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German Pages [592] Year 1997
HYPOMNEMATA 115
V&R
HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN
Herausgegeben von Albrecht Dihle/Siegmar Döpp/ Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig
HEFT 115
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
FAROUK GREWING
Martial, Buch VI Ein Kommentar
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Verantwortlicher Herausgeber: Siegmar Döpp
Gefördert mit Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen.
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Grewing, Farouk: Martial, Buch V I : ein Kommentar / Farouk Grewing. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1997 (Hypomnemata; H. 115) ISBN 3-525-25212-9
© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997 Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Dieses Buch stellt eine geringfügig geänderte Fassung meiner Dissertation vor, die die Philosophische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen im Sommersemester 1996 angenommen hat. Herr Professor Dr. Carl Joachim Classen hat meine Arbeit in allen ihren Phasen mit großer fachlicher Sorgfalt sowie mit persönlichem Engagement begleitet Ihm gilt an erster Stelle mein ganz besonderer Dank. Herr Professor Dr. Wolfram Ax, der meine Arbeit auch von Düsseldorf aus nach Kräften förderte, hat freundlicherweise das Korreferat übernommen. Auch ihm sei an dieser Stelle herzlich gedankt Ein Forschungsstipendium des DAAD gestattete mir 1992/93 einen Studienaufenthalt an der University of Oxford (Worcester College). In dieser Zeit begann ich meine Arbeit an Martial. Der Anfang wurde mir wesentlich erleichtert durch die vorzügliche philologische Betreuung und menschliche Unterstützung, die ich von Professor Dr. Michael Winterbottom erfuhr. Von 1993 bis 1995 hatte ich die Möglichkeit, in der Fawji-Arbeitsstelle von Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Albrecht Schöne tätig zu sein und zugleich, finanziell gesichert, meinen Martial-Kommentar fortzusetzen. Des weiteren schulde ich der Studienstiftung des deutschen Volkes Dank für die jahrelange Förderung während meines Studiums, jedoch ganz besonders im letzten Jahr meiner Doktorandenzeit, als man mir während eines 'ökonomischen Engpasses' formlos und unverzüglich ein Promotionsstipendium gewährte. Für die Aufnahme dieses Buches in die Reihe HYPOMNEMATA danke ich den Herausgebern, insbesondere Herrn Professor Dr. Siegmar Döpp. Der nicht eben geringe Umfang des Kommentars irritiert nicht zuletzt den Verfasser selbst. Um so mehr muß ich mich bei meinen Korrekturleserinnen und -lesem für ihr Durchhaltevermögen bedanken. Namentlich nennen möchte ich zum einen Anne-Sophie Fröhlich und ganz besonders die unverwüstliche Astrid Reinecke. Beide haben sich immer wieder energisch auf Fehlersuche begeben und mich vor zahlreichen Versehen bewahrt. Ebenfalls wurden sie nicht müde, mancherlei idiosynkratische Stilelemente zu beanstanden und (zumindest teilweise) aus diesem Buch zu verbannen. Mein Freund Gerrit Kloss war mir zu jeder Zeit der denkbar beste Austauschpartner in rebus philobgicis und hat so manches Gedicht unermüdlich mit mir diskutiert Wieviel ich ihm schließlich dafür schulde, daß er am Ende mit mir auch noch die Mühe der Redaktion der Druckvorlage teilte, können alle die einschätzen, die wissen, welches Eigenleben Textverarbeitungsprogramme immer dann entwickeln, wenn man sich auf sie verlassen möchte.
Sabine Krenge gebührt von psychologischer Seite der größte Dank, denn sie hat mich gezwungen, von der fortwährenden (substanzlosen) Umarbeitung des Kommentars schließlich doch noch abzulassen. Ohne ihre Intervention wäre ein Ende wohl nicht in Sicht. Redaktionsschluß war für diese Arbeit der 31. Dezember 1996. Später erschienene Literatur konnte nur in sehr begrenztem Umfang berücksichtigt werden. Daß das vorliegende Buch über keine Indices verfügt, mag bedauerlich sein, doch habe ich auf diese bewußt verzichtet - nicht nur, da jede weitere Seite zu vermeiden war, sondern insbesondere da dieses Buch bei der Lektüre Martials herangezogen werden soll, d.h. etwaige Fragen suo loco, nicht kontextunabhängig verhandelt werden. Weder meine Dissertation noch überhaupt mein Studium wären möglich gewesen ohne die aufopferungsvolle Unterstützung seitens meiner Mutter Traute Grewing und meiner Tante Erika Grewing. Ihnen sei daher dieses Buch mit denkbar größtem Dank gewidmet
Köln, im Mai 1997
F.G.
Inhalt
Einleitung
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1.
Zur Forschungslage (Kommentare)
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2.
Zur Anlage des Kommentars
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2.1. 2.2. 2.3.
Die einleitenden Kapitel Zum Text Zur Benutzung des Kommentarteils
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3.
Zur Datierung des sechsten Buches
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4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.4.5. 4.4.6. 4.4.7.
Charakteristik des sechsten Buches 24 Die Länge des Buches 24 Die metrische Variation 24 Grundsätzliches zum Aufbau martialischer Gedichtbücher 26 Zur Komposition des sechsten Buches 29 Gedichtgruppen (Zum Barwickschen 'Zyklus-Begriff) 30 Ehegesetze und Ehebrach im sechsten Buch 31 Vergleichbare Gedichtgruppen 36 Gedichtpaare 38 Assoziative Verknüpfungen in Gedichtreihen (Einzelbeobachtungen).. .43 Namen 46 'Offener Schluß' vs. Proömium? 49
5.
Zu den Handschriften und zur Textkonstitution
51
6.
Verzeichnis der Editionen
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7.
Literatur
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Kommentar
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Einleitung
1. Zur Forschungslage (Kommentare)
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1. Zur Forschungslage (Kommentare) Die Erschließung Martìals (M.s) durch Kommentare findet ihren Ausgangspunkt am Ende des 19. Jahrhunderts, genauer: im Jahre 1886, als Ludwig Friedlaender seine zweibändige kommentierte Edition vorlegte. Das Hauptanliegen jenes Werkes besteht jedoch in einer auf F.G. Schneidewins für die Textgeschichte M.s grundlegenden Ausgaben von 1842 (editto maior) und 1853 (editio minor) basierenden Neuedition der Epigramme M.s. Die Kommentare zu den einzelnen Gedichten sind meistenteils auf Realien und Prosopographisches beschränkt (und müssen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der umfangreichen »Sittengeschichte« des Gelehrten verstanden werden); Sprachliches und Verskompositorisches wird nur gelegentlich berührt; Zusammenhänge zwischen einzelnen Epigrammen werden kaum erhellt; der historische wie der soziale Hintergrund und die literarische Tradition bleiben (bis auf wenige, doch nicht aus sich selbst heraus verständliche Verweise auf andere Autoren) vollends unberücksichtigt. So liegt zwar mit Friedlaenders Ausgabe der erste deutschsprachige Gesamtkommentar vor, doch können die meisten (überwiegend nur ein- bis zweizeiligen) Erklärungen unter Berücksichtigung der Weiterentwicklung der Forschung heute nicht mehr genügen. Dennoch verdanken wir diesem 'Meilenstein' der M.-Philologie unzählige Anregungen und Detailbeobachtungen. Für die heutige Forschung immer noch höchst nutzbringend ist der umfangreiche Einleitungsteil (Bd. 1, pp. 3-127), in dem erstmals mit gebotener sachlicher Umsicht die vita des Dichters in ihrer Zeit (pp. 3-26), M.s Verskunst (pp. 26-50) sowie auch heute noch weitgehend gültig - die Chronologie der Epigrammbücher (pp. 50-67) behandelt werden.1 Obgleich durch Schneidewin, dann Friedlaender, schließlich W. Gilbert (1886; 21896), W.M. Lindsay (1903; 21929 u.ö.), J.D. Duff (1905), C. Giarratano (1919-21 u.ö.), W. Heraeus (1925; überarbeitet von I. Borovskij 1976 u.ö.) und H.J. Izaac (1930-33 u.ö.) an Ausgaben ganz gewiß kein Mangel herrschte - maßgeblich sind v.a. die Editionen von Lindsay (OCT) und Heraeus (Teubner) - , dauerte es bis zum Erscheinen des ersten umfangreichen, an heutigen Maßstäben orientierten Kommentars noch einmal rund 90 Jahre, d.h., das Interesse an einer intensiven Erfassung M.s war über lange Jahre, ungeachtet der offenkundig fleißigen Erarbeitung der Textgeschichte, denkbar geringer als angemessen. 1975 erschien dann der große XCII + 390 Seiten umfassende Kommentar zum 1. Buch der Epigramme von Mario Citroni. Einer ausführlichen Er1
Der instruktive Abschnitt zur Metrik stammt von Theodor Birt. Der verbleibende Teil der Einleitung ist d a Überlieferung verschrieben (pp. 67-108; mit Unterstützung von Carl Frobeen) sowie der Orthographie (pp. 108-19; von Walther Gilbert) und einer Übersicht über ältere Editionen (pp. 120-7).
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Einleitung
örterung der Chronologie besonders des 1. und 2. Buches (pp. IX-XXI), der Themen und Gedichtanordnung in Buch 1 (pp. XXH-XXXVIII) sowie einer Darstellung der Überlieferungsgeschichte anhand neuerer Forschung (pp. XXXVfflLXXIX)2 und schließlich einer längeren Bibliographie (pp. LXXXI-XC) folgt ein ausgesprochen umfangreicher, detailfreudiger Durchgang durch die 118 Gedichte des Buches. Dabei legt Citroni auf eine Aufarbeitung des jeweils relevanten (sozial-)historischen Hintergrundes und der Biographie des Dichters sowie auf eine Einordnung der Einzelgedichte in die literarische Tradition in jeweiligen introduzioni ebensoviel Wert wie auf eine dicht gearbeitete (teils ausgesprochen 'mikro-philologische') Kommentierung einzelner Verse, Junkturen und Wörter nach sprachlichen, stilistischen, metrischen, motivischen usf. Gesichtspunkten. Die Struktur der einzelnen Gedichte wird gelegentlich gewürdigt, insbesondere wenn es um typische Techniken des martialischen Witzes o.dgl. geht. An Querverweisen innerhalb des Gesamtwerkes des Dichters fehlt es nicht.3 Der zweite Kommentar zu einem einzelnen M.-Buch hat durch das Erscheinen von Citronis Arbeit ein unglückliches Geschick erlitten: Peter Howells 1980 publizierter Kommentar gleichfalls zum 1. Buch, der seinen Ursprung in einer Oxforder Qualifikationsarbeit (Auswahlkommentar zu den Büchern 1 und 2) zur Erlangung des degree of Bachelor of Philosophy des Jahres 1966 hat. Unglücklich ist der Umstand einer (ansonsten durchaus begrüßenswerten) Doppelkommentierung gerade deswegen zu nennen, weil bis 1980 schließlich nur ein einziges von insgesamt 15 Büchern des Gesamtwerkes eines Kommentars für würdig befunden worden war. Gleichwohl, wesentlich knapper gehalten und vielerorts vernünftigerweise nur auf Citroni verweisend, leistet der Kommentar hin und wieder kleinere Korrekturarbeit und bietet gelegentlich Ergänzungen. Howell druckt Lindsays Text und Apparat ab und ergänzt den lateinischen Text durch eine parallele englische Prosaübersetzung (pp. 28-91). Dem Text und dem (gut 250-seitigen) Kommentar vorgeschaltet (pp. 1-18) ist eine knappe Darstellung der vita, der Datierung des Buches, der Gattung 'Epigramm', schließlich des Nachlebens des Dichters. Allerdings sind die gattungstheoretischen Überlegun-
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Die Klärung der Überlieferung ist v.a. deshalb breit angelegt, weil Citroni zu Buch 1 (aufgrund neuer Kollation der wichtigeren Handschriften) einen eigenen Text mit kritischem Apparat hergestellt hat Wenngleich der Apparat vielfach im Detail eine Verbesserung der Vorgängerausgaben darstellt, ist doch das Ergebnis, was die Textkonstitution angeht, (erwartungsgemäß) unbedeutend, wie Citroni (p. XLIV) selbst einräumt. Die einzige Abweichung von Heraeus (und damit Übereinstimmung mit Lindsay) liegt in 1,76,3 vor. Aus der verdientermaßen großen Zahl der allermeist lobenden Besprechungen seien hier die wichtigeren (alphabetisch) genannt: Barr, CR 28 (1978), 46f.; Bartolucci, AION (filol) 1 (1979), 174-81; Hofmann, DLZ 98 (1977), 130f.; Knecht, AC 45 (1976), 699-701; Kienkel, Gnomon 49 (1977), 729-31; Lasserre, Erasmus 30 (1978), 758-60; Montanari, A&R 23 (1978), 125-32; Paironi, RFIC 107 (1979), 83-92; Verdifere, RBPh 55 (1977), 600-3.
1. Zur Forschungslage (Kommentare)
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gen nicht recht zufriedenstellend. Maßgeblich unterscheidet sich Howell von Citroni zum einen durch einen, wie er selbst sagt, »more light-hearted approach« (p. VI) und zum anderen durch seinen Versuch, die Nachwirkung M.s resp. der Gedichte des 1. Buches in der neuzeitlichen Epigrammatik (16.-19. Jh.) zu illustrieren. 4 Howells Arbeit ist von den Rezensenten sehr unterschiedlich aufgenommen worden. 5 Bei aller möglicher Kritik bleibt das Buch (als erster großer M.-Kommentar in englischer Sprache) ein gewinnbringendes, Citroni ergänzendes Supplement, dessen Wert nicht zuletzt vielleicht in seiner Ungezwungenheit liegt. Der dritte Kommentar erschien 1985, und zwar von Nigel M. Kay zu Buch 11. Dadurch ist ein der lasziven Zügellosigkeit der römischen Saturnalien verschriebenes Buch M.s durch die kritisch-sachverständige Sorgfalt eines genauen und dennoch nicht pedantischen Philologen bearbeitet worden. Nach einer kurzen (pp. 1-18) Einleitung zur Datierung (sehr knapp), zum Text, zur Anordnung der Epigramme (kurz, aber gut), zu einzelnen Strukurmerkmalen der Gedichte, zur Gattungsgeschichte vor M„ schließlich zum Nachleben druckt Kay einen auf der Lindsayschen Ausgabe basierenden, gelegentlich von dieser abweichenden Text (pp. 19-45), 6 dem ein kritischer Apparat folgt (pp. 46-51). 7 Der Kommentarteil
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Vgl. die Appendix »Translations, Imitations and Quotations of Epigrams from Book I«, pp. 3SS-9. Freilich ist dieser Schritt in die Rezeptionsgeschichte, wie oft, lückenhaft und dient dem Altphilologen wohl eher zur Erbauung. Die Spätantike (und das Mittelalter) kommen, wenn man sich schon einmal auf das Nachleben einläßt, zu kurz, und die Parallelen in der Neuzeit helfen doch selten bei der M.-Erklärung, nicht zuletzt, weil der jeweilige neuzeitliche Bezugstext in einem eigenen nicht-antiken literarischen und historischen Umfeld gesehen werden muß. Die Rezeption in Antike und Spätantike fördert m.E. in der Regel mehr zutage. Von den Rezensionen sei insbesondere hingewiesen auf Citroni, RHC 110 (1982), 47381; Coleman, PACA 16 (1982), 76-9; Griffith, CR 32 (1982), 170-5; locelyn, LCM 6 (Febr. 1981), 55-9; Krenkel, Gnomon 56 (1984), 126-8; White, CJ 80 (1985), 263-5. Wie deutlich die Meinungen auseinandergehen (und wie polemisch und/oder subjektiv Rezensionen sein können), zeigt ein Vergleich zwischen Jocelyn und Griffith. Jocelyns Besprechung ist in ausnahmslos allen Punkten auf einen 'Verriß' hin angelegt, seine Kritik, wenngleich oft berechtigt und sinnvoll korrigierend, reichlich überzogen (vgl. die berechtigte Replik Nisbets: LCM 6 [März 1981], 81f.). Gleichermaßen unangemessen ist die 'glorifizierende' Rezension von Griffith, der auf fast fünf Seiten - somit wesentlich mehr Raum, als CR den Beiträgem im allgemeinen zur Verfügung stellt - nahezu nur Lobenswertes nennt, die offensichtlichen Mängel (abgesehen von Belanglosigkeiten) jedoch nicht notiert, da er sie offensichtlich gar nicht bemerkt »There are, inevitably, some üny flies in the ointment, too trivial to be worthy of Publicity: these I have communicated to the author privately« (p. 173). Besonders ärgerlich ist die vollends unangemessene Herabwürdigung der Arbeit Citronis. Der Fachwelt ist mit dieser sicher verfehlten Beurteilung schwerlich gedient Besonders verweisen möchte ich auf die kluge und, ut ita dicam, faire Rezension Citronis selbst Zu den Abweichungen vgl. p. 1 Anm. 3.
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Einleitung
(240 Seiten) verdient große Anerkennung. Zwar mag man hier und da umfangreichere Detailarbeit vermissen und wünschte man sich gelegentlich statt eines bloßen Literaturhinweises eine etwas explizitere Darstellung, doch überzeugt Kay allenthalben durch kluge, nüchterne Interpretationen der einzelnen Gedichte und Gedichtsegmente. Den jeweiligen Kommentaren geht eine englische Prosaübersetzung voran, die sich durch Treffsicherheit und - gerade bei den Gedichten sexueller Thematik - durch eine offene, einzig angemessene Sprache (four-letter words dort, wo sie am Platze sind) auszeichnet. Die einzelnen introductions sind knapp, klar formuliert, auf das Wesentliche konzentriert. Allenthalben herrscht das 'britische' Prinzip der 'Informationsfülle trotz Kürze'. Zu recht wird dieses Buch als ausgezeichneter Beitrag zur M.-Philologie gelobt.8 Ursprünglich unter Betreuung von Kathleen M. Coleman als Cape Town PhD thesis verfaßt erschien kürzlich (London 1996 [Duckworth]) ein ausführlicher Kommentar zu den Apophoreta (Buch 14) von T.J. Leary, des weiteren ein zweiter M.-Kommentar aus der Feder Peter Howells, und zwar zum 5. Buch (Warminster 1995 [Ans & Phillips]; im deutschen Handel greifbar seit April 1996), dessen Ergiebigkeit allerdings (wie des öfteren in dieser Reihe des Verlages) begrenzt ist (Adressaten sind wohl tatsächlich primär Schüler und undergraduates). Ebenfalls einen bewußt limitierten Anspruch will das jüngst erschienene kommentierte florilegium Martialis erfüllen, das Uwe Walter bei utb/Schöningh publiziert hat (Paderborn etc. 1996). Walter kommentiert eine an der Schulausgabe von Freya Stephan-Kühn (Martial. Epigramme, Paderborn 1976) orientierte Auswahl.9 An das Quartett Citroni - Howell I - Kay - Leary will der vorliegende Kommentar zum 6. Buch anschließen. Allein die nach wie vor virulente Lückenhaftigkeit auf diesem Gebiet rechtfertigt wohl dieses Unterfangen. Werner Krenkel wünscht am Ende seiner Rezension zu Citroni: »Man kann nur hoffen, daß in gleicher Weise der ganze Martial erschlossen wird.«10 Daß die Meinungen in diesem Punkt auseinandergehen, zeigt allerdings John Griffith in seiner Besprechung zu Howell I, in der er aus finanziellen (!), aber auch subjektiv-ideellen Gründen eine Erschließung des ganzen M.s ablehnt: »Martial's most fervent
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Dieses Prinzip (so schon bei Heraeus und später beibehalten bei Heraeus/Borovskij) hat wohl satztechnische Gründe, denn die Lesbarkeit des Textes zusammen mit dem Apparat und dem Kommentar wird dadurch doch arg erschwert Vgl. die Rezensionen von Fowler, G&R 33 (1986), 209f.; Horsfaü, TLS 85 (1986), 337; Krenkel, Gnomon 58 (1986), 738^0; Smith, CR 37 (1987), 28f. Das Buch von Walter und bes. den Kommentar von Howell habe ich für den AnzAW (1997) eingehend besprochen. Eine Rezension des vorzüglichen Bandes von T.J. Leary bereite ich z.Zt. für den Gnomon vor. Ich habe mich bemüht, die drei neuen Werke noch gebührend bei der Endredaktion der vorliegenden Arbeit zu berücksichtigen. Vgl. Krenkel [wie Anm. 3] 731.
1. Zur Forschungslage (Kommentare)
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admirers can hardly claim that he is worth all that big a slice of a library's budget, however it may be spread out over the years.«11 Statt dessen schlägt er die Behandlung einzelner Gedichte oder thematischer Aspekte vor. Diese Ansicht kann ich nicht teilen. Griffith kehrt mit seiner Äußerung in die dunkle Zeit des vergangenen Jahrhunderts zurück, plädiert willentlich für eine Wiederabkehr' von einem Dichter, dessen literarisches Talent und eminente Bedeutung in der Neuzeit vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (meist im Vergleich mit Catull) sehr wohl erkannt, der jedoch dann im 19. Jahrhundert bis weit ins 20. hinein aus unterschiedlichen Gründen in Vergessenheit nicht geraten, sondern 'gesetzt' worden ist. Ohne eine Bearbeitung möglichst des ganzen M.s in Kommentarform gestalten sich Einzeluntersuchungen zu bestimmten Aspekten als ausgesprochen schwierig. Nach einer sorgfältigen kritischen Herstellung eines verläßlichen Textes sollten grundsätzlich Kommentare verfaßt werden, die eine weitergehende Arbeit wenn nicht überhaupt erst ermöglichen, so doch zumindest erheblich erleichtern. So versteht sich der vorliegende Kommentar zum einen als 'Zulieferer' und 'Zusammenträger' von bereits Geäußertem (und das sind vielfach verstreute Anmerkungen, Untersuchungen oder Vermutungen zu einzelnen Details u.dgl.), zum anderen aber wird versucht, die vielfach noch gänzlich unbearbeiteten Gedichte der neuen Forschung überhaupt erst zugänglich zu machen. Nur hingewiesen sei am Ende dieser Übersicht auf drei unpublizierte britische Dissertationen: die Kommentare von John Jenkins (DPhil thesis, Cambridge 1981; betreut von E.J. Kenney) zu ausgewählten Gedichten des 10. Buches, namentlich zu 1-10, 20(19), 30, 34, 35, 38, 48, 50, 53, 61, 63, 72, 92 und 101, sodann von Michael N.R. Bowie (DPhil thesis, Oxford 1988; betreut von R.G.M. Nisbet) zum gesamten 12. Buch. Bowies Arbeit ist zwar umfangreich, doch unbefriedigend, denn der Leser findet nicht selten da, wo er sucht, keine Hilfe. Vieles wird ohne Belege oder Beweise behauptet; die einzelnen 'Erklärungsfetzen' wirken oftmals kontextlos; das jeweilige Gedichtganze wird nur gelegentlich und unvollständig in den Blick genommen. Dagegen hebt sich der Auswahlkommentar von Jenkins deutlich heraus. Den einzelnen Kommentaren sind ausgesprochen instruktive introductions vorangestellt, die dem Leser eine ausgezeichnete Einführung in das entsprechende Epigramm und seinen Hintergrund geben. Solche Einführungen fehlen bei Bowie nicht selten ganz oder sind vielfach völlig unzulänglich. Es ist höchst bedauerlich, daß Jenkins' Arbeit nicht publiziert worden ist. Jeder neue Kommentar zum 10. Buch muß seine Vorarbeiten zugrunde legen.12 Ein 1994 abgeschlossener Kommentar zu den 11 12
Vgl. Griffith [wie Anm. 5] 174. Ich danke an dieser Stelle der University Library of Cambridge und der Bodleian Library (Oxford) für die Herstellung von Xerokopien dieser Arbeiten, des weiteren Michael Bowie für die Leihgabe eines Exemplars seiner Dissertation während meines Studiums in Oxford
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Hinleitung
Gedichten 1-60 des 3. Buches (als Oxforder Dissertation zunächst von R.G.M. Nisbet, dann von Michael Winterbottom betreut) stammt von Richard George. Diese Arbeit war mir leider nicht mehr zugänglich. Glücklicherweise wird man innerhalb der nächsten Jahre hoffen dürfen, weitere Bücher M.s in Kommentarform erschlossen zu wissen. Kathleen M. Coleman (Dublin), die bereits einen vorzüglichen Kommentar zum 4. Buch der Silvae des Statius vorgelegt hat (Oxford 1988), wird ihre Arbeit am Uber spectaculorum demnächst abschließen und publizieren können. T.J. Leary, auf dessen Apophoreta-Kommentai ich oben hingewiesen habe, bereitet nunmehr einen Kommentar zu den Xenia (Buch 13) vor, und nach meiner Kenntnis sind Arbeiten (als Dissertationen) zu den Büchern 2 und 9 im Entstehen begriffen. Somit bleiben bis auf weiteres vor allem die Bücher 4, 7 und 8 vollkommen unbearbeitet 13
2. Zur Anlage des Kommentars
2.1. Die einleitenden Kapitel Auf eine vita M.s kann hier mit gutem Gewissen verzichtet werden, da biographische Informationen zu M. vielerorts eingeholt werden können.14 Dagegen schien es angezeigt, die im wesentlichen feststehenden Argumente für die Datierung des Buches (90 oder 91 n.Chr.?) darzustellen, weil die auch heute noch gelegentlich geäußerten Plädoyers für Ende (vielleicht Dezember) 91 n.Chr. wohl von obsoleten Datierungen historischer Parallelereignisse ausgehen. Des weiteren mußte die Überlieferungssituation kurz geschildert werden, um dem Leser das Verstehen textkritischer Entscheidungen transparent zu machen. Schließlich sollen in einem kleinen Abschnitt Aufbau- und Anordnungselemente des 6. Bu-
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1992/93. Ich habe darauf verzichtet, in meinem Kommentar auf Bowie oder Jenkins zu verweisen oder gar aus diesen zu zitieren, da der Zugriff auf diese Arbeiten für den Leser zu umständlich ist. An mancher Stelle, wo ich ausführlicher Gedichte des 10. Buches haangezogen habe, verdanke ich Jenkins wertvolle Anregungen. Ein Kommentar zu Buch 10 sollte unter Hinzuziehung der Arbeit von Jenkins vervollständigt und publiziert werden, und schließlich bieten ebenfalls noch die Bücher 3 und 12 Raum zur Bearbeitung - nicht zuletzt, da auch der erwähnte Kommentar von Richard George zu 3,1-60 m.W. unveröffentlicht bleiben soll. Vgl. v.a. Sullivan 1991,1-55; außerdem Friedlaender Bd. 1, pp. 3-26; R. Hehn, RE Vm Al.55-85 (1955); U. Scamuzzi, Contributo ad una obiettiva conoscenza della vita e dell' opera di Marco Valerio Maiziale, RSC 14 (1966), 149-202; Holzberg 1988,11-4; Howell ad M. 1, pp. 1-5.
2. Zur Anlage des Kommentars
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ches exemplarisch herausgearbeitet werden, die dem Leser zeigen können, daß M.s Kompositionsästhetik, wenngleich sie nicht im engen Sinne augusteischstreng ist, doch gleichfalls keineswegs mit dem Etikett der planlosen Beliebigkeit versehen werden darf.
2.2. Zum Text Zugrunde gelegt ist die jüngste kritische Ausgabe der Epigrammata von D.R. Shackleton Bailey (Teubner, Stuttgart 1990), die der Editor unlängst durch eine 3-bändige lateinisch-englische Ausgabe des Textes (Loeb Classical Library, Cambridge, MassVLondon 1993) ergänzt hat. Hingewiesen sei, abgesehen von einigen Änderungen in der Interpunktion und Orthographie, auf die Bd. 1, p. vn Anm. 1 notierten (wenigen) Abweichungen von der Teubneriana.15 Shackleton Baileys Textkonstitution geht nicht auf eine Einsicht oder gar Kollation der Handschriften zurück, was - wie bei Citroni - wohl in der Tat nichts Bahnbrechendes erbracht hätte. Vielmehr geht er von der Vorgänger-Teubneriana von Heraeus/Borovskij aus und erstellt unter Einarbeitung seiner vielfältigen Emendationsbeiträge (aufgeführt in der praefatio, p. XVII) und diverser anderer Konjekturvorschläge einen neuen Text, der somit weniger der Editionsphilologie als vielmehr der divinatio verpflichtet ist. Ohne die Leistungen von Lindsay und Heraeus wäre dieses Unterfangen unmöglich gewesen. Da die Überlieferungslage den Entscheidungen des jeweiligen Herausgebers viel Freiraum läßt (vgl. hier pp. 54f.), divergiert Shackleton Bailey in gewohntem Umfang von seinen Vorgängern. Ich persönlich bin in dieser Beziehung "konservativer' und halte die Ausgabe an vielen Punkten für allzu eigenwillig.16 Als im höchsten Maße unkomfortabel erweist sich der vielfach von Interpretamenten17 und polemischen Noten18 durchsetzte Apparat, den der Leser nicht benutzen kann, ohne den Apparat von Heraeus/Borovskij hinzuziehen, da Shackleton Bailey vielfach vermittels eines Asterisk auf diesen verweist19 und sich damit Wiederholungen erspart, deren er sich ansonsten allerdings exzessiv bedient. Diese ohnehin
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Vgl. weiterhin die umsichtige Rezension P. Howells: CR 46 (1996), 36-8. Sie fand jedoch besonders in Nisbet (CR 43 [1992], 50f.) einen großen Freund. Mit Recht nüchterner charakterisiert Krenkel (Gnomon 65 [1993], 454-6) Shackleton Baileys Leistung. Vgl. zum 6. Buch nur etwa ad 13,3; 14,4; 27,7; 43,1 (wie Heraeus); 44,5; 46,2; 64,18. Vgl. z.B. 6,36,1 (edd., insigniter); 6,69,2 (Heraeus..., quid secutus nescio); 7,14,7 (edd., subabsurde...); 7,14,9 (edd.... certe absurdissime); 9,67,7 (explicavit Housman ..., unde Schuster2, Prinz2, Killeen2 discere noluerunt); 11,50(49),3 (Housman3, tanto ingenio vix dignum). Zu B uch 6 vgl. ad 62,1 und 94,1; andernorts noch wesentlich öfter.
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Einleitung
unangenehme 'Intertextualität' zwischen zwei Apparaten ist um so bedauerlicher, als die neue, reichlich teure Teubneriana nur bei ständigem Abgleichen mit der alten, im Handel aber nicht mehr verfügbaren Ausgabe zu lesen ist. Oft ermöglicht nur der ständige Vergleich der Editionen, zwischen der 1. Pers. Sg. = Heraeus und der 1. Pers. Sg. = Shackleton Bailey zu unterscheiden. Dem Verlag wie dem Herausgeber ist zu wünschen, daß diese Unannehmlichkeit in einer zweiten Auflage beseitigt wird. Divergenzen zwischen Apparat und Text finden sich wohl wenige. Für Buch 6 sei aber hingewiesen auf 21,3: Shackleton Bailey druckt (sicher falsches) in aure, vermerkt aber (richtig) im Apparat aurem ßy : aure T, und diese Reihenfolge läßt darauf schließen, daß auch er in aurem lesen möchte. Auf einen Abdruck des lateinischen Textes ist in dem vorliegenden Buch aus Gründen der Ökonomie verzichtet worden. An den textkritisch erörterten Stellen findet der Leser jeweils eine knappe Darlegung der Überlieferung und Aufschlüsselung der Entscheidungen aller editiones recentiores (d.h. ab der editio maior von Schneidewin, 1842, bis Shackleton Bailey, 1990 bzw. 1993) und aller (im repräsentativen Querschnitt) herangezogenen editiones veteres (von 1475 bis 1680). Eine Übersetzung ins Deutsche ist ebenfalls nicht hergestellt worden, und zwar aus zwei, bald sogar drei Gründen: Zum einen ginge, was den Witz M.s betrifft, vieles verloren (besonders freilich sprachliche Pointen) und müßten überhaupt allenthalben Zugeständnisse an die patrii sermonis egestas gemacht werden; zum anderen bietet die neue Loeb-Ausgabe eine sehr gute, vor allem unverblümt adäquate und vollständige englische Fassung des Gesamtwerks. 20 Gleichwohl habe ich an einigen Stellen dem Kommentar zur Erhellung deutsche Paraphrasen oder Übersetzungen einzelner Textsegmente beigefügt.
2.3. Zur Benutzung des Kommentarteils Am Anfang eines jeden Gedichtkommentars findet sich eine 'Einleitung', die das jeweilige Epigramm als Ganzes in den Blick nimmt. Hier werden die erforderlichen Hintergründe historischer und sozialer Art erläutert, finden sich bei als real identifizierbaren Personennamen (wenn greifbar) prosopographische Informationen, wird ggf. auf den Bezug des Gedichts zur Biographie des Dichters
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Ein dritter Grund wird in näherer Zukunft relevant, denn von Paul Bari6 und Winfiied Schindler wird momentan eine lateinisch-deutsche Gesamtausgabe M.s für den ArtemisVerlag (Sammlung Tusculum) vorbereitet, die die deutsche Versübersetzung Rudolf Helms (Zürich/Stuttgart 1957) ersetzen soll. Den beiden Autoren danke ich, daß sie mich ihre unpublizierten Übersetzungen und Kommentare zu Buch 6 haben lesen lassen.
2. Zur Anlage des Kommenlars
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hingewiesen. Des weiteren erfolgt eine Einordnung des Epigramms in den Kontext des 6. Buches und des Gesamtwerks. Über die Erhellung innerhalb der Dichtung M.s hinaus wird die literarische Tradition dargelegt, aus der heraus das Gedicht verstanden werden kann. Dabei ist natürlich die griechische wie römische Epigrammatik von besonderem Interesse, doch gleichermaßen auch die nicht-epigrammatische Dichtung und Prosa. Sowohl die vor-martialische Literatur als auch die Späteren (z.T. 'Epigonen') werden bis in die Spätantike einbezogen. Das Mittelalter und die Neuzeit werden (bis auf wenige Ausnahmen) nicht berücksichtigt. So soll sich insgesamt ein Bild sowohl von der Selbständigkeit als auch von dem einzubeziehenden literarischen Hintergrund des jeweiligen Gedichts ergeben. Diesen 'Einleitungen' folgt stets, durch einen Absatz getrennt, eine Analyse der Struktur und der stilistischen Mittel des einzelnen Epigramms. Kompositorische Aspekte werden hier ebenso verhandelt wie die unterschiedlichen Typen der Witz- und Pointentechnik, die ein wesentliches Merkmal der martialischen Dichtung konstituieren. Es liegt in der Natur der Sache, daß einige Gedichte hier mehr Aufmerksamkeit verdienen als andere, und ein gewisses Maß an Subjektivität in der Auswahl und Gewichtung einzelner Beobachtungen ist schwerlich zu vermeiden. Stetes Ziel ist es jedoch, zu einer Würdigung des Einzelepigramms zu gelangen und es zugleich mit anderen Gedichten des Gesamtwerks und der antiken Poesie (bes. Epigrammatik) vor und nach M. zu vergleichen. Der an diese beiden vorangehenden Teile anknüpfende Kommentar ist nach den üblichen Prinzipien altphilologischer Kommentierung aufgebaut. Die Nähe der Epigrammata zum alltäglichen Leben bringt die Notwendigkeit der Erläuterung vieler Realien mit sich, deren genaue Erfassung nicht selten für das Verständnis des Gedichts oder von Teilen desselben bedeutsam ist. Sprachliches (bes. Idiomatisches, Umgangssprache, Obszönes, Neologismen u.dgl.) und Stilistisches (z.B. Mischungen von Stilebenen, etwa epischer und komischer oder vulgärer Sprache) wird ebenfalls in größerem Umfang betrachtet, womit die Eigentümlichkeit und Originalität der Diktion M.s veranschaulicht werden sollen. Die vielfältigen Beziehungen zu älteren antiken Autoren spielen hier eine wichtige Rolle, ebenso die Einflüsse M.s auf seine Nachfolger (bes. z.B. Ausonius und Luxurius). Um Wiederholungen weitestgehend zu vermeiden, findet der Benutzer eine große Zahl von Querverweisen, die wie folgt zu lesen sind: Querverweise... • •
auf Lemmata, z.B. »vgl. ad 6,7,8« oder »vgl. ad 7« (d.h. zu Vers 7 desselben Gedichts); auf "Einleitungen1, z.B. »vgl. 6,7 Einl.« oder »vgl. 6,7 und 6,8 Einll.«;
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Einleitung • •
auf (den Einleitungen1 jeweils folgende) 'Struktur-Kapitel1, z.B. »vgl. 6,7 Strukt« oder »vgl. 6,7 und 6,8 Struktt.« der Form »s.o.« ('siehe oben') und »s.u.« ('siehe unten') werden nur bei Verweisen innerhalb desselben Lemmas oder derselben Einleitung oder desselben Struktur-Abschnitts verwendet Ebenso sind »zit. oben« und »zit. unten« Czitiert oben' bzw. 'zitiert unten') zu verstehen. Auf innerhalb eines Lemmas oder einer Einleitung oder einer Struktur-Analyse bereits angeführte Literatur wird mit »op.cit.« resp. »loc.cit« verwiesen.
3. Zur Datierung des sechsten Buches Literatur:* H.F. STOBBE, Die Gedichte Martial's. Eine chronologische Untersuchung [sie!], Philologus 26 (1867), 44-80 (zu Buch 6: pp. 56-62); H.F. STOBBE, Martials zehntes und zwölftes buch [sie!], Philologus 27 (1868), 630-41; O. HIRSCHFELD, GGA 1869, 1505-10 (zu den Büchern 3, 4 und 9); TH.
MOMMSEN, Zur Lebensgeschichte des jüngeren Plinius, Hermes 3 (1869), 31139 (hier: 120-6 zu den Büchern 10 und 12); FRIEDLAENDER Bd. 1, pp. 50-67
(zu Buch 6: pp. 57f.) 21 ; A. DAU, De Marti Valerii Martialis libellorum ratione temporibusque, diss. Rostock 1887 [bes. zum liber spectaculorum, den Xenia und Apophoreta, jedoch wenig überzeugend; vgl. die Rezensionen von W. GILBERT (Wochenschr. f. kl. Phil. 5,1888,1068-75) und FRIEDLAENDER (Berl. PhW
9,1889,1201-7)];
G.
WlSSOWA,
in:
FRIEDLAENDER
1919,4,290-6
(zusammenfassend); R. HANSLIK, Die neuen Fastenfragmente von Ostia in ihrer Beziehimg zu gleichzeitigem epigraphischem und literarischem Material, WS 63 (1948), 117-35 (zu den Büchern 8 und 9); ClTRONI ad M. 1, pp. K-XXI (bes. zu
den Büchern 1 und 2); HOWELL ad M. 1, pp. 5f. (zu Buch 1); KAY ad M. 11, p. 1 (zu Buch 11); R.A. PlTCHER, The dating of Maitial Books x m und x i v , Hermes 113 (1985), 330-9; SULLIVAN 1991,1-55 (zur Biographie M.s); LEARY ad
M. 14, pp. 9-13 (zu den Apophoreta).
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Die hier nur abgekürzt aufgeführte Literatur ist in der Bibliographie aufgeschlüsselt Friedlaenders Datierung der einzelnen Bücher geht zurück auf seine Arbeiten »De temporibus librorum Martialis Domitiano imperante editorum et Silvamm Statii«, Progr. Acad. Alb. Reg. (Königsberg) I, 1862; »De temporibus librorum Martialis X et XI«, Progr. Acad. Alb. Reg. (Königsberg) I, 1865. In seinen M.-Kommentar hat Friedlaender mit einigen Änderungen das Datienmgskapitel aus der 5. Auflage seiner »Sittengeschichte« (1881, Bd. 3, pp. 424-40) übernommen. Eine kurzgefaßte Übersicht findet sich schließlich in der (von mir benutzten) 9./10. Auflage: 1919,4,290-6.
3. Zur Datierung des sechsten Buches
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Die maßgebliche und bis heute im großen und ganzen noch akzeptierte Erschließung der einzelnen Publikationsdaten der Bücher M.s kommt Ludwig Friedlaender zu, der (unter kritischer Prüfung der umfangreichen Arbeiten von Stobbe [1867 und 1868]) folgende Chronologie aufgestellt hat: spect. Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch Buch
13 u.14 1 u. 2 3 4 5 6 1 8 9 101 11 10+11 10 2 12
80 n.Chr. Ende 84 oder 85 n.Chr.22 85/86 n.Chr.23 87/88 n.Chr. Ende 88 n.Chr. Ende 89 n.Chr. Sommer/Herbst 90 n.Chr. Ende 92 n.Chr. Mitte 93 n.Chr. 2. Hälfte 94 n.Chr.24 Ende 95 n.Chr. Ende 96 n.Chr. Ende 97 n.Chr. (Florilegium) Mitte 98 n.Chr. Anfang 102 n.Chr.
Abgesehen von allen Zweifeln, die man im einzelnen gegen Friedlaenders Lösung vorbringen kann - insbesondere gegen den Versuch einer genaueren Fixierung auf bestimmte Jahresabschnitte u.dgl. - , zeigt sich hinsichtlich der Periode vom Uber spectaculorum bis Buch 11 bzw. der 2. Auflage von Buch 10 eine Art Jahresrhythmus der Publikation. Dieses Ergebnis deckt sich mit M.s eigener Aussage: quod mihi vix unus toto liber exeat amw/desidiae tibi sunt, docte Potite, reusfiustius at quanto mirere quod exeat unus/labantur toti cum mihi saepe dies (10,70,l-4). 25 Das 12. Buch nimmt eine Sonderrolle ein, denn M. veröffentlicht es, wenig nach 98 n.Chr. nach Spanien zurückgekehrt, von seiner Heimatstadt Bilbilis aus (vgl. 12 epist.), nach einer Pause von etwa 3 bis 4
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Zweifel an diesen Daten äußert v.a. Pitcher 1985 (Datierung sei zu früh angesetzt); vgl. dagegen aber wiederum Leary ad M. 14, pp. 9-13. Vgl. dazu bes. die Präzisierungen Citronis. Hanslik 1948 versucht zu zeigen, daß Buch 8 erst 94 und Buch 9 erst Anfang 95 n.Chr. erschienen seien. Auf die Bücher 3-8 nimmt offenbar 9,86,9f. Bezug: omne tibi + Xoyo^ ist für den praeco ein ausgesprochen passender Name, der darauf hindeutet, daß er seinen Beruf erfolgreich ausübt, denn die Stimme ist sein wichtigstes Werkzeug; vgl. z.B. 1,85,1 (praeco facetus", doppeldeutig); Quint, inst. 1,12,17 (zit. oben). Sprechende Namen oder solche, die er zur Unterstützung des Witzes geistreich interpretiert, verwendet M. außerordentlich gern. Vgl. die umfassende Studie von Giegengack 1969; außerdem Joepgen 1967,57f.; 88f.; 116-20; 141f.; Citroni ad M. 1, Index s.v. nomi significativi (p. 381); Kay ad M. 11, Index s.v. names (p. 301); zu Vorläufern im griech. Epigramm vgl. Prinz 1911,85f.; Weinreich 1926,90f. Freilich kann man leicht Ge-
Gedicht 8
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fahr laufen, einen Namen überzuinterpretieren. M.E. (bald mehr, bald weniger) bedeutsam sind im 6. Buch auch folgende Namen: Calliodorus (44); Carisianus (24); Carpus (39)?; Catianus (46)???; Charidemus (31; 56; 81); Charinus (37); Coracinus (55); Coresus (39)?; Crotus (39); Cyrta (39); Dindymus (39); Hilarus (73); Laberius (14)?; Laetoria (45); Matho (33); Oceanus (9); Panaretus (89); Pannychus (39; 67?); Phoebus (57); Pontia (75); Procutina (22); Sotades (26); Telesilla (7); Telesinus (50); Telethusa (71). Vgl. sodann die klangvollen Namen schöner pueri delicati: Diadumenus (34); Eutychus (68); Glaucias (28f.); Lygdus (39; 45); Pantagathus (52); dazu: ad 6,28,4. - Bereits die antike Witztheorie weiß um die Möglichkeiten der Verballhornung oder geistreichen Ausnutzung von Personennamen. S. z.B. Cic. de or. 2,257 (mit Leemann ad loc.): etiam interpretatio nominis habet acumert, cum ad ridiculum convertas, quam ob rem ita quis vocetur, Quint inst. 6,3,55f.; außerdem zur interpretatio nominis Aristot rhet. 1400M7-24. 6 die, numquid ...?: Eine dritte Person wird zur Stellungnahme aufgefordert, wobei die Antwort schon feststeht. »Gegensätze und Fragen« sowie »auffällige Sachverhalte und Fragen [vor Gedichtschluß]« verbindet M. häufig (Siedschlag 1977,26 mit Belegen); s. 6,51,4; 6,53,3; 6,54,3; 6,66,8; 6,77,9; 6,78,7; 6,88,3; 6,89,7; 6,94,4 mit Kommentaren. So wird auf den vorangehenden Sachverhalt besonders aufmerksam gemacht, denn durch Einschalten der dritten Person wird der Leser zum Antworten gleichsam 'eingeladen'. Zu M.s Frage-Techniken vgl. Siedschlag op.cit. 19-28. - numquid 24mal bei M. (gegen 2mal num), beeinflußt von Ugs.; s. Citronis Statistik ad 1,34,9; Huisintveld 1949,91; LHSz 463; KS 2,514f. Am Gedicht-Ende oder dieses vorbereitend stehen numquid-Fragen (ironisch oder triumphierend) auch: 1,34,9; 1,74,2; 6,12,2; 6,32,6; 10,26,8; 10,75,13; 12,42,6. - Syntaktisch absolutes oder parenthetisches die mit folgender oratio recta (Ugs.; bes. Plaut u. Ter.) findet sich bei M. häufig (z.B. 1,20,1; 3,11,4; 3,30,2; 4,7,6; 6,10,9f.); daneben begegnet freilich auch oratio obliqua (z.B. 3,20,1; 3,63,2; 4,66,17; 7,73,5); beide Konstruktionen parallel: 5,58,2/6. U.a. spielt wohl nicht zuletzt metrische Bequemlichkeit eine Rolle. Uneinheitliche Überlieferung ist dabei nicht weiter verwunderlich; vgl. 3,88,2 (sunt y : sint ß); 5,55,1 (portas ß : portes ay); 13,14,2 (inchoat RQ : inchoet ßy); ähnl. 3,95,3: cur hoc expectas (Ty: -tes ß).... rogo, ... dicas. S. auch ad 6,88,3. fatue ... fecit: S. 4,72,4. facere + Adv. eignet der Ugs. (ThLL 6,1,120,2043). Das Adverb fatue begegnet zuerst bei M„ dann nur Quint inst. 6,4,8 und ganz vereinzelt später. Die alliterierende Junktur ist genuin martialisch und singuär, also besonders zu beachten. Severe: Der Name begegnet bei M. häufig. Nur 9,86 ist eine sichere Identifizierung, nämlich mit dem Sohn des Dichters Silius Italicus, möglich. Aus den ande-
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Kommentar
ren Fällen (2,6; 5,11; 5,80; hier; 7,34; 7,38; 7,49; 7,79; 8,61; 11,57; evtl. 10,73,2) kann man nichts gewinnen; vgl. auch Kay ad 11,57,1. Eine Identifizierung mit dem Adressaten von Stat. silv. 4,5, Septimius Severus, bleibt (zumal das cognomen besonders häufig ist; Kajanto 1965,30 u. 256) spekulativ und ist keineswegs förderlich; vgl. Coleman Stat. Einl., p. 158 mit Anm. 1. Man kann nicht einmal sagen, ob stets derselbe Severus angesprochen oder ob der Name schlicht beliebig ist. Immerhin ein mit Literatur befaßter Freund M.s scheint hinter 2,6; 5,11; 5,80 zu stecken, und er könnte zum Kreis um Arruntius Stella (zu diesem: 6,21 Einl.) zu rechnen sein (5,11). - Zur Anrede des Adressaten im letzten Vers s. ad 6,19,9.
9 Das vorliegende Monodistichon spielt auf eine von Domitian vorgenommene Verschärfung der Sitzordnung im Theater nach sozialem Stand an; vgl. Suet. Dom. 8,3 (im Zusammenhang mit der kaiserlichen correctio morum); bei M. bes. häufig im 5. Buch thematisiert: 8; 14; 23; 25; 27; 35; 38; 41; vgl. auch 2,29; 4,67,4. Da sämtliche o.g. Gedichte M.s 'Platzerschleicher' entlarven, die vom dissignator (s. ad 2) unsanft vertrieben werden (vgl. 5,25,2: sta, fuge, curre, late!), handelt es sich offenbar um eine weit verbreitete Unsitte, mit der Parvenüs nach außen vorgeben, begüterte Ritter zu sein. So gehören die Gedichte zu den sozialkritischen Epigrammen gegen Möchtegern-Aufsteiger (s. 6,17 Einl.; 1,67; 2,29; 2,81; 3,16; 3,29; 3,59; 7,64; 8,16; 9,73; 10,27; 10,76; 11,12; 11,37; 11,54). Zur Sitzordnung im Theater vgl. auch luv. 3,153-9: 'exeat .../si pudor est, et de pulvino surgat equestri/cuius res legi non sufficit, et sedeant hicAenonum pueri quocumque exfornice nati/hic plaudat nitidus praeconis filius inter/pinnirapi cultos iuvenes iuvenesque lanistae.'/sic libitum vano, qui nos distinxit, Othoni. - Seit 194 v.Chr. ist es das Privileg der Senatoren, im Theater in der Orchestra zu sitzen. Auf den Tribun L. Roscius Otho geht sodann die 67 v.Chr. verabschiedete lex Roscia theatralis zurück. Dieses Theatergesetz schreibt vor, daß die vierzehn Sitzreihen unmittelbar hinter der für die Senatoren reservierten Orchestra den equites (geknüpft an den Nachweis eines Vermögens von 400.000 HS) vorbehalten sind. Vgl. Hör. epod. 4,15f.; epist. 1,1,62; Cic. Mur. 40; Phil. 2,44; Vell. 2,32,3; Dio 36,42,lf.; luv. 14,323f.; M. Reinhold, Historia 20 (1971),280-2. Augustus hat die lex Roscia wiederaufgenommen (lex Iulia theatralis), allerdings wohl zugunsten finanziell angeschlagener equites gelockert;
Gedicht 9
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vgl. Suet Aug. 40,1: cum cuttern plerique equitum attrito bellis civilibus patrimonio spectare ludos e quattuordecim non auderent metu poenae theatraüs, pronuntiavit non teneri ea, quibus ipsis parentibusve equester census umquam fuisset. Auch hier also erneuert Domitian ein Gesetz, das (wie die lex Iulia de adidteriis) auch Augustus beschäftigt hat (s. 6,2 Einl.). Der epigrammatische Witz dieses Zweizeilers besteht in dem Wortspiel, das in der Ambiguität von suscitat liegt (s. ad 2). Zu diesem bei M. häufig vorkommenden Witztyp vgl. Joepgen 1967,57-87 (bes. 75-84 zu Veiten); z.B. 2,17,5 (rädere); 2,56,4 (dare); 3,15 (credere); 9,15 (facere); 10,43 (reddere); 11,93,4 (ordere; mit Kay); 14,201 (succumbere). Vgl. weiter Siedschlag 1977,88f.; Kuppe 1972,90f. (zur ironischen Komponente); außerdem hier 6,92 Strukt. u. ad 6,60(61), 10. - Bemerkenswert ist schließlich die effektvolle Nutzung metrischer Mittel: Während der erste Vers (die Situationsbeschreibung) fast ausschließlich aus Spondeen besteht, erweist sich der Pentameter als wesentlich dynamischer. So werden auf metrischer Ebene das Schlafen bzw. das Vom-SitzVertreiben trefflich nachgeahmt. S. auch ähnl. 6,46; 6,48; 6,91 (mit Struktt.). 1 Pompeiano ... theatro: das 55 v.Chr. geweihte, von Pompeius erbaute Theater; das erste aus Stein und das bedeutendste in Rom. Vgl. bei M. noch 10,51,11; 11,21,6; in derselben metrischen Position: 14,29,1 (in Pompeiano ... theatro); 14,166 (de Pompeiano... theatro). Der 'vollständige' Name findet sich so auch z.B. Lucan. 7,9; Plin. nat. 36,115; Suet. Tib. 47; nur theatrum bei Plin. nat. 33,54; Suet. Nero 13,2. Beim großen Feuer 80 n.Chr. (s. ad 6,3f.) verbrannte die scaena (Dio 66,24,2). Die Restaurierung wurde entweder schon von Titus vorgenommen (Jones 1992,81) oder später von Domitian. Weiterführend: Koestermann ad Tac. ann. 3,23,1; 13,54,3; 14,20,2; Richardson 1992,383-5 (mit Abb.); Platner/Ashby 1929,515f. Laevine: fiktiv; nur hier bei M.; eine Laevina 1,62; vgl. Kajanto 1965,243; abzuleiten von laevus. 2 et: leitet hier eine stark affektische Frage der Entrüstung ein. S. ad 6,63,6. suscitat: In der Doppeldeutigkeit dieses Wortes liegt die Pointe: Zunächst liegt es aufgrund des vorangehenden dormire nahe, die Bedeutung 'aufwecken' anzunehmen. Der Platzanweiser hätte dann die Aufgabe, den 'Einnickenden' zu ermahnen, denn schlafende Besucher sind nicht willkommen; vgl. Plaut. Poen. 21f.: diu qui domi otiosi dormierunt, decet/animo aequo nunc Stent vel dormire
temperent. Doch das wäre vergleichsweise witzlos. Gemeint ist vielmehr 'aufbzw. verscheuchen' (wie 3,95,10; 5,35,5; vgl. excitatus 5,14,3; Forcell. 5,787), und zwar von den Plätzen der equites, auf denen Laevinus verbotenerweise sitzt
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Kommentar
(s. Einl.). Möglich, daß suscitare hier beides heißt, oder aber Laevinus gibt nur vor zu schlafen, um nicht des Platzes verwiesen zu werden. So wird aus einer zunächst harmlos anmutenden Schilderung ein geistreiches a n p o a S ö i o i T o v , das nur klar wird, wenn der Leser die ganze semantische Breite des Wortes ausschöpft. S. Strukt.; Barwick 1959,14f. - Die Ambiguität von suscitare ähnelt deutlich der von dare im vorangehenden Gedicht (6,8,5). Liegt hier eine Verknüpfung mittels Pointentechnik vor? Oceanus: Aufgabe des dissignator theatralis (Platzanweisers) ist es, in Begleitung von Liktoren für Ordnung zu sorgen; vgl. bereits Plaut. Poen. 17ff.; inschriftl.: CIL 6,1074. Ein solcher Ordnungshüter mit Namen Oceanus begegnet bei M. auch 3,95,10; 5,23,4; 5,27,4 (einer namens Leitus: 5,8,12; 5,14,11; 5,25,2; 5,35,5). Die antiken Erklärer leiten Oceanus von wtc6xn9 öCfie ev ¿Keivq) a&jnöevu etepov avuöv yeveoöai; Gleichermaßen wird der Leser des vorliegenden Gedichts den Bezug zur Wiederaufnahme der
206
Kommentar
augusteischen Ehegesetzgebung durch Domitian wahrnehmen; vgl. bes. 6,2 und 6,4 Einll. 3 imagine vultus: Reminiszenz an Ov. trist. 1,7,9; Pont. 2,8,21 (Siedschlag 1972,159)? Zu imago vgl. ad 6,39,9. 4: Vgl. Prop. 4,11,67: filia, tu specimen censurae nata paternae. Zu Properzens Einfluß s. ad 6,76,6. pudicitiae: Vgl. ad 6,7,2 (zur Bedeutung der pudicitia für die lex Iulia de adulteriis). 5: Hör. c. 1,28,23: at tu, nauta, vagae neparce malignus harenae ... tarnen: Eine treue Ehefrau und eine Tochter zu haben, die nicht durch Ehebruch entstanden ist, wird hier zum allerwichtigsten Familienglück stilisiert, das den Vater zu härtesten Entbehrungen veranlassen könnte. Der Sprecher versucht zu überzeugen, daß man trotz allem nicht sich selbst vergessen dürfe, annoso ... Falerno: 1,105,3: annosa ... senecta (von Wein). Falerner Wein stammt aus Campamen und gehört zu den besten, geschätztesten Weinen. Vgl. den Wein-Katalog' bei Hör. c. 1,20,9-12: Caecubum et prelo domitam Caleno/tu bibes uvanu mea nec FalernaeAemperant vites neque Formiani/pocula colles; dazu Nisbet/Hubbard ad loc. »One might try to argue that Caecuban and Calenian were even better than Falernian and Formian; one certainly cannot maintain that the last two were superior.« Eine klare Hierarchie scheint indes unmöglich; vgl. Plin. nat. 14,59: genera autem vini alia aliis gratioraesse quis dubitet...? quamobrem de principatu se quisque iudicem statuet. Man kennt zwei bzw. drei Falemer-Sorten (trocken, halbtrocken, lieblich): Plin. nat. 14,63; Athen. 1,26c; Galen. 10, p. 832 K. - annosus wird von Wein zuerst Ov. ars 2,418 gebraucht, dann m.W. nur noch [Tib.] 3,2,19; 3,6,58; Plin. nat. 23,40. Üblicher ist vetusA>etulus. Bei M. vetulum Falernum: 1,18,1; 8,77,5; 11,26,3; vgl. Catull. 27,1; Hör. serm. 2,3,115; Macr. sat. 7,12,9. Zwar verbessert sich die Qualität des Falerners, wenn er lange lagert (Varro rust. 1,65: genera sunt vina, in quo Falerna, quae quanto pluris annos condita habuerunt, tanto, cum prompta, suntfructuosiora), doch darf man ihn nicht allzu lange aufbewahren. Nach Plin. nat. 23,34 und Athen, loc.cit. soll der Falerner etwa 15-20 Jahre lagern; ist er älter, verliere er an Güte; vgl. auch Galen. 14, p.20 K; Cic. Brut. 287; entsprechend hyperbolisch Falernum... annorum centum (Petron. 34,6). nimium: wird von allen (wohl richtig) zu ne parce gezogen (vgl. Col; Ker; Paley/Stone; Iz; SB2): 'sei nicht allzu sparsam mit dem Falerner'. Erwägenswert ist jedoch auch, es auf annoso zu beziehen: Dann wäre der Falerner jetzt 'trinkreif und drohte umzukippen, wenn er für die Tochter aufgespart würde.
Gedicht 27
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ne parce: Nur sparsam vom Kostbaren zu nehmen gemahnen die AmphorenAufschriften CIL 13,10018,133 u. 135. Grundsätzlich soll mit Vorräten sparsam umgegangen werden (Cato agr. 58), dennoch nicht so, daß der Nutzen allein den Erben zufällt. CLE 1106,lf.: Qui dum vita datast, semper vivebat avarusjheredi parcens, invidus ipse sibi, dagegen 187: Dum vixi, vixi quomodo condecet ingenuonu/quod comedi et ebibi, tantum meu est. Vgl. M. 13,126: Unguentum heredi numquam nec vina relitiquasfille habeat nummos, haec tibi tota dato. So kritisiert Hör. serm. 2,3,122f. einen senex, der seinen guten Wein (ebd. 115) unnötig aufspart: filius aut etiam haec libertus ut ebibat heres,/dis inimice senex, custodis? Ähnl. AP 7,325 (anon.): Tooo' ex© öoo' epayov Kai erciov, Kai (ier' eparrtov/Tepjtv' eSänv- t a 8e noklA Kai öXßia Jtavra Aitaurcai (lat. Version bei Cic. Tusc. 5,101); AP 11,166 (anon.): nXoweiv iubere posset tacere quemeumque, huic silentium clepsydra indici .
36 Das Distichon kombiniert zwei dem antiken Witz keineswegs fremde Themen: die überdurchschnittlich große Nase und einen ebensolchen Penis. M.s Spott über auffallige Nasen findet sich etwa 1,3,6: pueri nasum rhinocerotis habenf, bes.
Gedicht 36
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auch 13,2,lf.: nasutus sis usque licet, sis denique nasus/quantum noluerit ferre rogatus Atlans. Wie dort, so wird die Nase als Zeichen von Hochmut oder des gediegenen Feinsinns auch z.B. 1,41,18 (non cuiquam datum est habere nasum)', 2,54,5 (nasutus: 'clever'); peiorativ 12,37 (nasutus polyposus); Hör. serm. I,4,8 (Kritik an Lucilius: emunctae naris, durus componere versus) verwandt; vgl. auch die nares acutae Hör. serm. l,3,29f. und das Gegenteil: naris obesa epod. 12,3. S. ausführlich Kißel ad Pers. 1,40-41. Ähnlich wie M. 12,88 [mit Joepgen 1967,96f.; vgl. bes. AP 11,198 (Theod.)]: Tongilianus habet nasum: scio, non nego. sed iam/nil praeter nasum Tongilianus habet, bedienen sich auch die griechischen Epigrammatiker gern dieses Themas. Neben 11,199 (Leonid.Alex.); 11,405 (Lucian. o. Nicarch.) sei vor allem auf die folgenden Verse verwiesen: AP 11,200 (Leonid.Alex.) steht das Haus eines Zenogenes in Flammen, doch der macht sich die Nase des Antimachos zunutze: triv ptv' 'Avri|iaxou KÄinara öeiq ecpayyev (4). Vollends hyperbolisch witzelt AP 11,203 (anon.): 'H pujKäaxopo«; eanv, oravCTKOOITTITI, 8iKeM,a7aäAjtiyi; 8', äv peyxil' tfl 8e TpTjyfl, SpenavoWev JtÄoiou; ayicopa- Kataoneipovtt 8* äpotpov/otyKiatpov vawai£ oxi/oipayot^ Kpeaypa/(5) vaujiTiyou; axevSuXayewpYoü; 8e TtpaooKoupov/TeKTomv äi;ivry xotq 8e 7iuA,cooi Kopa^/oiktoi; ei> Xpncrcov OKeuoui; Kaaicop TefuxnKe/piva cpeptov ndory; ap^evov epyaairi^ AP II,267 (anon.) braucht ein XOY«JTIKO