „härteste Kriegsmann sein, der den Hirsch über hundert Meilen hetzt und erst in dem Land einfängt, das er bekriegen und verderben will; dort werden seine H u n d e und Falken W o h n u n g nehmen". Er sieht auch den Krieg in dichterischen Bildern, aber deswegen nicht minder real. Als Schöpfer des österreichischen Rüstungswesens, besonders der Artillerie, als Feldzeugmeister wurde der Kaiser stets gerühmt. In der T a t bildeten die Innsbrucker Zeughäuser mit ihren leistungsfähigen Waffenwerkstätten das größte Arsenal innerhalb des Reiches, wo Waffen aller Art in großen Massen hergestellt und gelagert wurden: Tausende von Krebsen, das waren Brustpanzer f ü r Landsknechte, Helme, Handbüchsen, Spieße, Schwerter, Armbrüste, Fahrzeuge aller Art, Zelte Belagerungsgerät, schwer bestückte und gepanzerte Kampfwagen, Schiffbrücken, schwere Geschütze und leichte Feldschlangen. Aber auch feinste Ware wurde erzeugt: Prunkharnische für den Kaiser persönlich und f ü r befreundete Könige und Fürsten, die heute noch als Kunstwerke höchsten Ranges gezeigt werden. Die kunstvoll und sachverständig angelegten Zeugbücher vermitteln eine Vorstellung von der Vielfalt der Waffen und Kriegsgeräte, die hier f ü r den Ernstfall einsatzbereit gehalten wurden. Fast unbekannt sind hingegen der beständige Kampf des Kaisers um eine Wehrverfassung des Reiches, die Einrichtung der österreichischen Landesverteidigung, der Aufbau der österreichischen Ordonnanztruppen, das Tiroler Landlibell (1511), die niederösterreichischen Defensionsordnungen von 1502 und 1518 und die Anfänge der Militärgrenze. Von der Planung und der D u r c h f ü h r u n g der kaiserlichen Feldzüge wußte man bisher so gut wie nichts. Auch in der Kriegführung und Rüstung hatte Maximilian das meiste schon in den Niederlanden gelernt und später auch in Italien Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt. Karl der Kühne hatte dem Prinzen auf dem Trierer T a g eine burgundische Kriegsordnung geschenkt, was er nie vergaß. Der burgundische „Militarismus" — ein System, das vorzüglich vom rittermäßigen Adel, getragen wurde — hatte ihn geprägt. Der jahrelange Zwang zu siegen, wenn er bestehen wollte, machte ihn zum Feldherrn. Während des burgundischen Erbfolgekrieges, den er stolz mit Caesars Gallischen Kriegen verglich, schuf sich Maximilian als Ersatz für die ausbleibenden Schweizer, vorzüglich aus deutschen Landeskindern seine „Landsknechte", denen er in den langen Kriegsjahren ihre besondere Ausbildung und feste Kriegsordnung gab. H o h e r Sold und prächtige Uniformen lockten selbst Bürgersöhne, während der guten Jahreszeit einträglichen Kriegsdienst zu nehmen. Der Kaiser rühmte sich auch, eine berittene Kriegsmusik, hauptsächlich Pfeifer, Posauner, Trompeter und Trommelschläger, „aufgebracht" zu haben, welche nicht nur die Feldzüge begleitete, sondern auch bei Paraden, Empfängen, Turnieren und Staatsakten aufzuspielen hatten. Er läßt sie in seinem Triumphzug mitmarschieren. Einige Historiker, haben — wie viele andere Leistungen des Kaisers —
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auch die Schaffung der Landsknechte mit ganz unzulänglichen Behauptungen in Zweifel gezogen. Die Einzelheiten sind in meinen Forschungsbänden nachzulesen. Ein besonderer Ruhmestitel, um den man sich streiten müßte, war die Aufstellung dieser Truppe wohl nicht, aber eine Notwendigkeit in jener Zeit weltgeschichtlicher Umwälzungen. Wer die Greueltaten und Plünderungen von Stuhlweißenburg (1491) oder von Brescia (1512), die Heimsuchungen Bayerns im Pfälzerkrieg oder Friauls während des Venezianerkrieges, die Verbrechen gegen Frauen und Kinder, gegen Kirchen und Klöster näher kennt, der ahnt, was es hieß, diese wilden Horden im Zaum zu halten. Der Kaiser schuf einen neuen Typ des Soldaten, der sich den berühmten Schweizer Reisläufern gewachsen zeigte. Maximilian hätte die Landsknechte gerne in die Wehrverfassung eingebaut und aus dem Reichsärar regelmäßig besoldet, was ihm aber die Reichstage stets versagten. Als „Vater der Landsknechte" marschierte er bei besonderen Gelegenheiten in Landsknechtstracht, mit Federhut, geschlitztem Wams und mit geschultertem Spieß an ihrer Spitze; er nannte sie seine „Söhne", obwohl sie ihm durch Zuchtlosigkeit, Beutegier, Meuterei und Fahnenflucht nicht selten schwere Sorgen bereiteten. Da zögerte er nicht, mit dem Spieß in der Hand in ihre Mitte zu treten, sie zurechtzuweisen, Meuterer vor versammelter Truppe niederzuhauen und Fahnenflüchtige an den Bäumen entlang der Heerstraße aufhängen zu lassen. Aber er liebte sie, gab es doch unter ihnen manchen Haudegen von legendärem Ruf, denen er in seinem Triumph — gleich befreundeten Reichsfürsten — ein Denkmal setzte. Er verstand sich auf ihre grobe Sprache und nahm sie wohl auch bei ihrem Stolz: „Bedenkt, daß ihr deutsche Landsknechte und nicht Schweizer seid!" Wenn sich Säuerlinge über Kleiderprunk, Fraß und Völlerei der Knechte beklagten — sie durften sich kleiden wie Edelleute — pflegte der Kaiser zu beschwichtigen, man solle ihnen die kleine Freude gönnen, die unsichere Frist ihres Lebens zu genießen. Die Knechte aber bewunderten ihren Kriegsherrn, denn er war bereit, wie bei Therouanne (1478), wo er vom Pferde stieg und zu Fuß kämpfte, oder beim kühnen Uberfall auf Dendermonde oder am Wenzenberg, wo er als Vorkämpfer verwundet wurde, sein persönliches Schicksal mit ihnen zu teilen. Nie wollte er besser leben als seine Knechte, berichtet die Zimmersche Chronik. Als sich in der Feldküche einmal nichts fand als ein Topf mit Linsen, beruhigte er den Truchseß: „Linsen sind auch ein gutes Essen". Umso bitterer war es für den Kaiser, als ihn „seine Söhne" nach dem Mailänder Feldzug im offenen Ring niederbrüllten, ja, am Leben bedrohten und er nicht mehr gesund genug war, sich ihrer zu erwehren. Maximilians besondere Vorliebe gehörte der Artillerie, die er zu großer Vollkommenheit entwickelte. Rasch lernte er, die bewegliche Feldartillerie kriegsgerecht einzusetzen. Seine schwere Artillerie, die Kugeln bis 500 Kilogramm verschoß, feierte in den Belagerungskriegen bei Utrecht (1483), bei der Erstürmung der Wiener Burg (1490), bei der Eroberung der Bergfestungen Ortenburg und Kufstein (1504) und der Stadt Arnheim (1505) wahre
Maximilian als Schöpfer der Artillerie inmitten seines Zeuglagers. Er rühmte sich zahlreicher Erfindungen im Geschütz- und Waffenwesen. Vorne rechts ein kleiner Mörser, rundum verschiedene Geschütztypen und beherrschend der Geschützflaschenzug. Zahlreich sind die Darstellungen der maximilianischen Feld- und Festungsartillerie in seinen verschiedenen Holzschnittwerken. Holzschnitt von A. Altdorfer aus der Ehrenpforte.
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Triumphe. V o r großen Städten wie Padua (1509) versagte sie freilich. Immerhin konnte die kaiserliche Artillerie von Mestre aus, über eine Entfernung von zehn Kilometern einige Salven nach Venedig feuern; es war freilich nur ein kurzer „Gruß", nicht mehr. Bei der Verteidigung von Verona leisteten die Langrohre für das gezielte Fernfeuer und die Hagelbüchsen gegen das angreifende feindliche Fußvolk gute Dienste. Der Kaiser kümmerte sich um alle Einzelheiten, vom Gießen über das Einschießen bis zum Kriegseinsatz, normte die Kaliber und die Kugeln und machte dabei manche Erfindung. Er ließ verschiedene Gattungen gießen: schwere Mauerbrecher für die Belagerung, Mörser für Brandbomben, Langrohrgeschütze für das Fernfeuer, kurze Rohre zum Schrot- und Hagelschießen und leichte Feldgeschütze, mit denen man die Schlacht eröffnete. Seinen Geschützen gab er lustige Namen: „Weckauf aus Osterreich, Purrhindurch, Schnurrhindurch, Puelerin". Geschütze persönlich einzurichten und zu zünden, mit den Stückmeistern um die Wette zu schießen, machte ihm besondere Freude. Mit größtem Vergnügen führte er fremde Gesandte in sein „Büchsenparadies" im Innsbrucker Zeughaus, um ihnen seine Mauerbrecher und Falkonetten — „schöne Damen", wie er sagte — vorzuführen. Mit ihrem eleganten Dekor konnten sie sich auch als Kunstwerke sehen lassen. Neu waren auch die sogenannten Ordonnanzen, eine Reitertruppe, die Maximilian nach französisch-burgundischem Vorbild aufstellte — geharnischte „Kürisser" auf gepanzerten Pferden, die für ein jährliches Dienstgeld oder Lehen Hof- und Kriegsdienste zu leisten hatten und den Kern des reisigen Aufgebotes bildeten. Während sich im Reich niemand um die neue Wehrverfassung kümmerte, welche die Augsburger Ordnung (1500) vorsah, wurde sie in allen österreichischen Ländern durch mehrere Verteidigungsordnungen eingeführt. Regelmäßige Waffenübungen sollten nicht nur Ordonnanzen und Landsknechte, sondern auch den bäuerlichen Landsturm einsatzbereit halten. In den Tiroler Bergwerken standen außerdem waffengeübte Bergknappen jederzeit zum Einsatz bereit, wenn der Kaiser sie brauchte, ohne daß der Bergbetrieb deswegen litt. Maximilian verstand es, Armeen zu führen. Planung schien ihm so wichtig wie die Führung, der Zeichenstift und die Karte so wichtig wie das Schwert. Er rühmte sich, im seinem Leben 27 Feldzüge angeführt zu haben. Schon der burgundische Erbfolgekrieg gab seinen Planungen Weite und Größe, hatte er doch gegen die französische Armee zu kämpfen, in der die Kriegserfahrungen des Hundertjährigen Krieges weiterlebten. Es galt Reiterkriege über weite Entfernungen, Belagerungskriege mit schwerer Artillerie gegen starke Festungen, Kaperkrieg gegen die Flotten der Seestädte und ihrer französischen Bundesgenossen, aber auch grausame Wüstungskriege gegen wehrloses Bauernland zu führen. Nach dem Tode des Vaters beschäftigten den König zunächst die Ungarn und die Türken. Damals entwickelte er den Venezianern einen einfallsreichen, großen Plan zur Vertreibung der Türken vom Balkan und zur Ver-
Feldherr und Feldzeugmeister
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nichtung der türkischen Flotte in ihren eigenen Häfen. Mit einer kleinen Truppe tüchtiger Reiter und mit Hilfe der venezianischen Flotte wollte er die Türken vom Balkan vertreiben. Aber die vorsichtige Signorie ging auf seine Vorschläge nicht ein und der Italienzug Karls VIII. setzte diesen Plänen ein Ende. Der zwanzigjährige Krieg gegen Frankreich um den Besitz Italiens wurde zur großen Feuerprobe. Hier mußte sich nach Maximilians Uberzeugung der Kampf um die Erneuerung des Kaisertums entscheiden. Schon im Land- und Seekrieg gegen Livorno, Florenz und Frankreich wagte der König das Äußerste. Der sogenannte „große Plan" gegen Frankreich (1496) setzte sich, zusammen mit der Heiligen Liga, nichts Geringeres zum Ziel als die Eroberung von Paris; in haßerfüllter Übertreibung plante Maximilian die Vernichtung des Königs von Frankreich. Damals glaubte er noch, zumindest Teile Frankreichs — Arelat — gleichsam als drittes Glied des Reiches sich einverleiben zu können. Nicht minder groß geplant war auch die Krönungsfahrt nach Rom (1506) zu Land und zur See, wobei König Philipp den Vater mit der spanischen Flotte unterstützen sollte. 1509 entwarf der Kaiser einen maßlosen Angriffsplan aller verbündeten Landheere und Flotten gegen Venedig, der die Eroberung der Stadt und die Aufteilung ihres Festlandsgebietes zum Ziele hatte. Aber keiner der Ligapartner wollte Venedig ganz vernichten. In noch größeren Ausmaßen war der Kreuzzug gedacht, wobei Heeresgruppen aller christlichen Nationen mitwirken sollten. Der Kaiser faßte Konstantinopel, Ägypten und Jerusalem ins Auge. Mit 300 Schiffen, 80.000 Knechten und 10.000 Reitern aller christlichen Völker wollte man gegen die Türken ziehen. Der Höhenflug kaiserlicher Kriegspläne verlor freilich nicht selten den festen Boden unter den Füßen. Aber es lagen diesen „Phantasien" gemeinsame Kriegspläne aller Mächte zugrunde. Getrennter Aufmarsch, umfassende Zangenbewegung, Vereinigung und Entscheidung, kennzeichnen alle kaiserlichen Feldzüge. Das war auch für den großen Kreuzzug von 1518 geplant, der den ganzen Balkan, den Mittelmeerraum und alle christlichen Mächte einbezog und auf drei Jahre berechnet war. Drei christliche Heeresgruppen sollten die Türken auf dem Balkan und im Mittelmeer umfassen, vernichten, das Heilige Land befreien, sich in Konstantinopel vereinigen und das Oströmische Reich wiederherstellen. Der Kaiser wollte zusammen mit den Spaniern den rechten Umfassungsflügel anführen — ein riesiger Plan, an dem allerdings auch die Strategen des Papstes und der anderen christlichen Mächte mitgewirkt hatten. D a keine Macht der anderen traute, geschah nichts. Auch bei kleineren Unternehmungen bewies der Kaiser stets überlegte Planung, Schnelligkeit, Überraschung und List. Meist suchte er die schnellste Lösung, die Entscheidungsschlacht, faßte alle Kräfte im entscheidenden Punkt zusammen, um so Minderzahl in Mehrzahl zu verwandeln — die größte aller Feldherrenkünste — und für die Entscheidung alle Waffengattungen gleichzeitig einzusetzen, den vorbereitenden Feuerschlag der Artil-
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lerie, den Sturmlauf der Landsknechte wie den Reiterschock der Ordonnanzen. Schon in den burgundischen Kriegen setzte der Kaiser stets auf das Zusammenspiel aller Waffengattungen: leichte Feldartillerie leitete die Gefechte ein, schwere Panzerreiter zersprengten die Reihen der Gegner, das Fußvolk drang in die Breschen ein oder rückte — wie bei Therouanne (1478) — durch die Wagenburg in den Flanken gedeckt, als stacheliger Lanzenigel gegen die Feinde vor und leistete die Restarbeit, während der Kaiser nicht selten in der ersten Linie die Knechte zum letzten Einsatz anfeuerte. Maximilian wußte, daß mit Spieß und Hellebarde allein, ohne Artillerie und Reiter, keine Schlacht mehr zu gewinnen war. Die Schweizer erlebten es bei Marignano (1515). Der Kaiser führte seine Kriege anders als seine Zeitgenossen und verstand es, die überlieferte strategische Schablone, den plumpen Zusammenprall der Haufen, in taktische Manöver umzuwandeln. Maximilian galt nach dem Urteil vieler Zeitgenossen als einer der größten Feldherren unter den bedeutenden Kriegsmeistern seines Jahrhunderts. Sein Ruf hatte neben den Franzosen Chaumont, „dem großen Kriegsmeister", und Gaston de Foix, „dem Blitz Italiens", neben den Venezianern, dem feurigen Alviano und dem bedächtigen Pitigliano, neben dem Gran Capitän der Spanier und neben den päpstlichen Feldherren Colonna und Pescara zu bestehen. Bayard, „der Ritter ohne Furcht und Tadel", auch einer der großen französischen Heerführer im Venezianerkrieg, rühmte ihn als großen Feldherren. Der König von England nannte ihn bei seinem Feldzug in Flandern (1513) seinen „Lehrmeister im Kriegswesen". Den unglücklichen Ausgang mancher Feldzüge entschied der ständige Mangel an Geld. Wollte der Kaiser aber auf das nötige Geld warten — etwa auf die Reichshilfe, die fast immer ausblieb — so hätte er überhaupt keinen Krieg führen dürfen — auch keinen, der ihm aufgezwungen wurde. Weil man allgemein wußte, daß Maximilian als Kaiser über die Kriegsmacht des Reiches tatsächlich nicht verfügen konnte, hielt man ihn für einen unverläßlichen Bundesgenossen, was seinem Ansehen schadete. Machiavelli meinte mit Recht, wenn es in Deutschland jetzt (nach dem Pfälzer Krieg) auch keinen Fürsten gebe, der sich dem Kaiser offen zu widersetzen wage, so sei es für Maximilian doch Hindernis genug, daß ihn die Fürsten bei der Durchführung seiner Pläne nicht unterstützten. Darin lagen die Mißerfolge des Kaisers im Krieg begründet. Dazu kam seine leidenschaftliche Ungeduld, die mitunter zu übereilten, zu wenig abgesicherten, allzu kühnen Unternehmungen führte. Maximilian liebte nach den Worten seiner Tochter das Hasardspiel und schlug vor allem die Warnungen seiner Finanzleute in den Wind. „Ich bin kein König des Geldes", pflegte er sie abzufertigen, „sondern ein streitbarer König". Er wollte der Held Theuerdank sein, ein neuer Alexander oder Barbarossa; „der größte Kaiser nach Karl dem Großen", wie der König von Frankreich spöttelte. Mit den rationalen Maßstäben unserer Zeit ist er weder zu messen noch zu verstehen. Wenn das nötige Geld vorhanden war, und die Koalitionen hielten, auf
Aufmarschierende Landsknechtgruppe. Maximilian hatte die Landsknechte während des burgundischen Erbfolgekrieges nach dem Vorbild der Schweizer nicht nur aufgestellt und ausgebildet, sondern durch seine Holzschnittwerke auch zum ersten Mal ins Bild gebracht. Die Tragtafeln und Spruchbänder sollten Art und Leistung der Truppe und die Namen der berühmtesten Knechte festhalten; sie blieben unausgeführt. Holzschnitt von L. Beck aus dem Triumph.
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die der Kaiser mangels eigener Kräfte stets angewiesen war, so führten seine Planungen nicht selten zu großen Erfolgen, wie in den niederländischen Kriegen oder bei der Rückeroberung Wiens (1490) oder im Pfälzer Krieg (1504/05). Im Ungarnfeldzug 1506 genügte der wohlgeplante Aufmarsch einer kleinen Armee an der Grenze, um die feindliche Magnatenpartei zum Einlenken zu zwingen und die großen Verträge von 1515 vorzubereiten. Die vielen Feldzüge auf weit entfernten Kriegsschauplätzen forderten den Einsatz von selbständigen Kriegshauptleuten, obwohl der Kaiser die Kriegführung nie ganz aus der Hand gab und sich auch keinen, den Ständen verantwortlichen Reichshauptmann gefallen lassen wollte. In Burgund dienten ihm Reichsfürsten wie Albrecht der Beherzte von Sachsen, wohl der fähigste unter den älteren Feldherren, und Rudolf von Anhalt, der tüchtigste unter den jüngeren; beide dürften den König bei der Aufstellung der Landsknechte maßgebend unterstützt haben. Weniger bewährte sich Erich von Braunschweig, der vor der Zeit seinen Abschied nehmen mußte, weil er seiner Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen war. Auch der tolle Ulrich von Württemberg, Markgraf Kasimir von Brandenburg und andere jüngere Fürstensöhne standen öfter in kaiserlichem Kriegsdienst. Kurfürst Friedrich von Sachsen, der klügste Kopf, war — ähnlich Herzog Albrecht von Bayern — als Kriegsmann unbrauchbar. Auch an seinen Heerführern hielt der Kaiser beharrlich und zuverlässig fest. Da gab es keine Entlassungen aus Eifersucht, Neid oder Mißtrauen; er bewunderte große Hauptleute vom Zuschnitt eines Gran Capitän, den er nach Kräften unterstützte, bis ihn König Ferdinand aus Eifersucht abberief. Sich selber hielt Maximilian voll Selbstgefühl für den größten Kriegsmann und sprach dies unbefangen aus. Erst sein letzter Mailänder Feldzug (1516) hat seinen Ruf als Feldherr stark verdunkelt, denn der letzte Eindruck blieb. Daß ihm sein Enkel Karl daraufhin die Abgabe des Oberbefehles empfahl, muß ihn schwer getroffen haben. Wie der Kaiser in der Verwaltung von den Reichsfürsten zu den Beamten überwechseln mußte, so suchte er auch seine Hauptleute später immer mehr unter den Freiherren und Rittern als unter den Fürsten, die ihm wohl nicht mehr verläßlich genug schienen. Einer der tüchtigsten und treuesten war Reinprecht von Reichenburg, der seit den Burgunderkriegen bis 1505 alle Feldzüge des Kaisers mitmachte und sein Vermögen buchstäblich für ihn opferte. Neben ihm dienten Friedrich Kapeller, Niklas Salm, der Verteidiger von Wien (1529), Melchior von Maßmünster, der unglückliche Sixt Trautson u. v. a. Jörg von Frundsberg, dessen Sieg bei Vicenza (1513) den Kaiser überglücklich stimmte, war der bekannteste unter ihnen und der Mann der Zukunft. Maximilians Kriegsschule brachte zahlreiche tüchtige Reiter- und Landsknechtführer hervor, die erst später unter Karl und Ferdinand als Feldherren ihre große Zeit erlebten. Der Venezianer Zaccaria Contarini urteilte, der Kaiser habe den Frieden geliebt, aber geglaubt, daß er nur durch den Krieg erhalten werden könne. Maximilian hat mehr als nötig mit dem Krieg gespielt. Am Ende seiner Tage
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bedauerte er, durch allzuviele Kriege „nur dem Teufel gedient zu haben". In später Erkenntnis ließ er auf eine Serie von Raitpfennigen den Merksatz prägen: „Krieg verzehrt Leut, Ehr und Gut." Als der Krieg um Italien aussichtslos wurde, hätte er sich „für den Frieden Hände und Füße abschneiden lassen". Es war zu spät. Der Krieg war ihm aus dem Griff geraten und nicht mehr nach Belieben zu beenden. Nicht die Kriegspolitik des Kaisers störte den Frieden. Es war die Weltlage, welche die Mächte nicht zur Ruhe kommen ließ. Maximilian war von Anfang an — zunächst in Burgund, dann in Italien — vorzüglich auf Verteidigung, Erhaltung und Wiederherstellung eingestellt. Öfter beteuerte er, er habe niemals im Leben etwas gefordert, worauf er nicht einen Rechtsanspruch hatte. Daher hielt er alle seine Kriege für gerecht. Freilich gingen seine Pläne zur Zerstörung Frankreichs und Venedigs — Ausgeburten eines in langen Kriegen ständig wachsenden Hasses — über die Erhaltung des Reiches zweiffellos weit hinaus. Der kritische Augsburger Bürger Lukas Rem tadelte den Kaiser, daß er durch seine vielen Kriege an die 500.000 Menschenleben auf dem Gewissen habe; die Schweizer nannten ihn geradezu einen „Leutefresser". Der eigentliche Kriegsgrund waren die neuen Spannungen und Bewegungen des modernen Staatensystems, die lange Zeit keinen Ausgleich und keine Ruhe fanden. Zu viele Machtfragen standen offen. Vor allem das Vakuum Italien forderte die Mächte heraus, sich auf dieser reichen und schönen Halbinsel seßhaft zu machen; sogar die kleine Eidgenossenschaft griff nach der Lombardei. Der Kaiser war der einzige, der auf Grund überlieferter Reichsrechte Italien für sich fordern konnte; aber das Reich versagte ihm jede wirksame Hilfe, weswegen den kaiserlichen Unternehmungen Durchschlagskraft und Ausdauer fehlten. Die Machtenthaltung des Reiches, das seine siebenhundertjährige Aufgabe zum Schutz Reichsitaliens einfach aufgab, war indes kein Anlaß zum Frieden; es hat im Gegenteil durch seine Nachgiebigkeit die Ubergriffe der Nachbarn, Frankreich und Venedig, erst recht herausgefordert. Italien kam erst zur Ruhe, als es — anstatt vom Reich — vom übermächtigen Spanien durch zweihundert Jahre beherrscht wurde.
Finanzpolitik.
Kriegswirtschaft
„Ich bin kein König des Geldes, sondern ein streitbarer König . . . die streitbare Regierung und das künftige Gedächtnis ist mehr als das Geld", prahlte Maximilian in erhabener Unbekümmertheit um die nötige Selbstbeschränkung. Einsichtiger gab er sich in seinem köstlichen Reiterlatein: Est enim una res miserabilis nostra paupertas (Unsere Armut ist eine miese Sache). Woher das Geld kam, war ihm gleichgültig: „Die Erzherzoge von Österreich hätten durch Freigebigkeit mehr gewonnen als durch Sparen," pflegte er zu sagen. Seine Finanzpolitik ist mit Recht immer wieder getadelt worden — aller-
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dings ohne daß die Kritiker die Einzelheiten, ohne die es kein Verständnis des Ganzen gibt, näher untersucht hätten. D a die Serien der Finanz- und Kammerraitbücher nur sehr lückenhaft überliefert sind, bedurfte es jahrelanger Forschungen, um aus den vorhandenen Urkunden und Akten eine wenigstens teilweise Ubersicht zu gewinnen. Bei diesem trümmerhaften Bestand ist man auch auf die Schätzungen der venezianischen Gesandten angewiesen. Bei aller Vorsicht gegenüber Berichten aus zweiter oder dritter H a n d darf man den venezianischen Geschäftsleuten gerade in diesen Dingen ein einigermaßen treffendes Urteil zutrauen. Einzelheiten sind in meinen Forschungsbänden nachzulesen. Gewiß war der ständige Geldmangel die größte Schwäche und das eigentliche Verhängnis des Kaisers. In einem witzigen Lehrgedicht, „dem Gespräch der Vögel", das der Kaiser liebte, rät ihm der Eichelhäher, er solle nicht durch Geltungssucht und Wohltätigkeit sein Geld verschleudern, sondern sich daran ein Beispiel nehmen, wie die geistlichen Herrn haushalten. Aber daran lag es nicht. Hauptursache war das Mißverhältnis zwischen der Leistungskraft seiner Erbländer und den Anforderungen einer Großmachtpolitik, die nur mit der regelmäßigen Steuerhilfe eines großen Reiches möglich gewesen wäre. Diese Hilfe wurde ihm aber von den Reichsständen meist verweigert, die während des gleichzeitigen Verfassungskampfes kein Interesse haben konnten, seine M a c h t zu stärken. Mitunter hatten sie wohlbegründete Ursache, den allzu hochfliegenden Plänen des Kaisers zu mißtrauen; freilich entzogen sie sich auch den naheliegenden Reichsverpflichtungen. Dadurch ergab sich ein ständiger Geldmangel ungewöhnlichen Ausmaßes. „Die Blätter der Pappeln ganz Italiens in Gold verwandelt, hätten für den Kaiser nicht ausgereicht", urteilte Machiavelli. „Maximilian sei ein Schlund, den niemand füllen könne", so fertigte Papst Julius II. einen kaiserlichen Darlehensbettler ab. Schon der Vater nannte ihn ein „Streugütlein". Freilich hatte Maximilian am väterlichen H o f keine Ordnung im Staatshaushalt kennengelernt; auch dort waren neben ständiger Armut das Schuldenmachen, der Münzverruf und das Schuldigbleiben tägliche Übung. Es gab in der T a t die peinlichsten Geldverlegenheiten, die dem Kaiser vor den Zeitgenossen und vor der Welt einen zweifelhaften R u f eintrugen. Die wiederholten „Verpfändungen" seiner Gemahlin und ihres Hofstaates waren allbekannt; ebenso der häufige Mangel des Allernötigsten auf der eigenen Hoftafel. Anmarschierende Truppen wurden in den Städten aufgehalten, weil das Geld für Sold und Quartier nicht eintraf. Kaiserliche Gesandte mußten unterwegs ihre Pferde und ihren Schmuck verkaufen, weil die „Lieferung" ausblieb. D a ß man häufig die Löhne schuldig bleiben mußte, daß man selbst die Beamten zu Darlehen heranzog, daß der kaiserliche T r o ß 1518 in Innsbruck wegen alter Schulden nicht in die Gasthäuser aufgenommen wurde, dies alles weiß man; weniger bekannt ist, daß er die größten Wertstücke des burgundischen Schatzes, u. a. die riche fleur de lys, ein kostbares Reliquiar in Lilienform, versetzen mußte und nie zurücklösen konnte,
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und daß russische Gesandte Versatzstücke aus kaiserlichem Besitz in Venedig aufkauften. Die Nürnberger Handwerker fielen dem Pferd des ausreitenden Kaisers in die Zügel, als er — ohne bezahlt zu haben — ihre Stadt verlassen wollte. Maximilian hätte wirklich eines Mephistopheles bedurft, um das jeweils nötige Geld herbeizuschaffen. Hans Sachs erzählt, wie der Kaiser sich von Goldmachern betrügen ließ. Goethes Faust machte ihn, vom Teufel beraten, als Schöpfer des Papiergeldes zum Vater der Inflationen. Um das nötige Geld aufzubringen, ließ man kein Mittel unversucht. In der Wiener Burg grub man sogar nach den Schätzen des Matthias Corvinus. Maximilian mußte fast alles Geld aus seinen Hausländern holen. Ebenso wie seinerzeit in den Niederlanden, begann er nun durch ein wohlorganisiertes Finanzsystem, aber auch durch eine neue Wirtschaftspolitik seine österreichischen Länder, die er durch Regierung, Verwaltung und Verteidigung bereits geeinigt hatte, auch als einheitliches Wirtschaftsgebiet einzurichten und auszubeuten. Er begründete die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik und verband sich erfolgreich mit den süddeutschen Banken und Handelsgesellschaften. Auch innerhalb des Reiches suchte er durch Handelsprivilegien für Städte und Fürsten günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, förderte die Interessen der Hanse beim Großfürsten von Moskau ebenso, wie die Interessen der süddeutschen Gesellschaften in Venedig. Die alles durchdringenden Reformen unterwarfen sich auch die Wirtschaft und griffen mit fallweise wenig glücklichen Verordnungen und in einem bisher unbekannten Ausmaß regulierend ein, wobei der kameralistische und fiskalische Charakter dieser Maßnahmen offensichtlich wird. Im Zweifelsfall hatten die Monopole der süddeutschen Unternehmer den Vorrang vor lokalen Bedürfnissen und Beschwerden. Der neuen Wirtschaftspolitik entsprechend, versuchte Maximilian in den österreichischen Ländern erstmals auch ein einheitliches Münzsystem und ließ in der Haller Münze, „der berühmtesten in aller Christenheit", zunächst den Rheinischen Goldgulden fortprägen. Alsbald nahm er wegen der reichen Silberschätze Tirols auch die Prägung eines Silberäquivalentes des Goldguldens in Form einer silbernen Großmünze wieder auf und schuf den sogenannten „Guldiner", den späteren Taler, der als handliche, schwere und zugleich schöne Münze den Siegeslauf im deutschen und ausländischen Geldverkehr antrat. Auch die Münze war Mittel für die Reichspropaganda; in Silber und Gold tat sie besondere Wirkung. Die Vorderseite zeigte das porträtgetreue Brustbild des Kaisers im Harnisch, mit Zepter, Krone und Schwert; die Umschrift rühmt ihn als Herrn von sieben Königreichen. Der Guldiner sollte den Kredit Maximilians heben und als stabile Münze das Vertrauen in die Wirtschaft fördern. Die Münzprägung brachte ihm große Gewinne ein. Gegen Ende der Regierung griff der Kaiser allerdings wieder zur Münzabwertung, damit man die Schulden mit schlechter Münze leichter zurückzahlen konnte. Der Versuch, das österreichische Wirtschaftsgebiet und die Münze zu vereinheitlichen, war ein wichtiger Schritt zum österreichischen Gesamtstaat und gewiß nicht das schwächste Einheitsband der immer
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noch recht verschiedenartigen österreichischen Länder. Eine einheitliche Münze für das ganze Reich, die viele Reichstage beschäftigte, ist nie gelungen. Den Kriegs- und Heeresbedarf zu decken, schien dem Kaiser die Hauptaufgabe der Finanzpolitik. Aber die Einnahmen reichten niemals, und die Kammer war meistens „ganz plos". Der ständige Geldbedarf gab auch der Verwaltungsreform den entscheidenden Anstoß, die Richtung und das Gepräge. Alles drehte sich vorzüglich um das fehlende Geld. Jede immer mögliche Methode wurde versucht, um die Einnahmen zu verbessern. Im Laufe der Jahre gelang es, sie tatsächlich um ein Mehrfaches zu steigern. Während der schweren Belastungen des Venezianerkrieges konnte der Kaiser aus seinen österreichischen Ländern und allen immer möglichen Quellen mit schwankenden Einnahmen zwischen 500.000 und einer Million Gulden rechnen. Davon brachten weitaus das meiste die Bergwerke, deren Abbau von Jahr zu Jahr gesteigert wurde, und der Verkauf des Silbers und Kupfers an die süddeutschen Gesellschaften. Der Krieg kam den Unternehmern gerade recht, weil er ihre Geschäfte mit Waffen und Verpflegung gewaltig steigerte. Große Einnahmen brachten auch die Zölle. Der Kaiser gab während des Venezianerkrieges sogar den deutsch-venezianischen Handelsverkehr frei, so daß die Kaufmannszüge ungeschoren die feindlichen Fronten passieren durften, was die Bundesgenossen nicht begriffen. Der Kaiser konnte einerseits die Einnahmen aus den Zöllen nicht entbehren und wollte anderseits den Handelsgesellschaften entgegenkommen. Seit 1493 setzten die planmäßigen Verpfändungen des Kammergutes ein, die fürs erste nicht wenig einbrachten, aber den Kaiser später ganz von den Anleihen aus den Bergwerken und den außerordentlichen Steuern abhängig machten. Sehr wichtig waren auch die Hilfsgelder, die der Kaiser den verbündeten Mächten, Mailand, Venedig, Spanien, England und dem Papst, mitunter sogar dem König von Frankreich abhandeln konnte. So bezog er vom Mailänder Herzog bis 1500 etwa eine Million Gulden — weit mehr als er vom Reich in 25 Jahren erhielt. Bedeutende Einnahmen brachten auch die außerordentlichen Steuern, die der Kaiser alljährlich seinen Untertanen abpreßte und laufend steigerte. Große Summen gewann Maximilian aus dem Judenregal in seinen Hausländern und im Reich, denn die Juden waren da wie dort hohen Sondersteuern unterworfen. Die Judenaustreibungen, wie sie gegen Ende des 15. Jahrhunderts häufiger wurden, suchte der Kaiser womöglich zu verhindern, weil er die Judensteuern brauchte. Wo sie sich nicht verhindern ließen, verstand er es — schäbig genug — daran doppelt zu verdienen, indem er sich die Austreibung von den Reichsstädten oder Landständen durch hohe Summen ablösen ließ, während die Juden für die Neuansiedlung wieder Schutzgelder zu bezahlen hatten. Als die niederösterreichischen Stände sie auch aus diesen Neuansiedlungen vertreiben wollten, erklärte ihnen der Kaiser allerdings, die Juden seien sein Kammergut; von ihnen habe er stets Darlehen erhalten, von den Münzer Hausge-
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nossen zu Wien jedoch niemals. Grünpeck behauptet, der Kaiser habe die Juden nicht leiden mögen; es gibt indes manches Zeugnis seines — freilich nicht uneigennützigen — Wohlwollens. Die Einnahmen aus dem Reich fielen dagegen kaum ins Gewicht. Reichssteuern wurden nur spärlich bewilligt und noch spärlicher abgeliefert. Die oft wiederholte, auf keinerlei Forschung beruhende Behauptung, der Kaiser habe seine große Politik und den Aufstieg Habsburgs aus den Mitteln des Reiches bestritten, ist daher ganz unzutreffend; ebenso gering war die Steuerhilfe der burgundischen Länder, deren Reichtümer Maximilian freilich schon im Erbfolgekrieg verbraucht hatte. Was aus dem Reich kam, waren — sehr hoch gerechnet — etwa 50.000 Gulden im Jahr. Auch Karl V. „bezog aus Deutschland so gut wie nichts", wie K. Brandl versichert. Daher war die Verlockung groß, auf die besser fließenden Kirchengelder überzugreifen, was nicht nur der Kaiser, sondern auch die Reichsstände nicht selten taten. Die geschlossene Wirtschaftskraft und Kriegsmacht seines Reiches — für den König von Frankreich eine Selbstverständlichkeit — stand dem Kaiser niemals zur Verfügung. Während der König von Frankreich nach dem Zeugnis des Commines aus seinem Königreich jährlich zwei Millionen an Steuern und anderen Abgaben einnahm, bezog Maximilian aus dem Reich alles in allem hochgerechnet etwa 50.000 Gulden; das war der vierzigste Teil. Weitaus das meiste Geld flöß in die große Politik und in den Krieg und, was auf das gleiche hinauslief, in die Schuldenrückzahlung und in den Zinsendienst. Der Kaiser und sein Hof lebten meist bescheiden. Es ist bewundernswert, was Maximilian trotz beständiger Geldnot an einzigartigen Kunstwerken schaffen ließ: das kostbarste darunter waren die herrlichen Bronzestatuen seines Grabmales. Aber selbst da hatte der Bronzeguß der Geschütze stets den Vorrang vor den Standbildern. Der Kaiser wurde durch den Krieg immer ärmer, die Handelsgesellschaften dagegen immer reicher. Jakob Fugger, der den Ausbruch des Venezianerkrieges eifrig gefördert hatte, verdiente daran ungeheure Summen und erwarb sich dafür die Reichstandschaft und die Grafenwürde; der Kaiser aber näherte sich dem Staatsbankrott. Daß sich auch die Beamten am Finanzchaos bereicherten, wurde immer wieder behauptet; aber dies fiel wohl nicht entscheidend ins Gewicht. Auf dem Höhepunkt des Venezianerkrieges — im Jahre 1516 — machten die Kriegsausgaben fast 70 Prozent des gesamten Staatshaushaltes aus. Andere Großmächte steckten keineswegs weniger in die Politik und in den Krieg, verfügten allerdings über weit größere Mittel als der Kaiser. Für die überforderten österreichischen Länder waren die Kriegsausgaben verheerend. Der Kaiser konnte zuletzt seine Truppen nicht mehr zahlen und mußte mitunter sogar seine Hauptleute auf halben Sold setzen. Ähnlich ging es bekanntlich den Beamten; sie mußten sich selbst — öfter auch auf unredliche Weise — bezahlt machen. Die Untertanen begannen, die Steuern zu verweigern und sich dem brutalen Eintreibungssystem zu widersetzen. Der Kaiser mußte allmählich einsehen, daß eine wirksame Reform der Finanzen ohne
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Mitwirkung der Stände nicht möglich war. Die Ratschläge des Innsbrucker Generallandtages (1518), die über eine Reform der Kammer und des Kammergutes die Entschuldung einleiten wollten, kamen indes nicht mehr zur Auswirkung. Aber trotz totaler finanzieller Erschöpfung wagte der „re pochi danari", wie die Venezianer Maximilian spöttisch nannten, mit Hilfe der Fugger den Entscheidungskampf um die Kaiserkrone, während Karl V. die ungleich größeren Mittel Spaniens sparsam und vorsichtig zurückhielt, so daß die Regierung Maximilians mit „ungeheuren Schulden" abschloß. Der T o d des Kaisers riß viele führende Beamte und Kriegsleute, vor allem mittlere und kleinere Gläubiger in diese finanzielle Katastrophe hinein, dergleichen es im Reich bisher nie gegeben hatte. Die durchschnittlichen Einnahmen von etwa zehn Haushaltsjahren waren vorweg verbraucht — als Preis für die Vorbereitung eines Weltreiches. Zweifellos lag im ständigen Geldmangel die größte Schwäche der maximilianischen Politik. Zu groß war das Mißverhältnis zwischen der Wirtschaftskraft seiner Länder und den Anforderungen einer Großmachtpolitik, wie sie Maximilian betrieb. Hier lag der Grund der beständigen schweren Finanzkrisen, die auch die tüchtigsten Generalschatzmeister nicht bewältigen konnten. Die Innbrucker Kammer wurde nicht müde, den Kaiser zu warnen; er aber hielt sich an den Grundsatz: Nur wer wagt, gewinnt. Wenn er sich am jeweiligen Stand der Kassen orientierte, hätte er keine seiner großen Unternehmungen wagen dürfen und am Rand der europäischen Geschichte „dahinwursteln" müssen. „Die Erzherzoge von Osterreich hätten mit Freigebigkeit mehr erreicht als andere mit Sparen"; damit beruhigte er sein Gewissen. Entscheidend war für den Kaiser, daß die süddeutschen Bankhäuser, insbesondere die Fugger, seiner Politik und seinen Pfändern vertrauten und ihm jene Darlehen zur Verfügung stellten, die er für seine große Politik und für die Wahl Karls V. brauchte, womit er den Fortbestand des habsburgischen Kaisertumes sicherstellte. Offenbar war Jakob Fugger von der Zukunft der kaiserlichen Politik überzeugt, sonst würde dieser nüchterne Rechner nicht so viel Geld hineingesteckt haben; offenbar hat er die realen Seiten der maximilianischen „Utopien" richtiger eingeschätzt als manche modernen Kritiker. Umgekehrt hat auch der Kaiser — ungeachtet vieler berechtigter Klagen seiner Stände — an seinen alten Geschäftsverträgen mit den Handelsgesellschaften, zumal mit den Fuggern, und an den zweifellos schädlichen Monopolen festgehalten. Er hörte nicht auf die hitzige Anti-Monopolbewegung und setzte viel mehr auf den jungen Kapitalismus, der ihm die nötigen Darlehen rasch und rund auf den Tisch legte; freilich unterschätzte er die weit verbreitete Unzufriedenheit der breiten Massen mit den Monopolen. Für ihn war es klar, daß der Aufstieg seines Hauses nur in enger Zusammenarbeit mit dem oberdeutschen Kapital möglich sei. Hätte er sich dem Willen seiner Stände und Räte gebeugt, so würde er das hohe Spiel um die Kaiserwahl von 1518/19 wohl verloren haben. Die Tochter nannte ihn einmal einen Hasardeur; zweifellos hatte Maximilian etwas von einem Glücksspieler.
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der Persönlichkeit
Es ist f ü r Menschen unserer Zeit schwierig, die Persönlichkeit dieses Kaisers einigermaßen zu begreifen. Er war ein Mann des Ubergangs, in dem sich Altes und Neues seltsam mischte, einer jener komplizierten Menschen, die jeder Formel trotzen; er hat Bleibendes, eigentlich Historisches geschaffen. Als Kaiser, Gründer eines Weltreiches und Feldherr war er ein „Held", was heutzutage unverständlich ist; zugleich ein Künstler, was Machthaber selten sind. Er starb schließlich wie ein mittelalterlicher „Heiliger". Er war einer, „der alles konnte", Dichter und Geschichtsschreiber, Handwerker und Erfinder, ein uomo universale, wie man sagte. Vielleicht war gerade diese bunte Mischung der rechte Stoff, aus dem große Neuerer und Gründer geschaffen sein sollen. Maximilian bot äußerlich bereits in jüngeren Jahren eine stattliche Erscheinung, obwohl er nicht gerade schön war. Cuspinian zeichnete ihn als einen Mann von wuchtigem Körperbau — statura quadrata — von vierschrötiger Statur, als einen Bären von Gestalt, der f ü r manchen Kraftakt gut war: „Meint ihr nicht, daß Gott auch einem Kaiser eine starke Faust gegeben habe", prahlte er manchmal. In seinen Mannesjahren trug er meist schwarze Kleidung mit langer Schaube, schwarzem Barett mit sparsamem, aber kostbarem Schmuck, was die Majestät seiner Erscheinung noch unterstrich. Die Jugendbilder zeigen ein eher grob geschnittenes Gesicht, das von langen, leicht gewellten, blonden Haaren umrahmt war. Er sah seinem Anherrn Rudolf auffallend ähnlich. Weil er durch die schmale Nase offenbar wenig Luft bekam, hielt er den M u n d fast immer leicht geöffnet — wohl die Hauptursache seiner ständigen Erkältungen. Im ganzen machte er mit seinem markanten Gesicht, mit den kräftigen Kinn- und Backenknochen, der scharfen Adlernase, dem schön geschwungenen M u n d mit der etwas hervortretenden, vollen Unterlippe, mit den kleinen verhängten, fallweise schalkhaft blitzenden Augen den Eindruck selbstbewußter Männlichkeit. Mitunter überzog flammende Zornesröte sein Gesicht. Meist lag gemessener Ernst über seinen Zügen — vollends auf Dürers bekanntem Altersporträt mit den tieftraurigen Augen, wenige Monate vor dem T o d ; aber er konnte auch scherzen und herzlich lachen, wodurch er seine Umgebung entzückte. Als besonderes Charakteristikum galt bedeutenden Zeitgenossen an Maximilian die „Melancholie". „Alle Männer, so sie in einer jeden Kunst fürtrefflich sind, die sind alle Melancholici gewesen", meinte Pirckheimer. Die Melancholie galt zwar als das schwierigste der vier Temperamente, konnte sich aber — je nach dem Anteil der schwarzen Galle — gut oder schlecht auswirken, Genie oder Wahnsinn hervorrufen. Sie hat — nach Agrippa von Nettesheim — unter den bewegenden Kräften des Geistes den ersten Platz. Melancholie galt als die Seelenlage großer Herrscher und Gelehrter. Maximilian sei unter dem Merkur eigentlich als Sanguiniker geboren, daher vor den schlechten Einwirkungen Saturns und der schwarzen Galle geschützt und stehe unter dem Planeten der hochsinnigen Könige und Philosophen, der
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Dichter und Propheten. Peutinger, der dem Kaiser sehr nahestand und tief in seine Seele schaute, erklärte auch die Zornesanfälle, die Geschwüre und die dumpfe Schwermut mit der saturnbedingten Melancholie des Kaisers. Dürers Meisterstich „Melencolia I" enthält gewiß etwas von der Selbstdarstellung des Meisters, könnte aber auch auf den Kaiser hin empfunden sein, mit dem ihn innerlich viel verband. Am Rande eines offenbar unfertigen Bauwerkes sitzt die Melancholie, zwar in tiefes Nachdenken versunken, aber mit ihren mächtigen Flügeln jederzeit bereit, sich in den Himmel zu erheben. Der Blick schweift über Land und Meer gegen den Sternenhimmel. Im Schoß liegen Buch und Zirkel, am Boden eine Kugel, ein Rhomboid und verstreutes Handwerkszeug, alles Symbole der Wissenschaften und Künste. Im Hintergrund wird offenbar Gold gekocht. Zu Füßen lagert nachdenklich der Hund, das weiseste aller Tiere. Ein Englein, auf dem Mühlstein des Lebens sitzend, schreibt auf, was der Genius der Melancholie sparsam äußert, während er Schlüsselbund und Börse (Symbole für Gut und Geld) achtlos fallen läßt. An der Wand hängen Waage, Sanduhr, Glocke und ein magisches Quadrat: für einen Gerechten ist die Zeit abgelaufen, seine Stunde schlägt, aber die Rechnung stimmt. — Das wäre ein neuer Erklärungsversuch neben vielen anderen. Wir werden uns unter dem humor melancholicus, den die Arzte beim Kaiser feststellten, eine Art manisch-depressiver Grundhaltung vorstellen müssen. In der Tat wechselten bei ihm Zustände heiterer Erregung, lärmende Lebenslust und Begeisterung mit tiefer Niedergeschlagenheit, mit Lebensüberdruß und Verzweiflung. „Leb, weiß nit wie lang, und stirb, weiß nit wann; muß fahren, weiß nit wohin, mich wundert, daß ich so fröhlich bin"; dieser Leibspruch des Kaisers verrät seine Grundstimmung. Die Umgebung fürchtete stets, daß Saturn in gefährlichen Konstellationen die Melancholie des Kaisers und die schwarze Galle übersteigern könnte. Darin wollte der Arzt Georg Tannstetter auch die Hauptursache des Todes Maximilians sehen. Letztlich schien dem Kaiser alles von den Sternen abzuhängen; aber mit der Gnade Gottes hoffte er, alle Widerwärtigkeiten zu meistern. Das Symbol der Gnade war das Glücksrad, das Theuerdank in seinem Wappen führte. Zu seinem Glück war diesem schwierigen Charakter ein guter Schuß Humor beigegeben. Der Kaiser sei zu Scherz und Ernst stets aufgelegt gewesen und der trefflichste unter allen hohen Herrn, welche ihm je begegneten, erzählte später Kurfürst Friedrich von Sachsen. Maximilian besaß ein „gewisses Etwas", das jedermann bezauberte: Liebenswürdigkeit, Geist und Witz. Auch dabei konnte er übertreiben und mitunter umwerfend „kindisch" sein: So erschien er einmal mit langen Eselsohren auf dem Turnierplatz und lachte: „Seine Gemahlin Maria habe sie ihm aufgesetzt." Das war die andere Seite des Melancholikers: der Schalksnarr seines eigenen gespaltenen Ich, sein unverwüstlicher Spieltrieb, der das Leben, wie immer es ihm begegnete, niemals ganz ernst nahm. Diese Gegensätze zeigen Stärken und Schwächen des Kaisers.
„Melencholia": Es könnte Psychogramm Maximilians nannten, wie er inmitten
sich — außer der inneren Selbstdarstellung des Meisters — auch um ein handeln, den bedeutende Zeitgenossen einen Melancholiker (= Genie) einer vielfältigen Umwelt in erhabener Ruhe höheren Fragen nachsinnt. Kupferstich von A. Dürer (1514).
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Er wußte, wie sehr er gerade durch seinen Witz zu wirken vermochte. Zahllos sind die Zeugnisse für des Kaisers treffende Scherze — auch gegen sich selbst — womit er seine angeborenen Verstimmungen überspielte. Im geheimen Jagdbuch findet sich manche Probe seines köstlichen Jägerlateins: unter einhundertvier Schüssen hätte er hundert Treffer gehabt; auf der Welser Heide hätten zwei Hasen einen Jagdhund in die Flucht getrieben; sein Gemsenjäger Lechtaler habe einmal in einer Wolfsgrube einen Bauer, ein Pferd, einen Wolf, einen Fuchs und eine Ente zugleich gefangen, erzählte er. Ständiger Gesellschafter Maximilians war Kunz von der Rosen, ein Wirtssohn aus Kaufbeuren, der ihm wegen seines Witzes, seiner Spitzbübereien und auch wegen seiner Tapferkeit und Treue besonders lieb war. Neben dem grundgescheiten Kunz gab es auch mehrere ordinäre Possenreißer und Mißgeburten wie den Meterschy, Dyweindl, Gylyme, den Gülchisch, Guggerylis u. a., die der Kaiser aus allen Teilen des Reiches „sammelte". Sie durften sogar im Triumph nicht fehlen. Zweiffellos gehörte Maximilian zu den originalsten Gestalten dieser an Kraftmenschen so reichen Zeit. Er wollte der Magnanimus, der Theuerdank sein, der stets Großes im Sinne hat. Olivier de la Marche nannte ihn coeur d'acier, ein Herz aus Stahl, womit er das „Heldenhafte" seines Wesens ausdrücken wollte. Maximilian verglich sich gern mit den großen Kaisern der Vergangenheit, mit Karl dem Großen, Otto dem Großen und den Staufern Friedrich I. und Friedrich II. Viel Licht und tiefe Schatten gaben diesem Charakter Relief. Er war im Guten wie im Schlechten eine überlebensgroße Ausnahme, ein gespannter Typ, der sich größten Schwierigkeiten nicht beugte, wie denn überreizte Willensmenschen gerne alles ihren Phantasien unterwerfen. Maximilian war bei allem Kirchenglauben ein „freier Geist", zugleich fromm und abergläubisch, mystisch und kritisch. Von seinem Gottesgnadentum tief durchdrungen, versuchte er, es auf mystische Weise in die Nähe der Gottähnlichkeit heranzuführen. Was ihn eigentlich ausfüllte, war die Idee des Weltreiches der alten römischen und deutschen Kaiser. Es ist begreiflich, daß diese vielgestaltige und trotz aller Widerwärtigkeiten und vieler Rückschläge doch erfolgreiche Persönlichkeit von den Gegnern viel gescholten wurde; aber wie alle witzigen Menschen wußte er kräftig zu erwidern. Die nachfolgenden Generationen haben den Kaiser, je länger, desto mehr bewundert. Geschichte und Sage entwarfen im Laufe der Jahrhunderte ein gewiß überbelichtetes Bild vom letzten Ritter, vom Vater der Landsknechte und vom Gründer der habsburgischen Großmacht, das erst die antiösterreichische Legende des 19. Jahrhunderts zu zerstören versuchte. Der Kaiser tat gewiß nicht immer das, was uns heute als rational erscheint; aber er wußte meist, was er wollte. Jeder Mensch muß in stetem Fortgang durch verschiedene Lebensalter hindurch: so war der jugendliche Maximilian ein ganz anderer als der alte Kaiser. Die früheste Entwicklung stand stark unter dem Einfluß des frommen Elternhauses und nicht immer glücklich ausgewählter Lehrer. Der
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Unterricht war ein ständiger Kleinkrieg zwischen dem störrischen, zur Maßlosigkeit neigenden Knaben und einem handfesten Schlägerich als Lehrer, der wohl mit Recht klagte, daß der trotzige Knabe, anstatt zu lernen, mit dem Mundwerk „die Welt erobern" wolle. Vielleicht waren gerade diese frühen Spannungen ein erster Ansporn zu besonderen Leistungen in ganz anderer Richtung. Vom Vater erbte Maximilian das hohe Autoritätsbewußtsein, Beharrlichkeit und zähe Ausdauer im Festhalten gesteckter Ziele und den mystischen Glauben an die Sendung seines Hauses; aber auch das Mißtrauen gegenüber Höflingen, Räten und Sekretären, das ihn später gegen Günstlingswirtschaft schützte. Vom Vater hatte er auch die Kunst, seine geheimen Gedanken zu verhüllen {dissimilare), oder das Vortäuschen von Plänen, die er gar nicht hegte (simulate) — jene Kunstgriffe, ohne die keine Herrschaft möglich ist; niemals ließ er sich in die Karten schauen und mißtraute allen Schmeichlern. Im allgemeinen war der Kaiser eine gerade Natur von rücksichtsloser Offenheit, die nicht selten in Derbheit ausartete. Freilich konnte er als Politiker auf diplomatische Winkelzüge nicht ganz verzichten, war aber in menschlichen Fragen von einer geradezu hemmungslosen Aufrichtigkeit, die bei einem Kaiser verblüfft. Die Unwahrheit benützte er nur als diplomatische Fachsprache; in allen anderen Dingen liebte er die Wahrheit. Weit mehr als das Vaterhaus prägten ihn die burgundischen Jahre. Hier wurde er zum Mann, zum Kriegsmann, Staatsmann und Künstler. Er fühlte sich von burgundischer Lebenshaltung, Staatsordnung, Kriegskunst und Hofkultur überwältigt; hier schien ihm alles unübertrefflich. Die Erfahrungen des Erbfolgekrieges, die Mühen des ständigen Feldlagers, das wiederholte Todeserlebnis, der Bürgerkrieg mit seinen Blutorgien, die nötigen großen Entschlüsse, ein guter Schuß Härte, Grausamkeit, ja Machtbesessenheit prägten sein Wesen. Als „gelernter" Burgunder kehrte er ins Reich zurück. Die großen Erfolge jener Jahre verführten den jungen Mann dazu, das Wagnis zu steigern und immer maßlosere Ziele ins Auge zu fassen. Er hat den Reichtum seiner burgundischen Länder seinen Kriegen bedenkenlos hingeopfert, die französischen Angriffe zwar abgewehrt und den Staat erhalten, aber völlig ausgeblutet hinterlassen, weil er in seinen Jugendjahren glaubte, alle Schwierigkeiten mit dem Schwert lösen zu können. Karl dem Kühnen, der ritterlichen Idealen nachjagte und „auf dem Felde der Ehre fiel", gehörte seine jugendliche Bewunderung. „Zuvor der Schlag, dann sprüht die Flamme", hieß die Devise des Goldenen Vlieses. Das antike Vlies Jasons und das christliche Vlies Gideons, Symbole für antikes und christliches Heldentum, empfand er als Sinnbild höchster Berufung. Der väterliche Autoritätsbegriff gewann in Burgund eine ganz neue Gestalt durch eine persönliche Gottähnlichkeit des Herrschers, die auch Maximilian in dunklen Bildern andeutete. Die Propaganda fand es später für richtig, den Kaiser mit den größten historischen Vorbildern zu messen, mit Alexander, Caesar und Karl dem Großen. Gern verglich er die Bürden und
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Sorgen seines Amtes mit den Leiden Christi oder mit dem ägyptischen H o r u s und Osiris oder mit Herkules, der die Welt von Unrat reinigte und sich selbst großherzig in die Flammen stürzte, um seine Mitmenschen zu retten. Unter dem Bild des Herkules Germanicus ließ sich der Kaiser als Erlöser Deutschlands verehren. Gottesgnadentum, Gotteskindschaft und Einheit mit Gott machten in seiner religiösen Vorstellung offenbar keinen wesentlichen Unterschied. Die Wiedergeburt des Menschen zur Gottähnlichkeit entsprach ebenso humanistischen Vorstellungen wie die „Vergottung" den Gedanken der deutschen Mystik. N a t u r und ständige Bewegung hielten ihn gesund. Von Krankheiten ist lange Zeit nichts zu hören. N u r auf dem Feldzug nach Holland (1481) warf ihn eine schwere Erkältung durch Wochen lebensgefährlich nieder; aber er konnte sich angeblich mit Hilfe der lieben Heiligen und mit einer selbstgebrauten Medizin selber helfen und stiftete d a f ü r der allerseligsten Jungfrau Maria die Kirche Frauenstein im Ennstal. Neben der Ehre gehörte auch die Dame immer noch zu den hohen Lebenswerten der ritterlichen Gesellschaft. Er plante sogar ein Büchlein über die Liebeskunst, ein „Puelerbuch", worunter er wohl die höfischen Regeln f ü r die Begegnung der Geschlechter verstand. Maria von Burgund, zwar „weniger schön als Bianca", scheint ihn stark an sich gefesselt zu haben; sie entsprach seinem Frauenbild, der „Dame" voll Geist und Kraft, die auch in schwierigen Lagen ihren Mann stellte. Wenig ehrenvoll war hingegen die Behandlung seiner zweiten Frau Bianca Maria, die zeitlebens ein „Kind" blieb; er ließ sie einsam sitzen. Zu einer Ehetrennung, die man ihm nahelegte, und die er bei der lockeren H a n d h a b u n g des fürstlichen Eherechtes unschwer erreicht hätte, fand er sich allerdings nicht bereit. Er hielt sich aber Freundinnen, die ihm Kinder schenkten, zu denen er sich bekannte. Es waren wohl Frauen von Stand, die niemals hervortreten durften und später Hofleuten verheiratet wurden. Es entsprach wohl nicht Maximilians Art, sich allerorten junge Mädchen zuführen zu lassen, wie es damals viele Fürsten taten; Kirchmair lobte ihn vielleicht etwas übertrieben, „daß er niemals eine Jungfrau ihrer Ehre entsetzt habe." In Burgund hatte Maximilian gelernt, Welt und Weltpolitik aus dem Stegreif seines Pferdes zu betrachten. Sein ganzes Denken ist beherrscht vom „Militarismus", der Weltschau der ritterlichen Gesellschaft Burgunds, und vom Primat der Ehre: denn „alles in der Welt vergeht, ausgenommen die Ehr bleibt stet". Seine „Ehre" war bereits leidenschaftliche Ruhmsucht bis hin zur Eitelkeit. Die reiche Phantasie stellte ihm Bilder künftiger Größe mit solcher Lebendigkeit vor Augen, daß er d a f ü r weder Mühen, Gefahren noch Kosten scheute und das Äußerste wagte. Nicht zuletzt der Ehre wegen hat er den Wohlstand seiner Länder hingeopfert. Gleich den alten „Helden" möchte er das Reich Caesars, Karls des Großen, der Ottonen und Staufer wiederherstellen. Darum verlangte er mit Ungestüm nach der Kaiserkrone, die allein aller Welt seinen Vorrang bewies. Die heroisch-naiven Alexander- und KarlRomane und die deutschen Heldenlieder bedeuten ihm anfeuernde Reali-
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täten. Die materielle Seite seiner Planungen ist ihm gleichgültig, denn er will „kein König des Geldes" sein. Ein leidenschaftliches Majestätsbewußtsein, ein leicht verletzbares Ehrgefühl, aber auch H a ß und Rache waren stets mächtige Antriebskräfte seiner Politik. „Ich nehme alle O p f e r auf mich, ich will d a f ü r aber auch die Ehre", pflegte er zu sagen. Von Burgund empfing Maximilian das Los der Universalherrschaft. Der Reichtum der Niederlande führte ihn auf die Bahn der großen europäischen Politik, welche ihm sein schmales österreichisches Erbe nie eröffnet hätte. Uber Burgund kam er zum Bündnis mit Spanien und England und zum Kampf gegen Frankreich um Italien, wo der römisch-christliche Kaisergedanke seine eigentliche Heimat hatte. Die spanischen Heiraten (1495/97) und die spanische Erbfolge (1516), um die er sich — großen Widerständen zum T r o t z — zeitlebens beharrlich und schließlich erfolgreich bemühte, begründeten den „Universaldominat" der Habsburger in Osterreich und Spanien. Die Kaiserkrone verlieh ihm den Rechtstitel f ü r den „Herrn der Welt"; Spanien stellte — allerdings erst dem Nachfolger — die nötige Macht bereit. Die ungarischen Heiraten (1515) legten den Grund zur Donaumonarchie. Die erfolgreiche Königswahl von 1518/19, die Maximilian mit höchstem Einsatz von Geld und Macht vorbereitete, welche die Kaiserkrone und den Rechtstitel auf das christliche Weltreich beim Hause festhielt, setzte den Schlußstein auf diese Politik — und dabei soll, nach dem Urteil mancher Historiker, keine „leitende Idee, kein großer Gesamtplan" am Werk gewesen sein? In dieser Idee der Wiederherstellung des Römisch-Deutschen Reiches trafen sich alle rationalen und irrationalen Übertriebenheiten seiner Pläne zu einer festen und letztlich erfolgreichen Einheit. Gewiß ließ es der jugendliche König zwischendurch an luftigen Unternehmungen nicht fehlen, gehörte doch das Abenteuer zum Wesen des mittelalterlichen Helden. Das tollkühnste war vielleicht die bretonische Heirat, die zu einer der größten Demütigungen seines Lebens führte und ihm das erste Mal die Grenzen zeigte, die auch einem König gesetzt waren, zumal wenn er nicht über allzu große Machtmittel verfügte. Er hatte sich „zwischen zwei Stühlen auf die Erde gesetzt", was ihm den Spott der ganzen Christenheit eintrug. Dem König fehlte es keineswegs an Selbstkritik; er kannte sich und seine Schwächen, wenn er etwa über seine Abenteuer scherzte: „Was sich der liebe Gott wohl gedacht habe, als er einen Gemsensteiger zum Kaiser machte?" Ö f t e r schalt er sich selber einen Narren, was ihm sein Registrator Wilhelm Putsch, der sich etwas erlauben durfte, einmal bestätigte; der Kaiser gab ihm lachend recht, denn er machte sich selbst gerne schlechter als er war. Er kannte seine Maßlosigkeit; vergeblich sagte er sich immer wieder vor: „Halt M a ß in allen Dingen." Auf die burgundischen Kriege folgten die großen Reformhandlungen in Osterreich und im Reich, eine Hauptaufgabe, die sein ganzes Leben dauerte. Was ihm bisher die Niederlande gewährten, das gab ihm nach der Heimkehr Tirol. D o r t begann er mit den erfolgreichen österreichischen Verwaltungsre-
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formen und wagte sich alsbald an die weit schwierigere Reichsreform heran. Ein langwieriger Verfassungskampf von ungewöhnlicher Härte und die gleichzeitigen Kriege in Italien überhäuften den Kaiser mit einer ungeheuren Last verschiedenartiger Tätigkeiten, die er mit staunenswerter Arbeitskraft bewältigte. Das Ergebnis war ein Staatseinrichtungswerk, das bis Maria Theresia Bestand hatte. In der Reichsreform war er weniger glücklich, aber keineswegs erfolglos. Es gab harte Auseinandersetzungen mit den Fürsten, zeitweilig einen Kampf auf Leben und Tod, der dem Kaiser wohl Jahre seines Lebens kostete. Jeder Tag forderte rasche und schwierige Entscheidungen. Gerade in den ersten Jahren hatte Maximilian den Ehrgeiz, alles an sich zu ziehen, alles zu prüfen, alles zu unterzeichnen. Bald mußte er einsehen, daß eine gewisse Entlastung nötig war. Alle großen Sachen stets selbst zu entscheiden, hielt der Kaiser aber als Grundsatz fest. Gerne hörte er sich seine Räte an, ließ aber kaum etwas von seinen eigenen Plänen verlauten und tat, was ihm richtig schien. Machiavelli berichtet — gewiß etwas übertrieben — der Kaiser habe seinen Räten schweigend zugehört, aber meist nichts von dem getan, was sie ihm sagten. Entscheidenden Einfluß gestattete er niemandem. Sicherlich hat er von Anfang bis ans Ende seine eigene Politik gemacht und mit unübertrefflicher Beharrlichkeit durchgehalten. Aber die täglichen Geschäfte machten aus dem Kaiser keinen Stubenhocker und Aktenkrämer. Wie alle tiefer veranlagten Menschen hatte er ein inniges Verhältnis zur Natur. Wenn er sich überarbeitet fühlte, flüchtete er sich auf die Jagd und „ließ die Vögel sorgen, wer die Schulden bezahlte", wie die Zimmersche Chronik scherzte. Er liebte die Tiere, auch sein Wild, das er angesichts allzureicher Strecken manchmal beklagte. Besonders liebte er seine Hunde, „die weisesten aller Tiere", deren Sprache er angeblich verstand. Man hatte zu sorgen, daß die Wohnräume des Kaisers stets mit Singvögeln reich bevölkert waren. Da gab es mitunter ein solches Gezwitscher, daß man das eigene Wort kaum verstand. Ein Lehrgedicht, „das Gespräch der Vögel", worin die gefiederten Freunde dem Kaiser allerlei Räte erteilen, gefiel ihm so gut, daß er es über seinem Bett anbringen ließ. Der Kaiser liebte das Hochgebirge und wagte sich sogar bis in die Gletscherwelt vor — ganz ungewöhnlich in jener Zeit. Auf dem Pitztaler Ferner hatte er das Gefühl, „auf dem höchsten Gebirge Europas zwischen Himmel und Erde zu stehen, ohne das Erdreich zu berühren". Nicht minder als das Hochgebirge liebte er das Meer: „Ein Tag auf hoher See sei ihm hundert Jahre wert". Der Lauf der Gestirne bedeutete ihm Wunder, Schicksal und Trost zugleich. Die Serie des äußeren Unheils begann mit dem unglücklichen Italienzug (1496), den vorzüglich der Reichstag von Lindau zu Fall brachte. Es folgten die Niederlagen im Schweizer Krieg und der Verlust Mailands (1499), Ereignisse, denen viele Fürsten mit Schadenfreude zusahen, durften sie darin doch den sichtbaren Erfolg ihres Widerstandes erkennen. Die Augsburger Reform (1500) und die völlige Entmachtung des Kaisers im Reich und in Europa
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waren die Folge der auswärtigen Niederlagen. Immer deutlicher erkannte Maximilian die Grenzen, die ihm gesetzt waren. Maximilian hat unter dem zeitweiligen Zusammenbruch seines inneren und äußeren Systems persönlich sehr gelitten. Manche Fürsten widerstanden ihm bereits dreist ins Angesicht und tadelten offen seine „Torheiten". Der gefährlichste Gegenspieler Maximilians im Innern war Erzkanzler Berthold von Mainz, von dem er zu wissen glaubte, daß er sich „neben und über den König zum Regierer des Reiches, zum neuen Kaiser aufwerfen wolle; . . . hinter seinen Machenschaften stehe der König von Frankreich . . . Berthold habe alles verdorben, die Reform, den Kreuzzug und die Kaiserkrönung verhindert." Den Erzkanzler hat der König recht eigentlich gehaßt und ihm den Tod gewünscht. Erst als er starb (1504), hatte Maximilian innenpolitisch gewonnen; er übertrug vorübergehend sogar das Erzkanzleramt von Mainz auf Köln, was ein einzigartiger Gewaltstreich war. Was ihm Berthold aufzulösen gegeben hatte, war nicht wenig. Er konnte es wagen, sich über den König öffentlich lustig zu machen und dessen Absetzung vorsichtig anzuregen. Der König fühlte sich von seinem spiritus adversus verfolgt, von Todfeiden umstellt, fürchtete den Verlust des Kaisertumes, den Untergang des Reiches und seines Hauses. Es war ihm „zum Erbrechen übel", wenn er an die Machenschaften während seines Italienzuges dachte. Tagelang zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und sprach vom Eintritt in ein Kloster; aber letzten Endes gab er doch nicht auf. Die Zeiten der schnellfertigen, jugendlichen Keckheiten waren allerdings vorbei. Der König besaß die Einsicht, aus seinen Fehlern zu lernen. Mit größerer Vorsicht prüfte er nun alle seine Pläne. Je länger er die Machtverhältnisse der Staaten abwog, desto klarer mußte er erkennen, daß sein Ziel im Alleingang nicht zu erreichen war; er hatte durch Diplomatie und Koalitionen zu ersetzen, was ihm an eigenen Kräften fehlte; er mußte eine andere Politik versuchen. Lange zögerte er, das alte Bündnissystem umzustürzen, und überlegte sich den Abschluß eines neuen Bündnisses mit dem alten „Erzfeind" Frankreich vier Jahre lang. Wenn dieser allzu rasch entschlossene Kaiser einen so schwierigen Schritt ausnahmsweise länger prüfte, ist es kaum gerecht, von unerträglicher Langsamkeit und Entscheidungsschwäche zu reden. Der Kaiser war bei aller Tollkühnheit doch ein kluger Kopf, der die Mittel — wenn auch nicht immer — klug zu wählen wußte. Meist verfolgte er seine Ziele „nicht ohne einige Züge des genialen Realpolitikers" (Schulte). Nicht mit Hilfe seiner allzuschwachen Kriegsmacht, wie er ursprünglich versucht hatte, sondern mit diplomatischen Waffen, Koalitionen, Heiratsverträgen und kluger Berechnung wollte er nun sein Ziel erreichen. Den Glauben an seine politische Sendung, seine innere Sicherheit hat er selbst in diesen Jahren tiefster Erniedrigung nicht verloren, wenn auch düstere Schwermut ihn öfter überfielen. Er wuchs an den Widerständen und fand — wie der Jäger — stets neue Wege zum Ziel. Nie gab er die Hoffnung auf, mit Hilfe der göttlichen Gnade den Unstern seines Lebens zu besiegen.
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In den mittleren Jahren meldeten sich bereits ernstere Krankheiten, Spuren einer krankhaften Überreizung. 1497 hört man das erste Mal von Anzeichen seiner geheimen Krankheit — Bläschen im Munde — die sich aber auf Fürbitte des heiligen Magnus, wie der Kaiser glaubte, wieder verloren haben sollen. Später scheinen Geschwüre am Körper aufgetreten zu sein, an denen, nach Peutinger, Saturn und die schwarze Galle schuld hatten. Eine Turnierverletzung am Bein aus dem Jahre 1498 wollte zeitlebens nicht mehr recht verheilen. Um die gleiche Zeit hört man aus Innsbruck, „wie die Majestät eines wilden Wesens sei". Was Hofbiographen wie Cuspinian oder Grünpeck nur zart andeuten, trat öfter peinlich an die Öffentlichkeit. Maximilian war nicht nur, wie man heute sagt, nervös; er ließ sich zu maßlosen Zornesausbrüchen hinreißen. Man weiß, wie er den Papst oder den König von Frankreich schmähen konnte. Die Umgebung bemühte sich, ihm alles Ärgerliche fernzuhalten, weil man seine Reizbarkeit kannte. Aber seinen Dienern gegenüber war er rasch zur Verzeihung und Versöhnung bereit; daher gab es in seiner Umgebung weder Servilität noch Angst. Im Zorn schlug seine Natürlichkeit nicht selten in hemmungslose Grobheit um — sogar in Gegenwart der Fürsten. E r polterte in halben Sätzen, dunkel und andeutungsweise, bald scheltend, bald prahlend, wie es eben seiner Seelenlage entsprach. Im Feldlager alt geworden, hatte er sich den üblichen Grobianismus zur schlechten Gewohnheit gemacht. Ein Trunkenbold des großen Wortes gebrauchte er den gemeinsten Landsknechtston: Der Papst sei ein Mensch, der Prügel verdient; die deutschen Bestien würden noch sehen, wohin sie kämen; die Fürsten möchte er „schnellen" (ohrfeigen); Berthold am liebsten — das folgende deutete er nur an. Er werde kämpfen, und wenn er den Teufel aus der Hölle holen müsse; er bekenne sich zu seinen Torheiten; er werde den Franzosen einen Backenstreich geben, dessen man in hundert Jahren noch gedenke; er werde ihnen auf die Gurgel steigen und ihnen die Flügel stutzen. Wenn er nur über sieben Knechte verfüge, werde er den Krieg gegen Frankreich führen. Mit ganzen zwölf Reitern traue er sich, die Türken zu schlagen. Wenn man ihm jetzt nicht helfe, wolle er vom Reich zu Tisch und Bett geschieden sein; er werde die Krone zu Boden treten und nach den Stücken greifen. Wenn er auf den Reichstagen sich zu großer Form erhob, konnte er die Stände zu Tränen rühren, berichten wiederholt unverdächtige Augenzeugen. Der Kaiser liebte das „Theater" und verstand es, als gewandter Redner und Schauspieler Phantasie und Begeisterung der Menschen anzuregen und auf seine Umgebung „auszustrahlen". Pathos und Pose standen ihm nicht schlecht, denn man spürte dahinter den ganzen Mann. Maximilian ergriff öfter persönlich das Wort, obwohl es damals üblich war, daß bei öffentlichen Anlässen einer der Räte für den Kaiser antwortete. Wenn er selber sprach, versprühte er nicht selten ein eindruckvolles Feuerwerk von Offenheit, Kühnheit und Schärfe, das besonders auf die Jugend den Eindruck nie verfehlte. Manchmal unterlag der Kaiser Anwandlungen barbarischer Grausam-
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keit wie beim Kufsteiner Blutgericht, das weithin Abscheu erregte, oder in den Niederlanden, als er die aufrührerischen Ständeführer, deren er habhaft wurde, unbarmherzig dem Henker übergab; sogar den Bürgermeister von Antwerpen ließ er enthaupten. Fahnenflüchtige Knechte befahl er, an den Bäumen entlang der Heerstraße aufzuhängen. Keinen Spaß kannte er bei Jagdfrevel: auf berüchtigte Wilderer setzte er hundert Gulden Kopfgeld und ließ sogar kleine Wilddiebe hinrichten, was den Unwillen der Landstände erregte. Im Zuge der Reichsreform ließ er nach römisch-rechtlichen Grundsätzen ein reichseinheitliches Strafgesetz vorbereiten, dessen Strenge berüchtigt wurde. Es ging nach dem alten Sprichwort, jeder Bösewicht gehört an den Galgen, denn keiner bessert sich. Damit die Verbrecher besser Platz hatten und zum abschreckenden Beispiel hängen bleiben konnten, gewährte der Kaiser größeren Gerichten einen vierseitigen gemauerten Galgen. Kam er an einer Richtstätte vorbei, pflegte er sie in grimmigem Humor mit salve justitia zu begrüßen; — Scherz und Ernst mit tieferer Bedeutung. Dann konnte er wieder gnädig sein: die auf dem Wenzenberg gefangenen böhmischen Söldner entließ er ungeschoren nach Hause; ebenso die ausgemergelten französischen Knechte, die aus Neapel zurückkehrten. Im vielschichtigen Gemüt des Kaisers lag schier Unvereinbares nebeneinander: finsterer Zorn und strahlende Güte. Im allgemeinen rühmte man Maximilians Sinn für Gerechtigkeit. Stets schärfte er seinen Amtleuten ein, keine Schiebungen oder Bestechungen zuzulassen, Armen und Reichen gleiches und gerechtes Urteil zu sprechen, Steuern, Zinse und Dienste nicht zu steigern. Er hatte ein warmfühlendes Herz für die Armen, zumal für die Pfründner seiner Spitäler. Das Almosen war ein fester Posten seiner Raitbücher. Daß er an großen Festen Silbermünzen unter das Volk werfen ließ, gehörte zur großen Geste, die er liebte. Anderseits zog er die Steuerschraube an, daß es wehe tat. Standesunterschiede schätzte er gering. Während in den deutschen Städten die Patrizier sich noch immer weigerten, in der Wirtsstube neben den Handwerkern Platz zu nehmen, pflegte der Kaiser zu sagen: „Ich bin ein Mann wie ein anderer Mann . . ." In den Jahren der Niederlage besann sich der Kaiser seines „Gedächtnisses", des Bildes seiner Person und seiner Taten, wie er es unter das Volk bringen wollte; seine Geschichte wollte er nicht seinen Feinden überlassen. Da ihm während dieser Jahre große Taten versagt blieben, flüchtete sich sein Tatendrang in die Kunst. Das Ubermaß an Phantasie entlud sich nun auf die Vorbereitung seiner großen autobiographischen, literarischen und graphischen Ehrenwerke zur Verherrlichung des Kaisertums, seiner Person, seines Hauses und seiner Politik. Wenigstens in der Kunst konnte er seinem allzeit schwärmerisch erregten und nach Gestaltung drängenden Geist völlig freien Lauf lassen; dort gab es keine Grenzen. Das Weiterleben, die Sehnsucht nach der Ewigkeit seines Werkes, „nach dem Tod ein Gedächtnis zu haben", wird sein großes Anliegen. Er glaubte fest an die „Gemeinschaft der Heiligen", die Tote und Lebende vereinigt,
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und wollte daher seine großen Ahnen um sein Grab versammeln. Dieser Auffassung entspringt die Idee seines eigenen Grabmales und die große Fürsorge, die er den Gräbern seiner Anverwandten zuwendete. Nach den Jahren der erzwungenen Ruhe drängte es den Kaiser zu neuen Unternehmungen. Als er sich auf den harten Zweikampf mit dem reichsfürstlichen Widerstand, auf den Pfälzer Krieg einließ und seine Gegner besiegen konnte, war er endlich über den Berg (1505). Innerhalb weniger Jahre war er aus tiefster Erniedrigung wieder unter die großen Mächte aufgestiegen, so daß ihm kein Reichsfürst mehr offen widerstand. Er war damals immer noch ein für sein Alter rüstiger Mann, von leidenschaftlichem Feuer, „einer der stärksten Männer der Welt", wie ein Venezianer urteilte. Er war zwar vorsichtiger geworden, aber immer noch bereit, die Schwierigkeiten im Sturm zu nehmen. In der Schlacht am Wenzenberg (1504) bewährte er sich nicht nur als kühner Haudegen, sondern auch als überlegener Feldherr. Vor Kufstein konnte man beobachten, daß er die „beste Artillerie" der Welt besaß und einzusetzen verstand. Das folgende Blutgericht erregte Entrüstung und Schrecken. Einer der schwersten Schläge war der T o d seines Sohnes Philipp, des Königs von Kastilien (1506). Der Kaiser verbarg seine Trauer durch Tage in der Waldeinsamkeit der Abtei St. Lambrecht in der Steiermark; er fürchtete das Ende seines Hauses: Frankreich werde das Kaisertum gewinnen, Deutschland und Italien erobern. „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen!" kritzelte er an den Rand eines Aktenstückes. Aber er war gewohnt, auf Leid und Schmerz mit neuer Kraft und gesteigerter Tätigkeit zu antworten. Allmählich meldeten sich auch die ersten Vorboten des Alters. Öfter litt der Kaiser an Fieber und Erkältungen. Gleichwohl ging er, grün im Gesicht — Anzeichen eines Gallen- und Leberleidens — auf die Jagd. Noch immer rannte er seine scharfen Turniere und war der unverwüstliche Draufgänger, dessen Zornesanfälle von der Umgebung gefürchtet wurden. Der Venezianer Quirini warnte seine Landsleute, den Kaiser zu reizen, denn er sei rachsüchtig: er lasse sich manches gefallen; fühle er sich einmal beleidigt, so sei es fast unmöglich, ihn wieder zu versöhnen. Er war wie sein Vater Friedrich, der nichts vergaß: „Ich schau ihn an und denk daran". Das traf zu, als die Signorie von Venedig Maximilians wiederholte Friedensangebote zurückwies und sich mit dem Papst und Frankreich Zusammenschloß, um seinen Krönungszug zu verhindern (1508). Der Kaiser drohte mit einem „Barbarensturm"; als „neuer Barbarossa wolle er nach Italien ziehen, selbst wenn er alles verkaufen und verpfänden müsse"; ja, er drohte mit den Türken. Er hoffte, in einem letzten Waffengang das große Ziel seines Lebens zu erzwingen, Reichsitalien zu gewinnen und mit der Kaiserkrönung den gesamtchristlichen Kreuzzug gegen die Türken einzuleiten. Unbeirrt verfolgte er diesen Leitgedanken seines Lebens. Seine überhitzte Phantasie trug ihn hoch hinauf in das Reich der Ideen, denen Erdenschwere nicht selten fehlte.
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Daher gab es manchmal verhängnisvolle Abstürze; aber er mochte aus seiner hohen Schau Entwicklungen ahnen, die dem gemeinen Hausverstand verborgen blieben. Dies entsprach jenem Schweben zwischen Ideal und Wirklichkeit, jener Eigenart burgundischer Weltschau, die man treffend als IdeoRealismus bezeichnet hat (Hömel). Phantasie und Vision stehen am Anfang vieler weltgeschichtlicher Gründungen; vieles beginnt als Utopie, was als Realität sich vollendet. Der wahrlich kühne Papst-Kaiserplan von 1511 wurde in Verkennung der realpolitischen Zusammenhänge etwas übertrieben als „Gipfelpunkt abenteuerlicher Verirrung, als ein an Wahnsinn streifender Gedanke des Don Quijote auf dem Kaiserthron" (Schulte) bezeichnet. Dieser Plan war gewalttätig und gefährlich, aber keineswegs aussichtslos. Er barg die Gefahr eines neuen großen Schismas in sich. Binnen weniger Jahrzehnte wurden die protestantischen Könige und Landesfürsten des Nordens wirklich „Päpste" in ihren Ländern. Nur die Rücksicht auf das befreundete Spanien, und sein gesamtchristliches Gewissen bewogen den Kaiser, diesen gefährlichen Anschlag aufzugeben. Ein Höhepunkt im Leben des Kaisers waren die Wiener Festtage von 1515, die er krankheitshalber bereits in der Sänfte mitmachen mußte. Die Freude war getrübt von der Ahnung seines nahen Endes: „Kind, bete für meine Gesundheit!", sagte der Kaiser zur Prinzessin Anna während der großen Zeremonie. Die Schlußkundgebung des Kongresses richtete sich gegen die Türken: „Die Brut Mohammeds solle ausgerottet und die Religion Jesu Christi über die ganze Welt, auch über die neuentdeckten Länder (in Amerika) ausgebreitet werden." Das war ein Hauptanliegen. Wenn man bedenkt, daß die Türken bereits 1529 vor Wien erschienen, wird man den Weitblick bewundern. Die nächsten Jahre waren erfüllt von der rastlosen Tätigkeit dessen, der sein Ende nahen fühlte. Der Verlauf des Krieges um Italien brachte schwerste Enttäuschungen, die nicht spurlos am Kaiser vorübergingen. Die jahrelange Kriegführung mit ganz unzureichenden Kräften, die ständigen Schwierigkeiten mit unverläßlichen Bundesgenossen und die aufregenden Kämpfe mit Landtagen und Reichstagen um die nötige Kriegshilfe — dies alles zehrte an der Lebenskraft des Kaisers. Die siegreiche Ausbruchsschlacht des Jörg von Frundsberg und seiner Landsknechte bei Vicenza (1513), von der man sich noch Jahrzehnte später Wunderdinge erzählte, war der letzte große Erfolg. Aber was dem Frundsberger gelungen war, gelang dem kranken Kaiser nicht mehr. Sein letzter Feldzug gegen Mailand (1516) war eine einzige Demütigung. Obwohl bereits schwer krank, führte Maximilian seine Armee in raschem Vorstoß bis unter die Mauern von Mailand, mußte aber — von allen Seiten, selbst von seinem Enkel im Stich gelassen — zum allgemeinen Spott den Rückzug antreten. Diese letzte Niederlage hat auch seinen Ruf als Feldherr vernichtet. Der Kaiser war auf einen Schlag ein Greis geworden. Er litt unter häufigen Anfällen seelischer Depressionen. Sein ungeliebter Enkel Karl
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empfahl ihm sogar die Abgabe des Oberbefehles und ließ bei H o f wissen, daß er der Thronfolger sei und um den Zustand des Großvaters Bescheid wisse. Auch andere Enttäuschungen blieben ihm nicht erspart. Sein KardinalMinister Lang wandte sich offensichtlich dem jungen Herrn zu. Bitter war auch die Erinnerung an seine Landsknechte beim letzten Feldzug. Zu spät mußte der Kaiser erkennen, daß er den aussichtslos gewordenen Krieg nicht mehr nach Belieben beenden konnte. Schuldgefühle drückten ihn. „Hände und Füße hätte er sich nun für einen ehrenvollen Frieden abschneiden lassen . . . Er habe zu viele Kriege geführt und damit dem Teufel gedient", bekannte er. Dann aber tröstete er sich wieder, „er habe nie etwas für sich gefordert, worauf er keinen Rechtsanspruch hatte. Es sei die Pflicht des Kaisers, für die Reichsrechte zu kämpfen". Der Kampf um Italien war zunächst nach schweren Opfern verloren. Aber auch Frankreich hatte nur Mailand behauptet und Venedig war durch diesen Krieg so erschöpft, daß es seine führende Stellung als Handels- und Kriegsmacht offensichtlich eingebüßt hatte. Der eigentliche Sieger war Karl (V.), der mit der vereinigten Macht der habsburgischen Länder und Spaniens vollenden würde, was Maximilian vorbereitet hatte; das mag ihn getröstet haben. Vom Schlagfluß gezeichnet, an einem Bein hinkend, mit fahlem Gesicht besuchte er den letzten Augsburger Reichstag. Aus dem berühmten Altersbild, das Dürer damals zeichnete und malte, schaut uns weitabgewandte Trauer, Entsagung und Totenblässe an. Gleichwohl betrieb der Kaiser mit gewohntem Eifer den Kreuzzug und die Wahlvorbereitungen für seinen Enkel Karl, den er erst allmählich an seine kaiserliche Aufgabe heranführen mußte. Der Wahlvertrag mit den Kurfürsten war der letzte große Erfolg dieses Meisters der Verhandlungskunst und zugleich der letzte Hoffnungsstrahl, zumal der Kaiser wußte, welche Schwierigkeiten der endgültigen Wahl noch entgegenstanden. Mit einer ergreifenden Rede nahm er Abschied von den Kurfürsten. Es wurde immer einsamer um den Kaiser. Er war krank und müde und konnte schon längst kein Pferd mehr besteigen und nicht mehr jagen. Die Venezianer höhnten, daß er in bigotter Altersfrömmelei in den Kirchen herumschleiche; er leide an offenen Geschwüren; auch große Ladungen „indianischen Holzes für die Blattern" konnten ihm nicht helfen. Gerade seine geheime Krankheit mag ihn seelisch bedrückt und gedemütigt haben, hatte er sie doch seinerzeit in einem Reichsgesetz als besondere Gottesstrafe hingestellt. Als Maximilian sich zum Sterben niederlegte, waren seine Gründungen noch keineswegs vollendet, die Kaiserwahl eher fraglich, der Erbgang ungeklärt und das Schicksal des Gesamthauses nicht gesichert. Das Testament ließ den Enkeln daher in der Erbteilung und in der großen Politik völlig freie Hand, traf aber mildtätige Anordnungen für die Gründung von acht Spitälern und die Versorgung der Pfründner, die am Grab des Kaisers beten sollten; es enthielt auch die letzte Bitte, seine Schulden zu bezahlen. Von
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seinen Krankheiten völlig erschöpft, furchtlos und gottergeben, den Dingen dieser Welt völlig abgewandt, starb er wie ein Heiliger.
Ideengehalt
der kaiserlichen
Politik
Die Geschichte war f ü r den Kaiser die große Lehrmeisterin des Lebens, zunächst die Geschichte seiner Ahnen und seines Hauses, der deutschen Kaiser und der römischen Cäsaren; aber auch die Heldensagen der Antike und der deutschen Vorzeit sowie die Legenden der großen Heiligen waren f ü r den Kaiser anfeuernde Realitäten. König David, Alexander den Großen, König Arthus und Dietrich von Bern, Karl den Großen, die Ottonen und Staufer, seinen Ahnherrn Rudolf, aber auch Jason, Gideon und St. Georg betrachtete der Kaiser als leibhaftige Vorbilder. Seine Haus- und Reichspropaganda lebte von diesen Themen. Die großen Reichstagsreden pflegte er mit weit ausholenden, nicht immer ganz stimmigen geschichtlichen Ausführungen einzuleiten, welche zeigten, wie sehr er aus der Geschichte lebte und gestaltete. Die Vorbilder der Vergangenheit boten ihm die Muster f ü r Gegenwart und Zukunft. Er lebte aus einer verklärenden Rückschau, hielt sich aber auch den Blick f ü r die Z u k u n f t offen. Die Geschichte war f ü r ihn eine beherrschende Lebensmacht. Von seinem Vater — der nur davon träumen konnte — empfing Maximilian die höchsten Vorstellungen von Kaiser und Reich, denen er später alle seine Unternehmungen dienstbar machte. Die Idee von den vier Weltreichen, von denen Gott das letzte den Deutschen anvertraut habe, war noch nicht ganz vergessen. Konnte man das Reich zu neuem Leben erwecken? Die Wiedergeburt des Reiches war, wie die Wiedergeburt der Antike und Roms, eine humanistische Leitidee — stark genug, um Humanisten zu begeistern; Fürsten und Stände aber ließen sich von solchen politischen Bewegungen nicht berühren. Auch in Burgund waren hohe Vorstellungen von der Würde des Reiches, von seinen Aufgaben f ü r die Christenheit und den Kreuzzug immer noch lebendig. Die burgundische Staatsidee führte schon Karl den Kühnen und vollends Maximilian zur neuen Kaiserpolitik. Seit der Erwerbung Burgunds war Frankreich der „der Erzfeind" Maximilians — nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Italien, wo das Reich und Frankreich alte Ansprüche vertraten. Seit Karl VIII. versuchten alle französischen Könige, die Italienpolitik Karls des Großen zu erneuern, den sie als großen Franzosen ansahen. In der T a t mußte sich Maximilian zeit seines Lebens in seinen Ansprüchen auf die Kaiserkrone von Frankreich bedroht fühlen. Italien, als Ursprung des Imperiums — „Thron und Zepter des Weltreiches" — stand f ü r Maximilian fortan im Mittelpunkt aller Pläne und Kriege. Die burgundischen Hausinteressen, die Rückgewinnung des Herzogtums Burgund und der anderen Verluste von Arras (1482), traten f ü r Maximilian gegenüber Italien ganz zurück. Auf die altrömischen Traditionen Italiens
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und auf seine geopolitische Lage aufbauend, hoffte der Kaiser mit der Kraft seiner Erbländer und des Reiches das Imperium wiederherzustellen. Diese Politik begann mit Maximilians Mailänder Heirat (1493) und wurde zielstrebig und beharrlich bis zu den Wahl- und Krönungsplänen von 1518 durchgehalten. Das Reich sollte zusammen mit Italien diese Wiederherstellungspolitik tragen — das Reich als der Macht- und Waffenträger, Italien aber als Träger der kaiserlichen Traditionen. Darüber hinaus wurde auch das Königreich Arelat, das alte Niederburgund und die Provence von der unteren Rhone bis ans Meer, gleichsam als dritter Teil des Reiches zurückgefordert, obwohl diese Anrechte längst verwirkt und vergessen schienen. Zum Schutz Italiens gegen Frankreich Schloß Maximilian den Schicksalsbund seines Hauses, die spanisch-habsburgische Doppelheirat (1495—97). Um Italien drehte sich die Heilige Liga von Venedig (1495), der Italienzug von 1496 und die Unterstützung Spaniens gegen Frankreich im Kampf um Neapel (1501 —1503). Der Versuch eines Friedens mit Frankreich und einer Verbindung der Häuser Habsburg und Valois durch eine habsburgisch-französische Heirat sollte die Teilung Italiens und ein politisches Weltsystem vorbereiten. Um Italien drehte sich die Liga von Cambrai (1508), die sich wiederum vornahm, Italien mit Frankreich zu teilen. Aber im Verlauf des langen Krieges schlossen sich doch wieder Österreich und Spanien enger zusammen, um Frankreich aus Italien zu verdrängen und die Halbinsel gemeinsam zu besitzen. Aber nach den schlechten Erfahrungen mit dem Italienzug von 1496 mußten die Italiener mit Recht daran zweifeln, ob Kaiser und Reich imstande sein würden, die Freiheit Italiens weiter zu schützen. Ganz allgemein und das erste Mal wurde der Ruf nach Vertreibung der „Barbaren" und Befreiung Italiens laut. An die Stelle des Reiches, das völlig versagte, trat mit Karl V. die spanische Herrschaft, die der Halbinsel — bei allen bekannten Mängeln — fast zweihundert Jahre verhältnismäßiger Ruhe sicherte. Die Italienpolitik Maximilians unterlag dem schärfsten Tadel der kleindeutschen Kritiker des 19. Jahrhunderts, der bis heute nicht ganz verstummt ist. Demnach wäre nicht nur die Politik Maximilians, sondern auch jene Karls V. und der folgenden Jahrhunderte — eigentlich schon die Italienpolitik der Karolinger, Ottonen und Staufer — falsch gewesen, weil sie ihre Erfolge im Osten hätten suchen müssen, und nicht in Italien. Wir müssen jede Politik aus ihrer Zeit beurteilen. Um 1500 und während der folgenden Jahrhunderte drehte sich die europäische Politik fast ganz um den Besitz Italiens. Dort fielen weltgeschichtliche Entscheidungen. Der Kaiser hätte nicht kampflos auf die seit Jahrhunderten überlieferten Rechte des Reiches, auf sein „Königreich Italien", worunter man hauptsächlich Ober- und Mittelitalien, das alte Reichsitalien, verstand, verzichten dürfen, ohne den letzten Rest von Ansehen unter den Mächten einzubüßen; vor allem nicht zu einem Zeitpunkt, da alle Nachbarstaaten sich in Italien neu festsetzten, weil sich dort nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche Zukunft entschied. Hätte Maximilian Mailand, Florenz, Venedig,
Der überaus prächtig geschmückte große Triumphwagen war gedacht als Prunkstück des kaiserlichen Triumph. Zwölf Pferde ziehen ihn. Leitspruch: „Quod in celis Sol, hoc in terra Caesar." Allegorien aller Herrscher- und Feldhermtugenden (ratio, Providentia, moderatio, prudentia, alacritas, fortitudo, velocitas, audacia, magnanimitas etc.) fuhren den kaiserlichen Wagen zum Triumph. Inmitten des Prunkes der von Viktoria gekrönte Kaiser in vollem Omat. Holzschnitt von A. Dürer für den Triumph geplant, aber erst 1522 als Sonderdruck veröffentlicht und im großen Saal des Nürnberger Rathauses an die Wand gemalt (1945 zerstört).
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Neapel und die italienischen Küstenplätze den Franzosen überlassen, würden die süddeutschen und rheinischen Handelsstädte davon wirtschaftlich schwer betroffen worden sein. Hätte er gar Rom und den Einfluß auf den Papst völlig preisgegeben, wäre ihm auch der Titel des Kaisertums verloren gegangen. Hätte Frankreich über die gesamte Wirtschafts- und Waffenkraft Italiens verfügen können, würde der Druck auf die deutsche Westgrenze sehr bald übermächtig geworden sein. Daher lag es auch im Naturgesetz des Gleichgewichtes, die traditionellen Rechte des Reiches in Italien zu verteidigen. Erst im 19. Jahrhundert wurde Italien selbst stark genug, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Maximilian habe „das Reich verabsäumt", sagt Ranke; er sei der „Erzstiefvater des Reiches" gewesen, behauptet Ziehen. Ulmann tadelt, daß „Maximilian das Reich stets nur als Anhängsel des zur Weltherrschaft strebenden Hauses Habsburg ausgebeutet habe". Abgesehen von der Kaiserkrone, deren ideale Bedeutung für die habsburgische Reichsbildung nicht unterschätzt werden darf, hat Maximilian vom Reich viel weniger empfangen, als er dafür zu leisten hatte. Eine Ausbeutung durch den Kaiser wäre bei der Macht der Fürstenstaaten gar nicht möglich gewesen. Der Kaiser hat sich für das Reich buchstäblich verzehrt und seine Erbländer der Reichspolitik geopfert. Dieser Erkenntnis wird sich niemand entziehen können, der sich mit dem Lebenswerk Maximilians eingehender beschäftigt. Daß dem Kaiser auch die innere Reichsreform am Herzen lag, wurde bereits eingehend dargetan, wäre doch jede Außenpolitik ohne innere Reformen unmöglich gewesen. Gelöst wurde diese Frage freilich nicht; sie scheiterte am Widerstand des fürstlichen Privilegiendenkens. Aber das Reich erhielt immerhin für die nächsten Jahrhunderte eine zwar unvollkommene, aber doch brauchbare innere Ordnung. Zweiffellos wäre die gemäßigte Monarchie, wie sie dem Kaiser vorschwebte, in Zusammenarbeit mit den Reichsständen die natürliche und zugleich beste Trägerin einer staatenbündischen Einheit des Reiches gewesen, die aber von den Fürsten verhindert wurde. Man hat Maximilian sogar einen „Zerstörer des Reiches" genannt. Einen deutschen Nationalstaat im Sinne des 19. Jahrhunderts hatte er gewiß nicht im Sinn, aber er kämpfte für die Wiederherstellung des Römisch-christlichen Reiches, wie er es verstand. Die Kaiserkrone bei der Deutschen Nation zu erhalten, war sein größter Ehrgeiz und deren Verlust an Frankreich seine ständige, keineswegs grundlose Sorge, wie sich schon früher, vor allem aber bei den Wahlhandlungen für Karl V. zeigte. Die Kaiserkrone bedeutete für ihn „die höchste Ehre und Würde der Deutschen Nation, die Zierde und Pracht Deutschlands." Der Kaiser förderte den selbstbewußten Nationalismus der deutschen Humanisten; er war stolz auf seine „treuen Deutschen", die ihm als Gottes auserwähltes Volk erschienen, „das sich durch die großen Opfer der Ahnen das Reich verdient habe." „Meine Ehre ist deutsch und deutsch meine Ehre", pflegte er zu sagen. „Ihr seid deutsche Landsknechte und nicht Schweizer", mahnte er seine aufsässigen Söldner auf dem Rückzug aus Mailand. Sie sind
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für ihn „die besten Krieger der W e l t . . . ; ein einziger Landsknecht wiege drei Italiener auf", prahlte er. Die protzigen „deutschnationalen" Sprüche seiner politischen Werber Hutten, Bebel, Hermansgrün, Wimpfeling, Brant u. a. waren ganz nach seinem Herzen. Ulmann dagegen meinte, „Maximilian habe die Deutsche Nation nur im Munde geführt, im Grunde aber verachtet". Gewiß schimpfte er in seinen Zornesanfällen die widerspenstigen Fürsten öfter „deutsche Bestien, . . . die er am liebsten geohrfeigt hätte". Man wird den bekannten Grobianismus des Kaisers (und seiner Zeit) nicht so sehr mißdeuten dürfen, wird ihm auch nicht verübeln dürfen, daß er mit seinen in Burgund aufgewachsenen Kindern französisch sprach und schrieb. Vor allem ist dies unbrauchbar als Zeugnis gegen sein Deutschbewußtsein, wenn man bedenkt, daß er drei große deutsche Epen entwarf, die deutschen Heldenlieder sammeln ließ und als der „letzte höfische Epiker" in die Literaturgeschichte des deutschen Volkes einging. Gewiß versuchte Maximilian seine österreichisch-burgundische Hausmacht bei jeder Gelegenheit zu verstärken, vor allem in den Vorlanden, die ganz von österreichischen Herrschaften durchsetzt waren, oder gegen Württemberg, das er sich gern einverleibt hätte. Ein österreichisches Schwaben war zweifellos ein Ziel der habsburgischen Hauspolitik. Ein besonderes Hoffnungsgebiet — sowohl für Osterreich wie für das Reich — war für ihn auch Italien. Italia quae mea est, sagte er einem Gesandten auf gut reiterlateinisch. Ohne Zweifel hat der Kaiser in Italien neben den Reichsinteressen auch die Abrundung und Vergrößerung seines Hausgutes gesucht, zumal es dort bereits seit dem hohen Mittelalter viel österreichischen Streubesitz gab; aber nicht das H a u s , sondern das Reich stand für den Kaiser im Mittelpunkt aller Pläne. Die Reichsregierung lebte zu allen Zeiten nur von der Hausmacht der Kaiser; daher mußten alle Dynastien bestrebt sein, ihre Hausmacht zu vergrößern, um eine wirksame Reichsherrschaft überhaupt möglich zu machen, so auch Maximilian und die Habsburger. Sie mußten dafür auch die Lasten des Kaisertums fast allein tragen, wie Maximilian öfter, am Ende seines Lebens sogar den Kurfürsten klagte: „Sein ganzes väterliches Erbe habe er im Dienst des Reiches versetzt. . ." Für Maximilian waren seine Hausländer vor allem die Lastträger seiner Reichsidee. Daher suchte er stets die engste Verbindung seiner österreichischen Länder mit dem Reich, was aus der letzten Hofratsordnung von 1518 besonders deutlich hervorgeht. Es wäre auch nicht gerecht zu übersehen, daß das verfallende Reich erst seit Maximilian durch die Gemeinschaft mit der habsburgischen Monarchie wieder das Ansehen einer Großmacht gewann, ohne wirklich eine zu sein. Man wird auch nicht unterschätzen dürfen, was das österreichisch-spanischd Familienbündnis später zur Entlastung des Reiches im Westen gegen Frankreich und im Osten gegen die Türken beigetragen hat — gegen feindliche Nachbarschaften, die stets zum natürlichen Schicksal eines Reiches der Mitte gehörten und nicht erst durch die Habsburger hervorgerufen wurden.
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Zum Schicksal wurde dem Kaiser die enge Verbindung mit Spanien, die gemeinsame Politik gegen Frankreich und ihre Interessengemeinschaft in Italien. Die spanische Politik führte die Habsburger zum Weltreich. Es blieb eine der schwierigsten, langwierigsten und sorgenvollsten Aufgaben Maximilians, König Ferdinand und die spanischen Länder für seinen Enkel Karl zu gewinnen. Lange Zeit schien es unmöglich, den beharrlichen Widerwillen Ferdinands gegen die habsburgische Erbfolge zu überwinden, um zunächst eine Zusammenarbeit und schließlich die Vereinigung der spanischen und österreichisch-burgundischen Länder zu erreichen. Als König Philipp starb (1506), schien alles verloren. Es war eine seltsame Fügung des Schicksales, daß ausgerechnet der König von Frankreich die endgültige Aussöhnung Maximilians mit Spanien vermittelte (1509) und so die Einkreisung seines eigenen Königreiches wesentlich förderte. Der Kaiser und Spanien einigten sich auf Karl als Nachfolger und wollten für den zweiten Erben, den Infanten Ferdinand, ein Königreich Lombardei oder Italien schaffen, das die spanischen und österreichischen Gebiete zu Land und zur See miteinander verbinden sollte. Der Kaiser mußte seither der Rücksicht auf Spanien manches schwere Opfer bringen. Die Westpolitik hatte in den kaiserlichen Plänen stets den Vorrang vor der Ostpolitik, denn Frankreich schien dem Kaiser noch gefährlicher als die türkische Großmacht. Im Kampfe gegen den König von Frankreich werde die große Entscheidung fallen, ob das Kaisertum und damit der Vorrang in der Christenheit beim Reich bleibe. Was man gegen die Türken verliere, könne man zurückgewinnen; was Frankreich erobert habe, bleibe verloren. Diese Erfahrung Maximilians wurde zum Axiom der habsburgischen Politik bis ins 18. Jahrhundert. Zuerst wollte der Kaiser Frankreich „vernichten und aufteilen", wie es der maßlose „große Plan" von 1496 vorsah. Später versuchte er in einer überraschenden Wendung den Ausgleich mit Frankreich (1504/05), weil ohne dessen Mitwirkung eine Lösung der Italienfrage und ein Kreuzzug der gesamten Christenheit nie möglich sein würde. Der Osten brachte wider Erwarten die dauerhaftesten Erfolge. Zur ersten großen Aufgabe Maximilians nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden gehörte die Rückeroberung der österreichischen Länder. Als er anschließend auch die Eroberung Ungarns versuchte, mußte er sich einstweilen mit dem Preßburger Vertrag von 1491 zufrieden geben, der ihm immerhin das Erbrecht nicht nur auf Ungarn, sondern auch auf Böhmen sicherte, falls König Wladislaw kinderlos sterben sollte; außerdem durfte er schon jetzt einen Teil der westungarischen Komitate behalten und sich sofort — neben Wladislaw — König von Ungarn nennen. Damit wurde eine Politik eingeleitet und hartnäckig verfolgt, welche mit den Wiener Verträgen und der Doppelhochzeit von 1515 schließlich mit dem Erbfall von 1526 ein großes Ziel erreichte: die Vereinigung der österreichisch-ungarisch-bömischen Länder und die Gründung der Donaumonarchie. Eine Herausforderung auf Leben und T o d bedeutete die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wachsende Türkengefahr. Die Türken blieben durch Jahrhun-
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derte Österreichs Schicksal und bestimmten die gesamte habsburgische D o nauraum-Politik. Maximilian rüstete bereits 1493 zu einem großen Kreuzzug, der aber durch den Vorstoß des Königs von Frankreich nach Neapel (1494) verhindert wurde. Für alle Fälle bereitete Maximilian zum Schutz der Erbländer die Militärgrenze vor. Aber der Kreuzzug blieb das große Anliegen des Kaisers, wobei er als reales Nahziel die Befreiung des Balkans und Konstantinopels und als Fernziel die Wiederherstellung des byzantinischen Kaiserreiches ins Auge faßte. Die Kritik stellte die Kreuzzugspläne Maximilians gerne als eine seiner unbegreiflichen Phantasien, ja, als eine vorsätzliche Täuschung hin; das ging bis zur Behauptung, daß es zu Zeiten Maximilians eine ernsthafte Türkengefahr überhaupt nicht gegeben habe (Fueter). Wie konnte man übersehen, daß seit der Eroberung Konstantinopels (1453) und Belgrads (1456) die Türken fast alljährlich die österreichischen Grenzländer verwüsteten und tausende Menschen in lebenslange Gefangenschaft verschleppten. Die türkischen Eroberungspläne richteten sich bereits gegen Rom, Venedig und das Deutsche Reich. 1526 vernichteten sie das Königreich Ungarn und 1529 erschienen sie das erste Mal vor Wien. Es war daher ein naheliegender strategischer Plan, die eigenen Grenzen durch einen Angriffsstoß gegen Konstantinopel zu entlasten und wenigstens Europa zu befreien; das war zunächst nur Abwehr — nicht Angriff im Sinne der Kreuzzüge des hohen Mittelalters. In Istambul träumte man bereits davon, den „goldenen Apfel" zu pflücken; der Sultan drohte, er werde am Hauptaltar von St. Peter zu Rom sein Pferd einstellen. Man mußte die T ü r kengefahr sehr ernst nehmen. Jeden Abend läutete zur Vesperstunde in der ganzen Christenheit die Türkenglocke. Es wurde wohl auch gesagt, der Kreuzzug sei nur Vorwand gewesen, um mit den eingesammelten Kruziatgeldern die päpstlichen oder kaiserlichen Kassen zu füllen. Gewiß redete man öfter von Kreuzzügen, die nicht zustande kamen; es wurden Kruziatgelder eingesammelt und ihrem Zweck entfremdet. Aber das „heilige Anliegen" scheiterte hauptsächlich an den Spannungen zwischen den christlichen Mächten und am Widerstand der deutschen Fürsten — nicht an der Unehrlichkeit des Kaisers. Ein allgemeiner Türkenkreuzzug konnte nicht nur die Sache des Kaisers, nicht einmal des Reiches allein sein, sondern mußte von allen christlichen Mächten unterstützt werden. Aber was kümmerten sie die österreichischen Türkengrenzen? Noch auf dem letzten Augsburger T a g (1518) setzte sich der Kaiser vergebens f ü r den Kreuzzug ein. Gerne würde er an der Spitze der christlichen Könige und Fürsten, ähnlich seinem verehrten Vorbild Barbarossa den „heiligen Zug" unternommen haben, denn dies war, wie die Kaiserkrönung, etwas Festes in seinem Leben, obwohl er beides nicht erreichen konnte. Die Ostpolitik des Kaisers, die sich nicht nur gegen die Jagellonen in Ungarn und Böhmen, sondern auch gegen Polen richtete, behandelte auch den Deutschen Orden naturgemäß als engen Bundesgenossen, denn er sah im Orden „einen Pfeiler und eine Mauer der Christenheit gegen Russen, Ta-
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taren und Türken". Maximilian bemühte sich auf vielen Reichstagen, den Deutschherren zu helfen; aber die Reichsstände behandelten den Orden nicht anders als den Römerzug, die Eidgenossen oder die Niederlande; sie gaben schöne Versprechungen, aber versagten jede Hilfe. Nicht zuletzt des Ordens wegen schickte der Kaiser seine Gesandten nach Moskau. Er machte dem Hochmeister immer wieder Mut, dem König von Polen den geforderten Lehenseid zu verweigern. Aber Hilfe war nicht einmal von den nächsten Verwandten des Hochmeisters zu erreichen: „Was gehe ihn der Orden an", sagte der Kurfürst von Brandenburg, ein Vetter des Hochmeisters: „man lade nur Gefahren auf sich, und der Kaiser greife zu viele Sachen an". Wegen der Deutschordens-Politik traf Maximilian härtester Tadel der kleindeutschen Historiker, der sich erst jetzt allmählich verliert: Der Kaiser habe bei den Wiener Verträgen von 1515 das deutsche Ordensland für die Erwerbung Böhmens und Ungarns preisgegeben, was als Beispiel reichsvergessener habsburgischer Hauspolitik hingestellt wurde. Zunächst war auch die Erhaltung des Kurfürstentums Böhmen im Interesse des damaligen Reiches. Grundsätzlich unterstand der Deutsche Orden niemals dem Reich, sondern dem Papst. Der König von Polen hatte den Orden im Thorner Frieden (1466) der polnischen Lehenshoheit unterworfen, was weder Friedrich III., noch Maximilian jemals anerkannten. Zeitlebens versuchte Maximilian, mit Hilfe des Papstes die Lehenshoheit Polens zu verhindern; er empfahl dem Hochmeister sogar die Investitur durch das Reich, wozu es aber niemals kam. Als der König von Polen anläßlich der Wiener Verhandlungen von 1515 den Lehenseid des Hochmeisters dringend forderte, stellte ihm der Kaiser eine Reihe unerfüllbarer Bedingungen, wie die Zustimmung des Reichskammergerichtes und des Reichstages, um dem Orden die Unterwerfung zu ersparen. In der Tat hat der Hochmeister dem König von Polen niemals gehuldigt, solange Maximilian lebte. Erst nach seinem Tode vollzog sich die Abwendung des Ordens vom Reich, als der Hochmeister zur Reformation übertrat und freiwillig dem König von Polen die Lehenshuldigung leistete, um sich dem Gericht des Papstes und des Kaisers zu entziehen. Schon früh hatte Maximilian begonnen, — ähnlich dem burgundischspanischen System im Westen — auch ein östliches Bündnissystem aufzubauen, das den Großfürsten von Moskau, den Deutschen Orden, die Fürstentümer Moldau und Walachei, die Tatarenstaaten, die Königreiche Ungarn, Böhmen und Polen, sogar Persien und Ägypten einzubeziehen versuchte. Die orientalische Frage wurde spätestens seit den Zeiten Maximilians zu einem gemeinsamen und ständigen Anliegen der christlichen Mächte. West- und Ostpolitik verbanden sich für den Kaiser allmählich zu einem politischen Weltsystem, in dem die Westpolitik zwar den Vorrang hatte, die Ostpolitik aber nie vernachlässigt oder unterschätzt werden durfte. Nachdem er den jugendlichen Übermut überwunden hatte, dachte der Kaiser an keinen Eroberer- oder Machtstaat mehr, sondern an einen Familienverband christlicher Staaten. Öfter beteuerte er, kein Stück fremden Bo-
Das „Misterium" der Ehrenpforte ist das merkwürdigste Symbol für die Gottähnlichkeits-Vorstellung des Kaisers. Holzschnitt von A. Dürer aus der Ehrenpforte.
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dens erobert zu haben, worauf er kein Recht hatte; er besaß auch niemals Macht in einem für die Nachbarn bedrohlichen Ausmaß. Maximilian gestaltete aus einem irrationalen Sendungsbewußtsein heraus und seine Idee war die Wiederherstellung dessen, was Kaiser und Reich nach dem Willen Gottes rechtens zustand. Das große Ziel seines Lebens, die christliche Staatenfamilie unter Führung des Kaisers verfolgte er je nach der europäischen Lage — da seine eigene Hausmacht zu schwach war — mit wechselnden Koalitionen, mit Diplomatie und Krieg, mit größter Beharrlichkeit, mit vollem Einsatz seiner Person und ohne Rücksicht auf die Finanzen seiner Länder. Seine Weltreichs-Spekulationen umfaßten nicht nur Spanien und die Neue Welt, sondern auch Portugal, die Heimat seiner Mutter mit ihrem gewaltigen Kolonialreich, das später tatsächlich für ein halbes Jahrhundert habsburgisch wurde; außerdem die Königreiche des Nordens, Dänemark, Norwegen und Schweden, die Königreiche des Ostens, Böhmen und Ungarn; bisweilen auch Frankreich, das er, wie so viele andere Länder vielleicht durch Heirat zu gewinnen hoffte, und auch England, das er sich vom Prätendenten Warbeck verschreiben ließ. Es waren familienrechtliche Riesenpläne, die nicht immer der politischen Logik, sondern mehr der dichterischen Phantasie entsprangen. Es ist merkwürdig, daß sich auf solche Weise in der Geschichte manchmal große Veränderungen vollziehen. Dies meinte wohl Ranke, wenn er dem Kaiser eine Ahnung für das Kommende zusprach. Letztes Ziel hätte der gemeinsame Kampf aller christlichen Könige und Fürsten gegen die Ungläubigen, die Eroberung von Konstantinopel und Jerusalem, die Wiederherstellung und Vereinigung des Byzantinischen mit dem Römischen Reich und der universale Friede der Christenheit sein sollen. Der Kaiser, die Deutsche Nation, sein österreichisch-burgundisches Haus gemeinsam mit Spanien sollten die Vollstrecker dieses göttlichen Auftrages sein. Karl V. hat diese Kaiserideologie seines Großvaters übernommen und nach Spanien übertragen. Diese Art Weltherrschaft ist gewiß weniger konkret oder territorial im Sinne einer räumlichen Zusammenfassung und Durchdringung der christlichen Welt gedacht gewesen, sondern war vielmehr eine politische Vision, wie sie der Kaiser liebte. Seltsamen Ausdruck fand diese Weltreichsphilosophie im „Misterium" der Ehrenpforte: Vom Tau des Himmels begnadet und über den Wassern schwebend, thront der Kaiser als Horus, ähnlich dem ägyptischen Urbild des göttlichen Weltherrschers, dem Sohn von Isis und Osiris, dem Gründer aller Monarchien, gekrönt mit einem Diadem, halb Kaiserkrone, halb Pharaonenhelm, in der Hand das ägyptische Schlangenzepter, umlagert von den altägyptischen Göttertieren, dem Apis, dem Falken, dem Ibis und dem Hund, der eine Stola trägt. Löwe und Hahn zu seinen Füßen bedeuten wohl das „unterworfene" Venedig und Frankreich. Kein besseres Symbol hätte Pirckheimer für diese kaiserlichen Phantasien erfinden können. Wie kein anderer König vor ihm, führte er nun die politische Werbung in den Machtkampf ein; er hielt die politische Leidenschaft und das scharf
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geschliffene Wort für eine gute Waffe, besonders wenn einsatzbereite Armeen fehlten. In der Tat vermochte er, die öffentliche Meinung für sich und nicht nur gegen seine auswärtigen Feinde, sondern auch gegen die Fürsten einzusetzen. Es war viel Pathos um diese Kaiserpropaganda. Man kann ihre Ubertreibungen nicht wörtlich nehmen, wenn sich der Kaiser als „Dominus totius mundi" bezeichnete oder von seiner „Monarchia orbis" sprach. Er dachte wohl nur an jenen allgemeinen Ehrenvorrang über alle christlichen Könige und Fürsten, der den Römischen Kaiser zu allen Zeiten über alle Kaiser und Könige dieser Erde stellte und ihm das Recht zugestand, Könige zu erheben. Noch immer war die überlieferte Theorie von den Weltreichen lebendig: Gott habe das Weltreich von den Römern und Griechen auf die Deutschen übertragen, die wegen ihrer großen Verdienste um Christenheit und Kirche die Herrschaft bis zur Wiederkunft des Herrn führen würden. Das Heil und die Größe des Reiches und seines Hauses waren gewiß der erste und letzte Gedanke des Kaisers, das Grundpathos seines Lebens; davon war er wie besessen, darauf beruhte seine Macht über die Zeitgenossen und seine Nachwirkung in der Geschichte. Man wird der politischen Leidenschaft seiner berühmten Konstanzer Rede (1507) Glauben schenken müssen: „Alles habe er für die Erhaltung des Reiches geopfert und seine Erbländer weit über jedes Maß geschwächt; er wolle Leute und Gut, Freunde und Diener, auch seine Kinder und Enkel für das Reich und die Deutsche Nation einsetzen, wie er es selbst stets getan habe, aber wegen seines Alters vielleicht nicht mehr lange könne." Der Brandenburger Gesandte berichtete voll Bewunderung nach Hause: „Euer Gnaden hätten den Kaiser hören sollen!" Maximilian hatte das universale Kaisertum erneuern wollen. Das war seine Leitidee, die er gegen den Widerstand der Fürsten und Stände während seines ganzen Lebens verfolgte. Tatsächlich schuf er etwas anderes, aber Ahnliches: das spanisch-österreichische Großreich, den habsburgischen Universaldominat und die Donaumonarchie, wie denn bei vielen Gründerpersönlichkeiten ihre Nachwirkung in einer anderen, aber ähnlichen Richtung liegt, als sie ursprünglich planten. Daß der Kaiser dabei auch den schier unaufhaltsam fortschreitenden Reichsverfall aufhalten und der Deutschen Nation eine neue, keineswegs vollkommene, aber doch haltbare innere Ordnung geben konnte, ist nicht zu übersehen. Durch die Größe seines kaiserlichen Hauses gewann auch das Reich das Ansehen einer Großmacht zurück, obwohl die Wiederherstellung des Römisch-deutschen Imperiums, das dem Kaiser vorschwebte, nicht gelungen war.
VII KRANKHEIT, T O D UND HINTERLASSENSCHAFT AUFSTAND D E R ÖSTERREICHISCHEN LÄNDER Der Tod in Wels. Das Testament Seit mehr als vierzig Jahren stand der Kaiser im Getriebe der großen Politik und des Krieges. Wer zeitlebens aus großen Sorgen nicht herauskam wie er, müde und schwer krank ist, der ersehnt die Ruhe und den Frieden, denn Glück, innerer und äußerer Frieden waren ihm während seiner Regierungsjahre nur selten zuteil geworden. Wenn die Kraft zu Ende geht, ist die Erlösung Gnade. Der Ausgang des jahrelangen Krieges um Italien hatte ihn tief enttäuscht; sogar sein Enkel Karl hatte ihn im Stich gelassen, ihm zum Rücktritt geraten. Schickte ihn die eigene Familie bereits ins Ausgedinge? Auf seinen Ländern lasteten Schulden, die er selber nicht mehr bezahlen konnte und seinen Nachfolgern aufladen mußte. Unzufriedenheit und innere Spannungen, wirtschaftliche und politische Krisen erschütterten die Erbländer und waren auf dem Innsbrucker Generallandtag zum ersten Mal stürmisch hervorgebrochen, aber noch einmal beruhigt worden. Wie lange noch? Nicht minder quälte den Kaiser die Lage des Reiches. Dort gab es Unruhen und Fehdehändel, die zu Kleinkriegen ausarteten, religiöse und soziale Spannungen ganz neuer Art, die auf dem letzten Augsburger Reichstag deutlich sichtbar geworden waren. Die Wahlhandlungen für Karl (V.) hatten Kaiser und Reich in neue Aufregungen versetzt. Die meisten Kurfürsten waren bereits für Karl gewonnen, aber die Wahl scheiterte schließlich am Einspruch des Papstes. Was würde weiter geschehen? Die Nachfolge im Reich, in Osterreich, Burgund und Spanien beunruhigte den Kaiser am meisten — vor allem die bekannten Gegensätze zwischen den Brüdern Karl und Ferdinand und ihrem Anhang. Wie würden sich die gestörten Beziehungen zu England, wie das stets schwierige Verhältnis zu Frankreich, wie die Lage in Italien weiter entwickeln, wo mit Venedig ja nur Waffenstillstand geschlossen war? Wie würde sich die Römische Kurie verhalten, die in der Nachfolgefrage die größten Schwierigkeiten machte und alles eher wünschte als eine Vereinigung der österreichischen und spanischen Macht in Europa und in Italien? Wie würde sich die Lage im Osten, die Beziehungen zwischen Polen und Rußland entwickeln, angesichts der immer bedrohlicheren Rüstungen der Türken? Der Kaiser konnte nur hoffen, daß die Enkel vollendeten, was er unvollendet zurücklassen mußte. Er hatte seine Pflicht erfüllt und ging dem Tode mit Gelassenheit entgegen. Männlich, wie er gelebt, wußte er zu sterben.
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Auf der Reise nach Augsburg hatte der Kaiser Anfang Juni 1518 zu Kaufbeuren jene ringförmige Sonnenfinsternis gesehen, die der Wiener Astrologe Georg Tannstetter schon vor Jahren vorausgesagt und angeblich als schlechtes Vorzeichen für den Kaiser gedeutet hatte. In gedrückter Stimmung leitete Maximilian seinen letzten Reichstag, der äußerlich glänzend verlief, aber wie alle anderen — abgesehen von den Wahlhandlungen — nur geringe Erfolge zeitigte. Nach Regelung der Wahl- und Krönungsfragen wollte Maximilian abdanken und sich in die Einsamkeit zurückziehen, wie er dies schon öfter angekündigt hatte. Als er sich vom Kurfürsten Friedrich dem Weisen verabschiedete, bemerkte Spalatin, wie der Kaiser, „am Leib und Gesund ganz baufällig", ein Bein nachzog — offenbar die Folge eines überstandenen Schlaganfalles, der ihn hinderte, ein Pferd zu besteigen. Auch von seinem „lieben Verwandten", dem hl. Bischof Ulrich von Augsburg, empfahl er sich durch einen Gottesdienst an dessen Grab. Verdrossen verließ der Kaiser Augsburg (23. September 1518). Auf dem Lechfeld, beim letzten Anblick der Mauern und Türme soll er von der geliebten Stadt wehmütigen Abschied genommen haben: „Segne dich Gott, du liebes Augsburg! Wohl haben wir manchen guten Tag in dir gehabt; nun werden wir dich nicht mehr sehen." Todesahnungen begleiteten ihn. Seit Jahren führte der Kaiser auf den Reisen seinen Sarg mit, in dem er außer seinen Chroniken die geheimen Akten verwahrte; er sprach scherzhaft von seiner „Schatztruhe". Bereits in Augsburg hatte er seinen Beichtvater, den Karthäuser Gregor Reisch, von Freiburg nach Wels bestellt. Zunächst begab sich Maximilian nach Tirol, um sich vielleicht in den Bergen mit Wasser, Luft und Bewegung noch einmal zu kurieren, den stets hielt er sich selber für seinen besten Arzt. Sein geliebtes Innsbruck bereitete ihm große Enttäuschungen: Es gab Ärger mit Regiment und Raitkammer, welche die Verantwortung für die ungeheuren Schulden nicht mehr tragen wollten und mit dem Rücktritt drohten. Verschiedentlich wurde dem Kaiser empfohlen, „sich zu entlasten". Wollte man ihn bereits loswerden? Aus dem Kreis um König Karl waren solche Stimmen schon öfter zu hören gewesen. Man erwartete vom Kaiser eine klare Ordnung der Nachfolge in den österreichischen Ländern, die Karl zu verhindern wußte. Aber Maximilian war immer noch so stark und gefürchtet, daß gefährliche Ränke, die jeden Thronwechsel begleiten, nicht aufkommen konnten. Ein besonders bitteres Erlebnis für den Kaiser: Die Innsbrucker Wirte verweigerten seinem T r o ß wegen alter Schulden — es handelte sich immerhin um die große Summe von 24.000 Gulden — Stallungen und Quartier und ließen den Hofzug auf der Straße stehen. Es ging dem Kaiser wie in seinen schlechtesten Zeiten. Die Nachricht von dieser Mißachtung wirkte sicher sehr ungünstig auf den gesundheitlich angeschlagenen alten Herrn. Er grämelte in müdem Zorn: „Kurfürsten und Fürsten hätten ihn auf dem Augsburger T a g geehrt; die eigenen Untertanen dagegen verachteten ihn."
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Trotz ernstem Unwohlsein wünschte der Kaiser, sofort abzureisen. Zutiefst verletzt verließ er in der Sänfte die undankbare Stadt. Was mag es für den alten Haudegen bedeutet haben, daß er nicht mehr imstande war, ein Pferd zu besteigen. Er ließ sich zu Lande bis Kufstein bringen, fuhr dann mit dem Schiff bis Rosenheim weiter und wandte sich von dort nach Osterreich, wo er auf dem Landtag zu Linz Grenzstreitigkeiten mit Böhmen und Türkensorgen behandeln wollte. Der neue Hofrat sollte eingerichtet und Fragen der West- und Ostpolitik behandelt werden. Der Kaiser erwartete seine aus Moskau zurückkehrenden Gesandten, außerdem eine Botschaft des Königs von England. Von Rosenheim ging es in der Sänfte zunächst nach Salzburg und von dort in das Salzkammergut. Herberstein, der neben der Sänfte einherritt, fand den Kaiser schwach, das Gesicht und die Augen ganz gelb. Eine hartnäckige Erkrankung der Verdauungsorgane ließ ihn abmagern. Seine alte Fußwunde war wieder aufgebrochen, vielleicht eine Folge seines heimlichen Leidens, das er verschämt verbarg — war es doch eine offensichtliche „Gottesstrafe", wie er seinerzeit im Gotteslästerermandat hatte verkünden lassen. Der Kaiser besuchte St. Wolfgang. Vielleicht erhoffte er sich von einer Wallfahrt zum wundertägigen Heiligen eine Linderung seines Leidens. Mit dem Abt von Kremsmünster besprach er nochmals die alten Pläne einer Grabeskirche samt Ordensburg und Kloster für seine Georgsritter, mit einem Spital für seine Pfründner und einer Schule für die Chorknaben. Diese Anlage — mit dem Escorial Philipps II. vergleichbar — sollte auf den einsamen Höhen des Falkenstein, hoch über dem See erbaut werden. Der Gedanke, auf luftiger Höhe, an einem See die letzte Ruhe zu finden, mochte für den Naturmenschen etwas besonders Schönes haben. Bei diesen Besichtigungen dürfte sich der Kaiser im kalten und feuchten Novemberwetter erkältet haben, denn zeit seines Lebens hatten ihm Verkühlungen besonders zu schaffen gemacht. In Ischl gebrauchte er das Heilwasser. Noch einmal besuchte er die alten Jagdgründe und Fischweiden des Salzkammergutes. Am 10. Dezember 1518 kehrte er in der bescheidenen Burg zu Wels ein, der letzten Station seines unruhigen Lebens. Hier warf ihn die Todeskrankheit nieder. Mit bewundernswerter Geduld unterdrückte er die heftigen Schmerzanfälle und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Bis zuletzt beschäftigte den Kaiser die große Politik. In seinen Fieberphantasien träumte der Schwerkranke von einem neuen Wahltag in Frankfurt, den er im Jänner besuchen wolle — ein letzter Anfall von Tatendrang. Wenige Tage vor seinem Tod empfing der Kaiser noch eine Botschaft des Königs von England. Um seinen Zustand vor den Gesandten zu verbergen, stand er auf, ließ sich waschen, rasieren und ankleiden; jeder Zoll ein Kaiser — verhandelte er zwei Stunden mit den Gesandten. Er war dabei an das offene Fenster getreten und hatte dem Flug der Falken zugesehen, wobei er sich neuerlich verkühlte. Eine eigensinnig gewählte Mahlzeit — Kraut, das angeblich jede Krankheit heilte, — gab ihm den Rest.
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Seine hartnäckige Verstopfung war durch ein scharfes Abführmittel gelöst worden, was bald zu schweren Durchfällen führte. Er wurde von Tag zu Tag schwächer, empfing aber immer noch seine Räte, erledigte immer noch die laufenden Akten, darunter ein Dankschreiben an den Dogen von Venedig für 25 Jagdfalken. Täglich ließ er sich zur Messe tragen. Während der schlaflosen Nächte las ihm Stabius aus der habsburgischen Stammeschronik über die Heiligen und Seligen seines Geschlechtes und aus der Leidensgeschichte Christi vor. Störungen von Galle und Leber, schwere Krämpfe, Durchfälle mit Blut und Eiter zehrten ihn aus. Der venezianische Gesandte erfuhr von 180 Entleerungen in 24 Stunden. Die Qual wurde noch verschärft durch den beständigen Durst, den Fieber und Entwässerung hervorriefen. Üble Dünste erfüllten die kleine Krankenstube. Der Jammer und die Demütigung des völligen leiblichen Verfalles mußten bis auf den Grund durchgelitten werden. Die Leidensgeschichte des Herrn, welche ihm die Visionen der Hl. Birgitta von Schweden besonders nahe gebracht hatten, mag ihn getröstet haben. Das Martyrium der Todeskrankheit, worüber uns viele voneinander unabhängige Quellen unterrichten, bezeugt die Seelengröße dieses Kaisers. Durch Eilboten versuchte man, die berühmtesten Ärzte heranzuholen. Soweit sie noch zurechtkamen, vermochten sie die Todeskrankheit weder zu lindern noch aufzuhalten. Der Geschichtsschreiber Cuspinian, selber Arzt, erkannte auf Ruhr {profluvium ventris, dysenteria). Nach heutigen Begriffen waren es wohl ein altes Leber- und Gallensteinleiden, vielleicht auch Darmgeschwüre, die von Gelbsucht, Lungenentzündung und Fieber begleitet, nach mehreren Schlaganfällen zum Tode führten. Inwieweit eine alte venerische Erkrankung mitwirkte, läßt sich nicht sagen. Mit großer Natürlichkeit erwartete der Kaiser seinen nahen Tod und legte nur Wert darauf, daß ihn sein Beichtvater Gregor Reisch aus Freiburg noch am Leben erreichte. In der Nacht vom 30. zum 31. Dezember 1518 diktierte der Kaiser, da er seine Stunde kommen fühlte, allein und geheim sein letztes Testament. Von den führenden Herren des Hofrates und der Kanzlei war niemand da; nur die Sekretäre Johannes Renner, Gabriel Vogt, Johannes Vinsterwalder und Jakob Spiegel waren zur Stelle. Das Testament gedachte einleitend der Worte des Propheten Isaias: „Mensch, versieh dein Haus, denn du wirst sterben, . . . die Zeit die einem Menschen zugemessen ist, ist nahent erreicht." Der Kaiser verfügte die Beisetzung seines Leichnams in der St. Georgskirche in Wiener Neustadt: Was vom Grabmal fertig sei, solle dort sofort aufgestellt werden. Diese Bestimmung entsprach der Verlegenheit des Augenblickes, war aber aus technischen Gründen gar nicht möglich, denn die zu schwach fundierte Torkirche hätte die schweren Erzstatuen kaum tragen können. Der gelegentlich geäußerte Wunsch des Kaisers, „auf einem hohen Berg des Salzburger Gebirges zu ruhen", ließ sich noch weniger durchführen. Seine österreichischen Erbländer übergab der Kaiser den Enkeln Karl und Ferdinand als seinen rechtmäßigen Erben. Damit waren auch die Rechte
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Ferdinands gegen Karl gesichert, der am liebsten alles selber behalten hätte und seinen Bruder mit einem Linsengericht abfinden wollte. Politische Einzelheiten ließ der Kaiser offen, um seinen Enkeln nicht vorzugreifen. Die Erben sollten alle ausstehenden Schulden bezahlen, was dem Kaiser ganz besonders am Herzen lag, und die alten Diener, ihren Leistungen entsprechend, abfinden. Dabei erinnerte sich der Kaiser seines lieben Kunz von der Rosen, der ihn einst unter Einsatz des Lebens in Brügge zu retten versuchte, dessen witzige Narreteien ihm über viele trübe Stunden hinweggeholfen hatten. Er vermachte ihm zweihundert Gulden, die der getreue Kunz aber kaum mehr genoß, weil er seinem geliebten Herrn im gleichen Jahr im Tode folgte. Außerdem sollten im Reich, in Österreich und Burgund acht Spitäler eingerichtet und arme Leute darin versorgt werden. Der Kaiser dachte ausdrücklich an die Bergarbeiter aus Hallstatt und Gmunden, die dafür regelmäßig für ihn beten sollten. Durch überreiche Almosen und die ewigen Gebete der armen Leute hoffte der Kaiser, der Gnade Gottes teilhaftig zu werden. Werkheiligkeit in ihrer schönsten Form. Selbst an die Mahlzeiten für seine Spitalleute dachte der sterbende Kaiser und verordnete ihnen eine Art „Tee" mit Honig, Kranewittbeeren und Berberitzen, wie er ihn offenbar selbst gerne getrunken hatte. In jedem Spital sollte ein ehernes Standbild des Kaisers stehen. Auch seinem St. Georgsorden hatte er ein größeres Legat zugedacht. Außerdem empfahl Maximilian den Erben auch die Heimatvertriebenen aus Italien, vor allem seine Freunde und Parteigänger aus Mailand, die versorgt und wieder in ihre Rechte eingesetzt werden sollten. Zuletzt fielen dem Sterbenden auch seine besonderen Schätze ein — die Jagdgeräte, die Chroniken und die Bücher, die er gut verwahrt wissen wollte. Besonders nachdrücklich verfügte das Testament in einem Anhang vom 11. Jänner, daß alle Regenten, Hauptleute und Beamten, insbesondere der neue Hofrat bis zur Ankunft des neuen Landesfürsten in ihren Amtern bleiben sollten. Die Erhaltung des gesamtstaatlichen Verwaltungssystems im Reich und in seinen Ländern, das er in lebenslanger Arbeit aufgebaut und stets verbessert hatte, schien ihm besonders wichtig. Gerade dieser Artikel rief nach dem Tode des Kaisers den Widerstand der Landstände in die Schranken. Endlich, am 6. Jänner 1519, traf auch der Karthäuserprior Gregor Reisch am Krankenlager des Kaisers ein. „Du kommst eben zurecht, um mir in den Himmel zu helfen", begrüßte ihn der Kaiser. Nach wiederholter Beichte gab er ihm genaue, höchst sonderbare Anweisungen über die Behandlung seines Leichnams, wovon noch zu berichten sein wird. Am 7. Jänner empfing der Kaiser das Sakrament unter beiderlei Gestalt, wie es ihm als geweihtem Diakon und Kanoniker von Aachen zukam; und zwar mit solcher Demut, daß die anwesenden Hofleute tief ergriffen waren. Wahrscheinlich hätte der Todkranke mit seinem Kardinal-Minister noch gerne das Testament besprochen. Da Lang nicht mehr rechtzeitig erschien, unterzeichnete der Kaiser zunächst das Testament (10. Jänner); einen Tag später (11. Jänner) legte man dem Todkranken, da die Zeit drängte, auch
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jenen Nachtrag vor, der die Regierungsführung durch den neuen Hofrat und die Regimente bis zum Eintreffen des neuen Landesherrn verfügte, den er nur mehr mit einem dreieckigen Handzeichen zu fertigen vermochte. Die Landstände verdächtigten später diesen Zusatz — wahrscheinlich zu unrecht — als Fälschung und waren entschlossen, das ganze Testament, soweit es die neuen Behörden betraf, anzufechten. Am 11. Jänner 1519 empfing der Kaiser die letzte Ölung, was er als einen Abschied von aller weltlichen Verantwortung empfand. Er übergab dem Abt von Kremsmünster das Sekretsiegel, um sich aller irdischen Aufgaben zu entledigen und seine Gedanken ganz der Ewigkeit zuzuwenden. Er wünschte, nicht mehr als Kaiser angeredet zu werden, was so viel heißen sollte, als wolle er die Kaiserkrone nun zu Füßen der göttlichen Majestät niederlegen und wie ein armer Sünder dem ewigen Richter entgegengehen. Er bat die Umstehenden um Verzeihung, wenn er ihnen Unrecht getan haben sollte, und tröstete sie, daß ein Sterblicher eben sterben müsse. Jede Todesangst schien von ihm gewichen. Mit großer Heilsgewißheit und Seelenstärke näherte er sich dem dunklen T o r der Ewigkeit, dem großen Frieden, den er zeitlebens nie genossen hatte. Inzwischen wechselten Ohnmächten mit lichten Augenblicken. Nachmittags erschienen Vertreter der Landstände an seinem Krankenlager und gingen erschüttert fort. Weinend scharten sich die Hausleute, Herren und Diener, um sein Sterbebett. Ehe ihm ein letzter Schlag die Sprache nahm, flüsterte er gut vernehmlich: „Ich bin für diese Reise mit Gottes Gnade ganz gerüstet." Er behielt das Bewußtsein bis zuletzt und machte sich den Umstehenden durch Zeichen verständlich. Zur dritten Stunde nach Mitternacht hauchte der Kaiser, völlig erschöpft, ohne Todeskampf, „still wie ein Kind" sein Leben aus. Der Kaplan Waldner hatte „all sein T a g e keinen geduldigeren Menschen sterben sehen". Der Kaiser war tot, und alle Bande lösten sich. Es geschah vieles, was Mißtrauen erregte. Hofleute, Räte, Schreiber und Diener nahmen sich „Andenken" nach Belieben, wie es damals Brauch war. Man sperrte zwar zunächst die Siegel weg, ließ aber doch wieder Briefe schreiben und siegeln, was später den Verdacht der Stände noch bestärkte Inzwischen war Lang erschienen — wohl absichtlich erst nach dem Tod des Kaisers, um keine unangenehmen, letzten Wünsche für die Nachfolger entgegennehmen zu müssen. Nach einer kurzen Trauerrede teilte er mit, was das kaiserliche Testament über Begräbnis, Hofgesinde, Hofrat und Regiment verfügte. Manche zweifelten, ob die Landstände diese Verfügungen hinnehmen würden, meinten doch die Länder, das Recht zu haben, keinen Landesfürsten anzuerkennen, bevor er ihre Freiheiten beschworen habe. Prior Reisch hatte darüber zu wachen, daß der letzte Wille des Kaisers über die Beisetzung genau eingehalten werde. Maximilian hatte ein schlichtes Begräbnis gewünscht und genaue Anweisungen über die Behandlung seines Leichnams gegeben: Ein Unterhemd sollte seine Blößen verdecken — vielleicht um sein geheimes Leiden zu verhüllen? Es fiel auf, daß sich seine Haut
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bald nach dem Hinscheiden schwarz verfärbte — vielleicht eine Folge des Schlagflusses und des Blutaustrittes unter die Haut? Man redete, wie üblich, von Vergiftung, kam aber von diesem Verdacht bald wieder ab. Eine Balsamierung hatte sich der Kaiser verbeten und in einem grausamen Bedürfnis äußerster Verdemütigung angeordnet, daß ihm die Haupthaare abgeschnitten, die Zähne ausgebrochen, der Körper gegeißelt und mit Kalk und Asche bestreut werde. Von Sünden des Leibes geläutert, als Büßer wollte er dem ewigen Richter begegnen. Der Leichnam wurde für das Begräbnis in grobes Tuch eingenäht, dann in mattweißen Seidenstoff gehüllt, hierauf in schwarzen Damast und endlich in einen dreifachen weißen Stoff eingewickelt. Reisch gab dem Toten einen weißen Karthäuser-Rosenkranz in die Hand, legte ihm einige Reliquien bei, außerdem eine Rute und jenen kostbaren Lieblingsring, dem der Kaiser Wunderkraft zugeschrieben hatte. Auf die Brust legte man ein Bleitäfelchen mit dem Namen und dem Todestag. Man überschüttete den Leichnam mit Kalk und Asche; so wurde er in den mitgeführten doppelten Eichensarg gelegt. Der Tote wurde zunächst in der Burg offen aufgebahrt. Ein Welser Meister malte mit erschütterndem Naturalismus des Kaisers Totenbildnis — eines der ausdrucksvollsten, das die Porträtkunst kennt: das Haupt war von einer roten Kappe bedeckt, das Antlitz fahlgelb, die Augenlider zugedrückt, die Wangen tief eingefallen, die große Nase noch stärker hervortretend als zu Lebzeiten, der Mund, leicht geöffnet, zeigt die Reste der ausgebrochenen Zähne; die Brust ist mit einem Bahrtuch und dem roten Kreuz des Georgsordens bedeckt. So wurde der Kaiser durch drei Tage dem Volk gezeigt, damit man die Eitelkeit aller irdischen Herrschaft sehen könne. Nach vier Tagen überführte man den Leichnam in feierlichem Begängnis von der Burg zum Totengottesdienst in die nahe Pfarrkirche, wo der Hofkaplan Johann Faber seine bekannte Leichenrede hielt. Kardinal-Minister Lang folgte der Bahre „unter Weinen und Trauer". Er begrub mit dem Kaiser auch seine eigene Allmacht, denn die neuen Herrn — das sah er wohl — wollten von ihm nicht mehr viel wissen. Aber er hatte für sich bereits vorgesorgt. Ärmer war das Hofgesinde, die Kantorei und die Diener, die mittellos zurückblieben. Wer würde sie bezahlen? Kein Pfennig Geldes war vorhanden, und der Gründer eines Weltreiches mußte mit geborgtem Geld beigesetzt werden. Von Wels bewegte sich der Leichenzug, vom Hofstaat und einigen Ständeherren begleitet, durch die Dörfer und Städte Österreichs, allenthalben von betenden Volksmassen unter Glockengeläute eingeholt, nach Wien. Dort versammelte sich eben der niederösterreichische Landtag, der dem kaiserlichen Hofrat und dem Regiment den Gehorsam aufkündigte. Die Landstände schienen den Tod des Kaisers mit Erleichterung aufzunehmen. Von Wien ging es nach Wiener Neustadt, wo Maximilian am 3. Februar 1519 nach seinen besonderen Weisungen in der Georgskirche beigesetzt wurde; und zwar unter der linken Seite des Hochaltares, so daß der Priester
Die Totenklage Reichsinsignien
des kaiserlichen Hofdichters Richard Sbrulius. Aufbahrung Maximilians unter dem Katafalk. Die Verwandten betrauem den verstorbenen Kaiser. Holzschnitt des Titelblattes der Totenklage des Sbrulius (1519).
mit den Anonymer
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Krankheit, Tod und Hinterlassenschaft. Aufstand der österreichischen Länder
während der Lesung des Evangeliums gerade über der Brust des Toten stand und ihn zur Buße für seine Sünden täglich sozusagen mit Füßen trat. Aber es war nicht reine Demut: nur Heilige wurden unter Altären bestattet, und Karl V. äußerte später den gleichen Wunsch. Fliegende Blätter mit dem Holzschnittbild des Kaisers, Berichte und Totenklagen verbreiteten die Trauernachricht durch ganz Europa. Uberall gab es feierliche Totengottesdienste. Der Aberglaube wollte die merkwürdigsten Wunderzeichen gesehen haben, denn nach dem Volksglauben starb kein großer Kaiser, ohne daß sich die Natur auf das tiefste erschüttert zeigte. In der Sehnsucht weiterzuleben, hatte sich Maximilian bereits zu Lebzeiten ein Grabdenkmal nach seinen Ideen bestellt, denn „wer sich im Leben kein Gedächtnis macht, der hat auch nach dem Tode kein Gedächtnis und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen". Bald nach 1500 hatte er begonnen, sein Grab zu planen, und hat diese Arbeiten während der letzten Lebensjahre mit großer Ausdauer vorangetrieben, ohne sie vollenden zu können. Die Idee war offensichtlich der Künstlerphantasie des Kaisers entsprungen und wurde von bedeutenden Meistern durchgeplant. Mit eigener Hand korrigierte der Kaiser die „Visierungen". Der gesamte wissenschaftliche Stab, vor allem die Arbeiten der Genealogen, hatten der Grabmalplanung zu dienen. Konrad Peutinger hatte die wissenschaftliche Leitung. Aber der Eigensinn der Künstler, mehr noch der ständige Geldmangel verzögerten die Arbeiten, die beim Tod des Kaisers erst halb fertig waren. Erst nach Jahrzehnten konnten Kaiser Ferdinand I. und später Ferdinand von Tirol das Grabmal einigermaßen fertigstellen; allerdings etwas anders, als es Maximilian in seinem Testament bestimmt hatte. Man errichtete für die schweren Erzstandbilder eine eigene, fest fundierte Grabeskirche vor den Toren des alten Innsbruck und übergab sie der Obhut der Franziskaner. In der Mitte der Kirche steht das Hochgrab mit den 24 Marmorreliefs der wichtigsten Ereignisse aus dem Leben Maximilians. Die Tumba ist gekrönt von der Erzstatue des knieenden Kaisers. Das war eine ganz neue Auffassung. Ringsum stehen 28 große, Menschenmaß überragende Erzstandbilder der Vorfahren Maximilians, die sogenannten „schwarzen Mander": Heerkönige aus der Frühzeit und Sage, Römische und Deutsche Kaiser und Könige, österreichische Landesfürsten, große habsburgische Frauen, Könige, Fürsten und Heilige aus der kaiserlichen Sipp- und Magschaft, welche, mit Fakeln in der Hand, dem Verstorbenen symbolisch das Totengeleite geben. Die 21 Büsten römischer Imperatoren und die 23 Heiligenstatuetten, Reste eines viel größeren Gesamtplanes, stehen heute teils auf der Empore der Kirche, teils an anderen Orten. Generationen von Künstlern haben durch neunzig Jahre als Zeichner, Schnitzer, Bildhauer und Erzgießer an diesem Riesenwerk gearbeitet, darunter die ersten Meister ihrer Zeit wie Albrecht Dürer, Gilg Sesselschreiber, Jörg Kölderer, Peter Vischer, Veit Stoß, Stefan Godl, Peter Löffler, Leonhard Magt, Alexander Colin u. a. Unter diesen Standbildern sind Werke von überragender Qualität, aber auch andere, die eher durch kolossale Wucht, Dekor und handwerkliche Meisterschaft auf-
Der Tod in Wels. Das Testament
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fallen. Das Zusammenspiel so vieler Ideen und Künstler macht die Mannigfaltigkeit und den Reiz dieses Kunstwerkes. Die Gesamtanlage ist mit Recht das großartigste Kaisergrab des Abendlandes genannt worden (Oberhammer, Egg)· Das Innsbrucker Hochgrab steht bekanntlich leer; der Kaiser ruht, wie er es im letzten Testament bestimmte, in der St. Georgskirche zu Wiener Neustadt. Vieles ist anders geworden, als es der Kaiser geplant hatte. Von einem Hochgrab war im Testament nicht die Rede. Sein eigenes Standbild, das seines Vaters Friedrich und Karls des Großen sollten an der Stirnwand der Kirche stehen; Karl der Große als Symbol des christlichen Weltreiches und Friedrich III. als Symbol der Auferstehung des habsburgischen Hauses. Aber die Erben machten vieles anders. Wer nur einmal über die Idee dieses Grabmales nachgedacht hat, kann über die politische Ideenwelt Maximilians, zumal über die kaiserliche Idee der Wiederherstellung des Reiches der römischen Cäsaren und der deutschen Kaiser unter Führung des habsburgischen Hauses im Ernst nicht zweifeln. Dieses Grabmal, ein großartiges Denkmal seiner Reichsvorstellungen, wird das Gedächtnis des Kaisers unter den Menschen erhalten, so wie er es wünschte.
ιMaximilians Hinterlassenschaft. Unglaubliche Schulden. Aufstand der Landstände Maximilian hinterließ seinen Erben ein Weltreich: österreichisches und burgundisches Erbgut, das Erbe der spanischen Könige in Europa und Ubersee, das Maximilian den Enkeln, vielen Widerwärtigkeiten zum Trotz, teils erwerben, teils erhalten konnte. Karl durfte außerdem die Römische Kaiserkrone erwarten, nachdem die Wahl durch Maximilian bis ins Letzte vorbereitet worden war. Daß Ferdinand binnen kurzem auch Böhmen und Ungarn erben würde, konnte man noch nicht wissen. Dies alles, Idee und Wirklichkeit eines Weltreiches, hatte Maximilian vorbereitet, gegen viele Anfechtungen verteidigt und seinen Erben übergeben können. Für Ferdinand und Karl ging es um „die Behauptung der ererbten Macht" (Brandl). Maximilians Weltreichspolitik, welche die Mittel seiner österreichischen und burgundischen Länder weit überstieg, hinterließ „unglaubliche Schulden, einen Wald von Schulden". Der Kaiser hatte in seinem grimmigen Humor noch zu Lebzeiten eine Serie von Raitpfennigen prägen lassen, die den fatalen Aufdruck trugen: „Der hat selten gueten muet, der verloren schuld raiten tuet." Nach diesem Grundsatz wurde später mit den Gläubigern abgerechnet. Den NachlaßVerwaltern schwindelte beim Gedanken der Abzahlung. Die Beamten versuchten abzudanken, um sich der Verantwortung zu entziehen. Sogenannte „große Zeiten" haben stets einen hohen Preis. Auf dem Sterbebett war selbst der Kaiser beim Gedanken an die horrenden Schulden so beunruhigt, daß er, in Sorge um sein Seelenheil, im Te-
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Krankheit, Tod und Hinterlassenschaft. Aufstand der österreichischen Länder
stament nachdrücklich um deren Bezahlung bat, konnten doch die Erben nach altem Brauch mit dem Tod des Kaisers alle seine Verpflichtungen für erloschen erklären. Aber Ferdinand, in dieser Hinsicht wohl gewissenhafter als Karl, machte sich um die Schulden des Großvaters ernste Sorgen. Die Schuldenlast, die Karl und Ferdinand gemeinsam zu übernehmen hatten, mag sich um die sechs Millionen Gulden bewegt haben. Die genaue Summe wird sich nicht feststellen lassen. Wenn man das Durchschnittseinkommen aller österreichischen Länder für ein ganzes Jahr mit etwa 600.000 Gulden annimmt (in guten Jahren stieg es fast auf eine Million), so wären etwa zehn volle Jahreseinkommen vorweg verbraucht worden. Maximilian hatte, wie gesagt, Weltpolitik auf Borg betrieben. Was er nicht bezahlen konnte, wurde gegen Pfänder oder Anleihen auf die Schultern der nachfolgenden Generationen überwälzt. Schon bald nach seinem Tod begannen die Gläubiger die Hofkammer zu stürmen und ihrer Unzufriedenheit in öffentlichen Schmähungen Luft zu machen, obwohl es gerade Ferdinand an gutem Willen nicht fehlen ließ, „die Seele des verstorbenen Kaisers zu erlösen und seine Ehre zu retten". Eine gemischte Kommission sollte den Nachlaß teilen und die Grundsätze der Schuldentilgung festlegen. Man sagte, der Kommission seien die Augen übergegangen über die reichen Schätze, die man — ganz unerwartet — vorgefunden habe, die man aber nicht flüssig machen konnte. Den Kronschatz im engeren Sinn, Kronen, Insignien, Ornate etc., nahm Karl mit sich nach Spanien, wo sie später pietätlos versteigert und eingeschmolzen wurden, weil sie an Qualität mit dem Gold und Silber aus der Neuen Welt nicht verglichen werden konnten. Größere Sorgfalt erfuhr hingegen das literarische Erbe, das Ferdinand liebevoll sammeln und betreuen ließ. Größte Schwierigkeiten bereitete die Abzahlung der Schulden. Ferdinand beauftragte den Spanier Gabriel Salamanca, einen ungewöhnlich gerissenen „Finanzer", der als Ausländer keine Rücksichten zu nehmen brauchte, als allmächtigen Generalschatzmeister mit der Entschuldung des Staatshaushaltes. Er verfuhr mit den Gläubigern auf sehr brutale Weise: Forderungen, die nicht gründlich belegt werden konnten, wurden zurückgewiesen und die Summen, wo immer möglich, stark beschnitten. Sogar die Kurfürsten wurden um einen Teil ihrer Handsalben für die Kaiserwahl geprellt, was umso leichter war, weil sie damit nicht gut an die Öffentlichkeit gehen konnten; sie waren gewiß am wenigsten zu bedauern. Salamanca handelte, wie er glaubte, es sich leisten zu können: Reichsfürsten oder Geldmagnaten wie die Fugger konnten ihre Ansprüche meist durchsetzen; Kriegsleuten oder Beamten wurden ihre Forderungen ganz oder teilweise gestrichen. Am ärmsten waren die vielen kleinen Leute, die niederen Beamten und das entlassene Hofgesinde, die sich nicht wehren konnten. Aber auch die anerkannten Forderungen wurden mit schlechter Münze zurückbezahlt. Salamancas Entschuldung glich praktisch einem Konkursverfahren oder einer Art Staatsbankrott, wobei die meisten Gläubiger um einen Großteil ihrer Forderungen betrogen wurden.
Unglaubliche Schulden. Aufstand der Landstände
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Salamanca war mit rücksichtslosem Eifer bemüht, Ferdinand und Karl aus dem von Maximilian hinterlassenen Finanzchaos herauszuhelfen. Dafür ergoß sich eine Flut von Haß- und Schmähschriften über den „stinkenden, räudigen spanischen Juden", den man am liebsten „geschunden, gesotten und gebraten" hätte. Gewiß wird Salamanca als Konkursverwalter nicht zu kurz gekommen sein, aber Ferdinand bestätigte ihm immer wieder seine „leuchtend weiße Rechtlichkeit und einzigartige Treue". Er hat die schier unlösbare Aufgabe der Entschuldung übernommen, mit ebenso harten wie schäbigen Mitteln durchgeführt und es seinem Herrn erspart, sich selber zu beschmutzen. Ferdinand wußte offenbar, was er an ihm hatte. Obwohl er den Generalschatzmeister bereits 1525 der Volkswut opfern mußte, erhob er Salamanca in den Grafenstand und verlieh ihm die alte, reichsfreie Grafschaft Ottenburg in Kärnten, wo er sich später als Wohltäter seiner Untertanen und als milder Grundherr bewährte. Der schöne Renaissancepalast, den er sich in Spittal an der Drau errichtete, wurde nicht einmal nach ihm benannt. Das hinterlassene Finanzchaos war ein wesentlicher Anstoß für die folgenden Aufstände, die zunächst in Wien, dann auch in Tirol sich erhoben. Mit Recht klagten die österreichischen Landstände, daß sie die Kriege des Kaisers fast allein hätten bezahlen müssen, ohne daß die Reichsstände dazu wesentlich beitrugen. Die steuerliche Überlastung, zumal des armen Mannes, erzeugte immer größere Erregung; man forderte Steuergerechtigkeit und den Verzicht auf die schleichende Münzverschlechterung, welche die Regierung praktizierte, um ihre Schulden leichter zurückzuzahlen. Der Haß des Volkes richtete sich vorzüglich gegen die Beamten und das neue Regierungs- und Verwaltungssystem, das man mit dem Namen Salamanca gleichsetzte — nicht gegen den verstorbenen Kaiser, der es verstanden hatte, sein Bild und die dementia Austriaca in die Nähe der göttlichen Allgüte emporzuheben. Der Kaiser war noch nicht unter der Erde, als der Streit zwischen den landesfürstlichen Regimenten, den Landständen und dem Volk ausbrach. Die niederösterreichischen Stände erklärten die Bestimmungen des kaiserlichen Testamentes über die fortdauernde Regierungsgewalt des Hofrates und der Regimente als eine Fälschung des Hofklüngels und wollten die Beamtenherrschaft brechen. Für die Stände war mit dem T o d des Kaisers die landesfürstliche Gewalt erloschen; mit dem neuen Herrn gedachten sie, ihre Rechte neu zu regeln. Bis dahin wollten sie selbst regieren. Sie forderten Abschaffung des neuen Regimentes, aber dachten nicht daran, sich von ihrem angestammten Landesfürsten abzuwenden. Am unruhigsten verhielt sich Wien, wo die Landstände das kaiserliche Regiment vertrieben und eine neue Landesordnung forderten. Aber die Bauern des flachen Landes und die Kleinbürger hatten andere Sorgen; sie hielten nicht mit den oberen Ständen, was dem Aufstand alle Stoßkraft nahm und ihn ungefährlich machte. Etwas besser war die Lage in Innerösterreich, wo auch der Adel wegen dem erst jüngst überstandenen Bauernkrieg und wegen der Türkengefahr mit dem Umsturz nichts zu tun haben wollte, während die Bauern seit 1515 so
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Krankheit, Tod und Hinterlassenschaft. Aufstand der österreichischen Länder
völlig darniederlagen, daß sie sich nicht mehr rühren konnten. In Tirol und in den Vorlanden hingegen erhob sich da und dort wiederum der Bundschuh. Die Bauern begannen, das maßlos überhegte Wild abzuschießen, „weil ihnen der Kaiser auf dem Sterbebett das Wild vermacht habe". Allzu geschäftige Beamte wurden öffentlich verdroschen. Aber das Innsbrucker Regiment konnte sich doch halten und die Bewegung allmählich in ruhigere Bahnen zurücklenken. Die niederösterreichischen Stände dagegen konnten das rechte M a ß nicht so rasch wiederfinden. Sie beschimpften ihren Standesgenossen Herberstein, der als Gesandter zu Karl V. nach Spanien gegangen war, als unterwürfigen Höfling, weil er sich von ihren anmaßenden Sprüchen zu unterscheiden wünschte. Als Karls Huldigungskommissare erschienen, verweigerte man ihnen sogar die Erbhuldigung, was als offene Rebellion angesehen werden mußte. Aber zu einem Zusammenschluß zwischen unzufriedenen Adeligen, Bürgern und Bauern, der dem Landesfürsten hätte gefährlich werden können, ist es nirgends gekommen. Nun erschien Ferdinand im Land, machte den Ständehäuptern den Prozeß und schickte die Anführer — zwei adelige Ständeherrn und sechs Wiener Großbürger — auf das Schafott. Im Wiener Neustädter Blutgericht (1522) offenbarte sich der Zusammenprall der straffen neuen Ordnung, wie sie Maximilian begründet hatte, und der feudal-freiherrlichen Ordnung der alten Zeit, wie sie die Landstände verfochten. Der Fortschritt stand — bei allen offensichtlichen Mängeln — auf Seiten des Landesfürsten, seiner Beamten und des neuen Verwaltungssystems. Der Neubau des inneren Einrichtungswerkes ist kaum geringer einzuschätzen als die äußeren Gründungen des Kaisers. Maximilian hatte das Reich der Cäsaren, der Karolinger, Ottonen und Staufer erneuern wollen. Tatsächlich begründete er den habsburgischen Universaldominat und legte die Fundamente des Hauses Osterreich im Donauraum, in Burgund und Spanien; es wurde seine große „Unvollendete". Maximilians Ideo-Realismus wußte Utopien und politischen Realismus auf seltsame Weise zu verbinden. Wenn sich Utopien auch niemals ganz verwirklichen, so bringen sie doch meist große Veränderungen hervor. Maximilian begründete zwar das Jahrhundert des Hauses Osterreich, aber die fernere Zukunft gehörte nicht dem habsburgischen Universalismus, sondern der nationalstaatlichen und konfessionellen Auflösung. Dennoch hatten beide Zeitalter, die einander im Sinne von These und Antithese folgten, ihren geschichtlichen Sinn. Im Wechselspiel von Idee und Wirklichkeit vollzieht sich die Geschichte. Ein Regierungswerk wird vor allem an dem Reichtum an guten Ideen zu messen sein, am Ausmaß ihrer Verwirklichung und nach ihrem Wert für die Nachwelt.
ZEITTAFEL Folgende Zeittafel soll die verworrene Ereignisgeschichte, welche die ganze damals bekannte Welt umfaßt, durch möglichst genaue Daten des chronologischen Ablaufes ergänzen. 1459
März 22: Maximilian wird in Wiener Neustadt geboren.
1462
Oktober—Dezember: Bruderzwist Friedrichs III. mit Albrecht VI. Belagerung des Kaisers und seiner Familie in der Wiener Burg.
1463
Juli 19—24 O d e n b u r g - W i e n e r Neustadt: Vertrag Friedrichs III. mit Matthias Corvinus; dieser wird als König von Ungarn anerkannt, der Kaiser behält sich den Titel eines K ö nigs von Ungarn auf Lebenszeit vor. Dezember 2: Erzherzog Albrecht VI. stirbt.
1465
März 16 Wiener Neustadt: Geburt der Schwester Maximilians, Erzherzogin Kunigunde.
1466
Oktober 19: 2. T h o r n e r Friede. Der Deutsche Orden muß Westpreußen an Polen abtreten und die polnische Lehenshoheit anerkennen.
1467
September 3 Wiener Neustadt: Kaiserin Eleonore, Maximilians Mutter, stirbt.
1467—1468: Errichtung des St. Georgs-Ordens. 1473
September 28—November 25 Trier: Zusammenkunft Kaiser Friedrichs III. mit Herzog Karl dem Kühnen von Burgund. 1474—1475: Karl der Kühne belagert Neuß. Sein Angriff gegen die Rheinlande scheitert; er vereinbart mit Friedrich III. eine Heirat Maximilians mit Maria von Burgund. Maximilian weilt inzwischen als Gast des Bischofs von Augsburg in Dillingen, wo er die Jagd erlernt. 1476
Mai 6 Lausanne: Karl der Kühne bestätigt die Heiratsabrede zwischen Maximilian und Maria von Burgund.
1477
Jänner 5 Nancy: Karl der Kühne fällt in der Schlacht gegen den Herzog von Lothringen und die Eidgenossen. Ausbruch der burgundischen Staatskrise. Februar 11 Gent: Herzogin Maria von Burgund muß den burgundischen Ständen das „Große Privileg" gewähren, wodurch das zentralistische System Karls des Kühnen preisgegeben wird. Französischer Vormarsch gegen die burgundischen Grenzländer. August 19 Gent: Maximilians Vermählung mit Maria von Burgund. Maximilian lehnt das G r o ß e Privileg ab.
1 4 7 7 — 1 4 8 9 : Burgundischer Erbfolgekrieg zwischen Maximilian, dem König von Frankreich und den niederländischen Ständen. Die Franzosen besetzen das Herzogtum Burgund, die Freigrafschaft und die südlichen Grenzländer. 1478
April 19 Graz: Kaiser Friedrich III. beurkundet die Belehnung Maximilians und dessen Gemahlin Maria mit dem Herzogtum Geldern und der Grafschaft Zutphen. Juni 22 Brügge: Geburt Erzherzog Philipps.
1479
August 7 Guinegate: Maximilian besiegt die in die Niederlande einfallenden Franzosen.
1480
Jänner 10 Brüssel: Geburt Erzherzogin Margarethes. August 5 Brüssel: Heiratsvertrag zwischen Erzherzog Philipp und Anna von England. Enges Bündnis zwischen Burgund und England. 1 4 8 0 — 1 4 8 1 : Maximilians Feldzüge gegen Franzosen und niederländische Rebellen in Artois, Hennegau, Flandern, Holland, Seeland, Utrecht, Namur, Lüttich, Luxemburg und Geldern. 1482
März 27 Brügge: T o d Marias von Burgund nach einem Jagdunfall. Die Stände fordern die Vormundschaft über Erzherzog Philipp. Die flandrischen Städte verbünden sich mit Frankreich. Philipp und Margarethe in Gewahrsam von Gent. Dezember 23 Arras: Friede zwischen Maximilian und Ludwig X I . von Frankreich. Verlobung Erzherzogin Margarethes mit Karl (VIII.). Große altburgundische Gebiete (Herzogtum Burgund) müssen als Heiratsgut an Frankreich abgetreten werden. Streit um die
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Zeittafel Vormundschaft über Erzherzog Philipp geht weiter. Die Aufstände in Flandern, Seeland und Utrecht etc. werden von Frankreich unterstützt.
1483
Fel^züge Maximilians gegen die Rebellen in Lüttich, Utrecht und gegen Kleve. Er läßt den ^Bürgermeister von Antwerpen enthaupten. August 30: König Ludwig XI. von Frankreich stirbt.
1484
Der große Aufstand in Flandern, Gent und Brügge wird von Frankreich unterstützt. Schwere Kämpfe um Oudenaarde, Dendermonde und Brüssel.
1485
Maximilian rückt mit einem starken Landsknechtheer gegen Brügge und Gent vor. Juni 1: Wien ergibt sich dem König Matthias von Ungarn, der dort seine Residenz aufschlägt. Weite Teile Österreichs, der Steiermark, Kärntens und Krains werden von den Ungarn besetzt. Juni 25: Maximilian erobert Brügge. Juli 7 Gent: Maximilian zieht mit seinen Landsknechten in das unterworfene Gent ein. Genter Aufstand und strenges Blutgericht. Juli 21: Zweiter Genter Friede. Endgültige Unterwerfung. Entzug aller städtischen Privilegien. Maximilian wird als Regent und Vormund Philipps anerkannt. Vorbereitung der deutschen Königswahl.
1486
Februar 16 Frankfurt am Main: Wahl Maximilians I. zum Römischen König mit Unterstützung seines Vaters. März 15: Bündnis Maximilians mit Franz II. von der Bretagne gegen den Versuch Frankreichs, die Bretagne zu erobern. März 17 Frankfurt: Kaiser Friedrich III. verkündet einen Landfrieden auf zehn Jahre. April 9 Aachen: Maximilian wird zum Römischen König gekrönt. Rückkehr Maximilians in die Niederlande und Fortgang des Krieges in Flandern, Artois und Holland. Juli Regensburg: Herzog Albrecht von Bayern - München besetzt die Reichsstadt Regensburg.
1487
Jänner 2 Innsbruck: Erzherzog Sigmund von Tirol vermittelt gegen den Willen Friedrichs III. die Vermählung Kunigundes mit Herzog Albrecht IV. von Bayern-München. Bayerische Erwerbungspläne in Tirol und in den österreichischen Vorlanden. Jänner 28 Innsbruck: Erzherzog Sigmund verschreibt dem Herzog Albrecht von BayernMünchen 100.000 Gulden auf die Grafschaft Tirol und die Vorlande für den Fall seines Todes. — Kaiser Friedrich III. greift ein und zwingt Sigmund zum Widerruf der bayerischen Verschreibungen. Juli 19: Erzherzog Sigmund verpfändet Teile Vorderösterreichs an die Herzoge Albrecht von Bayern - München und Georg von Bayern - Landshut. Juli 28 Bethune: Sieg der Franzosen über das burgundische Heer. Gefangennahme Karls von Geldern, der fortan gegen die Habsburger eingesetzt wird. Neue Aufstände der flandrischen Städte, Gent, Brügge und Ypern werden von Frankreich unterstützt. August 17: Die Ungarn erobern Wiener Neustadt.
1488
Februar 1 — Mai 16 Brügge: Maximilian wird von den Bürgern gefangengenommen und durch vierzehn Wochen in verschiedenen Gefängnissen festgehalten. Blutherrschaft in Brügge und Gent. Februar 14 Esslingen: Gründung des Schwäbischen Bundes gegen die Eidgenossen, Bayern und Franzosen unter Führung des Kaisers. Mai—Oktober: Kaiser Friedrich III. rückt mit einem Reichsheer zur Befreiung Maximilians in die Niederlande ein. Mai 12—16 Brügge: Maximilian wird über Forderung des Kaisers freigegeben. Friede mit den flandrischen Städten. Maximilian schwört Urfehde. Ein Fürstengericht erklärt diesen Frieden für nichtig. Reichskrieg gegen Flandern. Maximilians Feldzug in Holland und Seeland. Juli 27 St. Aubin: Niederlage der Bretonen und Engländer gegen die Franzosen.
1489
Jänner: Maximilian gerät in der holländischen Binnensee bei Sperdam in lebensgefährliche Seenot. Florian Waldaufs Gelübde.
Zeittafel
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März: Maximilian kehrt ins Reich zurück und überläßt die Führung des niederländischen Krieges dem Herzog Albrecht von Sachsen. Juli 22 Frankfurt: Friede zwischen Maximilian und Karl VIII. Friedensbemühungen des Kardinals Peraudi zur Vorbereitung eines gesamtchristlichen Kreuzzuges gegen die Türken. Oktober 30 Montils-lez-Tours: Friede zwischen Maximilian und den flandrischen Städten über Vermittlung Karls VIII. — Philipp von Kleve setzt den Krieg fort, den erst Albrecht von Sachsen durch Unterwerfung der flandrischen Städte beendet. 1490
März 16 Innsbruck: Erzherzog Sigmund übergibt Tirol und die Vorlande an Maximilian. — Einrichtung des Regimentes und der Raitkammer in Innsbruck für Tirol und die Vorlande. April 6 Wien: König Matthias Corvinus stirbt. Maximilian bewirbt sich vergebens um die Krone Ungarns. April—Juni Rom: Papst Innozenz VIII. beruft einen Kongreß der christlichen Mächte zur Vorbereitung eines Kreuzzugs nach Rom; drei christliche Heeresgruppen sollen in drei Jahren unter Führung des Kaisers den Balkan befreien, Konstantinopel, Ägypten und Jerusalem erobern. Juli 15: König Wladislaw Jagiello von Böhmen wird gegen Maximilian zum König von Ungarn gewählt. August 16 Moskau: Bündnis Maximilians mit Großfürst Ivan III. gegen die Jagiellonen zur Erwerbung Ungarns. August 16—19: Maximilian erobert Wiener Neustadt und Wien zurück und zwingt die Ungarn, die besetzten österreichischen Gebiete zu räumen. September 11: Maximilian schließt ein Schutz- und Trutzbündnis mit England gegen Frankreich (zum Schutz der Bretagne). September—Dezember: Maximilians Feldzug gegen Ungarn. November 17: Maximilian erobert Stuhlweißenburg, das die Landsknechte durch mehrere T a g e plündern. Der Vormarsch gegen Ofen muß abgebrochen werden. Dezember 19 Rennes: Heirat Maximilians mit Anna von der Bretagne durch Stellvertretung. — Französischer Feldzug gegen die Bretagne.
1491
Februar 28: Maximilian setzt in Innsbruck ein vierköpfiges Kammerkollegium ein, das zusammen mit dem Regiment die Finanzen verwaltet. März—Juni Nürnberg: Reichstagshandlungen. Maximilian wirbt um Kriegshilfe und stellt Reformen in Aussicht. April 22 Nürnberg: Maximilian bestätigt das Schutz- und Trutzbündnis mit dem Großfürsten Ivan III. von Moskau gegen die Jagiellonen in Polen, Böhmen und Ungarn. August 11 Nürnberg: Maximilian setzt einen Generalschatzmeister für das Reich und die österreichischen Länder ein. November 7 Preßburg: Friedensschluß zwischen Maximilian und dem König von Ungarn. Die habsburgische Erbfolge in Ungarn und Böhmen wird für den Fall der Kinderlosigkeit Wladislaws zugestanden; Maximilian erhält das Recht, sofort den Titel eines Königs von Ungarn anzunehmen, und 100.000 Gulden Kriegsentschädigung. November 15 Rennes: Anna von der Bretagne ergibt sich dem König von Frankreich und vereinbart mit ihm die Heirat; man spricht vom sogenannten „Bretonischen Brautraub". Dezember 6 Langeais: Karl VIII. heiratet Anna von der Bretagne und verstößt seine Verlobte Erzherzogin Margarethe. Ausbruch des Bretonischen Krieges (1491—93). Die schweren Kämpfe in den Niederlanden dauern an.
1492
Februar—Mai: Bauernaufstände des „Brot- und Käsevolks" in Westfriesland. Karl von Egmont erneuert den Krieg gegen Maximilian in Geldern. Mai 25 Augsburg: Maximilian vermittelt die Versöhnung Friedrichs III. mit Herzog Albrecht von Bayern - München. Juli 29: Friedensvertrag von Cadzand; Gent unterwirft sich entgültig. September—Oktober: Reichstag zu Koblenz; Kaiser und Reich lehnen Unterstützung Maximilians gegen Frankreich ab.
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Zeittafel Oktober 12: Christoph Columbus erreicht die mittelamerikanischen Inseln. November 7 Ensisheim: Ein gewaltiger Meteorit (Donnerstein von Ensisheim) fällt vom Himmel und wird von Maximilian als Fingerzeig Gottes für künftiges Kriegsglück gedeutet; er beginnt den Feldzug gegen Frankreich in der Freigrafschaft Burgund.
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Jänner 19 Salins: Sieg Maximilians über die Franzosen und Rückeroberung der Freigrafschaft Burgund. Mai 23 Senlis: Friedensschluß zwischen Maximilian und Karl VIII. Erzherzogin Margarethe und ein Teil ihrer Mitgift wird dem Vater zurückgestellt, das Herzogtum Burgund jedoch zurückbehalten. Die „Brautraubgeschichte" wird bereinigt. Der Krieg in Geldern geht weiter. August 19 Linz: Kaiser Friedrich III. stirbt. September 9 Mokritz: Die T ü r k e n vernichten das kroatische Aufgebot („Kroatenschlacht") und stoßen gegen die Untersteiermark vor. September—Dezember: Maximilians Zug gegen die Türken, welche Krain und die Untersteiermark überfielen; er bereitet zum Schutz der südöstlichen Erbländer die „Militärgrenze" vor. November 20 Mailand: Maximilian heiratet Bianca Maria Sforza von Mailand durch Stellvertretung. Dezember 7 Wien: Feierliches Begräbnis Kaiser Friedrichs III. in St. Stephan. — Beginn der Verwaltungsreformen in Wien und in den niederösterreichischen Ländern. Einrichtung eines Regiments und einer Raitkammer in Wien. Dezember—Februar 1494 Wien: Maximilian führt mit den Vertretern der christlichen Mächte (besonders Venedig) Verhandlungen über die Vorbereitung eines Kreuzzuges.
1494
März 16 Innsbruck: Maximilian feiert mit Bianca Maria feierliche Vermählung. Er zieht anschließend ins Reich und in die Niederlande; verleiht fällige Lehen, hält Gericht, gebietet Frieden etc. April 20 Kempten: Maximilian empfängt vom Papst den geweihten H u t und das Schwert für den geplanten Kreuzzug. Mai 10 Kempten: Maximilian verlängert den zehnjährigen Landfrieden von 1486 um weitere drei Jahre bis 1499. August 18 Grave: Vergleich zwischen Maximilian und Karl von Geldern; die Kurfürsten sollen den Streit um Geldern entscheiden. August: Karl VIII. übersteigt die Alpen und eröffnet seinen Italienzug über Mailand, Florenz und Rom gegen Neapel. August—September: Maximilian entläßt Erzherzog Philipp aus der Vormundschaft und übergibt ihm die Niederlande. Neue burgundische Regiments- und Hofordnung. November 15 Antwerpen: Maximilian fordert alle christlichen Fürsten zum Eintritt in die St. Georgs-Bruderschaft und zum Kreuzzug gegen die Türken auf. November 24 Antwerpen: Maximilian beruft den Wormser Reichstag „zur Rettung Italiens". November 30 Antwerpen: Maximilian und Erzherzog Philipp verpflichten sich zu Rückzahlung der schuldigen 300.823 Gulden Darlehen an Albrecht von Sachsen („Sachsenschulden" aus den niederländischen Kriegen). Dezember 31 Rom: Karl VIII. zieht in Rom ein.
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Jänner 20 Antwerpen: Maximilian schließt mit dem spanischen Sondergesandten den Vorvertrag für die österreichisch-spanische Doppelheirat. Jänner 24 Mecheln: Der Prätendent Perkin Warbeck, der „falsche York", verschreibt f ü r den Fall seines Todes Maximilian seine Anrechte auf England, Schottland und Frankreich. Februar 22: Karl VIII. zieht in Neapel ein. März 26—August 8: Wormser Reformreichstag. März 31 Venedig: Abschluß der Heiligen Liga zwischen Papst, Maximilian, Spanien, Venedig und Mailand gegen Karl VIII. zur Vertreibung der Franzosen aus Italien. — Widerstand der Reichsstände gegen diese Politik.
Zeittafel
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April 5 Worms: Maximilian verleiht H e r z o g Ludovico Sforza den Lehensbrief f ü r das H e r z o g t u m Mailand. Mai 26 Mailand: Maximilians Gesandte investieren H e r z o g Ludovico Sforza feierlich mit dem H e r z o g t u m Mailand. Juni—Juli Kent: D e r falsche York (Perkin Warbeck) landet an der englischen Küste, um Maximilian zu unterstützen, und wird zurückgeschlagen. August 7 Worms: Reformgesetze über ewigen Landfrieden, Kammergericht, Gemeinen Pfennig und Reichsregiment ( = H a n d h a b u n g ) . Scharfe Gegensätze zwischen Maximilian und Erzkanzler Berthold. M a i — O k t o b e r : Rückzug Karls VIII. und der Franzosen aus Italien. Bedrohung des H e r zogs von Mailand. Krieg um Novara. O k t o b e r 10 Vercelli: Sonderfriede Ludovico M o r o s mit dem König von Frankreich. November 5 Mecheln: Hauptvertrag der österreichisch-spanischen Doppelheirat zwischen Erzherzog Philipp und Infantin Juana von Spanien und zwischen Infanten Juan und Erzherzogin Margarethe perprocuram. 1496
1497
Jänner 3 Nördlingen und Ulldecona: Maximilian und die spanischen Könige ratifizieren am gleichen T a g alle vorbereitenden und vollziehenden Verträge der österreichisch-spanischen Doppelheirat. M ä r z 4 Innsbruck: Erzherzog Sigmund von Tirol stirbt. Mai 17 Venedig: Die Signorie beschließt einen Subsidienvertrag mit Maximilian und Mailand zur Sicherung Italiens gegen Frankreich (96.000 Dukaten). Mai 27 Ulm: Maximilian trifft mit Erzherzog Philipp zusammen (Verhandlungen über Geldern, die spanische Heirat und Kriegshilfe f ü r Italien). Juli 20—21 Mals und Glums: Z u s a m m e n k u n f t Maximilians mit Ludovico M o r o und den Gesandten des Papstes, Venedigs, Spaniens u. a. Besprechungen über den gemeinsamen Krieg gegen die Franzosen in Italien. Der „große Plan" zur Vernichtung Frankreichs. Juli—August Innsbruck: Einrichtung der Schatzkammer in Innsbruck f ü r alle österreichischen Länder. August 2—1497 Februar 9: Reichstag zu Lindau. Einmütiger Widerstand der Stände gegen Maximilians Italienpolitik. Zurückhaltung des Gemeinen Pfennigs. August—Dezember: Maximilians Italienzug. D e r Reichstag verweigert ihm jede Hilfe. September 1—20 Meda-Vigevano: Verhandlungen Maximilians mit der Liga. Der Papst und Venedig rücken von Maximilian offensichtlich ab. O k t o b e r 20 Lierre: Erzherzog Philipp vollzieht nach kirchlicher Einsegnung die Heirat mit J u a n a von Spanien. September—November: Flottenrüstungen in Genua und Ü b e r f a h r t nach Pisa. Maximilian belagert Livorno zu Land und zur See. Zurückhaltung der Verbündeten. Schwere Stürme vereiteln jeden Erfolg. Dezember: Maximilian zieht aus Italien nach Tirol zurück. D e r Engländer J o h n Cabot erreicht Labrador und damit das amerikanische Festland. Jänner 5 Lindau: Einung der deutschen Fürsten und Stände gegen Maximilian. Reichsständische Widerstandsartikel. Februar 8 Lindau: Maximilian läßt im Reichstag eine Anklageschrift gegen die Haltung der Stände während seines Italienzuges verlesen. Februar 9 Lindau: D e r Reichsabschied verspricht (nach vielen Verzögerungen) den Gemeinen Pfennig einzusammeln. M ä r z 7: Maximilian b e r u f t den deutschen Erzhumanisten Konrad Celtis an die Universität Wien. April 3 Burgos: Infant Juan von Spanien vollzieht nach kirchlicher Einsegnung die Heirat mit Erzherzogin Margarethe von Osterreich. April 24—August 23 Worms: Zweiter Wormser Reichstag. Leerlauf und Verzögerung des Gemeinen Pfennigs. Proteste der Eidgenossen gegen das Kammergericht und dessen Vorgehen gegen St. Gallen und Appenzell.
394
Zeittafel Juni—Juli: Fehde des Erzbischofs Johann von Trier gegen die Stadt Boppard ohne Rücksicht auf Landfrieden, Kammergericht und Reichstag. Juli 24 Stams: Maximilian empfängt eine türkische Gesandtschaft und vereinbart einen längeren Waffenstillstand mit der H o h e n Pforte. Oktober 4: Infant Juan, Gemahl Erzherzogin Margarethes, stirbt kinderlos. 1497 Oktober—1498 September: Reichstag zu Freiburg. 1497 Dezember 13—1498 Februar 13 Innsbruck: Maximilian richtet in Konkurrenz mit den bestehenden Reichsbehörden selbstherrlich seine H o f - und Staatsordnung (Hofrat, H o f k a m m e r und Hofkanzlei) ein; Kurfürst Friedrich von Sachsen wird Statthalter und Herzog Georg von Bayern Hofmeister.
1498
Jänner 6 Innsbruck: Maximilian wünscht ein Heiratsbündnis seiner Tochter Margarethe mit Savoyen; desgleichen eine Mailänder Heirat mit Savoyen zur Sicherung Italiens gegen die Franzosen. April 7 Amboise: Karl VIII. stirbt. Ludwig XII. folgt ihm nach und heiratet die Witwe des Vorgängers, Anna von der Bretagne. Maximilian möchte Frankreich überfallen und sammelt Truppen im Elsaß. Die Liga verweigert die Hilfe und wendet sich allmählich von Maximilian ab. Mai 20: Vasco da Gama entdeckt den Seeweg nach Ostindien und erreicht „Kalikutt". Juli—August: Scharfe Auseinandersetzungen des Königs mit dem Freiburger Reichstag wegen der Reichssteuer. Maximilian fordert Kriegshilfe gegen Franzosen und Türken. Juli—Oktober: Feldzug in die Champagne (Waffenstillstand vom 15. Oktober). August 2 Paris: Erzherzog Philipp macht mit Frankreich einen Sonderfrieden, leistet den Lehenseid für Flandern und verzichtet auf das Herzogtum Burgund. September 4 Freiburg: Der Reichsabschied bereitet den Entscheidungskampf um das Reichsregiment vor. Oktober—1499: Maximilian führt den Krieg gegen Geldern weiter.
1499
Jänner—September: Schweizer- oder Schwabenkrieg. Die Schweizer lehnen die Wormser Reichsreform und das Vorgehen des Kammergerichtes gegen St. Gallen und Appenzell ab. Niederlagen der Reichstruppen bei H a r d , Schwaderloch, Frastanz, Calven und Dorneck. Das Reichsaufgebot versagt. April 15 Blois: Ludwig XII. verbündet sich mit Venedig und den Eidgenossen gegen Maximilian und Mailand. September 17: Die Franzosen erobern Mailand und vertreiben Ludovico Moro. September 22 Basel: Friede zwischen Maximilian und den Eidgenossen; sie lösen sich vom Reich. Die Niederlage des Reiches entscheidet das Schicksal Mailands. Dezember 24 Innsbruck: Endgültige Einrichtung des oberösterreichischen Regiments und der Raitkammer in Innsbruck.
1500
Februar 5: Ludovico Moro erobert Mailand zurück. Februar 24 Gent: Geburt Karls (V.), der nach dem Hinscheiden aller spanischen T h r o n anwärter als Alleinerbe der spanisch-habsburgischen Länder übrigbleibt. April—September: Reichstag zu Augsburg lehnt jede Hilfe für Mailand gegen Frankreich ab. April 10 Mailand: Ludovico M o r o gerät durch Verrat in französische Gefangenschaft. Ludwig XII. erobert Mailand. April 12 Lienz: Leonhard, der letzte Graf von Görz, stirbt. Seine Herrschaften im Pustertal, Oberkärnten, Görz und Friaul gehen kraft Erbvertrags an Maximilian über. Der habsburgische Länderbesitz in den Alpen ist damit territorial geschlossen und ein neuer Stützpunkt in Italien wird gewonnen. April: Der Portugiese Pedro Alvarez Cabral entdeckt Brasilien. Juli 2 Augsburg: Die Augsburger Regiments- und Steuerordnung verdrängt Maximilian fast ganz aus der Reichsregierung. Scharfe Auseinandersetzungen zwischen König und Reichsständen. Unheilbarer Bruch mit Erzkanzler Berthold. Juli 14: Ludwig XII. schließt ein Bündnis mit den jagiellonischen Königen in Böhmen, Ungarn, Polen und Litauen zur Einkreisung Maximilians und des Reiches.
Zeittafel
395
August: Die T ü r k e n e r ö f f n e n den Großangriff gegen Venedig in der Adria und erobern Lepanto, M o d o n und Koron. September 10 Augsburg: D e r Augsburger Reichsabschied vollendet die Entmachtung des Königs im Reich. Umsturz der bisherigen Reichsverfassung. September 16: Beginn des Nürnberger Reichsregiments. Maximilians H o f - und Staatso r d n u n g von 1497/98 ist f ü r das Reich nicht mehr zuständig. Der König verläßt verstimmt Nürnberg. Die Augsburger Steuer- und Kriegsordnung wird vom Nürnberger Regiment nicht durchgeführt. O k t o b e r 5 Rom: Papst Alexander VI. gewährt einen Jubiläumsablaß, der zur G ä n z e dem T ü r k e n k r i e g zugewendet werden soll, und schickt Kreuzzugslegaten zu allen christlichen Mächten. November 11 Granada: Ludwig XII. von Frankreich und Ferdinand von Aragon schließen einen Geheimvertrag über die Teilung des Königreiches Neapel. D e z e m b e r 13 Blois: Eine Reichsgesandtschaft schließt mit Ludwig XII. Waffenstillstand, den Maximilian ablehnt, weil die Reichsinteressen in Italien nicht gewahrt sind. 1501
Die Reichsstadt Basel schließt sich den Eidgenossen an. März—April: Regimentsordnung f ü r die niederösterreichischen Länder (Entwurf?). Juni 17: König Johann Albrecht von Polen stirbt. Alexander von Litauen folgt als König von Polen nach (1501 — 1506). Juli 30 Ulm: T ü r k e n m a h n u n g des Kreuzzugslegaten, Kardinal Peraudi, an die Reichsstände; dessen Türkenpredigten und Kreuzzugsablaß. Berthold stimmt den Legaten f ü r das Reichsregiment und gegen Maximilian. August 10 Lyon: Heiratsvertrag zwischen Karl (V.) und Prinzessin Claudia von Frankreich. August 28 Innsbruck: Oberösterreichischer Finanzvertrag mit Jörg Gossembrot zur Sanierung der Finanzen in Tirol und in den Vorlanden. September 11 Nürnberg: Peraudis Ablaßvertrag mit dem Reichsregiment wird von Maximilian abgelehnt. Berthold möchte mit den Kreuzzugsgeldern das Regiment und das Kammergericht bezahlen. September 28 Augsburg: H e r z o g Rene von Lothringen erklärt: sein H e r z o g t u m ist seit Jahrhunderten von jedem Gerichtszwang des Reiches frei; man soll es nicht vor das Kammergericht laden. O k t o b e r 13 Trient: Vorfriede zwischen Maximilian und Ludwig XII. (Heiratsplan Karls mit Claudia; Maximilian verspricht Ludwig XII. die Belehnung mit Mailand). O k t o b e r 31 Bozen: Maximilian stiftet neben der Universität Wien das Collegium poetarum et mathematicorum. November—Dezember: E r z h e r z o g Philipp und Juana reisen durch Frankreich nach Spanien (Heiratsverhandlungen mit Ludwig XII.). Dezember 3 Genf: Erzherzogin Margarethe vermählt sich mit H e r z o g Philibert von Savoyen. Dezember 13 Blois: Erzherzog Philipp macht dem König von Frankreich so große politische Zugeständnisse, daß sie Maximilian nicht bestätigt, weil sie über den Trienter Vertrag hinausgehen.
1502
Erste Erwähnung der Grabmalpläne Maximilians und Beginn der Arbeiten. Erste Erwähnung des Freydal. Jänner 3 Innsbruck: Finanzvertrag mit Jörg Gossembrot zur Sanierung der niederösterreichischen Länder. Jänner 16 Innsbruck: Maximilian bietet das Reich zum Kreuzzug auf und fordert d a f ü r Peraudis Ablaßgelder. Februar 25 Innsbruck: N e u e Regimentsordnung f ü r die niederösterreichischen Länder. Februar—März: Maximilian lehnt die Bestätigung des Vorfriedens von Trient ab. Neuerlicher Bruch Maximilians mit Frankreich wegen Italien. Rivalitäten zwischen Frankreich und Spanien um Neapel. Maximilian unterstützt Spanien in Unteritalien. Er verkündet den Kreuzzug und will unter diesem Titel nach Italien ziehen.
396
Zeittafel M ä r z 21: Maximilian fordert Erzkanzler Berthold das Reichssiegel ab und löst das N ü r n berger Reichsregiment auf, das völlig versagt hat. Maximilian stellt sein eigenes Reichsregiment ( H o f r a t ) und Kammergericht allmählich wieder her. M ä r z 24 Blois: Heiratsvertrag zwischen Wladislaw von U n g a r n und der französischen Prinzessin Anna von Candale. Mai 22 Toledo: Die Cortes huldigen Juana und Erzherzog Philipp. Reise des Prinzenpaares durch Spanien. Juni 30 Gelnhausen: Die Kurfürsten unter Führung Bertholds schließen ein Schutz- und Trutzbündnis gegen Maximilian. Maximilians T ü r k e n a u f g e b o t e werden zurückgewiesen. Angebliche Geheimgespräche über eine mögliche Absetzung des Königs. Juli 20: Neues Kreuzzugsaufgebot Maximilians; er möchte den Krönungszug nach Rom mit dem T ü r k e n k r e u z z u g verbinden. Streit um die Kreuzzugsgelder. Peraudi wird vom Papst abberufen.
1503
Februar: Erzherzog Philipp kehrt aus Spanien allein in die Niederlande zurück und besucht auf der Durchreise König Ludwig XII. M ä r z 10 Alcalä de Henares: Geburt Ferdinands (I.), des Bruders Karls (V.). April 5 Lyon: Erzherzog Philipp schließt einen f ü r Spanien ungünstigen Vertrag mit Frankreich betreffend Neapel, den König Ferdinand ablehnt. August 18 Rom: Papst Alexander VI. stirbt. — Der deutschfreundliche Pius III. (Picolomini) wird zum Papst gewählt und lädt Maximilian zur Kaiserkrönung ein. O k t o b e r 18 Rom: Pius III. stirbt. O k t o b e r 31 Rom: Julius II. wird zum Papst gewählt, gewinnt Maximilian gegen Venedig und lädt ihn zur Kaiserkrönung ein. Dezember 1 Ländshut: H e r z o g Georg der Reiche von Bayern-Landshut stirbt. Maximilian belehnt die H e r z o g e Albrecht und W o l f g a n g von Bayern-München mit dem Landshuter Erbe. Die bayerischen Brüder anerkennen d a f ü r Maximilians „Interesse" (Gebietsansprüche im unteren Inntal und im Land ob der Enns). Der bayerisch-pfälzische Erbfolgekrieg bricht aus und verhindert Maximilians Italienzug. Dezember 29 Garigliano: D e r Gran Capitän G o n z a l o H e r n a n d e z de C o r d o b a schlägt die französische Armee mit Hilfe deutscher Landsknechte. Die Spanier behaupten Unteritalien.
1504
Maximilian tritt dem Friedensschluß Ungarns und Venedigs mit den T ü r k e n bei. Jänner 11 Rom: Papst Julius II. überläßt Maximilian die deutschen Kreuzzugsgelder, die er gewaltsam eintreiben läßt. Jänner 31 Lyon: Waffenstillstand zwischen Frankreich und Spanien. Februar 21 Lyon: Artikel eines Vorfriedens unter Vermittlung Maximilians und Erzherzog Philipps zwischen Frankreich und Spanien. Februar—April Augsburg: Verhandlungen und Schiedsspruch (23. April) Maximilians im bayerisch-pfälzischen Erbstreit zugunsten Albrechts und Wolfgangs von Bayern-München unter der Bedingung, d a ß Maximilian sein „Interesse" erhält. April 17: Überfall der Pfälzer auf Landshut und Burghausen. Reichsacht gegen Ruprecht von der Pfalz. Ausbruch des Krieges in Niederbayern, an der D o n a u , in der Oberpfalz, in der Rheinpfalz und im unteren Inntal. Mai 27 Augsburg: Maximilian nimmt K u r f ü r s t Philipp von der Pfalz die Landvogtei im Elsaß weg und droht, ihm die Kurwürde zu entziehen und auf Tirol zu übertragen. Juni 11 Augsburg: Das Reichskammergericht wird wegen des Krieges nach Augsburg verlegt. August 23 Innsbruck: Maximilian erläßt eine sehr fortschrittliche Bergwerksordnung f ü r Schwaz in Tirol. September 10: Waffenstillstand mit K u r f ü r s t Philipp von der Pfalz. September 12 bei Regensburg: Maximilian besiegt die böhmischen und pfälzischen T r u p p e n am Wenzenberg. September 15: Maximilian tritt dem T ü r k e n f r i e d e n des Königs von Ungarn bei. September 22 Blois: Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen Maximilian und Erz-
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397
herzog Philipp mit Ludwig XII. Heiratsvertrag Karls (V.) mit Claudia von Frankreich. Ludwig XII. erhält die Belehnung mit Mailand. Neapel, Mailand und Burgund sollen als Mitgift an Karl und Claudia übergehen. Allgemeine Sorge vor den „vereinigten Häusern Osterreich und Frankreich". Spanien protestiert dagegen. O k t o b e r 4—17: Belagerung von Kufstein. Der Verteidiger dieser bayerischen Grenzfestung, Pienzenauer, wird mit 17 Genossen in Gegenwart Maximilians hingerichtet. Die bayerischen Herrschaften im Unterinntal gehen an Maximilian. November 26 Medina del Campo: Isabella von Kastilien stirbt. Das Testament bestimmt, d a ß König Ferdinand die Regentschaft führen soll, falls Juana wegen Geisteskrankheit regierungsunfähig ist. Philipp nimmt den Titel eines Königs von Kastilien an. König Ferdinand verbündet sich mit Frankreich gegen Maximilians habsburgische Erbpolitik. Dezember 21 Mainz: Erzkanzler, Kurfürst Berthold von Mainz stirbt. Das Erzkanzleramt wird dem Ebf von Köln übertragen. Rückzug der reichsständischen Opposition. Dezember 27 Innsbruck: Bischof Melchior von Brixen empfängt den Kardinalshut. 1505
Erste Erwähnung der Arbeiten am T h e u e r d a n k , am Weißkunig und an der Genealogie. Jänner 13: Geleitbrief Maximilians f ü r die Augsburger, welche mit der Flotte Almeidas von Portugal nach Indien fahren. Februar 25 Memmingen: Maximilian überläßt der Stadt W o r m s die Besetzung des Rates, des Gerichtes und alle Nutzungsrechte etc., weil der Bischof geächtet wurde. Dieser W o r m s e r Streit zieht sich unentschieden durch viele Jahre hin. M ä r z 19: Maximilian befiehlt Sunthaims genealogische Sammlungen abzuschreiben und zu inventarisieren. April 4—7 Hagenau: Friedensvertrag zwischen Maximilian und Ludwig XII. aufgrund des Vertrages von Blois. Maximilian belehnt Ludwig XII. mit Mailand. Der Vertrag erweist sich als politisch wertlos. April 4 Hagenau: Maximilian belehnt Erzherzog Philipp mit Geldern und Zutphen. Mai 11 Rom: Papst Julius II. mahnt den Deutschen O r d e n , dem König von Polen den Lehens- und Treueid zu leisten. Juni Moskau: Mission Hartingers zum Großfürsten Ivan III., um Livland zu helfen. Juni 1 Augsburg: Das neu eingerichtete Kammergericht wird in Augsburg feierlich eröffnet. Juni 25 Köln: Maximilian verbietet dem Kammergericht, Berufungen aus den burgundischen Ländern anzunehmen, über deren Freiheiten er gut unterrichtet sei. Juni—Juli: Krieg in Geldern. Maximilian erobert Arnheim (8. Juli). Juni—Juli: Reichstag in Köln. Wiederherstellung des Landfriedens und Erneuerung des Kammergerichts. Juli 30: Kölner Schiedsspruch zwischen Bayern und Pfalz. Niederbayern fällt an BayernM ü n c h e n . Die Pfälzer Kinder behalten die junge Pfalz. Maximilian erhält sein „Interesse" im unteren Inntal, im Land ob der Enns, in Schwaben und am Rhein. Juli 31 Köln: Reichsabschied. Die Reichsstände bewilligen Kriegshilfe gegen Ungarn nach dem Matrikelsystem. Maximilian kündigt R o m z u g und Kreuzfahrt an. H ö h e p u n k t der Machtstellung Maximilians im Reich. Eigenmächtiges Vorgehen des H o f r a t e s und des Kammergerichts. August 4 Köln: Maximilian fordert den Papst auf, den Befehl zur Lehenshuldigung des Deutschen Ordens an den König von Polen zurückzunehmen. — Der Papst wendet sich allmählich von Maximilian ab. O k t o b e r 12 Blois: König Ferdinand von Aragon verlobt sich mit der französischen Prinzessin Germaine de Foix und stellt damit die habsburgische Erbfolge in Spanien in Frage. Oktober: Der Reichstag zu O f e n wendet sich gegen die habsburgische Erbfolge in Ungarn. November 14 Passau: Maximilian verhängt zur Unterstützung Dänemarks die Reichsacht über Schweden. November 24 Salamanca: König Ferdinand und König Philipp verständigen sich über die
398
Zeittafel gemeinsame Regierung Kastiliens, da Juana geisteskrank ist. Ferdinand soll Verweser sein.
1506
Jänner—April: Uberfahrt König Philipps und Juanas nach Spanien. Seesturm. Landung in England (16. Jänner). Februar 9 Windsor: Freundschaftsvertrag König Philipps mit Heinrich VII. von England. Auslieferung des Prätendenten Suffolk. Februar 15 Klosterneuburg: Erzbischof Leonhard von Salzburg erhebt in Gegenwart Maximilians die Gebeine des Heiligen Leopold, um sie in einem silbernen Sarg beizusetzen. März 18 Duenas: König Ferdinand schließt die Heirat mit der französischen Prinzessin Germaine de Foix ab. März 20 Wiener Neustadt: Maximilian schließt mit König Wladislaw von Ungarn einen geheimen Doppelheirats- und Erbvertrag. März 22 Wiener Neustadt: Arbeiten an Maximilians Grab werden erwähnt. April 26 La Coruna: König Philipp landet in Spanien. April Tours: Die französische Ständeversammlung annulliert den Heiratsvertrag Claudias mit Karl. Mai—Juni: Maximilian bereitet Feldzug gegen Ungarn vor. Aufmarsch von drei Heeresgruppen an der Grenze. Vorstoß gegen Ödenburg, Preßburg und die Insel Schiitt. Mai 22 Tours: Ludwig XII. löst die Verlobung seiner Tochter Claudia mit Karl (V.) und verlobt sie mit Franz von Angouleme. Der König von Frankreich bricht die Verträge von Blois und Hagenau, unterstützt alle Gegner Maximilians und entzündet den Krieg gegen die Niederlande in Geldern. Mai 25 Wien: Dritte Sendung Hartingers nach Moskau, um mit Großfürst Wasilij III. zugunsten des Deutschen Ordens und gegen Polen zu verhandeln. Juni: Maximilian schickt eine Gesandtschaft nach Konstantinopel (Verlängerung des Waffenstillstandes?). Juni 20—27: Vergleichsverhandlungen zwischen König Ferdinand und König Philipp über die Erbfolge in Kastilien. Vertrag von Villafafila. Ferdinand versucht die habsburgische Erbfolge zu behindern, verläßt Kastilien und reist nach Italien. Juli 1 Ofen: Geburt des ungarischen Thronerben, Prinz Ludwig (II.) beendet den ungarischen Erbstreit. Tod der Königin-Mutter Anna. Juli 19 Wien: Friedensschluß zwischen Maximilian und Ungarn; das habsburgische Erbrecht wird weiter anerkannt. August 19 Wilna: König Alexander von Polen-Litauen stirbt. König Sigismund folgt nach (1506—1548). September — Dezember: Maximilian will entweder über Nizza zur See nach Ostia-Rom oder über Cilli an die Adria und von dort nach Rom, wo er sich mit seinem Sohn Philipp zur Kaiserkrönung treffen will. Zugleich Truppenaufmarsch an der Veroneser Klause. September 10 Cilli: Maximilian eröffnet über Bitten des Königs Johann von DänemarkSchweden den Prozeß gegen Sten Sture und Genossen. September 12 Cilli: Maximilian verlegt das niederösterreichische Regiment vorübergehend nach Linz und erläßt eine neue Regimentsordnung. September 25 Burgos: König Philipp stirbt. Das Erbrecht geht an Karl (V.). König Ferdinand fordert die Regentschaft. Ludwig XII. unterstützt den Krieg gegen die Niederlande in Geldern. Völlige geistige Umnachtung Juanas. Oktober 2 Graz: Maximilian spricht gegen Sten Sture und Genossen die Reichsacht aus, weil er sich gegen König Johann von Dänemark-Schweden erhoben hat. November 30 Salzburg: Maximilian trägt-den Reichsständen den Plan eines Kreuzzuges vor, der über Rom (Kaiserkrönung) führen soll. Die europäischen Mächte stellen sich entschieden dagegen.
1507 Jörg Kölderer nimmt den Miniaturen-Triumph in Arbeit. März 18 Straßburg: Maximilian überträgt Erzherzogin Margarethe die Vormundschaft und Regentschaft für die Kinder König Philipps sowie die Statthalterschaft in den Niederlanden.
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M ä r z — D e z e m b e r Geldern: Großangriff Karls von Egmont gegen die Niederlande. Rudolf von Anhalt f ü h r t die Abwehrkämpfe. April 29: Ludwig XII. erobert Genua. April—August: Reichstag zu Konstanz. Reichshilfe, Regimentsfragen, Reform des Kammergerichtes. Mai 6: Maximilians große Rede vor dem Reichstag über den Schutz der Reichsgrenzen und die Verteidigung der Kaiserkrone gegen die Franzosen, über seine Leistungen f ü r das Reich, während ihm jede Reichshilfe verweigert werde. Ankündigung des Romzuges und der Wiederherstellung Reichsitaliens; will „Papst und Kaiser werden" (Juni 10). Mai Augsburg: Die Rechte des Erzkanzlers und die Führung der Reichskanzlei werden von Mainz auf Köln übertragen. Juni 24 Savona: König Ferdinand verbündet sich mit Ludwig XII. gegen jedermann ( = Maximilian), um die Habsburger aus Spanien zu verdrängen. Maximilian plant, zur Verteidigung der habsburgischen Rechte persönlich nach Spanien zu ziehen. Juli 26 Konstanzer Abschied: Die Reichsstände gewähren 120.000 Gulden Reichshilfe. Venedig lehnt freien D u r c h z u g eines Reichsheeres nach Italien ab und fordert „friedlichen R o m z u g " Maximilians mit kleiner Begleitung. September—Februar 1508: Aufmarsch der Reichstruppen gegen das Veltlin, an der Veroneser Klause und gegen Friaul. November 12 Buda: König Wladislaw bestätigt den Vertrag mit Maximilian über eine Doppelheirat ihrer Enkel bzw. Kinder. Dezember 21 Calais: Heiratsvertrag zwischen Karl (V.) und Maria von England. Die alten Freundschaftsverträge bleiben aufrecht. 1508
Februar 4 Trient: Maximilian nimmt in der Domkirche zu Trient den Titel eines Erwählten Römischen Kaisers an, den der Papst sofort bestätigt. D e r achtjährige Kampf um Italien beginnt. Venedig und Frankreich sperren dem Kaiser den Durchmarsch nach Rom. M ä r z — O k t o b e r Geldern: Ludwig XII. und Karl von Egmont erneuern den Krieg in den Niederlanden. Erzherzogin Margarethe leitet Friedensverhandlungen mit Frankreich ein. M ä r z 2: Schwere Niederlage der kaiserlichen T r u p p e n in Pieve di Cadore. Die Venezianer erobern G ö r z , Triest, Istrien und Fiume. D r o h e n d e r Einbruch der Venezianer nach Tirol und Kärnten. Die Reichstruppen ziehen nachhause. Juni 6 Santa Maria delle Grazie: Waffenstillstand zwischen Maximilian und Venedig. O k t o b e r 18 Rouen: Waffenstillstand mit Geldern. Dezember 10 Cambrai: Heilige Liga von Cambrai zwischen Papst, Maximilian, Frankreich und Spanien gegen Venedig zur Aufteilung des venezianischen Festlandbesitzes. Maximilian erhält Verona, Padua, Vicenza, Treviso und Friaul zugesprochen. Nach dem Sieg über Venedig will man gemeinsam gegen die T ü r k e n ziehen. Dezember 17 Richmond: Karl (V.) wird mit Maria von England per procurationem verheiratet. Heinrich VII. gewährt Maximilian 38.000 P f u n d Kriegshilfe.
1509
Februar Salzburg: Ausschußlandtag aller österreichischen Länder zur Finanzierung des Krieges. Getrennte Landtage der einzelnen Länder folgen. M ä r z 23 Rom: Papst Julius II. tritt der Heiligen Liga von Cambrai bei. M ä r z 27 Rom: Papst Julius II. verbietet dem Deutschen O r d e n eine Lehenshuldigung an den König von Polen. April—Juni: D e r Reichstag zu W o r m s lehnt die Liga von Cambrai ab und verweigert M a ximilian in fast geschlossener Opposition jede Kriegshilfe f ü r Italien. Mainz erhält f ü r die D a u e r des Reichstages Erzkanzleramt und Reichssiegel zurück. Maximilians Strafpredigt an die Reichsstände wegen Verweigerung der Kriegshilfe. April 15 Venedig: Frankreich erklärt den Venezianern den Krieg. April 27 Rom: Papst Julius II. exkommuniziert Venedig. Mai 14 Agnadello: G r o ß e r Sieg der Franzosen über die Venezianer. Sie überlassen Maximilian kampflos Verona und P a d u a (Juni-Juli). Maximilian belehnt Ludwig XII. mit Mailand (14. Juni).
400
Zeittafel Juli 16 Bassano: Großes Friedensangebot der Venezianer (Rückgabe aller besetzten Gebiete, Lehenshoheit des Reiches über ganz Oberitalien etc.) wird von Maximilian abgelehnt. Juli 17: Venedig erobert P a d u a zurück. August—Oktober: Belagerung von Padua durch kaiserliche T r u p p e n und Franzosen muß ergebnislos abgebrochen werden. Die Venezianer behaupten sich in der Lombardei und in Friaul. Schwierige Lage des Kaisers. Dezember 12 Blois: Maximilian vergleicht sich mit König Ferdinand über die Regentschaft in Kastilien: Karl (V.) wird als Erbe anerkannt. Ferdinand bleibt Regent bis zu dessen Volljährigkeit.
1510
Februar 24 Rom: Julius II. hebt die Exkommunikation gegen Venedig auf, wendet sich von der Liga ab und schließt mit Venedig einen Sonderfrieden. M ä r z — M a i : Reichstag zu Augsburg und zugleich Ausschußlandtag der österreichischen Länder. D e r Reichstag gewährt eine kleine Steuerhilfe f ü r den Krieg in Italien. Eine dauernde Wehrverfassung des Reiches wird aufgeschoben; man wünscht baldigen Frieden. April 10 Augsburg: Maximilian gewährt das Augsburger Libell zugunsten der österreichischen Länder und der landständischen Mitbestimmung. Die Länder erhalten ihre Rechte in eigenen Libelle verbrieft. September—November T o u r s : Matthäus Lang besucht die Synode der französischen Kirche gegen Julius II. Der König von Frankreich will Maximilian f ü r ein Konzil und f ü r die Absetzung Julius II. gewinnen. Maximilian plant eine Pragmatische Sanktion der deutschen Kirche gegen Rom. O k t o b e r 14 Rom: Julius II. bannt den König von Frankreich und lockt Maximilian durch Überlassung des Reichslehens Modena. D e r Papst, Venedig und Spanien schließen sich gegen Maximilian und Frankreich zusammen. November 17 Blois: Maximilian und Ludwig XII. erneuern die Liga von Cambrai. Dezember 31 Innsbruck: Kaiserin Bianca Maria stirbt. 1510—1511: Geheime Sendung des kaiserlichen Gesandten Federico Strassoldo zum Sultan, um die T ü r k e n gegen Venedig einzusetzen?
1511
Vollendung des 1507 begonnen Miniaturen-Triumphes. M ä r z Mantua: Kongreß der Kaiserlichen (M. Lang) mit den Franzosen. Friede mit Venedig soll nur aufgrund der Artikel von Cambrai möglich sein. M ä r z — N o v e m b e r Geldern: Karl von Egmont erneuert den offenen Krieg gegen Maximilian in den Niederlanden. April 10—25 Bologna: Matthäus Lang f ü h r t ergebnislose Friedensverhandlungen mit dem Papst, der sich weigert, Venedig im Stich zu lassen. Fortsetzung des Kirchenkampfes. Mai 3 Ulm: Maximilian f o r d e r t die Reichsfürsten auf, den Deutschen O r d e n im Fall eines polnischen Angriffes zu unterstützen und ermahnt König Sigismund von Polen, den O r d e n bei seinen Freiheiten zu lassen. Mai 16 Mailand: Aus Rom geflüchtete Kardinäle berufen auf 1. September ein antipäpstliches Konzil nach Pisa ein, das von Ludwig XII. und Maximilian unterstützt wird. Juni 23: Tiroler Landlibell als Wehrverfassung Tirols; Vorbild f ü r die spätere Defensionso r d n u n g aller österreichischen Länder. Juli 18 Rom: Julius II. beruft f ü r April 1512 ein ökumenisches Konzil in den Lateran nach Rom ein. August 17: Lebensgefährliche E r k r a n k u n g Papst Julius' II. September 16 Brixen: Maximilian verfolgt den Plan, nach schwerer E r k r a n k u n g Julius II. Papst oder K o a d j u t o r des Papstes oder Gegenpapst zu werden; er wünscht sich die deutschen Kirchengelder zu sichern. September—Oktober: Die Kaiserlichen erobern fast ganz Friaul, scheitern aber vor T r e viso (14. Oktober). O k t o b e r 4 Rom: Heilige Liga zwischen dem Papst, Spanien und Venedig zum Schutz der Kirche gegen Frankreich. Maximilian bleibt an der Seite Frankreichs.
Zeittafel
401
November 5 Pisa: E r ö f f n u n g des antipäpstlichen Konzils bei geringer Beteiligung. November: Die Venezianer erobern Friaul zurück. 1512
Maximilian gibt die Holzschnitte des Triumph und der Ehrenpforte in Auftrag. D ü r e r u. a. Künstler arbeiten daran. Fortsetzung der Arbeiten am Weißkunig. Jänner—Juni: Großangriff der Heiligen Liga gegen die Franzosen; die Spanier rücken gegen Bologna, die Venezianer gegen Brescia und die Eidgenossen gegen Mailand vor. Februar 1: Maximilian schließt eine Erbeinigung mit den Schweizer Eidgenossen und gewährt ihnen freien Durchmarsch durch seine Länder in die Lombardei. Februar 23 Würzburg: Maximilian fordert die Reichsfürsten auf, dem Deutschen O r d e n zu helfen, falls er von Polen angegriffen wird. April—Juni: Reichstag zu Trier. Fortsetzung in Köln (Juni—August). Eine dauernde Wehrverfassung und die d a f ü r nötige Steuer werden abgelehnt. Der Erzbischof von Mainz wird als Erzkanzler wieder mehr herangezogen. August 16 und 26: Reichsabschied bewilligt eine „Eilende Hilfe" nach dem Gemeinen Pfennig. Einrichtung eines Reichsregimentes. Einrichtung von zehn Reichskreisen zur Sicherung des Landfriedens. Verbot der Monopole. April—Dezember Geldern: Karl von Egmont f ü h r t mit französischer Hilfe einen verheerenden Wüstungskrieg gegen die Niederlande. April 1 Rom: Waffenstillstand zwischen Maximilian und Venedig. Der Kaiser r u f t die deutschen Landsknechte aus französischem Dienst zurück. April 11 Ravenna: Franzosen und deutsche Landsknechte siegen in einer verlustreichen Schlacht über die T r u p p e n der Liga, des Papstes und der Spanier. Mai 3 Rom: Julius II. eröffnet das Laterankonzil. Juni 19: Maximilian verläßt das Bündnis mit Frankreich und betreibt einen allgemeinen Frieden. Ludwig XII. verschärft den Krieg gegen Maximilian in Geldern. Juni—Juli: Die Franzosen räumen Italien. August Mantua: Kongreß der Mächte (Papst, Spanien, Kaiser, Venedig) gegen Frankreich zur Neuverteilung Italiens. Die Medici erhalten Florenz und die Sforza Mailand zurück. Friedensverhandlungen des Kaisers mit Venedig werden nach Rom verlegt. November 4—1513 Februar: Matthäus Lang verhandelt als kaiserlicher Friedensgesandter in Rom. Die Venezianer lehnen die Forderungen Langs ab. November 19 Rom: Bündnis Maximilians mit Julius II. gegen Venedig und Frankreich. D e r Kaiser tritt der Heiligen Liga bei. Die vom Papst angebotene Kardinalswürde lehnt Lang ab. November 25 Rom: Feierliche Publikation der Heiligen Liga zwischen Papst Julius II. und Maximilian. Dezember 3 Rom: Maximilian tritt dem Laterankonzil bei und leistet dem Papst die übliche Obedienz.
1513
Februar 21 Rom: Papst Julius II. stirbt. Februar 27 Landau: Maximilian befiehlt dem Deutschen Orden, sich auf keinem Fall Polen zu unterwerfen. M ä r z 11 Rom: Leo X. (Giovanni dei Medici) wird zum Papst gewählt. Allmähliche Auflösung der Heiligen Liga. M ä r z 23 Blois: Venedig verbündet sich mit Frankreich gegen Maximilian (gegenseitige Garantie ihrer Gebiete). März—Juli Worms: D e r Reichstag wird vom Kaiser wegen der Kriegslage nur kurz besucht und auch von den Ständen größtenteils gemieden; daher nicht beratungs- und beschlußfähig. April 1: König Ferdinand schließt mit Ludwig XII. einen einjährigen Waffenstillstand, ausgenommen in Italien. Ende des Waffenstillstandes Maximilians mit Venedig. Fortsetzung des Venezianerkrieges. April 5 Mecheln: Heilige Liga zwischen Papst, Kaiser, König Ferdinand und Heinrich VIII. gegen Frankreich („Dreieinigkeit"). Geheime Sonderpolitik König Ferdinands. Mai—Juli: Die Franzosen greifen Mailand an, die Venezianer Verona.
402
Zeittafel Juni 6 Novara: Eidgenossen besiegen die Franzosen, welche die Lombardei überfielen, und vertreiben sie aus Italien. Höhepunkt der Schweizer Erfolge in Italien. Die Spanier verfolgen die Franzosen über die Alpengrenze. Juni 18 Verona: Die Venezianer werden vor der Festung Verona abgeschlagen. Juli 31 Geldern: Karl von Egmont schließt angesichts der anrückenden Truppen Maximilians und der Engländer Waffenstillstand. Juli-August: Vergebliche Belagerung von Padua. August 10 Aire: Zusammenkunft Maximilians mit Heinrich VIII., der ein englisches Landungskorps nach Frankreich führt. August 16—17 Guinegate: Maximilian und Heinrich VIII. besiegen ein französisches Reiterkorps („Sporenschlacht"). Heinrich VIII. erhält die eroberte Stadt Tournai (23. September) und kehrt nach England zurück. September 13 Dijon: Die Eidgenossen schließen Waffenstillstand mit Frankreich und brechen für eine Geldsumme die Belagerung von Dijon und den weiteren Vormarsch gegen Frankreich ab. September—Oktober: Wüstungskrieg der Kaiserlichen und der Spanier gegen die venezianische Terra ferma. Von Mestre aus wird durch kaiserliche Artillerie Venedig beschossen. Oktober 7 Vicenza: Sieg der deutschen Landsknechte und Spanier. Schwere Niederlage der Venezianer. Oktober 7 Wien: Vollendung des Grabmales Friedrichs III. und feierliche Beisetzung im Hochgrab zu St. Stephan. Oktober 11 Aschaffenburg: Maximilian gebietet im Streit Reuchlins um die jüdischen Bücher beiden Parteien Stillschweigen und begünstigt später die Sache Reuchlins. Oktober 17 Lille: Bündnisvertrag des Kaisers, König Ferdinands, König Heinrichs VIII. und Erzherzogin Margarethes („Dreieinigkeit") gegen Frankreich. Heiratsvertrag zwischen Karl (V.) und Maria von England wird erneuert; desgleichen die Liga von Mecheln (5. April). Oktober 23 Blois: Ludwig XII. verbündet sich mit Venedig gegen die Liga. November 17—1514 April: Matthäus Lang weilt als Gesandter Maximilians in Rom; er verhandelt die Friedensbedingungen mit Venedig; nimmt die Kardinalswürde an (8. Dezember), leistet Papst Leo X. Obedienz und verhandelt über die Rechte der deutschen Kirche. Eine „deutsche Legation" für Lang wird vom Konsistorium nach langen Verhandlungen abgelehnt (10. Mai 1514).
1514
Aufstand des „Armen Konrad" gegen Herzog Ulrich von Württemberg. Februar 5: Maximilian schließt mit dem Salzburger Bildhauer Hans Valkenauer einen Vertrag über die Aufstellung eines Denkmals für die Kaisergruft in Speyer. März Geldern: Karl von Egmont erneuert nach Abzug Maximilians und der Engländer den Krieg gegen die Niederlande; dehnt mit französischer Unterstützung den Krieg auf Friesland, Holland und Seeland aus. März 4 Rom: Papst Leo X. vermittelt einen Waffenstillstand zwischen Maximilian und Venedig für ein Jahr. Venedig lehnt die Bestätigung ab, führt den Krieg weiter und erobert fast ganz Friaul zurück. Verona und Marano können sich halten. Allgemeine Kriegsmüdigkeit. März 13 Orleans: Waffenstillstand Spaniens mit dem König von Frankreich. Spanien erhält das Königreich Navarra zugestanden und bricht den Vertrags von Lille. Der Kaiser und König Ferdinand wenden sich dem König von Frankreich zu, der eine französische Heiratsverbindung für den Infanten Ferdinand mit Mailand, Neapel und Genua als Mitgift anbietet. König Ferdinand und Maximilian nehmen den französischen Köder an. August 4 Gmunden: Maximilian bestätigt den abgeänderten Bündnisvertrag mit Großfürst Wasilij III., der sich erstmals als Zar bezeichnet, gegen Polen. August 7 London: Friedensvertrag zwischen Heinrich VIII. und Ludwig XII. als englische Antwort auf den Vertragsbruch König Ferdinands und des Kaisers. Die politische Lage wendet sich gegen den Kaiser.
Zeittafel
403
Oktober 11: Ludwig XII. heiratet Maria von England, die ehemalige Braut Karls (V.) und Schwester Heinrichs VIII. Ludwig XII. sprengt die „Dreieinigkeit", durchbricht den Einkreisungsring und beginnt einen neuen Feldzug zur Eroberung Mailands. November 20 Wien: Prozeß der Theologischen Fakultät Wien gegen Celtis wegen dessen anstößiger Oden wird gütlich beigelegt. 1515
1516
Jänner 1: Ludwig XII. stirbt; Franz I. folgt als König von Frankreich und bereitet einen neuen Feldzug gegen Italien vor. Jänner 5: Erzherzog Karl (V.) wird großjährig. Erzherzogin Margarethe verliert die Statthalterschaft. Februar 3 Rom: Heilige Liga zwischen Papst, Kaiser, König Ferdinand, Massimiliano Sforza und Eidgenossen gegen die Türken, tatsächlich gegen den König von Frankreich, der einen neuen Feldzug gegen Italien vorbereitet. Februar 7 Zürich: König Ferdinand verbündet sich mit Maximilian, den Eidgenossen und Mailand zur Erhaltung des status quo in Italien. März 24 Paris: Franz I. schließt einen Freundschaftsvertrag mit Karl (V.); dieser soll Renate, die Tochter Ludwigs XII., heiraten. Karl scheidet aus dem Kriegsbündnis gegen Frankreich aus. April—Juli: Franz I. erneuert die Bündnisse mit Venedig und England gegen den Kaiser und die Liga und bereitet den Uberfall auf Italien vor. Frühjahr und Sommer: Bauernaufständen in Kärnten, Untersteiermark und Krain gewaltsam unterdrückt. Sickingen eröffnet eine dreijährige Fehde gegen die Stadt Worms. Maximilian verhängt über ihn die Reichsacht. März—Mai Preßburg: Kardinal Lang führt die Vorverhandlungen für den Wiener Kongreß. Mai 20 Preßburg: Abschluß der vorbereitenden Vorverträge für die Doppelheirat und das Friedens- und Freundschaftsbündnis. Juli 16 Trautmannsdorf: Maximilian empfängt die Jagiellonenkönige feierlich auf dem Hartfeld. Juli 17—29 Wien: Kongreß des Kaisers mit den Königen von Böhmen-Ungarn und Polen. Juli 20 Wien: Maximilian adoptiert den Prinzen Ludwig von Ungarn an Sohnes statt, bestellt ihn zum Generalvikar des Reiches und empfiehlt ihn zur deutschen Königs- und späteren Kaiserwahl. Das habsburgisch-jagiellonische Familienbild von B. Strigel entsteht. Juli 22 Wien: Habsburgisch-jagiellonische Doppelhochzeit in St. Stephan. Große Festlichkeiten. Abschluß der Heirats- und gegenseitigen Erbverträge. Plan eines Königreichs Österreich. Bündnis der Habsburger und Jagiellonen gegen die Türken. Ein besonderes Dokument Maximilians, den Hochmeister des Deutschen Ordens zur Lehenshuldigung gegenüber Polen zu bewegen, wurde nicht ausgestellt. Juli 28 Wien: Schlußkundgebung der Verbündeten. Feierliche Publikation der Verträge vom 22. Juli. Gemeinsames Schutz- und Trutzbündnis gegen die Türken. August 12: Prinzessin Isabella, Schwester Karls (V.), heiratet König Christian von Dänemark und Norwegen. September 6 Innsbruck: Der Kaiser verleiht A. Dürer ein Leibgeding von 100 Gulden jährlich. Das Holzschnittwerk „Ehrenpforte des Hauses Osterreich" wird den Gästen des Kongresses vorgestellt. September 13—14 Marignano: Franz I. besiegt die Eidgenossen und erobert Mailand und die Lombardei. Oktober—November Verona: Die Venezianer versuchen vergeblich, Verona zu erobern. Dezember 11 Bologna: Franz I. verständigt sich mit Papst Leo X. im Konkordat von Bologna über die Rechte der Gallikanischen Kirche und über Italien. Jahresende: Arbeiten am Weißkunig abgeschlossen. Jänner 23: König Ferdinand von Aragon stirbt. Karl (V.) folgt in der Regierung Spaniens und seiner Kolonien nach.
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Zeittafel M ä r z — M a i : Maximilians Feldzug gegen Mailand. M ä r z 13: König Wladislaw von Ungarn stirbt. Maximilian sichert seinen Einfluß auf die V o r m u n d s c h a f t über Ludwig II. M ä r z 25 vor Mailand: Der Kaiser sieht sich wegen Soldmangel und Unverläßlichkeit der T r u p p e n zum Rückzug gezwungen. Meutereien der Landsknechte. April 4 Lovere: Der Kaiser von den Landsknechten beschimpft und bedroht. Mai 23: Die Stadt Brescia wird von den Venezianern erobert. Juli 20 Innsbruck: Ferntrauung des Infanten Ferdinand per verba de praesenti mit Anna von Ungarn. August 13 Noyon: Friedensvertrag zwischen Karl (V.) und F r a n z i . Eine französischhabsburgische Heirat wird vereinbart. Maximilian lehnt diesen „Schandvertrag" ab. September Verona: Venezianischer Großangriff gegen die Festung; Verona kann sich halten. O k t o b e r 11: Der Kaiser verhängt über H e r z o g Ulrich von Württemberg wegen Ermordung des H a n s von H u t t e n die Acht und Aberacht des Reiches. O k t o b e r 29 London: Maximilian verbündet sich mit Karl (V.) und Heinrich VIII. November 29 Freiburg im Uchtland: Ewiger Friede zwischen Franz I. und den Eidgenossen. Dezember 3 Brüssel: Karl (V.) schließt (auch im Namen Maximilians) Frieden mit Franz I. D e r Kaiser verzichtet auf Verona gegen eine Kriegsentschädigung von 550.000 Gulden und gegen die Überlassung von Riva, Rovereto, Ala und Cortina.
1517
Vollendung des T h e u e r d a n k und D r u c k bei H a n s Schönsperger in Augsburg. Druck der Ehrenpforte. Jänner 15: Verona wird den Franzosen übergeben, die es an Venedig abtreten. Maximilian schließt mit Venedig nur Waffenstillstand. Jänner 29 Lierre: Maximilian trifft mit Karl (V.) zusammen; geringes Einverständnis über die gemeinsame politische Linie (deutsche Königswahl, Erbteilung, Königreich Osterreich). J ä n n e r — N o v e m b e r 1518: Gesandtschaftsreise des Sigmund von Herberstein nach Polen und Rußland. Vorbereitung einer umfassenden ersten Beschreibung Rußlands. M ä r z Wilna: Herberstein besucht König Sigismund von Polen und trägt ihm die Forderungen des Deutschen O r d e n s vor; er warnt den König, den O r d e n anzugreifen. M ä r z 11 Cambrai: Bundesvertrag zwischen Maximilian, Karl (V.) und Franz I. Vom Kaiser und Karl (V.) am 14. Mai in Lierre bestätigt; eine neue Teilung Italiens auf Kosten Venedigs wird in Aussicht genommen. Kreuzzugsverhandlungen. M ä r z 16 Rom: Papst L e o X . und das Laterankonzil beschließen einen Kreuzzug der gesamten Christenheit gegen die T ü r k e n . April 18 Moskau: G r o ß f ü r s t Wasilij III. empfängt den Gesandten Herberstein, der ihm einen gesamtchristlichen Kreuzzug gegen die T ü r k e n sowie einen Frieden mit Polen und dem Deutschen O r d e n vorschlägt. Juni—August: Reichstag zu Mainz. Fehdehändel des Franz von Sickingen und des G ö t z von Berlichingen. Sicherung des Landfriedens. Reichsprozeß gegen Ulrich von Württemberg. Reform des Kammergerichtes. Maximilian fordert Wehrverfassung des Reiches; alles wird auf den nächsten Reichstag verschoben. August 16: Sickingen verspricht dem Kaiser einen Ausgleich mit der Stadt W o r m s und Unterstützung gegen H e r z o g Ulrich von Württemberg. Sickingen wird aus der Reichsacht entlassen. September 8 Vlissingen: König Karl reist nach Spanien ab. O k t o b e r 31 Wittenberg: Martin Luthers Thesenanschlag. November 12 Rom: Papst L e o X . fordert die christlichen Mächte zum Kreuzzug auf. Plan eines gesamtchristlichen Unternehmens f ü r drei Jahre und mit drei Armeen. D e z e m b e r 21 ca.: Maximilians Türkendenkschrift, als Antwort auf den päpstlichen Kreuzzugsplan, enthält einige Änderungen.
1518
D ü r e r arbeitet am Holzschnitt-Triumph.
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405
Jänner—August: Wahlwerbung Maximilians f ü r die deutsche Königswahl Karls. Ziel der Wahlwerbung ist die „Weltmonarchie". J ä n n e r — M a i Innsbruck: Ausschußlandtag aller österreichischen Länder: Beschwerden der Stände. Beratungen über Steuern, Kriegshilfe, Entschuldung, Landesverteidigung, H o f r a t und Regiment. Mai 24 Innsbruck: Maximilian erläßt drei Reformlibelle über H o f r a t s o r d n u n g , Kriegshilfe und Abstellung der Beschwerden. Die Stände gewähren 400.000 Gulden Steuerhilfe in vier Jahren. Einsetzung eines H o f r a t e s f ü r das Reich und alle österreichischen Länder und einer österreichischen Verteidigungsordnung. Februar 2 Valladolid: Erbhuldigung der spanischen Cortes und Eidesleistung König Karls. Februar 14 Augsburg: Maximilian mahnt den Hochmeister des Deutschen Ordens, sich gegen mögliche Ubergriffe Polens vorzusehen, empfiehlt aber, angesichts des drohenden Türkenkrieges, Frieden zu halten. Die Ordenssache soll vor dem Augsburger Reichstag verhandelt werden. M ä r z 6 Rom: Leo X. gebietet der Christenheit einen fünfjährigen Waffenstillstand und Gottesfrieden zur D u r c h f ü h r u n g des Kreuzzuges und schickt Legaten zu allen christlichen Mächten. Die Kardinäle Cajetan und Lang werden gemeinsam f ü r Maximilian und das Reich bestellt. M ä r z 22 Innsbruck: Herberstein berichtet dem Kaiser über seine Sendung nach Rußland. Maximilian empfängt eine russische Gesandtschaft und wirbt f ü r Gottesfrieden und Kreuzzug gegen die T ü r k e n . April 18 Krakau: König Sigismund von Polen heiratet über Vermittlung Maximilians Bona Sforza. Verhandlungen über Kreuzzug und Kaiserwahl. Vermittlung in der Deutschordensfrage. Juni 28 Augsburg: D ü r e r porträtiert Maximilian „hoch oben auf der Pfalz in sein kleinen Stüble". Juni—Oktober: Reichstag zu Augsburg: Kreuzzug und Kreuzzugssteuer werden vertagt und Beschwerden der deutschen Kirche erhoben. Reform des Kammergerichts vertagt. Fehden. Geheime Wahlhandlungen des Kaisers mit den Kurfürsten zugunsten Karls (V.) verlaufen sehr erfolgreich. Maximilian verspricht Bestätigung der Wahlkapitulationen. Reichsabschied (Oktober 14) bringt keinen wesentlichen Fortschritt. Juli 27 Moskau: Eine Gesandtschaft Maximilians wirbt wiederum f ü r Gottesfrieden unter den christlichen Mächten und gemeinsamen Kreuzzug gegen die T ü r k e n , was G r o ß f ü r s t Wasilij III. ablehnt. Juli 31 Angers: Frankreich vermittelt die Verlängerung des Waffenstillstandes des Kaisers mit Venedig um weitere fünf Jahre. August 1 Augsburg: Maximilian empfängt von Papst Leo X. den geweihten H u t und das Schwert, der Erzbischof Albrecht von Mainz die Kardinalswürde und M . Lang wird als K o a d j u t o r und Nachfolger des Erzbischofs von Salzburg wiederum bestätigt. August 5 Augsburg: D e r Kaiser verspricht dem Papst Hilfe in der Luthersache. August 27 Augsburg: Die Kurfürsten (ausgenommen Sachsen) versprechen dem Kaiser, Karl (V.) zum Römischen König zu wählen. Die Kosten f ü r Werbung und Stimmenkauf belaufen sich insgesamt gegen eine Million Gulden. September 1 Innsbruck: Regiment und Kammer sagen Maximilian mit Jahresende den Dienst auf, weil kein Geld mehr vorhanden ist. September—Dezember: Reise des Kaisers von Augsburg über Innsbruck nach Wels. O k t o b e r 4 London: Bündnis zwischen Frankreich und England, das auch Maximilian und Karl (V.) offenstehen soll; Versuch eines gesamtchristlichen Friedensbundes zur Erhaltung des status quo. O k t o b e r 7—20 Augsburg: Luther erscheint mit kaiserlichem Geleitbrief in Augsburg und verteidigt sich vor Kardinal Cajetan. O k t o b e r 15 Spanien: Mercurino Gattinara, den Karl (V.) aus dem Dienst Maximilians und Erzherzogin Margarethes übernimmt, wird „Großkanzler aller Reiche und Länder".
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Zeittafel
November 7—Dezember 21 Rom: Maximilians Wunsch nach Übersendung der Kaiserkrone in das Reich wird von Papst Leo X . lange verhandelt und schließlich abgelehnt. Dezember 10—1519 Jänner 12: Todeskrankheit Maximilians in Wels. Dezember 30—31 Wels: Maximilian errichtet sein Testament. 1519 Jänner 1 Wels: Maximilian empfängt eine englische Gesandtschaft; lehnt das englischfranzösische Bündnis vom 4. Oktober 1518 London ab. Jänner 10 Wels: Maximilian unterzeichnet vor Zeugen sein Testament. Jänner 11 Wels: Kodizill zum Testament; der Kaiser bestimmt, daß Hofrat und Regimente weiter im Amt bleiben sollen. Jänner 12 Wels: Maximilian stirbt und wird am 3. Februar in Wiener Neustadt unter dem Hochaltar der Georgskirche beigesetzt. M ä r z 27 Bruck/Mur: Der Generallandtag der niederösterreichischen Länder untersucht die näheren Umstände der Errichtung des kaiserlichen Testamentes. Rebellion gegen das alte Regiment. Juni 28 Frankfurt am Main: Karl V. wird zum Römischen König und zum Kaiser gewählt. 1519—1522: Aufstände der österreichischen Landstände, besonders in Wien und Tirol. Die Landstände fechten das kaiserliche Testament als Fälschung an; Regiment und Hofrat werden abgelehnt. Ständische Alleinherrschaft in Wien und Niederösterreich. 1522 August: Wiener Neustädter Blutgericht. Hinrichtung der Anführer des Ständeaufstandes.
REGISTER Das Register bietet, dem besonderen Charakter des Buches entsprechend, sowohl Namen wie wichtige Sachen. Es wurde von Frau Dr. Angelika Schuh bearbeitet, wofür der Autor herzlich dankt. Aachen 55, 68, 158, 380 Aargau 17 Abenteuerlust s. Charakter und Persönlichkeit Aberglaube s. Charakter und Persönlichkeit Ablaß 133, 289f. Adler - Familie 240 - Philipp 250 Admont 290 Adolf von Nassau, Rom. Kg 18 Adria 20, 88, 132 Afrika 145, 152 — 154, 210 Agnadello 163, 168, 176 Agrippa von Nettesheim, Heinrich Cornelius 12, 34, 282, 324, 351 Ägypten 130, 133, 140, 193, 194, 208, 341, 372 Ala 184, 297 Albanien 167 Albrecht I., Rom. Kg, Hg von Osterreich 18, 20, 235 Albrecht V. (II.), Rom. Kg, Hg von Österreich, Kg von Böhmen und Ungarn 21 f. Albrecht II., H g von Österreich 20 Albrecht IV., Hg von Bayern-München 6 8 - 7 0 , 116, 146, 229, 318, 344 Albrecht VI., Ehg von Österreich 23, 25 f., 32 Albrecht Achilles, Mgf von Brandenburg, Kfst 232 Albrecht, Mgf von Brandenburg s. Mainz, Ebf Albrecht, Mgf von Brandenburg zu Ansbach-Bayreuth, Hochmeister des Deutschen Ordens 189, 233, 372 Albrecht der Beherzte, H g von Sachsen 60, 68, 76, 84, 230, 246, 247, 261, 292, 344 Alexander der Große s. Ideenwelt Alexander VI. (Rodrigo Borgia), Papst 76,
83, 86, 91 f., 98f., 101, 103f., 107—110, 112, 121, 126, 132—134, 136f., 139f., 169, 266, 287—289, 316 Alost 51 Altdorfer, Albrecht 326, 332 Alviano, Bartolomeo d' 342 Amberg, Maximilian von (außerehelicher Sohn Maximilians) 318 Amboise, George d' s. Rouen, Ebf Ambraser Heldenbuch s. Kunst und Wissenschaft Amerika 145, 295, 304, 312, 322, 324, 332, 363, 374, 385 Amsterdam 60, 242 Anhalt 233 - Fstm s. Magnus; Rudolf Anna, Hgin von der Bretagne, Kgin von Frankreich 73—76, 109, 112, 311 Anna von Candale, Kgin von Ungarn und Böhmen 125, 316 Anna, Pzin von Ungarn und Böhmen 189 f., 312, 316, 363 Anna von York, Pzin von England 311 Anna (außereheliche Tochter Maximilians) 318 Anshelm, Valerius 76 Anton II., H g von Lothringen 249 Antwerpen 37, 52, 54, 58, 96, 172, 361 - Landtag 111 Appenzell 114 Aquileia 167, 285 Aragon 21, 143, 150, 311 f. - Kgr s. Beatrix; Ferdinand II.; Germaine von Foix; Katharina Archiv s. Kunst und Wissenschaft Arelat 36, 229, 258, 341, 366 Armer Konrad s. Fehden, Bürger- und Bauernkriege Arnheim 338 Arras 51, 292, 311, 365
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Register
- Friede 76 Arthur, Pz von England 315 Artillerie s. Kriegswesen Artois 36, 51, 174 Ascanio Maria Sforza von Mailand s. Pavia, Bf Asien 145, 153, 210 Augsburg 100, 124, 197, 200, 212 f., 221, 234, 240, 242, 246 f., 250, 297, 300, 307—309, 325, 334, 377 - Reichstag 70, 121 — 123, 125, 127, 129, 133 f., 166, 168, 193 f., 199, 225, 269, 270, 275 f., 289, 308, 364, 371, 376 Äußeres s. Charakter und Persönlichkeit Auxonne 36 Avignon 181 Babylon 130 Bad Ischl 378 Baden 229, 230 - M g f t s. Christoph I.; Jakob; Johann Baden bei Wien 193 Bajezid II., Sultan 11, 63, 90 f., 129 f., 132, 318 Balkan 129, 133, 194, 341, 371 Bamberg, Bf Georg Schenk von Limpurg 248 Barbara Zäpolya, Kgin von Polen 188 Barbaren 89, 122, 155, 163, 167, 321, 362, 366 Bari 88 Bartholinus-Bartolini, Richardus 190, 212, 213 Basel 113, 116, 118 — 120, 254, 258, 271 - Friede 115, 120 Bassano 164 Bauern 60, 65, 113, 116, 118f., 203, 205f., 242ff., 252f., 388 Baumgartner, Familie 299 Baumkircher, Andreas 25, 34 Bayard, Pierre Terrail, H r von 342 Bayern 18, 69 f., 144, 146, 229 f., 246 f., 250, 254, 300, 304, 338 Bayern-Landshut, Hgtm s. Elisabeth; Georg der Reiche; Margarethe Bayern-München, H g t m s. Albrecht IV.; Kunigunde; Sabine; Sibylle; Susanne; Wilhelm IV. Beamte 199, 203, 235, 244, 270, 273, 278, 303, 305 f., 308, 310, 349, 386—388
Beatrix von Aragon-Neapel, Kgin von U n garn und Böhmen 125 f., 315 f. Bebel, Heinrich 213, 260, 270, 271, 369 Beck, Leonhard 326 Beharrlichkeit s. Charakter und Persönlichkeit Beheim, Martin 322 Belgrad 25, 371 Benevent 88 Bergamo 88, 178 Bergwerke 299, 348 - Codex Maximilaneus 304 Berlichingen, Götz von 119, 193, 238, 240, 248 Bern 119 Bessarabien 128 Bethune 55, 83, 235 Bianca Maria Sforza von Mailand, Krin (Gemahlin Maximilians) 76, 78, 80 f., 89, 99, 122, 144, 157f., 218, 313f., 346, 356 Bibliothek s. Kunst und Wissenschaft Bingen 82 Birken, Sigmund von 12, 213 Blois 137, 143, 145, 161, 166, 171, 211, 228, 294, 313 f. Bogislaw X., H g von Pommern 233 Böhmen 14, 18, 21—23, 25, 73, 125—127, 133 f., 149, 154, 190, 192, 224, 258, 315 f., 370 — 372, 374, 378, 385 - Kgr s. Albrecht V. (II.); Anna; Anna von Candale; Beatrix von Aragon-Neapel; Przemysl O t t o k a r ; Sigismund von Luxemburg; Wladislaw II. Bologna 86, 89, 112, 139, 167, 171 - K o n k o r d a t 181 Bona Sforza von Mailand, Kgin von Polen 318 Bona von Savoyen (Mutter von Bianca Maria Sforza) 81 Bonifaz VIII. (Benedikt Caietanus), Papst 176, 287 Bontemps, Jean 305 Boppard 82, 246 Borgia, Cesare 92, 112, 136, 139, 288f. Bosnien 271 Boulogne 36 Bourges, Pragmatische Sanktion 181 Bozen 158 Brabant 36, 58, 84, 232
Register Brandenburg 82, 210, 224, 232, 234 - Mgft s. Albrecht, Ebf von Mainz; Albrecht zu Ansbach-Bayreuth; Albrecht Achilles; Friedrich zu Ansbach-Bayreuth; Joachim I.; Johann III.; Kasimir zu Kulmbach; Susanne von Bayern Brant, Sebastian 76, 213, 260, 334, 369 Braunschweig 233 f. Braunschweig-Kalenberg, Hgtm s. Erich I. Braunschweig-Wolfenbüttel, Hgtm s. Heinrich I. Breisgau 296 Brenner 20 Brescia 88, 170f., 178, 338 Bretagne 51, 55, 60f., 7 2 - 7 5 , 94, 109, 136, 235, 311, 314 - Hgtm s. Anna; Franz II. Brindisi 132 Brixen 318 - Btm 285 - Bf Melchior von Meckau, Kard. 69, 204 Brou-en-Bresse 294 Bruchsal 252 Bruderholz bei Basel 116 Brügge 28, 37, 46, 50 — 52, 54, 56—58, 61, 73, 204, 218, 241, 291, 380 - Kranenburg 57 Brüssel 43, 46, 52, 54, 111, 184, 222, 295 Buchdruck 211, 325 Bundschuh s. Fehden, Bürger- und Bauernkriege Burchard, Johannes 204 Bürger 116, 118, 203, 206, 240ff., 260, 388 Burgkmair, Hans 326, 334 Burgos 96, 151, 152, 154, 294, 314 Burgund 14, 32, 37 f., 40, 42 f., 47 f., 50 f., 55, 6 0 - 6 5 , 70, 73, 83, 85, 94, 96f., 9 9 - 1 0 2 , 104, 1 1 0 - 1 1 3 , 137, 144f., 1 5 1 - 1 5 3 , 161, 172, 192, 198 f., 205, 209, 211, 214—216, 218, 220—222, 228f., 232, 247, 250, 268, 277, 286, 291 — 296, 298, 300, 302—310, 312, 318, 326, 344f., 349, 355—357, 365, 369, 376, 380, 385, 388 - Fgft 36, 42, 74, 76, 110, - Hgtm 36, 42, 46, 51, 74, 136, 268, 365 - Hgtm s. David, Bf von ohne Furcht; Karl der
160 76, 83, 109, 110, Utrecht; Johann Kühne; Marga-
409
rethe von York; Maria; Philipp der Gute; Philipp der Kühne Burgund-Bourgogne 292—295, 311, 314 Busleyden, Franz von 85 Cadore 160 Caesar s. Ideenwelt Cajetan, Thomas, Kard. s. Gaeta, Bf Calven 118 Cambrai 36, 46, 166, 171, 184, 274 - Liga 1 6 1 - 1 6 3 , 178, 203, 209, 213, 227, 277, 295, 366 Capua 92 Cartagena 203 - Bf Bernardino Lopez de Carvajal, Kard. lOOf., 158, 161 Carvajal, Lopez de, Bernardino s. Cartagena, Bf Celtis-Pickel, Konrad 11, 212, 321 f., 334, 336 Champagne 110 Charakter und Persönlichkeit 12, 119, 135f., 3 5 1 - 3 6 5 - Abenteuerlust 103, 357 - Aberglaube 26, 34, 180, 211, 280, 282, 284, 324 - Äußeres 351 - Beharrlichkeit 355, 358 - Depressionen 133, 359, 363 f. - Ehre 101, 169, 176, 328, 356f., 368 - Ehrgeiz 170 - Erwählungsglaube 12, 34, 359 - Frauen 32, 47, 51, 80 f., 313 f., 356 - Frömmigkeit 34, 279 f., 282, 284 - Grobianismus 150, 166f., 169, 360, 369 - Heiligenverehrung 280, 282, 284, 365 - Humor 155, 170, 294, 298, 352, 354, 357 - Krankheiten 176, 188, 193, 356, 360, 364, 377—379 - Majestätsbewußtsein 355—357 - Maßlosigkeit 13, 32, 52, 74f., 101 f., 110, 124, 135, 146, 175, 264, 268, 288, 341 f., 345, 354 f., 357, 360 f., 363 - Melancholie 135, 152, 320, 351 f. - Mißtrauen 28, 137, 355 - Mut 146 - Porträt 44, 333, 382 - Schulden 153, 185, 200, 307, 346, 349 f., 364, 380, 3 8 5 - 3 8 7 - Sendungsbewußtsein 374
410
Register
- Wohltätigkeit 380 Chastellain, Georges 33 Chaumont, Charles de (Grand Maitre) 342 Chelidonius, Benedictus OSB 280 Christenheit 38 f., 96, 112, 130, 133 f., 145, 153, 184, 210, 284f., 294, 365, 370f., 374 f. Christian II., Kg von Dänemark 310, 312, 316 Christoph (Sohn Friedrichs III.) 28 Christoph I., Mgf von Baden 230 Christoph (außerehelicher Sohn Maximilians) 318 Chur 115 - Btm 285 - Bf Heinrich von Hewen 115 - Bf Paul Ziegler 285 Cilli 26 Cilli, Gf Ulrich von 25 Cilli, Thomas von 30 Claudia, Pzin und Kgin von Frankreich 136f., 142—144, 150, 161, 179, 314f. Codex Maximilaneus s. Bergwerke Colin, Alexander 384 Colonna, Marcantonio 342 Commines, Philippe de 51, 69, 80, 92 f., 139, 334 Como 108 Concordantia Catholica 256 Contarini, Zaccaria 262, 264, 344 Coppenhole, Jan 57 Cordoba 318 Cornelius (außerehelicher Sohn Maximilians) 318 Cortina 184, 297 Corvinus, Ladislaus 25 Corvinus, Matthias s. Matthias Corvinus, Kg von Ungarn Cranach, Lukas 326 Cremona 88 Cusanus, Nikolaus 211, 224, 239, 256, 282 Cuspinian, Dr. Johannes 11, 29, 81, 187 f., 212, 236, 320, 322, 336, 351, 360, 379 Dahlberg, Johann von s. Worms, Bf Dalmatien 167 Dänemark 188, 209, 310, 374 - Kgr s. Christian II.; Isabella Danzig 258 David von Burgund s. Utrecht, Bf
Defensionsordnung s. Kriegswesen Dendermonde 54, 338 Depressionen s. Charakter und Persönlichkeit Deutschbewußtsein s. Ideenwelt Deutsche Legation s. Kirchenpolitik Deutsche Nation 130, 154, 165, 169, 193, 211 f., 214, 258, 289, 303, 319, 321, 368 f., 374 f. - Nationalgefühl 213, 336, 368 Deutscher Orden 127f., 130, 149, 188 f., 233, 258 f., 268, 277, 371 f. - Hochmeister s. Albrecht, Mgf von Brandenburg zu Ansbach-Bayreuth; Friedrich, Hg von Sachsen; Tiefen, Hans von Deventer 280 Dietrich von Bern s. Ideenwelt Dietrichstein, Sigmund von 212, 220, 328 Dijon, Friede 175 Donaueschingen 121 Donaumonarchie 14, 187 ff., 357, 370, 375 Dorneck 119 f. Dorothea (außereheliche Tochter Maximilians) 318 Dortrecht 50 Dschem, türkischer Prinz 91 f., 130 Dunkelmännerbriefe s. Kunst und Wissenschaft Dürer, Albrecht 12, 190, 194, 197, 238, 280, 322, 326, 331—333, 336, 351 f., 364, 384 Eberhard II., Hg von Württemberg 230 Ebrach 322 Eduard IV., Kg von England 97 Ehre s. Charakter und Persönlichkeit Ehrenpforte 326, 331 f., 374 - „Misterium" 331, 374 Ehrgeiz s. Charakter und Persönlichkeit Eidgenossenschaft 18, 20f., 38, 41, 46, 69, 89, 93, 111 — 116, 118 — 122, 125, 128, 139, 154 f., 165, 170 f., 174f„ 181 — 183, 209, 211, 213, 245, 252, 254, 258f., 269, 271, 277, 280, 297, 342, 345, 372 Eisenstadt 148 Eleonore, Ehgin, Kgin von Portugal (Tochter Philipps des Schönen) 111, 179, 312, 318 Eleonore von Portugal, Krin (Gemahlin Friedrichs III.) 23f., 2 8 - 3 0 , 34, 78, 279, 310, 313, 374
Register Elisabeth von Bayern-Landshut, Pfgfin bei Rhein 318 Elisabeth von Görz-Tirol (Gemahlin Albrechts I.) 18 Elisabeth von Luxemburg (Gemahlin Albrechts V. (II.)) 21 Elsaß 17f., 40f., 110, 118, 213, 2 9 6 f „ 325 Engadin 115 f., 118 Engelbrecht, Peter 29 f. England 42, 46f., 50f., 60f., 73—76, 94, 97 f., 102, 104, 109, 132, 151, 153, 165, 170, 173f., 1 8 0 f 1 8 3 f . , 194, 209, 279, 291, 293, 295, 310—312, 318, 348, 357, 374, 376 - Kgr s. Anna von York; Arthur; Eduard IV.; Heinrich VII.; Heinrich VIII.; Katharina von Aragon; Maria; Richard III. Ensisheim 76, 284, 297 Erasmus von Rotterdam, Desiderius 294, 321 Erbreich s. Ideenwelt E r f u r t 247, 325 Erich I., H g von Braunschweig-Kalenberg 146, 234, 344 Ernst der Eiserne, Ehg von Osterreich 21 f. Erwählungsglaube s. Charakter und Persönlichkeit Este, Familie 86 Europa 91, 94, 108, 127, 145, 153, 163, 168, 187, 194, 210, 330, 385 Faber, Dr. Johannes 216, 282, 382 Falkenstein 378 Federigo, Kg von Neapel 138 Fehden, Bürgerund Bauernkriege 245 — 253 - Armer Konrad 247, 253 - Bundschuh 252, 272, 388 - Oberrheinischer Revolutionär 252, 257, 260, 278, 282 Feldherr s. Kriegswesen Feldkirch 116 Felix V. (Amadeus VIII., H g von Savoyen), Papst 170 Ferdinand (I.), Ehg 14, 135, 179f., 185f., 189 f., 192, 273, 302, 307, 310, 312, 315, 320, 344, 370, 376, 379f., 384—388 Ferdinand II., Kg von Aragon 58, 91, 94, 97, 100, 112, 136, 138, 142—144, 150—153, 160, 165, 167, 170—176,
411 179—182, 186, 287, 295, 311 — 315, 344, 370
Ferrara 83, 86, 89, 112, 222 Finanzen 64, 100, 122, 292, 296—298, 304f., 307f., 345 — 349, 386f. - Kapitalismus 303, 350 - Monopole 240, 244, 347, 350 - Schulden 153, 185, 200, 307, 346, 349 f., 364, 380, 385—387 Firmian, Nikolaus von 69, 81 Fiume 160 Fladnitz, Jakob von 29 Flamen 42, 54, 56 Flandern 36, 46, 50, 54—56, 58, 76, 110, 174, 342 Florenz 83, 86—88, 90f., 102f„ 112, 171, 173, 341, 366 - H g t m s. Giovanni dei Medici, Papst Leo X.; Lorenzo il Magnifico Foix, Gaston de 342 Fornuovo 93 Fragenstein 201 Frankfurt 29, 44, 55, 60, 66, 68, 74, 240 f., 249, 378 - Reichstag 68, 228 Frankreich 21, 36, 38, 40, 42f., 46f., 4 9 - 5 2 , 5 4 - 5 8 , 60 f., 69, 7 3 - 7 6 , 78, 80 f., 83, 86 f., 89—94, 96—103, 106, 108 — 112, 114, 118, 120—123, 125 — 127, 130, 132—134, 136—145, 148 — 153, 155, 157, 160—167, 169—176, 179—184, 202 f., 209—211, 213, 226, 228 f., 232, 239, 249, 258, 261, 268, 274, 279, 286f., 289, 291—294, 303, 310, 311—313, 315, 341, 345, 348 f., 357, 359 f., 362, 364—366, 368 — 370, 374, 376 - Kgr s. Anna von der Bretagne; Claudia; Franz I.; Johann II.; Karl VIII; Karl Roland; Ludwig XI.; Ludwig XII.; Maria; Renate Franz (Sohn Maximilians) 48 Franz I., Kg von Frankreich 15Θ, 180—182, 188, 196, 233, 247, 249, 289, 312 Franz II., H g von der Bretagne 48, 73 Frastanz 116 Frauen s. Charakter und Persönlichkeit Frauenstein im Ennstal 356
412
Register
Freiburg im Breisgau 204, 213, 277, 297, 300, 377, 379 - Reichstag 110, 115, 127, 130, 268 f. Freiburg im Uchtland 119 Freising 285 Freydal 28, 63, 218, 221, 326, 328 Friaul 86, 88, 122, 128, 132, 135, 160, 162, 164, 167, 170, 178, 185, 245, 338 Friedrich I. Barbarossa, Kr s. Ideenwelt Friedrich II., Kr s. Ideenwelt Friedrich III., Kr 20 — 26, 28 — 30, 32—35, 3 8 - 4 1 , 43, 46f., 55, 58, 66, 6 8 - 7 0 , 72, 7 5 - 7 8 , 80, 82, 84, 97, 113 f., 127, 129, 187, 215, 228 f., 232, 235, 245 f., 254, 256, 260, 279, 284 f., 290 f., 306, 313, 318, 340, 346, 355, 362, 365, 372, 385 Friedrich (III.) der Schöne, Hg von Osterreich, Rom. Kg 20 Friedrich II. der Streitbare (Babenberger), H g von Österreich 18 Friedrich, Mgf von Brandenburg zu Ansbach-Bayreuth 232 f., 241, 246 Friedrich I. der Siegreiche, Pfgf bei Rhein, Kfst 39, 153, 318 Friedrich II. der Weise, Pfgf bei Rhein 228 f. Friedrich der Weise, Hg von Sachsen, Kfst 148, 160, 198, 203, 226—228, 232 f., 261, 269, 275, 289, 318, 344, 352, 377 Friedrich, Hg von Sachsen, Hochmeister des Deutschen Ordens 128 Friesland 36, 40, 82, 84, 246 f., 258, 292 Froissard, Jean 33 Frömmigkeit s. Charakter und Persönlichkeit Frundsberg, Jörg von 176, 182, 239, 248, 344, 363 Fugger - Familie 82, 99, 156, 169f., 200, 213, 240 f., 299, 307, 350, 386 - Jakob 12, 154, 196, 300, 349f. Fürstenberg, Gf Heinrich von 119 Füssen 82 Gaeta 141 - Bf Thomas Cajetan, Kard. 193 Garde s. Kriegswesen Garigliano 141 Gattinara, Mercurino Arborio di 161, 165, 187, 192, 209, 294 f.
Gedächtnis s. Kunst und Wissenschaft Geiler von Kaisersberg, Johann 216, 260, 282
Geldern 40, 50—52, 56, 83, 110—112, 116, 172 f., 232, 246, 292 f., 295 - Hgtm s. Karl von Egmont Gelnhausen 138, 234, 245, 252, 271, 276 Gemeiner Pfennig 99, 114, 262, 265, 267 f. Gemmingen, Uriel von s. Mainz, Ebf Genealogie s. Kunst und Wissenschaft Gent 37, 42—44, 46, 50—52, 54—58, 60, 84 Genua 80, 86, 102 — 104, 107, 121, 139, 154 Georg der Reiche, Hg von BayernLandshut 142, 145, 198, 203 Germaine, Gfin von Foix, Kgin von Aragon 150, 165, 312—314 Georg (außerehelicher Sohn Maximilians) 286, 318 Gesandtschaftswesen 208—211 Geschichtsschreibung s. Kunst und Wissenschaft Giangaleazzo Sforza, Hg von Mailand 80f., 83 Giovio s. Jovius Gleichgewicht (politische Idee) 87, 90 f., 101, 134 Glums 100 Gmunden 380 Godl, Stefan 384 Goldenes Vlies 51, 60f., 63f., 85, 135, 235, 355 Göllheim 18 Gonzaga - Familie 86 s. Mantua Görz 20, 89, 109, 132, 135, 160, 164, 244 - Gfen von 25, 296 - Gf Leonhard von 122, 132 Gossembrot, Georg 115, 200, 205, 307 Grabmal s. Kunst und Wissenschaft Gramaiser, Kaspar genannt Lechtaler 206, 238, 354 Gran Capitän s. Hernandez de Cordoba, Gonzalo Grandson 41, 113 Graubünden 115 f., 118 f. Gravamina der Deutschen Nation 213 Grave 84 Graz 26, 30, 34, 47
Register Grobianismus s. Charakter und Persönlichkeit Groningen 82, 84, 246 Grünpeck, Joseph 12, 26, 30, 33 f., 81, 212, 282, 322, 334, 336, 349, 360 Guibe, Michael s. Rennes, Bf Guicciardini, Francesco 211, 334 Guinegate-Therouanne 48 f., 235 Guldiner s. Münzwesen Gurk - Btm 285 - Bf Matthäus Lang, Kard. 142 f., 158, 161, 167, 169, 171 f., 178 f., 184, 188f., 193, 198, 201—204, 206, 209, 211—213, 235, 285, 287, 325, 364, 380—382 - Bf Raimund Peraudi, Kard. 129, 133, 271 f. Hagenau 137, 143, 145, 149f., 161, 211, 228, 273, 294, 314 Haimburg, Gregor von 211 Halberstadt 233 Hall in Tirol 70, 80, 280, 299, 347 Hallstatt 380 Hanse 37, 149, 347 Hausmacht 17—26, 134, 162, 192, 275, 291, 296, 369, 374 - Heiratspolitik 94, 310 f., 316 Hausschatz 66, 77, 143, 190, 215, 218, 235, 308, 346, 386 Heidelberg 146, 228, 325 Heiligenverehrung s. Charakter und Persönlichkeit Heinrich I. der Altere, Hg von Braunschweig-Wolfenbüttel 234 Heinrich VII., Kg von England 55, 58, 97 f., 151, 314 f. Heinrich VIII., Kg von England 173—175, 179f., 182—184, 215, 295, 314f., 342, 378 Heiratspolitik s. Hausmacht Helena (Tochter Friedrichs III.) 28 Helfenstein, Gf Ludwig von 318 Henneberg, Gf Berthold von s. Mainz, Ebf Hennegau 36, 46—48 Herberstein, Sigmund von 210, 322, 378, 388 Herkules s. Ideenwelt Hermansgrün, Hans Lupus von 213, 270, 369
413
- Traum des 102, 260 f. Hernandez de Cordoba, Gonzalo (Gran Capitan) 139, 141, 151, 342, 344 Heßler, Dr. Georg 43, 47 Hessen 232, 234, 247 - Lgft s. Hermann, Ebf von Köln; Philipp I.; Wilhelm III. Hewen, Heinrich von s. Chur, Bf Hillandt, Jan 318 Hochburgund 110 Höchstetter, Familie 299 Hoeks 48, 50, 52 Hofhaimer, Paul 33, 190, 212, 220 Hofkapelle s. Hofleben Hofkultur s. Hof leben Hofleben 198 ff., 214 ff. - Hofkapelle 332 - Hofkultur 62 - Jagd 30, 32, 62, 102, 221 f., 242, 244, 279, 328, 330, 354, 358, 362, 380 - Kantorei 220 - Mummerei 218, 220, 328 - Theater 190, 212 - Turnier 62 f., 130, 220 f., 228, 236, 275, 326, 328, 360, 362 - Zeremoniell 64 Hohenkrähen 248 Holbein, Hans der Jüngere 12 Holland 36, 47, 50, 52, 58, 232, 356 Hölzl, Blasius 199, 238 Horapollon s. Ideenwelt Horus s. Ideenwelt Hugonet, Guillaume de 43 Humanisten s. Kunst und Wissenschaft Humbercourt, Guy de 43 Hungerspach, Simon von 306 Hutten, Hans von 193, 230, 247 - Ulrich von 212 f., 238, 321, 336, 369 Ideenwelt 153, 156, 294, 326, 365, 385 - Alexander der Große 121, 342, 355, 365 - Caesar 355 f. - Deutschbewußtsein 369 - Dietrich von Bern 365 - Erbreich 226 - Friedrich I. Barbarossa, Kr 17, 102, 135, 154, 182, 261, 322, 342, 354, 362, 371 - Friedrich II., Kr 354 - Herkules 356 - Horapollon 331
414 - H o r u s 331, 356, 374 - Kaiseridee 153, 158, 160, 256, 278, 332, 374 - Kaiserpolitik 98, 295, 304, 313, 321, - Karl der Große 12, 17, 68, 86, 91, 166, 170, 181, 196, 215, 261, 270, 354—356, 365, 385 - O t t o der Große, Kr 261, 322, 354 - Osiris 330, 356 - Reichsidee 61, 121, 257, 261, 331, 375 - Universaldominat 14, 94, 97, 186 f., 303, 312, 319, 357, 375, 388 - Universalmonarchie 13, 145, 150, 192, 198, 225, 259, 295, 314 - Weltreich 209 f., 212, 214, 240, 261, 295, 300, 302, 314, 336, 350f., 354, 365, 370, 372, 374f., 385
Register
321, 365 145, 342,
369, 225, 186, 291, 356,
Indien 145, 313, 332 Innerösterreich 21 f., 61, 70, 78, 99, 132, 298, 387 Innozenz VIII. (Giovanni Battista Cybo), Papst 58, 68, 75 f. Innsbruck 69f., 80—83, 100, 108, 121, 167, 186, 188, 199, 201, 210, 215, 218, 220 — 222, 238, 242, 244, 267, 296 — 298, 300, 302, 304, 3 0 6 - 3 0 9 , 313, 326, 330f., 333 f., 337, 340, 346, 360, 376 f., 384 f., 388 - Goldenes Dachl 218, 308 Institoris, Heinrich O P 284 Irland 98 Isaak, Heinrich 220, 242 Isabella, Ehgin, Kgin von D ä n e m a r k (Tochter Philipps des Schönen) 310, 312, 316 Isabella, Kgin von Kastilien 58, 91, 100, 112, 143, 149f., 311 f. Isabella von Portugal, Krin (Gemahlin Karls V.) 312 Isabella von Portugal (Gemahlin Philipps des Guten) 23, 312 Isabella von Spanien, Kgin von Portugal 311 f. Istrien 20, 160, 162, 261 Italien 21, 23, 61, 63, 70, 77f., 80, 83, 85 — 87, 89—94, 96, 98 — 104, 106, 108 — 110, 112, 114, 122—125, 129f., 132—134, 137 — 142, 145, 151 — 158,
160, 1 6 2 - 1 6 5 , 167, 169, 1 7 1 - 1 7 6 , 179—182, 184 f., 187, 190, 194, 196, 202—204, 209, 211 f., 233—235, 241, 247, 249, 258 f., 261 f., 2 6 4 - 2 6 8 , 274, 277, 289, 291, 293, 302, 306, 312 — 314, 318, 333 f., 337, 341, 345, 357f., 362—366, 368 — 370, 376, 380 Ivan III., Gfst von Moskau 127, 149, 315 Jagd s. Hofleben Jäger, Clemens 12, 213 Jakob von Baden s. Trier, Ebf Jakob von Savoyen, Gf von R o m o n t 49 Jerusalem 194, 341, 374 Joachim I., Mgf von Brandenburg, Kfst 233, 372 J o h a n n II. von Baden s. Trier, Ebf Johann III., Mgf von Brandenburg, Kfst 232 f. Johann ohne Furcht, H g von Burgund 36 Johann II., Kg von Frankreich 36 Johann III., H g von Kleve 232 J o h a n n Albrecht, Kg von Polen 127 f., 142 Johann (III.), Pz von Portugal 312 J o h a n n Zäpolya, Fst von Siebenbürgen 148, 188, 316 J o h a n n a von Frankreich (Gemahlin Ludwigs XII.) 112 Johannes (Sohn Friedrichs III.) 28 Johannes Parricida 20 Johannes, Priesterkönig 282, 313, 324 Johanniterorden 128 Jovius-Giovio, Paulus 183, 334 Juan, Infant von Spanien 94, 96, 126, 312 Juana die Wahnsinnige, Infantin von Spanien, Kgin von Kastilien 94, 96 f., 111, 137, 150, 152, 293, 312 Juden 240, 265—267, 324 f., 348 f. Jülich 232 Julius II. (Giuliano della Rovere), Papst 87, 140—144, 151, 157 f., 161 — 167, 169—173, 220, 287f., 314, 346, 362 Juristen s. Römisches Recht Kabeljaus 48 Kaiser-Papst-Plan 169 f., 287 f., 294, 363 Kaiseridee s. Ideenwelt Kaiserkrone s. Kaisertum Kaiserkrönung s. Kaisertum Kaiserpolitik s. Ideenwelt
Register Kaiserproklamation s. Kaisertum Kaisertum 91, 154 f., 168, 194, 212, 236, 277 - Kaiserkrone 90, 134, 139—141, 156 f., 187, 196, 264, 291, 368 - Kaiserkrönung 87, 99, 103, 140, 154, 289 - Kaiserproklamation 156, 158 Kalikut 210 Kammergericht 114, 265 — 267, 271, 277 f. Kantorei s. Hofleben Kapeller, Friedrich 344 Kapitalismus s. Finanzen Karl der Große, Kr s. Ideenwelt Karl IV., Kr 20, 224
214, 151, 197,
274,
Karl (V.), Ehg, Kg von Spanien 13 f., 21, 60, 74, 76, 97, 102, 135—137, 142—144, 150, 153, 161, 165, 174 f., 179f., 182—184, 186 f., 189f., 192, 193 f., 196 f., 200, 203, 209, 214, 227—229, 233 f., 240, 247, 249, 255, 276, 289, 292—295, 300, 302, 308, 310, 312—315, 318 — 320, 344, 349f., 363f., 366, 368, 370, 374, 376f., 379f., 384—388 Karl der Kühne, H g von Burgund 36—44, 46, 48, 50, 52, 62, 65, 83 f., 97, 110, 113, 183, 204, 215, 228f., 286, 291, 337, 355, 365 Karl VIII., Kg von Frankreich 11, 42 f., 51 f., 63, 72—78, 83, 85, 87, 89—94, 96, 1 0 0 - 1 0 2 , 104, 108f., 129f., 138, 262, 268, 311, 341, 365, 371 Karl Roland (Sohn Karls VIII. von Frankreich) 76 Karl von Egmont, H g von Geldern 56, 83 f. Kärnten 17f., 20f., 25, 34, 66, 70, 78, 128f., 185, 244f., 253, 297 f. Kasimir, Mgf von Brandenburg (zu Ansbach-Bayreuth) zu Kulmbach 233, 318, 344 Kasimir IV., Kg von Polen 372 Kastilien 143, 149—152, 165, 190, 311 f. - Kgr s. Isabella; Juana; Philipp der Schöne Katharina, Ehgin (Tochter Philipps des Schönen) 312 Katharina von Aragon, Kgin von England 175, 314 f.
415
Katharina von Sachsen (Witwe Sigmunds von Tirol), Hgin von Braunschweig 234 Kaufbeuren 354, 377 Kempis, T h o m a s 280 Kempten 82, 82, 248 Keutschach, Leonhard von s. Salzburg, Ebf Kiew 127 Kirchengut s. Kirchenpolitik Kirchenhoheit s. Kirchenpolitik Kirchenpolitik 279, 287, 290 - Deutsche Legation 178, 287 - Kirchengut 169, 279, 285f., 290 - Kirchenhoheit 284—286 - Kirchenreform 87, 137, 166, 170, 216, 287 f., 290 - Reichskirche 286 Kirchenreform s. Kirchenpolitik Kirchenstaat 86—88, 173, 196 Kirchmair, Georg 186, 208, 356 Kitzbühel 297 Kleve 40, 232 - Hgtm s. Johann III.; Philipp, H r von Ravenstein Klosterneuburg 280, 290 Koblenz, Reichstag 76, 82 Köchlin-Coccinius, Michael 213 Kölderer, Jörg 322, 326, 332, 334, 384 Kolmar 113 Köln 39—41, 44, 82, 2 2 4 f „ 232, 359 - Ebf H e r m a n n von Hessen 148 - Ebf Ruprecht von der Pfalz 40, 82 - Reichstag 146, 148, 155 f., 240, 254, 273—275, 277 Königreich Burgund 332 Königreich Italien 181, 185 Königreich Österreich 189 f., 192, 300, 302, 332 Konrad III., H g von Masovien 127 Konradin von H o h e n s t a u f e n 18 Konstantinopel 24, 89, 128, 130, 132, 193, 208 f., 331, 341, 371, 374 Konstanz 113, 115, 119f., 241, 254, 285 - Reichstag 153—156, 274, 375 Konzil 87, 137, 166, 172, 176, 285, 288, 290 K o r f u 132 Koron 132 Kraig, Rosina von 32, 47 Krain 17f., 20f., 25, 78, 128f., 160, 185, 244 f., 253, 298
416
Register
Krakau 128 Krankheiten s. Charakter und Persönlichkeit Kremsmünster 378, 381 Kreuzzug 129, 132 f., 139f., 152, 184, 193 f., 211, 273, 289, 328, 341, 362, 364, 370 f. Kriegswesen 292, 336—345 - Artillerie 106, 337 f., 340, 342 - Defensionsordnung 300, 309, 337 - Feldherr 62, 336—345 - Garde 49 - Landlibell s. Tirol - Landsknechte 55f., 115f., 125, 128, 141, 164, 171, 176, 181 f., 185, 238, 243, 252, 254, 258, 337 f., 342, 368 f. - Militärgrenze 129, 298, 337, 371 - Ordonnanzen 62, 300, 337, 340, 342 - Provisoner 238 - Reichsheer 109, 112, 119, 123 — 125, 137, 162, 238 f., 258, 265, 270 f., 2 7 4 - 2 7 6 - Wehrverfassung 338, 340 Kroatien 78, 126, 261, 298 s. Nikolaus von Frangepan Kues, Nikolaus von s. Cusanus Kufstein 146, 246, 273, 297, 338, 361 f., 378 Kunigunde, Ehgin (Gemahlin Albrechts IV. von Bayern-München) 28, 66, 69 f., 229, 318 Kunst und Wissenschaft 63, 320 — 336, 361 - „Gedächtnis" 135, 212, 325, 333, 345, 361, 384 - Ambraser Heldenbuch 320 - Archiv 308 - Bibliothek 63 f., 324, 331 - Dunkelmännerbriefe 324 f. - Geistes- und Naturwissenschaften 321 ff. - Genealogie 17, 310, 330 f., 384 - Geschichtsschreibung 213, 334, 336, 365 - Grabmal 362, 379, 384 f. - Hofakademie 212 ff. - Humanisten 29 f., 204, 209, 260, 279f., 284, 298, 320f., 325, 365, 368 - Musik 33, 336 - Universitäten und Sodalitäten 213, 321 f., 325 Kunz von der Rosen 56f., 161, 218, 330, 354, 380 Ladislaus Postumus 24 f., 29, 34, 190 Laibach 22
Landau, Hans von 156 Landfriede 82, 114, 245, 264 f., 273, 275—278 Landlibell s. Tirol Landshut 246 Landsknechte s. Kriegswesen Lang, Apollonia 218 Lang, Matthäus s. Gurk, Bf Lateran-Konzil 289 Lauredanus, Leonardo, D o g e von Venedig 160, 379 Lausanne 41 Laxenburg 47 Lazius, Wolfgang 322 Lechtaler s. Gramaiser Leiningen, Gf Emicho von 246 Leo X . (Giovanni dei Medici), Papst 87, 173, 176, 178, 180f., 184, 193f., 196f., 222, 276, 287, 289, 376 Leopold III., H g von Österreich (Vorderösterreich) 21, 183 Leopold III., Mgf von Österreich 23, 280 Leopold (außerehelicher Sohn Maximilians) 286, 318 Levante 87 f. Leyden 50 Leyden, Adrian von 294 Librafatta 88 Lichtenberger, Johannes 34, 282 Liechtenstein, Paul von, Frh von Castelkorn 69, 116, 169, 200, 202, 206, 307f. Lienz 297 - Schloß Bruck 132 Lierre 96 Lille 47 Limburg 36, 246 Lindau 118, 241 - Reichstag 102—104, 106f., 201, 243, 266, 270, 358 Linz 77, 212, 378 Litauen 125—127 Livland 127, 149, 259 Livorno 23, 88, 103f., 106—108, 266, 341 Lodron, Gf Julian von 218 Löffler, Peter 384 Lombardei 90, 93, 103, 107, 121, 157, 160, 162, 171, 174f., 179, 181, 185, 188, 209, 345, 370 London 179, 184
Register Lorenzo il Magnifico Medici, Ghg von Toskana 87 Lothringen 36, 39—41, 46, 229, 258 f., 311 - Hgtm s. Anton II.; Rene II. Löwen 52, 58, 111 - Landtag 84 Lucca 86, 139 Ludovico il Moro Sforza, H g von Mailand 80 f., 83, 89—94, 98, 100—102, 108 — 111, 118 — 123, 132, 144, 182, 313 f., 348 Ludwig XI., Kg von Frankreich 41—43, 46—52, 55 — 57, 60 f., 73, 311 Ludwig XII., Kg von Frankreich 109—114, 120—123, 125 f., 128, 132, 134 — 139, 1 4 1 - 1 4 5 , 1 4 8 - 1 5 2 , 154f., 1 6 1 - 1 6 6 , 1 6 9 - 1 7 1 , 1 7 3 - 1 7 6 , 178-180, 211, 267, 270, 273, 288, 293, 312—316, 370 Ludwig V., Pfgf bei Rhein, Kfst 318 Ludwig (II.), Pz von Ungarn 148, 189, 312, 316 Luther, Martin 169, 194, 197, 214, 220, 278, 288—290 Lüttich 36, 40, 46, 52, 85, 110, 318 Luxemburg 36 Lyon 142, 171 Machiavelli, Niccolö 13, 107, 127, 163, 168, 278, 298, 342, 346, 358 Mäcon 36 Madrid 187, 312 Magdeburg 233 - Ebf Ernst von Sachsen 261 Magnus, Fst von Anhalt 233 Magt, Leonhard 384 Mailand 21, 80 — 82, 86—90, 92f., 98 — 101, 103f., 108f., l l l f . , 115, 118, 120 — 125, 132 — 138, 141 — 144, 154, 166, 171, 173 — 175, 181 — 185, 188, 222, 262, 269, 287, 289, 294, 314, 322, 334, 348, 358, 363 f., 366, 368, 380 - Hgtm s. Ascanio Maria Sforza, Kard.; Bianca Maria Sforza; Bona Sforza; Bona von Savoyen; Giangaleazzo Sforza; Ludovico il Moro Sforza; Massimiliano Sforza; Viridis Visconti Mainz 82, 224, 228, 247, 254, 276, 359 - Ebf Albrecht von Brandenburg, Kard. 233, 248, 287 - Ebf Berthold von Henneberg 32, 82, 96,
417
102, 115 f., 123—125, 139, 141, 148, 154, 198 f., 201—203, 205, 208, 225—228, 233—235, 246, 257, 260—262, 264, 266—274, 278, 300, 306, 359 f. - Ebf Uriel von Gemmingen 226 - Reichstag 193, 257 Majestätsbewußtsein s. Charakter und Persönlichkeit Mals 100 f., 222 Manlius-Mennel, Dr. Jakob 212, 330 Mantua 83, 86, 89, 171, 222, 334 - Mgft s. Gonzaga Manuel, Juan 209 Manuel, Kg von Portugal 312 Marano 178 Margarethe, Ehgin (Tochter Maximilians I.) 48, 51 f., 61, 74—76, 94, 96, 110, 126, 148, 1 5 0 - 1 5 2 , 160f., 164, 166, 170, 173, 175, 179, 187, 192, 209, 227, 292, 294 f., 311 — 314, 318, 342 Margarethe von Bayern (Gemahlin Johanns ohne Furcht) 36 f. Margarethe von Bayern-Landshut, Pfgfin bei Rhein 145 Margarethe von Flandern (Gemahlin Philipps des Kühnen) 36 f. Margarethe von York (Gemahlin Karls des Kühnen) 42 f., 47, 50, 97 Margarethe (außereheliche Tochter Maximilians) 318 Maria, Ehgin (Tochter Philipps des Schönen) 312, 316, 318 Maria, Hgin von Burgund (Gemahlin Maximilians) 37—43, 47 f., 51, 73, 84, 214, 291, 310, 328, 356 Maria, Pzin von England, Kgin von Frankreich 174, 179, 315 Marignano 181, 342 Marmier, Hugues 305 Martens 305 Martha (außereheliche Tochter Maximilians) 318 Martinswand 221 Martyr, Petrus 96 Maßlosigkeit s. Charakter und Persönlichkeit Maßmünster, Melchior von 344 Masovien 127, 310 - Hgtm s. Konrad III.; Zimburgis
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Register
Massimiliano Sforza, Hg von Mailand 173 —175, 181 Matthias Corvinus, Kg von Ungarn 34, 55, 69 f., 72, 125 f., 133, 316, 347 Maynus, Jason 80, 212 Mecheln 52, 58, 96, 173, 294 f. Meckau, Melchior von, Kard. s. Brixen, Bf Mecklenburg 233 f. Medici - Familie 86f., 171, 173, 289 s. Florenz Meinhard II. (IV.) von Tirol (Görz), Hg von Kärnten 18 Meißen 18 Melancholie s. Charakter und Persönlichkeit Memmingen 333 Mennel s. Manlius Meran, Landtag 118 Mestre 176, 340 Metz 249 Michelangelo Buonarotti 167, 333 Miguel, Pz von Portugal 312 Militärgrenze s. Kriegswesen Millstatt 129, 290 „Misterium" s. Ehrenpforte Mißtrauen s. Charakter und Persönlichkeit Modon 132 Moldau 372 Molinet, Jean 33, 42, 44, 61 Mondsee 146 Monopole s. Finanzen Montferrat 83, 86, 89, 121 Mörsperg, Frh Kaspar von 246 Moskau 127, 188 f., 208, 210, 268, 347, 372, 378 - Gfstm s. Ivan III.; Wassilij III. Mummerei s. Hofleben Münster im Vintschgau 115, 118 Münzwesen 347 - Guldiner 347 Murten 41, 113 Musik s. Kunst und Wissenschaft Mut s. Charakter und Persönlichkeit Namur 36, 52 Nancy 41 f., 229 Nantes 75 Nassau, Gfen von 235
Nassau-Dillenburg-Breda, Gf Engelbert II. von 49, 235 Nassau-Wiesbaden-Idstein, Gf Adolf III. von 235 Nationalgefühl s. Deutsche Nation Naturelli, Philibert 142 Navarra 171, 174 Neapel 77, 83, 85—93, 98, 100, 103, 106, 109, 112, 125, 133, 1 3 6 - 1 4 4 , 148, 150f., 181, 271 f., 289, 294, 312, 314, 361, 366, 368, 371 - Kgr s. Federigo Negker, Jost de 326 Neuberg 21 Neudegg, Georg von s. Trient, Bf Neuß 40 Niederlande 36 f., 41 f., 44, 46 f., 49, 51 f., 54 f., 58, 60, 62, 66, 68, 70, 74, 82 — 85, 96, 102, 108, 110f., 151, 160f., 173, 192—194, 204, 209, 215, 218, 221, 229, 235, 252, 258—260, 291 — 296, 298 f., 303, 318, 337, 347, 357, 361, 365, 370, 372 Niederösterreich 21 — 23, 25, 29, 66, 69, 297, 299, 302, 306—309, 388 Niederösterreichische Länder 80, 206, 298, 304, 306 Nikiashausen, Pfeiferhans von 250 Nikolaus V. (Thomas Parentucelli), Papst 22, 23, 24 Nikolaus von Frangepan, Banus von Kroatien 130, 268 Northeim, Zyprian von genannt Serntein 142 f., 169, 198, 201 f., 210, 213, 235, 270 Norwegen 132, 310, 312, 316, 374 Novara 93, 121, 174 Nowgorod 149 Noyon 184, 295 Numans, Gerard 305 Nürnberg 77, 82, 125, 134, 203, 212f., 215, 232, 241, 246, 249, 269—271, 322, 325, 328 - Reichstag 75 Oberösterreich 146, 297 Oberösterreichische Länder 306 Oberrheinischer Revolutionär s. Fehden, Bürger- und Bauernkriege Ödenburg 25 Ofen 72, 125, 129, 209, 331
Register Olivier de la Marche 33, 42, 52, 62, 354 Oranien 235 O r d o n n a n z e n s. Kriegswesen O r t e n b u r g 338, 387 Osiris s. Ideenwelt Österreich 14, 17f., 20—22, 24f., 28, 34f., 37, 43, 47, 50 f., 55, 61 f., 64—66, 68 — 70, 72, 78, 80, 85, 88 f., 94, 99f., 113, 123, 125, 128 — 130, 133, 137, 142, 144, 153, 157, 160—162, 164, 167f., 176, 178, 185—187, 189 f., 192 f., 196, 198 — 200, 203 — 205, 210, 213, 215, 224, 234, 238, 242 f., 247, 250, 253 — 255, 261, 267—269, 271, 275, 277, 285 f., 290 — 292, 294 — 300, 302—310, 312 f., 318, 331, 334, 340, 345 — 349, 357, 364, 366, 368 — 371, 376—380, 382, 385, 386, 388 s. Albrecht I.; Albrecht II.; Albrecht V. (II.); Albrecht VI.; Ernst der Eiserne; Friedrich II. der Streitbare; Friedrich der Schöne; Friedrich III.; Leopold III.; Przemysl O t t o k a r ; Rudolf I.; Rudolf II.; Rudolf IV. der Stifter; Sigmund der Münzreiche Osterreich ob der Enns s. Oberösterreich Österreich unter der Enns s. Niederösterreich Osterreichische Verwaltungsreform 303 Ostia 151 O t m a n , Kalixt 29, 38, 130 O t r a n t o 88 f. O t t o der Große, Kr s. Ideenwelt O t t o k a r (Przemysl Ottokar), H g Österreich, Kg von Böhmen 18 O u d e n a a r d e 54
von
Pace, Dr. Richard 183 Padua 86, 88, 162, 164f„ 176, 178, 340 Paracelsus, Theophrastus 190, 324 Paris 46, 102, 104, 174 f., 341 - Friede 110 Parma 171 Passail 29 Passau 20, 285 Pavia 108 - Bf Ascanio Maria Sforza, Kard. 89, 122 Pentapolis 88, 141, 162, 165 Peraudi, Raimund Kard. s. Gurk, Bf Persien 133, 140, 193, 208, 372 Pescara, Ferdinando Francesco d'Avalos, Mgf von 342
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Peutinger, Dr. Konrad 11, 212, 308, 322, 325, 334, 352, 360, 384 Pfalz 224 f., 228, 230, 246, 254, 260 - Kfstm s. Albrecht, Bf; Elisabeth; Friedrich I. der Siegreiche; Friedrich II. der Weise; Ludwig V.; Margarethe; Philipp; Ruprecht; Sibylle P f e f f e r k o r n , Johannes, Ο . P. 324 f. Pfintzing, Melchior 212, 216, 328 Philibert, H g von Savoyen 294, 313, 315 Philipp der Schöne, Ehg, Kg von Kastilien (Sohn Maximilians) 48, 51 f., 54 f., 61, 64, 84 f., 94, 96 — 98, 100, 102, 108 — 111, 135—138, 141 — 146, 149—152, 154f., 211, 216, 272, 2 9 3 f „ 311 f., 314, 318, 341, 362, 370 Philipp der Gute, H g von Burgund 23, 36 f., 48 Philipp der Kühne, H g von Burgund 36 Philipp I., Lgf von Hessen 232, 247, 249 Philipp von Kleve, H r von Ravenstein 84 Philipp, Pfgf bei Rhein, Kfst 82, 142, 145 f., 148, 226 — 228, 246, 273, 277 Philipp II., Kg von Spanien 13, 313, 378 Piacenza 171 Picardie 36, 42, 51 Pienzenauer, Johann 146 Pirckheimer, Willibald 11, 116, 118, 212, 325, 331, 351, 374 Pisa 83, 86, 88, 91, 102—104, 107, 139, 166, 169, 172, 287 f. Pitigliano, Gf Niccolö von 342 Pius II. (Eenea Silvio Piccolomini), Papst 35, 37, 211, 310 Pius III. (Francesco Todeschini-Piccolomini), Papst 140, 272 Podolien 127 f. Polen 21 f., 125—128, 130, 133f., 148f., 154, 188 f., 210, 258, 315, 371 f., 376 - Kgr s. Barbara Zäpolya; Bona Sforza; Johann Albrecht; Kasimir IV.; Sigismund I. Polheim, Wolfgang von 30, 74—76, 297 Pommern 233 - H g t m s. Bogislaw X. Porträt s. Charakter und Persönlichkeit Portugal 21, 58, 97, 132, 145, 208, 310 — 313, 318, 374 - Kgr s. Eleonore; Isabella; Isabella von Spanien; Johann (III.); Manuel; Miguel
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Register
Post 201, 210, 233 Prag 25 Praitschwert, Lukas 208 Predis, Ambrogio de 12 Preßburg 148, 188 - Friede 72, 125, 127, 148, 187, 189, 235, 316, 370 Preußen 127, 133, 259 P r o p a g a n d a 75 f., 140, 167, 198, 202, 204, 2 1 1 - 2 1 4 , 224, 261, 272, 321, 325 f., 332 f., 347, 365, 375 Provence 102—104, 366 Provisoner s. Kriegswesen Prüschenk, Sigmund von 30, 47, 63 Pusarnitz 25 Pustertal 132, 135 Putsch, Wilhelm 206, 308, 357 Quirini, Vincenzo 362 Radstadt 33 Raffael (Raffaello Santi) 171, 176, 194, 196, 222, 287, 289, 333 Rattenberg 297 Ravenna 171 Ravenstein 84 Reformatio Sigismundi 160, 239, 256 f., 261 Regensburg 35, 68, 70, 229, 241, 246 Reichenau 290 Reichenburg, Reinprecht von 119, 344 Reichsgewalt 115, 273 Reichsheer s. Kriegswesen Reichsidee s. Ideenwelt Reichskirche s. Kirchenpolitik Reichskreise 239, 254f., 2 7 5 - 2 7 7 Reichsrecht 90f., 93, 98f., 109, 123, 139f., 239 Reichsreform 68, 82, 225 f., 236, 255 f., 259—276 Reichsregiment 198—203, 265, 274 Reichsvikariat 228 Reims 175 Reisch, Gregor 216, 282, 324, 377, 379—382 Rem, Lukas 345 Renaldis, Luca de 153, 209 Renate, Pzin von Frankreich 179 f. Rene II., H g von Lothringen 228 f. Renner, Johannes 379 Rennes 75 f.
- Bf Michael Guibe 74 Reuchlin, Johannes 325 Reutlingen 247 Richard III., Kg von England 97 Ritterstand 236—238, 256, 275—277 Riva 184, 297 Rojas, Francisco de 96 R o m 23f., 32, 34, 76, 80, 86, 88—92, 98, 100, 103, 108, 114, 123, 129, 132, 140, 145, 151 f., 154—158, 160, 163, 165, 169, 171 f., 178, 209, 222, 225, 261, 280, 2 8 6 - 2 9 0 , 313f., 334, 341, 368, 371 Romagna 139, 141, 143, 161 Römische Kurie 86, 125, 129, 134, 194, 287 f., 290 Römisches Recht 204f., 244, 264 f., 277 f. - Juristen 205, 235, 265, 277, 303 Romont, Gf von s. Jakob von Savoyen Rosenheim 378 Rotterdam 50 Rottweil 113, 254 Rouen, Ebf George d'Amboise 112, 121, 137, 143 f., 165 Rovereto 184, 297 Rudolf I. von Habsburg, Kg 17 f., 351, 365 Rudolf II., H g von Österreich 18 Rudolf IV. der Stifter, H g von Österreich 20 f., 24, 285 Rudolf, Fst von Anhalt 233, 300, 344 Runkelstein 330 Ruprecht von der Pfalz s. Köln, Ebf Ruprecht, Pfgf bei Rhein 145 Rußland 149, 210, 371, 376 Sabine von Bayern, H g i n von Württemberg 230, 318 Sachs, H a n s 347 Sachsen 196, 224, 228 f., 233, 247, 269, 325 - H g t m s. Albrecht der Beherzte; Ernst, Ebf von Magdeburg; Friedrich der Weise; Friedrich, Hochmeister des Deutschen Ordens; Katharina Salamanca, Gabriel 200, 302, 386 f. Salm, Niklas 344 Saluzzo 86, 89, 121 Salzburg 20, 178, 203, 250, 285, 378 - Ebf Leonhard von Keutschach 199, 285 Salzkammergut 299, 378 Santa Maria delle Grazie (Kloster) 160 Sanuto, Marino 172
Register Saurer, Lorenz 206 Savonarola, Gerolamo 87 Savoyen 40, 83, 86, 89, 121, 311 - Hgtm s. Amadeus VIII., Papst Felix V.; Bona; Jakob; Philibert Schaffhausen 120, 254, 258, 271 Schäuffelin, Hans 326 Schenk von Limpurg, Georg s. Bamberg, Bf Schiner, Matthäus, Kard. s. Sitten, Bf Schladming 299 Schönsperger, Johann 328 Schottland 98, 133 Schulden s. Charakter und Persönlichkeit; Finanzen Schwaben 17 f., 20 f., 70, 113, 115 f., 119, 146, 235, 243, 245, 250, 254, 296f., 369 Schwäbischer Bund 69 f., 113 — 115, 120, 230, 246, 248, 252—255, 272, 275, 297 Schwaderloh 116 Schwarzwald 17 Schwaz 70, 299 f. Schwechat 189 Schweden 132, 209, 310, 312, 316, 374 Schwendiner, Hans 114 Seeland 36, 47, 50, 52, 58 Selim I., Sultan 188, 193 Sempach 21 Sendungsbewußtsein s. Charakter und Persönlichkeit Senfl, Ludwig 220 Senlis, Friede 76 f., 83, 90 Serntein s. Northeim Sesselschreiber, Gilg 384 Seusenhofer, Konrad 33 Sforza - Familie 80 f., 86, 89, 122, 171, 174 s. Mailand Sibylle von Bayern, Pfgfin bei Rhein 318 Sickingen, Franz von 193, 238, 240, 247—249, 276 Siebenbürgen 26 s. Barbara Zapolya; Johann Zäpolya Siena 83, 86, 89, 91, 139 Sigismund von Luxemburg, Kg von Böhmen und Ungarn, Kr 21, 285 Sigismund I., Kg von Polen 188 f., 215, 268, 316, 318, 372 Sigmund der Münzreiche von Tirol, Ehg von Österreich 22 f., 30, 38, 46, 69f.,
421
114, 201, 204, 211, 215, 221, 229, 234, 299, 304, 306, 310, 318 Sitten, Bf Matthäus Schiner, Kard. 182, 184 Sizilien 86, 138, 143, 150f., 229, 313 Slatkonia, Georg s. Wien, Bf Sluis 54, 58, 60 Soliman II., Sultan 192 Solothurn 119 Spalatin, Georg 377 Spanien 14, 47, 60 f., 73—76, 83, 87, 90—94, 96—99, 102, 104, 107, 109, 112, 133 f 1 3 6 — 1 4 5 , 151 — 154, 161 f., 165, 170 f., 173, 175 f., 179—181, 184, 186 f., 192, 203, 208 f., 279, 287, 291, 293—295, 303, 310 — 315, 318, 345, 348, 350, 357, 363f., 366, 370, 374, 376, 386, 388 - Kgr s. Isabella; Juan; Juana; Karl (V.); Philipp II.; s. auch Aragon; Kastilien Speyer 82, 162, 252, 334 Spiegel, Dr. Jakob 213, 379 Spittal an der Drau 387 Sprenger, Jakob O P 284 Sprentz-Sperantius, Sebastian 204, 213 Springinklee, Hans 326 St. Aubin 73 St. Emmeram in Regensburg 322 St. Gallen 114 St. Georgs-Ritterorden 128 f., 140, 158, 239, 254, 290, 378, 380, 382 St. Jörgenschildritter 239, 254 St. Lambrecht 362 St. Wolfgang 146, 378 Stabius-Stab, Johannes 212, 216, 282, 322, 330, 379 Städte 119, 240—242, 250, 274 Stainreuter, Leopold 21 Stams 81, 130, 221, 284 Steiermark 17 f., 21, 25, 34, 66, 70, 77 f., 80, 128 f., 148, 185,215, 244 f., 253,298,308 Steyr 47 Stöckl, Hans 202 Stoß, Veit 384 Straßburg 113, 216, 325 - Bf Albrecht von der Pfalz 246 Strechau 77, 215 Strigel, Bernhard 12, 330, 333 Stuhlweißenburg 72, 338 Stünzel, Dr. Konrad 69, 198, 201 f., 266, 270
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Register
Suffolk, Gf von 98, 151 Sundgau 74 Sunthaym, Ladislaus 212, 216, 330 Susanne von Bayern, Mgfin von Brandenburg (zu Ansbach-Bayreuth) zu Kulmbach 233, 318 Syrien 193 Tannenberg 127 Tannstetter-Collimitius, Georg 282, 352, 377 Tataren 128, 372 Taufers 299 Taxis, Familie 210 Testament 135, 364, 379—381 Tetzel, Johann 290 Theater s. Hofleben Therouanne 174 f., 338, 342 Theuerdank 12, 30, 63, 156, 326, 328, 354 Thorn 258 - Friede 127, 372 Thüringen 18 Tichtel, Johannes 72 Tiefen, Hans von, Hochmeister des Deutschen Ordens 127 Tirol 20 f., 23, 66, 68—70, 72, 76, 80, 99 f., 113, 115 f., 118, 144, 146, 157, 164, 167f., 178, 182, 184, 198, 200—202, 204, 215, 221, 243—245, 255, 296—300, 304—306, 310, 318, 320, 340, 347, 357, 377, 387 f. - Landlibell 118, 167, 186, 297, 300, 309, 337 Tizian (Tiziano Vecellio) 160, 183, 222, 332 Toskana 87 - Ghgtm s. Florenz Toul 40 Tours 166, 172 Trautson, Sixtus 344 Treitzsaurwein von Ehrentreitz, Marx 212 Treviso 86, 88, 132, 167, 178 Trient 24, 89, 137, 140, 157,158, 160,203,233 - Btm 286 - Bf Georg von Neudegg 158 - Simon von 158, 282 Trier 35, 38 — 40, 48, 196, 215, 224, 230, 249 - Ebf Jakob von Baden 226, 246 - Ebf Johann II. von Baden 44, 82, 226
- Reichstag 275, 280, 337 Triest 20, 141, 160, 164 Trithemius, Johannes, Abt von Sponheim 12, 34, 51, 216, 282, 284, 324 Triumphzug 190, 234, 322, 326, 332 Trumer, Martin 216 Tübingen 213 Türken 14, 22, 24—26, 34f., 37—39, 55, 73, 78, 80, 88—90, 92, 122f., 125 — 130, 132—135, 138 — 141, 145, 155, 161 f., 166, 173, 187 f., 190, 192—194, 2 1 1 - 2 1 3 , 226, 254, 258, 261, 268, 271 f., 284, 291, 298, 303, 309, 315f., 322, 340 f., 362 f., 369—371, 376 Turnier s. Hofleben Ujlaki, Nikolaus, Woiwode 26 Ulrich, Hg von Württemberg 193, 226f., 230, 247, 253 f., 276f., 318, 344 Ungarn 14, 18, 21—25, 34, 46, 55, 66, 68 — 70, 72f., 78, 125 — 130, 133f., 144, 148 f., 154, 188 — 190, 192, 194, 209, 253, 304, 314—316, 340, 370 — 372, 374, 385 - Kgr s. Albrecht V. (II.); Anna von Candale; Anna; Beatrix von Aragon-Neapel; Ludwig (II.); Matthias Corvinus; Sigismund von Luxemburg; Wladislaw II. Universaldominat s. Ideenwelt Universalmonarchie s. Ideenwelt Universitäten und Sodalitäten s. Kunst und Wissenschaft Unrest, Jakob 66 Urbino 89 Utrecht 36, 40, 50, 52, 242, 338 - Bf David von Burgund 52 Valence 112 Valencia 318 Varenbühler, Ulrich 114 Vaudrey, Claude de 221 Veltlin 108 Venedig 20, 28, 83, 86—90, 92f., 96, 98 — 104, 106—112, 120f., 123, 126, 129 f., 132 — 135, 137, 141, 143f., 149—151, 154—157, 160—168, 1 7 0 - 1 7 3 , 175 f., 178, 180-185, 203, 209—211, 222, 240, 242, 274, 277, 286, 297, 299, 334, 340 f., 345, 347 f., 362, 364, 366, 371, 374, 376 s. Lauredanus, Leonardo, Doge
Register Vercelli, Friede 93, 98 Verdun 40 Verona 86, 88, 162, 164, 168, 170, 178, 183 f., 297, 340 Vicenza 86, 88, 162, 168, 176, 178, 185, 344, 363 Vico Pisano 107 Vigevano 103, 130 Viktring 290 Villinger, Jakob 200, 308 Vinci, Leonardo da 122 Vinsterwalder, Johannes 379 Vintschgau 100, 118 f., 221 Viridis Visconti (Gemahlin Leopolds III.) 21 Vischer, Peter 384 Vogt, Gabriel 379 Vorderösterreich 18, 21, 23, 39, 68 — 70, 113, 116, 132, 228 f., 243, 247, 254f., 296f., 300, 304, 369, 388 Walachei 130, 372 Waldauf von Waldenstein, Florian 60, 69, 205, 238, 242, 280, 282 Waldeck, Philipp von 248 W a l d n e r , J o h a n n e s 208, 381 Waldseemüller, Martin 322 Wallonen 42 Warbeck, Perkin, genannt Richard von York 97 f., 151, 310, 314, 374 Wassilij III., Gfst von Moskau 188, 193 Waudripont, Antoin 305 Wehrverfassung s. Kriegswesen Weißenburg im Elsaß 82, 246, 290 Weißenburg im N o r d g a u 82, 241 Weißkunig 32f., 48, 63, 156, 220, 279, 326, 328 Wels 222, 377f., 382 Welser, Familie 240 Weltreich s. Ideenwelt Wenzenberg bei Regensburg 146, 234, 246, 273, 338, 361, 362 Wien 21—23, 25, 28f., 44, 47, 55, 66, 69f., 72, 77 f., 83, 97, 129, 133, 187—190, 192, 194, 204, 209f., 213, 222, 238, 241 f.,
423
250, 277, 297—299, 302, 306—308, 310, 312, 321, 338, 344, 347, 349, 363, 371, 382, 387f. - Bf Georg Slatkonia 204 - Kongreß 181, 189, 192, 203, 213, 215 f., 220, 236, 253, 308, 333, 363, 370 Wiener Neustadt 21 f., 24, 26, 28 — 30, 148, 215, 302, 306, 308, 379, 382, 385, 388 Wilhelm IV., H g von Bayern-München 205 Wilhelm III., Lgf von Hessen 232 Wimpfeling, Jakob 76, 211, 213, 216, 282, 334, 369 Windsheim 82 Wingfield, Robert 222 Wladislaw II., Kg von Böhmen und Ungarn 68, 72f., 125 f., 142, 148, 188 f., 215, 315 f., 370 Wohltätigkeit s. Charakter und Persönlichkeit Wolf von Wolfstal, Balthasar 205 Wolkenstein, Michael von 169 Wörgl 297 Worms 82, 114, 221, 241, 248—250, 262, 276 - Bf Johann von Dahlberg 82, 248, 250 - Reichstag 78, 92f., 98f., 102, 129, 163f., 168, 198, 213, 227, 229, 233, 241, 245, 248, 252, 257, 261, 266f., 272, 274 Württemberg 18, 225 f., 230, 247, 255, 297, 369 - Hgtm s. Eberhard II.; Sabine von Bayern; Ulrich York, Richard von s. Warbeck, Perkin Ypern 52 Zäpolya s. Siebenbürgen Zeremoniell s. Hofleben Ziegler, Niklas 213, 286 Ziegler, Paul s. Chur, Bf Zimburgis von Masovien (Gemahlin Emsts des Eisernen) 22, 26, 127, 310 Zollern, Gfen von 235 - Gf Eitelfritz II. von 234 f. Zürichgau 17 Zurita, Geronimo 334 Zutphen 293
STAMMTAFEL
Ernst der Eiserne 1377—1434
GD Cimburgis v. Masovien 1394/7—1429
Friedrich III. 1415—1493
OD
Christoph 1455 — 1456
OD 1. Maria v. Burgund 1457—1482
Philipp d. Schöne 1478 — 1506 OD Juana v. Spanien
Eleonore 1498 — 1558 GD 1. Emanuel ν. Portugal OD 2. Franz I. v. Frankreich
Eduard v. Portugal 1391 — 1438
Helene 1460—1461
Maximilian I. 22. 3. 1459—12. 1. 1519
Isabella 1501 — 1526 OD Christian II. v. Dänemark
Eleonore v. Aragon 1402—1445
Eleonore v. Portugal 1436—1467
Margarethe Franz 1480—1530 *u. f H 8 1 GD 1. Juan v. Spanien (3D 2. Philibert v. Savoyen
Karl V. 1500—1558 GD Isabella v. Portugal
GD
Ferdinand I. 1503 — 1564 GD Anna v. Böhmen und Ungarn
Kunigunde 1465—1520 GD Albrecht IV. v. Bayern
Johann 1466—1467
GD 2. Bianca Maria Sforza v. Mailand 1472 — 1510
natürliche Kinder Maximilians Georg (v. Österreich), Bf. v. Brixen, Ebf. v. Valencia, Bf. v. Lüttich Leopold (v. Österreich), Bf. v. Cordoba Maximilian v. Amberg Margarethe GD Jan Hillandt Martha GD Ludwig v. Helfenstein Anna Dorothea Cornelius Christoph
Maria 1505-1558 GD Ludwig v. Böhmen und Ungarn
Katharina 1507—1578 OD Johann III. v. Portugal