Libretti vom 'Mittelalter': Entdeckungen von Historie in der (nord)deutschen und europäischen Oper um 1700 9783484366343, 9783484970847

This interdisciplinary study discusses the conditions and modes of the reception of the ‘Middle Ages’ as an historical p

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German Pages 502 [505] Year 2009

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Inhalt
1. Einleitung
2.1 Hannover
2.2 Braunschweig-Wolfenbüttel
2.3 Hamburg
3. Resümee und Ausblick
Anhang
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Libretti vom 'Mittelalter': Entdeckungen von Historie in der (nord)deutschen und europäischen Oper um 1700
 9783484366343, 9783484970847

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Frhe Neuzeit Band 134 Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Khlmann, Jan-Dirk Mller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt

Christian Seebald

Libretti vom ›Mittelalter‹ Entdeckungen von Historie in der (nord)deutschen und europischen Oper um 1700

Max Niemeyer Verlag Tbingen 2009

n

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-36634-3

ISSN 0934-5531

 Max Niemeyer Verlag, Tbingen 2009 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbestndigem Papier. Druck und Einband: Hubert & Co., Gçttingen

Vorwort Chaque nation dans l’Europe a bientôt ses historiens. L’ancienne indigence se tourne en superflu: il n’est point de ville qui ne veuille avoir son histoire particuliere [...] Il faut sur-tout s’attacher à l’histoire de sa patrie, l’étudier, la posséder [...]1

Die vorliegende Untersuchung, die sich der Bedeutung des ,mittelalterlichen‘ Sujets und damit zugleich der Entdeckung von je eigener Historie in der frühneuzeitlichen Oper widmet, wurde im Sommersemester 2007 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Sie wurde für den Druck stellenweise überarbeitet, wobei die Literaturaufnahme Anfang 2007 abgeschlossen war und später erschienene Titel – hier sind insbesondere die neuen Studien von Eleanor Selfridge-Field zur Chronologie der venezianischen Oper2 zu nennen – leider nicht mehr verwertet werden konnten. Daß die Arbeit in dieser Weise hat zum Abschluß gebracht werden können, verdanke ich vor allem Prof. Hans-Joachim Ziegeler und Prof. Erich Reimer, die das interdisziplinäre Projekt – mit all seinen Unwägbarkeiten – von Anfang an und jederzeit mit ihrer großen Sympathie und ihrem kritischen Rat begleitet und gefördert haben – so viel mehr, als hier zu sagen ist. Ebenso möchte ich Prof. Susanne Rode-Breymann und Prof. Wilhelm Voßkamp sehr herzlich danken für ihre allseits gewährte Unterstützung, für intensive Gespräche und wichtige Anregungen, gerade auch im Rahmen ihrer Doktorandenkolloquien. Mein herzlicher Dank gilt weiterhin Prof. Wolfram Steinbeck für die Übernahme eines dritten Gutachtens im Rahmen des Promotionsverfahrens. Eine finanzielle Förderung konnte die Arbeit erfahren durch ein von der Hochschule für Musik Köln bewilligtes Graduiertenstipendium des Landes Nordrhein-Westfalen sowie durch ein Kulturstipendium der Rotary Foundation; beiden Institutionen, vertreten durch Herrn Prorektor Prof. Wolfram Breuer (Hochschule für Musik Köln) und Herrn Prof. Roland Euler (Universität Mainz), sei dafür ganz besonders gedankt.

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Voltaire, Histoire, in: Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de lettres. Mis en ordre & publié par M. Diderot […]; & quant à la Partie Mathématique, par M. D’Alembert […], 17 Bde, Paris 1751–1765, Bd. 8 (1765), S. 220–225, hier S. 223. Song and Season. Science, Culture, and Theatrical Time in Early Modern Venice, Stanford 2007; A New Chronology of Venetian Opera and Related Genres, 1660–1760, Stanford 2007.

VI Dank gebührt auch all den Bibliotheken und Archiven und ihren Mitarbeitern, die mir entweder Quellen und Materialien aus ihren jeweiligen Beständen zukommen ließen oder bei der Recherche vor Ort behilflich waren. Dies betrifft vornehmlich: die Bayerische Staatsbibliothek München, die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, die Biblioteca Nazionale Marciana Venezia, die Biblioteka JagielloĔska Kraków, die British Library London, die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, das Niedersächsische Staatsarchiv Wolfenbüttel, die Österreichische Nationalbibliothek Wien, die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz sowie die Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky Hamburg. Reproduktionsgenehmigungen erteilten zusätzlich: das Herzog Anton UlrichMuseum Braunschweig, die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und die Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin. Überaus zu Dank verpflichtet bin ich den Professoren Jan-Dirk Müller und Achim Aurnhammer für die freundliche Aufnahme der Studie in die Reihe ,Frühe Neuzeit‘. Ihre kritischen Einwände und wertvollen Anregungen sind der Druckfassung sehr zugute gekommen. Dem Niemeyer-Verlag, namentlich Birgitta Zeller-Ebert und Daniela Zeiler, gilt mein Dank für eine sorgfältige und zügige Drucklegung. Last but not least sei Christiane Krusenbaum-Verheugen und Birgit Overmann für ein immer angenehmes Zusammenarbeiten gedankt, Christiane Krusenbaum-Verheugen überdies für so viele aufschlußreiche Gespräche und die Mühen einer kritischen Lektüre. Dank auch Sabrina Koch für eine abschließende Durchsicht des Typoskripts. Daß diese Arbeit hat geschrieben werden können, verdanke ich nicht zuletzt meinen Eltern. Ihnen sei dieses Buch gewidmet.

Köln, im Dezember 2008

C. S.

Inhalt

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1

Frühneuzeitliche Oper und ,mittelalterliches‘ Sujet: Konstitution des Untersuchungsgegenstandes – Fragen – Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3

Geschichtsverständnis und Epochenvorstellung um 1700 . . Von der Heilsgeschichte zur profanen Historie. . . . . . . . . . Der Mittelalterbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historia magistra vitae: Geschichte als Exempelsammlung .

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15 15 22 26

1.3 1.3.1 1.3.2

,Mittelalterliche‘ Sujets in der europäischen Oper um 1700 . . . Anmerkungen zu einem Katalog – Versuch einer Typologie . . Exemplarische Repertoire-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Venedig 35 – Wien 42 – Paris 48 – Braunschweig-Wolfenbüttel 51 – Hamburg 56

2

Die ,dynastische Mittelalteroper‘ in Norddeutschland. . . . . . . . . . . . .

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2.1 2.1.1

Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Herzog Ernst August, Leibniz und Henrico Leone (1689): Historie und Musiktheater im Dienst der politischen Ziele des Welfenhauses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1.2 Henrico Leone: Zum Libretto und zur Musik des ,Prototyps‘ der ,dynastischen Mittelalteroper‘ im norddeutschen Raum . . . 73 2.1.2.1 Die Paratexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.1.2.2 Das ,musikalische Drama‘ und die Rezeption der ,Heinrichsage‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.1.3 Dynastische Kontinuitäten: Henrico Leone als Medium welfischer Memoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2.2 2.2.1

Braunschweig-Wolfenbüttel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Die ,Mittelalteroper‘ zur Zeit Herzog Anton Ulrichs (1685–1714) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

VIII 2.2.2

Die ,dynastische Mittelalteroper‘ unter der Ägide der Herzöge August Wilhelm und Ludwig Rudolf (1714–1735) . . . . . . . . . 148 2.2.2.1 Die Wiederbelebung des welfischen Mythos: Henrich der L we, Elisabeth Christine und die politischdynastische Rehabilitation der Wolfenbütteler Welfen. . . . . 150 2.2.2.2 Welfen und Liudolfinger: Die Doppeloper Heinrich der Vogler und die ,Historisierung des Mittelalters‘ . . . . . . . . 166 ,Anti-historisierende‘ Tendenzen – Manifestation des Repräsentativen: die Rolle der Musik 187 – Reichspatriotismus und szenische Typisierung vs. höfische Repräsentation und Historisierung: Heinrich der Vogler in Hamburg 190 – Heinrich der Vogler II und die Dresdener Fürstenhochzeit von 1719: Darstellung wahrhaffter Geschichte und Inszenierung fürstlicher Magnifizenz 192 – Heinrich der Vogler und die alten sächsischen Wurzeln des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel 208 – Dresden – London – Braunschweig: die Kontinuation des Liudolfinger-Themas in den Braunschweiger Adaptationen von Händels Ottone 213

2.2.2.3 Die Präsentation des ,Mittelalters‘ im historischen Tableau: Rudolphus Habspurgicus und die Glorifizierung des Hauses Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4 Von Venedig nach Braunschweig: L’innocenza difesa, Ludovicus Pius und eine welfische Kaiserin im Kreis der Karolinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.5 Die Memoria der Brunonen, Süpplingenburger und ihrer welfischen Erben: Opera Comica, genant Egbert und Lotharius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.6 Englische Beziehungen: Händels Riccardo primo und Richardus genannt das L wen-Herz / K nig in Engelland . . . . 2.2.2.7 Welfische Landesherrschaft in Vergangenheit und Gegenwart und die Verwandlung der Historie: Magnus Torquatus oder Magnus mit der silbernen Kette Hertzog zu Braunschweig und L)neburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Die Braunschweiger ,Mittelalteroper‘ zwischen dynastischer Memoria und landesherrlicher Repräsentation . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Die Darstellung der Geschichte zwischen Typologie und Historizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Reichs- und landesgeschichtliche Forschung im Umkreis von Hofhistoriographie und ius publicum und die Entdeckung der eigenen Geschichte für die Oper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Die ,Kaiseropern‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1.1 Thematische Schwerpunkte: Karl der Große und die Sachsenkaiser. Reichspatriotismus und lokale Erinnerungskultur . . . . . 2.3.1.2 Die mittelalterliche Historie als Spiegel der Zeitgeschichte: Desiderius, K nig der Longobarden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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232 242

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IX 2.3.2 Die ,stadtgeschichtlichen Opern‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1 Hier von mag die nach Welt sagen | Hamburg fochte ritterlich: Die Doppeloper St rtebecker und J dge Michaels und die Re-Präsentation der glorreichen städtischen Vorzeit . . . 2.3.2.2 Die Historie als funktionales Kontrastbild im Kontext des Städtelobs: Mistevojus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die ,dynastischen Mittelalteropern‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1 Eine Hamburger Oper zur Preußischen Königskrönung (1701): Thassilo auf dem roten Adler und der neue hohenzollernsche Haus-Mythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2 Carolus V. und die Apotheose des kaiserlichen Stadtherrn im Spiegel der dynastischen Historie . . . . . . . . . . . . . . . .

3

. . 297

. . 297 . . 307 . . 313

. . 313 . . 317

Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Katalog: ,Mittelalterliche‘ Sujets in der Oper um 1700 1 Chronologisches Verzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . 2 Systematisches Verzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . B Henrico Leone (1689) und Henrich der L we (1716): Synopse der musikalischen Fassungen . . . . . . . . . . . C Transkription der Handschrift Textb. 791 der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel . . . . . . .

. . . . . . 337

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliothekssiglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Archivalische Quellen. . . . . . . . . 1.2 Libretti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Partituren und Ariensammlungen . 1.4 Quellenschriften. . . . . . . . . . . . . 2 Forschungsliteratur. . . . . . . . . . .

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455 455 455 456 456 456 461 461 464

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

1 Einleitung 1.1 Frühneuzeitliche Oper und ,mittelalterliches‘ Sujet: Konstitution des Untersuchungsgegenstandes – Fragen – Perspektiven Am 30. Januar 1689 wurde das soeben fertiggestellte Opernhaus im Schloß zu Hannover prunkvoll eröffnet: Der Hausherr, Herzog Ernst August, ließ eine opulente Neuproduktion spielen, mit der sein frisch aus München abgeworbener Kapellmeister Agostino Steffani sein Hannoveraner Debut gab. Und so kam eine Oper zur Aufführung, die man 1989, zur Feier des 300jährigen Jubiläums der Hannoveraner Oper, erneut auf die (nun moderne) Bühne brachte: Henrico Leone. Es ist diese Oper das erste Bühnenstück gewesen, das den großen Ahnen der Welfendynastie und mithin ein Sujet aus der mittelalterlichen Geschichte dieses fürstlichen Hauses ,in Szene setzte‘, und zwar vor dem Hintergrund eminenter tagespolitischer Ereignisse, die vor allem Ernst Augusts Bewerbung um eine neue – die sog. neunte – Kur für sein Haus betrafen. Und es ist diese Oper zugleich der erste Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit gewesen, insofern sie Anlaß bot, nach Werken mit vergleichbaren Sujets Ausschau zu halten und die Frage zu klären, ob die hier greifbare Bühnenadaptation eines ,mittelalterlichen‘ Sujets ein singuläres Phänomen in der Oper der Frühen Neuzeit darstellte oder ob (und in welchem Umfang) sich ähnlich gelagerte Fälle finden lassen würden. Welche Relevanz käme folglich der mittelalterlichen Geschichte als Stofflieferant für die Oper der Zeit zu, welche Rolle spielte die Oper für eine Rezeption des ,Mittelalters‘ im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert? Welche Rolle spielte in diesem Kontext ein Genre, das sich mit Blick auf seine humanistisch-renaissancezeitlichen Wurzeln gemeinhin vielmehr als Sachwalter und Vermittler antiker (Stoff-)Traditionen darstellt? Denn am Beginn der Gattungsgeschichte steht ebenjene – wie auch immer im einzelnen zu charakterisierende – tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem antiken Zeitalter und seinen kulturellen Überlieferungen. So führt gerade der Versuch, die griechische Tragödie zu neuem Leben zu erwecken, als „produktives Mißverständnis“1 am Ausgang des 16. Jahrhunderts zur ,Geburt‘ der Oper, und zwar im geistig-kulturellen Umfeld des Florentiner Medici-Hofes, im Gelehrtenkreis der Florentiner Camerata mit dem Grafen Giovanni Bardi in

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Manfred Fuhrmann, Antike (Rezeption), in: Ulfert Ricklefs (Hg.), Fischer Lexikon Literatur, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1996, S. 60–79, hier S. 72.

2 ihrer Mitte.2 Humanistische Antike-Rezeption im weitesten Sinne sowie höfische Festkultur prägen das Erscheinungsbild der neuen Gattung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.3 Entscheidenden Einfluß übt zudem die Literatur der Zeit aus: Tassos Aminta (1573) und Guarinis Pastor fido (1590) – die beiden ebenfalls antiker Tradition verpflichteten Hauptwerke des Pastoraldramas im 16. Jahrhundert4 – werden „in motivischer und stofflicher Hinsicht“ zum „poetische[n] Orientierungswerk für die frühen Opern“.5 Die ersten Opern, etwa die heute verlorene Dafne (1598),6 die zur Hochzeit Heinrichs IV. von Frankreich mit Maria de’ Medici uraufgeführte Euridice (1600)7 sowie Monteverdis und Striggios Orfeo (1607), sind allesamt in mythisch-arkadischem Milieu angesiedelt, ihre Protagonisten gehören entweder der Welt der Schäfer und Nymphen bzw. der Sphäre der griechischen Götter an oder aber stehen ihr besonders nahe. Man hat diese Affinität der ersten Opern zum mythischen Schauplatz Arkadien auch poetologisch begründet: „Treue gegenüber dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit und Angemessenheit [...], das die Theoretiker des 16. Jahrhunderts unter dem Eindruck der aristotelischen Poetik formuliert hatten“,8 führe dazu, daß durchweg singend miteinander kommunizierende Personen der Opernhandlung – dies ein zentrales Merkmal der neuen Gattung – zunächst nur in einem wirklichkeitsfernen, wunderbaren Bereich, in einer Raum und Zeit enthobenen utopischen Landschaft vorstellbar sind.9

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Als weitere, sichere Mitglieder der Camerata, die sich im Hause des Grafen Bardi zu Gesprächen und musikalischen Darbietungen trafen, sind zu nennen: der Dichter Piero Strozzi, der Komponist Giulio Caccini sowie der Musiker und Theoretiker Vincenzo Galilei, der Vater Galileos. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gehörten aber auch der Dichter Ottavio Rinuccini und der Komponist Jacopo Peri, die Autoren der ersten Opern, diesem Gelehrtenzirkel an, obgleich vielleicht nicht ganz von Anfang an. Die – wenn auch nur vorübergehende – Teilnahme zahlreicher anderer herausragender Florentiner Persönlichkeiten, so Alessandro Striggio, Emilio de’ Cavalieri oder Battista Guarini, ist anzunehmen. Vgl. Claude V. Palisca, The Florentine Camerata. Documentary Studies and Translations, New Haven [usw.] 1989, S. 7f. Vgl. Anna Amalie Abert, Geschichte der Oper, Kassel [usw.] 1994, S. 11–18. Klaus Garber hat Tassos Aminta als das „vollkommenste Stück“ der dramatischen Pastoraldichtung, Guarinis Pastor fido als „berühmtestes europäisches Schäferdrama“ bezeichnet: Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts, Köln [usw.] 1974, S. 51f. Zwar ist die Großform des Pastoraldramas eine Neuschöpfung der Renaissance, doch sind ihre Anbindungen an die antike Ekloge unverkennbar (vgl. ders., Bukolik, in: Klaus Weimar u. a. [Hgg.], Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 1, Berlin u. New York 1997, S. 287–291, hier S. 289). Werner Braun, Die Musik des 17. Jahrhunderts, Darmstadt 1997 (Neues Handbuch der Musikwissenschaft 4), S. 79. Vgl. dazu auch Anna Amalie Abert, Geschichte der Oper, S. 16. Text von Ottavio Rinuccini, Musik von Jacopo Peri und Jacopo Corsi. Text von Ottavio Rinuccini, Musik von Jacopo Peri. Renato di Benedetto, Poetiken und Polemiken, in: Lorenzo Bianconi u. Giorgio Pestelli (Hgg.), Geschichte der italienischen Oper, Bd. 6: Theorien und Techniken, Bilder und Mythen, Laaber 1992, S. 9–74, hier S. 16f. „Es gab aber einen Ort, wo der Gesang im täglichen Leben nichts Ungewöhnliches war, wo die Poesie ihre Heimat hatte, und wo über allen Leidenschaften, edlen und bösen, der

3 Neben die mythologisch-pastoralen Opern – als deren wohl wichtigste stoffliche Quelle Ovids Metamorphosen zu nennen sind10 – treten in den folgenden Jahrzehnten alsbald mythologisch-heroische, allegorische, geistliche, (im engeren Sinne) literarische11 sowie komische Opern, bis um die Jahrhundertmitte mit Monteverdis und Busenellos Incoronazione di Poppea (1643) in Venedig erstmals ein Stoff aus der römischen Kaiserzeit auf die Opernbühne gelangt: Damit ist die Wende zur Historie in der Geschichte der Oper vollzogen. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist in Venedig – dem damals bedeutendsten Zentrum der italienischen Oper – und an zahlreichen anderen Opernstätten, höfischen wie städtischen, etwa in Wien oder Hamburg, eine zunehmende Tendenz zur historischen oder auch pseudohistorischen Oper zu beobachten, mythologische und pastorale Sujets treten allmählich zurück.12 Die

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golddurchwirkte Schleier eines friedvollen Paradieses lag: das ferne Arkadien einer goldenen Vorzeit. Hier gab es keine Unterschiede zwischen den Schichten, hier verkehrten Menschen und Götter wie gleichberechtigte Wesen, hier war die Musik zu Hause und der Gesang normal. [...] Diese ferne Welt konnte den geeigneten Rahmen für die ersten vollständig in Musik gesetzten Dramen bilden“: Silke Leopold, Claudio Monteverdi und seine Zeit, Laaber 2002, S. 103. – „Der Mythos ist im 17. wie im 19. Jahrhundert als eine der Oper in besonderem Maße angemessene Stoffschicht empfunden worden, weil er die musikalische Ausdrucksform – den zunächst befremdenden Sachverhalt, daß Dialoge gesungen statt gesprochen werden – ästhetisch zu rechtfertigen scheint. Bildet die gesprochene Sprache das Medium eines Schauspiels, in dem, nach Aristoteles, die Gesetze der Wahrscheinlichkeit herrschen, so sind Gesang und Instrumentalmusik Ausdrucksformen des ,Wunderbaren‘, das sich im Mythos und im Märchen ereignet; und nicht zufällig ist die Ästhetik des ,meraviglioso‘, die eine genuine Opernästhetik darstellt, in der Theorie des musikalischen Dramas immer wieder, vom 17. Jahrhundert über E.T.A. Hoffmann bis zu Ferruccio Busoni, restituiert worden“: Carl Dahlhaus, Richard Wagners „Bühnenfestspiel“. Revolutionsfest und Kunstreligion, in: Walter Haug u. Rainer Warning (Hgg.), Das Fest, München 1989 (Poetik und Hermeneutik 14), S. 592–609, hier S. 604. Rezipiert wurden Ovids Metamorphosen im Italien des späten 16. und 17. Jahrhunderts allerdings wohl nicht in der lateinischen Originalfassung, sondern in der weitverbreiteten italienischen Übersetzung und Bearbeitung durch Giovanni Andrea dell’ Anguillara. Vgl. Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function of seventeenth-century opera, in: Early Music History 4 (1984), S. 209–296, hier S. 254f. Dabei ist vor allem an solche musiktheatralischen Werke zu denken, deren Sujets auf die beiden – im 17. Jahrhundert äußerst populären – heroischen Versepen Ariosts und Tassos, Orlando furioso und La Gerusalemme liberata, zurückgehen. Auf diese Entwicklung haben für die Oper am Wiener Kaiserhof Herbert Seifert (Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, Tutzing 1985, S. 246f.), für die Hamburger Gänsemarkt-Oper Eberhard Haufe hingewiesen (Die Behandlung der antiken Mythologie in den Textbüchern der Hamburger Oper 1678–1738, hg. v. Hendrik Birus u. Wolfgang Harms, Frankfurt a. M. [usw.] 1994 [Mikrokosmos 37], S. 61ff.). Vgl. dazu ferner den von Hans Joachim Marx und Dorothea Schröder besorgten Katalog der Hamburger Libretti aus der Zeit der Gänsemarkt-Oper: Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Katalog der Textbücher (1678–1748), Laaber 1995. – Hinsichtlich der Verhältnisse in Venedig vgl. die Spielplanübersichten bei Antonio Groppo (Catalogo di tutti i drammi per musica recitati ne’ Teatri di Venezia dall’ anno 1637 […], Venezia 1745), Livio Niso Galvani (I Teatri musicali di Venezia nel secolo XVII [1637–1700], Milano 1879) und Taddeo Wiel (I Teatri musicali veneziani del Settecento. Catalogo delle opere in musica rappresentate nel secolo XVIII in Venezia [1701–1800], Venezia 1897) sowie den mehrbändigen Librettokatalog von

4 Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig: Zwar mag die zunehmende ,Gewöhnung‘ des Publikums an singende Akteure und damit seine wachsende Bereitschaft, entgegen den Gepflogenheiten der verosimiglianza – dem Gebot der Wahrscheinlichkeit der Bühnenhandlung in aristotelischem Sinne – auch historische Protagonisten auf der Opernbühne zu akzeptieren, eine gewisse Rolle gespielt haben (zumindest wird dieser Aspekt im zeitgenössischen operntheoretischen Diskurs thematisiert).13 Nicht zu unterschätzen sind aber ein sich zum Ende des 17. Jahrhunderts hin auf verschiedenen diskursiven Ebenen verstärkt artikulierendes historisches Interesse, das offensichtlich von einem veränderten Geschichtsbewußtsein getragen wird,14 sowie speziell der Einfluß des Sprechtheaters und vor allem der französischen Tragödie auf das Dramma per musica.15 Zugleich scheint die ,Historisierung‘ der noch jungen Gattung ,Oper‘ ein Moment von Modernität zu implizieren: in dem Sinne, daß unter den Vorzeichen eines räumlich und zeitlich im Wandel begriffenen Welt- und Geschichtsbildes stets neue Stoffbereiche jenseits der bekannten mythologischen, pastoralen, allegorischen und religiösen Sujets (denen allen eine gegenüber den

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Claudio Sartori (I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994). Vgl. Renato di Benedetto, Poetiken und Polemiken, S. 16f. (mit Verweis auf den anonymen Traktat Il corago o vero Alcune osservazioni per metter bene in scena le composizioni drammatiche). S. auch Paolo Fabbri, Il secolo cantante. Per una storia del libretto d’opera nel Seicento, Bologna 1990, S. 188f.: „Con l’avvezzarsi del pubblico al nuovo genere di spettacolo, si andava sfaldando progressivamente la convenzione che imponeva l’irrealtà di quei protagonisti destinati ad esprimersi solo col canto [...] Qua e là fin dagli anni ’40 sulle scene veneziane accanto ai soggetti mitologici, pastorali, favolosi, leggendarî, si erano viste vicende con personaggi storicamente documentati, di maggiore o minore notorietà“. Ebenso Silke Leopold, Die Geburt der Oper aus dem Geist der Propaganda. Musikalisches Theater als Vehikel fürstlicher Selbstreflexion, in: Michael Jeismann (Hg.), Das 17. Jahrhundert. Krieg und Frieden, München 2000, S. 48–60, hier S. 51. S. dazu im einzelnen Kap. 1.2. Hier wie im folgenden wird der Terminus ,Dramma per musica‘ zunächst – im Sinne des 17. Jahrhunderts – als begriffliches Synonym für ,Oper‘ im allgemeinen gebraucht, doch schon im Hinblick auf die sich am Ende des 17. und dann vor allem im 18. Jahrhundert herauskristallisierende Bedeutungsverengung zu ,große Oper heroischen Charakters‘ (,Opera seria‘), etwa in Abgrenzung von der ,Commedia per musica‘ (,Opera buffa‘). Vgl. Reinhard Strohm, Dramma per Musica. Italian Opera Seria of the Eighteenth Century, New Haven u. London 1997, S. 2. – Zum Einfluß der französischen Tragödie auf das Dramma per musica vgl. Reinhard Strohm, Auf der Suche nach dem Drama im ,Dramma per musica‘. Die Bedeutung der französischen Tragödie, in: Peter Cahn und A.-K. Heimer (Hgg.), De Musica et Cantu. Studien zur Geschichte der Kirchenmusik und Oper Helmut Hucke zum 60. Geburtstag, Hildesheim 1993, S. 481–493, ders., Tragédie into dramma per musica, in: ders., Dramma per Musica, S. 121–198, sowie zuletzt Melania Bucciarelli, Italian Opera and European Theatre, 1680–1720. Plots, Performers, Dramaturgies, Turnhout 2000, darin speziell S. 105–117 sowie S. 185ff. mit einem Verzeichnis zwischen 1680 und 1730 entstandener italienischer Opernlibretti und ihrer französischen Dramenvorlagen. Zur Relevanz der französischen Tragödie vornehmlich für den deutschsprachigen Raum (Drama und Oper), in den Jahren „zwischen 1690 und 1732“, s. Dirk Niefanger, Geschichtsdrama der Frühen Neuzeit 1495–1773, Tübingen 2005 (Studien zur deutschen Literatur 174), S. 248–256.

5 historischen Stoffen mehr oder minder als realitätsdistanziert oder wunderbar zu charakterisierende Grundtendenz eignet) erschlossen werden und zunehmend herausragende historische Personen und Ereignisse in den Blick rücken.16 Freilich dominiert die Antike-Rezeption auch weiterhin das Dramma per musica, denn die Mehrzahl seiner Opernheroen – historische wie mythologische – entstammt der schon immer favorisierten griechisch-römischen Ära. Dennoch richten Librettisten, Komponisten sowie ihre jeweiligen Auftraggeber ihr Augenmerk bald auch auf andere historische Perioden und entdecken zusehends Spätantike, Mittelalter und Frühe Neuzeit bis hin zur unmittelbaren Vergangenheit oder Gegenwart ihrer eigenen Zeit als geeignete Stofflieferanten für neue Opernproduktionen.17 Die stoffliche Vielfalt der Barockoper – insbesondere der heroischhistorischen Oper – an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ist von der

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Der Hamburger Librettist Barthold Feind etwa bemerkt in seinen Gedancken von der Opera (1708): In Hamburg ist man gantz degoutirt f)r die Heydnische G tter-Fabeln / und w)ste ich kein eintziges Exempel von dieser Sorte, welches recht reussiret (Deutsche Gedichte. Faksimiledruck der Ausgabe von 1708. Hg. u. eingeleitet von W. Gordon Marigold, Bern [usw.] 1989, S. 74–114, hier S. 85 [Paginierung des Faksimiles]). Ähnlich, vielleicht mit Bezug auf Feinds Äußerung, Johann Ulrich König im Vorbericht zu seinem Libretto Die entdeckte Verstellung / Oder: Die geheime Liebe / Der Diana (Hamburg 1712): UNter hundert und mehr als dreißig Sing-Spielen / welche seit viertzig Jahren her / auf hiesigem Schau-Platze [= Hamburg] recitirt worden / sind )ber dreißig Pieces, welche man aus der Historia fabulosa oder Mythologie der Alten hergeholet. Ob nun gleich diejenigen / welche durch die geschickte Federn dreyer ber)hmten Theatralischen Po ten verfertiget worden / nicht leicht zu verbessern / so sind doch die Ubrige desto schlechter / daher mich nicht befremdet / warum man in Hamburg vor dergleichen Heydnischen G tter-Fabeln degoutirt? (Johann Ulrich König, Theatralische / geistliche / vermischte und Galante Gedichte / Allen Kennern und Liebhabern der edlen Poesie / zur Belustigung / ans Licht gestellet, Hamburg u. Leipzig 1716, S. 75–144, hier S. 81). In seinen Theatralischen/ Galanten und Geistlichen Gedichten (Hamburg 1706) äußert Feinds und Königs Kollege Christian Friedrich Hunold (Menantes) seine Vorliebe für historische Stoffe, indem er unter der Überschrift Gute Intriguen oder Verwirrungen (die für die Sch nheit einer Opera entscheidend seien) ausführt: Hierzu geh ret erstlich die Haupt-Historie / woraus man die gantze Invention zur Opera genommen. Vor diesen beliebten viele Fabeln von heydnischen G ttern; Und solcher habe einige auf dem Weissenfelßischen Theatro, wie auch hier [= in Hamburg] und anderwerts sehen auff)hren / die nicht uneben / sondern theils recht sch n waren. Allein meine Gedancken aufrichtig davon zu entdecken / halte ich es lieber mit warhaften als erdichteten Begebenheiten / denn da sind Anmuth und Nutzen gr sser / weil / wo eine denckw)rdige Geschichte wohl aufgef)hret wird / man dadurch in der Leute Ged chtniß eine angenehme Erinnerung und einen lebhafften Abdruck in den Gem)thern durch die Actionen verursachet; Die Helfte der Estim und Aufmercksamkeit f llt aber weg / wo ich im voraus weiß / daß alles / was darinnen vork mmt / in blosser Einbildung beruhet. Unter allen Historien nun behaupten die R mischen bey nahe den sch nsten Preiß / weil diese am bekandtesten / und oft am vortreflichsten (S. 126f.). Im Vorbericht zu seinem Libretto Masagniello furioso. Oder: Die Neapolitanische Fischer-Verschw rung (Hamburg 1706), das auf die Neapolitaner Ereignisse des Jahres 1647 rekurriert, merkt Barthold Feind beispielsweise an: Daß man diese Begebenheit zu einer Opera ausersehen / dazu hat uns nichts anders / als ein beliebtes Changement veranlasset / )m eben nicht allemahl Materie aus dem Alterthum zu holen (Deutsche Gedichte, S. 255).

6 Musiktheaterforschung bislang nur in Ansätzen und Einzelaspekten gewürdigt worden. Ein Desiderat sind nach wie vor übergreifende Darstellungen, die das überlieferte Material ausgehend von den Repertoires einzelner Theater und Spielorte, aber auch und gerade darüber hinaus, für das Operngenre als „internationales System“,18 systematisch erfassen, stoffgeschichtliche Zusammenhänge und Sujettraditionen aufzeigen sowie Voraussetzungen und Funktionalisierungsstrategien, die mit der Auswahl bestimmter Sujets verbunden sind, verdeutlichen.19 Denn die Opernstoffe geben nicht nur Aufschluß über den „local taste“ eines Opernzentrums – worauf Lorenzo Bianconi und Thomas Walker hingewiesen haben20 –, sondern sind zuweilen auch Träger einer explizit politischen Aussage, die sich der Oper als des vielleicht einflußreichsten

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Silke Leopold, Die Hofoper als internationales System, in: Carl Dahlhaus (Hg.), Die Musik des 18. Jahrhunderts, Darmstadt 1997 (Neues Handbuch der Musikwissenschaft 5), S. 147– 154, hier S. 147. Eine Übersicht über die verschiedenen Stoffbereiche lediglich der sogenannten ,frühdeutschen‘ Oper liefern Gustav Friedrich Schmidt in seiner großangelegten Studie zum Opernschaffen Georg Caspar Schürmanns (Die frühdeutsche Oper und die musikdramatische Kunst Georg Caspar Schürmanns, 2 Bde, Regensburg 1933/34: „PastoralOpern“, „mythologische Opern“, „biblische Opern“, „historische Opern“, „sagenhaftromantische Opern“) sowie Wolfgang Huber, Das Textbuch der frühdeutschen Oper. Untersuchungen über literarische Voraussetzungen, stoffliche Grundlagen und Quellen, Diss. München 1957. Huber gelangt aber im wesentlichen nicht über Schmidts materialreiche Untersuchung hinaus, zudem sind seine generalisierenden und wertenden Schlußfolgerungen bisweilen bedenklich. Eine Untersuchung speziell zur Hamburger mythologischen Oper samt einem chronologischen und systematischen, d. h. nach Stoffgruppen geordneten Verzeichnis hat Eberhard Haufe mit seiner erst 1994 veröffentlichten Dissertation vorgelegt: Die Behandlung der antiken Mythologie in den Textbüchern der Hamburger Oper. Studien zur Tradition einzelner Stoffe finden sich etwa bei Renate Döring, Ariostos ,Orlando Furioso‘ im italienischen Theater des Seicento und Settecento, Diss. Hamburg 1972, Margret Dietrich, Goldene Vlies-Opern der Barockzeit. Ihre politische Bedeutung und ihr Publikum, in: Anzeiger der phil-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 111 (1974), S. 469–512, Arno Forchert, Arminius auf der Opernbühne, in: Günther Engelbert (Hg.), Ein Jahrhundert Hermannsdenkmal 1875–1975, Detmold 1975, S. 43–57, Helga Lühning, Titus-Vertonungen im 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Tradition der Opera seria von Hasse bis Mozart, Laaber 1983, Werner Braun, Der ,Almira‘-Stoff in den Vertonungen von Ruggiero Fedeli, Reinhard Keiser und Georg Friedrich Händel, in: Händel-Jahrbuch 36 (1990), S. 139–145, oder Robert L. Kendrick, Le metamorfosi transalpine di Armida: opere su soggetti tasseschi in Germania ed Austria nel Sei-Settecento, in: Alberto Colzani u. a. (Hgg.), Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’ età barocca. Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland, Como 1995, S. 81–104. Neuerdings hat Hendrik Schulze die Rezeption der Odysseus-Mythe in der venezianischen Oper des Seicento untersucht: Odysseus in Venedig. Sujetwahl und Rollenkonzeption in der venezianischen Oper des 17. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. [usw.] 2004 (Perspektiven der Opernforschung 11). Mit Blick auf die Forschungsarbeiten zur venezianischen Oper weist er darauf hin, daß „die Frage nach der Herkunft der Opernsujets der venezianischen Oper bisher hauptsächlich in Einzelfallstudien oder als statistisches Problem“ behandelt wurde. „Eine systematische und inhaltliche Erforschung der Ursachen für die Sujetwahl steht jedoch noch aus“ (S. 1). Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function, S. 249.

7 ,Massenmediums‘ der Zeit bedient und ihr damit zugleich die Aufgabe eines „instrumentum regni“ zuweist.21 Die vorliegende Untersuchung setzt (nicht zuletzt mit dem eingangs genannten Hannoveraner Henrico Leone) an genau diesem Punkt an, wenn sie den Versuch unternimmt, die Rezeption ,mittelalterlicher‘ Stoffe im frühneuzeitlichen Opernsystem zu eruieren. Das Phänomen ist, anders als entsprechende Tendenzen in der Oper des 19. Jahrhunderts,22 bislang kaum bekannt und so mögen denn durchaus vielfältige Facetten einer terra incognita aufzudecken sein. Daß dies so ist, wird man vielleicht nicht zuletzt der in der frühen Gattungsgeschichte dominierenden Antike-Rezeption zuschreiben können, die andere Stofftraditionen und Diskurse verdeckt haben mag. Hinzu kommt, daß die ,Wiederentdeckung des Mittelalters‘ lange Zeit als ureigenste Leistung der Romantik bzw. des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts galt, einer ,Mittelalter‘-Rezeption an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert folglich angesichts des „besonders hartnäckigen Klischees“23 von der ,romantischen Wiederentdeckung‘ nur eine periphere Relevanz zuzukommen schien.24 Abgesehen von Monographien zu einzelnen Werken meist herausragender Komponisten, etwa Georg Friedrich Händels, die aber der Einordnung des Opernlibrettos und seines Sujets in übergreifende Zusammenhänge wie den der ,Mittelalter‘-Rezeption aufgrund anderer Untersuchungsziele oftmals wenig Aufmerksamkeit schenken,25 oder Studien zu den Repertoires einzelner Opernspielstätten, die

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Ebd., S. 260. Zur ideologischen Funktionalisierung speziell der Hofoper vgl. Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland 1500–1800. Wandlungen einer Institution, Wilhelmshaven 1991 (Taschenbücher zur Musikwissenschaft 112), S. 104–114. Vgl. etwa Jens Malte Fischer, Singende Recken und blitzende Schwerter. Die Mittelalteroper neben und nach Wagner – ein Überblick, in: Peter Wapnewski (Hg.), MittelalterRezeption. Ein Symposion, Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien-Berichtsbände 6), S. 511–530, mit einer Übersicht der von 1860 bis ca. 1930 in Europa uraufgeführten ,Mittelalteropern‘. Speziell zu Wagner: Ursula u. Ulrich Müller (Hgg.), Richard Wagner und sein Mittelalter, Anif/Salzburg 1989 (Wort und Musik 1); Peter Wapnewski, Tristan der Held Richard Wagners, Berlin 2001. Peter Wolf, Bilder und Vorstellungen vom Mittelalter. Regensburger Stadtchroniken der frühen Neuzeit, Tübingen 1999 (Frühe Neuzeit 49), S. 2. Joachim Bumke hat dagegen in jüngerer Vergangenheit betont, „die populäre Vorstellung, daß erst die Romantiker das Mittelalter wiederentdeckt hätten“, sei „längst als falsch erkannt worden“. „Das 18. Jahrhundert war eine Zeit intensiver Mittelalterrezeption, vor allem in England und Frankreich, aber auch in Deutschland. Eine Fülle von Editionen mittelalterlicher Texte sind damals veranstaltet worden [...], ergänzt von literaturgeschichtlichen Darstellungen, Monographien und Untersuchungen, für die es bereits eigene Fachorgane gab. Die bibliographische Aufarbeitung, Analyse und Interpretation dieser Bemühungen um das literarische Erbe des Mittelalters im 18. Jahrhundert bildet heute einen Forschungsschwerpunkt von ständig wachsendem Gewicht. Die dabei zu gewinnenden Ergebnisse werden auch die Mittelalterbegeisterung der Romantik in einem neuen Licht erscheinen lassen“: ders., Phasen der Mittelalter-Rezeption. Einleitung, in: Peter Wapnewski (Hg.), Mittelalter-Rezeption, S. 7–9, hier S. 8. Auszunehmen ist hier in gewisser Hinsicht Reinhard Strohms grundlegende Studie ,Händel und seine italienischen Operntexte‘, in: Händel-Jahrbuch 21/22 (1975/76), S. 101–159,

8 freilich nur kursorisch auf das Phänomen ,mittelalterlicher‘ Sujets eingehen,26 liegen keine nennenswerten Untersuchungen vor, die dieser Studie Anknüpfungspunkte hätten liefern können. Dies mutet insofern erstaunlich an, als – wie sich herausstellen wird – insbesondere die deutschen Höfe um 1700 Opern mit ,mittelalterlichen‘ Stoffen unter dynastischen und herrschaftslegitimierenden Vorzeichen in augenfälliger Weise instrumentalisiert haben. Gerade an einigen norddeutschen Zentren, wie in Hannover, wird speziell die auf Sujets der mittelalterlichen Historie rekurrierende Oper als Medium dynastischer oder territorialstaatlicher Memoria, politischer Legitimation und Repräsentation innerhalb der barocken Hof- und Festkultur etabliert. Um den Gegenstand zu erschließen bzw. allererst zu gewinnen, wurden im Zuge dieser Arbeit die Repertoires von 15 größeren deutschen und europäischen Opernspielstätten (Braunschweig-Wolfenbüttel, Dresden, Düsseldorf, Florenz, Hamburg, Hannover, Leipzig, London, München, Neapel, Paris, Stuttgart, Venedig, Weißenfels, Wien) konsequent auf Werke mit entsprechenden Stoffen hin gemustert. Der diesem Vorgehen zugrunde gelegte Mittelalterbegriff ist dabei zunächst ein rein pragmatischer. Er versteht sich als ein heuristisches Konzept, das auf der modernen Epochentrias, und das heißt auf dem modernen Epochenkonstrukt ,Mittelalter‘, beruht. Ausgehend von der heute – trotz aller Einwände und Differenzierungen – populären Epochenvorstellung wird demnach eine Reihe von Werken konstituiert, die den Ausgangspunkt und weiteren Kontext der Untersuchung bilden. Damit ist freilich noch nichts darüber ausgesagt, ob das in den jeweiligen Opern vermittelte Sujet eine dem heutigen, üblichen Verständnis analoge Vorstellung von ,Mittelalter‘ impliziert. Genausowenig kann behauptet werden, daß die ermittelten Werke einen zeitgenössisch begründbaren Zusammenhang – nämlich den genuiner oder intendierter ,Mittelalteropern‘ – erkennen ließen. Die Frage nach der Relevanz und Darstellung der heute geläufigen Epocheneinteilung – die sich ab etwa 1700, zunächst von Mitteldeutschland aus, mit der Rezeption der Schriften des Hallenser Historiographen Christoph Cellarius allmählich verbreitet – in einem Werk um 1700 kann erst in einem zweiten Schritt einer konkreten Analyse des vorgefundenen Materials und für den jeweiligen Einzelfall geklärt werden. Freilich impliziert die gewählte Methode dann einen komplexen rezeptionsgeschichtlichhermeneutischen Ansatz, der den modernen Betrachter im Ausgang von der heute gängigen Trias zu möglicherweise alteritären Entwürfen und Rezeptionsmodellen des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts weist. Joachim Heinzle zufolge ist „nicht zu übersehen, daß das Arbeiten mit dem Schema“, d. h. mit

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insofern dort „die Voraussetzungen erforscht werden, die Musik und Text [von Händels Opern] gemeinsam zugrundeliegen“, d. h. die „ersten Anregungen und Konzepte“ zu bestimmen versucht werden, „die zur Enstehung einer bestimmten Oper führen“, und der Frage nachgegangen wird, „wie es überhaupt zur Auswahl eines bestimmten Opernsujets kam“ (S. 102). Vgl. etwa Dorothea Schröders Studie zu den Hamburger Festopern um 1700: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690–1745), Göttingen 1998 (Abhandlungen zur Musikgeschichte 2).

9 der neuzeitlichen (Epochen-)Konstruktion ,Mittelalter‘, „von hermeneutischem Vorteil sein kann, wenn man sich seiner Künstlichkeit bewußt ist: wenn man es nicht einfach voraussetzt, sondern gezielt benutzt“.27 Indem in diesem Sinne, im Prozeß von Frage und Antwort und unter dem Vorzeichen einer Verschmelzung je verschiedener Horizonte, die „hermeneutische Differenz zwischen dem einstigen und dem heutigen Verständnis“ des ,Mittelalters‘ erhellt und „die – beide Positionen vermittelnde – Geschichte seiner Rezeption“ bewußt gemacht wird,28 können historische Vorstellungen einer heute mit dem Etikett ,Mittelalter‘ versehenen Periode des Geschichtsverlaufs offengelegt werden. Bei aller Problematik, die die Erstellung eines Opernkataloges und die damit einhergehende Klassifizierung einschlägiger Werke methodisch in sich birgt, mag eine solche Zusammenstellung doch auch einen (dreifachen) Gewinn mit sich bringen: Abgesehen von der Konstituierung des Untersuchungsgegenstandes, die das heuristische Verfahren leistet, kann dadurch allererst ein größerer Kontext für das einzelne Werk etabliert werden, kann die Verbreitung von Stoffen im internationalisierten Opernsystem der Frühen Neuzeit erschlossen werden. So können sowohl Ursprung und Herkunft eines spezifischen Sujets als auch seine Verbreitungswege im europäischen Bereich, seine Adaptationen für auswärtige Opernzentren, können Einflüsse und Austauschprozesse dokumentiert werden. Vive versa läßt sich in gleicher Weise die Singularität eines Opernstoffes, der gerade nicht oder nur sehr selten an andere Spielstätten exportiert wurde, nachweisen und insofern seine Sonderstellung untermauern. Und schließlich, drittens, ist ex negativo ersichtlich, welche Stoffe und Themenkreise um 1700 offenbar (noch) nicht für die Opernbühne relevant waren. Vor diesem Hintergrund erfaßt der erstellte Katalog an den größeren deutschen und europäischen Bühnen produzierte Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet (oder, kürzer, ,Mittelalteropern‘), und zwar vom ersten Auftreten eines solchen Sujets bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, wobei die zeitliche Eingrenzung im Einzelfall in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Verhältnissen und Entwicklungsstadien der jeweiligen Spielorte zu sehen ist. Ein chronologisches Verzeichnis wird ergänzt durch ein systematisches, das die gesichteten Opern nach einzelnen Stofftraditionen, Sujetgruppen, auffächert, um übergreifende Entwicklungen und Tendenzen veranschaulichen zu können. Eine soweit als möglich vollständige und exakte Erfassung des vorhandenen Materials wird zwar angestrebt, ist aber sicher nicht durchweg zu gewährleisten. Das Schema ,Mittelalter‘ wird dabei operationell – und durchaus vorläufig – gefaßt

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Joachim Heinzle, Einleitung: Modernes Mittelalter, in: ders. (Hg.), Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1999, S. 9–29, hier S. 11. Dementsprechend wird der Begriff ,Mittelalter‘ hier wie im folgenden, vorweg im Kontext des Opernsujets, in einfache Anführungszeichen gesetzt. Hans Robert Jauß, Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, in: ders., Literaturgeschichte als Provokation, Frankfurt a. M. 1970, S. 144–207, S. 183. Jauß’ auf Gadamer rekurrierender rezeptionsgeschichtlicher Ansatz, der auf das Verhältnis von literarischem Text und Leser/Interpret/Publikum zielt, wird hier für das Verständnis/Verstehen einer historischen Epoche, konkret des ,Mittelalters‘, im Medium der Oper adaptiert.

10 als der Zeitraum zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert, dessen Zäsuren freilich nicht als starre Fixpunkte, sondern vielmehr als ,Epochenschwellen‘, d. h. als breite Übergänge, definiert werden,29 um bewußt zu halten, daß „die Abgrenzung des Mittelalters im einzelnen und auch im großen zu Recht umstritten ist“.30 Für die im Katalog versammelten Werke bedeutet dies etwa konkret: Es wurden sowohl historische Stoffe, die dem Umfeld der bereits lange vor 500 n. Chr. einsetzenden Völkerwanderung zuzuordnen sind, als auch solche aus dem 16. Jahrhundert in das Verzeichnis der ,Mittelalteropern‘ aufgenommen. Schließlich hat die heuristische Bestandsaufnahme unter der leitenden Frage nach der Relevanz des ,Mittelalters‘ bzw. der mittelalterlichen Historie im frühneuzeitlichen Opernsystem zur deutlichen Konturierung eines Operntypus geführt, dessen Diskussion und Darstellung im Zentrum dieser Studie stehen wird. An den Zentren nördlich der Alpen, insbesondere im Norden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, ist um 1700 eine Reihe von Werken greifbar, die sich aufgrund ihrer prägnanten Gestalt und Charakteristik als ,dynastische Mittelalteropern‘ beschreiben lassen oder diese Bezeichnung nahelegen. Sie sind vor allem für die Repräsentations- und Memorialkultur der deutschen Höfe an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert von besonderer Bedeutung. In ihrem Falle wird eine spezifische Funktionalisierung bzw. Politisierung – jenseits der grundlegenden Funktionen des Divertissements oder ,ästhetischen Vergnügens‘ und auch jenseits der Lesbarkeit einer dramatischen Handlung als Exemplum – erkennbar, von der aus ein besonderes Licht auf die ,Mittelalter‘-Rezeption und den Umgang mit historischer Vergangenheit im (deutschen) Barock sowie in der (deutschen) Frühaufklärung fällt. Für die Fragestellung dieser Arbeit scheint dieser Typus demnach höchst aufschlußreich. Unter sehr spezifischen Interessen und Auspizien zeigt sich hier eine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit den Jahrhunderten zwischen Antike und Neuzeit, werden Episoden und Figuren der mittelalterlichen Geschichte als einer eigenen Vorzeit erschlossen, erstmals auf die Opernbühne gebracht und zur Gegenwart der Zeitgenossen in Relation gesetzt. Dabei fungiert die präsentierte eigene Vorzeit etwa kaum als pejoratives Gegenbild, als „Un-Zeit“31 im Voltaireschen Sinne, noch als programmatischer, idealisierter Gegenentwurf zur jeweiligen Jetzt-Zeit – wie ihn dann etwa die Romantiker u. a. als Reaktion auf die bevorzugte Perspektive der Aufklärung konstruieren sollten32 –, vielmehr

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Zum Begriff der ,Epochenschwelle‘ vgl. Reinhart Koselleck, Das achtzehnte Jahrhundert als Beginn der Neuzeit, in: Reinhart Herzog u. Reinhart Koselleck (Hgg.), Epochenschwelle und Epochenbewußtsein, München 1987 (Poetik und Hermeneutik 12), S. 269– 282. Dieter Mertens, Mittelalterbilder in der Frühen Neuzeit, in: Gerd Althoff (Hg.), Die Deutschen und ihr Mittelalter. Themen und Funktionen moderner Geschichtsbilder vom Mittelalter, Darmstadt 1992, S. 29–54, hier S. 29. Ebd., S. 51. Zu beiden Positionen als Konstituenten eines Schemas vom „entzweiten Mittelalter“, einer für die Moderne typischen Deutung des Mittelalters „in der polaren Spannung zweier entgegengesetzter grundsätzlicher Wahrnehmungen“ s. Otto Gerhard Oexle, Das entzweite Mittelalter, in: Gerd Althoff (Hg.), Die Deutschen und ihr Mittelalter, S. 7–28: „Das

11 scheinen sie bisweilen signifikante dynastie-, institutionen-, territorial- oder reichsgeschichtliche Kontinuitätslinien mit der Gegenwart des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts zu verbinden. Der Terminus ,dynastische Mittelalteroper‘ ist zwar zunächst auf das höfische Dramma per musica hin perspektiviert, doch nicht ausschließlich: Er findet sich nämlich auch an städtischen, d. h. öffentlichen oder zumindest nicht exklusiv höfischen Bühnen, und zwar teils in nahezu identischer Gestalt, teils modifiziert, so daß etwa mit Blick auf die Hamburger Verhältnisse eine Differenzierung in ,Kaiseropern‘, ,stadtgeschichtliche Opern‘ und ,dynastische Mittelalteropern‘ (im eigentlichen Sinne) angebracht scheint. Trotz der genannten und ähnlicher Nuancierungen wird im Kontext dieser Arbeit der Terminus ,dynastische Mittelalteroper‘ als übergeordneter Begriff vorgeschlagen: für alle Werke, die auf die eigene Vorzeit einer klar zu konturierenden soziokulturellen Gruppe (als Rezipienten): einer Dynastie, eines nationalen oder territorialen Verbandes oder einer urbanen Kommune und deren Institutionen rekurrieren, insoweit diese, auf eine charakteristische Identität zielende, eigene Geschichte unter gegenwärtigen Vorzeichen als ,mittelalterlich‘ zu bezeichnen ist und folglich eine Differenz gegenüber einer ,fremden‘ und doch allgegenwärtigen antiken, vornehmlich griechisch-römischen Historie erkennen läßt. Die Untersuchung des Phänomens ,dynastische Mittelalteroper‘ (im gerade definierten übergreifenden Sinne) konzentriert sich weiterhin auf den geographischen Bereich Norddeutschlands, da der Typus gerade hier in signifikanter Weise Verbreitung gefunden und zuweilen eine charakteristische Ausprägung und augenfällige historische Diskursivierung erfahren hat, nicht zuletzt aufgrund bestimmter politischer, kultur- und wissenschaftsgeschichtlicher Voraussetzungen (dazu im einzelnen Kap. 2): Als kulturell und künstlerisch herausragende Höfe werden das erwähnte Hannover und dann vor allem Braunschweig-Wolfenbüttel zusammen mit der bedeutendsten städtischen Opernbühne Deutschlands, der Hamburger Gänsemarkt-Oper, im Zentrum der analytischen Untersuchungen stehen. Die allenthalben konstatierbaren, z. T. überaus engen personalen, künstlerischen und politisch-kulturellen Verflechtungen zwischen diesen drei Opernzentren in der frühneuzeitlichen Geschichte

–––––––— Mittelalter ist im Denken der Moderne in zweierlei Weise gegenwärtig: in einer positiven und einer negativen Auffassung, in einer positiven und einer negativen Besetzung dieses Begriffs, in Abstoßung und Aneignung, in Verurteilung und Identifikation zugleich. Beide Auffassungen stehen in einem kontradiktorischen Gegensatz zueinander; sie schließen sich gewissermaßen wechselseitig aus und beziehen sich doch zugleich unausgesetzt aufeinander“ (S. 7). Als Grundlage bzw. Bedingung für die Enstehung dieses „entzweiten Mittelalters“ hat Oexle – im Anschluß an Koselleck – eine gegen Ende des 18. Jahrhunderts um sich greifende epochale „Erfahrung von ,neuer Zeit‘ und Fortschritt“ geltend gemacht: „Indem sich die neue epochale Erfahrung der ,neuen Zeit‘ im 18. Jahrhundert im Zeichen des Fortschritts vom Mittelalter abgrenzt, dieses in seinem Anderssein und in seiner Fremdheit als eigene Epoche ausgrenzt, [...] ergibt sich hieraus nämlich die doppelte Frage, ob denn nun die Überwindung des Mittelalters einen Fortschritt darstellt oder ob nicht vielmehr der Fortschritt der Moderne, gemessen am Mittelalter, sich als ein Unglück erweisen muß“ (S. 23).

12 der Oper, die es erlauben, einen zeitgenössisch arrivierten, spezifisch norddeutschen Opernraum zu konstituieren, sind mithin auch und gerade für jenen Typus der ,mittelalterlich-dynastischen Oper‘ auszumachen und legitimieren oder erfordern gar eine solche analytisch-interpretatorische Zusammenschau. Dem zentralen Untersuchungsteil sind im folgenden, als weiterhin einführende, sondierende Kapitel, zwei Skizzen vorgeschaltet, die zum einen Aspekte des zeitgenössischen Geschichtsverständnisses um 1700, nicht zuletzt mit Blick auf die Genese der Epochentrias Antike-Mittelalter-Neuzeit und eine mögliche Reflexion von ,Mittelalter‘, beleuchten, zum anderen an fünf ausgewählten Opernspielstätten exemplarisch Tendenzen aufzuzeigen suchen, die das für die jeweiligen Bühnen ermittelte Repertoire von Opern mit ,mittelalterlichen‘ Sujets erkennen läßt. Zunächst intendiert also ein möglichst kurz gehaltener geschichtstheoretischer Überblick (1.) eine Präzisierung zentraler Aspekte der für den Geschichts- und Wissenschaftsdiskurs bedeutsamen Umbruchsituation des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, um (2.) die zeitgenössische, national und regional differierende Diskursivierung des Mittelalterbegriffs und die sich zunächst im mitteldeutschen Raum abzeichnende Anbahnung einer dreigliedrigen Periodisierung der Universalgeschichte (Antike, Mittelalter, Neuzeit) einzukreisen und (3.) die um 1700 allgültige – und nicht zuletzt für das (Musik-)Theater relevante – moralphilosophische Funktionalisierung der Historie, d. h. die didaktisch-pragmatische Bedeutung historischer Exempla, zu vergegenwärtigen. Die benannten Entwicklungen und Momente konstituieren den weiteren kulturgeschichtlichen Kontext des Musiktheaters, vorweg der ,Geschichtsoper‘, um 1700 und sind für die nachfolgenden ausgreifenden Untersuchungen zur ,dynastischen Mittelalteroper‘ im norddeutschen Raum, u. a. für die Betrachtung der Libretti und ihrer Paratexte (Widmung, Vorwort, Argomento, etc.), von einiger Bedeutung – etwa, wenn es darum geht, eine konkrete Teilhabe der Opern(texte) an den zeitgenössisch virulenten Diskursen aufzudecken oder entsprechende Querverbindungen und Interaktionen zwischen Musiktheater bzw. ästhetischem Diskurs und Wissenschafts-/Geschichtsdiskurs festzumachen; oder wenn es gilt, die Bedingungen der Möglichkeit einer Rezeption von ,Mittelalter‘ als einer historisch differenten bzw. eigenständigen und in dieser Weise erfahrbaren Epoche zu erhellen. Insofern wird im weiteren Verlauf der Untersuchung wiederholt auf Details der hier, im Vorfeld, verdichtet zu exponierenden Prozesse und Phänomene zurückzukommen sein. Die zweite Skizze präsentiert sodann eine Auswertung der stoffgeschichtlichen Erschließung ,mittelalterlicher‘ Opernsujets um 1700 und führt die methodischen Vorannahmen vor, die dem heuristischen Verfahren zur Ermittlung der im Katalog versammelten Werke zugrunde liegen. Es werden die Implikationen eines solchen Operncorpus umrissen und verschiedene Erscheinungsformen, d. h. Sujetgruppen, definiert, auf die eine systematische Analyse des Opernverzeichnisses schließen läßt. Eine zuvorderst exemplarische Interpretation der an den Spielstätten Venedig, Wien, Paris, BraunschweigWolfenbüttel und Hamburg in je signifikanter Ausprägung vertretenen Opern

13 mit ,mittelalterlichen‘ Sujets, d. h. der Präsenz oder mitunter auch Absenz der eruierten Gruppen, versucht eine Präzisierung der bisherigen Untersuchungsergebnisse und möchte punktuell unterschiedliche lokale Stofftraditionen und produktionsästhetische Tendenzen offenlegen. Hieran kann dann jene eingehende Erörterung des speziell für den norddeutschen Raum charakteristischen Typus der ,dynastischen Mittelalteroper‘ und seiner kulturgeschichtlichen Implikate anknüpfen, die den Hauptteil dieser Arbeit umfaßt. Der Gang der Untersuchung führt dabei vom Hannoveraner Hof des welfischen Herzogs und späteren Kurfürsten Ernst August, wo mit der Festoper Henrico Leone des Jahres 1689 vielleicht der ,Prototyp‘ der norddeutschen ,dynastischen Mittelalteroper‘ geschaffen wird, über das benachbarte Opernzentrum Braunschweig-Wolfenbüttel, das in den Jahren seit 1716 eine erstaunliche Serie dieses Typus hervorbringt, zum großen städtischen Zentrum des Nordens, der Hamburger Gänsemarkt-Oper, deren Repertoire deutliche Querverbindungen zur ,dynastischen Mittelalteroper‘ Hannovers und Braunschweigs, aber auch eigene Traditionslinien und Kontinuitäten erkennen läßt. Wie zu zeigen sein wird, ist für die Hannoveraner wie für die Braunschweiger ,dynastische Mittelalteroper‘ einerseits das Moment der dezidiert politischen Stellungnahme im Zeichen landesherrlicher Repräsentation vor dem Hintergrund einer jeweils spezifischen Interessenlage bezeichnend, die für die je eigene historisch-politische Situation jeder der beiden Welfenlinien in Hannover und Braunschweig gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu konturieren ist; andererseits dokumentiert der Typus eine augenfällige ,Verlängerung‘ welfischer Memorialkultur ins neue Medium ,Oper‘, sofern das Genre in den Verbund der traditionellen Memorialformen einbezogen wird. Die Hamburger Oper scheint zuweilen die Praktiken höfisch-dynastischer Repräsentation zu imitieren, entwirft aber auch eigene, auf die städtische Geschichte und Erinnerungskultur oder die spezifische Institution des kaiserlichen Stadtherrn zielende Funktionalisierungsmuster und Strategien der Indienstnahme von (eigener) Geschichte. Für alle drei Operninstitute, insbesondere für Braunschweig und Hamburg, scheint sich zugleich – in z.T. signifikanter Weise – der Einfluß des Wissenschaftsdiskurses der Zeit anzudeuten, und das heißt nun des historisch-juristischen Diskurses des mittel- und norddeutschen Raumes im Umkreis von Hofhistoriographie und/oder universitärer Institutionalisierung. Ob und in welchem Umfang die sich im zeitgenössischen historisch-juristischen Diskurs abzeichnenden Tendenzen einer „Früh-,Historisierung‘“33 jeweils mit Blick auf die drei zentralen Gestaltungsparameter des plurimedialen Genres ,Oper‘: Text/Libretto,34 Vertonung und

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Karl Otmar Freiherr von Aretin u. Notker Hammerstein, Reich, IV. Frühe Neuzeit, in: Otto Brunner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck (Hgg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 (1984), S. 456–486, hier S. 478. Hier sei bereits darauf hingewiesen, daß sich der funktionale Status des gedruckten Librettos nicht darauf reduzieren läßt, Verständnishilfe während einer Opernaufführung und mithin „bloßes Vehikel für die Musik“ zu sein (Bernhard Jahn, ,L’Adelaide‘ und ,L’Heraclio‘ in Venedig, Breslau und Hamburg. Transformationen zweier Bühnenwerke im

14 Bühnenrealisierung, in Erscheinung treten, dies wird im Einzelfall zu prüfen sein; ebenso, inwieweit eine für das moderne Mittelalterbild konstitutive Erfahrung historischer Differenz vermittelt und mithin die Perspektive eines „abgegrenzten Mittelalter[s]“35 etabliert wird. Es stellt sich demnach sowohl die Frage nach den konkreten Darstellungs- und Diskursivierungsstrategien der Libretti und speziell ihrer Paratexte als auch nach den Tendenzen der jeweiligen Inszenierung (Bühnenbilder und Dekorationen – soweit diese überliefert oder anhand des Librettos oder der Partitur und ihrer Bühnenanweisungen zu rekonstruieren sind) und nach der Funktion der Musik – zu eruieren ist, ob und inwieweit die jeweilige musikalische Gestaltung eine eventuell im Libretto exponierte Historizität oder Alterität eines ,mittelalterlichen‘ Sujets stützt. Auf diese Weise mögen in Grundzügen und zunächst ausgehend vom einzelnen Werk, bisweilen auch darüber hinaus, differenzierte Konturierungen zeitgenössischer Bilder und Rezeptionsmuster der im gegenwärtigen Verständnishorizont als ,Mittelalter‘ bezeichneten Epoche erkennbar werden, die im Licht einer rezeptionsgeschichtlichen Reihe ,Mittelalter‘-,Frühe Neuzeit‘-,Moderne‘

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Spannungsverhältnis zwischen Musik- und Sprechtheater, in: DVjs 68 (1994), S. 650–694, hier S. 652). Vielmehr kann das Libretto als eigenständige literarische Gattung gelten – im (deutschen) poetischen Diskurs des frühen 18. Jahrhunderts figuriert die Operndichtung bisweilen gar als (die) zentrale literarische Gattung (vgl. etwa Johann Ulrich König, Theatralische / geistliche / vermischte und Galante Gedichte, Vorrede [ohne Pag.]: Und wann ein Schauspiel die st rckste und schwerste Sache in der Poesie / weil sich alles dasjenige / was nur in den )brigen Arten der Gedichte vorkommen kan / darinnen als in einem Circul vereiniget / so kan man eine Opera f)glich das Meisterst)ck der Dicht-Kunst nennen; dazu auch Bodo Plachta, Die Barockoper und ihre Libretti vor dem ,Kunstrichter‘, in: Christiane Caemmerer u. a. [Hgg.], Das Berliner Modell der Mittleren Deutschen Literatur, Amsterdam 2000 [Chloe. Beihefte zum Daphnis 33], S. 325–348, hier S. 334) –, deren Rezeption nicht ausschließlich an die plurimediale Aufführungssituation gebunden ist. Nicht zuletzt sind es die zuweilen umfangreichen paratextuellen Textschichten, die den explizit literarischen Anspruch des Genres dokumentieren. Zur Gattung ,Libretto‘ aus literaturwissenschaftlicher Perspektive s. etwa Klaus Günther Just, Das deutsche Opernlibretto, in: Poetica 7 (1975), S. 203–220; Albert Gier, Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, Frankfurt a. M. u. Leipzig 2000. Dieter Mertens, Mittelalterbilder in der Frühen Neuzeit, S. 31: „Im 18. Jahrhundert anerkannte die deutsche Historiographie weithin, daß es in der Universalgeschichte ein Mittelalter gegeben habe. Es wurde nicht bloß anerkannt, daß die Einteilung in alte, mittlere und neue Geschichte praktische Vorteile für die Darstellung der Universalgeschichte biete, sondern daß sie sich überdies aus der geschichtlichen Entwicklung selbst begründen lasse. Die Grenze zwischen Altertum und Mittelalter wurde freilich ganz uneinheitlich bestimmt [...], wogegen man das Ende des Mittelalters schließlich weithin übereinstimmend in die Jahrzehnte um 1500 datierte. Doch trotz solcher Differenzen, trotz der gleichsam unterschiedlichen Größe der Malfläche bestanden in der deutschen Historiographie des 18. Jahrhunderts keine Zweifel, daß es eine Leinwand von begrenzter Größe für das ,Mittelalter‘-Bild gebe und nicht eine lange Rolle zur Darstellung der Weltgeschichte von Anbeginn, wie man sie im Mittelalter selbst gerne benutzte“. Für Mertens ergibt sich daraus die – zunächst mit Blick auf die eigene Untersuchung relevante – Konsequenz: „Die Frage nach Mittelalterbildern in der Frühen Neuzeit richtet sich also nicht nur auf die dargestellten Szenen, sondern zugleich auf das Problem, ob sie einem abgegrenzten Mittelalter zugerechnet werden“.

15 epistemologische Konsequenzen implizieren könnten zugleich für die Kulturgeschichte des Barock und der (deutschen) Frühaufklärung wie für unser heutiges und mitunter problematisches Bild vom ,Mittelalter‘.36

1.2

Geschichtsverständnis und Epochenvorstellung um 1700

1.2.1 Von der Heilsgeschichte zur profanen Historie Das 17. Jahrhundert wird – wie vermutlich jeder Zeitabschnitt der Geschichte – charakterisiert als eine Zeit des Umbruchs und des Wandels, in diesem Fall jedoch spezieller als ein Zeitalter der „wissenschaftlichen Revolution“.37 Nicht nur Philosophie und Naturwissenschaften sind davon betroffen, sondern ebenso die Historie „als Geschichtskunde, -erzählung und -wissenschaft“.38 So zeichnet sich die fortschreitende Destruktion einer Geschichtsauffassung ab, die Jahrhunderte hindurch hatte uneingeschränkt Geltung für sich beanspruchen können: der christlich-theologischen Vorstellung von der Welt als Ort göttlichen Geschichtshandelns. Seit der Spätantike, erst recht seit Augustinus’ Lehre von den zwei Reichen, der civitas dei und der civitas terrena,39 wurde Geschichte, im Sinne einer die gesamte Menschheit umschließenden Universalgeschichte, von den christlichen Historiographen gedacht einerseits als Erfüllung des göttlichen Heilsplanes in der civitas dei, andererseits als unter dem Vorzeichen göttlicher Providenz stehendes weltbezogenes Handeln der Menschen in der civitas terrena.40 Zur Periodisierung der Weltgeschichte hatten sich bei den spätantiken und mittelalterlichen Historiographen im großen und ganzen zwei chronologische Modelle durchgesetzt: neben der Einteilung der Geschichte in ,sechs Weltalter‘ vor allem die Lehre von den ,vier Monarchien‘, welche aufs engste mit der translatio imperii-Idee verbunden ist. Während das

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Dazu insbesondere Peter von Moos, Gefahren des Mittelalterbegriffs. Diagnostische und präventive Aspekte, in: Joachim Heinzle (Hg.), Modernes Mittelalter, S. 33–66. Fritz Wagner, Die Anfänge der modernen Geschichtswissenschaft im 17. Jahrhundert, München 1979, S. 4, 5 u. 32. Reinhart Koselleck, Geschichte, V. Die Herausbildung des modernen Geschichtsbegriffs, in: Otto Brunner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck (Hgg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 (1975), S. 647–717, hier S. 647. Aurelius Augustinus, Der Gottesstaat. De civitate Dei, 2 Bde, hg. v. Carl Johann Perl, Paderborn [usw.] 1979. Die erstere, die heilige Geschichte steht dabei der letzteren, der profanen „auf zweifache Weise voran“: „Sie ist einmal die höhere und eigentliche Geschichte. Sie liefert zum andern Anschlußstellen oder Anknüpfungspunkte zum Verständnis der profanen Geschichte: sie zeigt, daß Gott, um seine Heilstaten zu vollbringen, immer wieder ins irdische Geschehen eingreift, die sündigen Menschen mit ihren Absichten und Handlungen mannigfach in seinen Dienst stellt, benutzt, funktionalisiert“: Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung. Die Vorgeschichte des Historismus, München 1991, S. 89.

16 Schema der ,sechs Weltalter‘ ebenfalls auf Augustinus zurückgeht, insofern er die Geschichte der civitas dei in sechs Perioden (aetates) eingeteilt und diese anhand von „Namen und Ereignissen, die jeweils Zäsuren in der Geschichte der ,civitas dei‘ bezeichnen“,41 eingegrenzt hat,42 nimmt die christliche Vorstellung der ,vier Monarchien‘ ihren Ausgangspunkt von den beiden alttestamentlichen Daniel-Prophetien (Dn 2, Dn 7). Hauptsächlich über den Daniel-Kommentar und die auf Eusebius’ von Caesarea Chronicon aufbauende Weltchronik des Hieronymus, der die Abfolge der vier Monarchien als Nacheinander des babylonischen, medisch-persischen, griechischen und römischen Weltreiches entscheidend ausgeprägt hat,43 sowie die Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius hat diese Geschichtsvorstellung maßgeblich auf die christliche Historiographie der Spätantike und des Mittelalters eingewirkt.44 Sie geht von einer Periodisierung der gesamten Weltgeschichte durch die Epochen von vier Weltreichen aus, wobei das vierte, das Römische Reich als das letzte die Endzeit der Welt einleitet, da in seine Epoche die Ankunft Christi und damit zugleich die Erwartung des Jüngsten Gerichts fallen.45 Wegen ihrer engen Verknüpfung mit dem translatio imperii-Schema wird die ,vier Monarchien‘Lehre gerade im Bereich des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zum zentralen universalhistorischen Modell christlich-theologischer Historiographie: verstanden sich die deutschen Kaiser doch – gestützt auf die in den jeweiligen Geschichtswerken ihrer Zeit propagierte Reichsideologie, die die Kontinuität zwischen dem Römischen und Deutschen Reich letztlich durch die translatio imperii auf Karl den Großen bzw. Otto den Großen gewahrt sah46 – bis ins 18. Jahrhundert hinein als Herrscher über das vierte und letzte Weltreich und damit als direkte Nachfolger der römischen Caesaren. In diesem Sinne läßt noch Karl VI. mit verschiedenen Kunstwerken des von ihm initiierten „Kaiserstils“ auf seine herausragende Stellung als legitimer Nachfolger der römischen Kaiser – etwa durch die Darstellung seiner Person mit den klassischen Attributen und Symbolen der antiken Herrscher – anspielen.47 Und gerade auch der barocken Oper am Wiener Kaiserhof fällt als instrumentum regni,48 als politisches Medium zur Repräsentation und Legitimation von Herrschaft, das

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Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 159. Vgl. Manfred Gerwing, Weltende, Weltzeitalter, in: LexMA, Bd. 8 (1997), Sp. 2168–2172. Vgl. Werner Goez, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958, S. 17–36. Vgl. Hans-Werner Goetz, Orosius, in: LexMA, Bd. 6 (1993), Sp. 1474f. Zur ,vier Monarchien‘-Lehre und translatio imperii-Idee sowie ihrer Gültigkeit in der Frühen Neuzeit vgl. auch Wilhelm Voßkamp, Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung im 17. Jahrhundert bei Gryphius und Lohenstein, Bonn 1967, S. 17f. So etwa Otto von Freising in seiner Chronica sive historia de duabus civitatibus. Vgl. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 99f. Vgl. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI. Ikonographie, Ikonologie und Programmatik des „Kaiserstils“, 2 Bde, Berlin u. New York 1981, S. 273ff. u. 291ff., Abb. 53, 58 u. 121. Vgl. o. S. 7.

17 wiederholte Ausspielen dieser reichs- und kaiserideologischen Vorstellung zu, wenn sie den Habsburger Kaisern auf der Opernbühne ihre ruhmreichen römischen Amtsvorgänger präsentiert.49 Im Verlauf des 17. Jahrhunderts – insbesondere in der zweiten Jahrhunderthälfte – gewinnt nun aber eine Entwicklung mehr und mehr an Bedeutung, die im 18. Jahrhundert, im Gefolge der europäischen Aufklärung, zur Auflösung der beschriebenen christlich-theologischen Geschichtsdeutung führt: ein Prozeß, der als „Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung“ bezeichnet worden ist.50 Indem die Historiographen der Frühen Neuzeit die Geschichte von ihrer „religiös-transzendenten Zwecksetzung“ entbinden, eröffnen sie ihr einen bislang kaum bekannten diesseitigen Bezug und führen sie damit ein Stück weit in die „Immanenz“.51 Allerdings ist dieser Übergang von der heiligen zur profanen Geschichte kein Vorgang allein des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern seine Wurzeln reichen bereits ins 16. Jahrhundert, d. h. in das Zeitalter des Humanismus, zurück.52 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts scheint sich dann insofern eine Beschleunigung des Abbaus der biblischen Geschichtsdeutung anzudeuten, als auf verschiedenen Ebenen – nicht nur auf der universalhistorischen, sondern etwa auch der der Rechtslehre oder der Staatenkunde53 – eine intensive Hinwendung zur weltlichen Historie einsetzt, und zwar nicht zuletzt im Gefolge einer Veränderung des Wissenschaftssystems insgesamt und speziell eines Aufstiegs der Naturwissenschaften. Für die Geschichte resultiert daraus zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine ,Emanzipation‘ von der bislang vorherrschenden Theologie.

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Als Beispiele seien hier angeführt: Romulus: Il Romolo (1702), Li sacrifici di Romolo per la salute di Roma (1708); Caesar: Chi più sà manco l’intende (1669), La monarchia latina trionfante (1678), Il ritorno di Giulio Cesare vincitore della Mauritania (1704); Augustus: La clemenza di Augusto (1702); Titus: La clemenza di Tito (1734); Konstantin der Große: Il Costantino (1716). – Vgl. die Spielplanübersichten bei Franz Hadamowsky, Barocktheater am Wiener Kaiserhof. Mit einem Spielplan (1625–1740), in: Jahrbuch der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung 1951/52, Wien 1955, und Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 429–585. Adalbert Klempt, Die Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung. Zum Wandel des Geschichtsdenkens im 16. und 17. Jahrhundert, Göttingen 1960, S. 124 et passim. Vgl. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 52. Muhlack zufolge ist es „dieser Übergang von der Transzendenz zur Immanenz, durch den die Historiker des Humanismus und der Aufklärung einen ersten Schritt zur Möglichkeit historistischen Geschichtsdenkens vollziehen“ (ebd.). Einer der Gelehrten des 16. Jahrhunderts, die die allmähliche Auflösung der christlichen Geschichtstheologie vorbereiten, ist der französische Jurist Jean Bodin. In seiner Methodus ad facilem historiarum cognitionem teilt Bodin zwar das Gesamt der Geschichte ein in die drei genera divinum, naturale und humanum (Methodus ad facilem historiarum cognitionem, Paris 1566, S. 9: Cap. I: Quid historia sit & quotuplex), befaßt sich aber fast ausschließlich mit dem letzteren, der Geschichte des Menschen, während er die historia divina der Obhut der Theologen und die historia naturalis der der Philosophen anempfiehlt. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 111ff. u. 123ff.

18 Insbesondere die Auswirkungen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf zwei Kategorien, auf die Raum- und die Zeitvorstellung, unterminieren das überkommene Geschichtsbewußtsein nachhaltig und begründen den „Triumph der profanen Geschichte über die heilige Geschichte seit dem Humanismus“.54 So scheint etwa die biblische Epochalisierung, wie sie in den überkommenen Vorstellungen der ,vier Monarchien‘ oder der ,sechs Weltalter‘ vorliegt, angesichts einer Ausweitung des weltgeschichtlichen Raumes im Zuge der neuzeitlichen Entdeckungsfahrten kaum noch plausibel.55 Die Einführung einer neuen, profanen Periodisierung der Weltgeschichte in den historiographischen Diskurs ist mithin nur noch eine Frage der Zeit: Ab 1685 veröffentlicht der Hallenser Historiograph Christoph Cellarius „seine ursprünglich für den Gymnasialunterricht, alsbald aber auch für die Universitätslehre gedachten Bücher“ Historia antiqua (1685), Historia medii aevi (1688) und Historia nova (1696);56 mit ihnen hat er die bis heute maßgebliche Einteilung der Universalgeschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit terminologisch festgeschrieben und – dank der regen Rezeption und Verbreitung seines 1704 in einer einbändigen Ausgabe erschienenen Werkes (Historia universalis, in antiquam, medii aevi ac novam divisa) – dem gelehrten Diskurs übergeben. Cellarius ist allerdings nicht der Erfinder dieses Epochenmodells.57 Es geht in seinen Grundzügen vielmehr auf die kulturellen, im besonderen philologischquellenkundlichen Bestrebungen der Humanisten zurück, die zwischen ihrer eigenen Zeit und der von ihnen favorisierten Antike eine – vom Standpunkt der Literarizität, der Latinität aus gesehen – mittlere, im Vergleich mit den beiden sie umgebenden Epochen von Verfallserscheinungen gezeichnete Zwischenzeit konstituierten, die es zu überwinden galt, wollte man zu den literarischen Meisterwerken des antiken Zeitalters vordringen. Cellarius’ Leistung ist wohl eher darin zu sehen, das neue Periodisierungsmodell in die Universalhistoriographie eingeführt und in klar systematisierter Gestalt einem breiteren Publikum, im Rahmen eines Lehr- und Unterrichtswerks, zur Diskussion

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Ebd., S. 188. So plädiert etwa der englische Diplomat Sir William Temple Ende des 17. Jahrhunderts für China, Peru, die nordischen Länder und das islamische Reich als neue ,vier Monarchien‘ der Weltgeschichte. Nachweis bei Fritz Wagner, Die Anfänge der modernen Geschichtswissenschaft, S. 17f. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 171. Zu Cellarius siehe auch Adalbert Klempt, Die Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung, S. 75ff. Beispielsweise findet sich dasselbe Einteilungsschema bereits 1667 in Leibniz’ Schrift Methodus nova discendae docendaeque Jurisprudentiae: „Der Begriff des Mittelalters (media historia, medium aevum) war Leibniz schon früh geläufig. Er bediente sich seiner bereits 1667 in der ,Nova Methodus‘ und wird ihn schon auf der Universität vermittelt bekommen haben – wiederum ein Hinweis darauf, daß dieses Wort in Deutschland schon vor Cellarius (1685) nicht ungebräuchlich gewesen ist. So teilte Leibniz also bereits eindeutig die abendländische Geschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit ein, wobei die Grenze zum Mittelalter durch die Barbareneinfälle und die darauf folgende Bildung der germanischen Staaten, die Grenze zur Neuzeit durch Reformation, Humanismus und Buchdruckerkunst gesetzt war“: Werner Conze, Leibniz als Historiker, Berlin 1951, S. 73.

19 gestellt zu haben. Die Grenzen innerhalb der Epochentrias legt Cellarius fest einmal auf die Herrschaft Konstantins des Großen, womit die Antike seiner Meinung nach zu Ende geht, zum anderen auf die Eroberung Konstantinopels, die für ihn den entscheidenden Einschnitt zwischen Mittelalter und Neuzeit darstellt.58 Freilich ist zu bedenken, daß die ,alten‘ Periodisierungen, z. B. die Monarchienlehre, im historiographischen Diskurs trotz der Einführung von Cellarius’ Epochentrias geraume Zeit fortbestehen. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts hin wird man von einer vollständigen Destruktion der christlichtheologischen Schemata in der Historiographie sprechen können; davor hat man es – wie so oft bei epochalen Umbruchsituationen – vielmehr mit einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zu tun oder mit einem Nebeneinander unterschiedlicher „Zeitschichten“.59 Endgültig scheint sich die Waagschale zugunsten der profanen Geschichtsauffassung geneigt zu haben, wenn Voltaire, „der letzte und wirksame Vollstrecker“ der „Säkularisierung des Geschichtsbildes“,60 1765 in seinem HistoireArtikel für die Encyclopédie schreibt – und zwar nicht ohne ironischen Unterton gegenüber die christlich-theologischen Geschichtsdeutung: L’histoire des événements se divise en sacrée & profane. L’histoire sacrée est une suite des opérations divines & miraculeuses, par lesquelles il a plû à Dieu de conduire autrefois la nation juive, & d’exercer aujourd’hui notre foi. Je ne toucherai point à cette matiere respectable.61 Zur Periodisierung der Geschichte heißt es dort im Rekurs auf die humanistische Triasvorstellung: Au démembrement de l’empire romain en Occident, commence un nouvel ordre de choses, & c’est ce qu’on appelle l’histoire du moyen âge; histoire barbare de peuples barbares, qui devenus chrétiens n’en deviennent pas meilleurs […] C’est sur la fin de ce siecle [des 15. Jhs., d. V.] qu’un nouveau monde est découvert; & bientôt après la politique de l’Europe & les arts prennent une forme nouvelle.62 Auf zwei für den Wandel der Geschichtsauffassung um 1700 bedeutsame Aspekte ist indes noch hinzuweisen: einmal auf die Rolle der Historie in der Rechtslehre der deutschen Reichsjuristen, und zum anderen auf die mit dem Phänomen des historischen Pyrrhonismus einhergehende „Krise des historischen Bewusstseins“.63 Die folgenden Ausführungen, die insbesondere für

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Christoph Cellarius, Historia antiqua multis accessionibus aucta et emendata. Cum notis perpetuis et tabulis synopticis, Jena 1697, Vorrede (1685) [ohne Paginierung]. Reinhart Koselleck, Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a. M. 2003, S. 9. Jürgen Voss, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs. Untersuchungen zur Geschichte des Mittelalterbegriffes und der Mittelalterbewertung von der zweiten Hälfte des 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, München 1972, S. 273. Voltaire, Histoire, in: Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de lettres. Mis en ordre & publié par M. Diderot […]; & quant à la Partie Mathématique, par M. D’Alembert […], 17 Bde, Paris 1751–1765, Bd. 8 (1765), S. 220–225, hier S. 221. Ebd., S. 223. Peter Burke, Zwei Krisen des historischen Bewusstseins, in: ders., Kultureller Austausch, Frankfurt a. M. 2000, S. 41–73.

20 eine kulturhistorische Situierung bzw. Kontextualisierung der norddeutschen (dynastischen) ,Mittelalteroper‘ aufschlußreich sind, müssen sich freilich auf Andeutungen beschränken. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges findet Deutschland – d. h. insbesondere der protestantische Norden mit der 1694 neugegründeten Universität Halle als Vorreiter64 – Anschluß an die westeuropäische Entwicklung des Rechtssystems. Hier, in Frankreich und den Niederlanden, hatte sich hinsichtlich der Rezeption des römischen Rechts eine neue methodisch-kritische Vorgehensweise etabliert, der mos gallicus bzw. später die sogenannte elegante Jurisprudenz, „die, ohne die Normativität des römischen Rechts in Zweifel zu ziehen, über die [scholastischen] Konsiliatoren und Glossatoren hinweg zu den Quellen zurückgeht und durch deren philologisch-antiquarische Aufbereitung ein neues historisches Verständnis weckt“.65 In Deutschland, wo aufgrund des Reichsgedankens und der translatio-Vorstellung die Rezeption des römischen Rechts schon immer eine vorgeordnete Rolle gespielt hatte, führen u. a. die Einflüsse der französisch-niederländischen Rechtsschule zusammen mit der durch die konfessionellen Auseinandersetzungen herbeigeführten politischen Neuorganisation des Reichs zur Einsicht einer notwendigen Erneuerung des Verfassungsrechts. In gleichem Maße wie Reichsuniversalismus, translatioVorstellung und mit ihnen die universale Geltung des römischen Rechts allmählich an Bedeutung verlieren – allerdings zunächst vorwiegend im protestantischen Bereich –, „wird sich die reichsrechtliche Diskussion [...] vermehrt den reichsrechtlichen Zusammenhängen, der allgemeinen rechtlichen Verbindung und den einzelstaatlichen Gerechtsamen als Ausdruck und Constituens zugleich des ,Gesamtreichrechtzustandes‘ zuwenden, dem, was als Jus publicum Romano-Germanicum seinen Siegeszug antritt“.66 Die Inauguratoren dieses erneuerten Reichsstaatsrechts – das auf der Besonderheit, ja Einmaligkeit der Verfassungsordnung des Reichs als eines Herrschaftsverbundes mehr oder minder souveräner Territorialstaaten beruht und demnach staatsrechtliche Argumentationen verstärkt auf der Basis des heimischen, deutschen Rechts und seiner Quellen vorsieht – sind Hermann Conring, Samuel Pufendorf sowie die Hallenser juristische Schule um Christian Thomasius. Ihr kommt letzten Endes die entscheidende Rolle für die Ablösung des ius publicum Romanogermanicum vom römischen Recht und seine Ausbildung als eigenständige juristische Disziplin zu.67 Mit dem Aufkommen des Reichsstaatsrechts ist eine enorme Aufwertung der Historie verbunden, insofern das nun erstmals etablierte Grundlagenfach der ,Reichshistorie‘ für die historische Ableitung, Erschließung

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Vgl. dazu Notker Hammerstein, Jus und Historie. Ein Beitrag zur Geschichte des historischen Denkens an deutschen Universitäten im späten 17. und im 18. Jahrhundert, Göttingen 1972; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1: Reichspublizistik und Polizeywissenschaft 1600–1800, München 1988. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 110f. Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 40. Vgl. Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 113.

21 und Fundierung des Reichsstaatsrechts unersetzlich wird. Für den Reichsjuristen ist folglich eine genaue Kenntnis der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation unverzichtbar,68 „die Lehre des Jus Publicum, die Publizistik, konnte ohne Reichsgeschichte und deren Hilfswissenschaften nicht auskommen“.69 Zu einer Profilierung der Historie wie des Geschichtsbewußtseins, die sich in einem veränderten, kritischeren Umgang mit den überlieferten Daten und Fakten äußert, hat letztlich auch die Auseinandersetzung mit dem historischen Pyrrhonismus – jenem durch die cartesianische Philosophie geförderten fundamentalen Skeptizismus gegenüber der Möglichkeit historischer Erkenntnis – an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert beigetragen. Für die Pyrrhonisten, unter ihnen François La Mothe Le Vayer und Pierre Bayle, schien die in den historiographischen Schriften vermittelte Erkenntnis auf zweifache Weise in Frage gestellt: einmal durch die Befangenheit oder subjektive Betrachterperspektive der jeweiligen Autoren, andererseits dadurch, daß womöglich gefälschte Dokumente oder erfundene Tatbestände die Grundlage für Aussagen über die Vergangenheit bildeten. Diesen beiden schwerwiegenden Einwänden begegnen die Historiker des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts vor allem mit der peniblen Ausarbeitung der Quellenkunde zu einer historisch-kritischen Methode. Den Anfang machen dabei die Bollandisten mit ihrer Edition der Acta sanctorum seit 1643; als wegweisendes Werk der historischen Urkundenkritik erscheint dann 1681 Mabillons De re diplomatica, womit der benediktinische Gelehrte aus Saint-Germain-des-Prés „die historische Methode erstmals aus ihrer Unsicherheit herausgeführt und auf eine objektive Grundlage gestellt“ hat.70 Darüber hinaus greift man zum Zweck einer zuverlässigen historischen Argumentation zunehmend auf die materielle Überlieferung in Form von Medaillen, Münzen und Inschriften zurück.71 Leibniz nimmt schließlich die Kritik der Pyrrhonisten zum Anlaß, um wiederholt „die Forderung nach einer exakten Geschichtswissenschaft nach dem Beispiel der Naturwissenschaft“ zu erheben.72 Dem „kritisch verantwortlichen Historiker“ billigt er zu, „daß er mit den Mitteln der Probabilitätslogik zur ,fides

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Das Jus Publicum kan mit gutem Success nicht tractiret werden, wenn man nicht vorhero der Römischen und Teutschen Historie wohl kundig ist. Denn es weist der Augenschein, daß die alten sogenannten Publicisten allenthalben angestoßen, weil damahlen fast niemand auf Universitäten sich um die Historie bekümmerte, man auch vermeynte, es könnten alle Questiones juris publici gar füglich aus dem corpore Juris Justinianae decidiret werden: Christian Thomasius, Bericht von einem zweyjährigen Cursu Juris so wohl in öffentlichem Als Privat-Lectionen und Collegiis, Halle 1714, S. 31, zitiert nach Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 113. Anton Schindling, Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650–1800, München 2 1999 (Enzyklopädie deutscher Geschichte 30), S. 54 (Hervorhebung im Original). Andreas Kraus, Grundzüge barocker Geschichtsschreibung, in: ders., Bayerische Geschichtswissenschaft in drei Jahrhunderten. Gesammelte Aufsätze, München 1979, S. 11–33, hier S. 17. Vgl. Peter Burke, Zwei Krisen des historischen Bewusstseins, S. 55. Werner Conze, Leibniz als Historiker, S. 55.

22 historica‘ gelangen könne“.73 Durch all diese Maßnahmen – die neukonzipierte quellenkritische Forschung, die verstärkte Auswertung der materiellen Überlieferung und die historische Argumentation unter dem Primat der Wahrscheinlichkeit – werden der Pyrrhonismus und die „Krise des historischen Bewußtseins“ um 1700 zuletzt überwunden und zugleich die Grundlagen für die Entwicklung der modernen Geschichtswissenschaft gelegt.

1.2.2 Der Mittelalterbegriff Der Begriff ,Mittelalter‘ und der mit ihm verbundene Periodisierungsgedanke sind – wie erwähnt – keine Erfindung des 17. Jahrhunderts. Ihre Wurzeln reichen vielmehr bis ins 14. und 13. Jahrhundert zurück. Petrarca war wohl einer der ersten italienischen Literaten, die mit der Vorstellung einer ersehnten Wiedergeburt des antiken Zeitalters zugleich diejenige einer trennenden (dekadenten) Zwischenzeit verbunden haben.74 Der pejorativ konnotierte Gedanke einer mittleren Epoche nimmt also seinen Ausgangspunkt im Italien der Renaissance und tritt von da aus seinen Weg durch Europa an.75 Doch sind Renaissancebewußtsein und Mittelalterbegriff bei den Humanisten zunächst ästhetisch orientiert, d. h. sie und die mit ihnen einhergehenden Wertsetzungen beziehen sich ursprünglich auf kulturelle, im engeren Sinne literarische und künstlerische Leistungen und Hervorbringungen der jeweils in den Blick genommenen Zeiten.76 Insofern verehren humanistische Gelehrte und Künstler seit dem 13. Jahrhundert die griechisch-römische Antike, im besonderen die Augusteische Ära, als kulturelle Hochzeit, als Goldenes Zeitalter, wie es umgekehrt Tendenzen gibt, das, was sie und ihre eigene Zeit von dieser verehrungswürdigen Epoche trennt, nämlich die in ihren Augen kulturelle Barbarei des Mittelalters, zu verachten.77

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Ebd., S. 54. Vgl. Theodor E. Mommsen, Petrarch’s Conception of the ,Dark Ages‘, in: ders., Medieval and Renaissance Studies, hg. v. Eugene F. Rice, Ithaca 1959, S. 106–129, hier S. 128. Zur Entstehung und Geschichte des Mittelalterbegriffs in der Frühen Neuzeit sind vor allem zwei einschlägige Arbeiten zu nennen (und zwar zum französischen und zum deutschen Kulturraum): Jürgen Voss, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs, und Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Geschichtsgliederung und Epochenverständnis in der frühen Neuzeit, Köln u. Wien 1988. Vgl. Reinhart Koselleck, Das achtzehnte Jahrhundert als Beginn der Neuzeit, S. 276. Vor diesem Hintergrund sind die seit dem 14. Jahrhundert zunächst im Lateinischen aufkommenden, doch ab dem 16. Jahrhundert auch in den einzelnen Nationalsprachen nachweisbaren Bezeichnungen für die ungeliebte Zwischenzeit zu sehen: medium tempus, media tempestas, media antiquitas, dann vor allem media aetas und medium aevum; ihnen folgen mitler jare, mittel alters, middle time(s), middle age(s) und moyen aage – um nur einige der zahlreichen Bezeichnungsvarianten zu nennen (vgl. Jürgen Voss, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs, S. 40–60 sowie die Belegliste S. 390ff., u. Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, Belegliste S. 245ff.). Den einzelnen Termini sind zwar jeweils unterschiedliche – von Text zu Text differierende –

23 Der Sprung hin zur „periodologischen Anwendung“ wird – wie gesehen – im protestantischen Deutschland des späten 17. Jahrhunderts vollzogen, und zwar am deutlichsten bei Christoph Cellarius: Die humanistische, literarischquellenkundliche Trias wird allmählich zum Periodisierungsschema der Universalhistorie umfunktioniert. In der Vorrede zur Historia antiqua (1685) hat Cellarius auf die Prinzipien hingewiesen, die ihn zu seinen periodologischen Grenzsetzungen zwischen Antike und Mittelalter einerseits, zwischen Mittelalter und Neuzeit andererseits bewogen und damit zugleich die Einteilung seines universalhistorischen Lehrbuchs bestimmt haben.78 Seinen Überlegungen liegen verschiedene Sichtweisen zugrunde, eine literarisch-ästhetische bzw. bildungsgeschichtliche, eine politisch-geographische und eine religionsgeschichtliche: So habe er – entgegen einer früheren Einteilung der Historia antiqua, nämlich im Nucleus historiae antiquae (1675) – die antike Historie nun über Christi Geburt, über das Augusteische Zeitalter hinaus bis zu Konstantin dem Großen fortgeführt, da man zum einen die großen nachchristlichen Autoren wie Tacitus oder Sueton nicht von den klassischen Autoren trennen könne, zum anderen das Römische Reich erst unter Trajan seine größte Ausdehnung erreicht habe. Cellarius verschiebt den Beginn des Mittelalters folglich – in Anlehnung an humanistische Traditionen – auf den Einbruch der barbara saecula hin,79 setzt ferner dessen Ende mit dem Fall Konstantinopels (1453) fest; die Kontinuität der mittelalterlichen Historie ergibt sich für ihn aus der Existenz des christlichen Oströmischen oder Byzantinischen Reiches seit Konstantin dem Großen. Für die neuzeitliche Historie, also die des 16. und 17. Jahrhunderts, ist demgegenüber ein verändertes geographisches Weltbild und die neue Gestalt der Staatenwelt kennzeichnend. Zu Beginn seiner Historia nova fügt Christoph Cellarius noch ein entscheidendes religionsgeschichtliches Motiv hinzu: In primis Ecclesiae reformatio meretur, ut NOVAM HISTORIAM, distinctam ab illa quae MEDII AEVI fuit, ex saeculo decimo sexto, aut prope illius initia, auspicemur.80 Freilich kann nicht von einer allgemeinen Gültigkeit der universalhistorischen Trias Antike-Mittelalter-Neuzeit am Ende des 17. Jahrhunderts ausgegangen werden, und damit ebensowenig von der des Mittelalterbegriffs als

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Vorstellungen über Beginn und Ende der gemeinten Zwischenzeit inhärent, immer aber rekurrieren die frühen Belege auf den literarisch-quellenkundlichen Bereich, d. h. sie beziehen sich primär auf die schriftliche Überlieferung und die tradierten kulturellen Zeugnisse und zielen zunächst nicht auf eine „periodologische Anwendung in der Geschichtsschreibung“ (Jürgen Voss, S. 370). Christoph Cellarius, Historia antiqua multis accessionibus aucta et emendata, Vorrede (1685) [ohne Paginierung]. Zu Cellarius’ Ansatz auch Dieter Mertens, Mittelalterbilder in der Frühen Neuzeit, S. 45–48. In der Fortführung des Nucleus historiae antiquae, im Nucleus historiae inter antiquam & novam mediae (1676), hatte er den Beginn der historia media noch mit Augustus und Christi Geburt angesetzt. Christoph Cellarius, Historia nova, hoc est XVI et XVII saeculorum qua eiusdem auctoris Historiae, antiqua et medii aevi, ad nostra tempora continenti ordine proferentur, cum notis perpetuis et indice rerum, Halle 1696, S. 3 (Hervorhebungen im Original).

24 „universalhistorischer Kategorie“, „durchgesetzt hat sich der Ausdruck, vorzüglich noch in pejorativer Bedeutung, erst im 18. Jahrhundert“.81 Dennoch hat die Trias aufgrund der zahlreichen Auflagen von Cellarius’ Geschichtswerk in Gelehrtenkreisen schnell Verbreitung gefunden.82 Darüber hinaus ist hinsichtlich des europäischen Geltungsbereichs des periodologischen Mittelalterbegriffs im ausgehenden 17. und dann vor allem im 18. Jahrhundert national und regional zu differenzieren. Während Deutschland, und hier insbesondere der protestantische Norden mit den Universitäten Halle, Wittenberg, Jena und Leipzig, eine Vorreiterrolle bei der Verbreitung des Epochenbegriffs übernimmt,83 vollzieht sich beispielsweise in Frankreich – aufgrund der Dominanz des traditionellen dynastischen Gliederungsprinzips (Dynastien der Merowinger, Karolinger und Kapetinger) – die Anerkennung der Trias als universal- und nationalhistorische Periodisierung und damit zugleich des Mittelalterbegriffs zunächst eher schleppend, endgültig hat sie sich hier erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts etabliert.84 In den Schriften Ludovico Antonio Muratoris, des „Patriarchen der italienischen Mittelalterforschung“,85 findet sich der periodologische Mittelalterbegriff auffallend selten, er erscheint zum ersten Mal 1717 im ersten Band seiner Antichità estensi; womöglich wurde Muratori vor allem durch die Arbeiten seines Korrespondenten Gottfried Wilhelm Leibniz sowie der norddeutschen Historiker Johann Georg Eckhart und Polycarp Leyser dazu angeregt, den Terminus zunehmend in seinen Schriften zu verwenden.86 Jedenfalls scheint Muratori der Epochenbezeichnung ,Mittelalter‘ kritisch gegenübergestanden zu haben: Ihm geht es offensichtlich vorrangig um die Kontinuität, die Fortdauer und Entwicklung der italienischen Geschichte als identitätsstiftende Größe, zu der nun eben neben der Blütezeit des antiken Rom auch die barbarici secoli87 zu rechnen sind, nicht um eine als ,Mittelalter‘ zu bezeichnende, im Grunde pejorativ konnotierte gestaltlose Zwischenzeit sui generis88 oder um eine für das humanistische und dann aufklärerische Selbstverständnis typische „Gegenwartsaffirmation durch Vergangenheitsnegation“.89 Folglich teilt Muratori die von den italienischen Humanisten

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Reinhart Koselleck, Das achtzehnte Jahrhundert als Beginn der Neuzeit, S. 276. Vgl. Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 165ff. Ebd., S. 170ff. Vgl. Jürgen Voss, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs, S. 83ff. Eugenio Dupré Theseider, Sull’uso del termine ,medioevo‘ presso il Muratori, in: Miscellanea di studi Muratoriani 1 (1951), S. 418–434, hier S. 418: „patriarca degli studi medievistici italiani“. Ebd., S. 430f. Vgl. dazu auch Peter von Moos, Gefahren des Mittelalterbegriffs, S. 34ff. Eugenio Dupré Theseider, Sull’uso del termine ,medioevo‘ presso il Muratori, S. 425 Anm. 14. Ebd., S. 433f. Odo Marquard, Temporale Positionalität. Zum geschichtlichen Zäsurbedarf des modernen Menschen, in: Reinhart Herzog u. Reinhart Koselleck (Hgg.), Epochenschwelle und Epochenbewußtsein, S. 343–352, hier S. 347.

25 geprägte Geringschätzung des medium aevum nicht, für ihn wird diese ,finstere‘ Zeit zum Forschungsgegenstand, um sie ihrer Finsternis zu entkleiden.90 Zwar hat auch Leibniz – auf dessen Tätigkeit als Historiograph des Welfenhauses an späterer Stelle zurückzukommen sein wird – das Mittelalter zunächst als siecles demy barbares bezeichnet, doch ist er im Laufe der Zeit „durch die intimere Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichtsschreibung bei der Ausarbeitung seines ,Opus historicum‘ zu einer gerechteren Beurteilung dieser Epoche vorgedrungen“.91 Dazu gehört etwa seine Hochschätzung der sächsischen Kaiser sowie „Apologie“ des bis dahin vielgeschmähten 10. Jahrhunderts, worin Werner Conze „eine der bemerkenswertesten Leistungen der Leibnizschen Mediävistik“ erkannt hat.92 Für eine vehemente Verteidigung des Mittelalters ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Helmstedter Historiker Polycarp Leyser eingetreten: In seiner 1719 veröffentlichten Dissertatio de ficta medii aevi barbarie und in der 1721 erschienenen Historia poetarum medii aevi, einem etwa 700 Autoren umfassenden „Kompendium der mittelalterlichen Literatur“,93 tritt er der These vom ,finsteren‘ Mittelalter mit Nachdruck entgegen, u. a. mit dem Hinweis auf die stilistische Qualität und z. T. nachhaltige Wirkung der lateinischen Textzeugen jenes Zeitraumes. Generell ist im deutschen Kulturraum um 1700, zunächst vornehmlich in Mittel- und Norddeutschland, ein zunehmendes Interesse an der Erforschung des Mittelalters und seiner Quellen zu beobachten, das der humanistischen Grundeinstellung prinzipiell diametral entgegensteht und nicht zuletzt auf die oben skizzierte Entwicklung der Reichspublizistik, des Reichsstaatsrechts, gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts zurückzuführen sein dürfte.94 Denn mit der Hinwendung zu den heimischen Rechtsquellen und ihren Grundlagen geht der Aufstieg der deutschen ,Reichshistorie‘ einher, und insofern gewinnt zuvorderst die mittelalterliche Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und seiner Territorien an Bedeutung.95 Insgesamt scheint damit aber gerade im Umfeld der norddeutschen Oper die Möglichkeit

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Eugenio Dupré Theseider, Sull’uso del termine ,medioevo‘ presso il Muratori, S. 423f. Günter Scheel, Leibniz als Historiker des Welfenhauses, in: Wilhelm Totok u. Carl Haase (Hgg.), Leibniz. Sein Leben – sein Wirken – seine Welt, Hannover 1966, S. 227–276, hier S. 234. Werner Conze, Leibniz als Historiker, S. 80. Harald Zimmermann, ,De medii aevi barbarie‘. – Ein alter Gelehrtenstreit, in: Karl Hauck u. Hubert Mordek (Hgg.), Geschichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter, FS Heinz Löwe, Köln u. Wien 1978, S. 650–669, hier S. 652. Vgl. Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 176. – Neddermeyers Übersicht V (S. 244) zeigt eine Konzentration von deutschen Editionen bzw. Neuausgaben mittelalterlicher Quellen in den Jahren 1690 bis 1739, mit einem erheblichen Zuwachs in den 1720er Jahren. „Als Leibniz im Jahre 1688 in Wien vor dem Kaiser stand“, so Günter Scheel, habe er „über die außerordentliche Bedeutung gerade der mittelalterlichen Geschichtsforschung“ für politisch motivierte juristisch-historische Deduktionen berichtet: „Die Critica aber Medii aevi, als diplomatum Archivorum und Chronicorum ist nöthig in jure publico, weil die meisten jura principum, in so weit sie etwas hoch zurück gehen, darauß behauptet werden müßen“: Günter Scheel, Leibniz als Historiker des Welfenhauses, S. 230.

26 gegeben, daß Ansätze einer Vorstellung von ,Mittelalter‘ als einer abgegrenzten und historisch-begrifflich konturierten Periode greifbar werden. Inwiefern die jeweiligen Werke dann tatsächlich ein solches ,Mittelalter‘ evozieren, ist allererst für den Einzelfall zu prüfen.

1.2.3 Historia magistra vitae: Geschichte als Exempelsammlung Von der ,Emanzipation‘ der profanen Historie bleibt die moralphilosophische Funktionalisierung der Geschichte(n) um 1700 zunächst unberührt. Die Historie gilt nach wie vor als Lehrmeisterin des Lebens: historia magistra vitae – so die prominente ciceronische Formel.96 Bis weit ins 18. Jahrhundert bleibt die seit der Antike gültige Vorstellung vom praktischen Nutzen der Historie für das eigene Leben bestehen. Die ,Geschichte‘ heißt damit eine zu Exempeln, in typischen Konstellationen verdichtete, ausschnitthafte Wahrnehmung historischer Prozesse. „Indem der gesamten menschlichen Erfahrung eine bestimmte a priori gültige Ordnung zugrunde gelegt wird, vermögen die historischen Exempel eine Art von ,Erfahrungserkenntnis‘ zu liefern, dergestalt, daß die theoretisch formulierte Lehre sich in der Historie bestätigt und der Mensch sich in ihr zu spiegeln vermag“.97 Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts hin wird der Topos von der historia magistra vitae allmählich verblassen, und zwar im Gefolge der „Freilegung einer nur von der Geschichte her bestimmten Zeit“ und einer Auffassung von Geschichte als „Auseinandersetzung und Abfolge einzigartiger und genuiner Kräfte“.98 Erst wenn historisches Geschehen und die darin involvierten Personen nicht mehr als prinzipiell wiederholbar gelten, wenn „die Stetigkeit der menschlichen Natur, deren Geschichten sich zu wiederholbaren Beweismitteln moralischer, theologischer oder politischer Lehren eignen“,99 nicht mehr allgemein akzeptiert wird, ist die ,Geschichte‘100 als Lehrmeisterin des Lebens bedeutungslos geworden.

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Historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae, nuntia vetustatis, qua voce alia nisi oratoris immortalitati commendatur?: M. Tullius Cicero, Scripta quae manserunt omnia, Bd. 3: De oratore, hg. v. Kazimierz F. Kumaniecki, Leipzig 1969, II, 9 (S. 118). Wilhelm Voßkamp, Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung, S. 38. Reinhart Koselleck, Historia Magistra Vitae. Über die Auflösung des Topos im Horizont neuzeitlich bewegter Geschichte, in: Hermann Braun u. Manfred Riedel (Hgg.), Natur und Geschichte, FS Karl Löwith, Stuttgart [usw.] 1967, S. 196–219, hier S. 207 bzw. S. 205f. Ebd., S. 197. „Im deutschen Sprachgebiet [...] waren zunächst die Geschichte(n) – von den Singularformen ,das Geschichte‘ und ,die Geschicht‘ – beides Pluralbildungen, die auf eine entsprechende Menge einzelner Exempla verweisen mochten. Es ist spannend zu verfolgen, wie sich unmerklich und unbewußt, schließlich durch Nachhilfe zahlreicher theoretischer Reflexionen, die Pluralform von ,die Geschichte‘ zu einem Kollektivsingular verdichtet hat. 1775 wird er erstmals lexikalisch vermerkt, von Adelung, der kommenden Entwicklung vorgreifend“: ebd., S. 203.

27 Um 1700 scheint dies (noch) nicht der Fall. Seit der Wiederbelebung antiker Geschichtsdeutung unter den Vorzeichen des Humanismus kann vielmehr von einer Erneuerung der „didaktisch-pragmatischen Geschichtsauffassung“101 ausgegangen werden, insofern die über Jahrhunderte vorherrschende christlichtheologische Geschichtsdeutung und ihre transzendente Funktionalisierung der Geschichte nachgerade in den Hintergrund treten; diese hatte den antiken Topos der historia magistra vita dahingehend überformt und ihrem System integriert, daß er zwar weiterhin grundsätzliche Gültigkeit behielt, aber ihm eine bislang unbekannte religiöse Perspektive übergeordnet wurde: Nicht menschliche Taten per se standen im Mittelpunkt historischer Erkenntnis, sondern die daran ablesbare Allmacht und ordnende Kraft der göttlichen Instanz, die menschliches Geschichtshandeln entweder belohnt oder strafend verwirft und damit zugleich – durch das lehrhafte Exempel – zur Nachfolge oder Umkehr auffordert.102 Wenn nun die theologische Geschichtsdeutung in der Frühen Neuzeit im Zeichen fortschreitender Säkularisierungstendenzen mehr und mehr zurücktritt, erstarkt mit der profanen Historie zugleich die in der antiken Tradition wurzelnde Funktionalisierung, aus den Exempla der Geschichte moralische und politische Lehren zu ziehen. So sieht Christian Thomasius den Nutzen der Historien u. a. darin, daß nehmlich ein aufrichtiger Leser allerhand Bilder derer Tugenden und Laster, guter und böser Sitten in den Historien antrifft, die er als eine Vorbereitung zu der politischen Klugheit, zu welcher man durch die Verbesserung seiner eigenen Torheit gelanget, gar füglich brauchen kann.103 Auch Leibniz betont in seinen historiographischen und philosophischen Schriften immer wieder die Bedeutung der Geschichte(n) als Beispielsammlung: etwa, wenn er in der Vorrede zu seinen Accessiones historicae auf die utilia inprimis vitae praecepta der Historie hinweist,104 oder in einem an Herzog Ernst August

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Ulrich Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, S. 44 et passim. Vgl. ebd., S. 52f. – So heißt es etwa bei Luther: die Historien sind nichts anderes denn anzeigung, gedechtnis und merckmal G ttlicher werck und urteil, wie er die welt, sonderlich die Menschen, erhelt, regiert, hindert, f rdert, straffet und ehret, nach dem ein jglicher verdienet, B ses oder Gutes. Und ob gleich viel sind, die Gott nicht erkennen noch achten, Noch m)ssen sie sich an die Exempel und Historien stossen und f)rchten, das jnen nicht auch gehe, wie dem und dem, so durch die Historien werden f)rgebildet, da durch sie herter bewegt werden, denn so man sie schlecht mit blossen worten des rechts oder Lere abhelt und jnen weret: Martin Luther, Vorrede zu Historia Galeatii Capellae. 1538, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 50, Weimar 1914, S. 383–385, hier 384. Christian Thomasius, Höchstnöthige Cautelen welche ein Studiosus Juris, der sich zur Erlernung der Rechts-Gelahrtheit auff eine kluge und geschickte Weise vorbereiten will, zu beobachten hat, Halle 1710, S. 106f. Zit. nach Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 146. Tria sunt quae expetimus in Historia: primum voluptatem noscendi res singulares, deinde utilia inprimis vitae praecepta, ac denique origines praesertim a praeteritis repetitas, cum omnia optime ex causis noscantur (zit. nach: Leibnizens Entwürfe zu seinen Annalen von 1691 und 1692. Hg. v. Eduard Bodemann, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen 1885, S. 1–58, hier S. 6f. Anm.).

28 von Braunschweig-Lüneburg adressierten Entwurf zu seinen Annalen (1692) die exemples instructifs allegorisch als suc de l’Histoire, als nährenden Saft der Historie deutet, sans lesquels la chronologie et la genealogie ressemblent à une esquelette denuée ou à un corps amaigri.105 In den Nouveaux essais sur l’entendement humain schließlich wünscht er sich – hinter der Maske des fiktiven Dialogpartners Theophile – Geschichtsrezipienten, die der Historie das entnehmen, was am nützlichsten sei: comme seroient des exemples extraordinaires de vertu, des remarques sur les commodités de la vie, des stratagemes de Politique et de guerre.106 Der „,Exemplum‘-Charakter des historischen Faktums“,107 die sich aus dem geschichtlichen Beispiel ergebende Lehre für die individuelle, mitunter religiöse Lebensführung und das politische Handeln ist nun nicht nur eine rezeptionsleitende Konstante der historiographischen und didaktischen Schriften – allen voran der Fürstenspiegelliteratur108 – sondern greift aus auch auf die Künste, die bildende Kunst ebenso wie die Dichtung, insbesondere sofern hier historische oder als historisch verstandene Personen und Ereignisse thematisiert werden.109 Nicht zuletzt die darstellenden Künste, Drama und Oper, „benutzen oft geschichtliche Stoffe, [...] um einen allgemeinen moralischen Verhalt zu erläutern“,110 bedienen sich historischer Gestalten und Ereignisse, um den zeitgenössischen Rezipienten exemplarische Fälle moralisch, bisweilen religiös vorbildlichen oder verwerflichen Verhaltens, in Bezug auf die verhandelten Haupt- und Staatsaktionen klugen oder törichten politischen Agierens vor Augen zu führen. Es sind schließlich insbesondere die nach Art der emblematischen subscriptio mit deutenden Abstrakta gebildeten Titel zahlreicher Opern, die – zuweilen in der Form des „barocken Doppeltitels“,111 dann abstrakte subscriptio

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Leibnizens Entwürfe zu seinen Annalen von 1691 und 1692, S. 21. Gottfried Wilhelm Leibniz, Nouveaux essais sur l’entendement humain, in: ders., Philosophische Schriften, hg. u. übers. v. Wolf von Engelhardt u. Hans Heinz Holz, Bde 3/1 u. 3/2, Darmstadt 1959 u. 1961, hier Bd. 3/2, S. 527. Erich Trunz, Weltbild und Dichtung im deutschen Barock, in: ders., Weltbild und Dichtung im deutschen Barock. Sechs Studien, München 1992, S. 7–39, hier S. 30. „Die Auffassung von der Geschichte als ,Magistra vitae‘ erfuhr wohl nirgends eine so konsequente pädagogische Anwendung wie in den humanistischen Fürstenspiegeln. Diese sind weitgehend selber ,Historien‘: Kataloge der guten wie bösen ,Viri illustres‘, aus den Autoren geschöpfte Sammlungen von ,Praeclare dicta et facta‘“: Bruno Singer, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation. Bibliographische Grundlagen und ausgewählte Interpretationen: Jakob Wimpfeling, Wolfgang Seidel, Johann Sturm, Urban Rieger, München 1981, S. 34. – Dazu auch Rainer A. Müller, Historia als Regentenhilfe. Geschichte als Bildungsfach in deutschen Fürstenspiegeln des konfessionellen Zeitalters, in: Chantal Grell, Werner Paravicini u. Jürgen Voss (Hgg.), Les princes et l’histoire du XIVe au XVIIIe siècle, Bonn 1998 (Pariser Historische Studien 47), S. 359–371. Zur Bedeutung des historischen Exempels in der Malerei vgl. etwa Friedrich Polleross, Alexander redivivus et Cleopatra nova. L’identification avec les héros et héroines de l’histoire antique dans le ,Portrait historié‘, in: Chantal Grell, Werner Paravicini u. Jürgen Voss (Hgg.), Les princes et l’histoire, S. 427–472. Erich Trunz, Weltbild und Dichtung im deutschen Barock, S. 30. Ebd., S. 30.

29 mit konkreter pictura, d. h. dem Namen der Hauptfigur verbindend112 – auf die lehrhaft-moralisierende Grundtendenz der betreffenden Stücke und ihrer historischen Exempla verweisen: La forza della virtù (Venedig 1693, Hamburg 1700), L’infedeltà punita (Venedig 1712), L’innocenza difesa (Venedig 1722, Braunschweig 1731), ebenso wie L’innocenza risorta overo Etio (Venedig 1683) oder Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V. (Hamburg 1712).113 Das Konzept der historia magistra vitae, die Rezeption historischen Geschehens als Exemplum, kann mithin um 1700 gleichermaßen für das Geschichtsdrama wie für die heroisch-historische Oper als „dominierendes Prinzip der Geschichtsdeutung und -anwendung“114 gelten.

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,Mittelalterliche‘ Sujets in der europäischen Oper um 1700

1.3.1 Anmerkungen zu einem Katalog – Versuch einer Typologie Als Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet (,Mittelalteropern‘) sollen im Zusammenhang dieser Studie all diejenigen musiktheatralischen Werke definiert werden, deren zumeist über historische oder literarische Quellen vermittelter, wenn nicht frei erfundener stofflicher Vorwurf als ,mittelalterlich‘ bezeichnet werden kann, in dem Sinne, daß er historische wie auch pseudohistorische bzw. literarisch-fiktive Personen und/oder Geschehnisse umfaßt, die sich unter zeitlichem Aspekt auf die Jahrhunderte zwischen ca. 500 n. Chr. und 1500, unter räumlichem auf den europäischen Kontinent sowie angrenzende Regionen beziehen lassen. Dabei ist zweierlei zu bedenken: Einerseits setzt eine heuristische Erschließung die eingangs explizierte pragmatische Verwendung des heute üblichen, allen Differenzierungen zum Trotz populären Schemas ,Mittelalter‘ voraus.115 Wie gesehen, beginnen sich der Epochenbegriff ,Mittelalter‘ und die ihn stützende Trias um 1700 gerade zu etablieren und sind – insbesondere jenseits des norddeutschen Geschichtsdiskurses – noch nicht auf

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Vgl. Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 31993, S. 194–202. Daß auch gantz und gar nichts vergessen werde / will ich noch beyfügen / wie man einer Opera den Titul geben solle. Jedoch es ist leicht. Denn man nennet sie entweder nach einer oder zweyen Haupt=Personen / wie folgende Bellerophon, von dem vornehmsten im Spiele / heißet; oder nach dem Haupt=Inhalte des Wercks / also daß der Bellerophon auch könnte intituliret werden: Die vom Himmel geschützte (belohnte) Unschuld und Tugend. Bisweilen wird auch beydes zusammen gesetzt: Die vom Himmel geschützte Unschuld und Tugend stellet vor Bellerophon in einer Opera: Erdmann Neumeister, Die Allerneueste Art / Zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen. Allen Edlen und dieser Wissenschafft geneigten Gemüthern / Zum Vollkommenen Unterricht / Mit überaus deutlichen Regeln / und angenehmen Exempeln ans Licht gestellet / Von Menantes, Hamburg 1707, S. 414; zit. nach Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, S. 202. Wilhelm Voßkamp, Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung, S. 159. S. o. S. 8f.

30 breiter Basis akzeptiert. Die Frage nach der Gültigkeit jener Epochenvorstellung und konkreten Darstellung der betreffenden historischen Periode kann also erst in einem zweiten Schritt und nur für das je einzelne Werk geklärt werden. Zum anderen gilt es, sich die Problematik, die sich vor allem aus der zeitlichen Fixierung und dem damit verbundenen Aufrufen der „alte[n] und überaus kontroverse[n] Diskussion um Anfang und Ende des Mittelalters“ ergibt,116 bewußt zu halten. Um überhaupt zu praktikablen Ergebnissen und weiterführenden Aussagen zu gelangen, mag aber eine Festlegung in der einen wie in der anderen Frage unausweichlich sein. Speziell die zeitlichen Grenzziehungen sind folglich nicht als ,harte‘ Zäsuren, sondern vielmehr als Andeutungen von ,Epochenschwellen‘ (mit flexiblen Übergängen) aufzufassen, und insofern wurden bisweilen auch Werke, deren Sujets der Zeit vor 500 (Stoffe der Völkerwanderungszeit) oder dem 16. Jahrhundert zuzuordnen sind, erfaßt. Zugleich sind diese ,Epochenschwellen‘ (Beginn der Völkerwanderung, vor allem die Zäsur um 1500) auch Gegenstand des gelehrten Diskurses um 1700, so daß sich das methodische Vorgehen zumindest partiell mit den zeitgenössischen Überlegungen im Einklang sieht.117 Charakteristisch für die Oper als „Rezeptionsform“ – versteht man unter ,Rezeption‘ generell „die ,Aufnahme‘ als aktiven Vorgang [...], der das Aufgenommene verändert und den Bedürfnissen des Aufnehmenden anpaßt“,118 unter ,Mittelalter-Rezeption‘ im besonderen die „Behandlung dieser ganz bestimmten Epoche durch die ihr folgende oder die ihr folgenden“119 – ist das Phänomen des „Medienwechsels“:120 Literarische Gestalten oder historische Geschehnisse werden auf die Opernbühne gebracht, ,mittelalterliche‘ Stoffe erstmals ins neue Medium ,Oper‘ transferiert. Daß das Genre bereits um 1700 entsprechende Sujets der Jahrhunderte zwischen Spätantike und Früher Neuzeit aufgreift, eine Rezeption dieser historischen Periode mithin nicht erst im späten 18. oder gar 19. Jahrhundert einsetzt, wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung expliziert werden. Dabei braucht wohl kaum betont zu werden, daß die rezeptionsleitenden Strategien und Funktionen dieser beiden Rezeptionsphasen z. T. erheblich differieren.

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LexMA, Bd. 1 (1980), S. XI (Vorwort). Bei Leibniz, etwa in seiner Methodus nova discendae docendaeque Jurisprudentiae (1667) – darauf wurde bereits hingewiesen –, bilden „die Völkerwanderung mit den germanischen Staatsgründungen einerseits und der Humanismus, die Erfindung des Buchdrucks und die Reformation andererseits“ die Grenzsäume des Mittelalters (Jürgen Voss, Das Mittelalter im historischen Denken Frankreichs, S. 58; ebenso Werner Conze, Leibniz als Historiker, S. 73). – Zur Annahme von Zäsuren um 400, 500 und 1500 im gelehrten Diskurs des 18. Jahrhunderts vgl. weiterhin die Nachweise (Autoren und Publikationsdaten) bei Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 191 Anm. 500 u. S. 192 Anm. 505. Manfred Fuhrmann, Antike (Rezeption), S. 61. Peter Wapnewski, Zur Eröffnung des Symposions, in: ders. (Hg.), Mittelalter-Rezeption, S. 1–6, hier S. 3. Volker Mertens, Formen der Mittelalter-Rezeption: Teil I. Einleitung, in: Peter Wapnewski (Hg.), Mittelalter-Rezeption, S. 375f., hier S. 375.

31 Für beide Phasen, die frühere an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert wie die spätere im ausgehenden 18. und vor allem 19. Jahrhundert, sind jedoch in gleichem Maße zwei der von Ulrich Müller vorgeschlagenen vier idealtypischen „Grundformen der Mittelalter-Rezeption“ konstitutiv:121 „Die produktive, d. h. schöpferische Mittelalter-Rezeption: Stoffe, Werke, Themen oder auch Autoren aus dem Mittelalter werden in einem schöpferischen Akt zu einem neuen Werk verarbeitet;“ „die politisch-ideologische Mittelalter-Rezeption: Werke, Themen, ,Ideen‘ oder Personen des Mittelalters werden für politische Zwecke im weitesten Sinne verwendet und verarbeitet, etwa zur Legitimierung oder zur Abwertung (man denke hier z. B. an den Begriff ,Kreuzzug‘ und die damit zusammenhängende Ideologie).“

Freilich ist für die Rezeptionsform ,Oper‘ die „produktive“ oder „schöpferische Mittelalter-Rezeption“ von grundlegender Bedeutung, da die Übertragung eines ,mittelalterlichen‘ Sujets in das vergleichsweise junge Medium ,Oper‘ allenthalben mit einer Adaptation des Stoffes an die Bedingungen der jeweils zeitgenössischen Opernästhetik, d. h. mit der Schaffung eines neuen ästhetischen Werkes einhergeht. Im Falle der Barockoper sind dabei auf dramaturgischer Ebene insbesondere die charakteristischen Handlungsstrukturen der Liebesverwicklungen und Intrigen – die ,schöne Verwirrung‘ als „ästhetische Idee der Epoche“ 122 –, auf musikalischer Ebene die – mit jenem dramaturgischen Prinzip korrelierende – Darstellung von wechselnden Affekten und inneren Konflikten in Betracht zu ziehen. Mit anderen Worten: Der stoffliche Vorwurf muß entsprechend (jeweils konventionalisierter) dramaturgischer und musikalischer Kriterien, hinsichtlich Bühnenwirksamkeit und Vertonbarkeit, adaptiert werden. Dennoch spielt auch die „politisch-ideologische Mittelalter-Rezeption“ unter je spezifischen Vorzeichen eine nicht zu unterschätzende Rolle, und zwar sowohl in der Oper der Frühen Neuzeit – darauf wird im Kontext der ,dynastischen Mittelalteroper‘ im einzelnen zurückzukommen sein – wie auch, unter gänzlich differenter Perspektive, in der deutschen Romantischen Oper oder im Musikdrama Wagnerscher Prägung. Der für diese Studie erstellte Opernkatalog123 verzeichnet die Zentren Braunschweig-Wolfenbüttel, Dresden, Düsseldorf, Florenz, Hamburg, Hannover, Leipzig, London, München, Neapel, Paris, Stuttgart, Venedig, Weißenfels und Wien als größere bzw. große und für das europäische Opernsystem des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts mehr oder minder repräsentative Bühnen im Bereich des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Italiens, Englands und Frankreichs. Als Ergebnis der heuristischen Analyse lassen sich, mit Blick auf die einzelnen europäischen Spielstätten, verschiedene typische Konstellationen ,mittelalterlicher‘ Sujets differenzieren, sofern die

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Ulrich Müller, Formen der Mittelalter-Rezeption: Teil II. Einleitung, in: Peter Wapnewski (Hg.), Mittelalter-Rezeption, S. 507–510, hier S.508. Carl Dahlhaus, Dramaturgie der italienischen Oper, in: Lorenzo Bianconi u. Giorgio Pestelli (Hgg.), Geschichte der italienischen Oper, Bd. 6, S. 75–145, hier S. 88. S. Anhang A: Katalog: ,Mittelalterliche‘ Sujets in der Oper um 1700.

32 eruierten ,Mittelalteropern‘ systematisch zu einzelnen Stoffgruppen oder Themenkreisen vereinigt werden können, die teilweise unterschiedlichen Traditionssträngen verpflichtet scheinen. Der folgende Vorschlag einer Systematisierung sieht sechs bzw. sieben Sujetgruppen vor, wobei Überschneidungen zwischen den einzelnen Gruppen durchaus möglich sind und sich demnach bisweilen Zuordnungen zu mehr als einer einzigen Gruppe ergeben können. Je nach ihrer zeitlichen und/oder topographischen Fixierung wären somit folgende Themenkreise zu unterscheiden: – ,Zeit der Völkerwanderung‘: Die Bühnenhandlung präsentiert herausragende historische Figuren oder Ereignisse aus der Periode des als politische Einheit zerfallenden Weströmischen Reiches oder der Völkerwanderung. Hinzukommen Sujets um mythische, an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert allerdings durchaus noch als historisch angesehene Gestalten aus der Vorzeit der europäischen Staaten (etwa Pharamund124 oder PĜemysl der Pflüger125). – ,Langobardenherrschaft in Italien‘: Das Operngeschehen rekurriert auf historische Personen oder Prozesse aus der Zeit des Langobardenreichs auf italienischem Boden (6. bis 8. Jahrhundert n. Chr.). Als zentrale Quelle für die langobardischen Sujets ist insbesondere die Historia Langobardorum des Paulus Diaconus zu nennen.126 – ,Mittelalterliches Spanien‘: Die Stoffe entstammen der mittelalterlichen Geschichte der iberischen Halbinsel, sie greifen Ereignisse aus der Zeit der Westgoten- und Maurenherrschaft sowie ,Reconquista‘ auf oder verarbeiten einzelne Episoden, die sich vor der Vereinigung der unabhängigen christlichen Königreiche oder Territorien (Galicien, Asturien-León, Kastilien, Navarra, Aragón, Katalonien) zum katholischen Königreich Spanien (Ende des 15. Jahrhunderts) zugetragen haben mögen. – ,Byzanz‘ oder ,östlicher Mittelmeerraum‘: Die Opernhandlung thematisiert Geschehnisse aus der Geschichte des Oströmischen oder Byzantinischen Reiches bis zu dessen Untergang (1453) wie auch aus dem Umfeld der damit eng verknüpften osmanischen Expansionspolitik im östlichen Mittelmeerraum. – ,Vorzeit der nordischen Länder‘: Nordisch-,gotische‘ Sujets aus z. T. sagenhafter Zeit sind konstitutiv für diese Stoffgruppe; eine ihrer Hauptquellen

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Vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollst ndiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und K(nste, Bd. 27 (1741), Sp. 1746f.: Pharamund. Ebd., Bd. 29 (1741), Sp. 490f.: Primislaus I. Die ungebrochene ,Popularität‘ der Historia Langobardorum spiegelt sich – abgesehen von der äußerst breiten handschriftlichen Überlieferung – in verschiedenen Druckausgaben seit Beginn des 16. Jahrhunderts: Paris 1514 (editio princeps), Augsburg 1515, Basel 1532, Leiden 1595/1617, Hamburg 1611, Hanau 1611, Amsterdam 1655, Lyon 1677, Mailand 1723. Hinzukommen bald Übersetzungen ins Italienische (Venedig 1548 u. 1554, Mailand 1631) und Französische (Paris 1603). Vgl. dazu im einzelnen: Pauli Historia Langobardorum, hg. v. Ludwig Bethmann u. Georg Waitz, in: Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum saec. VI–IX, hg. v. Georg Waitz (MGH Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum), Hannover 1878, S. 12–187, hier S. 44f.

33 stellen die in der Frühen Neuzeit breit rezipierten Gesta Danorum des Saxo Grammaticus dar.127 – ,Zentraleuropäisches Mittelalter 800–1500‘: Dieser Themenkomplex umfaßt Sujets, die wohl am ehesten heute populäre ,Mittelalterbilder‘ evozieren. Stoffe um Karl den Großen und Otto den Großen, ebenso wie um Wilhelm den Eroberer, Richard Löwenherz, Heinrich den Löwen oder auch Klaus Störtebeker sind hier zu nennen. Einen mehr oder minder homogenen Typus innerhalb der Gruppe bilden die speziell für Deutschland charakteristischen Sujets „aus der eigenen dynastischen Geschichte (oder, wie in Hamburg, lokalen Vorgeschichte)“;128 die entsprechenden Bühnenwerke sollen hier wie im folgenden als ,dynastische Mittelalteropern‘ bezeichnet werden.129 Ihre spezifischen Voraussetzungen, Implikationen und die mit ihnen jeweils verbundenen Interessen werden – vornehmlich für den norddeutschen Opernraum – im Zuge der analytischen Untersuchungen von Kap. 2 zu erörtern sein. Von diesen sechs Gruppen historischer oder auch pseudohistorischer (d. h. zwar in historisches Gewand gehüllter, aber im Hinblick auf Personen und Handlung fiktiver)130 Opern ist eine siebte Gruppe abzuheben, mit Werken, die in genuin literarischer Tradition stehen, indem ihre Sujets auf Figuren und Episoden aus den ungemein populären Epen Ariosts (Orlando furioso) und Tassos (La Gerusalemme liberata) oder aus dem Amadis-Roman rekurrieren. Damit soll keineswegs suggeriert werden, daß die Opern der übrigen sechs Sujetbereiche lediglich auf historische, nicht aber literarische Quellen im engeren Sinne zurückgreifen – das Gegenteil ist der Fall. Dennoch erscheint es sinnvoll, die Opern der Ariost-, Tasso- und Amadis-Rezeption131 zu einem eigenen Themen-

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Die Gesta Danorum waren erstmals 1514 vollständig im Druck erschienen (Paris, editio princeps von Christiern Pedersen) und wurden in der Folgezeit immer wieder aufgelegt (etwa Basel 1534, Frankfurt 1576, Sorø 1644: mit umfassendem Kommentar). Vgl. Paul Schätzlein, Saxo Grammatikus in der deutschen Dichtung vom Ausgange des Mittelalters bis zum Verfall der Romantik, Diss. Münster 1913, S. 9; Ruprecht Volz, Saxo Grammaticus, in: LexMA, Bd. 7 (1995), Sp. 1422f. Reinhard Strohm, Italienische Barockoper in Deutschland: Eine Forschungsaufgabe, in: Festschrift Martin Ruhnke zum 65. Geburtstag, Neuhausen-Stuttgart 1986, S. 348–363, hier S. 352. Zur Definition s. o. S. 11. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß das historische Libretto selbst in der Regel „auf einer bewußten Mischung von historischen Fakten (,quello che si ha da l’istoria‘) und diese oft großzügig interpretierender und im Anteil der Handlung übersteigender frei hinzugefügter Erfindung (,quello che si finge‘) beruht“: Norbert Dubowy, Dramma per musica. A. 17. Jahrhundert, in: 2MGG Sachteil, Bd. 2 (1995), Sp.1452–1479, hier Sp. 1458. Vgl. etwa Renate Döring, Ariostos ,Orlando Furioso‘ im italienischen Theater; Robert L. Kendrick, Le metamorfosi transalpine di Armida; Achim Aurnhammer, Torquato Tasso im deutschen Barock, Tübingen 1994 (Frühe Neuzeit 13), S. 291–304; Hilkert Weddige, Die ,Historien vom Amadis auss Franckreich‘. Dokumentarische Grundlegung zur Entstehung und Rezeption, Wiesbaden 1975 (Beiträge zur Literatur des 15. bis 18. Jahrhunderts 2), S. 292–308.

34 kreis, zu einem Traditionsstrang sui generis, zusammenzufassen (,Ritterepik‘), der in eher loser Beziehung zu den sechs Stoffgruppen der heroisch-historischen ,Mittelalteroper‘ steht. Für diese Sonderstellung der ,Epos-‘ oder ,RomanOpern‘ spricht nicht zuletzt, daß sie weit früher in den Opernverzeichnissen gerade der italienischen Spielorte erscheinen als die historischen ,Mittelalteropern‘, sind sie doch fast von Anfang an, seit der Etablierung der Oper als Kunstform an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, im Repertoire. Ihr spezifisch literarischer Charakter, ihre enge Anbindung an die literarischen Meisterwerke der Zeit dürfte für diese frühe und dauerhafte Präsenz verantwortlich sein, darüber hinaus aber auch die ihnen eigene Betonung des meraviglioso, der wunderbaren oder magisch-phantastischen Sphäre, die bühnentechnisch und musikalisch unter Einsatz zahlreicher Spezialeffekte äußerst wirkungsvoll dargestellt werden konnte. Insofern hat sich die große Welle der Ariost- und Tasso-Rezeption des 16. und frühen 17. Jahrhunderts sogleich der neuen Gattung ,Oper‘ als spektakulärer Rezeptionsform bedient.132 Vor dem Hintergrund des skizzierten Versuchs einer Typologie der frühneuzeitlichen ,Mittelalteroper‘, die sich einzig aus der Konzentration relativ vieler Libretti auf bestimmte Themen oder Stoffkreise ergibt, sollen im folgenden die Repertoires der fünf Opernzentren Venedig, Wien, Paris, BraunschweigWolfenbüttel und Hamburg analysiert werden, um punktuell Charakteristika und Tendenzen der jeweiligen lokalen ,Mittelalter‘-Rezeption im Bereich des Musiktheaters offenzulegen. Die Auswahl der fünf Spielorte resultiert erstens aus deren z. T. überregionaler, wenn nicht internationaler kultureller Bedeutung und der damit verbundenen Vorreiterrolle oder auch Leitfunktion für eine Vielzahl weiterer Opernzentren, zweitens aus der annähernd vergleichbaren Spieldichte sowie Kontinuität des Spielbetriebs und drittens aus der bisweilen sehr signifikanten Ausprägung der ,Mittelalter‘-Rezeption an einigen dieser fünf Orte (d. h. sowohl mit Blick auf die Präsenz als auch Absenz entsprechender Sujettraditionen). Hinzu kommt, daß mit den genannten Opernzentren zugleich auch verschiedene Institutionalisierungsformen der Oper um 1700 (,höfische‘, ,öffentliche‘ sowie zwischen beiden anzusiedelnde Mischformen) in den Blick genommen werden können. So steht die Wiener Hofoper, ebenso wie die Pariser Oper (zumindest unter Ludwig XIV.), für die Sphäre der „repräsentativen Öffentlichkeit“ des Ancien Régime im Sinne Habermas’, „für die ver-

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„Die Leser des ,Rasenden Roland‘ und des ,Befreiten Jerusalem‘ entdecken im Ritterepos eine Art moderner Mythologie und entnehmen ihm die Devisen ihrer Feste. [...] Manchmal scheint der ganze ,Amadis‘ in Szene gesetzt. Als Moritz von Hessen 1596 in Kassel zu Ehren der englischen Königin Elisabeth ein Fest gab, kam ein vollständiger Ritterroman zur Aufführung“: Richard Alewyn, Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste, München 1989 (Nachdruck der zweiten Aufl.), S. 19. – In Florenz kommt es um 1620 zu zwei größeren musiktheatralischen Darbietungen von Episoden aus Ariosts Orlando furioso: Lo sposalizio di Medoro ed Angelica (Commedia cantata in musica, 1619) und La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina (Balletto rappresantato in musica, 1625). 1639 gelangt in Venedig – zwei Jahre nach Eröffnung des ersten Opernhauses – Benedetto Ferraris L’Armida (nach Tassos La Gerusalemme liberata) zur Aufführung.

35 schiedene Stufen der Exklusivität konstitutiv sind sowie der mit ihnen verbundene, im ,repräsentativen‘ Auftreten des Einzelnen sich dokumentierende politisch-rechtliche Anspruch“,133 während sich im Umfeld der Theater Venedigs und insbesondere der Hamburger Gänsemarkt-Oper (in beschränkterem Maße auch des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters) eine Vor- oder Frühform der „bürgerlichen Öffentlichkeit“ als „Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute“ zu etablieren beginnt (freilich in ganz spezifischen Abschattierungen).134 Eine weitergehende detaillierte Auswertung aller im Katalog versammelten Opernspielstätten wäre zweifellos wünschenswert, würde aber den Rahmen dieser Untersuchung und ihrer Zielsetzung sprengen. Für die übrigen Opernzentren und ihre ,Mittelalteropern‘ muß daher auf die jeweiligen chronologischen und systematischen Übersichten des Katalogteiles verwiesen werden.

1.3.2 Exemplarische Repertoire-Analysen Venedig Im Jahre 1637 öffnete mit dem Teatro San Cassiano das erste öffentliche Opernhaus Venedigs seine Pforten, zahlreiche weitere Opernhäuser schlossen sich in den nächsten Jahren an: Damit begann zum einen die Geschichte des öffentlich-kommerziellen, nicht mehr nur exklusiv höfischen Musiktheaters,135

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Erich Kleinschmidt, Öffentlichkeit, in: Harald Fricke u. a. (Hgg.), Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 2, Berlin u. New York 2000, S. 739–742, hier S. 740. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990, Frankfurt a. M. 1990 (Zitat S. 86).– Mit „repräsentativer“ und „bürgerlicher Öffentlichkeit“ sind freilich zwei Extrempole oder Idealtypen der sozialgeschichtlichen Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert benannt, dazwischen gibt es, gerade an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, Raum für unterschiedlichste Abstufungen und Übergänge. Die spezifische „Öffentlichkeit“ eines Opernzentrums kann letztlich nur von Fall zu Fall bestimmt werden. Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker haben allerdings am Beispiel des Teatro San Cassiano darauf hingewiesen, daß sich auch das venezianische Opernpublikum vornehmlich aus der aristokratischen und finanzkräftigen Oberschicht der Stadtrepublik („ruling class“: Production, consumption and political function, S. 242) zusammengesetzt hat, insofern von einer ,Öffentlichkeit‘ im Sinne von ,zugänglich für jedermann‘ also auch hier nicht unbedingt gesprochen werden kann: „the price of admission would have been more than a day’s wages of even the better paid workman“ (S. 227). Darüber hinaus fanden sich zahlreiche Angehörige des europäischen Hochadels (allen voran deutsche Fürsten) alljährlich zur Opernsaison in Venedig ein, um den Vorstellungen von ihren vorab angemieteten Logen aus beizuwohnen; es ist daher kaum verwunderlich, wenn Bianconi und Walker im Hinblick auf die Opernproduktion Antioco (1659) am Teatro San Cassiano feststellen: „more than two thirds of all the spectators were box-holders or in their company“ (S. 226). Dennoch unterscheidet sich das venezianische Modell eines impresarisch und unter ökonomischen Bedingungen geführten Theaterbetriebes – mit Zugang jedenfalls prinzipiell für jedermann – freilich deutlich vom reinen Patronagemodell der Hofoper – mit exklusiv höfischem Publikum.

36 zum anderen die der venezianischen Oper, die sich in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts immer mehr zum „Exportartikel“136 entwickeln und nach und nach ganz Europa in ihren Bann ziehen sollte. Nicht nur die umliegenden Theater Norditaliens waren dankbare Abnehmer venezianischer Opernproduktionen, der Einfluß Venedigs erfaßte ebenso die großen Zentren Neapel, Rom und Florenz, und mehr noch, er erstreckte sich jenseits der Alpen bis an den Wiener Kaiserhof, die Hamburger Gänsemarkt-Oper, das Braunschweiger Hagenmarkt-Theater oder die Theater Londons. 1643 war in Venedig mit Busenellos Incoronazione di Poppea (Musik von Claudio Monteverdi) erstmals eine Oper mit historischem Sujet produziert worden. Einige weitere historische Opern sollten folgen, und schließlich avancierte dieser Typus in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum meistgespielten, hatte mythologische, pastorale ebenso wie allegorische Stücke zahlenmäßig bald überflügelt. Dabei zeigt sich in der Serenissima eine deutliche Vorliebe für Sujets aus der antiken griechischen und römischen Geschichte,137 vor allem aus der Zeit der römischen Republik,138 was wohl nicht zuletzt auf das politisch-ideologische Selbstbild Venedigs als Nachfolgerin hellenischer Stadtstaaten (Athen, Sparta, Theben) und legitimer Erbin des antiken Rom zurückzuführen sein dürfte.139 In den Memorie teatrali di Venezia (zuerst 1681) des Cristoforo Ivanovich – einer Sammlung von Anmerkungen zur frühen Geschichte und Institutionalisierung des venezianischen Musiktheaters – erscheint der Topos der unica Erede delle Gloria [sic!] latine an exponierter Stelle, nämlich gleich zu Beginn des ersten Kapitels:140

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Werner Braun, Die Musik des 17. Jahrhunderts, S. 86. „Ma quella che più di ogni altra costituì ben presto un inesauribile deposito di materiali per sceneggiature operistiche fu la storia romana, dapprima toccata solo incidentalmente […], ma dagli anni ’60 in avanti svaligiata ancor più dei soggetti ellenistici con sistematicità pressoché annuale“: Paolo Fabbri, Il secolo cantante, S. 190. – Vgl. dazu auch Harris Sheridan Saunders, The Repertoire of a Venetian Opera House (1678–1714): The Teatro Grimani di San Giovanni Grisostomo, Diss. Harvard 1985, S. 103. Zu entsprechenden Tendenzen in der zeitgenössischen venezianischen Historienmalerei vgl. Andrea Gottdang, Venedigs antike Helden. Die Darstellung der antiken Geschichte in der venezianischen Malerei von 1680 bis 1760, München u. Berlin 1999. Für die große Beliebtheit etwa des Scipio Africanus Maior als Sujet der Malerei wie der Oper scheint dabei laut Gottdang eine figurative Parallelisierung der Ereignisse des Zweiten Punischen Krieges mit den Abwehrkämpfen der Venezianer gegen die nach Westen vordringenden Osmanen verantwortlich zu sein (ebd., S. 51ff.). Paolo Fabbri hat ferner für die Präsenz römisch-heroischer Opern in den Theatern Venedigs gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine politische Reverenz der Venezianer gegenüber dem – in der gemeinsamen Abwehr der türkischen Expansionsbestrebungen – verbündeten Habsburger Kaiserhof – als direktem Erben des römischen Kaisertums – in Betracht gezogen: Il secolo cantante, S. 196. Cristoforo Ivanovich, Memorie teatrali di Venezia contengono diversi trattenimenti piacevoli della città, l’introduzione de’teatri, il titolo di tutti i drami rappresentati, col nome degli autori di poesia, e di musica sino a questo anno 1687, hg. v. Norbert Dubowy, Lucca 1993, S. 369.

37 Non vi fù mai alcuna Republica nel Mondo, che meglio superasse tutte le altre Republiche, che quella di Roma; nè alcun’altra, che meglio imitasse questa, che la Republica di Venezia; […] E in fatti dalle ruine di quella trasse i suoi Natali Questa, succedendo non meno al posto d’una gran Republica, che all’eredità di genio à lei tutto uniforme nella magnificenza.

Obgleich man in Venedig demnach Sujets der antiken, griechischen wie römischen Historie favorisiert,141 so ist doch auch das ,Mittelalter‘ – in dem oben definierten Sinne – als Stofflieferant für zahlreiche Opernproduktionen vertreten. Eine Auswertung der Repertoires der venezianischen Theater von 1637 bis ca. 1740 führt zu mehr als 150 Werken, denen ,mittelalterliche‘ Sujets zugrunde liegen. Diese Zahl schließt Wiederaufführungen mit ein, wenn eine Adaptation des Textes und/oder der Musik, eine damit verbundene Titeländerung oder ein Wechsel des Aufführungsortes, d. h. eine Neuproduktion an einem anderen Theater, vorliegen oder zu eruieren sind. Dabei sind alle oben genannten sieben Stoffgruppen vertreten:142 ,Zeit der Völkerwanderung‘ (23), ,Langobardenherrschaft in Italien‘ (13), ,mittelalterliches Spanien‘ (17), ,Byzanz‘ (21), ,Vorzeit der nordischen Länder‘ (14), ,zentraleuropäisches Mittelalter 800–1500‘ (38) und ,Ritterepik‘ (29). Während die Opern nach Episoden aus Ariosts Orlando furioso und Tassos La Gerusalemme liberata (die Amadis-Tradition ist in Venedig zu dieser Zeit nicht nachzuweisen) – die nach den Opern des Bereichs ,zentraleuropäisches Mittelalter‘ zahlenmäßig zweitstärkste Gruppe – bereits sehr früh in den Spielplänen erscheinen (L’Armida, 1639; La Bradamante, 1650; Il Medoro, 1658; allerdings folgt die nächste ,Epos-Oper‘ dann erst 1682: Olimpia vendicata), gelangen die übrigen ,Mittelalteropern‘ erst ab den späten 1660er und frühen 1670er Jahren, die nordischen und spanischen Sujets – wenn man einmal von den beiden frühen Ausnahmen La Torilda (1648) und Veremonda l’Amazzone d’Aragona (1652) absieht – sogar erst ab den späten 1680er und frühen 1690er Jahren auf die Bühnen der venezianischen Theater. Etwa ein Drittel aller venezianischen ,Mittelalteropern‘ bezieht sich – in unterschiedlich deutlicher Ausprägung – auf die Geschichte Italiens vom Niedergang des Weströmischen Reiches bis zur Zeit der Stauferherrschaft, seien es Sujets aus der Völkerwanderungszeit, der Periode des insbesondere für Norditalien und das Veneto bedeutsamen langobardischen Königreiches oder aus dem Bereich des ,zentraleuropäischen Mittelalters‘, d. h. aus der Zeit des fränkischen, dann vorübergehend unabhängigen und seit den Ottonen endgültig dem Herrschaftsraum des Deutschen Reiches inkorporierten Königtums Italien.

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Vgl. dazu die Einschätzung des zeitgenössischen Hamburger Librettisten Barthold Feind (in den Gedancken von der Opera): Die Itali ner halten sich mehrentheils / aus Liebe zu ihrem Vaterlande / mit R mischen und Griechischen Sujets auff / welcher Genie sie auch f)rtreflich auszuf)hren wissen / wie der unvergleichliche [Matteo] Noris erwiesen (Deutsche Gedichte, S. 84). Die Zahlenangaben in Klammern verweisen auf die Anzahl der jeweiligen Opern eines Sujetbereichs.

38 Größerer Beliebtheit erfreute sich offensichtlich der Themenkreis um die Sachsenkaiser Otto den Großen, Otto II. und Otto III. Von 1672 bis 1740 erscheinen allein fünf Opernproduktionen, die Kaiser Otto den Großen – zumeist als Gegner Berengars von Ivrea und Retter seiner zukünftigen Gemahlin Adelheid, der von Berengar bedrängten Witwe König Lothars von Italien – auf den Bühnen Venedigs präsentieren (L’Adelaide, 1672 [hier tritt nominell allerdings nicht Otto I. auf, sondern Otto II.]; Ottone il Grande, 1682/83; Adelaide, 1729; Dalisa, 1730; Ottone, 1740). Drei Drammi per musica thematisieren weiterhin Konflikte und Spannungen zwischen West- und Ostkaisertum im Vorfeld der Vermählung Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu (La moglie nemica, 1694; Foca superbo, 1716; Amore e sdegno, 1726), während eines, der als Tragedia per musica bezeichnete Ottone (1694), Otto III. bei einem Italienaufenthalt im Zentrum einer an Liebesintrigen und tragischen Verwicklungen reichen Handlung zeigt, die allerdings im lieto fine aufgelöst werden.143 Wie bei den Stoffen der antiken Historie dürften auch für die Auswahl von Sujets aus der nachantiken, mittelalterlichen Geschichte Italiens spezifische, mitunter politisch-propagandistisch motivierte Strategien der Identifikation mit – oder auch antagonistischen Distanzierung von – historischen Figuren und Ereignissen entscheidend gewesen sein, und zwar von seiten der Opernproduzenten wie des venezianischen Publikums. An den zahlreichen Opern aus der für Italien turbulenten Völkerwanderungszeit, aus den Epochen des sich auf italienischem Boden etablierenden Langobardenreiches und des nach Italien ausgreifenden deutschen Königtums läßt sich ein ausgeprägtes Interesse der Zeitgenossen an der eigenen kollektiven Vergangenheit – an der „Imagination einer in die Tiefe der Zeit zurückreichenden Kontinuität“144 – wie der sich darüber konstituierenden soziokulturellen Identität ablesen, das bisweilen über eine grundsätzliche Relevanz der jeweiligen Opernhandlung als unterhaltsames und zugleich lehrhaftes historisches Exemplum deutlich hinausgehen mag. Denn, so Jan Assmann, „Gruppen stützen typischerweise [...] das Bewußtsein ihrer Einheit und Eigenart auf Ereignisse in der Vergangenheit. Gesellschaften brauchen die Vergangenheit in erster Linie zum Zwecke ihrer Selbstdefinition.“145 Auch für die Wahl der spanischen und byzantinischen Sujets sind möglicherweise Kriterien relevant, die jenseits der Ebenen des Didaktisch-Lehrhaften und

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Zu den historischen Beziehungen Venedigs zum ottonischen Königshaus vgl. etwa Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Venedigs, Darmstadt 1976 (Grundzüge 28), S. 23–33 (beispielsweise vermählte sich der Doge Petrus IV. Candiano, 959–976, mit einer Nichte der Kaiserin Adelheid). – S. insbesondere auch Girolamo Frigimelica Robertis Vorrede L’Autore à chi legge zu Ottone (1694), die gleich zu Beginn auf die einstigen Verbindungen zwischen Venedig (vostri Maggiori [die Vorfahren der venezianischen Adressaten], der Doge Pietro Orseolo [991–1009]) und Otto III. verweist: OTTONE. Tragedia Per Musica Fatta Da rappresentarsi nel Teatro di S. Gio. Grisostomo. L’Anno M.DC.XCIV. Dedicata A Sva Altezza Serenissima Elettorale Ernesto Avgvsto Duca di Bronsuich, e Lunebourg &c. Elettore del S.R.I. (I-Vnm, Dramm. 974.1), S. 9. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992, S. 133. Ebd., S. 132f.

39 Spektakulär-Exotischen liegen. So florierten die im östlichen Mittelmeerraum lokalisierten Stoffe vornehmlich in der Zeit der wachsenden Auseinandersetzungen Venedigs mit den Osmanen, den Überwindern Konstantinopels, als der „Nahe[] Orient zu einem Haupttheater europäischer Politik“ avancierte,146 während die spanischen in den Jahren kurz vor und zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges, in dessen Verlauf sich die französisch-österreichischen Kampfhandlungen auf italienischem Boden z. T. in unmittelbarer Nähe der Serenissima abspielten,147 vermehrt auf den Opernbühnen in Erscheinung traten. Speziell für die byzantinischen Sujets dürfte ferner die historische Perspektive bedeutsam gewesen sein, d. h. sie reflektieren doch wohl auch die intensiven Kontakte und Beziehungen zwischen Venedig und dem Byzantinischen Kaiserreich auf politischem, ökonomischem wie kulturellem Gebiet seit der Spätantike.148 Zugleich ist nun aber auch zu konstatieren – gerade mit Blick auf Sujets der Gruppe ,zentraleuropäisches Mittelalter‘ –, daß Opernhandlungen und ihre Protagonisten auf die im Libretto genannten Widmungsträger bezogen werden, mit anderen Worten: Es sind bisweilen panegyrische Tendenzen der venezianischen Opernproduzenten gegenüber ihren von weit angereisten hochadligen Opernbesuchern und Gönnern auszumachen,149 die für die Wahl eines bestimmten Sujets und seine dramatische Ausgestaltung ausschlaggebend gewesen sein dürften. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: 1694 hatte der Librettist Girolamo Frigimelica Roberti seine zur Karnevalssaison150 im Teatro Grimani di San Giovanni Grisostomo, dem größten und prächtigsten Theater der Stadt,151 aufgeführte ,Tragedia per musica‘ Ottone Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg gewidmet, der vielfältige Beziehungen nach Venedig

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Ekkehard Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645– 1700, München 1970, S. 14. Dazu auch Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Venedigs, S. 155–159. Vgl. Harris Sheridan Saunders, The Repertoire of a Venetian Opera House, S. 17. Vgl. Manfred Hellmann, Grundzüge der Geschichte Venedigs, S. 198f. et passim; Frederic C. Lane, Seerepublik Venedig, München 1980 (speziell zu den künstlerischen Beziehungen, etwa mit Blick auf San Marco: S. 309–315). Die Liste der von Harris Sheridan Saunders genannten fürstlichen ,Venedig-Touristen‘ ist lang, sie umfaßt u. a. Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg mit seinen Söhnen Maximilian Wilhelm und Georg Ludwig, Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen und seinen Enkel Friedrich August II., Kurfürst Max Emanuel von Bayern, Herzog Viktor Amadeus von Savoyen, Prinz Ferdinando von Toskana, ebenso wie König Friedrich IV. von Dänemark und Herzog Ferdinando Carlo von Mantua (The Repertoire of a Venetian Opera House, S. 19f.). Angesichts dieser hochrangigen Gäste fiel nicht zuletzt den Opernhäusern, allen voran dem Teatro San Giovanni Grisostomo, die Rolle eines Instruments städtischer Propaganda zu, wenn es etwa darum ging, ausländische Potentaten für die Interessen der Serenissima einzunehmen. Darüber hinaus nutzte insbesondere die Familie Grimani ihr Theater aber auch als Ort diplomatischer Verhandlungen und geheimer politischer Vereinbarungen mit auswärtigen Regenten oder deren Vertretern (ebd., S. 20ff.). Über die alljährliche Hauptspielzeit, die vom 26. Dezember bis Fastnachtsdienstag reichende Karnevalssaison, hinaus gab es in Venedig zeitweilig Nebenspielzeiten im Herbst und im Frühjahr (um Christi Himmelfahrt). Vgl. Harris Sheridan Saunders, The Repertoire of a Venetian Opera House, S. 4.

40 unterhielt: Er und sein älterer Bruder Johann Friedrich, dem seinerseits 1672 das Dramma per musica L’Adelaide zugeeignet worden war,152 waren nicht nur begeisterte Opernliebhaber und daher über viele Jahre hinweg mehr oder weniger regelmäßig zur Opernsaison in die Lagunenstadt gereist, sondern sie hatten die Venezianer zudem seit 1669 mehrmals mit Hilfstruppen im Kampf gegen die Osmanen unterstützt.153 In der Vorrede an Ernst August rechtfertigt Frigimelica Roberti seine Dedikation mit dem spezifischen Verweischarakter des Sujets um Kaiser Otto III.; er macht dabei zum einen die enge Beziehung der Welfen zum ottonischen Kaiserhaus und damit die große Bedeutung der Vorfahren des Herzogs für die deutsche und italienische Geschichte geltend – so habe doch Azzo [II.] von Este, d. h. der erst kürzlich (1690) von Leibniz zweifelsfrei nachgewiesene gemeinsame Stammvater der Welfen und Este,154 den Sachsenkaisern den Weg zum Imperium geebnet155 –, zum anderen stellt er einen Bezug her zwischen der angeblich von Otto III. betriebenen Einsetzung von Kurfürsten zur Wahl des deutschen Königs und der Verleihung der neunten Kurwürde an Herzog Ernst August im Jahre 1692: Die Librettodichtung entwerfe, male gewissermaßen die Erhebung des Herzogs zum Kurfürsten im Schatten des alten Exempels.156 Die zweite Szene des ersten Aktes zeigt denn

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L’ADELAIDE Drama per Musica, Da Rappresentarsi nel Teatro Vendramino à San Saluatore. L’Anno M.DC.LXXII. Consacrato All’ Altezza Sereniss. Del Prencipe Gio. Federico Duca di Bransuich, Luneburgo, &c. (D-W, Textb. Sammelbd 14 [2]). – Auch in diesem Fall liegt eine panegyrische Referenz vor, die vielleicht auf der dynastischen Kontinuität zwischen Welfen und Liudolfingern/Ottonen beruht. Womöglich, so hat Reinmar Emans aufgrund der Existenz eines Hannoveraner Partiturautographs vermutet, wurde die von Johann Friedrichs Kapellmeister Antonio Sartorio vertonte Oper bereits zur Hochzeit des welfischen Herzogs mit Benedicta Henrietta von der Pfalz im Jahr 1668 aufgeführt (vgl. Reinmar Emans, Die beiden Fassungen von Antonio Sartorios Oper ,L’Adelaide‘. Unter besonderer Berücksichtigung des in Hannover verwahrten Autographs, in: Alberto Colzani u. a. [Hgg.], Il melodramma italiano in Italia e in Germania, S. 59–79). Einen Höhepunkt unter Ernst Augusts zahlreichen Venedig-Aufenthalten stellte sicherlich der großartige, mit aufsehenerregenden Festlichkeiten verbundene Empfang dar, den Marco Contarini dem verbündeten Herzog 1685 in Piazzola sul Brenta bereitete (vgl. Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function, S. 269f.). Vgl. Werner Conze, Leibniz als Historiker, S. 12. – Die von Leibniz im Zuge seiner Forschungen zur welfischen Genealogie entdeckte dynastische Verbindung der Häuser Braunschweig und Este – nämlich über den Otbertiner Markgrafen Azzo II. († 1097) und seine welfische Gemahlin Kuniza († vor 1055) – sollte 1695 zu einer neuerlichen dynastischen Verknüpfung der beiden Familienzweige führen, und zwar in der Vermählung Rinaldos III. von Modena mit Charlotte Felicitas, einer Tochter Herzog Johann Friedrichs von Braunschweig-Lüneburg (vgl. dazu Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses 1680–1714, Hildesheim 1967 [Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 71], S. 70). Azone d’Este, chiamato Flagello di Berengario, e liberator dell’Italia, fù quello che aprì agli Ottoni la via dell’Imperio; cominciando già tanti secoli la vostra gloriosissima stirpe à far gl’Imperatori con la sua mano: OTTONE. Tragedia Per Musica, S. 5. Ebd., S. 6. – Frigimelica Roberti war ein langjähriger, enger Freund des Hannoveraner Kapellmeisters Agostino Steffani und dürfte folglich über die politischen Verhältnisse des Hannoveraner Hofes – und vielleicht auch über Leibniz’ historische Forschungen – sehr gut informiert gewesen sein. Freilich erweist sich seine Zuordnung des welfischen Ahnen

41 auch Otto bei der Verabschiedung eines Ediktes, das die Königswahl in die Hände der deutschen Fürsten legt. Zum zweiten Beispiel: Im Herbst des Jahres 1710 gelangte ebenfalls im Teatro San Giovanni Grisostomo das Dramma per musica Isacio tiranno von Francesco Briani erstmalig zur Aufführung, die Musik hatte Antonio Lotti komponiert.157 Grundlage der Opernhandlung ist die historische Auseinandersetzung zwischen Richard Löwenherz, König von England, und Isaak Komnenos, dem byzantinischen Machthaber auf Zypern, und zwar im Vorfeld des 3. Kreuzzuges, während Richards Seereise ins Heilige Land im Jahre 1191. Ausgelöst wurde der Konflikt durch die feindselige Haltung Isaaks gegenüber dem englischen König und seinem Gefolge, nachdem Richards Schwester sowie seine zukünftige Gemahlin, Johanna von Sizilien und die in ihrer Begleitung befindliche Prinzessin Berengaria von Navarra, infolge eines Seesturmes an die zyprische Küste verschlagen worden waren. Der Übermacht des englischen Kreuzfahrerheeres waren Isaaks Truppen allerdings nicht gewachsen, so daß man schon nach wenigen Tagen, am 12. Mai 1191, Richards Vermählung mit Berengaria in Limassol feiern konnte; binnen eines Monats war die Insel erobert, Isaak Komnenos entmachtet und die englische Flotte erneut auf ihrem Weg nach Palästina.158 Als Widmungsträger nennt das Libretto John Churchill, Herzog von Marlborough, den gefeierten englischen Feldherrn und neben Prinz Eugen von Savoyen herausragenden Strategen auf Seiten der antibourbonischen Koalition im Spanischen Erbfolgekrieg. Die panegyrische Anspielung, die sich aus der vergleichenden Gegenüberstellung des Heroen Richard Löwenherz und seines heldenhaften Landsmannes und Nachfolgers Marlborough ergibt, ist nicht zu übersehen: Mit dem Isacio tiranno erweist das Venezianer Patriziat – und das heißt insbesondere die Familie Grimani als Opernunternehmer – dem Sieger von Höchstädt und Ramillies seine Reverenz. Zugleich lenkt die Oper den Blick wiederum auf die Geschichte der Republik Venedig, indem mit der Wahl des Schauplatzes Zypern an die vormalige, im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich nun wieder angestrebte Machtposition der Serenissima im östlichen Mittelmeerraum erinnert wird. Die beiden Beispiele dürften gezeigt haben, daß der öffentlichkommerzielle, dem freien Impresariat verpflichtete Opernbetrieb der venezianischen Theater – in diesem Falle des von den Brüdern Giovanni Carlo und Vincenzo Grimani geführten Teatro San Giovanni Grisostomo – auf den

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Azzo zur Epoche der Ottonen (s. o.) als anachronistisch; sie könnte auf einer Verwechslung beruhen: mit Azo, einem Emissär Papst Johannes’ XII. an Kaiser Otto I. im Jahr 960. ISACIO TIRANNO Drama per Musica Da Rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo L’Autunno dell’Anno 1710. Consacrato All’Altezza Serenissima di Giovanni Prencipe del S.R.I. di Mindelheim, Duca di Marlborough […] Ambasciadore Straordinario, e Plenipotentiario della detta Regina Britanica, appresso gli Stati Generali delle Provincie unite, e Generale delle Armate Confederate, &c. (I-Vnm, Dramm. 1207.9). Vgl. Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde, München 1957–1960, hier Bd. 3, S. 43ff., sowie Peter W. Edbury, The Kingdom of Cyprus and the Crusades, 1191– 1374, Cambridge [usw.] 1991, S. 3ff.

42 zweiten Blick doch gewisse Elemente höfischer Kultur adaptiert hat. Sie kommen sowohl hinter der zur Schau gestellten Prachtentfaltung und Verschwendungssucht des Musiktheaters als auch seiner auf den jeweiligen fürstlichen Widmungsträger zugeschnittenen politischen Funktionalisierung zum Vorschein. Frigimelica Robertis Ottone wie Brianis Isacio tiranno weisen insofern mehr oder minder deutliche Parallelen zum Typus der gerade an deutschen Höfen präsenten ,dynastischen Mittelalteroper‘ auf, wenn sie auch auf offene, d. h. von der Bühne herab vorzubringende Glorifizierungen fürstlicher Adressaten verzichten. Freilich ist zugleich venezianisches Selbstbewußtsein mit im Spiel, wenn Girolamo Frigimelica Roberti in seiner allgemeinen Vorrede zum Ottone (L’Autore à chi legge) die tragedia als Gattung in Beziehung zur republikanischen Staatsform setzt: Sofern nämlich die Tragödie Irrtümer und Verfehlungen souveräner Regenten – im Ottone etwa die gravierenden Fehlentscheidungen Kaiser Ottos III. – darstelle, komme die Gattung vice versa einem Lobgesang auf die den Unwägbarkeiten der monarchischen Staatsform enthobene Republik gleich.159

Wien Als bedeutendstes Zentrum der italienischen Oper nördlich der Alpen kann im 17. und frühen 18. Jahrhundert der Wiener Kaiserhof gelten.160 Die Residenz der Habsburger Kaiser nimmt dabei für den Prozeß der Verbreitung der italienischen, im engeren Sinne venezianischen Oper im Gebiet des Deutschen Reiches und darüber hinaus eine wichtige Vermittlerposition ein. Denn einerseits unterhielt Wien intensive politische wie kulturelle Kontakte nach Oberitalien – so dürfte etwa der Import der italienischen Oper nach Wien vornehmlich auf den Einfluß der beiden Kaiserinnen Eleonora aus dem Haus Gonzaga zurückzuführen sein161 –, andrerseits kam der kaiserlichen Residenz „nicht nur aufgrund ihrer herausgehobenen politischen Position, sondern auch wegen der ungewöhnlichen Kontinuität ihrer Oper“ gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine zentrale Vorbildfunktion für die Opernpraxis der deutschen Höfe zu.162 Der Beginn einer institutionalisierten Opernpflege in Wien fällt in

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Gli errori de Monarchi in quelle [tragedie, d. V.] rappresentanti [sic!] mostrano l’eccellenza, e la felicità dello Stato diverso; e però la Tragedia è un misterioso Panegirico della pubblica libertà: OTTONE. Tragedia Per Musica, S. 9. Zu Frigimelica Robertis Ottone s. auch Karl Leich, Girolamo Frigimelica Robertis Libretti (1694–1708). Ein Beitrag insbesondere zur Geschichte des Opernlibrettos in Venedig, München 1972 (Schriften zur Musik 26), S. 18–27. Zur Opernpraxis am Wiener Kaiserhof vgl. vor allem Franz Hadamowsky, Barocktheater am Wiener Kaiserhof, und Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof. Vgl. Susanne Rode-Breymann, Die beiden Kaiserinnen Eleonora oder: Über den Import der italienischen Oper an den Habsburger Hof im 17. Jahrhundert, in: Norbert Bolin u. a. (Hgg.), Aspetti musicali. Musikhistorische Dimensionen Italiens 1600 bis 2000, FS Dietrich Kämper, Köln 2002, S. 197–204. Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 89.

43 die Regierungszeit Kaiser Leopolds I., ihr Ausbau setzte sich unter seinen Nachfolgern Joseph I. und Karl VI. stetig fort, so daß am Wiener Kaiserhof von 1659 bis 1740, d. h. bis zum Todesjahr Karls VI., kontinuierlich Opern gespielt wurden. Erst Maria Theresia, Karls Tochter und Erbin, löste die Hofoper infolge der durch ihre Thronfolge ausgelösten politischen Wirren vorübergehend auf. Den künstlerischen Führungsanspruch des Wiener Hofes suchten die Habsburger Kaiser seit Leopold I. – und zwar nicht zuletzt in direkter Rivalität mit dem Hof von Versailles um die politische und kulturelle Vorherrschaft in Europa163 – auch dadurch zu untermauern, daß sie herausragende italienische Künstler und Literaten an den Wiener Hof holten, um ihnen leitende Funktionen innerhalb des Opernsystems zu übertragen.164 Zu nennen wären hier etwa die Komponisten Antonio Draghi, Antonio Caldara und Giovanni Bononcini, die Librettisten Nicolò Minato, Apostolo Zeno, Pietro Pariati und Pietro Metastasio, oder die Bühnenbildner und Theaterarchitekten der Familien Burnarcini und Galli-Bibiena. Verglichen mit dem Venezianer Opernbetrieb stellt die Wiener Hofoper freilich ein Gegenmodell dar, ist doch ihr ,Publikum‘ ein exklusiv höfisches: Ihm gehörten in der Regel neben der kaiserlichen Familie „der Hofstaat, hoher und niederer Adel, Geistlichkeit, Botschafter und Gesandte und andere bedeutende ausländische Besucher“ an,165 im Falle einer Kammeraufführung in den kaiserlichen Privatgemächern sogar nur ein kleiner Kreis um die Kaiserfamilie, einschließlich des spanischen Gesandten, da dieser „wegen der engen Verwandtschaft der spanischen Regenten quasi als Mitglied des kaiserlichen Haushalts angesehen wurde“.166 Zudem waren die Opernaufführungen zumeist in den höfischen Festkalender integriert, d. h. die Geburts- und Namenstage des Kaisers und der Kaiserin sowie einiger anderer ranghoher Mitglieder der kaiserlichen Familie, dazu außergewöhnliche Ereignisse wie Hochzeiten oder Geburten lieferten die Anlässe für die Vorstellungen.167 Lediglich in der Karnevalszeit, vom 6. Januar bis zum Fastnachtsdienstag, wurden Opern außerhalb der Serie der dynastischen Festtage gespielt.

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Vgl. dazu etwa Peter Burke, Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs, Berlin 1993, S. 207ff., oder Susanne Rode-Breymann, Regionalgeschichte – eine unverzichtbare Teildisziplin der Opernforschung? Überlegungen am Beispiel von Wien, in: Arnfried Edler u. Joachim Kremer (Hgg.), Niedersachsen in der Musikgeschichte. Zur Methodologie und Organisation musikalischer Regionalgeschichtsforschung, Augsburg 2000 (Publikationen der Hochschule für Musik und Theater Hannover 9), S. 221–231, hier S. 230f. „Das österreichische Barockzeitalter ist ein ungemein komplexes Phänomen. Die habsburgische Hauptstadt, die zunehmend zum Gegenpol der französischen Metropole wurde, war ein Zentrum europäischer Politik und weltoffenen Geistes, während der Horizont der meisten anderen deutschen Höfe begrenzt war. Die Verherrlichung des Kaisertums, einer immer noch ehrwürdigen und weithin respektierten Institution, die durch die Türkenkriege in neuem Glanz erstrahlte, dienten Dichter und Komponisten, Schauspieler und Sänger, Architekten, Maler und Bildhauer – und Historiographen“: Peter Moraw, Kaiser und Geschichtschreiber um 1700, in: Die Welt als Geschichte 22 (1962), S. 162–203 [Teil I], u. 23 (1963), S. 93–136 [Teil II], hier 22 (1962), S. 170. Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 17. Ebd., S. 18. Vgl. dazu Franz Hadamowsky, Barocktheater am Wiener Kaiserhof, S. 21.

44 Angesichts der mehreren hundert Opern und musiktheatralischen Werke, die zwischen 1659 und 1740 am Wiener Hof aufgeführt wurden,168 erscheint die Zahl der für die kaiserliche Residenz produzierten Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet verschwindend gering: Lediglich 11 Werke können als ,Mittelalteropern‘ ausgemacht werden. Mit Blick auf die eruierten Sujetkategorien ergibt sich folgendes Bild: Jeweils ein Werk kann den Stoffbereichen ,Byzanz‘ (L’Atenaide, 1714), ,nordische Vorzeit‘ (Sirita, 1719) und ,Ritterepik‘ (Angelica vincitrice di Alcina, 1716; nach Ariosts Orlando furioso) zugeordnet werden, während jeweils zwei den Gruppen ,mittelalterliches Spanien‘ (L’amare per virtù, 1697; Amor tra nemici, 1708) und ,Langobardenherrschaft in Italien‘ (Gundeberga, 1672; L’Alboino, 1707) zuzurechnen sind; vier Opern lassen sich der Gruppe ,zentraleuropäisches Mittelalter 800–1500‘ zuweisen, und zwar zum einen die vornehmlich literarischen Vorlagen verpflichteten Drammi per musica Griselda (1725; im wesentlichen nach Giovanni Boccaccios Il Decamerone) und Venceslao (1725; nach Jean de Rotrous Venceslas), beide verfaßt vom kaiserlichen Hofpoeten und Hofhistoriographen Apostolo Zeno,169 zum anderen zwei Sujets aus dem schon in Venedig beliebten Stoffkreis um Kaiser Otto den Großen, Baldracca (1679) und L’Adalberto overo La forza dell’astuzia femminile (1697). Es mag sich nun die Frage aufdrängen, welche Faktoren wohl für die sehr mäßige Präsenz ,mittelalterlicher‘ Sujets am Wiener Hof ausschlaggebend waren, oder anders gesagt, warum sich das Interesse des Habsburger Kaiserhofes für entsprechende Opern sehr in Grenzen hielt – denn daß Wien als Spielort unter diesem Aspekt eine gewisse Signifikanz zukommt, zeigt nicht nur der Vergleich mit dem Repertoire der venezianischen Theater, sondern auch mit den Spielplänen einzelner Bühnen im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. So können etwa für die Hamburger Gänsemarkt-Oper und das Braunschweiger Hagenmarkt-Theater, die sich aufgrund der Kontinuität ihres Opernbetriebs einigermaßen mit der Wiener Hofoper vergleichen lassen, im selben Zeitraum ungefähr viermal bzw. dreimal so viele ,Mittelalteropern‘ nachgewiesen werden. Fragt man umgekehrt, welche Sujets sich am Wiener Hof um 1700 besonderer Beliebtheit erfreuten, stößt man auf Stoffe der antiken Mythologie und Geschichte, wobei letztere vor allem mit griechischen und römischen Sujets in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eindeutig tonangebend wird.170 Die Vorliebe für historische Stoffe vorwiegend antiker Provenienz beschränkt sich – wie am Beispiel Venedigs zu sehen war – um 1700 freilich nicht auf den

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Franz Hadamowsky nimmt „rund 200 Opernpremieren“ allein während der Regierungszeiten Leopolds I. und Josephs I. an (1657–1711): Wien. Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, Wien u. München 1988 (Geschichte der Stadt Wien 3), S. 144. Beide Libretti hatte Zeno allerdings bereits vor seiner Wiener Zeit für venezianische Theater geschrieben: Griselda für das Teatro San Cassiano (1701), Venceslao für das Teatro San Giovanni Grisostomo (1703). Vgl. Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 246f.

45 Wiener Hof. Dennoch mag man der Habsburger Residenz gerade im Hinblick auf die Rezeption griechischer und römischer Sujets einen gewissen Sonderstatus einräumen. In Wien nämlich ist die verstärkte Präsenz herausragender Gestalten der griechischen und römischen Historie auf der Opernbühne in einem Begründungszusammenhang zu sehen, der über die an zahlreichen Residenzen übliche, gewissermaßen zeittypische Funktionalisierung antiker Herrscher oder mythologischer Heroen als Vorbilder, Abbilder oder Exempla regierender Fürsten und Fürstinnen hinausgeht.171 Es wurde bereits an früherer Stelle angedeutet, daß sich die Habsburger – die sich die deutsche Kaiser- bzw. Königskrone seit Albrecht II. (1438) ohne Unterbrechung für ihre Dynastie gesichert hatten – aufgrund ihrer Kaiserideologie und der damit verbundenen translatio imperii-Vorstellung als direkte Nachfolger der antiken Beherrscher des vierten, griechisch-römischen Weltreichs, und das heißt zuvorderst als legitime Erben der römischen Caesaren und Imperatoren, ansahen.172 Dieser ideologische Anspruch, dem sowohl für die Legitimation der habsburgischen Kaiserherrschaft nach innen (also gegenüber den Reichsständen) als auch für die Demonstration von Macht und Stärke nach außen (speziell gegenüber dem ,Erzrivalen‘ Frankreich) eine immense politische Bedeutung beigemessen werden muß, manifestierte sich zur Zeit Leopolds I., Josephs I. und vor allem Karls VI. in unterschiedlichsten Kunst- und Repräsentationsformen,173 von

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Vgl. dazu Friedrich Polleross, Alexander redivivus et Cleopatra nova. Daher bleibt denn auch in der österreichischen Historiographie, die freilich die habsburgische Kaiserideologie stützt, die überkommene christlich-theologische Periodisierung der Universalgeschichte durch die ,vier Monarchien‘ wesentlich länger im Gebrauch als im protestantischen Norden des Reiches; sie wird erst relativ spät von der neuen triadischen Epocheneinteilung (Antike, Mittelalter, Neuzeit) abgelöst (vgl. Anna Coreth, Österreichische Geschichtschreibung in der Barockzeit [1620–1740], Wien 1950 [Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 37], S. 25f.). So ließ etwa Leopold I. 1673 für die Wiener Hofburg drei Gobelin-Serien erwerben, die jeweils Leben und Taten des Romulus, des Remus und Konstantins des Großen zum Thema hatten; 1679 kam eine acht Stücke umfassende Gobelin-Serie mit einer Geschichte Julius Caesars hinzu (vgl. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 283). Von ungleich plakativerer Aussagekraft sind dagegen die großen Marmorstatuen Karls VI. aus der Prager Burg (heute Schloß Laxenburg bei Wien) oder in der Wiener Hofbibliothek, die den Kaiser im Habitus eines römischen Caesaren mit Muskelpanzer und Feldherrnmantel zeigen (ebd., Abb. 53, 58 u. 121). – „Vor allem wurde auch der Baustil des Hofes auf ,römische Art‘ ausgerichtet. In dem Dekret, mit dem der jüngere Fischer von Erlach nach einer langen, vom Kaiser finanzierten Studienreise nach Rom, Paris und London 1722 in das kaiserliche Hofbauamt aufgenommen wurde, [...] werden seine Eignung für diese Stellung und seine Aufgaben als Hofarchitekt damit begründet, daß er nicht nur in der anheutigen Neuen, sondern auch in der dermahlen fast in Abgang gekommenen alt Römischen architektur erfahren sei. Mit Hilfe dieser ,altrömischen Architektur‘ sollte die Idee der Kontinuität des römischen Kaisertums bis zu Karl VI., die Translatio Imperii Romani auf sein Herrschertum und der Charakter seiner Residenzstadt Wien als Nova Roma anschaulich gemacht werden“: Franz Matsche, Gestalt und Aufgabe der Kunstunternehmungen Kaiser Karls VI., in: Arnfried Edler u. Friedrich W. Riedel (Hgg.), Johann Joseph Fux und seine Zeit. Kultur, Kunst und Musik im Spätbarock, Laaber 1996 (Publikationen der Hochschule für Musik und Theater Hannover 7), S. 35–73, hier S. 38 (Hervorhebungen im Original).

46 denen die Oper nur eine darstellt,174 aber deren Aussage- und Wirkungskraft als instrumentum regni zur damaligen Zeit nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Indem die habsburgische Kaiserideologie die römischen Imperatoren als Präfigurationen ihrer deutschen Herrschaftsnachfolger aus dem Haus Habsburg auffaßt, stützt sie sich dabei auf figurale, „quasi-typologische Verfahrensweisen“,175 die zwar ursprünglich – in der Gegenüberstellung von Personen und Ereignissen des Alten und Neuen Testaments als ,Typen‘ und ,Antitypen‘, wobei das „Spannungsverhältnis der Steigerung des Alten in das Neue“176 konstitutiv ist – dem Bereich der mittelalterlichen christlich-theologischen Hermeneutik entstammen, nun aber aus ihrem exegetischen Zusammenhang herausgelöst und in einen profanhistorischen, wenn auch z. T. immer noch heilsgeschichtlich aufgeladenen, Kontext überführt werden.177 Die mit diesen Deutungsmustern einhergehende „überhöhende Variation“ impliziert nun – anders als im System der heilsgeschichtlichen Typologie – „nicht mehr Erfüllung eines immer schon vorgeprägten Sinns, sondern Vorstoß zu etwas Neuem“: „Das quasi-typologische Denkmuster erlaubt also gerade das, was es seinem ursprünglichen Prinzip nach verhindert hat, die Vorstellung eines Fortschreitens: Wiederholung als Entwicklung“.178 In Giovanni Bononcinis 1704 am Wiener Hof uraufgeführter Festa per musica Il ritorno di Giulio Cesare vincitore della Mauritania – deren Libretto von Donato Cupeda verfaßt wurde – gelangen die imperiale Ideologie der Habs-

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Auf einige Opern mit römischen Sujets bzw. Protagonisten habe ich oben, S. 17 Anm. 49, hingewiesen. – Zur „ideologischen Funktion“ der Wiener Hofoper vgl. insbesondere Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 111ff. Walter Haug, Ethik und Ästhetik in Gottfrieds von Straßburg Literaturtheorie, in: ders., Literaturtheorie im deutschen Mittelalter von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Darmstadt 21992, S. 197–227, hier S. 225. Friedrich Ohly, Halbbiblische und außerbiblische Typologie, in: ders., Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, S. 361–400, hier S. 363. Friedrich Ohly hat in diesem Zusammenhang von „außerbiblischer Typologie“ gesprochen und u. a. auf den „,Alexanderroman‘ des Archipresbyters Leo“ (10. Jh.) als Beispiel verwiesen, der „Alexander in ein präfiguratives Verhältnis zum christlichen Herrscher“ stelle: Synagoge und Ecclesia. Typologisches in mittelalterlicher Dichtung, in: ders., Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, S. 312–337, hier S. 330. Walter Haug, Ethik und Ästhetik in Gottfrieds von Straßburg Literaturtheorie, S. 226. Haug bezieht sich in seinen Ausführungen zwar vornehmlich auf die höfische Romanliteratur des 12. und 13. Jahrhunderts, doch scheinen mir seine Überlegungen in einigen Punkten ohne weiteres auf die habsburgische Herrscherpanegyrik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts übertragbar. – Wilhelm Voßkamp hat hinsichtlich identischer Deutungsmuster in Lohensteins Arminius von „historisch-politischer Figuration“ gesprochen: „Weit zurückreichende Vergangenheit wird mit momentaner Gegenwart in der Weise verknüpft, daß historische Persönlichkeiten auf politische Gestalten der Zeitgeschichte gedeutet – oder umgekehrt zeitgenössische politische Repräsentanten nach Vorbildern großer Vergangenheit gezeichnet sind. Es liegt hier eine Form des Zeit-Analogiedenkens zugrunde, das jenseits jeder heilsgeschichtlichen Konzeption rein formal Parallelen zu einem typologischen oder figuralen Denken aufweist“ (Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung, S. 212; Hervorhebung im Original).

47 burger Dynastie und ihre gedankliche Grundlage mustergültig und überdeutlich zur Geltung. Hier wird nicht nur der Protagonist der Bühnenhandlung – der große Feldherr und ,Urahn‘ aller römischen und römisch-deutschen Kaiser Julius Caesar – in ein ,quasi-typlogisches‘ Verhältnis zum Adressaten der Oper, dem Römischen König und damit Anwärter auf die Kaiserkrone Joseph, gesetzt, sondern darüber hinaus wird die historische Bühnenhandlung selbst auf das die Opernhandlung veranlassende Ereignis bezogen: Die so lange ersehnte Heimkehr Julius Caesars von der Unterwerfung Mauretaniens präfiguriert die glückliche Heimkehr des Römischen Königs Joseph von der Eroberung der französischen Festung Landau während des Spanischen Erbfolgekrieges, die mit Cupedas und Bononcinis Produktion gefeiert wird. Der Werktitel (mit Angabe des Kasus) weist nachdrücklich auf diese ,quasi-typologische‘ Bezugnahme hin, ebenso das kurze Argomento des handschriftlichen Librettos, wo es zuletzt heißt: S’introduce nel componimento il ritorno di Cesare trionfante dell’ Africa, allusiuo alla uittoria della M:tà del Rè de’ Romani sopra i Francesi nell’ acquisto dell’ importantissima Piazza di Landau, che si figura venir predetta dall’ Aruspice Spurina.179 Auf der Ebene der konkreten Bühnenhandlung ist es mithin der Seher Spurina, der dem ruhmreichen, unübertrefflichen Caesar und zugleich dem höfischen Opernpublikum gegen Ende des einteiligen Werkes die Ankunft eines noch größeren, noch mächtigeren Nachfolgers in der Person Josephs prophezeit und damit die figurale Überhöhung Caesars durch den soeben aus Landau zurückgekehrten Römischen König von der Bühne herab resümiert: Sì, sì, uerrà GIVSEPPE, il cui ualore | Stabilirà più ferma, e più uerace | Al patrio Impero, e sicurezza, e pace.180 Um auf die oben aufgeworfene Frage bezüglich der geringen Präsenz der ,Mittelalteroper‘ am Wiener Hof zurückzukommen: Es dürfte zumindest in Ansätzen deutlich geworden sein, daß die Selbstdefinition der Habsburger Kaiser als Herrscher über das vierte und damit heilsgeschichtlich letzte Weltreich sowie ihre daraus abgeleitete exponierte Positionierung als legitime Erben antiker Regenten und Heroen der Rezeption antiker Kultur – in unterschiedlichsten Bereichen – eine zentrale, ja exklusive Bedeutung verschafft haben. Die „beherrschende Rolle des in jeder Hinsicht verbindlichen Vorbildes“181 führt umgekehrt nun freilich dazu, daß außerhalb der Antike liegende Themen und Modelle in den Hintergrund treten. Gerade in der Oper als hochwirksamem – weil einen breiten, wenn auch bisweilen sozial eingeschränkten Adressatenkreis

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IL RITORNO DI GIULIO CESARE VINCITORE DELLA MAURITANIA. Festa per Musica Nel Felicissimo Ritorno Della S. R. M[aestà] Di Givseppe I. Rè de’ Romani Dal Conquisto Dell’ importantiss:ma Piazza di Landau. L’anno 1704. (D-Dl, MT. 2546, misc.2; hs. Partitur in: A-Wn, Mus. Hs. 16019) [ohne Paginierung]. – (Die Rückkehr des über Afrika triumphierenden Caesar erscheint in diesem Werk als Anspielung auf den Sieg des Römischen Königs über die Franzosen bei der Eroberung der wichtigen Festung Landau, welcher [= der Sieg] sich als vom Seher Spurina vorhergesagt darstellt. [Übersetzung d. V.]) Ebd. – (Ja, ja, Joseph wird kommen, dessen heldenhafte Tapferkeit dem Römischen Reich Sicherheit und Frieden noch stärker und wahrhaftiger erhalten wird [als du, Caesar].) Manfred Fuhrmann, Antike (Rezeption), S. 72.

48 erreichendem – Medium herrscherlicher Repräsentation und Legitimation schlägt sich diese Entwicklung nieder. Denn die aus politisch-ideologischen Gründen betriebene Fixierung auf griechische wie römische Sujets und Protagonisten läßt kaum Raum für Stoffe aus der mittelalterlichen oder auch zeitgenössischen Geschichte. Für die Wiener Hofoper sind ,mittelalterliche‘ Sujets nicht attraktiv, weil diese kaum die vorgegebene Kaiserideologie transportieren und somit nur peripher ins Selbstbild einer sich auf antike Fundamente gründenden Dynastie europäischen Ranges zu integrieren sind.

Paris Was in Wien gelang, schlug in Paris fehl: Hier kam es nicht zur Institutionalisierung der italienischen Oper. Trotz nachhaltiger Bemühungen des Kardinals Mazarin, der zusammen mit Anna von Österreich die Regentschaft für den unmündigen König Ludwig XIV. ausübte, konnte sich das jenseits der Alpen aufgekommene neue Genre in Frankreich nicht etablieren. Weder Luigi Rossis eigens für Paris produzierter Orfeo (1647) noch Cavallis Festopern zur Vermählung Ludwigs XIV. mit Maria Theresa von Spanien, Serse (1660) und Ercole amante (1662), war dauerhafter Erfolg beschieden.182 Statt dessen entwickelte sich in Frankreich insbesondere nach Ludwigs Regierungsantritt ein nationalsprachiges Musiktheater sui generis, das in enger Beziehung zur französischen Ballettkultur stand: „Das Interesse Ludwigs XIV. (1643–1715) am Tanz und an der prunkvollen Darstellung der gloire de la nation fand seinen unmittelbaren Niederschlag in Form der Tragédie lyrique, die zur Repräsentation der Macht, der Kultur und des Reichtums Frankreichs benutzt wurde.“183 Im Anschluß an Robert Cambert und Pierre Perrin war es vor allem der gebürtige Florentiner Jean-Baptiste Lully, der die Tragédie en musique als musiktheatralische Gattung etablierte und damit das Erscheinungsbild der noch jungen französischen Oper entscheidend prägte. Nach dem Ende seiner Zusammenarbeit mit Molière – beide hatten in den 1660er Jahren gemeinsam eine Reihe von ,Comédie-ballets‘ produziert – übernahm der königliche ,Surintendant de la musique‘ Lully im Jahre 1672 das zuvor an Perrin vergebene Opernprivileg. Bis zu seinem Tod 1687 sollte Lully das vom König verliehene Monopol zur Opernproduktion innehaben und alljährlich eine Neukomposition herausbringen, die in zahlreichen Fällen zunächst am königlichen Hof uraufgeführt und dann ins Repertoire der Pariser ,Académie royale de musique‘, der Opéra, übernommen wurde.184 Gemeinsam mit seinem Librettisten Philippe

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Vgl. Jérôme de La Gorce, L’Opéra à Paris au temps de Louis XIV. Histoire d’un théâtre, Paris 1992, S. 9ff. Herbert Schneider, Tragédie lyrique – Tragédie en musique, in: 2MGG Sachteil, Bd. 9 (1998), Sp. 703–726, hier Sp. 704. Vgl. dazu Ariane Ducrot, Les représentations de l’Académie royale de musique à Paris au temps de Louis XIV (1671–1715), in: Recherches sur la musique française classique 10

49 Quinault dominierte Lully auf diese Weise das französische Musiktheater der 1670er und 1680er Jahre. Seine Tragédies lyriques bestimmten die französische Opernkultur über seinen Tod hinaus, sie hielten sich unter seinen Nachfolgern und z. T. bis weit ins 18. Jahrhundert im Repertoire der Pariser Opéra. Dabei präsentiert sich das Pariser Opernsystem des ausgehenden 17. Jahrhunderts insofern als ,höfisch-öffentliche Mischform‘, als es einerseits hinsichtlich der von der ,Académie royale de musique‘ getragenen Aufführungen im städtischen ,Palais Royal‘ (ab 1674) „jedermann gegen Bezahlung zugänglich“ war,185 andrerseits aufgrund der königlichen Protektion und Einflußnahme eindeutig als höfisch zu charakterisieren ist. Diese Einflußnahme seitens des absolutistischen Regimes erhellt nicht nur aus der Praxis der Erstaufführung eines Werkes im höfischen Umfeld, sondern zeigt sich bisweilen auch bei der Auswahl eines neuen Opernstoffes durch den König selbst.186 Darüber hinaus sind es vor allem die Opernprologe, die die absolutistische Propaganda transportieren, indem sie sich „in der Regel kaum verhohlen auf die aktuelle politische, meist zugleich militärische Situation“ beziehen und „die imposante – furchterregende wie segenbringende – Rolle, die der augenblicklich regierende Fürst in dieser Situation wahrnimmt“, preisen.187 Doch auch die nachfolgende fünfaktige Opernhandlung wird funktionalisiert, wenn der regierende Monarch „hier nun – im Sinne einer Allegorie – in der Regel mit dem Titelhelden der Oper [...] identifiziert“ wird: „Die berühmten Taten eines Hercules, Theseus oder Roland zum Beispiel werden nicht um ihrer selbst willen dargestellt; vielmehr sollen sie anschaulich und eindrucksvoll auf die bewunderungswürdigen Leistungen des absoluten Fürsten selbst verweisen.“188 Themen und Figuren der Tragédie en musique entstammen überwiegend der antiken Mythologie; darüber hinaus greifen einige Opernsujets auf die Ritterepen Ariosts und Tassos sowie die Romane der Amadis-Tradition zurück.189 Es ist denn letztlich auch die ,Ritterepik‘, die als einziger der oben

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(1970), S. 19–55, hier S. 26ff. Ebenso Jérôme de La Gorce, L’Opéra à Paris au temps de Louis XIV, S. 197ff. Werner Braun, Die Musik des 17. Jahrhunderts, S. 89. „The production in Paris of operas by Jean-Baptiste Lully (organised on the basis of impresarial initiative, but free from any risk of the market by guarantees of monopoly and by royal gratuities) provides the most eloquent example of active ‘political’ control. Glorification of royal power is evident, with the sovereign intervening in the choice of themes“: Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function, S. 271f. Fritz Reckow, Der inszenierte Fürst. Situationsbezug und Stilprägung der Oper im absolutistischen Frankreich, in: ders. (Hg.), Die Inszenierung des Absolutismus. Politische Begründung und künstlerische Gestaltung höfischer Feste im Frankreich Ludwigs XIV., Erlangen 1992 (Erlanger Forschungen 60), S. 71–104, hier S. 72. Ebd. Zur Pariser Opern- bzw. Sujetpolitik hat schon der zeitgenössische Beobachter Barthold Feind angemerkt: Vor 1671 ist / meines Wissens / keine Opera jemals in Franckreich auffgef)hret worden / derer man nunmehr bey 80 Pieces bey nahe zehlet / alle von Heydnischen G ttern / Griechischen M hrlein / tapffern Amadis-Rittern / Balletten / oder andern selbst inventirten Sachen / zur Ehre ihres Monarchen / und meist lauter der

50 genannten Sujetbereiche der ,Mittelalteroper‘ in Paris wie am königlichen Hof zwischen 1669, dem Gründungsjahr der Pariser ,Académie‘, und etwa 1740 auf die Opernbühne gelangte.190 Sieht man einmal von der späten Ausnahme Scanderberg (1735) ab,191 so wurden an der ,Académie royale de musique‘ im genannten Zeitraum keine historischen oder pseudohistorischen ,mittelalterlichen‘ Sujets vertont. Eine Begründung für die Dominanz mythologischer Sujets mag sich daraus ergeben, daß die Götter und Heroen der klassischen Mythologie als Identifikationsfiguren oder Allegorien des absolutistischen Herrschers fungierten.192 Doch liefert diese Annahme keine hinreichende Erklärung dafür, daß musiktheatralische Werke mit historischen Stoffen im Repertoire der Pariser Oper kaum vertreten sind.193 Denn immerhin ließ sich Ludwig XIV. auch mit Alexander und Augustus, „mit Chlodwig, dem ersten christlichen König von Frankreich, sowie mit Karl dem Großen“ gleichsetzen.194 Entscheidende Bedeutung kommt daher offenbar der Gattungspoetik der Tragédie lyrique mit ihrer relativ strikten Abgrenzung von der gesprochenen Tragödie zu: Aufgrund ihrer Betonung des merveilleux, der wunderbarphantastischen Sphäre, ist die Tragédie lyrique geradezu prädestiniert für mythische Gottheiten und Heroen als handelnde Personen.195 Auch die Vorliebe für Stoffe aus den Epen Ariosts und Tassos sowie den Amadis-Romanen scheint

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kl glichsten Tragedies, worinnen sie sehr gl)cklich / wie die besten Heroischen Geister: Deutsche Gedichte, S. 75. Amadis [de Gaule] (1684); Roland (1685); Armide (1686); Amadis de Grèce (1699); Tancrède (1702); Alcine (1705); Bradamante (1707); Renaud ou La suite d’Armide (1722). Das historische Gerüst dieser Tragédie lyrique bilden die Kämpfe des albanischen Fürsten Georg Kastriota, gen. Skanderbeg, († 1468) gegen die auf den Balkan vordringenden Türken. Peter Burke, Ludwig XIV., S. 15. Vgl. ferner Robert M. Isherwood, Music in the service of the king. France in the Seventeenth Century, Ithaca u. London 1973, S. 214–238; Sabine Henze-Döhring, Götter am Hofe. Zur Rezeption der ,Tragédie lyrique‘ an deutschen Residenzen, in: Hans Joachim Marx (Hg.), Beiträge zur Musik des Barock. Tanz – Oper – Oratorium. Bericht über die Symposien der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 1994 bis 1997, Laaber 1998 (Veröffentlichungen der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 6), S. 253–268, hier S. 255ff. „In contrast to Venice or Vienna, historical exempla were not used, but rather mythological allegories“: Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function, S. 272 (Hervorhebung im Original). Peter Burke, Ludwig XIV., S. 46. „Im Musiktheater nimmt mit Beginn des 18. Jahrhunderts die ›Tragédie en musique‹ die der Tragödie vergleichbare Stellung ein. Sie unterscheidet sich von ihr durch die Art der Wahrscheinlichkeit (»vraisemblance«), nämlich das »merveilleux«. [...] Der Einsatz der Maschinen, die zahlreichen Wechsel der Spielorte, die gewichtige optische Komponente und die Verzauberung der Zuschauer sind weitere Unterschiede zur Tragödie. [Abbé] Batteux nennt das »merveilleux« dem »spectacle lyrique« und das »Heroische« der Tragödie eigen. Dort, wo Götter als Handelnde aktiv sind, muß nach seiner Argumentation das Wunderbare ins Spiel kommen, wenn die Wahrscheinlichkeit erhalten bleiben soll“: Herbert Schneider, Kapitel V: Tragédie lyrique, in: Herbert Schneider u. Reinhard Wiesend (Hgg.), Die Oper im 18. Jahrhundert, Laaber 2001 (Handbuch der musikalischen Gattungen 12), S. 147–220, hier S. 153f.

51 nicht zuletzt gattungspoetisch, d. h. durch deren ausgeprägte Tendenz zum merveilleux, begründet – wenn auch die außerordentliche Beliebtheit dieser Romanliteratur im 17. Jahrhundert ihrer Dramatisierung im Rahmen des Musiktheaters generell immensen Vorschub geleistet haben mag. Heroisch-historische Sujets und Protagonisten dagegen sind Sache des französischen Sprechtheaters, d. h. der Tragödie,196 die „an der Spitze der Hierarchie der dramatischen Gattungen steht“ und „das größte Prestige hat“.197 Wenn also die historische ,Mittelalteroper‘ auf der Pariser Opernbühne um 1700 nicht zum Zuge kommt, dann offensichtlich vor allem aufgrund der Gattungskonvention der Tragédie lyrique und der damit verbundenen Sujettraditionen.

Braunschweig-Wolfenbüttel Im welfischen Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel lassen sich Opernaufführungen erstmals während der Regierungszeit Herzog Augusts des Jüngeren (1635–1666) nachweisen. Seit den 1650er Jahren kam es am Wolfenbütteler Hof wiederholt – etwa anläßlich der Festlichkeiten zum Geburtstag des Regenten – zu musiktheatralischen Darbietungen. Im Anschluß an Harsdörffers und Stadens Seelewig (1654)198 sind es vor allem die Singspiele des Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, die das Erscheinungsbild der frühen Wolfenbütteler Oper bestimmen und diese im Reigen der höfischen Festveranstaltungen als neues Genre etablieren: „Das Singspiel, also die Oper nationaler Prägung, wird neben dem Ballett zum festen Bestandteil des Wolfenbütteler Hof- und Familientheaters“.199 Biblische, mythologisch-pastorale sowie allegorische Personen bevölkern dabei im Wechsel die jeweiligen Bühnenhandlungen. Die durch gelegentliche Aufführungen im Rahmen höfischer Festkultur gekennzeichnete Frühphase der Braunschweig-Wolfenbütteler Oper fand mit dem Tod Herzog Augusts im Jahre 1666 ihr vorläufiges Ende. Denn Augusts Nachfolger, Anton Ulrichs älterer Bruder Rudolf August, beschloß alsbald die Auflösung der Hofkapelle und entzog damit der Opernpraxis ihre Grundlage.200

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Vgl. Claude Amey, Historique (théâtre), in: Michel Corvin (Hg.), Dictionnaire encyclopédique du théâtre, Paris 1991, S. 409f.; Reinhard Strohm, Dramma per Musica, S. 24. Herbert Schneider, Kapitel V: Tragédie lyrique, S. 153. „Harsdörffer’s Seelewig was [...] performed during the celebrations held to mark August’s birthday in 1654. With this performance began a healthy tradition of German opera at Brunswick-Wolfenbüttel, a tradition which falls into two distinct periods, the operas of the mid-century, and those of the 1690s“: Sara Smart, Doppelte Freude der Musen. Court Festivities in Brunswick-Wolfenbüttel 1642–1700, Wiesbaden 1989 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 19), S. 151 (Hervorhebung im Original). Etienne Mazingue, Anton Ulrich und das Theater, in: Rüdiger Klessmann (Hg.), Herzog Anton Ulrich von Braunschweig. Leben und Regieren mit der Kunst, Braunschweig 1983, S. 189–191, hier S. 189. Vgl. Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle und Oper vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Jahrbücher für musikalische Wissenschaft, Bd. 1, Leipzig 1863, S. 147–286, hier S. 183f.

52 Doch kam es spätestens seit der Mitte der 1680er Jahre zu einer Wiederbelebung, zu einer zweiten Phase der Braunschweig-Wolfenbütteler Oper, als Anton Ulrich von seinem Bruder offiziell zum Mitregenten bestimmt wurde (1685). Aus unterschiedlichen Beweggründen – ästhetischen wie politischen – ließ Herzog Anton Ulrich zunächst bis Februar 1688 ein Opernhaus beim Wolfenbütteler Schloß errichten, bevor er 1689 den Plan zur Eröffnung eines Theaters in der Stadt Braunschweig faßte. Denn während Anton Ulrichs erneutes Interesse an der Oper zum einen, in ästhetischer Hinsicht, vornehmlich durch seine Venedig-Aufenthalte zu Beginn der 1680er Jahre und die damit einhergehende Begegnung mit der venezianischen Opernkultur geweckt worden sein dürfte,201 ist es zum anderen, unter politischem Aspekt, die sich zum Ende dieses Jahrzehnts hin zuspitzende Rivalität zwischen dem Wolfenbütteler und dem Braunschweig-Lüneburger Zweig des Welfenhauses – und zwar im Zusammenhang mit Herzog Ernst Augusts von Hannover Bemühungen um die Konsolidierung seines Territorialstaates (Einführung der Primogenitur) und den Erwerb der neunten Kur202 –, die Anton Ulrich dazu bewogen haben mag, sich zunehmend der Oper als herausragender Repräsentationsform zu bedienen und „die Reputation Wolfenbüttels im Politischen wie auch im Geistigen und Künstlerischen zu behaupten“.203 Offenbar unter dem Eindruck des soeben neuerrichteten Hannoveraner Opernhauses – das am 30. Januar 1689 mit Agostino Steffanis Henrico Leone feierlich eröffnet worden war – erteilte Anton Ulrich im Juni 1689 den Auftrag zur Umgestaltung des „alten Rat- und Gewandhauses des Hagen“ in der Stadt Braunschweig zu einem Opernhaus; es wurde am 4. Februar 1690 mit der Oper Cleopatra (Text von Friedrich Christian Bressand, Musik von Johann Sigismund Kusser) eingeweiht, und zwar in Anwesenheit der Herzöge Ernst August von Hannover und Georg Wilhelm von Celle.204 Mit der Eröffnung des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters setzt eine Blütezeit der Braunschweig-

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Vgl. Sara Smart, Doppelte Freude der Musen, S. 231f. „Ursprung und Ursache dieses Familienhaders im Hause Braunschweig war der die Linie Wolfenbüttel überrundende Machtanstieg der Linie Hannover im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts. Durch seine Verträge mit seinem Celler Bruder Georg Wilhelm hatte sich Herzog Ernst August – seit 1661 Bischof von Osnabrück, seit 1679 Herzog von Hannover – den künftigen Anfall des Fürstentums Lüneburg verbriefen lassen und dieses Erbe noch durch die Verheiratung seines Sohnes Georg Ludwig mit seiner Celler Base Sophie Dorothea (der späteren ,Prinzessin von Ahlden‘) abgesichert. Die Einführung der Primogeniturordnung (1683) gewährleistete seinen Nachkommen den ungeteilten Besitz beider Fürstentümer. Alles dies hatte die wachsende Feindschaft des Hauses Wolfenbüttel hervorgerufen, die ihren Höhepunkt erreichte, als Ernst August 1692 auch seine Erhebung zum Kurfürsten durchsetzen konnte. Herzog Anton Ulrich, seit 1685 Mitregent seines älteren Bruders Rudolf August [...], hat fortan den Kampf gegen die hannoversche Kurwürde zum Mittelpunkt seines politischen Systems gemacht“: Georg Schnath, Die Überwältigung Braunschweig-Wolfenbüttels durch Hannover und Celle zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges, März 1702, in: Braunschweigisches Jahrbuch 56 (1975), S. 27–100, hier S. 28f. Etienne Mazingue, Anton Ulrich und das Theater, S. 190. Horst Richter, Johann Oswald Harms. Ein deutscher Theaterdekorateur des Barock, Emsdetten 1963 (Die Schaubühne 58), S. 67ff.

53 Wolfenbütteler Opernpflege und zugleich der deutschsprachigen Oper ein, die sich hier neben dem italienischen Dramma per musica einige Jahrzehnte behaupten konnte.205 Einen entscheidenden Beitrag zur Blüte der BraunschweigWolfenbütteler Oper hat Anton Ulrich selbst geleistet, indem er herausragende Künstler nach Braunschweig berufen und ihnen Schlüsselpositionen innerhalb des institutionalisierten Opernbetriebes übertragen hat: neben dem Hofpoeten und Librettisten Friedrich Christian Bressand u. a. den Bühnenbildner Johann Oswald Harms und die Komponisten Johann Sigismund Kusser, Reinhard Keiser sowie Georg Caspar Schürmann, wobei letzterer bis zu seinem Tod im Jahre 1751 das Amt des herzoglichen Hofkapellmeisters innehatte. Waren die – auch weiterhin genutzten – Bühnen in Wolfenbüttel und Salzdahlum, d. h. in der ab 1688 erbauten großen Landresidenz Anton Ulrichs, reine Hoftheater mit exklusiv höfischem Publikum, so erscheint das HagenmarktTheater insofern als ,höfisch-öffentliche Mischform‘, als es einerseits unter fürstlicher Verwaltung und Kontrolle stand und als Ort höfischer Festlichkeiten genutzt wurde, andrerseits aber auch ein zahlendes städtisches Publikum die Aufführungen während der beiden regulären Spielzeiten besuchte, die parallel zu den zwei jeweils zehntägigen Braunschweiger Messen „zu Maria Lichtmess (2.2.) und Laurentius (10.8.)“206 stattfanden. Mit diesem Publikum, das zahlreiche auswärtige Besucher und Messegäste mit einschloß,207 hat Anton Ulrich wohl anfangs gerechnet, als er etwas vorschnell davon ausging, daß „sich bei kaufmännischer Kalkulation mit der Zeit eine ausgeglichene Bilanz, womöglich sogar ein Gewinn ergeben“208 könnte. Wie sich bald zeigen sollte, gingen seine Annahmen jedoch von allzu günstigen Voraussetzungen aus, denn das Opernwesen entwickelte sich immer mehr zum Zuschußbetrieb. Doch verminderten die teils beträchtlichen finanziellen Aufwendungen und Zuschüsse seitens des Hofes keineswegs das große Interesse am Musiktheater, das Anton Ulrich und

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„Italienische und deutsche Oper stehen etwa zu gleichen Teilen auf dem Spielplan – nur in den ersten Jahren der neuen Wolfenbütteler Bühne sind einige Werke von Lully aufgeführt worden. Die ausländische Gattung vertreten entweder Opern aus dem italienischen (insbesondere venezianischen) Repertoire oder solche, die an Ort und Stelle durch eingewanderte Künstler gedichtet und komponiert werden: für Anton Ulrich arbeiten u. a. Parisetti als Librettist, Alveri und Fedrizzi als Komponisten“: Etienne Mazingue, Anton Ulrich und das Theater, S. 190. Karl Heinrich Kaufhold, Die Wirtschaft in der frühen Neuzeit: Gewerbe, Handel und Verkehr, in: Christine van den Heuvel u. Manfred von Boetticher (Hgg.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 3,1: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von der Reformation bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Hannover 1998 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 36/3,1), S. 351–632, hier S. 539. Zur Zielgruppe der Opernaufführungen sowie zu deren Preisen vgl. die „gedruckte Ankündigung und Preisliste“ zur Sommersaison 1691 bei Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 187f. Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 67. Vgl. auch Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 185f. u. Hans-Henning Grote, Vom Hagenrathaus zum Herzoglichen Hoftheater am Hagenmarkt. Eine baugeschichtliche Studie, in: Stadt Braunschweig (Hg.), 300 Jahre Theater in Braunschweig 1690–1990, Braunschweig 1990, S. 17–42, hier S. 21.

54 seinen Nachfolgern August Wilhelm (1714–1731) und Ludwig Rudolf (1731– 1735) eigen war. Im Gegenteil: So wurde etwa kurz nach dem Regierungsantritt Herzog August Wilhelms im Jahr 1715 das Theatergebäude209 am Hagenmarkt von Grund auf saniert, wobei das „Aerarium (die Kammer) angewiesen wurde, die Kosten zu bestreiten“; fünf Jahre später verfügte der Herzog überdies eine Erhöhung des jährlichen Budgets der Hofkapelle von 6060 auf 8060 Taler, nachdem ihm „von den Klöstern jährlich 2000 Thlr. zum Unterhalt der Capelle“ bewilligt worden waren.210 Hinsichtlich des Repertoires der Braunschweig-Wolfenbütteler Oper (und zwar etwa bis zum Tod des Herzogs Ludwig Rudolf im Jahre 1735)211 ist anzumerken, daß zwar auch hier die Antike – mit zunächst mythologischen und dann, ab 1690, zunehmend historischen Sujets – breiten Raum einnimmt, doch daneben, vornehmlich in den Jahren 1715 bis 1735, eine beachtliche Zahl von Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet zu verzeichnen ist:212 Von den 168 Werken,

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Zum Theatergebäude hat Johann Friedrich von Uffenbach 1728, anläßlich eines Besuchs in Braunschweig, in seinem Tagebuch vermerkt (16. August): Das Hauß alhier betreffend, so ist es ohnstreitig wohl eins der grösten prächtigsten und schönsten, insonderheit das Theatrum betreffend mit allen ersinnlichen Decorationen, Machinen, und Erleuchtungen versehen und von einer solchen Tieffe ist, daß es mehr als den halben Theil des Haußes einnimmt: Johann Friedrich Armand von Uffenbach’s Tagbuch einer Spazierfarth durch die Hessische in die Braunschweig-Lüneburgische Lande (1728). Nach der unveröffentlichten Göttinger Handschrift hg. u. eingel. v. Max Arnim, Göttingen 1928, S. 12f. Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 263. – Die Finanzierung der Hofkapelle auch durch kirchliche Mittel beruht auf der ursprünglich kirchlichen Funktion dieses Instituts, dessen Anfänge ins frühe 16. Jahrhundert zurückreichen. In späteren Zeiten wurde „trotz teilweiser Säkularisierung der Hofmusikpraxis an der traditionellen Funktionsbestimmung festgehalten [...], wenn es darum ging, kirchliche Finanzmittel für den Unterhalt der Kantorei einzutreiben und derartige Abgaben gegenüber den Mittelgebern zu rechtfertigen. Die Finanzierung der kaiserlichen Hofmusik durch Abgaben österreichischer Klöster wurde dementsprechend noch im frühen 17. Jahrhundert vom Wiener Hof dem Prälatenstand gegenüber unter Hinweis auf übergeordnete religiöse Ziele und mit der ausdrücklichen Versicherung begründet, daß ein Eigeninteresse nicht vorliege“: Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 57f. Nach Ludwig Rudolfs Tod entgehen Hofkapelle und -oper nur knapp ihrer Auflösung, da sein Nachfolger Ferdinand Albrecht II. entsprechende Pläne in seiner kurzen, nur wenige Monate dauernden Regierungszeit nicht realisieren kann. Mit dessen Sohn Karl I. setzt eine neue Phase der intensiven Opernpflege am Braunschweiger Hof ein, die durch die Vorrangstellung der italienischen Oper – mit überwiegend ,klassisch‘-antiken Sujets – gekennzeichnet ist (vgl. Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 283ff.). Zum Braunschweig-Wolfenbütteler Opernrepertoire vgl. Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, Gustav Friedrich Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters am Herzoglichen Hofe zu BraunschweigWolfenbüttel, Erste Folge: Chronologisches Verzeichnis, München 1929, sowie Renate Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62), S. 84–97. S. weiterhin die Librettoverzeichnisse von Eberhard Thiel und Gisela Rohr (Libretti. Verzeichnis der bis 1800 erschienenen Textbücher, Frankfurt a. M. 1970 [Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 14]), Claudio Sartori (I libretti italiani a stampa) sowie den Katalog: Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen,

55 „Opern und Singballette[n]“, die Renate Brockpähler für BraunschweigWolfenbüttel anführt (1657–1735),213 lassen sich immerhin 27 einer solchen Stoffgruppe zuordnen. Die Zahl steigt auf 32 Werke an, wenn man bei Brockpähler nicht aufgelistete Bearbeitungen früherer Kompositionen – d. h. Adaptationen des Librettos und/oder der Musik – mit einbezieht. Sie verteilen sich folgendermaßen auf die vorgeschlagenen Themenkreise: In Bezug auf die historischen/pseudohistorischen Opern sind je zwei Werke den Sujetgruppen ,mittelalterliches Spanien‘ (Almira, 1703; Die In ihrer Unschuld Siegende Sinilde, 1727) und ,Byzanz‘/,Oströmisches Reich‘ (Teodosio ed Eudossa, 1716; Justinus, 1725) zuzurechnen, drei dem Bereich ,Vorzeit der nordischen Länder‘ (Leonilde oder Die siegende Best ndigkeit, 1704?; Regnero, 1715; Rodoaldo re di Norvegia, 1726), fünf dem Stoffkreis ,Zeit der Völkerwanderung‘ (La Libussa, 1692; Pharamond, 1699; Fredegonda, 1712; Fredegunda, 1720; Der Grosse K nig Der Africanischen Wenden Gensericus Als Rom und Carthagens Uberwinder, 1725), und eines der Gruppe ,Langobardenherrschaft in Italien‘ (Flavio Cuniberto, 1727?); von diesen fünf Themenbereichen mit jeweils einem bis fünf Werken hebt sich der sechste, ,zentraleuropäisches Mittelalter 800– 1500‘, in auffälliger Weise ab, sofern er mit 15 Opern mehr Kompositionen umfaßt als jene fünf zusammen.214 Die siebte Gruppe (,Ritterepik‘) fügt sich dagegen wieder ins Bild: Ihr lassen sich drei Opern nach Ariosts Orlando furioso (Roland, 1697?; Orlando generoso, 1698; Orlando furioso, 1722) und eine nach Tassos La Gerusalemme liberata (Das eroberte Jerusalem / Oder Armida und Rinaldo, 1722) zuweisen. Die umfangreichste Stoffkategorie ,zentraleuropäisches Mittelalter 800– 1500‘ enthält insbesondere den mit dem Jahr 1716 einsetzenden „Zyklus der ,Welfenopern‘, eine Serie von Werken mit Sujets aus der Geschichte des braunschweigischen Herzogshauses [und Herzogtums, Anm. d. V.], wie es sie an keinem anderen der deutschen Höfe jemals gegeben hat“.215 Anders als dem Gros der übrigen Braunschweiger ,Mittelalteropern‘ liegen einigen Opern dieser Serie, denen sich die nachfolgenden Untersuchungen zur ,dynastischen Mittelalteroper‘ en detail widmen werden, keine Vorlagen oder Übernahmen aus den Repertoires anderer Opernzentren (etwa Venedig, Hannover und London) zu-

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Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Renate Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper, S. 88–96. Hertzog Henrich der L we, 1697; Ottone, 1697; Henrich der L we, 1716; Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / nachmahls Erwehlter Teutscher K yser, 1718; Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Erster r mischer K yser / Zweyter Theil, 1721; L’innocenza difesa, 1722?; Rudolphus Habspurgicus, 1723; Ottone re di Germania, 1723; Ottone re di Germania, 1725; Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme, 1726; Henricus Auceps, 1726; Opera Comica, genant Egbert und Lotharius, 1728 (Aufführung ungewiß, überliefert ist allein das hs. Libretto); Richardus genannt das L wen-Herz / K nig in Engelland, 1729; Magnus Torquatus oder Magnus mit der silbernen Kette Hertzog zu Braunschweig und L)neburg, 1730; L’innocenza difesa, 1731. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 299.

56 grunde; es handelt sich in diesen Fällen mithin um genuine Produktionen für die Braunschweig-Wolfenbütteler Opernbühne.

Hamburg Als 1678 am Hamburger Gänsemarkt die erste stehende Oper der Reichs- und Hansestadt eröffnet wurde, war damit der Grundstein gelegt für ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des deutschsprachigen Musiktheaters. Bis zur Schließung des Opernhauses 60 Jahre später, im Jahre 1738,216 wurden hier in mehr oder weniger kontinuierlicher Folge etwa 300 Bühnenwerke aufgeführt,217 die meisten davon in deutscher Sprache.218 Zwar ist die Hamburger Oper des öfteren als ,Bürgeroper‘219 bezeichnet worden – weil sie in städtische Strukturen integriert war, von Hamburger Patrizierfamilien unter ökonomischen Bedingungen nach venezianischem Vorbild geleitet wurde und ihr Publikum sich „aus allen Ständen“220 zusammensetzte –, doch sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch in Hamburg Aspekte höfischer Kultur den Opernbetrieb in auffälliger Weise beeinflußt haben. Dazu gehört nicht nur, daß der exilierte, seit 1675 in der Stadt weilende Herzog Christian Albrecht von Holstein-Gottorf neben Gerhard Schott, dem ersten Eigentümer und Impresario der Gänsemarkt-Oper, zu den maßgeblichen

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Nachdem der reguläre, von einem stehenden Ensemble getragene Spielbetrieb 1738 eingestellt worden war, bespielten die italienischen Operntruppen Angelo und Pietro Mingottis das Haus am Gänsemarkt nochmals in den Jahren von 1743 bis 1748. Zwischen 1738 und 1743 wurde das Theatergebäude vorrangig für Komödienaufführungen genutzt (vgl. Hans Joachim Marx u. Dorothea Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper, S. 501ff.). Vgl. Hans Joachim Marx, Geschichte der Hamburger Barockoper. Ein Forschungsbericht, in: Constantin Floros, Hans Joachim Marx u. Peter Petersen (Hgg.), Studien zur Barockoper, Hamburg 1978 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 3), S. 7–34, hier S. 20. Vgl. Hellmuth Christian Wolff, Die Barockoper in Hamburg (1678–1738), 2 Bde, Wolfenbüttel 1957, hier Bd. 1, S. 9. Etwa bei Hans Joachim Marx, Geschichte der Hamburger Barockoper, S. 8, oder bei Max W. Busch u. Peter Dannenberg (Hgg.), Die Hamburgische Staatsoper, Bd. 1: 1678 bis 1945. Bürgeroper – Stadt-Theater – Staatsoper, Zürich 1988. „Zu den Interessenten der Gänsemarkt-Oper gehörten in erster Linie die Könige, Fürsten und Herzöge der benachbarten Staaten sowie deren Hamburger Residenten (Gesandten). Außerdem interessierten sich weite Teile des Hamburger Großbürgertums (Fernhandelskaufleute und Graduierte) für die Oper. Beiden Ständen waren die großen Logen vorbehalten, die gegen eine jährliche Miete oder gegen einen Freyzettel (für Mitglieder des Rates oder Stifter) reserviert wurden. Nach Elmenhorst [Dramatologia antiquo-hodierna, Hamburg 1688, d. V.] hatten nur Standespersonen und wohl bekannte und nicht verdächtige Leute Zugang zu den Logen. Der gehobene und niedere Mittelstand (Zuckerbäcker, Brauer, Kramer, Goldschmiede, Schiffer und Maler) wird in den oberen Logen zu finden gewesen sein. Das Kleinbürgertum (Handwerksmeister, Buchhändler und Herbergierer) saß im Parterre, die Bediensteten ohne Bürgerrecht (Tagelöhner, Kutscher, Dienstboten, niedere Schreiber, Gesellen und Lehrlinge) auf der Gallerie“: Hans Joachim Marx, Geschichte der Hamburger Barockoper, S. 19 (Hervorhebungen im Original).

57 Initiatoren und ,Gründungsvätern‘ der Hamburger Oper zu zählen ist – und zwar in einer Zeit wirtschaftlicher Prosperität nach dem Ende des für die Hansestadt nur wenig bedrohlichen Dreißigjährigen Krieges;221 ebenso bedeutsam ist in dieser Hinsicht die Reihe der zwischen 1690 und 1745 aufgeführten Festopern zu Ehren des Kaisers (als oberstem Stadtherrn) oder zahlreicher auswärtiger fürstlicher Potentaten, denen Dorothea Schröder in jüngster Zeit eine detaillierte Untersuchung gewidmet hat:222 Sie zeigen allesamt, wie eng in der Hansestadt ,bürgerlich‘-öffentlicher Opernbetrieb und höfische Fest- und Zeremonialkultur miteinander verwoben waren. Aufgrund ihrer dynastischen und politischen Festaufführungen, ihrer zentralen Einnahmequellen (Vermietung von Logen an in der Stadt ansässige oder auf der Durchreise befindliche Adlige und Fürsten wie deren Residenten), ihrer Vorliebe für historische Stoffe wie auch aufgrund der Struktur ihres Repertoires insgesamt (mit Anleihen bei den Hoftheatern in Wien, Braunschweig oder London) hat Reinhard Strohm die Hamburger Oper gar charakterisiert „as a precise imitation of a German court opera, attempted under the less favorable conditions of the impresario system“.223 Am Beginn des Hamburger Opernrepertoires stehen biblische Sujets und Stoffe aus der antiken Mythologie und Geschichte.224 1682 kommt mit Johann Wolfgang Francks Attila225 erstmals ein Stoff aus der Völkerwanderungszeit auf die Gänsemarkt-Bühne. In den 1690er Jahren und vor allem zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist dann – im Gefolge der „Krise der mythologischen Oper“ und der damit einhergehenden „Betonung des historischen Sujets“226 – eine zunehmende Zahl von Werken mit ,mittelalterlichen‘ Sujets zu verzeichnen; insgesamt wurden zwischen 1682 und 1734 mehr als 40 ,Mittelalteropern‘ gespielt, wobei in dieser Zählung eher geringfügig bearbeitete Wiederaufführungen tendenziell nicht mit einbegriffen sind. Nicht nur von der Gesamtzahl sondern auch von der Verteilung auf die einzelnen Sujetbereiche her ist die Situation in Hamburg ungefähr mit derjenigen in Braunschweig vergleichbar: Während die Sujetgruppen ,Zeit der Völkerwanderung‘,227 ,mittelalterliches Spanien‘,228

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„Die Gründung der ,Gänsemarkt-Oper‘ fällt in eine Zeit, in der Hamburg sich zu einer der wohlhabendsten Handelsstädte Europas entwickelt hatte“: Hans Joachim Marx, Geschichte der Hamburger Barockoper, S. 8. Vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Reinhard Strohm, Dramma per Musica, S. 90. Zum Gesamtrepertoire der Hamburger Oper von 1678 bis 1748 vgl. neuerdings Hans Joachim Marx u. Dorothea Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Der Operntext wurde nach dem gleichnamigen venezianischen Libretto des Matteo Noris (1672) von einem unbekannten Verfasser bearbeitet. Eberhard Haufe, Die Behandlung der antiken Mythologie, S. 62. Attila, 1682; Der Grosse König Der Africanischen Wenden Gensericus, Als Rom- und Karthagens Uberwinder, 1693; Der Siegreiche K nig der Gothen / Alaricus. Als Überwinder des m chtigen Roms, 1702; Fredegunda, 1715; Sieg der Sch nheit, 1722. La Forza Della Virtu. Oder Die Macht Der Tugend, 1700; Der In Krohnen erlangte Gl)cks-Wechsel / Oder: Almira, K nigin von Castilien, 1705; Der Durchlauchtige Secretarius, Oder: Almira, K nigin in Castilien, 1706; Die geheimen Begebenheiten Henrico IV. K nigs von Castilien und Leon / Oder: Die getheilte Liebe, 1711; Sancio, Oder Die Siegende Großmuth, 1727; Margaretha, K nigin in Castilien, 1730.

58 ,Langobardenherrschaft in Italien‘,229 ,Byzanz‘ (,östlicher Mittelmeerraum‘),230 ,nordische Vorzeit‘231 und ,Ritterepik‘232 mit jeweils zwei bis sechs Kompositionen in etwa gleich stark vertreten sind, tritt die Kategorie ,zentraleuropäisches Mittelalter 800–1500‘233 mit 17 Stücken auch in Hamburg relativ auffällig hervor. Obgleich für eine Mehrzahl aller ,Mittelalteropern‘ Vorlagen aus anderen Opernspielstätten nachgewiesen werden können – u. a. aus Venedig, London, Hannover und Braunschweig234 –, scheinen 11 der 17 Werke des Sujetbereichs ,zentraleuropäisches Mittelalter‘ in Bezug auf Libretto und Musik eigens für die Hamburger Bühne produziert worden zu sein. Diese ,Original‘Libretti und -Kompositionen wurden oftmals anläßlich von Festaufführungen verfaßt und behandeln Sujets, die mit dem jeweiligen Widmungsträger in Verbindung gebracht werden können (,dynastische Mittelalteroper‘, ,Kaiseroper‘) und/oder mit der Geschichte der Reichs- und Hansestadt Hamburg assoziierte Ereignisse und Personen aufgreifen (,stadtgeschichtliche Mittelalteroper‘). Darauf wird im Rahmen der weiteren Ausführungen zur norddeutschen, speziell zur Hamburger ,Mittelalteroper‘ zurückzukommen sein. Beginnen sollen die Untersuchungen zur ,dynastischen Mittelalteroper‘ jedoch zunächst in Hannover – der Residenz des welfischen Herzogtums Calenberg-Göttingen und späteren Kurfürstentums Hannover –, wo im Jahre 1689 das neue Opernhaus mit einem Schlüsselwerk dieses Typus, mit Agostino Steffanis Henrico Leone, eingeweiht wurde.

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Flavius Bertaridus, K nig der Longobarden, 1729; Rodelinda, K nigin in der Lombardey, 1734. Bajazeth und Tamerlan, 1690; Mahumeth II., 1696; Der Von dem Ackers-Pflug zu den Thron Erhabene K yser / Justinus, 1706; Die wiederhergestellte Ruh / oder Die gecr nte Tapferkeit des Heraclius, 1712; Teodosio, 1718; Tamerlan, 1725. Der k nigliche Printz Regnerus, 1702; La Costanza Sforzata Die Gezwungene Best ndigkeit / Oder Die listige Rache Des Sueno, 1706; Ernelinda, 1730. La Gierusalemme liberata, 1694; Der Großm)thige Roland, 1695; Rinaldo, 1715; Oriana, 1717. *Der Tapffere Kayser Carolus Magnus, Und Dessen Erste Gemahlin Hermingardis, 1692; Hertzog Henrich der L we, 1696; *Thassilo, 1701 (nicht aufgeführt); *St rtebecker und J dge Michaels Erster Theil, 1701; *St rtebecker und J dge Michaels / Zweyter Theil, 1701; *Philippus, Hertzog zu Mayland = Beatrix, 1702; *Victor Hertzog der Normannen, 1702; *Desiderius, K nig der Longobarden, 1709; *Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V., 1712; Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Nachmahls Erwehlter Teutscher Kayser, 1719; *Bretislaus, Oder Die siegende Best ndigkeit, 1725; *Mistevojus, 1726; Otto, 1726; Adelheid, 1727; *Die Last-tragende Liebe / Oder Emma und Eginhard, 1728; Der Mißlungene Braut-Wechsel / Oder Richardus I. K nig von England, 1729; Judith, Gemahlin K yser Ludewigs des Frommen; Oder Die Siegende Unschuld, 1732. (,Originalproduktionen‘ sind durch Asterisk gekennzeichnet.) Dabei fungiert die Braunschweiger Oper auch als Vermittlerin venezianischer Produktionen.

2 Die ,dynastische Mittelalteroper‘ in Norddeutschland 2.1 Hannover Im Vergleich zu Wien oder auch München setzt eine institutionalisierte Opernpflege in Hannover relativ spät ein, nämlich erst zum Ende des 17. Jahrhunderts, und sie ist zudem, anders als in den benachbarten Zentren Hamburg und Braunschweig-Wolfenbüttel, auch nur von kurzer Dauer. Doch sind die wenigen Jahre von 1689 bis 1698, in denen die Hannoveraner Oper florierte, sicherlich zu den glanzvollen Höhepunkten der italienischen Oper in Deutschland zu zählen.1 Zwar hatten Opernaufführungen im Fürstentum Calenberg-Göttingen (mit Residenz in Hannover) – einer der beiden im Testament Herzog Georgs (vom 20. März 1641) festgeschriebenen autonomen Teilherrschaften des welfischen Herzogtums Braunschweig-Lüneburg2 – seit 1678 stattgefunden, doch können die vier Bühnenwerke Orontea (1678), Alceste (1679/81), Helena rapita da Paride (1681) und Paride in Ida (1687)3 nicht als Produkte eines regelmäßigen, institutionalisierten Opernbetriebes angesehen werden. Hierzu kam es erst mit der Errichtung des großen Opernhauses im Hannoveraner Schloß unter Herzog Ernst August, und zwar seit 1687. Zuvor diente ein im Auftrag Herzog Johann Friedrichs eingerichteter „Comoediensaal“, „an der Südostecke des Schloßgebäudes“,4 als Schauplatz für die Aufführung französischer Theater-

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Zur Hannoveraner Oper am Ausgang des 17. Jahrhunderts und ihrer künstlerischen Zentralfigur Agostino Steffani vgl. jetzt Colin Timms umfassende Studie, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, Oxford u. New York 2003. Der andere Teil umfaßte das Fürstentum Lüneburg mit Residenz in Celle. – Während die beiden ältesten Söhne Herzog Georgs, Christian Ludwig und Georg Wilhelm, die Regierung in Celle und Hannover übernahmen, waren für die beiden jüngeren, Johann Friedrich und Ernst August, zunächst Apanagen an den beiden Residenzen vorgesehen. Nach dem frühen Tod Christian Ludwigs im Jahre 1665 traten Georg Wilhelm die Herrschaft in Celle und Johann Friedrich die in Hannover an, während Ernst August bereits 1661 protestantischer Fürstbischof von Osnabrück geworden war. 1679 folgte dieser dann Johann Friedrich als Herzog von Calenberg-Göttingen nach. Vgl. dazu insgesamt Gerd van den Heuvel, Niedersachsen im 17. Jahrhundert (1618–1714), in: Christine van den Heuvel u. Manfred von Boetticher (Hgg.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 3,1, S. 119–218, hier S. 156ff.; ebenso Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen Hannover und Celle, Hildesheim 1974 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 83), S. 3ff. Vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 47f. Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen, S. 32f.

60 stücke und Ballette sowie der oben genannten vier Opern, die allesamt als Adaptationen venezianischer Bühnenwerke zu gelten haben. Die Gründe für die Errichtung eines neuen, großen Opernhauses sind vielfältig. Von jeher, seit ihrer ,Kavalierstour‘, zog es die Brüder Georg Wilhelm, Johann Friedrich und Ernst August nach Venedig, um am Karneval und den ihn begleitenden Festlichkeiten und Opernaufführungen teilzunehmen. Auch nach ihrem Regierungsantritt reisten die welfischen Herzöge wiederholt über die Alpen, oft mit großem Gefolge, um z. T. mehrere Monate in der Lagunenstadt zuzubringen. In Venedig mietete man mehrere Logen in den verschiedenen Theatern und wählte sich als Domizil den Palazzo Foscari am Canal Grande.5 1679 starb Herzog Johann Friedrich in Augsburg, als er wieder einmal auf dem Weg nach Venedig war. Herzog Ernst August stattete der Serenissima von Januar bis August 1686 seinen vorerst letzten Besuch ab, nachdem er sich schon von Ende 1684 bis August 1685 in der Stadt aufgehalten hatte.6 Auf dieser Reise wurde er begleitet von seinen Söhnen Georg Ludwig und Maximilian Wilhelm, „welcher damals vom Senat die Generalswürde erhielt“7 – war er doch Befehlshaber der vom Herzog an Venedig gegen Subsidien ausgeliehenen hannoverschen Regimenter.8 Zeugnisse der vielfältigen kulturellen und politischen Beziehungen zwischen den Braunschweig-Lüneburger Herzögen und der Republik Venedig sind nicht zuletzt die Widmungen von fast 30 venezianischen Drammi per musica an Mitglieder des welfischen Herzogshauses zwischen 1654 und 16949 – auf eine davon (Ottone, 1694) wurde bereits im Zusammenhang mit der Analyse der venezianischen Opernproduktion eingegangen. Zweifellos dürfte die enge Vertrautheit und Verbundenheit der Hannoveraner Herzöge mit der städtischen Kultur Venedigs, insbesondere mit dem Karneval und der venezianischen Oper, eine bedeutende Rolle gespielt haben,10 als man gegen Ende der 1680er Jahre die Etablierung eines Opernbetriebes in einem eigens dafür geschaffenen Theatergebäude im Leineschloß ins Auge faßte. Dazu kommen wohl auch politische und ökonomische Überlegungen von seiten der hohen Funktionsträger am Hannoveraner Hof, die offenbar darauf abzielten, Ernst August von seinen für den Staatshaushalt

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Vgl. Georg Fischer, Musik in Hannover. Zweite vermehrte Auflage von ,Opern und Concerte im Hoftheater zu Hannover bis 1866‘, Hannover u. Leipzig 1903, S. 6 u. 9; ebenso Lajos Rovatkay, Eröffnungsoper für das Große Schloßtheater. Agostino Steffanis ,Enrico Leone‘, in: Sabine Hammer (Hg.), Oper in Hannover. 300 Jahre Wandel im Musiktheater einer Stadt, Hannover 1990, S. 20–28, hier S. 20. Vgl. Georg Fischer, Musik in Hannover, S. 9f. Ebd. Vgl. Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function, hier S. 269. Ebd. Bereits kurz nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1665 hatte der zum Katholizismus übergetretene Herzog Johann Friedrich den venezianischen Opernkomponisten Antonio Sartorio als Kapellmeister berufen und italienische Sänger – u. a. zur musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes – nach Hannover geholt (vgl. dazu etwa Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 45f.).

61 ruinösen Reisen nach Italien abzubringen und dauerhaft in der Residenz zu halten, indem sie den Bau eines großen Opernhauses befürworteten.11 Ein entscheidender Faktor für die Institutionalisierung der italienischen Oper am Hannoveraner Hof ist aber vor allem in dem Bedürfnis Herzog Ernst Augusts nach „Steigerung des repräsentativen Anspruchsniveaus“12 zu sehen, insofern dieser seit seinem Regierungsantritt und besonders gegen Ende der 1680er Jahre ehrgeizig und zielstrebig auf eine Erhöhung von Macht und Ansehen seines Hauses und Herzogtums hinwirkte, die im Jahre 1692 mit der Verleihung der neunten Kurwürde durch Kaiser Leopold I. ihren ersten krönenden Abschluß fand.13 Um dem Hannoveraner Welfenhaus den Kurhut zu sichern, bedurfte es vielfältiger, allen voran politischer und juristischer Strategien; eine dieser Maßnahmen stellte die in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende, auf Repräsentation setzende und von politischem Kalkül durchzogene Opernpraxis dar. Indem Ernst August 1688 den in Castelfranco gebürtigen Venezianer Agostino Steffani, der zuvor in den Diensten Max Emanuels von Bayern gestanden hatte und am Münchener Hof hochangesehen war,14 zum Kapellmeister ernannte und einen italienischen Opernbetrieb unter dessen Leitung installierte, demonstrierte er – zumindest auf diesem prestigeträchtigen Gebiet – seine Ebenbürtigkeit etwa mit den Kurfürsten von Bayern und Sachsen: Während nämlich die italienische Oper in München schon in den 1650er Jahren institutionalisiert worden war und besonders unter Kurfürst Max Emanuel florierte (bis 1690) – durchaus in direkter Konkurrenz zum Wiener Kaiserhof –,15 hatte Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen, ebenfalls angeregt durch einen Venedig-Aufenthalt, im Jahre 1686 die Dresdener Oper als ständige Einrichtung ins Leben gerufen (bis 1694).16 Da zudem im benachbarten Braunschweig-Wolfenbüttel, mit dem man wegen Rangstreitigkeiten innerhalb des welfischen Gesamthauses bereits des öfteren heftig aneinander geraten war,17 Herzog Anton Ulrich gerade ein neues Opernhaus beim Wolfenbütteler Schloß errichten ließ,18 begann man in Hannover schließlich Ende 1687 mit den Bauarbeiten für das große Schloß-

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Georg Fischer, Musik in Hannover, bemerkt dazu: „Auch in Hannover schüttelten die Fürstl. Braunschweig-Lüneburg-Geheimbte-Räthe die Köpfe und schlugen, um die kostspieligen Reisen zu verhindern, Ernst August vor, ein neues Opernhaus zu bauen“ (S. 10). Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 95. Vgl. dazu Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses. Zu Steffanis Biographie vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 3–135. Vgl. Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 90ff. Zur Münchener Oper vgl. besonders Franz Michael Rudhart, Geschichte der Oper am Hofe zu München, Freising 1865, u. Robert Münster, Die Musik am Hofe Max Emanuels, in: Hubert Glaser (Hg.), Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700, 2 Bde, München 1976, Bd. 1: Zur Geschichte und Kunstgeschichte der Max-Emanuel-Zeit, S. 295–316. Vgl. Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 93ff. Zur Dresdener Oper im einzelnen s. Moritz Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 2 Bde, Dresden 1861 u. 1862. Vgl. Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 12ff. Vgl. Friedrich Thöne, Wolfenbüttel. Geist und Glanz einer alten Residenz, München 1963, S. 116.

62 theater.19 Diese Arbeiten waren im Mai 1690 abgeschlossen und verschlangen Georg Fischer zufolge insgesamt die gewaltige Summe von ca. 35000 Thalern.20 Bereits am 30. Januar 1689 – also noch vor der endgültigen Fertigstellung – wurde das Haus mit Agostino Steffanis Henrico Leone feierlich eröffnet. Aufgrund seines prächtigen Zuschauerraumes sowie der modernen Bühnentechnik und -maschinerie wurde das Hannoveraner Opernhaus von den Zeitgenossen bald weithin gerühmt:21 Der Hamburger Librettist Barthold Feind beispielsweise vergleicht in seinen Gedancken von der Opera die Opernhäuser Braunschweigs, Hannovers, Hamburgs und Leipzigs und stellt fest, daß das Leipziger wol das pouvreste, das Hamburgische das weitl ufftigste / das Braunschweigische das vollkommenste / und das Hannoversche das sch neste sei.22 Das Repertoire der Hannoveraner Hofoper umfaßte zwischen 1689 und 1698 zehn Bühnenwerke, die – nach venezianischem Muster – überwiegend zur Karnevalssaison gegeben wurden.23 Die Libretti dieser italienischen Opern stammen mit einer Ausnahme vom Hannoveraner Hofpoeten Ortensio Mauro, der seit 1679 in Ernst Augusts Diensten stand. Für die Musik der Hannoveraner Produktionen zeichnete bis 1695 Ernst Augusts Kapellmeister Agostino Steffani verantwortlich; zusammen mit Mauro schuf er acht Werke, die fast alle über Hannover hinaus große Bekanntheit erlangten und Eingang etwa in die Spielpläne der Hamburger, Braunschweiger und Stuttgarter Bühne fanden.24 Die beiden letzten für Hannover entstandenen Opern Briseide (1696) und La costanza nelle selve (1697) wurden hingegen von Luigi Mancia und vermutlich Pietro Torri vertont,25 da Steffani ab Mitte der 1690er Jahre zunehmend als Diplomat und Sondergesandter Ernst Augusts aktiv war und immer weniger am Hofe weilte; seine bisweilen äußerst heiklen politischen Missionen führten ihn u. a. zu seinem früheren Dienstherrn Max Emanuel, der inzwischen als Statthalter der Spanischen Niederlande in Brüssel residierte, und betrafen sowohl die bislang nicht erfolgte – weil von einigen Kur- und Reichsfürsten abgelehnte oder gar bekämpfte – Introduktion des Hannoveraner Kurfürsten ins Kurkolleg

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Vgl. Georg Fischer, Musik in Hannover, S. 10. Ebd. – Zum Vergleich: Agostino Steffanis Jahresgehalt als Hannoveraner Kapellmeister betrug 1200 Thaler, während ein niederländischer Handwerker zur damaligen Zeit etwa 330 Gulden oder 135 Thaler im Jahr verdienen konnte (vgl. dazu Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. XIII: A Note on Currencies). Vgl. dazu Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 49f., und Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen, S. 51. Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 89. Henrico Leone, 1689; La lotta d’Hercole con Acheloo, 1689; La superbia d’Alessandro, 1690 (nach einer Bearbeitung 1691 wiederaufgenommen als Il zelo di Leonato); Orlando generoso, 1691; Le rivali concordi, 1692; La libertà contenta, 1693; I trionfi del fato, 1695; Baccanali, 1695; Briseide, 1696; La costanza nelle selve, 1697. – Vgl. dazu und zum folgenden die Übersicht bei Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 52. Vgl. Colin Timms, The Dissemination of Steffani’s Operas, in: Alberto Colzani u. a. (Hgg.), Relazioni musicali tra Italia e Germania nell’età barocca. Deutsch-italienische Beziehungen in der Musik des Barock, Como 1997, S. 325–349. Vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 67.

63 als auch die Frage der heraufziehenden spanischen Sukzession,26 die am Ausgang des 17. Jahrhunderts ganz Europa in ihren Bann zog.27 Mit Kurfürst Ernst Augusts Tod im Jahre 1698 war die kurze, von Prachtentfaltung und Prestigedenken geprägte Glanzzeit der Hannoveraner Oper allerdings schon wieder vorüber: Ernst Augusts Nachfolger Georg Ludwig zeigte kein sonderliches Interesse am Musiktheater und löste die Oper „aus Sparsamkeitsgründen“ auf.28 Dennoch war er Musikfreund genug und behielt die Hofkapelle bei, ja verstärkte sie sogar nach seinem Regierungsantritt.29 Im Jahre 1710 sollte der Kurfürst dann Georg Friedrich Händel als Kapellmeister und damit Nachfolger Agostino Steffanis verpflichten, der 1703 in die Dienste Kurfürst Johann Wilhelms von Pfalz-Neuburg getreten und nach Düsseldorf übergesiedelt war.30 Was die Stoffe der Hannoveraner Opern zwischen 1689 und 1698 anbelangt, ergibt sich folgendes Bild: Acht Werken mit antiken Sujets (Historie, Mythologie, Pastorale)31 stehen immerhin zwei Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet gegenüber, nämlich Henrico Leone und Orlando generoso. Obgleich die beiden Werke unterschiedliche Typen repräsentieren, insofern Henrico Leone als ,dynastische Mittelalteroper‘ der Stoffkategorie ,zentraleuropäisches Mittelalter 800–1500‘ und Orlando generoso aufgrund seiner Vorlage, Ariosts Orlando furioso, den ,Epos-Opern‘ zuzurechnen ist, haben sie doch die politischdynastische Anspielung gemein: Während diese im Henrico Leone allein schon durch die Wahl der welfischen Identifikationsfigur Heinrich der Löwe als Protagonist überdeutlich zum Ausdruck kommt, ist der Bezug des Orlando generoso subtiler. Wie im Epos, an das sich Ortensio Mauro bei seiner Dramatisierung eng angelehnt hat, erscheinen hier die beiden Liebenden Ruggiero und Bradamante als Stammeltern der estensischen Familie32 und zudem – dies freilich nur in der Oper – der welfischen Dynastie.33 Die Aktualität dieser

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Vgl. dazu im einzelnen Claudia Kaufold, Ein Musiker als Diplomat. Abbé Agostino Steffani in hannoverschen Diensten (1688–1703), Bielefeld 1997 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 36), S. 167ff. u. 247ff. Vgl. dazu etwa Johannes Kunisch, Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien Régime, Göttingen 21999, S. 140–145, und Rudolf Vierhaus, Staaten und Stände. Vom Westfälischen bis zum Hubertusburger Frieden 1648 bis 1763, Frankfurt a. M. u. Berlin 1990, S. 263–273. Rosenmarie Elisabeth Wallbrecht, Das Theater des Barockzeitalters an den welfischen Höfen, S. 176. Vgl. Georg Fischer, Musik in Hannover, S. 27. Zu Steffanis Düsseldorfer Zeit vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 83ff. Während die Sujets von La superbia d’Alessandro und La libertà contenta der antiken griechischen Geschichte entstammen, sind die Stoffe von La lotta d’Hercole con Acheloo, Le rivali concordi, I trionfi del fato, Baccanali, Briseide und La costanza nelle selve den Bereichen Mythologie und Pastorale zuzuordnen. Ariost hatte den zwischen 1505 und 1515 entstandenen und dann mehrfach überarbeiteten Orlando furioso seinem Dienstherrn Kardinal Ippolito d’Este zugeeignet. Vgl. den Monolog Bradamantes in der ersten Szene des dritten Aktes: ORLANDO GENEROSO. Drama per il Theatro d’Hannover MDCXCI (D-W, Textb. 319). Dazu Candace Ann Marles, Music and drama in the Hanover Operas of Agostino Steffani (1654–1728), Diss. Yale University 1991, S. 14f., und Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 230f.

64 genealogischen Anspielung im Orlando generoso (1691) ergibt sich aus Leibniz’ zeitgleichen – d. h. seit 1685 im Auftrage Ernst Augusts unternommenen – Forschungen zur Geschichte und Genealogie der Welfen: Im Zuge seiner großen Reise nach Süddeutschland und Italien von Oktober 1687 bis Juni 1690 hatte der Hannoveraner Gelehrte eindeutig nachweisen können, daß die Häuser Este und Braunschweig-Lüneburg eine gemeinsame Abstammung verbindet, und zwar über den Stammvater der Este, Markgraf Azzo II. († 1097), und seine welfische Gemahlin Kuniza († vor 1055);34 darüber hinaus war es ihm gelungen, „die Lehnsabhängigkeit der jüngeren italienischen Linie von der welfischen“35 offenzulegen – ein für Herzog Ernst Augusts ambitionierte politische Pläne und Intentionen nicht ganz unwesentliches Argument, „genossen die italienischen Herzöge [doch] das kurfürstliche Zeremoniell“.36 Das in Steffanis Orlando generoso unmittelbar verwertete Leibnizsche Forschungsergebnis nahm dabei zugleich eine Erneuerung der alten dynastischen Verbindung zwischen den Este und Welfen vorweg: 1695 vermählte sich Rinaldo III. von Este in Modena mit Charlotte Felicitas, der Tochter Johann Friedrichs und Nichte Ernst Augusts von Hannover. Leibniz, der beim Zustandekommen dieser Vermählung keine unbedeutende Rolle gespielt hatte, steuerte zu diesem festlichen Ereignis seine Abhandlung Lettre sur la Connexion des Maisons de Brunsvic et d’Este bei und „betonte so nochmals die genealogische Grundlage der Heirat“.37

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Vgl. dazu im einzelnen etwa Leibniz’ ,Bericht über die Erfolge der Reise nach Süddeutschland u. Italien für die Welfische Geschichte‘, in: Leibnizens Gesammelte Werke, aus den Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Hannover hg. v. Georg Heinrich Pertz, Erste Folge, Bd. 4: Leibnizens Geschichtliche Aufsätze und Gedichte, Hannover 1847, S. 255–261. Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 71. Armin Reese, Heinrich der Löwe als Argument. Zur dynastischen Historiographie der Welfen im 17. und 18. Jahrhundert, in: Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235 (Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995), 3 Bde, München 1995, Bd. 3: Abteilung Nachleben, S. 41–47, hier S. 43. Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 70. Vgl. dazu auch Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 3, S. 142f. (H 32), u. Alois Schmid, Die Herkunft der Welfen in der bayerischen Landeshistoriographie des 17. Jahrhunderts und bei Gottfried Wilhelm Leibniz, in: Herbert Breger u. Friedrich Niewöhner (Hgg.), Leibniz und Niedersachsen. Tagung anläßlich des 350. Geburtstages von G. W. Leibniz, Wolfenbüttel 1996, Stuttgart 1999 (Studia Leibnitiana Sonderheft 28), S. 126–147, hier S. 140f.

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2.1.1 Herzog Ernst August, Leibniz und Henrico Leone (1689): Historie und Musiktheater im Dienst der politischen Ziele des Welfenhauses Als Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg Ende 1679 die Nachfolge seines verstorbenen Bruders Johann Friedrich im Fürstentum CalenbergGöttingen antrat, lagen der Erwerb der neunten Kur und erst recht die englische Sukzession des Welfenhauses in weiter Ferne. Gleichwohl agierte der Herzog von Anbeginn seiner Regierung sehr zielstrebig und weitsichtig, wenn es darum ging, Macht, Reputation und Rang seines Landes wie Hauses zu mehren und insbesondere letzterem „so viel wie möglich von seiner früheren Größe wieder zu verschaffen“.38 Schon recht früh hegte Ernst August ein ausgeprägtes Interesse für die Geschichte als Instrument, die politische Geltung seiner Dynastie zu unterstreichen; in seiner Regierungszeit „wurde die Historie ein ernstzunehmendes Element der welfischen Politik“.39 Nicht zuletzt große, ruhmreiche mittelalterliche Ahnen, allen voran Heinrich der Löwe (um 1129/30– 1195), schienen geeignet, aufgrund ihres einstmaligen Territorialbesitzes und ihrer politischen Macht die altehrwürdige und einflußreiche Stellung der Welfenfamilie innerhalb des Reiches zu demonstrieren und damit zugleich den Anspruch der Nachkommen auf Rangerhöhung zu unterstützen. Nachdem Leibniz, der seit 1676 zunächst als Hofrat und -bibliothekar in Hannoverschen Diensten stand, im August 1685 von Ernst August den Auftrag zur Abfassung einer Geschichte der welfischen Dynastie erhalten hatte,40 legte er dem Herzog bereits im Herbst diesen Jahres seine Denkschrift De la Grandeur de la Serenissime Maison de Bronsvic-Lunebourg vor.41 Darin argumentiert Leibniz für eine neunte, protestantische Kur des Hauses Braunschweig-Lüneburg, indem er zunächst detailliert und historisch exakt auf dessen alte Herkunft bzw. weit zurückreichende Genealogie (origine), vormalige Macht (puissance) und Würden (dignités) als Grundlagen für die grandeur des Welfenhauses eingeht, um anschließend – darauf aufbauend – die politische Notwendigkeit einer

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Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 21. Ebd., S. 1. Zu Leibniz’ historiographischer Tätigkeit für das Welfenhaus vgl. Werner Conze, Leibniz als Historiker; Günter Scheel, Leibniz als Historiker des Welfenhauses; ders., Leibniz und die geschichtliche Landeskunde Niedersachsens, in: NdsJb 38 (1966), S. 61–85; Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses; Alfred Schröcker, Die deutsche Genealogie im 17. Jahrhundert zwischen Herrscherlob und Wissenschaft. Unter besonderer Berücksichtigung von G. W. Leibniz, in: AfK 59 (1977), S. 426–444; Gerd van den Heuvel, „Deß NiederSächsischen Vaterlandes Antiquitäten“. Barockhistorie und landesgeschichtliche Forschung bei Leibniz und seinen Zeitgenossen, in: NdsJb 68 (1996), S. 19–41; sowie die Beiträge von Stefan Benz, Nora Gädeke, Alois Schmid und Bernd Schneidmüller in: Herbert Breger u. Friedrich Niewöhner (Hgg.), Leibniz und Niedersachsen. Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, hg. v. d. Preußischen (später Deutschen, zuletzt Berlin-Brandenburgischen) Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Erste Reihe: Allgemeiner politischer und historischer Briefwechsel, Darmstadt, (später) Leipzig, (zuletzt) Berlin 1923ff. [im folgenden zit. als „AA I“ (Akademie-Ausgabe, Erste Reihe)], Bd. 4: 1684–1687, Berlin u. Leipzig 1950, S. 221–237.

66 protestantischen Kurwürde für die Hannoveraner Welfen zu erweisen. Zentrale Figur für die puissance der Welfen ist dabei Heinrich der Löwe, dessen Herrschaftsgebiet Bayern und Sachsen umfaßte und sich infolge der Unterwerfung der Slawen bis zum Baltischen Meer erstreckte, so daß der Territorialbesitz der welfischen Dynastie seinerzeit de mari ad mare42 reichte, von Nordund Ostsee bis zum Mittelmeer.43 Heinrichs herausgehobene Machtposition habe erst die vereinte Vielzahl seiner Neider und Feinde zu Fall bringen können, die sich an den Verlusten des Welfenhauses bereichert hätten.44 Hinsichtlich der Kurwürde (dignité Electorale) betont Leibniz, daß das Welfenhaus wohl schon unter Welf V., Heinrich dem Schwarzen (als Herzögen von Bayern), Heinrich dem Stolzen und dann Heinrich dem Löwen als Herzögen von Bayern und Sachsen ,quasi-kurfürstliche‘ Ehren innegehabt habe, insofern diese beiden alten Stammesherzogtümer später mit der Kurwürde ausgestattet worden seien.45 Mit der Verleihung der neunten Kurwürde kehre das Welfenhaus somit lediglich zu den alten Ehren und Rechten der Vorfahren zurück.46 Ebenfalls im Jahre 1685 begannen im Auftrag Ernst Augusts die Arbeiten zum Umbau des Rittersaales im Hannoveraner Leineschloß. Auch daran war Leibniz beteiligt, hatte er doch die Vorlagen für die in Wände und Decke eingelassenen Ahnenporträts „in Braunschweig, Wolfenbüttel, Harburg, Winsen a. L., Lüneburg, Celle und Helmstedt besorgen müssen, wobei ihn der Maler Hans Heinrich Mathias aus Helmstedt als Kopist begleitete“.47 In der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover (Niedersächsische Landesbibliothek) findet sich ein eigenhändiger Entwurf Leibnizens für die Anordnung der Welfenporträts im neu zu gestaltenden Rittersaal,48 dessen Funktion, die grandeur des Hauses Braunschweig-Lüneburg in Vergangenheit und Gegenwart

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Hier zitiert Leibniz offensichtlich eine an Ps 71 angelehnte Umschreibung des Herrschaftsbereichs Heinrichs des Stolzen in der Chronica sive Historia de duabus civitatibus des Otto von Freising (vgl. Bernd Schneidmüller, Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch. Die Territorialisierung welfischen Adelsbewußtseins im 13. Jahrhundert und seine Europäisierung bei Leibniz, in: Herbert Breger u. Friedrich Niewöhner [Hgg.], Leibniz und Niedersachsen, S. 87–104, hier S. 91 Anm. 22). AA I, Bd. 4, S. 222. Ebd., S. 222f.: Mais la grande puissance et la fierté de Henry le Lion luy firent des envieux, et enfin des ennemis qvi l’accablerent par leur nombre, et la pluspart des autres princes s’enrichirent par les depouilles de cette maison. Ebd., S. 224. Armin Reese hat darauf hingewiesen, daß damit indirekt eine „Wiedergutmachung von Unrecht, das dem Haus widerfahren sei“, eingefordert wurde: „Solange noch eine Diskrepanz zwischen alter Größe und Gegenwart bestand, mußte dieser Gedanke sich immer wieder aufdrängen. Ihm verdankt die Historie einen Teil ihrer Bedeutung für die innere und äußere Propaganda, denn die Geschichtsforschung stellte das Unrecht fest“ (Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 37). Georg Schnath, Das Leineschloß. Kloster, Fürstensitz, Landtagsgebäude. Mit Beiträgen v. Rudolf Hillebrecht u. Helmut Plath, Hannover 1962, S. 69. Leibnizens Entwurf ist abgedruckt bei Georg Schnath, Das Leineschloß, S. 65 (Abb. 11), und neuerdings bei Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 3, S. 142 (H 31). Eine Abbildung des Rittersaales im Zustand von 1866 findet sich bei Schnath, S. 155 (Abb. 71).

67 offen zur Schau zu stellen, unverkennbar dem gewachsenen Repräsentationsbedürfnis Herzog Ernst Augusts geschuldet ist: Während sich die ovalen Großporträts Ernst Augusts und seiner Gemahlin Sophie in Leibnizens Zeichnung im Zentrum der beiden Stirnseiten des Raumes direkt gegenüberstehen, jeweils gerahmt von zwei kleineren Bildnissen des Azzo von Este, Welf (IV.), Magnus Pius und Magnus Torquatus, sind die acht großen ovalen Felder der beiden Längsseiten, die Ernst August und Sophie gleichsam in ihren ,Reigen‘ aufnehmen und ihrerseits von zehn kleineren Ahnenporträts umgeben sind, „den zu kaiserlichen, königlichen oder kurfürstlichen Würden aufgestiegenen Männern beziehungsweise den mit gekrönten Häuptern vermählten Frauen des Hauses vorbehalten“.49 Inmitten dieser acht Längsseitenporträts und nahezu im Zentrum des Rittersaales, gegenüber dem Längsseiteneingang, hat Leibniz das Bildnis Heinrichs des Löwen – der Bedeutung des mächtigen Ahnen entsprechend – plaziert; es wird flankiert von den Porträts Heinrichs des Stolzen und Kaiser Ottos IV., ihm direkt gegenüber sein Sohn Heinrich, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Sachsen. In einem nach Leibniz’ großer Forschungsreise (1687–1690) entstandenen Entwurf für die geplante Hausgeschichte der Welfen hat der Hannoveraner Universalgelehrte einen längeren Passus gegen Ende – genau genommen den umfangreichsten Abschnitt zu einer Einzelperson – Leben und Taten Heinrichs des Löwen gewidmet.50 Hier verweist Leibniz wiederholt auf Heinrichs große Machtfülle und seine königsgleiche Stellung, Rechte und Politik, etwa wenn er ausführt, daß Henricus Leo dem Kayser [Friedrich I. Barbarossa] in Italien zugezogen, fast mit eben so viel Macht, als der Kayser selbst gehabt, wie testes oculares sagen, daß Heinrich Este und andere Estensische Erblande (so er und Herzog Welf nicht selbst besessen oder behalten) denen Vettern oder Estensischen Herren Italiänischer Lini laut Inhalts der Diplomatum zu Lehen geben; oder daß der Welfenfürst die Bischöfe der von ihm gegründeten Bistümer Lübeck, Schwerin und Ratzeburg per annulum et baculum investiret, welches die Päbste den Kaysern selbst benommen hatten. Ferner habe Heinrich den König in Dennemarck wieder eingesetzet und des Königs in England Henrici II. und der Alienor von Aquitanien Tochter Mechthild geheyrathet, die Stadt Lübeck aufbracht, und mit Rechten und Freyheiten versehen [...]; ganz Pommern, Mecklenburg und Holstein unter seiner Ober-Bothmässigkeit gehabt, die Grafschafften Schwerin und Ratzeburg fundiret, den Löwen zu Braunschweig giessen lassen, so Gelegenheit zu viel Fabulis geben, sowohl als der Zug den er in das gelobte Land gethan, da von dem Sultan mit grosser Ehrerbietigkeit empfangen worden.51 Schließlich sei mit Heinrichs Macht auch der Neid gegen ihn überauss gewachsen, so daß der Kayser zumahl, da er ihn [Heinrich] mit vielen fast alzu niedrigen Bitten nicht bereden können, noch

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Georg Schnath, Das Leineschloß, S. 64. ,Entwurf der Welfischen Geschichte‘, in: Leibnizens Gesammelte Werke, hg. v. Georg Heinrich Pertz, Erste Folge, Bd. 4, S. 240–255. Ebd., S. 252f.

68 einmahl einen Zug mit ihm in Person in Italien zu thun, in Nachdencken und Zelosia gerathen, ihme viele Feinde auf den Hals gehetzet, sich mit dem Pabst, so guth er gekondt, verglichen, Henricum Leonem mit aller Macht angefallen.52 Der letztgenannte Aspekt, der mutmaßlich aus Neid und Mißgunst betriebene Sturz Heinrichs des Löwen (1179/80), den Leibniz noch näher ausführt, indem er die anmasslich vollzogene Aufteilung der Länder des Welfenherzogs durch Friedrich Barbarossa skizziert,53 lag dabei genau auf der Argumentationslinie, die Herzog Ernst August 1689 für die Bemühungen um die neunte Kur selber vorgegeben hatte: „man solle in der Kursache auch mit dem Argument operieren, das Haus Heinrichs des Löwen, das 1180 zu Unrecht viel verloren habe, müsse aus Gerechtigkeitsgründen so weit wie möglich entschädigt werden, obwohl es nicht die geringste Absicht habe, die Vorgänge von 1180 ,zu jemandes Nachtheil hervorzusuchen‘“.54 Heinrich der Löwe war also nicht nur eine Zentralfigur welfischer Repräsentation und Propaganda, ihm kam auch – wie eben angedeutet – für die praktische Politik des Welfenhauses keine unbedeutende Rolle zu. Dazu ein weiteres Beispiel: Als Ende September 1689 mit Herzog Julius Franz der letzte askanische Regent des Herzogtums Lauenburg verstarb, war man in Hannover schon auf den Eintritt des Erbfalls vorbereitet. Die Lage war zwar durchaus undurchsichtig und verworren, da Julius Franz mit mehreren Bewerbern Erbverträge abgeschlossen hatte und nun verschiedene Parteien Anspruch auf das Herzogtum Lauenburg erhoben (u. a. Kursachsen, Anhalt und Brandenburg, Mecklenburg, Dänemark, Holstein, Schweden, der Kaiser und eben auch Braunschweig-Lüneburg).55 Dennoch besetzte Herzog Georg Wilhelm von LüneburgCelle – im Einvernehmen mit seinem Bruder Ernst August und den Wolfenbütteler Vettern – vom 10. bis 13. Oktober als Kreisoberst das Herzogtum Lauenburg mit seinen Truppen, obgleich zuvor sowohl ein kaiserliches Beschlagnahmepatent als auch symbolische Inbesitznahmen Lauenburgs durch Kursachsen und Anhalt ergangen waren. Um die Ansprüche BraunschweigLüneburgs auf Lauenburg und zugleich die Okkupation juristisch zu untermauern und den Hauptkonkurrenten Anhalt sowie Brandenburg entgegen-

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Ebd., S. 253. Folgt wie Henricus Leo vom Kayser angefallen und zulezt mit Zutritt fast aller Nachbarn übern Hauffen geworffen worden, wie der Kayser die Gwelfische Lande in Schwaben und Italien, samt den dominiis Mathildis zu sich gerissen oder auf seine Söhne bracht, das Herzogthum Bayern den Pfalzgrafen in Bayern, deren Stamm noch blühet, zugeleget; die Herzogthümer Westphalen und Sachsen, so viel davon Reichslehen dem Erzbischoffen zu Cöllen und Graf Bernhard von Anhalt anmasslich verliehen. Wie Henricus Leo sich lieber in England begeben, als auff seine Rechte auch nur pro parte renuntiiren wollen (ebd.). Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 94. – Die bei Reese anzitierte ,Weisung des Herzogs Ernst August an Platen in der Kursache‘ vom August 1689 ist abgedruckt bei Georg Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714, Bd. 1: 1674–1692, Hildesheim u. Leipzig 1938, S. 754–759. Vgl. dazu und zum folgenden vor allem Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 88ff.

69 zutreten, argumentierte man in Hannover und Celle auf historischer Basis, wobei der einstige Territorialbesitz Heinrichs des Löwen von zentraler Bedeutung war: Abgesehen davon, daß man die Genealogie der Anhaltiner und damit deren Anspruch auf Lauenburg anzweifelte, wurde vor allem darauf verwiesen, daß Lauenburg Heinrichs Eigengut (Allod), nicht Lehen gewesen sei, das ihm nach der Ächtung und dem Entzug der Reichslehen (1179/80) hätte zurückerstattet werden müssen.56 Leibniz war wohl schon zu Beginn der 1680er Jahre „mit historisch-politischen Denkschriften vor Herzog Ernst August und seine Minister getreten [...], um sie auf ein mögliches, wenn auch damals noch nicht wahrscheinliches Eintreten des Erbfalls hinzuweisen“.57 Auch in der bereits erwähnten Abhandlung De la Grandeur de la Serenissime Maison de Bronsvic-Lunebourg deutet er die legitimen welfischen Ansprüche auf Lauenburg an.58 Da er sich zum Zeitpunkt des tatsächlichen Erbfalls im Rahmen seiner großen Forschungsreise allerdings in Italien aufhielt, fiel dem hannoverschen Vizekanzler Ludolf Hugo die Aufgabe zu, eine historisch-juristische Deduktion zu den welfischen Besitzansprüchen zu verfassen, wobei Leibniz ihn nach seiner Rückkehr als „historischer Sachverständiger“ unterstützte.59 Vor dem Hintergrund der geschilderten Instrumentalisierungsstrategien mag es demnach kaum verwundern, wenn Heinrich der Löwe alias Henrico Leone als Protagonist der gleichnamigen Eröffnungsoper für das neue Schloßopernhaus am 30. Januar 1689 zum ersten Mal auf die Opernbühne trat. Was lag freilich näher, als das Spektrum der bisherigen Aktivitäten um die performative Dimension zu erweitern und das Erstlingswerk der Hannoveraner Oper und zugleich das Einweihungsstück für das soeben mit großem Aufwand erstellte Theatergebäude dem herausragenden mittelalterlichen Ahnen der welfischen Dynastie und „Prototyp dynastischer Geschichtsschreibung“60 zu widmen – zu einer Zeit, als sich Herzog Ernst August mit Nachdruck um die Kurwürde bemühte? Die „Indienstnahme von Geschichte für den Rang des Welfenhauses und seine aktuellen Ziele“61 mündete somit ein in das neue, repräsentative und wirkmächtige Genre der Oper, indem Heinrich der Löwe als Exemplum für die grandeur der Familie auf der Opernbühne zu neuem Leben erweckt, im Zeichen dynastischer Propaganda re-präsentiert wurde, und dies vor einem überaus illustren ,Publikum‘: Neben dem Hannoveraner Hofstaat um Herzog Ernst

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Ebd., S. 91, sowie Georg Schnath, Eine Denkschrift von Leibniz zum Erbfolgestreit um Sachsen-Lauenburg (1690), in: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven, FS Hellmut Kretzschmar, Berlin 1953, S. 328–338. Günter Scheel, Leibniz als Historiker des Welfenhauses, S. 267. On pourroit pretendre aussi par bonnes raisons à la duché de Lauenbourg, non obstant la cession faite, si qvelqve jour elle venoit à vaquer; comme j’ay fait voir ailleurs par bonnes raisons, et par une remarqve d’Histoire qvi me paroist considerable: AA I, Bd. 4, S. 223. Günter Scheel, Leibniz als Historiker des Welfenhauses, S. 267. Vgl. Leibniz’ eigenhändige, nach seiner Rückkehr abgefaßte Deduktion zum Lauenburger Erbfolgestreit bei Georg Schnath, Eine Denkschrift von Leibniz, S. 333–338. Johannes Fried, Der Löwe als Objekt. Was Literaten, Historiker und Politiker aus Heinrich dem Löwen machten, in: Historische Zeitschrift 262 (1996), S. 673–693, hier S. 675. Bernd Schneidmüller, Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch, S. 88.

70 August und Herzogin Sophie hatten sich zur Festaufführung, mit der man sowohl den gerade abgeschlossenen ,Hannoverschen Vergleich‘ zwischen den Häusern Braunschweig und Brandenburg62 als auch den 500. Jahrestag der Zerstörung Bardowicks durch Heinrich den Löwen feierte, Herzog Georg Wilhelm von Lüneburg-Celle, die Herzöge Rudolf August und Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, Kurfürst Friedrich III. und Kurfürstin Sophie Charlotte von Brandenburg, Landgraf Karl von Hessen-Kassel sowie die Fürstin Christine Charlotte von Ostfriesland in Hannover eingefunden. Einer jedoch fehlte: Ausgerechnet der Haushistoriograph Leibniz weilte im Zuge seiner großen Bibliotheksreise seit Ende April 1688 in Wien, u. a. um dort – im Anschluß an seine Forschungserfolge in München und Augsburg zur Frage der gemeinsamen Abstammung der Welfen und Este – aus mittelalterlichen Urkunden und Handschriften weitere Hinweise zur Genealogie und Hausgeschichte der Welfen zu gewinnen.63 Da er erst im Sommer 1690 nach Hannover zurückkehrte, mußte man bei der Produktion des Henrico Leone letztlich auf seinen Rat und Sachverstand verzichten, obgleich der hannoversche Premierminister Otto Grote Leibniz noch im Mai 1688 brieflich zur Rückkehr gedrängt hatte: Vous ferés bien cependant de presser un peu vre retour entre autre parceque S. Alt. incline de faire faire un opera de l’Histoire de Henry de [sic!] Lion où vostre presence et vos avis pourroint estre fort necessaires.64 Aus Grotes Worten ist dabei zugleich zu erschließen, daß der Plan zur Oper Henrico Leone von Herzog Ernst August selbst ausging. Angesichts Ernst Augusts dezidierten Geschichtsinteresses, seiner politischen und repräsentativen Agilität, was die Steigerung des Ansehens und Einflusses seines Hauses anbelangte, und insbesondere angesichts seiner Hochschätzung der italienischen, speziell der venezianischen Oper scheint die in jüngster Zeit verstärkt geäußerte Vermutung, daß Herzogin Sophie – deren ansonsten wichtiger Einfluß auf das kulturelle Leben am Hannoveraner Hof hier keineswegs geleugnet werden soll – den entscheidenden Anstoß zur Wahl des Sujets gegeben habe, doch eher abwegig.65 Dazu steht nicht in Widerspruch, daß die große Herzogin über die mit dem Sujet

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Vgl. Georg Schnath, Geschichte Hannovers, Bd. 1, S. 461. In einem Bericht an Ernst August über die bisherigen Ergebnisse seiner Reise schreibt Leibniz Ende April 1688 aus München: Ich hoffe aber aus den rebus Carinthiacis und andern monumentis so in Kayserl. Bibliothek enthalten noch ferneres liecht zu finden, denn der lezte Gvelfo [Welf III., Herzog v. Kärnten] der seine schwester [Kuniza] dem Azoni [Azzo II. von Este] geben, dux Carentanorum gewesen. Zugleich deutet er auch die Notwendigkeit seiner Weiterreise nach Italien an: Alsdann wäre zwar noch übrig des Azonis Estensis ursprung aus den Italianischen monumenten müglichster maßen zu untersuchen, und was die Estensischen Historienschreiber dießfalls zimlich unrichtig vorbracht theils zu beßern theils auff festen fuß zu stellen. Welches aber ohne insicht der Documenten so theils in dem gebieth der Republic Venedig [...] theils in dem Modenesischen Archivo befindtlich, nicht zu erhalten (AA I, Bd. 5: 1687–1690, Berlin 1954, S. 114–129, hier S. 119). AA I, Bd. 5, S. 139. So etwa bei Candace Marles, Opera as ,Instrumentum regni‘. Agostino Steffani’s ,Enrico Leone‘, in: Opera quarterly 11/1 (1994/95), S. 43–78, hier S. 51, und Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 19.

71 intendierte politisch-propagandistische Aussage freilich bestens informiert war, wie sie in einem Brief an Leibniz vom 16. September 1688 deutlich erkennen läßt: cet [= c’est] Sigr Hortance [Mauro] qui compose la piesse de Henri le Lion, je crois qu’on a pris ce sujet afin que la posterité n’oublie point touts les estats qui ont esté autrefoys à cette maison.66 Bei den Rezipienten sollte demnach mit der Figur Heinrichs des Löwen die Erinnerung an die einstmalige puissance (Leibniz) des Welfenhauses aufgerufen werden, um auf das Unrecht, das der Dynastie in alter Zeit widerfahren war, aufmerksam zu machen und damit zugleich der aktuellen, legitimen Forderung nach Rangerhöhung Nachdruck zu verleihen. Auf eine entsprechende offizielle argumentative Vorgabe Herzog Ernst Augusts zur Unterstützung des Anspruches auf die neunte Kur wurde bereits hingewiesen.67 Um die Opernaufführung dem festlichen Anlaß, der politischen Botschaft und insbesondere der grandeur des Welfenhauses entsprechend auch künstlerisch auf hohem bis höchstem Niveau präsentieren zu können, hatte Herzog Ernst August Agostino Steffani als Hofkapellmeister und Opernkomponisten aus München nach Hannover geholt; dieser engagierte wiederum einen Teil der Sänger – vor allem für die Schlüsselpartien des Henrico Leone – in Venedig, einen anderen brachte er aus München mit,68 darüber hinaus wandte man sich in Hannover zur Ausleihe von Musikern und Vokalisten auch an den Hof von Modena.69 Daß die Aufführung, die überdies auf den Einsatz aufsehenerregender und modernster Bühnenmaschinerie setzte, ihre Wirkung offenbar nicht verfehlte, geht aus dem gedruckten Libretto des kurz darauf am Hofe Herzog Georg Wilhelms in Celle gespielten Pastorales Europe hervor, wo es in einem vor dem Prolog rezitierten Eloge de la Serenißime Maison de Brunsvic & Lunebourg, Et du grand Opera de Henri le Lion heißt:70 Du plus fameux Heros de la race GUELFIQUE, | Dans vn riche appareil, & par des vers pompeux, | Vn de ses Augustes neueux, | Prince puissant & magnifique, | A fait representer les exploits glorieux. | Ce spectacle a raui les esprits & les yeux; | Et pour les delasser des objets serieux, | Nous ne donnons icy qu’ vne fête rustique, | Qui n’a rien que de joyeux.

Eine vergleichbare Wirkung konnte das andere Großprojekt welfischer Selbstdarstellung, die von Leibniz bearbeitete Hausgeschichte, nicht entfalten. Nicht nur, daß deren mediale Zielrichtung z. T. eine völlig andere war als die der spektakulären, augen- wie ohrenbetörenden Opernaufführung zum Gedenken

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AA I, Bd. 5, S. 241. S. oben S. 68 mit Anm. 54. Vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 56. Timms zufolge sind für die neun SoloPartien folgende Sänger zu vermuten: Nicola Paris (Henrico), Vittoria Tarquini o. Signora Cettareli (Metilda), Signora Cettareli o. Vittoria Tarquini (Idalba), Antonio Borosini (Almaro), Antonio Cottini/Nicola Gratianini (Ircano), Severo Frangioni (Errea), Augustino Granara (Eurillo), Nicola Remolini (Lindo), Nicola Gratianini/Antonio Cottini (Demone). Ebd., S. 53. EVROPE, Pastorale heroiqve, ornée de Musique, de Dances, de Machines, & de Changemens de Theâtre: & Representée Au Château de Cell, Deuant Leurs Altesses Serenissimes, Le … de Januier M.DC.LXXXIX. (D-W, Textb. 180), S. 3.

72 des welfischen Heroen und seiner ruhmreichen Taten;71 sie wurde vor allem gar nicht vollendet – jedenfalls nicht von Leibniz und nicht zu Lebzeiten seiner stets zur Fertigstellung mahnenden Auftraggeber Ernst August und Georg Ludwig. Aufgrund der weit in die Zukunft weisenden wissenschaftlich-minutiösen, dem neuesten Stand der historischen Quellenkunde und -kritik entsprechenden Ausarbeitung des Annalenwerkes, die zudem einherging mit einer von Leibniz recht eigenmächtig betriebenen Ausweitung des ursprünglichen GenealogieAuftrages zu einer universellen „welfischen Landesgeschichte in ihren reichsgeschichtlichen und europäischen Bezügen“,72 war es dem Hannoveraner Polyhistor bis zu seinem Tode im Jahre 1716 nicht vergönnt, das von ihm selbst gesteckte Ziel zu erreichen: nämlich den Abschluß des ersten Annalenbandes mit dem Jahre 1024. Die Zeiten überdauert und Leibniz’ Ruhm als Historiker begründet haben allerdings einige „bahnbrechende Quellenveröffentlichungen“, allesamt Nebenprodukte der welfischen Haus- oder vielmehr Landesgeschichte, an denen „kein Historiker des 18. und 19. Jahrhunderts vorübergehen“ konnte, „der sich mit Landes- oder Reichsgeschichte befaßte“:73 u. a. der Codex juris gentium diplomaticus (1693), eine „Sammlung von Quellen zum europäischen Staats- und Völkerrecht mit Verträgen aus der Zeit zwischen 1097 und 1499“,74 die Accessiones historicae (1698) mit „bisher unveröffentlichten erzählenden Geschichtsquellen zur allgemeinen Geschichte des Mittelalters“75 sowie die Scriptores rerum Brunsvicensium (1707–1711), die in drei Bänden 157 vor 1500 verfaßte „Quellenschriften vor allem zur Geschichte Niedersachsens und seiner regierenden Dynastien, teils aber auch zur Reichsgeschichte“ enthalten und so Zeugnis ablegen „von dem jahrzehntelangen Sammeleifer und Finderglück des hannoverschen Geheimen Justizrates und Bibliothekars“.76

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Abgesehen von ihrer Prestigefunktion für die welfische Dynastie, ihrer Unterstützung der grandeur des Hauses, sollte die Welfengeschichte vor allem auch im Verlauf juristischer Auseinandersetzungen einsetzbar sein und den historisch abzuleitenden Rechten und Ansprüchen der welfischen Landesherren Nachdruck verleihen. Beiden Zwecken konnte sie in Leibniz’ Augen nur dienen, wenn sie nach streng wissenschaftlichen Kriterien erarbeitet würde und der kritischen Prüfung durch die gelehrte Fachwelt standhalten könnte. Zu Leibniz’ Forderung nach wissenschaftlicher Exaktheit in der Historiographie vgl. einen französischsprachigen Entwurf aus dem Jahre 1692 zu seinen Annalen, veröffentlicht von Eduard Bodemann: Leibnizens Entwürfe zu seinen Annalen von 1691 und 1692, S. 18ff. Gerd van den Heuvel, „Deß NiederSächsischen Vaterlandes Antiquitäten“, S. 28. Die Einbeziehung der mittelalterlichen Reichs- wie der niedersächsischen Landesgeschichte machte ferner die zunächst geplante Fortführung der Welfengeschichte bis in die Gegenwart unmöglich (vgl. Günter Scheel, Braunschweig-Lüneburgische Hausgeschichtsschreibung im 18. und 19. Jahrhundert im Anschluß an das historiographische Erbe von G. W. Leibniz, in: Dieter Brosius u. Martin Last [Hgg.], Beiträge zur niedersächsischen Landesgeschichte, FS Hans Patze, Hildesheim 1984, S. 220–239, hier S. 222). Günter Scheel, Braunschweig-Lüneburgische Hausgeschichtsschreibung, S. 223. Werner Conze, Leibniz als Historiker, S. 27. Günter Scheel, Leibniz als Historiker des Welfenhauses, S. 264. Horst Eckert, Gottfried Wilhelm Leibniz’ Scriptores rerum Brunsvicensium. Enstehung und historiographische Bedeutung, Frankfurt a. M. 1971 (Veröffentlichungen des LeibnizArchivs 3), S. 1.

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2.1.2

Henrico Leone: Zum Libretto und zur Musik des ,Prototyps‘ der ,dynastischen Mittelalteroper‘ im norddeutschen Raum

Da Leibniz, wie erinnerlich, zur Zeit der Planung und Produktion der Oper Henrico Leone außer Landes weilte, fiel die Konzeption des Librettos und vor allem dessen poetische Gestaltung wohl allein dem seit 167977 in Herzog Ernst Augusts Diensten stehenden Hofpoeten Ortensio Mauro zu. In einem Brief an Leibniz vom 23. August 1688 deutet Mauro seine Arbeit am Textbuch an, indem er im Postskriptum verschmitzt anfügt: S. A. [Herzogin Sophie] va à la foire de Bronsvich avec toute la cour; elle me laisse icy pour l’opera d’Henry le Lion, qui m’embarrasse fort, n’en ayant jamais fait. J’aymerois mieux faire un Evèque.78 Nähere Hinweise zu einer konkreten Chronologie der Librettoproduktion, zu einer möglichen – und auch recht wahrscheinlichen – Zusammenarbeit zwischen Librettist und Komponist oder zur Beteiligung dritter Personen liegen nicht vor.

2.1.2.1 Die Paratexte Das gedruckte Libretto selbst umfaßt nicht nur den gesungenen oder rezitierten Dramentext als Haupttext, sondern enthält darüber hinaus verschiedene Paratexte79 mit je eigenen Funktionen:80 Dem Titel(blatt) folgt zunächst ein mit

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Vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 48. AA I, Bd. 5, S. 221. Zur Gattung und Gattungscharakteristik dieser ,Schwellen‘- oder Begleittexte des literarischen Werkes s. Gérard Genette, Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, Frankurt a. M. 2001. „Ein literarisches Werk besteht ausschließlich oder hauptsächlich aus einem Text, das heißt (in einer sehr rudimentären Definition) aus einer mehr oder weniger langen Abfolge mehr oder weniger bedeutungstragender verbaler Äußerungen. Dieser Text präsentiert sich jedoch selten nackt, ohne Begleitschutz einiger gleichfalls verbaler oder auch nicht-verbaler Produktionen wie einem [sic!] Autornamen, einem Titel, einem Vorwort und Illustrationen. Von ihnen weiß man nicht immer, ob man sie dem Text zurechnen soll; sie umgeben und verlängern ihn jedenfalls, um ihn im üblichen, aber auch im vollsten Sinn des Wortes zu präsentieren: ihn präsent zu machen, und damit seine ,Rezeption‘ und seinen Konsum in, zumindest heutzutage, der Gestalt eines Buches zu ermöglichen. Dieses unterschiedlich umfangreiche und gestaltete Beiwerk habe ich an anderer Stelle und in Anlehnung an den mitunter mehrdeutigen Sinn dieser Vorsilbe im Französischen als Paratext des Werkes bezeichnet. Der Paratext ist also jenes Beiwerk, durch das ein Text zum Buch wird und als solches vor die Leser und, allgemeiner, vor die Öffentlichkeit tritt. Dabei handelt es sich weniger um eine Schranke oder eine undurchlässige Grenze als um eine Schwelle oder [...] um ein ,Vestibül‘, das jedem die Möglichkeit zum Eintreten oder Umkehren bietet; um eine ,unbestimmte Zone‘ zwischen innen und außen, die selbst wieder keine feste Grenze nach innen (zum Text) und nach außen (dem Diskurs der Welt über den Text) aufweist; oder wie Philippe Lejeune gesagt hat, um ,Anhängsel des gedruckten Textes, die in Wirklichkeit jede Lektüre steuern‘“ (ebd., S. 9f., Hervorhebungen im Original). Die in der Dramentheorie seit Roman Ingarden geläufige dichotomische Unterscheidung zwischen ,Haupt‘- und ,Nebentext‘ als „gesprochene Repliken der Dramenfiguren

74 Elogio d’Henrico Leone überschriebenes italienisches Vorwort, sodann verschiedene Verzeichnisse der Personen, der Szenen, der Bühnenmaschinen, der Komparsen und zuletzt der drei Tänze an den Aktschlüssen, ebenfalls in italienischer Sprache, bevor das Argomento, eine erläuternde Inhaltsangabe, die Reihe der italienischen Paratexte beschließt.81 Hierauf folgt nun aber nicht direkt der eigentliche Dramentext, sondern zuvor sind jeweils eine französische und deutsche Übersetzung der italienischen Paratexte (mit Ausnahme des Vorwortes) eingeschoben. Diese Dreisprachigkeit setzt sich auch im Dramentext fort, insofern nicht nur die jeweiligen italienischen Akt- und Szenenüberschriften auch in französischer und deutscher Sprache aufgeführt sind, sondern überdies jeder Szene des italienischen Dramentextes kurze Inhaltsangaben in französisch und deutsch – auch sie paratextuelle Elemente – vorgeschaltet sind. Die Funktion dieser paratextuellen Übersetzungen ist allzu deutlich: Da man in Hannover wie an den meisten Höfen nördlich der Alpen keineswegs auf das italienischsprachige Libretto verzichten wollte, war es doch untrennbar mit der prestigeträchtigen ,importierten‘ Kunstform der italienischen Oper verwoben, blieb man auf entsprechende Übersetzungen oder Synopsen der zentralen Textpartien angewiesen, um die Rezeption eines Bühnenwerkes zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Daß die Produzenten des Henrico Leone dabei zugleich auf das Französische als die um 1700 vorherrschende Verkehrssprache des europäischen Adels und der Höfe (und zunehmend auch der Gelehrtenwelt) wie auf das Deutsche als heimisches Idiom setzten,82 zeigt, wie sehr es ihnen

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einerseits und sprachliche Textsegmente andererseits, die in der Bühnenrealisierung nicht gesprochen manifest werden“ (Manfred Pfister, Das Drama. Theorie und Analyse, München 112001, S. 35), wäre demnach im Hinblick auf Genettes Konzept des ,Paratextes‘ zu modifizieren, macht doch eine Differenzierung der Textschicht ,Nebentext‘ durchaus Sinn: Ich möchte daher die innerhalb des Haupttextes erscheinenden und für dessen Bühnenrealisierung konstitutiven Bühnen- und Regieanweisungen ebenso wie die Aktbzw. Szeneneinteilung und Rollenmarkierung weiterhin dem ,Nebentext‘ zuweisen, alle anderen, außerhalb des Haupttextes liegenden Textschichten (Titel, Vorwort, Widmung, Personen- und Bühnenverzeichnisse, Anmerkungen etc.), nun aber als ,Paratexte‘ auffassen. Eine ähnliche Differenzierung hat Elke Platz-Waury vorgeschlagen (Nebentext, in: Harald Fricke u. a. [Hgg.], Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 2, Berlin u. New York 2000, S. 693–695), allerdings situiert sie die „Paratexte des verschrifteten Theaterstücks“ (S. 694) innerhalb des ,Nebentextes‘ und behält somit das dichotomische Konzept ,Haupttext‘/,Nebentext‘ bei. HENRICO LEONE, Dramma dà recitarsi per l’anno MDCLXXXIX. Nel nuovo Theatro D’Hannover (D-W, Textb. 303). Anscheinend war diese Dreisprachigkeit ein Spezifikum des Hannoveraner Hofes. Sie betrifft nicht nur Henrico Leone, sondern auch die meisten späteren Hannoveraner Bühnenwerke der Ära Steffani (vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 178f.). Demgegenüber stützte man sich am Wiener und Münchener Hof gegen Ende des 17. Jahrhunderts zumeist allein auf deutschsprachige Übertragungen des italienischen Originaltextes (und zwar als eigenständige, separat veröffentlichte Librettoversionen; einige Wiener Libretti aus der Zeit um 1670, als Kaiser Leopold I. mit der Infantin Margerita Teresia von Spanien vermählt war, liegen auch in spanischer Sprache vor [vgl. Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 429–585]). Für den Dresdener Hof läßt sich hingegen mit dem Libretto zur großen Festoper Teofane (1719 anläßlich der Vermählung

75 auf eine übergreifende Wirkung dieser Oper und ihrer politischen Botschaft ankam. Das als Eloge betitelte italienische Vorwort (Elogio d’Henrico Leone),83 dessen Verfasser zwar nicht namentlich genannt wird, sicherlich aber mit dem Librettisten identisch sein dürfte, führt als „Diskurs“ (Genette) in den nachfolgenden (Opern-)Text ein und feiert zunächst die Rückkehr Heinrichs des Löwen auf die Opernbühne, um das neue Hannoveraner Theater – diesen Punkt hebt der Libretto-Titel eigens hervor84 – mit der Darstellung seiner Erlebnisse einzuweihen: Glücklich dürfe jenes sich schätzen, mit seiner Eröffnung der Memoria eines so berühmten Fürsten die Ehre zu erweisen.85 Es folgt, nach einer vagen Andeutung unvorhergesehener Widrigkeiten im Vorfeld der Aufführung und deren erfolgreicher Überwindung, eine auf kosmische Metaphorik rekurrierende poetische Skizze der Persönlichkeit und (politischen) Biographie des Titelhelden: Aus der Historie der Welfen und der Erinnerung der Völker sei genügend bekannt,86 wer Heinrich der Löwe war. Obgleich sein kometenhaftstrahlender Lauf jäh beendet, seine Macht vom irritierten Schicksal dezimiert und seine Herrschaft über Bayern und Sachsen – von der Elbe bis zum Rhein, von den Alpen bis zur Nordsee – beschnitten worden sei, habe Heinrichs ,Sonne‘ doch nicht verdunkelt, sein Ruhm nicht ausgelöscht werden können. Über fünf Jahrhunderte hinweg habe die Nachwelt seine Erinnerung bewahrt. Getreu der welfischen Argumentationsstrategie (wie sie auch Leibniz vertrat)87 wird der Sturz Heinrichs des Löwen als Unrecht und Hinterhältigkeit gedeutet, insofern er von Friedrich Barbarossa und den deutschen Fürsten aus Haß und Neid betrieben worden sei und den tugendhaften, ruhmessüchtigen Heros und beständigen Streiter für die christliche Sache völlig unvorbereitet getroffen habe.88

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des sächsischen Kurprinzen Friedrich August II. mit Erzherzogin Maria Josepha von Österreich uraufgeführt) ein Beispiel für eine Synopse von italienischem Operntext und französischer Übersetzung anführen. Es erscheint dabei naheliegend, das Vorhandensein oder Fehlen französischsprachiger Übertragungen mit Mustern der Imitation oder Abgrenzung von der Versailler Hofkultur in Verbindung zu bringen. Die hs. Korrektur E logio der fehlerhaften Typographie E legio im Druck D-W, Textb. 303 wird hier stillschweigend übernommen. Mit Elogio d’Henrico Leone ist denn auch die überlieferte hs. Vorlage/Urschrift (D-HVl, Ms. XXIII,331) überschrieben (vgl. dazu Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff [Hgg.], Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 3, S. 135f. [H 25]). – Zur Definition des Vorwortes heißt es bei Genette: „Ich verallgemeinere den gängigen Begriff Vorwort und bezeichne damit alle Arten von auktorialen oder allographen Texten [...], die aus einem Diskurs bestehen, der anläßlich des nachgestellten oder vorangestellten Textes produziert wurde“ (Paratexte, S. 157; Hervorhebung im Original). HENRICO LEONE, Dramma dà recitarsi […]. Nel nuovo Theatro D’Hannover. Ritorna al mondo Henrico Leone per dilettare frà le placide harmonie delle Muse, non per atterrire frà gli horridi sconcerti dell’Armi, e uiene à dar colle rappresentationi de suoi auuenimenti le prime proue al nuouo Theatro d’Hannouer, fortunato d’aprirsi per honorar la memoria di Prencipe si famoso: D-W, Textb. 303 [ohne Paginierung]. Eine genauere Angabe der vom Verfasser benutzten Quellen bleibt aus. S. o. S. 67f. Zugleich wird hier Heinrichs Verweigerungshaltung gegenüber dem Kaiser, die letztlich zur Entfremdung der Vettern und zu Heinrichs Absetzung geführt hat, damit begründet,

76 Diese Panegyrik, dieses „Manifest“89 für Heinrich den Löwen, das in nuce darauf abzielt, „eine [im Sinne des Autors] gute Lektüre des [nachfolgenden] Textes zu gewährleisten“90 und damit die Rezeption der Oper in eine (politischideologisch) vorgegebene Richtung zu lenken,91 mündet schließlich ein in eine Reverenz vor Heinrichs Nachkommen, vor den Mitgliedern der regierenden Herzogsfamilie: Selbst noch von den Überresten des erlittenen Schiffbruchs (Heinrichs Sturz) verbleibe ihnen, (als Dynastie) in Europa eine respektable Figur zu machen (dies ein Indiz für Heinrichs einstige potenza) und dem Einsatz des bedeutenden Ahnen im Kampf gegen die Ungläubigen erfolgreich nachzustreben. Was verdanke die Christenheit nicht der Waffenhilfe der Braunschweig-Lüneburger Fürsten in Ungarn und Griechenland sowie den heroischen und ruhmreichen Taten von vier Brüdern, gemeint sind Herzog Ernst Augusts Söhne, während dieser Kriege gegen die Osmanen – indirekt ist dieser dezidierte Hinweis auf die militärischen Verdienste der Welfen für Kaiser und Reich dabei freilich als unmißverständliches Plädoyer für die angestrebte Erhebung der Hannoveraner Herzöge in den Kurfürstenrang zu lesen.92 Die anschließenden Verzeichnisse der Personen, Szenen, Bühnenmaschinen, Komparserie und Tänze haben zwar grundsätzlich „ankündigenden Wert“,93 doch mehr noch: Sie liefern vorab wichtige Informationen zur Personenkonstellation wie zum Ort (den Orten) der Handlung und leiten nicht zuletzt die Aufmerksamkeit und Erwartungshaltung der Rezipienten auf spektakuläre Bühnenvorgänge hin, die etwa im Verzeichnis der Bühnenmaschinerie wie in einem Brennpunkt versammelt sind.94 Diesen Verzeichnissen ist insofern eine repräsentative Funktion inhärent, zeigen sie doch die Vielfalt und Exklusivität der szenischen und bühnentechnischen Realisierungsmöglichkeiten des Hannoveraner Theaters an exponierter Stelle an. Das Argomento schließlich entwirft, ausgehend von den Personen Henrico, Almaro, Idalba und Metilda, die Grundlinien und zentralen Stationen des Handlungsverlaufs und führt, soweit erforderlich, dessen außerhalb der Oper

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daß sie von religiösen Motiven bestimmt gewesen sei: Sein Glaubenseifer (Zelo di Religione) habe Heinrich bei Alessandria von der Partei des Papstverfolgers Friedrich Barbarossa abstehen lassen. Gérard Genette, Paratexte, S. 221. Ebd., S. 191. Gerade angesichts dieses „Manifest“-Charakters des Vorworts drängt sich freilich die Frage auf, warum es, als einziger der Paratexte, nicht übersetzt worden ist. In der Tat machte Herzog Ernst August in den entscheidenden Verhandlungen mit dem Kaiser wegen der neunten Kur (1692) Bündnisfragen und Zusagen militärischer Hilfe im Kampf gegen die Türken (vor allem in Ungarn) und Frankreich von der Erfüllung seiner Forderung nach einer Rangerhöhung abhängig (vgl. Georg Schnath, Geschichte Hannovers, Bd. 1, S. 597ff.). Gérard Genette, Paratexte, S. 386. So z. B. der Schiffbruch zu Beginn des ersten Aktes, der Greif, der Henrico aufnimmt und davonträgt, oder der Triumphzug in der Schlußszene der Oper, wo 4 lebendige[] Pferde[] (4. Cavalli vivi) den Wagen ziehen sollen, auf dem Henrico, Almaro und Metilda nach der Eroberung Bardowicks in Lüneburg einziehen.

77 liegende Vorgeschichte aus. Zuvor jedoch verweist der Verfasser auf die Stoffgrundlage der Opernhandlung: Die an wunderbaren Begebenheiten reiche Historia Heinrichs des Löwen habe verschiedene Fabeln hervorgebracht, die sich in den braunschweig-lüneburgischen Territorien großer Bekanntheit erfreuten. Auf diesen favole assai celebri e note beruhe die Handlung des Henrico Leone, und zwar auf nachhaltigen Wunsch desjenigen, der die Idee zu diesem Drama gegeben habe.95 Daß damit niemand anders als Herzog Ernst August selbst gemeint sein kann, dessen entscheidender Einfluß auf die Wahl des Sujets bereits an früherer Stelle behauptet worden ist,96 – diese Annahme drängt sich zusätzlich gegen Ende des Argomento auf. Dort stellt der Verfasser nämlich in topischer Bescheidenheit und Dienstfertigkeit (captatio benevolentiae) heraus, daß man bei der Gestaltung des Drama mehr auf die Unterhaltung der zeitgenössischen Zuschauer als auf die Einhaltung der Regeln von Dichtern aus entfernten Zeiten und Ländern bedacht gewesen sei und es für richtig befunden habe, eher den Vorschlägen und Direktiven des Augusto (d. h. Seiner Durchlaucht) zu folgen als den Lehren des Horaz.97 Zur Gruppe oder zum Umfeld der Paratexte gehört fernerhin eine nicht im Libretto, sondern separat veröffentlichte Abhandlung in deutscher Sprache mit dem Titel Gantz kurtzer Bericht und Inhalt der Historie Von Hertzog Henrich dem L wen / Und der OPERA Worinn Er wird f)rgestellet Zu Hannover / Anno 1689.98 Darin sind zum einen alle deutschsprachigen Paratexte des Librettos versammelt (nämlich die Verzeichnisse der Personen, der Szenen, der Bühnenmaschinerie, Komparserie und der Tänze, das Argomento sowie die kurzen Inhaltsangaben zu den einzelnen Szenen), zum anderen findet sich hier ein fünf-

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Com’ i Lumi dan luogo all’ombre, l’Historia d’Henrico Leone fertile d’attioni meravigliose hà data occasione à varie favole assai celebri e note ne paesi di Bronsuich, e di Luneburgo. Dà queste per comando di chi ne hà date le Idee s’è tirato l’intreccio del Drama […]. Die deutsche Übersetzung formuliert etwas freier und im Hinblick auf den zuletzt zitierten Passus der italienischen Vorlage auch weniger deutlich: Der nichtige Schatten folget dem hellen Lichte / und die warhafftigsten Geschichte seynd niemahls ohne falschen Zusatz. Ein gleiches findet sich bey den Lebens-Lauff / und bey denen sonst ungezweiffelten Helden-Thaten des Hertzogs Henrichs des L wens / welche mit so vielen Fabeln unterm nget / das auch diese in gantz Teutschland ber)hmet und bekant seyn. Es haben selbige Anlaß gegeben / zu bezeugung unterth nigsten Gehorsam / den Inhalt der Opera daher zunehmen [...] (Hervorhebung im Original). S. o. S. 70. Cosi il ritorno d’Henrico che consola Metilda, e’l matrimonio d’Almaro con Idalba finiscono lietamente il Drama, nella cui tessitura s’è hauuto più riguardo al divertimento de’ Popoli, co’ quali si vive, ch’alle regole de’ Poeti di secoli, e paesi lontani, e s’è giudicato più conveniente l’ubidir à cenni d’Augusto, che necessario l’assoggettirsi a’ precetti d’Horatio (Also machet den Beschluß der Opera, die Wiederkunfft des Hertzogs Heinrichs und die Heyrath des Almaro, wovon jenes die Mechtilde h chlich erfreuet / dieses aber die Idalbe vergn)get. Man hat hierin mehr darauff gesehen / der gn digsten Gef lligkeit Unsers Augusti ein Gn)gen zu leisten / als sich eben an die Regeln des Horatij gar genau zu binden / und man ist auch mehr bedacht gewesen die Zuschauer in etwas zu ergetzen / als denen Poeten l ngst verfloßner Zeiten und weit entferneter L nder zu folgen). D-W, Textb. 358 [ohne Paginierung].

78 seitiges Exposé eines unbekannten Autors zum Henrico Leone und seinem stofflichen Vorwurf, d. h. zur Historie von Hertzog Henrich dem L wen. Dieses Exposé erörtert zunächst ganz allgemein, mit leicht apologetischer Tendenz, den Nutzen des Operngenres und der Musik für das Gem)hte und die individuelle Lebensführung – im Sinne der basalen Funktionen des ,ästhetischen Vergnügens‘ oder Divertissements und des Exemplum-Charakters besonders der (musik-)dramatischen Gattungen –,99 bevor die neue Hannoveraner Oper Henrico Leone in den Blick rückt. Zur Wahl des Stoffes heißt es auch hier: Was denn endlich die gegenw rtige Opera zu Hannover anlanget / so hat es Ihr. Hoch-F)rstl. Durchl. gn digst gefallen / den Inhalt derselben / aus einer Geschichte / so sich mit den tapffern / und mehr als L wen-Muht begabten / Hertzog Heinrich / mit dem Zunahmen der L we [, zugetragen, d. V.] / herzunehmen. Es folgt ein knapper, historisch nicht immer ganz korrekter Abriß über Heinrichs Leben und Taten,100 wobei wiederum der Aspekt der unrechtmäßigen Verstoßung des tapferen und mächtigen F)rst[en] zu Sachsen und B yern durch Kaiser Friedrich Barbarossa in den Mittelpunkt gestellt wird.101 Dieser historische Abriß schließt mit Heinrichs Pilgerfahrt ins Heilige Land im Jahre 1172 und seiner glücklichen Heimkehr nach Braunschweig als zentralen Ansatzpunkten späterer Sagenbildung.102 Was ihm unter Wegens begegnet / und die Visiten so er abgeleget / kan weitl ufftig gelesen werden in der Braunschweig. Chron. p. 149. & seq.103 Den Beschluß des Exposés bildet eine freie Nacherzählung der auf Elemente der sog. Heinrichsage104 aufbauenden Opernhandlung. Der Adressatenkreis des Gantz kurtzen Berichts ist offensichtlich nicht deckungsgleich mit den Rezipienten der Oper Henrico Leone: Der Text mag zwar bei der Aufführung benutzt worden sein, insofern er sich einerseits an

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Man kan nicht in Abrede seyn / daß zierliche und honette Comoedien nebenst den Operen nicht solten ihren sonderbahren Nutzen hinterlassen / denn sie nicht so wol das Gem)hte bey guter vigeur erhalten / als das menschliche Leben heimlich corrigiren / und denn auch mit netten Sachen informiren / so fern der rechte Zweck und Zeit hiebey observiret wird. Weit besser ist es warlich sein Hertze mit einer angenehmen Music, Comoedi und Opera geb)hrender massen zu erlustiren / als dem Bacchus und der Venus eine verdamliche Visite und Opfer zu geben. Beispielsweise wird Heinrichs Vater fälschlicherweise der Beiname der Feiste attribuiert (und somit offenbar Herzog Heinrich der Stolze mit Graf Heinrich von Northeim verwechselt). So hoch nun zwar der K yser ihn [Heinrich] vorher aestimirte, so ungeneigt ist er ihm hernach ohne rechtm ssige Ursache worden. [...] Daß aber der K yser ihm zu viel gethan / bezeuget er gleichsam selber / da er zu Erffurt auf dem Reichstage den Hertzog Henrich mit weinenden Augen gek)sset. Aus dieser Reise ist ohn Zweifel genommen / was insgemein so Fabelhafft von diesen L wen erzehlet wird. Newe / Volstendige / Braunschweigische vnd Luneburgische Chronica [...] Erstlich Durch M. Heinricum Bunting Abgefasset / Itzo aber auffs New mit sonderbahren fleiß vbersehen / hin vnd wider corrigiret, mercklich gebessert / vermehret vnd biß auff jtziges 1620. Jahr außgef)hret / Durch M. Heinrich Meybaum, Der F(rstllichen Julius-Universitet Professorem, Magdeburg 1620. Darauf wird vor allem bei der Analyse des Haupttextes näher einzugehen sein.

79 diejenigen wendet, so die Historie nicht ausf)rlich wissen / auch das Itali nische und Frantz sische nicht verstehen, andererseits impliziert er aber auch ein exklusives, nicht mit der Oper und deren Libretto vertrautes Lesepublikum, nämlich diejenigen curieusen Liebhaber[], die die Opera nicht haben / sonst aber Belieben tragen so wol die Geschicht an sich von Hertzog Henrich dem L wen / als auch den Inhalt einer jeden Scene in der Opera alsofort in einer Riege und Ordnung zu lesen.105 Der Gantz kurtze Bericht ermöglicht also zu dieser Zeit / da man von der Opera, von Hertzog Henrich dem L wen allenthalben redet, einem breiteren, wohl vor allem (stadt)bürgerlichen Publikum106 eine zumindest teilweise, lektüregestützte Rezeption des Henrico Leone und vergrößert damit zugleich den Wirkungskreis dieser Oper nicht unerheblich.

2.1.2.2 Das ,musikalische Drama‘ und die Rezeption der ,Heinrichsage‘ Der Dramentext, die Opernhandlung, umfaßt drei Akte mit jeweils 16, 18 und 14 Szenen. Ihm liegen im wesentlichen zwei zunächst voneinander unabhängige stoffliche Vorwürfe zugrunde: zum einen historische Überlieferungen betreffend die Eroberung der Stadt Bardowick durch Heinrich den Löwen im Jahre 1189,107 zum anderen Elemente der spätmittelalterlichen Sagentradition um den Braunschweiger Herzog. Konnte Ortensio Mauro für jene auf nahezu zeitgenössische historiographische Werke wie die von Heinrich Meibom d. Ä. bearbeitete Braunschweigische vnd Luneburgische Chronica Heinrich Büntings (1620)108 zurückgreifen, war die sog. Heinrichsage – favole assai celebri e note, wie es im Argomento heißt109 – gegen Ende des 17. Jahrhunderts nicht nur in mündlicher Form verbreitet, sondern dürfte dem Hofpoeten Mauro insbesondere in der von Heinrich Göding poetisierten Gestalt geläufig gewesen sein.110 Der

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In diesem letzteren Fall avancierte freilich der Paratext Gantz kurtzer Bericht und Inhalt der Historie Von Hertzog Henrich dem L wen / Und der OPERA Worinn Er wird f)rgestellet Zu Hannover / Anno 1689 zum eigentlichen Haupttext. Eine solche Annahme wird gestützt durch folgende Anmerkung des Verfassers des Gantz kurtzen Berichts zur Rezeption der Erzählungen um Heinrich den Löwen: von dem ein gebohrner Braunschweicher mit h chster Vergn)gung etwas h ret oder lieset. Zudem spielt die Opernhandlung indirekt an auf den im Reichskrieg 1180/81 kulminierenden Konflikt zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Herzog Heinrich dem Löwen (vgl. Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung [819–1252], Stuttgart [usw.] 2000 [Urban-Taschenbücher 465], S. 229ff.). S. o. S. 78 Anm. 103. S. o. S. 77 mit Anm. 95. Vgl. Paul Zimmermann, Heinrich Gödings Gedicht von Heinrich dem Löwen, in: PBB 13 (1888), S. 278–310 (mit Edition), Helge Gerndt, Das Nachleben Heinrichs des Löwen in der Sage, in: Wolf-Dieter Mohrmann (Hg.), Heinrich der Löwe, Göttingen 1980 (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung 39), S. 440–465, und Vestigia Leonis. Spuren des Löwen. Das Bild Heinrichs des Löwen in der deutschen und skandinavischen Literatur. Texte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg., übers. und erläutert v. Hans-Joachim Behr u. Herbert Blume, Braunschweig 1995 (mit Edition) [im folgenden zit. als Behr/Blume, Vestigia Leonis]. – Zur hier nicht näher zu behandelnden Kontroverse um

80 Dresdener Hofmaler Göding, ein gebürtiger Braunschweiger, hatte seine Fassung der Sage von Heinrich dem Löwen mit dem Titel Eine sch ne alte Histori / von einem F)rsten vnd Herrn / Herrn Hertzogen zu Braunschweig und L)neburg111 als Beitrag zu den Wolfenbütteler Feierlichkeiten anläßlich der Vermählung Herzog Heinrich Julius’ von Braunschweig-Lüneburg mit Prinzessin Dorothea von Sachsen im Jahre 1585 vorgesehen. Obgleich sein Vorschlag, den gedruckten Text der Histori mit Kupferstichen herauszubringen, in Wolfenbüttel offenbar auf wenig Interesse stieß,112 stellt Gödings Version die „für die Rezeption der Heinrichsage in der Neuzeit wichtigste Bearbeitung“ dar.113 Paul Zimmermann konnte noch eine Braunschweiger Neuauflage aus dem Jahre 1727 einsehen, die „im 18. und 19. jahrhundert widerholt nachgedruckt worden“ und „die allgemein verbreitete form der sog. jahrmarktsausgabe geblieben“ ist.114 Gödings Histori wurde schließlich, über die verschiedenen bearbeitenden Nachdrucke, zur Grundlage für die Fassung der ,Heinrichsage‘ in Johann Joseph Görres’ Teutschen Volksbüchern und in den Deutschen Sagen der Brüder Grimm.115 Im folgenden seien die Grundzüge der Sage von Heinrich dem Löwen in der Version von Göding skizziert: Der Herzog von Braunschweig zieht mit seinen Begleitern aus, um in der Fremde Ruhm zu erwerben und Abenteuer zu bestehen. Auf der Fahrt erleiden sie Schiffbruch. Hungersnot veranlaßt den Herzog und seine Gefährten, das Los zu werfen, um einander als Nahrung zu dienen. Als nur noch der Fürst und einer seiner Knechte am Leben sind, beschließt letzterer, seinen Herrn in eine Ochsenhaut einzunähen, die alsbald von einem Greifen davongetragen wird. Im Nest befreit sich der Herzog aus der Haut, tötet die Greifenjungen und steigt vom Horst herab. Als er Zeuge eines Kampfes zwischen einem Drachen und einem Löwen wird, beschließt er, dem Löwen Beistand zu leisten. Zum Dank versorgt dieser ihn daraufhin mit Wildbret und wird fortan sein treuer Begleiter. Selbst auf das Floß, das der Herzog zur Flucht vorbereitet hat, folgt er ihm nach. Auf hoher See begegnet ihnen der Teufel, der dem Herzog von der bevorstehenden Wiedervermählung seiner Gemahlin

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Genese und Entwicklung der ,Heinrichsage‘ s. besonders Gerndt und Behr/Blume, S. 9–44, zu den verschiedenen Versionen der Sage daneben auch Werner Röcke, Kulturelles Gedächtnis und Erfahrung der Fremde. Der Herzog von Braunschweig in der Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, in: JOWG 10 (1998), S. 281–297, Klaus Ridder, Wyssenherre, Michel, in: 2VL, Bd. 10 (1999), Sp. 1467–1470, und Hans-Joachim Ziegeler, ,Der Herr von Braunschweig‘, in: 2VL, Bd. 11 (2004), Sp. 649–652. D-Wa, 1 Alt 23 Nr. 147. Göding hatte ein Druckexemplar seiner Histori an den regierenden Herzog Julius, den Vater des Bräutigams, übersandt. Im Begleitschreiben vom 13. September 1585 deutet er die Möglichkeit einer Kupferstichausgabe an. „Da sich jedoch keine kunde von einer solchen bildergeschmückten ausgabe des gedichtes erhalten hat, so ist es wahrscheinlich, dass der fürst von des malers anerbieten keinen gebrauch gemacht hat“ (Paul Zimmermann, Heinrich Gödings Gedicht von Heinrich dem Löwen, S. 282). Behr/Blume, Vestigia Leonis, S. 37. Paul Zimmermann, Heinrich Gödings Gedicht von Heinrich dem Löwen, S. 290. Der Druck mit dem Titel Wahrhafftige Beschreibung Von dem grossen Helden und Hertzogen HEINRICH dem Löwen, und seiner wunderbaren höchstgefährlichen Reise (Braunschweig u. Leipzig 1727; Staatsbibliothek zu Berlin, Yt6981; vgl. Zimmermann, S. 288) ist laut Auskunft der Berliner Staatsbibliothek den Kriegsverlusten zuzurechnen. Vgl. Paul Zimmermann, Heinrich Gödings Gedicht von Heinrich dem Löwen, S. 293f.

81 in Braunschweig – sieben Jahre nach der Abreise ihres Gatten – berichtet. Er schlägt dem verzweifelten Herzog einen Pakt vor: Sogleich werde er ihn und danach auch den Löwen vor die Stadt Braunschweig tragen; dafür solle der Herzog ihm gehören, falls er ihn bei seiner Rückkehr mit dem Löwen schlafend antreffe. Als der Teufel den Herzog tatsächlich schlafend vorzufinden droht, beginnt der Löwe noch in der Luft zu brüllen und weckt seinen Herrn, worauf der Teufel ihn erbost zu Boden schleudert. Der Herzog eilt mit dem Löwen zur Braunschweiger Burg und gibt sich seiner Gemahlin zuletzt durch eine Ringhälfte zu erkennen. Der ehedem auserkorene Bräutigam wird entschädigt, indem ihm die Vermählung mit einer anderen, standesgemäßen Dame angetragen wird. Nach langen Jahren glücklicher Herrschaft stirbt der Herzog von Braunschweig hochbetagt. Sein Tod wird nicht nur von seiner Gemahlin und seinen Untertanen, sondern auch von seinem Löwen schmerzlich betrauert: Nur wenig später verendet er auf dem Grab seines Herrn. Während ein gegossenes Standbild in der Braunschweiger Burg das Andenken an den treuen Gefährten des Herzogs bewahrt, erinnert eine Greifenklaue über dem Grabmonument seines Herrn im Dom an dessen wunderbare Erlebnisse in der Fremde.

Es geht im weiteren um zweierlei: Zum einen wird der Dramentext des Henrico Leone speziell in Bezug auf die Rezeption der ,Heinrichsage‘ analysiert – und zwar in der für das 17. bis 19. Jahrhundert zentralen poetischen Bearbeitung von Heinrich Göding; es ist mithin aufzuzeigen, inwieweit die Sage um Heinrich den Löwen und deren einzelne Elemente für die Struktur der Opernhandlung konstitutiv werden.116 Zum anderen soll insbesondere die Titelfigur der Oper in ihrer textuellen, performativen und musikalischen Konzeption näher in den Blick genommen und dabei zugleich erörtert werden, welche Rückschlüsse diese Konzeption auf das vom Auftraggeber – Herzog Ernst August – favorisierte Bild des großen Ahnen erlaubt. Die einzelnen Motive und Episoden der ,Heinrichsage‘ erscheinen im Dramentext an strukturellen Schlüsselpositionen, insofern sie vornehmlich Aktanfänge und -schlüsse besetzen; auf diese Weise werden sie einerseits als herausgehobene Handlungsmomente markiert, andererseits bilden sie einen Rahmen für die übrigen Szenen und Handlungsstränge: Sie eröffnen die Oper (I, 1), bestimmen den Beginn des dritten Aktes (III, 2/3) und beschließen den ersten, zweiten und dritten Akt, und zwar jeweils gefolgt von einer Ballettszene (I, 16; II, 17/18; III, 14). Dabei ist anzumerken, daß die derart voneinander isolierten Stoffelemente der Sage inhaltlich nicht immer exakt der Disposition der supponierten Gödingschen Vorlage folgen, sondern diese bisweilen variieren bzw. im Vergleich mit der schriftlich fixierten Sagenüberlieferung insgesamt117 singuläre Züge aufweisen, sei es aus dramaturgischen, bühnentechnischen oder anderen Gründen. Zwischen der Haupthandlung der Sagenszenen, im Innern der drei Akte, hat der Librettist verschiedene für die Opernästhetik des ausgehenden 17. Jahrhunderts typische Handlungsmodelle wie Liebesintrigen oder amouröse Verwicklungen, komische Szenen mit zwei dem genus humile zuzuordnenden Figuren und auch eine Geisterszene (II, 9/10) eingeschaltet; darüber hinaus

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Dabei wird auch die Verknüpfung dieser Sagenelemente mit der Bardowick-Episode im dritten Akt von Interesse sein. Zu den Konstituenten der literarischen ,Heinrichsage‘ vgl. etwa Behr/Blume, Vestigia Leonis, S. 12f., und Hans-Joachim Ziegeler, ,Der Herr von Braunschweig‘, Sp. 650.

82 findet hier die Szenenfolge ihren Platz, die – als Fortsetzung oder Erweiterung der Haupthandlung – die Darstellung der Eroberung Bardowicks selbst wie die sie vorbereitenden Aktionen und Stimmungsbilder umfaßt (III, 3, 7–9). All diese Binnenvorgänge – mit Ausnahme vielleicht der untergeordneten amourösen Verhandlungen zwischen den Dienerfiguren Errea und Eurillo – stehen nicht als unverbundene Parallelabläufe neben der Sagensequenz118 des Rahmens, sondern sie sind mehr oder weniger deutlich auf diese bezogen oder auch umgekehrt. Die Opernhandlung setzt ein medias in res mit einer spektakulären Darstellung des für die Sage konstitutiven Schiffbruchs Heinrichs des Löwen und seiner Gefährten: Unwetter und stürmische See haben Henricos Schiff auf der Rückfahrt von seiner Palästinareise manövrierunfähig gemacht; kurz bevor es auf einen Felsen aufläuft und in den Fluten versinkt, gelingt es Henricos Knecht Lindo, seinen Herrn auf dessen Anweisung hin in eine Tierhaut einzunähen, um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren. Das auf der Bühne inszenierte Chaos, die Dramatik der Sturmszene, wird von der unkonventionellen musikalischen Gestaltung119 in eindrucksvoller Weise reflektiert: In die Ouvertüre (Sinfonia, F-Dur) klingen – bei zunächst geschlossenem Vorhang – Bühnengeräusche und darauf Hilferufe der bedrängten Seeleute (in Form eines vierstimmigen Chores) hinein,120 und zwar mit Beginn des zweiten, fugierten Abschnitts, der in den vier Orchesterstimmen (Streicher sowie Oboen – mit den 1. Violinen – und Fagott)121 sowohl von nervös pulsierenden Punktierungen und daktylischen Rhythmen wie wellenartig aufbrausenden Sechzehntel- und Zweiunddreißigstelläufen durchzogen ist (Abb. 1). Erst n a c h dem mit der Wiederholung des Fugato-Teils zusammenfallenden Einsatz des Chores „Cieli aita“122 sollte sich gemäß einer Angabe in der autographen Partitur (S’alza la Tenda, zu T. 39) der Vorhang öffnen, sollte sich die bislang aufgestaute, durch

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Zum Begriff der ,(Handlungs-)Sequenz‘ als „in sich relativ geschlossenes System chronologischer und kausaler Relationen“ vgl. Manfred Pfister, Das Drama, S. 285ff. Vgl. die im folgenden beigegebenen Notenbeispiele (Abb. 1ff.) mit Auszügen aus Steffanis Partiturautograph (Henrico Leone. Hannouera 1688 [= Datum der Fertigstellung der Partitur]: GB-Lbl, R.M. 23.h.7–9). Zur Einrichtung der Notenbeispiele s. S. 412. Einen Überblick über die kompositorische Gesamtstruktur des Autographs bietet Anhang B. In der Bühnenanweisung des Librettos zu I, 1 heißt es: Dietro la Cortina s’ode strepito d’onde, di venti, e di Naui percosse, grida flebili, ordini confusi, e voci disperate de’ Marinari, che frà lampi, e nembi esclamano (Hinter dem Vorhang hört man Geräusche von Wellen, Winden und vom Sturm gebeutelten Schiffen, klägliche Schreie, konfuse Befehle und verzweifelte Stimmen von Seeleuten, die unter Blitz und Donner um Hilfe rufen). Der Dramentext wird hier wie im folgenden zitiert nach dem Libretto in D-W: Textb. 303 (Textvarianten der autogr. Partitur – jenseits kleinerer Abweichungen in der Graphie – werden eigens vermerkt). Steffanis Autograph (GB-Lbl, R.M. 23.h.7–9) benennt die Chorstimmen vorweg als: Voci nella Naue à tenda chiusa (Stimmen im Schiff bei geschlossenem Vorhang), zu T. 20 ist notiert: Qui cominciano i Tuoni (Hier beginnen die Donner). Zur Instrumentationspraxis in Steffanis Opern vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 192ff.; Candace Ann Marles, Music and drama in the Hanover Operas, S. 68f. Cieli aita, pietà | La Nave à perir uà | L’antenna si spezzò; | Si salui chi può (Hilfe, ihr Himmel, Erbarmen! Das Schiff geht zugrunde, der Mast ist gebrochen. Rette sich, wer kann!). [Die Übersetzungen aus dem Italienischen, in recte, stammen vom V.]

83 Abb. 1: Henrico Leone, Ouvertüre

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88 akustische Reize stetig gesteigerte Spannung der Zuschauer nun augenblicklich über den freigegebenen Blick auf die chaotische Sturmszenerie entladen. Mit sehr ausgeprägtem Gespür für dramaturgische Effekte, die zudem für die Zeit ungemein modern anmuten, hat Steffani die Ouvertüre so zum Chorsatz umfunktioniert und mit der nachfolgenden Szene I, 1 verzahnt: Während ihr erster, im Stil Lullys gehaltener Teil mit seinem statisch-gravitätischen Duktus durchaus noch den Charakter eines eigenständigen Instrumentalsatzes mit Eröffnungsfunktion impliziert, wird ihr zweiter, fugierender Teil aufgrund seiner synchronen Verquickung mit dem zunächst nur akustisch und dann auch visuell präsenten Bühnengeschehen diesem inkorporiert. Das anschließende dialogische Rezitativ zeigt Henrico als furchtlosen Heroen, der selbst in größter Gefahr besonnen und vorausschauend agiert, wenn er dem ihm treu ergebenen Lindo befiehlt, ihn in eine Tierhaut zu nähen: So nämlich könnte ein freundliches Geschick ihn, auf den Wellen treibend, vielleicht das rettende Ufer erreichen lassen.123 In der Arie „Tra le braccia de la Morte“124 wird dieses Bild des unerschrocken-kämpferischen Heros brennpunktartig verdichtet: Energisch und harmonisch fest gegründet steigt die Singstimme zu Beginn innerhalb eines Oktavambitus auf, und zwar zunächst als Devise, setzt sich darauf, beim zweiten Anlauf, in nicht weniger nachdrücklicher Dreiklangsmotivik (auf die Worte confido e spero ancor) fort und kadenziert zuletzt in der Tonika F-Dur,125 während die sie begleitenden, einrahmenden Oboen und Violinen ebenfalls aufwärtsstrebende Sechzehntelfiguren durchziehen (Abb. 2). Der Instrumentalpart zeichnet sich weiterhin sowohl durch kontinuierlich gestaffelte Einsätze – zunächst Holzbläser, dann Tutti – als auch eine damit einhergehende Ausweitung des Tonraums: insgesamt also wiederholte klanglich-dynamische Steigerungseffekte auf kleinstem Raum aus, die den energischen Charakter der Arie und zugleich die Dramatik der Bühnensituation untermauern. Nach einem kurzen Mittelteil in der Tonikaparallele d-Moll (die Begleitung ist hier auf den Basso continuo reduziert) kehrt der F-Dur-Anfangsteil als Da-capo mit einer durch den Tonarten- und Instrumentationskontrast erneuerten Entschlossenheit wieder. Eine Sinfonia, ein zweiteiliges Orchesterzwischenspiel in F-Dur, beschließt die durch die F-Dur-Tonalität als musikalisch-dramaturgische Einheit markierte

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Così potrebbe | Gallegiando su l’onda | Spingermi amico fato à qualche sponda. Tra le braccia de la Morte | Io confido, e spero ancor. | Al dispetto de la sorte | Si mantien sempre più forte | La costanza in questo cor (In den Armen des Todes bin ich noch voller Vertrauen und Hoffnung. Dem Schicksal zum Trotz behauptet sich in diesem Herzen immer stärker die Beständigkeit). Zu dieser Tonart und ihrer Charakteristik hat Johann Mattheson 1713 in der ersten seiner drei Orchestre-Schriften angemerkt: F.dur (Jonius transpositus) der sechste Thon / ist capable die sch nsten Sentiments von der Welt zu exprimieren, es sey nun Großmuth / Standthafftigkeit / Liebe / oder was sonst in dem Tugend-Register oben an stehet. Ferner habe er – so zitiert Mattheson Athanasius Kircher – eine gewisse strenge Fr ligkeit und kriegerische Aufmunterung; welches sich aber nicht allerdings reimen will (Das NeuErffnete Orchestre, Hamburg 1713, S. 241f. [Reprint als: Johann Mattheson, Die drei Orchestre-Schriften, Bd. 1: Das Neu-Eröffnete Orchestre. Mit einer Einführung (dt./engl.) von Dietrich Bartel, Laaber 2004]).

89 Abb. 2: Henrico Leone, Arie „Trà le braccia de la morte“ (I, 1)

90 Sturmszene und bildet den klanglichen Untergrund des nun rein szenischen Bühnengeschehens: Henricos Schiff prallt auf einen Felsen und zerbricht; während Lindo ertrinkt, treibt Henrico in der Haut auf dem Wasser und wird schließlich von einem Greifen aufgenommen und davongetragen.126 Von der Tradition der ,Heinrichsage‘, wie sie etwa bei Göding vorliegt, weicht diese Eröffnungsszene des Henrico Leone entscheidend ab, indem sie nicht das Festliegen des Schiffes und die daraus resultierende Nahrungsmittelknappheit thematisiert, sondern einzig auf den Seesturm als bedrohliches Geschehen rekurriert.127 Die Gründe für diese Umgestaltung liegen auf der Hand: Nicht zuletzt das Moment der szenischen Umsetzbarkeit und Bühnenwirksamkeit des Stoffes dürfte den Librettisten dazu bewogen haben, das Sturmmotiv in den Mittelpunkt der ersten Szene zu rücken und damit zermürbende Bewegungslosigkeit durch temporeiche Bühnenaktion zu ersetzen. Auf diese Weise konnte nicht nur Henricos heroisches Verhalten deutlicher herausgestellt werden,128 insofern die sich überschlagenden Ereignisse um so mehr ein entschlossenes, selbstgewisses und zugleich trotziges Handeln herausfordern, überdies konnte auch die überragende Bühnentechnik und -maschinerie des neuen Hannoveraner Opernhauses an exponierter Stelle zum Einsatz gelangen und ihre Wirkung gleich zu Beginn entfalten.129 Obgleich für die Hannoveraner Aufführung keinerlei Materialien für die Gestaltung der Bühnenbilder, etwa in Form von Entwürfen, Skizzen oder sonstigen bildlichen Darstellungen, überliefert sind, läßt sich doch speziell für die Sturmszene annäherungsweise ein Eindruck gewinnen anhand eines dreiteiligen Bühnenbildentwurfes, den der Theaterdekorateur und Bühnenarchitekt Johann Oswald Harms für die Hamburger Inszenierung des Henrico Leone (und zwar in deutscher Sprache als Hertzog Henrich der L we) im Jahre 1696 ausgeführt hat: Er zeigt eine von Felsen gesäumte Meeresbucht mit stürmisch bewegter See und z. T. tiefgrau bis schwarz verhangenem Horizont. Während im Hintergrund die Schiffe einer vom Unwetter auseinandergeworfenen Flottenformation zu erkennen sind, sieht man rechts im vorderen Bereich einen Zweimaster in Schräglage mit nur noch einem Mast und weit aufgeblähtem Segel, einem aus dem Wasser ragenden Felsen bedrohlich nahe. Von diesem Gefährt, offensichtlich Henricos Schiff, nimmt Horst Richter an, daß es „als Zugstück über die Bühne bewegt worden sein wird“, während die übrigen Schiffe „als malerische Staffage zu denken“ seien.130

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Vgl. die entsprechende Bühnenanweisung: Urta la Naue in uno scoglio, e s’apre. Lindo s’ annega: Henrico inuolto nella pelle galleggia; uien preso da un Grifone, e portato in Aria. Bei Göding – und zuvor auch schon in Michel Wyssenherres Version der ,Heinrichsage‘ – ist das Motiv des Sturmes lediglich ursächlich für die Bewegungsunfähigkeit des Schiffes, während die Hungersnot der Seeleute die eigentliche Gefährdung darstellt. Dies heroische Agieren Henricos wird noch dadurch betont, daß er das Zepter des Handelns in der Hand behält: Nicht sein Knecht, sondern er selbst verfällt auf den Gedanken, sich in eine Tierhaut einnähen zu lassen. Das Verzeichnis der Bühnenmaschinerie notiert an erster Position: Nave che si spezza (Ein Schiff, das auseinanderbricht). Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 133; hier findet sich auch eine Abbildung des Bühnenbildentwurfes (Bildanhang, DE 118–120). Harms’ Federzeichnung ist darüber

91 Szene I, 2 vollzieht einen abrupten Wechsel des Schauplatzes: Bis zur letzten Szene des ersten Aktes, die die Sagensequenz weiterführt (I, 16), spielt die Bühnenhandlung nun im herzoglichen Palast zu Lüneburg und in dessen näherer Umgebung. Dargestellt werden die amouröse Werbung Almaros, Herzogs von Burgund, um Henricos Gemahlin Metilda, die zwar Almaros Waffenhilfe gegen aufständische Untertanen, benachbarte Fürsten und den Kaiser131 dankbar entgegennimmt, ihrem Gatten und Landesherrn Henrico jedoch auch nach dessen siebenjähriger Abwesenheit unverbrüchlich und standhaft die Treue hält, und – in auffälliger Doppelung – die zunächst ebenfalls vergeblichen Liebesbemühungen der Idalba, Tochter Kaiser Friedrichs I., die mit ihrem Begleiter Ircano inkognito an den Lüneburger Hof geeilt ist, um ihrem früheren Verlobten Almaro nachzustellen. Es sind insbesondere diese vor Henricos Wiederkehr und -erkennung sich abspielenden ausgedehnten amourösen Verwicklungen, mit denen sich Ortensio Mauro am weitesten vom Schema der ,Heinrichsage‘ entfernt hat: Zwar haben die Figuren Almaro und Idalba zumindest in Gödings Histori ansatzweise strukturelle, namenlose Entsprechungen, doch fehlen dort offenkundig die der zeitgenössischen Ästhetik geschuldeten weitläufigen Verwirrungen, Intrigen und Liebesaffären,132 die kontrastierende Gefühlsäußerungen der Personen auslösen und damit Anlaß zu „musikalisch-szenisch vergegenwärtigten Affekten und Affektkonflikten“ geben, „die sich in Arien, Duetten und Ensembles ausdrücken“ und „als das ,eigentliche‘ musikalische Drama“ zu begreifen sind.133 Keinerlei Entsprechung in der Sagentradition haben die komischen Dienergestalten Eurillo und Errea, in deren Verhandlungen die Liebesthematik ein drittes Mal, nun mit humoristischparodistischen Zügen, durchgespielt wird, sowie die zunächst verheimlichte Identität der Idalba, ihre Zugehörigkeit zur Dynastie der Staufer. Gerade letzteres erlaubt freilich die Anbindung der fiktiven Opernhandlung an die Historie, d. h. an den historischen Konflikt zwischen Heinrich dem Löwen

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hinaus reproduziert in: Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 3, S. 132f. (H 23). Vgl. die entsprechenden Ausführungen des Argomento zur Vorgeschichte und zum Verlauf der Handlung: Ch’Almaro Duca di Borgogna innamorato di Metilda venga à soccorrerla colle sue genti nelle guerre, e’ hà coll’Imp. Federico, coi Prencipi vicini, e coi sudditi ribellati [...] (Daß Almaro, Herzog von Burgund und in Metilda verliebt, ihr mit seinen Scharen zu Hilfe kommt in den Kriegen, die sie mit Kaiser Friedrich, den benachbarten Fürsten und rebellierenden Untertanen führt [...]). Diese Handlungsmuster sind zwar typisch für die dramaturgische Struktur der Barockoper, sie finden sich, als „ästhetische Idee der Epoche“ (Carl Dahlhaus, Dramaturgie der italienischen Oper, S. 88), aber auch in anderen literarischen Gattungen der Zeit, insbesondere im höfisch-heroischen Roman (vgl. dazu Wilhelm Voßkamp, Christian Friedrich Hunold [Menantes], in: Benno von Wiese u. Harald Steinhagen [Hgg.], Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk, Berlin 1984, S. 852–870, hier S. 861f.). Insgesamt zu den Parallelen zwischen den Kunstformen Oper und Roman und ihrer Kritik an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert Wilhelm Voßkamp, Romantheorie in Deutschland. Von Martin Opitz bis Friedrich von Blanckenburg, Stuttgart 1973 (Germanistische Abhandlungen 40), S. 133–141. Carl Dahlhaus, Dramaturgie der italienischen Oper, S. 75.

92 einerseits und Kaiser Friedrich Barbarossa und den deutschen Fürsten andererseits, der schließlich zur Entmachtung des Welfenherzogs führte.134 Mit Szene I, 16 wird die Sagensequenz wieder aufgenommen. Nahtlos knüpft die Handlung an Szene I, 1 an, wobei suggeriert wird, daß die rahmende Sagenhandlung zeitlich in etwa simultan mit den Vorgängen am räumlich distanzierten Lüneburger Hof abläuft: Nachdem der Greif Henrico in I, 1 aus dem Wasser emporgetragen hatte, erscheint er jetzt mit Henrico in seinem hoch auf einem Baum gelegenen Horst. Als sich der Vogel entfernt, tötet Henrico die ihn angreifenden Greifenjungen und befreit sich daraufhin aus der Haut, und zwar mit Hilfe einer Klaue der getöteten Jungtiere. An dieser Stelle erklingt, im Anschluß an das die Szene eröffnende Rezitativ, Henricos Arie „Quest unghia predatrice“.135 Dabei ergreift Henrico die rettende Klaue und präsentiert sie den Zuschauern, während die Bühnenanweisung des Librettos darauf hinweist, daß ebendiese Kralle noch immer im Braunschweiger Dom als verehrungswürdige Reliquie und Erinnerungszeichen aufbewahrt werde.136 Die vierzehn Takte umfassende Arie steht in der ,heroischen‘ Tonart D-Dur137 und vermittelt, bei aller Kürze, energisches Beharren wie triumphierende Selbstgewißheit. Lediglich einmal, kurz vor der Schlußkadenz, durchbricht die Singstimme das zugrundeliegende daktylische Rhythmusmodell, das von den hohen Streichern und Oboen des begleitenden vierstimmigen Orchesterparts in kurzen Einwürfen imitiert wird, um eine über anderthalb Oktaven aufsteigende Sechzehntelkoloratur (riguarderò) einzufügen. Der Satz schließt mit einem echoartigen Orchesternachspiel über drei Takte (Abb. 3). Während Henrico vom Greifenhorst herab-

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Vgl. o. S. 67f. Es dürfte kein Zufall sein, daß Szene I, 2 mit einer Klage der Kaisertochter Idalba in der welfischen Residenz zu Lüneburg einsetzt. Die vorangehende Sturmszene wird damit auf subtile Weise zur nachfolgenden Handlungssequenz in Beziehung gesetzt, hatte Henrico doch zu Beginn des Dialogrezitativs in Szene I, 1 das wütende Toben des Meeres und Sturmes mit dem Haß Kaiser Friedrichs gegen ihn parallelisiert. Quest unghia predatrice, | Che mi disprigionò | Come liberatrice | Sempre riguarderò (Diese räuberische Kralle, die mich aus meinem Gefängnis befreite, will ich immer als Retterin ansehen). Mostrando la Grifa che si conserua ancora nel Duomo di Bronsuich Tra le antiche memorie, e reliquie, e che per altro ancora merita d’esser celebrata. Im Libretto enthält Henricos Arie ferner folgende beiden Verse, die nicht vertont wurden: E serberassi à la uentura etate | Tra le care memorie, et honorate (Sie [die Kralle] werde für die Nachwelt bei den ehrwürdigen und teuren Erinnerungszeichen verwahrt). Vgl. den zeitgenössischen Bericht von Philipp Julius Rehtmeyer, Antiqvitates ecclesiasticae inclytae urbis Brunsvigae, Oder: Der ber(hmten Stadt Braunschweig Kirchen-Historie, 2 Bde, Braunschweig 1707, Bd. 1, S. 103 (zu den Reliqvien des Braunschweiger Doms): So ist auch noch vorhanden St. Blasii Horn / welches oben am Gew lbe in der Kirchen an einer zarten Kette h nget; und kan man von demselben keine gewisse Nachricht haben / was es f)r eine Materie sey / indem es etliche f)r ein Gemsen-Horn / andere f)r eine Klaue von dem Vogel Greiff gehalten. Eine Abbildung dieser ,Greifenklaue‘ aus dem Braunschweiger Domschatz findet sich in: Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 3, S. 119 (H 11). Zur Charakteristik der Tonart D-Dur heißt es bei Mattheson: Der siebende Thon / D.dur. ist von Natur etwas scharff und eigensinnig; zum Lermen / lustigen / kriegerischen / und auffmunternden Sachen wol am allerbequemsten (Das Neu-Erffnete Orchestre, S. 242).

93 Abb. 3: Henrico Leone, Arie „Quest’ unghia predatrice“ (I, 16)

94 steigt, kehrt der Vogel zurück und attackiert ihn und darauf einen Löwen, der die aus dem Nest geworfenen Jungen verschlingen will. Der Herzog kommt dem Löwen – dem Wappentier seines Geschlechtes – zu Hilfe,138 kämpft mit dem Greifen und erschlägt ihn schließlich mit einem Ast. Dazu erklingt ein Ritornell in G-Dur mit durchgehender, aufgeregt pulsierender Achtelrepetition bzw. -figuration in allen vier Instrumentalstimmen (Abb. 4). Es folgt ein längerer rezitativischer Monolog, worin Henrico zunächst seine Einsamkeit (der Löwe ist verschwunden), dann aber sein Fernsein von der Heimat und die Trennung von seinen Vasallen und seiner Gemahlin Metilda beklagt: Durch Henricos ahnungsvolle Sorge um die militärisch bedrängte Heimat sowie um seine Position als legitimer Herrscher und Gatte Metildas wird zugleich die Anbindung der Sagenhandlung an die vorangehende wie nachfolgende Lüneburger Handlungssequenz geleistet.139 Ortensio Mauro hat das Sagenschema hier nun vor allem dahingehend modifiziert, daß er den ursprünglich zwischen dem Löwen und einem Drachen ausgetragenen Kampf in die Greifenszene integriert hat. Dafür mögen einerseits bühnentechnische Gründe, andererseits, in dramaturgischer Hinsicht, eine mit Blick auf den Aktschluß intendierte Konzentration oder stringente Verdichtung der Sagensequenz ausschlaggebend gewesen sein. Die Szene endet mit der Rückkehr des Löwen, der sich Henrico gegenüber als dankbar erweist, indem er ihn mit frischem Wildbret versorgt. Mit der MenuettArie „Gratie à uoi placide menti“140 (zwei Strophen) in der Tonart d-Moll äußert Henrico seine Verehrung für die Geister des Waldes und dankt ihnen für ihre unverhoffte Güte: Der liedhafte Tanzsatz kontrastiert deutlich mit der vorherigen Arie, insofern nun innig-beschwingte Kantabilität vorherrscht und eine pastorale Atmosphäre evoziert wird. Seine rhythmische Finesse bezieht das instrumental lediglich vom Basso continuo gestützte Stück aus dem Wechsel von jambischen und trochäischen Figuren innerhalb der – in Steffanis großtaktiger Notation – jeweils zweitaktigen (im B-Teil zuletzt eintaktigen) Phrasen, die

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Soccorrerò la fiera | Che soura l’altre regna, | E de la stirpe mia forma l’Insegna (Ich werde dem wilden Tier [dem Löwen] zu Hilfe eilen, das über alle anderen herrscht und das Wappen meines Geschlechtes ziert). Io temo solo | Che la mia lontananza | De miei vassalli, e di Metilda stessa | Non abbatta la fede, e la costanza. | Per riueder Metilda | Pria che qualche riuale | Fuor del mio letto, e del suo cor mi scacci, | E dar soccorso à la mia Patria oppressa | Darei l’anima stessa (Ich fürchte nur, daß meine Abwesenheit die Treue und Beständigkeit meiner Vasallen und Metildas selbst erschüttern könnte. Metilda wiederzusehen, bevor mich irgendein Rivale aus meinem Bett und ihrem Herzen vertreibt, und meinem bedrängten Land beizustehen – darum würde ich meine Seele geben) [Hier klingt freilich das für die ,Heinrichsage‘ konstitutive Motiv des Teufelspaktes an]. I. Gratie à uoi placide menti | Che regnate in queste selue, | Se per porgermi alimenti | Ispiraste sentimenti | Di pietà sino alle Belue. II. Belle Idee, Geni clementi | Che m’offrite, e Danze, e serti, | Spero fine à miei tormenti | Mentr’ incontro mouimenti | Di bontà sin ne’ Deserti (I. Dank sei euch, stille Geister, die ihr in diesen Wäldern herrscht, daß ihr – um mich mit Nahrung zu versorgen – selbst bei den Raubtieren Gefühle von Barmherzigkeit wecktet. II. Schöne Ideen, gütige Genien, die ihr mir sowohl Tänze als auch Kränze anbietet, ich erhoffe das Ende meiner Qualen, da ich gar in der Wildnis auf Zeichen von Wohlwollen und Güte stoße).

95 Abb. 4: Henrico Leone, Ritornell (I, 16)

Abb. 5: Henrico Leone, Arie „Gratie à uoi placide menti“ (I, 16)

96 motivisch alle auf den eröffnenden Zweitakter (oder dessen erste Variante) rekurrieren und dem Satz somit einen harmonisch-geschlossenen Charakter verleihen (Abb. 5). Grazile Leichtigkeit und verhaltene Heiterkeit sind das Resultat: Henricos Sorgen scheinen für einen Augenblick in den Hintergrund zu rücken. Mit dem Einsatz der zweiten Strophe zeigen sich verschiedene Baumnymphen, die Henrico mit Girlanden umgeben und den Reigen eröffnen, nachdem sein Gesang verklungen ist. Dazu intoniert das Orchester-Tutti ein drittes Mal das Menuett, das zugleich zur Ballettmusik141 des Aktschlusses überleitet. Mit Beginn des zweiten Aktes kehrt die Szene zurück zur herzoglichen Residenz zu Lüneburg und führt in die Vorzimmer von Metildas Gemächern. Erneut versucht Almaro, Metilda vom Tod Henricos zu überzeugen, um ihre Liebe zu gewinnen. Da sie Henrico jedoch unverändert die Treue hält und sich durchaus nicht dazu bewegen läßt, Almaros Liebeswerbung nachzugeben, ersinnt dieser stets ausgefeiltere Intrigen, um sie letztlich doch noch umzustimmen. Zunächst treten wiederum Idalba und ihr Begleiter Ircano bei Metilda auf, um als vermeintlicher Kreuzfahrer Lidauro und dessen Sklavin Merina ihre bereits früher – im Auftrage Almaros – geäußerte fingierte Nachricht vom Tod Henricos ein zweites Mal vorzubringen. Ungläubig nimmt Metilda ihre Ausführungen entgegen: Henrico sei etwa vier Jahre zuvor als Gefangener des Sultans Saladin zu Damaskus verstorben. Mit der Nennung Saladins, des Hauptkontrahenten der Kreuzfahrer in den 1180er Jahren und infolge seines überwältigenden Sieges über das christliche Heer bei Hattin (1187)142 Eroberers des christlichen Königreiches Jerusalem, wird hier, nach einer Anspielung auf die englische Geschichte der 1190er Jahre in Szene II, 6,143 erneut ein vager Bezug

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In der autographen Partitur ist diese Ballettmusik nicht notiert; sie liegt allerdings vor in einer der drei ebenfalls zum Bestand der British Library zählenden Abschriften des Autographs (R.M.23.h.6 [Kopist: Gregorio Piva]; -h.10; -h.11). Auf dieses Ereignis bezieht sich wohl Ircanos Andeutung eines fatal conflitto, | Che tutti quasi i nostri Eroi distrusse (verhängnisvollen Kampfes, der fast alle unsere Helden vernichtete) (II, 9). – Zum historischen Hintergrund vgl. Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 2, S. 440–446. In Szene II, 6 hatte Metilda, die Tochter des englischen Königs, in einem elegischen Monolog ihr Leid zum Ausdruck gebracht und dabei, neben der Sorge um Henrico, auch die ungewissen Verhältnisse in ihrer englischen Heimat als Gründe für ihr Unglück genannt: Zwar sind die Verse Discorde è l’Inghilterra, | Ricardo prigioniero (England ist in Zwietracht, Richard [Löwenherz] gefangen) nicht vertont, sondern nur im Libretto verzeichnet, doch dürfte dieser subtile, rein textuelle Hinweis auf die englische Geschichte des ausgehenden 12. Jahrhunderts und speziell auf die Festsetzung des vom 3. Kreuzzug zurückkehrenden Königs Richard Löwenherz durch Leopold V. von Österreich und dann Kaiser Heinrich VI. von besonderer Bedeutung sein. Denn immerhin unterstreicht er die alte dynastische Verbindung der Welfen mit dem englischen Königshaus (über seine Gemahlin Mathilde war Heinrich der Löwe ein Schwiegersohn König Heinrichs II. Plantagenêt und Schwager des Richard Löwenherz), und das zu einer Zeit, als sich Herzog Ernst August, dessen Gemahlin Sophie eine Enkelin König Jakobs I. von England war, begründete Aussichten auf die englische Krone machen konnte (Auswirkungen der ,Glorious Revolution‘ von 1688). Als Herzogin Sophie im Jahre 1701 durch den ,Act of Settlement‘ des englischen Parlaments offiziell zur Thronerbin bestimmt wurde, ließ man in Hannover aus diesem Anlaß eine Münze prägen, die auf der einen Seite das Porträt

97 zur Historie des ausgehenden 12. Jahrhunderts gesetzt. Daraufhin eilt Metildas Amme Errea aufgeregt herbei und verkündet, durch Magie und Schwarzkunst von Henricos Ableben versichert zu sein. Sie bedeutet Metilda, ihr selbst das Bild des eingekerkerten, todgeweihten Henrico vor Augen führen zu wollen und beschwört, nach der Einwilligung ihrer Herrin, in einer wilden Arie Dämonen und Höllengeister. Die Szene verwandelt sich und Henrico erscheint den Anwesenden in seinem Gefängnis. Sterbend wendet er sich an Metilda und rät ihr, sich aus Liebe zu ihm wie aus Gründen der Staatsräson einen anderen, würdigen Gemahl zu wählen, der seine Stellung einnehmen kann. Daß hier nicht der authentische Henrico zu Metilda spricht, sondern der Teufel selbst, erkennen lediglich die Rezipienten, nicht jedoch die Bühnenfiguren – mit Ausnahme von Almaro und Errea, die die Urheber des dämonischen Schwindels sind: Die dramatische Ironie realisiert sich dabei einerseits über die Bühnenhandlung, nämlich das vorausgegangene heimliche Arrangement zwischen Almaro und Errea, andererseits über die der Szene II, 10 vorausgeschickte Bühnenanweisung, die explizit auf die Täuschung hindeutet.144 Doch auch Steffanis musikalische Umsetzung markiert auf ihre Weise den Betrug, insofern die Arie „Morirò fra strazi, e scempi“,145 deren Grundtonart c-Moll weit außerhalb des Spektrums der ansonsten für Henricos Arien verwendeten Tonarten (F-Dur, DDur, d-Moll, c-Moll, D-Dur, d-Moll, G-Dur) liegt – ja ist dies überhaupt der einzige c-Moll-Satz der Oper146 –, des falschen Henrico bittere Anklage gegen den christlichen Gott, der ihn verraten und im Stich gelassen habe, in einem herzzereißend-klagenden und resignativen Grundton präsentiert, der so gar nicht mit dem zuvor von Henrico gezeichneten musikalischen Bild zusammenpassen will:147 Gleich zu Beginn evoziert das zweimal, nämlich in der Singstimme und

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Sophies zeigt, auf der anderen das der Mathilde, der Tochter Heinrichs II. und Gemahlin Heinrichs des Löwen (Abb. in: Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff [Hgg.], Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 3, S. 144 [H 34]). Als Ausweis der weit zurückreichenden dynastischen Bande zwischen dem Welfen- und dem englischen Königshaus erlangte diese Münze „einige Wirksamkeit, da sie als Ehrengabe auch in England verteilt wurde“ (Armin Reese, Die Rolle der Historie beim Aufstieg des Welfenhauses, S. 160). S’osserui che non è Henrico che parla; Mà il Diauolo, con sensi empi, e sacrileghi (Man beachte, daß es nicht Henrico ist, der spricht, sondern der Teufel, mit gottlosen und frevelhaften Sinnen). Morirò fra strazi, e scempi, | E dirassi ingiusti Dei | Che saluando i uostri Tempi | Io per uoi tutto perdei (Grausam und unter Schmerzen werde ich sterben und man wird sagen, o ungerechte Götter, daß ich, um eure heiligen Stätten zu retten, alles durch euch verlor). Bei Mattheson wird die für das ausgehende 17. Jahrhundert noch recht ungewöhnliche Tonart c-Moll als ein )beraus lieblicher dabey auch trister Tohn charakterisiert. Weiter heißt es dort: weil aber die erste [d. h. liebliche] Qualité gar zu sehr bey ihm praevaliren will / und man auch des s)ssen leicht )berdr)ßig werden kan / so ist nicht )bel gethan / we@ man dieselbe durch ein etwas munteres oder ebentr chtiges Mouvement ein wenig mehr zu beleben trachtet / sonst m gte einer bey seiner Gelindigkeit leicht schl ffrich werden (Das Neu-Erffnete Orchestre, S. 244). Candace Marles hat darauf hingewiesen, daß sich Henricos c-Moll-Arie vielmehr dem pathetisch-expressiven Gestus einiger Arien Metildas (etwa „Ossa care illustri Ceneri“) annähert (Opera as ,Instrumentum regni‘, S. 67).

98 Abb. 6: Henrico Leone, Arie „Morirò frà strazi, e scempi“ (II, 10)

99 der ihr imitatorisch zugeordneten (hier vorausgehenden) obligaten Blockflöte erklingende Intervall der aufsteigenden kleinen Sexte den Gestus schmerzlicher Klage. Und auch der vierstimmige Streicherapparat konnotiert die substantielle Klage-Semantik, wenn die Instrumente in der immer gleichen Klangschicht akkordisch-schwebender Tonrepetitionen (Streichertremoli, in der autographen Partitur durch Wellenlinien markiert) verharren (Vortragsanweisung: piano), die auf den historischen Typus des ,Tremolo-Lamento‘ verweisen (Abb. 6). Das sogleich anschließende Accompagnato übernimmt, rhythmisch beschleunigt, diese Streichertremoli, die so zwar beide Teile verknüpfen, nun aber abrupte Dramatik signalisieren: Der vermeintliche Henrico wendet sich an Metilda, drängt sie zur Wiederverheiratung und stirbt – musikalisch wird der Vorgang des Sterbens inszeniert durch immer größere Sprünge abwärts und stockende Deklamation der Singstimme (,Suspiratio‘) sowie zuletzt deren unbegleitete Kadenz (das Orchester bricht auf dem Quartsextakkord ab) nach F-Dur (moro). Almaros Plan scheint aufzugehen: Metilda ist, wie die übrigen nicht eingeweihten Anwesenden, so tief beeindruckt von Erreas ,Vorstellung‘ und den Worten des falschen Henico, daß sie alsbald, zum Leidwesen Idalbas, seine Heiratswünsche billigt. Mit Szene II, 17 (in der Partitur II, 18) wird erneut die Sagensequenz fortgeführt, allerdings knüpft die Handlung diesmal nicht bruchlos an die vorausgehende Passage am Schluß des ersten Aktes an: Zwischen der Greifenkampfszene (einschließlich der Versorgung Henricos durch den jagenden Löwen) und der jetzt dargestellten Ankunft Henricos und des Löwen auf dem Kalkberg vor Lüneburg fehlen zumindest zwei zentrale Motive der ,Heinrichsage‘, nämlich die Flucht des Braunschweiger Herzogs zu Wasser sowie der Teufelspakt. Folglich ist auch nicht davon die Rede, daß der Teufel Henrico nach Lüneburg transferiere, sondern Henrico und sein Löwe schweben in einer Wolke auf den Kalkberg.148 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß der Herzog von Braunschweig in Gödings Fassung wie in allen übrigen Versionen der ,Heinrichsage‘ nicht nach Lüneburg, sondern freilich nach Braunschweig zurückkehrt – in die Stadt, die sich Heinrich der Löwe als Herrschaftsmittelpunkt gewählt hatte und in deren Herzen er nicht nur „eine einzigartige Pfalzanlage nach dem Vorbild des Goslarer Königsbaus errichten“ ließ, sondern

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Die Bühnenanweisung zu Szene II, 17 lautet: Monte Calcario. Vna nube porta Henrico col Leone sopra quel monte (Der Kalkberg. Eine Wolke trägt Henrico und den Löwen auf jenen Berg). Zu Beginn von Henricos Rezitativ heißt es allerdings: Doppo tanti perigli | Vn genio tutelare | Per insolite strade | M rende al fin à le natie contrade (Nach so vielen Gefahren gibt mich eine schützende Gottheit/Macht am Ende auf ungewohnten Wegen den heimischen Gefilden zurück). Obgleich die Art und Weise, das ,Wie‘ von Henricos Rückkehr somit im Detail unklar bleibt, folgt die Oper doch darin den früheren Versionen der ,Heinrichsage‘, daß letztlich die göttliche Vorsehung, der genio tutelare, Henricos glückliche Heimkehr bewirkt. Auch bei Göding wird der Teufelspakt nur mit göttlichem Beistand überwunden, gelingt die Rückkehr am Ende nur mit Hilfe des christlichen Gottes: Ja so der Herr [von Braunschweig] geschlaffen / wer kommen vmb Leib vnd Seel / | Der lieb GOTT thut solchs [nämlich das Gebrüll des Löwen] schaffen / von jhm kompt Leben vnd Heyl / | Er hilfft in diesem Leben / vnd endtlich aus dem Todt / | Thet seiner [des Herrn] ferner pflegen / halff jhm aus dieser noth (Behr/Blume, S. 177).

100 auch „ein bronzenes Löwenstandbild als sinnfälliges Zeichen seines Namens“ wie den Neubau des Kollegiatstiftes St. Blasien, den er, „an Pracht und Größe fast ohne Vorbild in der Region“, zu seiner Grablege bestimmte.149 Wenn nun das Libretto des Henrico Leone das aufs engste mit Heinrichs Herrschaftshandeln verbundene Braunschweig durch den anderen alten Hauptort der Welfenlande, die Billungergründung Lüneburg, als Ort der Bühnenhandlung ersetzt, dann dies allein aus politischem Kalkül: Da Braunschweig nach der Eroberung durch das welfische Gesamthaus im Jahre 1671 an die Wolfenbütteler Linie gefallen war,150 mit der Herzog Ernst August wegen Präzedenzfragen mehr als einmal größere Konflikte ausgefochten hatte (und auch weiterhin ausfechten mußte), schien es den Produzenten der Oper offenbar geboten, die auf dem Territorium Herzog Georg Wilhelms von Lüneburg-Celle gelegene Stadt Lüneburg zur Residenz Henricos und damit zum Schauplatz der Bühnenhandlung zu machen, ließ sich auf diese Weise doch der große Ahn ganz der Lüneburger Linie zuschlagen.151 Nach seiner (und des Löwen) Landung auf dem Kalkberg bekundet Henrico im Rezitativ seine Zuversicht, in Kürze Metilda trösten und seinem Land beistehen zu können. Zunächst überkommt ihn jedoch große Müdigkeit und er singt sich mit der Arie „Dolce oblio de le suenture“152 in den Schlaf. Das vom vierstimmigen Orchester (nur Streicher mit Dämpfern)153 begleitete Stück steht erneut in der Tonart D-Dur154 (vgl. I, 16) und ist in der autographen Partitur mit

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Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 218. Vgl. Gerd van den Heuvel, Niedersachsen im 17. Jahrhundert, S. 155. Herzog Ernst August sicherte sich und seinen Nachkommen die Anwartschaft auf das Fürstentum Lüneburg-Celle endgültig durch die Verheiratung (1682) seines Sohnes Georg Ludwig mit Sophie Dorothea, der einzigen Tochter und damit Alleinerbin Georg Wilhelms. Zusammen mit der ebenfalls zuerst im Jahre 1682 eingeführten Primogeniturordnung trug die absehbare Vereinigung der Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Lüneburg-Celle (sie erfolgte 1705, nach dem Ableben Herzog Georg Wilhelms) ganz erheblich zur Arrondierung des Territorialbesitzes der Lüneburger Welfenlinie, seit 1692 des Kurfürstentums Hannover, bei und beförderte damit letzten Endes „den Aufstieg Hannovers zur zweiten Regionalmacht neben Brandenburg-Preußen im Norden des Reichs“ (Gerd van den Heuvel, Niedersachsen im 17. Jahrhundert, S. 158). Dolce oblio de le suenture | Che ristori | Stanche Membra afflitti cori | Porgi pace à le mie cure: | Vieni pure dolce oblio… (Süßes Vergessen allen Unglücks, du erquickst müde Glieder und betrübte Herzen; gib meinen Sorgen Frieden: Komm nur, süßes Vergessen...). Die autographe Partitur verlangt, daß les Violons joueront l’Air auec des sourdines. Diese und ähnliche Spielanweisungen in französischer Sprache dürften die Zusammensetzung und stilistische Ausrichtung der Hannoveraner Hofkapelle Ende der 1680er Jahre reflektieren, der zu dieser Zeit mehrheitlich französische Instrumentalisten, d. h. insbesondere Oboisten und Violinisten – unter der Leitung des Konzertmeisters Jean-Baptiste Farinel –, angehörten (vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 46f.). Angesichts des durchweg ,unheroischen‘ Gestus dieser Arie ist auf Matthesons ergänzenden Zusatz zu seiner oben mitgeteilten Charakterisierung der Tonart D-Dur (s. o. S. 92 Anm. 137) hinzuweisen: doch wird zugleich niemand in Abrede seyn / daß nicht auch dieser harte Tohn / wenn zumahl an statt der Clarine eine Fl te / und an statt der Paucke eine Violine dominiret / gar artige und frembde Anleitung zu delicaten Sachen geben k nne (Das Neu-Erffnete Orchestre, S. 242f.).

101 Abb. 7: Henrico Leone, Arie „Dolce oblio delle suenture“ (II, 18)

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103 der Tempobezeichnung Adagio versehen (Abb. 7). Strukturell eine OstinatoArie – das zugrundeliegende viertaktige Baßmodell wird insgesamt achtmal wiederholt, wobei die Grundtonart im Zuge jeweils einer Ausweichung nach ADur und h-Moll zweimal verlassen wird –, verströmt der in Oberstimmen und Baß von einer einzigen kreisenden Melodiebewegung dominierte Satz zartfließenden Wohlklang und sanfte Ruhe. Henrico bricht sein melodisch, harmonisch und strukturell in sich rotierendes ,Wiegenlied‘ mit den Worten dolce obli ab, als ihn der Schlaf übermannt, während die Instrumentalbegleitung das zuletzt durch Pausen unterbrochene Baßmodell noch bis zur D-Dur-Schlußkadenz vervollständigt, wobei der erwartete Schlußakkord mit dem Beginn der scharf kontrastierenden Orchestereinleitung zum nachfolgenden Rezitativ (II, 18) zusammenfällt: Dramatisch-erregte Sechzehnteltremoli und Zweiunddreißigstelläufe der Streicher und Bläser zeigen den Auftritt eines Dämonen an, der sich dem schlafenden Herzog von Braunschweig nähert. Es ist der Teufel in persona, der Henrico bis hierher verfolgt hat und den Schlafenden in die Hölle entführen will, um sich an seinem Widersacher zu rächen, hatte der ihn doch in Palästina, beim Kampf gegen die Ungläubigen, bekriegt.155 Bevor er Henrico ergreifen kann, brüllt der Löwe laut auf, so daß sein Herr erwacht und der Teufel von ihm ablassen muß. Zornig reißt dieser den Löwen in die Luft und schleudert ihn darauf zu Boden. Während sich Henrico mit dem Löwen entfernt, ruft Satan in einer furiosen Arie rachsüchtig Dämonen und böse Geister herbei, um die Welt in Krieg und Aufruhr zu stürzen. Mit einem Ballett der aus der Tiefe emporgestiegenen Höllengeister endet der zweite Akt. Der ,Heinrichsage‘ ist Mauro hier insoweit gefolgt, als er das Motiv des im Schlaf gefährdeten, aber durch den treuen Löwen geretteten Helden übernommen hat. Das eigentlich motivierende Moment, der Teufelspakt, wird jedoch außer Acht gelassen. Statt dessen wird ein – in augenfälliger Weise an Tassos La Gerusalemme liberata erinnernder156 – durchgängiger Dualismus der Instanzen des Göttlichen und

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Il mio nemico à punto | E’ doue l’attendeuo | Tanto lo seguitai ch’ al fin l’ho giunto. | Qui non li gioueranno i Numi amici, | S’in Asia vigilò per farmi guerra, | Lo coglierò dormendo | E passerà per le Tartaree porte | Da breue sonno ad unà eterna morte (Mein Feind ist nun dort, wo ich ihn erwartete. Lange bin ich ihm gefolgt, bis ich ihn am Ende erreicht habe. Hier werden ihm keine freundlichen göttlichen Mächte beistehen. Wachte er in Asien, um mich zu bekriegen, werde ich ihn nun schlafend ergreifen, und beim Passieren der Höllenpforten wird er vom kurzen Schlaf in den ewigen Tod hinüberschlummern). Vgl. dazu etwa August Buck, Tassos ,Befreites Jerusalem‘, in: ders., Studia humanitatis. Gesammelte Aufsätze 1973–1980. Festgabe zum 70. Geburtstag. Hg. v. Bodo Guthmüller, Karl Kohut u. Oskar Roth, Wiesbaden 1981, S. 180–192, hier S. 181f.: „Tasso hingegen [...] wollte ein ritterlich-christliches Epos schreiben, dessen Zentralgestalt der fromme Goffredo, der Führer des 1. Kreuzzuges, sein sollte. Das befreite Jerusalem erschien als das Symbol für den Sieg der ,ecclesia militans‘ über den Unglauben. [...] Die falschen Götter der griechischen Mythologie werden aus der Dichtung verbannt, und an ihre Stelle tritt der wahre Gott der Christen. Er und seine Sendboten auf der einen Seite, die höllischen Mächte und ihre Diener, die Dämonen und Zauberer, auf der anderen Seite bewirken die wunderbaren Ereignisse im Epos, die Tasso zur Unterhaltung des Lesers unentbehrlich hält. So nehmen Himmel und Hölle am Geschehen Anteil, und Goffredos Sieg ist zugleich der Sieg des Himmels über die Hölle“. – Zur Popularität und zum literarischen Modellcharakter von

104 seines teuflischen Widerparts entworfen: Als energischer Kämpfer für den christlichen Gott und gegen die Heiden157 zieht Henrico zwangsläufig Satans Zorn und Rachegelüste auf sich und muß folglich dessen (in letzter Konsequenz freilich immer vergebliche) Nachstellungen und Anschläge fürchten.158 Der dritte Akt führt die bislang getrennten Handlungssequenzen zusammen: In Szene III, 2 erscheint Henrico in der fürstlichen Residenz Lüneburg und gerät mitten hinein in die Vorbereitungen zur Hochzeitsfeier.159 Als ihm der Diener Eurillo von der unmittelbar bevorstehenden Vermählung Metildas mit Almaro berichtet, äußert er in der Arie „Sù che fate speranze ingannate“160 wütend

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Tassos Ritter- bzw. Kreuzzugsepos in Deutschland im ausgehenden 16. und im ganzen 17. Jahrhundert, zur Zeit der Türkenkriege, vgl. Achim Aurnhammer, Torquato Tasso im deutschen Barock, S. 41–53. Ein intertextueller Bezug scheint umso naheliegender, als der gebürtige Veroneser Mauro bestens mit der in Italien längst als ,Nationalepos‘ geltenden Gerusalemme liberata vertraut gewesen sein dürfte. Dieser Aspekt klingt nicht nur hier und – auf karikierende Weise – in Szene II, 10 an, sondern schon das Vorwort (Elogio d’Henrico Leone) hatte ihn als Charakterzug Heinrichs des Löwen besonders hervorgehoben. Dabei ist anzumerken, daß diese Darstellung des großen Ahnen Heinrich als eifrigen Streiters für die christliche Sache einen politischen Hintergrund hat, der mit den Bemühungen Ernst Augusts um die neunte Kur zusammenhängt. Da nicht zuletzt konfessionspolitische Erwägungen bei der Argumentation für oder wider die Einführung der neunten Kur von besonderer Relevanz waren und sich vor allem die Mehrheit der katholischen Kurfürsten gegen eine Erhebung des protestantischen Herzogs von Hannover zum Kurfürsten aussprachen, weil sie einen stärkeren Einfluß der Protestanten im – bislang katholisch dominierten – Kurkollegium fürchteten, schien es umso wichtiger, daß Herzog Ernst August die katholischen Fürsten und die Kurie für seine Pläne einnahm und auf seine „Verdienste [...] um die Christenheit, die Römische Kirche und die geistlichen Kurfürsten“ hinwies (Georg Schnath, Geschichte Hannovers, Bd. 1, S. 488). Dies geschah u. a. mit Hilfe einer italienischen Denkschrift, die im Oktober 1689 nach Rom übersandt wurde und deren Verfasser niemand anders war als der Kapellmeister (und geistliche Würdenträger) Agostino Steffani (ebd.). Überdies ließ Herzog Ernst August Ende 1689 in verschiedene Richtungen verlauten, daß er sich mit dem Gedanken der Konversion trage. Wenn also, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, Henrico in der Oper als Vorstreiter für die christliche Religion dargestellt wird, dann einzig aus dem Grunde, ein vergleichbares Licht auf seinen Nachfahren Ernst August fallen zu lassen bzw. einen solchen Aspekt zu betonen – wie es das Vorwort des Librettos (Elogio d’Henrico Leone) ja ausdrücklich tut: Resta però degli auanzi di si gran naufragio a suoi Sermi Discendenti di che far nell’Europa considerabil figura, e di chè imitar felicemte il zelo d’Henrico à danno degl’Infedeli (Von den Resten eines so großen Schiffbruchs aber bleibt seinen [Heinrichs] durchlauchtigsten Nachfahren, in Europa eine beachtliche Figur zu machen und Heinrichs Glaubenseifer zum Schaden der Ungläubigen glücklich nachzustreben), vgl. o. S. 76. Diese Annahme könnte denn auch erklären, warum in Szene II, 10 (s. o. S. 97) der Teufel den Part des falschen Henrico übernimmt, um Metilda zur Wiedervermählung zu drängen und somit Henricos Rückkehr in die alten Verhältnisse zu vereiteln. Almaro und Errea wären dann – trotz ihrer jeweiligen Beweggründe – nur Werkzeuge im Dienste des Teufels und seiner Rachepläne. Der Löwe tritt als Begleiter Henricos von nun an nicht mehr in Erscheinung, jedenfalls nicht in den Bühnenanweisungen des Librettos und des Partiturautographs. Sù che fate speranze ingannate? | Sù che dite mie glorie tradite? | Vendicate l’amor, e l’honor. | Nel mio pet[t]o s’estingua l’affetto, | Più non u’arda che sdegno, e furor (Auf, was macht ihr, getäuschte Hoffnungen? Auf, was sagst du, verratener Ruhm? Rächt Liebe und

105 seinen Unmut und Zorn: Der furiose Da-capo-Satz in d-Moll (Singstimme und Basso continuo) wird eingerahmt von einem ebenso ungestümen Orchesterritornell (vierstimmige Streicher, Oboen und Fagott; Holzbläser zunächst mit den Streichern, ab T. 7 Wechsel zwischen Bläsern und Tutti [Imitation]), das in der handschriftlichen Partitur mit der Tempoangabe Presto bezeichnet ist und motivisch den A-Teil der Arie vorwegnimmt, indem es mit dem zweimal ansetzenden, überaus prägnanten Kopfmotiv (Quint-Quart-Sprung aufwärts als direkte Replik auf den Arientext „Sù...“) der Singstimme, hier verteilt auf Bässe und hohe Streicher/Oboe, beginnt (Abb. 8). Im B-Teil bringt eine weitschweifige, in Sekund- und Terzschritten pendelnd aufsteigende und wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrende Koloratur auf dem Wort furor abermals den Grundaffekt der Arie signifikant zum Audruck. Obgleich sich Henrico von Metilda und Almaro verraten fühlt, beschließt er, seine Wut zu mäßigen, bis eine passende Gelegenheit ihm ermögliche, sich zu erkennen zu geben und damit die Hochzeit zu stören. Diese Gelegenheit bietet sich ihm in der folgenden Szene III, 3, als Almaro und die immer noch der Vermählung widerstrebende Metilda zum Fest erscheinen. Henrico läßt unbemerkt seinen Ring in Metildas Trinkgefäß fallen,161 die sogleich des Erkennungszeichens gewahr wird und Henrico unter den im Saal Anwesenden aufspürt. Ihre überschwengliche Freude über die Wiedererkennung bzw. Rückkehr Henricos, die alle Qualen und allen Unmut vergessen macht, äußern beide im Duett „Sin hor m’afflissi/offesi à torto“162 (mit Basso continuo). Zum ersten Mal stimmt Metilda in die für Henrico charakteristische Tonart D-Dur mit ein. Die hier erkennbare kontrapunktische Satzstruktur (die beiden Stimmen imitieren einander wechselseitig, umschlingen und überkreuzen sich, um am jeweiligen Phrasenende kadenzierend wieder im Einklang zusammenzufinden) ist für diejenigen Duette von Steffanis Hannoveraner Opern insgesamt typisch, deren beide Singstimmen eine (nahezu) identische Textierung und somit Affektäußerung aufweisen.163 Aus der imitatorischen Faktur des Satzes ragt freilich die mittlere homophone Phrase pur ti riueggio al fine als emphatische Freudenbekundung (zweimal) deutlich hervor (Abb. 9). Nach anfänglicher Ungläubigkeit kann auch Almaro, durch Henricos entschlossenes Auftreten, von der Rückkehr des legitimen Herrschers überzeugt werden. Unverzüglich räumt er dem Hausherrn das Feld und bittet um Vergebung für seine amourösen Ambitionen. Großmütig erklärt ihn Henrico abermals zum Freund (amico) und beschließt, sogleich mit ihm zur Eroberung Bardowicks aufzubrechen. Nachdem Metilda

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Ehre! In meiner Brust erlösche das zärtliche Gefühl, nichts brenne dort als Wut und Entrüstung). Bei Göding und in den übrigen Versionen der ,Heinrichsage‘ dient den Ehegatten ein vor Heinrichs Abreise geteilter Ring als Erkennungszeichen. Sin hor m’afflissi/offesi à torto | Io [in der Partitur: Pur] ti riueggio al fine | Adorato mio ben, dolce conforto (Zu Unrecht habe ich mich bis jetzt betrübt [Metilda]/war ich bis jetzt gekränkt [Henrico]. Am Ende sehe ich dich [doch] wieder, mein Geliebter/meine Geliebte, mein süßer Trost). Steffani hat jeder der drei Textphrasen eine eigene Motivik zugewiesen. Vgl. Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 198–201.

106 Abb. 8: Henrico Leone, Arie „Sù che fate speranze ingannate“ (III, 2)

107 Abb. 9: Henrico Leone, Duett „Sin hor m’afflissi/offesi à torto“ (III, 3)

108 Abb. 10: Henrico Leone, Duett „Non si pensi più che à la gloria“ (III, 3)

109 ihre Zustimmung erteilt und damit ihre Liebe bewußt Henricos Ehrgefühl untergeordnet hat,164 beschwören Henrico und Almaro im Duett „Non si pensi più ch’a la gloria“165 ein im Streben nach Ruhm und Ehre sich realisierendes heroisch-kriegerisches Ethos, dem sich höchstes Glück allein im militärischen Sieg erschließt. Die musikalische Gestaltung verdeutlicht den affirmativen Charakter dieses Duetts mittels eines schwungvollen akkordisch-homophonen Satzes in G-Dur, wobei die hohen Streicher/Bläser die beiden parallel geführten Singstimmen jeweils echoartig ablösen. Zahlreiche rhythmische Punktierungen – insbesondere während der beiden Koloraturen (felicità) – sowie eher einfache, diatonische Harmoniewechsel (Hauptdreiklänge) verstärken den kriegerischen Duktus des Stückes (Abb. 10). Die hier vorbereitete Bardowick-Episode, die an das zur Zeit der Uraufführung 500 Jahre zurückliegende historische Ereignis der Zerstörung Bardowicks durch Heinrich den Löwen erinnert und nicht zuletzt zur Feier dieses Jubiläums ihren Weg in die Oper gefunden haben dürfte, setzt mit Szene III, 7166 ein und erreicht ihren Höhepunkt in Szene III, 9 mit der Erstürmung der aufsässigen Stadt durch Henrico und Almaro. Ihre Verknüpfung mit der Sagenhandlung, in die sie eingebettet ist, erscheint dabei eher oberflächlich: Ein kurzer Hinweis Metildas auf Almaros militärischen Beistand, insbesondere gegen Bardowick, am Ende von Szene III, 3 genügt, um Henrico sogleich seinen Entschluß zur Eroberung der Stadt fassen zu lassen. Zwar mag sich Ortensio Mauro mit Blick auf die Darstellung der Erstürmung Bardowicks an historiographisch-chronikalischen Berichten der Zeit orientiert haben,167 doch

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Im Anhang der Hannoveraner Partitur (zum dritten Akt) ist eine kurze Arie (mit vorausgehendem Rezitativ) für Metilda nachgetragen („D’un Anima grande“, B.c., D-Dur), die offenbar kurzfristig, wohl noch zur Uraufführung, an dieser Stelle eingefügt wurde. Jedenfalls ist der Arientext (und der des zugehörigen Rezitativs) im Libretto 1689 abgedruckt. Non si pensi più ch’a la gloria | Gli altri affetti son uanità: | Sol’ in seno de la vittoria | Sta la uera felicità (An nichts denke man mehr als an Ruhm und Ehre, alle anderen Neigungen sind vergänglich und nichtig! Wahres Glück liegt allein in den Armen des Sieges). In der autographen Partitur lautet die Bühnenanweisung zu III, 7: Bardeuico assediato (Das belagerte Bardowick), sie ist im ,Nebentext‘ des Librettos nicht vorhanden, dort findet sich lediglich die französische Übersetzung Bardevich assiegè. Vgl. etwa die Darstellung bei Bünting/Meibom: Newe / Volstendige / Braunschweigische vnd Luneburgische Chronica (1620), S. 168: Da zog der Edle Held vnd k*ne L w / der nun wider auffgewachet war / f*r die Stadt Bardewick / welche zu der zeit die herrlichste vnd elteste Stadt in diesem Lande gewesen / denn sie sol von den Barden gebawet seyn [...] Als nu H[ertzog] Heinr[ich] der L w in diese Stadt kam / waren die Einwohner sehr trotzig / verliessen sich auff ihre grosse Macht vnnd starcke Festung / vnd vngeacht / das Hertzog Heinrich ihr LandesF)rst war / zeigeten sie ihm mit z)chten den Hindern. Als der Hertzog solches sahe / ergrimmet er / wie ein zorniger L w / satzte mit aller Macht an die Mawren. Die B*rger vnd das Kriegsvolck / das Hertzog Bernhart von Sachsen / darein gelegt / wehreten sich auß allen Kr fften / aber der zornige br*llender grimmige L w / schwur ein Eyd / er wolte die Stadt zu einem Dorffe machen / dar*mb halff da kein Gegenwehr / die Stad ward mit großer Macht gest*rmet vnd er bert / am Tag Simonis vnd Judae / im 1189. Jahr nach Christi Geburt / als sie vber zwey tausent Jahr alt war. Da geschach ein sehr j mmerliches w*rgen vnd morden / daß das Blut auff allen Strassen schwam / vnd gleich wie ein zorniger L w / alles was er mit seinem starcke Klawen ergreifft zu st)cken reisset /

110 fehlt im Dramentext ganz die historische Situiertheit, die Ereignisse sind aufgrund der Anbindung an die ,Heinrichsage‘ völlig aus ihrem historischen Kontext des Jahres 1189 herausgelöst.168 Szene III, 9 wird eingeleitet von einer zweiteiligen Sinfonia in G-Dur (vierstimmige Streicher mit Oboen), die mit punktierten Rhythmen auf den Hauptschwerpunkten des raschen, geraden Taktes (Allabreve) und akkordischem Oberstimmensatz Züge eines Marsches trägt (Abb. 11). Als Bühnenmusik begleitet sie wohl den Aufzug Henricos und Almaros an der Spitze der Belagerungstruppen und eröffnet damit die Battaglia, das musikalische Schlachtengemälde.169 Es folgt Henricos Arie „Chi rif[i]uta la clemenza“,170 eine ausschließlich vom Basso continuo gestützte Da-capoAnlage in der gleichen Tonart G-Dur (Abb. 12), die mit ihrer vorwärtsdrängenden daktylischen Rhythmik zurückweist auf Henricos frühere Arie „Quest unghia predatrice“ (I, 16). Henricos Kampfesmut, ja Angriffslust unterstreichen nicht zuletzt weitläufige virtuose Sechzehntelkoloraturen, die, zumeist in aufsteigender Linie oder Sequenzierung, die Schlüsselbegriffe rigor, armi und furor wild aufbrausend hervorkehren. Zudem können die beiden Melismen auf rigor und armi als charakteristische Reminiszenen nicht nur an die einzige Koloratur (riguarderò) in Henricos Arie „Quest unghia predatrice“, sondern auch an seine heroische Eröffnungsarie „Tra le braccia de la Morte“ (I, 1) gelten, lassen sie sich doch motivisch auf jene emporstrebenden Sechzehntelfigurationen beziehen, die den Oboen- und Violinpart des instrumentalen Vorund Nachspiels wie der Orchestereinwürfe im A-Teil dieser ersten Arie prägen.171 Offenbar liegt hier ein Gestaltungsmittel vor, das Steffani bewußt über drei Arien hinweg eingesetzt hat, um den Hörern einen untrennbar mit der Figur Henrico verbundenen Ausdrucksgestus und Charakterzug zu vermitteln:

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also thet Hertzog Heinrich auch / dieweil er gleich also von Zorn brante. In solchem Grim ließ er die Mauren hernieder reissen / biß an die Erden / die Th)rme auch in grund zu Boden werffen / das also die Stadt gentzlich zu einem Dorffe wurde / man muste sie auch hinfort nicht mehr eine Stadt / sondern ein Dorff nennen. Also machet der zornige L w / auß der sch nen Stadt Bardewick ein Dorff. „Im Oktober 1189 kehrte Heinrich der Löwe unter dem Bruch seiner Versprechungen [vorzeitig aus dem englischen Exil] nach Sachsen zurück, um hier seine alte Machtstellung wieder aufzurichten. Er fand dabei nicht nur in den welfischen Gebieten um Braunschweig und Lüneburg, sondern auch bei Erzbischof Hartwig II. von Bremen und in Nordelbingen Unterstützung. Da Graf Adolf III. von Holstein, ein Anhänger des Kaisers, das Land verlassen hatte, um am Kreuzzug teilzunehmen, konnte Heinrich die Mehrzahl der festen Plätze des Landes rasch in seine Hand bringen. [...] Links der Elbe fiel Bardowick in die Hände des Welfen und wurde zerstört“: Karl Jordan, Investiturstreit und frühe Stauferzeit (1056–1197), in: Herbert Grundmann (Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 1: Frühzeit und Mittelalter, Stuttgart 91973, S. 322–425, hier S. 414. Zur Battaglia in der Oper des 17. Jahrhunderts vgl. Werner Braun, Die Musik des 17. Jahrhunderts, S. 123–126. Chi rif[i]uta la clemenza | Proui l’armi del rigor | Se l’irrita l’insolenza | La bontà diuien furor (Wer Gnade und Milde abschlägt, soll [die Waffen der] Härte zu spüren bekommen. Wenn Frechheit sie herausfordert, schlägt Gutmütigkeit um in Wut und Raserei). Darauf hat bereits Candace Marles hingewiesen (Opera as ,Instrumentum regni‘, S. 54).

111 Abb. 11: Henrico Leone, Sinfonia (III, 9)

Abb. 12: Henrico Leone, Arie „Chi rifiuta la Clemenza“ (III, 9)

112 den des Heroisch-Kämpferischen. Mit dem Duett „Al sangue, al fuoco“,172 notiert in C-Dur,173 leiten Henrico und Almaro den Sturm auf Bardowick ein: Zu den beiden Singstimmen, die den Satz zunächst im Oktavkanon mit fanfarenartiger Dreiklangsmelodik eröffnen, treten in drei nahezu identischen Blöcken die erstmals eingesetzten Trompeten und Pauken sowie Violinen und Oboen hinzu (Abb. 13). Aufgrund ihrer pulsierenden Achtelbewegung (Paukenschläge) und der wellenförmig verlaufenden Dreiklangsbrechungen in den drei Trompeten lassen sich diese zwei- und dreitaktigen Orchestereinwürfe zwischen den Gesangspartien des rahmenden A-Teils (Da-capo-Anlage) unzweifelhaft als stilisierte Militärmusik auffassen, als den Angriff begleitende Signale.174 Henricos und Almaros Aufruf zum Kampf entgegnen die Einwohner Bardowicks einmütig mit einem vierstimmigen homophonen Chorsatz, der (im Partiturautograph) an das Duett anschließt und dessen eröffnendes Dreiklangsmotiv als Oberstimmenmelodie aufgreift.175 Die Gegnerschaft verdeutlicht die musikalische Gestaltung dabei mit einer signifikanten Differenz: Das Motiv ändert seine charakteristische rhythmische Gestalt, indem es hier nicht, wie im Duett, auftaktig eingeführt wird, sondern auf der ,Eins‘ als der Hauptbetonung des Dreivierteltaktes einsetzt (Abb. 14). Alsbald wagen die Belagerten einen Ausfall, entsteht auf der Bühne ein Getümmel,176 wobei Almaro plötzlich von feindlichen Kämpfern umringt und nur durch das unvermutete Eingreifen Idalbas, seiner früheren Geliebten, gerettet wird. Der Angriff der Eingeschlossenen wird zurückgeschlagen, die Mauern Bardowicks von Henricos Truppen aufgebrochen und er selbst dringt an der Spitze seines siegreichen Heeres

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Al sangue, al fuoco; a le uendette | al’armi | Ne la perfida città | Sesso, età non si risparmi (Zum Blut, zum Feuer, zur Rache, zu den Waffen! In der heimtückischen Stadt werde niemand wegen seines Alters oder Geschlechtes verschont!). Zu dieser Tonart, dem Modus Jonicus, heißt es etwa bei Johann Mattheson (in Anlehnung an Sethus Calvisius’ ,Exercitatio musica tertia‘ [Leipzig 1609]): Es war der Modus Jonicus vormahls den Liebes-H ndlen gewidmet / und wurde dahero geil oder muthwillig genandt; heutiges Tages dienet er einer Armee zur Aufmunterung; (nemlich mit Trompeten / Pauken / Hautbois etc.) (Das Neu-Erffnete Orchestre, S. 240f.). – Allerdings deutet die Angabe in der autographen Partitur: un ton più alto zu Beginn des Duetts und auch am Ende des vorhergehenden Rezitativs auf eine nachträgliche (vielleicht aus aufführungspraktischen bzw. klanglichen Gründen vorgenommene) Transposition des Satzes nach D-Dur hin. Die Bühnenanweisung des Librettos erläutert das dabei ablaufende szenische Geschehen, die Inszenierung des Kampfes: Intanto con uarie machine si ua scuotendo et aprendo la muraghia [sic!], e quelli di dentro si diffendono gettando pietre (Unterdessen erschüttert und durchschlägt man die Mauer immer wieder mit verschiedenen Maschinen, und jene in der Stadt verteidigen sich, indem sie Steine herabwerfen). Dem kurzen Chorsatz liegt der allein aus Schlachtrufen bestehende Text des A-Teils des Duetts zugrunde (Al sangue al fuoco à le uendette à l’armi). Daß es sich um die Replik der Bewohner Bardowicks handelt, geht aus dem szenischen Hinweis Dalla Città (Aus der Stadt) hervor, mit dem der Chor in der autographen Partitur überschrieben ist. Im Libretto ist der Chor der Einwohner Bardowicks nicht aufgeführt. So die Anweisung des Librettos: Qui doppo uarie ingiurie fanno gli assediati una sortita, e si comincia la mischia. Almaro uien circondato, e quasi preso. Idalba lo soccorre, e lo libera (Die Belagerten machen nach allerlei Schmährufen einen Ausfall, es kommt zum Gedränge. Almaro wird umzingelt und fast ergriffen. Idalba eilt ihm zu Hilfe und befreit ihn).

113 Abb. 13: Henrico Leone, Duett „Al sangue al fuoco“ (III, 9)

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Abb. 14: Henrico Leone, Chor „Al sangue al fuoco“ (III, 9)

115 in die Stadt ein.177 Dazu erklingt ein schwungvolles Menuett (akkordischer Oberstimmensatz, Hemiolenrhythmik) des vierstimmigen Orchesters (D-Dur), das als ,Triumphmusik‘ die Battaglia beschließt. Die Scena ultima, die Finalszene des Aktes und zugleich der Oper (III, 14), erneuert und vertieft diesen Triumph-Gestus, indem nun auf der Bühne der feierliche Einzug der Sieger Henrico und Almaro in die Stadt Lüneburg inszeniert wird: Auf einem prächtigen Wagen, gezogen von vier lebenden Pferden,178 fahren sie gemeinsam mit Metilda durch das zum Triumphbogen umfunktionierte Stadttor. Die spektakuläre Bühnenaktion begleitet ein ausgedehnter Marsch des mit Trompeten, Pauken, Streichern und Holzbläsern besetzten Orchesters. Sowohl hinsichtlich der Instrumentierung mit drei Trompeten und Pauken als auch der Grundtonart C-Dur weist das Stück Parallelen auf zum Duett „Al sangue, al fuoco“ (III, 9), das den Sturm auf Bardowick einleitete, und wie dies gibt sich auch der Marsch als stilisierte Militärmusik zu erkennen – nun freilich als den Triumphzug der heimkehrenden Fürsten untermalende prunkvolle Repräsentationsmusik (Abb. 15).179 Formal stellt der Satz eine ,Marche en Rondeau‘ dar, insofern Steffani zwischen den insgesamt dreimal erklingenden sechzehntaktigen Refrain zwei Couplets eingeschoben hat (ABACA), die mit dem Refrain kontrastieren sowohl hinsichtlich ihrer reduzierten Orchesterbesetzung (ohne Trompeten und Pauken; Echo-Effekte) als auch der tonalen Verhältnisse (Modulation in die Dominanttonart G-Dur). Die Schlußszene schlägt nun aber nicht nur einen Bogen zurück zur BardowickEpisode, indem sie einerseits mit dem Triumphzug der siegreichen Eroberer einsetzt, andererseits Henricos im Rezitativ geäußerte Trauer über die seinen rebellischen Untertanen zugefügten Verheerungen und Leiden folgen läßt und damit den Welfenherzog als Exemplum eines mitfühlenden und seiner Verantwortung bewußten Landesherrn präsentiert,180 sie führt im weiteren Verlauf – in fast 120 Takten rezitativischer Wechselrede – auch alle noch voneinander getrennten und unvollständig gebliebenen Handlungsstränge der Oper zusammen. Die Sagensequenz wird wieder aufgenommen, als Metilda Henricos Melancholie zu mildern sucht und darauf hinweist, daß der prächtige Festaufzug doch vor allem seine glückliche Wiederkunft feiere.181 Die in Gödings Bearbeitung der ,Heinrichsage‘ breit ausgeführten Beratungen und Verhandlungen zur Vermählung des letztlich abgewiesenen Freiers mit einer ihm standes-

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Zweifellos wurden die Erstürmung und Einnahme der Stadt Bardowick sehr aufwendig inszeniert. Das paratextuelle Verzeichnis der Bühnenmaschinen weist jedenfalls eigens auf diese Vorgänge hin: Assalto e presa di Bardewich. Auch dies findet im Verzeichnis der Bühnenmaschinen besondere Erwähnung: Carro Trionfale tirato dà 4. Cavalli vivi (s. o. S. 76 Anm. 94). Steffani setzt Trompeten dann erst wieder in der 1695 erschienenen Oper I trionfi del fato ein (s. Candace A. Marles, Opera as ,Instrumentum regni‘, S. 78 Anm. 51). Im Anhang der autographen Partitur ist für die Schlußszene weiterhin eine Arie mit B.c.Begleitung für Henrico nachgetragen („Toglie il pregio à la uittoria“, D-Dur; zu singen nel scender dal Carro, nach der eröffnenden Triumphmusik), die im gedruckten Libretto fehlt. Del giubilo che uedi | Degli applausi ch’ ascolti è sol motiuo | Il tuo felice arriuo (Der einzige Grund für Jubel und Beifall, die du siehst und hörst, ist deine glückliche Heimkehr).

116 Abb. 15: Henrico Leone, Marche (III, 14)

117 Abb. 16: Henrico Leone, Schlußensemble „Si dia fine ad ogni pena“ (III, 14)

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121 gemäßen Dame sind für Mauros Fassung irrelevant, da mit der Figur der Kaisertochter Idalba von Anfang an eine Alternative zur Verbindung Almaros mit Metilda etabliert wird, deren Realisierung nun nichts mehr im Wege steht bzw. sich geradezu als zwingend erweist. In dem Moment, als Almaro die angebliche Sklavin Merina von Lidauro alias Ircano loskaufen will, um sie für ihre mutige Rettungstat zu belohnen, gibt Ircano dieselbe Almaro gegenüber als Idalba zu erkennen und löst damit allgemeine Verwunderung aus. Almaro gesteht Idalba reuig seine Verfehlungen, seinen Treuebruch ein und bittet sie, seiner neuerlichen Liebe gewogen zu sein. Idalba willigt freudig ein. Auch Metilda und Henrico zeigen sich hocherfreut über die Hochzeitspläne Almaros und Idalbas, die insofern eine politische Dimension implizieren, als Idalbas Schicksal ausgerechnet am Hofe des mit ihrem Vater, Kaiser Friedrich Barbarossa, verfeindeten Herzogs von Braunschweig seine Wendung zum Guten nimmt. Ein letztes Mal blitzen hier also in variierter, subtiler Gestalt die antistaufischen Tendenzen auf,182 die schon in den Paratexten, speziell im Vorwort zum Libretto (Elogio d’Henrico Leone), zu finden waren und, wie oben gezeigt wurde, einen substantiellen Faktor der welfischen Argumentationsstrategie in den Bemühungen Herzog Ernst Augusts um die neunte Kur bildeten, wurde die Verleihung der Kurwürde von welfischer Seite doch lediglich als Wiedergutmachung vergangenen, letztlich von den Stauferkaisern verschuldeten Unrechts und Restitution der alten grandeur des Welfenhauses aufgefaßt.183 Ihrer Freude über den glücklichen Ausgang aller Ereignisse, sowohl über Henricos Rückkehr wie die anstehende Vermählung Almaros und Idalbas verleihen die Opernfiguren Ausdruck im heiter-jubilierenden C-Dur-Schlußensemble „Si dia fine ad ogni pena“.184 Dabei beginnen Henrico und Metilda, begleitet vom

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So versichert Idalba dem Herzogspaar am Ende der Szene: Per eternar del’ Amicitia il nodo | Con cui gli animi nostri il Ciel qui stringe | Vorrei poter un giorno esser capace | Di stabilir col Genitor la Pace (Um das Band der Freundschaft, mit dem der Himmel hier unsere Gemüter zusammenschließt, für immer zu festigen, möchte ich eines Tages dazu beitragen, den Frieden mit meinem Vater zu stiften); zuvor (III, 13) hatte sie bereits Ircanos Einwand, ob sie sich tatsächlich in einem ihrem Vater feindlich gesinnten Land als dessen Tochter enthüllen wolle, ausgeräumt mit den Worten: Ciò non ti turbi: è generoso Henrico: | Ne corrompe la Guerra alma cortese (Das sollte dich nicht beunruhigen: Henrico ist großmütig. Eine edle Seele kann der Krieg nicht korrumpieren). Worauf Ircano entgegnet hatte: Quest essempio non hà da Federico (Von Friedrich ist ein solches Beispiel nicht bekannt). S. o. S. 66 u. 68. Si dia fine ad ogni pena | Giunta è l’hora del gioir | Stella lieta, Aura serena | Sgombra i nembi de sospir | L’Himeneo che c’incatena | In due cor spira un desir | Amor ch’apre un altra scena | In piacer cangia i martir (Man bereite allen Qualen ein Ende, die Stunde der Freude ist da. Ein glückliches Gestirn und heitere Luft schieben die Seufzerwolken beiseite. Hymenäus, der uns zusammenschließt, haucht in zwei Herzen ein einziges Verlangen, Amor, der eine andere Szene eröffnet, verwandelt alles Leid in Wohlgefühl). Die autographe Partitur verändert/verkürzt die Textfassung des Librettos folgendermaßen: Si dia fine ad ogni pena giunta è l’hora del gioir [Henrico/Metilda]. Stella lieta aura serena sgombra i nembi dei martir [Idalba/Almaro] e l’amor che muta scena in piacer cangia i martir [tutti] (Man bereite allen Qualen ein Ende, die Stunde der Freude ist da. Ein

122 Basso continuo, mit einer achttaktigen Duettpassage, deren kontrapunktische Faktur (Metilda imitiert Henricos Part im Abstand eines Taktes kanonisch) erneut die für Steffanis Duette typische Satzart (soweit diese für beide Sänger identisch textiert sind) erkennen läßt (Abb. 16). Nach einem viertaktigen Orchesterzwischenspiel (Streicher, Oboen und Basso continuo), dessen Oberstimme das prägnante Kopfmotiv des vorausgegangenen Duettabschnitts aufgreift (das seinerseits das Oberstimmenthema des die Szene eröffnenden Instrumentalsatzes [Abb. 15, T. 2–4] alludiert, wodurch die Finalszene eine subtile Abrundung erfährt), folgt eine ebenfalls achttaktige Variation dieser Duettpartie durch das andere Paar Idalba/Almaro, wobei diesmal Idalba den (Oktav-)Kanon eröffnet. Wiederum schließt sich das imitatorische Zwischenspiel an, bevor Ircano zu den vier Stimmen hinzutritt und alle fünf gemeinsam den nun homophonen Satz mit dem Loblied auf die Liebe e l’amor che muta scena in piacer cangia i martir beschließen, wobei Steffani Sängerensemble und Orchester zur kontinuierlichen Verdichtung der Spannung blockartig wechseln und erst in den letzten Takten zusammenfinden läßt. Mit einem Ballett der (im Libretto nicht näher bestimmten) Amazonen und Heroen endet die Oper. Obgleich die Darstellung des legendären Heros der welfischen Dynastie, Heinrichs des Löwen, in Steffanis und Mauros Oper und die daraus ableitbaren politischen Intentionen Herzog Ernst Augusts anhand der Analyse von Dramentext und Musik im wesentlichen deutlich geworden sein dürften, seien abschließend doch einige Aspekte pointiert zusammengeführt. Zunächst mag man die Titelfigur Henrico jenseits aller Konkretisierungen als Exemplum eines vorbildlichen Fürsten und guten Landesherrn begreifen: Er ist allen militärischen Herausforderungen und existenziellen Bedrohungen gewachsen, stets Herr der Lage und erscheint unbesiegbar; er ist sich seiner Verantwortung, seiner Fürsorge gegenüber seinen ,Landeskindern‘ bewußt und zeigt nicht zuletzt Großmut, etwa wenn er seinem Nebenbuhler Almaro verzeiht oder das Glück der Tochter seines ärgsten Feindes befördern hilft.185 Doch scheint dieses Ideal des

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glückliches Gestirn und heitere Luft schieben das Gewölk der Leiden beiseite. Und die Liebe, die die Szene wechseln läßt, verwandelt alles Leid in Wohlgefühl). Vgl. dazu etwa die Ausführungen des Gothaer herzoglichen Rates und einflußreichen Staatsgelehrten Veit Ludwig von Seckendorff in seinem Teutschen Fürstenstaat (1656), einem Hauptwerk der landesherrlichen Politik- und Verwaltungslehre im ausgehenden 17. Jahrhundert: Die dritte haupt-tugend eines regenten ist die G)tigkeit, Gnade oder Mildigkeit, mit welcher er GOtt dem HErrn, als der h chsten obrigkeit, nachahmen, und sich also gegen die Geringern gn dig, mild, freundlich und leutselig erweisen soll: Insonderheit aber ist man es in Teutschland, und dessen f)rstenth)mern und landen, nicht gewohnet, daß die landes-herren sich auf die art etlicher barbarischen k nige und potentaten nicht sehen, nicht ansprechen, noch zu etwas erbitten, noch erweichen lassen [...]. Im folgenden Abschnitt zur vierdte[n] Haupt-Tugend, der bescheidenheit, heißt es: [...] und schliessen wir damit nicht aus, daß ein regent soll seyn großm)thig, indem er einen tapffern muth, unverzagtes hertz, hohe anschl ge, und f)rstl. gedancken hat, und sich von widerw rtigkeit und ungl)ck nicht so bald )berwinden, und erschrecken l sset, sondern best ndig und unver ndert bleibet: Teutscher Fürsten-Staat. Samt des sel. Herrn Autoris Zugabe sonderbarer und wichtiger Materien vor itzo aber mit Fleiß verbessert [...] durch Hn. Andres Simson von Biechling, Jena 1737 [7. Aufl.], Neudruck Aalen 1972, S. 149 u. 152.

123 tugendhaften Herrschers und Heros als Spiegel- und ,Leitbild‘ des regierenden Fürsten im Kontext der höfischen Opernpraxis des späten 17. und 18. Jahrhunderts durchaus konventionalisiert und begegnet, in Abstufungen, in einer Vielzahl der für einen Hof – und oftmals auch für eine städtische Bühne – produzierten heroischen Opern.186 Die Besonderheiten der Darstellung liegen im Fall des Henrico Leone in der außergewöhnlichen, bewußten Thematisierung der eigenen Dynastie und weiterhin in der Modellierung der Figur des Henrico zugleich aus mythischen und historischen Elementen, wobei die mythischen oder sagenhaften Anteile die historischen eindeutig überwiegen.187 Indem die Opernhandlung größtenteils auf die ,Heinrichsage‘ als Stoffquelle rekurriert, stilisiert sie den historischen Welfenherzog zum mythischen Heros und nimmt zugleich die historischen Züge zurück, die nun nur noch in der panegyrischen, dabei aber ihres historischen Kontexts beraubten Schilderung der Eroberung Bardowicks sowie einigen verstreuten Verweisen auf die Historie des 12. Jahrhunderts (Heiliges Land, England, Reichskrieg gegen Heinrich den Löwen) hervorscheinen. Damit bleibt zwar die historische und vor allem dynastische Dimension der Titelfigur und ihrer dem englischen Königshaus entstammenden Gemahlin188 erhalten, die Spuren des ambivalenten Geschichtsbildes, das Heinrich den Löwen einerseits als mächtigen Territorialherrn und königsgleichen Gegner Friedrich Barbarossas, andererseits als geächteten und gestürzten Reichsfürsten und Verlierer im Kampf mit dem Kaiser umgibt, werden aber verwischt zugunsten einer durchweg positiven Zeichnung, einer literarischfiktionalen Überhöhung des Urahnen und herausragenden Repräsentanten der welfischen Dynastie zum makellosen Heros und unbezwingbaren gottgefälligen

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Vgl. Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 108ff. Beide Bereiche (Historie und Sage) werden gleich zu Beginn des Argomento differenziert bzw. einander gegenübergestellt: Com’ i Lumi dan luogo all’ombre, l’Historia d’Henrico Leone fertile d’attioni meravigliose hà data occasione à varie favole assai celebri e note ne paesi di Bronsuich, e di Luneburgo. Dà queste per comando di chi ne hà date le Idee s’è tirato l’intreccio del Drama [...] (Der nichtige Schatten folget dem hellen Lichte / und die warhafftigsten Geschichte seynd niemahls ohne falschen Zusatz. Ein gleiches findet sich bey den Lebens-Lauff / und bey denen sonst ungezweiffelten Helden-Thaten des Hertzogs Henrichs des L wens / welche mit so vielen Fabeln unterm nget / das auch diese in ganz Teutschland ber)hmet und bekant seyn. Es haben selbige Anlaß gegeben / zu bezeugung unterth nigsten Gehorsam / den Inhalt der Opera daher zunehmen [...] [Hervorhebung im Original]). S. o. S. 96f. Anm. 143. – Metilda alias Mathilde wird in der Oper freilich nicht weniger vorbildhaft präsentiert als Henrico. Ihr durchaus heroisches Handeln (sie führt in der Abwesenheit ihres Gatten Krieg gegen dessen Feinde), ihre Gattenliebe, Treue, Standhaftigkeit und Leidensfähigkeit entsprechen ganz dem Ideal der tugendhaften Fürstin und Landesherrin, der femme forte. Vgl. dazu Christa Schlumbohm, Die Glorifizierung der Barockfürstin als ,Femme Forte‘, in: August Buck u. a. (Hgg.), Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Vorträge und Referate gehalten anläßlich des Kongresses des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 8. September 1979, Hamburg 1981 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 9), 3 Bde, Bd. 2, S. 113–122.

124 Krieger, wie sie von der Sagentradition nahegelegt wird.189 Es ist kaum zu entscheiden, was letztlich konkret den Ausschlag dafür gegeben haben mag, die Oper Henrico Leone auf der ,Heinrichsage‘ zu basieren: War es vornehmlich das Identifikationspotential, das den in den welfischen Landen seit Jahrhunderten bestens bekannten Fabulis innewohnte – zu denen sowohl der Löwe, den Heinrich zu Braunschweig giessen lassen, als auch der Zug den er in das gelobte Land gethan, Gelegenheit [...] [ge]geben –,190 oder speziell die Bühnentauglichkeit, die der an wunderbaren Begebenheiten reiche und damit der Gattungsästhetik überaus adäquate Stoff zu versprechen schien? Es dürfte jedenfalls kaum ins politische Kalkül Herzog Ernst Augusts als Auftraggebers der Oper gepaßt haben, Heinrich den Löwen in seiner historischen Ambiguität auf der Opernbühne zu inszenieren; vor allem war wohl jegliche Anspielung auf den Ausgang des Konfliktes zwischen Heinrich und Kaiser Friedrich Barbarossa, auf den Sturz des Welfenherzogs (1179/80) und den daraus resultierenden Machtverlust zu vermeiden, wenn es darum ging, Glanz und Ehre der Dynastie szenisch zu vergegenwärtigen, afin que la posterité n’oublie point touts les estats qui ont esté autrefoys à cette maison.191 Anders gewendet, ist die mythisch-verherrlichende Stilisierung des Titelhelden als idealen, unangreifbaren Heros und mächtigen Landesfürsten (etwa in der Bardowick-Episode) nach dem Muster der Sage sicherlich ganz im Sinne von Ernst Augusts politischen Ambitionen und dynastischen Interessen gewesen. Hier, in dieser repräsentativen Strategie, dürfte man einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Impuls für die Rezeption der ,Heinrichsage‘ in der Oper zu vermuten haben. Nicht auf der ,Heinrichsage‘, sondern ausschließlich auf historiographischen Quellen, vornehmlich dem Chronicon Stederburgense in der Ausgabe von Heinrich Meibom d. Ä.,192 beruht demgegenüber das Singspiel Die siegende Großmuth, das der studierte Jurist Joachim Meier, Kantor und Lehrer in Sr. Churf)rstl. Durchl. Gymnasio zu G ttingen,193 anläßlich der Verleihung der

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So lassen einige Szenen des Henrico Leone, etwa die erwähnten Schlußszenen III, 13/14, eindeutig antistaufische Tendenzen erkennen, der Konflikt selbst zwischen Herzog Heinrich und Kaiser Friedrich I. (etwa die auslösenden Faktoren und sein Verlauf) und vor allem sein für Heinrich fataler Ausgang werden aber auf der Bühne – anders als in den Paratexten – in keinster Weise thematisiert. Leibniz, Entwurf der Welfischen Geschichte, S. 253. S. auch o. S. 67. So die oben (S. 71) zitierte Äußerung der Herzogin Sophie zur politischen Funktionalisierung des Henrico Leone. Gerhardi, Praepositi Stederburgensis, De Henrici Leonis, Baioariae et Saxoniae Ducis, postremis rebus gestis, beatoque ex hac vita excessu, historica narratio, nunc primum evulgata cum Notis Henrici Meibomii, Helmstedt 1614 (Nachdrucke 1660 und 1688). So das Titelblatt des Librettos: DIE SIEGENDE GROßMUTH Zu Ehren dem Durchl uchtigsten und Großm chtigsten F(rsten und Herrn Herrn Ernest-August / Herzogen zu Braunsweig und L(neburg des H. Rmischen Reichs Churf(rsten und Bischoffen zu Osnabrug Auf Sr. Churf(rstl. Durchl. Erhhung zur neuen und neundten Churw(rde in einem Singspiel vorgestellet Von Joachim Meiern Prof. P. in Sr. Churf(rstl. Durchl. Gymnasio zu

125 neunten Kurwürde an seinen Landesherrn Herzog Ernst August (Dezember 1692) im Jahre 1693 verfaßte. Das Bühnengeschehen rekurriert hier auf historische Begebenheiten, die um die Jahreswende 1193/94, also mehr als eine Dekade nach dem Sturz Heinrichs des Löwen und etwa fünf Jahre nach seiner zweiten, endgültigen Rückkehr aus dem englischen Exil anzusiedeln sind; konkret geht es vor allem um Verwicklungen und Auseinandersetzungen zwischen den Welfen und ihren Feinden im Vorfeld der Verbindung des Prinzen Heinrich von Braunschweig, des ältesten Sohnes Heinrichs des Löwen, mit Agnes von Staufen, der Erbtochter des rheinischen Pfalzgrafen Konrad von Staufen und Cousine Kaiser Heinrichs VI. Am Ende gelingt es Agnes mit einer demutsvollen Geste, nicht nur die Zustimmung Kaiser Heinrichs VI. zur Vermählung mit ihrem geliebten Prinzen Heinrich zu erhalten, sondern auch die Versöhnung des Stauferkaisers mit den Welfen herbeizuführen,194 die gleichsam die im Jahre 1692 erfolgte Restitution der alten Würden des Welfenhauses, d. h. die Verleihung der Kurwürde an Herzog Ernst August durch Kaiser Leopold I., präfiguriert: [Der Kaiser (zu Heinrich dem Löwen):] So seh’ ich Ew. Liebd. in der alten Treu | Bey neuen Freundschaffts Banden. | [Herzog Heinrich:] Sie glauben / daß ich stets der Ihre sey | So lang ein Tr pffgen Blut in meinem Leib vorhanden. | Nur ist mir leid / | Daß so der Neid | Auf unser Eintracht m)ssen toben / | Und daß / die ich bereichert und erhoben | Verlanget meinen Untergang. | [Der Kaiser:] Wir werden Lebenslang | Fort eure Treu in h chster Achtung haben / | Und in Vergessenheit das / was geschehn / vergraben (III, 21). Obgleich eine Aufführung dieser Oper bisweilen bestritten wurde,195 scheint ein Brief Leibnizens an Herzog Ernst August vom 17. April 1693 eine Inszenierung im schulischen Kontext, im Göttinger Gymnasium, doch nahezulegen.196 Joachim Meier hat dem gedruckten Libretto nicht nur einen philologisch-historisch peniblen Kommentar beigegeben mit dem Titel N thige

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Gttingen [1693] (D-Gs, 8 P DRAM.III,1641). – Zu Meiers Biographie und speziell seinem literarischen Œuvre vgl. Georg Herrenbrück, Joachim Meier und der höfischhistorische Roman um 1700, München 1974. Zum historischen Hintergrund vgl. Karl Jordan, Investiturstreit und frühe Stauferzeit, S. 417: „Anfang 1194 kam es mit dem Welfenhaus auch zu einer Aussöhnung. Heinrich von Braunschweig, der älteste Sohn Heinrichs des Löwen, vermählte sich heimlich mit Agnes, der Tochter des staufischen Rheinpfalzgrafen Konrad. Der Kaiser, der vorher geglaubt hatte, durch eine Ehe seiner Base Agnes mit Philipp II. von Frankreich das staufisch-französische Bündnis festigen zu können, gab schließlich nach und erteilte dieser Ehe zwischen dem jungen Welfen und der Angehörigen des staufischen Hauses seine Zustimmung. Damit verloren zwar die Staufer die Aussicht, die rheinische Pfalzgrafschaft in ihrem Geschlecht zu behalten, andererseits war damit die Grundlage für eine Verständigung zwischen beiden Geschlechtern gegeben. Im März 1194 traf Heinrich VI. zu Tilleda am Kyffhäuser mit Heinrich dem Löwen zusammen und schloß mit ihm Frieden. Ein Jahr später ist der Herzog im Alter von 66 Jahren am 6. VIII. 1195 zu Braunschweig gestorben. Noch im gleichen Jahr wurde sein Sohn Heinrich nach dem Tod seines Schwiegervaters Konrad von Staufen Herr der rheinischen Pfalzgrafschaft.“ Vgl. etwa Georg Fischer, Musik in Hannover, S. 16, und zuletzt Renate Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper, S. 218 Anm. 31. Vgl. AA I, Bd. 9: 1693, Berlin 1975, Nr. 28.

126 Anmerkungen Uber das voehergehende Sing-Spiel, sondern auch eine Gl)kkwünschungs-Ode An Seiner Churf)rstl. Durchl. Zu Braunschweig-L)neburg angefügt, die die panegyrische Intention seines Werkes klar erkennen läßt – Meier bemühte sich zur selben Zeit um eine Anstellung am Göttinger Gymnasium als Professor juris.197 Ende März 1693 hatte er Leibniz einen Brief übersandt mit der Bitte, das beigefügte gedruckte Libretto seines Singspiels Die siegende Großmuth u. a. an Herzog Ernst August weiterzuleiten.198 In seinem Schreiben an den Herzog vom 17. April äußert sich Leibniz durchaus wohlwollend über Meiers Singspiel, wobei er besonders die Prophetie eines englischen Eremiten im zweiten Akt (II, 9) hervorhebt, die die beiden Zeitpunkte des Verlustes der Chur unter Heinrich dem Löwen und von deren ,Wiedergewinn‘ durch Herzog Ernst August kabbalistisch aufeinander bezieht:199 On m’a envoyé de Gottingue pour V. A. E. un opera Allemand representé par les Ecoliers du Gymnase. L’invention est assez jolie, estant prise d’une intrigue amoureuse du fils de Henry le Lion avec une Princesse heritiere du Palatinat; ce qui est fondé dans l’Histoire. L’auteur n’y a pas mal inventé aussi la prediction d’un Eremite Anglois faite à un Seigneur de la Cour de Henry le Lion, touchant le rehaussement de la maison de ce Prince, reservée à V. A. E. Et l’Eremite pour parler enigmatiquement, se servant des noms de Henry le Lion et de V. A. E., et prenant les lettres de l’Alphabet pour des nombres suivant leur ordre, fait entendre que ces deux noms pris ensemble, font le nombre des années depuis la chûte de Henry le Lion, jusqu’à l’investiture de V. A. E.

2.1.3 Dynastische Kontinuitäten: Henrico Leone als Medium welfischer Memoria Jenseits der geschilderten politisch-ideologischen Implikate ihrer Entstehungszeit kann die Hannoveraner Festoper Henrico Leone mit ihrer Reverenz vor dem allgegenwärtigen Heros der welfischen Dynastie in einen größeren, diachronen kulturgeschichtlichen Traditionszusammenhang eingeordnet werden: den der welfischen Memoria. Wie zu zeigen sein wird, ist nämlich weniger die Erinnerung an oder Berufung auf Heinrich den Löwen im Zuge der Repräsentationsbemühungen und machtstrategischen Positionierung Herzog Ernst Augusts gegen Ende des 17. Jahrhunderts per se ein Novum, sondern vielmehr ist es ihre Medialisierung in der verhältnismäßig jungen Kunstform der Oper. Untersuchungen von Karl Schmid und in jüngster Zeit vor allem von Otto Gerhard Oexle und Bernd Schneidmüller haben das dynastische Selbstverständnis der Welfen und ihre mittelalterliche Memorialkultur unter unterschiedlichen Aspekten beleuchtet.200 Begreift man Memoria, „die Überwindung des Todes

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Ebd., S. 375 Anm. zu Nr. 231. Ebd., Nr. 231. Ebd., Nr. 28, S. 32f. Vgl. Karl Schmid, Welfisches Selbstverständnis, in: Josef Fleckenstein u. Karl Schmid (Hgg.), Adel und Kirche, FS Gerd Tellenbach, Freiburg [usw.] 1968, S. 389–416; ders., Geblüt, Herrschaft, Geschlechterbewußtsein. Grundlagen zum Verständnis des Adels im

127 und des Vergessens durch ,Gedächtnis‘ und ,Erinnerung‘“,201 mit Oexle als „das entscheidende Moment, das ,Adel‘ konstituiert“, so wird „die Adels-Eigenschaft der Individuen und der Gruppen, denen diese angehören, der adligen ,Häuser‘ und ,Geschlechter‘ also, wesentlich durch die Qualität und vor allem die Dauer ihrer Erinnerung geschaffen“: „Ohne Memoria gibt es keinen ,Adel‘ und deshalb auch keine Legitimation für adlige Herrschaft. Deshalb ist in den adligen ,Häusern‘ und ,Geschlechtern‘ die kulturelle Produktion von kommemorativen, die ,Kultur‘ der Gruppe konstituierenden und repräsentierenden Ritualen, Texten, Bildern und Denkmälern besonders vielfältig.“202 „Indem die zurückblickende Memoria ein Gedenken der Vorfahren und ihrer Taten impliziert, dient sie zugleich der Fama, weil sie Kunde gibt von der historischen Leistung eines Geschlechts, die auch künftig erwartet werden soll. Sie dient dem Nachweis der Befähigung zur Herrschaft, die sich im Lauf der Geschichte in fortwährender Steigerung erwiesen hat.“203 Die welfische Familie, die nach der heutigen Forschungslage wohl älteste europäische Dynastie, hat als „erstes Geschlecht im mittelalterlichen Reich“ bereits „in den zwanziger Jahren des 12. Jahrhunderts eine lateinische Familiengeschichte“ erhalten:204 Mit der Genealogia Welforum, einer vor dem Tod Herzog Heinrichs des Schwarzen (1126) im Hauskloster Weingarten abgefaßten, mit dem Spitzenahn Eticho einsetzenden Geschichte der süddeutschen Welfen, wird die lange Tradition der historiographischen Memoria dieses fürstlichen Hauses eröffnet. Es würde zu weit führen, die weiteren, bald zahlreichen Zeugnisse des auf die Welfen bezogenen und ihre wechselhaften Geschicke reflektierenden historiographischen, liturgischen oder literarischen

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Mittelalter. Aus dem Nachlaß hg. u. eingeleitet v. Dieter Mertens u. Thomas Zotz, Sigmaringen 1998 (Vorträge und Forschungen 44), S. 129–139; Otto Gerhard Oexle, Die Memoria Heinrichs des Löwen, in: Dieter Geuenich u. Otto Gerhard Oexle (Hgg.), Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters, Göttingen 1994 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institus für Geschichte 111), S. 128–177; ders., Fama und Memoria. Legitimationen fürstlicher Herrschaft im 12. Jahrhundert, in: Jochen Luckhardt u. Franz Niehoff (Hgg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit, Bd. 2: Essays, S. 62–68; ders., Welfische Memoria. Zugleich ein Beitrag über adlige Hausüberlieferung und die Kriterien ihrer Erforschung, in: Bernd Schneidmüller (Hg.), Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof im hohen Mittelalter, Wiesbaden 1995 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 7), S. 61–94; Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, in: Peter Moraw (Hg.), Regionale Identität und soziale Gruppen im deutschen Mittelalter (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 14), Berlin 1992, S. 65–101; ders., Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch; ders., Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, insbesondere S. 15–40 u. 288–300. Otto Gerhard Oexle, Memoria in der Gesellschaft und in der Kultur des Mittelalters, in: Joachim Heinzle (Hg.), Modernes Mittelalter, S. 297–323, hier S. 297. – Zum eng verwandten Konzept des ,kulturellen Gedächtnisses‘ vgl. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Otto Gerhard Oexle, Memoria als Kultur, in: ders. (Hg.), Memoria als Kultur, Göttingen 1995 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 121), S. 9–78, hier S. 37f. Otto Gerhard Oexle, Fama und Memoria, S. 62. Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 15.

128 Erinnerungswissens auch nur aufzuzählen.205 Erwähnt sei aber doch das berühmte Helmarshausener Evangeliar Heinrichs des Löwen, dessen Krönungsbild das welfische Herzogspaar, Heinrich den Löwen und Mathilde, im Kreise ihrer erlauchten kaiserlichen und königlichen Verwandten bzw. Ahnen (Kaiser Lothar III. und Kaiserin Richenza: die Großeltern Heinrichs des Löwen mütterlicherseits; König Heinrich II. von England: Mathildes Vater; Königin Mathilde: Mutter Heinrichs II. und erste Gemahlin Kaiser Heinrichs V.; Herzog Heinrich der Stolze und Herzogin Gertrud: Schwiegersohn und Tochter Kaiser Lothars III. und Eltern Heinrichs des Löwen) als Empfänger himmlischer Kronen zeigt und damit zugleich einen auf monarchischer Legitimität fundierten Herrschaftsanspruch dokumentiert.206 „Das Evangeliar präsentiert, bezogen auf Heinrich, auf seine Gemahlin Mathilde und auf beider Vorfahren, in Bildern und Texten umfassend alle Aspekte von Memoria – im Blick auf Religion und Transzendenz, Heilsgeschichte und Nachfolge Christi ebenso wie im Blick auf Politik, Adelsherrschaft und höfische Kultur. Es ist ein ,Liber vitae‘ und zugleich eine Repräsentation fürstlicher Herrschaft, wie es sie im 12. Jahrhundert nicht noch einmal gibt.“207 Zwischen 1279 und 1292, also mehr als hundert Jahre nach Heinrichs des Löwen Sturz und etwa ein halbes Jahrhundert nach der Errichtung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg als erblichen Reichsfürstentums und der damit verbundenen Erhebung des einzigen verbliebenen welfischen Erben Otto puer zum Herzog durch Kaiser Friedrich II. (1235), entstand die Braunschweigische Reimchronik, die zwar nun die Beschränkung und Konzentration welfischer Herrschaft auf das neue Herzogtum BraunschweigLüneburg und dessen Herrschaftsmittelpunkt Braunschweig reflektiert, dabei aber dezidiert die welfischen Ansprüche auf die ursprüngliche, durch des Löwen Sturz verlorene Herrschaft über ganz Sachsen propagiert und mithin indirekt Forderungen nach Restitution Nachdruck verleiht.208 Die Totenklage um Herzog Albrecht I. den Großen von Braunschweig-Lüneburg († 1279), der mit seinen Söhnen den „Zielpunkt“ der chronikalisch-genealogischen Darstellung bildet,209 nimmt hier ebensoviel Raum ein wie die um seinen Urgroßvater Heinrich den Löwen, in dessen Person sich die beiden von den sächsischen Stammvätern Widukind und Hermann Billung ausgehenden Wurzeln der „den Text organisierenden Baum-Metapher“ vereinigen;210 direkt im Anschluß an jene Klage um Heinrich den Löwen, den königsgleichen Fürsten und großen Förderer der Stadt Braunschweig, werden Albrechts Söhne Heinrich

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Vgl. dazu etwa Otto Gerhard Oexle, Welfische Memoria, und Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte. Vgl. Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, S. 78f.; ders., Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 33–37. Otto Gerhard Oexle, Welfische Memoria, S. 86. S. dazu insbesondere Hans-Joachim Ziegeler, Das Glück der Welfen. Literatur und Landesgeschichte im 14. und 15. Jahrhundert, Habil. masch. Tübingen 1991, S. 24–30. Ursula Peters, Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder. Die Adelsfamilie in der volkssprachigen Literatur des Mittelalters, Tübingen 1999 (Hermaea N.F. 85), S. 161. Hans-Joachim Ziegeler, Das Glück der Welfen, S. 27.

129 Mirabilis – dieser womöglich der Auftraggeber des Werkes –, Albrecht II. der Fette und Wilhelm „auf dessen Vorbild verpflichtet“.211 Einige Jahre nach der Braunschweigischen Reimchronik dürfte der Reinfried von Braunschweig entstanden sein, ein Fragment gebliebener Roman eines unbekannten Autors, mit dem man, „wäre er vollständig überliefert, vermutlich auch die früheste Version der Sage von Heinrich dem Löwen erhalten“ hätte.212 Wie Hans-Joachim Ziegeler gezeigt hat, deutet in der Tat eine Reihe von Indizien darauf hin, daß hinter der fiktiven Romanfigur, dem idealen Fürsten und Kreuzfahrer Reinfried, Heinrich der Löwe, wenn nicht auch dessen Urenkel Herzog Albrecht I. von Braunschweig-Lüneburg, aufscheint, zumindest ist diese Lesart für eine mit den politisch-historischen Verhältnissen in den welfischen Territorien vertraute Leserschaft möglich.213 Wie die Braunschweigische Reimchronik scheint auch der Reinfried von Braunschweig „für den Braunschweiger Hof des späten 13. Jahrhunderts gedacht“ gewesen zu sein, scheint er seine Entstehung maßgeblich dem Mäzenatentum von Albrechts Sohn Herzog Heinrich Mirabilis zu verdanken, und wie diese greift auch der Roman „eine Reihe von welfischen Themen“ auf und bietet „z. T. identische, z. T. vergleichbare Lösungen dafür“, beispielsweise indem „dem Verlust an Macht und Herrschaftsrechten seit dem Sturz Heinrichs des Löwen [begegnet] wird durch ostentatives Beharren auf dem historisch begründeten Recht auf Herrschaft in al Saxen und Westevâl“.214 D. h. sowohl die Chronik als auch der Roman reklamieren und tradieren Restitutionsgedanken, „die bei Heinrich dem Löwen massiv, bei seinen Söhnen latent“ vorhanden waren, dann bei Heinrichs Enkel Otto puer zwar „ins politisch Mögliche“ umgesetzt wurden,215 aber weiterhin Urenkel und Nach-

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Ebd., S. 25. Ebd., S. 31. Ebd., S. 43–48. Dazu nun auch Klaus Ridder, Mittelhochdeutsche Minne- und Aventiureromane. Fiktion, Geschichte und literarische Tradition im späthöfischen Roman: ,Reinfried von Braunschweig‘, ,Wilhelm von Österreich‘, ,Friedrich von Schwaben‘, Berlin u. New York 1998 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 12), S. 173–184. – Eine entgegengesetzte Auffassung vertritt Otto Neudeck, Continuum historiale. Zur Synthese von tradierter Geschichtsauffassung und Gegenwartserfahrung im ,Reinfried von Braunschweig‘, Frankfurt a. M. [usw.] 1989 (Mikrokosmos 26). Hans-Joachim Ziegeler, Das Glück der Welfen, S. 106. – „Die im RvB [,Reinfried von Braunschweig‘] genannten Herrschaftsbereiche Sachsen und Westfalen (v. 102) lassen sich angesichts der kontinuierlichen welfischen Landesteilungen im 13. Jahrhundert wohl nur als Idealisierung eines Territorialstaates begreifen, dessen räumliche Ausdehnung sich an der des Herzogtums Heinrichs des Löwen orientiert. Am Ende des 13. Jahrhunderts und zu Beginn des 14. Jahrhunderts muß die Erinnerung an die vergangene Größe und an die Herrschaftsrechte Heinrichs des Löwen als starker Kontrast zur weitgehenden reichspolitischen Bedeutungslosigkeit der Welfen empfunden worden sein. Indem die Figur des Helden auf den berühmtesten Welfen anspielt, evozierte sie vermutlich bei einem mit der Geschichte des Hauses vertrauten Publikum auch den Gedanken einer Restitution der alten Rechte. Die Entstehung des RvB ließe sich dann mit der in Historiographie und höfischem Roman der Zeit zu beobachtenden ,Löwenpropaganda‘ in Verbindung bringen“: Klaus Ridder, Mittelhochdeutsche Minne- und Aventiureromane, S. 176. Hans-Joachim Ziegeler, Das Glück der Welfen, S. 107.

130 kommen der welfischen Familie begleiteten und letztlich, wie oben gezeigt werden konnte, bis zu Herzog Ernst August von Hannover und seinen Bemühungen um die neunte Kur zu verfolgen sind. An dieser Stelle mag die Erörterung der (spät)mittelalterlichen Memorialkultur der Welfen verlassen werden, um die Linien weiterzuziehen zu den Ereignissen der Wolfenbütteler Fürstenhochzeit von 1585, die die Kontinuität welfischer Erinnerung über die Jahrhunderte hinweg demonstrieren können. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß den Feierlichkeiten zur Vermählung des zukünftigen Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg (und Bischofs von Halberstadt) mit Prinzessin Dorothea von Sachsen eine besondere Bedeutung zukam im Hinblick auf das literarisch vermittelte Gedächtnis Heinrichs des Löwen, hatte doch der Dresdener Hofmaler Heinrich Göding anläßlich dieser Feierlichkeiten seine – später breit rezipierte – Fassung der Sage von Heinrich dem Löwen verfaßt und in gedruckter Form nach Braunschweig übersandt.216 Doch abgesehen von der schriftlichen Fixierung der ,Heinrichsage‘ durch Göding verdient die Wolfenbütteler Fürstenhochzeit Beachtung insbesondere wegen eines theatralischen Aufzuges, eines trionfo,217 als dessen Hauptdarsteller Heinrich Julius selbst fungierte und der vielleicht Göding zu seiner poetischen Gestaltung der Sage veranlaßt hat: gemeint ist der Triumphzug Heinrichs des Löwen. Wie den erhaltenen fürstlichen Akten zu den die Hochzeit umrahmenden Festlichkeiten und Turnierspielen entnommen werden kann,218 wurde der im Vorfeld des Ringrennens dargestellte, auf der ,Heinrichsage‘ beruhende Vfzuge Heinrichs des Löwen, die Inuention in der Person Henrici Leonis, eröffnet von zwei Patrini oder Herolden; darauf folgten Vier Personen so trachen Heübtter vndt Greiffen klauen tragen, Sechs welsche Musicanten, Ein gesmucktter Spißjunge mitt dem Schiltt vom weißen Roß und schließlich der Bräutigam Heinrich Julius als Heinrich der Löwe vf dem Triunpffwagen, wobei hinter dem Triunpffwagen [...] Vier geschmucktte Hengste gefuhrtt werden sollten.219 Eine beigegebene, wohl auf den Fürsten selbst zurückgehende Interpretatio deutet diesen Triunpf Henrici Leonis

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S. o. S. 79f. Zum frühneuzeitlichen trionfo vgl. Richard Alewyn, Das große Welttheater, S. 23–26, speziell zu den Braunschweig-Wolfenbütteler Verhältnissen s. Jörg Jochen Berns, TrionfoTheater am Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel, in: ders. (Hg.), Höfische Festkultur in Braunschweig-Wolfenbüttel 1590–1666. Vorträge eines Arbeitsgesprächs der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel anläßlich des 400. Geburtstages von Herzog August von Braunschweig und Lüneburg, Amsterdam 1982 (= Daphnis 10 [1981]), S. 47–94. – Ein zweiter, mythologischer Aufzug zeigte den „leidenschaftlichen Jäger“ Heinrich Julius in bemerkenswerter, seinerzeit jedoch nicht ungewöhnlicher Travestie „als Jagdgöttin Diana hoch zu Roß, welchem der in einen Hirsch verwandelte Acteon, flankiert von Wilden Männern, vorauslief, während die reitende Diana selbst von musizierenden Nymphen geleitet war“ (Jörg Jochen Berns, Trionfo-Theater, S. 78). D-Wa, 1 Alt 23, Nr. 147, Bl. 55 (und zwar unter der Rubrik Vfzuge M.G.F. vndt hern des Bischofs zu Halberstat zum Ringrennen). – Vgl. dazu Paul Zimmermann, Heinrich Gödings Gedicht von Heinrich dem Löwen, S. 278–280. D-Wa, 1 Alt 23, Nr. 147, Bl. 55r.

131 allegorisch – im Sinne eines Fürstenspiegels – als moralisch-didaktisches Exemplum zur Unterweisung eines jungen Regenten:220 Es haben aber altte vorstendige Leütte Junge Fürsten vndt Regenten hirmit vnderweisen wollen, In was große Gefahr, Sorg vndt Angst, in annhemung des Regiments Sie tretten, vndt wie Sie in demselbigen von allerlei Sünde Laster auch bosen Tirannen vndt Vnderthanen hefftig angefochtten werden, mit denselbigen in teglichen Kanpf liegen müßen, welches alles der Streitt Henrici Leonis mit den Greiffen vndt Trachen bezeiget vndt zuerkennen giebt; vndt das es vnmuglich ist, das Sie allein aus sich selbst solchen Gewalttigen feinden wiederstant thun können, Derwegen Ihnen auch hoch von nötten, das Sie sich der Tugendt, Manheit, vndt getreüer Leutt befleißigen, darmit Sie durch derselbigen zuthuendt, Solchen schrecklichen Feinden, nicht allein wiederstehen, Besondern dieselbigen auch vberwinden, vndt einen freien Triunpff von Ihrer Vberwindung führen vndt haltten mügen, welches alles durch das Tugentreiche Manhaffte vndt Getreüe Thier den Leüen, So Hertzog Heinrich wieder den Greiffen vndt Trachen treülich beistant gethan, bezeichnet vndt angedeütet wirtt.

Zugleich aber stellt „der Braunschweiger Kronprinz Heinrich Julius im Triumphzug zu Ehren seiner Heirat seinen Herrschaftsanspruch und seine Herrschaftslegitimation dadurch unter Beweis [...], daß er sich in der Öffentlichkeit des höfischen Fests die Rolle und die Bedeutung des berühmtesten Welfen: Heinrichs des Löwen, zu eigen macht“.221 Mit dieser „Inszenierung oder sogar Theatralisierung des kulturellen Gedächtnisses“, wie Werner Röcke formuliert hat,222 ist gewissermaßen der Weg bereitet für die Re-Präsentation des großen welfischen Heros auf der Bühne des Hannoveraner Opernhauses etwa ein Jahrhundert später. Es gibt zwar keine Hinweise darauf, daß man sich 1689 in Hannover explizit auf die Wolfenbütteler Festlichkeiten des Jahres 1585 bezogen hätte. Doch schließt dies eine Kenntnis jener Ereignisse im Rahmen welfischen Erinnerungswissens keineswegs aus, zumal zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine bildliche Darstellung des Wolfenbütteler Aufzuges zweimal im Druck publiziert wurde, und zwar in zwei verschiedenen Auflagen von Georg Engelhard Löhneyß’ Della Cavalleria, einem prachtvoll, im Folioformat gestalteten Lehrwerk der höfischen Reitkunst und des frühneuzeitlichen Turnierwesens. Im achten Buch der Ausgabe von 1609/10223 erscheint der Triumphzug Heinrichs des Löwen als eines unter mehreren Beispielen für die Aufzüge oder Inuentionen, so man zum Ringkrennen brauchet:224 Den von links nach rechts ausgerichteten, die Breite eines Doppelblattes einnehmenden Zug eröffnen sechs Bläser in Greifenkostümen, ihnen folgen zunächst neun Figuren, die die abgetrennten Gliedmaßen (Köpfe, Schwingen, Klauen) zweier erlegter Greifenjungen auf Stangen (eines der Jungtiere im Nest) tragen, dann eine Gruppe von sechs Personen, die das getötete Alttier hinter sich herschleifen,

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Ebd., Bl. 55v. Werner Röcke, Kulturelles Gedächtnis und Erfahrung der Fremde, S. 293. Ebd. Georg Engelhard Löhneyß, Della Caualleria. Grundtlicher Bericht von allem was zu der Reutterei gehorig vnd einem Cauallier dauon zu wissen geburt. Mitt Rm Kay May. Priuilegio, 2 Tle, Remling[en] 1609/10. Ebd., Teil 2, S. 383 u. 395ff.

132 sowie ein geharnischter Reiter mit Lanze und Helmschmuck (bestehend aus ,sächsischem Roß‘, gekrönter Säule mit Federbusch und Stern sowie beide einrahmenden „federbesteckten Sicheln“),225 und endlich der von drei Pferden gezogene Triumphwagen mit Heinrich dem Löwen, der sein gezogenes Schwert präsentiert; gelenkt wird der Wagen von Heinrichs treuem Gefährten, dem Löwen. Hinter dem Wagen, zum Beschluß des Aufzugs, führt ein Knappe das prunkvoll gezäumte Pferd des Herzogs.226 Eine beigegebene kurze Erläuterung skizziert die ,Heinrichsage‘ als Grundlage der Invention.227 Da Löhneyß seit 1583 eine Stellung am Hofe des Erbprinzen Heinrich Julius innehatte (mit Heinrich Julius’ Regierungsantritt 1589 dann als herzoglicher Stallmeister), zuvor bereits 1582 befristet in die Dienste des Prinzen getreten war, um diesen im Reit- und Turnierwesen zu unterrichten – nachdem ihn sein eigentlicher Dienstherr Kurfürst August von Sachsen, der zukünftige Schwiegervater Heinrich Julius’, dafür beurlaubt hatte –,228 ist anzunehmen, daß er an den Planungen für den beschriebenen Aufzug persönlich beteiligt war und sich die Darstellung in der Cavalleria – wenn vielleicht nicht in allen Details, so doch im großen und ganzen – unmittelbar auf die Wolfenbütteler Ereignisse von 1585 bezieht.229

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Etwa seit dem 15. Jahrhundert bildeten diese Symbole in dieser Anordnung die „Helmzier im Stammwappen der Welfenherzöge“: Peter Veddeler, Landessymbole, in: Horst-Rüdiger Jarck u. Gerhard Schildt (Hgg.), Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig 22001, S. 79–98, hier S. 85. Georg Engelhard Löhneyß, Della Caualleria (1609/10), Teil 2, S. 396f. (s. Abb. 17) – In der posthum von Löhneyß’ Söhnen veröffentlichen Ausgabe von 1624 (Della Caualleria [...] auffs newe mit n(tzlichem gutem Bericht / auch herrlichen schnen Figuren / allenthalben vermehrt / verbessert vnd zum dritten mal Gedruckt zu Remlingen. Cum Gratia & Privilegio. 1624) findet sich der Triumphzug Heinrichs des Löwen im 3. Buch (S. 66f.). Die Dritte Invention ist die Histori vom Hertzog von Braunschweig vnd Beyern [= Heinrich der Löwe] / wie derselbe auff dem Meer mit seinen Gesellen vnd dem Schiff von Ungewitter in ein Insel getrieben / alda sie vor grossem Hunger einander geschlachtet / vnd den Hertzog als Er durch das Loß das Leben vorspielt / in ein Ochsenhaut genehet vnd auff einen Felsen gelegt / vermeint darinnen zu sterben / Welchen ein Greiff mit sampt der Ochsenhaut seinen Jungen zur Speiß in sein Nest gef)hret / wie Er desselben Jungen mit seinem Weitmesser vmbringet / deren St)ck alhie zum Triumpff auff die Bahn getragen werden. Item wie sie einen todten Greiffen hernach trecken / vnd wie die Patrini des Hertzogs Schilt vnd Helm vor ihm herf)hren / vnd Er der Hertzog / auff einem TriumpffWagen mit zwey R dern vnd drey Pferden hernach fehrt. Ist von 26. Personen. der Hertzog rent allein: Georg Engelhard Löhneyß, Della Caualleria (1609/10), Teil 2, S. 395. Vgl. jetzt auch Mara R. Wade, Georg Engelhard Loehneyss’ ,Della Cavalleria‘ als höfische Kunstlehre, in: Hartmut Laufhütte u. a. (Hgg.), Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit, Teil 1, Wiesbaden 2000 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 35), S. 577–589, hier S. 580. Wenig überzeugend scheint mir Wades These, wonach nicht Heinrich Julius, sondern ausschließlich Löhneyß als ,Erfinder‘ des trionfo Heinrichs des Löwen zu gelten habe (ebd., S. 581f.). Zwar mag Löhneyß für die ,Inszenierung‘ des Aufzugs in ihren Details verantwortlich gewesen sein, die Idee aber, Heinrich den Löwen und die ihn umgebende Sage im Rahmen eines solchen Aufzuges zu präsentieren, kann wohl von niemand anderem als Heinrich Julius selbst stammen. Eine Beteiligung des Welfenprinzen an der konkreten Umsetzung dieses Planes, an der ,Produktion‘ des Aufzuges, ist ebensowenig auszuschließen.

Abb. 17: Georg Engelhard Löhneyß, Della Caualleria (1609/10), Teil 2, S. 396f. (D-W, 1 Bell. 2º). Triumphzug Heinrichs des Löwen (zweite Reihe/Invention von oben)

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134 Die „Theatralisierung des kulturellen Gedächtnisses“ der welfischen Dynastie gelangt dann vollends zur Geltung in der Hannoveraner Festoper Henrico Leone. Durch die Repräsentation Heinrichs des Löwen und seiner sagenhaften Erlebnisse auf der Opernbühne des Leineschlosses erfährt die welfische Memorialkultur eine neue Dimension, sie wird im noch jungen Medium der Oper,230 wie zuvor bereits ansatzweise im trionfo, zur ,performativen‘ Memoria.231 Dies betrifft jedenfalls die Bühnenrealisierung des musikalischen Dramas: „Die Aufführung wird zum funktionalen Erinnerungsort, an dem das Totengedenken in jeder Aufführung in die (Rollen-)Körper zurückkehrt“.232 Im Henrico Leone wird Memoria auf der Bühne explizit evoziert im Rahmen eines emblematischen Tableaus,233 wenn nämlich Henrico den Zuschauern nach seinem Sieg über die jungen Greifen die erbeutete, für seine Befreiung hilfreiche Greifenklaue als Trophäe entgegenstreckt (I, 16), während die Bühnenanweisung234 sowie die nicht vertonten Verse von Henricos Arie „Quest unghia predatrice“ den besonderen Status dieses Erinnerungszeichens, das nun im Braunschweiger Dom aufbewahrt werde, herausstreichen: Quest unghia predatrice, | Che mi disprigionò | Come liberatrice | Sempre riguarderò. | [E serberassi à la uentura etate | Tra le care memorie, et honorate.]235 Eine gewisse Nähe dieser Opernszene zum Wolfenbütteler trionfo von 1585 ist durchaus zu konstatieren. Die Präsenz der sagenumwobenen ,Reliquie‘, der dem Braunschweiger Kirchenschatz einverleibten Tierklaue, aktiviert und konkretisiert Erinnerung, durch sie wird Memoria rückgebunden an das Hier und Jetzt der zeitgenössischen Opernbesucher und – nicht zuletzt – Leser des Henrico Leone. Denn daß der Henrico Leone auch und gerade als Text Erinnerungs-

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Zum Medienbegriff im Rahmen kultureller Erinnerung vgl. Astrid Erll, Medium des kollektiven Gedächtnisses: Ein (erinnerungs-)kulturwissenschaftlicher Kompaktbegriff, in: dies. u. Ansgar Nünning (Hgg.), Medien des kollektiven Gedächtnisses. Konstruktivität – Historizität – Kulturspezifität, Berlin u. New York 2004, S. 3–22. Generell zum Theater als Medium des kulturellen Gedächtnisses vgl. etwa Janine Hauthal, From Ghosts in Performance to the Ghostliness of Performance – Theater als Erinnerungsort und Gedächtnismedium, in: Astrid Erll, Marion Gymnich u. Ansgar Nünning (Hgg.), Literatur – Erinnerung – Identität. Theoriekonzeptionen und Fallstudien, Trier 2003, S. 273–290. Zum Verhältnis von Oper und Gedächtnis(kunst) (vornehmlich aus mnemotechnischer Perspektive) Bernhard Jahn, Vergeßliche Helden und die Stiftung von Gedächtnis. Probleme der Memoria im synästhetischen Verbund der Künste in der Oper (1640–1740), in: Dietmar Peil, Michael Schilling u. Peter Strohschneider (Hgg.), Erkennen und Erinnern in Kunst und Literatur. Kolloquium Reisensburg, 4.–7. Januar 1996, Tübingen 1998, S. 383–418. Janine Hauthal, From Ghosts in Performance to the Ghostliness of Performance, S. 275. Vgl. dazu Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, S. 205–231. Mostrando la Grifa che si conserua ancora nel Duomo di Bronsuich Tra le antiche memorie, e reliquie, e che per altro ancora merita d’esser celebrata (Er [Henrico] präsentiert die Greifenklaue, die man noch heute im Dom zu Braunschweig bei den alten Memorialzeugnissen und Reliquien aufbewahrt und die noch immer verdient, verehrt zu werden). (Diese räuberische Klaue, die mich aus meinem Gefängnis befreite, will ich immer als Retterin ansehen. [Für die kommenden Zeiten werde sie bewahrt bei den wertvollen und ehrwürdigen Erinnerungszeichen.])

135 medium sein will und ist, sich hier somit einerseits eine temporäre (weil an die konkrete Aufführungssituation gebundene) ,performative‘ und andererseits eine eher archivierende, aufgrund der Materialität des gedruckten Librettos fortwährend rezipierbare ,textuelle‘ Memoria als zwei differente Formen der Medialität kultureller Erinnerung begegnen,236 belegen insbesondere die Paratexte, vorweg das panegyrische Vorwort (Elogio d’Henrico Leone) und der merkwürdig zwischen dem Status eines Para- und eines Haupttextes changierende Gantz kurtze Bericht und Inhalt der Historie Von Hertzog Henrich dem L wen. Das Vorwort etwa exponiert den Erinnerungsdiskurs mit der Bemerkung, das neue Hannoveraner Opernhaus sei glücklich, seine Pforten zu öffnen, um der Memoria eines so berühmten Fürsten die Ehre zu erweisen. Wenig später wird betont, daß der Lauf von fünf Jahrhunderten der Erinnerung an Heinrich den Löwen, seiner Fama, nichts habe anhaben können: Zwar habe das Unglück Heinrichs Macht, nicht aber seinen Ruhm vermindert; weder das Ehrwürdige noch das Bittere, das mit Heinrichs Andenken verbunden sei, sei dem Vergessen der Nachkommen anheimgefallen.237 Wenn der Gantz kurtze Bericht schließlich seine Historische Erzehlung von Hertzog Henrich dem L wen mit den Worten ankündigt: von dem [= Henrich] ein gebohrner Braunschweicher mit h chster Vergn)gung etwas h ret oder lieset, so ist damit ebenso der enge Konnex zwischen kollektiver Erinnerung und Identität umrissen wie „die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Literatur, Selbstbilder und Vergangenheitsversionen sowie Erinnerungs- und Identitätskonzepte ihres kulturellen Kontextes durch ästhetische Formen zu inszenieren“.238 Letzeres gilt freilich gleichermaßen für rein ,textuelle‘ wie ,performative‘ Formen von – im weitesten Sinne – literarischer Memoria. Die durch gemeinsames Gedächtnis etablierte kollektive Identität ist dabei kaum frei von politischen oder ideologischen Implikaten, sie braucht, um „Einheit im Innern“ herstellen zu können, „Distinktion nach außen“.239 Dies läßt sich generell an den Zeugnissen welfischer Memoria erweisen, die welfische (Landes-)Herrschaft unter

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Dabei ist anzumerken, daß beide Formen im Hinblick auf ihre je spezifischen Funktionen betrachtet werden müssen und mithin gleichrangig nebeneinander stehen, ja einander ergänzen: Während die ,performative‘ Memoria auf Präsenz, auf die Unmittelbarkeit des theatralen Geschehens und die von der sinnlichen Wahrnehmung ausgehende Wirkung setzt, ist für die ,textuelle‘ Memoria vor allem die dauerhafte Konservierung bzw. Tradierung des zu Erinnernden und die durch Verstehensprozesse jederzeit mögliche Aufrufbarkeit der gespeicherten kulturellen Sinnhorizonte von Bedeutung. Zur Polarität von ,Präsenz‘ und ,Verstehen‘ bzw. ,Hermeneutik‘ vgl. jetzt Hans Ulrich Gumbrecht, Diesseits der Hermeneutik. Die Produktion von Präsenz, Frankfurt a. M. 2004. le disgrazie se sminuirono la potenza, non estinsero la Gloria d’Henrico, el giro di cinque secoli non ha fatto scordar à Posteri ciò ch’entra nella sua memoria d’honorato, e d’acerbo. Astrid Erll, Marion Gymnich und Ansgar Nünning, Einleitung: Literatur als Medium der Repräsentation und Konstruktion von Erinnerung und Identität, in: dies. (Hgg.), Literatur – Erinnerung – Identität, S. III–IX, hier S. V. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 152.

136 historisch wechselnden Perspektiven reflektieren, für den Henrico Leone gilt das, wie oben zu sehen war, in besonderer Weise. Die Identität der welfischen Dynastie, wie sie sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts darstellt, ist geprägt von einem grundlegenden Wandel. Wie Bernd Schneidmüller gezeigt hat, sind die Hannoveraner Welfen im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert darum bemüht, die seit dem Sturz Heinrichs des Löwen und dann vollends mit der Fundierung des Herzogtums BraunschweigLüneburg durch den Stauferkaiser Friedrich II. erfolgte, Jahrhunderte währende Beschränkung ihres Geschlechtes auf den (nieder)sächsischen Raum, die mittelalterliche „Reduktion“ der Dynastie, zu überwinden „durch den gewollten Aufbruch [...] nach Europa“.240 Der wohl am nachhaltigsten von Herzog Ernst August betriebene Versuch der Etablierung des Fürstenhauses als Dynastie von „europäischer Geltung“,241 deren erste Stufe mit der Verleihung der neunten Kurwürde, ihre endgültige Realisierung dann mit der englischen Sukzession im Jahre 1714 erreicht wurde, dienten verschiendenste repräsentative Maßnahmen und politische Aktionen: etwa Leibniz’ historiographische Forschungen, die u. a. die alten dynastischen Beziehungen zwischen den Welfen und den Este bewiesen, oder das Engagement Ernst Augusts und seiner Söhne in den Reichskriegen gegen Frankreich und vornehmlich gegen die Osmanen in Ungarn und Griechenland. Dabei suchte man vor allem die Erinnerung an Heinrich den Löwen zu instrumentalisieren, „den Gemahl einer englischen Königstochter und weltläufigen Herzog“,242 dessen einstige, verlorengegangene reichspolitische Position ebenso wie sein in europäische Dimensionen ausgreifendes Wirkungsfeld nun unter Herzog Ernst August für die Welfendynastie wieder zum Greifen nahe schien. Insofern manifestiert sich in der Oper Henrico Leone das neue welfische Selbstbewußtsein, das mit der Rückkehr zu den alten dynastischen Wurzeln des 12. Jahrhunderts „statt territorialisierter Engführung“ „europäische Weite“ propagierte.243 Diesen Anspruch, dieses dynastische Programm der Nachfolge Heinrichs des Löwen und damit ,Europäisierung‘ deutet neben der Bühnenhandlung selbst u. a. das italienische Vorwort an, wenn es mit der Fama Heinrichs des Löwen zugleich die Perspektive seiner erlauchten Nachkommen verbindet, di che far nell’ Europa considerabil figura, e di chè imitar felicemte, il zelo d’Henrico à danno degl’ Infedeli.244 Henrico Leone ist die einzige ,dynastische Mittelalteroper‘ geblieben, die in der relativ kurzen, wenngleich intensiven Blütezeit der Hannoveraner Oper zur Aufführung gelangte. Sehr bald aber wurde das Werk übernommen von den benachbarten großen Bühnen in Hamburg (1696) und Braunschweig-Wolfenbüttel, wobei es am letztgenannten Spielort zunächst 1697 und 1699 in der (adaptierten) Hamburger Fassung erschien (deutsche Übersetzung des Librettos

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Bernd Schneidmüller, Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch, S. 90. Ebd., S. 89. Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 291. Ebd. ([...] in Europa eine beachtliche Figur zu machen und Heinrichs Glaubenseifer zum Schaden der Ungläubigen glücklich nachzustreben.)

137 von Gottlieb Fiedler zu Steffanis Musik), bevor rund 20 Jahre später, 1716, durch den Braunschweig-Wolfenbütteler Kapellmeister Georg Caspar Schürmann eine Neubearbeitung im Kontext einer Festaufführung erfolgte. Dieser Bearbeitung des Henrico Leone, jetzt unter dem Titel Henrich der L we, kommt insofern die Rolle eines ,Prototyps‘ zu, als sie wirkungsgeschichtlich als Ausgangspunkt und Paradigma für eine Reihe von auf das Welfenhaus bezogenen ,dynastischen Mittelalteropern‘ anzusehen ist, die in den darauffolgenden Jahren unter der Ägide der Herzöge August Wilhelm und Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel – nun unter gänzlich anderen politischen Vorzeichen und Strategien – produziert wurden (s. Kap. 2.2.2).

2.2

Braunschweig-Wolfenbüttel

2.2.1 Die ,Mittelalteroper‘ zur Zeit Herzog Anton Ulrichs (1685–1714) Anders als sein Hannoveraner Vetter und Rivale Ernst August ließ Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel das von ihm begründete Braunschweiger Hagenmarkt-Theater nicht mit einer ,mittelalterlich-dynastischen Oper‘ eröffnen, sondern entschied sich für ein ,klassisches‘ Sujet, einen Stoff aus der römischen Historie: Der Spielbetrieb wurde am 4. Februar 1690 mit der Premiere von Friedrich Christian Bressands Cleopatra aufgenommen – die Musik hatte der gerade engagierte Kapellmeister Johann Sigismund Kusser komponiert, für Bühnenbild und Maschinerie zeichnete Johann Oswald Harms verantwortlich.245 Das Werk war indes nicht nur festlich-repräsentativer Auftakt, es lieferte zugleich eine Replik auf die derzeitigen politischen Pläne und machtstrategischen Bestrebungen der Braunschweig-Lüneburger Welfenlinie, allen voran Herzog Ernst Augusts von Hannover.246 Im Prolog, der inhaltlich unverbunden ist mit dem nachfolgenden Drama, erscheint die allegorische Figur der Einigkeit vor dem Prospekt der Stadt Braunschweig, auf einem R genbogen sitzend, um die Eintracht des welfischen Gesamthauses zu beschwören, d. h. der drei Fürstentümer Calenberg-Göttingen, Lüneburg-Celle und BraunschweigWolfenbüttel.247 Nur das gemeinsame, einvernehmliche Handeln der drei

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Vgl. Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 95ff.; Sara Smart, Doppelte Freude der Musen, S. 238. Vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 24ff. Das Libretto zur Cleopatra-Aufführung von 1690 ist nicht erhalten. Zitiert wird hier wie im folgenden nach dem Textbuch (unpaginiert) der Wiederaufnahme anläßlich der Vermählung des Prinzen Ludwig Rudolf mit Christine Luise von Oettingen im Jahre 1691: CLEOPATRA. Sing-Spiel / Auf dem grossen Braunschweigischen Schauplatze vorzustellen / im Jahr 1691. Dem Durchleuchtigen Prinzen / Herrn Ludwig Rudolfen / Hertzogen zu Braunschweig und L(neburg; wie auch der gleichfalls Durchleuchtigen Prinzeßin / Frauen Christinen Louisen / Verm hlter Hertzogin zu Braunschw. L(neb. gebohrner F(rstin zu Oettingen / unterth nigst gewidmet von Friderich Christian Bressand (D-W, Textb. 397).

137 von Gottlieb Fiedler zu Steffanis Musik), bevor rund 20 Jahre später, 1716, durch den Braunschweig-Wolfenbütteler Kapellmeister Georg Caspar Schürmann eine Neubearbeitung im Kontext einer Festaufführung erfolgte. Dieser Bearbeitung des Henrico Leone, jetzt unter dem Titel Henrich der L we, kommt insofern die Rolle eines ,Prototyps‘ zu, als sie wirkungsgeschichtlich als Ausgangspunkt und Paradigma für eine Reihe von auf das Welfenhaus bezogenen ,dynastischen Mittelalteropern‘ anzusehen ist, die in den darauffolgenden Jahren unter der Ägide der Herzöge August Wilhelm und Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel – nun unter gänzlich anderen politischen Vorzeichen und Strategien – produziert wurden (s. Kap. 2.2.2).

2.2

Braunschweig-Wolfenbüttel

2.2.1 Die ,Mittelalteroper‘ zur Zeit Herzog Anton Ulrichs (1685–1714) Anders als sein Hannoveraner Vetter und Rivale Ernst August ließ Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel das von ihm begründete Braunschweiger Hagenmarkt-Theater nicht mit einer ,mittelalterlich-dynastischen Oper‘ eröffnen, sondern entschied sich für ein ,klassisches‘ Sujet, einen Stoff aus der römischen Historie: Der Spielbetrieb wurde am 4. Februar 1690 mit der Premiere von Friedrich Christian Bressands Cleopatra aufgenommen – die Musik hatte der gerade engagierte Kapellmeister Johann Sigismund Kusser komponiert, für Bühnenbild und Maschinerie zeichnete Johann Oswald Harms verantwortlich.245 Das Werk war indes nicht nur festlich-repräsentativer Auftakt, es lieferte zugleich eine Replik auf die derzeitigen politischen Pläne und machtstrategischen Bestrebungen der Braunschweig-Lüneburger Welfenlinie, allen voran Herzog Ernst Augusts von Hannover.246 Im Prolog, der inhaltlich unverbunden ist mit dem nachfolgenden Drama, erscheint die allegorische Figur der Einigkeit vor dem Prospekt der Stadt Braunschweig, auf einem R genbogen sitzend, um die Eintracht des welfischen Gesamthauses zu beschwören, d. h. der drei Fürstentümer Calenberg-Göttingen, Lüneburg-Celle und BraunschweigWolfenbüttel.247 Nur das gemeinsame, einvernehmliche Handeln der drei

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Vgl. Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 95ff.; Sara Smart, Doppelte Freude der Musen, S. 238. Vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 24ff. Das Libretto zur Cleopatra-Aufführung von 1690 ist nicht erhalten. Zitiert wird hier wie im folgenden nach dem Textbuch (unpaginiert) der Wiederaufnahme anläßlich der Vermählung des Prinzen Ludwig Rudolf mit Christine Luise von Oettingen im Jahre 1691: CLEOPATRA. Sing-Spiel / Auf dem grossen Braunschweigischen Schauplatze vorzustellen / im Jahr 1691. Dem Durchleuchtigen Prinzen / Herrn Ludwig Rudolfen / Hertzogen zu Braunschweig und L(neburg; wie auch der gleichfalls Durchleuchtigen Prinzeßin / Frauen Christinen Louisen / Verm hlter Hertzogin zu Braunschw. L(neb. gebohrner F(rstin zu Oettingen / unterth nigst gewidmet von Friderich Christian Bressand (D-W, Textb. 397).

138 Staaten sichere den welfischen Landen Frieden, Glück und Wohlstand: Dis danke mir [= Einigkeit] / du hoch beseeligts Land / | die ich durch mein liebreiches Band | schon von geraumer Zeit / | die Helden / welche dich regiren / | in unverr)ckter Einigkeit | den Zepter lasse f)hren. Auf drei Maschinen, die die Veduten der jeweiligen Residenzen Hannover, Celle und Wolfenbüttel zeigen, werden die Schutzgöttinnen der drei Fürstentümer auf die Bühne herabgelassen, um sich vom Wohlergehen ihrer Lande zu überzeugen und eine Entrée zu danzen. Die Szenerie ändert sich und präsentiert abschließend die Braunschweiger Messe mit vielen Kauf-Laden und Kram-Buden – ein für die Opernbühne der Zeit überaus modern anmutendes „folkloristisches Lokalbild“248 –, wo ein Chor der Händler und Messegäste den welfischen Regenten huldigt und Dank ausspricht für Schutz und Frieden als Voraussetzungen ökonomischer Prosperität. Abgesehen von der Stilisierung Braunschweigs als bedeutendes welfisches Handelszentrum und Messestandort (seit 1681) und der damit auch verbundenen Reverenz vor den im Publikum anwesenden Bürgern der Stadt und auswärtigen Messegästen, zielt der Cleopatra-Prolog unverkennbar auf die aktuelle politische Lage: Vor den angereisten Herzögen aus Hannover und Celle, Ernst August und Georg Wilhelm, wird ein Appell zu Eintracht und Gemeinschaftlichkeit innerhalb des welfischen Gesamthauses inszeniert, der letzten Endes gegen die machtpolitischen Ambitionen Ernst Augusts, insbesondere gegen den von ihm mit Nachdruck betriebenen Erwerb der Kurwürde allein für die Braunschweig-Lüneburger Linie gerichtet ist und damit zugleich den Anspruch Wolfenbüttels auf Gleichrangigkeit demonstriert.249 Insgesamt ist die Frühphase der institutionalisierten Braunschweiger Oper – mit den Hoftheatern in Wolfenbüttel und Salzdahlum einerseits und dem

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Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 97. Erst Ende Januar 1690 war ein erster konkreter Versuch des Hannoveraner Herzogs, den Kaiser und die Kurfürsten auf dem Augsburger Kurfürstentag für eine neunte, Hannoveraner Kur einzunehmen, ohne nennenswerten Erfolg geblieben, der „kaiserliche Bescheid vom 22. Januar 1690 war [...] ausweichend“ (Clemens Schwarte, Die neunte Kur und Braunschweig-Wolfenbüttel, Münster 1905, S. 7; vgl. auch Georg Schnath, Geschichte Hannovers, Bd. 1, S. 503f.). – Zu Anton Ulrichs jahrelangem, mit allen politischen, diplomatischen und auch militärischen Mitteln geführten Kampf gegen die Hannoveraner Kurwürde und – damit aufs engste verbunden – gegen die gefürchtete Vorrangstellung der Braunschweig-Lüneburger vor der Wolfenbütteler Linie vgl. Clemens Schwarte, Die neunte Kur und Braunschweig-Wolfenbüttel; s. dazu auch o. S. 52 Anm. 202. Am 26. März 1692, kurz nach der Verleihung der Kurwürde an Hannover durch Kaiser Leopold I., erklärten die Wolfenbütteler Herzöge Rudolf August und Anton Ulrich: Wir hingegen, dem numehrigen ansehen nach, sowoll durch die etablirende künftige zusammenziehung aller Zell- und Hannoverischen Lande, als auch durch der, zweifelsohn mit Unßer exclussion gesuchten Electorat, unß und unßerer Posterität in einen solchen Standt reduziren lassen sollen, wobey wir unß des genußes der alten rechte Unseres Hauses und mithin der effectuum dignitatis et Senii nicht gesichert finden, sondern im gegentheill darob alle die ungelegenheiten und bedrückungen, so die praepotenz eines mächtigen Nachbarn mit sich zu führen pfleget, zu befürchten haben müßen, gestalt wir dann, daß wir einiges gutgemeinte absehn für Unß und Unßere Posterität hierbey geführet werde, um so weniger vermuhten können (zit. nach Schwarte, S. 14 Anm. 1).

139 Hagenmarkt-Theater andererseits – gekennzeichnet durch ein deutliches Übergewicht an antiken Stoffen, und zwar zunächst mythologischen und dann zunehmend auch historischen Sujets. Von den bei Renate Brockpähler aufgelisteten 83 Opern und opernähnlichen Stücken, die von den Anfängen einer kontinuierlichen Opernpflege in Braunschweig-Wolfenbüttel250 bis zum Ende der Regentschaft des Herzogs Anton Ulrich († 1714) aufgeführt wurden,251 lassen sich jeweils drei den Kategorien Allegorie und biblische Geschichte zuordnen, sieben greifen auf pastorale Sujets zurück, 38 auf mythologische (inkl. der mythologisch-pastoralen Mischformen), während 19 Bühnenwerke Episoden der antiken, hellenischen wie römischen Historie verarbeiten. Insofern kann die Cleopatra von 1690 wohl als repräsentativ für das BraunschweigWolfenbütteler Repertoire des ausgehenden 17. Jahrhunderts gelten. Lediglich acht bzw. neun Opern oder Singspiele evozieren den Kreis der ,mittelalterlichen‘ Sujets: La Libussa (1692), Pharamond (1699) und Fredegonda (1712) vertreten die ,Zeit der Völkerwanderung‘, Almira (1703) das ,mittelalterliche Spanien‘ und Leonilde oder Die siegende Best ndigkeit (1704?) die ,Vorzeit der nordischen Länder‘. Hertzog Henrich der L we (1697) sowie Ottone (1697) gehören als ,dynastische Mittelalteropern‘ dem Bereich ,zentraleuropäisches Mittelalter‘ an, während Orlando generoso (1698) – vielleicht schon 1697 in deutscher Übersetzung aufgeführt als Roland 252 – die ,Epos-Opern‘ repräsentiert. Mit Ausnahme von La Libussa sind alle genannten Werke offensichtlich keine ,Originalproduktionen‘ für Braunschweig oder Wolfenbüttel, sondern können, was den Stoff bzw. das Libretto und z. T. auch dessen Vertonung anbelangt, als Übernahmen aus anderen Opernzentren identifiziert werden: Während Pharamond, Fredegonda, Almira, Leonilde und Ottone auf venezianischen Vorlagen basieren,253 waren Hertzog Henrich der L we und Orlando generoso ursprünglich für den Hannoveraner Hof produziert worden.254

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Eine kontinuierliche Folge von Opernaufführungen setzt in etwa ein mit: DER BEST NDIGE ORPHEUS. Bey Getroffenem Hoch-f(rstl. Braunschw. L(neb. Eheverb(ndniß mit dem Hoch-Gr fl. Schwartzburgischem Hause In einem Singe-Spiel Vorgestellet Auf dem LustHause Saltzthalem Im Jahr 1684 (D-W, Textb. 386). Ein regulärer Spielbetrieb wird dann insbesondere mit der (Neu-)Errichtung der beiden Opernhäuser in Wolfenbüttel (1688) und Braunschweig (1690) installiert. Vgl. Renate Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper, S. 88–92. Vgl. Gustav Friedrich Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters, S. 7. Und zwar entsprechend der obigen Reihenfolge: FARAMONDO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo l’anno 1699. Dedicato all’altezza serenissima di Ferdinando Terzo gran principe di Toscana (Titelaufnahme nach Claudio Sartori, I libretti italiani a stampa, Nr. 9715); LA FREDEGONDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron in S. Casciano l’anno 1705. Dedicata a sua eccellenza il signor marchese D. Lorenzo Verzuso Beretti Landi ambasciadore di sua maestà cattolica al corpo elvetico. Poesia di Francesco Silvani servidore del serensissimo sig. duca di Mantova (D-W [!], Textb. Sammelbd 15 [9]); L’ALMIRA. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Giovanni e Paolo l’anno 1691. Consagrata all’altezza […] del […] principe Luigi d’Este (Titelaufnahme nach Sartori, Nr. 943); LA COSTANZA IN TRIONFO. Drama per musica di Francesco Silvani da rappresentarsi nel Teatro di

140 Die deutliche Dominanz antiker, insbesondere mythologischer Sujets im Repertoire der Braunschweig-Wolfenbütteler Oper während der Regentschaft Anton Ulrichs mag nicht zuletzt in Zusammenhang zu bringen sein mit den literarischen Ambitionen und den damit verbundenen thematischen Präferenzen des Dichterfürsten. Immerhin griff Anton Ulrich für vier der von ihm verfaßten oder ihm zugeschriebenen neun Singspiele255 auf den antiken Mythos zurück, eines, Regier-Kunst-Schatten, präsentiert Episoden und exemplarische Herrschergestalten der antiken Historie.256 Lediglich das Schauspiel Die verst rte Irmenseul behandelt als einzige seiner Bühnendichtungen ein ,mittelalterlich‘religiöses Sujet, und zwar die Bekehrung Widukinds und der Sachsen zum Christentum durch Karl den Großen;257 hier greifen christlich-religiöse und historisch-dynastische Aspekte ineinander, wenn „die Hinwendung Widukinds“ – des legendären Sachsenführers und mutmaßlichen Stammvaters der

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S. Angelo. Consacrato all’illustriss.mo et eccellentissimo sig. Francesco Antonio conte di Berka [1696] (D-W [!], Textb. 475); OTTONE. Tragedia Per Musica Fatta Da rappresentarsi nel Teatro di S. Gio. Grisostomo. L’Anno M.DC.XCIV. Dedicata A Sva Altezza Serenissima Elettorale Ernesto Avgvsto Duca di Bronsuich, e Lunebourg &c. Elettore del S.R.I. (IVnm, Dramm. 974.1). S. Kap. 2.1. Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Werke: Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und in Verbindung mit Hans-Henrik Krummacher hg. v. Rolf Tarot, Bd. I u. II: Bühnendichtungen. Unter Mitwirkung von Maria Munding und Julie Meyer hg. u. eingel. v. Blake Lee Spahr, Stuttgart 1982–1985 (BLVS 303/304, 309/310). Die übrigen Singspiele präsentieren jeweils zwei geistlich-allegorische und biblische Sujets. Zu Anton Ulrich und seiner literarischen Produktion vgl. Rand Henson, Duke Anton Ulrich of Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1633–1714) and the Politics of Baroque Musical Theatre, Diss. masch. Berkeley 1980; Etienne Mazingue, Anton Ulrich, Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel (1633–1714). Un prince romancier au XVIIème siècle, 2 Bde, Lille 1974; ders., Anton Ulrich und das Theater; Sara Smart, Doppelte Freude der Musen. Zur Irmenseul und ihrer Vorlage, Nicolas Caussins Erzählung L’impiété domptée sous les fleurs de lys, s. Jean-Marie Valentin, Saxonia conversa. Les avatars d’un thème politicolittéraire au XVIIème siècle en Europe: Caussin, Avancini, Anton Ulrich, in: ders. (Hg.), ,Monarchus Poeta‘. Studien zum Leben und Werk Anton Ulrichs von BraunschweigLüneburg. Akten des Anton-Ulrich-Symposions in Nancy (2.–3. Dezember 1983), Amsterdam 1985 (Chloe. Beihefte zum Daphnis 4), S. 181–286, u. ders., Anton Ulrichs ,Verstörte Irmenseul‘ und Caussins ,Impiété domptée‘, ebd. S. 287–302. – Anton Ulrichs Die verst rte Irmenseul wurde wohl im Jahre 1716 am Blankenburger Hof anläßlich der Rückkehr des Herzogspaares in einer zweiten, um Rezitative und Arien erweiterten Fassung aufgeführt : DIE VERSTRTE IRMENSEUL / ODER DAS BEKEHRTE SACHSEN-LAND / Bey Hchst-erfreulicher Wiederkunfft Des Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Hrn. Ludewig Rudolphs Hertzogen zu Braunschw. und L(neb. Und Dero Durchlauchtigsten Frau Gemahlin / Fr. Christinen Louisen Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / Gebohrner F(rstin zu Oettingen / In dero Residence Blanckenburg / Aus devotester Freuden-Bezeigung Auff dem Blanckenburgischen Theatro unterth nigst vorgestellet / von hiesiger Schul-Jugend (D-W, Textb. Sammelbd 8 [5]); vgl. dazu Blake Lee Spahr, Einleitung, in: Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Werke, Bd. I,1, S. IX–XLV, hier S. XII Anm. 9.

141 welfischen Dynastie in weiblicher Linie258 – „und seiner Landsleute zum Christentum [...] ausdrücklich als ein Triumph auch der wahren Sachsen gedeutet“ wird.259 Anton Ulrichs Vorliebe für ,klassisch‘-antike Sujets, aus Mythos wie Historie, die sich nicht nur in den Bühnendichtungen, sondern etwa auch in seinem zweiten großen höfisch-historischen Roman Octavia: Römische Geschichte niedergeschlagen hat, zeigt letztlich den Einfluß der französischen Adels- und Hofkultur und ihrer programmatischen Antike-Rezeption, wie er sie als junger Prinz während seiner Kavalierstour in Paris (September 1655 – März 1656) kennengelernt hatte.260 Die hier gewonnen künstlerischen und kulturellen Anregungen und Eindrücke prägten nicht nur sein eigenes literarisches Schaffen,261 sondern beeinflußten auch maßgeblich seine Vorstellungen vom Erscheinungsbild der Wolfenbütteler Hofkultur und ihres Fürsten und damit indirekt die Opernpolitik, die er als gleichberechtigter Regent an der Seite seines älteren Bruders Rudolf August seit 1685 uneingeschränkt umsetzen konnte. Umso bemerkenswerter scheint es daher, wenn allein in den beiden Jahren 1697 und 1698 eine verstärkte Rezeption ,mittelalterlicher‘ Sujets zu konstatieren ist: Zur Sommer- oder Laurentiusmesse 1697 (um den 10. August) wurden auf der Bühne des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters Hertzog Henrich der L we, Ottone und vielleicht auch Roland inszeniert, und vermutlich erschien letzteres Werk in der ursprünglichen italienischen Version zur

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Vgl. dazu etwa Philipp Julius Rehtmeyer, Braunschweig-L(neburgische Chronica, Oder: Historische Beschreibung der Durchlauchtigsten Herzogen zu Braunschweig und L(neburg [...], 3 Bde, Braunschweig 1722, Bd. 1, S. 40. – Zur Bedeutung Widukinds als legendären Spitzenahns in der Genealogie der Welfen sowie zahlreicher anderer europäischer Dynastien der Frühen Neuzeit s. Nora Gädeke, Hausgeschichte – Reichsgeschichte – Landesgeschichte in den ,Annales Imperii‘: die Behandlung des ,Sachsenherzogs‘ Widukind, in: Herbert Breger u. Friedrich Niewöhner (Hgg.), Leibniz und Niedersachsen, S. 104–125, hier insbesondere S. 112f. Jean-Marie Valentin, Anton Ulrichs ,Verstörte Irmenseul‘ und Caussins ,Impiété domptée‘, S. 299f. : „Karls Sieg ist nicht Widukinds und des sächsischen Volkes Niederlage, wohl aber die der Irmenseul, so daß die Bekehrung zum Kreuz eine grundlegende Verwandlung darstellt, zugleich aber auch – und in engster Verbindung damit – eine Rückkehr zu den ursrpünglichen und verlorenen Traditionen der Sachsen einschließt. Indem sie zu Christen wurden, fanden die Sachsen zu sich selbst. Kaiser Karls Triumph zieht deshalb keine Bevormundung nach sich, sondern eine auf gegenseitigem Vertrauen und gemeinsamem Glauben fußende Gleichberechtigung“ (S. 300). Vgl. Gerhard Gerkens, Das fürstliche Lustschloß Salzdahlum und sein Erbauer Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, Braunschweig 1974 (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte 22), S. 20–32; Etienne Mazingue, Anton Ulrich, Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel, Bd. 1, S. 63–74; Jean-Marie Valentin, Anton Ulrichs ,Verstörte Irmenseul‘ und Caussins ,Impiété domptée‘, S. 287f. Zur Abhängigkeit insbesondere der Ballettdichtungen Anton Ulrichs von französischen Vorbildern (,Ballet de Cour‘) vgl. Pierre Béhar, Anton Ulrichs Ballette und Singspiele. Zum Problem ihrer Form und ihrer Bedeutung in der Geschichte der deutschen Barockdramatik, in: Jörg Jochen Berns (Hg.), Höfische Festkultur in Braunschweig-Wolfenbüttel, S. 159–176.

142 Wintermesse 1698 (um Mariä Lichtmeß) als Orlando generoso.262 Auffällig ist, daß alle drei Werke originär mit dem Hannoveraner Hof Herzog Ernst Augusts verbunden sind: Während Hertzog Henrich der L we eine Adaptation des Librettos des Hannoveraner Henrico Leone (1689) in deutscher Sprache darstellt, ebenso der Roland in Bezug auf Steffanis Orlando generoso (1691), können möglicherweise Orlando generoso, sicher aber Ottone als weitgehend unveränderte Übernahmen des entsprechenden Hannoveraner bzw. Venezianer Bühnenwerkes gelten.263 Der Bezug zum Hannoveraner Hof ergibt sich bei Ottone dabei durch die Widmung des Textbuchs der Venezianer Uraufführung im Jahre 1694 an Herzog Ernst August.264 Es mag kaum Zufall sein, daß die drei ,Mittelalteropern‘ mit ihren jeweiligen, zuallererst für die Braunschweig-Lüneburger Welfenlinie bedeutsamen politisch-dynastischen Implikationen in so kurzer zeitlicher Folge in Braunschweig-Wolfenbüttel aufgeführt worden sind. Hertzog Henrich der L we war zunächst 1696 an der Hamburger Gänsemarkt-Oper inszeniert worden.265 Für das Hamburger Publikum mögen freilich nicht die politisch-dynastischen Implikationen der Oper von entscheidender Bedeutung gewesen sein; im Zentrum des Interesses standen hier wohl vielmehr der – breiteren Bevölkerungskreisen insbesondere des norddeutschen Raumes durchaus vertraute – Sagenstoff und die ihm integrierten wunderbaren Elemente, deren auf szenische Schaueffekte gegründete theatralische Umsetzung ihre Wirkung kaum verfehlen konnte,266 sowie die Lesart der

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HERTZOG HENRICH DER LWE / In einem Sing-Spiel Auf dem Braunschweigischen SchauPlatz vorgestellet [1699] (D-W, Textb. 135); von der früheren Aufführung im Jahr 1697 ist kein Libretto erhalten (Aufführungsnachricht bei Johann Christoph Gottsched, Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dichtkunst, Erster und zweiter Teil, Hildesheim u. New York 1970 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1757–1765], T. 1, S. 265). – OTTONE. Tragedia Per Musica, Da rappresentarsi nel Teatro di Braunsveig, L’Anno M.DC.XCVII. OTTO, Sing-Spiel F(r das Braunschweigische Theatrum. Im Jahr 1697 (D-HVl, Op. 1,59). – Weder zum Braunschweiger Roland noch zum Orlando generoso sind Libretti überliefert. Doch hat sich offenbar von der Aufführung 1698 eine Inhaltsangabe bzw. ein Szenarium in deutscher Sprache erhalten: Kurzer Inhalt aller Auftritte aus der Itali nischen OPERA ORLANDO Oder ROLAND genandt. Im Jahr 1698 (DHVl, Op. 1,62). Zu den Aufführungsdaten vgl. Hugo Riemann, Bibliographie der in Handschriften und Drucken nachweisbaren 18 Bühnenwerke von Agostino Steffani, in: ders. (Hg.), Ausgewählte Werke von Agostino Steffani (1654–1728). Zweiter Teil: Alarico, Leipzig 1911 (Denkmäler der Tonkunst in Bayern 11,2), S. VII–XVI, hier S. X; Gustav Friedrich Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters, S. 7. Während der Dramen-/Operntext des Venezianer und des Braunschweiger Textbuchs des Ottone übereinstimmt, ist ein Nachweis für Orlando generoso nicht zu führen, da weder eine Partitur noch ein Libretto der Braunschweiger Aufführung erhalten ist. Das vorliegende Szenarium (D-HVl, Op. 1,62) läßt indes – zumindest hinsichtlich der Szenensequenz und -inhalte – eine getreuliche Übernahme vermuten. Vgl. dazu o. S. 39f. HERTZOG HENRICH DER LWE / In einem Sing-Spiel Auff dem Hamburgischen SchauPlatz vorgestellet [1696] (D-Hs, 70 in MS 639/3:5). Vgl. etwa die Anmerkungen Barthold Feinds (in den Gedancken von der Opera) zur Inszenierungspraxis der Hamburger Oper: Das Hamburgische Theatrum kan wol die mehreste Repraesentationes zeigen / indem daselbst die Seiten-Scenen 39 mahl k nnen

143 Dramenhandlung als konkretes, aus den Geschicken und Taten der Hauptfigur(en) zu abstrahierendes Exemplum. Im Personenverzeichnis des Hamburger Librettos erscheint der Held denn auch schlichtweg als Hertzog Henrich der L we, ohne Spezifizierung seines Herrschaftsbereichs (Hertzog zu Sachsen und B yern – so das Hannoveraner [1689] und Braunschweiger Libretto [1699]). Im Jahr darauf gelangte Hertzog Henrich der L we dann im Rahmen eines Gastspiels der Hamburger Operntruppe267 nach Braunschweig (und wurde dort zwei Jahre später erneut aufgeführt).268 Die deutsche Übersetzung von

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ver ndert werden / und ich glaube / der )brigen Mittel-Vorstellungen könte man etliche hundert beysammen bringen. Das ist aber ein grosser Fehler / daß allda kein gutes Wasser praesentiret wird / und ein See-Sturm w)rde anitzo sehr einf ltig ausfallen / der doch bey Leb-Zeiten des seligen Herrn Schotts / als Stiffters des Opern-Hauses / in Heinrich der Leu fast surprenant heraus kam (Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 110). Vgl. die briefliche Mitteilung Herzog Anton Ulrichs an seine Schwiegertochter Christine Luise von Oettingen vom 18. Juni 1697: Die operen werden diesmahl recht schön werden, Schott aus Hamburg mit seinen Leuthen werden die präsentieren, als 3 teutsche und eine italienische (zit. nach Etienne Mazingue, Anton Ulrich, Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel, Bd. 1, S. 136f. Anm. 6). Durch Johann Sigismund Kusser gelangte die Hamburger Version 1701 auch am Stuttgarter Hof zur Aufführung. Kusser war nach seiner Tätigkeit als Kapellmeister der Gänsemarkt-Oper (1694–1696/97) bereits 1697/98 mit einer Hamburger Operntruppe nach Stuttgart gekommen und wurde dort 1700 zum Oberkapellmeister ernannt. Da die Stuttgarter Aufführung der ,importierten‘ Hamburger Heinrich-Oper anläßlich der Feier des Geburtstages von Herzogin Johanna Elisabeth und von Prinzessin Eberhardine Ludovica von Württemberg, der Gattin und der Schwester des regierenden Herzogs Eberhard IV. Ludwig, stattfand, wurde dem – unveränderten – Haupttext ein panegyrischer Prolog vorangestellt (mit den mythischen Gottheiten Diana, Phoebus, Venus, Cupido und Pallas als Akteuren). Außerdem wurde der Titel mit Blick auf die fürstlichen Widmungsträgerinnen geändert in Mechtilde, womit zugleich die (verschobene) Rezeptionsperspektive des Stuttgarter Hofes angedeutet wird: Im Zentrum steht nun Heinrichs treue und standhafte Gemahlin als femme forte und Idealbild der tugendhaften Herrscherin/Landesmutter. Die ursprüngliche politisch-dynastische Lesart (der Hannoveraner Urfassung wie der Braunschweiger Version) ist offensichtlich verblaßt: MECHTILDE. Zu Ehren Der Durchleucht. F(rstin und Frauen / Frauen / Johanna Elisabetha. Herzogin zu W(rtemberg und Teck / Gr fin zu Mmpelgart / [...] Gebohrner Marggr fin zu Baaden Durlach / etc. etc. Und dann Der Durchleucht. F(rstin und Princessin / Princessin Eberhardina Ludovica, Herzogin zu W(rtemberg und Teck [...] Als Dero Beyder Hochf(rstl. Geburts-Fest / Den 11. Octobris 1701. auf einen Tag hchst-feyrlich celebrirt wurde (D-Sa, A 21 Bü 635). – Kussers reisende Operntruppe hatte die Hamburger Version wohl bereits 1698 in Augsburg gespielt. Jedenfalls stimmt das überlieferte Augsburger Textbuch vollständig mit der Hamburger Version überein: HERTZOG HENRICH DER LWE / In einem Hoch-Teutschen Singe-Spiel Mit Großg. Erlaubnus Eines Hoch-Edlen Raths Der deß Heiligen Rm. Reichs Freyen Stadt Augspurg aufgef(hret Anno 1698 (D-GRu, Bm 227). Eine Aufführungsnachricht liegt ferner aus Nürnberg vor, wo Kussers Kompanie unmittelbar im Anschluß gastierte (12. Mai 1698; vgl. Markus Paul, Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, Tübingen 2002 [Frühe Neuzeit 69], S. 566f.). – Einen Überblick über die die verschiedenen Adaptationen von Steffanis Henrico Leone dokumentierenden Überlieferungszeugen (Libretti und gegebenenfalls musikalische Quellen) bieten Hugo Riemann, Bibliographie der 18 Bühnenwerke von Agostino Steffani, S. VIII f., und (aktualisierend) Gerhard Croll, Agostino Steffani. Studien zur Biographie. Bibliographie der Opern und Turnierspiele, Habil. masch. Münster 1961, S. 243–247.

144 Mauros Libretto hatte Gottlieb Fiedler besorgt, allerdings differieren die Hamburger und die Braunschweiger Librettoversion an einigen Stellen, so daß Fiedlers Übertragung entweder schon in Hamburg oder aber später in Braunschweig eine Überarbeitung erfahren hat.269 Auf jeden Fall wurde für die Braunschweiger Aufführung die Topographie des Stückes entscheidend geändert: Gegenüber der Hannoveraner Urfassung und auch der Hamburger Librettoversion spielt die Handlung – mit Ausnahme freilich von Heinrichs sagenhaften Erlebnissen im Vorfeld seiner Heimkehr – nun in Braunschweig, aus dem Palazzo Ducale in Luneburgo ist der F)rstliche Pallast zu Braunschweig geworden, aus dem Monte Calcario, dem Kalckberg f)r L)neburg, der Rammelsberg vor Braunschweig.270 Somit wird die von Mauro für den Henrico Leone vorgenommene Verlegung der Residenz Heinrichs des Löwen nach Lüneburg271 rückgängig gemacht und die einseitige Vereinnahmung des Welfenheros durch die Braunschweig-Lüneburger Linie zurückgewiesen: Der große Vorfahr kehrt an seinen angestammten Platz, in die von ihm zum Herrschaftsmittelpunkt auserkorene Stadt Braunschweig zurück, die infolge der Eroberung durch das Gesamthaus 1671 an Wolfenbüttel gefallen war. Mag das dezidierte Ausspielen der Braunschweiger Topographie zu einem gewissen Grad auch als Zugeständnis an den Aufführungsort und seine Bürger wie Gäste interpretiert werden, höher ist doch die damit verbundene, gegen Hannover gerichtete politische Tendenz zu veranschlagen, insofern Herzog Anton Ulrich nach wie vor keinesfalls bereit war, hinter den kurfürstlichen Vetter aus Hannover zurückzutreten. Im März 1702, auf dem Höhepunkt der durch den Rangstreit und die hannoversche Primogeniturordnung ausgelösten Feindseligkeiten zwischen Hannover und Celle auf der einen und Wolfenbüttel auf der anderen Seite, die zunächst zur Absetzung Anton Ulrichs als Mitregent durch Kaiser Leopold I. und dann zur Invasion des mit Ludwig XIV. verbündeten Fürstentums Wolfenbüttel durch hannoversche und cellische Truppen, zur Zerschlagung seiner mit französischen Subsidien aufgestellten Armee und vorübergehenden Exilierung Anton Ulrichs führten, schrieb dieser an seinen

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Chrysander hat dazu bemerkt: „In Hamburg ging Fiedler’s Uebersetzung wahrscheinlich durch [Christian Heinrich] Postels Hand, weil manches anders ausgedrückt ist“ (Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 244). Erwiesen ist dies freilich nicht. Ebensogut wäre denkbar, daß Fiedlers Übersetzung für Braunschweig von ihm selbst oder vom Hofpoeten Bressand adaptiert wurde, wahrscheinlich auf Anregung Anton Ulrichs (dies beträfe dann wohl vor allem die Änderung der Topographie). Im wesentlichen unterscheiden sich die Hamburger und die Braunschweiger Fassung dadurch, daß diese gegenüber jener etwas erweiternd bzw. verbreiternd wirkt oder – andersherum – jene verknappend, d. h. die Rezitative in der Braunschweiger umfassen durchweg mehr Text als in der Hamburger Fassung. Von den Paratexten des Hannoveraner Librettos übernimmt die Braunschweiger Fassung, wie schon das Hamburger Textbuch, nur das deutschsprachige Argomento (Inhalt) und Personenverzeichnis. Mehr oder minder anlaßbezogene Teile der Urfassung wie die Vorrede oder auch der beigegebene Gantz kurtze Bericht werden verständlicherweise nicht berücksichtigt. S. o. S. 99f.

145 Bruder Rudolf August: Ich traue Gott, und habe eine gerechte sache, nun ich schier einen fus im grabe, wil ich kein Poltron werden, und es lassen darauf ankommen und erweisen, das ich so wohl von hertzog Heinrich dem Leuen herstamme, wie meine Vetteren, und das ich ein hertzog zu Braunschweig sterben wil.272 Auch die – womöglich ebenfalls über Hamburg vermittelte273 – Übernahme von Steffanis Orlando generoso nach Braunschweig dürfte eine politische Dimension einbegreifen, insofern die in der Oper angedeutete, gerade erst von Leibniz erwiesene genealogische Verbindung zwischen den fürstlichen Häusern Este und Braunschweig-Lüneburg zwar vor allem von Hannover für seine dynastischen Ziele verwertet wurde,274 dabei aber doch in gleichem Maße die Dignität der älteren Wolfenbütteler Linie betraf. Mit der Inszenierung des Stückes auf der Bühne des Hagenmarkt-Theaters, vielleicht sowohl in der italienischen Originalfassung (1698) als auch in der deutschen Bearbeitung Fiedlers (1697), wird man daher in Wolfenbüttel zugleich die Botschaft verbunden haben, mit Hannover und Celle nicht nur künstlerisch, sondern auch politisch auf gleicher Augenhöhe zu stehen. Ähnlich könnte es sich mit Frigimelica Robertis und Pollarolos Oper Ottone verhalten, die zuerst 1694 im Teatro Grimani in Venedig gespielt worden war und deren Libretto eine Widmung ausgesprochen hatte an Herzog Ernst August als Nachkommen des Azzo von Este und neuen Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches;275 nun, drei Jahre später, war sie in Braunschweig zu sehen, allerdings mit zusätzlicher deutscher Übersetzung der Inhaltsangaben zu den fünf Akten und ohne Hinweis auf die neue Hannoveraner Kurwürde Ernst Augusts, da die Widmungsvorrede Frigimelica Robertis ebenso wie dessen Vorwort an den Leser fortfielen (der fünfaktige Dramentext ist hingegen unverändert geblieben). Die Übernahme wirkt insofern provokativ, als die vom Venezianer Librettisten konstruierte zeitgeschichtlich-politische Anspielung in Braunschweig wohl demonstrativ ignoriert und damit zugleich der Geltungsanspruch des repräsentativen Implikats der mit Herzog Ernst August und dem Hannoveraner Hof verknüpften Opernproduktion zurückgewiesen wurde. Anstelle der Kurfürstenfrage rückte für den Ottone nun vermutlich eine genealogische Perspektive in den Vordergrund, die bereits der Venezianer Fassung implizit gewesen sein mag276 und auf die kognatische – d. h. die vorwiegend auf weiblicher Linie beruhende –

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Brief vom 22. März 1702, zit. nach Etienne Mazingue, Anton Ulrich, Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel, Bd. 1, S. 178. – Zu den Vorgängen des Frühjahrs 1702 vgl. Georg Schnath, Die Überwältigung Braunschweig-Wolfenbüttels. In Hamburg war Steffanis Orlando generoso zum ersten Mal 1695 in der Übersetzung von Fiedler und unter dem Titel Der Großm)thige Roland erschienen. S. o. S. 64. S. o. S. 40f. Vgl. Frigimelica Robertis Widmungsvorrede an Ernst August: OTTONE. Tragedia Per Musica Fatta Da rappresentarsi nel Teatro di S. Gio. Grisostomo. L’Anno M.DC.XCIV. Dedicata A Sva Altezza Serenissima Elettorale Ernesto Avgvsto Duca di Bronsuich, e Lunebourg &c. Elettore del S.R.I., S. 5f.

146 Abstammung der welfischen Dynastie von den Ottonen/Liudolfingern abzielte – dies ein Thema, das dann auf der Braunschweiger Opernbühne der frühen 1720er Jahre breit ausgespielt werden sollte, wie noch zu zeigen sein wird. Als Anfang Oktober 1697 Anton Ulrichs 64. Geburtstag zu feiern war, führte man zu Ehren des Dichterfürsten im Wolfenbütteler Schloß ein allegorisches Ballett oder Danz-Spiel auf, den Tempel Der Tugend und Ehre, wobei einzelne Mitglieder der fürstlichen Familie, Angehörige des Hofstaats und am Hof weilende auswärtige Adlige als Tänzer die verschiedenen allegorischen Figuren verkörperten. Lediglich die Rollen mit Gesangspartien wurden wohl von professionellen Musikern übernommen. Über diese Aufführung und die weiteren Geburtstagsfestlichkeiten wurde von Friedrich Christian Bressand im nachhinein ein Bericht verfaßt und publiziert, der die Festereignisse ausführlich dokumentierte: Damit aber doch diejenige / so es nicht gegenw rtig mit angesehen / und / (worunter auch theils hohe Personen /) von anderen orten her um erwehnten gedruckten Entwurf geschrieben haben / einiger massen die auszierung und Ordnung des Schau-Platzes / und Folge des ganzen Freuden-Festes / wo nicht in der That / doch auf dem Papiere sehen m chten / und man zugleich die Eintheilung und den Zweck der ganzen Vorstellung besser vorbilden und erkl ren k nte [...].277 Zum Inhalt des Balletts: Die Tugend feiert im Kreise ihrer 14 Schwestern den Geburtstag ihres Helden und ,zweiten Herkules‘ Anton Ulrich. Zuletzt, nachdem der Neid, der Tadel, die Verleumdung und die Vergessenheit vom Verh ngniß und von der Warheit besiegt worden sind, erscheint die Ehre mit großem Gefolge, um Anton Ulrichs Porträt in ihren Tempel, in den Kreis seiner Vorfahren, aufzunehmen, auf daß er / der Tugenden Exempel / | an dem man kan ihr volles beyspiel sehn / | solt’ in der Ehren Tempel | mit nie verwelktem N[a]chruhm stehn.278 Bemerkenswert ist die Reihe der mittelalterlichen Ahnen Anton Ulrichs, die die Ehre mit sich führt: Sie wurde begleitet von einer grossen Anzahl Helden und Heldinnen / aus dem Carolingischen / Witekindischen / Billingischen / Estischen und Guelfischen / auch dem aus allen diesen entsprossenem F)rstl. Braunschweigischem L)neburgischem Stamme / die durch ihren Verdienst einen Platz in diesem Tempel [der Ehre] erlanget haben.279 Dabei rücken speziell diejenigen Vorfahren in den Blickpunkt, durch welche die Haubt-verkn)pfung und Vereinigung solcher St mme verursachet und geschehen ist. So nennt Bressands Bericht insbesondere Heinrich den Löwen, der den Hauffen f)hrete und in dessen Person die genannten f)nf St mme auch alle / gleichsam als die Linien in einem Centro, zusammen lauffen.280

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TEMPEL DER TUGEND UND EHRE / an dem Hchst-Feyerlichen Geburts-Tage Des Durchleuchtigsten F(rsten und Herrn / Herrn Anthon Ulrichs / Herzogens zu Braunschweigs und L(neburg / etc. als S. Hoch-F(rstl. Durchl. Das vier und sechszigste Jahr Dero HochFürstl. Alters zur(ck legeten / Den 4. Octobr. MDCXCVII. vermittelst eines Ballets Auf dem F(rstlichen Schlosse zu Wolffenb(ttel erffnet und dargestellet. Nebst angehengter / folgenden tags gehaltener / Wirtschafft der VII. Planeten (D-W, Textb. 66), S. 10. Ebd., S. 35. Ebd., S. 40. Ebd., S. 46.

147 Unverkennbar findet sich hier, im Rahmen des höfischen Divertissements, also eine auf weit ausgreifenden genealogischen Konstruktionen beruhende repräsentative Inszenierung der grandeur Herzog Anton Ulrichs und seiner (Wolfenbütteler) Dynastie, die mit dem politisch-dynastischen Programm der drei zuvor gespielten ,Mittelalteropern‘ Hertzog Henrich der L we, Orlando generoso (Roland)281 und Ottone282 sehr genau korreliert und letztlich als Demonstration des absolutistisch-fürstlichen Ranges und Prestiges des Gefeierten bewußt gegen die eigenen Verwandten in Hannover und Celle gerichtet gewesen sein dürfte. Denn immerhin war auch das Jahr 1697 geprägt von Mißtrauen und heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des welfischen Gesamthauses, nicht zuletzt wegen des Lauenburger Erbes und verschiedener Versuche Hannovers, den Wolfenbütteler Erbprinzen August Wilhelm gegen seinen Vater in Stellung zu bringen,283 nachdem Anton Ulrich sich schon in den vorausgegangenen Jahren intensiv darum bemüht hatte, auf diplomatischem Wege, u. a. im Verein mit Dänemark, Münster und Hessen-Kassel, einen Widerstand der Reichsfürsten gegen die neunte Kur Hannovers zu organisieren.284 Andererseits zeichnete sich in Hannover der Tod des schwerkranken Ernst August ab († 2. Februar 1698), weshalb das dortige Hofleben bereits seit geraumer Zeit mehr oder weniger großen Einschränkungen unterlag. So wurde im Sommer 1697 die letzte Oper am Hannoveraner Hof gegeben, die ,Favola pastorale‘ La costanza nelle selve. In einem Brief an die Raugräfin Louise zu Pfalz bemerkte Kurfürstin Sophie dazu am 15./25. August 1697: Hir ist wenig früdt, weil I. L. der Courfürst nicht besser wirdt. I. L. sein einmal in Hannover gewessen meiner tochter [Sophie Charlotte] zu gefallen, ihre Pastorale [La costanza nelle selve] zu sehen, aber matter wider nach haus kommen, welges alle lust vergehen machte.285 Hier wie dort mögen Motive für die deutlichen Repräsentationsbemühungen des Jahres 1697 und die zu dieser Zeit auffällige Rezeption von dynastisch motivierten ,Mittelalteropern‘ am konkurrierenden Wolfenbütteler Hof um Anton Ulrich zu suchen sein. Bezeichnenderweise ist nach der Niederlage Wolfenbüttels und Anton Ulrichs in der kurzen militärischen Auseinander-

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Wiederholt wird im Bericht auf Anton Ulrichs Ahnen aus dem Haus Este hingewiesen, etwa zu Beginn der das Ballett eröffnenden (gesungenen) Ansprache der Tugend auf S. 22: Ber)hmte Schwestern grauer Ewigkeit / | ihr Tugenden / die ihr von langer zeit | in diesem Tempel wohnet / | und eines Helden edlen fleiß / | aus Azzo L wen-stamm / mit nieverwelktem preiß / | den er durch euch verdient / auch durch euch selbst belohnet; | Ihr wisst / daß sein Geburts-Licht heut | euch und der Welt zur Lust erschienen / | Da ihr nach aller m glichkeit | ihn schuldig seyd | verehrend zu bedienen. In der Ahnenreihe des Berichts werden die Liudolfinger, u. a. Kaiser Otto der Große, als Angehörige des Widekindischen Geschlechte[s] und Vorfahren der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg aufgeführt (ebd., S. 46). Vgl. Georg Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714, Bd. 2: 1693–1698, Hildesheim 1976, S. 469ff. u. 115ff. Vgl. Clemens Schwarte, Die neunte Kur und Braunschweig-Wolfenbüttel, S. 35ff. Briefe der Kurfürstin Sophie von Hannover an die Raugräfinnen und Raugrafen zu Pfalz, hg. v. Eduard Bodemann, Leipzig 1888 (Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 37), S. 162.

148 setzung des Frühjahrs 1702, die mit dem ,Braunschweiger Vergleich‘ vom 19. April 1702 zwischen Hannover, Celle und Wolfenbüttel besiegelt wurde,286 bis zu Anton Ulrichs Tod 1714 keine ,dynastische Mittelalteroper‘ in Braunschweig-Wolfenbüttel mehr aufgeführt worden. Heinrich der Löwe hatte offenbar für Anton Ulrich – zumindest auf der Opernbühne – seine Anziehungskraft verloren.

2.2.2 Die ,dynastische Mittelalteroper‘ unter der Ägide der Herzöge August Wilhelm und Ludwig Rudolf (1714–1735) Eine neue Phase der ,Mittelalter‘-Rezeption beginnt in BraunschweigWolfenbüttel nach dem Regierungsantritt des Erbprinzen August Wilhelm im Jahr 1714. Allein der Blick auf die Repertoirestatistik der Jahre 1714–1735, d. h. bis zum Todesjahr von August Wilhelms Bruder und Nachfolger Ludwig Rudolf und der durch den Regierungswechsel bedingten vorübergehenden Einstellung des Opernbetriebes, läßt eine aufschlußreiche Veränderung im Vergleich zur Zeit Anton Ulrichs erkennen, wobei sich die deutlichsten Verschiebungen in den Sujetbereichen ,Mythologie‘, ,antike Historie‘ und ,Mittelalter‘ ergeben: Mit 27 von insgesamt 73 Werken nehmen Opern über Stoffe aus der antiken Historie nun den größten Raum ein, während Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet (19 Werke) genauso stark vertreten sind wie die mythologischen Opern. Kaum ins Gewicht fallen biblische Stoffe (2) und pastorale Themen ohne Bezüge zum antiken Mythos (3).287 Verglichen mit der Frühphase der institutionalisierten Braunschweig-Wolfenbütteler Oper (1684–1714) hat sich die Zahl der mythologischen Opern somit jetzt, in den von Schmidt als „eigentliche Blüteperiode“ bezeichneten Jahren ab 1714,288 um die Hälfte verringert, während sich die Zahl der ,Mittelalteropern‘ mehr als verdoppelt und die der historischen ,Antikeopern‘ immerhin markant zugenommen hat. Wie in Hamburg ist also auch in Braunschweig-Wolfenbüttel zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein wachsendes Interesse an historischen Themen zu konstatieren,289 wobei dem ,Mittelalter‘ eine nicht unbedeutende Rolle zukommt. Die Zahl der Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet erhöht sich im genannten Zeitraum auf 23 Werke, wenn man bei Brockpähler nicht verzeichnete (bearbeitete) Wiederaufführungen, d. h. Adaptationen des Librettos und/oder der Musik, hinzunimmt.290 Dann entfällt je ein Werk auf die Sujetgruppen ,mittel-

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Vgl. Georg Schnath, Die Überwältigung Braunschweig-Wolfenbüttels, S. 79ff. Zugrunde gelegt wird auch hier das Verzeichnis von Brockpähler, das Wiederaufführungen bzw. Adaptationen prinzipiell nicht erfaßt: Renate Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper, S. 88–96. Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 50. Vgl. zur Situation in Hamburg etwa Eberhard Haufe, Die Behandlung der antiken Mythologie, S. 61ff. – S. dazu insgesamt o. S. 3–5. Gemeint sind Adaptationen insbesondere durch einen (oder mehrere) anderen Bearbeiter als den (die) ursprünglichen Produzenten, darunter sollen mit Blick auf die musikalische

149 alterliches Spanien‘291 und ,Langobardenherrschaft in Italien‘292, je zwei Werke ordnen sich den Themenkreisen ,Zeit der Völkerwanderung‘,293 ,Byzanz‘/ ,Oströmisches Reich‘,294 ,Vorzeit der nordischen Länder‘295 und ,Ritterepik‘ (Orlando furioso, La Gerusalemme liberata) zu.296 Allein die Sujetgruppe ,zentraleuropäisches Mittelalter‘ hebt sich deutlich ab mit 13 Werken, die allesamt als ,dynastische Mittelalteropern‘ zu charakterisieren sind, insofern sie Stoffe aus der Vorzeit des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg und der Geschichte seines Fürstenhauses präsentieren.297 Die Opern dieses Typus werden im Zentrum der nachfolgenden Untersuchungen stehen, und zwar insbesondere diejenigen Werke, die als Braunschweiger ,Originalproduktionen‘ in Text und Musik gelten können und damit zuvorderst Aussagen über spezifische Tendenzen und Funktionen der hiesigen ,Mittelalter‘-Rezeption im Genre der Oper zu Beginn des 18. Jahrhunderts und deren kulturgeschichtliche Implikationen

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Gestaltung – soweit eruierbar – auch die Einlage von neuen Arien und Sätzen eines (oder mehrerer) anderen Komponisten fallen. Nicht gezählt werden also unveränderte Wiederholungen sowie spätere, eher geringfügige Änderungen durch den (die) ursprünglichen Produzenten. Im ganzen unveränderte Wiederaufführungen eines Werkes (in einer späteren Saison) bilden für das frühe 18. Jahrhundert freilich die Ausnahme. Die In ihrer Unschuld Siegende Sinilde, 1727. Flavio Cuniberto, 1727? Fredegunda, 1720; Der Grosse K nig Der Africanischen Wenden Gensericus Als Rom und Carthagens Uberwinder, 1725. Teodosio ed Eudossa, 1716; Justinus, 1725. Regnero, 1715; Rodoaldo re di Norvegia, 1726 (= Ernelinda, 1730). Das eroberte Jerusalem / Oder Armida und Rinaldo, 1722; Orlando furioso, 1722. Henrich der L we, 1716; *Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / nachmahls Erwehlter Teutscher K yser, 1718; *Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Erster r mischer K yser / Zweyter Theil, 1721; L’innocenza difesa, 1722?; *Rudolphus Habspurgicus, 1723; Ottone re di Germania, 1723; Ottone re di Germania, 1725; Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme, 1726; (*) Henricus Auceps, 1726; *Opera Comica, genant Egbert und Lotharius, 1728 (Aufführung ungewiß); Richardus genannt das L wenHerz / K nig in Engelland, 1729; *Magnus Torquatus oder Magnus mit der silbernen Kette Hertzog zu Braunschweig und L)neburg, 1730; L’innocenza difesa, 1731. – Nach Spielzeiten geordnet und einschließlich aller Wiederaufführungen ergibt sich für diesen Operntypus folgende Repertoireübersicht (Braunschweig-Wolfenbüttel, 1716–1735), die die Aufführungsdichte bis in die frühen 1730er Jahre verdeutlichen kann: 1716 (Wintermesse): Henrich der L we; 1718 (Sommermesse): Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / nachmahls Erwehlter Teutscher K yser [im folgenden als Heinrich der Vogler I]; 1721 (Wintermesse): Heinrich der Vogler I; Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Erster r mischer K yser / Zweyter Theil; 1722?: L’innocenza difesa; 1723 (4. Februar): Rudolphus Habspurgicus; (Sommermesse): Ottone re di Germania; 1725 (Wintermesse): Ottone re di Germania; 1726 (Wintermesse): Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme; (Sommermesse?): Henricus Auceps; 1727 (Sommermesse): Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme; 1728: Opera Comica, genant Egbert und Lotharius (?); 1729 (Wintermesse): Richardus genannt das L wen-Herz / K nig in Engelland; (Sommermesse): Heinrich der L we; 1730 (Wintermesse): Magnus Torquatus oder Magnus mit der silbernen Kette Hertzog zu Braunschweig und L)neburg; (Sommermesse?): Heinrich der Vogler I; 1731 (Sommermesse): L’innocenza difesa; 1734 (Wintermesse): Richardus genannt das L wenHerz; Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme (vgl. Gustav Friedrich Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters, S. 11–21).

150 erlauben.298 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargestellten Hannoveraner Verhältnisse unter Herzog Ernst August mögen dabei die Eigenheiten der Braunschweiger Opernproduktion deutlich hervortreten.

2.2.2.1 Die Wiederbelebung des welfischen Mythos: Henrich der L we, Elisabeth Christine und die politisch-dynastische Rehabilitation der Wolfenbütteler Welfen Die eindrucksvolle Reihe der Braunschweiger ,dynastischen Mittelalteropern‘ nach 1714 wird eröffnet mit einer bearbeiteten Wiederaufnahme der zuerst 1697 gespielten Braunschweiger Oper Hertzog Henrich der L we: In der Wintermesse des Jahres 1716 gelangte der ursprünglich hannoversche Stoff um Herzog Heinrich den Löwen auf der Bühne des Hagenmarkt-Theaters erneut zur Aufführung, und zwar nun unter dem Titel Henrich der L we und zu Ehren der Kaiserin Elisabeth Christine, einer gebürtigen braunschweigischen Prinzessin, Enkelin Anton Ulrichs und Gemahlin Kaiser Karls VI., erweitert um einen Epilog und Feuerwerck.299 Das Werk kann insofern als ,Pasticcio‘ bezeichnet werden, als die zugrundeliegende Partitur von Steffanis Henrico Leone zum einen adaptiert wurde durch Entlehnung fremder Arien, d. h. solcher Stücke, die nicht der Partiturvorlage angehören, zum anderen Teile der Oper vom Bearbeiter, vermutlich dem Braunschweig-Wolfenbütteler Kapellmeister Georg Caspar Schürmann,300 neu vertont wurden.301 Dies erhellt aus einer anonym

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Eigens für das Braunschweiger Hagenmarkt-Theater geschaffene Werke sind in der obigen Aufstellung (Anm. 297) mit Asterisk gekennzeichnet. Die übrigen Opern dieses Typus stellen mehr oder minder stark adaptierte Übernahmen aus Hannover (Henrich der L we), London (Ottone re di Germania; Richardus genannt das L wen-Herz) und Venedig (L’innocenza difesa, 1722? u. 1731; Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme) dar, d. h. insbesondere deren Stoffe waren ursprünglich nicht für die Braunschweig-Wolfenbütteler Oper bestimmt. Gleichwohl können sie Auskunft geben über Tendenzen der Repertoirebildung und den local taste der Braunschweig-Wolfenbütteler Opernbühne (vgl. Lorenzo Bianconi u. Thomas Walker, Production, consumption and political function, S. 248). HENRICH DER LWE In einer Opera, nebst einem Epilogo und Feuerwerck / Zu Ehren Der Aller-Durchlauchtigsten / Großm chtigsten F(rstin und Frauen / Fn. Elisabeth Christinen, Rmischen K yserin / in Germanien / zu Castilien / Leon / Arragon / beyder Sicilien / Jerusalem / Hungarn / Boheimb / Dalmatien / Croatien / Sclavonien / Navarra / Granada / [...] der Ost- und West-Indien / der Insuln und festen Landes des Oceanischen Meeres / Knigin / Ertz-Hertzogin zu Oesterreich / Hertzogin zu Burgund / Braband / Meyland / Steyer / K rnten / Kr yn / Lutzenburg / Würtenberg / Ober- und Nieder-Schlesien / F(rstin zu Schwaben / [...] Gebohrner Hertzogin zu Braunschweig und L(neburg Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro Allerunterth nigst vorgestellet In der Braunschweigischen Lichtmeß-Messe 1716 (D-W, Textb. 541) [ohne Paginierung]. Schürmann stand seit 1697 – nachdem er als Mitglied der benachbarten Hamburger Bühne zum ersten Mal nach Braunschweig gekommen war, um dort an verschiedenen Opernproduktionen (u. a. wohl Hertzog Henrich der L we) mitzuwirken – im Dienst der Wolfenbütteler Herzöge. Allerdings wurde seine Kapellmeistertätigkeit in Wolfenbüttel unterbrochen von einem Studienaufenthalt in Venedig, den ihm Herzog Anton Ulrich offenbar ermöglicht hat (laut Walther seit 1701), und anschließend von einer vorübergehenden

151 überlieferten handschriftlichen Partitur, die heute zum Bestand der Schweriner Landesbibliothek gehört und sich eindeutig dem gedruckten Libretto der Aufführung 1716 zuordnen läßt.302 Anders als seine Vorläufer Henrico Leone und Hertzog Henrich der L we weist Henrich der L we eine Mischung aus deutschem Rezitativ sowie deutschen und italienischen Arien auf. Allerdings ist diese ,Bilingualität‘, die zwischen den beiden Polen Originalsprache und (reiner) Übersetzung vermittelt, kein Charakteristikum ausschließlich dieser Oper. Vielmehr findet sie sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts häufig in Produktionen für die Braunschweiger und Hamburger Bühne, was letztlich, seitens der jeweiligen Produzenten und des Impresariats, wohl auf den Versuch einer Symbiose zwischen der Erwartungshaltung des heimischen, teilweise als ,bürgerlich‘ zu charakterisierenden deutschsprachigen Publikums in Hamburg und Braunschweig und den Standards sowie dem – eher höfischen – Prestige der international rezipierten, oftmals von anderen großen Opernzentren übernommenen italienischen Oper zurückzuführen ist. Entscheidend befördert wurde diese Symbiose zudem durch die oben erwähnte, seinerzeit gängige kompositorische Praxis der Entlehnung von (italienischen) Arien aus Werken anderer Komponisten und deren Ver-

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Anstellung am Hof von Anton Ulrichs Schwiegersohn, Herzog Bernhard von SachsenMeiningen. 1707 ist Schürmann jedenfalls wieder in Wolfenbüttel nachweisbar. Das Amt des Hofkapellmeisters sollte er dann bis zu seinem Tod 1751 innehaben (vgl. Johann Gottfried Walther, Musikalisches Lexikon oder Musikalische Bibliothek, hg. v. Richard Schaal, Kassel 51993 [Faksimile-Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1732], S. 558; Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 12ff.). Allerdings liegt dem Begriff ,Pasticcio‘ hier dann nicht die strenge Definition zugrunde, wonach diejenigen Opern als ,Pasticci‘ gelten, „die ganz oder überwiegend aus [...] entlehnten Arien zusammengesetzt sind“: Reinhard Strohm, Italienische Opernarien des frühen Settecento (1720–1730), 2 Bde, Köln 1976 (Analecta musicologica 16), Bd. 1, S. 245. D-SWl, Mus 5261 (von späterer Hand versehen mit dem irreführenden Titel Ein comisch Drama). Vgl. Otto Kade, Die Musikalien-Sammlung des Großherzoglichen MecklenburgSchweriner Fürstenhauses aus den letzten zwei Jahrhunderten, 2 Bde, Hildesheim u. New York 1974 (Nachdruck der Ausgaben Schwerin und Wismar 1893 und 1899), Bd. 2, S. 250f. – Zwar gibt es einige kleinere Abweichungen zwischen dem Text der Partitur und dem des gedruckten Librettos 1716, und einmal stimmt eine Arie der Partitur nicht mit der Vorgabe des Librettos überein (I, 7), doch fallen diese Abweichungen insgesamt kaum ins Gewicht (die Arie in I, 7 wurde wohl kurzfristig, vermutlich aus aufführungspraktischen Gründen, gegen eine andere ausgetauscht); zudem weisen die Schweriner Partitur und das Libretto 1716 im Rezitativ II, 9 einen gemeinsamen Fehler auf, der eine Abhängigkeit der beiden Quellen voneinander nahelegt: Err[ea:] Laßt schliessen eurer Thränen Bach / | und folget mir mit Klagen nach / | mein Herr ist blaß und todt (Libretto 1716). Last schliessen euer Trähnen bach, und folget mir mit Klagen nach, mein herr ist, mein H[err] mein herr ist blaß und todt (Partitur, S. 79f.). Das Textbuch zur Braunschweiger Aufführung 1699 (D-W, Textb. 135), das als Vorlage für die deutschsprachigen Teile des Librettos 1716 gedient haben dürfte, zeigt dagegen den ursprünglichen Wortlaut: Err[ea:] Laßt schiessen eurer thr nen bach / | und folget mir mit klagen nach / | mein Herr ist blaß und todt. – Der Dramentext (einschließlich der Bühnenanweisungen) wird im folgenden zitiert nach dem Wortlaut des gedruckten Librettos, die Textierung der Notenbeispiele entspricht der der hs. Partitur.

152 wendung in ,Pasticci‘. Für die Bearbeitungspraxis speziell der BraunschweigWolfenbütteler Oper ist eine briefliche Mitteilung Georg Caspar Schürmanns (vom 11. März 1726) an Johann Friedrich von Uffenbach, der sich seinerzeit um eine Vertonung und Aufführung seines Librettos Pharasmanes bemühte, aufschlußreich. Dort schreibt Schürmann:303 Die Opera anlangend, so machen wir die teutschen Opern pur teutsch, wann wir aber etliche Mahl italiänische Opern ins teutsche übersetzet, so haben wir wohl die arien mehrentheils italiänisch gelassen, wir machen zu weilen lustige partheien hinein, zu weilen nicht, wie sichs denn schicken will. In der Oper Henrich der L we stehen so 28 italienische Arien und Duette 23 deutschen gegenüber.304 Die Rezitative liegen, ebenso wie der Chor- und der Ensemblesatz der Schlußszene („Tapffrer Henrich sey wilkommen“, „Alle Schmertzen m(ssen schwinden“), durchweg in deutscher Sprache vor. Von den insgesamt 51 Arien und Duetten entstammen zehn nicht der Partiturvorlage, Steffanis Henrico Leone, davon sind wiederum vier Steffanis Düsseldorfer Oper Tassilone (1709) entlehnt,305 zwei wurden vom Arrangeur offenbar neu komponiert.306 Außerdem wurde auch der Chorsatz „Tapffrer Henrich sey wilkommen“ aus Tassilone übernommen und womöglich von Schürmann mit einem neuen Text versehen (Parodie).307 Von den 41 beibehaltenen Arien und Duetten aus Henrico Leone wurden einige transponiert, um sie den Bedürfnissen der jeweiligen Sänger anzupassen (insbesondere der Part des Henrich erscheint durchweg in tieferer Lage, aber auch die Rollen der Errea und des Eurillo wurden transponiert), bei anderen wurde die Instrumentation verändert oder reduziert und des öfteren rahmende Ritornelle oder Zwischenspiele gestrichen. Die deutschen Rezitative orientieren sich, bei allen Änderungen, die die Deklamation der deutschen Sprache mit sich bringt, in der Regel an denen der Partiturvorlage; gelegentlich sind sie gekürzt, mitunter auch stärker

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Zit. nach Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 92. Zu den Details der Braunschweiger Bearbeitung von 1716 s. Anhang B: Henrico Leone (1689) und Henrich der L we (1716): Synopse der musikalischen Fassungen. – Vgl. auch die kursorischen Anmerkungen (mit Irrtümern) bei Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 222; ebenso Gerhard Croll, Agostino Steffani, S. 245f. (wo allerdings der Chorsatz in III, 12 fälschlicherweise Schürmann zugeschrieben wird); neuerdings Colin Timms, The Dissemination of Steffani’s Operas, S. 337f. I, 5: „Se un solo è quel core“ (Tassilone, I, 5); I, 13: „Meco resti la speranza“ (Tassilone, III, 1: „Teco resti la speranza“; Text adaptiert); III, 8: „A facile vittoria“ (Tassilone, IV, 8); III, 11: „Le tue glorie“ (Tassilone, III, 5: „Le mie glorie“; Text adaptiert; das Libretto 1716 weicht an einigen Stellen vom Wortlaut der Schweriner Partitur ab, da es den Text der entlehnten Arie in größerem Ausmaß parodiert als die Partitur). Eine Edition des Tassilone liegt vor in: Agostino Steffani, Tassilone. Tragedia per Musica (in 5 atti) Rappresentata alla Corte Elettorale Palatina l’anno 1709. Text: Stefano Benedetto Pallavicini (1672– 1742), Musik: Agostino Steffani (1654–1728). Hg. v. Gerhard Croll, Düsseldorf 1958 (Denkmäler rheinischer Musik 8). II, 2: „Verliebten zu dienen nach deren Behagen“; II, 14: „Io consolo i cori amanti“. Stark überarbeitet wurde auch Eurillos Arioso „Victoria“ (III, 10; jetzt nur mit B.c.). „Vien l’eroe cinto d’allori“ (Tassilone, II, 1) bzw. „Novi lauri alle tue chiome“ (Tassilone, II, 2).

153 modifiziert oder neu geschrieben worden, und zwar offenbar dann, wenn eine Anpassung an die Stimmlage eines bestimmten Sängers notwendig wurde oder der Bearbeiter eigene Akzente setzen wollte.308 Das einzige Accompagnato des Henrico Leone („Mà di chi t’abbandona“, II, 10) wurde, wie die unmittelbar vorangehende Arie, transponiert und in deutscher Übersetzung übernommen. Darüber hinaus tendiert die Bearbeitung, die die Schweriner Partitur zeigt, insgesamt zu einer Reduktion der Instrumentalsätze, d. h. der Sinfonien, Ritornelle, Orchesterzwischenspiele und Aufzugsmusiken der Vorlage.309 Größere Verschiebungen hinsichtlich des dramaturgischen Ablaufs ergeben sich lediglich im dritten Akt, wo Szene 5 der Vorlage (Monolog Errea I) nach hinten gerückt ist und nun als Szene 9 erscheint; dementsprechend folgen die Szenen 4 und 6 der Vorlage direkt aufeinander, während Szene 10 der Vorlage (Monolog Errea II) ausgefallen ist und durch die verschobene Szene 5 (Monolog Errea I) ersetzt wird. Letztlich mag es die inhaltliche Ähnlichkeit der beiden Errea-Szenen sein (die spätere stellt prinzipiell eine Variante der früheren dar), die den Arrangeur zur Kürzung der späteren Szene bewogen hat, um den Handlungsverlauf und damit die Zeitdauer der Bühnenhandlung zu straffen und somit womöglich einer übermäßigen Verlängerung der Aufführungszeit durch den neu hinzugekommenen Epilog entgegenzuwirken (diese Intention könnte denn auch zur Verminderung der Instrumentalsätze geführt haben). Die zentrale Handlungssequenz wird durch den Eingriff nicht berührt, insofern Errea in den genannten Szenen als vom schlechten Gewissen geplagte närrische Dienerin der Metilda/ Mechtilde erscheint, die wegen ihrer betrügerischen Zaubereien (II, 9/10) nun, nach Henricos/Henrichs überraschender Rückkehr, um die eigene Haut fürchten muß und damit zum wiederholten Male den Typus der komischen Figur verkörpert, jedoch keinerlei Einfluß nimmt auf den weiteren Gang der Handlung, auf die bevorstehende (Wieder-)Vereinigung der beiden Liebespaare Henrich/ Mechtilde und Idalba/Almaro. Als zwar begnadigte, aber von Eurillo verschmähte und daher allein gebliebene ,verliebte Alte‘ wird sie auch am Ende der Oper die ihr von Anfang an zugedachte komische Rolle ausagieren. Um die Grundlinien der Bearbeitung der Schweriner Partitur und des Librettos 1716 zu konkretisieren, sei auf einige Szenen näher eingegangen, die z. T. strukturell herausgehobene Positionen besetzen, z. T. für die Darstellung der Titelfigur von zentraler Bedeutung sind und charakteristische Änderungen gegenüber der Vorlage erkennen lassen. Dazu zählen die Eröffnungsszene der Oper (Ouvertüre und I, 1), die ,Scena ultima‘ (III, 12) und auch die Erstürmung Bardowicks im dritten Akt (III, 8). Bereits die Ouvertüre der Schweriner Partitur weicht in auffälliger Weise von der Fassung des Hannoveraner Partiturautographs (GB-Lbl, R.M.23.h.7–9)

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Ob oder inwieweit für die musikalische Gestaltung speziell der (deutschen) Rezitative auch auf Material der früheren Braunschweiger Adaptation 1699 zurückgegriffen wurde, ist – da entsprechende Quellen fehlen – nicht zu ermitteln. Freilich ist nicht ganz auszuschließen, daß die selbständigen Orchesterstücke und Aufzugsmusiken nicht in der Partitur, sondern gesondert notiert wurden. Doch gibt es dafür in der Schweriner Partitur keine Anhaltspunkte.

154 ab, insofern Steffanis unkonventioneller und dramaturgisch raffinierter ,Choreinbau‘310 bei der Wiederholung des Fugato-Teils weggefallen ist.311 Über die Gründe für die Streichung des effektvollen vierstimmigen Chorsatzes innerhalb der Ouvertüre kann zwar nur spekuliert werden, auf jeden Fall scheint die Schweriner Partitur in diesem Punkt aber den Versionen Hamburg 1696 und Braunschweig 1697/1699 gefolgt zu sein, denn in den gedruckten Libretti beider Produktionen beginnt die Opernhandlung mit dem Rezitativ der Titelfigur Henrich, d. h. schon hier fehlt der Chor der in Not geratenen Seeleute „Cieli aita, pietà“ der Hannoveraner Urfassung. Das anschließende Rezitativ und Henrichs Arie „Tra le braccia de la morte“ stimmen mit der Vorlage überein, wenn man einmal von der deutschen Übersetzung des Rezitativs und einigen daraus resultierenden, vornehmlich den Part des Lindo betreffenden Änderungen absieht, wurden jedoch von F-Dur nach D-Dur transponiert, um den stimmlichen Möglichkeiten des Sängers der Titelrolle gerecht zu werden. Das die Eröffnungsszene ursprünglich beschließende zweiteilige Orchesterzwischenspiel ist dagegen gestrichen worden, so daß Szene 2 mit dem Rezitativ der Idalba unmittelbar auf das Da-capo von Henrichs Arie folgt. Bereits in der ersten Szene deutet sich also die oben genannte Tendenz einer Reduktion der rein instrumentalen Anteile an, was in diesem Falle zu einem abrupteren Übergang zwischen den beiden Szenen mit ihren räumlich weit voneinander entfernten Schauplätzen führt. Ähnliches zeigt sich in Szene 16 des ersten Aktes, die die Sagensequenz wieder aufnimmt: Während die ins Deutsche übertragenen Rezitative und Arien des Henrich („Bey dieser Rauber-Klauen“ und „Solt’ ich mich nicht euch zu Ehren“) in tieferer Lage erscheinen als in Steffanis Partiturautograph (Arien statt in D-Dur und d-Moll nun in C-Dur und g-Moll), wurden das vierzehntaktige Orchesterritornell, das den Kampf zwischen Henrich und dem Greifen begleitet, und ebenso die rein instrumentale Wiederholung von Henrichs Tanzsatz „Solt’ ich mich nicht euch zu Ehren“ nicht in die Schweriner Partitur übernommen. Mehr oder minder große Änderungen weist dann vor allem die BardowickSzene im dritten Akt auf (III, 8). Hier wurde zunächst die in Steffanis Partiturautograph vorgesehene instrumentale Aufzugsmusik, die die Battaglia eröffnet, gestrichen und anschließend Henricos Arie „Chi rifiuta la Clemenza“ in G-Dur ersetzt durch Henrichs Trompetenarie „A facile vittoria“ (D-Dur) aus Steffanis Düsseldorfer Oper Tassilone.312 Der dreiteilige Satz (Da-capo-Anlage) wird eröffnet von einem zehntaktigen Ritornell, das die konzertierende Trompetenstimme und die hohen Streicher blockartig wechseln läßt, wobei jeweils der Ruf der Trompete von der Streichergruppe imitiert wird und beide Blöcke erst in der

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Zum Begriff ,Choreinbau‘ vgl. Alfred Dürr, Johann Sebastian Bach. Die Kantaten, Kassel [usw.] 71999, S. 36f. Vgl. o. S. 82–88 (mit Abb. 1). Zum Typus der Trompetenarie vgl. Edward H. Tarr u. Thomas Walker, „Bellici carmi, festivo fragor“. Die Verwendung der Trompete in der italienischen Oper des 17. Jahrhunderts, in: Constantin Floros, Hans Joachim Marx u. Peter Petersen (Hgg.), Studien zur Barockoper, S. 143–203.

155 Abb. 18: Henrich der L we, Arie „A facile vittoria“ (III, 8)

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158 Schlußkadenz zueinander finden (Abb. 18).313 Diese charakteristische Anlage, die mit dem exponierten Ruf der Trompete die Aussage des nachfolgenden Arientextes vorwegnimmt: „A facile vittoria | la tromba qvi c’invita“,314 setzt sich auch im A-Teil der Arie fort, allerdings geht nun die Singstimme voran, indem sie die typischen Trompetenmotive aus den Takten 1–4 aufgreift, und die Trompete folgt. Dabei entwickelt sich zunehmend ein Wettstreit zwischen Sänger und Instrument, Überlappungen der beiden Stimmen führen zu kurzen Sechzehntelfigurationen in Terz- oder Sextparallelen, zweimal werden ausgedehnte virtuose Sechzehntelpassagen in der einen mit einem Halteton der anderen Stimme kombiniert. Mit Ausnahme des Basso continuo beschränkt sich die Teilnahme des Orchesters hier auf einen zweitaktigen kadenzierenden Einwurf (T. 19–21), der mit zwischen Trompete und imitierenden Streichern hinund hergeworfenen Quartsignalen deutlich den militärischen Charakter des Stückes evoziert. Im zehntaktigen Schlußritornell entfaltet sich dann wieder das vom Anfang bekannte imitatorische Gegenüber von konzertierendem Instrument und Orchester. Der relativ kurze B-Teil kontrastiert mit dem A-Teil dadurch, daß die Trompete schweigt und eine Modulation von h-Moll nach fisMoll erfolgt. Ein Teil des ursprünglichen Textes dieses Abschnitts wurde parodiert und dadurch an den neuen Kontext angepaßt: „Dei rubelli l’insolenza | Che rifiuta la mia clemenza | La furia è che m’irrita“.315 Das auf Henrichs heroisch-kriegerische Bravourarie folgende Rezitativ wurde in der Schweriner Partitur transponiert und beginnt jetzt auf D, wie auch das Duett „Auf w(rget / brennt“ in D-Dur erscheint statt in C-Dur,316 so daß der Bardowick-Szene insgesamt eine einheitliche Tonalität zugrunde liegt. Darüber hinaus hat der Bearbeiter beim Duett (Henrich/Almaro) die Instrumentation insofern verändert, als die in der Vorlage vorgesehenen drei Trompetenstimmen und Pauke entfallen und dafür die in Steffanis Partitur den Oboen und Violinen zugedachten Oberstimmen (zusätzlich?) von zwei (?) Trompeten in D (Trombe) ausgeführt werden. Die sich bei Steffani unmittelbar anschließende Erwiderung der Aufständischen, der vierstimmige Chor „Al sangue al fuoco“, wurde in der Schweriner Partitur ebenso außer Acht gelassen wie der ursprünglich als ,Triumphmusik‘ und Szenenabschluß fungierende Orchestersatz in D-Dur, während das dazwischenliegende Rezitativ gekürzt wurde und nun ans Szenenende gerückt ist. Auch die Bardowick-Szene zeigt also die oben genannten Bearbeitungstendenzen. Am auffälligsten ist vielleicht das Bestreben, das Bühnengeschehen

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Die Notenbeispiele in Abb. 18 u. 19 stellen Transkriptionen der entsprechenden Sätze der Schweriner Partitur (D-SWl, Mus 5261) dar. Zur Einrichtung der Notenbeispiele s. S. 412. (Zum leicht zu erringenden Sieg lädt uns die Trompete heute ein.) (Die Frechheit der Rebellen, die meine Milde zurückweist, ist jene Furie, die mich reizt.) – Die Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Arientext sind oben kursiv gesetzt. Bei der Parodie wurden offensichtlich einzelne Phrasen des Textes der gestrichenen Arie „Chi rifiuta la Clemenza“ verwertet: „Chi rifiuta la Clemenza proui l’armi del rigor. Se l’irrita l’insolenza la bontà diuien furor.“ Allerdings hatte bereits Steffanis Autograph für dieses Duett eine Transposition nach DDur vorgesehen (vgl. o. S. 112 Anm. 173).

159 durch Kürzungen zu straffen. Wenn dabei nicht zuletzt die Streichung der Orchesteranteile den militärisch-zeremoniellen Gestus der Szene zu reduzieren scheint, so wird dies z. T. doch aufgefangen durch Henrichs große D-Dur-Arie „A facile vittoria“, die den welfischen Ahnen als siegesgewissen Fürsten und streitbaren Krieger präsentiert, umgeben vom strahlenden Ruf der Trompete. Die bedeutendste Änderung der ,Scena ultima‘ (III, 12) besteht darin, daß der einleitende Marche der Hannoveraner Partitur, ein 80 Takte umfassendes Orchesterstück in C-Dur, das zum festlichen Einzug des siegreichen Henrico in Lüneburg erklingt, ersetzt wird durch den Chorsatz „Tapffrer Henrich sey wilkommen“ in D-Dur (in der Schweriner Partitur noch am Ende von Szene III, 11 notiert).317 Dieser vierstimmige homophone Chor (Abb. 19) entstammt wiederum Agostino Steffanis Tassilone und wurde mit einem neuen deutschen Text unterlegt (zwei Strophen).318 Es ist dies der einzige Chorsatz der Schweriner Partitur, wenn man das von den Solisten gebildete Schlußensemble beiseite läßt. Aus der Bühnenanweisung des Librettos 1716 ist ersichtlich, daß der Chor vom Volck gesungen werden sollte, wenn Henrich, Almaro und Mechtilde auf einem Triumphwagen durch eine kostbare Ehren-Pforte einziehen. Die Chorsänger waren dabei offenbar auf beiden vorderen Seiten der Bühne verteilt, auf Logen, auf welchen das Volck zu siehet. Das Libretto nennt weiter einen Tanz von Helden und Heldinnen, der zwischen den beiden Chorstrophen einzufügen war; dieser Bühnentanz ist in der Schweriner Partitur allerdings nicht verzeichnet. Der als prunkvolle ,Massenszene‘ gestaltete Panegyrikus auf Heinrich den Löwen scheint schließlich in der zweiten Strophe eine Brücke schlagen zu wollen von der Zeitebene der Bühnenhandlung zur Gegenwart der zeitgenössischen Zuschauer, wenn der Friede der Braunschweigischen Lande gepriesen und Henrichs Nachruhm beschworen wird, der so viele Wunder that. Die Memoria Heinrichs des Löwen wird dann auch und gerade im eigens für die Festaufführung 1716 angefügten Epilog aufgerufen und dem zeitgenössischen Braunschweiger Publikum in ihrer aktuellen Relevanz vor Augen

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Ansonsten wurde das nachfolgende Rezitativ zu Beginn transponiert und das abschließende Solistenensemble, jetzt mit deutschem Text versehen, um eine Stimme erweitert (Errea), was allerdings die Satzstruktur nicht berührt, da Mechtilde und Idalba nun im Schlußteil gemeinsam den Sopranpart I ausführen. Ebenso führt die solistische Besetzung der Aufführung 1716, insbesondere die im Vergleich zur Hannoveraner Uraufführung tiefere Stimmlage des Darstellers der Titelrolle, zu einer anderen Stimmkombination in den Duettpassagen des Finalensembles: Anders als in der Hannoveraner Partitur gesellt sich Henrich zu Almaro und Idalba zu Mechtilde. 1. Tapffrer Henrich sey wilkommen / | O du aller Helden Held / | Sey frolockend aufgenommen / | Dich besing die ganze Welt. | Wo nur deine Fahnen wehen / | muß man dich als Sieger sehen. | Wo nur deine Fahnen wehen / | liegt der Feind gar bald gef llt. 2. Frohe Mauren werthe Gr ntzen / | freuet euch mit unsrer Stadt | In euch soll der Friede gl ntzen / | den man l ngst gew)nschet hat / | Henrichs Nachruhm zu besingen / | last Trompet und Paucken klingen / | Henrichs Nach-Ruhm zu besingen / | Der so viele Wunder that. (D-W, Textb. 541) – In der Partitur ist der Satz nur mit dem Text der ersten Strophe unterlegt.

160 Abb. 19: Henrich der L we, Chor „Tapfrer Henrich sey willkommen“ (III, 12)

161 geführt.319 Hier wird die Erinnerung an den berühmten Welfenfürsten instrumentalisiert zur Verherrlichung der regierenden Wolfenbütteler Welfendynastie und insbesondere der mit dem Bühnenwerk geehrten Kaiserin Elisabeth Christine. An dieser Stelle mag es hilfreich sein, kurz auf die mit der Aufführung der Oper Henrich der L we und ihrer Dedikation verbundenen historisch-politischen Hintergründe einzugehen. Elisabeth Christine, Enkelin des Herzogs Anton Ulrich und Tochter des Herzogs Ludwig Rudolf und seiner Gemahlin Christine Luise von Oettingen, kommt eine nicht unbedeutende Rolle zu bei den Bemühungen ihres Großvaters um eine ,Wiederaufrichtung‘ der Wolfenbütteler Welfenlinie nach der desaströsen Niederlage gegen Kurhannover und Celle im ,Blitzkrieg‘ des Jahres 1702.320 Durchaus geschickt wußte Anton Ulrich nämlich in den auf die Katastrophe folgenden Jahren, die ihm nach dem Tod seines Bruders Rudolf August 1704 nicht nur die alleinige Regentschaft im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, sondern ein Jahr später – infolge des Ablebens Herzog Georg Wilhelms von Celle – auch das Seniorat des welfischen Gesamthauses zufallen ließen, durch eine kluge Heiratspolitik für zwei seiner Enkeltöchter Ansehen und Prestige des Hauses Wolfenbüttel nach und nach zurückzugewinnen. Zum einen konnte er mit diplomatischem Gespür darauf Einfluß nehmen, daß sich König Karl III. von Spanien, Sohn Kaiser Leopolds I., im Jahre 1708 mit seiner Enkelin Elisabeth Christine vermählte, nachdem diese zum katholischen Glauben übergetreten war,321 zum anderen vermittelte er 1711 die Heirat seiner anderen Enkelin Charlotte Christine Sophie, der zweiten Tochter seines Sohnes Ludwig Rudolf, mit dem Zarewitsch Aleksej, dem Sohn Peters des Großen. Allerdings rief vornehmlich die vom Haus Habsburg geforderte Konversion Elisabeth Christines nicht nur Widerstände bei einem Teil der Wolfenbütteler Geistlichkeit hervor, sondern auch Irritationen innerhalb der herzoglichen Familie, die von Anton Ulrich und seinen theologischen Beratern, u. a. dem Helmstedter Theologen Fabricius, ausgeräumt werden mußten.322 Eine der Voraussetzungen für die

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Der Epilog ist zwar im Libretto 1716 enthalten, nicht aber in der Schweriner Partitur. S. dazu o. S. 144f. Vgl. dazu Wilhelm Hoeck, Anton Ulrich und Elisabeth Christine von BraunschweigLüneburg-Wolfenbüttel. Eine durch archivalische Dokumente begründete Darstellung ihres Übertritts zur römischen Kirche, Wolfenbüttel 1845; F. Spehr, Elisabeth Christine, in: ADB, Bd. 6 (1877), S. 11f. In einem Brief an Elisabeths Mutter Christine Luise, die sich als ,treue‘ Lutheranerin offensichtlich nur schwer mit dem notwendigen Konfessionswechsel ihrer Tochter abfinden konnte, schreibt Anton Ulrich: Ich habe Gelegenheit bekommen, mit Lisebethchen von der bewußten großen Affaire zu reden, die ich dann sehr raisonnable gefunden, und kann wohl sagen, daß ich mich über ihren Verstand verwunderet. Ich habe ihr hart eingebunden, mit keinem Menschen, als mit ihren Aeltern hievon zu reden; und wie man die Unterredung zu Ende ließ, sagte sie, sie hätte müssen, als sie konfirmiret worden, angeloben, Lutherisch zu bleiben, weßhalb sie einen Zweifel bei sich fünde, ob sie mit gutem Gewissen könnte die Religion changiren. Worauf ich sie bedeutet, daß dieses Angeloben darauf gegangen, daß sie sollte nimmer von dem christlichen Glauben abweichen, noch was sie in ihrem Katechismo gelernet, verläugen; allermaßen sie bei Annehmung ihres künftigen Königs Religion ihren gelernten Katechismum ganz wohl

162 Verbindung Karls mit Elisabeth Christine war ferner die Aussöhnung mit dem Haus Hannover, die wie die Heirat wohl nicht zuletzt auf Betreiben Kaiser Josephs I. und seiner Gemahlin Wilhelmine Amalie, einer gebürtigen braunschweig-lüneburgischen Prinzessin und Cousine des Kurfürsten Georg Ludwig, zustande kam323 und 1706 zur Anerkennung der neunten Kur durch Braunschweig-Wolfenbüttel führte.324 1708 konnte dann endlich die Introduktion des Hannoveraner Kurfürsten ins Kurkollegium erfolgen. Das wiedererstehende Rang- und Selbstbewußtsein des Hauses Wolfenbüttel, seine bemerkenswerte Rehabilitation,325 bekam nochmals einen Schub, als Karl III. nach dem überraschenden Tod seines Bruders Joseph I. im Jahre 1711 zum Kaiser gewählt wurde (als Karl VI.) und Braunschweig-Wolfenbüttel fortan engste verwandtschaftliche Beziehungen zum Reichsoberhaupt vorweisen konnte. Obgleich die mit den Häusern Habsburg und Romanow geschlossenen dynastischen Bande „nur zu einer mäßigen Rolle Braunschweig-Wolfenbüttels im europäischen Mächtekonzert“ führten,326 sich der reale Machtzuwachs allein auf die Erhebung der von Herzog Ludwig Rudolf regierten Grafschaft Blankenburg zum reichsunmittelbaren Fürstentum durch Kaiser Joseph I. beschränkte (1707), dürfen die aus der Nähe zum Wiener Kaiserhaus erwachsenen politischen Möglichkeiten nicht allzu gering veranschlagt werden. Insofern die Wolfenbütteler Herzöge in den folgenden Jahrzehnten, bis 1735, mehr oder weniger verbindlich an der Seite Österreichs agierten,327 gab es doch Spiel-

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behalten könnte, darinnen nichts enthalten, das die Katholischen nicht eben so glaubeten. Womit sie schien zufrieden zu sein; und da ich es nöthig befinde, sie allhie bei mir viel zu haben, will ich ihr diesen Zweifel, der ihr mit großer imprudence gemachet worden, mit göttlicher Hülfe schon benehmen. E. L. stellen Ihr Gemüth nur in Ruhe, und befehlen die Sache Gott, der wird es schon schicken, d a ß L i s e b e t h c h e n d e r a n d e r e Joseph werden wird, unser Haus aufzuhelfen und zu vers o r g e n . Er schließt mit den Worten: Nun Adieu grand-mère du futur Empereur (zit. nach Wilhelm Hoeck, Anton Ulrich und Elisabeth Christine, S. 79f., Hervorhebung d.V.). Vgl. Wilhelm Hoeck, Anton Ulrich und Elisabeth Christine, S. 59f. u. 63f. „Wolfenbüttel musste 1706 wie schon im Celler Vergleich von 1703 die hannoversche Kurwürde ohne Vorbehalt anerkennen, ebenso den protokollarischen Vortritt des Kurfürsten, doch sollte dies nicht gelten für das unter den Welfenfürsten wechselnde Seniorat. Als Ausgleich für seinen Anteil an dem annektierten Herzogtum Sachsen-Lauenburg erhielt Wolfenbüttel das Amt Campen mit zwölf nahe Braunschweigs [sic!] gelegenen Dörfern“: Christof Römer, Das Zeitalter des Hochabsolutismus (1635–1735), in: HorstRüdiger Jarck u. Gerhard Schildt (Hgg.), Die Braunschweigische Landesgeschichte, S. 535–574, hier S. 556f. Vgl. Etienne Mazingue, Anton Ulrich, Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel, Bd. 1, S. 222. Christof Römer, Geschichte des Landes Braunschweig, in: Wolfgang Meibeyer u. a., Braunschweig und das Land zwischen Harz und Heide, Hannover 1994 (Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung), S. 89–140, hier S. 114. In seinem Politischen Testament vom 22. März 1714 (Project der väterlichen Ermahnung und Instruction für den Erbprintzen), einer kurz vor seinem Tode verfaßten Rechfertigung der eigenen politischen Handlungen und Anleitung für den künftigen Regenten, rät Anton Ulrich seinem Nachfolger August Wilhelm: Sei dem Kaiser getreu, und diene ihm als Ertzherzoge von Österreich, nach äußerstem Vermögen. Wo er aber als Kaiser die Jura derer Reichsfürsten kränken wolte: So kanst du dich von diesen der Consequenz halber,

163 räume für eine gewisse politische Einflußnahme Wolfenbüttels im norddeutschen Raum, im Niedersächsischen Reichskreis;328 dies zeigt beispielsweise die seit Februar 1719 von Braunschweig-Wolfenbüttel und Kurhannover gemeinsam in kaiserlichem Auftrag ausgeführte Reichsexekution gegen Herzog Karl Leopold von Mecklenburg.329 Hinzu kommt, daß sich mit der 1714 erfolgten englischen Sukzession des Hauses Hannover die Voraussetzungen für ernstzunehmendere politisch-diplomatische Ambitionen der Wolfenbütteler Welfenlinie deutlich verbesserten, war doch „der Hof zu Wolfenbüttel die einzige in Niedersachsen verbliebene Repräsentanz des Welfenhauses, und entsprechend stieg wieder der Wolfenbütteler Einfluß in Norddeutschland“.330 So wurde Braunschweig-Wolfenbüttel Ende der 1720er Jahre nicht nur vom Wiener Hof umworben, sondern auch von Großbritannien, dessen König Georg II. sich wegen des Schutzes seiner welfischen Stammlande um ein Bündnis mit den Wolfenbütteler Vettern bemühte.331 Zwar konnte das Herzogtum „von der Fläche her mit Kurhannover nicht konkurrieren, aber in seinen ,Ressourcen‘ (Bevölkerung, Wirtschaft) stand es dem anderen welfischen Staat nicht sonder-

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nicht trennen (abgedruckt in: Gerhard Gerkens, Das Politische Testament Herzog Anton Ulrichs zu Braunschweig und Lüneburg, in: Braunschweigisches Jahrbuch 49 [1968], S. 37–60, hier S. 57. – Allerdings zeigte der Blankenburger Hof Herzog Ludwig Rudolfs grundsätzlich eine uneingeschränktere ,Kaisertreue‘ als der Wolfenbütteler Hof seines Bruders August Wilhelm. „Die Zugehörigkeit des niedersächsischen Raumes zu den Reichskreisen war seit den ersten Kreistagen 1531 beziehungsweise 1542 festgeschrieben und orientierte sich an der Reichsmatrikel von 1521. Zum Niedersächsischen Kreis gehörten danach die kurhannoverschen Territorien Calenberg-Göttingen, Lüneburg-Celle, Grubenhagen, Lauenburg, Bremen (Herzogtum, vormals Erzbistum), weiterhin die braunschweigischen Territorien Braunschweig-Wolfenbüttel und Blankenburg, das Fürstbistum Hildesheim und die Reichsstadt Goslar, sowie auch weitere Teile außerhalb des heutigen Bundeslandes Niedersachsen (insbesondere Magdeburg, Holstein, Mecklenburg)“: Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert (1714–1803), in: Christine van den Heuvel u. Manfred von Boetticher (Hgg.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 3,1, S. 221–346, hier S. 225. „Im Februar 1719 überschritten 11 000 Mann hannoversche und braunschweigische Truppen bei Artlenburg und Boizenburg die Elbe und marschierten in Mecklenburg ein. Die mecklenburgischen Truppen wehrten sich hinhaltend [...]. Gegen die erdrückende Übermacht mußte sich Herzog Karl Leopold aber schließlich in die Festung Dömitz zurückziehen. Die Exekutionstruppen ließen sich, eine längere Besatzungszeit signalisierend, in Mecklenburg häuslich mit Frauen und Kindern nieder. Die subdelegierten Kommissare der beiden Welfenfürsten übernahmen die Landesverwaltung mit Sitz in Rostock“: Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 232; vgl. dazu im einzelnen Walther Mediger, Mecklenburg, Rußland und England-Hannover 1706–1721. Ein Beitrag zur Geschichte des Nordischen Krieges, 2 Bde, Hildesheim 1967 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 70). Christof Römer, Geschichte des Landes Braunschweig, S. 115. Vgl. Paul Zimmermann, Zum Leben und zur Charakteristik des Grafen Konrad Detlev von Dehn, in: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig 14 (1915/16), S. 77–99, hier S. 86; Friedrich Wagnitz, Herzog August Wilhelm von Wolfenbüttel (1662– 1731). Fürstenleben zwischen Familie und Finanzen, o. O. 1994, S. 146–153 (je ein Verfasserexemplar in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Stadtbibliothek Braunschweig).

164 lich nach“.332 Der Hauptort Braunschweig, dessen Ausbau zur Festung um 1730 nicht zuletzt mit finanzieller Unterstützung des Kaisers und Großbritanniens spürbar vorangetrieben werden konnte,333 war seinerzeit immerhin die größte Stadt Niedersachsens sowie bedeutender Handelsplatz und wirtschaftlichkulturelles Zentrum im norddeutschen Raum, auf das „der neue Landesherr Herzog August Wilhelm (1714–1731) nicht ohne Grund stolz sein konnte“.334 Es scheint also im Zuge der mit der Bindung an die Habsburger vollzogenen Rehabilitation des Braunschweig-Wolfenbütteler Herzogshauses und infolge der dadurch von neuem etablierten dynastischen Dignität im Jahre 1716 allen Grund gegeben zu haben, die Erinnerung an Heinrich den Löwen auf der Braunschweiger Opernbühne erneut aufleben zu lassen, und zwar nicht nur vor den Augen des Hofes und der Landstände, sondern auch der Braunschweiger Bürger und auswärtigen Messegäste. Zu Beginn des Epilogs, der neben dem Rezitativtext zwei Arien und einen Schlußchor enthält, dessen Vertonung jedoch nicht überliefert ist, erscheint denn auch die Personifikation der Fama – als spielexterne Figur mit übergeordneter, kommentierender Perspektive335 – und verkündet: Begl)ckte Sterbliche! | Die ihr den Staub der alten Zeiten / | und ihrer Eitelkeiten | mit solcher Lust betracht. | Was Heinrich ehemahls f)r Macht / | f)r Wunder hat gewiesen / | ist schon genug gepriesen / | Das Braunschweigische Hauß / | dem seine Helden-Thaten | zu grossem Gl)ck gerahten / | sieht jetzt weit sch ner aus. Im Anschluß an eine Arie, die den hyperbolischen Vergleich zwischen der Vergangenheit bzw. der Memoria Heinrichs des Löwen und der jene übertreffenden Gegenwart der welfischen Dynastie durch die Kombination divergenter poetischer Bilder ausmalt,336 verdeutlicht die Fama die Überbietung Heinrichs des Löwen durch seine fernen Nachkommen, indem sie die Widmungsträgerin der Oper, Kaiserin Elisabeth Christine, typologisch auf den großen Welfenherzog und damit die Titelfigur der Oper bezieht: Jetzt ist es Zeit | die Herrlichkeit | desselben [= des Hauses Braunschweig] zu erwegen / | die uns der Himmel l st vor Augen legen. | Sein F)rsten-Hut / | vereinbahrt sich mit lauter Kronen;337 | Ja es wird noch geschehen / | daß man Henrichs Blut | auf denen K yser-Thronen | dereinst wird sitzen sehen. | Hat doch der Himmel schon beschlossen / | daß unsre Kayserin / | die aus HENRICHS Stamm entsprossen / | dem Hause Oesterreich / | und auch der Welt zugleich / | soll die

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Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 242f. Vgl. C. Gerloff, Braunschweigs letzte Befestigungen, in: Braunschweigisches Magazin 2 (1896), S. 89–96, 105–109, 113–118, 121–124, 132–135, hier S.105–107; Friedrich Wagnitz, Herzog August Wilhelm von Wolfenbüttel, S. 149–151. Richard Moderhack, Braunschweiger Stadtgeschichte, mit Zeittafel und Bibliographie, Braunschweig 1997, S. 133. Vgl. Manfred Pfister, Das Drama, S. 90–93 u. 109–112. Stehen Heinrichs Wunder-Wercke | gleich in einer Marmor-Schrifft | Gnug / daß Braunschweig in der St rcke | Jene noch weit )bertrifft. | Braunschweig ist von jener Wiegen | Jetzo Cedern gleich gestiegen. Dies eine Anspielung sowohl auf die englische Sukzession des Hauses BraunschweigLüneburg als auch die dynastischen Verbindungen des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel mit dem Wiener Kaiserhaus und dem russischen Zaren.

165 Beherrscher geben. Hier wird also die bis weit ins 18. Jahrhundert geläufige ,quasi-typologische‘ Verfahrensweise, zeitgenössische Herrscherpersönlichkeiten auf herausragende Gestalten der Heilsgeschichte oder der antiken Mythologie und Historie zu beziehen, angewandt auf Angehörige ein- und derselben Dynastie.338 Die Personifikation der Fama konkretisiert sodann ihre zuletzt geäußerte Prophetie und richtet den Blick auf die Zukunft der Dynastie, wenn sie die baldige Geburt eines habsburgisch-welfischen Thronfolgers beschwört, dem Karls himmlische[] Auror[a], Elisabeth Christine, das Leben schenken werde: Was Leopold / was Joseph nicht gesehn / | wird ihm [= Karl] durch Sie gebohren. | Die Reiche warten schon | auf diesen K yser-Sohn | Sie wollen tausend Opffer bringen / | und selbst dem Printz die Wiegen-Lieder singen. Es folgt schließlich die Ankündigung des Bühnenfeuerwerks,339 das wohl – so läßt sich aus den Worten der Fama erschließen – in der feurige[n] Vereinigung der beiden brennenden Namen Carl und Elisabeth Christine kulminierte und nach dem finalen Huldigungschor auf das Habsburger Kaiserpaar entzündet wurde: Oesterrichs und Teutschlands Freude | Bl)he / wachse durch Euch Beyde. | Allerh chstes K yser-Paar. | Last den V lckern dieser Erden | Einen Printz zu Theile werden / | Machet unser W)nschen wahr: | Es m)ssen aus euren geheiligten Flammen | Beym Throne von Teutschland viel K yser herstammen. Es kann kein Zweifel bestehen, daß die bevorstehende Entbindung der Kaiserin Elisabeth den unmittelbaren Anlaß zum Epilog des Henrich der L we gegeben hat – und darüber hinaus vielleicht auch überhaupt zur Wiederaufnahme des Stückes über den unvergessenen welfischen Ahnen. Denn nur zwei Monate nach der Aufführung im Februar 1716 wurde am 13. April der lang ersehnte österreichische Thronfolger geboren, der nach seinem Großvater väterlicherseits Leopold genannt wurde. Die Freude über den jungen Erben währte allerdings nur kurz, er starb bereits am 4. November. Am 13. Mai 1717 kam dann in Wien eine Tochter des Kaiserpaares zur Welt: die Erzherzogin und spätere Kaiserin Maria Theresia.

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Vgl. Friedrich Ohly, Synagoge und Ecclesia, S. 335: „Das typologische Denken ist schöpferisch wirksam bis in die Zeit Goethes. Daß dies für die Barockzeit noch nicht untersucht ist, erklärt sich daraus, daß man Typologie für etwas Mittelalterliches hält und zögert, das Barock dem Mittelalter zuzusprechen“. – Zum Begriff der ,Typologie‘ bzw. ,quasitypologischen‘ Verfahrensweise s. o. S. 46. Zur zeitgenössischen Pyrotechnik (Bühnenfeuerwerk, Illumination) speziell der benachbarten Hamburger Oper vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 63–69.

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2.2.2.2 Welfen und Liudolfinger: Die Doppeloper Heinrich der Vogler und die ,Historisierung des Mittelalters‘ Bereits zur Sommermesse 1718 erschien die zweite ,dynastische Mittelalteroper‘, die seit dem Regierungsantritt August Wilhelms produziert wurde, auf der Bühne des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters: Heinrich der Vogler, Hertzog zu Braunschweig / nachmahls Erwehlter Teutscher K yser.340 Ihr Titelheld war diesmal kein welfischer Heros, sondern ein Liudolfinger, nämlich König Heinrich I., der Begründer der sächsischen Königsdynastie der Ottonen. Der Verfasser des Librettos ist Johann Ulrich König, einer der Mitbegründer der ,Teutschübenden Gesellschaft‘ (1715), Autor zahlreicher Textbücher für die Hamburger Bühne und im Jahr 1718, während der Produktion der Oper, Hofdichter in Sachsen-Weißenfels (er sollte 1720 zum Geheimsekretär und Hofpoeten Augusts des Starken ernannt werden).341 Er unterhielt in jenen Jahren offenbar engere Beziehungen zum Wolfenbütteler Hof, vermittelte vielleicht den jungen Johann Adolf Hasse und später Carl Heinrich Graun dorthin. Die Komposition der Festoper wurde ausgeführt vom Wolfenbütteler Hofkapellmeister Georg Kaspar Schürmann. Als Auftraggeber des Werkes dürften entweder Herzog August Wilhelm selbst oder Personen in seinem direkten Umfeld in Frage kommen, wenn nicht sogar, und dies liegt nun mangels aussagekräftiger Dokumente allererst im Bereich des Spekulativen, erste Anregungen von den unmittelbar an der Produktion Beteiligten – d. h. Theaterleitung, Librettist oder Komponist – ausgingen. Der Dramentext umfaßt insgesamt drei Akte mit jeweils 13 Szenen und liegt in diesem Fall vollständig in deutscher Sprache vor. Ihm ist im gedruckten Libretto eine Reihe bemerkenswerter Paratexte vorgeschaltet, die je eigene Funktionen erkennen lassen.

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HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / NACHMAHLS ERWEHLTER TEUTSCHER K YSER / In einem Singe-Spiele Im Jahre 1718. auf dem grossen Braunschweig. Schau-Platze vorgestellt / Und Dem Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Herrn August Wilhelm / Regierenden Hertzoge zu Braunschw. u. L(neb. Wie auch Der gleichfalls Durchlauchtigsten F(rstin und Frauen / Frauen Elisabetha Sophia Maria / Verm hlter Hertzogin zu Braunschweig und L(neburg / gebohrner Hertzogin zu Holstein etc. unterth nigst gewidmet von Johann Ulrich Knig (D-W, Textb. Sammelbd 9 [1]) [ohne Paginierung]. – Vgl. etwa Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 2, S. 97–100; Ralf Eisinger, Das Hagenmarkt-Theater in Braunschweig (1690–1861), Braunschweig 1990 (Braunschweiger Werkstücke 78), S. 79–86; Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 299–301. Zu Johann Ulrich König vgl. Max Rosenmüller, Johann Ulrich von König. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Diss. Leipzig 1896; Richard Newald, Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit 1570–1750, München 1951 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 5), S. 405f.; Hellmuth Christian Wolff, von König, Johann Ulrich, in: MGG, Bd. 7 (1958), Sp. 1364– 1366; W. Gordon Marigold, Zu einigen Gelegenheitsdichtungen von Johann Ulrich von König, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 8 (1981), S. 246–250.

167 Auf die eröffnende Widmungsvorrede342 des Verfassers König an das regierende Herzogspaar – und von ihr vorbereitet oder antizipiert – folgen zunächst zwei dramatisierte Anrede[n] des Protagonisten Heinrich und seiner Gemahlin Mechtilde an ihre Durchlauchtigsten Nachkommen, Herzog August Wilhelm und Herzogin Elisabeth Sophie Marie. Darin werden die fernen Nachfahren, ihre glückliche Herrschaft und die damit verbundenen eindrucksvollen Errungenschaften aufs höchste gepriesen, wobei erneut – wie im Epilog zur Oper Henrich der L we – das ,quasi-typologische‘ Paradigma aufgerufen wird, wenn Heinrich der Vogler sich durch August Wilhelm und seine für die Braunschweigischen Lande überaus segensreiche Regierung übertroffen sieht343 und in ihm zuletzt Braunschweigs Salomon und neuen Heinerich erkennt. Insofern wird hier, in der direkten Zuordnung der als Dramatis personae zu neuem Leben erweckten dynastischen Vorgänger zu den Widmungsträgern der Oper, die unmittelbar vorangegangene narrative Reverenz des sich als ,Hermes psychopompos‘ stilisierenden Dichters344 auf der Ebene der Figurenrede gedoppelt und als Inszenierung affirmativer Panegyrik intensiviert.345 Der

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Es fehlet wenig / daß sich heute Heinrich der Dem)thige und seine bescheidene Mechtilde zu keinem Hochmuth verleiten lassen / durch die Ehre / von Ihren Durchlauchtigen Nachkommen sich in solcher Pracht auf ffentlichen Schau-Platz gef)hrt zu sehen. Sie sind so besch mt als best)rtzt / in E. E. Durchl. Durchl. nicht nur alles dasjenige in so vollkommenem Grade zu erblicken / was das Alterthum ehmals von ihnen aufgezeichnet / sondern in vielen St)cken sich noch gar von einem so Durchlauchtigen Paare )bertroffen zu finden. Dennoch k nnen Sie / nach der Eigenschafft hoher und edelm)thiger Seelen / diesen Vorzug an E. E. Durchl. Durchl. so gar nicht beneiden / daß sie sich vielmehr )ber den Glantz und Wachsthum des Braunschweigischen Hauses und ihrer Durchlauchtigsten Nachfolger innigst erfreuen. Ich aber / der Ihnen zu einem F)hrer gedient / )berlasse denselben die Ehre / E.E. Durchl. Durchl. Vollkomenheiten in folgenden Reimen ffentlich zu bewundern und finde meinen Ruhm in dem Gl)cke / E.E. Durchl. Durchl. durch diese Gelegenheit mich einiger massen bekandt gemacht / und vor aller Welt gezeigt zu haben / mit wie vielem Eifer und mit welcher Ehrerbietung ich sey E.E. Durchl. Durchl. unterth nigst-gehorsamster Knecht Joh. Ulr. K nig. Es will des Schicksals Hand heut meine Grufft entriegeln / | Daß ich mich kan in dir / du dich in mir / bespiegeln / | Du Zweig von meinem StaA / Durchlauchtigster August / | [...] Laß seyn / daß du nicht auch wie ich gekr net bist / | Genug / daß dein Verdienst l ngst Kronen-w)rdig ist. | Mir war allein mein Gl)ck in M)h und Krieg beschieden / | Du )bertriffst mich weit / du herrschest hier im Frieden: | Dein h chst-gesegnet Land / dein pr chtiges Saltzthal / | Dein fester Hertzogs-Sitz / dein seltner B)cher-Saal / | Hof / SchauPlatz / hohe Schul / Kirch / Armen-H user / W lle / | Jagd / Zeughaus / Festungs-Bau / Geb ude / G rten / St lle / | Sind Wunder / die ich nie zu meiner Zeit gesehn / | Und welche meinen Staat bey weitem )bergehn. S. o. Anm. 342. So wird beispielsweise der regierende Herzog von seinem Ahnherrn Heinrich einerseits mit einer amplificatio aus für das Genre der Lobrede typischen (und aus unterschiedlichen Kontexten zusammengestellten) Preismetaphern bzw. -apostrophen des guten Herrschers und fürsorglichen Landesvaters bedacht: Schutz-Bild [der Untertanen], Hirt, Gl)cks-Stern, Atlas deines Staats, Vater-Landes Vater und schließlich Braunschweigs Salomon (die beiden letzteren, so suggeriert der folgende Vorbericht, sind dabei Tituli, die nicht zuletzt dem großen Vorfahren selbst zugeordnet sind); andererseits wird August Wilhelms Ruhm dokumentiert anhand einer additiven Reihung, eines Katalogs der mit dem Gepriesenen je

168 ,Auftritt‘ der beiden Opernfiguren manifestiert sich dabei, aufgrund seiner Positionierung innerhalb der Paratexte, lediglich textuell; der imaginären Sprechsituation fehlt die plurimediale Realisierung, wie sie für den anschließenden Haupttext konstitutiv ist. Der nach den Lobreden der beiden Ahnen eingefügte Vorbericht ist allein schon wegen seines Umfanges bemerkenswert: Auf elf Seiten erläutert der Librettist Leben und Taten der Titelfigur Heinrich und seine sich daraus ergebende Konzeption der Oper. Er beginnt zunächst mit der Übertragung des teutsche[n] K yserthum[s] auf Heinrich I. im 920. Jahre, das damit zugleich von den Franken auf die Sachsen gekommen, um anschließend Heinrichs Beinamen (1. der Dem)thige[], 2. der Vogler / Vogelsteller oder Finckeler) historisch einzuordnen, die er (2.) als im wesentlichen nachträgliche Bezeichnungen des Zw lfften und Dreyzehenden Jahrhundert[s] entlarvt. Daran schließen sich Ausführungen zu diversen Aspekten der Numismatik, Diplomatik und Sphragistik für die Zeit Heinrichs I. an, die in den überraschend detailgetreuen Abdruck von Heinrichs Königssignatur und Siegel münden (Abb. 20), und zwar nach Abbildungen in zeitgenössischen Untersuchungen des Hallenser Reichspublizisten Nikolaus Hieronymus Gundling und des Goslarer Diakons Johann Michael Heineccius.346 König wendet sich dann Heinrichs Genealogie zu, wobei er nicht über dessen Großvater Liudolf hinausgeht und die von anderen Autoren vertretene, jahrhundertealte These von der Abstammung des Liudolfingers von Widukind zwar anführt,347 aber unter Berufung auf Leibniz’ und Gundlings Gegenposition zumindest kritisch bewertet und problematisiert. Auch im weiteren Verlauf, bei der ausführlichen Beschreibung von Heinrichs Biographie, bezieht sich König in den Anmerkungen immer wieder einerseits auf zeitgenössische historiographische Schriften – vor allem auf Gundlings Abhandlung De Henrico Aucupe – und stützt sich andererseits auf die für das 10. Jahrhundert maßgeblichen historiographischen Quellen des Widukind von Corvey, des Liud-

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spezifisch verbundenen Machtsymbole, Prestigeobjekte oder repräsentativen und gemeinnützigen Institutionen: Dein h chst-gesegnet Land / dein pr chtiges Saltzthal / | Dein fester Hertzogs-Sitz / dein seltner B)cher-Saal / | Hof / Schau-Platz / hohe Schul / Kirch / ArmenH user / W lle / | Jagd / Zeughaus / Festungs-Bau / Geb ude / G rten / St lle / | Sind Wunder / die ich nie zu meiner Zeit gesehn. Nikolaus Hieronymus Gundling, De Henrico Aucupe Franciae Orientalis Saxonumque rege liber singularis, Halle 1711, Titelblatt u. S. 306; Johann Michael Heineccius, De veteribus Germanorum aliarumque nationum sigillis, eorumque usu et praestantia, Syntagma historicum, Frankfurt u. Leipzig 1709, Tab. IV Nr. 19. – Vgl. die fotografischen Reproduktionen des Siegels Heinrichs I. bei Otto Posse (Hg.), Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751–1806, 5 Bde, Dresden 1909–1913, Bd. 1 (1909): 751–1347: Von Pippin bis Ludwig den Bayern, Tafel 6 Nr. 7, und Hagen Keller, Das neue Bild des Herrschers. Zum Wandel der ,Herrschaftspräsentation‘ unter Otto dem Großen, in: Bernd Schneidmüller u. Stefan Weinfurter (Hgg.), Ottonische Neuanfänge. Symposion zur Ausstellung „Otto der Große, Magdeburg und Europa“, Mainz 2001, S. 189–211, hier S. 200 Abb. 3. „Widukind als Urahn der Liudolfinger ist erst seit dem 12. Jh. bezeugt; weder Widukind von Corvey noch Hrotsvith von Gandersheim kennen ihn als Stammvater der Liudolfinger“: Ursula Peters, Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, S. 163 Anm. 37.

Abb. 20: Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / nachmahls Erwehlter Teutscher K yser (D-W, Textb. Sammelbd 9 [1]), Vorbericht

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170 prand von Cremona, des Fortsetzers Reginos von Prüm sowie die etwas später zu datierende Chronik Thietmars von Merseburg oder die anonym überlieferte Vita Mathildis reginae.348 Für Thietmars Chronik, die Mathilden-Vita, Widukinds Rerum gestarum Saxonicarum libri tres und anderes konnte er dabei auf die entsprechenden Editionen in Leibnizens gerade erschienenen dreibändigen Scriptores rerum Brunsvicensium (1707–1711)349 und bei Heinrich Meibom d. J. (Widukind)350 zurückgreifen. Freilich wählt König aus dem Gesamt des historiographisch Überlieferten vornehmlich Denkwürdiges und Anekdotenhaftes aus, das wohl zu Anfang des 18. Jahrhunderts, zur Entstehungszeit der Oper, entweder „in sagenhafter Verklärung“351 mit der (regionalen) Memoria Heinrichs verbunden war oder speziell für die Darstellung auf der Opernbühne geeignet schien, so etwa die Übermittlung der Wahlnachricht und Übergabe der Reichskleinodien an den zukünftigen König Heinrich, als dieser gerade seiner Lieblingsbeschäftigung, der Vogelbeize, nachgeht. Im einzelnen berichtet der Verfasser zunächst von Heinrichs Jugend und frühen Heldentaten gegen die Dalmanzer, erwähnt seine erste Vermählung mit Hatteburg, die kirchenrechtlich bald für ungültig erklärt wurde, und geht dann näher ein auf Heinrichs zweite Eheschließung mit Mathilde oder Mechtilde, die von dem grossen Witekind herstaAte. Es folgen Ausführungen zu Heinrichs Charakter und persönlichen Vorlieben, wobei König nun auch die anekdotenhafte Erhebung Heinrichs zum König detailliert schildert und anmerkt, daß nicht, wie oft behauptet, Quedlinburg der Ort gewesen sein könne, wo man ihm während der Vogeljagd seine Wahl angekündigt habe, sondern dafür wohl eher Braunschweig in Frage komme, woselbst ohnedem noch heut zu Tage die gemeine Sage geht / daß Heinrich bey Uberbringung der Reichs-Kennzeichen sehr ungehalten worden / weil man ihn in seinem Vogelfange an einem guten Zuge dadurch verhindert. Daß Königs topographische Annahme bzw. Setzung allerdings nicht so sehr von der Existenz der lokalen Sage als vielmehr einer intendierten Reverenz vor dem Spielort Braunschweig und den fürstlichen Adressaten bestimmt gewesen sein dürfte – die Opernhandlung spielt durchweg in Braunschweig und seiner Umgebung –, ist mehr als wahrscheinlich. Von Heinrichs politischen Maßnahmen während seiner Herrschaft erwähnt König insbesondere die Anlage befestigter Plätze, den Burgenbau, zur Abwehr äußerer Bedrohungen (vor allem durch die Ungarn) und die damit zusammenhängenden Aktivitäten zur Förderung der militärischen Verteidigung und des Gemeinschaftslebens innerhalb dieser Siedlungen (M rckte, Gastmahle), wie sie

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Zu den genannten Quellen und ihrer Bedeutung vgl. Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, Stuttgart [usw.] 2000 (Urban-Taschenbücher 473), S. 9–68 u. 249f.; Bernd Schneidmüller, Heinrich I. (919–936), in: ders. u. Stefan Weinfurter (Hgg.), Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), München 2003, S. 15–34 u. 563f. Vgl. Horst Eckert, Gottfried Wilhelm Leibniz’ Scriptores, S. 113f., 116, 137. S. dazu auch o. S. 72. Rerum Germanicarum Tomi III, Helmstedt 1688, Bd. 1, S. 628–663. Bernd Schneidmüller, Heinrich I., S. 34.

171 beispielsweise von Widukind von Corvey beschrieben werden.352 Weiterhin weist er im Rahmen der Erörterung der zu Heinrichs Zeit abgehaltenen RitterSpiele auf Ungenauigkeiten und Zweifelhaftes bei einigen Gelehrten hin, was die oft behauptete Einführung der Turniere in Deutschland durch Heinrich I. betreffe, und kritisiert speziell Rüxners ältere Darstellung,353 räumt zugleich aber ein, daß man doch in diesem Sing-Spiele nicht allzu scrupulös seyn wollen / sondern ihm [= Rüxner] in Beschreibung der grossen Pracht der damahligen Ritter-Spiele um so lieber gefolgt [hat], weil es Gelegenheit zu einer herrlichen Vorstellung gegeben. Daher habe er denn auch für die Dramenhandlung einen ber)hmten Zweykampff ausgewählt, welcher zeit w hrenden AnstandsTractaten des Heinrichs mit den Ungarn vorgegangen seyn soll: den Turnierkampf des ungarischen Gesandten Craco gegen den Regensburger Bürger Hans Dollinger, dessen sagenhafte Geschichte König anschließend breit erzählt. Auch von dem Kriegs-Volck zu Pferde und zu Fuß und von dessen Eintheilung sei verschiedenes in diesem Schau-Spiele eingebracht worden, jedoch geht König darauf nicht näher ein, sondern verweist den Leser in diesem Zusammenhang auf Gundlings Untersuchung De Henrico Aucupe und Johann Philipp Datts De pace Imperii publica. Bemerkenswerterweise benutzt er in der entsprechenden Anmerkung den – vom Hallenser Historiographen Christoph Cellarius im Kontext seines dreistufigen universalgeschichtlichen Epochenmodells eingeführten – periodologischen Mittelalterbegriff (1685),354 wenn er von dem Kriegs-Volck der mittlern Zeiten spricht, und liefert damit, in einem Opernlibretto, ein unzweifelhaftes Indiz für die rasche Akzeptanz und Verbreitung von Cellarius’ profaner Epochentrias Antike-Mittelalter-Neuzeit, die – zumindest im Wissenschaftsdiskurs gelehrter Kreise des norddeutschen Raumes – im Begriff ist, die traditionellen heilsgeschichtlichen Einteilungsschemata der Universalhistorie (,vier Monarchien‘-Lehre, ,sechs Weltalter‘-Schema) zu verdrängen.355 Freilich impliziert Königs Terminologie zugleich die Erfahrung einer historischen Differenz, die Vorstellung eines ,Mittelalters‘, das von der Gegenwart des frühen 18. Jahrhunderts geschieden ist. Ob diese Vorstellung eines ,abgegrenzten Mittelalters‘ auch für die Darstellung der Bühnenhandlung selbst relevant wird, darauf wird bei deren Besprechung noch zurückzukommen sein. Als herausragende Leistung Heinrichs, die sich offensichtlich tief ins kollektive Gedächtnis späterer Zeiten eingegraben hat, wird sodann, gleichsam als Schlußpunkt einer sich steigernden Reihe, die Abwehr der Ungarneinfälle und die Zurückweisung ihrer Tributforderungen gewürdigt. Auch an dieser Stelle

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Vgl. Gerd Althoff, Die Ottonen, S. 53ff. – Freilich ist Königs Einschätzung des Zwecks jener Maßnahmen zur Konzentration des sozialen Lebens in den Burgen doch allzusehr den ,galanten‘ Vorstellungen des frühen 18. Jahrhunderts verpflichtet: damit das grobe BauerVolck durch die B)rgerliche Gemeinschafft zu h flichern Sitten angew hnet w)rde. Georg Rüxner, Anfang, ursprung vnnd herkommen des Thurniers inn Teutscher nation, Simmern 1530. – Eine vermehrte Neuauflage von Rüxners Turnierbuch brachte Sigmund Feyrabend 1566 in Frankfurt a. M. heraus. S. dazu ausführlich o. S. 18f. u. 23f. Vgl. Kap. 1.2.1 und 1.2.2.

172 referiert König eine anekdotisch anmutende Episode, indem er auf die schimpffliche Abfertigung der ungarischen Gesandten mit einem alten kahlgeschornen und seiner Ohren und Schwantzes beraubten Bauer-Hund anstelle der geforderten Tributzahlung verweist: Wor)ber sie [= die Ungarn] hernach mit 300 000. Mann fast gantz Teutschland durchzogen und verheeret / von Heinrichen aber / welcher inzwischen alle F)rsten des Reichs mit ihrer KriegsMacht nach Magdeburg verschrieben hatte / bis aufs Haupt geschlagen worden; deswegen er von allen ein grosser K yser und Vater des Vater-Landes [...] genannt ward. Schließlich gelangt König am Ende seiner gelehrten Einführung im Rahmen eines explizit poetologischen Diskurses zur eigentlichen Konzeption seiner Operndichtung, obgleich dem Leser bereits zuvor die historischen Daten und Fakten mit Blick auf ihre – zumindest partielle – Verwendung und fiktionale Transformation im nachfolgenden Drama präsentiert wurden. Der Autor erläutert zunächst, daß Heinrich zwar eine nat)rliche Schwester gehabt, die amourösen Verwicklungen und dramaturgischen Verstrickungen aber, die sich mit dieser Figur im Verlauf der Handlung ergeben werden, nach Volaterans Bericht ursprünglich Heinrichs Sohn Otto und dessen Beziehung zu einer sch nen Spinnerin betroffen hätten.356 Insofern werden die für die zeitgenössische Opernästhetik obligatorischen fiktiven Liebesverwirrungen von König als im Kern historische Begebenheiten eingeführt und dabei doch in ihrer poetischen Konstruiertheit offengelegt: weil aber Heinrich nicht weniger ein galanter Herr und sonderlicher Liebhaber des sch nen Geschlechts gewesen / habe ich ihm auch in diesem St)cke / wie allen )brigen Personen dieses SchauSpiels / denjenigen Caracter beylegen wollen / welchen die historie selbst an die hand gegeben. Diese ästhetisch-fiktionale Dimension stellt König erst recht heraus, wenn er auf die Gesamtkonzeption seiner Operndichtung rekurriert und selbstbewußt seine Transformation zeitlich divergenter historischer Ereignisse in fiktive bzw. mimetische, dem Wahrscheinlichkeitspostulat unterworfene bühnenadäquate Abläufe betont, daß nämlich fast kein eintziges merckw)rdiges St)cke in Heinrichs Leben zu finden / welches nicht hierinn [ = in diesem SingSpiele] auf den Schau-Platz gebracht / oder dessen in dieser Opera wenigstens nicht gedacht seyn solte. Da es denn vielleicht auch nicht allzuleicht gewesen / so viele anachronismos oder wider die Zeit-Rechnung streitende Dinge durch eine geschickte fiction so wol zu verbinden / daß es dem Leser oder Zuschauer nicht unwahrscheinlich vorkommen muß / als ob alles in einer so kurtzen Zeit

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Vgl. Raffaele Maffei gen. Volaterranus, Commentariorum urbanorum libri octo et triginta, [Frankfurt a. M.] 1603 (zuerst Rom 1506), Sp. 172. Ob sich König hinsichtlich der hier geschilderten Anekdote zwischen Kaiser Otto und der schönen Baldraca, jener jungen Frau niederer Herkunft, die Ottos Annäherungsversuche standhaft zurückweist und dafür vom Kaiser belohnt wird, auch auf Nicolò Minatos Wiener Libretto Baldracca (1679) bezieht, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Immerhin läßt Minatos Dramatisierung der Episode einige augenfällige Parallelen zu Königs Opernhandlung erkennen, wo die Konstellation Otto-Baldracca in der Beziehung Heinrichs des Voglers zu seiner unerkannten Schwester Adelheid aufscheint.

173 geschehen / als zu einem Schauspiel anzuwenden erlaubt ist. Impliziert wird demnach, ganz in aristotelischem Sinne, die auf historischen Fakten basierende „Konstruktion einer möglichen Wirklichkeit“357 im Rahmen der durch die Gattung gesetzten Normen. Nachdem der Librettist für den Fall einer günstigen Aufnahme seiner Oper eine Fortsetzung, einen zweiten Teil in Aussicht gestellt hat, der den Rest von Heinrichs Helden-Thaten auf die Bühne bringen und somit die Opernbiographie vollenden könnte, beschließt er den Vorbericht mit einem Glückwunsch an die mit dem Werk zu ehrende itzt-lebende Hoch-F)rstl. Braunschweigische hohe Herrschafft und spricht zugleich die Hoffnung aus, daß Heinrich der Vogler aber auf dem ber)hmten Braunschweigischen SchauPlatze nicht ungl)cklicher seyn m ge / als ehmahls Heinrich der L we. Damit aber deutet König zweierlei an: daß erstens die zwei Jahre zuvor aufgeführte Oper Henrich der L we (1716) offenbar eine erfolgreiche Rezeption erfahren hat, die wiederum zweitens Anlaß und Ansporn gewesen sein mag für weitere Opernproduktionen, die sich der mittelalterlichen Geschichte der Wolfenbütteler Welfendynastie und ihres Landes annehmen. In diesem Sinne wäre Henrich der L we wirkungsgeschichtlich zum ,Prototyp‘ der Braunschweiger ,dynastischen Mittelalteroper‘ zu Beginn des 18. Jahrhunderts avanciert. Die Reihe der Paratexte wird beschlossen mit verschiedenen Verzeichnissen, die dem Leser die handelnden Personen, Komparsen und Tänze anzeigen und zuletzt die Ver nderungen des Theatri, d. h. die Szenenwechsel innerhalb der drei Akte (I: 4, II: 3, III: 4), sowie die eingesetzten Machinen und Flugwercke vorstellen. Dabei fällt besonders die große Zahl der Bühnenmaschinen (14 Einträge) ins Auge, die als Indikator für eine überdurchschnittlich aufwendige Inszenierung gelten kann.358 Gleich zu Beginn der Oper, noch vor dem Einsatz der Dramenhandlung, gelangt die erste Maschine zum Einsatz: Unter der Ouverture, so bald der Vorhang aufgezogen / bringt der Pegasus oder das Braunschweigische Pferd fliegend das Opern-Buch an des Regierenden Herrn Hertzogs Durchl. Diese inszenierte Übergabe des Librettos an Herzog August Wilhelm ist indes nicht nur eine Geste der Reverenz gegenüber dem fürstlichen Widmungsträger der Oper, sondern dokumentiert gleichermaßen den besonderen Status des gedruckten Textbuchs, seine repräsentative Funktion, sofern es als Speichermedium die Aufführung und damit auch die Dedikation dauerhaft konserviert und auf diese Weise nicht zuletzt der Fama des Widmungsadressaten wie der Spielstätte dient. Diese Zusammenhänge werfen ein Licht auch auf den literarischen Status des Librettos: eines Textes, dessen Funktion sich bei weitem nicht darin erschöpft, „Verständnishilfe während der

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Wolf Schmid, Elemente der Narratologie, Berlin u. New York 2005 (Narratologia 8), S. 34. Zu den bühnentechnischen Möglichkeiten des Hagenmarkt-Theaters vgl. Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 69–72. Chrysander zufolge sollen in Braunschweig zur Zeit Anton Ulrichs „60 Mann von der Leibgarde nebst 2 Officieren“ abkommandiert worden sein, um „bei der Maschinerie“ auszuhelfen (Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 188).

174 Aufführung“359 zu sein, sondern der vielmehr als zwar zur Vertonung bestimmtes, dabei aber doch in sich autonomes literarisches Gebilde begriffen werden kann. Über den konkreten Fall hinaus, für den historischen Typus des Dramma per musica insgesamt belegen dies etwa private Librettosammlungen der Zeit sowie insbesondere die seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts jeweils in mehreren Bänden und Auflagen publizierten und für die Zeitgenossen längst zu ,Klassikern‘ avancierten Libretti Zenos und Metastasios.360 Auch deutsche Librettisten veröffentlichten gelegentlich ihre Operndichtungen in ,gemischten‘ Werkausgaben (etwa Feind, Hunold oder König). Dem widerspricht nicht, daß das Libretto im Rahmen einer konkreten Aufführungssituation freilich nur einen Teil des plurimedialen Systems repräsentiert. Nach solch umfassender Vorbereitung durch das 20 Seiten zählende ,Entree‘ der Paratexte und insbesondere den Vorbericht, der sich mit Blick auf die gültigen methodischen Standards der historiographischen Forschung und wissenschaftlichen Quellenkunde im ganzen wie bei der Behandlung zahlreicher Details fraglos auf der Höhe der Zeit bewegt361 und dabei beinahe seinen paratextuellen Status zu transzendieren scheint, kann endlich die in drei Akte mit insgesamt 39 Szenen gegliederte Opernhandlung einsetzen: I. In der Kapelle der Fürstl. Burg Dankwarderode zu Brunonswik oder Braunschweig scheidet Bischof Sigmund von Halberstadt die Ehe zwischen Herzog Heinrich von Sachsen und seiner ersten Gemahlin Hattburgis. Unmittelbar darauf wird Heinrich mit Mechtilde vermählt. Hattburgis’ Bitte, Heinrich möge sich ihr und ihrem gemeinsamen Sohn Dankwart barmherzig erweisen, kann Heinrich nicht entsprechen und beruft sich dabei auf das Kirchenrecht und sein Gewissen. Allein zurückgeblieben, entschließen sich Hattburgis und Dankwart zur Rache. Die Szenerie wechselt und zeigt Heinrich am Vogel-Herd außerhalb Braunschweigs. Er beklagt die äußeren Zwänge, die ihn zur Scheidung und Neuvermählung verpflichtet haben und zudem seiner Liebe zu einer bislang Unbekannten entgegenstehen. Der Fischer Rudel und seine vermeintliche Schwester Adelheid treten auf. Heinrichs Annäherungsversuche geben Adelheid als die unbekannte Geliebte zu erkennen, doch wird seine Liebe von ihr nicht erwidert. Um Adelheid in seiner Nähe zu wissen, verschafft Heinrich den Geschwistern Anstellung und Wohnung am herzoglichen Hof. Als Heinrich sich in Erwartung eines guten Fang[es] seinem Vogelherd zuwendet, erschallen im Wald plötzlich Post-H rner, die die Ankunft des fränkischen Herzogs Eberhard, des Bruders König Konrads I., ankündigen. Dieser überbringt Heinrich die Nachricht seiner Wahl zum K yser und läßt ihm die Reichsinsignien aushändigen, die in Fritzlar vorgesehene Salbung schlägt Heinrich demütig aus.362 Er hält daraufhin mit Eberhard und den übrigen Gesand-

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Albert Gier, Das Libretto, S. 16. Vgl. dazu etwa Carl Dahlhaus, Dramaturgie der italienischen Oper, S. 99 u. Reinhard Strohm, Dramma per Musica, S. 1. Johann Ulrich König könnte grundlegende Kenntnisse im Bereich der historischen Wissenschaften (Historie und deren Hilfswissenschaften) während eines Theologiestudiums in Tübingen erworben und diese dann späterhin autodidaktisch weiterentwickelt haben. König verwendet generell den Terminus K yser anstelle der – historisch korrekten – Königstitulatur für Heinrich I. (und auch für dessen Vorgänger Konrad I.). Dies dürfte nicht zuletzt mit einer – historisch ungenauen – Rückübertragung der zeitgenössischen Zustände und des üblichen Sprachgebrauchs zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf die Zeit des frühen 10. Jahrhunderts in Zusammenhang zu bringen sein, nahmen doch die deutschen Könige seit Maximilian I. (1508) mit der Königswahl den Titel „Erwählter römischer

175 ten feierlich Einzug in Braunschweig und empfängt die Huldigung seiner Untertanen. Graf Thietmar von Wettin meldet alsbald die Ankunft des ungarischen Gesandten Fürst Craco, der gekommen ist, den bisher bewilligten Tribut einzufordern. Unwillig läßt der K yser die Audienz vorbereiten und verfügt überdies, daß Adelheid dazu prächtig mit Kleidern ausgestattet werde. Unterdessen deutet Thietmar der ungläubigen Mechtilde gegenüber Heinrichs Untreue an und gesteht ihr zugleich seine Liebe. Eine eingeschobene Szene zeigt Rudel im Kreis der herzoglichen Jäger im neuen J ger-Kleide, bevor sich das Bühnenbild in einen grosse[n] Audienz-Saal verwandelt, wo Heinrich den ungarischen Woywoden Craco im Rahmen eines prächtigen Zeremoniells empfängt. Anstelle der erwarteten Tributleistung läßt Heinrich Craco jedoch einen kahlgeschorenen Hund überbringen und weist damit dessen Forderung harsch zurück. Erzürnt über diese Verhöhnung schwört Craco Rache und kündigt zur Vergeltung einen Feldzug seines Volkes an. Hattburgis erscheint in Ungarischer m nnlicher Kleidung und überreicht Heinrich unerkannt einen Brief, der auf ihren Selbstmord hindeuten und dadurch Heinrichs Empfindungen für sie erneut wecken soll. Als dieser Täuschungsversuch mißlingt, da Heinrich seine inneren Regungen zu beherrschen weiß, wendet sie sich an die höllischen Mächte, um ihre Rache in die Tat umzusetzen. Dabei, so teilt sie dem hinzutretenden Dankwart mit, werde ihr nicht zuletzt ihr Verbündeter Craco mit seinen Zauberkräften behilflich sein. II. Rudel hat Adelheid, ohne deren Wissen, zum Stelldichein mit Heinrich ins Braunschweigische Zeug-Haus geführt. Als Heinrich eintrifft und sie seiner Liebe versichert, reagiert sie verstört und abweisend. Das Rendezvous wird jäh beendet durch den Auftritt Thietmars, Eberhards und Mechtildes: Heinrich muß sich verstellen und empfängt verdutzt Mechtildes Liebeserklärung. Daraufhin nimmt der K yser eine Heerschau ab und verkündet seine Maßnahmen zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft, etwa die Befestigung der Siedlungen, die Versorgung der Krieger durch die übrige Bevölkerung und die Praxis der Turnier- und Ritterspiele. Die Szenerie wechselt und zeigt ein lustiges Thal mit Alléen von B umen an einem Teiche / im prospect die Braunschweigis. Burg Dankwerderode mit einem Theil der Stadt. Hattburgis, Craco und Dankwart nähern sich dem beim Vogelherd schlafenden Heinrich. Mit einer Zaubergerte beschwört Hattburgis die

–––––––— Kaiser“ an (vgl. dazu den Untertitel von Königs Operndichtung: Heinrich der Vogler [...] nachmahls Erwehlter Teutscher K yser). Mit Karl V. empfing 1530 zum letzten Mal ein römisch-deutscher Kaiser die einst konstitutive Weihe durch den Papst (vgl. Hans-Werner Goetz, Kaiser, Kaisertum. I. Westen, in: LexMA, Bd. 5 [1991], Sp. 851–853, hier Sp. 852). Für diese Rückübertragungsthese – die Bezeichnung der Institution des Herrscheramtes wird von der Gegenwart des 18. Jahrhunderts auf die Vergangenheit projiziert, und zwar aufgrund einer supponierten Identität und Kontinuität derselben über die Jahrhunderte hinweg – mag auch sprechen, daß König im Vorbericht die historischen Zusammenhänge korrekt darstellt: Wie denn unser Heinrich in alten Schrifften oder Jahr-Büchern niemahl IMPERATOR, wohl aber REX genannt worden. Welches einige von Hrn. Rath Gundling zusammen gesaAlete alte Diplomata des Heinrichs bezeugen. Beispielsweise führt auch der Braunschweiger Pastor und Historiograph Philipp Julius Rehtmeyer Heinrich I. in seiner 1722 publizierten Chronik als Kaiser auf (Braunschweig-L(neburgische Chronica, Bd. 1, S. 183ff.). Eine vergleichbare Projektion findet sich in der Huldigungsarie des Eberhard an Heinrich den Vogler in Szene I, 6, wo es heißt: Der Himmel schenckt dem W)rdigsten die Krone / | Kein F)rst verdient sie so wie du. | Laß unter dir des dopplen Adlers Klauen | Uns nun gesch rfft nach unsern Feinden schauen / | Und mit den Fl)geln deck uns zu. Hier wird in der Apostrophe Heinrichs als des dopplen Adlers das (zeitgenössische) heraldische Emblem der römisch-deutschen Kaiser (Doppeladler) evoziert, das in dieser Gestalt offiziell zuerst bei Kaiser Sigismund (1433) Verwendung fand und von da an bis zum Ende des Alten Reiches (1806) dauerhaft als Kaiser- und Reichswappen fungierte. – Anders dagegen Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, die in Königs Kaisertitulatur eine absichtliche Aufwertung des Protagonisten Heinrich „im braunschweigischen Sinne“ zu erkennen glaubt (S. 300).

176 Mächte der Unterwelt, Heinrich zu töten. Nachdem sich Hattburgis entfernt hat, schicken sich die Höllengeister an, über den Schlafenden herzufallen, werden aber in die Flucht geschlagen durch die Ankunft der ewigen Vorsehung, die mit der Historie, der Wahrheit und dem gute[n] Ger)chte herabschwebt, um Heinrich eine für ihn und die Geschicke seiner Dynastie glückliche Zukunft zu verheißen und den Schlafenden zuletzt mit sich fortzuführen. Auf der Braunschweiger-Messe zeigt sich Mechtilde unterdessen besorgt über Heinrichs Fernbleiben; sie wird erneut von Thietmar bedrängt, weist dessen amouröse Begehrlichkeiten aber umso heftiger zurück. Auch Adelheid tritt auf und wird nun ihrerseits von Dankwart zur Liebe gedrängt. Allein die Ankunft des Herzogs Eberhard kann die sich sträubende Adelheid vor Schlimmerem bewahren. Sein aufrichtiges Liebesbegehren scheint ihre Gefühle für sich einzunehmen. Nach Eberhards Abgang erscheint überraschend Heinrich, um Adelheid neue Avancen zu machen. Abermals wird er in seinem Vorhaben von der hinzutretenden Mechtilde gestört, macht bei dieser Gelegenheit aber Adelheid zu Mechtildes Hofdame. Schließlich kommt Thietmar mit Abgeordneten des Braunschweiger Rats herbei, um den K yser um das Brau-Recht zu bitten. Heinrich willigt ein und bestimmt ferner, daß fortan alle Märkte und Gastmähler in den Städten abzuhalten seien. Mit einem Loblied auf Braunschweig und die Mumme, das traditionelle Braunschweiger Bier, im heimischen niederdeutschen Dialekt beschließt Rudel den Akt inmitten bunten Markttreibens. III. Zum dritten Mal setzt Thietmar Mechtilde unter Druck, indem er ihr Heinrichs Untreue vorhält und seine maßgebliche Rolle bei Heinrichs Werbung um sie vorbringt; sie verweist jedoch auf ihre Abstammung aus Witekinds uraltem Stamme und straft seine Ambitionen mit Verachtung. Darauf trifft sie auf Adelheid, befragt diese nach ihrer Beziehung zu Heinrich und überzeugt sich von ihrem Edelmuth und standhafter Gesinnung. Adelheid begegnet wiederum Eberhard, der ihr erneut seine Liebe gesteht. Gemeinsam eilen sie zum Braunschweigischen J ger-Hause, um im Beisein des Hofes Heinrichs Kampf gegen eine Schar wilder Tiere beizuwohnen. Als Thietmar Heinrichs siegreiche Stärke preist, Craco sich aber despektierlich äußert, fordert ihn Thietmar zum Zweikampf heraus. Im folgenden unternimmt Heinrich einen weiteren Versuch, sich Adelheid allein zu nähern. Sie bleibt aber stets standhaft und läßt sich auch nicht durch Gewaltandrohung dazu bewegen, auf Heinrichs Ansinnen einzugehen, so daß dieser letztlich sich selbst überwindet und seinen amourösen Absichten entsagt. Dankwart nutzt die Gelegenheit, um einen Anschlag gegen seinen Vater auszuführen, wird daran aber von Adelheid und der herbeieilenden Mechtilde gehindert und kann zuletzt entkommen. Vor dem Turnierkampf sucht Thietmar, ganz geharnischt / wie er zum Turnir bewaffnet seyn muß, Mechtilde auf und bittet sie um Vergebung für sein Fehlverhalten. Mechtilde verzeiht ihm, worauf er ihr Adelheids wahre Identität entdeckt. In einer sch ne[n] Grotte, in welcher viele rudera von allerhand durch Heinrich zerst rten G tzen-Bildern verschiedener nationen zu sehen, haben sich währenddessen Hattburgis, Craco und Dankwart versammelt, um sich vor dem Turnier zu beraten. Als Craco und sein Begleiter Dankwart aufgebrochen sind, beschwört Hattburgis auf Cracos Geheiß den Schutz der Mächte der Finsternis. Sie wird jedoch durch den Geist ihres früheren Gemahls und ein plötzlich einsetzendes Erdbeben an der Ausführung ihres Plans gehindert. Mit einem prächtigen Aufzug beginnt sodann das Turnier, in dessen Verlauf Craco von Thietmar besiegt und getötet wird. Auf Mechtildes Initiative gibt sich Adelheid alsbald Heinrich als dessen Schwester zu erkennen, die Thietmar auf Befehl ihres Vaters Otto einst bei Rudels Eltern aufziehen ließ. Schließlich ernennt Heinrich Thietmar wegen seiner Verdienste zum ersten Markgrafen von Meißen und vermählt seine Schwester Adelheid mit Herzog Eberhard. Während Dankwart von Wahnvorstellungen gepeinigt wird, tritt Hattburgis auf und verkündet reuevoll ihren Rückzug aus der Welt. Heinrich aber läßt die Fürsten mit ihren Kriegsverbänden nach Magdeburg einberufen, um sich gemeinsam den Ungarn entgegenzustellen. In der Schlußszene erscheint der Geist des Herzogs Bruno, des Erbauers und Stiffters der nach seinem Nahmen genannten Stadt Brunons-wik oder Braunschweig, um sowohl Heinrichs baldigen Triumph über die Ungarn als auch die Prosperität Braunschweigs unter ihrem fernen Nachkommen August Wilhelm zu prophezeien.

177 Im Ansatz mag deutlich geworden sein, auf welchen strukturalen Prinzipien Königs Operndichtung beruht. Die dramaturgische Anlage pendelt gewissermaßen zwischen zwei Polen: zum einen den auf Öffentlichkeit und Repräsentation setzenden politischen Aufzugs- und Massenszenen, d. h. den Haupt- und Staatsaktionen, die konkret auf Elemente der mittelalterlichen Historie bzw. signifikante, z. T. sagenhafte Episoden der Biographie Heinrichs I. rekurrieren und diese gleichsam als kaleidoskopartig arrangierte Versatzstücke in fiktionaler Transformation präsentieren; zum anderen den eher dem Bereich des Privaten zuzuordnenden amourösen und konflikthaften personalen Verwicklungen, die wiederum als fiktionales dramaturgisches Gerüst fungieren, dem sich die politischen Szenen einordnen: So motiviert Heinrichs Verbindung mit Mechtilde und die damit einhergehende Zurückweisung der Hattburgis gleich zu Beginn den Zorn und die späterhin – aufgrund des Bündnisses mit dem Ungarn Craco – politisch brisante Intrige der letztgenannten und ihres Sohnes Dankwart; seine permanente Werbung um Adelheid zieht nicht nur Mechtildes Mißtrauen, sondern auch Thietmars unziemliche, intrigante Annäherung an Mechtilde nach sich und begründet endgültig Hattburgis’ Rachebegehren gegenüber Heinrich. Einzig Eberhards Zuneigung zu Adelheid erscheint als intakte und späterhin sanktionierte Figurenbeziehung. Während der Protagonist Heinrich am Ende, aufgrund des hartnäckigen Widerstandes der von ihm umworbenen Adelheid, zurückfindet auf den ,Pfad der Tugend‘ und durch Überwindung der eigenen Leidenschaften dem zeitgenössischen Ideal des tugendhaften Herrschers gerecht wird, zeigt sich bei Adelheid von Anfang an ihre verborgene adlige Herkunft in der Perpetuierung ihrer Standhaftigkeit und – damit zusammenhängend – in dem von ihr propagierten normativen Ethos aufrichtiger und ehrbarer Liebe. Dieses Bündel romanhaft ineinander verschlungener, teils amouröser, teils gestörter Figurenbeziehungen mit der zentralen Intrige um Heinrich und Adelheid bildet den Dreh- und Angelpunkt des ,musikalischen Dramas‘, sofern es Gelegenheit gibt zu unterschiedlichsten, situational bedingten und bisweilen deutlich miteinander kontrastierenden Affektregungen der einzelnen Figuren.363 In diesem Sinne mag vom dramaturgischen Substrat des Dramma per musica gesprochen werden, das, wie bekannt, bei immer neuen Variationen auf der Oberflächenstruktur konstitutiv für die zeitgenössische Operndichtung ist. Die Spezifik von Königs Libretto zeigt sich nun weniger in der recht konventionellen Disposition der Intrigenstruktur und der Liebesabenteuer – wenngleich die simultane Verstrickung des Protagonisten Heinrich in Beziehungen zu drei Frauenfiguren durchaus hervorsticht –, eher schon in den märchenhaft-phantastischen Zauber- und Geisterszenen (mit Craco, Hattburgis und Dankwart im Mittelpunkt), die als Ausprägungen des meraviglioso, jener

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Dies gilt für die Gefühlsäußerungen einer einzigen Figur, etwa der zu Beginn zwischen Liebe und Haß schwankenden Hattburgis (Heinrichs Arien verbleiben dagegen, wenn auch mit Abstufungen, sämtlich im Bereich der Liebesthematik), besonders aber für das Nacheinander der jeweils von den einzelnen Figuren geäußerten Affekte.

178 Ästhetik des Wunderbaren, die Gattung seit ihren Anfängen topisch begleiten und Raum für zahlreiche Bühneneffekte eröffnen, insbesondere aber in den sich einigermaßen gleichmäßig über die Oper verteilenden Aufzugs- und Massenszenen sowie Szenen mit dynastischen Implikationen (I, 1, 6, 7, 11; II, 4, 7, 12; III, 4, 11, 12, 13). Diese sind mehr oder minder fest in die Intrigenstruktur des Dramas integriert, etwa wenn durch die Beziehung der Hattburgis zu Craco die Sphäre der privaten (Liebes-)Verwicklungen mit dem politischen Konflikt zwischen zwei feindlichen Völkern364 verbunden wird, und beziehen sich zumeist auf die im Vorbericht erörterten historischen Details, fungieren somit vornehmlich als Träger des historisch-politischen Substrats der Oper. Auffällig ist, wie sehr König in den zugehörigen Bühnenanweisungen, die manchmal eine ganze Seite einnehmen, darum bemüht scheint, präzise Vorgaben für Bühnenbild, Kulissen und Kostümierung zu machen und selbst kleinste Details anzuzeigen. Auf diese Weise entstehen höchst individuelle Tableaus, die mit den einfachen, universell einsetzbaren und immer wiederkehrenden (und daher Kosten sparenden) Bühnenbild- und Requisitentypen zeitgenössischer Inszenierungen,365 die den Schauplatz in „abstrakter Stilisierung“ vorstellen,366

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Zugleich dürfte in der Auseinandersetzung Heinrichs mit den heidnischen Ungarn der für die Zeitgenossen hochaktuelle Abwehrkampf des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und der Habsburger Kaiser gegen die Türken konnotiert sein. Immerhin deuten etwa die Beschreibung von Cracos märchenhaft-exotisch anmutender, furchterregender Ausrüstung für den Turnierkampf (Sein Harnisch ist ein langer Rock aus einer ElephantenHaut / worauf dicke eiserne Schuppen genagelt / sein Helm von gegossenem Metall zwey Pfund schwer / und sein Schwerdt dritthalb Ehlen lang und einer guten Manns-Hand breit / sein Schild ist gantz st hlern / hell polirt wie ein Spiegel / worauf ein Drache mit einem Speer gemahlt: III, 11) sowie generell sein Auftreten als ominöser heidnischer Magier in diese Richtung. Davon abgesehen kreisten die Kriege zwischen den Habsburger Kaisern und den Osmanen seit zwei Jahrhunderten um die (Rück-)Eroberung des Königreichs Ungarn. Etwa: Ein Flecken nahe bei der Stadt; Der Judith Vorgemach; Ein grosser Saal wie ein Tempel von lauter S ulen / mit einem Thron; Der Judith Garten mit einem sch nen Lustund Garten-Hause; Ein grosser Platz mit des Lotharii Castel. Beispiele aus: L’INNOCENZA DIFESA Drama per Musica Con Prologo Da Rappresentarsi Al Teatro Ducal Di Wolfenbuttel Festeggiandosi Il Nome Gloriosissimo Della Sac. Ces. E Catt. Real Maestà Di Elisabeta Cristina Imperadrice Regnante DIE BESCH(TZTE UNSCHULD In einer Opera Nebst einem Prologo vorgestellet Auf dem Hoch-F(rstl. Theatro zu Wolfenb(ttel [...] [1722?] (D-W, Textb. 685). – Zur Typologie des barocken Bühnenbildes s. Harald Zielske, Handlungsort und Bühnenbild im 17. Jahrhundert. Untersuchungen zur Raumdarstellung im europäischen Barocktheater, Diss. Berlin 1965, und zuletzt Bernhard Jahn, Die Sinne und die Oper. Sinnlichkeit und das Problem ihrer Versprachlichung im Musiktheater des nord- und mitteldeutschen Raumes (1680–1740), Tübingen 2005 (Theatron 45), S. 82–104. Schon der zeitgenössische Operntheoretiker Claude-François Ménestrier unterscheidet in seinem Traktat Des Représentations en Musique Anciennes et Modernes (Paris 1681) elf Dekorationstypen (Decorations), deren Einteilung auf der Fragestellung zu beruhen scheint, „was für eine dramatische Szene in einer bestimmten Dekoration dargestellt werden kann, welcher stoffliche Inhalt sich mit dem einzelnen Bühnenbild verbinden läßt“ (Harald Zielske, Handlungsort und Bühnenbild, S. 40): 1. Les Celestes, 2. Les Sacrées, 3. Les Militaires, 4. Les Rustiques ou Champétres, 5. Les Maritimes, 6. Les Royales, 7. Les Civiles, 8. Les Historiques, 9. Les Poetiques, 10. Les Magiques und 11. Les Academiques.

179 kaum mehr etwas gemein haben, sondern eher an „historisierende Ausstattungsinszenierungen des neunzehnten Jahrhunderts“367 denken lassen. Insgesamt tendiert König dazu, immer wieder den Handlungs- und gleichzeitig Spielort Braunschweig in den einzelnen Bühnenanweisungen deutlich zu markieren, sei es durch die Präsentation einzelner Baulichkeiten, Straßenzüge und mit dem Stadtbild verbundener Institutionen als Bühnenarchitektur368 oder durch die Darstellung der Stadtsilhouette im Prospekt,369 einerseits um dem Bühnen-

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Bezogen auf Ménestriers Systematisierung ließen sich die oben genannten Beispiele aus L’innocenza difesa mit einer Ausnahme (Ein Flecken nahe bei der Stadt = Rustique) dem Typus Royale zuordnen: Les Royales sont des Palais, des Trones, des Façades de bâtimens enrichies de Colomnes, de Statues, & d’autres ornemens, des Balcons, des Sales, des Galeries, des Appartemens, des Cabinets, des Jardins, des Fontaines, des Lits d’honneur, des Ecuries remplies des Chevaux de prix, des Garderobes, des Tresors, &c. (zit. nach Harald Zielske, Handlungsort und Bühnenbild, S. 38 ; vgl. Heinz Becker [Hg.], Quellentexte zur Konzeption der europäischen Oper im 17. Jahrhundert, Kassel [usw.] 1981 [Musikwissenschaftliche Arbeiten 27], S. 85–88). Manfred Pfister, Das Drama, S. 346. – Zwar zeigt auch das barocke Bühnenbild des 16. bis 18. Jahrhunderts bisweilen historisch-lokale Bezüge, etwa im Sinne von Ménestriers Decorations Historiques (Les Historiques sont les Villes particulieres Rome, Athenes, Constantinople, Thebes, certains endroits de la Grece ou de la Thessalie, ou de l’Europe, où se sont faites les actions qu’on represente, l’Antre de la Sybille, l’Antre de Cacus, &c.: zit. nach Harald Zielske, Handlungsort und Bühnenbild, S. 39), doch sind dies offensichtlich Sonderfälle „unter der größeren Zahl der übrigen, örtlich und zeitlich neutralen Dekorationstypen des Barockbühnenbildes“: Harald Zielske, Handlungsort und Bühnenbild, S. 80. Eine den Wahrscheinlichkeitscharakter der Bühnenhandlung unterstützende Markierung unverwechselbarer (meist heimischer) Topographien (Couleur locale) läßt – hin und wieder – insbesondere das norddeutsche Musiktheater um 1700 (Hamburg, Braunschweig) erkennen (ebd., S. 74–76; Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 158). Manfred Pfister, Das Drama, S. 351. I, 1: Ein Vorhof mit der Schloß-Capelle in der Fürstl. Burg Dankwarderode zu Brunonswik oder Braunschweig / welche zu der bestimmten Trauung ausgeschm)ckt / Oben eine Gallerie, worauf ein Chor S nger und Instrumentisten / die sich unter währendem Eintritt des Hofes h ren lassen; I, 7: Eine Gasse in Braunschweig mit Pyramiden / Ehren-Pforten und andern S ulen ausgeschm)ckt [...] In der Mitte Heinrichs Bild-S ule zu Pferde; II, 1: Das Braunschweigische Zeug-Haus von innen / worinn ein grosser Vorrath von allerhand Arten der damahligen Kriegs-Ger thschafft zu sehen / davon dem Land-Volcke Gewehr ausgetheilet wird. In der Mitte ist ein grosser Hof / welcher zu der damahls so genannten Heer-Schau oder J hrliche Musterung dienet / woselbst das Land-Volck exercirt wird. Mitten in dem Platze stehen einige Scheiben / nach welchen mit der Armbrust geschossen wird. Hinten sieht man die von Heinrich neu-aufgerichtete Magazin-H user mit Treppen / auf welchen das Land-Volck auf- und absteigt / und in S cken den dritten Theil der erbaueten Fr)chte auf K yserl. Befehl einliefert; II, 8: Der Schauplatz stellt vor die Braunschweiger-Messe nebst denen dazu neu-erbauten Gew lbern und vornehmsten Prospecten / mit allerhand Kramladen / Gark)chen / Lauben / Zelten / nebst allen auf einer grossen Messe befindl. Zur)stungen / Ger thschafften und gew hnl. Belustigungen / mit vielen K uffern / Verk uffern / und anderm Volcke. II, 5: Ein lustiges Thal mit Alléen von B umen an einem Teiche / im prospect die Braunschweigis. Burg Dankwerderode mit einem Theil der Stadt / welche Heinrich mit Mauren und Graben befestigen l ßt / woran man viele gefangene Wenden / Dalmanzer / Sorben und andere Kriegs-Gefangene in Fesseln arbeiten sieht. Heinrich vornen an einem kleinen H)gel schlaffend.

180 geschehen illusionistisch historisch-realistische Züge zu verleihen, andererseits aber wohl auch, um der Gruppe der einheimischen Leser und Zuschauer als Angehörigen der städtischen und im weiteren Sinne territorialstaatlichen Gemeinschaft mit der Evozierung eines bestimmten Lokalkolorits nicht nur „Schauplätze ihrer Interaktionsformen“, wie Jan Assmann mit Blick auf den Raum-/Zeitbezug des kollektiven Gedächtnisses formuliert hat, sondern offenbar vor allem „Symbole ihrer Identität und Anhaltspunkte ihrer Erinnerung“ zu vergegenwärtigen.370 Indem nun König zuvorderst für die politischen Aufzugs- und Massenszenen (I, 1, 7, 11; III, 4, 11) minutiös die Ausstattung des Bühnenraums und das Figurenarrangement beschreibt, scheint er damit sowohl auf „selbstzweckhaftspektakuläre Schaueffekte“371 abzielen als auch die historisch-individuellen Züge der Oper und ihres dynastisch motivierten Stoffes hervorkehren zu wollen. So läßt König beispielsweise in I, 11 die Audienz des Fürsten Craco am Hof Heinrichs I. als prunkvolles Zeremonialbild erstehen, das die Titelfigur auf dem Thron in K yserl. Ornate, mit Scepter und Krone zeigt, auf beiden Seiten umgeben von insgesamt je sechs Fürsten (alle mit einem F)rsten-Mantel und F)rsten-Hute bedeckt) und ihnen zugeordneten Herolden (bey jedem ein Herold mit einem Wapen-Rocke / auf welchem seines F)rsten Wapen gestickt) sowie zehn Panner-Herren (mit so vielen Panieren / worinn die Wapen der zehen vornehmsten erb-eigenth)mlichen Landschafften des Heinrichs zu sehen / als: das Wapen von Braunschweig / von L)neburg / von Sachsen / Westphalen / Engern / Th)ringen / Hessen / Magdeburg / Merseburg / und der Wetterau);

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Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 39. – U. a. diesen Zweck darf man wohl auch und gerade der (anachronistisch anmutenden) Szenerie der Braunschweiger Messe, die anspielt auf historiographische Berichte (etwa Widukinds von Corvey) über Heinrichs Maßnahmen zur Konzentration des Gemeinschaftslebens innerhalb der befestigten Siedlungen, sowie insbesondere Rudels niederdeutschem ,Mummelied‘ zuschreiben, das als derbkomisches Loblied auf Braunschweig und die Mumme anscheinend rasch Eingang ins kollektive Gedächtnis gefunden hat und „noch heute“, so Richard Moderhack, „in Braunschweig allgemein bekannt ist“ (Braunschweiger Stadtgeschichte, S. 130): Br nsewick du leife Stadt | Vor vel dusend St dten / | Die sau sch ne Mumme hat / | Da ick Worst kan freten / | Mumme schmeckt nochmal sau fien | Aß Tockay un Moßler Wien / | Schlackworst f)llt den Magen; | Mumme fettet Neiren-Talg / | Kann dei Winne uht den Balg | Aß ein Schnaps verjagen (1. Strophe). Ob dieses Lied genuiner Teil der Oper war oder aber bereits zuvor als ,Gassenschlager‘ kursierte, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Die dritte Strophe könnte – allerdings nur unter der Prämisse, daß sie nicht von König nachträglich hinzugedichtet wurde – die erste Annahme plausibel erscheinen lassen, insofern sie inhaltlich den Bezug zur Oper herstellt: Hinric mag dei V ggel fangen / | Drosseln / Arthschen / Fincken / | Lopen mit der Liemen-Stangen / | Ick wil Mumme drincken. | Vor de Schlackworst lat ick stahn | Sienen besten Uer-Hahn: | Kann ick Worst geneiten / | Seih ick my nah nist mehr um / | Lat darup fief St fken Mumm’ | D r de Kehle fleiten. – Überdies reflektiert die in den historischen Stoff montierte realistische Messeszenerie freilich auch das Selbstverständnis und Selbstbewußtsein Braunschweigs (und seiner Bürgerschaft) als durch die Zeiten bedeutenden Handelszentrums im norddeutschen Raum. Bereits im Prolog zur Oper Cleopatra (1690/91) war die Braunschweiger Messe – damals als konkretes Abbild der zeitgenössischen Verhältnisse – auf die Opernbühne gelangt (s. o. S. 137f.). Manfred Pfister, Das Drama, S. 347f.

181 Heinrich gegenüber thront Mechtilde, gleichfalls in K yserl. Schmucke mit vielem Frauenzimmer umgeben, während Thietmar und Dankwart die übrigen Insignien kaiserlicher Herrschaft präsentieren (Reichsschwert, -apfel und Lanze).372 Unter T[r]ompeten- und Paucken-Schall f)hren zween K yserl. Ceremonien-Meister in Wapen-R cken / worauf hinten und vornen der Reichsadler gestickt / mit Marchall-St ben den Woywoden Craco nebst den )brigen Ungarischen Abgesandten zur Audienz. Wohl kaum spiegelt diese glanzvolle Ausstattungsszene authentisch die Verhältnisse des 10. Jahrhunderts.373 Gleichwohl manifestiert sich in Königs Bühnenanweisungen der Versuch, in realistischer Konkretisierung Zeremonialpraxis und höfische Repräsentation einer Zeit darzustellen (und zwar offenbar des 15. und 16. Jahrhunderts), die vom zeitgenössischen Publikum nicht mehr der eigenen Gegenwart zugeordnet, sondern als Chiffre einer vergangenen Epoche aufgefaßt werden,374 und zwar, in Königs Terminologie, der mittlern Zeiten. Daß bei der Beschreibung von Bühnenbild und Kostümen anscheinend Muster des 15. und 16. Jahrhunderts dominieren und auf frühere Zeiten übertragen werden, mag nicht zuletzt auf die Verbreitung und Greifbarkeit entsprechender ikonographischer Modelle vornehmlich in Druckwerken aus jener Zeit sowie ihren Einfluß auf die visuelle Vorstellung vom ,Mittelalter‘ noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts zurückzuführen sein.375

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Bereits in den Szenen I, 6 und I, 7 wurde mit der zeremoniellen Präsentation und Übergabe der Reichsinsignien Heinrichs neu erlangte kaiserliche Würde angezeigt: Eberhard: Hiebey hab ich die Zeichen h chster Macht | Reichs-Apffel / Krone / Scepter / Schwerdt | Und diese Lantze mitgebracht / | Du wirst damit theils auf die Feinde blitzen / | Theils auch dadurch dein treues Volck besch)tzen. – Bühnenanweisung: Einige Pagen bringen die Reichs-Insignien auf sammtnen K)ssen herbey: I, 6; Jeder von den Gesandten h lt ein St)cke von den Reichs-Kleinodien vor sich: I, 7. Zweifellos dürfte diese wiederholte szenische Vergegenwärtigung von Heinrichs kaiserlichem bzw. imperialem königlichen Status zugleich anspielen auf die Kaiserwürde der früheren welfischen Prinzessin Elisabeth Christine und den damit verbundenen ,Aufstieg‘ des Wolfenbütteler Welfenhauses an der Seite des Habsburger Kaisers Karl VI. (s. o. S. 161–165; vgl. etwa auch Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 300). Beispielsweise sind die von den Herolden getragenen Wappenröcke, als „Amtskleid der spätma. Herolde“, wohl nicht vor dem ausgehenden 14. Jahrhundert aufgekommen (vgl. Ortwin Gamber, Heroldsrock, in: LexMA, Bd. 4 [1989], Sp. 2175). Ganz in diesem Sinne erläutert etwa Zedlers Universal-Lexicon den von König verwendeten Begriff Panner-Herr: Banner-Herrn waren v o r d i e s e m diejenigen, welche nicht allein die Soldaten in die Schlacht f)hrten, sondern auch sonst zu befehlen hatten. Und gleich wie i n d e n e n a l t e n Z e i t e n diejenigen, welche eine Herrschafft )ber andere hatten, mit Fahnen regalirt wurden; also kamen die Fahnen insonderheit denen Bannerherren zu, denn sie bedienten sich derselben, wenn sie wider die Feinde auszogen, und die unter ihrem Commando stehenden zur Tapfferkeit, zu Besch)tzung des Vaterlandes, und zu Rettung der Ehre ihres Volcks ausf)hrten; Es hatten auch diese Bannerherren vor denen andern von Adel eine besondere Freyheit und Praeferenz: UniversalLexicon, Bd. 3 (1733), Sp. 353 (Hervorhebung d. V.). So beklagt etwa der italienische Mediävist Ludovico Antonio Muratori (1672–1750), als er über die Langobarden arbeitet, „daß die meisten Menschen ihre Vorstellung von diesem Volk aus den grobschlächtigen Holzschnitten bezögen, die vor 150 Jahren als Illustrationen für ein Buch des (von Muratori besonders verachteten) Wolfgang Lazius über die

182 Eine vergleichbare historisierende Tendenz – Bühnenbild und Ausstattung scheinen sich gerade nicht am „Formenkanon der Uraufführungszeit“376 zu orientieren – lassen etwa auch die beiden folgenden Inszenierungsanweisungen des Nebentextes erkennen, erstens: Das Braunschweigische Zeug-Haus von innen / worinn ein grosser Vorrath von allerhand Arten der damahligen Kriegsger thschafft zu sehen (II, 1), zweitens: Thietmar mit einigen Abgeordneten des Braunschweigischen Raths / in damahls gew hnlicher Tracht (II, 12), sowie vor allem die Turnierszene im dritten Akt (III, 11). Dort entwirft König für den Zweikampf zwischen Craco und Thietmar, der in der Oper aus dramaturgischen Gründen an die Stelle des im Vorbericht genannten Regensburger Bürgers Hans Dollinger tritt, ein prächtiges Tableau und schreibt sehr genau vor, wie sich der Aufzug der beiden Turniergegner und ihres Gefolges auf der Bühne zu vollziehen hat. Er beginnt mit der Ausstattung des von Schrancken umhegten Turnierplatzes,377 zeigt dann die Aufstellung der Zuschauer, Turnierrichter und insbesondere des kaiserlichen Hofstaats in Logen, auf B)hnen und Gallerien an und beschreibt schließlich detailliert das Aufzugszeremoniell: Zuerst kommen einige damahls so gena@te Einspenniger oder K yserl. Reuter / hernach 4 K yserl. Trompeter mit ihrem Paucker / alsdenn zwey Herolde in ihren WapenR cken / alle zu Pferde. Die Pferde sind mit Federstutzen / Quasten und Schwanckriemen geziert. Alsdenn zieht Graf Thietmar gantz geharnischt in die Schrancken / auf einem zum Streit herrlich ausgeschm)ckten Pferde. Vor ihm her gehen Pagen, Schild-Knechte / Waffen-Tr ger / von welchen sein Wapen und eine Fahne vorher getragen wird. Nach ihm Hertzog Eberhard, als sein Beystand / ebenfalls zu Pferde mit einem gleichen Gefolge. Nach ihm koAt Craco von der andern Seite mit seinem Gefolge / gleichfalls geritten. Zweifellos hat sich König hier wie im weiteren Verlauf der pittoresken Szene an Turnierdarstellungen und -berichten früherer Jahrhunderte orientiert, u. a. etwa an Georg Engelhard Löhneyß’ Lehrwerk Della Cavalleria (Ausgabe von 1624)378 und an Georg Rüxners Turnierbuch Anfang, ursprung vnnd herkommen des Thurniers inn Teutscher nation (zuerst 1530), wo die Einführung des Turniers

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wandernden Völker des ,finsteren Mittelalters‘ gedient hatten“: Francis Haskell, Die Geschichte der Bilder. Die Kunst und die Deutung der Vergangenheit, München 1995, S. 187. Reinhard Wiesend, Die italienische Oper im 18. Jahrhundert: Hinführung, in: ders. u. Herbert Schneider (Hgg.), Die Oper im 18. Jahrhundert, S. 15–21, hier S. 16. Erneut erfährt die Szenerie eine topographische und zugleich dynastische Markierung, wenn auf den beyden Portalen des Turnierplatzes einerseits der Reichs-Adler, andererseits das Braunschweigis. Pferd zu sehen ist, das als ,sächsisches Roß‘ angeblich auf den Sachsenherzog Widukind zurückging (so zuerst bei Konrad Bote 1492) und als Symbol der von den Welfen beherrschten braunschweigischen und lüneburgischen Lande vor allem im 16. und 17. Jahrhundert Bedeutung erlangte (vgl. Peter Veddeler, Landessymbole, S. 84f.). S. o. S. 131 Anm. 223 bzw. S. 132 Anm. 226. – In einer Anmerkung des Vorbericht[s] nimmt König ausdrücklich Bezug auf L hneisens Reit-Buch (in der Ausgabe von 1624), woselbst im 3. Buche einige Einsp nniger und dergleichen Reuter in Kupffer gestochen zu sehen.

183 in Deutschland noch Heinrich I. zugeschrieben wird. Bereits im Vorbericht hatte König freilich angekündigt, er habe – trotz unverhohlener Kritik und Zweifel an Rüxners historiographischer Darstellung – doch in diesem Sing-Spiele nicht allzu scrupul s sein wollen, sondern sei ihm in Beschreibung der grossen Pracht der damahligen Ritter-Spiele um so lieber gefolgt / weil es Gelegenheit zu einer herrlichen Vorstellung gegeben (und zwar zu ebenjenem Zweikampf zwischen Craco und Thietmar). Nun mögen die von König intendierten spektakulären Schaueffekte und die opulente, repräsentative Szenerie in ihrer Ikonographie nicht auf historische Authentizität (im modernen Verständnis) zielen, da sie offensichtlich weitgehend Muster des 15. und 16. Jahrhunderts imitieren und mitnichten die historischen Verhältnisse des 10. Jahrhunderts rekonstruieren: Nichtsdestoweniger bleibt aber die Markierung einer historischen Vorzeit und ihrer kulturellen Distanz zur zeitgenössischen Gegenwart bestehen, mit anderen Worten: die Evozierung einer Couleur locale, die insofern Tendenzen des 19. Jahrhunderts vorwegzunehmen scheint, als der Zuschauer, im Sinne Victor Hugos, „seiner eigenen Welt entrückt werden und sich imstande fühlen [solle], die historischen Darstellungen auf der Bühne als eine Art imaginärer Zeitgenosse zu erleben“.379 Die greifbaren Inszenierungsansätze des Librettos legen mithin für die Präsentation der Bühnenaktion (d. h. zumindest für einige Prunkund Massentableaus) durchaus die Perspektive eines ,abgegrenzten Mittelalters‘ nahe: Die mittlern Zeiten erstehen als historischer Raum sui generis, dessen Alteritätspotential dem von den Produzenten verfolgten Aspekt des sinnlichen Vergnügens, der ,Schaulust‘, sichtlich entgegenkommt. Explizit dynastische Bezüge zeigen schließlich die Szenen II, 7 und III, 13. In II, 7 erscheint unverhofft die Vorsehung – als Deus ex machina – samt der Historie, der Warheit und dem gute[n] Ger)chte in einer spektakulären Bühnenmaschine, um den beim Vogelherd schlafenden Heinrich vor Hattburgis’ Anschlag zu bewahren und ihm seine zukünftigen Taten sowie die Entwicklung und fernen Geschicke seiner Dynastie zu prophezeien: Unter einer sanfften und lieblichen Harmonie l ßt sich der himmlische Sitz der ewigen Vorsehung herab / welcher das gantze Theatrum mit Wolcken bedeckt. Im Zentrum der Maschine befindet sich ein hell-leuchtendes Ehren-Ger)ste, ausgestattet mit den Bildnisse[n] der itzt-lebenden Hoch-F)rstl. Braunschweig-Wolffenb)ttelischen Familie und mit einem von lauter g)ldenen Strahlen umgebenen WolckenThrone, worauf sich die personifizierte Vorsehung niedergelassen hat. Zu ihren F)ssen sieht man die Historie / welche Heinrichs und seiner Durchl. Nachkommen ruhmw)rdiges Leben und Thaten in ein g)ldenes Buch verzeichnet; Zu deren beyden Seiten die Warheit und das gute Ger)chte sitzen. Uberall sieht man viele Carolingische / Witekindische / Billingische / Estische und Guelfische Helden und Heldinnen / von welchen der itzige Braunschweig-L)neburgische Stamm entsprossen / nebst vielen heroischen Genien und Schutz-Engeln des

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Heinz Becker, Die ,Couleur locale‘ als Stilkategorie der Oper, in: ders. (Hg.), Die ,Couleur locale‘ in der Oper des 19. Jahrhunderts, Regensburg 1976 (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 42), S. 23–45, hier S. 24.

184 Braunschweigischen Hauses. Wenn die Bühnenanweisung hier etwas ausführlicher wiedergegeben wird, dann vornehmlich deshalb, weil sie nicht nur allegorisch den Prozeß der Manifestation von Gedächtnis und Memoria in ihrem Zusammenspiel mit zukunftsorientierter Fama und rückwärtsgewandter Historia (und damit deren Bindung an das Medium der Schrift als Erinnerungsspeicher) andeutet, sondern zugleich die genealogisch weit ausgreifende, jahrhundertealte Memorialtradition der welfischen Dynastie als vorläufiges Resultat dieses Prozesses aufzeigt.380 Dabei mag man in der imaginären Versammlung der Mitglieder der Braunschweig-Wolfenbütteler Welfenfamilie und ihrer sich über fünf herausragende Herrschergeschlechter erstreckenden Vorfahrenschaft, präsentiert in Porträtdarstellungen oder als Bühnenfiguren, ein Paradigma der Repräsentation, Herrschaftslegitimation und Identitätsstiftung wiedererkennen, das bereits in Friedrich Christian Bressands allegorischem Ballett Tempel Der Tugend und Ehre (1697) aufgerufen worden war. Dort waren die Helden und Heldinnen / aus dem Carolingischen / Witekindischen / Billingischen / Estischen und Guelfischen / auch dem aus allen diesen entsprossenem F)rstl. Braunschweigischem L)neburgischem Stamme als Gefolge der Ehre aufgetreten, um Herzog Anton Ulrichs Eintritt – d. h. die Aufnahme seines Porträts – in den Tempel der Ehre zu feiern.381 Die Prophetien der vier allegorischen Figuren Vorsehung, Historie, gute[s] Ger)chte und Warheit zielen grundsätzlich auf zwei Zeitebenen: eine (in der Perspektive der Opernfiguren) nähere und eine fernere Zukunft, deren Endpunkt mit der Jetzt-Zeit des zeitgenössischen Publikums zusammenfällt, und setzen diese somit in Relation zur dargestellten historischen Zeit, integrieren gewissermaßen die zeitgenössische Realität über den zeitlichen Hiatus hinweg in die historische Bühnenhandlung bzw. holen letztere aktualisierend an die Lebenswelt der zeitgenössischen Zuschauer heran. So wird dem schlafenden Heinrich einerseits sein Sieg über die Ungarn, weitere Erfolge über verschiedene heidnische Stämme und sodann die Geburt und Nachfolge seines Sohnes Otto in der Königsherrschaft verheißen. Vom ihm, Otto dem Großen, berichtet die Historie: Durch einer Closter-Frau in Gandersheim | Roswidens klugen Kiel und sch nen Reim | Wird einst sein Ruhm unsterblich w hren – womit erneut die Bedeutung der Schrift als Trägerin von Memoria und „Verewigungsmedium“ herausgestellt wird, und zwar diesmal im Verein mit der „Wortkunst der Dichter“,382 d. h. konkret der Dichterin Hrotsvit. Andererseits wird Heinrich mit dem Verweis auf die versammelten Bildnisse Durchlauchter Seelen / | Die alle sich aus sein[Ottos] und deinem Stammbaum zehlen die entfernte Zukunft seiner Dynastie

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Die alte Verbindung der Welfen mit den Este scheint dabei jedoch im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten zu sein und wurde in ihrer dynastischen Relevanz erst in der Frühen Neuzeit, im Zuge von Leibniz’ Forschungen zur welfischen Hausgeschichte, wiederentdeckt (vgl. Bernd Schneidmüller, Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch, S. 87 u. 96). S. o. S. 146. Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 2003, S. 181.

185 vor Augen geführt. Insbesondere zwei Nachkommen werden dabei aus der Schar der dynastischen Erben herausgehoben und sowohl der Titelfigur als auch dem Braunschweiger Publikum eigens präsentiert: zum einen Herzog August Wilhelm, der Nachfolger Heinrichs im alten Herzogtum Sachsen bzw. nun Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel und Adressat der aktuellen Produktion, und zum anderen Kaiserin Elisabeth Christine, die Widmungsträgerin der vorangegangenen ,mittelalterlich-dynastischen Oper‘ Henrich der L we (1716) und zugleich, als Gemahlin Kaiser Karls VI., Amtsnachfolgerin König Heinrichs I. im Heiligen Römischen Reich; ihr Porträt ist zusammen mit dem der jungen Ertz-Hertzogin – der gerade einjährigen Maria Theresia – im Zentrum der Bühnenmaschine angeordnet, rings umgeben von den Bildnisse[n] des gantzen itzo lebenden Hertzogl. Braunschweig-Wolfenb)ttelschen Hauses:383 Schau dieses Wunder-Bild der Grossen K yserin / | Die einst dem sechsten Carl der Himmel wird verm hlen / | Durch deren edles Blut und keusche Fruchtbarkeit | Dein Helden-Saame mit der Zeit | Von neuem wird den K yser-Stamm beleben / | Wann Sie dem Grossen Carl wird manchen Printzen geben. Schau auch August Wilhelms vollkoAnes Bildniß an / | Der einst dein Hertzogthum h chst-r)hmlich wird regieren / | Sieh doch / wie unter ihm dein Braunschweig wird floriren. An dieser Stelle bringen, laut Bühnenanweisung, einige SchutzGeister des Braunschweigis. Hauses [...] den durchscheinenden Abriß der itzigen Stadt Braunschweig in lauter Wolcken herab. Die Wahrheit fährt schließlich fort, August Wilhelms Herrschaftshandeln mit dem Heinrichs, des Adressaten der Prophetie, vergleichend: Er wird es auch / wie du / mit neuem Festungs-Bau / | Mit Handlung / mit Gewerb und Messen zieren / | Und wird / um deinen Ruhm vollkommen zu besingen / | Auch deine Thaten dort einst auf den Schauplatz bringen. Von der Bühne herab, während des Vollzugs der Opernhandlung, wird der Bühnenfigur Heinrich von einer spielinternen Instanz mit übergeordneter, kommentierender Figurenperspektive die spätere Existenz genau dieser Oper vorhergesagt – dies wohl ein extremes Beispiel „potenzierte[r] Illusion“,384 indem die Grenze zwischen der Bühnenfiktion und der raumzeitlichen Erfahrungswelt der Zuschauer raffiniert überspielt wird und somit die fiktive Welt der Figuren und das Hic et Nunc der Rezipienten ineinanderzufließen scheinen –,385 und zwar als Medium des genealogischen Gedächtnisses, das die Erinnerung an den dynastischen Ahnen aktualisiert und insofern neben die traditionellen historiographischen und liturgischen Memorialformen tritt. Mit einem erneut die Zeitebene der fiktiven Bühnenhandlung transzendierenden Huldigungschor der Braunschweig. StaA-Helden / Heldinnen und heroischen Genien auf das regierende Herzogspaar, auf Heinrichs glückliche Nachkommen August Wilhelm und Elisabeth Sophie Marie, schließt die Szene.

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So die Anweisung im Verzeichnis der Machinen und Flugwercke. Richard Alewyn, Das große Welttheater, S. 83–87. Der Effekt dieser Technik mag durchaus ambivalent sein, zielt aber letztlich doch wohl auf eine Bewußtmachung der theatralischen Illusion und weniger auf eine Stützung der illusionistischen Historizität der Bühnenhandlung.

186 Szene III, 13, die Schlußszene der Oper, präsentiert in einem hellleuchtenden Wolcken-Himmel den Geist des Herzogs Bruno, des Erbauers und Stiffters der nach seinem Nahmen genannten Stadt Brunons-wik oder Braunschweig / so Heinrichs Vater Bruder gewesen.386 Auch er richtet sich mit zwei Prophetien, die die beiden Zeitebenen der Bühnenhandlung und der Zuschauerrealität miteinander verknüpfen und somit historisch Vergangenes und zeitgenössisch Präsentisches als Urbild und Erfüllung aufeinander beziehen, an seinen Neffen Heinrich (und dann zuletzt auch an die übrigen Figuren sowie die Zuschauer), wenn er ihm einerseits die nähere Zukunft andeutet: Du wirst in kurtzer Zeit vollkommen triumphiren. | Und unter dir wird auch mein Braunschweig stets floriren, andererseits auf die distanzierten, in die Jetzt-Zeit der zeitgenössischen Zuschauer fallenden Geschicke seiner Dynastie aufmerksam macht: Doch nach neunhundert Jahren | Wird neue Krafft aus deinem Stamm-Baum fahren / | Alsdenn wird August Wilhelm hier / | Der auch / wie du / der Unterthanen Lust und Zier / | Das Wolseyn dieser Stadt zum h chsten Gipffel f)hren / | Alsdenn / ich kann es euch im Voraus prophezeyhn / Wird Braunschweigs gantzes Land nach Wunsch gesegnet seyn. Ganz bewußt wird in dieser Szene die Verheißung der oben erörterten Traumszene II, 7 gedoppelt, wobei nun die allegorischen Figuren ersetzt werden durch eine genealogische Gestalt: den Liudolfinger Brun, Sohn Liudolfs und Bruder Ottos des Erlauchten, der etwa bereits vom Verfasser der zwischen 1279 und 1292 entstandenen Braunschweigischen Reimchronik als Gründer Braunschweigs und Dankwarderodes genannt wird und dort zum „Koordinationspunkt der Liudolfinger“, an den „immer wieder erinnert“ wird, avanciert.387 Damit wird nicht nur der Stadt Braunschweig und ihren Bürgern ein letztes Mal die Ehre erwiesen, sondern zugleich eine genealogische Kontinuitätslinie entworfen, die über den legendären Stadtgründer Brun und seinen Neffen Heinrich I., nach neunhundert Jahren, bis zum regierenden Herzog August Wilhelm reicht. Dieser erscheint als panegyrisch erhöhter Endpunkt jener Linie, der entsprechend dem ,quasi-typologischen‘ Schema alle seine Vorgänger übertrifft, und seine Herrschaft über die Stadt Braunschweig und die Braunschweig-Wolfenbüttelschen Lande auf alten sächsischen Wurzeln fest gegründet. Identität und Legitimität seiner territorialen Herrschaft sichern nicht zuletzt das in die Tiefe der Zeit, bis zur sagenhaften Gründung Braunschweigs, zurückreichende genealogische Netzwerk sowie die an die herausragenden Ahnen und Herrschaftsvorgänger gebundene Memoria – auch und gerade in der Oper als vielleicht einflußreichstem und prestigeträchtigstem ,Massenmedium‘ des frühen 18. Jahrhunderts.

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Zur sagenhaften Gründung Braunschweigs durch den Liudolfinger Brun, die die Braunschweiger Historiographie seit dem 13. Jahrhundert überliefert, vgl. etwa Tania Brüsch, Die Brunonen, ihre Grafschaften und die sächsische Geschichte. Herrschaftsbildung und Adelsbewußtsein im 11. Jahrhundert, Husum 2000 (Historische Studien 459), S. 105f. Speziell zur Darstellung der Braunschweigischen Reimchronik s. Ursula Peters, Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, S. 162f. u. 169–171. Ursula Peters, Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, S. 170.

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,Anti-historisierende‘ Tendenzen – Manifestation des Repräsentativen: die Rolle der Musik Schürmanns Musik zu Königs Libretto ist zu einem großen Teil verloren, erhalten sind aber immerhin 15 Arien, also etwas mehr als die Hälfte des gesamten Arienbestandes, in zwei Ariensammlungen der Berliner Staatsbibliothek sowie ein Duett in einem jüngst nach Hamburg zurückgekehrten Sammelband. Es sind dies vier Arien der Hattburgis (Sopran), drei Arien des Thietmar (Alt), zwei Arien des Heinrich (Baß), jeweils eine Arie der Mechtilde (Sopran), der Adelheid (Sopran), des Dankwart (Baß), des Eberhard (Tenor) und der Vorsehung (Sopran) – alle mit Da-capo-Anlage – eine kürzere, liedhafte Arienform (Arietta), deren zwei Strophen sich auf zwei Sänger (Heinrich, Adelheid; hier nur für Sopran notiert) verteilen (,Aria in duetto‘388),389 sowie das Duett Eberhard/Adelheid „Ach kntestu mir in mein Hertze sehen“ (II, 10).390

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Zur Terminologie s. etwa Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 198. D-B, Mus. ms. 30227, fol. 95v–115r: Aries dell’Opera Henricus Auceps. Die Handschrift enthält unter den Nummern CXXIV–CXXXVI 13 Arien nach der Anordnung des Librettos von 1718: „Ach laß mein Seuffzen“ (Hattburgis, I, 2); „Ihr kleine Sänger dieser Wälder“ (Heinrich, I, 4); „Dieser Rose rothe Fla@en“ (Heinrich u. Adelheid, I, 5); „Deine Crone samt dem Throne“ (Mechtilde, I, 7); „Nur dich allein verehrt mein Auge“ (Thietmar, I, 9); „Schlafe wol in deiner Ruh“ (Vorsehung, II, 7); „Fluch i@erhin, ich ka? dich doch nicht lassen“ (Thietmar, II, 8); „Du hast ein angenehm und hohes Wesen“ (Dankwart, II, 9); „Was that ich nicht dich groß zu sehen“ (Thietmar, III, 1); „Laß dich erweichen schönste Seele“ (Heinrich, III, 6); „Mein muntrer Augen-Strahl“ (Hattburgis, III, 9); „Umarmet mich ihr wunderschönen Hände“ (Eberhard, III, 11); „Ka? ich euch nur glücklich sehen“ (Hattburgis, III, 12). – D-B, Mus. ms. 30274, fol. 68r–84v: Aus der Opera Henricus auceps von Schürmann. Die Handschrift überliefert acht Arien, wovon sechs auch in Mus. ms. 30227 vorliegen: „Ach laß mein Seufftzen“ (s. o.; lediglich das eröffnende Motiv der 1. Violinen erscheint melodisch – aufgrund einer fehlerhaften Abschrift? – leicht verändert, T. 1 u. 29); „Ein nach Sturm nun heitres Wetter“ (Hattburgis, II, 6); „Wie ein reines Hermelin“ (Adelheid, II, 11); „Fluch imerhin, ich kan dich doch nicht laßen“ (s. o.); „Nur dich allein verehrt mein Auge“ (s. o.); „Deine Crone samt dem Trohne“ (s. o.); „Du hast ein angenehm und hohes Wesen“ (s. o.); „Was that ich nicht, dich groß zu sehen“ (s. o.). – Schmidt hat vermutet, daß die in den Berliner Handschriften verzeichneten drei Arien „Fluch i@erhin“, „Wie ein reines Hermelin“ und „Mein muntrer Augen-Strahl“ nicht von Schürmann, sondern von Carl Heinrich Graun komponiert wurden (Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 243). Dann läge den beiden Sammlungen – zumindest für diese Arien – nicht die Fassung der Uraufführung der Oper zugrunde, sondern eine Wiederaufführung aus dem Jahre 1726 unter dem Titel Henricus Auceps (so auch der Titel der Oper in den beiden Handschriften). Zu den Berliner Sammelbänden vgl. auch Walter Schulze, Die Quellen der Hamburger Oper (1678–1738). Eine bibliographisch-statistische Studie zur Geschichte der ersten stehenden deutschen Oper, Hamburg u. Oldenburg 1938, S. 109f. D-Hs, ND VI 81g: 11, S. 85f.: Aria ex opera Heinrich di Mons. Schührman. Zu diesem im Jahr 2000 aus Armenien nach Hamburg zurückgekehrten Band mit Arien und Stücken aus dem Umfeld der Gänsemarkt-Oper s. jetzt Jürgen Neubacher, Drei wieder zugängliche Ariensammelbände als Quellen für das Repertoire der Hamburger Gänsemarkt-Oper, in: Hans Joachim Marx (Hg.), Beiträge zur Musikgeschichte Hamburgs vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Frankfurt a. M. [usw.] 2001 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 18), S. 195–206, hier S. 200–206. – Das Duett (33 Takte, g-Moll) ist notiert für zwei Sing-

188 Die meisten dieser Arien kreisen um die zentrale Liebesthematik, sei es als Liebeserklärung, -werbung, -klage oder Zurückweisung; Ausnahmen sind etwa Hattburgis’ flehentliche, verzweiflungsvolle Bitte – ein getragenes Siciliano in c-Moll – gegenüber Heinrich im ersten Akt („Ach laß mein Seuffzen“, I, 2), ihre mit einem Naturvergleich einsetzende brillante Triumph- und Rachearie in FDur mit konzertierender Oboe im zweiten („Ein nach Sturm nun heitres Wetter“, II, 6), ihre demutsvolle, ausschließlich vom Basso continuo gestützte Abschiedsarie in e-Moll im dritten Akt („Kan ich euch nur gl(cklich sehen“, III, 12) oder die dem schlafenden Heinrich zugedachte Schlummerarie der Vorsehung in g-Moll („Schlafe wol in deiner Ruh“, II, 7), die im imitatorischen Spiel der Singstimme und der zwei obligaten Flöten (neben den Streichern) in den beiden Rahmenteilen (A, A') überirdische Ruhe und Harmonie verströmt und so deutlich mit der vorangegangenen Triumpharie der Hattburgis kontrastiert. Nicht überliefert sind dagegen die Rezitative, drei Duette, das Terzett (III, 5) sowie die insgesamt acht Chorsätze, die als Manifestationen des Repräsentativen ausschließlich den historisch-politischen Staatsszenen und den Auftritten mit dynastischen Implikationen vorbehalten sind. Sie finden sich demnach zu Beginn der Oper, im Rahmen der kirchlichen Trauungszeremonie, als Chor der S nger und Hof-Capellisten (I, 1: 2 Sätze: Aria à tutti, Tutti), beim feierlichen Einzug des zum K yser erhobenen Heinrich in Braunschweig (I, 7: Aria à tutti), bei Heinrichs öffentlicher Heerschau (II, 4: Aria à tutti), innerhalb der Traumszene als Huldigungschor der Braunschweigischen StaA-Helden/ Heldinnen (II, 7: Aria à tutti), vor Heinrichs Schaukampf mit wilden Tieren als Chor der J ger mit Waldh rnern (III, 4: Aria à tutti), als chorischer Kommentar der Zuschauer während des Turniers zwischen Thietmar und Craco (III, 11: Aria à tutti, 2 Strophen) und nach Brunos Prophetie in der Schlußszene als Huldigungschor, adressiert an Herzog August Wilhelm und Herzogin Elisabeth Sophie Marie (III, 13: Schluß-Chor). In diesem Kontext sind ebenso zu nennen die ,leitmotivartig‘ wiederkehrenden Akklamationen Es lebe K yser Heinerich (I, 6; I, 11; II, 12; III, 13), die aber wohl nicht vertont, sondern nur von der Menge gesprochen oder gerufen wurden,391 und ferner insbesondere die Anteile instrumentaler Bühnenmusik, die ihrerseits den repräsentativen, zeremoniellen Habitus der politischen Szenen verstärken. Auf die Existenz dieser Bühnenmusik lassen freilich – mangels Notenmaterials392 – nur die Bühnenanweisungen des Librettos schließen. Hierunter fallen beispielsweise Signale von

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stimmen und unbezifferten Generalbaß. In Takt 14 liegt offensichtlich eine Verschreibung vor (offene Quintparallele zwischen Tenor und Baß). Vgl. Reinhard Strohm, Händel-Oper und Regeldrama, in: Hans Joachim Marx (Hg.), Zur Dramaturgie der Barockoper. Bericht über die Symposien 1992 und 1993, Laaber 1994 (Veröffentlichungen der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 5), S. 33–54, hier S. 37. Allerdings wurden bestimmte Aufzugs- und Bühnenmusiken, beispielsweise als stilisierte Militär- oder Zeremonialmusik (Blechbläserfanfaren), häufig improvisiert und sind daher erst gar nicht notiert worden.

189 Post-H rner[n], die als „Montage eines musikalischen Realitätsfragments“393 die Ankunft Eberhards und seines Gefolges bei Heinrichs Vogelherd ankündigen (I, 5), ein Tanz der Postillionen nach dem Schall der Post-H rner am Ende der folgenden Szene (I, 6), Trompeten- und Paukenklänge im Rahmen des Audienzzeremoniells der Szene I, 11, die gew hnliche[] Music von Bergleuten in der Marktszene zum Beschluß des zweiten Aktes (II, 13), der Schall der Wald- und Hifft-H rner, als sich der Hof im Braunschweigischen J ger-Hause versammelt hat (III, 4), oder die Musikanteile beim Turnieraufzug der Szene III, 11: Die Trompeter und Paucker stellen sich nach der Reihe an den KampffPlatz / und lassen sich Wechselweise mit den Trommeln und Pfeiffen h ren. In all diesen Fällen ist die Bühnenmusik Zitat der Außenwelt,394 der Welt außerhalb der theatralischen Illusion, das dazu zu dienen scheint, das historischr e a l i s t i s c h e Gewand der fiktiven Opernhandlung zu stützen – wenngleich der Hiatus zwischen Theatralität und Realität damit nicht überwunden, sondern allererst sichtbar gemacht wird. Insgesamt darf aber wohl bezweifelt werden, daß die musikalische Gestaltung auf irgendeine Weise die vom Libretto angedeutete H i s t o r i z i t ä t der Opernhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Es ist kaum anzunehmen, daß Schürmanns Komposition die (spät-),mittelalterliche‘ Kulisse oder Couleur des Bühnengeschehens mit historisierenden musikalischen Mitteln verdeutlicht haben könnte, vielmehr dürften nicht zuletzt die bühnenmusikalischen Elemente selbst, die ja unmittelbar auf der Ebene der ,mittelalterlichen‘ Handlung angesiedelt sind, ebenso wie die übrigen musikalischen Formen der politischen und Massenszenen der zeitgenössischen Musikkultur und ihren Teilsystemen (u. a. Militär-, Zeremonialmusik, Volksmusik, Kirchenmusik, weltliche Kunstmusik) verpflichtet gewesen sein. Greifen also einerseits Libretto und womöglich auch Inszenierung und Ausstattung mit der Imagination einer bestimmten historischen Epoche späteren Zeiten voraus, so muß andererseits die musikalische bzw. musikdramatische Umsetzung des Historisch-Charakteristischen des Stoffes, die Etablierung einer musikalischen Couleur locale oder Couleur de temps zur Charakterisierung einer spezifischen geschichtlichen Periode offenbar jenen späteren Zeiten, d. h. konkret dem 19. Jahrhundert, vorbehalten bleiben.395 Die Rolle der Musik zielt, im Kontext des Affektprogramms des Dramma per musica, vielmehr auf eine Strategie der Vergegenwärtigung, auf eine ihr eigentümliche Verstärkung oder Aktualisierung jener performativen, aus dem jeweiligen (Handlungs-)Moment resultierenden und auf ihn beschränkten Affektäußerung einer Opernfigur, die gerade keine historische Dimension impliziert. Königs und Schürmanns ,mittelalterlich-dynastische Oper‘ über Heinrich den Vogler wurde offensichtlich ein Erfolg. Denn nicht nur erschien das Werk

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Carl Dahlhaus, Dramaturgie der italienischen Oper, S. 106. Vgl. ebd. Vgl. dazu etwa Sieghart Döhring u. Sabine Henze-Döhring, Oper und Musikdrama im 19. Jahrhundert, Laaber 1997 (Handbuch der musikalischen Gattungen 13), S. 113ff. u. 144ff.; Carl Dahlhaus, Dramaturgie der Grand Opéra, in: ders., Die Musik des 19. Jahrhunderts, Darmstadt 1997 (Neues Handbuch der Musikwissenschaft 6), S. 101–110.

190 in den Jahren 1721, 1726 (als Henricus Auceps)396 und 1730 als Wiederaufnahme erneut auf der Braunschweiger Bühne, sondern es hat zweifellos auch den Anlaß dazu gegeben, eine zweite Oper über den Liudolfinger zu produzieren, die – wiederum als Kooperation zwischen König und Schürmann – 1721 ihre Uraufführung unter dem Titel Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Erster R mischer K yser / Zweyter Theil erlebte.

Reichspatriotismus und szenische Typisierung vs. höfische Repräsentation und Historisierung: Heinrich der Vogler in Hamburg Des weiteren gelangte das Stück bereits 1719 auf die Bühne der benachbarten Hamburger Gänsemarkt-Oper und blieb dort bis 1736 – zwei Jahre vor Einstellung des regulären Spielbetriebes – im Repertoire.397 Allerdings wurde die Braunschweiger ,Mittelalteroper‘ in verschiedener Weise für die Hamburger Bühne adaptiert. So tauschte man im Libretto der Hamburger Uraufführung einige deutsche Arien und Duette durch italienische Arien aus, d. h. von Schürmanns ursprünglicher Version wurden wahrscheinlich nur die (z. T. gekürzten) Rezitative und verbliebenen deutschen Arien und Duette übernommen, „während die 17 eingefügten italienischen Stücke“, darunter ein neuer Schlußchor,398 „u. a. von folgenden Komponisten stammen:399 A. Bononcini (Sesostri

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HENRICUS AUCEPS In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro, Und Dem Durchlauchtigsten Hertzog und Herrn / Herrn August Wilhelm / Regierenden Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg [...] gewidmet [1726] (D-HVl, Op. 1,19). – Der Opern- oder Haupttext des Librettos ist gegenüber der Fassung 1718 unverändert geblieben, es fehlen deren stark verfasserbezogene und panegyrische Paratexte: die Widmungsvorrede, der Vorbericht und die Anrede[n] der Bühnenfiguren Heinrich der Vogler und Mechtilde (Johann Ulrich König wird jetzt auch nicht mehr namentlich genannt). Möglicherweise wurden einige Arien von Carl Heinrich Graun neu vertont (vgl. Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 66, 240–243; s. o. S. 187 Anm. 389). HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / NACHMAHLS ERWEHLTER TEUTSCHER KAYSER / In einem Singe-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1719 (D-Hs, 162 in MS 639/3:10). – Wiederaufführungen: 1720, 1721, 1735, 1736 (vgl. Hans Joachim Marx u. Dorothea Schröder, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper, S. 222f.). „Canarini, usignoli, gardelli“ (Arie des Heinrich, I, 4); „Lo veggio ne tuoi lumi“ (Arie des Heinrich, I, 5); „Si lieto, si contento“ (Arie des Heinrich, II, 2); „Meste luci omai chiudete vi“ (Arie des Heinrich, II, 4); „Ai tormenti alle vendette“ (Arie der Hattburgis, II, 5); „Chiudo in petto cor di Prince“ (Arie des Eberhard, II, 9); „Siate sdegnosi, quanto volete“ (Arie des Heinrich, II, 10); „Quel labro è buggiardo“ (Arie der Mechtilde, II, 11); „Se ben regnante“ (Arie der Mechtilde, III, 1); „La mia Augusta e mia Tiranna“ (Arie des Thietmar, III, 1); „Tu solcesti il mare infido“ (Arie der Mechtilde, III, 2); „Che faria quel vago viso“ (Arie des Heinrich, III, 6); „La sorte, ed il destin“ (Arie des Thietmar, III, 8); „Mi và scherzando in sen“ (Arie der Mechtilde, III, 8); „Dal mio zelo spera si“ (Arie der Hattburgis, III, 9); „Lieta e tranquilla“ (Arie der Adelheid, III, 11); „Nel cielo si scriva“ (Schlußchor). Als Bearbeiter kommt vielleicht Schürmann selbst in Frage, der in jener Zeit enge Kontakte nach Hamburg, zur Gänsemarkt-Oper, unterhielt (s. Walter Schulze, Die Quellen der Hamburger Oper, S. 41).

191 1716), Lotti (Alessandro Severo 1717), Vivaldi (L’incoronazione di Dario 1717)“.400 Generell ersetzt das Libretto der Hamburger Aufführung, das als Paratexte nur ein kürzeres deutschsprachiges Argomento (Innhalt) sowie das Personen- und Szenenverzeichnis enthält, Königs detaillierte, individualisierende Bühnenanweisungen für die historischen Aufzugs- und Massenszenen, die überwiegend auf spektakuläre Effekte sowie prunkvolle Tableaus mit höfisch-zeremoniellem Gestus und historisierender Tendenz zielen, durch stark typisierte Szenenangaben (etwa Der Vorhoff / mit der F)rstlichen Capelle [I, 1], Ein Amphiteatrum [III, 11: Turnierszene]) und reduziert damit deutlich den repräsentativen Charakter.401 Es entfallen – verständlicherweise – jegliche Hinweise auf die ursprüngliche Braunschweiger Topographie402 sowie insbesondere die dynastischen Implikationen (die beiden Prophetien der Vorsehung und des Stadtgründers Bruno), die in der Reichsstadt Hamburg freilich keinen Sinn machten, jedenfalls solange die Oper nicht auch in Hamburg als Huldigungsstück für einen Angehörigen des Wolfenbütteler Hofes intendiert war. Die Adaptation an den local taste der Hamburger Bühne verwandelte mithin Königs und Schürmanns Braunschweiger Oper in ein neues Stück, ein Pasticcio, das nicht mehr der dynastischen Memoria eines sächsischen Fürsten und höfischer Repräsentation verpflichtet war, sondern dem Hamburger Publikum die denkwürdigen Taten des deutschen Königs Heinrich (d. h. insbesondere dessen Kampf gegen die Ungarn) sowie seine faszinierenden und bisweilen – im Zeichen anti-höfischer Tendenzen – kritikwürdigen amourösen Abenteuer403 vor Augen führte. Womöglich erlangte in Hamburg die nationale,

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Reinhard Strohm, Italienische Opernarien des frühen Settecento, Bd. 2, S. 275. – Zwei der eingefügten italienischen Arien („Si lieto, si contento“; „Lieta e tranquilla“) „scheinen überliefert, beide anon. und unbekannter Herkunft“ (ebd.), und zwar in der Handschrift Mus. ms. 30316 der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Zu diesem Sammelband vgl. Walter Schulze, Die Quellen der Hamburger Oper, S. 111 (noch ohne Zuordnung der beiden Arien zu Heinrich der Vogler). Z. T. wurden für die Hamburger Aufführung Szenen mit Huldigungscharakter, mit dezidiert repräsentativer oder dynastischer Prägung vollständig gestrichen, so Heinrichs Heermusterung mit anschließender Herrscherakklamation oder die Schlußszene mit Brunos Prophetie und dem panegyrischen Schlußchor auf das Wolfenbütteler Herzogspaar; einige ähnliche Auftritte haben der oder die Bearbeiter stark gekürzt: In II, 7 erscheint die Vorsehung allein auf der Bühne, nur um Heinrich vor Hatteburgis zu retten, in III, 4 entfällt Heinrichs Tierkampf und stattdessen betritt, in einer neu hinzugekommenen komischen Szene, Rudel, verfolgt von einem B ren / der sich loß gerissen, die Bühne, um eine deutsche Arie mit pointierter Hofkritik vorzutragen. Nicht nur die architektonischen und ikonographischen Anspielungen verschwanden völlig aus der Hamburger Inszenierung, beispielsweise wurde auch Rudels ,Mummelied‘ z. T. parodiert und erschien jetzt als Loblied auf Swins-Braaden und Rhynschen Wien einer nicht näher bezeichneten deutschen Stadt (II, 12): O du goode leeve Stadt | Vor veel dusend St dten / | Da ick my kan dick un satt | In Swins-Braaden freeten / | by dem besten Rhynschen Wien / | O dat haget ja recht fien | Mynen schlappen Magen. | Braaden de fett Neeren-Talg / | Wien kann uth den Kopp un Balg | Alle Sorgen jagen (1. Strophe). In diese Richtung mag Rudels neu hinzugekommene Arie „Bey Hofe muß man immer jagen / | Und w r es auch zweybeinigt Wild“ zielen (III, 4). Freilich erweist sich Heinrich am Ende auch in Hamburg als geläuterter Liebender und Herrscher, der sich selbst über-

192 reichspatriotische Perspektive mit den politischen Anklängen an den zu Beginn des 18. Jahrhunderts brisanten militärischen Konflikt zwischen dem Heiligen Römischen Reich bzw. dem Haus Österreich und den Türken eine größere Bedeutung als in Braunschweig: Hatte doch das Jahr 1718 gerade die – einst von Kaiser Leopold I. eingeleitete – vollständige Rückeroberung Ungarns durch Prinz Eugen und seine territoriale Absicherung nach Südosten gebracht.404

Heinrich der Vogler II und die Dresdener Fürstenhochzeit von 1719: Darstellung wahrhaffter Geschichte und Inszenierung fürstlicher Magnifizenz 1721 erschien in Braunschweig dann die Fortsetzung mit dem Titel Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Erster R mischer K yser / Zweyter Theil,405 die König bereits im Vorbericht des ersten Teils angekündigt hatte.406 In der Wintermesse (Februar) dieses Jahres wurden somit beide Teile nacheinander als Doppeloper aufgeführt. Johann Ulrich König, der nun die Widmungsvorrede an Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel und seine Gemahlin Christine Luise signiert als Sr. K n. Maj. in Pohlen und Churfl. Durchl. zu Sachsen geheimer Secretarius und Hof-Poete (mit Ort und Datum: Dreßden den 11. Januar. 1721.), hat schon durch die rein formale Gestaltung des Textbuchs und die im Vergleich zur Produktion 1718 parallele Anordnung seiner verschiedenen Teile – Paratexte und Opernhandlung – die

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wunden und seine Leidenschaften – mit Adelheids Hilfe – bezwungen hat (III, 6), und erfüllt damit das für die barocke heroische Oper typische Ideal des tugendhaften Herrschers (vgl. Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 108). Vgl. o. S. 178 Anm. 364. – Nachdem die österreichischen Verbände unter Prinz Eugen am 16. August 1717 Belgrad eingenommen hatten, kam es infolge französischer Intervention – mit dem Ziel, „den Sultan zur Fortsetzung des Krieges zu bewegen“ – „erst im Juli 1718 unter englischer und holländischer Vermittlung zum Friedensschluß von Passarowitz auf der Grundlage des militärischen Besitzstandes. Mit dem Gewinn des Banats, von Teilen der Walachei und Sirmiens, ferner Nordserbiens bis zur Morava und Drina und eines bosnischen Grenzstreifens erreichte Österreich seine größte Ausdehnung im Südosten“ (Rudolf Vierhaus, Staaten und Stände, S. 251). HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / ERSTER RMISCHER K YSER / ZWEYTER THEIL / In einem Singe-Spiele Auf dem grossen Braunschweig. Theatro in der Lichtmessen-Messe im Jahr 1721. vorgestellet / Und Dem Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Hrn. Ludewig Rudolphen / Hertzogen zu Braunschweig und L(neburg etc. Wie auch Der Durchlauchtigsten F(rstin und Frauen / Frn. Christinen Louisen / Verm hlter Hertzogin zu Braunschweig und L(neburg / gebohrner F(rstin von Oettingen etc. unterth nigst gewidmet Von dem Verfasser (D-W, Textb. Sammelbd 9 [8]) [ohne Paginierung]. Solte diese Arbeit nun das Gl)cke haben / ihren Durchlauchtigen Zuschauern nicht zu mißfallen / so k nte mich wol entschliessen / auf weiteres Verlangen / den Rest von Heinrichs Helden-Thaten / deren in dieser Opera nur gedacht / k)nfftig in einem neuen Sing-Spiele w)rcklich aufzuf)hren / welches ein nicht weniger pr chtiges Werck als gegenw rtiges werden / und sodann das gantze Leben dieses Helden als in einem Spiegel vollkommen vor Augen stellen k nte (D-W, Textb. Sammelbd 9 [1]).

193 Zusammengehörigkeit der beiden Opern verdeutlicht: Auf die eröffnende Widmung des Verfassers folgen zunächst zwei Anreden des erste[n] Blanckenburgische[n] Graf[en] und der erste[n] Blanckenburgische[n] Gr fin an Herzog Ludwig Rudolf und Herzogin Christine Luise; daran schließt sich die erneut umfangreich geratene Vorrede an, bevor die einzelnen Verzeichnisse der Personen, Komparsen und Tänze sowie der Bühnenbilder, -maschinen und Aufzüge zur Opernhandlung überleiten. Die beiden panegyrischen Anreden imitieren das Modell der Huldigungsansprachen des 1718 produzierten ersten Teils, wobei sich nun der auch in der nachfolgenden Dramenhandlung auftretende erste Blanckenburgische Graf und seine Gemahlin an die Adressaten des zweiten Teils, das regierende Blankenburger Herzogspaar, wenden. Die Grafschaft Blankenburg, am Nordrand des Harzes gelegen,407 war Herzog Ludwig Rudolf im Jahr 1704 als selbständige Teilherrschaft und Erbe innerhalb des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel zuerkannt und drei Jahre später, im Zuge der Vermählung Karls III. von Spanien mit Ludwig Rudolfs Tochter Elisabeth Christine, von Kaiser Joseph I. zum Reichsfürstentum mit eigener Reichstagsstimme erhoben worden. Vor allem darauf nehmen die beiden imaginären Ansprachen Bezug. Darüber hinaus werden Ludwig Rudolfs militärische Fähigkeiten (etwa in den Kämpfen fürs Reich am Rhein), seine Weißheit – ein Erbe seines Vaters Anthon Ulrich – und sein großm)thige[s] freygebige[s] Gem)the gepriesen. Bei weitem aber übertrifft Ludwig Rudolf seinen Amtsvorgänger, den Grafen von Blankenburg, dadurch, daß er den Kaiser zum Schwiegersohn hat, Daß Dich der gr ste Herr der Welt | Kan seinen Schwieger-Vater nennen. Christine Luise werden demgegenüber die Eigenschaften der vorbildlichen Fürstin und Landesmutter zugewiesen, ihr größtes, für andere unerreichbares Glück bestehe darin, Daß uns die sch nste Keyserin der Welt | Von dir zur Welt gebohren. In der Vorrede nimmt König ausführlich Stellung zur Historizität des präsentierten Stoffes, erläutert seine poetisch-dramaturgische Gestaltung der Opernhandlung und zeigt Übereinstimmungen mit bzw. Abweichungen von historischen und literarischen Quellen und Vorlagen an. So verweist er den Leser zunächst auf den Vorbericht des ersten Teils, wo Heinrichs I. Biographie bereits umst ndlich von ihm erörtert worden sei. Der vorliegende zweite Teil der Heinrich-Oper basiere im wesentlichen auf der einhellige[n] Nachricht aller Geschicht-Schreiber / daß gedachter Keyser / nach dem erhaltenen grossen Merseburgischen Siege [über die Ungarn] / sich mit vielen F)rsten und vornehmen St nden des Reichs in der )beraus lustigen Harz-Gegend bey Quedlinburg mit Jagen und andern Lustbarkeiten ergetzt habe. Obgleich in einigen Quellen auch Göttingen in diesem Zusammenhang genannt werde, habe

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Nach dem Tod des letzten Grafen von Regenstein und Blankenburg 1599 hatte Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, zugleich Bischof von Halberstadt, die Grafschaft (mit teils halberstädtischem, teils welfischem Lehen) dem Haus Wolfenbüttel zugeschlagen (vgl. Manfred von Boetticher, Niedersachsen im 16. Jahrhundert [1500– 1618], in: Christine van den Heuvel u. Manfred von Boetticher [Hgg.], Geschichte Niedersachsens, Bd. 3,1, S. 21–116, hier S. 65).

194 er doch mit Vorbedacht dergleichen Lust-Spiele nur allein in Quedlinburg408 und dem nahe daran gelegenen Blanckenburg allhier in der Ausarbeitung vorgestellt / um in diesem zweyten Theile die Application auf die itzige Hochf)rstl. Braunschweig-Blanckenburgische Herrschaft / (wie vormahls in dem ersten Theile auf die regierende Braunschweig-Wolfenb)ttelsche Durchlauchtigkeiten geschehen) desto f)glicher einrichten zu k nnen. Dieser Intention verdankt freilich auch Graf Hans[] von Blanckenburg seine Existenz als Bühnenfigur, der mit Heinrich – so König unter Berufung auf Rüxners Turnierbuch und die Antiquitates Blanckenburgenses (1708) des Pastors zu Gröningen (bei Halberstadt) und Historiographen Johann Georg Leuckfeld409 – gegen die Ungarn gekämpft und überdies am Magdeburger Turnier teilgenommen habe. König skizziert sodann, nach Leuckfelds Antiquitates, die historische Entwicklung des Blankenburger Grafenhauses, nennt insbesondere Heinrich von Blankenburg, einen Liebling Hertzog Heinrich des L wens, und erwähnt den Übergang der Grafschaft an die Wolfenbütteler Welfen im Jahre 1599 sowie deren Erhebung zum Fürstentum 1707. Als ein weiteres historisches Ereignis, das Eingang in die Oper gefunden hat und deren dramaturgisches Zentrum einnehmen wird, führt König die Übersendung der beiden englischen Prinzessinnen Edgith (Editha) und Edgiva (Adiva) durch ihren Bruder, König Aethelstan, an den Hof Heinrichs I. an. Während die Verbindung von Heinrichs Sohn und designiertem Nachfolger Otto mit der älteren Schwester Edgith, einer Nachfahrin des heiligen Königs Oswald, den historischen Fakten entspricht (die Vermählung erfolgte im Jahr 930),410 hat König auf der Opernbühne den Grafen Hans von Blankenburg zum Bräutigam der jüngeren Schwester auserkoren. Er rechtfertigt dies damit, daß bisher noch kein Geschichts-Verfasser beweisen k nnen / wem dieselbe eigenlich in Teutschland / wo sie doch verblieben / anverm hlt worden. Ebenso

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Quedlinburg war bekanntlich bevorzugter Aufenthaltsort Heinrichs I. und entwickelte sich „unter seinen Nachkommen zur wichtigsten Festtagspfalz der königlichen Familie“ (Claudia Märtl, Die ostsächsische Frühzeit und die Ottonen [8. Jahrhundert bis 1024], in: Horst-Rüdiger Jarck u. Gerhard Schildt [Hgg.], Die Braunschweigische Landesgeschichte, S. 133–176, hier S. 148). Leuckfeld (1668–1726), auf dessen regionalgeschichtliche Arbeiten König für seine historischen Ausführungen wiederholt zurückgreift, hat „15 Bände Beschreibungen – Antiquitäten – von süd- und ostsächsischen Stiften und Klöstern hinterlassen [...], meist wenige Bogen mit Urkundenbeilagen, die aber noch heute brauchbar sind“ (Manfred Hamann, Überlieferung, Erforschung und Darstellung der Landesgeschichte in Niedersachsen, in: Hans Patze [Hg.], Geschichte Niedersachsens, Bd. 1: Grundlagen und frühes Mittelalter, Hildesheim 21985 [Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 36,1], S. 1–95, hier S. 53). Mit Leibniz stand er in Kontakt wegen des Gründungsgedichts des Klosters Gandersheim (Primordia coenobii Gandeshemensis der Hrotsvit), das er 1709 in seinen Antiquitates Gandersheimenses publizierte, bevor es Leibniz in den zweiten Band der Scriptores rerum Brunsvicensium übernahm (vgl. Horst Eckert, Gottfried Wilhelm Leibniz’ Scriptores, S. 38f.). Vgl. Gerd Althoff, Die Ottonen, S. 57; Karl Schmid, Edgith, in: LexMA, Bd. 3 (1986), Sp. 1572f. – König beruft sich hierfür insbesondere auf die ber)hmte Poetin selbiger Zeit Roswida (Hrotsvit) von Gandersheim, indem er sechs Verse aus deren Gesta Oddonis zitiert.

195 deutet König an, daß er einen Eingriff in die historische Chronologie vorgenommen und die Ankunft der englischen Prinzessinnen in der Oper aus dramaturgischen Gründen n a c h der Schlacht gegen die Ungarn dargestellt hat, obgleich sie noch vor der Merseburgischen Schlacht geschehen. Er weist ferner hin auf den im zweiten Akt inszenierten Hof- oder Reichs-Tag Heinrichs des Voglers (II, 6), der ebenso in der Historie gegr)ndet sey wie die dort gehaltene Ansprache des Keyser[s] und die darin geschilderten politischen Vorgänge aus Heinrichs Regierungszeit, wovon statt aller andern / am n)tzlichsten die offt angezogene Dissertation des Rath Gundlings in Halle / nachgelesen werden kan. Lediglich der historische Versammlungsort Erfurt sei in der Oper durch Quedlinburg ersetzt worden. Da die Titelfigur Heinrich bei dieser Gelegenheit auf der Bühne drei Helden zu Rittern schlägt, die sich in der Schlacht gegen die Ungarn ausgezeichnet haben (darunter der Graf von Blankenburg), bezieht sich König in einem größeren Exkurs auf eine z. T. bereits in Daniel Georg Morhofs Unterricht von der deutschen Sprache und Poesie (1682) abgedruckte poetische Darstellung dieser Merseburgischen Schlacht, auf Jacob Vogels Ungrische Schlacht (1626),411 wo die drei Kämpfer namentlich genannt werden. Darüber hinaus erklärt König, abgesehen von der Titelfigur auch den )brigen Personen dieses Schau-Spiels jeglichem denjenigen Caracter beygelegt zu haben, wie sie in den Geschichten abgebildet werden. So zählt er nacheinander auf – als in die Bühnenhandlung integrierte Signifikanten historischer Authentizität – etwa Mechtildes (Mathildes) Favorisierung des jüngeren Sohnes Heinrich gegenüber dem vom Vater zum Nachfolger bestimmten Otto, Dankwarts (Thankmars) unruhige[n] Kopff, der ihn letztlich in den Tod geführt habe, oder die Tapfferkeit und Großmuth seines Stiefbruders Otto. Obgleich der historische Dankwart später – nach Heinrichs I. Tod – als Aufrührer und Gegner König Ottos getötet worden sei, indem er von des Otto Kriegs-Volck in der Peters Kirche zu Heersburg auf dem Altar von hinten zu erstochen worden, bleibt sein Schicksal in der Oper ungewiß: Er wird zwar von Ottos Gefolgsleuten auf der Flucht verwundet und somit für seine Vergehen und Laster bestraft, söhnt sich aber – vom Eremiten Volckmann zur Buße bewegt – mit seinem Vater und Stiefbruder aus, bevor er bewußtlos von der Bühne getragen wird. Die für das Operngenre typische dramaturgische Konvention des lieto fine bleibt mithin gewahrt: Den Zuschauern wird von Dankwarts Wiederaufkommen noch einige Hoffnung gelassen / um das Spiel nicht allzukl glich zu endigen. Während die Figur des Eremiten Volckmann, welcher sich damahls in dem Blanckenburgischen aufgehalten, als mutmaßlich historische Gestalt das Figurenensemble ergänzt, nicht zuletzt um Mechtildes ausgeprägte Freygebigkeit gegen Religiosen zu demonstrieren, soll die dem Bereich des meraviglioso

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Morhof zitiert in seiner Abhandlung, allerdings ohne Kenntnis des Verfassers, ein in Vogels Epos integriertes Kriegslied, dessen letzte Strophe mit dem Beginn „Kein seeligr Tod ist in der Welt“ späterhin, insbesondere im 19. Jahrhundert, eine breitere Rezeption erfahren hat (Daniel Georg Morhofens Unterricht von der teutschen Sprache und Poesie. Hg. v. Henning Boetius, Bad Homburg [usw.] 1969 [Neudruck des Textes der 2. Auflage 1700], S. 168–171).

196 entstammende Figur des dämonischen Hexen-Meister[s] als dessen Antagonist hindeuten auf den nahegelegene[n] Blocksberg / und die Vorurtheile des gemeinen Mannes davon. Insgesamt betont der Librettist denn auch, die Antiquitaeten der Blanckenburgischen Grafschafft, die der Oper ihre unverwechselbare Couleur locale verleihen, in den Decorationen und Vorstellungen auf das allergenaueste in acht genommen zu haben, darunter etwa die Baumannshöhle oder das alte Blankenburger Grafenschloß samt den darinn befindlichen ungemein-grossen Hirsch-Geweihen [...]. Welches man eben so bey Quedlinburg beobachtet / wann man daselbst von den alten Warten oder Wacht-Th)rmen / der TeufelsMauer / dem Vogel- oder Fincken-Heerd nicht weit vom Schlosse / und andern solchen Dingen etwas vorgestellt. Stand also im ersten Teil der Doppeloper Braunschweig als Residenz des regierenden Herzogs im Zentrum der historischrealistisch anmutenden Bühnentopographie, ist es nun der Nordharz mit Blankenburg, Quedlinburg sowie ihren identitätsverbürgenden Symbolen und Erinnerungsorten als ,Heimat‘ des gegenwärtigen fürstlichen Widmungsträgers und seiner Gattin. Daß Königs Vorschriften für die realistische Ausstattung – hier wie bereits im ersten Teil – allem Anschein nach zeitgenössische Tendenzen und Bestrebungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts und insbesondere im norddeutschen Raum widerspiegeln (wenn auch die Fülle der Details und die elaborierten, ins Epische ausgreifenden Deskriptionen des Nebentextes in den beiden Heinrich-Opern ohne Beispiel sein mögen), belegen etwa Überlegungen des Hamburger Librettisten Barthold Feind zur Szenerie und Inszenierungspraxis in seinen Gedancken von der Opera (1708):412 Jemehr man auch in den Vorstellungen der Natur nachahmet / je besser sind sie / wie es gegentheils einf ltig und armselig l sset / wenn man il ponte Rialto aus Venedig praesentiret / und eine ordinaire Br)cke bauet / oder / wenn man die R mische Flaminische Pforte vorstellen / und an statt dessen die Hamburgische BrocksBr)cke zeigen wolte. Der selige Herr Schott [der Mitbegründer und erste Direktor der Gänsemarkt-Oper, d.V.] in Hamburg war darinnen sehr accurat, wovon der L)neburgische Kalck-Berg413 / das R mische Capitolinum, und der weitber)hmte Tempel Salomonis / so bey funffzehn tausend Rthlr. alleine kosten soll / sattsam Exempel sind. Möglicherweise lassen sich hier Ansätze eines um 1700 aufkommenden „Natürlichkeitsideals“ greifen, das Einzug hält sowohl in den philosophischen als auch ästhetischen Diskurs der Zeit.414 Im Bereich des Operndiskurses mag ,Natürlichkeit‘ auf eine als wahrscheinlich, authentisch und unmittelbar empfundene und daher anrührende oder erschütternde szenische Darstellung zielen, wofür seitens des Sujets freilich die Historie prädestiniert ist.415

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Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 110f. Diese Angabe bezieht sich auf die oben genannte Hamburger Inszenierung Hertzog Henrich der L we (1696). Dirk Niefanger, Geschichtsdrama der Frühen Neuzeit, S. 229f. In den Gedancken von der Opera stellt Feind den Begriffen Fabel bzw. Verh)llung einer erdichteten Begebenheit die nat)rliche[] Vorstellung warhaffter Geschichte gegenüber,

197 Als Modell oder Vorwurf für Teile der Bühnenhandlung nennt König insbesondere die berühmten Dresdener Festlichkeiten des Jahres 1719, als man am Hofe Augusts des Starken über mehrere Wochen die Vermählung des sächsischen Kurprinzen Friedrich August mit der österreichischen Erzherzogin und Kaisernichte Maria Josepha feierte. Die mit der Ankunft der Braut in Dresden begangenen Lustbarkeiten dauerten vom 2. bis 30. September und markierten für die Zeitgenossen einen Gipfelpunkt höfischer Repräsentationskunst und Magnifizenz. Eine detailierte Beschreibung der Divertissements bietet etwa der nur kurze Zeit später publizierte zweite Band von Lünigs Theatrum Ceremoniale, und auch Rohrs Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren referiert einzelne Festszenen.416 Das Zentrum und den thematischen Konnex der glanzvollen, nicht zuletzt politisch hochrelevanten Feierlichkeiten, die auch die Uraufführung der ,dynastischen Mittelalteroper‘ Teofane mit sich brachten,417 bildete das auf sieben Tage (vom 10. bis zum 26. September) verteilte ,Fest der Sieben Planeten‘. Dabei war jedem von ihnen ein Festkomplex zugeordnet: Apollo das Feuerwerk, Diana die Jagd in der Elbe, Mars das Turnier (zu Pferd und zu Fuß), Merkur der Jahrmarkt (die Mercerie), Jupiter das Karussel der Vier Elemente, Venus das Damenringrennen und schließlich Saturn das Bergwerk-Festival bzw. der Aufzug der Bergmänner.418

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wenn er – im Rekurs auf die horazische Formel des „aut prodesse volunt aut delectare poetae“ – erläutert, was der Endzweck von Schau-Spielen (und also auch von Opern) sei: entweder unter einer Fabel / Verh)llung einer erdichteten Begebenheit / oder allein nat)rlicher Vorstellung warhaffter Geschichte / das Volck auf eine angenehme Art zu unterrichten und zu belehren / anbey haupts chlich den Nutzen mit / durch und in der Belustigung zu verkn)pffen (Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 102). An anderer Stelle konkretisiert er den Begriff ,natürlich‘ mit Blick auf die Darstellung der Affekte: Das heist nun nat)rlich darstellen / wenn der Leser oder Zuschauer bey der Durchlesung oder Praesentation ger)hret wird: wenn ihm die Sache in der That wahr zu seyn vork mmt / und er entweder zum Zorn / Furcht / Hofnung / Mitleid / oder Rache geleitet wird (ebd., S. 108). Johann Christian Lünig, Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-Platz Aller Ceremonien [...], 2 Bde, Leipzig 1719/20, Bd. 2 (1720), S. 1681–1699 (Addend. ad Cap. XXVII. pag. 1212.; zu den einzelnen Festen der Sieben Planeten); Julius Bernhard von Rohr, Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren. Hg. u. kommentiert v. Monika Schlechte, Weinheim 1990 (Neudruck der Ausgabe Berlin 1733), S. 746–748, 773 (Carousel der vier Elementen). Text von Stefano Benedetto Pallavicino, Musik von Antonio Lotti. Zu den Dresdener Hochzeitsfeierlichkeiten vgl. Helen Watanabe-O’Kelly, Triumphall Shews. Tournaments at German-speaking Courts in their European Context 1560–1730, Berlin 1992, S. 130–138; dies., Court Culture in Dresden. From Renaissance to Baroque, Basingstoke 2002, S. 204–237; Claudia Schnitzer, Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstattung von Verkleidungsdivertissements an deutschen Höfen der Frühen Neuzeit, Tübingen 1999 (Frühe Neuzeit 53) [mit zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen der einzelnen Feste und ihrer Details]; Andrea Sommer-Mathis, Tu felix Austria nube. Hochzeitsfeste der Habsburger im 18. Jahrhundert, Wien 1994 (dramma per musica 4), S. 31–53; speziell aus musikhistorischer Perspektive: Irmgard Becker-Glauch, Die Bedeutung der Musik für die Dresdener Hoffeste bis in die Zeit Augusts des Starken, Kassel u. Basel 1951, S. 98–115. Grundlegend zur höfischen Festkultur der Frühen Neuzeit: Richard Alewyn, Das große Welttheater.

198 Als Reflex der Dresdener Fürstenhochzeit und ihrer verschiedensten höfischen Divertissements erscheinen also in der Opernhandlung ein Damenringrennen, ein Fußturnier, eine höfische Jagd und zuletzt ein Aufzug von Bergmännern, ebenso wurden integriert die zeremonielle ,Einholung‘ der zukünftigen Braut sowie Feuerwerck, Wasser- und Schiff-Lust. Zweifellos sowohl der Selbstinszenierung des kürzlich zum kursächsischen Hofpoeten ernannten König wie auch der grandeur seines Dienstherrn August nicht abträglich, verdeutlichen diese Reminiszenzen an die Dresdener Divertissements auf der Braunschweiger Opernbühne zugleich den Status und Anspruch der aktuellen Oper als einer repräsentativen Festaufführung im höfischen Umfeld – freilich vor den Augen auch eines nichthöfischen, d. h. kommerziellen Publikums des HagenmarktTheaters. Am Ende seiner programmatischen, rezeptionslenkenden Vorrede betont König den Nutzen der operistischen Allusion, wobei er zwischen zwei Rezipientengruppen unterscheidet: Denjenigen, die Zeuge der Dresdener Beylagers-Festivitaeten gewesen seien, könne der auf der Bühne realisierte theatralische ,Abglanz‘ derselben noch einmal die Einzigartigkeit des real Stattgehabten vor Augen führen, während den übrigen Zuschauern immerhin, wie im Schatten, ein vager Eindruck der grandiosen Festlichkeiten vermittelt werde – die Panegyrik auf den kursächsischen Hof ist kaum zu überhören. Mit Blick auf beide Teile der Doppeloper Heinrich der Vogler und deren Ausstattung mit repräsentativen Aufzügen, aufwendiger Bühnenmaschinerie und szenischen Schaueffekten resümiert Johann Ulrich König, einen hypertrophen Superlativ bemühend, es sey niemahlen eine wahrhaffte Geschichte so vollkommen / gr)ndlich / und pr chtig auf einem Schauplatze / als wie allhier [...] aufgef)hret worden / es sey gleich in welcher Sprache oder bey welcher Nation man wolle. Selbst die großen französischen Dramatiker Molière und Thomas Corneille werden aus dem Feld geschlagen, da sie einerseits keine Singe-Spiele verfaßt hätten, andererseits ihre mit prächtiger Bühnentechnik ausstaffierten Schauspiele (König nennt Molières Les Plaisirs de l’Isle Enchantée, 1664, sowie Corneilles Circé und L’Inconnu, beide 1675) keine Vorstellungen wahrhaffter Geschichten / sondern nur mythologische Fabeln oder Zaubereyen aus Romanen gewesen [seien] / da der Poet weder einer historischen / noch vielen andern Critiquen, unterworffen. Entscheidendes Differenzkriterium ist demnach die wahrhaffte Geschichte als Substanz des Plot und deren poetische Umsetzung auf dem Theater, die – nach Königs Auffassung – wiederum an spezifische, der Historizität des Sujets angemessene Techniken und methodische Vorgehensweisen gebunden ist und entsprechend dichterische Freiheit oder künstlerische Willkür einschränkt. Unbestritten verfolgen Königs poetologische Aussagen a u c h das Ziel einer Stilisierung der mit der Vorlage des aktuellen Librettos präsentierten eigenen dichterischen Leistung und Kompetenz. Daß aber zu Beginn des 18. Jahrhunderts – jedenfalls im norddeutschen Raum – eine Präferenz wahrhaffter Geschichten vor mythologischen Themen festzustellen ist, die vielleicht nicht zuletzt mit dem Aufkommen des oben genannten Natürlichkeitsdiskurses in Verbindung steht, erhellt u. a. aus dem

199 Spielplan des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters419 oder – für Hamburg – aus bereits an früherer Stelle zitierten Bemerkungen Bartold Feinds oder Christian Friedrich Hunolds,420 die in genau diese Richtung weisen: Während Feind in den Gedancken von der Opera andeutet, daß man in Hamburg gantz degoutirt [sei] f)r die Heydnische G tter-Fabeln / und w)ste ich kein eintziges Exempel von dieser Sorte, welches recht reussiret,421 heißt es bei Christian Friedrich Hunold: Vor diesen beliebten viele Fabeln von heydnischen G ttern; Und solcher habe einige auf dem Weissenfelßischen Theatro, wie auch hier [= in Hamburg] und anderwerts sehen auff)hren / die nicht uneben / sondern theils recht sch n waren. Allein meine Gedancken aufrichtig davon zu entdecken / halte ich es lieber mit warhaften als erdichteten Begebenheiten / denn da sind Anmuth und Nutzen gr sser / weil / wo eine denckw)rdige Geschichte wohl aufgef)hret wird / man dadurch in der Leute Ged chtniß eine angenehme Erinnerung und einen lebhafften Abdruck in den Gem)thern durch die Actionen verursachet; Die Helfte der Estim und Aufmercksamkeit f llt aber weg / wo ich im voraus weiß / daß alles / was darinnen vork mmt / in blosser Einbildung beruhet. Unter allen Historien nun behaupten die R mischen bey nahe den sch nsten Preiß / weil diese am bekandtesten / und oft am vortreflichsten.422 Die mit den beiden Heinrich-Opern prononciert – und zuvorderst für den höfischen Rezipienten – verbundenen Aspekte dynastischer Identitätsstiftung und Glorifizierung bringt König ins Spiel, wenn er unter dieser Perspektive das Potential des historisch-realistischen Sujets herausstellt: So könne etwa der Verfasser eines mythologischen oder romanhaften ,Schauspiels‘ nicht hoffen, Durchlauchtigen Zuschauern so viel Vergn)gen zu erwecken / als durch Vorstellung eines Helden aus ihrem Stamm-Hause / dessen vornehmste Thaten und r)hmlichste Verrichtungen seines gantzen Lebens man in dem Schauspiele selber auf diejenige Herrschafften unvermerckt applicirt / denen solches als eine Zuschrifft gewidmet worden. Damit ist e i n e, zugegeben programmatische Lesart der Heinrich-Opern genannt. Eine andere (gleichfalls politisch konnotierte) wäre die über das spezifisch dynastische Interesse der höfischen Rezipienten hinausgehende reichspatriotische oder nationale Lesart (wie sie insbesondere für das eher bürgerliche Publikum der Hamburger Fassung des ersten Teils, aber auch für auswärtige und nicht dem Hof assoziierte Zuschauer in Braunschweig naheliegen mag), eine dritte schließlich die allgemeinere, von solcherart politischer Konkretisierung abstrahierende Lesart als moralischdidaktisches Exemplum im Sinne des Konzepts der historia magistra vitae. Am Ende von Königs historisch-kritisch fundierter und poetologischprogrammatischer Einführung steht der vorsichtige Ausblick auf weitere historische Singe-Spiele / sonderlich aus dem Leben des grossen Otto. Zu deren

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Vgl. o. S. 148. Vgl. o. S. 5 Anm. 16. Bartold Feind, Deutsche Gedichte, S. 85. Christian Friedrich Hunold (Menantes), Theatralische / Galante und Geistliche Gedichte, S. 126f.

200 Realisierung und damit zu einer möglichen Kontinuation des LiudolfingerThemas auf der Braunschweiger Bühne kam es jedoch nicht mehr, d. h. nicht von seiten Johann Ulrich Königs. Innerhalb des Ensembles der anschließenden Paratext-Reihe, die die agierenden Personen, Komparsen, die Szenenwechsel und eingesetzten Maschinen verzeichnen, sticht vor allem die bei den Dramatis personae aufgeführte Rollenbesetzung der Uraufführung ins Auge – ein Glücksfall, was die Erhellung konkreter zeitgenössischer Aufführungswirklichkeit anbelangt: Neben dem Capell-Meister Sch)rmann, der als Bassist die Titelrolle verkörperte (ihn nennt das Libretto ferner als Komponisten), agierten u. a. der 22jährige Johann Adolf Hasse (Tenor) als Dankwart, Mad. Koulhaas (Sopran) als Mechtilde, Mad. Simonetti (Sopran) als Editha, Madle. Pichon (Sopran) als Adiva, Mons. Koulhaas (Baß) als Graf von Blankenburg, Mons. Oesterreich (Tenor) als Eduart und Volckmann, Mons. Weise (Baß) als Rudel, Mons. Ruhe als Zauberer, Madle. St)bner (Sopran) als Das 18. Seculum und Mons. Campioli (Alt) als Otto. Bis auf Mons. Ruhe verzeichnet der Wolfenbütteler Hofkalender des Jahres 1721 alle genannten Sänger als Mitglieder der herzoglichen Hofkapelle: Christina Elisabeth Simonetti geb. Döbricht, die gemeinsam mit ihrer Schwester Johanna Elisabeth Hesse-Döbricht wohl „zu den berühmtesten deutschen Sängerinnen ihrer Zeit“423 gehörte, als Erste Sängerin bey Fürstl. Hoff-Capell, sodann Christina Louisa Koulhaas und Johanna Dorothea Stübner jeweils als Sängerin bey Fürstl. Hoff-Capell und Mademoiselle Pichon als Sängerinn und Täntzerinn. Antonio Campioli erscheint als Altist, Georg Oesterreich und Johann Adolf Hasse werden als Tenoristen und Friedrich Weise sowie Johann Ferdinand Koulhaas (als Vocal- und Instrumentalist) in der Gruppe der Bassisten genannt.424 Die Koulhaas und die Pichon sind 1722 dann auch im Ensemble der Hamburger Gänsemarkt-Oper nachweisbar (erstere allerdings nur für drei Produktionen), ebenso der Altkastrat Campioli, der bereits 1719, von Darmstadt kommend, zum ersten Mal in Hamburg aufgetreten war und im Sommer 1722 dorthin zurückkehrte (bis 1728).425 Nach einem Aufenthalt in Venedig, wo er „für eine Jahresgage von 600 Thr jungen italienischen Sängern, die auf Kosten des sächsischen Hofes in ihrer Heimat ausgebildet worden waren, den letzten Schliff“ gab,426 traf er 1730 in Dresden ein und übernahm u. a. die Rolle des Poro bei der Dresdener Cleofide-Aufführung von 1731, womit Hasse sein Debüt als kursächsischer Kapellmeister gab, während Hasses Gattin, die gefeierte Primadonna Faustina Bordoni, in der Titelrolle brillierte. Die Opernhandlung selbst umfaßt drei Akte mit 10, 12 und 14 Szenen. 11 Bühnenbilder und 15 Maschineneinsätze lassen auf eine dem ersten Teil mindestens ebenbürtige opulente und insofern kostspielige Ausstattung schließen.

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Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 57 Anm. 54. Zit. nach Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 124f. Vgl. Klaus Zelm, Die Sänger der Hamburger Gänsemarkt-Oper, in: Constantin Floros, Hans Joachim Marx u. Peter Petersen (Hgg.), Studien zur Barockoper, S. 35–73, hier S. 49–51, 58f. u. 65f. Ebd., S. 49.

201 Mit den bewußt eingearbeiteten theatralisch-zeremoniellen Reminiszenzen an die Dresdener Fürstenhochzeit von 1719 dürfte der zweite Teil den ersten in dieser Hinsicht freilich übertrumpft haben: I. Nach der Rückkehr aus der Schlacht bei Keuschberg,427 wo Heinrich den Ungarn eine vernichtende Niederlage zugefügt hat, hält der Keyser mit seinem Heer triumphal Einzug in Quedlinburg. Alsbald meldet Rudel die Ankunft der beiden englischen Prinzessinnen Editha und Adiva. Sowohl Dankwart als auch Otto entbrennen in Liebe zu den Schwestern – ohne sich zunächst für eine der beiden entscheiden zu können. Auch der mit Heinrich vom Schlachtfeld zurückgekehrte Graf von Blankenburg hat sich verliebt – in Adiva. Der Akt schließt mit einem großen Fußturnier (samt vorhergehendem Aufzug), woraus Otto, Dankwart und der Graf von Blankenburg (in dieser Reihenfolge) als Sieger hervorgehen. II. Otto teilt Dankwart seine bevorstehende Vermählung mit Editha mit und erbittet Dankwarts Turnierpreis, ein Porträt Edithas, worüber der gleichfalls in die Prinzessin verliebte Dankwart in Rage gerät. Adiva erscheint und kann den Streit vorübergehend schlichten; jedoch erst als der Graf von Blankenburg und Editha hinzutreten, versöhnt sich Dankwart (zum Schein) mit Otto. Auf dem Reichstag bestimmen die versammelten Stände auf Heinrichs Vorschlag Otto zum Nachfolger seines Vaters und künftigen Keyser. Heinrich schlägt weiterhin drei Kriegshelden, darunter den Grafen von Blankenburg, zu Rittern. Dankwart, allein zurückgeblieben und verbittert über die doppelte Zurücksetzung (Herrschaft, Liebe), artikuliert erregt seine Feindschaft gegenüber Otto. Als er Adiva und darauf Editha begegnet, teilt er beiden seine Liebe mit, wird aber sowohl von Adiva als auch von Editha zurückgewiesen. Adiva bekennt vielmehr ihre Zuneigung zum Grafen von Blankenburg, der mittlerweile Heinrichs Zustimmung zu einer möglichen Verbindung mit der jüngeren englischen Prinzessin eingeholt hat. Ein Ringelrennen bildet den Abschluß des zweiten Aktes. III. Während eines Jagdausfluges des Hofes in den Blankenburger Forst entführt Dankwart mit Hilfe eines ihm gewogenen Zauberers die englischen Prinzessinnen in einem fliegenden Jagdschirm. Otto eilt zwar hinzu, kann aber, durch Magie gehindert, nicht mehr eingreifen, während der Zauberer auf einem Drachen davonfliegt. Um den Einfluß der dämonischen Mächte abzuwehren, versichern sich Heinrich, Otto und der Graf von Blankenburg der Unterstützung des in der Gegend beheimateten Eremiten Volckmann. Gemeinsam mit Otto und dem Grafen spürt dieser Dankwart und die Prinzessinnen in der nahegelegenen Baumannshöhle auf. Nach kurzem Kampf werden Dankwart und der Hexenmeister in die Flucht geschlagen. Überraschend erscheint das Heiligthum der Zeit mit der Personifikation des 18. Jahrhunderts, um den Erretteten die künftigen Geschicke der Grafschaft Blankenburg vorherzusagen. Im Rahmen eines großen Bergwerk-Festivals wird im Blankenburger Schloß die bevorstehende Doppelhochzeit Ottos und des Grafen mit Editha und Adiva gefeiert. Volckmann bringt unverhofft den verwundeten Dankwart herbei, der sich, als reuiger Sünder, mit Heinrich, Otto und den beiden Prinzessinnen aussöhnt, bevor er bewußtlos hinweggetragen wird. Die Oper endet mit einer Prophetie der teutsche[n] Monarchie und Apotheose der welfischen Dynastie.

Wie schon der erste Teil beginnt auch der zweite mit einer repräsentativen Staatsszene, die insofern an die erste Heinrich-Oper anknüpft, als sie die triumphale Rückkehr des Titelhelden aus der Schlacht gegen die Ungarn

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Diese Lokalisierung der Schlacht von 933 deckt sich mit den Annahmen der zeitgenössischen Historiographie. Vgl. etwa die Ausführungen des Helmstädter Geschichtsordinarius und – ab 1725 – Nachfolgers von Leibniz und Eckhart als Hannoveraner Hofhistoriograph Simon Friedrich Hahn: Vollst ndige Einleitung zu der Teutschen Staats-, Reichs- und Kayser-Historie, und dem daraus fliessenden Jure Publico [...], 4 Bde, Halle u. Leipzig 1721–1724, Bd. 2 (1721), S. 27.

202 darstellt, mit deren Ankündigung die vorletzte Szene des ersten Teils zu Ende gegangen war. Das Kampfgeschehen selbst bleibt also ausgespart. Die Intrige, die dramaturgische Struktur entspinnt sich im folgenden aus der – historisch verbürgten – Gegnerschaft zwischen Heinrichs Söhnen, den Halbbrüdern Dankwart und Otto. Auslösendes Moment ist dabei die – ebenso historisch abgesicherte – Ankunft der beiden englischen Prinzessinnen Editha und Adiva. Die dadurch bei Dankwart und Otto schlagartig ausgelösten amourösen Neigungen und Enthusiasmen markieren als gattungstypische Affektmuster im ersten Akt (I, 6) den Beginn der zunächst verdeckten Rivalität zwischen Otto und Dankwart, die durch die Entscheidung der Herrschaftsnachfolge im zweiten (II, 6) weiter verstärkt wird, während der Graf von Blankenburg zugleich als zweiter Gegenspieler Dankwarts (in Liebesangelegenheiten) etabliert wird (II, 5). Der Konflikt erreicht seinen Höhepunkt im dritten Akt, als Dankwarts Feindseligkeit offen ausbricht und, durch das Bündnis mit dem Magier, fortan der Sphäre des meraviglioso Raum bietet. Als Gegenfigur zum dämonischen Zauberer fungiert – ähnlich wie in Aaron Hills und Händels Rinaldo (1711) – ein Einsiedler, der als Repräsentant des christlichen Gottes den Zauber überwinden hilft und schließlich die Rückkehr des ,verlorenen Sohnes‘ Dankwart in die christliche Gemeinschaft und in die Königsfamilie herbeiführt. In die Handlungsstruktur, die insgesamt weniger komplex und verwickelt gestaltet ist als die des ersten Teils, hat König, wie auch schon drei Jahre zuvor, einige komische Szenen mit Heinrichs Diener Rudel im Mittelpunkt (I, 4; I, 9; II, 8; III, 11), vor allem aber – an strukturell herausgehobenen Positionen – zahlreiche prächtige, auf Repräsentation setzende Szenen oder Szenenkomplexe montiert. Diese lassen sich dahingehend differenzieren, daß sie entweder eine vorrangig historisch-politische, höfisch-repräsentative oder eher dynastische Signatur aufweisen. Zum ersten Typus gehören der die Oper eröffnende feierliche Einzug der Sieger in Quedlinburg (I, 1), die Einholung der englischen Prinzessinnen (I, 5; vor der imposanten Vedute der Teufels-Mauer im Prospekt) und der Reichs-Tag (II, 6) als öffentliche Staatsszenen, zum zweiten die mit je spezifischen Aufzügen verbundenen, innerhalb der historischen Opernhandlung (für den modernen Betrachter) z. T. durchaus anachronistisch anmutenden428 Anspielungen auf die Divertissements der Dresdener Fürstenhochzeit und insbesondere das ,Fest der Sieben Planeten‘: die Jagd des Hofes im ber)hmten Blanckenburgischen Thier-Garten (III, 1/2), das Fußturnier (I, 9/10) und das Damenringrennen mit Schiffahrt und Feuerwerk (II, 12), beide jeweils am Aktschluß, sowie das Bergwercks-Fest kurz vor Ende des dritten Aktes (III, 11/12). In den Szenen III, 10 und III, 14, die einen dritten Typus bilden, werden dagegen im Rahmen der Prophetien des achtzehendte[n] Jahr-

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Demnach scheint es für König kein Widerspruch, die Darstellung eines historischen Stoffes, einer wahrhafften Geschichte, mit höfisch-repräsentativen Elementen der Zeit zu durchsetzen. In der Vorrede hatte er freilich angekündigt, die zahlreichen Aufzüge, Tänze, fremden Auszierungen des Schauplatzes und pr chtigen Machinen [..] theils nach der Beschaffenheit der wahren Geschichte / theils wegen der Applicationen auf die HochF)rstl. Herrschafften [...] angebracht zu haben.

203 hundert[s] (der Personifikation der spielinternen sp ten Zeit und zugleich der – in den Augen des Publikums der Erstaufführung – ,realen‘ Jetzt-Zeit) und der teutsche[n] Monarchie dynastische Glorifizierungen präsentiert. Die Reichstagsszene (II, 6) rekurriert – als Beispiel für den ersten Typus – auf den historischen Hoftag zu Erfurt, den Heinrich I. im Jahr 936, kurz vor seinem Tod, einberief und „auf dem er den Großen noch einmal Otto eindringlich als seinen Nachfolger empfahl“.429 König schildert die Bühnenausstattung und das Figurenarrangement der repräsentativen Staats- und Zeremonialszene in gewohnt akribisch-detailreicher Manier. Im Vordergrund der Bühne stehen sich der Thron-Sitz des Königspaares und, etwas tiefer angeordnet und ohne Baldachin, der der beiden Söhne Otto und Dankwart (mit den beiden englischen Prinzessinnen) gegenüber. Neben Heinrich und Mechtilde haben sich stehend die Erb-Marschalle und Erb-Aempter des Reichs mit ihren Insignien und zween Herolden versammelt. Hinten aber auf B ncken / welche sich in Gestalt eines halben Monds an die beyde Throne schliessen / mit rothen Tuch belegt / und Stufen-weise erhaben / sitzen die F)rsten und St nde des Reichs geist- und weltlichen Standes. Nach einer Chorstrophe, die die Szene einleitet, indem im Rekurs auf das Emblem der beflügelten Fama der Ruhm von Heinrichs Taten zum Wohle Teutschland[s] besungen wird, resümiert Heinrich im Rahmen eines umfangreichen, episch-narrativen rezitativischen Monologs sein bisheriges erfolgreiches Regierungshandeln und drängt die Fürsten zuletzt zur Benennung seines Nachfolgers. Heinrichs Bericht reicht dabei von seiner Thronbesteigung (919) und den damit einhergehenden Feindseligkeiten der süddeutschen Herzöge Burkhard (im Libretto Rudolph) von Schwaben und Arnulf von Bayern bis zum entscheidenden Sieg über die Ungarn (933). Er nennt u. a. den Übergang des Herzogtums Lothringen an das ostfränkische Reich nach Beilegung des Konfliktes mit dem westfränkischen König Karl dem Einfältigen und Herzog Giselbert, die siegreichen Kämpfe gegen die heidnischen Elbslawen und Dänen sowie die Unterwerfung Wenzels von Böhmen. In der Schlußpassage seiner Rede kündigt Heinrich einen baldigen Feldzug nach Italien an und legt darauf den versammelten Fürsten und Ständen um so mehr die Regelung der Herrschaftsnachfolge nahe. Mit einer Arie, die eindringlich Heinrichs Wunsch nach einer dynastischen Thronfolge bekräftigt („Es kan mir wol und meinen grauen Haaren“), endet die episch-narrative Entfaltung historischer Ereignisse und Leistungen der Titelfigur, die als Herzstück der vielfältigen historischen Anspielungen und Verweise der Opernhandlung und mithin augenfälliges Dokument der intendierten Darstellung wahrhaffter Geschichte gelten kann. Als Gewährsmann für Heinrichs autobiographischen Rückblick und die darin geschilderten historischen Vorgänge, die nun auf der Bühne selbst nicht gezeigt werden (können), aber qua Narration in die Opernhandlung eingeblendet werden, nennt König – in der Vorrede – erneut den renommierten Hallenser Reichspublizisten und Thomasius-Schüler Nikolaus Hieronymus Gundling (und dessen 1711 publizierte Schrift De Henrico Aucupe) und stellt so den Anschluß

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Gerd Althoff, Die Ottonen, S. 66.

204 her an den aktuellen historiographischen Diskurs der Zeit. Die Szene schließt damit, daß Heinrich – nachdem die Stände einmütig Otto zu seinem Nachfolger proklamiert haben – drei vor dem Thron kniende Helden, die sich im Kampf gegen die Ungarn ausgezeichnet haben, mit Carl des grossen Schwerdt / so er hierzu von dem Reichs-Marschall empfangen / unter dem jubelnden Beifall der Menge zu Rittern schlägt. Die Historizität des Dargestellten evozieren sowohl der zeremoniale Akt selbst als auch das Schwert als Symbol legitimer (königlicher) Macht und Herrschaftsgewalt, insbesondere in seiner hier präsentierten Konkretisierung als Reliquie Karls des Großen, die die Legitimation und Kontinuität des imperialen deutschen Königtums verkörpert.430 Als Replik auf das Festival des Saturn im Plauenschen Grund am 26. September 1719, womit das Fest der Sieben Planeten während der Dresdener Fürstenhochzeit grandios beschlossen wurde, inszeniert Johann Ulrich König in den Szenen 11 und 12 des dritten Aktes ein opulentes Bergwerksfest samt Aufzug der Berg-Leuthe aus dem Hartze (höfisch-repräsentativer Szenentypus). Die Bühnenanweisung zu Szene 11 nimmt dabei deutlich Bezug auf das Festbankett des kursächsischen Hofes im Tempel des Saturn,431 einem höhlenartigen Raum, wo man Zuckerberge und Miniaturdarstellungen verschiedener Produktionsabläufe des Bergbaus und Hüttenwesens bewundern konnte,432 während der anschließende Aufzug der Bergleute mit Berg-Reyhen in Szene 12 offensichtlich die große Parade der kursächsischen Bergmannschaft vor den Augen des Dresdener Hofes en miniature zu imitieren sucht.433 Dort waren unter der

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Möglicherweise bezieht sich König hier auf den legendären ,Säbel Karls des Großen‘, „eine osteurop. Arbeit aus der 1. Hälfte des 10.Jh., dessen Eingang in die R[eichsinsignien] im dunkeln liegt“ (Helmut Trnek, Reichsinsignien, in: LexMA, Bd. 7 [1995], Sp. 623–626, hier Sp. 624). Zedlers Artikel Reichs-Kleinodien (Universal-Lexicon, Bd. 31 [1742], Sp. 107–111) führt sowohl unter den Aachischen als auch N)rnbergischen R. jeweils ein Schwerdt K yser Carls des Grossen auf (Sp. 108 u. 110). Besonders das mit den beiden übrigen Aachener Reichsinsignien – der Stephansburse und dem Reichsevangeliar – in der Marienkirche verwahrte Schwert des alten und Heil. Kaysers Carls des I. – der oben genannte ,Säbel Karls des Großen‘ – scheint Zedler zufolge noch bei den zeitgenössischen Frankfurter Krönungszeremonien (etwa bei der Krönung Karls VI. im Jahre 1711) eingesetzt worden zu sein (Sp. 109). Ein gew lbtes Zimmer auf dem Blanckenburgischen Schlosse in Form einer unterirrdischen Grotte mit lauter Mineralien / raren Stuffen / Stollen / Ertzernen Vasen / Spiegeln / Berg-Cristallen und andern Berg-Zierrathen des nahgelegenen Hartz-Geb)rges ausgeschm)ckt / woselbst in der Mitte Rudel durch einige Berg-Bediente eine grosse Tafel / in Gestalt eines halben Monds zurecht setzen l sset / auf welcher die Schau-Gerichte und Zuckerwercke alle wie Ertzt-Stuffen und dergleichen zugerichtet / und die Speisen in lauter irrdenen Geschirren und Ertzenen Gef ssen / aufgesetzt zu sehen. Vgl. etwa den das Ereignis festhaltenden zeitgenössischen Stich von Carl Heinrich Jacob Fehling, abgebildet (Detail) bei Helen Watanabe-O’Kelly, Court Culture in Dresden, S. 230; ebenso bei Claudia Schnitzer, Höfische Maskeraden, Abb. 189. Der Aufzug der Berg-Leuthe aus dem Hartze. Voran einige Glieder Berg-Jungen mit angez)ndten Gruben-Lichtern / alsdann die Berg-Music und Berg-S nger. So dann ein Berg-Hauptmann in der Mitten allein / welcher einige Glieder Berg-Leute anf)hret / zwischen welchen ein Berg-Meister in der Mitte die Knappschaffts-Fahne tr get. Ihnen folgen in der Mitte 2. Berg-Knappen / welche einen grossen Ertz-Berg auf Stangen tragen.

205 Leitung des kursächsischen Oberhofmarschalls und Oberbergwerksdirektors „die Divisionen der verschiedenen Berufssparten“ der Berg- und Hüttenleute angetreten, um den Angehörigen des Hofes und geladenen Gästen „die wichtigsten Arbeitsprozesse im Berg- und Hüttenwesen, die Rohmaterialen und die Produkte bei ihrer Parade“434 zu präsentieren und damit den Reichtum Sachsens an Rohstoffen und produktivem ,Know-how‘ zu demonstrieren. Anknüpfungspunkt für Königs theatralische Zitation ist dabei der von den Welfen beherrschte Harz als eine der bedeutendsten Bergbauregionen Deutschlands in der Frühen Neuzeit, speziell mit den Gruben des Rammelsberges bei Goslar zur Förderung von Blei und Silber oder bei Braunlage und um Hüttenrode-Neuwerk im Fürstentum Blankenburg zur Förderung von Eisenerz.435 Besonders zu Beginn des 18. Jahrhunderts scheint der Oberharz etwa in der deutschen Silbererzeugung führend gewesen zu sein und insgesamt erbrachte der „Bergbau des Harzes [...] zwischen 1635 und 1799 Überschüsse“,436 wovon die welfischen Landesherren freilich am meisten profitierten. Mit der Präsentation des Braunschweiger und Blankenburger Berg- und Hüttenwesens erinnert die Szenenfolge mithin nicht nur an die berühmten Dresdener Hochzeitsfeierlichkeiten, sondern zielt – wie schon ihr Vorbild – mit Blick auf die fürstlichen Adressaten der Opernproduktion auch und gerade auf das Identifikationspotential und Prestige der heimischen Montanindustrie. Die Schlußszene der Oper (als Beispiel für den dritten Szenentypus) entwirft, wie schon diejenige des ersten Teils, eine dynastische Perspektive, indem die teutsche Monarchie vor den versammelten Bühnenfiguren in einem pr chtigen Ger)ste von Piramiden / Ehren-S ulen und Siegs-Bogen erscheint, um die künftigen Geschicke des ottonischen Kaiserhauses und seiner fernen Nachfahren, der Braunschweiger Welfen, anzuzeigen. Während in Szene III, 10 das achtzehendte Jahrhundert den Aufstieg der Grafschaft Blankenburg zum Fürstentum unter Herzog Ludwig Rudolf und Herzogin Christine Luise sowie deren glückliches Regiment vorhergesagt hatte, wird hier nun die Zukunft des gesamten Welfenhauses in seinen europäischen und imperialen Verflechtungen antizipiert. Erneut wird dabei, wie bereits im ersten Teil, ein Bogen gespannt von der (aus der Sicht der Bühnenfiguren) nächsten Zukunft zur Gegenwart der zeitgenössischen Zuschauer. Verbindungsglied zwischen der Glorifizierung

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Aldann wieder eine Rotte Berg-Leute verschiedener Bedienungen / als Steiger / RuhtenG nger / Marckscheider / Schmeltzer / H)tten-Meister / H)tten-Schreiber / SchichtMeister / Berg-Aeltesten etc. mit geb)hrenden Knappschaffts-Geräthen und Kennzeichen. Zwischen jedem Gliede wird von einem Bergmanne etwas besonders von Ausbeute aus dem Hartz-Geb)rge an Fossilien / Mineralien / Edelsteinen / Silber und Gold / Ertz und dergleichen in Tr gen auf den Achseln getragen. Alle mit brennenden Gruben-Lichtern. Claudia Schnitzer, Höfische Maskeraden, S. 178. – Vgl. auch dazu die Abbildungen der entsprechenden Stiche bzw. Federzeichnungen von Fehling bei Helen Watanabe-O’Kelly, Court Culture in Dresden, S. 227f. und Claudia Schnitzer (ebd.), Abb.185–188. Zum Harz-Bergbau vgl. etwa Karl Heinrich Kaufhold, Die Wirtschaft in der frühen Neuzeit, S. 372–425. Ebd., S. 400.

206 Ottos des Großen, der meine Macht unendlich wird erheben (so die Worte der teutschen Monarchie), und der Apotheose der Welfendynastie des Jahres 1721 ist Ottos Gemahlin Edgith, deren Vermählung mit einem sächsischen Herrscher die Vereinigung Braunschweigs mit England zu Beginn des 18. Jahrhunderts präfiguriert: So wie Edith / die doch in Engelland erzeugt / | In Braunschweig einst durch ihn [= Otto] den Keyser-Thron besteigt / | So wird auch nach acht hundert Jahren | Sich Engelland mit Braunschweig wieder paaren / | Wann Braunschweig wird die sch ne Zeit erleben / | Daß es an Engelland kan einen K nig geben. Bemerkenswerterweise wird an dieser Stelle also die englische Sukzession der Hannoveraner Welfen (1714) alludiert und zugleich der Dignität des Gesamthauses einverleibt. Es scheint, als sei die lange Zeit der konfliktären Rivalität zwischen den beiden welfischen Familien überwunden. Schließlich hat auch die Wolfenbütteler Linie eine beachtliche Erhöhung ihres Ansehens und dynastischen Prestiges vorzuweisen: Zu gleicher Zeit wird auch alsdenn geschehn / | Daß Braunschweig wieder wird den Keyser-Thron beseelen / | Wann Blanckenburg und Oestreich sich verm hlen. | Wann Carl der gr ste Herr der Welt | Sein w)rdigstes Gemahl aus eurem Blut erh lt / | Und diese Hartz-Grafschafft ein F)rstenthum wird werden. Durch Kaiserin Elisabeth Christine, Tochter des Blankenburger Herzogspaares, und ihren Gemahl Karl VI., de[n] gr ste[n] Herr[n] der Welt, kehrt Wolfenbüttel zu den alten imperialen Wurzeln der Ottonen zurück und trägt nun auch selbstbewußt seinen Teil zur Vermehrung der grandeur des welfischen Gesamthauses bei. So beschließt die teutsche Monarchie ihre Prophetie – nachdem die Porträts Karls VI. und Elisabeth Christines von zwei auf dem österreichischen Adler bzw. Braunschweigischen Pferde fliegenden Genien herbeigebracht worden sind – mit dem nicht zu überbietenden Preis des regierenden Kaiserpaares: So sch n / wie sie / war keine Keyserin. | So groß / wie er / kein Keyser noch auf Erden. Worauf alle Bühnenfiguren einstimmen: Was sch ners kan man nicht und auch nichts gr ssers zeigen. | Wie hoch wird Braunschweig einst u@ Blanckenburg noch steigen, ehe die Oper mit einem Huldigungschor auf Braunschweigs [neue] Helden endet. Schürmanns Musik zum zweiten Teil der Heinrich-Oper ist wohl vollständig verloren. Ähnlich wie beim ersten Teil läßt das Libretto aber auch für die musikalische Gestaltung des zweiten Teils einen deutlich repräsentativen Gestus erkennen. Die Zahl der Chorsätze ist gegenüber der früheren Heinrich-Oper gar um vier auf zwölf Sätze gestiegen,437 die als konstitutive Elemente der historisch-politischen Staatsszenen sowie der höfisch-repräsentativen und dynastischen Aufzugsszenen erscheinen: der Chor des Volcks beim Einzug Heinrichs in Quedlinburg in I, 1 (Aria à tutti: Chorrefrain mit vier integrierten Solo-

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Wie denn der zweite Teil insgesamt mehr Solo- und Ensemblesätze (31 Arien, 6 Duette [eines als ,Aria in duetto‘], 1 Terzett, 1 Quartett) aufweist als der erste (27 Arien, 4 Duette, 1 Terzett). Insofern schlägt sich die von König wohl intendierte Steigerung (des zweiten Teils gegenüber dem ersten) nicht nur in der Bühnenausstattung, sondern auch in der musikalischen Gestaltung nieder.

207 strophen, wobei der Refrain jeweils mit einem Tanz kombiniert ist), der Chor der Quedlinburgischen B)rgerschafft zum Empfang der englischen Prinzessinnen in I, 5 (Aria à tutti: zwei Strophen), der Chor der Zuschauer während des Fußturniers in I, 10 (Aria à tutti: zwei Strophen), die v i e r Chorsätze der Reichstagsszene II, 6, zwei Chorsätze zum Ringrennen (der erste mit zwei Strophen), der Jagdchor zum Aufzug des Hofes im Blankenburger Forst (III, 2), der Chor der Bergleute während des Bergwerksfestes in III, 12 (drei Strophen, z. T. mit Tanz) sowie der finale Huldigungschor im Rahmen der Apotheose der welfischen Dynastie. Einen gewissen Raum dürfte zudem – wie im ersten Teil – die instrumentale Bühnenmusik als Element der theatralischen Handlung eingenommen haben, und zwar ausschließlich im Rahmen der repräsentativen Szenentypen. So sind beim Einzug Heinrichs und seines Heeres in Quedlinburg Trompeten und Pauken auf zween Balcons zu beiden Seiten des Triumphzuges postiert (I, 1), bei der Einholung der beiden Prinzessinnen führen eine Bande Hautboisten zu Fuß und einige J ger mit Waldh rnern den Geleitzug für die englische Gesandtschaft an (allerdings ist der Bühnenanweisung des Librettos jeweils nicht zu entnehmen, in welchem Umfang die Instrumente konkret zum Einsatz kommen).438 Dem Aufzug zum Fußturnier – mit dem von geharnischten Riesen begleiteten Triumphwagen der Pallas im Zentrum – gehören Trommeln und Feldpfeiffen sowie ein Chor Hautbois an, wobei mit den Trommeln die Losung zur Eröffnung des Turniers gegeben wird (I, 10). In der Reichstagsszene finden sich wiederum die zeremoniellen Trompeten und Paucken, deren Verwendung das Libretto bei einem der Chorsätze (bei Ottos Proklamation) und am Ende der Szene, während der feierlichen Zeremonie des Ritterschlages, diesmal explizit vorsieht: Unter Trompeten und Paucken-Schall und unter diesem Chor schl gt der K yser mit Carl des Grossen Schwerdt / so er hierzu von dem Reichs-Marschall empfangen / die Ritter / und steigt hernach mit seiner Gemahlin vornen herab )ber das Ger)ste die andern aber ziehen sich hinten zur)cke. Ob die genannten Instrumente in diesem Fall auf der Bühne oder im Orchesterbereich gespielt werden sollten, ist zwar nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden, doch scheinen die Szenenanweisungen des Librettos generell eine Aufstellung der Trompeten und Pauken getrennt von den übrigen Orchesterinstrumenten, auf oder am Rande der Bühne, nahezulegen. Möglicherweise entsprach diese räumliche Separierung der Militär- und Zeremonialmusik vom übrigen Orchesterapparat und ihre bühnennahe Positionierung einer gängigen Praxis im norddeutschen Opernbetrieb um 1700.439 Während der Aufzug zum Ringrennen in der Schlußszene des zweiten Aktes der Bühnenanweisung

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König scheint sich auch hier, zumindest was das Zeremoniell für die Einholung der englischen Prinzessinnen anbelangt, am realen Vorbild der Dresdener Fürstenhochzeit orientiert zu haben. Dem großen Zug, der der österreichischen Braut bis Pirna entgegenfuhr, gehörten nämlich damals neben dem Lautenisten Weiß, dem Flötisten Buffardin und ihrem Kollegen Pantalon auch „sechs Hautboisten und zwei Waldhornisten“ an (Irmgard Becker-Glauch, Die Bedeutung der Musik für die Dresdener Hoffeste, S. 101). Vgl. Andrew D. McCredie, Instrumentarium and Instrumentation in the North German Baroque Opera, Diss. Hamburg 1964, S. 38f.

208 zufolge von einer Bande Geiger und Pfeiffer angeführt wird, welche den Marsch spielen (II, 12), beschließt den Aufzug des Hofes im Blankenburger Forst zu Beginn des dritten Aktes ein Chor mit Jagd-H rnern (III, 2).440 Schließlich komplettieren Instrumentalmusik und Gesang der Bergleute, als zeitgenössisch-folkloristische Elemente bzw. ,Realitätsfragmente‘, die Inszenierung des höfischen Bergwerksfestes der Szene III, 12, und zwar sowohl beim Aufzug der einzelnen Abteilungen und Berufssparten als auch während des anschließenden Berg-Reyhen mit den drei Chorstrophen.441 Insgesamt unterstützen denn die aufgezeigten Anteile instrumentaler Bühnenmusik nicht nur die Opulenz und den repräsentativen Impetus der theatralischen Darstellung, sondern betonen bisweilen auch – aufgrund der jeweils geforderten Instrumente oder Instrumentengruppen – den je eigenen (Klang-)Charakter und damit den Individualitätsanspruch der entsprechenden Szenen.442 Als Doppeloper gelangte Heinrich der Vogler lediglich in der Wintermesse 1721 zur Aufführung. Spätere Wiederaufnahmen beschränkten sich auf den ersten Teil der Opernbiographie, und auch außerhalb Braunschweigs scheint der zweite Teil – vielleicht wegen seiner deutlich dynastisch-lokalen Bezüge und seines ausgeprägt höfisch-festlichen Habitus – nicht mehr gespielt worden zu sein.

Heinrich der Vogler und die alten sächsischen Wurzeln des Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel Es bleibt freilich noch zu klären, welche Implikationen mit der Wahl gerade des Liudolfinger-Themas als Opernsujet für das dynastische Selbstverständnis, für die dynastische Identität der Wolfenbütteler Welfen zu Beginn des 18. Jahrhunderts verbunden sind, oder, anders gesagt, warum speziell Heinrich der

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Da die Hörner zuvor, bei der Beschreibung des Aufzuges, nicht explizit genannt werden, wäre auch eine Ausführung vom Orchesterbereich aus denkbar. Dadurch würde aber wohl kaum die Funktion der Hornklänge als charakteristische Zitate der realistischen Außenwelt (d. h. des höfischen Jagdwesens) beeinträchtigt. So lautet die Bühnenanweisung vor der zweiten Chorstrophe: sie [= Heinrich und die Festgesellschaft] setzen sich zur Tafel und die Berg-Leute fangen w hrender Mahlzeit wieder an zu spielen und zu singen / wozu vor der Tafel sechs Berg-Leute tantzen. Erneut alludiert König hier die Dresdener Feierlichkeiten (bzw. die entsprechenden Festberichte), erschienen doch beim großen Souper des kursächsischen Hofes im Saturn-Tempel zuletzt, nach der Tafelmusik, „die Bergmusikanten, die ,einen Berg-Reihen singen‘“ (Irmgard Becker-Glauch, Die Bedeutung der Musik für die Dresdener Hoffeste, S. 110; dazu im einzelnen Johann Christian Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2 [1720], S. 1695–1699, hier S. 1698f.). Zum Vergleich: Der Wolfenbütteler Hofkalender des Jahres 1721 verzeichnet mit insgesamt 23 Instrumentisten der fürstlichen Kapelle ein stattliches Ensemble (nicht mitgerechnet sind die zwölf Sänger, der Hoff-Organist Abraham Stübner und Kapellmeister Schürmann), darunter bis zu vier Hautbois, ein Bassonist, fünf Hoff-Trompeter, zwei Waldhornist[en], ein Viole Gambist und ein Hoff-Paucker (zit. nach Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 124–126).

209 Vogler und die von ihm begründete stirps regia den Weg auf die Bühne des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters gefunden haben. In der welfischen Memorialtradition wie in der Braunschweiger und sächsischen Historiographie ist seit dem 12. Jahrhundert, vor allem aber nach der Errichtung des welfischen Herzogtums Braunschweig-Lüneburg durch Kaiser Friedrich II. (1235) eine zunehmende Einbindung des ehemals süddeutschen Adelsgeschlechts in sächsische Traditionen zu beobachten. Im selben Maße, wie die agnatische Abstammung der Welfen – ihre süddeutschen Ursprünge – in den Hintergrund trat, erschienen die welfischen Herren und Herzöge von Braunschweig-Lüneburg zunehmend als Erben ihrer kognatischen sächsischen Vorfahren.443 Die spätmittelalterliche Reduktion der welfischen Genealogie auf ihre sächsischen Wurzeln, die Einwurzelung des welfischen Herrschergeschlechts in Sachsen und seine Einbindung „in die Kontinuität sächsischer Amtsträger“ (etwa der Liudolfinger, Billunger, Brunonen und Süpplingenburger) ist letztlich politisch motiviert: Der damit verbundene „Wandel welfischer Identität vom frühen 12. bis zum 15. Jahrhundert entsprach den veränderten politischen Bedingungen welfischer Herrschaft“,444 nämlich der Beschränkung auf fürstliche Herrschaft und Besitz im Norden, in einem Teil des alten Herzogtums Sachsen, nachdem mit dem Übergang der süddeutschen Welfengüter an die Staufer445 und infolge des Sturzes Heinrichs des Löwen (sowie der sich anschließenden Wirren) der einst umfassende welfische Herrschaftsbereich (mit Bayern und Sachsen) verloren gegangen war. Insofern entsprangen die „Einpflanzung in sächsischer Erde und das langsame Vergessen der süddeutschen, der europäischen Vergangenheiten [...] den Realitäten fürstlicher Landesherrschaft des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit“; die „welfischen Linien – benannt nach den Residenzen Grubenhagen, Göttingen, Wolfenbüttel, Lüneburg, Calenberg, dann Harburg, Gifhorn, Dannenberg – fanden in Norddeutschland über Jahrhunderte einen sicheren Lebensraum, der zu ihrer Heimat wurde“.446 Die Bedeutung alter sächsischer Adelsfamilien und ihrer einzelnen Mitglieder für die historische Legitimation und Identität welfischer Herrschaft im Norden erhellt aus verschiendensten Zeugnissen genealogischer Darstellungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, die sowohl im welfischen Umfeld als auch im Bereich der sächsischen und speziell Braunschweiger Historiographie zu finden sind. Eine dieser großen Identifikationsfiguren der sächsischen Vergangenheit, in deren Kontinuität welfische Herrschaft im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg gestellt wird, ist Heinrich I., der Begründer

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Vgl. dazu insgesamt Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte; ders., Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch; ders., Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 33–40 u. 285–291. Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, S. 93. Gemeint ist der Erbvertrag Welfs VI. mit Kaiser Friedrich Barbarossa (vgl. Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 24–26 u. 201). Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 287.

210 der liudolfingisch-ottonischen Königsdynastie. Schon in der gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstandenen Braunschweigischen Reimchronik wird Heinrich I. als erster der Duteschen vursten exponiert, die die römische Königswürde, dher kronen ere, im Anschluß an die fränkischen Herrscher (dhe Franzoysere) empfangen sollten.447 Er wird dort zugleich als Sproß jener von Lutolphe herkommenden sächsischen Wurzel genannt, die sich später, in Heinrich dem Löwen, mit der zweiten sächsischen Wurzel, der Familie der Billunger, zum edelen stam von Braunschweig verbinden wird.448 Für die Frühe Neuzeit hat Bernd Schneidmüller u. a. auf zwei Wolfenbütteler Handschriften des ausgehenden 16. und mittleren 17. Jahrhunderts hingewiesen, die die Welfenherrscher in Braunschweig-Lüneburg in die Kontinuitäten ihrer sächsischen Vorgänger und Vorfahren, darunter insbesondere Heinrich I., integrieren: In einer Papierhandschrift von 1580/81, die einer „Chronik der im Land Lüneburg regierenden Geschlechter seit ihren Anfängen, 1580 vom Lüneburger Prediger Hieronymus Henniges zusammengestellt, [...] zahlreiche farbige und knapp erläuterte Paarbilder sächsischer Fürsten und Fürstinnen“ voranstellt, eröffnet Heinrich I. mit seiner Gemahlin Mathilde die Serie der Paarbilder, die über die Ottonen und Kaiser Lothar von Süpplingenburg (mit Kaiserin Richenza) schließlich zu den welfischen Herzögen und, in der ursprünglichen Gestalt, zuletzt zu Herzog Franz Otto († 1559) und seiner Gattin Elisabeth Magdalena führt.449 Ebenso erscheint Heinrich I. innerhalb einer Reihe von Herrscherporträts, die eine zweite Wolfenbütteler Papierhandschrift als Abzeichnungen (entstanden 1646) eines gemalten Figurenzyklus im Wolfenbütteler Schloß bewahrt. Heinrichs Darstellung als Hertzog Heinrich der Finckler und Romischer Keser450 wie die Präsentation der übrigen sächsischen Großen im Kreise ihrer welfischen Amtsnachfolger (u. a. Widukind, Ludolf von Sachsen, Heinrich der Stolze, Heinrich der Löwe) hat dabei nicht nur die „prächtige[] Zurschaustellung sächsischer Einwurzelung der welfischen Herren“ zum Ziel, sondern dokumentiert zugleich die „daraus abzuleitenden Ansprüche auf vornehme Würden im Reich der frühen Neuzeit“.451 Etwa zur selben Zeit bestreitet Heinrich I. seinen vielleicht ersten Auftritt als Theaterfigur: In Justus Georg Schottelius’ moralisch-allegorischem Schauspiel FriedensSieg, das zuerst im Februar 1642 zur Feier des Goslarer Separatfriedens zwischen Kaiser Ferdinand III. und den welfischen Herzögen in der Braunschweiger Burg Dankwarderode aufgeführt wurde, und zwar in Anwesenheit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, des Herzogs Julius Heinrich von Sachsen sowie Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg und seines Hofes,

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Braunschweigische Reimchronik, hg. v. Ludwig Weiland, in: Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, Bd. 2, hg. v. Ludwig Weiland (MGH Deutsche Chroniken 2), Hannover 1877 [Nachdruck München 2001], S. 429–574, vv. 903ff. Ebd., vv. 1394ff. u. vv. 2585ff. Bernd Schneidmüller, Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch, S. 100f. (mit Abb. 1–6). Ebd., Abb. 8. Ebd., S. 102.

211 betreten die beiden Nationalheroen Arminius und Henricus Auceps im zweiten Akt den Schauplatz, um sich einen Eindruck vom gegenwärtigen Zustand ihres vom langen Krieg zerrütteten Vaterlandes zu machen.452 Angesichts der apokalyptischen Zerstörungen und Verwüstungen erkennt Henricus Auceps seine Heimat zunächst kaum wieder, zeigt sich betrübt und ratlos und sucht die sich ihm bietenden Eindrücke im Rückgriff auf sein Erfahrungswissen und seine historischen Taten zu ergründen: Daß dieses noch der alte Grund und Boden sey, das ist unfehlbar von dem blauen Hartzwalde und der Elbe abzunehmen, alldieweil der Hartz mit seinem h kerich-hohem Gange annoch mitten durchs Land erhaben stehet. [...] Aber dieses kan ich nur nicht trauen, ob auch noch rechte Teutsche in Teutschland zu finden seyn. Solten wol die Tirannischen Ungern, die ich damahls in unserm Vaterlande zu bodem slug, mit einem Swarme wiederkommen seyn? [...] Die unbendigen Hunen habe ich fast ganz und gar außgerottet und die groben Slaven aufgerieben; die werden ja das Vaterland mit erfrischter W)te nicht haben )berfallen k nnen?453 Daß Henricus Auceps, dessen Rolle der damals achtjährige Herzog Anton Ulrich verkörperte, zugleich als dynastischer Heros und welfische Identifikationsfigur die Bühne betritt, um gemeinsam mit Arminius „die Wandlung [der Figur] des ,Teutschen‘ von einem Gefolgsmann des Glücks zu einem Anhänger des Friedens“454 zu unterstützen und damit den Triumph der Friedensgöttin im abschließenden dritten Akt herbeizuführen, verdeutlicht die Rede des Götterboten und Seelenführers Mercurius – er f)hrt den ber)hmten Keiser, den Finkler, auf den Platz455 – zu Beginn der zweiten Handlung: Hier wird Heinrich I. nicht nur als glorwirdigster Held, Hochber)hmter Teutscher und lobwirdigster Vermehrer des Teutschen Reichs apostrophiert, sondern den Zuschauern auch als ein unsterblicher, pr chtiger Ruhm des jzzigen Brunswigischen L uen-Geschlechts vorgestellt.456 Ein eindrucksvolles architektonisches Zeugnis der Kontinuität sächsischer Herrschaftsträger, genauer „von Liudolfingern und Welfen“,457 bietet das Figurenprogramm des Braunschweiger Altstadtrathauses mit „17 etwa lebensgroßen Skulpturen“458 aus der Mitte des 15. Jahrhunderts: An den Pfeilern der Obergeschoß-Loggia der im rechten Winkel errichteten beiden Flügel stehen sich jeweils vier Herrscherpaare des ottonischen Königshauses und des Welfenhauses gegenüber. Als Verbindungsglied zwischen den ottonischen Königs- und

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Zu Schottelius’ FriedensSieg vgl. vor allem Jörg Jochen Berns, Trionfo-Theater, S. 57–78, sowie Sara Smart, Doppelte Freude der Musen, S. 13–50. Friedens Sieg. Ein Freudenspiel von Justus Georg Schottelius. 1648. Hg. v. Friedrich E. Koldewey, Halle a. S. 1900 (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 175), S. 43f. Jörg Jochen Berns, Trionfo-Theater, S. 70. So die zugehörige Szenenanweisung: Friedens Sieg, S. 41. Ebd., S. 41f. Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, S. 98. Matthias Ohm, Das Braunschweiger Altstadtrathaus. Funktion – Baugeschichte – figürlicher Schmuck, Hannover 2002 (Braunschweiger Werkstücke 106), S. 121.

212 Kaiserpaaren Heinrich I./Mathilde, Otto I./Adelheid, Otto II./Theophanu, Otto III./Maria (?) des Westflügels und den am Nordflügel angeordneten Welfen – Kaiser Otto IV./Maria, Heinrich der Löwe/Mathilde, Wilhelm von Lüneburg/Helene und Otto puer/Mechthild – fungiert, im Winkel zwischen den beiden Flügeln, die Einzelskulptur Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg.459 Die Funktion dieses „auf dem Höhepunkt der städtischen Macht im 15. Jahrhundert“ geschaffenen Figurenprogramms sieht Matthias Ohm – mit Blick auf die welfischen Herrscher – insbesondere in der Demonstration der mit den dargestellten welfischen Landes- und Stadtherren jeweils verbundenen städtischen Freiheitsrechte,460 während Bernd Schneidmüller auf die nun auch im städtischen Milieu greifbare Integration der welfischen Landesherren in sächsische Traditionen hingewiesen hat: So dokumentiere der vom Braunschweiger Rat in Auftrag gegebene Figurenschmuck des Altstadtrathauses zugleich, „wie sehr die welfische Herzogsfamilie als Bewahrer und Fortsetzer sächsischer Geschichte betrachtet wurde, jedem Braunschweiger Marktbesucher sichtbar vor Augen“.461 Wenn also Heinrich I. 1718 und 1721 zum Titelhelden zweier Braunschweiger Opern avanciert, dann demonstriert dies sowohl mit Blick auf das Selbstverständnis der Welfendynastie und ihres Umfeldes als auch hinsichtlich der Vorstellungen des Braunschweiger Stadtbürgertums erneut die über Jahrhunderte (erfolgreich) propagierte Einbindung der welfischen Landesherren in sächsische Herrschaftsstrukturen und Identitäten. Speziell die dynastisch signifikanten Opernszenen mit ihren typologischen Schemata feiern die regierenden Wolfenbütteler Welfen des frühen 18. Jahrhunderts als legitime Nachfolger der Liudolfinger Herrscher. Es dürfte kein Zufall sein, daß die Zurschaustellung der alten sächsischen Wurzeln des Welfenhauses im wirkungsmächtigen Medium der Oper just zu dem Zeitpunkt erfolgt, als das Haus Hannover im Zuge der englischen Sukzession nach London übergesiedelt ist und die Wolfenbütteler Herzöge zu Repräsentanten des einzigen im angestammten Territorium Braunschweig-Lüneburg verbliebenen Zweiges der Dynastie aufsteigen. Bereits an früherer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß sich mit dieser Entwicklung ein

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Zur Identifizierung der Figuren vgl. Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, S. 99. – Daß eine entsprechende Zuordnung der Skulpturen zu den genannten historischen Herrschergestalten und ihren Gemahlinnen bereits für die Frühe Neuzeit anzunehmen ist, belegen nicht nur „ein Verzeichnis aus dem Jahr 1580, das bei Meibom [Heinrich Meibom, Außführlicher Warhaffter Historischer Bericht / die Fürstliche Land: und Erbstadt Braunschweig (...) betreffend, 3 Bde, Helmstedt 1607–1609] gedruckt ist“ (Matthias Ohm, Das Braunschweiger Altstadtrathaus, S. 121), sondern auch die mit Namen versehenen Abbildungen der 17 Skulpturen (Kupferstiche), die Philipp Julius Rehtmeyer zwischen der Vorrede und dem ersten Kapitel des ersten Teils seiner 1722 erschienenen Braunschweig-L)neburgischen Chronica inseriert hat (Tab.I–III bzw. Abb. I–IX); lediglich bei der Identifizierung einiger Frauenfiguren zeigt Rehtmeyer Abweichungen von der oben mitgeteilten modernen Bestimmung. Matthias Ohm, Das Braunschweiger Altstadtrathaus, S. 126. Bernd Schneidmüller, Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, S. 100.

213 gewisser Spielraum für politische Einflußnahmen Braunschweig-Wolfenbüttels zumindest im Niedersächsischen Reichskreis eröffnete. Ein zweiter, entscheidender Faktor kommt hinzu: Die ,mittelalterlich-dynastische‘ Doppeloper Heinrich der Vogler reflektiert zugleich die neue Nähe zum Reichsoberhaupt, d. h. zum Habsburger Kaiserhaus. Sofern sich die Rückbesinnung auf die alten sächsischen Ursprünge in den beiden Heinrich-Opern mit dezidiert imperialen Anklängen verschränkt, zielt dies offen auf die Rolle der jungen ,Welfenkaiserin‘ Elisabeth Christine und die engen verwandtschaftlichen Beziehungen der Wolfenbütteler Welfenlinie zum Haus Österreich. Mit der ostentativen Präsentation des großen ,kaiserlichen‘ Vorfahren (und, indirekt, seiner ruhmwürdigen Nachfolger) auf der Braunschweiger Opernbühne dokumentieren die Wolfenbütteler Herzöge ihren aktuellen Anspruch auf eine Position im politischen Gefüge des frühneuzeitlichen Reiches, die ihren frühmittelalterlichen imperialen Wurzeln und deren ,Revitalisierung‘ oder Überhöhung in der blankenburgisch-österreichischen Mariage des Jahres 1708 angemessen ist. Der neue Glanz des (kontinentalen) Welfenhauses ist mithin allgegenwärtig im alten – und er erstrahlt nun auch im Medium der Oper.

Dresden – London – Braunschweig: die Kontinuation des LiudolfingerThemas in den Braunschweiger Adaptationen von Händels Ottone In den folgenden Jahren gelangte eine weitere Liudolfinger-Oper in Braunschweig zur Aufführung: Zur Sommermesse 1723 wurde Ottone re di Germania erstmals im Hagenmarkt-Theater gespielt, eine Adaptation der gleichnamigen, nur wenige Monate zuvor – zuerst am 12. Januar 1723 – am Londoner Haymarket-Theatre erschienenen Produktion von Georg Friedrich Händel und Nicola Francesco Haym, die ihrerseits eine Bearbeitung der Dresdener Hochzeitsoper Teofane (1719) darstellt.462 Sie ist offenbar zugleich die erste

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OTTONE RE DI GERMANIA, Drama per Musica da rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’Estate l’anno 1723. OTTO KNIG IN TEUTSCHLAND In einer Opera vorgestellet auff dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Sommer-Messe 1723 (D-HVl, Op. 1,103). – OTTONE, RE DI GERMANIA. Drama. Da Rappresentarsi Nel Regio Teatro d’Hay-Market, Per La Reale Accademia di Musica [1723], Faksimile-Nachdruck in: The librettos of Handel’s operas. A collection of seventy-one librettos documenting Handel’s operatic career, 13 Bde, hg. v. Ellen T. Harris, New York u. London 1989, Bd. 3. – TEOFANE Dramma Per Musica rappresentato Nel Regio Elettoral Teatro di Dresda In Occasione Delle felicissime Nozze De’ Serenissimi Principi Federico Augusto, Principe Reale di Pollonia, & Elettorale di Sassonia, e Maria Gioseffa, Arciduchessa d’Austria. THEOPHANE Opera representé sur le Theatre Royal & Electoral de Dresde à l’occasion du Mariage De L.L. A.A. R.R. Frederic Auguste, Prince Royal de Pologne, & Electoral de Saxe, & Marie Josephe, Archiduchesse d’Austriche [1719] (D-Dl, MT. 1401 Rara). – Eine Edition der Libretti des Londoner Ottone (1723) und der Dresdener Teofane (1719) findet sich in: I libretti italiani di Georg Friedrich Händel e le loro fonti, Bd. 1 (in zwei Teilen: 1.1.: I testi händeliani, 1.2.: Note ai testi e fonti): Da ,Vincer se stesso è la maggior vittoria‘ (1707) a ,L’Elpidia, overo Li rivali renerosi‘ (1725), hg. v. Lorenzo Bianconi, Firenze 1992 (Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 26).

214 Händel-Oper (von insgesamt acht, wenn man den Zeitraum bis 1735 zugrunde legt),463 die nach Braunschweig übernommen wurde – wobei die dynastische Dimension des Sujets, die das mit den beiden Heinrich-Opern exponierte Liudolfinger-Thema fortzuspinnen erlaubte, eine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte. Im Zentrum oder, chronologisch gesehen, am Ausgang der Handlung steht die eheliche Verbindung Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin und Kaisernichte (in der Oper: -tochter) Theophanu in Rom, zuvor müssen die Liebenden jedoch allerhand Verwirrungen, Intrigen und kriegerische Auseinandersetzungen überstehen.464 Dabei zeigt das Libretto eine Überblendung der historischen Biographie und Italienpolitik Kaiser Ottos II. mit der seines Vaters Otto I., d. h. eine Verschmelzung der beiden historischen Personen, etwa wenn Adalbert von Italien, der Sohn König Berengars II. und historischer Gegner Ottos I. im Kampf um die Vorherrschaft im Regnum Italicum, in der Oper als von seiner Mutter Gismonda unterstützter Widersacher und Rivale Ottos II. etabliert wird.465

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Vgl. die jeweiligen Repertoireübersichten bei Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters, und Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper, S. 84–97. Die übrigen nach Braunschweig übernommenen Händel-Opern sind (bis 1735): Giulio Cesare e Cleopatra (1725), Der Hochm)thige Alexander (1728), Richardus genannt das L wen-Herz (1729), Admeto re di Tessaglia (1729), Siroe re di Persia (1730), Partenope (1731) und Poro ed Alessandro (1732). Auch in London mag das Liudolfinger-Thema von erheblicher Bedeutung gewesen sein, konnten sich die welfischen Herrscher auf dem britischen Königsthron doch in gleicher Weise als legitime dynastische Erben der Sachsenkaiser fühlen wie ihre Wolfenbütteler Vettern. Insofern dürfte die Präsentation Ottos II. auf der Bühne des King’s Theatre von den Angehörigen der Hannoveraner Partei (und auch von ihren Gegnern) als unmißverständliche Huldigung an den aus Deutschland stammenden König Georg I. empfunden worden sein. Und möglicherweise konnte man die Figur von Ottos Herausforderer Adelberto in gleicher Weise allegorisch dechiffrieren als den Pretender Jakob Eduard Stuart (vgl. Konrad Sasse, Die Texte der Londoner Opern Händels in ihren gesellschaftlichen Beziehungen, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg 4 [1955], S. 627–646, hier S. 633; Reinhard Strohm, Händel und seine italienischen Operntexte, S. 116), Georgs Widersacher im Kampf um die Behauptung der Hannoveraner Thronfolge und von Frankreich anerkannter Regent (Jakob III.), der 1722 durch das sog. Atterbury-Komplott auf den britischen Thron gebracht werden sollte. Die geplante Verschwörung der Jakobiten wurden jedoch rechtzeitig von Georgs Minister Robert Walpole aufgedeckt und vereitelt (vgl. Ragnhild Hatton, Georg I. Ein deutscher Kurfürst auf Englands Thron, Frankfurt a. M. 1982, S. 284f.). Darauf weist das Argomento, das sowohl das Londoner als auch Braunschweiger Libretto wörtlich aus Pallavicinos Dresdener Textbuch übernommen haben, eigens hin: Si suppone parimente, che Adelberto figliuolo di Berengario Tiranno d’Italia ad instigazione della Madre, nomata nell Drama Gismonda, facesse in quel tempo ribellar Roma agli Alemanni da essi con prontezza ricuperata, attribuendosi così al Secondo Ottone un fatto, che dall’Istoria, fra quelli del Grand’ Ottone si annovera (Gleichfals erdichtet man / daß Adelbert, des Berengarius Sohn / auf Anstifften seiner Mutter / welche Gismonda genennet wird / eben um die Zeit in Rom einen Aufruhr wider die Teutschen erregt / welcher aber von Otto bald wieder gestillet / und Rom wieder eingenommen worden / welche Geschichte sich zwar / der Historie nach / unter Otto dem Grossen zugetragen).

215 Der Braunschweiger Ottone (durchweg in italienischer Sprache mit paralleler deutscher Übersetzung) folgt – soweit dies allein anhand des Textbuchs zu eruieren ist, eine Partitur ist nicht erhalten – in den Grundzügen Händels und Hayms Londoner Produktion vom Januar 1723,466 die sich von Lottis und Pallavicinos Dresdener Urfassung467 vor allem dadurch unterscheidet, daß sie umfangreiche Kürzungen aufweist und die für den Dresdener dynastischen Aufführungsanlaß relevanten allegorisch-repräsentativen Aktschlüsse getilgt worden sind.468 Dennoch sind einige Änderungen gegenüber Händels

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So findet sich im Braunschweiger Libretto keine Spur der Änderungen, die Händel anläßlich einer Benefizveranstaltung Francesca Cuzzonis am 26. März 1723 vornahm. Vgl. Winton Dean, The Genesis and Early History of ,Ottone‘, in: Göttinger Händel-Beiträge 2 (1986), S. 129–140, hier besonders S. 139 (Tabelle 3); ders. u. John Merrill Knapp, Handel’s Operas 1704–1726, Oxford 2001 (Nachdruck der zweiten Auflage), S. 442 (hier jedoch mit einigen Ungenauigkeiten, was einzelne Aspekte der beiden Braunschweiger Adaptationen von 1723 und 1725 anbelangt). Andererseits weist Ottones Arie „Dove sei“ (III, 1) im Braunschweiger Libretto einen B-Teil auf, den das Londoner Textbuch nicht kennt und der offenbar bei der Uraufführung auch nicht gesungen, sondern kurz vorher entfernt wurde (vgl. Winton Dean, The Genesis and Early History of ,Ottone‘, S. 132 und Tabelle 2). Womöglich rekurriert die Braunschweiger Produktion an dieser Stelle auf eine frühere Version dieser Arie. Mit der Aufführung der ,dynastischen Mittelalteroper‘ Teofane im Rahmen der Dresdener Hochzeitsfeierlichkeiten dokumentierte der kursächsisch-polnische Hof Augusts des Starken seinen politischen Rang, d. h. seinen Anspruch auf eine den Habsburgern kaum nachgeordnete Stellung im europäischen Mächtekonzert, wie seine „kühne, wenn auch vage Hoffnung auf die Kaiserwürde“ (Andrea Sommer-Mathis, Tu felix Austria nube, S. 31); denn immerhin gehörte die künftige Gemahlin des Kronprinzen Friedrich August, die Erzherzogin Maria Josepha von Österreich, als älteste Tochter Kaiser Josephs I. und Nichte Karls VI. dem engeren Kreis der Wiener dynastischen Erben an. Und Karl VI. war bislang kein männlicher Nachkomme beschieden. Insofern wird die Vermählung des Sachsenkaisers Otto II. mit der byzantinischen Prinzessin und Kaisernichte (in der Oper: -tochter) Theophanu von seiten des Dresdener Hofes auf der Opernbühne als historische Präfiguration der kursächsisch-österreichischen Mariage Friedrich Augusts und Maria Josephas des Jahres 1719 inszeniert, die ihrerseits die imperialen dynastischen Bezüge der frühmittelalterlichen Eheschließung für sich zu reklamieren und zugleich in der Wiederholung zu überhöhen sucht. Als 1722 die zweite Tochter Josephs I., Maria Amalia, mit dem bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht verheiratet wurde, imitierte bzw. alludierte der Münchener Hof, der gleichfalls Ambitionen auf die Nachfolge Karls VI. hegte (die mit der Wahl und Krönung Karl Albrechts zum römisch-deutschen Kaiser im Jahre 1742 tatsächlich für kurze Zeit in Erfüllung gehen sollten), wetteifernd die Dresdener Opernpolitik und brachte mit der Oper Adelaide (Text von Antonio Salvi, Musik von Pietro Torri) den siegreichen Italienzug Ottos I. gegen Berengar II. und seine Vermählung mit der geretteten Königinwitwe Adelheid auf die Münchener Bühne. Die augenscheinlich nicht vorhandenen dynastischen Bezüge zwischen dem Protagonisten Otto und dem bayerischen Kurhaus wurden im Libretto „durch eine bewußt ambivalente Darstellung der Genealogie“ der Wittelsbacher Ahnen ad hoc konstruiert (Bernhard Jahn, Vergeßliche Helden und die Stiftung von Gedächtnis, S. 404): ADELAIDE Primo Drama Per Musica Da Rappresentarsi Alle Augustissime Nozze De Serenissimi Sposi Carlo Alberto Principe Elettorale Di Baviera &c.&c. E Maria Amalia Arciduchessa D’Austria &c. &c. L’Anno MDCCXXII. (D-Mbs, Bavar. 4015, I, 3). Ebenso wurde in London (und dementsprechend auch in Braunschweig) der Part des griechischen Prinzen Isauro, des Begleiters der Teofane, gestrichen. Insgesamt haben sich

216 Londoner Ottone zu erkennen: So hat der Bearbeiter der Braunschweiger Adaptation, vielleicht der Wolfenbütteler Kapellmeister Schürmann, einige Rezitative nochmals deutlich gekürzt, in zwei Fällen zwei ursprünglich selbständige Szenen des zweiten Aktes zusammengefügt, wobei die Arie der Gismonda „Vieni o figlio e mi consola“ gestrichen wurde, und schließlich drei Gesangssätze des Londoner Librettos durch Arien von Antonio Lotti (aus Teofane) ersetzt: „Faccia un volto il suo piacer“ (I, 1 = Teofane, I, 1), „Io sperai trovar riposo“ (I, 5 = Teofane, I, 7), „Di Lago o Fonte“ (II, 5 = Teofane, II, 6). Das Libretto nennt freilich nur den ber)hmten Herrn Hendel als Komponisten. Auch einige Inszenierungsanweisungen im Nebentext des Braunschweiger Librettos (zu I, 1, I, 7, II, 6, III, 1, III, 3) sind wörtlich der Dresdener Urfassung entnommen und lassen – ebenso wie das letzte, nur in Braunschweig verwendete Bühnenbild Il Campidoglio Romano (III, 7)469 – eine im Vergleich zur Londoner Inszenierung opulentere Ausstattung vermuten (zudem arrangierte man in Braunschweig einen zusätzlichen Szenenwechsel in II, 4, so daß nun jeder Akt drei verschiedene Bühnenbilder zeigte).470 Zwischen den Akten wurden in Braunschweig zwei komische Intermezzi eingefügt, die den Zuschauern die Liebeshändel der närrischen Alten Pipa mit ihrem geldgierigen Angebeteten Barlafuso präsentierten. Möglicherweise haben diese kontrastierenden Zwischenakte eine erneute Straffung der dreiaktigen historischen Opernhandlung (u. a. durch Kürzung der Rezitative) nach sich gezogen. Zur Wintermesse 1725 wurde Ottone re di Germania in Braunschweig wiederaufgenommen und damit das Liudolfinger-Thema ein weiteres Mal ausgespielt:471 Während die beiden Intermezzi der Aufführung 1723 nun entfielen, wurden einige neue Arien – und eine ganze Szene – aus Lottis Teofane, in einem Fall auch aus Händels Ottone, eingefügt: in I, 2 die Arie des Adelberto „Bel labro formato“ (= Teofane, I, 2), die wohl Händels Arie an dieser Stelle ersetzt, in I, 8 Adelbertos Arie „Dall’altezza di quel soglio“ (= Teofane, I, 11), in II, 3 Händels berühmte Arie (der Gismonda) „Vieni o figlio“ (= Ottone, II, 4), die in der früheren Fassung 1723 ausgeschieden worden war, in II, 4 das Duett (Ottone, Teofane) „Al guardo se chiedo“ (= Teofane, II, 4), in II, 8 die Szene II, 9 mit der Arie des Adelberto „Pensando alla beltà“ aus Teofane und in III, 1 die Arie des Ottone „Discordi pensieri“ (= Teofane, III, 1), die wiederum an die Stelle einer – in der Aufführung 1723 hier vorgesehenen – Arie Händels tritt („Dove sei dolce mia vita“). Folglich nennt das Libretto jetzt neben Händel auch ausdrück-

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die erheblichen Kürzungen der Londoner Adaptation wohl kaum vorteilhaft auf die dramaturgische Gesamtkonzeption bzw. die Stringenz der Opernhandlung ausgewirkt (vgl. dazu Winton Dean, The Genesis and Early History of ,Ottone‘, S. 131; ders. u. John Merrill Knapp, Handel’s Operas, S. 420–423). Im Londoner Libretto lautet die entsprechende Bühnenanweisung: Sala Reggia. Vgl. Winton Dean u. John Merrill Knapp, Handel’s Operas, S. 449. OTTONE RE DI GERMANIA, Drama per Musica da rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’Inverno l’anno 1725. OTTO KNIG IN TEUTSCHLAND In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Winter-Messe 1725 (D-W, Textb. 218).

217 lich Antonio Lotti als Komponisten des Pasticcios: La Musica e della Composizione dei famosi Signori Hendel e Lotti.

2.2.2.3 Die Präsentation des ,Mittelalters‘ im historischen Tableau: Rudolphus Habspurgicus und die Glorifizierung des Hauses Österreich Als das Wiener Kaiserpaar im Rahmen eines Aufenthaltes in Braunschweig am 4. Februar 1723 auch das Hagenmarkt-Theater besuchte, erwies der Braunschweiger Hof den hohen Gästen mit der Aufführung der Festoper Rudolphus Habspurgicus seine Reverenz. Als Produzenten des Werkes nennt das überlieferte Textbuch den herzoglichen Kapellmeister Schürmann, Johann Samuel Müller (Libretto bzw. Poesie) und den herzoglichen Tantz-Meister Ernst August Jaime (T ntze).472 Müller, ein gebürtiger Braunschweiger (1701–1773), hatte seit 1719 an der welfischen Landesuniversität Helmstedt,473 ab 1722 dann auch in Leipzig studiert (Mathematik, Physik, Philosophie, Theologie, Kirchenhistorie, Reichsstaatsrecht, Geschichte und Orientalische Sprachen) und war bis 1725 als Hofmeister des kursächsischen Kriegsrates Raschke in Dresden tätig. Nach Zwischenstationen in Uelzen und Hannover trat er 1732 das Rektorat des Hamburger Johanneums an,474 das er bis zu seinem Tod innehatte und „das unter ihm eine seiner großen Zeiten u. den Einzug der Frühaufklärung erlebte“.475 Er gilt als Verfasser von insgesamt zwölf Operntextbüchern für die Hamburger und Braunschweiger Bühne,476 dem Wolfenbütteler Hof war er wohl

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RUDOLPHUS HABSPURGICUS, In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro, Und Ihro Rm. Kayserl. Majest. Majest. Dem Allerdurchlauchtigsten / Großm chtigsten und Un(ber-windlichsten F(rsten und Herrn / Herrn Carl dem Sechsten / Erw hlten Rmischen Kayser / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn / Boheim / Dalmatien / Croatien und Sclavonien / etc. etc. Knige / Ertz-Hertzogen zu Oesterreich / Hertzogen zu Burgund / Steyer / C rnthen / Crayn und W(rtemberg / Grafen zu Tyrol / etc. etc. Meinem allergn digsten Kayser und Herrn / Wie auch Der Allerdurchlauchtigsten / Großm chtigsten F(rstin und Frauen / Frauen Elisabeth Christinen / Rmischen Kayserin / [...] Gebohrnen Hertzogin zu Braunschw. und L(neb. Meiner allergn digsten Kayserin und Frauen / allerunterth nigst gewidmet [1723] (D-HVl, Op. 1,105) [ohne Paginierung]. Die Matrikel der Universität Helmstedt verzeichnet Müllers Erstimmatrikulation zum 18. Februar 1719: Die Matrikel der Universität Helmstedt 1685–1810, bearb. v. Herbert Mundhenke, Hildesheim 1979 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 9, Abteilung 1: Die Matrikel der Universität Helmstedt 3), S. 115 [Nr. 4931]). Vgl. Gabriel Wilhelm Götten, Das Jetztlebende Gelehrte Europa, 3 Bde, Braunschweig 1735 (Nachdruck Hildesheim u. New York 1975), Bd. 1, S. 73–84; Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, 8 Bde, Hamburg 1851–1881, Bd. 5 (1870), S. 441–447. Jürgen Rathje, Müller, Johann Samuel, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hg. v. Walther Killy, Bd. 8 (1990), S. 275f. Matthesons Musicalischer Patriot nennt wiederholt Libretti des Herrn Rector M)ller als Beispiele für gelungene Operndichtungen; so würdigt er eingehend Pharao und Joseph

218 spätestens seit seiner Glückwunschrede auf Herzog August Wilhelms fünfjähriges Regierungsjubiläum (1719) mehr oder minder eng verbunden.477 Bei der Konzeption des Librettos des Rudolphus Habspurgicus hat sich Müller offensichtlich an den beiden Heinrich-Opern Johann Ulrich Königs orientiert; jedenfalls läßt das Textbuch einige frappierende Struktur- und Gestaltungsparallelen zu Königs Libretti aus den Jahren 1718 und 1721 erkennen. So folgen etwa auf die Widmungsvorrede des Kapellmeisters Schürmann, die die Serie der Paratexte einleitet und Karl VI. und Elisabeth Christine gegenw rtige Opera, welche einen Glorw)rdigen Kayser aus Dero Allerdurchlauchtigsten Stamm-Hause vorstellet, zu Füßen legt, zwei Lobreden auf Kaiser und Kaiserin, die dem Muster von Königs panegyrischen Ansprachen in den beiden Teilen Heinrich der Vogler nachgebildet sind. Zunächst wendet sich Rudolfs von Habsburg Sohn Albrecht I. als erste[r] Hertzog[] von Oesterreich / aus dem Hause Habspurg an Karl VI., und wiederum projiziert das ,quasitypologische‘ Modell den fernen Nachkommen zum unübertrefflichen Herrscher und Telos der Dynastiegeschichte, lassen die persönlichen Eigenschaften und das politische Geschick des Glorw)rdigste[n] Monarch[en] der Teutschen Christenheit den Vorfahren weit hinter sich. Allein eine – für den modernen Beobachter delikat anmutende – Einschränkung wird vorgebracht, die auf die seinerzeit immer noch ausstehende männliche Nachkommenschaft Karls VI. anspielt und ahnungsvoll auf die daraus resultierenden, politisch höchst brisanten (und später ganz Europa in ihren Bann ziehenden) Verwicklungen der ,Pragmatischen Sanktion‘ (1713/1724)478 hinzudeuten scheint: Wenn ich Dir aber sol in allen Stücken weichen / | So zeuge so / wie ich / viel Printzen Deines gleichen. Der Kaiserin huldigt ihre gleichnamige Vorgängerin, Albrechts I. Gemahlin Elisabeth von Görz-Tirol, als erste[] R mische[] Kayserin aus dem Hause Oesterreich. Auch sie – wie Albrecht eine Figur der nachfolgenden

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(Hamburg 1728), um zu zeigen wie eine sch ne Oper aussehen m)sse, die der musicalischen Composition w)rdig ist (Johann Mattheson, Der Musicalische Patriot, Hamburg 1728 [Nachdruck Leipzig 1975], S. 163). Vgl. Gabriel Wilhelm Götten, Das Jetztlebende Gelehrte Europa, Bd. 1, S. 74. 1713 zunächst als geheimes Hausgesetz verabschiedet, wurde die ,Pragmatische Sanktion‘ 1724 für alle habsburgischen Länder „zum Staatsgrundgesetz erklärt“. Sie regelte für den Fall, daß Karl keine männlichen Erben hinterlassen sollte, die weibliche Erbfolge des Hauses Österreich (Karls ehelichen Töchtern wurde der Vorrang vor denen seines Bruders Joseph eingeräumt) und sicherte damit „die Unteilbarkeit der habsburgischen Monarchie“ (Rudolf Vierhaus, Staaten und Stände, S. 250f.). „Als Karl VI. 1740 starb, konnte seine älteste Tochter, Maria Theresia, unangefochten die Herrschaft in allen ihren Ländern antreten. Die in zähen Verhandlungen erreichten Garantien fast aller europäischen Mächte dagegen erwiesen sich weithin als Makulatur – auch die mehrerer deutscher Staaten und des Reiches als Ganzem. Die beiden Töchter Josephs I. beschworen bei ihrer Vermählung zwar die Erbfolgeordnung der ,Pragmatischen Sanktion‘ und verzichteten damit auf abweichende Ansprüche, ihre Ehemänner jedoch, der sächsische und vor allem der bayerische Kurprinz, sahen keineswegs alles für entschieden an. In dem europäischen Konflikt über die österreichische Erbfolge, der 1740 ausbrach, standen Bayern und Sachsen auf der Seite der Feinde Maria Theresias“ (ebd.).

219 Opernhandlung – sieht sich von Elisabeth Christine in mancherlei Hinsicht übertroffen und preist Des w)rdigsten Gemahls h chstw)rdiges Gemahl: Die sch nste Kayserin / k mt mir jetzt zu Gesichte / | Und machet meinen Schein durch ihren Glantz zunichte. Ihre Ehrenbezeugung gilt freilich zugleich dem Haus Braunschweig als der Heimat der jungen Kaiserin: Und das gesamte Reich bleibt Braunschweig stets gewogen / | Weil es ihm solchen Schatz zur Kayserin erzogen. Der imaginäre Auftritt Elisabeths von Görz-Tirol endet allerdings mit derselben Restriktion wie der ihres Gatten Albrecht, erneut wird der politisch heiklen Situation des Nichtvorhandenseins männlicher Erben von seiten habsburgfreundlicher Kreise mit der latenten Hoffnung auf eine biologische Lösung oder ,Entschärfung‘ des mit der ,Pragmatischen Sanktion‘ verbundenen Konfliktpotentials begegnet: Wie ich inzwischen gern an Sch nheit Dir wil weichen / | So w)nsch ich / daß du mir an Fruchtbarkeit magst gleichen. Der Vorbericht offenbart Johann Samuel Müllers ausgeprägtes Interesse an historischen Fragestellungen und Prozessen wie seine profunde Kenntnis der zeitgenössischen historischen Forschung und modernen wissenschaftlichen Quellenkritik; die entsprechenden Fähigkeiten und Kompetenzen dürfte er zweifellos während seines Studiums insbesondere des Reichsstaatsrechts und der Reichshistorie bei Simon Friedrich Hahn, einem Schüler der Hallenser Reichspublizisten Gundling und Ludewig und ab 1725 Nachfolger Leibnizens als welfischer Hofhistoriograph,479 in Helmstedt – wenn nicht auch in Leipzig, wo er Anfang der 1720er Jahre offensichtlich in engerem Kontakt stand mit dem bedeutenden Geschichtsordinarius, Juristen und sächsischen Hofhistoriographen Johann Burkhard Mencke480 – erworben haben.481 Müller eröffnet seine historisch fundierte Vorrede, die zusammen mit den unzähligen Quellennachweisen, historisch-wissenschaftlichen Argumentationen und kritischen Kommentaren des akribisch ausgearbeiteten Anmerkungsteils insgesamt sieben Seiten einnimmt, mit der Erörterung der Herkunft der Habsburger Dynastie und des Titelhelden Rudolf. Bemerkenswerterweise läßt Müller alle traditionellen genealogischen Spekulationen und sagenhaften Abstammungstheorien, die das Haus Habsburg etwa von dem Trojaner Hector oder der römischen Familie der Colonna herzuleiten suchen,482 beiseite, indem er nachdrücklich deren Ungewißheit herausstellt,483 und nennt als ältesten erschließbaren Ahnen den ober-

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Vgl. Franz Xaver von Wegele, Simon Friedrich Hahn, in: ADB, Bd. 10 (1879), S. 372f. Zu Menckes Rolle als Leipziger Ordinarius und Vermittler zwischen Historie und Jurisprudenz im Sinne Christian Thomasius’ und der Hallenser Reichspublizistik vgl. Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 279–284. Zu Müllers Bekanntschaft mit Hahn wie auch mit Mencke vgl. Gabriel Wilhelm Götten, Das Jetztlebende Gelehrte Europa, S. 75 u. 77. S. dazu im einzelnen Alphons Lhotsky, Apis Colonna. Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger. Ein Exkurs zur Cronica Austrie des Thomas Ebendorfer, in: ders., Das Haus Habsburg, München 1971, S. 7–102. Ist jemals dem Ursprunge eines Hauses sorgf ltig nachgeforschet worden / und sind jemals die Gelehrten widriger Meynung darin gewesen / so ist es gewiß das alte Haus von Habspurg. Io. Lud. Schoenleben hat in seinem Buch de origine Habsp. Austr. nicht mehr als zwantzig Meynungen hievon angef)hret und untersuchet / bey denen allen aber ich so

220 rheinischen Grafen Guntram, der um das Jahr 950 lebte und auch der genealogischen Forschung des 20. und 21. Jahrhunderts als möglicher Spitzenahn der Habsburger gilt.484 Über Lancelinus, den er unter Berufung auf Johann Georg Eckhart – Leibnizens Hannoveraner Mitarbeiter und ersten Nachfolger – und dessen Origines serenissimae ac potentissimae familiae HabsburgoAustriacae (Leipzig 1721) als titularisch ersten Grafen von Habsburg anführt, gelangt Müller zuletzt zu König Rudolf von Habsburg und seiner engeren Familie. Es folgen detaillierte Erläuterungen zu Rudolfs Biographie, insbesondere seit seiner Wahl zum deutschen König,485 und zum langwierigen Konflikt mit dem mächtigen Rivalen Ottokar II. PĜemysl, König von Böhmen, der die Grundlage der Opernhandlung bildet. Eingehend schildert Müller Ottokars Lehnsinvestitur und Demütigung durch Rudolf auf der Insul Camberg, die er später als Eröffnung des ersten Aktes inszenieren wird, sowie Ottokars Niederlage und Tod in der Schlacht bei Dürnkrut am 26. August 1278. Gleichwohl habe Rudolf nach seinem Sieg an der einige Zeit zuvor vereinbarten Doppelhochzeit zwischen seinen und Ottokars Kindern festgehalten und den PĜemysliden das Königreich Böhmen überlassen. Mit Blick auf das R mische Reich wird besonders Rudolfs Stabilisierung der politischen Verhältnisse und seine Landfriedenspolitik gewürdigt. Sein Bemühen um Frieden und Ruhe habe Rudolf von Habsburg auch beym Hause Braunschweig bewiesen: Es hatten nemlich die Braunschweigischen Hertzoge / Albertus der Fette/ und sein Bruder Wilhelm, Streitigkeiten mit Henrico dem Wunderlichen/ dem Stifter der Grubenhagenschen Linie / und belagerten derowegen die Stadt Helmst dt. Nichts destoweniger brachte es der Kayser durch einige harte Befehle dahin / daß sie sich wiederum mit einander vertrugen. Nachdem Müller einige weitere Aspekte von Rudolfs Biographie und Herrschaftshandeln benannt hat, deren entweder in diesem Singe-Spiele selbst gedacht wird / oder welche wenigstens zur Erkl rung desselben dienen k nnen, etwa den Kampf gegen das ,Raubrittertum‘, die Erneuerung der (staufischen) Privilegien der Stadt Wien oder die Belehnung seines ältesten Sohnes Albrecht mit Österreich und Steiermark und dessen Vermählung mit Elisabeth, der Tochter des Grafen Meinhard II. von Görz-Tirol, beschließt er die Vorrede, indem er angesichts der aktuellen Situation der Habsburger Dynastie erneut die Hoffnung auf einen baldigen Thronfolger Karls VI. artikuliert: daß der allg)tige GOTT das sehnliche Verlangen so vieler tausend

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viel Ungewißheit finde / daß ichs nicht wagen mag / mich zu einer von denselben zu bekennen. Vgl. etwa Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart [usw.] 1994 (Urban-Taschenbücher 452), S. 13f.; ders., Rudolf von Habsburg, Darmstadt 2003, S. 32; Georg Scheibelreiter, Habsburger, in: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 1815f.; Thomas Zotz, Guntram (der Reiche), in: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 1795. Müllers Kaisertitulatur für Rudolf von Habsburg dürfte wie Johann Ulrich Königs entsprechende Bezeichnung Heinrichs I. eine Rückprojektion frühneuzeitlicher Konventionen auf die mittelalterlichen Verhältnisse implizieren. Vgl. o. S. 174f. Anm. 362. Auch Zedlers Universal-Lexicon führt Rudolf von Habsburg als R mischen Kayser auf (Rudolph I., in: Bd. 32 [1742], Sp. 1467–1478).

221 Seelen erf)llen / und die m nnliche Posterit t des Ersten Rudolphs / welche jetzund nur noch auf einem eintzigen Zweige / nemlich dem Allerglorw)rdigsten CARL dem Sechsten / beruhet / durch die gesegnete Fruchtbarkeit Dero Allertheursten Gemahlin [...] bis ans Ende der Welt fortpflantzen / und das Allerdurchlauchtigste Ertz-Haus Oesterreich / wie Es von keinem an Hoheit )bertroffen wird / also auch an Menge seiner Printzen die )brigen insgesamt )bertreffen m ge. Das Personenverzeichnis sieht 14 Rollen vor, daneben zahlreiche Komparsen und Tänzer. Wiederum sind die Namen der meisten Sänger der Uraufführung angegeben, wovon acht bereits im zweiten Teil von Königs Heinrich der Vogler mitgewirkt hatten. Es sind dies im einzelnen: Mons. Krist in der Titelrolle, Christina Elisabeth Simonetti (Sopran) als Clementia, Johanna Dorothea Stübner (Sopran) als Jutha, Mons. Ruhe als Albertus, Johann Ferdinand Koulhaas (Baß) als Rudolphus (alle vier Kinder des Rudolphus I. von Habspurg), Georg Oesterreich (Tenor) als Ottocarus, Christina Louisa Koulhaas (Sopran) als dessen Tochter Agnes, Conrad Christian Welhausen (Alt)486 als sein Sohn Wenceslaus, Mademoiselle Jacobi als Elisabetha (von Görz-Tirol), Friedrich Weise (Baß) als Jacob Müller und Georg Caspar Schürmann als Carolus Martellus, Cron-Printz von Neapolis. Die Darsteller des Milotas, des Geistes des Lancelinus und des Ugemus von Wylak werden nicht genannt. Der Inhalt der dreiaktigen Opernhandlung (mit jeweils 14 Szenen in den ersten beiden und 15 Szenen im dritten Akt, bei insgesamt 14 Bühnenbildern) ist kurz folgender: In einem Zelt auf der Insel Camberg empfängt Ottocar kniend seine Lehen, Böhmen und Mähren, und leistet Rudolph den geforderten Lehnseid. Im entscheidenden Moment läßt Rudolph die Zeltwände unversehens und wie von selbst niederfallen, so daß Ottocars Demutsgeste öffentlich, von den Anhängern der beiden Könige, wahrgenommen werden kann. Während Ottocar Rache schwört und seine Kinder Agnes und Wenceslaus zur Auflösung ihrer Verlobung mit Rudolphs gleichnamigem Sohn und seiner Tochter Jutha drängt, zieht Rudolph triumphierend in der Stadt Wien ein. Der aus politischem Kalkül herbeigeführte doppelte Liebeskonflikt zwischen den Kindern der königlichen Rivalen wird potenziert einerseits durch die Werbung des angeblich unstandesgemäßen Grafen Carolus Martellus (der seine wahre Identität als Cronprintz von Neapolis zunächst verschleiert) um Rudolphs Tochter Clementia, andererseits durch Rudolphs älteren Sohnes Albertus Bemühungen um Elisabeth von Görz-Tirol, Printzessin von C rnthen, die eigentlich Carolus Martellus liebt. Die Verwicklungen treten im Verlauf der Handlung deutlich zutage, etwa wenn Carolus Elisabeth aus den Händen von Raubrittern befreit, was Clementias Argwohn neue Nahrung gibt, oder wenn Agnes und Wenceslaus von Böhmen auf Milotas’ (eines B hmische[n] General[s] und vormaligen Getreuen des Ottocar) Rat hin als Zigeuner verkleidet an Rudolphs Hof erscheinen, um die wahren Neigungen ihrer Geliebten Rudolph und Jutha zu ergründen (zuletzt mit Hilfe einer vorgegaukelten Geisterbeschwörung). Schließlich begibt sich Ottocar selbst unter falscher Identität nach Wien, um sich an seinen Kindern, seinem früheren Gefolgsmann Milotas und König Rudolph zu rächen. Als sein Anschlag mißlingt, scheint Rudolph zunächst unnachgiebig und mit Härte gegen ihn vorgehen zu wollen, zeigt sich zuletzt aber großmütig, nachdem Ottocar

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Vgl. den Hofkalender von 1721 bei Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 124.

222 angesichts seiner (von Rudolph nur vorgetäuschten) nahen Hinrichtung reumütig sein Fehlverhalten bekannt hat. Am Ende werden gar vier Paare zusammengeführt: Mit der neuerlichen Verbindung seiner Kinder Rudolph und Jutha mit Agnes und Wenceslaus von Böhmen bringt Rudolph das geplante doppelte dynastische Heiratsprojekt zwischen Habsburgern und PĜemysliden doch noch zum Abschluß, während Clementia mit dem überraschend zum ungarischen Thronerben avancierten Carolus Martellus aus dem Haus Anjou vermählt wird; zu guter Letzt entscheiden sich auch Albertus und Elisabeth von Görz-Tirol füreinander und komplettieren so den gattungstypischen lieto fine, der zwar den historischen Verhältnissen nicht vollends entspricht (jedenfalls was Ottocars Schicksal anbelangt), dem freudigen Anlaß der Opernaufführung aber umso mehr gerecht wird.

Charakteristisch ist auch hier die Überformung des historischen Handlungskerns (der Jahre 1276–1278) mit den für das Genre typischen fiktionalen Elementen wie Liebesintrigen und dramaturgischen Verwicklungen (ausgelöst u. a. durch Verkleidungen, Identitätswechsel und kommunikative Störungen zwischen den Figuren), die verschiedenste Affektsituationen der Figuren herbeiführen und somit dem Komponisten mannigfaltige musikalische Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen,487 genauso mit Geisterszenen und komisch-burlesken Szenen, in deren Zentrum der vormalige B)rger zu Z)rch Jacob Müller, jetzt Bedienter des Kaysers Rudolphs, steht. Dazu gehört freilich auch die erwähnte Konvention des lieto fine, insofern der historisch mit Ottokars gewaltsamem Tod beendete Konflikt nun versöhnlich beigelegt wird. Dennoch werden in das operntypische dramaturgische Gerüst wiederholt und überaus geschickt historische Details und Fakten eingewoben, die Müller bereits im Vorbericht erörtert hatte und die nun die Historizität der Bühnenvorgänge deutlich hervorscheinen lassen: etwa wenn Carolus Martellus die Prinzessin Elisabeth aus den Händen von Raubrittern befreit (II, 4 u. 7) und Rudolph von Habsburg einige Szenen später gegenüber der geretteten Elisabeth erklärt (II, 13): Es ist bisher ja leider! eingerissen / | Daß auch der Adel selbst des Raubens sich beflissen. | Der Reichs-Tag ist bereits nach Erfurth ausgeschrieben / | Ich wil nicht eher ruhn / bis ich es hintertrieben. | Und werd ich nur von einem Raub-Schloß h ren / | Wil ich es alsofort bis auf den Grund verst ren.488 Als dezidiert historische Szene gestaltet Müller den Opernbeginn, wenn er die Ende November 1276 erfolgte Lehnszeremonie489 zwischen Rudolf von Habsburg und Ottokar als eindrucksvolles Staatsbild erstehen läßt. Auf einem Thron sitzend und umgeben von seinen Kindern und den Churf)rsten des Reichs nimmt Rudolph in einem pr chtige[n] Gezelt die Huldigung des mäch-

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Das Libretto läßt auf 33 Arien, je ein Quartett (I, 6), Terzett (I, 2) und Duett (III, 4) sowie vier (bzw. fünf) Chorsätze schließen (zwei Sätze in I, 2; je ein Satz in I, 8 und III, 15 [Schlußensemble]; eventuell auch der Chor der Teutsche[n] Armee in I, 1, wenn er denn gesungen, und nicht gesprochen wurde). Schürmanns Musik ist nicht überliefert. Den historisch-,faktischen‘ Hintergrund des Bühnengeschehens bildet in diesem Fall das in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts offenbar virulente Problem des ,Raubrittertums‘, gegen das Rudolf von Habsburg vehement vorging. So zerstörte Rudolf „auf seinem Zug durch Thüringen (1289/90) innerhalb kurzer Zeit über 66 Raubburgen“ und ließ „allein an einem Tag im Dezember 1289 29 aufgegriffene Raubritter vor den Toren Erfurts enthaupten“ (Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter, S. 57). Vgl. Karl Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg, S. 142f.

223 tigen böhmischen Königs entgegen. Ottocar übergibt dem römisch-deutschen König fünf Fahnen als Investitursymbole für die bisher von ihm beanspruchten fünf Reichslehen, erhält kniend aber nur zwei – die weltlichen Reichsfürstentümer Böhmen und Mähren – zurück. Als Ottocar im Zuge der Belehnung Rudolph den Eid schwört, ihn und das Reich mit Huld und Treue zu verehren, fallen die Wände des Zeltes, in dem sich die Lehnszeremonie vollzieht, plötzlich auseinander und die in der Nähe versammelten Heere und Parteigänger der beiden Könige werden Zeuge von Ottocars Demutsgeste vor Rudolph. Während Rudolph begleitet von einem Jubelruf der versammelten Teutsche[n] Armee nach Wien aufbricht, wo er triumphal als neuer Stadtherr empfangen werden wird, bleibt Ottocar, ob der öffentlichen Inszenierung seines Kniefalls schwer gedemütigt, mit seinen Kindern Wenceslaus und Agnes zurück und sinnt auf Rache. Das entworfene historische Tableau, das durchaus Parallelen zu einigen Zeremonial- und Staatsszenen aus Königs Heinrich der Vogler erkennen läßt, stützt sich sehr genau auf einzelne historische Quellen und projiziert deren Darstellung auf die Opernbühne. Die Historia Bohemica des Enea Silvio de’ Piccolomini (1458), die in der Frühen Neuzeit „maßgebende Darstellung der Gesch[ichte] Böhmens“,490 berichtet offenbar zuerst von der spektakulären Öffnung der Zeltwände während des Belehnungsaktes und der damit von Rudolf intendierten Demonstration der Unterwerfung des fürstlichen Vasallen unter die königliche Herrschaftsgewalt, ihr folgt u. a. Johannes Dubravius in seiner Historia Boiemica.491 Beide Referenztexte nennt Müller in den entsprechenden Anmerkungen.492 Auch bei Zedler wird die denkwürdige Episode im 1742 erschienenen 32. Band des Universal-Lexicons referiert,493 die Franz Grillparzer dann erneut bühnenwirksam gestalten sollte am Ende des dritten Aktes seines 1825 uraufgeführten Trauerspiels König Ottokars Glück und Ende. Insgesamt trägt die Inszenierung der Lehnszeremonie im Rudolphus

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František Graus, Chronik. M. Ostmitteleuropa und Baltikum. I. Böhmen, in: LexMA, Bd. 2 (1983), Sp. 2005f. Vgl. dazu Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten um Rudolf von Habsburg, Bern u. Frankfurt a. M. 1971 (Geist und Werk der Zeiten 26), S. 71–74 – Andere, frühere Quellen, etwa die Kolmarer Chronik (ebd.), überliefern die Demütigung des Böhmenkönigs in der Weise, daß „Rudolf die Huldigung seines königlichen Vasallen mit einem schlichten, grauen Lederwams bekleidet und auf einem einfachen Holzschemel sitzend“ entgegengenommen habe, während „Ottokar zum Belehnungsakt mit prunkvollen Gewändern im Krönungsornat erschien“ (Karl-Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg, S. 142). Möglicherweise schienen die grauen Gewänder und Rudolfs einfache Erscheinung späteren Zeiten wenig adäquat, wenn es darum ging, ihn als ersten Habsburger auf dem deutschen Königsthron und „makellosen, ruhmreichen Stammvater des Erzhauses“ (Willi Treichler, Mittelalterliche Erzählungen und Anekdoten, S. 27) bzw. des etablierten römisch-deutschen Kaiserhauses zu idealisieren. Eine Ausgabe von 1687 (Frankfurt a. O.) vereinigt beide Werke in einem Band. Zwar bildete sich Ottocar ein, es w)rde die Belehnung in einem Gezelt, und zwar gantz heimlich geschehen, wie er aber vor Rudolphen auf den Knien lag, und um die Belehnung anhielt, ließ dieser von allen Seiten das Gezelt aus einander fallen; daß also die dabey stehenden, so wohl Deutsche als B hmische Armeen Zuschauer abgeben konnten (Rudolph I., Sp. 1473f.).

224 Habspurgicus deutlich historisierende Züge. Den zeitgenössischen Zuschauern wird eine aus den Quellen abgeleitete Zeremonialpraxis des Spätmittelalters vor Augen gestellt, die es in dieser Gestalt längst nicht mehr gab: „In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam die prächtige Lehnsinvestitur“ – u. a. mit Kniefall des Vasallen (der als Demutsakt vielleicht bei Ottokars Belehnung zum ersten Mal in dieser Form praktiziert wurde),494 Lehnseid und Übergabe der Fahnlehen – „allmählich außer Übung. Wenn überhaupt der Fürst persönlich anwesend war, so trat an ihre Stelle die schlichte und stehend vorgenommene Belehnung in der ,camera‘ des Kaisers. [...] Neben den religiösen Differenzen war es sicher die gesteigerte Souveränität der Fürsten, die einen Kniefall vor dem Reichsoberhaupt in aller Öffentlichkeit nicht mehr opportun erscheinen ließ“.495 Ähnlich wie etwa in der Turnierszene des ersten Teils der Oper Heinrich der Vogler werden die Zuschauer also konfrontiert mit einem Modell öffentlich-rituellen Verhaltens, das die Differenz der dargestellten Zeit zu ihrer eigenen Lebenszeit augenfällig markiert und mithin die illusionistische Historizität der Bühnenvorgänge verstärkt. Von der ersten Szene an ist die historische Couleur des Stoffes präsent, lebt die vergangene Welt des 13. Jahrhunderts als supponiert authentisches Historienbild auf der Bühne wieder auf. Insofern deutet sich auch hier die Perspektive eines distanzierten ,Mittelalters‘ an. Ebenfalls als historisch-politischer Aufzug ist die dritte Szene des ersten Aktes gestaltet, die Rudolphs Einzug in die bisher Ottocar untertänige Stadt Wien darstellt. Der Kayser erscheint auf einem Triumphwagen, der von zwey weissen Pferden gezogen wird, und bahnt sich seinen Weg durch eine Gasse, welche mit illuminirten Pyramiden und Logen ausgezieret ist. Zwey Herolde geben mit der Trompete ein Zeichen, nachdem der Raht und die B)rgerschaft von Wien Rudolph mit einem Chor freudig begrüßt haben, und Ottocars Gesandter Milotas entbindet die Stadt ihres bisherigen Treueeides gegenüber dem böhmischen König. Dem Huldigungschor der Wiener Bürgerschaft „Es lebe Rudolph unser Kayser“ folgt die symbolische Übergabe des Stadtschlüssels an den neuen Habsburger Stadtherrn, der die von den Staufern einst zugestandenen städtischen Privilegien und Freiheiten bestätigt. Ein Freudentanz der Wiener B)rger nebst ihren Weibern und Kindern beschließt die prächtige, lokalkoloristisch gefärbte Szene, die wohl zuvorderst eine Reverenz vor dem

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Vgl. Karl-Heinz Spieß, Kommunikationsformen im Hochadel und am Königshof im Spätmittelalter, in: Gerd Althoff (Hg.), Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, Stuttgart 2001 (Vorträge und Forschungen 51), S. 261–290, hier S. 279. Ebd., S. 284f.; wieder abgedruckt in: Karl-Heinz Spieß, Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Idstein 2002 (Historisches Seminar N.F. 13), S. 173. – Eine detaillierte Beschreibung des offenbar um 1700 üblichen Prozedere bei der Lehnszeremonie in der kaiserlichen Kammer (im Kern: kniend vorgetragenes Lehnsgesuch des kur-/reichsfürstlichen Gesandten; Entgegnung des Kaisers; Lehnseid des fürstlichen Bevollmächtigten und Kuß auf den Knopff des Reichs-Schwerdts; kniend erwiesene Dancksagung des Gesandten) liefert Johann Christian Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2 (1720), S. 936f. (Caput XXIV. Vom Ceremoniel bey Reichs- und andern Lehns-Empf ngnissen); ebenso Julius Bernhard von Rohr, Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren, S. 450–457 (II. Theil. V. Capitul. Von Belehnungen, § 25–40).

225 regierenden Kaiserpaar darstellt: Braunschweig verneigt sich vor seinen Wiener Gästen, indem auf der Bühne die erstmalige Besitznahme der altehrwürdigen Residenzstadt der Habsburger Dynastie durch den großen Ahnen Rudolf inszeniert wird, nachdem zuvor, in der Eröffnungsszene, sein glänzender politischer Triumph über Ottokar ostentativ präsentiert worden war. Explizit dynastische Bezüge entfaltet dann Szene I, 8: In einem WolckenGer)ste / worauf die Bildnisse beyder jetzt-regierenden Kayserl. Majest ten / ingleichen der Oesterreichische Adler und das Braunschweigische Pferd zu sehen, erscheint dem Kayser und seiner Tochter Clementia der Geist Lancelins, des im Vorbericht genannten ersten Grafen von Habsburg, um seinem Nachkommen Rudolph die glückliche Überwindung von dessen Gegenspieler Ottocar und die dynastische Verbindung des Hauses Habsburg mit Böhmen und Ungarn zu prophezeien. Darauf richtet er seinen Blick mit den Worten Schaut aber / schaut! wie Wien | Wird in vier hundert Jahren bl)hn überraschend auf die ferne Zukunft des Erzhauses, d. h. auf die unmittelbare Gegenwart des zeitgenössischen Publikums. Zunächst ruft Lancelin den Zuschauern eines der einschneidensten zeitgeschichtlichen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit – nicht nur für das Haus Österreich, sondern für das Alte Reich insgesamt – in Erinnerung: die erfolgreiche Abwehr der Türken vor Wien durch den grosse[n] Leopold, durch Kaiser Leopold I. (1683); dazu wird auf der Bühne ein eindrucksvolles emblematisches Tableau entworfen, das den Sieg des österreichischen Adlers über den auf der Spitze des Stephansdomes prangenden türkischen Halbmond demonstriert: Es kommen zwey Oesterreichische SchutzGeister / und bringen den Grund-Riß der Stadt Wien in ihrem jetzigen Zustande. – Auf dem Stephans-Thurn ist der T)rckische halbe Mond zu sehen. – Der Oesterreichische Adler fliegt in die H he / und wirfft den halben Mond zur Erde.496 Dann wendet sich Lancelin Leopolds Sohn, Kaiser Karl VI., zu, der im Kampf gegen die türkischen Scharen noch Größeres vollbringen wird als sein Vater und mithin im Zenit der Dynastiegeschichte stehen wird: Jedoch dem sechsten Carl wirds gantz allein gelingen / | Mit seiner Macht ins Hertz von der T)rckey zu dringen / | Und sie zu dem / was er verlangt / zu zwingen. | Schaut hier sein Bildniß an / und gebet acht / | Welch Majest tscher Blick aus seinen Augen lacht; | Betrachtet ihn recht wol / den Herrn von so viel Reichen / | Dem keiner / als er selbst / an Hoheit zu vergleichen. Mit Blick auf eine in der vorangegangenen Szene angedeutete Mediation König Rudolphs innerhalb des alten Braunschweiger Herzogshauses497 heißt es weiter: Bringst du / o Rudolph / jetzt die l ngst erseufzte Ruh | Dem Hause Braunschweig wieder zu / | So wird sich dann erst recht das Gl)ck mit ihm verm hlen / | Wann CARL sich ein Gemahl aus solchem wird erw hlen, bevor Lancelins Prophetie mit einem Panegyrikus

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So die entsprechenden Bühnenanweisungen. In Szene I, 7 hatte Rudolph Clementia mitgeteilt: Dem Himmel sey gedanckt / es l uft die Nachricht ein / | Daß Braunschweigs F)rsten auch in Eintracht wieder seyn; | Ich muß vor allen Dingen | Dem Reich den Ruhestand zuwege bringen. Bereits der Vorbericht hatte auf Rudolfs Vermittlung im Konflikt zwischen den welfischen Herzögen und Brüdern Wilhelm, Albrecht II. dem Fetten und Heinrich Mirabilis hingewiesen.

226 auf die ,welfische‘ Kaiserin endet: Dis ist Elisabeth Christine / | Hier k nnet ihr Ihr Bildniß sehn. | Bemerckt die Majest t und liebreich-volle Mine / | Und pr)fet euch hernach / ob ihr nicht m)ßt gestehn / | Daß ihre Sch nheit bloß ein Kayserthum verdiene. | Das R msche Reich wird Ihr auf ewge Zeit gedencken / | Weil sie auf ewig ihm wird Kayser schencken. | So lange man indeß den Adler siehet fliegen / | Wird Braunschweigs Pferd nicht an der Erde liegen.498 Lancelins Apotheose des Hauses Österreich unter Karl VI. und Elisabeth Christine greift das bereits in den eröffnenden Huldigungsanreden verwendete typologische Muster wieder auf: Im Rahmen einer spektakulären Bühnenszenerie präsentiert der Urahn aller Grafen von Habsburg seinem Erben Rudolph wie den zeitgenössischen Zuschauern Ruhm und Größe des Hauses Habsburg unter ihren fernen Nachkommen Karl VI. und Elisabeth Christine. Dabei hat die Szene strukturell nun zweifellos ihr Vorbild in der Schlußszene des ersten Teils der Oper Heinrich der Vogler: Dort war es der Geist Brunos, des sagenhaften Gründers der Stadt Braunschweig, gewesen, der seinem Neffen Heinrich Braunschweigs glorreiche Zukunft vorausgesagt und die Herrschaft des fernen Erben August Wilhelm gepriesen hatte. Auch jetzt wird das Braunschweiger Herzogshaus freilich nicht übergangen, denn die Huldigung Elisabeth Christines gilt in gleicher Weise ihm selbst, mit der Oper Rudolphus Habspurgicus feiern die Wolfenbütteler Welfen ein Stück weit sich selbst und ihr neues Gl)ck, indem sie ihre enge Verwandtschaft, ja ihre Schicksalsgemeinschaft mit dem Wiener Kaiserhaus betonen – das mit dem fortschreitenden Zurückdrängen der Türken seit 1683 und in ständiger Rivalität mit dem Haus Bourbon „das Format einer zumindest vormodernen europäischen Großmacht“499 gewonnen hatte – und damit zugleich ihren Rang innerhalb des Reiches proklamieren: So lange man indeß den Adler siehet fliegen / | Wird Braunschweigs Pferd nicht an der Erde liegen. Die beiden letzten Szenen des dritten Aktes, die Schlußszenen der Oper, bringen die Lösung des Konfliktes zwischen Rudolph und Ottocar, indem Ottocar von Rudolph – entgegen den historischen Berichten – begnadigt wird, nachdem er angesichts seiner (von Rudolph listig vorgetäuschten) nahen Hinrichtung reuig sein verbrecherisches Handeln bekannt hat. Durch Rudolphs Großmut wird zudem das zuvor durchtrennte Band zwischen den PĜemysliden

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An dieser Stelle heißt es im Nebentext: Die Oesterreichischen Schutz-Geister beschencken das Braunschweigische Pferd mit Fl)geln / daß es dem Adler / welcher sich in die H he hebet / nachfliegen kan. – Bereits in der Schlußszene des zweiten Teils der Oper Heinrich der Vogler waren die beiden Wappentiere bzw. dynastischen Tiersymbole in einem ähnlichen emblematischen Kontext auf der Bühne eingesetzt worden: ein Oestreichischer Schutz-Geist kommt auf einem Adler geflogen und h ngt Keyser Carl des 6. als Sr. itzt regierenden Keyserl. Majest. Portrait an eine Piramide; Ein Braunschweigischer SchutzEngel aber kommt auf dem Braunschweigischen Pferde und h ngt das Bildniß Ihro Majest. der regierenden Keyserin an die andre Piramide (D-W, Textb. Sammelbd 9 [8], Bühnenanweisung in III, 14). Heinz Duchhardt, Die historische Folie einer Biographie: Habsburg, das Reich und Europa 1660–1740, in: Arnfried Edler u. Friedrich W. Riedel (Hgg.), Johann Joseph Fux und seine Zeit, S. 25–34, hier S. 28.

227 und den Habsburgern neu geknüpft: Rudolphs Tochter Jutha wird mit Ottocars Sohn und Erben Wenceslaus, Rudolphs gleichnamiger Sohn mit Ottocars Tochter Agnes vermählt. Die Verlobungen der beiden übrigen Kinder Rudolphs mit Carolus Martellus und Elisabeth von Görz-Tirol runden das auf der Bühne beschworene Bild eines sch nen Tag[es] ab und komplettieren den dem festlichen Aufführungsanlaß, dem Kaiserbesuch, gemäßen lieto fine: Der große Ahn Rudolf von Habsburg wird auf der Braunschweiger Opernbühne somit zuletzt als sanftmütiger Herrscher und Friedensstifter glorifiziert, als Verkörperung einer der beiden Habsburger Prinzipaltugenden, der Clementia Austriaca.500 Mit Rudolphus Habspurgicus liegt neben der Hamburger Produktion Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V. von 1712 die einzige Oper um 1700 vor, deren Sujet der Dynastiegeschichte der Habsburger entstammt. In Wien selbst hat es an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert niemals eine ,Veroperung‘ eines Themas aus der Geschichte der Habsburger Dynastie gegeben – nicht zuletzt vielleicht wegen des signifikanten Selbstbildes der Habsburger Kaiser, insbesondere Karls VI., als Erben und Regenten eines universalgeschichtlichen Imperiums „in der Nachfolge der römischen Caesaren“501 und der damit korrelierenden ausgeprägten Antike-Rezeption des Wiener Hofes. In Braunschweig hingegen wurde das Modell der bisherigen ,dynastischen Mittelalteropern‘ anläßlich des Kaiserbesuchs variiert und nun appliziert auf einen mittelalterlichen Heros des mit den Welfen verschwägerten österreichischen Erzhauses. Dabei dürfte das konkrete Sujet – der Sieg Rudolfs über den böhmischen König Ottokar – zugleich auf ein aktuelles, unmittelbar bevorstehendes zeitgeschichtliches Ereignis Bezug genommen haben: die Krönung Karls VI. zum König von Böhmen am 5. September 1723. Ob oder inwieweit die theatralische Darstellung des ersten Habsburgers auf dem römischdeutschen Königsthron und seiner glorreichen Nachkommen den Beifall des regierenden Kaiserpaars gefunden hat, darüber kann indes wohl nur spekuliert werden. Sicher ist, daß das Braunschweiger Modell nicht von Wien übernommen wurde. Zur Feier der Prager Krönung Karls und Elisabeth Christines erklang am 28. August 1723, dem Geburtstag der Kaiserin, auf dem Hradschin Johann Joseph Fux’ opulente Festoper Costanza e fortezza – ein ,klassisch‘römisches Sujet.

2.2.2.4 Von Venedig nach Braunschweig: L’innocenza difesa, Ludovicus Pius und eine welfische Kaiserin im Kreis der Karolinger Zurück in die Zeit der Karolinger führen zwei Opern, die in den 1720er und frühen 1730er Jahren in Braunschweig und Wolfenbüttel aufgeführt wurden. Beide Werke, L’innocenza difesa und Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme, kreisen um die Figur der Welfin Judith, die Kaiser Ludwig der

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Vgl. dazu Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 218ff. Franz Matsche, Gestalt und Aufgabe der Kunstunternehmungen Kaiser Karls VI., S. 35.

228 Fromme, der Sohn Karls des Großen, im Jahre 819 zu seiner zweiten Gemahlin erwählt hatte, sowie die heftigen Auseinandersetzungen, die das karolingische Herrscherhaus infolge der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Karl schwer erschütterten. Ludwig hatte zwar 817 mit der ,Ordinatio imperii‘ eine allgemein – innerhalb der Dynastie und von den fränkischen Großen – akzeptierte Aufteilung des fränkischen Reichsverbandes unter seine drei Söhne aus erster Ehe, Lothar, Pippin und Ludwig den Deutschen, festgelegt und durch Eid bekräftigt, wonach jedem der Söhne gemäß dem überkommenen fränkischen Teilungsbrauch ein eigener Herrschaftbereich innerhalb des Großreichs zugestanden und zugleich dem ältesten der drei Brüder, Lothar, eine durch kaiserliche Würden legitimierte übergeordnete Stellung zugewiesen wurde; diese auf Kontinuität und Einheit des fränkischen Imperiums zielende Regelung wurde jedoch spätestens in dem Moment hinfällig, als der 823 aus der zweiten Ehe mit Judith geborene Nachkömmling, der spätere Kaiser Karl der Kahle, in das junge Erwachsenenalter eintrat. Die von Ludwig nun vorgenommene Ausstattung Karls mit einem eigenen dynastischen Erbe – auf Kosten der Halbbrüder – machte das zuvor erlassene Thronfolgegesetz hinfällig und löste mit der Erhebung der drei älteren Söhne gegen den kaiserlichen Vater einen tiefgreifenden Konflikt aus, der in wechselnden Konstellationen bald Ludwig, Judith und den jungen Karl, bald die Söhne Lothar, Pippin und Ludwig die Oberhand gewinnen ließ, die politische Ordnung des fränkischen Imperiums über den Tod Ludwigs des Frommen (840) hinaus dauerhaft destabilisierte und letztlich in die Reichsteilung von 843 zwischen Lothar I., Ludwig II. dem Deutschen und Karl II. dem Kahlen (Vertrag von Verdun) mündete.502 L’innocenza difesa, in Wolfenbüttel erstmals gespielt anläßlich der Feier des Namenstages von Kaiserin Elisabeth Christine wahrscheinlich im Jahr 1722,503 ist mit Blick auf das von Francesco Silvani geschaffene Libretto keine ,Originalproduktion‘ für das Wolfenbütteler Schloßtheater, sondern wurde unter dem Titel L’innocenza giustificata zuerst 1699 im Teatro San Salvatore zu Venedig aufgeführt, und zwar mit der Musik von Benedetto Vinacese. In den folgenden Jahren wurde das Stück für zahlreiche italienische Bühnen adaptiert: Genua (1699, als Carlo re d’Alemagna), Mantua (1700), Florenz (1700, als Carlo re d’Alemagna, und nochmals 1721, als L’innocenza difesa), Crema (1701), Mailand (1711, Musik von Fortunato Chelleri), Ferrara (1712, als L’innocenza difesa, Musik von Giuseppe Maria Orlandini), Bologna (1713, als Carlo re d’Alemagna, Musik von Orlandini), Parma (1714, als Carlo re d’Alemagna,

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Vgl. dazu im einzelnen Rudolf Schieffer, Die Karolinger, Stuttgart [usw.] 32000 (UrbanTaschenbücher 411), S. 112–169; Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 40–63. L’INNOCENZA DIFESA Drama per Musica Con Prologo Da Rappresentarsi Al Teatro Ducal Di Wolfenbuttel Festeggiandosi Il Nome Gloriosissimo Della Sac. Ces. E Catt. Real Maestà Di Elisabeta Cristina Imperadrice Regnante DIE BESCH(TZTE UNSCHULD In einer Opera Nebst einem Prologo vorgestellet Auf dem Hoch-F(rstl. Theatro zu Wolfenb(ttel [...] [1722?] (D-W, Textb. 685).

229 Musik von Orlandini), Palermo (1714, Musik von Stefano Andrea Fiorè), Verona (1714, als L’innocenza difesa, Musik von Orlandini), Neapel (1716, als Carlo re d’Alemagna, Musik von Alessandro Scarlatti), Rom und Turin (1720 und 1722, jeweils als L’innocenza difesa, Musik von Fiorè), und erschien 1722 erneut in Venedig, nun als L’innocenza difesa (Teatro San Angelo, Musik von Fortunato Chelleri), bevor es offenbar im selben Jahr dann auch nach Wolfenbüttel gelangte.504 Für die Vertonung zeichnete diesmal Konrad Friedrich Hurlebusch verantwortlich. Das Libretto präsentiert die italienischen Paratexte und Opernhandlung mit einer parallelen deutschen Übersetzung. Die Oper verwandelt die im Argomento erläuterten historisch-politischen Hintergründe – der Verfasser nennt als Quellen die Historiarum de regno Italiae Libri quindecim des Carlo Sigonio (Venedig 1574) und François de Mézerays Histoire de France depuis Faramond jusqu’au regne de Louis le Juste (Paris 1685) – dergestalt, daß die in der Schlacht bei Fontenoy im Auxerrois (841) offen ausgetragene Feindseligkeit zwischen Lothar I. auf der einen und Karl II. und Ludwig dem Deutschen auf der anderen Seite umrißhaft in die fiktionale Intrigenstruktur des Dramas abgebildet wird – angereichert mit einigen anderen historischen Details der jahrelangen Kämpfe innerhalb des karolingischen Kaiserhauses: Nach dem Tod Ludwigs des Frommen versucht Kaiser Lothar, unterstützt von seinem Vertrauten Asprando, der zugleich dem Hofstaat der Kaiserin Judith angehört, den Herrschaftsanspruch des noch unmündigen Halbbruders Karl – hier Fabio genannt – und seiner Mutter Judith mit allen Mitteln zu verhindern. Seine mörderischen Absichten und Intrigen werden jedoch konterkariert durch das Eingreifen seines eigenen Sohnes Ludwig (in der Oper unter dem Namen Adalgiso), der mit Judiths Tochter aus erster Ehe, Gildippe, vermählt werden soll505 und sich aus Liebe zu seiner Verlobten auf die Seite der bedrängten Judith und des kleinen Fabio schlägt. Am Ende erweist sich auch das von Asprando gestreute Gerücht von Judiths Ehebruch mit dem Grafen Berardo als böswillige Intrige, und die Unschuld der Judith und ihres Sohnes Fabio triumphiert über alle Vorwürfe und Anfeindungen ihrer Gegner. Zumindest in den Augen des Venezianer Publikums implizierte dieses Thema möglicherweise nicht nur das historische Exemplum einer femme forte, sondern transportierte – mit der Präsentation des despotischen Kaisers Lothar und seiner finsteren Machenschaften – auch anti-monarchistische Tendenzen. In Wolfenbüttel hingegen dürfte eine dynastische Lesart überwogen haben, die Judith, die Tochter des in der kaisernahen Spitzengruppe des fränkischen Adels etablierten Grafen Welf,506 als standhafte und mutige welfische Kaiserin und Mutter des karolingisch-welfischen Erben Karl II. gefeiert haben mag. Die

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Vgl. die Nachweise bei Claudio Sartori, I libretti italiani a stampa, Bd. 2, S. 74f. u. Bd. 3, S. 456–459; Reinhard Strohm, Italienische Opernarien des frühen Settecento, Bd. 2, passim. Für diese konstruiert anmutende Figurenbeziehung scheint es ebenso ein historisches Vorbild zu geben: Judiths jüngere Schwester Hemma wurde 827 die Gemahlin von Lothars jüngerem Bruder, Ludwig dem Deutschen (vgl. Rudolf Schieffer, Die Karolinger, S. 120). Vgl. Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 45–50.

230 zugleich konnotierte Anspielung auf die blankenburgisch-österreichische Mariage des Jahres 1708 und den damit für die Wolfenbütteler Welfenlinie begründeten Status neuerlicher Kaisernähe verdeutlichen der Aufführungsanlaß, die Feier des Namenstages der Kaiserin Elisabeth Christine, wie der eigens aus diesem Grund hinzugesetzte panegyrische Prolog, wo Gloria und ihr Gefolge den alle Grenzen überstrahlenden Ruhm der regnante Augusta Diva sowie ihre Weisheit, Schönheit und Güte besingen. L’innocenza difesa erschien zur Sommermesse 1731 dann auch auf der Bühne des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters (nun ohne Prolog und Widmung), und zwar mit der Musik von Fortunato Chelleri, Direttore della Musica e Maestro di Capella dell’ già Serenissimo Landgravio di Hessen-Cassel, wie dem gedruckten Textbuch zu entnehmen ist.507 Eine weitere Aufführung (mit Prolog) fand vielleicht noch im November desselben Jahres im Wolfenbütteler Schloßopernhaus statt.508 Auch das Libretto der Oper Ludovicus Pius Oder Ludewig der Fromme, die zuerst zur Wintermesse 1726 am Hagenmarkt-Theater gezeigt wurde (spätere Wiederaufnahmen zur Sommermesse 1727 und Wintermesse 1734),509 entstand ursprünglich für eine venezianische Produktion, das 1683/84 im Teatro San Salvatore uraufgeführte Dramma per musica L’anarchia dell’imperio (Text von Tomaso Stanzani, Musik von Giovanni Legrenzi),510 und wurde vermutlich von Christian Ernst Simonetti für die Braunschweiger Bühne ins Deutsche übertragen und adaptiert. Den deutschen Text hat Georg Caspar Schürmann neu vertont, wobei einige Arien vielleicht von Carl Heinrich Graun stammen, während verschiedene Ballettkompositionen aus Opern von André Campra und André Cardinal Destouches übernommen wurden.511 Wie L’innocenza difesa

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L’INNOCENZA DIFESA Drama Per Musica Da Rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro Di Brunsviga Nella Fiera D’Estate L’Anno 1731. DIE VERTHEIDIGTE UNSCHULD In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro In der Sommer-Messe 1731 (D-W, Textb. 91). – Das Textbuch bzw. der Haupttext im engeren Sinne stimmt bis auf wenige zusätzliche Rezitativverse (II, 5; III, 5), die jedoch wohl nicht vertont wurden (in Virgolette), mit dem Libretto der Wolfenbütteler Aufführung von 1722 überein. Vgl. Gustav Friedrich Schmidt, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters, S. 18. LUDOVICUS PIUS ODER LUDEWIG DER FROMME In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro In der Winter-Messe 1726 (D-W, Textb. 515). Darauf hat bereits Nils Niemann hingewiesen: Georg Caspar Schürmanns Oper ,Ludovicus Pius‘ (Braunschweig 1726) – Überlieferung und Aufführungspraxis, Magisterarbeit masch., Hamburg 1995, S. 37. – Inwieweit nicht der spätere Quedlinburger und Göttinger Theologe Christian Ernst, sondern sein Bruder Johann Wilhelm Simonetti, in den 1720er Jahren Konzertmeister der Wolfenbütteler Hofkapelle, als Librettist bzw. Übersetzer in Frage kommt, wie Niemann vermutet hat (S. 37f.), muß dahin gestellt bleiben. Vgl. Gustav Friedrich Schmidt, Die frühdeutsche Oper, Bd. 1, S. 256–260. – Die handschriftliche Partitur gehört heute zum Bestand des privaten Hans-Sommer-Archivs, Berlin, und wird im Braunschweiger Stadtarchiv verwahrt. Sie war mir für eine eingehendere Untersuchung leider nicht zugänglich. Einen Teilabdruck hat Hans Sommer besorgt: Georg Caspar Schürmann, ,Ludovicus Pius oder Ludewig der Fromme‘ aufgeführt in Braunschweig 1726, 1727, 1734. Nach einer im eigenen Besitze befindlichen Handschrift hg. u. mit einem Klavierauszug vers. v. Hans Sommer, Leipzig 1890.

231 kreist auch Ludovicus Pius um das oben beschriebene Zerwürfnis innerhalb der Karolinger Dynastie, allerdings bildet nun die zweimalige Absetzung – und Rehabilitierung – Ludwigs des Frommen (830/834) durch seine Söhne, allen voran den Ältesten, Lothar, die historische Folie der Opernhandlung. Das Libretto läßt freilich verschiedene signifikante Umformungen der historischen Verhältnisse erkennen, etwa wenn sich der Aufstand der beiden Söhne Lotharius und Pipinus allein an der vom Vater beabsichtigten Vermählung mit der Welfin Judith entzündet und der Stiefbruder Karl gänzlich unerwähnt bleibt. Auf der Seite des Vaters steht der dritte Sohn Ludwig, der unter dem fingierten Namen Claudius agiert und am Ende mit Judith vermählt wird – beide waren schon zu Beginn des ersten Aktes als Liebespaar eingeführt worden. Zu den amourösen Verwicklungen tragen ferner die Liebespaare Pipinus und Elisabeth (Cousine der Judith, ursprünglich in Claudius verliebt) sowie Adelheid (Tochter Ludwigs des Frommen) und Robertus, Graf in Burgund, bei. Als Parteigänger des abgesetzten Ludwig und listiger Initiator des Umschwungs zugunsten des letzteren fungiert schließlich auch Judiths Vater Welfus, Graf zu Altorff in Schwaben und erster Kayserlicher Minister, der zunächst, in der Hoffnung auf einen politischen Aufstieg, mit den rebellierenden Söhnen des Kaisers sympathisiert hatte, dann aber – besorgt um die Zukunft seiner von Lotharius umworbenen Tochter Judith – die Herrschaft der Kaisersöhne mit Hilfe eines in Ekstase versetzenden Tranks beendet und zuletzt wiederum als loyaler Vasall Kaiser Ludwigs auftritt. Mit Blick auf Stanzanis und Legrenzis Venezianer Urfassung von 1683/84 wie das Publikum der Serenissima mögen die dargestellten heftigen Verwerfungen und anarchischen Zustände innerhalb des fränkischen Kaiserhauses den Stolz auf die eigene – politische Stabilität verbürgende und daher im 17. Jahrhundert weithin als vorbildlich gepriesene512 – republikanische Verfassung und vice versa eine monarchiekritische Haltung befördert haben;513 darauf könnte nicht zuletzt, bei aller positiv-exemplarischen Zeichnung des von den Wechselfällen des Schicksals getroffenen, verunglimpften und dennoch großmütigen Kaisers Ludwig, der Titel L’anarchia dell’imperio hindeuten.514 Für die Braunschweiger Adaptation und deren Rezeption scheint hingegen abermals die dynastische Perspektive eine bedeutende Rolle gespielt zu haben: Mit Welfus, Graf zu Altorff in Schwaben, dem mutmaßlichen Spitzenahn der Welfen, und seiner Tochter Judith, der ersten ,welfischen‘ Kaiserin, agierten auf

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Vgl. Frederic C. Lane, Seerepublik Venedig, S. 616. „Die kollegiale Regierung, mittels gewählter Organe, die fehlende Abhängigkeit von einem einzigen Fürsten waren immer als Synonyme für Freiheit angesehen worden. Und noch im späten 17. Jahrhundert glaubte man, daß diejenigen, die, wie die Florentiner, diese Freiheit verloren hätten, bekümmert und neiderfüllt die ,libertà‘ Venedigs mit ,la servitù di Fiorenza‘ (der Knechtschaft von Florenz) vergleichen würden“: Gaetano Cozzi, Venedig, eine Fürstenrepublik?, in: Helmut G. Koenigsberger (Hg.), Republiken und Republikanismus im Europa der Frühen Neuzeit, München 1988 (Schriften des Historischen Kollegs 11), S. 41–56, hier S. 53. L’ANARCHIA DELL’IMPERIO Drama Per Mvsica Da rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Vendramino à S. Saluatore. L’Anno M.DC.LXXXIV. Di Tomaso Stanzani. Consacrata All’Illustriss. & Eccell. Sig. Carlo Contarini [...] (I-Vnm, Dramm. 956.5).

232 der Bühne des Hagenmarkt-Theaters zwei dynastische Vorfahren, die einerseits die bemerkenswert alte Herkunft der Dynastie – ihre weit zurückreichende Generationenfolge – bezeugen, andererseits deren bereits für sehr frühe Zeiten nachweisbare Rang- und Ehrenstellung an der Seite oder im unmittelbaren Umfeld imperialer Herrschaftsträger – d. h. konkret die Verschwägerung mit dem frühmittelalterlichen Kaisergeschlecht der Karolinger – in Erinnerung rufen konnten.515 Ihr Auftritt, ihre Re-Präsentation auf der Opernbühne mag dabei zugleich eine Hommage an die ,andere‘ Judith, Kaiserin Elisabeth Christine, und ihre Braunschweig-Wolfenbütteler Verwandten bedeutet haben, konnten deren neuerliche Kaisernähe und grandeur aus dynastiegeschichtlicher Sicht doch als ,Reaktivierung‘ und Überhöhung der erinnerten Würden der Frühzeit empfunden werden.

2.2.2.5 Die Memoria der Brunonen, Süpplingenburger und ihrer welfischen Erben: Opera Comica, genant Egbert und Lotharius Im Bestand der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek hat sich ein handschriftliches Libretto erhalten mit dem Titel Opera Comica, genant Egbert und Lotharius, das wohl eigens für die Braunschweiger – oder Wolfenbütteler – Opernbühne geschaffen wurde.516 Die Papierhandschrift besteht aus 53 Blättern (unfoliiert) und zeigt auf dem Titelblatt neben der Jahreszahl 1728 das Verfasserkürzel B.,517 dessen Auflösung sich aus der Dedikation an Herzog

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In der Dedikation an den ranghöchsten seiner welfischen Dienstherren, Georg I., König von England und Kurfürst von Hannover, im ersten Band der Teutschen Staats-, Reichsund Kayser-Historie (1721) bezieht sich der Helmstedter Geschichtsordinarius Simon Friedrich Hahn auf genau diese alte dynastische Verbindung als herausragendes Element welfischer Memoria und Fama, wenn er schreibt: Ew. K nigl. Majest t nehmen ohnedem an denen in diesem St)ck der Historie vorgetragenen Geschichten grossen Theil; weil allhier die Thaten der Carolingischen K yser und Teutschen K nige, die in dem achten, neunten, und zehenden Jahr-Hundert den Scepter des Reichs mit Ruhm gef)hret, beschrieben werden: Denn es hat ja Gott Ew. Majest t zu vieler Millionen Menschen Gl)ck und Trost, aus dem uralten Helden-StaA gebohren werden lassen, dessen unverwelckliches Ruhm-Ged chtniß der Ewigkeit schon vorl ngstens einverleibet worden, und dessen ungemeine Gloire von keinem Rost der Zeit )berzogen, noch iemals von einem Unfall wird verletzet werden k nnen, das ist, aus dem Durchlauchtigsten StaA der Guelphen, welchen die Carolingischen K yser selbst, als eines der vortrefflichsten, edelsten und glorw)rdigsten H user in Teutschland betrachtet: So gar, daß K yser Ludewig der fromme in der Verm hlung mit der Guelphischen Printzeßin Judith sein innigstes Vergn)gen beydes suchte, und funde (Vollst ndige Einleitung zu der Teutschen Staats-, Reichs- und KayserHistorie, Bd. 1 [1721], Widmungsvorrede [ohne Paginierung]). OPERA COMICA, GENANT EGBERT UND LOTHARIUS. 1728. B. (D-W, Textb. 791). Eine Transkription der – bisweilen verschollen geglaubten – Handschrift findet sich in Anhang C. Von späterer Hand ist hinzugesetzt: „d. i. J. E. (Beims)“. – Johann Ernst Beims hat verschiedene Kasualgedichte (Hochzeits-, Geburtstags-, Trauer-, Leichengedichte) auf Angehörige der Wolfenbütteler bzw. Blankenburger Welfendynastie verfaßt sowie eine – für das historische (Grund-)Studium gedachte – umfassende tabellarische Chronologie zur

233 Ludwig Rudolf am Ende des Textes [Bl. 53v] ergibt: Dieses wünschet in tieffster devotion, Jhro hochFürst[lichen] Durch[laucht] unterthänigster Knecht Beims. Da keine Druckversion dieses Librettos, eine Partitur oder andere Aufführungsnachrichten vorliegen, scheint eine Bühnenproduktion in Braunschweig letztlich fraglich, ganz auszuschließen ist sie freilich nicht. Chrysander hat indes die Vermutung geäußert, daß „Composition und Aufführung des Stückes [...] nur durch Zufall verhindert worden sein“ können.518 Wie dem auch gewesen sein mag – auf jeden Fall gestaltet das überlieferte Libretto oder der Librettoentwurf in bemerkenswerter Weise abermals ein Thema aus der mittelalterlich-dynastischen Vorgeschichte der BraunschweigWolfenbütteler Welfen, konkret aus der letzten Phase der Familiengeschichte des sächsischen Grafengeschlechts der Brunonen an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert. Die historischen Hintergründe werden dargelegt im Vorbericht [Bl. 2r–4r], der zwar die verschiedenen Zusammenhänge zum besseren Verständnis der Opernhandlung erläutert, aber keinerlei Quellen nennt – wobei die geschilderten Ereignisse im Kern wohl seit dem 13. Jahrhundert in der Braunschweiger Historiographie, etwa in der Braunschweigischen Reimchronik,519 tradiert wurden. Insgesamt steht dieser Vorbericht denn auch dem gängigen Typus des Argomento weitaus näher als etwa Johann Ulrich Königs oder Johann Samuel Müllers gelehrten, umfassenden Vorreden. Als zentrale historische Figuren werden nacheinander eingeführt: der letzte männliche Sproß der Brunonen und herr zu Braunschweig, Markgraf Ekbert II. von Meißen, seine Schwester Gertrud sowie deren Schwiegersohn, der spätere Kaiser Lothar III. von Süpplingenburg. Während Ekbert bzw. Egbert insbesondere als Gründer des Braunschweiger Kollegiatstifts St. Cyriacus und Gegner des Salierkaisers Heinrich IV. vorgestellt wird, durch dessen Gefolgsleute er 1090 den Tod fand, berichtet der Verfasser von Gertrud, daß sie Gemahlin des Grafen Heinrich des Fetten von Northeim gewesen sei, mit ihm eine Tochter namens Richensa, Rixa, oder Rikitsa gezeugt und nach dem Tod ihres Bruders Egbert in Braunschweig dessen Erbe angetreten habe. Sie habe alsbald mit Unterstützung der Braunschweiger Bürger und Wittekinds von Wolfenbüttel die Besatzung Heinrichs IV. aus der Stadt und Burg Dankwarderode vertrieben, ferner das EgydienKloster gestifftet und ihre Tochter Richenza mit Graf Lothar von Süpplingen-

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deutschen Geschichte vorgelegt (Tabulae Chronologicae, Oder Teutsche Chronologische Tabellen, Von Anfang der Welt / Bis Auf das jetzt-lauffende Jahr / [...], Braunschweig 1725; zweite Auflage 1731). In der Vorrede zu seinem Tabellenwerk verweist Beims auf seine vierzehen-jährige Praxis bey Docirung der Historie, was auf eine Tätigkeit im schulischen (gymnasialen) Bereich hindeuten könnte. Daß er jedenfalls eine akademische Ausbildung – u. a. wohl in den historischen Wissenschaften – erfahren hat, läßt sich anhand der Matrikel der Universität Helmstedt belegen, wo Beims zum Wintersemester 1707, unter dem 19. Februar, als Studienanfänger geführt wird (Die Matrikel der Universität Helmstedt 1685–1810, S. 80 [Nr. 3383]). Friedrich Chrysander, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle, S. 278. Braunschweigische Reimchronik, hg. v. Ludwig Weiland, vv. 1721ff.

234 burg vermählt. Letzterer erscheint schließlich als derjenige, der die Territorien der sächsischen Adelsfamilien der Northeimer, Brunonen und Billunger in seiner Person zusammengeführt und, nachdem er selber Keyser geworden, durch die Vermählung seiner Tochter Gertrud mit dem welfischen Herzog Heinrich dem Stolzen von Bayern das damahlige weitlaufftige Sachsen ganz an das jezige Braunschweig-Lüneburg-Durchlauchtigste hauß gebracht hat. Dem in zeitlicher Perspektive weitläufigen historischen Abriß520 schließt sich mit Blick auf die fiktionale Gestaltung der nachfolgenden Opernhandlung die poetologische Anmerkung und Captatio benevolentiae des Librettisten an, es sei zwar bekannt, daß diese Sachen so geschwind auf einander nicht erfolget, doch werde man solches, nebst den eingemischten Neben-Umständen, der Freyheit des theatri beymeßen. Die Dramatis personae [Bl. 4r–4v] umfassen neben den sechs historischen Figuren Egbert, Gertrud, Heinrich (der Fette), Richensa, Lotharius und Wittekind (edler herr von Wolffenbüttel) zwei komische Dienerrollen: Meister Cordt, der Müller von Eisenbüttel, am hofe des Egberts woll gelitten, und Sabina, eine alte bedientin der Gertrud; dazu kommen sechs Nebenfiguren: das fatum als allegorische Figur, ein alter Braunschweigischer burgerMeister, der erste Probst des Stiftes St. Cyriacus, ein Ungarischer Arz sowie ein Officier des Egberts und ein feindlicher Officier. Das Szenenverzeichnis [Bl. 4v–6r] nennt insgesamt elf verschiedene Bühnendekorationen (Veränderungen des theatri), vier Neben-Veränderungen, d. h. Erscheinungen innerhalb eines Bühnenbildes, und ein Flugwerck (Bühnenmaschine): Das fatum, nebst 4 Geniis, so das Portrait des Lotharii, die Keyser[liche] Krone, Zepter und den Reichs-Adler praesentiren. Ferner verzeichnet das Libretto sechs Tänze, wovon zwei jeweils den Schluß des ersten und zweiten Aktes bilden. Die Opernhandlung rekurriert in nuce auf die im Vorbericht angedeutete historische Auseinandersetzung zwischen Markgraf Ekbert II. und Kaiser Heinrich IV., allerdings wird der Konflikt konkret erst von Szene II, 7 an thematisiert, wobei eine eindeutige Konturierung der Rolle von Ekberts Gegenspieler(n) unterbleibt (Heinrich IV. wird nicht einmal namentlich genannt). Generell lassen die Bühnenvorgänge die postulierte Freyheit des theatri deutlich erkennen: I. Auf Schloß Hohenwörde feiert Markgraf Egbert im Kreise seiner Angehörigen und sächsischer Herrschaftsträger (Heinrich, Lotharius, Wittekind) seinen Geburtstag. Ein plötzlich einsetzendes Erdbeben trübt die freudige Stimmung und wird von Egbert als unheilkündendes Vorzeichen gedeutet – ebenso wie der Gesang einer Sirene, von dem Meister Cordt bald darauf berichtet. Vergeblich bemüht sich Gertrud, ihren Bruder von seinen dunklen Vorahnungen abzulenken. Als die Abgeordneten des Braunschweiger Rates samt Musicanten, alle in ihrer antiqven Kleidung (so das Verzeichnis der NebenVeränderungen), eintreffen, um Egbert ihre Reverenz zu erweisen, wird ein Besuch des Stadtherrn, seiner Schwester Gertrud und des Grafen Heinrich von Northeim auf dem

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Eine in zahlreichen Details kongruente zeitgenössische Darstellung der Historie Ekberts II. – mit Quellenverweisen – findet sich bei Philipp Julius Rehtmeyer, Braunschweig-L(neburgische Chronica, Bd. 1 (1722), S. 268–270.

235 Braunschweiger Graal vereinbart. Der Akt schließt mit einer nächtlichen Szenerie bei Mondschein an der Oker, wo sich Gertruds hoff-Jungfern mit der alten Sabina in ihrer Mitte zum Tanz versammelt haben. Von Meister Cordt zunächst heimlich belauscht und dann gestört, inszenieren sie auf Sabinas Geheiß Cordts Bestrafung, die aus Prügel und Stößen einiger als Poltergeister verkleideten hoffbedienten besteht (I, 10). II. In der neu erbauten Stiftskirche St. Cyriacus übergibt Egbert dem ersten Probst oder Dechant den Fundationsbrief und besiegelt damit seine Stiftung. Im Anschluß an die Zeremonie ernennt er seine Schwester und ihren Gatten Heinrich zu seinen Erben; Gertrud entschließt sich ihrerseits zur Gründung eines Klosters in Braunschweig (St. Aegidien). Unterdessen faßt Richensa, von Lotharius’ Eifersucht und Unterstellungen (hinsichtlich Wittekinds amourösen Ambitionen) verletzt, den Entschluß, ihrer Liebe zu Lotharius zu entsagen und ins Kloster einzutreten. Im Schlaf erscheint ihr jedoch das fatum und läßt sie ihr zukünftiges Geschick als Kaiserin an der Seite Lothars schauen. Auf dem Braunschweiger Graal oder Margt, der vor dem Fallerslebischen Thore mit allerhand Boutiqven, 2 großen und verschiedenen kleinen Gezelten abgehalten wird, haben sich Meister Cordt und Sabina eingefunden (II, 4). Nachdem Sabina zum Schein auf Cordts Heiratsangebot eingegangen und alsbald mit seinem Geldbeutel verschwunden ist, sucht dieser Rat bei einem Ungarischen Artz und dessen Wundermitteln. Auch Egbert, Gertrud, Heinrich, Wittekind und Lotharius besuchen, begleitet vom Braunschweiger Magistrat, den Graal. Zu ihrer Belustigung wird eine Komödie (Recept ein zänkisch Weib, bald from zu machen) aufgeführt (II, 6). Überraschend trifft die Nachricht eines feindlichen Angriffs auf Egberts Ländereien ein, worauf sich Egbert, Heinrich, Wittekind und Lotharius zum Kampf rüsten. Auf dem Weg nach Hohenwörde befreit Lotharius Richensa aus den Händen feindlicher Soldaten. Die verirrte Sabina stößt hingegen auf Wittekinds Truppe und wird von Meister Cordt in den Soldatenstand gezwungen. III. Heinrich und Wittekind erreichen den Vorhoff des ruinirten Schloßes Hohenwörde; Lotharius berichtet vom Überfall und Mordanschlag einiger verräterischer Vasallen auf den Markgrafen. Egbert stirbt, nachdem er sich von der herbeigeeilten Gertrud verabschiedet und sie nochmals zur Erbin seiner Lande bestimmt hat. Als ein Officier die feindliche Besetzung der Burg Dankwarderode und die neuerliche Gefangenschaft Richensas meldet, brechen Wittekind und Lotharius nach Braunschweig auf. Mit Hilfe der Braunschweiger Bürger gelingt ihnen die Eroberung Dankwarderodes, zum zweiten Mal wird Richensa von Lotharius befreit. Beide erneuern nach überstandener Gefahr ihre Liebe. Inzwischen beklagt Meister Cordt, in Soldaten-habit und mit einem langen Trauer-Mantel bekleidet, den Tod seines Herrn. Sabina tritt hinzu und versetzt ihn in Angst und Schrecken, indem sie sich als Geist der kurz verstorbenen Sabinen ausgibt (III, 8). Miteinander versöhnt, verabreden beide zuletzt ihre Eheschließung. Nachdem Wittekind, Lotharius und Richensa zurückgekehrt sind, verkünden Heinrich und Gertrud, Richensa aus Dank und zum Wohl des Landes mit Wittekind vermählen zu wollen, der sich schon früher um die Prinzessin bemüht hatte. Allein ein zweiter, spektakulärer Auftritt des fatum durchkreuzt die Pläne der Eltern und führt Lotharius und Richensa zusammen, die auf Beschluß des Himmels für einander bestimmt seien. Mit dem Glückwunschchor „Lothar und der Gvelphen-hauß | Blüh in steten Seegen“ endet der dritte Akt.

Außergewöhnlich breiten Raum nehmen in diesem Fall – wenn man das Schema der historischen Oper zugrunde legt – die komischen Partien ein, die um die Dienerfiguren Meister Cordt und Sabina konzentriert sind. Vorweg an den Aktschlüssen, aber auch an anderen Positionen, entfalten diese burlesken Episoden durchaus eigenständige Züge und verfestigen sich zu einer veritablen (Neben-)Handlung. Deren Funktion mag ganz allgemein in einer parodistischen Spiegelung der ,ersten‘, auf der historischen Handlungsebene situierten Liebeshandlung zwischen den ,hohen‘ Personen Lotharius und Richensa gesehen werden. Gewisse Anklänge an die Tradition der Commedia dell’arte scheinen

236 durchaus naheliegend, etwa mit Blick auf das witzig-skurrile Agieren der beiden Dienerfiguren oder die später hinzutretende Randfigur des marktschreierischen Arztes, der Meister Cordt die Wirkung seiner wundersamen Wurzel der Schlaraffen am eigenen Leib spüren läßt (II, 5).521 Eine der stereotypen Gestalten der Commedia dell’arte-Tradition, Arleqvin, ist denn auch Hauptfigur der im zweiten Akt dargebotenen Komödie (II, 6), die als Ehe- und Geschlechtersatire mit dem Titel Recept ein zänkisch Weib, bald from zu machen das Beziehungsthema ein drittes Mal durchspielt, nun in der doppelten Brechung des Theaters auf dem Theater. Die Einlage dieser gesprochenen Komödie (einaktig, mit 14 Szenen) verleiht der Oper zweifellos eine originelle Note, sie mag – zusammen mit den ausgedehnten burlesken Szenen – für den Werktitel Opera Comica ausschlaggebend gewesen sein. Unter der Perspektive der Gattungszugehörigkeit ist Egbert und Lotharius freilich kaum als komische Oper, als Commedia per musica zu charakterisieren, sondern weit eher als Tragikomödie, die die konstitutive historische Handlungsebene (die immerhin den Tod einer Hauptfigur fordert) mit dezidiert komödienhaften Elementen überformt. Wie schon die beiden Teile der Oper Heinrich der Vogler zeigt auch Egbert und Lotharius eine deutliche, auf den Aufführungsort und seine nähere Umgebung bezogene lokalkoloristische Tendenz, insofern Orte und Denkwürdigkeiten der Stadt Braunschweig und ihrer Geschichte auf die Bühne gebracht werden (sollten). So präsentieren die – über die Bühnenanweisungen zu erschließenden – Bühnenbilder und Dekorationen einzelne Schauplätze, Gebäude und Raumarchitekturen, die den einheimischen Zuschauern aus der realen Außenwelt vertraut gewesen sein dürften, weil sie ihnen als Symbole oder Paradigmen regionaler Identität entweder tagtäglich vor Augen standen oder im kollektiven Gedächtnis die Zeiten überdauerten. Konkret sind es etwa die Eisenbüttelsche Mühle, an dem Okerstrohm (I, 3) (eine der einst „wichtige[n] Mühlen für die Stadt“522), das anizo ganz zerstöhrete[] Schloß[] Hohenwörde an der Oker, nicht weit von der jezigen Mühle, Eisenbüttel gelegen (so die Erläuterung im Vorbericht),523 das einst vor der südlichen Stadtmauer errichtete und 1545 im Zuge der Auseinandersetzungen Braunschweigs mit Herzog Heinrich dem Jüngeren abgebrochene Kollegiatstift St. Cyriacus, eine vielleicht eher in der Art eines allgemeinen Genrebildes präsentierte gaße von bauer-hausern (II, 8) und schließlich die burg Tanckqvarderode, nebst einer dahin führenden

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Zur Commedia dell’arte-Tradition und ihrer Beziehung zum deutschen Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. etwa Walter Hinck, Das deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts und die italienische Komödie. Commedia dell’arte und théâtre italien, Stuttgart 1965 (Germanistische Abhandlungen 8). Richard Moderhack, Braunschweiger Stadtgeschichte, S. 65. Die „Hohewort“ bezeichnet eine Anhöhe an der Oker südlich von Braunschweig, wo sich der Sage nach die Stammburg der Brunonen befand. „Um 1835 [war die] Burgstelle mit Wall noch zu erkennen“ (Hermann Kleinau, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 2 Bde, Hildesheim 1967/68 [Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen 30], Bd. 1, S. 291: Hohewort). S. dazu auch Philipp Julius Rehtmeyer, Antiqvitates ecclesiasticae, Bd. 1, S. 32.

237 Gaße, in Braunschweig (III, 5), die der Oper ihr unverwechselbares Lokalkolorit verleihen und somit den regionalen Bezug des Sujets untermauern. Und auch die raumgreifend inszenierte Institution des zuletzt Ende des 15. Jahrhunderts begangenen Braunschweiger Gralsfestes – worzu man die benachtbahrten Fürsten und Adel invitiret, indem solhe Spielereyen und lustbahrkeiten darauf vorgekommen, welhe ganz auserordentlich gewesen524 – dient genau diesem Zweck, wobei freilich nicht zu verkennen ist, daß – wie schon in früheren Bühnenwerken – zugleich auf Braunschweigs Tradition als bedeutende Handels- und Messestadt und attraktiver Treffpunkt für Fürsten und Adel wie auf das daraus resultierende Selbstbewußtsein und die Identität seiner Bürger angespielt wird. Auf die historische Dimension des Gralsfestes, das im spätmittelalterlichen Braunschweig bisweilen alle sieben Jahre „zu Pfingsten vor den Stadtmauern im Grünen gefeiert wurde“525 und vermutlich – wie in einigen anderen norddeutschen Städten – „seinem ursprung nach eine bürgerliche nachbildung ritterlicher turnierspiele war“,526 weist der Librettist eigens hin, wenn er im Vorbericht dessen Fundierung in den Braunschweig[ischen] Geschichten nachdrücklich herausstellt [Bl. 4r]. Den Ansatz einer historisierenden Perspektive – nicht unähnlich derjenigen in Königs Opern, wenn auch nur rudimentär ausgeprägt – verdeutlicht weiterhin der Aufzug des Braunschweiger Rates, der sich anläßlich Egberts Geburtstag zur Huldigung einfindet. Die Bühnenanweisung am Ende von Szene I, 6 beschreibt die Ankunft der Ratsmitglieder sowie einiger Musicanten auf zwei Schiffen, wobei letztere mit ihren antiqven Manteln bekleidet sein sollen. Im paratextuellen Verzeichnis der Neben-Veränderungen heißt es zu diesem Aufzug [Bl. 5v]: Einige Schiffe auf der Oker, worin sich die deputirten des Braunschweig[ischen] Rahts befinden, nebst ihren Musicanten, insgesamt in ihrer antiqven Kleidung. Es bleibt letztlich bei dieser Andeutung, die ohne weitere Quellen nicht weiter zu konkretisieren ist. Und auch die erste Szene des zweiten Aktes, die zeremonielle Übergabe des von Egbert gegründeten Stifts St. Cyriacus an die Canonici, könnte Ansätze einer historisierenden Darstellung implizieren, wenn denn die – eher vage gehaltene – Beschreibung der Bühnendekoration: Das theatrum praesentiret die neue Stiffts-Kirche St. Cyriaci von innen genauer zu definieren wäre.527 Ob der in der Bühnenanweisung genannte große[] fundations-brief mit angehangenen Siegel – worin ihr schauet, | Was selbigen [= dem Stift] zum Unterhalt gegeben (so Egberts Ansprache an den erste[n] Probst oder Dechant) – anspielt auf das noch heute

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So der Vorbericht [Bl. 4r]. – Rehtmeyer schildert die Eigenheiten und Rituale des Braunschweiger Gralsfestes eingehend im zweiten Band seiner 1722 erschienenen Braunschweig-Lüneburgischen Chronica: Das Grael-Spiel (S. 752). Richard Moderhack, Braunschweiger Stadtgeschichte, S. 83. DWb Bd. 4,I,5 (1958), Sp. 1737–1748 (,Gral‘), hier Sp. 1744. Das theatrum praesentiret die neue Stiffts-Kirche St. Cyriaci von innen, die Canonici sizen in ihren Stühlen, der Organist spielt den Schluß der Hora. Egbert, Gertrud, Heinrich, der erste Probst oder Dechant. Ein bedienter, welher den großen fundations-brief mit angehangenen Siegel träget, und ein anderer, so die aufgezeichneten Constitutiones hält (II, 1).

238 erhaltene älteste Güterverzeichnis des Stifts, das „die ursprüngliche brunonische Dotierung von St. Cyriacus“ festhält und aufgrund zweier auf der Rückseite angebrachter Siegel des rheinischen Pfalzgrafen Heinrich von Sachsen und des Stiftes selbst auf 1196/97 datiert wird,528 läßt sich letztlich ebensowenig entscheiden. Immerhin dürfte die Existenz dieser Pergamenturkunde, der als Zeugnis brunonisch-welfischen Erinnerungswissens eine gewisse Bedeutung zukommt, im Umfeld des Welfenhofes und in bestimmten Kreisen des Braunschweiger Stadtbürgertums nicht unbekannt gewesen sein.529 An die explizit dynastischen Szenen der Opern Heinrich der Vogler und Rudolphus Habspurgicus mit ihren von allegorischen oder genealogischen Figuren bevölkerten Bühnenmaschinen und inszenierten Prophetien erinnern die beiden Auftritte des fatum in den Szenen II, 3 und III, 14. Beide Male zeigt sich die Allegorie in einer Flugmaschine, um als Deus ex machina – im wahrsten Sinne des Wortes – in den Handlungsverlauf einzugreifen und von den Bühnenfiguren beschlossene Handlungsschritte, die einer Verbindung Richensas mit Lotharius im Wege stünden, von ihrer übergeordneten Perspektive aus zu durchkreuzen. So läßt sich das fatum in Szene II, 3 in einer Wolcke herunter nebst 4 Geniis, wovon 2 eine Keyser[liche] Krone und Scepter auf einem Küßen praesentiren, und 2 des Lotharii brust bild, um Richensa im Traum ihre Zukunft als Gemahlin des künftigen Kaisers Lothar vor Augen zu führen und zugleich ihren kurz zuvor gefaßten Entschluß eines Klostereintritts zu revidieren: Vergeblich ist demnach dein ganz bemühen, | Weil durch eur Kind, das edle Brunons-land | Dem tapfern Gvelphen-Stamm ist zuerkandt. Diese dynastiegeschichtliche Prophetie, die Lothar von Süpplingenburg, Richenza und ihre gemeinsame Tochter Gertrud (die Mutter Heinrichs des Löwen) als herausragende Ahnengestalten exponiert, über die das dynastische Erbe und der Herrschaftsbesitz der Brunonen um Braunschweig letztlich an die Welfen gelangt, wird wiederholt und präzisiert, wenn das fatum zum zweiten Mal – in einer prächtige[n] Machine und begleitet von einem starken Knall – auf der Bühne erscheint, um in der Schlußszene der Oper (III, 14) eine Vermählung Richensas mit Wittekind von Wolfenbüttel zu verhindern und zu verkünden, Wie es von himmel ist beschloßen: | Richensa und Lothar, die sorgen vor die Sproßen, | Wodurch dis land sein Glück wird haben. | Und ob ihr herz sich nur kan laben, | An einem Kind, das man Princeßin nennet, | So wird durch Jhr das land, dem hause doch gegönnet, | Das würdig ist es zu besizen, | Und es mit seiner Macht kan unterstüzen; | Das tapfre Gvelphen-hauß, wird es zum herren haben. Angesichts dieser freudigen Perpektive, die das Glück des brunonischen

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Bernd Schneidmüller, Welfische Kollegiatstifte und Stadtentstehung im hochmittelalterlichen Braunschweig, in: Manfred R. W. Garzmann (Hg.), Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig. Festschrift zum 600jährigen Bestehen der Ratsverfassung 1386– 1986, Braunschweig 1986 (Braunschweiger Werkstücke 64), S. 253–315, hier S. 257 (Zitat), 301–305 u. 309–315; Tania Brüsch, Die Brunonen, S. 101f. Sie wurde wohl erstmals abgedruckt bei Johann Christoph Harenberg, Historia ecclesiae Gandershemensis, Hannover 1734, S. 1349–1352 (vgl. Bernd Schneidmüller, Welfische Kollegiatstifte, S. 309).

239 Landes unter seinen entfernten welfischen Erben, den Nachkommen Lothars und Richenzas, beschwört – die aus der Rückschau des frühen 18. Jahrhunderts zum Telos oder Fluchtpunkt der Dynastiegeschichte der ,Herren von Braunschweig‘ avancieren (wobei entsprechende Interpretationsmuster welfischer Herrschaft in Sachsen freilich keine Erfindung des 18. Jahrhunderts sind, sondern über Jahrhunderte Konjunktur haben)530 –, verwandelt sich die durch Egberts Tod verursachte Tristesse des Schauplatzes in heiteres Wohlgefallen: der Trauer-Saal verschwindet plözlich, und erscheinet ein angenehmes Freuden-Zimmer: bey dem fato läst sich ein prächtiges Gewölcke herunter, so mit Geniis angefüllet, welhe folgenden Chor mit ihrer eigenen Music anfangen. Bühnentechnisch konnte die Verwandlung zum lieto fine problemlos bewerkstelligt werden, indem man etwa einen Prospekt der Vorderbühne „wie eine Schiebetür“531 auseinanderzog und somit den Blick freigab auf den dahinterliegenden Raum, oder umgekehrt die Hinterbühne durch einen davor eingeschobenen oder herabgelassenen Prospekt verdeckte. Die Szene und damit die Oper endet mit dem in der Bühnenanweisung angekündigten Glückwunschchor der Genien „Lothar und der Gvelphen-hauß | Blüh in steten Seegen“, in den bald alle übrigen Bühnenfiguren einstimmen (III, 14). Wie schon Königs Doppeloper Heinrich der Vogler rückt auch Beims’ Libretto zu Egbert und Lotharius eine bzw. zwei sächsische Adelsfamilien ins Zentrum des Blickfeldes, die für die ,Ankunft‘, die Verwurzelung und den Rang der Welfen in Sachsen von herausragender Bedeutung waren und deren Andenken welfisches Erinnerungswissen dauerhaft bewahrte. Sowohl die Brunonen als frühe Förderer und einflußreiche, mit der salischen Königsfamilie versippte Herren von Braunschweig – eine Verwandtschaft mit den Liudolfingern ist bislang nicht ganz ausgeschlossen, kann aber auch nicht als restlos gesichert gelten532 – als auch die mit Lothar III. im 12. Jahrhundert zur Königsherrschaft aufgestiegene Grafenfamilie der Süpplingenburger fungierten gleichsam als Scharnier, das die Herrschaft und Identität der ehemals süddeutschen Welfen in Sachsen durch die Versippung mit alteingesessenen angesehenen sächsischen Herrschaftsträgern begründete und verbürgte. Es sind dabei insbesondere weibliche Familienmitglieder oder kognatische Verwandtschaftsbeziehungen gewesen, über die Besitz- und Herrschaftsrechte in Sachsen an die Welfen gelangten: einmal durch die Verbindung Heinrichs des Schwarzen mit der Billungerin Wulfhild (die in Beims’ Text nicht thematisiert wird), ein andermal durch die eine Generation später erfolgte Verheiratung Herzog Heinrichs

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So läßt etwa schon – darauf wurde bereits hingewiesen – die Braunschweigische Reimchronik die beiden sächsischen Wurzeln der Liudolfinger und Billunger – zur ersteren werden auch die Brunonen gerechnet als Verbindungsglied zwischen Liudolfingern und Welfen – „zu einem einheitlichen und bedeutenden Stamm, dem der sächsischen Welfen,“ zusammenwachsen, und zwar in Herzog Heinrich dem Löwen (Ursula Peters, Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, S. 164). Willi Flemming, Einführung, in: ders. (Hg.), Die Oper, Darmstadt 1965 (Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Barock, Barockdrama 5), S. 5–82, hier S. 49. Vgl. Tania Brüsch, Die Brunonen, S. 19.

240 des Stolzen mit der Königstochter Gertrud, in deren Hand sich aufgrund des von ihrer Mutter Richenza – also wiederum kognatisch – ererbten Besitzes der Northeimer sowie der Brunonen um Braunschweig und des vom Vater erlangten süpplingenburgischen Erbes „weitgespannte[] sächsische[] Besitzkomplexe“533 vereinigten. Wenn Beims’ Opernlibretto die Schlußphase der brunonischen Dynastiegeschichte aufgreift, die sich fortsetzt und verschränkt mit den Anfängen der ,Kaisergeschichte‘ Richenzas und Lothars von Süpplingenburg, geht es letztlich um die frühe Geschichte Braunschweigs und seiner Herrschaftsträger, die sich als unmittelbare Vorgeschichte späterer welfischer Landesherrschaft erweist und auf diese hin perspektiviert ist. Wie schon verschiedentlich angedeutet, steht Beims’ Operntext freilich in einer Jahrhunderte alten Tradition Braunschweiger städtischer Historiographie und dynastischer Geschichtsschreibung, die welfische Herrschaft im Herzogtum Sachsen nach genau diesem Muster legitimiert, indem sie die neuen welfischen Herren seit dem 12. Jahrhundert in die Kontinuität sächsischer Amtsträger und Identitäten, „in die illustre Folge sächsischer Fürsten“,534 einordnet. Daß die Welfen in diesem Zusammenhang als Kulminationspunkt der historischen Prozesse und Entwicklungen erscheinen, ist nicht weniger topische Setzung, die auf der Konstruktion einer „für die jeweilige Gegenwart entwickelten Geschichte“535 beruht – im frühen 18. Jahrhundert wie in vorangehenden Zeiten. Als zweiter Aspekt kommt die mit der Person Lothars von Süpplingenburg verbundene Königs- und Kaiserwürde hinzu, die in der welfischen Memorialkultur ebenfalls bereits sehr früh, etwa – an prominenter Stelle – im Krönungsbild des Evangeliars Heinrichs des Löwen, für das Prestige und Rangbewußtsein der welfischen Dynastie in Anspruch genommen wurde.536 So sind es nicht zuletzt die Auftritte des fatum, die nachdrücklich auf die Rang- und Ehrenstellung der Großeltern Herzog Heinrichs des Löwen verweisen, indem den Zuschauern von der Flugmaschine des fatum herab das Portrait des Lotharii sowie die Keyser[liche] Krone, Zepter und Reichs-Adler präsentiert werden sollten. Die Attribute und Insignien kaiserlicher Herrschaft zielen dabei freilich nicht nur auf die historische grandeur der welfischen Dynastie und ihrer kognatischen Ahnen,537 sie assoziieren wohl zugleich – wie in den voran-

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Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 162. Ebd., S. 290. Ebd. Vgl. o. S. 128. Daß Kaiser Lothar III. keine unbedeutende Rolle in der welfischen Memorialkultur des frühen 18. Jahrhunderts zukommt, mag die Erneuerung der kaiserlichen Grablege in Königslutter verdeutlichen: Im Jahre 1708 – dem Jahr der Vermählung Elisabeth Christines mit Karl III. von Spanien (!) – ließ der Abt von Königslutter, Johann Fabricius, auf Anordnung Herzog Anton Ulrichs das Grab Lothars, Richenzas und ihres welfischen Schwiegersohnes Heinrichs des Stolzen von Grund auf in Stand setzen und neu gestalten, nachdem die gotische Tumba durch einen Gewölbeeinsturz in den 1690er Jahren zerstört worden war. Die drei prächtigen Grabfiguren aus Alabaster schuf der Helmstedter Bildhauer Michael Helwig. Sie zeigen in der Mitte Kaiser Lothar mit Krone, Zepter, Reichsapfel und Schwert (darunter die Inschrift Lotharivs II.), zu seiner Rechten Kaiserin

241 gegangenen ,mittelalterlich-dynastischen Opern‘ – die für die Zeitgenossen allgegenwärtige Kaiserwürde Elisabeth Christines und das daraus erwachsende Prestige der älteren Wolfenbütteler Welfenlinie. Erneut wird also angespielt auf die Kaisernähe der welfischen Dynastie in Vergangenheit und Gegenwart als Spezifikum ihrer dynastischen grandeur und Ansatzpunkt reichsfürstlichen Selbstbewußtseins. Wohl kaum zufällig endet das Libretto mit einer Dedikation an Herzog Ludwig Rudolf, den Vater der Kaiserin und Regenten in Blankenburg, indem der Text des Schlußchors wiederholt und nur die erste Zeile ausgetauscht wird, so daß jetzt Ludwig Rudolphs-hohes hauß korrespondiert mit der ursprünglichen Textierung Lothar und der Gvelphen-hauß (III, 14): Ludwig Rudolphs-hohes hauß, | Blüh in steten Seegen, | Ja! es blühe nimmer aus, | Blüh auf allen Wegen. | Blüh an hoheit, blüh an Glücke, | Blühe troz der NeiderTücke, | Blüh an Ehre, blüh an Ruhm, | Blüh an grauen Alterthum, | Blühe an Gesundheits-Tagen, | Blühe ohne Trauer-Klagen, | Blüh an Wollseyn nimmer aus, | Blühe allerwegen, | Ludwig Rudolphs-hohes hauß | Blüh in steten Seegen. Ob die aufgrund der Dedikation zu vermutende Nähe des Operntextes und seines Verfassers zum Blankenburger Hof einer möglichen Aufführung in Braunschweig (oder Wolfenbüttel) hinderlich gewesen ist, darüber kann letztlich nur spekuliert werden. Es könnte aber ein Zusammenhang bestehen zwischen dem nur handschriftlich überlieferten Libretto (das, wie oben angedeutet, eher an einen Entwurf denken läßt als daß es Zeugnis einer tatsächlich stattgehabten Aufführung zu sein scheint) und einer politischen Krise, in die der Wolfenbütteler und Blankenburger Hof verwickelt waren und die in den Jahren 1728/29 ihren Höhepunkt erreichte, nachdem der am Wolfenbütteler Hof Herzog August Wilhelms in Ungnade gefallene Kammerpräsident Hieronymus von Münchhausen nach Blankenburg geflohen war und sich in Herzog Ludwig Rudolfs Dienste begeben hatte. Am Ende griff gar Kaiser Karl VI. selbst zugunsten seines Schwiegervaters in den Streit der herzoglichen Brüder ein und verhinderte eine gerichtliche Verfolgung Münchhausens durch Wolfenbüttel.538 Möglicherweise hatte die Münchhausen-Affäre und der daraus resultierende Zwist zwischen den Brüdern August Wilhelm und Ludwig Rudolf auch Auswirkungen auf die Opernpolitik und führte kurzfristig zu einer Absetzung der

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Richenza, ebenfalls mit Krone (Richense), und zu seiner Linken Herzog Heinrich den Stolzen mit Fürstenhut und gezogenem Schwert (Henricvs). Dem Hochgrab gegenüber, an einem Pfeiler des südlichen Seitenschiffs, dokumentiert eine oval eingefaßte Inschrift die repräsentative Restaurierung des Grabmals unter Herzog Anton Ulrich und verdeutlicht den Rang des hier bestatteten kaiserlichen Stiftsgründers bzw. Ahnen und seiner Angehörigen: D.O.M.S | FORTISSIMVS IMPERATOR | LOTHARIVS II. | CONDITOR HVIVS TEMPLI ET COENOBII | CVM RICHENSA CONIVGE | ET HENRICO SVPERBO SEV. MAGNANIMO | SVO GENERO | HEIC QVIESCIT RESVRRECTIONEM | EXSPECTANS. | MONVMENTVM CAESAREVM | SVB FELICI REGIMINE | SERENISS. ANTONII VLRICI | DVCIS BRVNSV. AC. LVNEB. | EX INTEGRO | RESTAVRABATVR A.C. MDCCIIX | A | IOANNE FABRICIO | ABBATE. (Abschrift d. V.) Vgl. dazu Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 250f.; Friedrich Wagnitz, Herzog August Wilhelm von Wolfenbüttel, S. 159–177; Paul Zimmermann, Hieronymus von Münchhausen, in: ADB, Bd. 22 (1885), S. 728f.

242 vielleicht ursprünglich im Umfeld Ludwig Rudolfs entworfenen und für eine Aufführung im Braunschweiger Hagenmarkt-Theater – das der Kontrolle August Wilhelms und seines Hofes unterstand – vorgesehenen Oper Egbert und Lotharius.

2.2.2.6 Englische Beziehungen: Händels Riccardo primo und Richardus genannt das L wen-Herz / K nig in Engelland Zur Wintermesse 1729 erschien mit Richardus genannt das Löwen-Herz / K nig in Engelland die vierte aus London übernommene Händel-Oper auf der Braunschweiger Bühne.539 Gemeinsam mit Der Hochm)thige Alexander (1728) markiert Richardus den Beginn einer Serie von Opern des Londoner Komponisten, die in den folgenden Jahren nun regelmäßig – d. h. mindestens einmal pro Jahr – auf dem Braunschweiger Spielplan standen – entweder als Erstaufführung oder Wiederaufnahme.540 Die Vorlage der Braunschweiger Adaptation, Riccardo primo (Textbuch von Paolo Rolli), war am 11. November 1727 am Londoner King’s Theatre uraufgeführt worden, und zwar mit den beiden Operndiven und Rivalinnen Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni in den weiblichen Hauptrollen und dem gefeierten Altkastraten Senesino in der Titelrolle.541 Riccardo primo ist seinerseits eine Umarbeitung eines Venezianer Librettos, nämlich von Francesco Brianis Dramma per musica Isacio tiranno, das im Herbst 1710 am Teatro San Giovanni Grisostomo mit der Musik von Antonio Lotti zur Aufführung gelangt war. Während die Dedikation der Venezianer Produktion seinerzeit gerichtet war an John Churchill, den Herzog von Marlborough und herausragenden Feldherrn der antifranzösischen Koalition im Spanischen Erbfolgekrieg,542 widmeten Händel und Rolli ihre Version wohl von Anfang an – wie Reinhard Strohm angenommen hat – dem Prince of Wales, der dann als Georg II. den britischen

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RICHARDUS GENANNT DAS LWEN-HERZ / KNIG IN ENGELLAND / In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro In der Winter-Messe 1729 (DW, Textb. 216). Anhand von Schmidts Opernverzeichnis (Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters) ergibt sich für Braunschweig folgende Übersicht: Der Hochm)thige Alexander (Sommermesse 1728), Richardus genannt das L wen-Herz (Wintermesse 1729), Admeto re di Tessaglia (Sommermesse 1729), Siroe re di Persia (Sommermesse 1730), Partenope (Wintermesse 1731), Partenope (Wintermesse 1732), Admeto (Wintermesse 1732), Poro ed Alessandro (Sommermesse 1732), Giulio Cesare e Cleopatra (Sommermesse 1733), Richardus genannt das L wen-Herz (Wintermesse 1734), Siroe re di Persia (Wintermesse 1735). In früheren Jahren waren gespielt worden: Ottone re di Germania (Sommermesse 1723), Ottone re di Germania (Wintermesse 1725), Giulio Cesare e Cleopatra (Sommermesse 1725). RICCARDO I. / RE D’INGHILTERRA. Melo-Drama. Per La Reale Accademia di Musica. Londra Sold at the King’s Theatre in the Haymarket. 1727 (GB-Lbl, 11714.b.10.[1.]). Faksimile-Nachdruck in: The librettos of Handel’s operas, Bd. 5. Vgl. die entsprechenden Ausführungen zur Venezianer ,Mittelalteroper‘ o. S. 41.

243 Thron bestieg. Der einigermaßen verwickelte Entstehungsprozeß des Riccardo primo läßt zwar darauf schließen, daß das Werk ursprünglich wohl nicht als Huldigungsoper für den neuen König gedacht war, doch funktionierten die politischen Umstände, der überraschende Tod Georgs I. am 22. Juni 1727 auf der Reise nach Hannover und Georgs II. offizielle Inthronisation im Oktober 1727, Händels und Rollis Produktion kurzerhand zur Krönungsoper für Georg II. um.543 Der Bezug zwischen Händels „einzige[m] Opernsujet aus der englischen Geschichte“544 und dem Prince of Wales bzw. neuen König Georg II., dem Enkel des Kurfürsten Ernst August von Hannover, ergibt sich dabei einerseits – vor dem Hintergrund der staatspolitischen Perspektive – durch die Gegenüberstellung der beiden englischen Herrscher, des glorreichen Richard I. und seines nicht minder glorreichen Amtsnachfolgers Georg, der den Vorgänger mit Blick auf sein weltumspannendes Imperium gar überflügelt, andererseits aufgrund eines eindeutig dynastischen Motivs, insofern Richard I. Löwenherz Schwager Heinrichs des Löwen und mit der welfischen Familie, der Georg II. entstammt, versippt war. Möglicherweise alludierten Händel und Rolli mit der Wahl und Ausarbeitung des Sujets – so hat Strohm mit guten Gründen vermutet – die erste Hannoveraner Oper Henrico Leone, mit der Herzog Ernst August 1689 das neue Schloßopernhaus eröffnet hatte.545 An die Stelle des welfischen ist nun also ein – in den Augen der Zeitgenossen – britischer Heros getreten, dessen historische Verbundenheit mit den Welfen jedoch offenkundig ist und dessen Bühnenabenteuer nicht weniger ruhmeswürdig anmuten. Von seiten der königsfreundlichen Londoner Opernproduzenten dürften die Präsentation des Riccardo primo und die mit Rollis einleitendem Widmungssonett ausgesprochene Parallelisierung Georgs und Richards demnach sowohl auf eine Legitimierung der durch den ,Act of Settlement‘ (1701) zur englischen Königsherrschaft gelangten Hannoveraner Welfen auf dem englischen Thron gezielt als auch entsprechenden Bemühungen um eine „nationalenglische Integration der Hannoveraner“546 und Festigung ihrer Machtposition Nachdruck verliehen haben. Bei all dem ist unbestritten, daß die Präsentation eines englischen Opernhelden letztlich wohl auch mit der Absicht verbunden war, das Londoner Opernpublikum mit einem nationalen Sujet zu beeindrucken. Und überdies konnte Händel mit dem Werk auf seine Anfang 1727 erfolgte Naturalisierung als britischer Staatsbürger anspielen. Als die Londoner Produktion etwas mehr als ein Jahr später, zur Wintermesse 1729, nach Braunschweig gelangte – und zwar flankiert sowohl von den beiden ebenfalls aus London importierten und in der vorhergehenden wie nachfolgenden Spielzeit präsentierten Opern Alessandro (London 1726) und Admeto (London 1727) als auch von einer Wiederaufführung des Henrich der

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Vgl. Reinhard Strohm, Händel und seine italienischen Operntexte, S. 124f.; ders., Darstellung, Aktion und Interesse in der höfischen Opernkunst, in: Händel-Jahrbuch 49 (2003), S. 13–26, hier S. 21ff. Reinhard Strohm, Händel und seine italienischen Operntexte, S. 124. Reinhard Strohm, Darstellung, Aktion und Interesse, S. 23–25. Ebd., S. 23.

244 L we von 1716 (in der Sommermesse 1729) –,547 wurden lediglich die Arien und ein Duett (II, 10) in italienischer Sprache beibehalten (mit paralleler deutscher Übersetzung), die übrigen Passagen und Sätze (Rezitative, Ariosi [mit einer Ausnahme in II, 1], zwei Chöre bzw. Ensemblesätze) erschienen in mehr oder minder getreuer deutscher Übersetzung, ebenso die Paratexte.548 Grundlage des Braunschweiger Librettos war offensichtlich die für die Uraufführung im November 1727 erarbeitete zweite Fassung von Händels Riccardo primo, eine – nicht zuletzt wegen der veränderten politischen Lage, aber auch aufgrund einer neuen Rollenbesetzung sowie aus künstlerischen Motiven vorgenommene – umfassende Revision der im Frühjahr desselben Jahres fertiggestellten ersten Fassung.549 Abgesehen von der deutschen Übersetzung einiger Teile nahmen der oder die unbekannten Bearbeiter der Braunschweiger Produktion – darunter höchstwahrscheinlich Kapellmeister Schürmann – verschiedene Änderungen an der Londoner Vorlage vor. So heißt Richardus’ Braut jetzt Berengaria statt Costanza, d. h. der semantisch aufgeladene Name wurde zugunsten des (im Argomento des Londoner Textbuchs genannten) historisch korrekten aufgegeben. Verschiedentlich wurden Szenen der Vorlage entweder zusammengelegt oder unterteilt (etwa: I, 5 + I, 6 [London] = I, 5 [Braunschweig]; II, 3 [London] = II, 3 + II, 4 [Braunschweig]; III, 1 [London] = III, 1 + III, 2 [Braunschweig])550

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Zur gleichen Zeit, Anfang Februar 1729, erschien eine Adaptation des Riccardo primo auch auf der benachbarten Hamburger Bühne: DER MIßLUNGENE BRAUT-WECHSEL / ODER RICHARDUS I. KNIG VON ENGLAND / in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze f(rgestellet. Anno 1729 (D-Hs, 273 in MS 639/3:19). Diese Hamburger Produktion unterscheidet sich allerdings deutlich von der Braunschweiger, insofern zwar 24 italienische Arien, ein Arioso, das Duett, der Schlußchor und die Ouvertüre Händels (Texte nach dem Wortlaut des Londoner Librettos von 1727) übernommen wurden, zugleich aber einige neue deutsche Arien in der Vertonung Georg Philipp Telemanns zu hören waren und überdies z. T. ausgedehnte – und für die zeitgenössische Hamburger Oper typische – komische Episoden und Szenen (um Gelasius, ein[en] alte[n] Philosophus von der Stoischen Secte, und Murmilla, der Formosa gewesene S ug-AAe) einmontiert wurden. Für den Text dieser von Telemann vertonten komischen Einlagen sowie insgesamt für die (ebenfalls von Telemann bearbeiteten) deutschsprachigen Rezitative und Gesangssätze zeichnete – nach den Angaben des Librettos – Christoph Gottlieb Wend verantwortlich. Zu Telemanns Bearbeitung vgl. Werner Menke, Thematisches Verzeichnis der Vokalwerke von Georg Philipp Telemann, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1983, S. 86f. Von den Paratexten übernimmt das Braunschweiger Textbuch lediglich das Argomento (Historischer Vorbericht) sowie das Personenverzeichnis und setzt je eine Übersicht der Szenenbilder und der Tänze hinzu. Rollis einleitendes Widmungspoem an Georg II. wird freilich ausgespart. Zu den Divergenzen der beiden Fassungen vgl. die gerade erschienene, von Terence Best besorgte kritische Edition des Riccardo primo in der Hallischen Händel-Ausgabe: Georg Friedrich Händel, Riccardo primo, Re d’Inghilterra. Opera in tre atti HWV 23. Hg. v. Terence Best, Kassel [usw.] 2005 (Hallische Händel-Ausgabe II/20), S. VII–XIII (Vorwort). Diese Edition präsentiert als Hauptteil die zweite Fassung des Werkes, wie sie wohl bei der Uraufführung 1727 zu hören war, und ergänzt sie im Anhang um die nicht unverändert übernommenen Teile der ersten Fassung. Doch ist darauf hinzuweisen, daß diese Änderungen der Szeneneinteilung womöglich auf die in Braunschweig benutzten musikalischen Quellen Händels selbst zurückgehen. So suggeriert etwa auch Händels Direktionspartitur, die Johann Christoph Schmidt für die

245 sowie Rezitativtexte gekürzt oder variiert. Die Arie der Pulcheria „Quell’ innocente afflitto core“ (III, 2) wurde aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst und in Szene II, 5 inseriert (nun als Arie des Orontes), Pulcherias Arie „L’Aquila altera“ in II, 9 vollständig gestrichen (beides wohl aus Besetzungsgründen). Dafür fügte der Bearbeiter in Szene I, 6 eine zusätzliche Arie für Isacio ein, die vielleicht aus Händels Alessandro entlehnt wurde („Prove sono di grandezza“, ,Alessandro‘ III, 6; jedoch mit deutlichen Textvarianten). Ebenso erhielt Berardo am Ende von Szene III, 5 eine in der Londoner Version nicht enthaltene Arie („Benche stringa la spada rubella“), deren Herkunft nicht geklärt ist. Alle übrigen Arien der Vorlage wurden offenbar – soweit dies allein aus dem Braunschweiger Textbuch ersichtlich ist – mehr oder minder unverändert beibehalten; zwar weicht die Textierung dreier italienischer Arien („Bella, teco non hò“, I, 4; „Quel gelsamino“, II, 4; „Del Cielo e del Abisso“, III, 5) leicht von der des Londoner Textbuchs ab, doch sind diese Varianten vielleicht darauf zurückzuführen, daß bereits Händel die Korrekturen des Londoner Librettos bisweilen nicht in seine Partitur und Aufführungsmaterialien übernahm551 oder aber der Braunschweiger Bearbeiter Nachträge und Änderungen in den empfangenen Musikhandschriften entweder nicht als solche identifizierte oder identifizieren konnte oder sich schlichtweg für die frühere Version entschied. Am Ende der Paratextreihe betont das Braunschweiger Libretto mit Blick auf die musikalische Gestaltung jedenfalls Händels Autorschaft: Die Music dieser OPERA ist componiret von Sign. HENDEL. Inwieweit Händels Vertonung im einzelnen übernommen wurde (tendenziell wohl kaum oder nur ansatzweise für die deutschen Secco-Rezitative), läßt sich allerdings nicht mehr feststellen, da weder eine Partitur noch sonstiges Notenmaterial der Braunschweiger Adaptation überliefert zu sein scheint. Mit Blick auf die Braunschweiger Verhältnisse war sicherlich das dynastische Implikat, d. h. die Erinnerung an den mit Heinrich dem Löwen (,dessen‘ Oper Henrich der L we dann in der unmittelbar folgenden Sommerspielzeit wiederaufgenommen werden sollte!552) verschwägerten Titelhelden und an die

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Uraufführung 1727 erstellt hat (D-Hs, MA/1045), eine Verschmelzung der Szenen I, 5 und I, 6 des Londoner Librettos (weil die Szenennumerierung zu I, 6 fehlt) bzw. unterteilt Szene II, 3 in II, 3 und II, 4 (auch hier liegt offensichtlich ein Versehen des Kopisten vor, da die nachfolgende Szene II, 4 [des Londoner Librettos] auch als II, 4 [und nicht als II, 5] gezählt wird). Vgl. etwa die unterschiedliche Textierung der Arie „Bella, teco non ho“ im Libretto 1727 und in Händels Partiturautograph A1 (dazu Georg Friedrich Händel, Riccardo primo, hg. v. Terence Best, S. 356). HEINRICH DER LWE / In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro In der Sommer-Messe Anno 1729 (D-HVl, Stück 3 in C 10344:2). – Das Libretto läßt eine durchgreifende Bearbeitung der Aufführung 1716 erkennen: Alle Arien/Gesangsstücke erschienen nun in deutscher Sprache. Mehrere Szenen der älteren Aufführung entfielen vollständig (I, 9, II, 8, II, 14/15, II, 18, III, 9/10). Ebenso wurden zahlreiche Arien gestrichen (insgesamt 17), durch andere ersetzt (14?, weitere 7 Stücke variieren den Wortlaut der früheren Fassungen stärker), wobei nicht immer eindeutig zu entscheiden ist, ob die vorliegenden die älteren Arientexte unter Beibehaltung der musikalischen Faktur nur

246 intensiven Beziehungen zwischen den Welfen und dem englischen Königshaus im ausgehenden 12. und 13. Jahrhundert,553 sowie das daraus für die Wolfenbütteler Vettern ableitbare Identifikationspotential von nicht unerheblichem Interesse, wenn man nach einer Motivierung für den ,Import‘ gerade dieses Londoner Bühnenwerkes sucht – die denn jenseits einer generellen Verfügbarkeit einer Produktion, deren Wirkung am ursprünglichen Aufführungsort oder aufführungstechnischer Gegebenheiten am Ort der Übernahme liegen mag. Interessant ist zudem, daß Riccardo primo im Umfeld zweier weiterer, unmittelbar vorausgegangener Londoner Produktionen nach Braunschweig gelangte, Händels Alessandro und Admeto, und alle drei „das hannoveranische Hofoperntheater am Haymarket“ reflektierten, indem ihre Titelhelden „als Allegorien der hannoveranischen Herrscher zu lesen“ waren.554 Vor diesem Hintergrund schiene es durchaus möglich, speziell die Inszenierung Richardus genannt das L wen-Herz / K nig in Engelland auch als unzweideutige Reverenz gegenüber dem neuen englischen König Georg II. seitens des Braunschweig-Wolfenbütteler Hofes zu begreifen. Diese Annahme ließe sich stützen durch die neuerlich freundschaftlichen und engen Beziehungen zwischen Wolfenbüttel und London, die durch ein entsprechendes Bündnis am 25. November 1727 formell besiegelt worden waren.555 Gegenüber seinem Vetter Ferdinand Albrecht II. von Braunschweig-Bevern, einem Wortführer der kaiserlichen Partei, verteidigte Herzog August Wilhelm den Vertragsabschluß mit Großbritannien zur so nöthigen Union in Unserm Gesambt-Hause,556 insofern dieses Bündnis die bestehenden Verträge mit dem Wiener Kaiserhof keineswegs unterlaufe und es ihm daher auch nicht untersagt sei, Mich mit der itzt regierenden Königs von GroßBritannien Majt. als Meinem nahen Anverwandten, und der mit Mir von einem Gesambt Hause entsproßen in einen Tractat einzulaßen.557 In diesem Sinne könnte die Übernahme des augenfällig mit der Person Georgs II. verbundenen und dabei zugleich auf die historischen Beziehungen zwischen England und den Welfen verweisenden Riccardo primo ein Reflex und Indikator

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variieren/parodieren oder ob sie eine neue/andere kompositorische Gestaltung implizieren. 14 Arien und die zwei Ensemblesätze der Schlußzene wurden im großen unverändert – d. h. mitunter in deutscher Übersetzung und nur mit kleineren Textvarianten – übernommen. Zu den verwandtschaftlichen Bindungen zwischen den Welfen und dem Haus AnjouPlantagenêt vgl. Hans-Joachim Ziegeler, Das Glück der Welfen, S. 35–37. Reinhard Strohm, Darstellung, Aktion und Interesse, S. 25. Vgl. Paul Zimmermann, Zum Leben und zur Charakteristik des Grafen Konrad Detlev v. Dehn, S. 87; Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 237; Friedrich Wagnitz, Herzog August Wilhelm von Wolfenbüttel, S. 146–152. Im Rahmen einer gegenseitigen Unterstützung und Hilfeleistung der beiden Vertragspartner verpflichtete sich Wolfenbüttel, eine 5000 Mann starke Hilfstruppe für den Verteidigungsfall aufzustellen, während London über einen Zeitraum von vier Jahren 100 000 Pfund an Wolfenbüttel zahlte, u. a. zur Unterhaltung des Hilfskontingents und zum Ausbau der Festungsanlagen. Brief August Wilhelms an Ferdinand Albrecht II.: D-Wa, 1 Alt 22 Nr. 534, Bl. 82. Zit. nach Friedrich Wagnitz, Herzog August Wilhelm von Wolfenbüttel, S. 148. Ebd.

247 sein der spürbaren Annäherung zwischen England und BraunschweigWolfenbüttel Ende der 1720er Jahre und zwischen ihren aus einem Gesambt Hause entsprossenen Regenten.558

2.2.2.7 Welfische Landesherrschaft in Vergangenheit und Gegenwart und die Verwandlung der Historie: Magnus Torquatus oder Magnus mit der silbernen Kette Hertzog zu Braunschweig und L)neburg Mit Magnus Torquatus oder Magnus mit der silbernen Kette Hertzog zu Braunschweig und L)neburg aus dem Jahre 1730 liegt nochmals eine originär Braunschweiger Opernproduktion vor.559 Zwar werden die Autoren dieses Bühnenwerks im gedruckten Textbuch nicht genannt, doch lassen zeitgenössische Quellen auf den bereits bekannten Johann Samuel Müller als Verfasser des Librettos schließen,560 während Georg Caspar Schürmann die Ausführung der Komposition besorgt haben dürfte. Die Musik scheint leider restlos verloren. Das historische Substrat der Opernhandlung bildet der sog. Lüneburger Erbfolgekrieg, der Ende des 14. Jahrhunderts zwischen Welfen und Askaniern um die Herrschaft im Fürstentum Lüneburg entbrannte. Die Hintergründe seien kurz erläutert:561 Herzog Wilhelm von Lüneburg, selbst ohne männliche Erben geblieben, bestimmte zunächst seinen Schwiegersohn und Neffen Ludwig, nach dessen frühem Tod 1367 dessen Bruder Magnus II. Torquatus, Herzog von Braunschweig, zum Erben seines Landes. Wilhelms Erbregelung, die Unteilbarkeit des welfischen Gesamtherzogtums Braunschweig-Lüneburg voraussetzend, wurde jedoch konterkariert durch die politischen Ziele Kaiser Karls IV., der das Herzogtum Lüneburg nach Wilhelms Tod 1369 – entgegen den Bestimmungen der Belehnungsurkunde Kaiser Friedrichs II. von 1235 – als selbständiges Fürstentum und damit heimgefallenes Reichslehen betrachtete und an die ihm

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Daß dabei insbesondere die Münchhausen-Affäre, der Streit um die Entlassung des früheren Wolfenbütteler Kammerpräsidenten, und die damit einhergehende Konfrontation zwischen Herzog August Wilhelm auf der einen und Herzog Ludwig Rudolf und dem Wiener Hof auf der anderen Seite mit zur Annäherung Wolfenbüttels an London beigetragen haben könnte, ist vielleicht nicht ganz unwahrscheinlich (vgl. Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 237). MAGNUS TORQUATUS ODER MAGNUS MIT DER SILBERNEN KETTE HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG UND L(NEBURG In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro in der Winter-Messe 1730 (D-W, Textb. 695) [ohne Paginierung]. Vgl. etwa Gabriel Wilhelm Götten, Das Jetztlebende Gelehrte Europa, Bd. 1, S. 75. Dazu zusammenfassend Hans Patze, Die welfischen Territorien im 14. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Bd. 2, Sigmaringen 1971 (Vorträge und Forschungen 14), S. 7–99, hier S. 59–82, und zuletzt Ernst Schubert, Geschichte Niedersachsens vom 9. bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Geschichte Niedersachsens, Bd. 2,1: Politik, Verfassung, Wirtschaft vom 9. bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert, Hannover 1997 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 36/2,1), S. 3–906, hier S. 755–782.

248 verbundenen askanischen Herzöge von Sachsen-Wittenberg übertrug.562 Die Folge war ein jahrelanger, überaus heftig geführter Konflikt zwischen den welfischen Erben und Verwandten Wilhelms und den von Karl IV. eingesetzten Askaniern. Die Auseinandersetzung wurde zunächst zugunsten der Herzöge von Sachsen-Wittenberg entschieden, da Herzog Magnus II. versäumt hatte, die Städte Lüneburg und Hannover für sich zu gewinnen, und stattdessen durch unüberlegte und rechtswidrige Aktionen (etwa die Mißachtung bisheriger städtischer Freiheitsrechte und Privilegien) insbesondere Lüneburg veranlaßt hatte, die Seiten zu wechseln und den Askaniern zu huldigen. Im Kampf um sein Erbe fiel der inzwischen der kaiserlichen Oberacht ausgesetzte Magnus II. Torquatus schließlich 1373 in einem der zahlreichen Scharmützel gegen die Askanierherzöge und ihre Anhänger. Nach Magnus’ Tod kam es, offenbar auf Betreiben der Stände und vorweg der Städte Lüneburg und Hannover, zu einem Ausgleich zwischen den gegnerischen Lagern: „Das Lüneburger Land sollte gleichermaßen den Fürsten von Sachsen und den Söhnen des Magnus Torquatus huldigen. In der Regierung des Landes sollten sich die beiden Dynastien abwechseln, so daß einem Askanier ein Welfe folgen sollte und diesem wieder ein Askanier“.563 Um die Einigung zu bekräftigen, vermählte sich Magnus’ Witwe, Katharina von Anhalt, 1374 mit Herzog Albrecht von SachsenWittenberg, dem Enkel Wilhelms von Lüneburg. Das alternierende Herrschaftsprinzip, das noch bei Albrechts Tod 1385 Magnus’ Sohn Bernhard zur Regierungsbeteiligung verholfen hatte, wurde mit dem Tod des Askaniers Wenzel und dann vor allem aufgrund des Sieges der Welfen über die Stadt Lüneburg in der Schlacht bei Winsen an der Aller 1388 hinfällig, die das Ende des Erbfolgekrieges markierte und die – allerdings gegenüber den Ständen nun deutlich in die Defensive geratene – welfische Herrschaft über das Fürstentum Lüneburg und damit die Einheit des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg restituierte. Das Libretto alludiert zwar, vornehmlich im kurzen Vorbericht (d. h. Argomento; es fehlen jegliche Quellenverweise), den skizzierten historischen Rahmen, setzt sich aber weitgehend über die historischen Details hinweg und verkehrt gar die Rollen der beiden Gegner Magnus Torquatus und Albrecht von Sachsen-Wittenberg, wenn Magnus am Ende die Oberhand behält, Albertus be-

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Der neueren historischen Forschung zufolge (vgl. Ernst Schubert, Geschichte Niedersachsens vom 9. bis zum 15. Jahrhundert, S. 755) ist ein bislang supponiertes, den Nachfolgeregelungen mit Ludwig und Magnus II. von Braunschweig vorgängiges Erbversprechen Wilhelms, das dem Sohn aus der Ehe seiner älteren Tochter Elisabeth mit Herzog Otto von Sachsen-Wittenberg, Albrecht, gelten sollte, mehr oder minder zweifelhaft; und selbst wenn es gegeben wurde, „wäre dieses, nie vertraglich gesichert, hinfällig geworden, als der Herzog 1359 seine Tochter Mechthild mit Ludwig, dem Neffen aus der Braunschweiger Linie vermählte und seinem Schwiegersohn das Fürstentum versprach“ (ebd.). Gleichwohl dürfte unbestritten sein, daß dem dynastischen Argument, der engen Verwandtschaft Albrechts von Sachsen-Wittenberg mit Herzog Wilhelm, für die Legitimierung der askanischen Ansprüche auf das Fürstentum Lüneburg eine nicht unerhebliche Bedeutung zukam. Ernst Schubert, Geschichte Niedersachsens vom 9. bis zum 15. Jahrhundert, S. 765.

249 siegt und ihm großmütig das Fürstentum Lüneburg abtritt (wobei sich in dieser augenfälligen Verkehrung dennoch das historische Substrat sedimentiert hat): Nun ist es zwar gewiß / daß Albertus damals den Meister gespielet / man praesupponiret aber in dieser Opera, als ob es ihm nachmahls gutwillig von dem Magnus abgetreten worden. In der Schlußszene erklärt Magnus gegenüber Albertus’ Mutter, Elisabeth: Mich aber recht großm)htig zu bezeigen / | so sol dein Sohn | durch meine Hand in L)neburg den Thron | von neuem heut besteigen / | ob gleich Wilhelmus Testament | vor ihm dis F)rstenthum mir zuerkennt. | Doch solt er unvererbet sterben; | geh rt es mir und meinen Erben. Die zuletzt geäußerte Einschränkung verweist freilich auf den Ausgang des Lüneburger Erbfolgekrieges und holt damit den geschichtlichen Kern wieder ein, sofern das Fürstentum Lüneburg nach Albrechts überraschendem Kriegstod im Jahre 1385 – der die entscheidende Wende zugunsten der Welfen gebracht haben dürfte564 – und dem Sieg der Welfen über die Stadt Lüneburg 1388 tatsächlich an Magnus’ Söhne zurückfiel. Gleiches gilt für Albertus’ Versuch, die gerade in Lüneburg eingetroffene Prinzessin Catharina, Magnus’ Verlobte, dem Rivalen u. a. durch ein Täuschungsmanöver streitig zu machen und für sich zu reklamieren. Die somit nicht nur politisch, sondern auch in Liebesdingen evidente Gegnerschaft Alberts und Magnus’, die als poetische Konstruktion565 die Keimzelle der dramaturgischen Konstellation bildet, bzw., konkret, ihrer beider Werbung um Catharina, rekurriert wiederum auf historische Gegebenheiten, sofern Herzog Magnus II. Torquatus’ Witwe Katharina von Anhalt 1374 Albrecht von Sachsen-Wittenberg ehelichte, um den Vergleich zwischen Welfen und Askaniern nach Magnus’ Tod zu besiegeln. Schließlich hat der Librettist eine historische Gestalt in den Kreis der sieben (nicht-allegorischen) Bühnenfiguren aufgenommen, die in keinerlei Verbindung steht zu den Ereignissen des Lüneburger Erbfolgekrieges: gemeint ist der (bis heute nicht identifizierte) ,falsche Woldemar‘, ein wohl älterer Mann, der 1348, 29 Jahre nach dem plötzlichen Tod des Markgrafen Woldemar von Brandenburg († 1319), in Magdeburg erschien und behauptete, ebenjener, von einer langen Pilgerfahrt heimgekehrte Woldemar zu sein. Der ,falsche Woldemar‘ wurde daraufhin von Kaiser Karl IV. offiziell anerkannt und fungierte, nachdem er mit dem Kurfürstentum Brandenburg belehnt worden war, als Kontrahent des von Karl IV. und den mit ihm verbündeten Askaniern bekämpften Wittelsbacher Markgrafen Ludwig V. von Brandenburg.566 Seine Partizipation als Bühnenfigur basiert auf der in der Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts noch geläufigen An-

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Vgl. Ernst Schubert, Geschichte Niedersachsens vom 9. bis zum 15. Jahrhundert, S. 768. Endlich wird auch gedichtet / als ob die Brandenburgische Printzeßin Catharina, eine Verlobte des Magnus, dem Albertus, welcher sich schon vorhero in sie verliebt / in die H nde gefallen / bis sie ihm Magnus endlich wieder abgejagt / und seine Base die Agnes an ihn verm hlt. Vgl. Thomas M. Martin, Woldemar d. Falsche, in: LexMA, Bd. 9 (1998), Sp. 301f.; Martin Kintzinger, Karl IV. (1346–1378). Mit Günther von Schwarzburg (1349), in: Bernd Schneidmüller u. Stefan Weinfurter (Hgg.), Die deutschen Herrscher des Mittelalters, S. 408–432 u. 593f., hier S. 420.

250 nahme, daß der 1319 verstorbene Woldemar von Brandenburg der Schwiegervater des Magnus Torquatus gewesen sei;567 die Verquickung der Figur des zurückgekehrten, ,falschen‘ Woldemar mit den Geschehnissen des Lüneburger Erbfolgekrieges ist freilich eine fiktive Konstruktion des Librettos: Ferner setzt man zum Voraus / daß der Pseudo-Waldemarus, welcher sechs und zwantzig Jahr nach des wahren Waldemarus Tode entstanden / in der That Churf)rst zu Brandenburg / und des Magnus Schwieger-Vater gewesen sey / insonderheit / da ihn zu der Zeit viele F)rstliche H user davor agnosciret haben. Schließlich läßt sich belegen, daß das Libretto selbst bzw. seine dramaturgische Struktur eine Adaptation einer früheren Opernproduktion, und zwar von Pallavicinos und Lottis Dresdener Festoper Teofane, darstellt. Nicht nur die frappierende Ähnlichkeit der Figurenkonstellation (Ottone-Magnus, AdelbertoAlbertus, Teofane-Catharina, Gismonda-Elisabetha, Matilda-Agnes, IsauroOtto) und des dramatischen Konflikts (Intrige eines von seiner Mutter unterstützten Thronursurpators, Störung einer geplanten Liebesverbindung durch Täuschung der Braut), sondern detaillierte, bis in die Gestaltung der einzelnen Rezitative, Arien und Szenen reichende Übereinstimmungen (etwa exakte Übersetzungen) deuten darauf hin, daß das Libretto der Teofane als direktes Modell für Magnus Torquatus fungiert hat. Dies betrifft auch die augenfälligen Parallelen in der Bühnenbildgestaltung,568 wobei man in Braunschweig für die

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So noch bei Zedler in den Artikeln Magnus II. (Universal-Lexicon, Bd. 19 [1739], Sp. 415–417) und Waldemar, oder Woldemar I. (Bd. 52 [1747], Sp. 1297f.); ebenso Rehtmeier, Braunschweig-L(neburgische Chronica, Bd. 1, S. 651. Tatsächlich jedoch war Katharina eine Tochter des Fürsten Bernhard III. von Anhalt (vgl. Detlev Schwennicke, Europäische Stammtafeln. Neue Folge, Bd. I, 2: PĜemysliden, Askanier, Herzoge von Lothringen, die Häuser Hessen, Württemberg und Zähringen, Frankfurt a. M. 1999, Tafel 186). Mit Ausnahme des zweiten Bühnenbildes des zweiten Aktes, das wohl dem Braunschweiger Ottone (1723/25) entstammt, scheinen alle Dekorationen, zumindest in der Grundstruktur (zwar bietet Magnus Torquatus bestimmte Fixierungen zur historischtopographischen Situierung des Sujets, etwa mit der Präsentation der Stadt L)neburg und der Vestung Kalkberg im Prospekt des zweiten Bühnenbildes [I, 6], doch konvergiert die Grundstruktur der betreffenden Dekoration, hier die Darstellung eines Zeltlagers, mit der entsprechenden Dekoration der Teofane), übernommen worden zu sein. Eine Gegenüberstellung der Bühnenbilder mag die Übereinstimmungen verdeutlichen: Teofane, 1719: I. Galleria ornata di statue con logge e scale maestose. – Padiglioni lungo spiaggia di mare. Si veggono le spoglie riportate da Ottone nella battaglia contro Emireno, e navi in lontano. – Piazza apparata nel ricinto della reggia, con trono da un lato. II. Cortile interiore della reggia. – [Ottone re di Germania, 1723/25: Galleria di Statue nella Reggia.] – Vasto giardino diviso da un ramo del Tevere con fonti e grotte, ad una delle quali corrisponde strada sotterranea chiusa da un sasso. Notte. III. Gabinetto – Bocche del Tevere con mar tempestoso. – Atrio nella reggia. Magnus Torquatus, 1730: Der Schauplatz stellet vor eine pr chtige Gallerie. – Ein Feld mit vielen Gezelten. Von ferne sihet man L)neburg und die Vestung Kalckberg. – Ein grosser Saal mit zwo Reihen Seulen / welchen Magnus zur Trauung bestimmet / mit KronLeuchtern und einem Throne. II. Ein Vorhof zu einem Pallaste – Der Schau-Platz stellet vor eine Gallerie mit Statuen – Ein Garten / durch welchen ein Arm von dem Fluß Ilmenau geht / mit Fontainen und Grotten. In der einen Grotte ist der Ausgang eines unterirrdischen Weges / welcher mit einem Steine bedeckt ist. Es ist Nacht. III. Ein Cabinet –

251 Dekorationen vielleicht auf das Material der einige Jahre zurückliegenden Produktionen Ottone re di Germania (1723/25) – ihrerseits Adaptationen von Lottis Teofane und Händels Ottone – zurückgegriffen hat. Vor dem Hintergrund einer genauen Imitation oder Adaptation des Dresdener Librettos569 erscheint sowohl die Introduktion der kurios anmutenden Figur des ,falschen‘ Woldemar in neuem Licht – er übernimmt demnach in der Oper Magnus Torquatus die dramaturgische Funktion des Emireno, des verschollen geglaubten Bruders der Teofane – wie insgesamt die Verkehrung der zugrundeliegenden historischen Verhältnisse z. T. durch die Übernahme des fremden dramaturgischen Modells gesteuert scheint. Zur Verdeutlichung sei die Handlung der drei Akte kurz nachgezeichnet: I. In Lüneburg erfreuen sich Herzog Albertus von Sachsen und seine Mutter Elisabeth ihres vermeintlichen Triumphes über Herzog Magnus Torquatus von Braunschweig. So hat sich Albertus nicht nur in einem Handstreich der Stadt bemächtigt, sondern kann überdies die soeben eingetroffene Prinzessin Catharina, Magnus’ Verlobte, in Empfang nehmen. Ihr gegenüber gibt er sich als Magnus aus. Catharina jedoch zeigt sich unsicher und reagiert widerwillig auf Albertus’, d. h. des falschen Magnus, Hochzeitspläne, da sie seine äußere Erscheinung nicht in Einklang zu bringen vermag mit dem ihr übersandten, von ihr geliebten Porträt. In ihrer ablehnenden Haltung wird sie unterstützt von ihrem Begleiter Otto Fürst zu Anhalt-Zerbst, der sich selbst in Catharina verliebt hat. Unterdessen hat Magnus Torquatus in seinem Zeltlager vor Lüneburg einen Unbekannten gefangengenommen, der als ein wilder Mann auftritt und tatsächlich Magnus’ Schwiegervater ist, nämlich der zurückgekehrte Waldemar von Brandenburg. Als überraschend Magnus’ Base Agnes eintrifft, um den Treuebruch des ihr versprochenen Albertus und dessen Besitznahme der Stadt Lüneburg zu melden, bricht Magnus mit seinen Verbänden nach Lüneburg auf, dringt in die Stadt ein und überwindet Albertus’ und Elisabeths Truppen. Er kommt gerade rechtzeitig, um Albertus’ Installation als Herzog von Lüneburg und dessen Vermählung mit der unglücklichen Catharina zu verhindern. II. Angesichts Albertus’ Kerkerhaft wird Agnes von Mitleid ergriffen und faßt den Entschluß, gemeinsam mit seiner Mutter Elisabeth Magnus’ Gnade zu erwirken. Da Elisabeth es ablehnt, sich vor Magnus zu demütigen, fleht Agnes allein den Vetter um Barmherzigkeit für ihren Geliebten an. Magnus weist sie jedoch zurück. Als Catharina die Begegnung der beiden von ferne beobachtet, fühlt sie sich von Magnus hintergangen und zeigt sich eifersüchtig. Magnus beauftragt daraufhin Otto, Catharinas Argwohn auszuräumen; der jedoch schürt gerade den Unmut der Prinzessin, da er selbst Ambitionen auf Catharina hegt. Die Szenerie wechselt und präsentiert einen nächtlichen Garten. Agnes hat Albertus’ heimliche Flucht aus dem Kerker arrangiert. Gemeinsam mit Waldemar gelangt er durch einen unterirdischen Gang in die Freiheit. Am Ausgang des Tunnels haben sich – um Mitternacht – zufällig Catharina und Otto, der Catharina zur Flucht aus Lüneburg drängt, eingefunden. Auch Magnus Torquatus erscheint, von den anderen bemerkt, und sucht nach Catharina. Agnes, die gekommen ist, um sich von der Flucht ihres Geliebten zu überzeugen, tritt zu Magnus und weist ihn in eine andere Richtung, so daß Albertus und Waldemar ungefährdet mit einem Schiff entkommen können. Zuvor jedoch überrascht Albertus Catharina und führt sie gewaltsam mit sich fort.

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Eine Wiese am Ufer der Elbe / auf welcher ein Sturm ist bey anbrechendem Tage – Ein pr chtiger Saal. Mangels musikalischer Quellen muß freilich offen bleiben, inwieweit die Adaptation des Librettos auch zu einer Übernahme von Lottis Musik geführt haben mag.

252 III. Ungeduldig sucht Magnus immer noch nach Catharina, als ihm Elisabeth voller Hohn Albertus’ Flucht entdeckt. Darauf erscheint Otto und offenbart auf Magnus’ ungestüme Nachfrage, daß Catharina gemeinsam mit Albertus verschwunden sei. Nach einem Szenenwechsel zeigt sich das Ufer der Elbe im Morgengrauen. Ein Sturm hat die Flucht der beiden Gefangenen verzögert. Albertus’ neuerliche Liebeswerbung weist Catharina harsch zurück. Waldemar dagegen ergründet insgeheim die Identität Catharinas, seiner Tochter, und überwältigt darauf, von Catharina immer noch unerkannt, Albertus. Mittlerweile hat auch Agnes von der Flucht ihres Geliebten mit Catharina erfahren; von Elisabeth verraten, gesteht sie Magnus reuevoll ihr Vergehen. In diesem Augenblick erscheint Waldemar in Magnus’ Lüneburger Residenz, führt den gefangenen Albertus mit sich und verkündet die baldige Ankunft Catharinas. Magnus will seinen Rivalen, Agnes den treulosen Geliebten für dessen Missetaten auf der Stelle mit dem Tod bestrafen, beide werden aber – u. a. durch Elisabeths Auftritt und ihre Selbstmorddrohung – an der Ausführung ihres Vorhabens gehindert. Elisabeths Selbstmord wird wiederum von der herbeieilenden Catharina vereitelt, die Waldemars Identität offenlegt und Magnus zu einem generösen Versöhnungsakt bewegt. Während Waldemar, der sonst in Brandenburg ein Churf)rst war, mit den Worten Ich preise meiner Tochter Gl)cke / | da ich sie / grosser Held / als deine Braut erblicke nachträglich seine Zustimmung zur Verbindung Catharinas mit Magnus Torquatus erteilt, verzeiht Magnus Albertus sowie seiner Mutter Elisabeth und setzt den einstigen Widersacher großmütig zum Herzog von Lüneburg ein. Agnes reicht schließlich Albertus die Hand zur Vermählung.570

Teils auf die historische Handlung bezogen, teils damit unverbunden sind drei kurze, mit diversen Schaueffekten spielende allegorische Szenen, die epilogartig die drei Aktschlüsse besetzen und den Bogen zur Gegenwart der zeitgenössischen Opernbesucher spannen. Auch sie stellen zweifellos Adaptationen der entsprechenden allegorischen Aktschlüsse der Oper Teofane dar und etablieren nachdrücklich eine politisch-dynastische Dimension bzw. lassen Funktionen der Herrschaftsrepräsentation und -legitimation erkennen, indem sie Herzog August Wilhelms segensreiches Regiment, das Glück des Welfenhauses sowie das daraus entspringende Wohl der Braunschweig-Wolfenbütteler Landeskinder preisen. Ist es zunächst die Gl)ckseligkeit, die gemeinsam mit den g)ldenen Zeiten, Uberfluß, Scherz und Zufriedenheit in einer Maschine von der Oberbühne herabfährt,571 um den großen Helden, der euch bisher regiert, zu rühmen und die Prosperität seines Herrschaftshandelns anzuzeigen, so bevölkern am Ende des zweiten Aktes – nachdem sich die nächtliche Dunkelheit der Gartenszene plötzlich erhellt hat – der Weser-Strom / die Ocker / die Aller / die Ilmenau und viele andere Braunschweigische Fluß-G tter und Najaden das Theater; in ihrem Zentrum prangt der Pallast der Elbe.572 Die Personifikation

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Möglicherweise lassen sich – zumindest – die Namen Agnes und Albrecht beziehen auf ein historisches Vorbild: die vielleicht zu Beginn des Jahres 1372 vollzogene Vermählung von Magnus’ II. Tochter Agnes mit dessen Vetter Albrecht II. von Braunschweig-Grubenhagen, der auf diese Weise für Magnus’ Partei gewonnen werden sollte (vgl. Hans-Joachim Ziegeler, Das Glück der Welfen, S. 148–153). Vgl. Teofane, I, 14: Sopra lucida Nuvola, che dilatandosi ingombra parte della Scena, comparisce la Felicità corteggiata da Coro di Persone, che rappresentano i Giorni del Secol d’oro. Vgl. Teofane, II, 14: Al cenno dato da Gismonda, e Matilda s’illumina improvvisamente il Giardino, e vedesi escir dal Fiume una Macchina rappresentante la Reggia del Tevere. Vi siede questo Dio corteggiato da altri Fiumi minori, e da Coro di Naiadi.

253 der Elbe stellt nun – als spielexterne Figur mit Kommentarfunktion573 – einen Bezug zwischen der historischen Opernhandlung und den aktuellen politischen Verhältnissen her und entwirft eine schon aus früheren Opern allzu vertraute panegyrische Typologie: Der ungemeine Witz / die nicht geringe Macht / | Die sich beym grossen Magnus paren / | Hat unsern Gegenden so grossen Flor gebracht. | Doch nach dreyhundert Jahren | Wird noch ein gr sser Gl)ck uns allesamt beleben / | Wenn ich den Temse-Strom werd einen K nig geben / | Und wenn der Ocker-Fluß | Die sch nste Kayserin der Donau schencken muß. | Wenn August Wilhelms Huld und kluge Wachsamkeit | Desselben Gr ntzen nichts als Freud und Heyl verleiht / | Wenn seines Eh-Gemahls Verstand und Tugend-Pracht | Der Unterthanen Gl)ck erst recht vollkommen macht. Die hier konstruierte Fluß-Allegorie, die auf der metonymischen Ersetzung der jeweiligen Territorial- bzw. Nationalstaaten und Herrscherhäuser durch die ihnen zugeordneten Flußsysteme beruht, preist das glückliche Wachstum der Welfendynastie und den nach dreyhundert Jahren erreichten Gipfelpunkt der dynastiegeschichtlichen Entwicklung einerseits, indem das allen Flor der Vergangenheit überstrahlende Friedensregiment Herzog August Wilhelms und seiner Gemahlin über die welfischen Lande besungen wird, andererseits, indem auf den Aufstieg des fürstlichen Hauses oder einzelner seiner Mitglieder zu königlichen und kaiserlichen Ehren – gemeint sind die Hannoveraner Könige von Großbritannien sowie die römisch-deutsche Kaiserin Elisabeth Christine an der Seite Karls VI. – verwiesen wird. Dabei scheint die allegorische Panegyrik zugleich anspielen zu wollen auf das Allianzsystem des Wolfenbütteler Hofes, d. h. seine politisch-diplomatische Positionierung zwischen den verwandten Höfen in London und Wien, wie sie für die späten Regierungsjahre Herzog August Wilhelms charakteristisch ist.574 Das Ende des dritten Aktes läßt schließlich die pr chtige Burg der Guelphis, der Personifikation der welfischen Dynastie, auf der Opernbühne erscheinen.575 Umgeben von vielen Guelphischen Schutz-Geistern und heroischen Genien, wendet sich die G ttin aus der übergeordneten Perspektive einer spielexternen Figur an Magnus und Catharina und idealisiert das Herrschaftshandeln des fernen Nachkommen August Wilhelm, wobei sie sich aus der Gegenwart in die Vergangenheit der historischen Opernhandlung zurückwendet und insofern beide, d. h. die reale Außenwelt der Zuschauer und die Welt der präsentierten theatralischen Illusion, typologisch zueinander in Beziehung setzt: Erstaun / o Magnus / nur mit deiner Catharinen | ob dieser Wunder-Pracht / die August Wilhelms Hand | und weiser Zepter mir anjetzo zugewandt. | Ruft auch mit mir aus treu ergebnen Sinn: | Es leb August nebst seiner Hertzogin. Die Akklamation der Guelphis, inszeniert als appella-

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Zwar treten die allegorischen Figuren innerhalb der drei Akte und im Rahmen szenischer Verwandlungen auf, doch sind ihre Auftritte zum einen jeweils epilogartig am Aktende positioniert, zum anderen beeinflussen sie die innere historische Handlung in keinster Weise. Insofern scheinen sie mir ,spielexterne‘ Größen. Vgl. Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 237; Friedrich Wagnitz, Herzog August Wilhelm von Wolfenbüttel, S. 146–152. Vgl. den Auftritt der Germania in der Schlußszene der Oper Teofane (III, 12).

254 tiver und mithin herrschaftslegitimatorischer Akt, wird sodann responsorisch aufgegriffen und intensiviert vom finalen Huldigungschor aller Bühnenfiguren – dem einzigen Chorsatz der Oper – auf das regierende Herzogspaar und das gesamte gegenwärtige fürstliche Haus: Lebe / grosser Hertzog / lebe! | Lebe / grosse Hertzogin! Braunschweigs Printzen und Printzessen | sol kein Schmerz noch Kummer pressen / | Freud und Lust sey ihr Gewinn. Der hier evidenten Glorifizierung welfischer Landesherrschaft im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg in Vergangenheit und Gegenwart, realisiert in der typologischen Konstellation der beiden Regenten Magnus Torquatus und August Wilhelm, scheint allerdings das der Bühnenhandlung zugrundeliegende konkrete historische Sujet, der Lüneburger Erbfolgekrieg und insbesondere die historische Rolle Herzog Magnus’ II., auf den ersten Blick in merkwürdiger Weise zu widerstreben.576 Immerhin muß das historische Substrat im Libretto grundlegend literarisch verwandelt und z. T. gar ins Gegenteil verkehrt werden, damit der Konflikt zugunsten des – in der historischen Realität unterlegenen – Magnus Torquatus entschieden werden und der ,eigentliche‘ Sieger – Albrecht von Sachsen-Wittenberg – von seinem großmütigen Rivalen am Ende rehabilitiert werden kann. Wie ließe sich dieser Widerspruch erklären oder gar ausräumen? Vielleicht liegt eine mögliche Antwort gerade in der Bedeutung des Lüneburger Erbfolgekrieges als ganzen für die welfische Dynastiegeschichte und der herausragenden Rolle, die Herzog Magnus Torquatus in den ersten Jahren der Auseinandersetzungen einnahm. Betrachtet man den für die Kontinuität welfischer Herrschaft in Braunschweig-Lüneburg existentiellen Konflikt nämlich von seinem Ende her, so ist gleichwohl ein Triumph der Welfen zu konstatieren, der letztlich von Magnus’ Söhnen errungen wurde und im entscheidenden, glücklichen Moment die Einheit und den Fortbestand welfischer Landesherrschaft im Norden sicherte. Bedenkt man zudem die zentrale Position Magnus’ II. in den ersten Kämpfen, seinen erbitterten Widerstand gegen die Pläne Karls IV. und die Ansprüche der Askanierherzöge, so könnte man vielleicht von einer literarischen Komprimierung des langjährigen, für welfisches Erinnerungswissen sicherlich zentralen Konfliktes in der dramaturgischen Struktur des Librettos sprechen, die zudem einherginge mit einer – durch die Übernahme eines fremden dramaturgischen Modells gesteuerten – Fokussierung auf die Rivalität zwischen dem zum Heros stilisierten Magnus Torquatus von Braunschweig und Albrecht von Sachsen-Wittenberg. Mit anderen Worten, es ginge der Oper nicht vorrangig um eine Biographie des Magnus Torquatus, sondern vielmehr um eine in seiner Person konzentrierte oder alludierte Historie des Lüneburger Erbfolgekrieges insgesamt, die dann allerdings nicht ohne eine dezidierte Verwandlung der konkreten historischen Vorgänge, d. h. der historischen Biographie des Titelhelden, auskommt. Unter dieser Perspektive erschiene die Glorifizierung welfischer Landesherrschaft am Ausgang des 14.

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Vgl. o. S. 247f.

255 Jahrhunderts und ihre Funktionalisierung als Präfiguration des zeitgenössischen welfischen Regiments in Braunschweig-Wolfenbüttel durchaus plausibel.577 Zeitgenössische Quellen berichten schließlich von einer weiteren Oper zur welfischen Landesgeschichte im engeren Sinne: So soll Johann Samuel Müller ebenfalls das Textbuch zu einer Opernproduktion Otto puer verfaßt haben.578 Zwar paßte eine Oper über den ersten Herzog des von Kaiser Friedrich II. 1235 geschaffenen Reichsfürstentums Braunschweig-Lüneburg und Ahnherrn aller späteren welfischen Familienzweige konzeptionell zweifellos in die Reihe der Braunschweig-Wolfenbütteler Opern zur dynastischen Vorgeschichte, doch läßt sich eine fertige Produktion oder gar Aufführung eines solchen Bühnenwerks allein anhand der vorliegenden zeitgenössischen Referenzen nicht belegen. Es fehlen sowohl ein gedrucktes Libretto als auch Zeugnisse einer kompositorischen oder theatralischen Umsetzung, um zweifelsfrei auf die Existenz einer Oper Otto puer schließen zu können. Immerhin mag aber an ein Opernprojekt gedacht werden, das möglicherweise unvollendet geblieben ist.579

2.2.3 Die Braunschweiger ,Mittelalteroper‘ zwischen dynastischer Memoria und landesherrlicher Repräsentation Es hat sich gezeigt, daß die dargestellten Braunschweiger ,dynastischen Mittelalteropern‘ sämtlich Episoden und Gestalten der welfischen Erinnerungskultur vermitteln und mithin die Memoria des fürstlichen Hauses von den historiographischen und liturgischen Formen auf die Opernbühne hin öffnen.580 Beginnend mit der vielleicht berühmtesten welfischen Identifikationsfigur, Heinrich dem Löwen, präsentiert das Dutzend Opern, von einer einzigen Aus-

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Hinsichtlich der Bedeutung Magnus’ II. für die welfische Memorialkultur um 1700 sei daran erinnert, daß im Zuge der Gestaltung des neuen Rittersaals im Hannoveraner Leineschloß Ende der 1680er Jahre auch ein Porträt dieses Herrschers geschaffen wurde (vgl. o. S. 66f.). – Knapp zehn Jahre nach der Erstaufführung wurde die Oper erneut gespielt: MAGNUS TORQUATUS ODER MAGNUS MIT DER SILBERNEN KETTE / HERZOG ZU BRAUNSCHWEIG UND L(NEBURG In einer Opera vorgestellet auf dem grossen Braunschweigischen Theatro. In der Winter-Messe 1739 (D-HVl, Op. 1,172). Die vorgenommenen Änderungen betreffen – dem Libretto zufolge, musikalische Quellen fehlen – den Arienbestand wie die Rezitativpartien. Adaptiert wurden nicht zuletzt die allegorisch-panegyrischen Aktschlüsse in II, 12 und III, 12, wo die Huldigungen des Elbe-Fluß[es] und der Guelphis nun dem seit 1735 regierenden Herzog Karl I. gelten. Daß die verwandten Häuser Österreich und Großbritannien-Hannover in der Finalszene des zweiten Aktes keine Erwähnung mehr finden, könnte auf die Ende der 1730er Jahre vollzogene Neuausrichtung des Braunschweig-Wolfenbütteler Allianzsystems (dezidierte Hinwendung zu Preußen) zurückzuführen sein (vgl. dazu Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 263 u. 268). Gabriel Wilhelm Götten, Das Jetztlebende Gelehrte Europa, Bd. 1, S. 75. Vielleicht – dies liegt nun erst recht im Bereich des Spekulativen – verhinderte der Tod Herzog August Wilhelms am 23. März 1731 die Fertigstellung oder Aufführung einer geplanten Oper Otto puer. Zum Memoria-Konzept und speziell zur Memorialkultur des Welfenhauses s. Kap. 2.1.3.

256 nahme – der Festoper Rudolphus Habspurgicus, die freilich einem großen Ahnherrn des Hauses Österreich gewidmet ist – abgesehen, die karolingischen, ottonischen, brunonischen, süpplingenburgischen und schließlich die eigenen welfischen Vorfahren des regierenden fürstlichen Hauses und demonstriert damit das weitgespannte, in hochadlige Kontexte gebettete und dynastische grandeur verbürgende genealogische Netzwerk. Dabei vergegenwärtigen die einzelnen Bühnenwerke nicht allein die Fama der herausragenden dynastischen Ahnen, unter denen die kognatischen sächsischen Herrschaftsträger besonders hervortreten, und verdeutlichen die sich in der dynastischen Vorgeschichte manifestierende historische Größe des Welfenhauses, sondern sie dienen zugleich und vor allem der Reputation und glorifizierenden Selbstdarstellung der zeitgenössischen Nachkommen, der regierenden Herzöge von BraunschweigWolfenbüttel. Auf die großen Leistungen der Vergangenheit hin perspektiviert, die zumeist als Spiegelbild bzw. Präfiguration (Typus) der Gegenwart interpretiert werden, konzentriert sich der augenfällige Repräsentationswille der Wolfenbütteler Herzöge, vornehmlich Herzog August Wilhelms, zwar keineswegs ausschließlich auf die Oper – so ließ der Herzog u. a. auch das symbolträchtige Löwendenkmal vor der Braunschweiger Burg im Jahre 1721 grundlegend sanieren581 –, doch nimmt die Gattung als spektakuläres und vielleicht prestigeträchtigstes Unterhaltungs- und ,Massenmedium‘ der Zeit mit weitreichenden Wirkungsmöglichkeiten582 durchaus eine prominente Position im System der höfischen Repräsentation ein. Das Ziel der repräsentativen Bemühungen des fürstlichen Hofes waren einerseits die Landstände, Landadel, Klerus und Stadtbürgertum, andererseits die auswärtigen, konkurrierenden Reichsfürsten und deren Höfe, wenn nicht gar außerhalb des Reiches gelegene Mächte und Monarchen. Insofern wirkte die repräsentative Energie generell, in Wolfenbüttel wie andernorts im Reich, in zwei Richtungen: „Sie sollte externen und internen Konkurrenten, d. h. auswärtigen Fürsten und einheimischen Ständen, den Besitz der Landeshoheit durch die Territorialherren vor Augen führen. Diese doppelte

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Vgl. Philipp Julius Rehtmeyer, Braunschweig-L(neburgische Chronica, Bd. 3, S. 1585: A. 1721. liessen Ihro Durchl. das alte Monument des ehernen L wens auf dem Dom-Platz, so seit voriger von Herzog Friedrich Ulrichen A. 1616. geschehenen reparation ziemlich schadhaft worden, abermal renoviren, und in hier nachgesezter Form, durch Verbesserung der Stuffen von Qvater-Steinen bringen. Der Zuschauerraum des Braunschweiger Hagenmarkt-Theaters faßte wohl „rund 1100 bis 1200 Sitzplätze“ (Horst Richter, Johann Oswald Harms, S. 72). D. h. bei etwa drei Aufführungen pro Spielzeit konnten durchaus mehr als 2000 Zuschauer erreicht werden. Ferner dürften die Librettodrucke einen über diese Zahlen hinausgehenden Rezipientenkreis erschlossen haben, sowohl in (hoch)adligen als auch stadtbürgerlichen Kreisen. Kaum abzuschätzen – und vielleicht auch nicht zu unterschätzen – ist wohl der Einfluß regionaler Journale und Zeitungen – für Braunschweig sind für die Zeit etwa zu nennen: Eingelauffene Ordinari Post-Zeitung (1682–1716), Braunschweigische Post-Zeitung (seit 1719), Curieuser Avisen- oder Zeitungs-Schlüssel (1719–1722/1725), Des curieusen ZeitungsAgentens [...] Expedition (1723–1730) – oder entsprechender Berichte zum einen in der privaten, zum anderen in der offiziellen, d. h. politisch-diplomatischen Korrespondenz.

257 Funktion ergab sich aus der zweifachen Rolle der Reichs- und Kurfürsten, die ,nämlich nicht nur oder in erster Linie Spitze der sozialen Hierarchie ihres Hofes oder ihres Landes [waren], sondern als solche selbst wiederum Mitglieder einer hierarchisch gegliederten Fürstengesellschaft.‘“583 Begründet scheint die bemerkenswerte Repräsentationspraxis des Braunschweig-Wolfenbütteler Hofes, insbesondere das Opernsystem und hier vorweg die augenfällige Präsenz ,mittelalterlich‘-dynastischer Sujets, wohl kaum durch das „Bewußtsein der Schwäche“ des eigenen Fürstentums, das „offenbar auf künstlerischem Gebiet“ hätte kompensiert werden sollen.584 Vielmehr mag es der glückliche Aufstieg, die unverhoffte Rehabilitation der Wolfenbütteler Welfen nach dem Desaster des Jahres 1702 gewesen sein, wodurch Anton Ulrichs Erben ermutigt wurden, ihr wiedererstandenes Selbstbewußtsein zu dokumentieren. Die mit der blankenburgisch-österreichischen Hochzeit des Jahres 1708 herbeigeführte Verschwägerung mit dem Habsburger Kaiserhaus brachte den Wolfenbütteler Welfen zwar keinen übermäßigen Zuwachs an realpolitischer oder militärischer Macht, ihr dynastisches Prestige und Rangbewußtsein dürfte aber durch die Vermählung Elisabeth Christines von Braunschweig-Wolfenbüttel mit Karl von Habsburg und erst recht durch die Wahl des Habsburgers zum römisch-deutschen Kaiser 1711 nachdrücklich befördert worden sein. Und freilich scheint das politische Potential des Hofes in Wolfenbüttel aufgrund des verläßlichen Agierens an der Seite Österreichs und später auch aufgrund der intensivierten Beziehungen zum Londoner Königshaus nach und nach an Gewicht gewonnen zu haben.585 Wenn daher in den betrachteten Opern kontinuierlich die imperialen Bezüge in der Dynastiegeschichte des Welfenhauses exponiert werden – sei es in Pro- oder Epilogen oder im Rahmen der Opernhandlungen selbst, dann um vor aller Welt den in der zeitgenössischen Gegenwart wiedererlangten Status eines hochadligen, kaisernahen Geschlechts und die damit verbundene dynastische Dignität auszuspielen, wodurch sich die Wolfenbütteler Welfen zweifellos vor dem Gros der übrigen Reichsfürsten ausgezeichnet sahen. In gleicher Weise werden denn auch die Beziehungen zu den Hannoveraner Vettern auf dem englischen Königsthron instrumentalisiert, die nun – nicht länger Rivalen – als zweiter Pol neben den Habsburgern die hochadlige, exponierte Position der Wolfenbütteler Linie im politischen Gefüge des Reiches verbürgen konnten. Daß es nämlich zuvorderst um die Rolle der Wolfenbütteler Welfen im Reich und ihre territoriale Herrschaft ging, lassen die auf der Opernbühne präsentierten Sujets unschwer erkennen. Zumeist auf die dynastische Vor-

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Volker Bauer, Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus, Wien [usw.] 1997 (Frühneuzeitstudien N.F.1), S. 32. So die These von Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 299. Als Beispiel sei – neben den schon früher genannten Indizien – die Mediatorrolle Herzog August Wilhelms (gemeinsam mit dem Herzog von Sachsen-Gotha) und seiner Minister in einem zusehends eskalierenden Konflikt zwischen den Königen Georg II. von Großbritannien und Friedrich Wilhelm I. in Preußen in den Jahren 1729/30 angeführt (vgl. Christof Römer, Niedersachsen im 18. Jahrhundert, S. 238).

258 geschichte des Welfenhauses bzw. die Historie des Herzogtums BraunschweigLüneburg bezogen, dokumentieren die für die Bühne eingerichteten Stoffe die Verwurzelung des Welfenhauses im alten Sachsen und seine Einbindung in sächsische Herrschaftskontinuitäten. Dies dient – wie oben angedeutet – einerseits der historischen Ableitung und Legitimation von Herrschaftsrechten gegenüber den territorialen Eliten und Untertanen, andererseits der Festigung der souveränen Machtposition der Wolfenbütteler Landesherren gegenüber den übrigen Reichsfürsten und dem Reichsoberhaupt. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Serie der Braunschweiger Opern zur dynastischen und territorialen Vorgeschichte gerade in dem Moment einsetzt, als die Hannoveraner Vettern nach London übergesiedelt sind, Hannover – wo seit 1698 keine Opern mehr gespielt wurden – zur Nebenresidenz der englischen Könige absinkt und die Wolfenbütteler Linie gewissermaßen als einziger Familienzweig im jahrhundertelang beherrschten Stammland der Welfen verbleibt. Während also die Hannoveraner Welfen die alten Stammlande verließen, um in europäische Bezüge einzutreten und die Herrschaft eines weltumspannenden Imperiums anzutreten, demonstrierten ihre Wolfenbütteler Verwandten im repräsentativen Medium der Oper – so die hier propagierte These – ihre Einbindung in die traditionellen sächsischen Strukturen und verwiesen mithin selbstbewußt auf das Kontinuum welfischer Herrschaft und Identität im Land ihrer Vorfahren. Hatte Herzog Ernst August von Hannover 1689 „europäische Weite statt territorialisierter Engführung“ gesucht und sein neues Opernhaus mit einem Werk eröffnet, das „des Löwen Meerfahrt in die fabulöse Welterfahrung der europäischen Adelsreise gleiten ließ“,586 so inszenierten die Wolfenbütteler Vettern 30 Jahre später, nach dem Ende der innerwelfischen Rivalität, vor dem Hintergrund eines erstarkten, von neuen imperialen Bezügen und ,exklusiver Isolation‘ getragenen Selbstbewußtseins gerade jene über Jahrhunderte fortgeschrittene Territorialisierung welfischer Herrschaft im Norden des Alten Reiches.

2.2.4 Die Darstellung der Geschichte zwischen Typologie und Historizität Weiterhin wurde deutlich, daß die Repräsentationsfunktion in den untersuchten Braunschweiger ,Mittelalteropern‘ zumeist an die ‚quasi-typologische‘ Verfahrensweise gebunden ist, die einen Bezug zwischen dem dynastischen Helden der Oper und dem jeweils zu ehrenden fürstlichen Nachkommen herstellt. Das Herrscherlob resultiert aus dem Vergleich zwischen der auf dem Theater dargebotenen Vergangenheit und der außertheatralischen Gegenwart des frühen 18. Jahrhunderts. In struktureller Anlehnung an überkommene heilsgeschichtliche Denkmuster erscheint der historische Heros als Präfiguration des gegenwärtigen Regenten, wobei das Moment der Steigerung des Alten, Ver-

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Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, S. 291. S. dazu im einzelnen o. S. 136.

259 gangenen durch das Neue, Gegenwärtige konstitutiv ist: Immer übertrifft der mit dem Bühnenwerk geehrte Nachkomme seinen bedeutenden Vorfahren, figuriert jener als Endpunkt einer teleologischen Entwicklung der politischen und dynastischen Geschichte. Als Angelpunkte des ,quasi-typologischen‘ Schemas oder als dessen Applikatoren fungieren in den betrachteten Opern verschiedenste Personifikationen und allegorische Figuren. Teils mit der dramaturgischen Funktion des Deus ex machina betraut und in die Handlung eingreifend, um Handlungsknoten zu zerschlagen oder unerwartete Wendungen herbeizuführen (vgl. die Rolle der ewigen Vorsehung im ersten Teil der Oper Heinrich der Vogler oder das Agieren des fatum in Egbert und Lotharius), teils als Kommentatoren außerhalb der eigentlichen historischen Handlung situiert (so die Fama im Epilog des Henrich der L we, die teutsche Monarchie im zweiten Teil der Oper Heinrich der Vogler oder der Elbe-Fluß im Magnus Torquatus), setzen sie die Zeitebenen der Bühnenhandlung und der Zuschauerrealität zueinander in Beziehung und verdeutlichen somit die für die Herrscherpanegyrik zentrale „historisch-politische Figuration“.587 Entscheidendes Instrument sind dabei – so hat Wilhelm Voßkamp mit Blick auf analoge Phänomene in Lohensteins Dramen formuliert588 – „in die Vergangenheit projizierte Prognosen“, die, ex post konstruiert, dem von der Bühne herab entworfenen Geschichtsverlauf „den Anschein von Ordnung und Zielgerichtetheit“ verleihen, „weil die ,Vorhersagen‘ ja zutreffen“.589 Zuweilen übernehmen auch historische Gestalten oder, konkreter, dynastische Spitzenahnen die Funktion des Propheten und applizieren das Schema einer ,quasi-typologischen‘ Geschichtsdeutung (Bruno im ersten Teil der Oper Heinrich der Vogler, Lancelinus im Rudolphus Habspurgicus), so daß neben den beiden Zeitebenen der zeitgeschichtlichen Gegenwart und der Vergangenheit des Bühnengeschehens eine dritte Ebene erkennbar wird, die in die Vorvergangenheit der Dynastiegeschichte zurückreicht.590 Diese dritte Zeitebene generiert der nun mittleren Ebene der Bühnenhandlung ihrerseits eine Vergangenheit und läßt das dargestellte historische Geschehen stärker in seiner eigenen historischen Plastizität hervortreten. Zwar besteht zwischen der „historisch-politischen Figuration“ und der ihr zugrundeliegenden mittelalterlich-christlichen Typologie zunächst nur eine rein strukturelle Analogie – den Kontext bildet die politische oder Dynastiegeschichte, nicht mehr die

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Wilhelm Voßkamp, Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung, S. 211ff. Zum Begriff der „historisch-politischen Figuration“ s. o. S. 46 Anm. 178. Und auch sonst sind die ,quasi-typologischen‘ Deutungsmuster gewissermaßen zeittypische Phänomene – insbesondere im Bereich der Herrscherpanegyrik. Sie finden sich etwa auch in zahlreichen Hamburger Opern, die einem Monarchen huldigen. Neu scheint mir hier zu sein, daß sich die „historisch-politische Figuration“ auf Mitglieder ein und derselben Dynastie stützt. Wilhelm Voßkamp, Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung, S. 182. Ein vergleichbares, wenn auch nicht im engeren Sinne dynastiegeschichtliches Modell findet sich wiederum bei Lohenstein, etwa in der Sophonisbe, wo der Geist der Dido Sophonisbe den Untergang Karthagos und „die geschichtliche Zukunft Roms bis zur politischen Gegenwart Lohensteins“ prophezeit (vgl. Wilhelm Voßkamp, Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung, S. 185).

260 Heilsgeschichte –, doch finden sich zuweilen spezifische Relikte, die den ehemals heilsgeschichtlichen Zusammenhang evozieren und einer exklusiv profanhistorischen oder gar historistischen Geschichtsdeutung widerstreben. So verweisen einige der genannten allegorischen Figuren auf die göttliche Lenkung des geschichtlichen Geschehens und enthüllen in ihren Prophetien den schon längst beschlossenen Plan Gottes als Herrn der Geschichte, die „unsichtbar immer vorhandene wunderbare Ordnung Gottes“:591 Gemeint sind etwa die ewige Vorsehung und ihr Gefolge im ersten Teil der Heinrich-Oper oder das fatum in Egbert und Lotharius, das die ,richtige‘ Eheverbindung herbeiführt, indem es den Opernfiguren zuletzt verkündet, wie es von himmel ist beschloßen. Und auch die panegyrische Prognose der Fama im Epilog der Oper Henrich der L we alludiert den Einfluß der Transzendenz auf das irdische Geschehen: Hat doch der Himmel schon beschlossen / | daß unsre Kayserin / | die aus HENRICHS Stamm entsprossen / | dem Hause Oesterreich / | und auch der Welt zugleich / | soll die Beherrscher geben. Der schematischen Geschichtsdeutung des ,quasi-typologischen‘ Verfahrens, das aufgrund seiner Betonung von Analogien und der überhöhenden Variation eines früheren Ereignisses durch ein späteres wie der damit einhergehenden teleologischen Ausrichtung die historische Vergangenheit eher als Vorstufe denn als eigenständige Größe betrachtet, wirkt in einigen der diskutierten Braunschweiger ,Mittelalteropern‘ eine historisierende Tendenz entgegen, die auf eine Darstellung jener Vergangenheit – des ,Mittelalters‘ – in ihren eigenen Bedingungen und ihrer eigentümlichen Differenz zur Gegenwart gerichtet ist. Insbesondere die Opern Heinrich der Vogler sowie Rudolphus Habspurgicus – in geringerem Maße auch Egbert und Lotharius – entwerfen z. T. supponiert authentische Historienbilder auf der Bühne und exponieren – auch und gerade in den umfassenden Vorberichten – unzählige historische Details, die dem inszenierten ,mittelalterlichen‘ Sujet seine je eigene Couleur locale einprägen und eine Distanz schaffen zur zeitgeschichtlichen Gegenwart der Zuschauer. Das auf diese Weise vermittelte Mittelalterbild ist freilich von einer historistischen Geschichtsdeutung weit entfernt, zeigt aber Bemühungen, den in den Quellen und historiographischen Schriften berichteten historischen Verhältnissen gerecht zu werden und einen charakteristischen historischen Raum zu konturieren. Dabei sind es weniger die privaten, bei aller Varianz auf der Oberflächenstruktur in gewissem Sinne doch stereotypen Liebeshändel und fiktiven amourösen Verwicklungen, die von der historisierenden Couleur erfaßt werden; zentral ist vielmehr der davon zu trennende Bereich des öffentlichen Handelns mit den z. T. historisch verbürgten, z. T. abgesicherte Geschichtsdaten vermittelnden Staats- und politischen Szenen.

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So Wilhelm Voßkamp mit Blick auf die geschichtsphilosophische Struktur des der Oper – aufgrund verschiedener gemeinsamer Merkmale – verwandten höfisch-historischen Romans: Romantheorie in Deutschland, S. 17. „Daß es die Möglichkeit der endgültigen Überschau am Schluß des Romans gibt, garantiert ein durch Fatum (,Verhängnis‘) oder Providenz (,Vorsehung‘) bedingtes sittliches und gottgewolltes Ordnungsgefüge, das das Geschehen der unbeständigen Fortunawelt im Roman ,überwölbt‘“ (ebd.).

261 Es kommt also letztlich in den genannten Opern zu einer funktionalen ,Verschiebung‘ vom prinzipiell prädominierenden, von den typologischen Deutungsmustern gestützten Herrscherlob zu einer Darstellung, die beides berücksichtigt: die Applicationen auf die Hoch-F)rstl. Herrschafften wie die besondere Historizität, die je eigene Zeitlichkeit der inszenierten ,mittelalterlichen‘ Handlung: die Beschaffenheit der wahren Geschichte in ihren spezifischen Konturen,592 die vom Hier und Jetzt der Zuschauerrealität abgegrenzt wird und deren Präsentation zumindest gleichrangig neben das Herrscherlob tritt. Dieses Neben- und Ineinander einer überkommenen schematischen Geschichtsauffassung und einer an der Beschaffenheit der wahren Geschichte orientierten historisierenden Betrachtung reflektiert zugleich den kulturellen, für das Wissenschaftssystem als ganzes und nicht zuletzt die Geschichtswissenschaft im besonderen bedeutsamen Umbruchprozeß um 1700, wo ,Altes‘ und ,Neues‘ mehr oder minder unvermittelt aufeinandertreffen: Wo das eine, die christlich-theologische Geschichtsauffassung, in gewissem Maße noch immer Gültigkeit beanspruchen kann, aber sich schon anderes, ein auf die Immanenz geschichtlicher Abläufe zielendes historisches Bewußtsein, zu etablieren beginnt.593

2.2.5 Reichs- und landesgeschichtliche Forschung im Umkreis von Hofhistoriographie und ius publicum und die Entdeckung der eigenen Geschichte für die Oper Schließlich ist zu betonen, daß sowohl für die um 1700 zu beobachtende zunehmende Präsenz ,mittelalterlich‘-dynastischer, landes- und regionalgeschichtlicher Sujets auf den Bühnen Braunschweigs und auch des benachbarten Hamburg594 wie für deren Präsentation offenbar Entwicklungstendenzen in der dynastischen und regionalen Historiographie und in der Jurisprudenz der Zeit – zwei zentralen Aktionsräumen der progressiven, wenn auch zu einem großen Teil noch von „außerwissenschaftlichen Zwecksetzungen“595 determinierten zeitgenössischen Geschichtswissenschaft in Deutschland – eine entscheidende Rolle gespielt haben. Es wurde bereits an früherer Stelle eingehend auf die kulturelle Umbruchsituation und insbesondere auf die Veränderung der Geschichtsauffassung, den Aufstieg der profanen Historie vornehmlich unter dem Einfluß der Jurisprudenz, an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert hingewiesen.596 Hier sei daher nur noch einmal an die Etablierung einer – auch

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Die beiden zitierten Phrasen stellt König in der Vorrede zum zweiten Teil der Oper Heinrich der Vogler einander gegenüber. Vgl. o. S. 202 Anm. 428. Vgl. die Ausführungen zum Wandel des Geschichtsbewußtseins in Kap. 1.2.1. Zu Hamburg vgl. S. 57f. insbesondere mit Anm. 233. Gerd van den Heuvel, „Deß NiederSächsischen Vaterlandes Antiquitäten“, S. 22. S. Kap. 1.2.1.

262 nach modernen Maßstäben – in ihren Grundzügen als wissenschaftlich zu bezeichnenden historischen Forschung und Geschichtsschreibung erinnert, und zwar in der Auseinandersetzung einerseits mit der „humanistisch-rhetorischen Historie, der es weniger auf Richtigkeit der Fakten als auf die poetische Präsentation und moralische Belehrung ankam“, andererseits mit dem Phänomen des historischen Pyrrhonismus, eines „grundsätzlichen philosophischen Skeptizismus, der leugnete, jenseits der a priori gewonnenen Vernunftwahrheiten zu gesicherter Erkenntnis gelangen zu können“.597 Beidem begegneten die Vertreter der Barockhistorie mit der umfassenden Erschließung und peniblen philologisch-kritischen Auswertung historischer Quellenbestände und materieller Überlieferung (Urkunden, literarische Texte, Münzen etc.) sowie der Ausarbeitung von Erkenntniskriterien, die – nicht zuletzt im Sinne Leibniz’ – auf dem Prinzip der Wahrscheinlichkeitslogik basieren und eine naturwissenschaftlichen Verfahren nahekommende Exaktheit der historischen Beschreibung gewährleisten sollten. Sowohl für die Hofhistoriographie etwa Leibnizscher Prägung als auch die um 1700 zunächst im protestantisch-norddeutschen und sächsischen Raum (vorweg Halle, dann Helmstedt, Jena, Leipzig, Wittenberg) als Universitätsdisziplin institutionalisierte Reichshistorie, die als unverzichtbare Voraussetzung für das Studium des erneuerten, zentralen Reichsstaatsrechts (ius publicum Romano-Germanicum) galt, ist dabei die Hinwendung zur eigenen Geschichte, d. h. zur germanischen Vorzeit und insbesondere zur mittelalterlichen Historie des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und seiner Territorien konstitutiv. Leibniz und seine Nachfolger, darunter vor allem sein Mitarbeiter Johann Georg Eckhart, betrieben keine Dynastengeschichte im engeren Sinne, sondern konzipierten ein „breit angelegtes Forschungsprogramm zur welfischen Landesgeschichte in ihren reichsgeschichtlichen und europäischen Bezügen“,598 was einem baldigen Abschluß des Projektes von vornherein zuwiderlief. Unterstützt von zahlreichen nebenamtlich tätigen Gelehrten, Historiographen und Archivaren im niedersächsischen Raum (darunter auch die bereits in den vorangegangenen Untersuchungen zu den einzelnen Braunschweiger Opern verschiedentlich genannten protestantischen Pastoren Philipp Julius Rehtmeyer, Johann Georg Leuckfeld und Johann Michael Heineccius),599 erschlossen sie gewaltige Quellensammlungen, wobei die Grenzen von dynastischen Herrschaftsbereichen und Territorialstaaten bisweilen transzendiert wurden und man sich „durchaus auch an allgemein- und kulturhistorischen Gemeinsamkeiten des nordwestdeutschen Raumes“600 orientierte. Das Ergebnis der intensiven gemeinschaftlichen, von Ansätzen einer regionalen Identität getragenen Bemühungen waren zahlreiche Quelleneditionen und historiographische Veröffentlichungen

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Gerd van den Heuvel, „Deß NiederSächsischen Vaterlandes Antiquitäten“, S. 25. Ebd., S. 28. Vgl. Horst Eckert, Gottfried Wilhelm Leibniz’ Scriptores, S. 38f. Gerd van den Heuvel, „Deß NiederSächsischen Vaterlandes Antiquitäten“, S. 38.

263 vornehmlich zur mittelalterlichen Geschichte, darunter etwa Leibniz’ wirkungsmächtige Scriptores rerum Brunsvicensium (1707–1711), wovon die Landesgeschichte freilich „am stärksten profitierte“.601 Wichtige Impulse zur Erforschung der Vorzeit und mittelalterlichen Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und seiner Einzelstaaten gingen weiterhin vom Reichsstaatsrecht aus,602 das insbesondere an der neugegründeten Universität Halle (1694), wo Christian Thomasius, Johann Peter von Ludewig und Nikolaus Hieronymus Gundling als bedeutende Fachvertreter lehrten, auf eine breite historische Basis gestellt wurde:603 „Nachdem im Laufe des 17. Jahrhunderts stets wiederholt worden war, das heutige Reich der Deutschen sei mit dem alten römischen nicht identisch, wurde die Hinwendung zur eigenen Geschichte das unbezweifelbare theoretische Fundament des ius publicum“.604 Für das Verständnis der überkommenen und geltenden verfassungsrechtlichen Verhältnisse des Alten Reiches, das von den Hallenser Reichsjuristen am Ende des 17. Jahrhunderts als eigenständiges, individuelles – und eben von seinem Vorläufer, dem Römischen Reich, abzugrenzendes – Staatsgebilde mit eigener Rechtstradition begriffen wurde, erlangte die Reichshistorie605 zentrale Bedeutung.606 Sie nahm im juristischen

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Ebd., S. 41. Andreas Kraus hat darauf hingewiesen, „wie sehr die Juristen die Geschichte [...] bereichert haben, stofflich wie methodisch. Vor allem in Deutschland hatte die Behandlung der Geschichte durch die Juristen eine Wirkung, die für die Historiographie auch unmittelbar von Bedeutung wurde. Die Erforschung der Rechtsquellen und ihre Einbeziehung in die historische Betrachtung erweiterte das Feld der Geschichte nicht nur durch Erschließung neuer Stoffmassen, die Juristen gewannen der Geschichte geradezu eine neue Dimension. Das Ergebnis dieses Prozesses war die Entstehung der deutschen Reichsgeschichte und die Förderung der Territorialgeschichte. Dazu kam, daß die Geschichtswerke der Juristen, die anfänglich durchaus nur in publizistischer Absicht abgefaßt waren, zusehends von dieser Tendenz abwichen, bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein völlig neuer Standpunkt erreicht war, ein rein historischer. Das war das Ergebnis eines hundertjährigen Ringens um die Interpretation der Reichsverfassung, bei dem jede der einander gegenüberstehenden Parteien aus der Geschichte jene Beispiele vortrug, die für den Kaiser oder für die Reichsstände zu sprechen schienen“ (Grundzüge barocker Geschichtsschreibung, S. 20). Vgl. dazu o. S. 19–21. Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, S. 299. Die Reichs-Historie ist eine pragmatische Erzehlung dessen, was sich in Teutschland bisher zugetragen 1. quod iura Cäsaris, 2. quod iura statuum, wie es gewesen, sich verändert, und wie es jetzo ist: Nikolaus Hieronymus Gundling, Ausführlicher und vollständiger Discours über dessen Abriß einer rechten Reichs-Historie, Frankfurt u. Leipzig 1732, S. 1, zit. nach: Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 249. Vgl. dazu etwa die folgenden Ausführungen Johann Peter von Ludewigs, die aufgrund ihrer erhellenden, sich bisweilen polemisch von der älteren Historiographie und Geschichtstheorie abgrenzenden Programmatik im umfassenden Kontext wiedergegeben werden sollen: Bishero hat man in der Historie der teutschen Kayser ein gantz anderes Absehen gehabt, als ich nur anfangs in meinen Collegiis und Lehren vorgesetzet, und andere darinnen meiner Lehr-Art nunmehro gefolget haben. Die Historie wurde einem gerathen, daß er die Tugenden und Laster daraus erkennen, und, so zu reden, auf anderer Leute ihre Unkosten klug werden m chte; man hat nechstdeme vor einen belesenen Mann gehalten, wer alte Geschichten erzehlen k nnen; dahero einige solches Studium unter die

264 Fächerkanon der von den Hallenser Reformbestrebungen zunächst erfaßten protestantischen Universitäten eine herausragende Position ein und avancierte bald zu einem der „politisch wichtigen ,Kavaliersfächer‘“607 (neben dem ius publicum sowie dem Natur- und Völkerrecht). So kam es auch von juristischer Seite, unter dem Aspekt der Erschließung der älteren Rechtsquellen, zu einer intensiven Erforschung der mittelalterlichen Reichs- und Territorialgeschichte(n), die ebenso mit einer regen Publikationstätigkeit einherging: Veröffentlicht wurden nicht nur historiographische Darstellungen und Kompendien zur Teutschen Reichs-Historie,608 sondern großen Raum nahmen insbesondere Quelleneditionen zur mittelalterlichen Geschichte ein, darunter „Urkunden,

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Curiosa gerechnet, welche zum unschuldigen Zeitvertreib geh rete. Man hat bey solchen Umst nden in Genealogien / Zeit-Registern und andern Dingen sich bem)het und ist dabey einig und allein stehen blieben. Dahero man zur Professione Historiarum entweder Philosophos )berhaupt, oder aber Theologos genommen, weil die erste aus der Historie moralisiren, die andere aber auf die Kirchen-Sachen mit ihr Absehen richten k nnen. Und weil andere auch nicht weiter als dahin gedacht, hat man angefangen, f)r die Historien Gedichte in ungebundener Rede zu schreiben, welche man Roman oder Gelehrte L)gen genennet. Weil man daf)r gehalten, daß die Fabeln viel artiger zur Moral ausgedacht werden k nnten, als in denen w)rcklichen Geschichten anzutreffen. Und entsinne ich mich der Raserey eines Mannes, der aus solchem Grund die Roman denen w)rcklichen Historien vorgezogen, und vermeynet hat, daß der in zweyen grossen Folianten bestehende, und Anno 1583. zu Franckfurt aus dem Frantz sischen ins Teutsche )bersetzte erdichtete Amadis, als dieses Helden seine getraumete Lebens-Beschreibung, mehr zur Tugend und Nutzen im Staat als zehen Liuii beytr)gen, dergleichen auch das Urtheil einiger vom Hercule und Herculisco, wie auch neulich von des Lohensteins seinem Arminio gewesen. Andere aber haben deswegen f)r die Teutsche Historie, die Griechische und R mische genommen, weil dieser V lcker ihre Thaten weit schlauer, als der Teutschen ihre, heraus kommen. Die R mische Scribenten auch weit netter und vollst ndiger w ren, als die einf ltige M nchen und Scriptores rerum Germanicarum. Es ist auch dieses die Ursache, warum sich so viele Leute in Holland, Engelland, Franckreich um die R mische und Griechische auch wohl lterer V lcker ihre Historien bek)mmern, Kosten an B)cher, M)ntzen, Uberschrifften, altem Ger the an solche wenden: hingegen mitten in solchen K nigreichen und Staaten man fast niemand antrifft, der von der e i n h e i m i s c h e n H i s t o r i e s e i n e s V a t e r l a n d e s nur das geringste zu sagen w)ßte. Man solle auch wohl, ausser etwa dem einzigen Schweden, keinem Professorem in andern, als denen R mischen, Griechischen, Persischen und Assyrischen Geschichten antreffen. Weswegen ich die Wahrheit desjenigen, was mir Anno 1697. Perizonius in Leiden gesaget, daß er unter allen Professoribus Historiarum in denen Niederlanden der erste gewesen, welcher die Historie von Augustulo bis auf Caroli M. Zeiten gebracht h tte [, einsehe]. Nachdem aber die Reichs-Historie dem heutigen StaatsRecht nutzet und in derselben die vollkommene Praxis j u r i s p u b l i c i G e r m a n i c i d e s w e g e n a n g e t r o f f e n w i r d : so habe ich, mit Beyseitsetzung des erstern, den letztern Nutzen in der Reichs-Historie mir und meinen Zuh rern jederzeit vorgesetzet und andern darinnen hoffentlich ein Licht zur Nachfolge gegeben: Johann Peter Ludewig, Vollständige Erläuterung der Güldenen Bulle. Hg. v. Hans Hattenhauer, 2 Bde, Nachdruck der Ausgabe Frankfurt u. Leipzig 1752, Hildesheim [usw.] 2005 (Historia Scientiarum), Bd. 2.2, S. 1463–1465 (Hervorhebungen d. V.) [Erstausgabe: Frankfurt a. M. 1716 u. 1719]. Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, S. 301. Vgl. etwa Simon Friedrich Hahns mehrbändige Vollst ndige Einleitung zu der Teutschen Staats-, Reichs- und Kayser-Historie.

265 Gesetze, Münzen und weitere Überreste, aber auch solche erzählenden Quellen, die bisher wegen ihres regionalen Charakters mißachtet worden waren“.609 Die These ist nun, daß sich die in der nord- und mitteldeutschen Geschichtswissenschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts auffällige Konzentration auf die eigene Geschichte, das nachhaltige Interesse am ,Mittelalter‘ – unter nationalen wie regionalen Vorzeichen –,610 nicht zuletzt auch auf die Sujettraditionen der zeitgenössischen norddeutschen Opernpraxis oder zumindest auf die literarische Gestaltung einzelner historischer Textbücher ausgewirkt hat. Dies betrifft vornehmlich die großen Bühnen in Braunschweig und Hamburg.611 Was speziell die Braunschweiger Verhältnisse anbelangt, so läßt sich allein anhand der Braunschweiger ,Originalproduktionen‘, etwa Heinrich der Vogler (1718/21) und Rudolphus Habspurgicus (1723), der Einfluß der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft – von Hofhistoriographie und Reichshistorie – aufzeigen: In den Libretti beider bzw. der drei Opern, d. h. insbesondere in den ausladenden, zu eigenständigen historischen Studien tendierenden Vorberichten, haben sich unübersehbar die philologisch-kritische Methode und die entsprechenden historiographischen Diskurse der Zeit niedergeschlagen. Zwar weisen auch schon frühere Bühnendichtungen, nicht zuletzt die Dramen Gryphius’ und Lohensteins und auch verschiedene Hamburger Libretti seit Christian Heinrich Postel, in den Paratexten umfangreiche, penibel dokumentierende Anmerkungsapparate und gelehrte Diskurse, „Thesauren der Geschichte“, auf,612 doch scheint in den vorliegenden Abhandlungen geradezu ein Dialog mit der aktuellen Forschung (und der älteren Historiographie) geführt zu werden – man denke nur an Johann Ulrich Königs beständige Zitation von Gundlings Studie über Heinrich I., die Hinweise auf die entsprechenden Quelleneditionen etwa in Leibniz’ Scriptores, ebenso die Ausführungen zu Diplomatik, Numismatik und Sphragistik der Zeit Heinrichs I. mit dem detailgetreuen Abdruck von Heinrichs Signatur und Siegel (nach Vorlagen bei

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Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 182. Uwe Neddermeyer hat darauf hingewiesen, daß mit Blick auf die Zahl der Quellenausgaben zur mittelalterlichen Geschichte „ein erster Höhepunkt [...] überraschend eindeutig vor der Mitte des 18. Jahrhunderts [liegt]“ (Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 186f.). Die von Neddermeyer erstellte „Übersicht IV“ (S. 243) läßt einen deutlichen Anstieg der publizierten Darstellungen zur mittelalterlichen deutschen Geschichte bzw. zur germanischen Vorzeit speziell in den 1720er Jahren erkennen. Bezeichnenderweise sind vergleichbare Tendenzen für Wien und München, die großen Opernzentren im Süden des Reiches, nicht (bzw. nicht in diesem Umfang) auszumachen (vgl. die entsprechenden systematischen Übersichten des Opernkatalogs in Anhang A). Dirk Niefanger, Geschichtsdrama der Frühen Neuzeit, S. 197–203. – Wie denn die Barockliteratur generell zu einer umfassenden Dokumentation – qua Anmerkungen und Zitaten – der „in den Texten selbst verarbeiteten mythologischen, geographischen, historischen, genealogischen, philologischen Gelehrsamkeit“ neigt: Wilfried Barner, Barockrhetorik. Untersuchungen zu ihren geschichtlichen Grundlagen. 2., unveränd. Auflage, Tübingen 2002, S. 221. Für die norddeutsche Librettistik könnte Christian Heinrich Postel als einer der ersten Autoren, vielleicht in Anlehnung an Lohensteins und Zesens Kommentarpraxis, die Tradition der gelehrten Vorreden begründet haben (vgl. dazu Eberhard Haufe, Die Behandlung der antiken Mythologie, S. 227–231).

266 Gundling und Heineccius) im Vorwort zur ersten Heinrich-Oper; dasselbe gilt für Johann Samuel Müllers Vorrede zu Rudolphus Habspurgicus mit einem schier überbordenden Anmerkungsteil und vorsichtig abwägender historischkritischer Argumentation. Und auch die Opernhandlungen der genannten Werke selbst, die freilich insgesamt den Bühnenkonventionen und ästhetischen Paradigmen des frühen 18. Jahrhunderts verpflichtet sind, lassen hin und wieder entweder unmittelbar aus den (edierten) Quellen oder den entsprechenden historiographischen Studien übernommene historische Signaturen erkennen, die dem Sujet seine je eigene Historizität – die freilich keine historistische ist – verleihen, und scheinen sich auf diese Weise einzureihen in den Prozeß einer „Art Früh-,Historisierung‘ fast aller [(juristisch-)wissenschaftlichen, d. V.] Disziplinen“.613 Die Berührungspunkte der beiden Autoren König und Müller mit der ,avantgardistischen‘ geschichtswissenschaftlichen Forschung sind dabei in unterschiedlicher Weise zu erschließen: Während bei Johann Ulrich König keine eindeutig nachprüfbaren Informationen über seinen Bildungsweg im einzelnen und ein mögliches Studium (in Tübingen?) vorliegen und insofern auch eine autodidaktische Aneignung historisch-juristisch-wissenschaftlicher Techniken und Kenntnisse nicht auszuschließen ist, hat Johann Samuel Müller offensichtlich die einschlägigen Studien absolviert: Er studierte ab 1719 bei Simon Friedrich Hahn in Helmstedt, einem Schüler Johann Peter von Ludewigs, und vielleicht auch in den frühen 1720er Jahren an der Leipziger Universität Reichsstaatsrecht und Historie.614 Auf die Beziehungen eines weiteren Braunschweiger Librettisten, Johann Ernst Beims’, zur Universität Helmstedt und dessen Ausbildung ebenfalls in den historischen Wissenschaften wurde bereits hingewiesen.615 Die nachhaltige Hinwendung zur eigenen Historie in der deutschen Geschichtswissenschaft des frühen 18. Jahrhunderts, zu Reichs-, Territorialund Regionalgeschichte(n) des ,Mittelalters‘, hat demnach auch in der zeitgenössischen norddeutschen Librettistik ihre Wirkung entfalten können – nicht zuletzt über die enge Verzahnung des Gelehrtensystems der Frühaufklärung mit der Opernpraxis/Librettistik der Zeit, mit anderen Worten: über die Institution des ,Gelehrten-Librettisten‘.616 Die Interferenzen zwischen aktuellem Wissenschafts- und Operndiskurs führten zu einer Präsentation der eigenen – nationalen, dynastischen oder landesgeschichtlichen – Vorzeit auf der Opernbühne, die mit den Interessen fürstlicher oder obrigkeitlicher Memorialkultur konvergierte und den politischen Repräsentationsbemühungen der jeweiligen Eliten und Autoritäten verpflichtet war. Historie und Oper vereinte somit beides: die ,Entdeckung‘ oder vielmehr Erschließung des ,Mittelalters‘ und die Funktion eines instrumentum regni.

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Karl Otmar Freiherr von Aretin u. Notker Hammerstein, Reich, IV. Frühe Neuzeit, S. 478. Vgl. Gabriel Wilhelm Götten, Das Jetztlebende Gelehrte Europa, Bd. 1, S. 75–77. S. o. S. 232f. Anm. 517. Zur zeittypischen Symbiose von Gelehrten- und Literatentum vgl. Wilfried Barner, Barockrhetorik, S. 220–238.

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2.3 Hamburg Wie in Braunschweig-Wolfenbüttel ist auch in Hamburg der Sujetbereich ,zentraleuropäisches Mittelalter (800–1500)‘ auffallend zahlreich vertreten. Während jedoch die 15 Braunschweiger Opern dieser Gruppe sämtlich als ,dynastische Mittelalteropern‘ zu charakterisieren waren, ist angesichts der Hamburger Verhältnisse, d. h. der politischen wie sozialhistorischen Situierung der Gänsemarkt-Oper, eine Differenzierung dieser Zuordnung zu erwägen. Zwar zeigte sich auch die Bühne des an der Wende zum 18. Jahrhundert kulturell und ökonomisch blühenden Hamburg617 beeinflußt von Elementen höfischer Repräsentation und Festkultur; da sie letztlich aber von der Oberschicht der Reichs- und Hansestadt618 (zu der freilich auch in der Stadt ansässige Adlige und auswärtige Residenten zu zählen sind) getragen und unter den Bedingungen des unabhängigen Impresariats geführt wurde, stand sie prinzipiell nicht unter dem unmittelbaren Einfluß eines einzigen fürstlichen Hauses und dessen Regentschaft. Vielmehr wurde die institutionalisierte Oper als „Repräsentationsorgan [sowohl] der Stadt gegenüber auswärtigen Potentaten“ und insbesondere dem kaiserlichen Stadtoberhaupt als auch „von fürstlichen Gesandtschaften gegenüber der Stadt und den umliegenden Fürstenhöfen“ genutzt.619 Angesichts dieser Polyfunktionalität und „gänzlich unhöfische[n] Disponibilität der Ham-

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„Um 1700 war Hamburg zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum geworden, das innerhalb Deutschlands keine Konkurrenz besaß und den Vergleich mit so großen Städten wie London und Amsterdam ohne weiteres aushielt“: Joachim Whaley, Religiöse Toleranz und sozialer Wandel in Hamburg 1529–1819, Hamburg 1992 (Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs 18), S. 23f. Durch ein Urteil des Reichskammergerichts war Hamburg 1618 offiziell der Status der Reichsunmittelbarkeit zuerkannt worden. „Damit genoß es die ständischen Privilegien aus dem Westfälischen Frieden und besonders das Recht auf selbständige Beziehungen zu allen Staaten, soweit diese Beziehungen nicht reichsfeindlichen Charakter trugen. Allerdings wurde seine Stellung als Freie Reichsstadt vom dänischen König bestritten, der als Herzog von Holstein die Hoheit über Hamburg beanspruchte. Zu einer tatsächlichen Unterordnung der Hamburger Politik unter Dänemark hat dieser Anspruch aber im 18. Jahrhundert nicht mehr geführt, und im Gottorper Vergleich von 1768 ist er schließlich ganz aufgegeben worden“ (Rainer Ramcke, Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert. Kaiserlich-reichsstädtisches Verhältnis im Zeichen von Handels- und Finanzinteressen, Hamburg 1969 [Beiträge zur Geschichte Hamburgs 3], S. 3). Reinhart Meyer, Die Hamburger Oper 1678–1730. Einführung und Kommentar zur dreibändigen Textsammlung, Millwood 1984 (Die Hamburger Oper, Bd. 4), S. 57. – „Alle europäischen und deutschen Mächte, die im diplomatischen Verkehr eine Rolle spielten, waren in Hamburg vertreten, in der Regel durch einen Residenten – Frankreich, Schweden, England, Dänemark, Holland und Spanien, nicht anders Brandenburg und Sachsen, schließlich auch der Kaiser, der die Hochburg des norddeutschen Protestantismus auffallend lange gemieden hatte, dazu manches deutsche Klein- und Mittelterritorium. Als Zar Peter der Große Anfang des 18. Jahrhunderts daranging, in Westeuropa diplomatische Vertretungen zu errichten, fand sich Hamburg unter den ersten Städten, in die ein russischer Resident einzog“: Heinz Schilling, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648–1763, Berlin 1989, S. 154.

268 burger Oper“620 ergeben sich mithin auch Konsequenzen für das spezifische Erscheinungsbild des mit der Hannoveraner und Braunschweiger ,dynastischen Mittelalteroper‘ vergleichbaren Operntypus. Von daher scheint es sinnvoll, mit Blick auf die vorliegenden 17 Hamburger Opern621 drei Kategorien zu unterscheiden, die die wechselnden politischen Funktionalisierungen, intendierten obrigkeitlichen Strategien und Einflußnahmen seitens der Produzenten verdeutlichen können: (1) ,Kaiseropern‘ (2) ,Stadtgeschichtliche Opern‘ (3) ,Dynastische Mittelalteropern‘ (im eigentlichen Sinne)

Als ,Kaiseropern‘622 sind diejenigen Bühnenwerke zu bezeichnen, die entweder dem regierenden Kaiser anläßlich eines konkreten (Fest-)Ereignisses als Stadtoberhaupt huldigen und Hamburg dadurch als prominentes Glied der „Reichsfeiergemeinschaft“623 etablieren oder aber allgemein die Taten eines römischdeutschen Kaisers des ,Mittelalters‘ auf dem Theater präsentieren. Während im ersten Fall im Zeichen des Herrscherlobes ein konkreter Bezug zwischen der Gegenwart und der dargestellten Vergangenheit bzw. der mittelalterlichen Reichsgeschichte als Geschichte auch der Institution des Reichsoberhauptes, zwischen dem regierenden Kaiser und seinem jeweiligen Amtsvorgänger, hergestellt und expliziert wird, fehlen im zweiten Fall die Anlaßbezogenheit und die spezifischen panegyrischen Implikationen. Die Präsentation mag dann mit Blick auf das Hamburger, im Kern reichsstädtische Publikum generell mit Tendenzen einer – nicht zuletzt im Zuge der Türkenkriege und der Konflikte mit Frankreich erstarkten – reichspatriotischen oder nationalen,624 im Fall der

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Reinhart Meyer, Die Hamburger Oper 1678–1730. Einführung und Kommentar, S. 57. Vgl. o. S. 58 Anm. 233. *Der Tapffere Kayser Carolus Magnus, Und Dessen Erste Gemahlin Hermingardis, 1692; *Philippus, Hertzog zu Mayland = Beatrix, 1702; *Desiderius, K nig der Longobarden, 1709; (*Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V., 1712); Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / Nachmahls Erwehlter Teutscher Kayser, 1719; *Bretislaus, Oder Die siegende Best ndigkeit, 1725; Otto, 1726; Adelheid, 1727; *Die Last-tragende Liebe / Oder Emma und Eginhard, 1728; Judith, Gemahlin K yser Ludewigs des Frommen; Oder Die Siegende Unschuld, 1732 (originär Hamburger Produktionen sind hier wie im folgenden mit Asterisk markiert). Hans Joachim Berbig, Kaisertum und Reichsstadt. Eine Studie zum dynastischen Patriotismus der Reichsstädte nach dem Westfälischen Frieden bis zum Untergang des Reiches, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 58 (1971), S. 211–286, hier S. 282. Speziell zu den Hamburger Verhältnissen s. Joachim Whaley, Religiöse Toleranz und sozialer Wandel, S. 203–209 sowie – insbesondere mit Blick auf das Musiktheater – Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 45–48. Zum „mächtigen Aufschwung des Reichspatriotismus am Ende des 17. Jahrhunderts“, zur „Reichs-Euphorie“ zwischen 1683 und 1740 s. Michael Stolleis, Reichspublizistik und Reichspatriotismus vom 16. zum 18. Jahrhundert, in: Günter Birtsch (Hg.), Patriotismus, Hamburg 1991 (Aufklärung 4,2), S. 7–23, hier S. 16f., sowie Karl Otmar Freiherr von Aretin, Reichspatriotismus, in: Günter Birtsch (Hg.), Patriotismus, S. 25–36, hier S. 25f.: „Und doch hat es Zeiten gegeben, in denen sich das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Deutschen übermächtig dokumentierte. Die Türkenkriege mit der Befreiung Wiens 1683

269 Opern über Karl den Großen auch dezidiert städtisch-regionalen Erinnerungskultur in Verbindung zu bringen sein. Hinsichtlich der erstgenannten Fest- und Huldigungsopern muß noch ergänzt werden, daß der Terminus ,Kaiseroper‘ im weiteren Sinne neben den reichsgeschichtlichen auch antik-römische und oströmische Sujets umfaßt, sahen sich die Habsburger Kaiser im Zeichen der zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch verbreiteten625 und von ihnen selbst propagierten Kaiser- und Reichsideologie doch insbesondere als Herrscher über das vierte und letzte Weltreich und in der Kontinuität der römischen Imperatoren. Mit der ,Veroperung‘ entsprechender Sujets wie Ancile Romanum (1690), Der Tempel des Janus (1698), Heraclius (1712), Trajanus (1717) oder La clemenza di Tito (1745) zollten die Hamburger Autoritäten demnach dem universalen Herrschaftsanspruch und dem favorisierten „Kaiserstil“626 der Habsburger Stadtherren ihren Tribut. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß es speziell bei denjenigen Opern, die von auswärtigen Bühnen übernommen wurden (dies betrifft ausschließlich die nicht an einen konkreten Anlaß gebundenen ,Kaiseropern‘), zu einer Verschiebung der Rezeptionsperspektive kommen kann in der Weise, daß die ursprüngliche Funktionalisierung vernachlässigt oder ganz aufgegeben wird und statt dessen das Kaiserthema an Bedeutung gewinnt: Gemeint sind in diesem Zusammenhang etwa die Opern Heinrich der Vogler (1719)627 oder Otto (1726),628 wo die früheren, auf das Welfenhaus und den englischen

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und die Siege Prinz Eugens ließen eine Einheit zwischen Kaiser und Reich entstehen. Es war die Zeit, in der der Reichspatriotismus am eindeutigsten seit der Reformation auf den Kaiser in Wien ausgerichtet war. Das Lied vom Prinz Eugen dem edlen Ritter ging durch ganz Deutschland. Die Habsburger hatten das Kaisertum aus dem Tal des Westfälischen Friedens herausgeführt. Sie hatten die doppelte Bedrohung des Reiches durch Ludwig XIV. und das Osmanische Reich abgewehrt.“ Weiterhin Rudolf Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus (1648–1763), Göttingen 1978 (Deutsche Geschichte 6), S. 152: „Es gab [bei den Reichsständen] Regungen des Reichspatriotismus und der nationalen Empörung, z. B. bei der Besetzung Straßburgs durch die Franzosen 1681, und die Erinnerung an eine große Vergangenheit wie das Bewußtsein einer nationalen Kultur verstärkten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts. Politische Konsequenzen jedoch in dem Sinne, daß Rücksicht auf nationale ,Interessen‘ genommen oder gar nationale Ziele zur Richtschnur der Politik gemacht wurden, lagen noch außerhalb der deutschen Realität. Die Reichsstände waren am Dezentralismus des Reiches und an weitestgehender Unabhängigkeit interessiert.“ Vor allem im (katholischen) Süden des Reiches und in den habsburgischen Territorien wurde z. T. bis weit ins 18. Jahrhundert an der Kontinuität zwischen Römischem und Heiligem Römischen Reich Deutscher Nation festgehalten. Vgl. Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 78, 91f., 94. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. XI et passim. Siehe dazu o. S. 190–192. OTTO, in einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1726 (D-Hs, 252 in MS 639/3:17). – Das in den Jahren 1727 u. 1729 wiederholte Pasticcio basiert auf Händels Ottone (1723). Es läßt keinerlei Verbindung zu den Braunschweiger Adaptationen der Jahre 1723 u. 1725 erkennen (vgl. o. S. 213–217). Die deutsche Übersetzung und Bearbeitung der Rezitative hat Johann Georg Glauche besorgt (Arien, Duette, ein Accompagnato und der Schlußchor wurden in italienischer Sprache – mit paralleler deutscher Übersetzung – beibehalten), während Telemann die deutschen Rezitative und 10

270 König bezogenen politisch-dynastischen Implikationen der Vorlagen offensichtlich keine Rolle mehr spielen. Die ,stadtgeschichtlichen Opern‘629 stellen demgegenüber die Historie der urbanen Gemeinschaft und deren vortreffliche Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart ins Zentrum ihrer Darstellung. Es sind letztlich vornehmlich die Doppeloper St rtebecker (1701) und die Oper Mistevojus (1726), die sich als originär Hamburger Produktionen explizit auf Episoden der städtischen Vorzeit beziehen und das auf die großen Taten vergangener Zeiten wie das blühende Hier und Jetzt gegründete ,republikanische‘ Selbstbewußtsein der Reichs- und Hansestadt von der Bühne herab demonstrieren. Das solcherart entworfene Städtelob erscheint dann als Äquivalent zum Herrscherlob – etwa der ,Kaiseropern‘ – und mag mitunter die Autonomiebestrebungen der städtischen Führungsschicht verdeutlichen. Auf jeden Fall aber stützt es die eigene, spezifische Identität der städtischen Kommune und ihrer Autoritäten und transportiert deren „urbane Wertideologie“.630 Schließlich kommen die (genuin) ,dynastischen Mittelalteropern‘631 dem in Hannover und insbesondere Braunschweig verbreiteten Typus am nächsten. Zuweilen verwandeln sie die Bühne der Gänsemarkt-Oper in eine Huldigungsstätte für einen auswärtigen Monarchen und dessen Dynastie und etablieren so nachhaltig die Aura des Hoftheaters. Hierzu sind zuvorderst die heimischen Produktionen Victor (1702) und Carolus V. (1712) zu rechnen, ebenso die sehr wahrscheinlich nicht zur Aufführung gelangte Produktion Thassilo (1701). Weiterhin wären dann auch die beiden Übernahmen aus London und Hannover, Der Mißlungene Braut-Wechsel (1729) und Hertzog Henrich der L we (1696), zu nennen. Gerade bei diesen ,Opernimporten‘ ist jedoch wiederum eine Verschiebung des Rezeptionshorizonts zu konstatieren, insofern die vormalige Funktionalisierung (d. h. die Glorifizierung einer bestimmten Dynastie) offenbar verblaßt ist zugunsten einer Adaptation der Vorlage an die jeweiligen Interessen und die Perspektive des heimischen Publikums. So wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Titelheld der nach ihm benannten Oper Hertzog

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italienische Arien – z. T. nach Händels Texten – neu vertont hat. Ferner wurden zwei Arien von Fortunato Chelleri („Non sarà poco“) und Leonardo Vinci („Non vi piacque ingiusti Dei“) eingelegt (vgl. Walter Schulze, Die Quellen der Hamburger Oper, S. 97 u. 124f.; Reinhard Strohm, Italienische Opernarien des frühen Settecento, Bd. 2, S. 279; Winton Dean u. John Merrill Knapp, Handel’s Operas, S. 443f. u. 450). Offenbar liegen Glauches und Telemanns Bearbeitung Pallavicinos Textbuch der Dresdener Urfassung Teofane und John Walshs Londoner Partiturdruck des Ottone (1723) als direkte Quellen zugrunde (so Winton Dean u. John Merrill Knapp, Handel’s Operas, S. 443). *St rtebecker und J dge Michaels Erster Theil, 1701; *St rtebecker und J dge Michaels / Zweyter Theil, 1701; *Mistevojus, 1726. Erich Kleinschmidt, Textstädte – Stadtbeschreibung im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Wolfgang Behringer und Bernd Roeck (Hgg.), Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400– 1800, München 1999, S. 73–80, hier S. 73. (Hertzog Henrich der L we, 1696); *Thassilo, 1701 (nicht aufgeführt); *Victor Hertzog der Normannen, 1702; *Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V., 1712; (Der Mißlungene Braut-Wechsel / Oder Richardus I., K nig von England, 1729).

271 Henrich der L we im Personenverzeichnis des Hamburger Librettos ohne Bezeichnung seines Herrschaftsbereichs (zu Sachsen und B yern) aufgeführt wird, jetzt folglich das in Hannover und Braunschweig zentrale dynastische Thema an Relevanz verloren zu haben scheint. Ähnlich mag es sich mit der aus London übernommenen ,Krönungsoper‘ für Georg II., Riccardo primo, verhalten; hier könnte nicht zuletzt die Erweiterung des Titels (mit der an erster Stelle positionierten subscriptio, der verallgemeinernden, auf die zentrale Intrige weisenden Kurzbeschreibung des Sujets: Der Mißlungene Braut-Wechsel) eine zunächst auf das historische Exemplum gerichtete Rezeptionsperspektive signalisieren.632 Insgesamt ist allerdings zu bedenken, daß die drei genannten Kategorien nicht immer ganz scharf gegeneinander abzugrenzen sind oder in Reinform vorliegen, sondern sich bisweilen Überschneidungen und Vermischungen der einzelnen Zuordnungen ergeben können: etwa wenn eine ,Kaiseroper‘ zugleich ein Lob der Stadt Hamburg impliziert oder eine ,dynastische Mittelalteroper‘ zugleich als ,Kaiseroper‘ daherkommt, wie im Falle von Carolus V., wo der regierende Kaiser und sein auf der Bühne präsentierter Vorgänger Angehörige ein und derselben Dynastie sind. Im folgenden wird es darum gehen, eine Konkretisierung der Hamburger Ausprägung der ,dynastischen Mittelalteroper‘ (im übergreifenden Sinne), d. h. nun der vorgestellten drei Kategorien, vorzunehmen und im Licht der diskutierten Beispiele aus Hannover und Braunschweig lokale Spefizika, aber auch – zumindest für den norddeutschen Raum – übergreifende Tendenzen im Umgang mit der mittelalterlichen Historie bzw. der eigenen Vorzeit zu eruieren. Für die Untersuchungen kann dabei hinsichtlich des politisch-ideologischen Kontextes einzelner Werke insbesondere an die neuere materialreiche Studie von Dorothea Schröder angeknüpft werden,633 die die Hamburger Festaufführungen unterschiedlichster Gattungen (Opern, Singballette, Serenaten, Prologe, Epiloge) in ihren zeitgenössischen politischen und diplomatischen Verflechtungen und Applikationen zu erfassen sucht. Dort steht freilich das ,Mittelalter‘ als heuristischer Rahmen ebensowenig zur Debatte wie die Frage nach der spezifischen Darstellung der heute so bezeichneten Epoche im Medium der Oper oder nach deren kulturgeschichtlichen Voraussetzungen und Implikationen.

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Vgl. zu Hertzog Henrich der L we o. S. 142f., zu Der Mißlungene Braut-Wechsel / Oder Richardus I., K nig von England o. S. 244 Anm. 547. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Zum barocken Musiktheater in Hamburg s. weiterhin die ältere Arbeit von Hellmuth Christian Wolff, Die Barockoper in Hamburg, sowie die überaus wertvolle Zusammenstellung der bis zum Zweiten Weltkrieg existenten literarischen und musikalischen Überlieferung bei Walter Schulze, Die Quellen der Hamburger Oper. Eine mehrbändige Faksimile-Edition verschiedener Textbücher der Gänsemarkt-Oper (einschließlich eines Kommentars) hat Reinhart Meyer vorgelegt: Die Hamburger Oper. Eine Sammlung von Texten der Hamburger Oper aus der Zeit 1678– 1730. Hg. v. Reinhart Meyer, 4 Bde, München 1980 (Bde 1–3), Millwood 1984 (Bd. 4).

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2.3.1

Die ,Kaiseropern‘

2.3.1.1 Thematische Schwerpunkte: Karl der Große und die Sachsenkaiser. Reichspatriotismus und lokale Erinnerungskultur Von den 10 ,Kaiseropern‘ – einschließlich Carolus V. – sind vier auf einen Kasus bezogen und als Festopern zu bezeichnen: Philippus, Hertzog zu Mayland: ursprünglich vorgesehen zur Feier des Namenstages von Kaiser Leopold I.;634 Desiderius, K nig der Longobarden: zum Geburtstag Kaiser Josephs I.; Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V.: zur Krönung Kaiser Karls VI.; Bretislaus, Oder Die siegende Best ndigkeit: zur Vermählung Karl Friedrichs von Holstein-Gottorf mit Anna Petrowna von Rußland, der Tochter Peters des Großen.635 Sechs Werke sind keinem spezifischen Anlaß

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Als Der Aller-Durchlauchtigste / Großm chtigste und Un(berwindlichste Leopoldus, Erwehlter Rmischer K yser zu allen Zeiten Mehrer des Reichs &c.&c &c. Hoher Nahmens-Tag / einfiele: Anno 1701. den 15. November. Wurde derselbe auf dem Hamburgischen Theatro, mit der neuen Opera, PHILIPPUS, HERTZOG ZU MAYLAND: Aller unterth nigst gefeyret (D-Hs, 34 in MS 640/3:3). – Als ,Schlüssellibretto‘, das zeitgeschichtliche politische Ereignisse im Gewand der Haupt- und Staatsaktionen der historischen Bühnenhandlung alludiert, wurde Philippus zunächst aufgrund kaiserlicher Intervention verboten, da die Oper offensichtlich „im Ergebnis der Realität vorgegriffen hatte“ (Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 113): Die Schutzherrschaft des Heiligen Römischen Reiches bzw. des Hauses Österreich über die Stadt Mailand, auf die das Sujet um Kaiser Sigismund und dessen Inthronisation des ViscontiErben Filippo Maria zum Herzog von Mailand chiffriert Bezug nimmt und die insbesondere im Prolog expliziert wird (Prophetie des Verh ngniß[es]), hatte sich – im Zuge der österreichisch-französischen Auseinandersetzungen des Spanischen Erbfolgekrieges – zum Zeitpunkt der Opernaufführung (15. November 1701) für Kaiser Leopold I. schlichtweg noch nicht realisieren lassen. So erhob nicht nur der kaiserliche Gesandte, sondern auch der Resident Ludwigs XIV. Einspruch gegen die geplante Opernaufführung (vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 117). Ein Jahr später gelangte die Oper (Text von Hinrich Hinsch, Musik [verschollen] von Georg Bronner) dann unter dem Titel Beatrix tatsächlich auf die Bühne – allerdings ohne die ursprünglich vorgesehenen politischen Anspielungen. Mailand konnte freilich erst 1707 unter kaiserliche bzw. österreichische Herrschaft gebracht werden. BRETISLAUS, ODER DIE SIEGENDE BEST NDIGKEIT Auf die Hchst-gl(ckliche Verbindung Seiner Knigl. Hoheit / Des Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Herrn Carl Friederich Erben zu Norwegen / Hertzogen zu Schleßwig / Holstein &c. &c. &c. Mit Der Durchlauchtigsten Rußischen Kayserlichen Prinzeßin Anna Petrowna An Deroselben Hohen Geburhts-Feste Den 27.Jan./7.Febr. Anno 1725. In einem Sing-Spiele / Nebst einer Illumination und einem Feuer-Wercke Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet (D-Hs, 249 in MS 639/3:17). – Bretislaus (Text von Johann Philipp Praetorius, Musik [verschollen] von Reinhard Keiser) ist zwar einerseits Huldigungsoper für das norwegischrussische Brautpaar, Karl Friedrich von Holstein-Gottorf und Anna Petrowna von Rußland; darauf deuten die exponierte Liebesthematik und insbesondere die spiegelbildlich zum Kasus konstruierte Verbindung des böhmischen Prinzen Bretislaus mit der Kaisertochter Jutha (in der Oper unter dem Namen Bellinde), die aufgrund der siegende[n] Best ndigkeit der Titelfigur trotz unüberwindlich scheinender Hürden und Intrigen am Ende gelingt, unverkennbar hin; andererseits läßt die Handlung mit der Situierung der Bühnenvorgänge am mittelalterlichen Hof Kaiser Konrads II. und mit entsprechend pompöser, ,imperialer‘

273 zuzuordnen und können mithin als Repertoirestücke gelten. Das thematische Spektrum scheint auf den ersten Blick eher divergent, läßt aber bei genauerer Betrachtung gewisse Sujetcluster erkennen. So stehen im Zentrum dreier Opern Herrschergestalten des ottonischen Königshauses, dessen Memoria von jeher eng mit dem an Hamburg unmittelbar angrenzenden (nieder)sächsischen Raum verbunden war: Es sind dies die Übernahmen aus Braunschweig und London, Heinrich der Vogler und Otto, sowie Telemanns Produktion Adelheid,636 deren Text letztlich auf Pietro Dolfinos Libretto L’Adelaide (Venedig 1672) rekurriert, vermittelt über Johann Christian Hallmanns deutsche Übersetzung bzw. Bearbeitung Adelheide (Breslau 1684).637 Auf die reichspatriotischen Implikationen speziell der ehemals Braunschweiger Oper Heinrich der Vogler wurde bereits hingewiesen,638 für Otto und Adelheid, die die Italienzüge Ottos I. und Ottos II. thematisieren, dürften sie in ähnlicher Weise zu vermuten sein. Zumindest Kaiser Otto I. kommt im reichsgeschichtlichen Diskurs des frühen 18. Jahrhunderts eine herausragende Bedeutung zu, gilt seine Zeit der deutschen Reichspublizistik in der Tradition der Hallenser Schule seit Gundling doch „als Markstein der Gesch[ichte] des Hl. Röm. Reichs“,639 als „eine der hervorragendsten Epochen mittelalterlicher Geschichte“, die „den Kaiser trotz vieler politischer Widrigkeiten als unumstrittenen Herrn in Deutschland und in Italien“ sieht.640 In Zedlers Lexikon heißt es über Otto I., er sei nach Carln dem Grossen einer von den gr sten, m chtigsten und tapffersten Kaysern gewesen.641 Ganz analog eröffnet Simon Friedrich Hahn das Kapitel über Otto I. in seiner Teutschen Staats-, Reichs- und Kayser-Historie: Die meisten Scribenten erheben diesen Monarchen mit vielen Lob-Spr)chen bis an den Himmel. Sie r)hmen ihn [...] wegen der ausserordentlichen Macht und der gantz besonderen Ehr-Furcht bey allen, auch weit entfernten und Barbarischen V lckern. Sie loben ihn wegen der grossen Liebe zu Sprachen, zu allerhand Wissenschafften, und bekennen freym)thig, daß Teutschland unter allen Regenten nach Caroli M. Zeiten nie seines gleichen gehabt.642

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Szenerie das Kaiserthema augenfällig hervortreten (so etwa in der Eröffnungsszene mit dem Triumphzug des Kaisers und der Vedute der K yserl. Burg [...] im Prospecte). ADELHEID, In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1727 (D-Hs, 267 in MS 639/3:18). – Laut Brockpähler, Handbuch zur Geschichte der Barockoper, S. 65 wurde Adelheid (Librettist bzw. Bearbeiter des Textes unbekannt) bereits im Jahre 1725 am Bayreuther Hof aufgeführt. Telemann unterhielt offenbar seit 1723 Beziehungen nach Bayreuth und wurde „spätestens 1726“ zum „Bayreuther Kapellmeister von Haus aus“ ernannt (ebd., S. 60). Dazu Hellmuth Christian Wolff, Die Barockoper in Hamburg, Bd. 1, S. 58–60, sowie Bernhard Jahn, ,L’Adelaide‘ und ,L’Heraclio‘ in Venedig, Breslau und Hamburg. S. o. S. 190–192. Notker Hammerstein, Jus und Historie, S. 260 Anm. 216. Ebd., S. 260. Universal-Lexicon, Bd. 25 (1740), Sp. 2390–2394, hier Sp. 2394. Simon Friedrich Hahn, Vollst ndige Einleitung zu der Teutschen Staats-, Reichs- und Kayser-Historie, Bd. 2 (1721), S. 44f.

274 Vier weitere Opern präsentieren karolingische Kaiser und mit ihnen assoziierte historische oder sagenhafte Ereignisse: Der Tapffere Kayser Carolus Magnus, Desiderius, K nig der Longobarden, Emma und Eginhard und Judith, Gemahlin K yser Ludewigs des Frommen.643 Allein drei dieser KarolingerOpern kreisen um die Gestalt Karls des Großen. Das hier greifbare Interesse an Karls Person dürfte – in der Sicht des reichsstädtischen Opernpublikums des frühen 18. Jahrhunderts – einerseits aus seiner herausragenden historischpolitischen Position als erster Kaiser des erneuerten, nun Heiligen Römischen Reiches resultieren, wie schon die soeben zitierten Ausführungen bei Zedler und Hahn andeutungsweise erkennen ließen,644 andererseits scheint es auch und gerade auf die ihm im urbanen Gründungsmythos zugeschriebene Rolle des Erbauers der Stadt Hamburg und damit verbundene lokale Erinnerungstraditionen zurückzuführen sein. Ferner mag man Karls in Hamburg, einem Zentrum der lutherischen Orthodoxie, auch als Stifters und Vorkämpfers des christlichen Glaubens im norddeutsch-sächsischen Raum gedacht haben.645 Die 1692 aufgeführte erste Hamburger Karlsoper Der Tapffere Kayser Carolus Magnus,646 die möglicherweise unter dem Eindruck des kurz zuvor in Hannover fulminant inszenierten Henrico Leone die Geschicke des karolingischen Stadtgründers und somit – in der Perspektive der urbanen Gemein-

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JUDITH, GEMAHLIN K YSER LUDEWIGS DES FROMMEN; ODER DIE SIEGENDE UNSCHULD, In einer Opera Auf Dem Hamburgischen Schau-Platze Ao. 1732. vorgestellet (D-Hs, 99b in MS 640/3:9). Wie die Braunschweiger Produktion L’innocenza difesa (1731, s. o. S. 228–230) rekurriert auch diese Produktion auf Silvanis Libretto L’innocenza giustificata (zuerst Venedig 1699) in der Vertonung Fortunato Chelleris (L’innocenza difesa, zuerst Venedig 1722). Die deutsche Übersetzung bzw. Bearbeitung der Vorlage hat Johann Georg Hamann besorgt, während Telemann die deutschen Rezitative sowie drei deutsche Arien komponiert hat. Abgesehen von drei Einlagen aus Händels Lotario entstammen die italienischen Arien sämtlich Chelleris Vertonung (vgl. Walter Schulze, Die Quellen der Hamburger Oper, S. 99f.; Reinhard Strohm, Italienische Opernarien des frühen Settecento, Bd. 2, S. 158). In der Vorrede zum ersten Band seiner Teutschen Staats-, Reichs- und Kayser-Historie begründet Hahn den Beginn seiner Darstellung mit Karl dem Großen folgendermaßen: Endlich darff sich niemand wundern, daß ich meine Erzehlung allererst von Carolo M. angehoben, ohne auf die ltern Zeiten hinauf zu steigen; Denn ich schreibe ja keine Historie des Teutschen Volcks, sondern der Teutschen K yser, der Teutschen K nige, mit einem Worte, des Teutschen Reichs, welches unter Caroli Regierung ohnstreitig zu seiner v lligen Gr sse kommen, und eine gantz neue Gestalt gewonnen (Bd. 1 [1721], Vorrede [ohne Paginierung]). „Späterhin wurden Karls Leistungen für Kirche und Religion von beiden Konfessionen gleichermaßen gewürdigt. Höchste Anerkennung fand die Bekehrung der Heiden. [...] Die evangelische Seite nahm ihn in einigen Fällen gar als Vorläufer der Reformation in Anspruch“: Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie, S. 204. Dazu im einzelnen Arno Borst, Das Karlsbild in der Geschichtswissenschaft vom Humanismus bis heute, in: Wolfgang Braunfels (Hg.), Karl der Große. Lebenswelt und Nachleben, 5 Bde, Düsseldorf 1965–1968, Bd. 4 (1967): Das Nachleben (hg. v. Wolfgang Braunfels u. Percy Ernst Schramm), S. 364–402, hier S. 372ff. DER TAPFFERE KAYSER CAROLUS MAGNUS, UND DESSEN ERSTE GEMAHLIN HERMINGARDIS In einem Sing-Spiel vorgestellet [1692] (D-Hs, 21 in MS 640/3:2). Text von Christian Heinrich Postel, Musik [verschollen] von Johann Georg Conradi.

275 schaft – eigenen Heroen auf die Bühne bringt, greift zunächst den historischen Konflikt und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Karl und dem letzten Langobardenkönig Desiderius auf (773/774), stellt aber dann, nach Karls Sieg, das fiktive Liebesthema ins Zentrum der Bühnenhandlung: Das durch Desiderius’ Unterwerfung etablierte Freundschaftsverhältnis zwischen den früheren Gegnern wird letztlich in der Verbindung Karls mit Desiderius’ Tochter Hermingardis besiegelt, nachdem Karl auch in Liebesdingen den Sieg davongetragen und sich erfolgreich gegen die amourösen Konkurrenzen seiner eigenen Gefolgsleute Formidor und Rinaldus durchgesetzt hat, deren Ambitionen in andere Richtungen gelenkt werden. In gänzlich anderer Weise, mit dezidiert zeitgeschichtlich-politischen Allusionen, die vom zeitgenössischen Rezipienten zu dechiffrieren waren, wird der Desiderius-Stoff in der 1709 erschienenen Festoper Desiderius, K nig der Longobarden präsentiert. Darauf wird gleich im Detail zurückzukommen sein. Zuvor soll der Blick noch auf das sagenhafte Sujet Emma und Eginhard gelenkt werden,647 das wiederum etwa 20 Jahre später, im Jahr 1728, auf die Bühne der Gänsemarkt-Oper gelangte. Den Kern der Handlung bildet die illegitime Liebesgeschichte zwischen Emma, einer fiktiven Tochter Karls des Großen, und Eginhard, des Keysers Geheimschreiber, die das in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts niedergeschriebene Chronicon Laureshamense648 in ihrer frühesten erhaltenen literarischen Gestalt überliefert.649 Den historischen Bezugsrahmen der Sage mögen die offenbar nur „informellen Verbindungen“ verschiedener Töchter Karls des Großen „wie Rotruds, die mit dem neustrischen Grafen Rorico einen Sohn Ludwig hatte, oder Berthas, die dem Hofkapellan Angilbert, zugleich Abt von Saint-Riquier, die Söhne Nithard und Hardnit schenkte“, geliefert haben.650 „Jedenfalls scheint der strenge Alkuin Grund gehabt zu haben, einen seiner Schüler brieflich zu warnen vor den ,gekrönten Tauben, die durch die Räume des Palastes flattern‘, und Karls Cousine Gundrada wurde später eigens nachgerühmt, ,inmitten der glühenden Liebschaften am Hofe und umgeben von männlicher Jugend und Schönheit‘ ihre Tugend bewahrt zu haben.“651 Als direkte Vorlagen nennt das Vorwort des

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DIE LAST-TRAGENDE LIEBE / ODER EMMA UND EGINHARD, in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze Anno 1728. aufgef(hret (D-Hs, 88 in MS 640/3:8) [ohne Paginierung]. Text von Christoph Gottlieb Wend, Musik von Georg Philipp Telemann. Eine Edition der Oper liegt jetzt im Rahmen der Telemann-Auswahlausgabe vor: Georg Philipp Telemann, Die Last-tragende Liebe oder Emma und Eginhard. Singspiel in drei Akten nach einem Libretto von Christoph Gottlieb Wend TWV 21:25. Hg. v. Wolfgang Hirschmann, Kassel [usw.] 2000 (Georg Philipp Telemann, Musikalische Werke 37). Codex Laureshamensis, 3 Bde, hg. v. Karl Glöckner, Darmstadt 1929–1936, Bd. 1: Einleitung, Regesten, Chronik, bearb. u. neu hg. v. Karl Glöckner (1929). Ebd., S. 297–299. – Zur Stoffgeschichte vgl. Heinrich May, Die Behandlungen der Sage von Eginhard und Emma, Berlin 1900 (Forschungen zur neueren Litteraturgeschichte 16). Rudolf Schieffer, Die Karolinger, S. 90. Möglicherweise ist speziell jene Beziehung zwischen Bertha und Angilbert konkreter Ansatzpunkt der Sagenbildung gewesen (vgl. Heinrich May, Die Behandlungen der Sage von Eginhard und Emma, S. 5). Rudolf Schieffer, Die Karolinger, S. 90.

276 Hamburger Librettos Jacob Cats’ Bearbeitung des Sagenstoffes in dessen Lehrgedicht Trou-Ringh (1637), Mandragende Maeght, sowie Hofmannswaldaus Helden-Briefe (1679/80),652 wo Emma und Eginhard die Reihe der (pseudo-) historischen Liebes- und Briefstellerpaare eröffnen. Die Schlüsselszene des Sujets wird am Ende des zweiten Aktes (II, 14) im Rahmen einer für die Hamburger Bühne nicht untypischen witzig-skurrilen Konstellation präsentiert, als der vom nächtlichen Trinkgelage heimkehrende Steffen, des Keysers kurtzweiliger Rath, Zeuge wird, wie Emma in ihrem Nacht-Habite und mit einer Blend-Laterne in der Hand den Eginhard )ber den Schloß-Platz trägt (um dem frischen Schnee keine verräterischen Spuren des Geliebten wie des nächtlichen Beisammenseins preiszugeben) – während der schlaflose Kaiser Carolus den unglaublichen Vorgang von der Aachener Palastgallerie aus beobachtet. Am Ende der Oper, nach überstandenem Schrecken (Entdeckung des heimlichen Liebesverhältnisses, Verurteilung und Begnadigung der Liebenden) und im Licht der nun von allerhöchster Stelle großmütig sanktionierten Verbindung Emmas mit Eginhard, wird Steffen die von ihm erwählte Barbara ebenfalls auff seinem R)cken getragen bringen (III, 12) und damit die frühere Schlüsselszene in komischer Spiegelung, in der jetzt gleichsam gedoppelten und zugleich ,richtigen‘, d. h. zurückgenommenen Verkehrung der Geschlechterrollen parodieren: Dieweil dem K yser nicht gef llt / | Daß Weiber M nner tragen sollen / | So spiel’ ich die verkehrte Welt | Und habe meine Braut getragen bringen wollen; | Doch siehe da! | Ist alles doch gepaart / | Die Emma hat den Eginhard, | Den Heswin f)hrt die Hildegard, | So werden hoffentlich wir beyde, | Ich und die Barbara, | Nicht ausgeschlossen seyn. Auf die reichspatriotischen wie lokalgeschichtlichen Konnotationen des Sujets, d. h. auf die exzeptionelle Rolle Karls des Großen in der Reichsgeschichte und speziell seine Beziehung zur Stadt Hamburg, wie oben angedeutet, weist das Vorwort des Librettos, das mit Zuschrifft überschrieben ist und sich als apologetischer Brief der personifizierten Hamburger Oper an ihren Liebhaber, den zeitgenössischen Rezipienten, geriert, ausdrücklich hin. Zu Beginn der auf die vorliegende Piéce bezogenen Inhaltsangabe heißt es dort: CArl, der Grosse / Erster R mischer Keyser Teutscher Nation / ein Ueberwinder von mehr als dreyssig V lckern / und sonderlich denen Kriegerischen Sachsen / welche ihm am meisten zu schaffen gemacht / ein and chtiger / frommer / großm)thiger und g)tiger Printz / ein Fortpflantzer des Christenthums / der Erbauer der Stadt Hamburg und unzehlig andrer Oerther mehr / mit einem Worte / der l blichste Monarche / so jemahls den Scepter gef)hret / erlebte gleichwohl nicht an seinen vielen Kindern und insonderheit an seinen T chtern die gew)nschte Freude / ungeachtet er es bey ihnen an guter Aufferziehung nicht fehlen lassen und sie zu N hen / Spinnen und andrer Frauenzimmer-Arbeit sorgf ltig angehalten hatte. In der Bühnenhandlung selbst wird denn auch auf Karls Gründung Hamburg und dessen frühe

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Zu den Quellen und Wends Bearbeitung s. die detaillierten Ausführungen bei Wolfgang Hirschmann, Vorwort, in: Georg Philipp Telemann, Die Last-tragende Liebe, hg. v. W. Hirschmann, S. IX–XXV, hier S. XII–XX.

277 Bedeutung als Erzbistum im Zuge der nordischen Missionierung angespielt, wenn Carolus den sächsischen Prinzen Heswin, einen Verwandten von K nig Wittekind, angesichts der nachhaltigen Missionierung der unterworfenen Sachsen zur Annahme des christlichen Glaubens drängt (II, 8): Die Irmen-Seule | Zu Heersburg ist zerst hrt / | Der G tzen-Tempel umgeschmissen / | Und Bischoff Anasgar, der jetzt in Hamburg lehrt / | Hat sehr viel Volck in Sachsen schon bekehrt / | Drum eile / | Dein Heyl auch zu umfassen!653 Die Attraktivität des Sujets für das Hamburger Publikum wird in der Zuschrifft nicht zuletzt darauf zurückgeführt, daß es eine wahrhaffte und denen meisten bekandte Geschichte sei. Einer Bearbeitung des Stoffes für die Bühne am Gänsemarkt mögen mithin die scheinbare oder vorgebliche Historizität, die vor diesem Hintergrund vielleicht umso mehr ins Auge fallenden ,Eskapaden‘ und insbesondere die in der Literatur der Zeit sich dokumentierende ,Popularität‘ der Liebesgeschichte im Umkreis der reichsgeschichtlich wie städtischregional bedeutsamen Herrschergestalt Karls des Großen654 durchaus förderlich gewesen sein. Bereits das Libretto zur früheren Produktion Der Tapffere Kayser Carolus Magnus (1692) alludiert den amourösen Stoff, wenn die Vorrede (Nachricht An den geehrten Leser) Caroli Magni ,galantes‘ Auftreten in dieser Oper folgendermaßen rechtfertigt: und wird niemand befrembden / daß man diesen K yser etwas galant vorgestellet / weiln allen Geschichts-Verst ndigen bekandt / daß er auch die Galanterie auff seine Kinder geerbet / in dem daß dieselbe seiner Tochter der Emma den galanten Eginhard gar auff die Schultern gesetzet. Inwieweit indes mit der Hamburger Produktion Emma und Eginhard, die nach 1728 erneut 1731 und 1732 in Szene gesetzt wurde, tatsächlich „das neue bürgerliche Denken zum Ausdruck“ gelangte, wie Hellmuth Christian Wolff etwas plakativ formuliert hat,655 wäre allererst abzuwägen. Wohl kaum „[steht] die Überwindung der Standesunterschiede [...] im Mittelpunkt der Handlung“.656 Denn immerhin wird ja die prinzipiell gültige hierarchische Ordnung des bestehenden Gesellschaftssystems keineswegs in Frage gestellt, sondern nur durch Kaiser Karls barmherzig-generöse Entscheidung einer (nachträglichen) Sanktionierung der Mesalliance singulär durchbrochen. Und auch die in der Konfrontation unterschiedlicher Figurentypen und in Räsonnements der komischen Figuren sich deutlich abzeichnende Hof- und

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Ansgar wurde allerdings wohl erst unter Karls Nachfolger Ludwig, im Jahre 831, als Hamburger Erzbischof eingesetzt (vgl. Klaus Richter, Hamburgs Frühzeit bis 1300, in: Werner Jochmann u. Hans-Dieter Loose [Hgg.], Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reichsgründung, Hamburg 1982, S. 17–100, hier S. 32–37; Rudolf Schieffer, Die Karolinger, S. 125). Um 1710 erschien in Hamburg eine anonyme, aus denen bewährtesten Auctoribus zusammen gezogen[e] biographische Kompilation mit dem Titel Lebens-Beschreibung des Ersten Teutschen Kaysers Caroli des Grossen, die auch die Emma-und-Eginhard-Episode tradiert (s. Wolfgang Hirschmann, Vorwort, S. XIV). Hellmuth Christian Wolff, Die Barockoper in Hamburg, Bd. 1, S. 321. Ebd., S. 331. Weitaus differenzierter jetzt Wolfgang Hirschmann, der allerdings auch ein „neue[s] bürgerlich-emanzipatorische[s] Ideal einer allgemeinen, standesübergreifenden Menschlichkeit“ geltend zu machen sucht (Vorwort, S. XIX).

278 Adelskritik657 – generell ein Charakteristikum der Hamburger Oper der Zeit – scheint zunächst auf die Abgrenzungsbemühungen eines Publikums stadtbürgerlich-republikanischer Prägung (das in sich gleichwohl ,ständisch‘ organisiert ist) gegenüber den Usancen und normativen Paradigmen der höfischen Gesellschaft zu setzen als die Oper „zu einem aktuellen Glaubensbekenntnis des Hamburger und des deutschen Bürgertums der damaligen Zeit“658 zu stilisieren.

2.3.1.2 Die mittelalterliche Historie als Spiegel der Zeitgeschichte: Desiderius, K nig der Longobarden Die zweite, von der ersten gänzlich verschiedene ,Veroperung‘ des DesideriusStoffes gelangte im Jahre 1709 auf die Bühne der Gänsemarkt-Oper. Anläßlich der Feier des Geburtstages von Kaiser Joseph I. erschien am 26. Juli Barthold Feinds und Reinhard Keisers Produktion Desiderius, K nig der Longobarden.659 Dementsprechend ziert der kaiserliche Doppeladler mit Krone, Zepter und Schwert, dessen zweigeteilter Brustschild (spanischer Turm und österreichischer Bindenschild) mit umgebender Kette des Ordens vom Goldenen Vlies auf den Amtsträger aus dem Haus Habsburg verweist, das Titelblatt des gedruckten Librettos. Die Festaufführung, bei der die eigentliche Opernhandlung von einem panegyrischen Prolog und Epilog flankiert wurde, markiert einerseits eine deutliche Zäsur oder steht am Beginn einer Neuorientierung in der damaligen politischen und verfassungsgeschichtlichen Entwicklung der Stadt Hamburg, andererseits nimmt sie Bezug auf aktuelle, für Kaiser und Reich überaus relevante zeitgeschichtliche Ereignisse im Rahmen des Spanischen Erbfolgekrieges.660 Auf die Hintergründe soll kurz eingegangen werden. Am Ende des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam es in Hamburg immer wieder zu innenpolitischen Verwerfungen. Die teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Rat (Senat) und der Bürgerschaft661

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Etwa am Allianzprinzip (vgl. Bernhard Jahn, Die Sinne und die Oper, S. 316–319) oder am geburtsständisch fixierten Privilegiertheitsanspruch des (höfischen) Adels. Hellmuth Christian Wolff, Die Barockoper in Hamburg, Bd. 1, S. 321. Zur Problematik des „schillernde[n], Einheit suggerierende[n] Begriff[s] ,des‘ Bürgertums“ s. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815, München 1987, S. 202–210 (Zitat S. 209). DESIDERIUS, KNIG DER LONGOBARDEN / Musicalisches Schauspiel / An dem frohen Gebuhrts-Tage Des Allerdurchlauchtigsten / Großm chtigsten Un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn Josephi, Erwehlten Rmischen K ysers [...] Zu allerunterth nigster Freuden-Bezeugung Auf dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet / Im Jahr 1709. den 26. Julii (D-Hs, 128 in MS 639/3:8) [ohne Paginierung]. Vgl. dazu auch Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 122–127. Seit der reformatorischen Stadtverfassung von 1529, dem ,Langen Rezeß‘, war die politisch-administrative Partizipation der Bürgerschaft (traditionell u. a. Mitsprache bei der Gesetzgebung, bei Steuerfragen und in der Außenpolitik) durch verschiedene Gremien und Kollegien (etwa ,Oberalte‘, ,Achtundvierziger‘, ,Hundertvierundvierziger‘ bzw., später, ,Sechziger‘ und ,Hundertachtziger‘) institutionalisiert, die eine Doppelfunktion erfüllten:

279 kreisten letztlich um die Frage der Souveränität, d. h. um die Ausübung der Herrschaftsgewalt und, konkret, einen stärkeren Einfluß der Bürgerschaft, und erschütterten die politische Stabilität der Stadt nachhaltig.662 Wiederholt griffen die Habsburger Kaiser als Stadtherren – zumeist auf seiten des Senats und über kaiserliche Kommissare – in die innerstädtischen Unruhen ein, um einer Destabilisierung der städtischen Verhältnisse entgegenzuwirken. Denn insbesondere um die Jahrhundertwende, im Licht einer greifbar nahen Verschmelzung der österreichischen Stammlande und Besitzungen mit dem spanischen Weltreich, war die Stadt Hamburg als nordeuropäischer Warenumschlagplatz, als Handels- und Wirtschaftszentrum für die Habsburger Herrscher von außerordentlichem Interesse. Und eine Gefährdung der Ordnung und somit Schwächung der urbanen Gemeinschaft mochte durchaus ernsthafte Begehrlichkeiten und Mediatisierungsbestrebungen benachbarter Mächte wecken, allen voran Dänemarks, das bislang keineswegs bereit war, seine alten Ansprüche auf das 1618 offiziell – durch einen Beschluß des Reichskammergerichts – zur reichsunmittelbaren Stadt erklärte Hamburg fallenzulassen. Einer Besitznahme durch König Christian V. war die Stadt etwa 1686 nur knapp entgangen, da Herzog Georg Wilhelm von Lüneburg-Celle in kaiserlichem Auftrag gerade noch rechtzeitig herbeigeeilt war, um Hamburg gegen die dänischen Belagerer zu verteidigen. Zuvor hatte eine Rebellion der Bürgerschaft und das von ihr gestützte Regiment Hieronymus Snitgers und Cord Jastrams zu einer Annäherung an Dänemark geführt, in der Absicht, einen Bündnispartner gegen die Ratspartei und deren Koalitionäre, den Kaiser und seinen Kommissar Georg Wilhelm von Lüneburg-Celle, zu gewinnen.663 In die für lange Zeit letzten großen Wirren stürzte Hamburg in den Jahren nach 1700, als die „alte Zwietracht“ zwischen Senat und Bürgerschaft „unter kirchlichem Anstoß“ erneut auflebte.664 Angefacht durch Konflikte der in Hamburg prädominierenden lutherisch-orthodoxen Geistlichkeit mit pietistisch beeinflußten Pastorenkollegen, erhob sich die Bürgerschaft unter der Führung des Pastors Christian Krumbholtz und des Bortenwirkers Balthasar Stielke von neuem gegen den Rat und dessen Verwaltung. Im Verlauf der Auseinandersetzungen wurden u. a. Schriften des Juristen, Dichters und Librettisten Barthold Feind,665 der für die

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„im kirchlichen Bereich kontrollierten sie die Kirchspiele, auf politischem Gebiet repräsentierten sie die Bürger bei Verhandlungen mit dem Senat“ (Joachim Whaley, Religiöse Toleranz und sozialer Wandel, S. 28). Das eigentliche Stadtregiment lag freilich überwiegend in den Händen des Rates oder Senates, der sich aus der oligarchischen Hamburger Führungsschicht (Kaufmannschaft und Juristen) rekrutierte. Dazu Hans-Dieter Loose, Das Zeitalter der Bürgerunruhen. „Letztlich ging es um die Frage, ob zwischen Rat und Bürgerschaft ein Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen oder eines von Mandatsträgern zum eigentlichen Inhaber der Herrschaft bestand“ (ebd., S. 269). Ebd., S. 274–281. Ebd., S. 281. Zu Barthold Feinds Biographie s. etwa Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Bd. 2 (1854), S. 281–289; Jürgen Rathje, Feind, Barthold, in: Literaturlexikon, Bd. 3 (1989), S. 347–349; W. Gordon Marigold, Einleitung, in: Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 9–90, hier S. 13–34.

280 Ratspartei verschiedentlich publizistisch Partei ergriffen hatte, öffentlich verbrannt. Feind selbst mußte schließlich auf Verlangen der Bürgerschaft Hamburg 1707 verlassen und exilierte nach Stade, das seinerzeit unter schwedischer Verwaltung stand. Als die aufgebrachte Bürgerschaft unter den Agitatoren Krumbholtz und Stielke begann, Ratsherren abzusetzen und durch eigene Kandidaten zu ersetzen, die ordentlichen Mitglieder des Senates aus Furcht nicht mehr zu den Ratssitzungen erschienen und anarchische Tendenzen um sich griffen, schritt Kaiser Joseph I. auf Anraten seines Hamburger Residenten von Wien aus ein und entsandte 1708 eine kaiserliche Kommission, während zugleich Truppen des Niedersächsischen Kreises in die Stadt einrückten. Die unter Leitung des Grafen Damian Hugo von Schönborn agierende Kommission stellte die öffentliche Ordnung wieder her und verhandelte über mehrere Jahre mit den Konfliktparteien, bis es im Jahre 1712 endlich zur Annahme des ,Hauptrezesses‘ kam, „der ,als ein ewiges, unveränderliches und unwiderrufliches Fundamentalgesetz‘ verstanden wurde und fast 150 Jahre unumstrittene Verfassungsgrundlage in Hamburg blieb“.666 Darin wurde die Partizipation von Senat u n d Bürgerschaft bei der Ausübung der städtischen Gewalt festgeschrieben und mit Blick auf die einzelnen Herrschaftsfunktionen definiert. Bereits 1708, mit dem Eintreffen der kaiserlichen Kommission, hatte Feind nach Hamburg zurückkehren können. Die von ihm und dem ebenfalls nach Hamburg heimgekehrten Reinhard Keiser 1709 verfaßte Oper Desiderius reflektiert zweifellos, vor allem in den panegyrischen Passagen zu Ehren Kaiser Josephs I., die zeitgeschichtlichen Hamburger Verhältnisse und die Wiederherstellung der innerstädtischen Ordnung im Auftrag des Stadtherrn und Reichsoberhauptes. Die historische Opernhandlung selbst spielt überdies an auf die internationale Politik, auf aktuelle Vorgänge in Italien im Verlauf des großen europäischen Konfliktes der Zeit, des Spanischen Erbfolgekrieges. Seit 1707 war es vermehrt zu Spannungen zwischen dem Wiener Kaiserhof und der römischen Kurie gekommen. Papst Clemens XI. war zwar offiziell um Neutralität bemüht, ließ aber zugleich eine eher profranzösische Haltung erkennen.667 So verweigerte er dem Bruder des Kaisers, Karl III., die Anerkennung als König von Spanien und suchte einer kaiserlich-österreichischen Hegemonie auf der Apenninenhalbinsel entgegenzuwirken, die sich vor allem nach der Zerschlagung der französischen Belagerung Turins durch kaiserliche Verbände unter Prinz Eugen anzubahnen schien. Die päpstliche Einflußsphäre in Norditalien sollte gegenüber den hegemonialen Ansprüchen der Habsburger behauptet werden. Kaiser Joseph I. suchte hingegen konkret das bisher von Rom als päpstliches Lehen angesehene Herzogtum Parma sowie die in der päpstlichen Provinz Ferrara gelegene Stadt Comacchio – unter Berufung auf alte Rechte – dem Reich und damit zuvorderst der Habsburger Monarchie einzuverleiben. Im Anschluß an wiederholte, teils ernsthafte Verstimmungen, die kurzfristig mit

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Hans-Dieter Loose, Das Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 286. Vgl. dazu im einzelnen Charles W. Ingrao, Josef I. Der ,vergessene‘ Kaiser, Graz [usw.] 1982, S. 96–137.

281 einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Wien und Rom einhergingen, und begleitet von der päpstlichen Androhung einer Exkommunizierung des Kaisers, brachen im Jahr 1708 offene Kämpfe zwischen kaiserlichen Truppen und einer eilends aufgebotenen päpstlichen Armee aus. Während die kaiserlichen Verbände u. a. Comacchio und Teile des Kirchenstaates kurzerhand besetzen konnten, geriet die Papstarmee bald in die Defensive. Und da sich die Hoffnungen Clemens’ XI. auf eine Unterstützung Ludwigs XIV. ebensoschnell zerschlugen, mußte die Kurie sich zu einer Annäherung an den Kaiser bereitfinden, die letztlich, am 14. Januar 1709, zu einem Friedensvertrag zwischen den beiden Parteien führte. Clemens XI. erkannte offiziell Karl III. als König von Spanien mit allen Rechten und Privilegien an, und Joseph I. versprach im Gegenzug, der Kurie Parma und Comacchio – nach einer formellen Prüfung der päpstlichen Rechtstitel durch eine Kardinalskommission – zu restituieren. Die Implementierung der Vertragsbestimmungen zog sich zwar über mehrere Monate, gar bis ins Jahr 1711, hin, aber das Ergebnis des Konfliktes in nuce, die ,Kapitulation‘ des Papstes,668 war sicherlich schon bekannt, als man in Hamburg mit der Produktion der Oper Desiderius begann. Wie noch zu zeigen sein wird, nimmt Barthold Feind im paratextuellen Vorbericht des Librettos jedenfalls dezidiert Stellung zu den Grundfragen der Auseinandersetzung, zum Verhältnis zwischen kaiserlicher und päpstlicher Gewalt. Dieser interpretative, rezeptionslenkende Vorbericht des namentlich nicht genannten, gleichwohl zu erschließenden Verfassers Feind erscheint insgesamt zweigeteilt: Zunächst widmet sich die gelehrte Abhandlung einer panegyrischen Erläuterung und heilsgeschichtlichen Deutung des Horoskopes des Widmungsträgers wie dessen astronomisch-mathematischen Grundlagen und philosophisch-spirituellen Hintergründen. Weit ausholend und eher assoziativ fortschreitend, wird eingangs von den Sternen und Planeten als herrliche[n] und helle[n] Kennzeichen der g ttlichen Macht und von den Aspecten der Planeten gehandelt, die die k)nftige[n] Begebenheiten der Zeit oder die Gesetze des Verh ngnisses anzuzeigen vermögen; im weiteren Verlauf wird eine Abbildung des Thema natalitium Sr. R mischen K yserl. Majest t inseriert, erstellt und publiziert vom Hamburger Astronomen und Mathematiker Detlev Cluver, bevor der Traktat in eine konkrete Einordnung des glücklichen Tages, des Kaisergeburtstages, in den dem Christentum zugeordneten feurigen Trigono des Himmels, ins Tierkreiszeichen des L wen, einmündet: In diesem letztern Zeichen [...] sah unser Allergn digster K yser JOSEPHUS 1678. den 26. Julii, des Morgens )m 2. Uhr / die Welt zum erstenmahl / zum allgemeinen Heil des gantzen Europa / und insonderheit des Teutschen / und des / von demselben

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Vgl. Charles W. Ingrao, Josef I., S. 129. „Als der Papst den Kaiser am Ende dazu zwingen konnte, seine kaiserlichen Ansprüche auf die umstrittenen beiden Territorien offiziell aufzugeben, mußte er andererseits die Realität der österreichischen Hegemonie auf der Halbinsel anerkennen und ihr Tribut zollen. Gezwungen, eine demütigende und inkriminierende Zusammenarbeit mit dem Kaiser einzugehen, hatte der Papst wenig Grund zu Triumphgefühlen“ (ebd., S. 137).

282 dependirenden / Welschen Reichs.669 Es folgen schließlich Hinweise auf die Koinzidenz des kaiserlichen Festtages einerseits mit nahezu demselben Tage / da / nach Rechnung des K yserlichen Mathematici Kepleri, die Welt 3993 Jahr – die christliche Zahlensymbolik könnte evidenter nicht sein – vor Christi Geburt / (am 24. Jul.) ihren Anfang genommen, andererseits mit dem Namenstag der heiligen Anna und zugleich der regierenden Königin Anne von England, Sr. K yserl. Majest t m chtigen Bundsgenossin. Dies alles zielt letztlich sowohl auf die Demonstration präsupponierter heilsgeschichtlicher Dimensionen des Kaisergeburtstages und darüber hinaus des kaiserlichen Regimentes Josephs I. selbst – auf die Idee eines „sakral-überhöhten Kaisertums“670 – wie es zugleich der Vorbereitung auf den anschließenden panegyrischen Prolog dient, wo sich die personifizierten vier Elemente darum streiten werden, wem die Ehre zukomme, den Geburtstag Josephs I. für sich zu reklamieren: Wer unter ihnen recht den gr sten Antheil habe | An dieser seeligen und frohen Zeit.671 In einem zweiten Teil wendet sich Feind der historischen Opernhandlung zu und erläutert deren Voraussetzungen und Implikationen: Er bezieht zunächst Stellung zur Problematik der historischen Wahrheit im allgemeinen, skizziert dann den historischen Konflikt zwischen Karl dem Großen und Desiderius und führt den Lesern zuletzt, im Zuge der Diskussion des historischen Verhältnisses von Kaiser und Papst (ausgehend von der Zeit Karls des Großen), die zeitgeschichtlichen Bezüge des Sujets unmißverständlich vor Augen. Freilich wird schon beim Übergang vom astronomisch-heilsgeschichtlichen zum historischpolitischen Diskurs des Vorbericht[s] propagandistisch eine Parallelisierung der historischen Bühnenhandlung aus den Geschichte[n] des Alterthums und der zeitgeschichtlichen Vorgänge auf der italienischen Halbinsel präsupponiert: so geben uns die Geschichte des Alterthums zu lesen / wie der heldenm)thige und unsterbliche erste Teutsche K yser Carolus M. den Beherrscher des damahligen Welschlands / Desiderius, geschlagen / gefangen genommen / und Italien mit dem Deutschen Reich verkn)pfft / und dessen Ruhe wieder hergestellet: durch dergleichen ruhmw)rdige Helden-Thaten unser un)berwindlicher JOSEPHUS auch seinem Nahmen unsterblich bereits gemacht. Bevor er zur Erl uterung dieses Schau-Spiels / einiger Umst nde aus den alten Uhrkunden und Geschicht-B)chern gedenkt, greift Feind die um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert virulente Debatte um den historischen Pyrrhonismus auf,672 indem er zwar Zweifel oder Mißtrauen gegenüber der Darstellung einzelner Historiker durchaus für gerechtfertigt hält, denen bisweilen eben so viel Glauben / als den Roman-Schreibern zuzueignen, sich insgesamt aber überzeugt gibt, daß der Spreu von dem guten Korn bald abzusondern und mithin die

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Speziell die zuletzt zitierte Aussage zum Verhältnis zwischen Italien und dem Reich, die dezidierte Unterordnung Italiens unter die Oberhoheit des Teutschen Reichs, verweist dabei schon auf die angedeutete zeitgeschichtliche Dimension der Opernproduktion. Karl Otmar Freiherr von Aretin u. Notker Hammerstein, Reich, IV. Frühe Neuzeit, S. 475. So die Worte der zum Wettkampf auffordernden Fama: D-Hs, 128 in MS 639/3:8. Vgl. Peter Burke, Zwei Krisen des historischen Bewusstseins. S. dazu im einzelnen o. S. 21f.

283 Möglichkeit historischer Erkenntnis aufgrund der Leistungen und Errungenschaften einer arrivierten Historiographie durchaus gegeben ist. Dem folgt eine umfassende Aufzählung der an den europäischen Höfen seinerzeit tätigen Historiographen und geschickten M nner[], die nicht zuletzt Feinds Beschlagenheit auf dem Feld der historischen Wissenschaft und seine Vertrautheit mit dem aktuellen historiographischen Diskurs erkennen läßt (und wohl auch erkennen lassen soll) – hatte Feind doch seit 1699 zunächst in Wittenberg und seit etwa 1701 dann auch an der brandenburg-preußischen Universitätsneugründung Halle Rechtswissenschaft (einschließlich der Reichshistorie) studiert und sich dort 1703 zum Lizentiaten der Rechte promovieren lassen. Zu den genannten Koryphäen der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft gehören u. a. der englische Historiograph Thomas Rymer, der niederländische Gelehrte Perizonius, Feinds Wittenberger Lehrer Conrad Samuel Schurtzfleisch und freilich auch der für das Durchl uchtigste Chur-Hauß Hannover wirkende Leibniz. Darauf kehrt Feind zur mittelalterlichen Historie Karls des Großen zurück, mit der er sich vor allem während seiner Studienzeit in Wittenberg und Halle eingehend beschäftigt haben dürfte,673 und verweist auf Karls epochale Bedeutung sowohl für die Reichs- als auch für die Hamburger Stadtgeschichte: Um aber etwas n her zum Zweck zu kommen / m)ssen wir etwas ins Alterthum zur)ck treten / und uns dem Stifter und Erbauer unsers Vaterlandes / der wehrten Stadt Hamburg nahen / unter welchem glorieusen Monarchen die R mische Monarchie ihre Herrlichkeit beschlossen / Welsch- und Teutschland in eine andre Form )mgegossen / und neue K nigreiche / Hertzog- und Bischoffth)mer / Academien / Hohe Schulen / Grafschaften / Herrlichkeiten und Republiquen / aufgerichtet worden. Feind referiert alsbald den historischen Konflikt zwischen dem Langobardenkönig Desiderius und dem von Papst Hadrian I. zu Hilfe gerufenen Karl – die Grundlage der Opernhandlung –, sei dadurch doch der Grund zu den geschilderten Staats-Ver nderungen gelegt worden.674 Seine Ausführungen

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Für diese Vermutung mag eine Strophe eines Kasualgedichts aufschlußreich sein, das Feind zum Namenstag seines Wittenberger Lehrers Schurtzfleisch (26. November 1701) verfaßte: Er [Schurtzfleisch] kennt das Alterthum / die B)cher grauer Zeiten / | Sein Witz erkl rt der Welt der tapffern Sachsen Krafft / | Des Witekindus Muht / an dem bey harten Streiten | Nie bange Bl digkeit noch Weiber-Furcht gehafft. | Er zeigt / w a s C a r o l s F a u s t i n R o m v o r W u n d e r t h a t / | Wie Albrecht warmes Schwerd voll Blutestropffen hienge / | Und wie Arminius auff tausend Leichen gienge / | Wenn sein behertzter Fuß der Feinde Scheitel tratt (Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 473; Hervorhebung d.V.). Eine ausführlichere zeitgenössische Darstellung der Vorgänge findet sich bei Simon Friedrich Hahn, Vollst ndige Einleitung zu der Teutschen Staats-, Reichs- und KayserHistorie, Bd. 1 (1721), S. 23–28 (§ VIII.): In dem andern oder Longobardischen Kriege war Carolus M. dermassen gl)cklich, daß er dieses gesamte m chtige Reich, welches )ber 200. Jahr in besondern gutem Flor gestanden, g ntzlich zerst rte, und unter den Fuß brachte, deswegen auch einige Scribenten kein Bedencken getragen, ihn allein wegen dieser in so kurtzer Zeit gemachten Conquête mit den gr ssesten Helden des Alterthums in Vergleichung zu stellen. (23) [...] Desiderius [zunächst Hertzog von Thuscien] folgte zwar Aistulpho, durch H)lffe des Pabsts und Vorschub der Francken, im [langobardischen] Reiche nach, erzeigte sich aber gar undanckbar, indem er die R mer hefftig anfeindete,

284 untermauert er – der progressiven juristisch-historischen Methodik der Zeit verpflichtet –, indem er eine Vielzahl historiographischer Schriften und Quellen anführt. Dazu zählen vor allem Einhards Vita Caroli Magni (in der Edition Johann Heinrich Boecklers), weiterhin etwa die Chroniken Ottos von Freising und Gottfrieds von Viterbo sowie Zeugnisse andrer Scriptorum medii aevi, die mich der seelige Schurtzfleischius 1699. in Wittenberg in einem Collegio MS zuerst kennen lernen.675 Insbesondere hebt der ,Gelehrte-Librettist‘676 Feind den Ausgang und die politischen Folgen des siegreichen Feldzuges gegen Desiderius hervor: Also befreyte er [= Karl] den Pabst und Welschland von dem Joch dieses W)htrichs / stellte als ein gerechter F)rst / dem Pabst das seinige / und der Kirchen das ihrige wider zu; Zwang die )brige Puissancen, Ihm zu huldigen / und machte das / jure belli eroberte / Italien zur Dependentz vom Deutschen Reich. Ferner habe Karl sich in seinen Erben aber die LehnsConcession )ber Rom und das Patrimonium Petri, und praetendirte Donationem Constantini Magni, (davon das Original in dem P bstl. Archiv wol schwerlich wird zu finden seyn / und wenn man gleich alle ledige Kasten des Castello di St. Angelo durch und durch visitirte,) vorbehalten. Im folgenden wird die antipäpstliche Parteinahme und Polemik verdichtet, indem die uneingeschränkte Gewalt Karls des Großen gegenüber der römischen Kurie und das kaiserliche Recht der Investitur expliziert werden. Papst Leo III. selbst habe der Hoheit Karls des Großen huldigen und dem kaiserlichen Gesandten zum unfehlbahren Zeichen des R mischen Stuhls Unterth nigkeit die Schlüssel zum Grab Petri sammt der R mischen Fahne überreichen lassen – mit genau dieser Szene wird Feind denn auch späterhin den ersten Akt der Oper eröffnen. Für das aus den Quellen der Zeit Karls des Großen abgeleitete summum Jus Espiscopale [sic!] & Ecclesiasticum aller Teutschen K yser und St nde des Reichs wird, ungeachtet der späteren Entwicklungen der Salier- und Stauferzeit, bis in die

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und das von seinen Vorfahren verlohrne Land durch allerhand Mittel wieder zu gewinnen suchte. Die viele von Desiderio ausge)bte Gewaltth tigkeiten veranlasseten Pabst Adrianum den ersten, so wol in seinem eigenen, als in seiner Kirche und des gantzen Volckes Nahmen, an Carolum eine Gesandschafft ergehen zu lassen, und mit ihm gewisse Tractaten zu schliessen. Carolus erstiege die Alpen nach grosser Bem)hung, jagete Desiderium, welcher ihm den Eintritt in Italien zu verwehren suchte, ohne Blutvergiessen in die Flucht, verfolgte ihn bis gen Pavia, und n thigte diesen Ort a. 774. nach einer fast j hrigen harten Belagerung, zur Ubergabe, womit er die gantze Lombardey conquettirte, Desiderium aber, samt dessen Gemahlin Ansa, und Tochter Ansilberga, gefangen mit sich hinweg f)hrete, und nach L)ttich in das Elend sendete. Der junge, und von seinem Vater zum Reichs-Gefehrten angenommene Adalgisus hatte sich so fort bey dem Anfange des Krieges nach Verona retirirt, und war von dannen ferner nach Constantinopel entflohen (25–28). Ob der Terminus medium aevum hier noch im Sinne des humanistisch-literarischen Epochenverständnisses oder schon im Licht der universalgeschichtlichen Einteilung des Christoph Cellarius gebraucht wird, ist nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden. Da aber Feind seit 1701 auch in Halle studiert hat, wo Cellarius seit 1693 als Professor für Geschichte und Beredsamkeit lehrte, steht zu vermuten, daß er mit der sich gerade etablierenden Epochentrias Antike-Mittelalter-Neuzeit durchaus vertraut war. Zum Begriff s. o. S. 266.

285 eigene Gegenwart hinein Kontinuität und Gültigkeit beansprucht. Zugleich verurteilt der Verfasser die gegenwärtige, wenig bescheidene Haltung des Papstes gegenüber dem Kaiser und bezieht sich dabei ausdrücklich auf zwei Briefe Clemens’ XI., wo mit dem Worte Majest t so sparsahm )mgegangen wird, obgleich Ihro P bstl. Heiligkeit [...] nunmehr durch Gottes Gnade unter den m chtigen Fl)geln des K yserl. Adlers eben so ruhig / als Hadrianus, Gregorius und Leo III. auf dem P bstl. Stuhl sitzen k nnen. Die dezidierte Stellungnahme für Kaiser Joseph I. setzt sich fort in der expliziten Reklamation des Investiturrechts für die Habsburger Kaiser – wiewol das Allerdurchlauchtigste Ertz-Hauß Oesterreich / als welchem vor allen Puissancen der Welt die Gnade und G)te erblich angebohren / hierinnen bißher am allergelindesten verfahren – und in der Ableitung der Oberhoheit des Kaisers über den Papst von Augustus’ Titul eines Pontificis Maximi sowie dessen summi Juris circa Ecclesiastica. Dagegen wird die Übernahme des Pontifex-Titels durch die Päpste schlichtweg als Anmaßung interpretiert. Freilich sei der Pontifex-Titel der Kaiser, als der hohen Majest t eines R mischen K ysers verkleinerlich, letztlich durch den Titul Augustus und semper Augustus ersetzt und überhöht worden, als welcher eben dasselbe / Pontifex Maximus, und noch mehr sagen will. Schließlich, nach einer mit Quellenverweisen gespickten Erläuterung der Augustus-Titulatur, stellt Feind heraus, daß endlich dieses Tituls von den Teutschen K ysern nicht Fridericus I. zuerst / sondern unser Carolus M. bereits sich bedient. Damit verläßt Feind den von Propaganda für die kaiserliche Sache gekennzeichneten historisch-politischen Diskurs, die Geschichte des Alterthums, um zuletzt eine poetologische Perspektive einzunehmen. So weist Feind auf den Anteil der Fictiones an der Bühnenhandlung hin und erklärt insbesondere, die Partie der Floriana in ihrer dramaturgischen Funktion nach der Vorlage von Francesco Silvanis Venezianer Libretto Il duello d’amore e di vendetta (1700) gestaltet zu haben: die ich bloß darum erwehlt / weil sie Gelegenheit zu allerhand Actiones auf dem Theatro giebt / und ich nicht gerne Schauspiele verfertige / worinnen die Acteurs viele Zeit zu tr umen haben. Noch einmal betont Feind die dezidiert zeitgeschichtlich-politische Dimension und Spiegelfunktion der historischen Opernhandlung vor dem Hintergrund des konkreten Aufführungsanlasses, wenn er resümiert: Mein Absehen / war)m Desiderius an diesen frohen Tage den Schau-Platz betrit / wird nunmehr errahten seyn. Schließlich habe Seine Glorw)rdige K yserliche Majest t JOSEPHUS die Ruhe des R mischen Stuhls und gantzen Italiens / wie Carolus Magnus, so gl)cklich wieder hergestellet / und dadurch den Anfang zum allgemeinen Europ ischen Frieden in diesem blutigen Kriege [dem Spanischen Erbfolgekrieg, d.V.] gemacht. Der Vorbericht schließt mit der Bitte um einen baldigen Frieden auch mit Frankreich und in Spanien, wo der Bruder des Kaisers, der Allerdurchlauchtigste[] Carl, die habsburgischen Ansprüche gegen die bourbonische Partei verteidigt. Und zuletzt alludiert Feind wohl auch die aktuellen (innen)politischen Ereignisse in der Reichsstadt Hamburg, insofern er im Namen der Leserschaft die Hoffnung ausspricht, daß der Kaiser uns aber / unter dem Schatten seiner Fl)gel / einer seeligen Zufriedenheit geniessen lassen

286 [werde], um darauf den Segen des Himmels für ein glückliches Regiment und künftiges Wohlergehen des kaiserlichen Stadtherrn zu erbitten. Lenkt man den Blick nochmals auf die Struktur der sehr umfangreich geratenen Vorrede (so umfangreich, daß sich die vielleicht ursprünglich vorgesehene Seitenzahl zuletzt nur durch eine deutliche Reduktion der Schriftgröße halten ließ), so mag es naheliegen, in der erkennbaren Zweiteilung des Vorbericht[s] in einen astronomisch-heilsgeschichtlichen und einen historischpolitisch-juristischen Diskurs einen Reflex des wiederholt diskutierten kulturellen Wandels an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert zu sehen. Vor diesem Hintergrund können nämlich die heilsgeschichtlichen Deutungsschemata und kaiserideologisch-sakralen Anspielungen des ersten Teils als überkommene und (insbesondere im Kontext der habsburgischen Panegyrik) nach wie vor gültige Paradigmen eines christlich-theologischen Welt- und Geschichtsbildes gelten, während die historisch-juristischen Argumentationen und theoretischen Überlegungen des zweiten in die Richtung einer kontinuierlich fortschreitenden Säkularisierung, Verwissenschaftlichung und juristischen Funktionalisierung der Historie weisen. Auf die zum Ende des Vorbericht[s] angedeuteten innenpolitischen Verhältnisse Hamburgs nimmt dann auch der allegorisch-panegyrische Prolog Bezug, wo zwischen Cibele, Juno, Neptunus und Vulcanus, als den vier Elemente[n], und ihrem jeweiligen Gefolge ein Wettstreit entbrennt um die Frage, wem das größte Verdienst an diesem frohen Fest, dem Kaisergeburtstag, zukomme. So erscheint gleich zu Beginn die Göttin der Wahrheit, Alethea, um jenes freudige Ereignis als Grund der Opernaufführung und die besondere Rolle der Stadt Hamburg anzuzeigen, wobei die genauen Umstände nicht näher dargelegt werden: Ich weiß / daß heut das frohe Licht | Der heilsamen Geburth des theuren JOSEPHS strahlet / | Da diese grosse K ysers-Stadt | Deßhalb dem Firmament ein Danck-Gel)bde zahlet. Diese Andeutung impliziert freilich sowohl eine Reflexion des Theaters auf dem Theater als auch ein subkutanes Städtelob. Sie wiederholt sich in den Worten der Fama, die von Alethea anläßlich des Freudentages aus ihrer bisherigen Gefangenschaft befreit wird, nachdem sie Rumor, oder das falsche Ger)cht verstoßen und in die Flucht geschlagen hat. Fama erklärt Vulcanus zum Sieger des Wettstreits, da es sein Sternzeichen, das feurige, sei, in dem das Licht der Sonnen gehe, und verkündet erneut: Heut ist der frohe Tag / | Den man vor allen andern gl)cklich nennen mag / | Der sechs und zwantzigste des Monats Julius / | Da JOSEPH / unser grosser Held | Zu erst das Licht der Welt | Erblicket hat! | Darum auch diese werthe Stadt | Ihm treue W)nsche zollen muß. Möglicherweise spielt gerade die Verbannung des falsche[n] Ger)cht[s] und die damit verbundene ,Befreiung‘ der Fama durch Alethea auf die Beseitigung anarchischer Strukturen und die Wiederherstellung der städtischen Ordnung Hamburgs durch die kaiserliche Kommission an. Und nicht zuletzt der Dichter und Publizist Barthold Feind, einst heftig diffamiert und kürzlich aus seinem Exil in Stade zurückgekehrt, könnte allen Grund gehabt haben, die Vertreibung des falsche[n] Ger)cht[s] und die Wiedereinsetzung der

287 ,wahren‘ Fama auf der Bühne zu besingen.677 Der Prolog endet mit dem zweistrophigen Huldigungschor der vier Elemente „Grosser JOSEPH / dich zu zieren“ und einem Ballet der Elementen ohne Waffen. Die sich anschließende Opernhandlung ist eingeteilt in fünf Akte mit jeweils acht bis elf Szenen: I. Nach seiner Ankunft in Italien empfängt Carolus den Gesandten Papst Hadrians I., der ihm zum Zeichen der Unterordnung des Heiligen Stuhls unter Carolus’ Herrschaft die Schl)ssel S. Petri sowie die R mische Fahne übergibt und Carolus um Hilfe wider Tyranney und Trutz des Langobardenkönigs Desiderius ersucht. Der K nig läßt die Kurie seines Beistands versichern und entsendet seinen Feld-Marschall Bernardus im Zuge einer diplomatischen Mission an Desiderius’ Hof. Dort hat Desiderius mittlerweile von Carolus’ Ankunft erfahren und rüstet sich trotzig zur Gegenwehr. Bernardus erreicht seinen Zielort und trifft auf die von ihm geliebte Floriana, die verstoßene erste Gemahlin des Desiderius. Als Bernardus ihr seine Liebe zu erkennen gibt, verlangt sie zunächst Rache für Desiderius’ Untreue und bittet um Bernardus’ Mithilfe. Beider Gespräch wird von Adalgisus, dem Sohn des langobardischen Königs, heimlich mit angehört. II. Bernardus erscheint im Zeltlager des Desiderius, um Carolus’ Friedensangebot zu unterbreiten. Von Adalgisus über Florianas Verschwörungs- und Rachepläne informiert, weist Desiderius den Unterhändler harsch zurück und läßt ihn kurzerhand gefangensetzen. Adalgisus bemüht sich indessen erneut um die Gunst Artemias, der Printzeßin von Spoleto. Auch diesmal findet er jedoch kein Gehör, da Artemia sich zunehmend Aragis, dem Hertzog von Benevent und General des Desiderius, zuwendet. Floriana trifft alsbald auf Desiderius und hält ihm seine Untreue vor. Der König zeigt sich aber gänzlich unbeeindruckt. Auf Drängen seiner zweiten Gemahlin Adelgunda läßt er schließlich Bernardus vorführen, um ihm die Bedingungen für seine Freilassung zu diktieren. Der geforderte Abzug der fränkischen Truppen ist für Bernardus aber ebensowenig akzeptabel wie die verlangte Demutsgeste gegenüber Desiderius. III. Im Cabinet der Adelgunda findet Adalgisus einen unsignierten Brief Artemias an Aragis, den er für ein Schreiben Adelgundas hält. Als er dies seinem Vater berichtet, läßt dieser Aragis unverzüglich verhaften und verstößt auch Adelgunda. Zunächst rasend vor Zorn, sinniert er bald über das vermeintliche Glück eines Monarchen und sinkt in tiefen Schlaf. Im Traum erscheint Desiderius die Vorsehung, Providentia, um den Hochmuth des Königs zu verurteilen. Ein Gespenst aus dem Reich der Toten verkündet ihre Prophetie: den Sieg des Carolus und Desiderius’ Fall. Als die Trompeten zur Schlacht blasen, eilt Desiderius Carolus entgegen. Die Langobarden werden geschlagen. Desiderius flieht nach Pavia und flucht den himmlischen Mächten. IV. Auf dem Schlachtfeld feiert Carolus seinen Triumph über Desiderius’ Heer. Bernardus und Aragis sind befreit, und auch Floriana hat sich bei Carolus eingefunden. Während Bernardus auf Carolus’ Befehl zur Belagerung der langobardischen Hauptstadt Pavia aufbricht, kehrt Aragis, vom fränkischen Herrscher großmütig entlassen, nach Pavia zurück. Bernardus erneuert seine Liebeswerbung gegenüber Floriana, wird aber von ihr wiederum auf die Zeit nach der geplanten Rache an Desiderius vertröstet. In Pavia beschwört Adelgunda unterdessen König Desiderius, an ihre Unschuld zu glauben. Erst Artemias Geständnis und Beweis, den Brief an Aragis verfaßt zu haben, führen dazu, daß Desiderius reuig sein Unrecht und Fehlverhalten gegenüber Adelgunda eingesteht. Auch der gerade heimgekehrte Aragis wird rehabilitiert und mit der Verteidigung Pavias betraut. Von

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Zum Stichwort Ger)cht heißt es in Zedlers Universal-Lexicon: Ger)cht, Fama, Rumor, Renommée, Bruit ist ein Ruff oder Rede, so einem entweder zu Ehren oder zum Schimpfe ausgebracht wird, und also ein gutes und b ses Ger)chte seyn kan. Ein b ses Geschreye wenn es durchgehend und gar hefftig ist, und noch wenige andere Anzeigungen darzu kommen, kan einen leicht die Inquisition zu Wege bringen (Bd. 10 [1735], Sp. 1206f.).

288 immer stärkerer Eifersucht getrieben, stellt Adalgisus mehr und mehr der geliebten Artemia und seinem Rivalen Aragis nach und beschließt endlich, jenen zu beseitigen. Sein Mordanschlag mißlingt jedoch: In einer dunklen Grotte verwechselt er seinen Vater Desiderius mit dem verhaßten Nebenbuhler. Er wird von Desiderius überwältigt und des Hochverrats verdächtigt. V. Carolus setzt mit seinen Truppen zur Erstürmung Pavias an. Trotz heftiger Gegenwehr der Belagerten gelingt der Angriff. Während die Verteidiger die weiße Fahne auf den Mauern hissen, dringt Bernardus mit Floriana und einigen Kämpfern durch eine Bresche in die Stadt ein. In den königlichen Gemächern bittet Adelgunda Floriana um Desiderius’ Leben und bietet ihr dafür sein Eh-Bett sammt dem Trohn. Floriana aber lehnt ihr Angebot ab. Angesichts seines drohenden Untergangs beauftragt Desiderius Aragis, die Kapitulation an Carolus aufzusetzen. Adalgisus tritt hinzu, als Aragis den Vertrag niederschreibt, und beschließt einen zweiten Mordanschlag. Er kehrt mit einigen Vertrauten zurück, als Desiderius trübsinnig den fertigen Text durchsieht und unterzeichnet. Abermals hält er seinen Vater für den Rivalen Aragis und abermals schlägt sein Attentat fehl, worauf Desiderius ihn in den Kerker werfen läßt. Floriana erscheint, um Desiderius zu töten, wird zuletzt aber von Adelgunda daran gehindert, die mit dem kleinen Marcellus, Florianas und Desiderius’ Sohn, herbeigeeilt ist. Großmütig erklärt Adelgunda ihren Verzicht und führt so die einstmaligen Geliebten, die sich nun miteinander aussöhnen, aufs neue zusammen. Die Schlußszene zeigt Carolus’ triumphalen nächtlichen Einzug in die eroberte Stadt Pavia. Er wird freudig von der befreiten Italia begrüßt, die die Besiegten zur Huldigung auffordert. K nig Carl hingegen empfängt jene und insbesondere den gestürzten Desiderius als Freunde und erteilt sowohl der Verbindung Adelgundas mit Bernardus als auch der Vermählung Artemias mit Adalgisus, dem sein Vater aufgrund Adelgundas Vermittlung mittlerweile verziehen hat, seinen Segen. Zuletzt prophezeit Fama die Erhöhung des große[n] Carl zum K yser.

Als charakteristisch für Feinds Gestaltung des Desiderius-Sujets mag sowohl die Konzentration der fiktiven Liebeshandlung und Intrigen (der oben genannten Fictiones) am Hof von Pavia gelten, und zwar unter Ausschluß des Heros und zuletzt großmütigen ,Schiedsrichters‘ Carl, als auch die augenfällige Inszenierung repräsentativer Staats- und Massentableaus,678 die wiederum als Versatzstücke das historisch-politische Substrat des Stoffes vermitteln und in deren Mittelpunkt nun der große Carl steht. Beides hebt die Produktion deutlich von der früheren Bearbeitung des Stoffes in Postels und Conradis Der Tapffere Kayser Carolus Magnus ab.679 Und beides dürfte zugleich mit dem Kasus und

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Vgl. etwa I, 1, wo der Audienz des päpstlichen Gesandten bei Carolus ein grosses Gefolge des K nigs und Gesandten beiwohnt. Weiterhin I, 2 (Carolus M. Bernardus, Gefolge), III, 8 (mit dem Aufmarsch von Carls Truppen vor der Feldschlacht gegen Desiderius’ Aufgebot), IV, 1 (wo die Bühnenanweisung ein nicht näher bezeichnetes grosses Gefolge bei Carls Auftritt vorsieht), V, 1 (Belagerung der Stadt Pavia: Teutsche und Longobarden), V, 2 (Carolus M. mit vielen Trouppen), V, 11 (Carolus M. auf einem von einem Elephanten gezognen Triumph-Wagen durch die Ehren-Pforte mit vielen Sclaven und einem ansehnlichen Gefolge). So zeigt Der Tapffere Kayser Carolus Magnus lediglich in drei Szenen – und stets in militärischem Kontext – ein (um Statisten) erweitertes Figurenensemble: I, 1: Das Theatrum stellet vor das Lager des K nigs Carls des Grossen / mit dessen V lckern / da man von ferne die Stadt Pavia siehet. I, 3: Etliche teutsche Soldaten mit ihren Officirern. II, 9: Das Theatrum stellet vor die Mauer der Stadt Pavia, auff der Mauer stehet K nig Desiderius mit seinen V lckern / unten ist Arnolphus mit den Teutschen. – Hinzu kommt, daß in Feinds und Keisers Desiderius keine komischen Figuren auftreten, die sonst fester

289 der dezidiert politischen Funktionalisierung von Feinds und Keisers Oper in Verbindung zu bringen sein. So fungiert die uneingeschränkte Glorifizierung des mittelalterlichen Heros, der allen Intrigen und menschlichen Schwächen enthoben ist,680 als Spiegel des glücklichen zeitgeschichtlichen Regiments des Widmungsadressaten und ,Karlsnachfolgers‘ Joseph: durch dergleichen ruhmw)rdige Helden-Thaten unser un)berwindlicher JOSEPHUS auch seinem Nahmen unsterblich bereits gemacht. Steht Feinds und Keisers Oper Desiderius hinsichtlich der Repräsentationsfunktion etwa den oben diskutierten Braunschweiger Produktionen Heinrich der Vogler und Rudolphus Habspurgicus durchaus nahe, so unterscheidet sie sich andererseits von ihnen aufgrund der ausgeprägten Typisierung der Bühnenbilder.681 Eine den genannten Braunschweiger Opern vergleichbare historisierende Darstellung des Bühnengeschehens ist anhand der Bühnenanweisungen des Nebentextes nicht erkennbar. Lediglich die Ausstattung der Schlußszene assoziiert eine für die Zeit typische ,klassisch-antike‘, um nicht zu sagen ,imperiale‘ Ikonographie, wenn Carl durch eine auf acht Corinthischen Seulen ruhende[] Ehren-Pforte in Pavia

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Bestandteil der Gänsemarkt-Bühne sind. In Postels und Conradis Carolus Magnus nehmen die komischen Szenen um den stotternden Brillus, dessen Frau Filaura, der Herming[ardis] Aufw rterinn, und die alte Amme Lesba breiten Raum ein. Das Fehlen entsprechender komischer Partien in der Oper Desiderius muß vor dem Hintergrund der ästhetischen Prinzipien des Librettisten Feind – seiner strikten Verweigerung gegenüber dem komischen Element – gesehen werden, die er in den Gedancken von der Opera dargelegt hat: Diese Gedancken f)hren mich auf den Mimum, oder so genandte lustige Person. Noch einmahl mein Bedencken davon zu sagen / wie offt geschehen / so geh ren dieselbe gar nicht in die Opera, und das Theatrum wird nur dadurch prostituiret / denn es l sst / als wann man mit Fleiß die Leute zum Lachen wolte reitzen / welches nicht allein allen ehrbaren Sitten zuwider / sondern auch eine Verachtung involvirt, und nicht ein wares Plaisir; denn was mir gef llt / da erfreue ich mich wol )ber / aber ich verlache es nicht: Nur das belachet man / was einem ver chtlich f)rk mmt. In Hamburg ist die )ble Gewonheit eingerissen / daß man ohne Arlechin keine Opera auf dem Schauplatz f)hret / welches warlich die gr sseste bassesse eines mauvait gôut und schlechten Esprit des Auditorii an den Tag leget: Barthold Feind, Deutsche Gedichte, S. 103. Beispielsweise sind auch Carls Arien (bzw. Duette) sämtlich dem semantischen Bereich des Heroisch-Kriegerischen zuzuordnen: „Wo Adler in Standarten fliegen“ (Duett, mit Bernardus, I, 1); „Die Ehre beut nur unter Dornen“ (I, 2); „Il nemico à suono di tromba“ (III, 8); „Frohlocket / seyd frlich / und jauchtzet / ihr Helden“ (IV, 1); „Pace grida la Vittoria“ (Duett, mit Fama, V, 11). Eine sechste Arie (mit Chor) „Auf / nehmet die Leitern und Bcke zur Hand“ (V, 2) erscheint nur im Libretto, nicht in Keisers Partiturautograph, wo die Szene deutlich gekürzt wurde und nun ein als Marche bezeichneter zweiteiliger Instrumentalsatz (Oboen, Streicher) in C-Dur die Battaglia einleitet. Vgl. die Bühnenanweisungen des gedruckten Librettos, etwa: Eine Gew lbte / von weissen Marmor get felte Gallerie / zu Ende derselben zwey Pforten / so zu verschiedne / durch einander gehende Gem cher f)hren. Carolus Magnus auf einem Thron zur Seiten (I, 1). – Ein mit Weinbergen )mschloßnes Thal / wodurch ein Bach rinnet / welcher eine / an einer Wohnung stossende / M)hle treibt (I, 4). – Gestade des Meers mit 2. Lust-Schl ssern zur Seiten und voller Gezelten (II, 1). – Cabinet der Adelgunda mit einem Schreib-Tische (III, 1). – Eine Ecke des K nigl. Pallastes in Pavia, mit einer duncklen Satyrischen Grotte / Spring-Brunnen und Wasserstrahlen / durch welche man einige lustige H)gel erblickt / wohinter sich die untergehende Sonne verbirgt (IV, 3).

290 einzieht. Dagegen evoziert die in der Eröffnungsszene dargestellte Übergabe der Schl)ssel S. Petri und des Banners der Stadt Rom an Carolus Magnus zwar als zeremonieller Akt ,mittelalterliche‘ Historizität, sofern sie – trotz der Dekonstruktion des ursprünglichen historischen Kontexts682 – unmittelbar auf die historiographischen Quellen rekurriert, doch lassen sich aus den Szenenangaben keinerlei Indizien für eine historisierende dekorative Ausgestaltung ableiten. Ob und inwieweit ferner die beiden gegnerischen Lager, Teutsche[] und Longobarden, (vor allem in den Kampfszenen) visuell markiert wurden, wie dies offenbar in der ,ersten‘ Hamburger Desiderius-Oper Der Tapffere Kayser Carolus Magnus der Fall war,683 vielleicht mit historisierender Tendenz, ist anhand des überlieferten Materials ebenfalls nicht zu entscheiden. Im folgenden soll ein Blick geworfen werden auf eine Auswahl der für die propagandistische Funktion der Oper zentralen historisch-politischen Szenen (-komplexe) und insbesondere auf deren musikalische Gestaltung in Reinhard Keisers Vertonung.684 Im einzelnen werden zu betrachten sein: die Eröffnungsszene I, 1, die Szenenfolge III, 5–9 und IV, 1, die Finalszene V, 11 sowie der anschließende panegyrische Epilog. Der erste Akt beginnt, wie schon erwähnt, mit dem Empfang des päpstlichen Gesandten Ambrosius am fränkischen Hof in Italien (I, 1). Auf einem Thron zur Seiten nimmt Carolus Magnus in Gegenwart eines großen Gefolges die R mische Fahne und Schl)ssel S. Petri entgegen, die ihm Papst Hadrian, des grossen Carols gr ster Unterthan, zum Zeichen der Unterordnung des Heiligen Stuhls unter Carls königliche Gewalt übersenden läßt. Dem von Ambrosius vorgebrachten Hilfegesuch der Kurie wider Tyranney und Trutz des Langobardenherrschers Desiderius begegnet Carl mit der Zusage umgehender militärischer Unterstützung: Zum Schutz des Hadrian sind wir hieher gekommen. Carls heroisch-kriegerische Entschlossenheit und Siegesgewißheit dokumentiert das eröffnende Duett in B-Dur (mit Bernardus) „Wo Adler in Standarten fliegen“.685

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Während die Bühnenhandlung die Übergabe der Schl)ssel S. Petri und der R mische[n] Fahne an Carl in den historischen Kontext des Hilfegesuchs Papst Hadrians I. stellt, wird sie im Vorbericht – entsprechend der historiographischen Überlieferung – mit der Person seines Nachfolgers Leo III. verbunden, der dem fränkischen König mit der Übersendung der Zeichen päpstlicher Herrschaft seine Wahl zum Papst anzeigte. S. dazu auch den Artikel Leo III. in Zedlers Universal-Lexicon, wo es heißt: Er [Leo] machte also bald Carln dem grossen seine Wahl bekannt, und )berschickte selbigem nachgehends die Schl)ssel zum Grabmahle des Apostels Petri nebst der Haupt-Fahne der Stadt Rom, und andere Geschencke, ermahnte ihn auch inst ndig, die Huldigung vom R mischen Volcke bald einzunehmen: Bd. 17 (1738), Sp. 159–163, hier Sp. 160. Dort erscheint in I, 3 Carolus’ Vertrauter Rinaldus als Spion in Longobardischer Kleidung. Den musikalischen Analysen liegt Keisers autographe Partitur: PL-Kj, Mus. ms. autogr. /b.s./, Inw. nr. 5994 (,Desiderius eine Oper von Reinhard Keiser in eigenhändiger Partitur‘, aus Pölchaus Bibliothek) zugrunde. Auf Notenbeispiele wird hier verzichtet, s. dazu die jetzt von Hansjörg Drauschke besorgte kritische Edition: Reinhard Keiser, Desiderius, König der Longobarden. Hg. v. H. Drauschke, Beeskow 2005. Wo Adler in Standarten fliegen / | Wenn Eifer die Trompeten f)llt / | Wird nicht der Rachdurst eh gestillt / | Biß Lufft und Nachklang th nt vom Siegen / | Und zum Triumph wird bald die Schlacht / | H lt die Gerechtigkeit die Wacht.

291 Dessen energischer, kriegerisch-militärischer Grundton resultiert einerseits aus dem charakteristischen unisono-Begleitmotiv der Continuo-Bässe und Violen (aufsteigende Sechzehntelskala im Oktavambitus, fallende Dreiklangsfigur mit anapästischer rhythmischer Prägung), das den ganzen Satz durchzieht; andererseits ist er greifbar in den zunächst parallel, dann auch imitatorisch geführten Singstimmen (Tenor, Baß), deren Motivik (Dreiklänge, Tonrepetitionen, Quartsprünge aufwärts, kurze Sechzehntelfigurationen) zuweilen, im Rekurs auf den Text des zweiten und vierten Arienverses, Trompeten- oder Fanfarenklänge assoziieren mag. Das anschließende Rezitativ, den Auftritt des päpstlichen Legaten, hat Keiser insofern mit dem Duett verknüpft, als die melodische Gestaltung der ersten beiden Rezitativtakte (Der Kirchen erster Hadrian) das Kopfmotiv des Duetts (d. h. der Tenorstimme) zitiert. Die Szenen 5–9 des dritten Aktes präsentieren dann – gewissermaßen als Wendepunkt der dramaturgischen Struktur – die Prophetie von Desiderius’ Fall sowie, in der ersten militärischen Niederlage gegen Carl, die unzweideutigen Anzeichen von deren Erfüllung. Szene 5 zeigt Desiderius zunächst wutentbrannt und rasend vor Zorn wegen Adelgundas vermeintlicher Untreue. Er sucht alsbald Erquickung im Schlaf, beklagt aber zuvor – nun nicht mehr als tyrannischer Bösewicht gezeichnet – das Unglück eines Monarchen und sehnt sich nach der Ruhe eines Ackers-Mann. Desiderius’ Gedanken verdichten sich in der Arie „Funckelt eine Demant-Krone“, wo die scheinbare Unvereinbarkeit von Herrscheramt und persönlichem Glück thematisiert wird.686 Die Da-capoArie ist für Baßstimme, drei Oboen, drei Fagotte, Violette (eine Bratschenart) und Basso continuo notiert und steht in C-Dur. Ihre Instrumentalbesetzung mag zwar auf den ersten Blick außergewöhnlich anmuten, ist aber hinsichtlich des starken Bläseranteils für die Hamburger Verhältnisse des frühen 18. Jahrhunderts nicht unüblich.687 Im A-Teil kontrastiert die bisweilen imitatorische, mit der Singstimme konzertierende Stimmführung der drei obligaten Fagotte mit der überwiegend homophonen Klangstruktur der hohen Bläser (Akkordrepetitionen und -einwürfe; in Terzparallelen geführte, pendelnde/,funkelnde‘ Sechzehntelfigurationen). Im Mit- und Gegeneinander der Instrumente und des zur Bravourarie tendierenden, von Koloraturen durchsetzten Gesangsparts entfaltet sich somit einerseits ein überaus kunstvoller, der Rolle adäquater majestätisch-,hoher‘ Duktus, andererseits scheint gerade die imitatorischbewegte Struktur der drei tiefen Bläser und Baßstimme eine gewisse Rast- und Ruhelosigkeit vermitteln zu wollen, die der Semantik des Arientextes in toto,

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Funckelt eine Demant-Krone / | Ist es ein geblenter Schein. | Welcher mitten in der Nacht | F)r das Heyl der V lcker wacht / | Kan auch der wol gl)cklich sein? | Strafft er / heist er [in der Partitur: es] Grausamkeit; | Wenn er gegentheils verzeiht / | Sitzt ein Weichling auf dem Trohne. Vgl. etwa Klaus Zelm, Die Opern Reinhard Keisers. Studien zur Chronologie, Überlieferung und Stilentwicklung, München u. Salzburg 1975 (Musikwissenschaftliche Schriften 8), S. 174–178. – Zelm hat allerdings das im Zuge des Zweiten Weltkriegs aus der Berliner Staatsbibliothek ausgelagerte und zuletzt nach Kraków verbrachte Partiturautograph des Desiderius noch nicht vorgelegen.

292 dem explizierten Dilemma des Regentendaseins, entgegenkommt. Desiderius’ Arie folgt eine siebentaktige Sinfonie der Oboen und Streicher (d-Moll), die die Titelfigur mit nun ruhig fließender Viertel- und Achtelbewegung – in meist kleinen Intervallschritten und im wiegenden 6/4-Takt – in den Schlummer spielen. Den Auftritt der Providentia und ihres Geistergefolges hat Keiser ausschließlich rezitativisch umgesetzt. Die im Libretto zu Beginn von Szene 6 vorgesehene Arie der Providentia „Des Menschlichen Ungl(cks geschw ntze Cometen“ ist nicht vertont worden; sie fehlt in der autographen Partitur. Statt dessen wird die Szene dort sogleich mit den Rezitativworten „Der Hochmuht ist das grste Laster“, d. h. mit der Anklage gegen Desiderius’ Superbia, eröffnet. Die Ankündigung seines nahen Untergangs – Noch heute wirstu ein Gefangner heissen / Die Krohne wird dir Carl vom Haupte reissen – kann den in Szene 7 wieder erwachten Desiderius allerdings nicht schrecken: Als die Trompeten zur Schlacht rufen, demonstriert er mit der Arie „Erthnet zum W(rgen / ihr Krieges-Trompeten“ seine Entschlossenheit zum Kampf. Desiderius’ virtuosaufbrausender ,Trompetenarie‘ in D-Dur (Da-capo-Anlage), wo allerdings keine Trompete erklingt, sondern Oboen, Streicher und Singstimme den militärischen Gestus mit daktylischen Rhythmen, Dreiklangs- und Signalmotivik imitieren, ist als Pendant Carls italienische Arie „Il nemico a suono di tromba“ (G-Dur) in Szene 8, beim Aufmarsch des fränkischen Heeres, zugeordnet. Auch hier musiziert keine Trompete, alludieren wiederum Singstimme, Streicher und Oboen rhythmisch und melodisch den spezifischen Trompetenklang und verdeutlichen somit den militärischen Habitus des Stückes.688 Carls Arie unterscheidet sich u. a. dadurch von Desiderius’ Satz, daß Stimme und Instrumente (in der Differenzierung: Oboen und Tutti) stets durch dieselbe oder sehr ähnliche Motivik (Dreiklangsbrechungen, Tonrepetitionen, Skalen) imitatorisch aufeinander bezogen sind, während die Instrumente bzw. Instrumentengruppen in der D-Dur-Arie – im Gegeneinander von motivisch je differenzierten Streicher-, Oboen- und Tuttiblöcken – keine exakten thematischen Berührungen mit der Singstimme erkennen lassen und vielmehr ein motivisches ,Eigenleben‘ führen. Eine kriegerische Sinfonie (Oboen und Streicher) in C-Dur (wiederum Dreiklangsmotivik, Sechzehntelrepetitionen und -skalen; kontrastiv zur vorausgegangenen G-Dur-Arie nun volltaktig einsetzend) untermalt die auf der Bühne inszenierte Schlacht der beiden Heere, bevor sich der geschlagene Desiderius

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Aus welchem Grund hier wie schon zuvor keine Trompeten zum Einsatz gelangen, bleibt unklar. So gehörten Trompeten durchaus zum Instrumentarium der Hamburger Oper (vgl. Andrew D. McCredie, Instrumentarium and Instrumentation in the North German Baroque Opera, S. 210–218; Hansjörg Drauschke, Vorwort, in: Reinhard Keiser, Desiderius, hg. v. H. D., S. IV–VII, hier S. VI f.). Keiser verwendet sie etwa in der drei Jahre später aufgeführten Festoper Heraclius: Tromba 1,2,3 in der Arie des Phocas „Frolocket ihr Vlcker“ (I, 2) und in der Arie (mit Chor) der Theodosia „Jauchtzet ihr getreue Seelen“ (V, 9), (3) Clarini in der Arie der Honoria „Raaset und tobet nur“ (I, 6) sowie im Schlußchor des Epilogs (Partiturmanuskript: PL-Kj, Mus. ms. autogr. /b.s./, Inw.nr. 5993). Andererseits scheinen Trompeten bzw. Blechbläser im Desiderius zumindest als szenische Signalinstrumente verwendet worden zu sein, notiert das Partiturmanuskript (wie das Libretto) doch während Desiderius’ Rezitativ in III, 7: Man höret Von Weiten Zur Schlacht blasen.

293 zur Flucht entschließt. Sein von musikalischer Rhetorik geprägtes Rezitativ „Ergrimmte Gtter / ach ich bin besiegt“ (absteigende Melodik, mit mottoartiger symmetrischer Wiederholung der beiden Anfangstakte am Schluß, die zugleich das Aktende markieren) erscheint gegenüber dem Libretto deutlich gekürzt, die Arie „Ja zum Heroischen Exempel“ wurde in der handschriftlichen Partitur vollständig gestrichen. Der Beginn des vierten Aktes feiert Carolus’ Triumph über Desiderius mit dem repräsentativen Chorsatz „Frohlocket / seyd frlich / und jauchtzet / ihr Helden“ in C-Dur (Da-capo-Anlage), wobei im ATeil insofern eine sukzessive Klangsteigerung und -differenzierung erzielt wird, als ein viertaktiges Orchesterritornell mit gestaffelten Stimmeinsätzen (zunächst zwei Oboen, dann Tutti) den vollstimmigen Einsatz der vier Vokalstimmen (mit Orchestertutti colla parte) vorbereitet und abschließt, während der B-Teil durchgehend von Singstimmen und colla parte gehendem Orchestertutti ausgeführt wird (mit Modulation in die Tonikaparallele a-Moll). Die Schlußszene der Oper, V, 11, wird eröffnet mit einem pompösen Tableau, das den nächtlichen Einzug Carls und seines Gefolges in die eroberte Stadt Pavia darstellt. An der Ehrenpforte, die Carls Zug durchschreitet und wor)ber Fama in einer kleinen Wolcke schwebt, ist eine illuminierte lateinische Inschrift angebracht, die Carl als Befreier Italiens, Erneuerer des alten Ruhms des Imperiums und ersten deutschen Kaiser preist.689 Zu Füßen des Triumphbogens sitzt die Personifikation des Regnum Italicum, Italia, mit einem nicht näher bezeichneten teutschen Schilde, dessen wiederum lateinische Inschrift die Freude Italiens über den Sturz des Feindes und die Wiederherstellung seiner Freiheit durch Carl anzeigt.690 Im Vordergrund dieser emblematischen Szenerie erscheint Carolus M. auf einem von einem Elephanten gezognen TriumphWagen.691 Dazu erklingt der bewegte Huldigungschor „Triumphire / siege / lebe“ in C-Dur, dessen charakteristisches Kopfmotiv (aufsteigende Dreiklangsfigur mit der Sexte als Spitzenton und stufenweiser Rückkehr zur Terz, daktylischer Rhythmus) zunächst nacheinander von Oboen und Orchestertutti exponiert wird, bevor es vom vierstimmigen homophonen Chor in mehreren Anläufen (Triumphire) übernommen wird; dieser erste Choreinsatz (mit

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Carolo M. Libertatis Italiae Vindici, Avitae Imperii Gloriae Restitutori, Forti, Felici, Augusto Teutonum I. Hoste Fugato & Capto, Pavia Obsessa & Capta, Regno & Libertate Restitutis Auspiciis Caroli M. Ovat Italia. Wie man sich diesen Triumph-Wagen und insbesondere den ihn ziehenden Elephanten wohl in szenischer Realisierung vorzustellen hat, mag ein Bericht Johann Friedrich von Uffenbachs vom 17. August 1728 verdeutlichen, wo es hinsichtlich einer ähnlichen Bühnensituation in der Braunschweiger Aufführung von Händels Alessandro (1726; Braunschweig 1728: Der Hochm)thige Alexander) heißt: Man spielete dieses Mahl eine in Hamburg parodirte und ehmahlen in London von Händel gesezte Opera, Alexander genant, die durch und durch ausbündig schöne Arien und viele pompöse Machinen hatte, sonderlich der Triumpfwagen des Alexanders, von zwey Elephanten gezogen, welche so nathürlich aussahen, den Schnabel, Ohren und Schwänze schicklich bewegten und in allem sich so gut elephantisch anstelleten, daß man es ohnmoglich vor zwey Kerle, einer in jedem staken, angesehen hätte: Johann Friedrich Armand von Uffenbach’s Tagbuch, S. 13f.

294 dreimaligem Ansatz des Kopfmotivs) wird vom Orchester echoartig imitiert, wodurch sich eine eindrucksvolle Vielstimmigkeit des zwischen Chor und Orchester hin und her tönenden Jubel(motiv)s einstellt. Sodann wendet sich Italia an ihren Befreier Carl und dankt ihm dafür, daß sein behertzter Degen | Die Knohten aufgel st / die meinem Fuß | Der itzt gefangne Desiderius | Dacht’ ewig anzulegen. Auf ihre Aufforderung huldigen die gefangenen Angehörigen und Gefolgsleute des longobardischen Königshauses, Desiderius, Adelgunda, Adalgisus, Artemia und Aragis, dem Retter Italiens und werfen sich zu seinen Füßen (zweitaktiges Quintett in C-Dur). Carl aber empfängt sie großmütig und bestimmt sie zu seinen Freunden. Dabei imitiert sein Rezitativ den Beginn der Oberstimmenmelodie des gerade verklungenen Quintetts. Das folgende italienische Duett „Pace grida la Vittoria“, das den Frieden als Resultat des militärischen Sieges besingt – führen Carl und Fama nacheinander aus (jeweils drei Duettverse).692 Die beiden Teile sind nicht nur durch den Wechsel der Stimmlage (Baß–Sopran) voneinander abgesetzt, sondern werden auch dadurch differenziert, daß einerseits am Ende des ersten Teils (Carl) eine Modulation von bisher D-Dur nach A-Dur erfolgt, andererseits mit dem Einsatz der Sopranstimme (Fama) die Begleitung changiert: Es entfallen die bisherigen unisonoEinwürfe (Sechzehntel- und Zweiunddreißigstelrepetitionen) der hohen Streicher und Oboen über dem in Achteln fortschreitenden Basso continuo. Der Kontrast mag letztlich von der Textsemantik motiviert sein: Dominiert im ersten Teil ein von den Schlüsselbegriffen Vittoria und gloria abgeleiteter kriegerischmilitärischer Grundton, den die schnellen Orchestereinwürfe (Tonrepetitionen) und die fanfarenartige Dreiklangsmotivik der Singstimme evozieren, stellt die musikalische Gestaltung des zweiten Teils – durch die Reduktion der Instrumentalbegleitung – eher den Friedensgedanken (pace) heraus. Der unmittelbar anschließende Chorsatz rundet das Duett mit der Rückkehr in die Tonika D-Dur harmonisch ab und resümiert dessen beide Teile, insofern der ihm zugrundeliegende Text den ersten und letzten Duettvers chiastisch kombiniert: Pace grida la Vittoria, | Gonfi Fama trombe di pace. Die Synthese hat Keiser auch musikalisch umgesetzt, indem er den Oboen im zweiten Takt eine Reminiszenz (in Akkorden) der schnellen Tonrepetitionen zugewiesen hat, während das Eröffnungsmotiv des Satzes und die Echoeinwürfe pace auf den Part der Fama rekurrieren. Im Zeichen des solcherart beschworenen Friedens versöhnt sich Carl mit den Besiegten, die sich auch untereinander verzeihen, und stiftet unvorhergesehene Eheverbindungen zwischen Bernardus und Desiderius einstiger Geliebter Adelgunda sowie zwischen Desiderius’ Sohn Adalgisus und Artemia, die sich Carls Wunsch fügt und Aragis entsagt. Hier weicht denn das Libretto auch signifikant von den – im Vorbericht referierten –

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[Carl:] Pace grida la Vittoria | E la gloria | Alza gia la bella face. | [Fama:] Fioriscon l’Uliui | D’Italia ne i riui, | E gonfi Fama trombe di pace. – [Carl:] Der Triumph rufft den Frieden aus / und der Ruhm schwenckt seine sch ne Fackel empor. [Fama:] Es bl)hen die Oliven-B ume an den Ufern Welschlands / und Fama l st die Friedens-Posaune erschallen.

295 historischen Verhältnissen ab und konstituiert den obligatorischen, dem freudigen Anlaß des Kaisergeburtstages gemäßen lieto fine. Mit dem kurzen vierstimmigen Chor (Arioso à Tutti; Instrumente colla parte) in G-Dur „Ewig soll der Zunder gl(hn“ (im Libretto vorgesehen als Arietta à 6), dem ein in der Partitur nicht notiertes Grand Ballet folgt, werden die soeben geschlossenen Verbindungen und die von neuem erwachte Liebe zwischen Desiderius und Floriana bekräftigt. Mit den Rezitativworten Ist dieser große Carl ein K nig nur auf Erden / | Wird er zum K yser doch hinfort erh het werden richtet Fama ihren Blick auf die historische Zukunft, auf die für die Reichsgeschichte epochale Kaiserkrönung Karls des Großen durch Papst Leo III. (800), bevor die Szene mit jeweils einer Variante des zweiten Teils des Duetts „Pace grida la Vittoria“ (Arietta „Gonfi Fama trombe di pace“, D-Dur) und des ihm zugeordneten ,Friedenschores‘ formal abgerundet beschlossen wird. An die Friedensfeier des letzten Opernaktes knüpft der Epilog unmittelbar an: Mit den Worten Ich h re / zu meinem Gefallen / | Die Friedens-Posaunen erschallen | Am Arno / Po und Albula fährt das Verh ngnis (Providentia) zum zweiten Mal und nicht weniger spektakulär – verglichen mit dem ersten Auftritt in Szene III, 5 – in einer hellen Machine herab. In den Versen 6–8 ihrer G-DurArie693 bezieht die Figur die soeben auf der Bühne dargestellte Historie und die distanzierte Gegenwart des Hamburger Opernpublikums aufeinander, wenn sie die im Medium der Oper vergegenwärtigte Memoria der geschichtlichen Ereignisse auf der Hamburger Bühne, in K yser Carls Hammonia, prophezeit: Doch eh neunhundert Jahr vergehen / | Wird man davon ein Denckmahl sehen / | In K yser Carls Hammonia. Mit der Reflexion des Theaters auf dem Theater geht mithin eine Anspielung auf die Hamburger Stadtgeschichte einher, konkret auf ihren Gründungsmythos, die auf die Identität und das Selbstverständnis der urbanen Gemeinschaft als altehrwürdige ,Kaiserstadt‘ zielt. Im anschließenden Rezitativ konkretisiert das Verh ngnis diese Zusammenhänge im Zeichen eines Städtelobs und ,springt‘ dabei von der Zeitebene der historischen Bühnenhandlung in die Jetztzeit der Zuschauer, indem die Prophetie der Arie als bereits eingetretenes, vergangenes Ereignis im Rahmen der Feier des Kaisergeburtstages geschildert wird: So prophezeyt’ ich dieser wehrten Stadt /, | Die von dem grossen Carl den ersten Grundstein hat / | Von mehr als neunmal hundert Jahren / | Davon ihr itzt die F)lle habt erfahren / | Heut / da der Nachsatz auf dem K yser-Thron | Des grossen Carls / JOSEPHUS / feyren l st | Sein zwey und dreissigstes Gebuhrtes-Fest. Die hier greifbaren Ansätze eines ,quasitypologischen‘ Verfahrens, das den regierenden Kaiser panegyrisch in Beziehung setzt zu seinem bedeutenden Amtsvorgänger, sind, ebenso wie die Verknüpfung der beiden Zeitebenen der historischen Handlung und der Zuschauerrealität durch eine übergeordnete allegorische Figur, von einigen der oben

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Keiser hat der Arie eine bewegte Sechzehntelfiguration (Dreiklangsfiguren, Repetitionsmotive: Allusion der Friedens-Posaunen) im Basso continuo zugrunde gelegt, die die hohen Streicher und Bläser unisono übernehmen (Vermerk der autographen Partitur: Tutti li strom[en]ti suonano con Basso, all’ ottava alta).

296 betrachteten Braunschweiger Opern bestens bekannt und müssen hier folglich nicht rekapituliert werden (freilich ist nun die institutionelle Anbindung relevant, nicht die dynastische). Entscheidend ist die Doppelreferentialität des historischen Sujets, das sich über die Person Karls des Großen sowohl in die Kaiserund Reichshistorie einordnen als auch, im weitesten Sinne, auf die Hamburger Stadtgeschichte beziehen läßt. Und eben die letztgenannte Anbindungsmöglichkeit spielt der Epilog aus – nachdem die Bühnenhandlung selbst zuvorderst die aktuellen, reichsgeschichtlich bedeutsamen Vorgänge auf der italienischen Halbinsel und den daraus resultierenden Hegemonieanspruch Kaiser Josephs I. alludiert hatte –, sofern nun der Schauplatz der Opernaufführung, K yser Carls Hammonia, ins Zentrum des Interesses rückt. Mit der Arie „Die wilde Normannen | Vom Elbstrom zu bannen“, die auf den vierstimmigen Chor „O seeligs Fest“ (a-Moll, Instrumente colla parte) folgt, betont das Verh ngnis die historisch-strategische Bedeutung Hamburgs zur Zeit Karls des Großen (Die wilde Normannen | Vom Elbstrom zu bannen / | Legte Carol Hamburg an) und wendet sich dann im B-Teil der Gegenwart der städtischen Kommune unter ihrem derzeitigen Schutzherrn, Joseph I., zu. Diese letzten drei Verse des Arientextes, der insgesamt den durch die Zeiten bewahrten Sonderstatus Hamburgs als ,Kaiserstadt‘ propagiert, dürften als unmißverständlicher Hinweis auf die gerade überstandenen innenpolitischen Wirren und die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung durch die kaiserliche Kommission zu lesen sein und glorifizieren Joseph I., den Nachsatz Karls des Großen, als Garanten für Hamburgs Frieden, Sicherheit und innenpolitische Stabilität: Und daß ihr in Ruhe sitzet / | Macht / daß euch sein Nachsatz sch)tzet. | Jauchtzet JOSEPH hats gethan. Dem hier kombinierten Städte- und Herrscherlob trägt die musikalische Faktur der Arie mit einer thematisch-motivischen, harmonischen und die Instrumentation betreffenden Zweiteilung (AB-Form) Rechnung: Der A-Teil (mit dem impliziten Preis Hamburgs) exponiert, zunächst im vollstimmigen Orchestersatz, ein freudig-bewegtes Thema, das von der Singstimme aufgegriffen und variiert fortgeführt wird (Modulation von C-Dur nach G-Dur). Der B-Teil (Herrscherlob) setzt mit einem neuen Motiv der Singstimme ein und reduziert die Begleitung – vielleicht inspiriert durch die im Text beschworene Ruhe – auf den Basso continuo, bevor die hohen Streicher und Oboen mit der Imitation eines charakteristischen Jubelmotivs (jauchtzet) wieder in den Satz zurückkehren. Ein kürzerer vierstimmiger Chorsatz (C-Dur) reagiert auf die Arie der Providentia (und vornehmlich deren B-Teil) mit der Zustimmung der imaginären Hamburger Bürgerschaft: Wollen wir in Ruhe sitzen / | So muß uns ein JOSEPH sch)tzen. Der Epilog endet mit dem Huldigungschor „So regiere“ (dMoll, Da-capo-Anlage, Orchesterinstrumente colla parte), der in seinem A-Teil erneut, wie etwa schon der Schlußchor des fünften Aktes, eine ausgeprägte, taktweise wechselnde Echo-Struktur aufweist und Josephs I. Apotheose somit in eindrucksvoller Weise tönend multipliziert: So regiere / Echo. regiere / | Triumphire / Echo. triumphire / | Grosser JOSEPH / ewiglich! Echo. ewiglich. | Deiner Jahre Seegens-Lauff | H re ja nicht eher auf / | Biß der Elbe-Lauff zum Meere / | Und der Glantz von deiner Ehre.

297 Zwar war der Kaiser bei der Opernaufführung nicht persönlich anwesend, doch dürfte sein Sondergesandter, Damian Hugo Graf von Schönborn, der vielleicht an der Spitze der kaiserlichen Kommission der Vorstellung beiwohnte,694 die offizielle Huldigung der Stadt Hamburg wohlwollend entgegengenommen haben. Als Auftraggeber der Festoper für Joseph I. mag an erster Stelle der Rat der Stadt in Betracht zu ziehen sein, dessen Mitglieder und Anhänger – darunter auch der während der Unruhen massiv verunglimpfte Advokat Barthold Feind – zuallererst vom Eingreifen des Kaisers und seiner Gesandten und deren Restitution des Ratsregiments profitiert haben dürften. Ihren Intentionen mag es auch entsprochen haben, die Stadt mit der Opernaufführung – und deren panegyrischer Funktionalisierung der frühmittelalterlichen Reichsgeschichte – neuerlich als exponiertes Mitglied der ,Reichsfeiergemeinschaft‘ und „treue Parteigängerin“695 des Wiener Hofes zu etablieren.

2.3.2

Die ,stadtgeschichtlichen Opern‘

2.3.2.1 Hier von mag die nach Welt sagen | Hamburg fochte ritterlich: Die Doppeloper St rtebecker und J dge Michaels und die RePräsentation der glorreichen städtischen Vorzeit Im Jahr 1701 feierte die Stadt Hamburg den 300. Jahrestag der Gefangennahme und Hinrichtung der beiden Hauptleute der Vitalienbrüder Klaus Störtebeker und Godeke Michels. Ein Hamburger Flugblatt des Jahres 1701, das anläßlich dieses 300jährigen Jubiläums696 des Hamburger Triumphes über die legendenumwobenen Seeräuber publiziert wurde, stellt die historischen Vorgänge und die mit ihnen seinerzeit verbundenen städtischen Erinnerungstraditionen folgendermaßen dar: ANno 1401. haben die Hamburger den ber(hmten See-R uber Claus Strtebeck / nebst noch einem / Wichmann genannt / bey das Heilig-Land [= Helgoland, d.V.] angetroffen / worauff sie die See-R uber tapfer angegriffen / bey 42. Ma? erschlagen / und 70. gef nglich in Hamburg gebracht / welche alle auf dem Brocke sind enthauptet / und ihre Kpffe auf Pf hle gestecket; der Scharffrichter so sie gerichtet / hieß Rosenfeld. Zum Ged chtniß dieser / oder der Hamburger r(hmlichen That (welche Ehre / n chst GOtt / dem Herrn Simon von Utrecht / Herrn Hinrich Jenefeld / und Herrn Claus Schacke / RahtM nner zu Hamburg / und Haupt-Leute auf den Schiffen zuzuschreiben ist) hat man eine stattliche Silber-Geschirr so in der Schiffer Geselschafft befindlich machen lassen / aus welchem Fremde und Einheimische die Gesundheit zu trincken pflegen / und wird dabey ein Buch (berreichet / in welchen jedweder seinen Nahmen / nebst einem Gedenck-Spruch einzuschreiben pflegt / und solch Geschirr wird der St(rtzebecher genannt. Im selbigen Jahr sind abermahl 80. See-R uber aufgebracht / deren Haupt-Leute waren Gdecke

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Vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 124. Ebd., S. 126. Neuerdings wird zumindest Störtebekers Hinrichtung bereits auf das Jahr 1400 datiert. Vgl. dazu Matthias Puhle, Die Vitalienbrüder. Klaus Störtebeker und die Seeräuber der Hansezeit, Frankfurt a. M. 1992, S. 136.

298 Micheel und Gottfried Wichold / promovirter Magister Artium, sie wurden gleichfals auf dem Brocke enthauptet / und ihre Kpffe auf Pf hle / zu den vorigen gestecket.697

Dieser Text, der im Kern den Berichten der regionalen Chronistik seit dem 15. Jahrhundert folgt,698 nimmt etwas weniger als das untere Drittel des Flugblattes ein. Darüber, im Umfang der verbleibenden zwei Drittel und unter dem Titel Die hingerichtete See-Räuber St rtebeck und G deke Micheel, zeigt eine bildliche Darstellung die Enthauptung der gefangenen Vitalienbrüder auf dem Grasbrook, vor dem Hintergrund der angedeuteten Hamburger Stadtsilhouette. Im Zeichen der Dreihundertjahrfeier, in deren Kontext ferner die Prägung zweier Medaillen gehört – eine zeigt auf der Kopfseite das vermeintliche Porträt des CLAVS. STORTZEBECHER. mit der seitlichen Umschrift CAPT[ATUS] 1401., während die Revers-Seite die berühmte, stereotypisierte Vedute der Stadt HAMBVRG von Süden699 mit der überwölbenden Inschrift VIRTVTE. PATRVM.

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HAMBURG / gedruckt und zu bekommen bey Nicolaus Sauer / auffm Schaarsteinweg. Eine Abbildung dieses Flugblattes (Museum für Hamburgische Geschichte) findet sich bei Matthias Puhle, Die Vitalienbrüder, S. 164. So stellt etwa die in Lübeck entstandene mittelniederdeutsche Rufus-Chronik, die für den betreffenden Zeitraum (frühes 15. Jh.) wiederum einer – heute verlorenen – Rezension der lateinischen Chronica novella des Dominikaners Hermann Korner zu folgen scheint, die Vorgänge folgendermaßen dar: In deme sulven jare [1402] vochten de Engelandesvarer van der stad Hamborch uppe der zee myt den zeeroveren, de syk vitalyenbroder nomeden, unde behelden den seghe jeghen se. se slughen erer beth den 40 doet by Hilghelande unde vinghen erer by 70. de brachten se myt syk to Hamborch, unde leten en allen de hovede afslan; ere hovede setten se by de Elve up eyne wisch to eyme tekene, dat se de zee gherovet hadden. desser vitalien hovetlude weren ghenomet Wichman und Clawes Stortebeker. dar na nicht langhe quemen de sulven Enghelandesvarer uppe eynen anderen hupen der zeerovere unde slughen syk myt en. God gaf echt den guden helden den seghe jeghen se, dar se erer vele mordeden unde vynghen erer by 80 unde vorden se myt syk to Hamborch; dar worden se unthovedet unde by ere kumpane uppe de wysch gesettet. desser hovetmanne weren gheheten Godeke Michels unde Wygbold, ein meyster an den seven kunsten [Im selben Jahr fochten die Englandfahrer der Stadt Hamburg auf See mit den Seeräubern, die sich Vitalienbrüder nannten, und errungen einen Sieg über sie. Bei Helgoland erschlugen sie bis zu 40 von ihnen und nahmen 70 gefangen. Die führten sie mit sich nach Hamburg und ließen sie alle enthaupten. Ihre Köpfe setzten sie auf eine Wiese an der Elbe, zum Zeichen, daß sie Seeraub verübt hatten. Die Hauptleute dieser Vitalienbrüder hießen Wichmann und Klaus Störtebeker. Nicht lange danach stießen dieselben Englandfahrer auf eine andere Seeräuberbande und kämpften mit ihnen. Und Gott gab doch den tüchtigen Helden den Sieg, denn sie ermordeten viele von ihnen, fingen etwa 80 und brachten sie mit sich nach Hamburg. Dort wurden sie enthauptet und (ihre Köpfe) zu ihren Kumpanen auf die Wiese gestellt. Ihre Hauptleute hießen Godeke Michels und Wigbold, ein Magister der sieben Künste]: Der sog. Rufus-Chronik zweiter Theil von 1395–1430, hg. v. Karl Koppmann, in: Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Lübeck. Dritter Band, Leipzig 1902 (Die Chroniken der deutschen Städte 28), S. 1–341, hier S. 25f. Dazu Hermann Hipp, Das Ansehen der ,Stadt Gottes‘ – Politische und heilsgeschichtliche Perspektiven in Hamburger Stadtansichten der frühen Neuzeit, in: Hans Wilhelm Eckardt u. Klaus Richter (Hgg.), Bewahren und Berichten, FS Hans-Dieter Loose, Hamburg 1997 (Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 83), S. 243–268, hier S. 246f.; ders., Hamburg, in: Wolfgang Behringer und Bernd Roeck (Hgg.), Das Bild der Stadt in der Neuzeit, S. 235–244.

299 präsentiert700 –, erwies auch die Bühne der Gänsemarkt-Oper den Ereignissen des Jahres 1401 ihre Reverenz und gedachte des glorreichen Hamburger Sieges über Störtebeker und Michels. Die Autoren der 1701 in zwei Teilen gespielten Produktion St rtebecker und J dge Michaels701 waren Reinhard Keiser702 sowie ein gewisser Hotter, laut Mattheson ein S nger, und hernach Cantor in Jevern,703 der als Librettist für die Hamburger Bühne offensichtlich weiter nicht in Erscheinung trat. Hotter hat dem Libretto des ersten Teils eine Vorrede an den Geneigte[n] Leser vorangestellt,704 worin er die Exzeptionalität des Sujets und dessen Grundzüge eines negativen Exemplums betont, die spezifische Verbindung zum Aufführungsort erläutert und zuletzt verschiedene poetologische Überlegungen anfügt. Der Verfasser beginnt mit der Sonderstellung des präsentierten Sujets im Rahmen der bisherigen Hamburger Stofftradition – die er in mythologische, heroisch-historische und komödienhafte Sujets zu unterteilen scheint, in die Gedichte der Heyden und die Geschichte grosser und m chtiger Potentaten / jezuweilen auch geringerer und niedriger Personen –, insofern es gar zwey R uber seien, die die Bühne betreten, um ihren unordentlichen und verkehrten Lebens-Wandel deinen Augen vorzustellen. Der Hinweis auf die propagierte Lesart des szenisch Vergegenwärtigten als negatives Exemplum ist unverkennbar. Zugleich wird die enge Verflechtung des Störtebeker-Mythos mit der Stadt Hamburg herausgestellt, und zwar insbesondere der historische Triumph der urbanen Kommune über die Vitalienbrüder und das daraus entspringende unsterbliche[] Lob: Gewiß w re dies; sie [die zwey R uber] untern hmen sich ein grosses / und )berh ufften das Maaß ihrer Fehler auch noch im Tode / wann sie an einen andern / als diesen Orte erscheinen w)rden; weil ihnen aber wohl bewust was vor eine )beraus grosse Freude ja was vor ein unsterbliches Lob es der werthen Stadt Hamburg gegeben / so wohl das sie von dieser ihren Volck ged mpft und bezwungen / als das sie auch in und bey ihr die Straffe ihrer Laster leyden m)ssen; als wagen sie sich dismahl durch eine metem psychosin die Freude so die V ter genossen bey denen Nachk mmlingen auf das neue wiederum anzuregen. Die ,Metempsychose‘ Störtebekers und Godeke Michels, die dramatisierte Memoria der alten Episode des rühmenswerten Hamburger Sieges, dessen Geschichte auch [...] so wenig den Kindern als denen erwachsenen unbewust, dient mithin der Selbstvergewisserung der urbanen

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Abbildung bei Matthias Puhle, Die Vitalienbrüder, S. 169. STRTEBECKER UND JDGE MICHAELS Erster Theil / vorgestellet In einen Singe-Spiel auff dem Hamburgischen Schau-Platz [1701] (D-Hs, 88 in MS 639/3:6); STRTEBECKER UND JDGE MICHAELS / Zweyter Theil / Vorgestellet. In einem Singe-Spiel Auf dem Hamburgischen Schau-Platz [1701] (D-Hs, 89 in MS 639/3:6) [beide Drucke ohne Paginierung]. – Eine Faksimile-Ausgabe beider Libretti liegt vor in: Die Hamburger Oper, Bd. 1, S. 319–398. Keisers Vertonung ist allerdings nicht überliefert. Johann Mattheson, Der Musicalische Patriot, S. 184. Vgl. weiterhin Klaus Zelm, Die Opern Reinhard Keisers, S. 31. Die Hamburger Oper, Bd. 1, S. 322–324.

300 Gemeinschaft, deren Identität und Selbstbilder sich auf die kollektive Erinnerung herausragender gemeinschaftlicher Leistungen und Errungenschaften als „Fixpunkte in der Vergangenheit“705 gründen. Im folgenden deutet Hotter den Inhalt der beiden Opern an und skizziert Störtebekers und Godeke Michels ,Abstiegsgeschichte‘: Zunächst Söldner des in Stavern residierenden friesischen Grafen Woldemar, wurden sie zu grausamen Seeräubern, als ihnen nicht m glich war ihr Gl)ck an den Stavrischen Hofe nach Wunsche hoch genug zu treiben. Sie wagten es, ihre Namen auf die boßhaffteste Weise von der Welt der Unsterblichkeit einzuverleiben, und fanden ihr Ende durch die Hand des Hamburger Scharfrichters Rosenfeld. Aus poetologischer Perspektive wird ergänzt, daß andere Umst nde und etliche Liebes-Sachen allhier mit eingemischt worden seien, da Leben und Wandel der beiden Protagonisten schwerlich allein hätten vorgestellt werden können. Dem Eingeständnis des Verfassers, das dramentheoretische Prinzip der Einheit von Ort und Zeit in den beiden Teilen der Störtebeker-Oper bisweilen außer Acht gelassen zu haben, folgt zuletzt eine Captatio benevolentiae, die darauf zielt, die drastischen Bühnenvorgänge in Szene III, 9 des ersten und Szene III, 6 des zweiten Teils – die Enthauptung von Strtebeckers Gefangenen und letztlich der Vitalienbrüder selbst – zu rechtfertigen. Hotter begründet seine Präferenz der unmittelbaren szenischen Vergegenwärtigung dieser Vorgänge – gleichsam der Schlüsselszene und zentralen Erinnerungsfigur des Hamburger Triumphes – gegenüber einem Referat durch einen Boten mit der eindringlicheren Realistik der dramatischen Mimesis: Alleine / weil dieses, der Botenbericht, mehr der Weise der Redner / als einer w)rcklichen nachahmender Vorstellung w)rde hnlich gewesen seyn / hat man es vor besser zu seyn erachtet / auff erwehnte Weise ein solches th tlich vorzustellen. Die Handlung der Doppeloper St rtebecker und J dge Michaels sei im folgenden angedeutet. Sie beruht zu einem großen Teil, gerade was das kontinuierliche gemeinsame Agieren der beiden Freibeuter, die Akzentuierung der Person Störtebekers (schon der Titel der Oper nennt ihn an erster Stelle) und die Bedeutung des Hamburger Ratsherrn Simon von Utrecht anbelangt, auf späteren sagengeschichtlichen Verwandlungen706 des ursprünglich wohl historischen Kerns, wie ihn etwa das Hamburger Flugblatt von 1701 umrißhaft entwirft

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Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 52. Vgl. Karl Koppmann, Der Seeräuber Klaus Störtebeker in Geschichte und Sage, in: Hansische Geschichtsblätter 3 (1877), S. 37–58, hier S. 49: „Betrachten wir den Gang der Sage im Allgemeinen, so erkennen wir zunächst Folgendes. Die beiden Kämpfe gegen Störtebeker und Gödeke Michels werden zusammengeworfen, und an Stelle des Gödeke Michels, dessen Besiegung unzweifelhaft eine grössere Bedeutung hatte, wird Störtebeker in den Vordergrund geschoben; die Rathmannen, welche in diesen Kämpfen den Befehl führten, insbesondere Nikolaus Schoke, dem augenscheinlich der Hauptpreis des Sieges gebührt, gerathen in Vergessenheit und ihr Verdienst wird auf Simon von Utrecht übertragen; die Bunte Kuh, die nachweislich von Hermann Nyenkerken geführt ward, spielt als Attribut Simons von Utrecht die Hauptrolle in dem Kampfe.“

301 (freilich erscheint auch dort Störtebeker als herausragende Gestalt).707 Wie in der Vorrede expliziert, wurde die Seeräuberhandlung erweitert um eine doppelte fiktive Liebesgeschichte, die mit jener, d. h. den Haupt- und Staatsaktionen, eng verwoben ist und die friesische Stadt Staveren neben Hamburg als Handlungsort exponiert. Teil I: Strtebecker und Jdge Michaels kämpfen unter dem friesischen Grafen Woldemar unweit der Residenz Stavern gegen die Truppen der Holsteiner unter Graf Adolph und dem Sachsen Carolomannus.708 Im hitzigen Gefecht, das mit der Niederlage der Holsteiner endet, retten sie Woldemar das Leben und erwerben sich dessen Gunst. Als Woldemar ihnen einen Wunsch gewährt, begehren sie seine Tochter Wendela, werden jedoch harsch zurückgewiesen. Unterdessen hat sich der unterlegene Graf Adolph in Frauenkleidern und unter dem Namen Kunigunda nach Stavern begeben, um sich der von ihm geliebten Wendela zu nähern. Auf der Suche nach seinem Herrn erscheint auch Carolomannus am friesischen Hof. Er wird wiederum von der Sächsin Brigitta geliebt, die während der Schlacht in friesische Gefangenschaft geriet und sich nun ebenfalls in Stavern aufhält. Wendela freundet sich indes mit der ihr unbekannten Kunigunda an. Beide werden während eines Spaziergangs von Strtebecker und Michaels überfallen und entführt, die aus Rache und Unmut über ihre Schmähung fortan als Seeräuberhauptleute ihr Unwesen treiben. Im Auftrag Woldemars setzt Carolomannus ihren Schiffen nach, wird aber im Seegefecht geschlagen und kann Wendela und die vermeintliche Kunigunda nicht befreien. Um die beiden Entführten gefügig zu machen und zur Liebe zu zwingen, enthauptet Strtebecker vor ihren Augen gefangene Seeleute aus Carolomannus’ Mannschaft. Beide bleiben aber standhaft und können zuletzt durch die Hilfe von Strtebeckers Knecht Springinsfeld aus ihrem Gefängnis, dem Raubnist der Piraten, entkommen. Teil II: Strtebecker und Jdge Michaels entdecken die Flucht der Gefangenen und geraten angesichts ihrer verwüsteten Räuberhöhle und getöteten Bandenmitglieder in Zorn und Raserei. Sie beschließen, den Entflohenen nachzusetzen. Auf der Suche nach dem gefangenen Graf Adolph alias Kunigunda ist Carolomannus inzwischen in Hamburg eingetroffen. Der Syndikus Utrecht informiert ihn über eine Hamburger Expedition gegen Strtebecker und seine Räuberbande. An der Elbe begegnen die Hamburger unter Bürgermeister Simon den Piraten, nehmen sie nach einem Gefecht gefangen und bringen sie nach Hamburg. Dort wird Simon vom Rat mit allen Ehren empfangen. Auch Wendela ist in Hamburg gelandet, allerdings scheint Kunigunda verschwunden, und statt dessen begegnet ihr ein Unbekannter, der niemand anderer als Graf Adolph ist. Brigitta ist wiederum Carolomannus aus Liebe nach Hamburg gefolgt und unterstützt Wendela bei der Suche nach Kunigunda. Unterdessen werden die sich noch immer trotzig und unbeugsam

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Danach agierten Störtebeker und Godeke Michels zuletzt unabhängig voneinander und wurden auch in separaten Strafexpeditionen der Hamburger Englandfahrer unter Herrn Simon von Utrecht / Herrn Hinrich Jenefeld / und Herrn Claus Schacke / Raht-M nner zu Hamburg gestellt. Zur Debatte um Historizität oder Fiktionalität des Störtebeker-Stoffes vgl. Matthias Puhle, Die Vitalienbrüder, S. 147f. Die historische Grundlage des dargestellten Konflikts könnten die Kämpfe Albrechts von Holland – der in der Oper dann zu Adolph von Holstein verwandelt wird (?) – gegen die ostfriesischen ,Häuptlinge‘ an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert bilden. Sicher ist, daß sich große Teile der Vitalienbrüder (und unter ihnen vielleicht Störtebeker und Michels) nach Beendigung des dänisch-mecklenburgischen Thronfolgekrieges in der Nordsee niederließen (seit 1398) und im territorial zersplitterten Ostfriesland Aufnahme fanden. Von dort unternahmen sie, im Schutz der ostfriesischen ,Häuptlinge‘, zahlreiche Beutezüge, bis sie 1400 von einer Hanseflotte unter der Führung Hamburgs und Lübecks vertrieben wurden (vgl. Matthias Puhle, Die Vitalienbrüder, S. 103–125).

302 aufführenden Strtebecker und Jdge Michaels samt ihren 80 Mitgesellen vor dem Rat angeklagt und von diesem zum Tod verurteilt. Sie werden auf dem Graß-Brock enthauptet und ihre Köpfe zur allgemeinen Abschreckung auf Pfähle gesteckt. In einem Garten außerhalb Hamburgs enthüllt Brigitta Wendela die Identität von Graf Adolph alias Kunigunda. Als dieser hinzutritt, gestehen sich beide ihre Liebe. Und auch Brigitta und Carolomannus finden schließlich durch Wendelas Vermittlung zueinander. Die beiden Liebespaare kehren zuletzt nach Stavern zurück, wo Wendela und Adolph einen Frieden zwischen ihren verfeindeten Vätern Woldemar und Sieghard und somit zwischen Friesen und Holsteinern stiften.

Speziell der zweite Teil der Doppeloper läßt in den auf Hamburg bezogenen Szenen augenfällige lokalpatriotische Tendenzen erkennen und entwirft über verschiedene Szenen hinweg ein auf die große Vor- und Hansezeit gegründetes und von dort in die Gegenwart ausstrahlendes Städtelob. Die einzelnen Stationen dieser sich nach und nach steigernden stadtbezogenen Aussagen und Implikate kommunaler Glorifizierung seien kurz aufgezeigt. Sie reichen von Carolomannus’ Apostrophe Du werthes Hamburg du in Szene I, 2 (Bühnenbild: Ein wohlgeziertes Zimmer eines Hamburgischen Hauses), die die bald herausragende Rolle der Stadt bei der Lösung des virulenten Konflikts antizipiert, über die Gefangennahme Strtebeckers durch die Hamburger unter Simon in Szene I, 5 (Hier von mag die nach Welt sagen | Hamburg fochte ritterlich), die wiederum von Carolomannus rühmend besungen wird (I, 7, nun vor der Kulisse des grossen Saal[s] des Hamburgischen Rathauses): So lang die Ebb’ und Fluth | Wird Hamburgs Sand benetzen / | Wird das was heut ihr Volck gethan | Mit h chsten Nachruhm jederman | Noch heissen wohl und guth | Und R)hmens w)rdig sch tzen, bis hin zum triumphalen Einzug und Empfang der Hamburger Expedition durch den gesamte[n] Rath in den Szenen I, 10/11. Es folgen die Anklage und Verurteilung der Delinquenten vor dem Hamburger Rat, und zwar erneut im Grossen Saal des Hamburgischen Rathhauses (II, 8/9), wobei mit der Freisetzung kommunaler, vom konkreten historischen Ereignis ausgehender Identifikationspotentiale nun insbesondere die Inszenierung einer „urbane[n] Wertideologie“ einhergeht, die „auf die Interessen der Führungsschicht hin orientiert“ ist und „deren Status und Selbstverständis [...] legitimiert“.709 So wird in der Gerichtsszene dezidiert auf die überzeitliche Herrschafts- und damit verbundene judikative Gewalt des Rates angespielt, wenn Bürgermeister Simon in seiner Auftrittsarie betont: Die Tugend zu belohnen / | Und nie der Laster schonen | Geb)hrt der Obrigkeit. Ebenso verweist der Syndikus Utrecht, dessen Name wie der des Bürgermeisters von der historischen Figur Simon von Utrecht abgeleitet ist,710 auf diese oberste, in der glorreichen Vergangenheit bewährte und somit auch für die Gegenwart des frühen 18. Jahrhunderts adäquate ,Lenkungsfunktion‘ des Ratsregiments, das sich zugleich göttlicher und, mit

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Erich Kleinschmidt, Textstädte, S. 73. Am Ende des Librettos des zweiten Teils weist der Verfasser eigens auf diese Chiffrierung des Namens der historischen Figur hin: Der wolgeneigte Leser wolle bestens deuten das in hiesigen Spiehlen die beyden Personen der Burgermeister und Cyndikus den Nahmen Simon Utrecht getheilet / als welcher Nahme den B)rgemeister alleine geh ret h tte (Die Hamburger Oper, Bd. 1, S. 398).

303 Blick auf Hamburgs besonderen Status einer Reichsstadt, kaiserlicher Legitimation versichert (der Rat agiert als Stellvertreter des Kaisers), wenn er den Angeklagten Strtebecker und Jdge Michaels mit folgenden Worten das Urteil verkündet: Und da wir dann | Krafft unsers Ambts nach den Gesetzen / | So diese werthe Stadt allhier | Von GOtt und K yseren genommen an / | Gantz weißlich )berleget eu’r verbrechen / | Und in was Straff ihr davor seyd zu sch tzen; | So wil ich itzt aussprechen / | Was ein Hoch Weiser Rath | In dieser Sach zurecht entschlossen hat. | Es sol durch Schwerdtes Streich | Euch Rosenfeld die H upter f llen. | Und dis sol wiederfahren auch zugleich | Den achtzigen von euren Mitgesellen / | Und also dann | Um die Boßhafften mehr zu schr cken | Soll man | All eure K pf auf hohe Pf le stecken. Die „Mobilisierung städtischer Gefühlskräfte“711 und Inszenierung spezifisch urbaner Identität kulminiert in Szene III, 6, die die Hinrichtung der beiden Seeräuber auf dem Graß-Brock vor dem Prospect der Stadt Hamburg präsentiert. Simon kommentiert die Bühnenvorgänge und das in den beiden Opern vermittelte negative Exemplum insgesamt mit einer resümierenden didaktischen Sentenz, die sich alsbald, insbesondere beim Eintritt des Chors, zu einer patriotischen Apotheose der Stadt Hamburg entfaltet: [Simon, Aria:] Also m)ß es allen gehen | Also st)rtzt des Himmels Hand | Die zu deinen Schaden stehen | Du geliebtes Vaterland / | So wird der einst die sp the Nach-Welt sagen / | Daß Fried und Ruh mit [...] Gl)ck in Hamburg tagen. [Aria:] Was die G tter Gutes hegen | Was der Himmel in sich h lt | M)sse sich auf Hamburg legen | Biß zum grauen End der Welt. [Chor:] Wann ihr so die Wohlfahrt dienet | Wird bekennen jeder Ort / | Hamburg w chset Hamburg gr)net | Hamburg bl)het fort und fort. Lokalpatriotische Tendenzen und genuin hamburgische Identifikationspotentiale sind dann vor allem in den komischen Szenen um Strtebeckers einstigen Knecht Springinsfeld greifbar. Hier werden den Zuschauern im Gewand des historischen Stoffes vertraute Fragmente des alltäglichen Lebens präsentiert, die die Bühnenaktion als eigene Vorzeit, als Geschichte der urbanen Gemeinschaft markieren und auf das Selbstverständnis des Hamburger Opernpublikums zielen. Gemeint sind etwa Springinsfelds Auftritt als Faßbinder in Szene II, 2, wo er nach Hamburger Weise Hebb y watt tau binnen ausruft, oder seine Rolle als Glasverkäufer in Szene III, 1, der seine Ware nach Hamburger Manier anpreist mit den Worten Glaß kopen / Glaß Glaß. Der Höhepunkt wird wohl erreicht, wenn Springinsfeld – im Vorfeld der zentralen Hinrichtungsszene – mit einigen Jungen auf der Bühne das Neue Lied von St rtebecker und J d. Mich. anstimmt (III, 2), wobei es sich „zweifellos um das niederdeutsche Volkslied ,Stortebecker und Gode Michels / de roveten beede tho glieken deel‘“ handelte, „das seit der Mitte des 16. Jahrhunderts im Umlauf und so bekannt war, daß sein Text im Opernlibretto nach der Anweisung ,Sie [die Jungen]

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Erich Kleinschmidt, Textstädte, S. 78.

304 heben an zu singen‘ nicht abgedruckt werden brauchte“.712 Die Szene endet damit, daß Springinsfeld den Jungen die Lieder, d. h. deren Text- bzw. Notenblätter, wegnimmt und etlige unter die Spectatores wirft. Und auch die Bühnendekoration, für die Johann Oswald Harms verantwortlich zeichnete, läßt vornehmlich für die Hamburg-Szenen eine individualisierend-realistische Ausstattung erkennen, die die Couleur locale des Sujets augenfällig zum Ausdruck bringt und der Projektion städtischer Identität verpflichtet ist. Anhand der erhaltenen Entwürfe zu einzelnen Szenen läßt sich dies kurz aufzeigen. So hat Harms wohl für die Eröffnungsszene des zweiten Aktes, die in der Bühnenanweisung des Librettos mit Ein Marckt in Hamburg überschrieben ist, eine topographisch ebenso genau zu definierende Stadtansicht vorgesehen wie für den Gang zur Hinrichtung in Szene III, 1, wo entsprechend der Angabe des Librettos Eine Gasse zum Thor zur sehen war, die die verurteilten Vitalienbrüder entlangschritten. Der erste Entwurf (Ein marckt, oder der berg mit der bütteley),713 auf dessen Zuordnung zur Störtebeker-Oper jüngst Dorothea Schröder aufmerksam gemacht hat, zeigt „den damaligen Hamburger Platz ,Berg‘“ und dahinter „die Türme des Doms (rechts) und der St. PetriKirche (links)“,714 während der zweite (Die gasse nach dem thor und die brocksbrügge)715 den Prospekt einer Hamburger Straßenflucht mit der Brücke zum Grasbrook darstellt. Schließlich skizzierte Harms als „Prospektbild des Graß-Brocks“716 in der Hinrichtungsszene (Das Theatrum praesentiret den Graß-Brock / hinter welchen der Prospect der Stadt Hamburg) eine Vedute Hamburgs, die den Zuschauern die typische Stadtansicht von Süden mit den Türmen des Doms und der Hauptkirchen – einschließlich der neuen, Mitte des 17. Jahrhunderts errichteten Michaeliskirche – vor Augen führte.717 Alle drei Entwürfe lassen sich aufgrund ihrer dezidierten topographischen Fixierung etwa Claude-François Ménestriers Dekorationstyp Historique718 zuordnen und stützen die Inszenierung des mit dem Störtebeker-Sujet verbundenen urbanen Selbstbildes, indem sie – mitunter in idealisierter Darstellung – den Zuschauern vertraute städtische Räume und Schauplätze von deren tagtäglicher Lebenswirklichkeit vergegenwärtigen. Ob und inwieweit für die Hamburg-Szenen eventuell auch historisierende Aspekte zu vermuten sind, mag nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden, da einerseits nicht alle Szenenentwürfe überliefert sind (etwa die für den Saal des Hamburger Rathauses), andererseits keine Informationen über die konkrete Kostümierung der Figuren vorliegen. Die Ikonographie der vorgestellten Ent-

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Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 191. – Rochus v. Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, Bd. 1, Leipzig 1865 [Nachdruck Hildesheim 1966], S. 210–215 (Nr. 44: Stortebeker und Godeke Michel). Horst Richter, Johann Oswald Harms, DE 152. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 191 Anm. 39. Horst Richter, Johann Oswald Harms, DE 130. Ebd., S. 139. Ebd., DE 131. Vgl. o. S. 178f. Anm. 365f.

305 würfe zielt aber wohl eher auf die Gegenwart des frühen 18. Jahrhunderts, als daß sie die Zeitebene der Bühnenhandlung assoziiert. Eine Ausnahme könnte ein bislang nicht identifizierter Entwurf Harms’ bilden,719 der m. E. auf das im Libretto geforderte Bühnenbild zu Szene II, 4 des ersten Teils zu beziehen ist: Der Schauplatz zeiget eine lustige Holtzung / zur Seiten das Schloß Stavern. Die Federzeichnungen stellen entsprechend eine Waldlichtung (Nadelwald) und im Prospekt eine Burganlage dar, die auf einem Hügel thront (Abb. 21). Daß die etwas irritierende Positionsanweisung des Librettos: zur Seiten tatsächlich auf den zentralen Prospekt verweist, scheint die zugehörige Figurenrede zu verdeutlichen. So legen sowohl Carolomannus’ Aussage Ja ja ich kans [d. h. Stavern] dort in der Ferne sehen als auch die Entgegnung des Springinsfeld Schau Stavern liegt gleich vor der Nasen hier eine Positionierung der friesischen Residenz im Prospekt, und nicht zur Seiten der Bühne – aus der zentralen Perspektive des Zuschauers gesehen – nahe. Wenn dem so ist, könnte die romantisch anmutende Waldszenerie mit der ,mittelalterlichen‘ Burganlage im Zentrum720 eine zeitliche Distanzierung der Bühnenhandlung implizieren. Die illusionistische Historizität des Störtebeker-Sujets würde zumindest partiell – anhand einzelner Szenen – aufscheinen. Die Störtebeker-Oper von 1701 wurde 1707 wiederholt. Sowohl die Uraufführung als auch die Wiederaufnahme fielen in die Zeit heftiger innenpolitischer Kämpfe zwischen dem Rat und der religiös – durch die Agitation der orthodoxen Hauptpastoren Mayer und Krumbholtz – fanatisierten Bürgerschaft. 1699 hatte sich der Rat gar dazu entschließen müssen, „mit der Bürgerschaft einen Rezeß abzuschließen, der für ihn totale Kapitulation bedeutete“.721 Eine Beruhigung der politischen Lage hatte dies allerdings nicht zur Folge, erst der ,Hauptrezeß‘ von 1712 beendete die verfassungsrechtlichen Spannungen für längere Zeit. Gerade vor diesem politischen Hintergrund mag die ideologische Funktion der Doppeloper – als eines ,Massenmediums‘ – kaum überschätzt werden:722 Mit dem Blick auf Hamburgs glorreiche Vergangenheit und politische Größe während der spätmittelalterlichen Hansezeit, und zwar unter der einträchtigen Herrschaft und weisen Lenkung des Rates, propagierte die amtierende Hamburger Obrigkeit das von ihr favorisierte Selbstbild der urbanen Gemeinschaft: einer städtischen Kommune, deren Friede, Sicherheit und Glück allzeit auf das Regiment der dazu legitimierten, tüchtig und weise handelnden Autoritäten gegründet ist.

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Horst Richter, Johann Oswald Harms, DE 286–DE 289: „Burgwald. Unbestimmbare Entwürfe.“ Beispielsweise lassen Turm und – vermutlich – Palastrakt eine für die Romanik typische Fassadengliederung durch Lisenen erkennen. Horst Richter hat darauf hingewiesen, daß für Harms’ Dekorationen generell ein „Bemühen um historisch und ethnographisch richtige Theaterszenerien“ eigentümlich scheint: Johann Oswald Harms, S. 202. Hans-Dieter Loose, Das Zeitalter der Bürgerunruhen, S. 283. Dazu auch Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 180 u. 193.

Abb. 21: Johann Oswald Harms, Burgwald Prospekt (Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Ri 288)

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2.3.2.2 Die Historie als funktionales Kontrastbild im Kontext des Städtelobs: Mistevojus Noch pompöser wurde Hamburgs Preis in der zu Beginn des Jahres 1726 erschienenen Produktion Mistevojus besungen.723 Während deren Libretto zum größten Teil der Feder des schon aus Braunschweig bekannten Johann Samuel Müller entstammt, wurde die – nicht überlieferte – Vertonung dieser Oper abermals von Reinhard Keiser besorgt (wohl bis auf einige italienische Arien und die Balletteinlagen). Beide werden im Libretto als Verfasser genannt.724 Da Müller zuletzt, wohl unmittelbar vor der Aufführung, von Hamburg abwesend oder verhindert war, nahm sein ,Kollege‘, der Jurist und seit 1725 für die Hamburger Oper tätige Librettist Johann Philipp Praetorius, am Libretto einige abschließende Ergänzungen und Änderungen vor, die er im kurzen Avertissement des Librettos angezeigt hat. Dort wird denn auch das Fehlen einer – vom Opernbesucher oder Leser offensichtlich erwarteten – gelehrten Vorrede entschuldigt und statt dessen eine vage historische Situierung der Bühnenereignisse vorgenommen, die – wie üblich – durch schematische Liebesverwicklungen und Intrigen überformt wurden: WEnn der Herr Verfasser dieser Opera gegenw rtig / und nicht in einer r(hmlichen Bedienung abwesend w re / wurde er ohne Zweifel in einer gelehrten Vorrede den Innhalt der gantzen Geschichte auf das umst ndlichste angezeigt haben; Da aber dieses wegen dessen Abwesenheit nicht geschehen knnen / hat man f(r nthig erachtet zu erinnern / daß diese Geschichte / ohne die eingemischte Verwickelungen / die eine Erfindung des Herrn Autoris sind / sich im Eilften Seculo unter der Regierung Henrici II. oder Sancti begeben. Man ist in allem dem Hn. Verfasser nachgegangen / ohne daß man hie und da einige Itali nische Arien eingeschoben / und im 5ten Acte die mit Asteriscis bezeichnete Worte / zur Introduction des / noch nie in solcher Vollko@enheit gesehenen / Prospects der Stadt Hamburg / von J[ohann] P[hilipp] P[raetorius] inserirt worden.

Das Sujet, von Praetorius ins 11. Jahrhundert eingeordnet, rekurriert auf die Zerstörung Hamburgs durch den Obodritenfürsten Mistui im Jahr 983, im Zuge eines verheerenden Aufstandes der tributpflichtigen Slawenstämme an der sächsischen Ostgrenze des ottonischen Reiches, in den letzten Tagen der Herrschaft Kaiser Ottos II.725 Bei Zedler werden die in Rede stehenden historischen Ereignisse im Artikel Mistevo, unter Berufung auf Thietmar von Merseburg, Helmold von Bosau und Albert Krantz, folgendermaßen skizziert: Erstlich fiel er

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MISTEVOJUS, In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet Im Jahr 1726 (D-Hs, 259 in MS 639/3:18) [ohne Paginierung]. Die vortreffliche Music / ausser etlichen wenigen Arien, ist von dem k nigl. D nischen C.M. Herrn Reinhard K yser. Die Poesie von dem Herrn M)ller. Die Composition der T ntze von Mr. Baptiste. Und die neue Mahlerey von Signore Fabris. – Hinsichtlich seiner dramaturgisch-strukturellen Konzeption folgt Müllers Libretto wohl Zenos und Pariatis Textbuch Antioco (Venedig 1705) bzw. Nicolò Minatos älterem Libretto Seleuco (Venedig 1666) (s. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 199 Anm. 9). Vgl. Gerd Althoff, Die Ottonen, S. 150f. u. 157; Bernd Schneidmüller, Otto II. (973–983), in: ders. u. Stefan Weinfurter (Hgg.), Die deutschen Herrscher des Mittelalters, S. 62–72 u. 566f., hier S. 70f.

308 [Mistevo] im Jahr 982 nicht allein von der Christlichen Religion ab, sondern verfolgte sie auch auf das usserste. Er fiel in Sachsen ein, und richtete daselbst eine grosse Verheerung an, er verbrannte Hamburg und viele andere St dte, schlug die Geistlichen allenthalben todt, und ließ einigen ein Creutz vorn auf die Stirne schneiden, und sie in dieser Gestalt durch die St dte herum f)hren. Die Stadt Brandenburg wurde auch von ihm zerst hret, und der Marggraf von Brandenburg aus seinem Gebiete verjaget, daß er nach Magdeburg ins Elend entweichen muste.726 Als Anlaß der Erhebung erwähnt Zedler, wohl Thietmar und Helmold folgend,727 daß ein Eheversprechen Herzog Bernhards von Sachsen gegenüber Mistevo – der Obodritenfürst sollte mit einer Verwandten Bernhards verbunden werden – später auf schmähliche Weise in Frage gestellt worden sei. Und auch Müllers Libretto setzt diese Vorgänge voraus und spielt insbesondere auf eine einschlägige Anekdote der mittelalterlichen Chronisten an, die im genannten Zusammenhang eine überhebliche, schimpfliche Äußerung des Markgrafen Dietrich über Mistui tradieren;728 so wird einerseits Dedo, Graf zu Wetin, als Schwiegersohn ebenjenes Dietrich ins Figurenensemble aufgenommen, werden andererseits Mistevojus in der ersten Szene die Worte in den Mund gelegt: Der sonst so k)ne Teutsche | H lt uns f)r seine Rut und Peitsche. | Er nennt uns grausam und Barbaren / | Da unsre Grausamkeit doch niemand noch erfaren / | Wenn man uns nicht gereitzt / zum Krieg gezwungen / | Und uns die Grausamkeit recht abgedrungen. | Denn der mich einen Hund gescholten / | Dem ist sein loses Maul / wie sich’s geh rt / vergolten. | Ich zweifle nicht / es wird ihm unser Bellen | Noch in den Ohren gellen. Für die fünfaktige Opernhandlung, die mit dem Einzug des siegreichen Mistevojus in die zerstörte Stadt Hamburg einsetzt, ist die – zunächst verdeckte – konkurrierende Liebeswerbung des Mistevojus wie seines Sohnes Anadrach um die sächsische Prinzessin Mechtilde konstitutiv. Dieser dramaturgische Grundkonflikt wird durch mancherlei Intrigen und Irritationen verschärft, die Vater und Sohn gegeneinander in Stellung bringen und in extreme Affektsituationen zwingen. Letztlich wendet sich doch alles zum Guten, da einerseits

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Mistevo, Mistevojus, Mistávus, Mistaff, in: Universal-Lexicon, Bd. 21 (1739), Sp. 537f., hier Sp. 538. Dazu Gerd Althoff, Die Ottonen, S. 150f. „Thietmar, unsere Hauptquelle, nennt die ,Überheblichkeit‘ des Markgrafen Dietrich als Ursache der Erhebung. Adam von Bremen und Helmold von Bosau erzählen eine Geschichte, die diesen Vorwurf konkretisiert. Dem Slawenf(rsten Mistui sei eine Eheverbindung zwischen seinem Sohn und einer Nichte des sächsischen Herzogs Bernhard in Aussicht gestellt worden. Daraufhin habe er 1000 Reiter zum Italienzug Ottos II. gestellt, die dort alle umgekommen seien. Gegen die Ehe habe der Markgraf Dietrich dann dennoch Einspruch erhoben mit der Bemerkung, man dürfe die Verwandte des Herzogs nicht einem Hunde geben“: Gerd Althoff, Die Ottonen, S. 150f. – Vgl. Zedlers Artikel Mistevo: Nachdem aber Bernhard wieder zu Hause gekommen war, weigerte er sich sein Versprechen zu erf)llen, und der Marggraf zu Brandenburg, Dietrich, ließ diese Worte dabey h ren: Man sollte eine S chsische Printzeßin keinem Wendischen Hunde geben; Worauf Mistevo zur Antwort gabe: Wenn er ein Hund sey, so wolle er ziemlich um sich beissen; und dieses that er auch (Sp. 538).

309 die Intrigen von ihren Urhebern zurückgenommen und Verwechslungen entschärft werden, andererseits Mistevojus sich in einem generösen Akt selbst überwindet und zugunsten seines Sohnes auf die Verbindung mit Mechtilde verzichtet. Diese dramaturgische Konstellation trägt zweifellos stereotype Züge, die die spezifische Historizität des Sujets zunächst völlig unerheblich erscheinen lassen. Ihre Bedeutung erlangt jene historische Perspektive des Sujets freilich erst im Zusammenspiel mit einer Reihe von Einzelszenen, die in die Liebesund Intrigenhandlung montiert wurden und als deren Träger durchweg allegorische Figuren hervortreten. Sie dokumentieren Glanz und Größe des – für die Zuschauer des frühen 18. Jahrhunderts – gegenwärtigen Hamburg und demonstrieren das Selbstbewußtsein der norddeutschen Handelsmetropole bzw. ihrer Führungsschicht. In ihrem Licht fungiert die Mistevojus-Handlung als pejoratives Kontrastbild aus der frühmittelalterlichen Stadtgeschichte, das die prosperierende Gegenwart umso heller erstrahlen läßt. Dies sei anhand der Eröffnungsszene der Oper und der genannten allegorischen Montagen erläutert. Johann Samuel Müller hat für den Opernbeginn einen pompösen Triumphzug des Mistevojus vorgesehen, dessen Kulisse die Ruinen der zerstörten Stadt Hamburg bilden. Die detaillierte Bühnenanweisung lautet: Eine grosse Gasse in der vom Mistevojus verw)steten Stadt Hamburg / nebst einer pr chtigen EhrenPforte / durch welche der Einzug geschehen soll. Man siehet hie und da halb niedergerissene H user / und w)ste Pl tze / wo Logen vor die Obotritischen und Wendischen Weiber aufgerichtet sind / um den Einzug zu zu sehen. Zur Inszenierung des Zuges heißt es weiter: Unter Trompeten und Paucken Schall h lt der K nig Mistevojus durch diese Ehren-Pforte einen pr chtigen Einzug / mit seiner ganzen Hofstadt / von einem grossen Gefolge von Soldaten / Heydenischen Priestern / mit dem Bildniß ihres Abgotts Rhadegasts, OpferPriestern etc. begleitet. Der K nig sitzt / mit seiner Braut / der S chsischen Prinzessin Mechtilde, auf einen von Sclaven gezogenen herrlichen TriumphWagen / der Obotritische Cron-Prinz Anadrach gehet vorher / dem der Pohlnische Prinz Mieceslaus, und Dedo Graf zu Wettin / folgen / die Pf lzische Prinzessinn Rixa wird in einer S nfte nachgetragen. Mit dem hier entworfenen historischen Tableau der unterjochten und zerstörten Stadt Hamburg, wo mit den slawischen Eroberern auch heidnische Kulte Einzug halten, kontrastiert der unmittelbar nachfolgende Auftritt Hammonias, der Allegorie der Hansestadt,729 in prononcierter Weise (I, 2). Auf einer Bühnenmaschine herabschwebend und das Bildniß Seiner jetzt regierenden K yserlichen Majest t, Carls des Sechsten, über sich, wendet sich Hammonia als Figur, die „außerhalb des inneren Kommunikationssystems“730 verbleibt und mithin aus übergeordneter Perspektive kommentiert, an den Titelhelden der Oper: Reiß / stoltzer Mistevo / reiß nur mein Hamburg nieder! | In kurzer Zeit find ichs auf dieser Stelle

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Zum „feminine[n] ,Denkbild‘ Stadt“, zur traditionellen „allegorische[n] Ausgestaltung der Stadt als Frau“ s. Erich Kleinschmidt, Textstädte, S. 73f. Manfred Pfister, Das Drama, S. 109.

310 wieder / | Und zwar in gr ßrer Pracht / in besserm Flor / | Als jemals hiebevor. | Um deinen Neid | Noch weiter zu erregen / | Will ich den Riß davon dir vor die Augen legen. Darauf scheint im Prospekt die Vedute des frühneuzeitlichen Hamburg aus Süden auf, deren idealisierte Ikonographie den Zuschauern des frühen 18. Jahrhunderts wohl bestens vertraut war. Möglicherweise griff man dabei auf Johann Oswald Harms’ Dekoration für die Störtebeker-Oper (Hinrichtungsszene) zurück:731 Die Stadt Hamburg wird nach ihrem jetzigen Zustande vom Graß-Brock im Prospect gezeiget. Das auf der prosperierenden urbanen Gegenwart fußende Städtelob Hammonias verbindet sich im folgenden mit einem Herrscherlob, das Kaiser Karl VI. als städtischem Schutzherrn und oberster Autorität gilt. In Anlehnung an das bekannte ,quasi-typologische‘ Schema werden die kurz zuvor präsentierte historische Zeit der Bühnenhandlung und die reale Gegenwart des 18. Jahrhunderts – hier jetzt dezidiert als Gegenmodelle – aufeinander bezogen; wiederum erscheint das Hic et Nunc der Zeitgenossen als Höhe- und Endpunkt einer teleologischen Entwicklung (wesentlich ist „nicht mehr [die] Erfüllung eines immer schon vorgeprägten Sinns, sondern [der] Vorstoß zu etwas Neuem“),732 deren Basis nun nicht die Geschichte einer Dynastie, sondern einer urbanen Gemeinschaft bildet: Bemerke wohl den Unterscheid | Der jetzigen und k)nftigen Zeit. | Doch wenn der Sechste Carl in Teutschland wird regieren / | Wird dessen Schutz mein Gl)ck zum h chsten Gipfel f)ren. Hammonias Abgangsarie figuriert sodann als subscriptio der auf der Bühne inszenierten emblematischen pictura (Es kommt ein Adler geflogen / und schwebet )ber der Hammonia), die Herrscher- und Städtelob pointiert zusammenführt und Hamburgs Blüte wie singulären Rang im norddeutsch-sächsischen Raum unter dem gegenwärtigen Regiment Karls VI. proklamiert: Die Krone Sachsen-Landes / | Der Schmuck des ElbeStrandes / | Wird Hamburg ewig seyn. | Will mich der Adler decken / | So weichet Furcht und Schrecken / | Und bleibt der Fried allein. Die Parallelen dieser emblematischen Szenerie zu entsprechenden ikonographischen Mustern in Müllers drei Jahre älterem Braunschweiger Libretto Rudolphus Habspurgicus (1723) sind unverkennbar.733 Die Finalszene des dritten Aktes (III, 7) kontinuiert und spezifiziert die auf die urbane Gegenwart fixierte Panegyrik, wenn Asteria, Pallas und Mercurius – abermals in der Luft – vor der Szenerie einer Strasse in Hamburg erscheinen, woselbst das Rathaus / und die B rse / in ihrem jetzigen Zustande zu sehen. Die mythischen Gottheiten und Allegorien der Gerechtigkeit (mit Asteria ist wohl Astraia gemeint), der Weisheit und des Handels vereinen sich zu einem Terzett, das insgesamt zweimal, am Szenenbeginn und -ende, erklingt, um das gerechte und weise Regiment der zeitgenössischen Hamburger Autoritäten sowie die ökonomische Prosperität der Hansestadt als entscheidende St)tzen eines starken

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Vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 203. Walter Haug, Ethik und Ästhetik in Gottfrieds von Straßburg Literaturtheorie, S. 226. Vgl. o. S. 46. Vgl. o. S. 225f. mit Anm. 498.

311 und glücklichen Staatswesens zu besingen: Wo Gerechtigkeit regieret / | Wo die Weisheit Zepter f)ret / | Wo die Kaufmannschaft floriret / | Stehts mit einem State gut. Die beiden Bezugspunkte des topischen Städtepreises, obrigkeitliche Politik und Ökonomie, werden auf der Bühne durch die illusionistische Präsentation ihrer beiden realen räumlichen Wahrzeichen, von Rathaus und B rse, konkretisiert. Der Höhepunkt des theatralischen Städtelobs wird in Szene V, 8, der Schlußszene der Oper, erreicht. Das Bühnenbild der soeben beschlossenen historischen Handlung wird verwandelt und es zeigen sich der Elbe-Fluß und Alster-Fluß vor einer Arcade, auf ihren Urnen ruhend / von verschiedenen Fluß-G ttern und Najaden begleitet. Die Personifikation der Elbe tritt hervor und prophezeit den historischen Bühnenfiguren – und zugleich den Opernbesuchern – den fulminanten Aufstieg der ruinierten Stadt Hamburg (der Mistevojus-Handlung) nach wenig Hundert Jahren: IHr / die ihr hier zugegen seyd / | Stellt euch bey eurer Fr lichkeit | Die ungemeine Lust / die seltne Freude vor / | Die ich nebst der Najaden Chor / | Nach wenig Hundert Jaren / | Im Ueberflusse werd erfaren; | Wenn Hamburg so der St dte K niginn | Wird werden / | Als ich auf Teutscher Erden / | Der Fl)sse K nig bin. Im anschließenden Duett huldigen der Elb-Fluß und der Alster-Fluß dem zukünftigen, in den Augen der Zuschauer freilich dem gegenwärtigen Rang und Glanz Hamburgs: HAMBURG wird zu ew’gen Zeiten | Den gr ssesten St dten den Vorzug bestreiten / | An Reichtum / Pracht und Anmuts-Schein. | So lang die Elbe Schiffe trotzet [sic!] / | So lang die Alster Fische heget / | So lang sich Elb und Alster reget / | Soll HAMBURG als n rende Mutter der Freunde / | On Unruh und Feinde / | Stets aller Welt ein Wunder seyn. Die Parallelen der urbanen Apotheose wie der damit verbundenen Muster und Schemata zu den panegyrischen Szenen etwa der erörterten Braunschweiger ,dynastischen Mittelalteropern‘ sind unverkennbar: Die Topoi fürstlicher Repräsentation imitierend, inszeniert sich die urbane Kommune, d. h. zuvorderst ihre oligarchische Führungsschicht, als selbstbewußte politische wie ökonomische Entität und vorbildliches Staatswesen. Die dargestellte Episode aus der Hamburger Stadtgeschichte, aus der eigenen Vorzeit, fungiert hierbei als Gegenbild, das das propagierte Paradigma eines überragenden politischen und wirtschaftlichen Aufstiegs der reichsstädtischen Kommune umso deutlicher zu konturieren vermag. Johann Philipp Praetorius hat diesen panegyrischen Aktschluß in der Weise erweitert, daß die von den Flußfiguren beschworene Pracht des künftigen, des zeitgenössischen Hamburg szenische Realität wurde: So öffnet sich, bei verdunkelter Vorderbühne, das bisherige Szenenbild der Arcade und es erscheint die Stadt Hamburg / nach ihrem itzigen Zustand von der Elbe Seite von weiten im Prospect, bey aufgehendem Mond. Auf der Elbe tummeln sich Schwäne – „als Symbol für Hamburgs Unabhängigkeit“734 – und faren viele Schiffe von allerhand Gattung und Gr sse [...] sichtbarlich auf und nieder. Die Personifikationen von Elbe und Alster kommentieren die nächtlich

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Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 205 Anm. 16.

312 illuminierte repräsentative Stadtansicht von Süden,735 die nun durch eine wechselseitige miniature-Kanonade der Schiffe und städtischen Befestigungsanlagen auch akustisch belebt wird, indem sie den donnernden Schall der Kanonen wie die charakteristische Stadtsilhouette, deren Turmspitzen sich hoch durch die Wolcken strecken, als Zeichen städtischer Macht und Stärke feiern. Ein letztes Mal wird die Differenz zwischen den Zeitebenen der frühmittelalterlichen Opernhandlung und der Zuschauerrealität herausgestellt und zugleich die ,Verkehrung‘ von Hamburgs Status und Ansehen angezeigt, wenn der Alster-Fluß voll Verwunderung ausruft: H rt / wie ein Donnerndes Metall | Aus dem ge ffneten und Feuer vollen Rachen / | Mit f)rchterlichem Krachen / | Von seinem hocherhabnem Wall / | Und denen auf Hammoniens Gew ssern / | H chst zahlreich schwimmenden und wohl beladnen Schl ssern / | Nur Blitz und Donner speit: | So daß die gegenw rtge Zeit / | Der dieses Wesen unbekannt / | Auf die Gedancken f llt / | Es sey dem THOR der Donner-keil entwannt, | Und HAMBURG zugestellt. | Doch der Carthaunens offner Mund | Macht nichts als Lustbarkeiten kund. Diese ostentative plurimediale Inszenierung städtischen Selbstbewußtseins und urbaner Identität mag letztlich eine „Kräftigung der reichsstädtischen Autonomiepolitik“736 gegenüber der kaiserlichen Oberherrschaft insbesondere in den 1720er Jahren reflektieren. Insofern im Mistevojus das Städtelob tendenziell vor dem Preis des Stadtherrn rangiert, dürfte dies auf ein neuerlich erstarktes Selbstverständnis, Autonomiebewußtsein und Prestigedenken der urbanen Eliten zurückzuführen sein, das eine Phase relativer innen- wie außenpolitischer Stabilität und damit einhergehender wirtschaftlicher Prosperität nach dem Ende des großen Nordischen Krieges (Friede von Nystad 1721) zur Voraussetzung hat. Ob mit der Opernproduktion tatsächlich eine „Lossagung“ vom Wiener Kaiserhaus – wie Schröder etwas pointiert formuliert hat – impliziert war,737 scheint insoweit fraglich, als sich die Hamburger Autoritäten offenbar gerade in jenen Tagen der Opernaufführung, im Winter 1725/26, „wegen des dänischen Hafenbaus in Altona an den Kaiser gewendet und um Hilfe gegen die drohende Konkurrenz gebeten“738 hatten. Und freilich wird Karls VI. Schutz als Garant städtischen Glücks und Wohlstands im Rahmen des Herrscherlobes der Szene I, 2 unmißverständlich benannt. Der Wiener Hof spielte demnach im Kalkül der Hamburger Außenpolitik als Schutzmacht nach wie vor eine Rolle und vornehmlich mit Blick auf die Hamburger Handelsinteressen waren gute Beziehungen zu Österreich gewissermaßen unerläßlich.739 So mag sich zwar der Kaiser im Mistevojus „mit einer Nebenrolle begnügen, während die Stadt zur

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Eine Radierung dieser – von Giacomo Fabris entworfenen – nächtlichen HamburgSzenerie ziert denn auch das Titelblatt des gedruckten Librettos und hält so den repräsentativen Anspruch der Opernproduktion dauerhaft fest. Rainer Ramcke, Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich, S. 81. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 198. Ebd., S. 206 Anm. 17. Rainer Ramcke, Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich, S. 102–107.

313 Primadonna wird“,740 doch kennzeichnet dies nicht zuletzt den Versuch der Hamburger regierenden Klasse, bei aller Demonstration stadtrepublikanischen Selbstverständnisses und urbaner Eigenständigkeit zugleich die traditionell enge Verbindung zum Wiener Kaiserhof als – nominell – oberster Herrschaftsinstanz und potentieller Schutzmacht – zur Sicherung ebenjener propagierten urbanen Autonomie – zu wahren.

2.3.3

Die ,dynastischen Mittelalteropern‘

2.3.3.1 Eine Hamburger Oper zur Preußischen Königskrönung (1701): Thassilo auf dem roten Adler und der neue hohenzollernsche Haus-Mythos Der 18. Januar 1701 markierte eine epochale Zäsur in der Geschichte sowohl des Herzogtums Preußen als auch des Hauses Hohenzollern. Indem er sich in der Residenz Königsberg selbst die Krone aufs Haupt setzte, erwarb Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg sich und seiner Dynastie die lange ersehnten honores regii und transformierte zugleich sein bisheriges Herzogtum Preußen in ein souveränes Königreich außerhalb des Heiligen Römischen Reiches. Dem pompös inszenierten Krönungsakt waren freilich intensive Verhandlungen mit dem Wiener Kaiserhof vorausgegangen, die am 16. November 1700 in den Abschluß des Krontraktates zwischen Kaiser Leopold I. und dem Brandenburger Kurhaus mündeten und das „Spektakel der Selbstkrönung“ erst ermöglichten.741 Auf die Königsberger Ereignisse des Jahres 1701 scheint ein bislang unbekanntes handschriftliches Libretto Hamburger Provenienz zu beziehen zu sein, das den Titel Thassilo trägt und heute zum Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek Wien gehört.742 Sein Titelblatt nennt weiterhin nicht nur den Verfasser, M.sr Nohtnagel, und die Jahreszahl 1701, sondern versichert zugleich, daß diese Opera – aus welchen Gründen auch immer – nicht gespielet [wurde]. Während die Zuordnung des Librettos zur Hamburger Gänsemarkt-Oper sowohl durch die Verfasserangabe – Nothnagel ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Librettist dieses Instituts nachweisbar – als auch durch einen Hinweis Johann Matthesons743 gesichert sein dürfte, läßt sich die Verbindung zur Preußischen Königskrönung in gleicher Weise kontextuell erschließen: zum einen anhand eines intertextuellen Verweises, insofern die Vorrede des zum Kasus der

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Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 203. Johannes Kunisch, Vorwort, in: ders. (Hg.), Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung. Eine Tagungsdokumentation, Berlin 2002 (Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N. F. Beiheft 6), S. V–VII, hier S. V. THASSILO diese Opera wurde nicht gespielet. Die Poesie hatte M.sr Nohtnagel geschr[ieben] Anno 1701 (A-Wn, Cod. 13867). Johann Mattheson, Der Musicalische Patriot, S. 184, wo für das Jahr 1701 eine nicht zur Aufführung gelangte Hamburger Oper mit dem Titel Thassilo genannt wird.

314 Preußischen Krönung definitiv gespielten Hamburger Singballetts Das H chstpreißliche Cr nungs-Fest (1701) die Aufführung einer Opera THASSILO ankündigt, dessen Geschichte auf den Ursprung Ihro K niglichen Preussis. Maj. zielen / und deroselben zu Ehren ausgearbeitet worden;744 zum anderen anhand der Finalszene der Oper selbst (III, 15), wo der Titelheld, der Gvelfe Thassilo, als letzter der auf wundersame Weise geretteten Söhne des Grafen Isenbard und seiner Gattin Irmentrud745 auf einem rohten Adler einherschweben und somit offensichtlich heraldisch, durch die Präsentation des Wappentieres der Mark Brandenburg, der Konnex zum Kurfürstentum Brandenburg und seinem Herrscherhaus hergestellt werden sollte:746 Das Fatum erscheint auf

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DAS HCHST-PREIßLICHE CRNUNGS-FEST Ihr. Knigl. Mayst. in Preussen / Und Ih. Churfl. Durchl. zu Brandenburg / wurde mit einem Ballet und Feuerwerck Allerunterth nigst verehret auff dem Hamburgischen Schau-Platz [1701] (D-Hs, 87 in MS 639/3:6). – Verfasser dieses Singballetts ist ebenfalls Nothnagel, die Vertonung stammt von Reinhard Keiser. Vgl. dazu Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 245–250. Die Opernhandlung erzählt jene, noch in Zedlers Universal-Lexicon mitgeteilte, märchenhafte Elemente exponierende Ursprungsgeschichte (freilich in opernästhetischer Adaptation, etwa mit großer Jagdszene und den – als Nebenhandlung präsentierten – typischen leidenschaftlich-amourösen Verstrickungen), wonach der Gräfin Irmentrud (die die zeitgenössische Historiographie bisweilen als eine Schwägerin Karls des Großen identifizierte) von einer armen Frauen, der sie Schuld gegeben, sie k nnte von einem Manne nicht 3. Kinder auf einmahl bekommen haben, angew)nschet [ward], daß sie so viel Kinder bekommen m chte, als Monathe im Jahre w ren. Dieses geschahe, und Irmentrud ließ aus Scham 11. von denen Kindern an den Fluß Schertz tragen, daß sie sollten ers ufft werden. Isenbard begegnete der Bedientin, welche auf befragen, was sie tr)ge, zur Antwort gab, es wären W lpe oder junge Hunde. Isenbard war curieux, und kam dar)ber hinter die gantze Sache, machte Anstalt, daß die 11. Kinder heimlich erzogen, und da sie in etwas erwachsen, bey seinem Geburts-Tage der Mutter unversehens vorgestellet wurden; wovon sie damahls so viel Schrecken als nach erlangter Verzeihung Freude gehabt (Artikel Isenbard, in: Universal-Lexicon, Bd. 14 [1739], Sp. 1344f.). (Die Zeitstruktur der Oper beschränkt sich exakt auf jenen Tag der feierlichen Rückgabe der elf geretteten Söhne und vergegenwärtigt die Vorgeschichte in Berichten und Reflexionen der Hauptfiguren.) Als Kinder des Grafen Isenbard von Altdorf und seiner Gattin Irmentrud gelten dieser Ursprungsgeschichte zufolge die Stammväter zahlreicher hochadliger Geschlechter, darunter Thassilo als Stammvater der Hohenzollern wie etwa auch Welf, der Spitzenahn der Welfen (was eine weit zurückreichende Verwandtschaft beider fürstlicher Familien suggerierte). In Zedlers Artikel folgt auf die referierte ,Story‘ und die Liste der Erben Isenbards indes die kritische Bemerkung: Doch diese Erzehlung dienet zum Zeit-Vertreib, als daß Jemand dieselbe vor Wahrheit halten sollte (Sp. 1345). Vgl. auch die Artikel Thaßilo (Universal-Lexicon, Bd. 43 [1745], Sp. 431f.) und Hohen-Zollern, Hogintzorn (ebd., Bd. 13 [1739], Sp. 574–589, hier Sp. 575). Das H chst-preißliche Cr nungs-Fest bietet im vierten Auftritt eine allegorische Szenerie mit derselben heraldischen Allusion, wenn Rapato (der Genius des Rheins) der Nymphe der Elbe (Albine) sein Leid klagt: Der Himmel laß dich nie erfahren | Was mir / ach Unbegl)ckten mir! | Bey vor’ger Jahr-Zahl zugestossen / | Und mich riß ins Verderben hin (gemeint sind die Kampfhandlungen an der Westgrenze des Heiligen Römischen Reiches während des Pfälzischen Krieges), zugleich aber, angesichts neuerlicher Bedrohungen (durch den heraufziehenden Spanischen Erbfolgekrieg), auf die Hilfe der rothen Adler setzt: Ich hoff auch noch | So lang die rothen Adler mir | Getreuen Schutz versprechen.

315 einer gestirnten Kugel, und auf dem rohten Adler der Gvelfe Thassilo (Bühnenanweisung zu III, 15).747 Des weiteren zeigt sich der spezifisch ,fürstliche‘ Hintergrund der (geplanten) Produktion insbesondere bei der glorifizierenden Apostrophe des Titelhelden und seiner Nachkommenschaft durch das Fatum (in der Schlußszene III, 15)748 sowie auch innerhalb eines ausgedehnten Monologes des Isenbard in Szene III, 5, der angesichts eines gerade noch verhinderten Duells zweier Gefolgsleute und Unterthanen zentrale ideologische Positionen und Prärogative absolutistischer Herrschaft entfaltet,749 die indes einen entsprechenden Dedikationshintergrund im Rahmen einer Aufführung auf der stadtrepublikanischen Hamburger Bühne voraussetzen könnten. Im Kontext des Repertoires der Hamburger Bühne dokumentiert das Opernprojekt Thassilo dezidiert jene für das Haus am Gänsemarkt um 1700 typische Polyfunktionalität und „gänzlich unhöfische Disponibilität“.750 Intendiert als Festoper für den neuen preußischen König, steht die ,dynastische Mittelalteroper‘ Thassilo des Jahres 1701 neben Werken wie dem tatsächlich gespielten H chst-preißlichen Cr nungs-Fest, der Oper Victor Hertzog der Normannen, die anläßlich der Krönung von Queen Anne ein Jahr später (1702) gegeben wurde und mit der Eroberung Britanniens durch Wilhelm den Eroberer ein genuin englisches Sujet auf die Bühne brachte,751 oder der Huldigungsoper Die

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Der Dramentext enthält keine explizite Huldigung an Friedrich I. Diese wäre auf der Hamburger Bühne auch eher im Rahmen eines Pro- oder Epiloges üblich. Weder das eine noch das andere ist im hs. Textbuch überliefert. Fahre wehrtster Götter Sohn | Aus der Sternen göldnen Thron | wieder zu der Erden, | Weil durch deine tapfre Hand | Gott bestimmt daß vieles Land | Soll beglücket werden. Weiterhin das anschließende Rezitativ: Der du zu Sceptern bist gebohren, | und deßen künftger Saamen | Zu Cronen [!] ist erkohren, | Nim diesen Herschaffts Stab von meinen Händen an. [...] Wann andrer Häuser neben dir veralten, | wird doch das deine gleich den Cedern stehen, | die keines Unglücks Blitz verderben kan, | Und wie die Lorbeer-Bäume, die kein Donner nie geschlagen. Schließlich die zweite Arie: Empfangt den Sohn, der auf der Erden | Bringt göldner Zeiten Schein, | Er wird ein Vater großer Fürsten werden | Und Thassilo das soll sein Nahme seyn. Etwa den Gedanken des Gottesgnadentums oder die Sacrosanctitas von fürstlichem/ obrigkeitlichem Gewaltmonopol und Jurisdiktion: [Isenb(ardus):] Ist dann die Herschafft eine Gauckeley, | daß jeder kan sein eigen Richter werden? | Wer unter Fürsten wohnt und ruht, | der laß in seinen Sachen | auch sie ein billig Urtheil sprechen. | Was kan der Fürsten Recht empfindlicher verletzen, | als wenn ein Unterthan so kühn geworden | mit frechem Trutz | sein Unrecht selbst zu rächen? | Wie wird dann endlich auf der Erden | der Menschen allgemeiner Bund bestehen, | Wann solcher Frevel-Wind | wird ohngehindert wehen? | Sezt Gott die Fürsten nicht zu Richtern ein? Ist nicht sein allgemeiner Will, | daß überall der Mensch soll in Geselschafft seyn? | Wie lang wird solche unauflößlich bleiben, | Wann jedem ist erlaubt, | Was ihn gelüst, zu treiben? | Wird nicht dadurch das Haupt der Macht beraubet, | die ihm vom Himmel ist gegeben? | Wie lang kan die Geselschafft ohne Haupt bestehn? | Wie lang wird man in Ordnung leben, | Wann jeder seinen Weg will gehen? | Es leyde wer es will, | Er wiße, daß er Unrecht thut! Reinhart Meyer, Die Hamburger Oper 1678–1730. Einführung und Kommentar, S. 57. Vgl. o. S. 267f. VICTOR HERTZOG DER NORMANNEN Opera [1702] (D-Hs, 96 in MS 639/3:6). Die Oper (Text von Hinrich Hinsch, Musik von Georg Bronner, Johann Christian Schiefferdecker und Johann Mattheson) inszeniert die Ankunft Wilhelms des Eroberers, Herzogs der

316 Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V., mit deren Aufführung die Hamburger Obrigkeit die Frankfurter Krönung Kaiser Karls VI. im Jahre 1712 feiern ließ (sie wird im folgenden Kapitel eingehend zu besprechen sein). Mit beiden Opern verbindet Thassilo die augenfällige Darstellung eines Sujets aus der jeweils eigenen Geschichte, wobei diese – heute üblicherweise als ,mittelalterlich‘ bezeichnete – eigene Geschichte zu beziehen ist auf die jeweilige dynastische, territorialstaatliche, institutionelle oder nationale Vorzeit. Wie Victor einen Heroen und glorreichen Monarchen der frühmittelalterlichen britischen Nationalhistorie und damit Vorgänger der königlichen Adressatin ins Blickfeld der zeitgenössischen Opernbesucher rückt, Carolus V. als großmütiger Amtsvorgänger des regierenden Kaisers und zugleich dessen großer Ahnherr aus dem Haus Habsburg auf der Opernbühne erscheint, impliziert Thassilo als Panegyrikus die Dynastiegeschichte des Hauses Hohenzollern, insofern dessen Geschichte auf den Ursprung Ihro K niglichen Preussis. Maj. zielen. Der Verfasser des Librettos rekurriert damit offensichtlich auf einen um 1700 hochaktuellen historiographischen, geschichtspolitischen Diskurs, der zum Ziel hatte, „Alter, Würde und Dignität der [hohenzollernschen] Dynastie“752 zu erweisen und dem neuen preußischen Königshaus zu Zwecken der Herrschaftslegitimation und -repräsentation ein hochedles Herkommen zu sichern. Sein Resultat war, daß ein im Umkreis Karls des Großen situierter Graf Thassilo als Stammvater des (gesamten) Zollernhauses propagiert wurde, wobei die älteren süddeutsch-schwäbischen dynastischen Traditionen die Thassilo-Fabel nach Brandenburg vermittelten und die Grundlage für die Konstituierung des „neuen brandenburg-preußisch-schwäbischen Haus-Mythos“753 um 1700 legten. Einen entscheidenden Beitrag zu dieser genealogischen Fundierung des kurfürstlichen, dann königlichen Hauses Hohenzollern im Zeichen einer „Verwissenschaftlichung geschichtlicher Selbstvergewisserung“754 dürfte der Tübinger Historiker und Jurist Johann Ulrich Pregitzer geleistet haben, dessen aufwendig gestaltetes, im Auftrag des preußischen Königs geschaffenes Foliowerk Teutscher Regierungs- und Ehrenspiegel (1703)755 den vermeintlichen historiographischen Nachweis zugunsten der (königlich-)fränkischen Abstammung führte und die Rezeption des Ursprungsmythos dauerhaft begünstigte.756 Noch Friedrich der

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Normandie, auf der britischen Insel und seinen Sieg über den angelsächsischen Regenten Harald II. von Wessex (1066). Die Namen der beiden historischen Rivalen wurden dabei chiffriert zu Victor, Hertzog der Normannen, und Lahardus, K nig in Albion. Wolfgang Neugebauer, Das historische Argument um 1701. Politik und Geschichtspolitik, in: Johannes Kunisch (Hg.), Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung, S. 27–48, hier S. 35. Ebd., S. 46. Ebd., S. 32f. Teutscher Regierungs- und Ehrenspiegel / Vorbildend Des Teutschen Reichs / und desselben St nde / ersten Anfang / Fortleitung / Hoheit / Macht / Recht / und Freyheit. Auch Der Chur-F(rsten / F(rsten / Grafen und Herren / und derselben hohen H user / Besonders des Hauses Hohenzollern / Ursprung / W(rde / und Herrlichkeiten, Berlin 1703. Auch Leibniz erwog die fränkische Abkunft der Hohenzollern. In einem Brief an den brandenburgisch-preußischen Premierminister Johann Casimir Kolbe Graf von Wartenberg

317 Große hielt – wie zahlreiche Autoren nach ihm – an ebenjenem Thassilo als Spitzenahn seines Hauses fest, den erst die historistische Forschung des späten 19. Jahrhunderts zu Fall brachte: Thassilon est le premier comte de Hohenzollern connu dans l’histoire; il vécut à peu près l’année 800.757 Wenn also Thassilo als Hamburger Krönungsoper für König Friedrich I. vorgesehen war, dann erweist sich an diesem Beispiel ein weiteres Mal der für die Opernlandschaft des norddeutschen Raumes bemerkenswert enge Konnex zwischen ,Mittelalter‘-Rezeption, aktuellem historiographischem bzw. historischjuristisch-wissenschaftlichem Diskurs (im Umkreis von Hofhistoriographie und universitärer Jurisprudenz) und obrigkeitlicher Repräsentation an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Ob freilich die Tendenz des Librettos, sagenhaftwunderbare Züge des Thassilo-Mythos zuungunsten der historischen Anbindungsmöglichkeiten (etwa an die Person Karls des Großen,758 der im Operntext gar nicht erwähnt wird) zu betonen, den Beifall des mutmaßlichen Widmungsträgers gefunden hat oder ob hier im Gegenteil gar ein Grund für das Scheitern einer Aufführung gegeben sein könnte, ist vorerst nicht zu entscheiden.

2.3.3.2 Carolus V. und die Apotheose des kaiserlichen Stadtherrn im Spiegel der dynastischen Historie Mit der Hamburger Opernproduktion Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V. (1712) ist der Typus der ,dynastischen Mittelalteroper‘, wie ihn die Hannoveraner und Braunschweiger Produktionen erkennen ließen, in seiner vielleicht ausgeprägtesten Gestalt auf der Gänsemarkt-Bühne greifbar. Die hier evidenten Paradigmen höfisch-dynastischer Repräsentation und herrscherlicher Panegyrik weisen – in strukturaler Perspektive – allenthalben Bezüge auf zu den diskutierten Braunschweiger Opern. Die Oesterreichische Großmuth759 entstand anläßlich der Frankfurter Krönung Karls VI. zum römisch-deutschen Kaiser (22. Dezember 1711) und wurde

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vom Februar 1701 äußert er sich angesichts der Hypothese, que la maison descend du sang Royal des anciens Francs: Les preuves n’en sont pas tou[t]afait certaines, cependant la chose ne manque point de probabilité, laquelle on ne meprise point à l’egard des faits si anciens (AA I, Bd. 19: September 1700–Mai 1701, Berlin 2005, S. 390 [Nr. 194]). Mémoires pour servir a l’Histoire de la Maison de Brandebourg, in: Œuvres de Frédéric le Grand, hg. v. Johann David Erdmann Preuß, Bd. 1, Berlin 1846, S. 1–175, hier S. 2. Vgl. Johann Ulrich Pregitzer, Teutscher Regierungs- und Ehrenspiegel, S. 79 u. 82. DIE OESTERREICHISCHE GROßMUTH / ODER: CAROLUS V. Auf das Hchsterfreulichste Crnungs-Fest Des Aller-Durchlauchtigsten / Großm chtigsten / un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn Caroli VI. Erw hlten Rmischen K ysers / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn und Bheim Knigs / &c. &c. &c. Zu allerunterth nigster Freuden-Bezeugung / in einem Musicalischen Schauspiele auf dem grossen Hamburgischen Theatro vorgestellet / am Tage Caroli. MDCCXII (D-Hs, 137 in MS 639/3:8) [ohne Paginierung]. Ein Faksimile des Librettos liegt vor in: Die Hamburger Oper, Bd. 2, S. 389–454. Johann Ulrich König hat das Textbuch überdies in seine Theatralischen / geistlichen / vermischten und Galanten Gedichte aufgenommen (S. 1–74).

318 im Rahmen der aufwendigen, sich Ende Januar 1712 über mehrere Tage erstreckenden Hamburger Feierlichkeiten zur Kaisererhebung erstmalig aufgeführt. Als Verfasser des Textbuchs ist Johann Ulrich König zu nennen, der sich seinerzeit noch in Hamburg aufhielt, die – heute bis auf einige Reste verlorene760 – Komposition der Oper lag einmal mehr in den Händen Reinhard Keisers. Dem Kasus entsprechend prangt – wie schon im Jahre 1709, als man zu Ehren von Karls Bruder Joseph die Oper Desiderius spielte, – der gekrönte Doppeladler mit Zepter, Schwert, kombiniertem Brustschild (aus spanischem und österreichischem Wappen) und Ordenskette des Goldenen Vlieses als heraldisches Zeichen des Habsburger Kaiserhauses auf dem Titelblatt des Librettos. Zum konkreten Sujet, das mit Kaiser Karl V. einen Amtsvorgänger und nun zugleich – den vielleicht ruhmreichsten – dynastischen Ahnen des neuen Kaisers präsentiert, seinen historischen Hintergründen wie panegyrischen Implikationen hat Johann Ulrich König im paratextuellen Vor-Bericht ausführlich Stellung genommen. Dort alludiert König zunächst den ersten, lehrhaft-moralisierenden Teil des emblematischen Doppeltitels und gleichsam das zentrale Thema der Opernhandlung (das am Beispiel der historischen Person Karls V. konkretisiert wird),761 indem er die Großmuth als spezifische dynastische Tugend des Hauses Österreich herausstellt, die insbesondere Kaiser Karl V. ausgezeichnet habe: DIe Großmuth ist schon verschiedene Jahrhundert ein angebohrner Caracter so vieler un)berwindlichen K yser aus dem Aller-Durchlauchtigsten Ertz-Hause Oesterreich gewesen / worunter aber CARL der F)nffte diese Heroische Tugend in allen seinen grossen Unternehmungen absonderlich hervor leuchten lassen. Mit dieser Charakterisierung reiht sich der Librettist freilich ein in die Tradition der Panegyriker des Erzhauses und nicht zuletzt des neuen Kaisers, galt doch die Clementia Austriaca seit jeher als eine der beiden Prinzipaltugenden der Habsburger Herrscher, die als fürstliche Milde im Verein mit der Sanftmut speziell bei Karl VI. „im Oberbegriff der Großmut (Magnanimitas)“ kulminierte. „Analog der für die Milde gebildeten dynastischen Ideologie wurde auch die Großmut als eine im Haus Habsburg erbliche Tugend charakterisiert.“762 Und so werden denn auch zum Ende der Vorrede die großm)thigen Heldenthaten Karls VI. als eine der Analogien zwischen dem regierenden Kaiser und seinem bedeutenden Vorfahren und Amtsvorgänger, dem Titelhelden der Oper, benannt. Biographie und Herrschaftshandeln des letztgenannten, Kaiser Karls V., stehen im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen, wobei König etwa dessen globale militärische Erfolge den kriegerischen Unternehmungen Karls des Großen und Ottos des Großen – der in der Sicht des frühen 18. Jahrhunderts sicherlich bedeutendsten Kaisergestalten der mittelalterlichen Reichsgeschichte

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Erhalten sind zehn Arien in drei Ariensammelbänden. Vgl. Klaus Zelm, Die Opern Reinhard Keisers, S. 122. Zur emblematischen Doppeltitulatur vgl. Albrecht Schöne, Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, S. 194–202. Vgl. o. S. 28f. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 222f.

319 – an die Seite stellt: Seine Kriege und Siege in Europa, Africa und America, sind nicht geringer als diejenige / welche ehmahls von Carl und Otto denen Grossen / gef)hrt worden. König thematisiert dann insbesondere den parallel zu Karls Herrschaftsantritt einsetzenden zentralen Konflikt mit König Franz I. von Frankreich, dessen erste, im Frieden von Madrid (14. Januar 1526) besiegelte Phase die Grundlage der historischen Bühnenhandlung bildet. Er schildert im einzelnen den Krieg zwischen Karl V. und Franz I. um das Herzogtum Mailand (seit den frühen 1520er Jahren), Franz’ Gefangennahme in der Schlacht vor Pavia am 24. Februar 1525, wo Karl einen glänzenden Sieg erringen konnte, und die langwierigen Verhandlungen zwischen den beiden gegnerischen Parteien, die schließlich mit dem Vertrag von Madrid den Frieden zwischen Frankreich und dem Kaiser brachten und Franz’ Freilassung zur Folge hatten. Freilich kam aber der französische König nicht so bald in Freyheit / als er schon blicken ließ / wie wenig er das / was in Spanien geschlossen worden / (ob gleich seine beyde ltiste S hne / der Dauphin und Duc d’Orleans, als Geisseln hinterblieben /) zu halten gesonnen; wie sich dann die Streitigkeiten zwischen ihm und Carl nicht eher als mit Francisci Leben endigt . König führt zwar keine Quellen auf, doch dürfte seine Darstellung die mehr oder minder einschlägigen historiographischen Berichte und Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts zur Grundlage haben. Dies legt etwa ein Vergleich mit den Artikeln Carolus V. und Franciscus I. aus Zedlers Lexikon nahe,763 wo die betreffenden Ereignisse ebenfalls referiert werden und als Referenztexte u. a. Pierre de Bourdeille de Brantôme (Memoires), FranPois-Eudes de Mézeray (Histoire de France), Prudencio de Sandoval (Historia de la vida y hechos del emperador Carlos V.), Johannes Sleidan (De statu religionis et reipublicae), Guillaume Snouckaert gen. Zenocarus (De vita Caroli V. Imperatoris Caesaris) und Juan Antonio de Vera y Figueroa (Epitome de la vida i hechos del invicto emperador Carlos V.) genannt werden. Eine Zusammenschau von Zedlers und Königs historischen Erläuterungen mag überdies Königs Bemühen um eine möglichst exakte Nachzeichnung der historischen Überlieferung und mithin der tradierten ,Fakten‘ erkennen lassen. Wie dann später in der Braunschweiger Doppeloper Heinrich der Vogler, tendiert er auch in der vorliegenden Hamburger Festoper in augenfälliger Weise dazu, im historischen Diskurs der Vorrede einzelne prägnante Vorgänge oder anekdotenhafte Episoden zu exponieren, um diese in der nachfolgenden Opernhandlung gleichsam als Signaturen des Historischen erneut aufzugreifen und dem Bühnengeschehen mithin als historisierende Fixpunkte einzuschreiben. Anzuführen wären hier beispielsweise Karls erstaunliches Verbot öffentlicher Freudenbekundungen nach dem Sieg über Franz I.;764

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Universal-Lexicon, Bd. 5 (1733), Sp. 940–948 (Carolus V.); Bd. 9 (1735), Sp. 1625–1631 (Franciscus I.). Dies Verbot deutet König als Zeichen der exemplarischen Charakterstärke und Großmut des Kaisers: es )berhob sich aber dieser Großm)th[]ige Kayser im geringsten nicht seines Gl)ckes / dann er verboth alle ffentliche Freuden-Bezeugungen / und ließ weder in Worten noch Geberden einige stoltze Mine sp)hren. Vgl. Alfred Kohler, Karl V. 1500– 1558. Eine Biographie, München 1999, S. 175: „In Madrid erhielt man die Nachricht vom

320 Gattinaras, des Großkanzlers Karls V., Weigerung, den seiner Ansicht nach unvorteilhaften Friedensvertrag zu unterzeichnen, worauf Karl selbst das Siegel unter die getroffenen Vereinbarungen setzte;765 oder das vermeintliche Sentenzen-Spiel zwischen Franz und Karl, insofern Karl die Replik des französischen Königs auf seine Devise ,Plus ultra‘: Hodie mihi, cras Tibi, wiederum mit den Worten erwidert haben soll: Homo sum, humani a me nihil alienum puto.766 Alle drei Details kehren später auf der Bühne als von den Lesern bzw. Zuschauern zu erinnernde inszenierte Momente des HistorischCharakteristischen wieder und definieren somit die Handlung als vergegenwärtigte wahrhaffte Geschichte (um auf Königs Formulierung in der Vorrede zum zweiten Teil der Heinrich-Oper zurückzukommen): Am Ende der Eröffnungsszene der Oper fordert der triumphal empfangene Titelheld die Einstellung der Feierlichkeiten und kündigt statt dessen einen Dankgottesdienst an,767 in Szene III, 8 unterschreibt der K yser selbst den Friedens-Contract, und giebt hernach dem Gatt[inara] das Siegel wieder, und in Szene II, 10 entgegnet Carl, der mit seinem Gefolge den gefangenen französischen König aufsucht, Franz’ Bemerkung Heut mir / und Morgen dir mit den Worten: Ein Mensch / wie ich mich gleichfals nenne / | Weiß / daß was Menschliches ihm leicht begegnen k nne. König begründet zuletzt die Wahl des Sujets – im Zeichen habsburgischer Herrscherpanegyrik – mit zahlreichen Affinitäten zwischen dem neuen Kaiser Karl VI. und seinem großen Ahnen Karl V., so daß zu Bezeugung unserer allerunterth nigsten Devotion man kein besseres Sujet, als eben dieses / auff

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kaiserlichen Sieg bei Pavia am 10. März. Nach Brandi bewunderten alle Gesandten am Kaiserhof Karls ,Haltung, sein Verbot lauten Jubels, seine Anordnungen über kirchliche Danksagungen. Die eigene innere Spannung der letzten Monate löste sich bei ihm im Gebet. Es war doch mehr und mehr etwas Ungewöhnliches um diesen Fürsten. Seine königliche Art priesen alle.‘“ Unter dieser Zeit war Francisci Schwester Margretha, die verwittibte Hertzogin / von AlenQon auch in Madrit angelanget / welche gewisse Friedens-Propositionen, und unter andern auch Leonoren Francisco zur Gemahlin vorschlug / da sich dann endlich die Sache nach und nach etwas besser schickte / biß endlich Francisci Freyheit den 14. Febr. 1526. geschlossen ward / aber auf so schwere Bedingungen / daß kein eintziger Spanier glauben wollen / daß der K nig in Franckreich solche halten w)rde; wiewol viele meineten / der K yser h tte den Bogen noch h her spannen sollen / und aus dieser Betrachtung wolte auch der Cantzler Gattinara lieber sein AAt niederlegen / als diesen Tractat besiegeln / er gab auch w)rcklich das ihm vertraute grosse Reichs-Siegel dem K yser zur)cke / der solches selbst unter die Friedens-Handlungen druckte / und darauff den Cantzler selbiges wieder anzunehmen n thigte. Vgl. dazu Alfred Kohler, Karl V., S. 179 (mit dem entsprechenden Zitat aus Gattinaras Autobiographie). Als er [= Franz] zu Madrit in demjenigen Zimmer / welches ihm zum Gef ngniß dienete / Carl V. Wahl-Spruch: Plus Ultra! gefunden / schrieb er dazu: Hodie mihi, cras Tibi. Als solches der K yser observirte / setzte er darunter: Homo sum, humani a me nihil alienum puto. [Carl.:] Laß du / Torellio, dir angelegen seyn / | Daß man kein St)cke l st / daß alle Glocken schweigen / | Und niemand mehr / die Freude zu bezeugen / | Ein Feuer-Werck laß in die L)ffte steigen. | Ihr aber k nt zur Frauen-Kirche gehn / | Wir folgen bald / dem H chsten Danck zu sagen / | Der uns begl)ckt / und unsern Feind geschlagen.

321 den Schauplatz f)hren k nnen: Mit seinem Vorgänger verbinde Karl VI. die Übereinstimmung im Lebensalter (Karl V. war zur Zeit des geschilderten Sieges über Franz I. im gleichen Alter wie sein gerade gekrönter Erbe), die Namensgleichheit und dynastische Identität, die Größe des Herrschaftsbereichs und die nicht minder großm)thigen Heldenthaten, womit wohl einerseits auf die dynastische Tugendideologie des Hauses Österreich, andererseits auf Karls militärische Unternehmungen gegen die Osmanen und insbesondere gegen Frankreich im andauernden Spanischen Erbfolgekrieg verwiesen wird. Tatsächlich dürften speziell die topographische Situierung der Opernhandlung im Spanien Karls V., in Madrid und seiner Umgebung, und der dargestellte Sieg über den französischen König auf Karls VI. vehemente Verteidigung seines Anspruchs auf das spanische Erbe gegen das Haus Bourbon und seinen Rivalen Philipp von Anjou zu beziehen sein. Hatte sich doch an dieser entscheidenden militärisch-politischen Zielsetzung des Wiener Hofes – hinter der die Idee einer Renaissance der habsburgischen Universalmonarchie Karls V. aufleuchtete768 – auch nach dem plötzlichen Tod von Kaiser Joseph I. und der Kaiserkrönung seines Bruders, des bisherigen spanischen Königs Karl III., nichts geändert. Gerade in den Jahren um Karls Kaiserkrönung setzte die habsburgische Panegyrik offenbar verstärkt auf den Vergleich der beiden Herrscher, die beide Kaiserwürde und spanische Krone in ihrer Person vereinigten.769 Wohl aus Anlaß seiner Kaisererhebung „übernahm Karl VI. von der Devise Karls V. die beiden ,Säulen des Herkules‘ und fügte ihnen ein neues Motto, ,Constantia et Fortitudine‘, hinzu.“770 Und so scheint sich die Hamburger Festoper des Jahres 1712, die offenkundig an die topischen Schemata der habsburgischen Hauspanegyrik und „universalgeschichtlichen Herrscher- und Tugendtypologie“771 Karls VI. anknüpft, mit der Präsentation des vortrefflichen kaiserlichen Ahnen und zugleich Glorifizierung Karls VI. als ,Novus Carolus V.‘772 nicht zuletzt als Propagandainstrument zugunsten der habsburgischen Sache zu gerieren. Folglich beschließt Johann Ulrich König seinen Vor-Bericht mit einem Glückwunsch an den neuen Kaiser und dessen Aller-Durchlauchtigstes Ertz- und Stamm-Hauß. Er exponiert indes auch die Perspektive der Reichsstadt Hamburg und deren geschichtliche Identität, wenn er eine Reihe der drei für die Stadtgeschichte bedeutenden Kaiser mit dem Namen Karl konstruiert, die vom Stadtgründer, Karl dem Großen, über den ,Reformationskaiser‘ Karl V. bis hin zum amtierenden Kaiser Karl VI., dem Garanten städtischen Friedens und städtischer Stabilität, und seinem gl)ckseligsten Regimente reicht: So kan sich Hamburg / welches CARL dem Grossen die Stifftung und Aufferbauung / CARL dem V. aber die Religions-Freyheit zu dancken / unter dem gl)ckseligsten

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Vgl. Rudolf Vierhaus, Staaten und Stände, S. 263; Bernd Rill, Karl VI. Habsburg als barocke Großmacht, Graz [usw.] 1992, S. 88. Vgl. dazu insbesondere Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 242–248. Ebd., S. 245. Ebd., S. 240. Ebd., S. 242.

322 Regimente CARL des Sechsten eine vollkommene Ruhe / und nebst dem so langgew)nschten GOtt gebe / Ihrer K yserl. Majest t h chst vergn)glichen Frieden / in diesem Jahrhundert / die allergl)ckseligsten Zeiten versprechen. Die dreiaktige Opernhandlung spielt, wie bereits erwähnt, in Madrid und seiner näheren Umgebung. Sie reicht, mit Blick auf die dargestellte historische Zeit, von der Feier des Sieges bei Pavia bis zum Abschluß des Friedensvertrages und zur Anbahnung der Vermählung von Karls Schwester Eleonore mit Franz I.: I. Madrid feiert Carls Sieg über Franciscus. Der Kaiser erscheint im Triumphzug, bittet die Anwesenden jedoch alsbald, die Feierlichkeiten zu seinen Ehren zu beenden und ihn statt dessen zum Dankgottesdienst zu begleiten. Gattinara informiert den Kaiser über die Friedensverhandlungen mit Franciscus, der sich bislang beharrlich weigert, auf Carls Forderungen einzugehen. Anders als sein Großkanzler plädiert Carl eher dafür, Franciscus’ Heimkehr nicht an allzu harte Bedingungen zu knüpfen. Dorio, ein Frantz sischer Admiral, kündigt unterdessen Burbon die Ankunft Margrethas, der Herzogin von Alençon und Schwester des französischen Königs, an. Diese will sich einerseits bei Carl für die Freilassung ihres Bruders einsetzen, andererseits ihrem Geliebten Burbon nahe sein, der als vormahliger Connetable in Franckreich / numehr K yserl. General nicht nur politisch die Seiten gewechselt hat, sondern sich mittlerweile auch in Leonore, Carls Schwester, verliebt hat. Clarise, eine Mayl ndische Dame und wiederum Franciscus’ Geliebte, die dem gefangenen König nach Madrid gefolgt ist, erreicht inzwischen über einen geheimen Gang Franciscus’ Gefängnis und versucht, den überraschten König zur Flucht zu bewegen: freilich ohne Erfolg, da Franciscus’ königliche Würde ihren Plänen entgegensteht. Er hat sich großmütig seinem Schicksal ergeben, als Gattinara eintritt, um ihm die Bedingungen für seine Freilassung und Rückkehr auf den französischen Thron zu unterbreiten. Nach wie vor ist er jedoch keineswegs bereit, in die Forderungen seiner Gegner (Rückzug aus Italien, Abtretung Burgunds) einzuwilligen. Der Hof von Madrid mit Carl an der Spitze versammelt sich schließlich an der Segorvianische[n] Br)cke, um Margretha im Rahmen eines prächtigen allegorischen Aufzugs zu empfangen. Dabei entzieht sich Burbon unverhohlen dem von Margretha erbetenen Liebesbeweis. II. Margretha stellt Burbon unter vier Augen zur Rede, wird aber erneut zurückgewiesen. Leonore wird Zeugin der Unterredung und zeigt sich eifersüchtig, obwohl Burbon ihr versichert, Margretha ihretwillen verlassen zu haben. Carl berät sich mit Margretha, Gattinara, Dorio und dem spanischen Granden Torellio. Gattinara und Franciscus’ Schwester stellen ihm die weiterhin unnachgiebige Haltung des französischen Königs vor, der trotz der von allen bewunderten Großmut des Kaisers mehr und mehr in Depressionen zu verfallen droht. Margretha macht schließlich einen Vorschlag, der zwar vorderhand einer Annäherung zwischen Frankreich und der Habsburger Monarchie und damit dem europäischen Frieden dienen soll, insgeheim aber auch ihren privaten Plänen entgegenkommt: Carls Schwester Leonore soll Franciscus’ Gemahlin und Königin von Frankreich werden. Der Kaiser reagiert zunächst etwas zurückhaltend – er habe seine Schwester bereits Burbon versprochen und müsse erst dessen Einwilligung abwarten – und entschließt sich dann, Franciscus in seinem Gefängnis aufzusuchen. Unterdessen klagen Leonore und Clarise einander ihren Liebeskummer und ihre Gefühle vager Eifersucht. Carl erscheint mit seinem Gefolge bei Franciscus. Er demonstriert abermals seine großmütige Gesinnung, indem er dem unglücklichen König Trost zuspricht und ihm – zum Erstaunen aller Anwesenden – zuletzt seine unmittelbar bevorstehende Freilassung ankündigt. Gemeinsam brechen Carl und Franciscus zu einem prächtigen Freuden-Fest auf, das Margretha für den Abend arrangiert hat. III. Im nächtlichen Garten freut sich Leonore über Burbons Treue und Beständigkeit. Der Befürchtung ihres Geliebten, Carl werde sie mit Franciscus verheiraten, begegnet sie mit einem neuerlichen Bekenntnis ihrer Liebe. Margretha tritt auf und versucht ein weiteres

323 Mal, Burbons Liebe zurückzugewinnen. Sie scheitert erneut, will ihr Vorhaben nun aber mit List zum Erfolg führen. Indes gestehen sich auch Clarise und Franciscus ihre Liebe. Clarise fürchtet, Franciscus infolge des geplanten Friedensschlusses und dynastischen Bündnisses an Leonore zu verlieren. Franciscus versichert sie jedoch seiner Treue. In ihren Gemächern läßt Leonore zu Ehren ihres Bruders einen Combatt, ein Kampfballett, aufführen, das den Sieg des Herkules über die Amazonen darstellt. Carl enthüllt Leonore seinen Entschluß, sie mit Franciscus zu vermählen. Ihren Widerspruch sucht er mit dem Hinweis zu entkräften, daß Burbon seit längerer Zeit Margretha versprochen sei. Als Carl Gattinara nach dem Friedensvertrag befragt, stellt sich heraus, daß der Großkanzler die Abmachung und die daraus resultierende Freisetzung des französischen Königs mißbilligt, weil sie ihm insgesamt für den Kaiser ungünstig erscheint und einen neuen Krieg heraufbeschwören könnte. Carl respektiert zwar Gattinaras Haltung, siegelt aber nun eigenhändig das Vertragswerk (Die Unvers hnlichkeit schimpfft einen grossen Muth) und setzt Gattinara, der darum gebeten hatte, von seinen Pflichten entbunden zu werden, anschließend wieder in sein Amt ein. Unterdessen klagt Alisto, Margrethas Edel-Page, Burbon den unerwarteten Tod seiner Herrin, die aus Liebe und Gram um seinetwillen verstorben sei. Burbon empfindet großen Schmerz und gibt sich selbst die Schuld an Margrethas Ende. Er läßt sich von Alisto zu ihrer Leiche führen, die in einem pompösen Castrum Doloris aufgebahrt ist. Bevor er seinem Leben aus Kummer und Schuld ein Ende setzen kann, beendet Margretha ihre Inszenierung und versöhnt sich höchst lebendig mit ihrem Geliebten, der ihr nun reuig seine wiedererwachte Treue bekundet. Als Carl und der Hof hinzutreten, wird Margrethas List offenkundig. Und nun kann auch das vorgesehene dynastische Bündnis zwischen Carl und Franciscus vollzogen werden, da Leonore angesichts der veränderten Lage ihr Einverständnis erteilt und Clarise ihren Geliebten selbstlos für diese Verbindung freigegeben hat. Schließlich verwandelt sich das Castrum Doloris und im Prospect erscheinet der Tempel des Friedens in einer grossen Machine, worin die Personifikationen von Liebe, Großmut und Frieden das Lob Carls V. anstimmen.

Königs Libretto scheint sich selbst mit Blick auf die konstruierten Liebesverwicklungen und amourösen Manöver, die neben der Großmut als zentraler Charaktereigenschaft des Titelhelden, aber auch seines Gegners Franciscus, in der Handlungsstruktur breiten Raum einnehmen, an der historiographischen Überlieferung zu orientieren: Dies gilt sowohl für die Verbindungen BurbonMargretha und Franciscus-Leonore als auch für die vermeintliche Affäre zwischen Franciscus und Clarise, die etwa auch Zedlers Artikel Franciscus I. unter Berufung auf Brantôme andeutet.773 Ohne konkretes historisches oder literarisches Vorbild sind wohl nur die beiden komischen Dienerfiguren Alisto und Sybille, die das Agieren und Liebeswerben der historischen Hauptfiguren auf untergeordneter Ebene kontrastiv spiegeln bzw. parodieren, und das ebenso lächerlich-skurrile wie letztlich aussichtslose gleichzeitige Werben Dorios und Torellios um Clarise. Die konkrete Präsentation des historischen Sujets läßt insbesondere zwei spezifische Tendenzen erkennen, die unverkennbar auf Königs ,mittelalterlich-

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Im folgenden Jahre 1524. brachen die Kayserlichen in Provence ein, und belagerten Marseille, musten aber mit grossem Verluste abz)hen, und der K nig Franciscus folgte ihnen, wieder alles Einrathen und Bitten seiner Mutter und derer meisten Ministers, nach Italien. Brantome meldet, es habe den K nig zu einem so gef hrlichen Zuge nichts so starck bewogen, als die ihm von dem Admiral Bonnivet ger)hmte Sch nheit einer gewissen Mayl nderin, Namens Signora Clerice, welche er der Admiral bey seinem vorigen Zuge wohl gekannt, und deßwegen wiederum zu sehen w)nschte: Franciscus I., Sp. 1626.

324 dynastische‘ Braunschweiger Heinrich-Opern vorausweisen oder deren charakteristischen Gestus vorwegnehmen: (1.) das illusionistische Ausspielen einer historisch-realistischen Bühnenszenerie und (2.) die Montage dezidiert höfischoder dynastisch-repräsentativer Elemente. Wie in den beiden Teilen der Oper Heinrich der Vogler fordert König in den Bühnenanweisungen verschiedener Szenen die Darstellung konkreter historischer Topographien im Bühnenbild, hier nun einzelner Baudenkmäler, Straßenzüge und Ansichten der Stadt Madrid. So soll in I, 3 die grosse Strasse / welche zum K niglichen Pallast f)hret / sonst la Calle Major genannt in nächtlicher Szenerie zu sehen sein,774 in I, 10, bei Margrethas Empfang, der unter Karls Nachfolger Philipp II. erbaute, zu Beginn des 18. Jahrhunderts aber offenbar noch Karl V. zugewiesene Puente de Segovia775 (Eine angenehme Gegend / an dem Fluß Mansanares, )ber welchem die sch ne Segorvianische Br)cke von gehauenen Steinen / und zu beyden Seiten auff ihren Mauren grosse steinerne Kugeln zu sehen); in III, 1 soll der Hospital St. Hieronymi, vielleicht der Claustro di San Jerónimo el Real, im Prospekt erscheinen, in III, 10 die K nigl. Residentz Madrit mit ihren vielen Th)rmen, während im Vordergrund eine See / an des Spanischen Frauenzimmers gew hnlichen Spazier-Platz / el Prado genannt / mit zwo grossen Alleen von hohen B umen / Spring-Brunnen und Ruhe-Sitzen inszeniert wird. Ob und inwieweit Königs Vorgaben, die sich wohl auf seinerzeit kursierende Stadtbeschreibungen, Reiseberichte und zugehörige Bildquellen stützen und somit zumindest auch bei einem Teil des Publikums ,Wiedererkennungseffekte‘ auslösen konnten, auch tatsächlich auf der Bühne umgesetzt worden sind, muß insofern offen bleiben, als keine weiteren aussagekräftigen Dokumente zur Bühnendekoration vorliegen. Auf jeden Fall scheint Königs augenfällige Inszenierung einer Couleur locale, die sich auch in der Kostümierung einzelner Figuren manifestiert,776 mit dem oben angedeuteten Natürlichkeitsdiskurs des frühen 18. Jahrhunderts zu korrespondieren.777 Überdies mag die historisch-realistische Darstellung und Markierung der spanischen Hauptstadt im Libretto politisch-propagandistische Implikationen nahelegen, konnte die lokalkoloristische Inszenierung des bevorzugten Herrschaftsmittelpunkts Karls V. doch die Legitimität der Ansprüche seiner habsburgischen Erben auf die spanische Krone untermauern. Madrid war freilich zur Zeit der Kaiserkrönung Karls VI. in der Hand seines Rivalen Philipp V. von Anjou. Nur kurzzeitig hatte Karl VI. – mit Hilfe der alliierten Briten und Portugiesen – die alte Habsburger Residenz zweimal während seines Aufent-

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Vgl. dazu Zedlers Artikel Madrit, Madrid: Es stehet aber dieser Pallast, wozu man durch la Callemayor, oder die grosse Strasse k mmt, an dem Ende der Stadt gegen Mittag und ist von weissen Steinen aufgef)hret (Universal-Lexicon, Bd. 19 [1739], Sp. 143–147, hier Sp. 144). Ebd., Sp. 146: Ausser der Stadt, )ber den kleinen Bach Manzanares hat Carl der V eine lange sehr sch ne und kostbare steinerne Br)cke von vielen Schwiebogen mit grossen Unkosten bauen lassen. So zeigt etwa Szene I, 9 Sybille in ihrem Spanischen Habit. S. o. S. 196.

325 haltes in Spanien erobern können (1706/1710),778 die ansonsten dauerhafter Regierungssitz Philipps V. blieb. Andererseits sind es verschiedene explizit höfisch-repräsentative Szenentypen und Darstellungsformen, die an die oben erläuterten Braunschweiger dynastischen Heinrich-Opern erinnern lassen. Zuweilen an strukturell herausgehobenen Positionen in die historische Handlung montiert, charakterisieren sie Königs und Keisers Produktion bewußt als Festoper zu Ehren eines fürstlichen Adressaten und verwandeln die Hamburger Bühne gleichsam in ein Hoftheater. Im einzelnen sind hier zu nennen: der pompöse allegorische Aufzug beim Empfang der Herzogin von Alençon durch den Madrider Hof in der Finalszene des ersten Aktes (I, 10), wobei die einzelnen Opernfiguren jeweils an der Spitze besonderer, thematisch einheitlicher mythologisch-allegorischer Abteilungen mit einer Vielzahl von Komparsen auftreten (Burbon als Mars: das KriegsLeben, Leonore als Ceres: das Land-Leben, Gattinara als Vulcan: das StadtLeben, Clarise als Pallas: das Hoff-Leben, Torellio als Neptun: das See-Leben; zuletzt führt Sybille einen Zug von Commedia dell’arte-Figuren an und zeiget die allgemeine Fr lichkeit); das von Margretha arrangierte große Ballett am Ende des zweiten Aktes (II, 12) mit der Darstellung der vier Lebensalter (die Kindheit / die Jugend / das M nnliche Alter / und das hohe Alterthum / beyderley Geschlechts); die aufwendige Inszenierung des Castrum Doloris in den Schlußszenen des dritten Aktes (III, 13/14), die das zeitgenössische fürstliche Funeralzeremoniell zitiert779 und zuletzt in den Tempel des Friedens verwandelt wird; sowie der von Leonore veranlaßte Combatt des Herkules gegen die Amazonen (III, 5), der als Theater auf dem Theater einerseits eine „Verdoppelung der Illusion“780 herbeiführt, andererseits – in der theatralischen Brechung – das dynastische Thema bewußt hervorkehrt: Sowohl für Karl V. als auch für seinen Erben Karl VI. spielte der Herkules-Bezug nämlich eine entscheidende Rolle im Kontext ihrer Herrschaftssymbolik und Heroentypologie,781 und besonders Karl VI. demonstrierte mit dem Herkules-Vergleich „seinen Thronanspruch auf Spanien und seine dortigen militärischen Erfolge [...]. Zugleich charakterisierte er damit sein Kaisertum in der Nachfolge der römischen Caesaren, die sich als Herkulier gefühlt hatten, und stellte seine Vorzüge als Kriegsheld und als segensreicher Herrscher in das Licht mythischolympischer Glorifikation.“782 Wenn also zu Ehren Carls V. der Sieg des

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Vgl. Bernd Rill, Karl VI., S. 67–90. Dazu Julius Bernhard von Rohr, Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren, S. 286– 290 (I. Theil. XVI. Capitul. Von der F)rstlichen Personen Vorbereitung zu ihrem Tode / und von ihrem Sterben selbst, § 25–32). Richard Alewyn, Das große Welttheater, S. 85. Vgl. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 343–358; Andreas Peþar, Die Ökonomie der Ehre. Höfischer Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711– 1740), Darmstadt 2003, S. 262f. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 346. – Der Herkules-Bezug erscheint – innerhalb der Habsburger Dynastie – freilich schon bei Kaiser Maximilian I., u. a. um die dynastische Kontinuität zwischen den Häusern Habsburg und Burgund zu dokumentieren (vgl. Georg Braungart, Mythos und Herrschaft: Maximilian I.

326 Herkules über die Amazonen auf dem Theater inszeniert wird, mit der Er ffnung des Hinter-Theatri [...] die Hercules zwo S ulen / woran K yser Carls V. Wahl-Spruch / Plus Ultra! geschrieben, auf der Bühne sichtbar werden, dann gilt die panegyrische Überhöhung des Ahnen zugleich seinem Nachkommen Karl VI., der die beiden mythischen Säulen des Herkules als Herrschaftssymbol und ikonographische Chiffre für das von ihm beanspruchte spanische Königreich und Universalreich von Karl V. übernommen hatte und sich anschickte, als Kaiser und König von Spanien in die Fußstapfen seines großen Ahnen zu treten.783 Freilich konnte (oder wollte?) man im Hamburg des Jahres 1712 noch nicht ahnen, daß der neue Kaiser Karl VI. gerade im Begriff war, sein spanisches Erbe zu verlieren: England hatte sich aufgrund veränderter innen- wie außenpolitischer Konstellationen (insbesondere der nach Josephs I. Tod drohenden Vereinigung Spaniens und des Reichs bzw. der österreichischen Erblande in einer – Karls VI. – Hand) bereits mehr oder minder unbemerkt aus der Großen Allianz gegen die Bourbonen verabschiedet und führte mit Frankreich längst Präliminargespräche, die 1713 in den Frieden von Utrecht mündeten. „Kaiser und Reich blieben aus Enttäuschung über die von England diktierten Friedensbedingungen noch ein weiteres Jahr im Krieg mit Frankreich, mußten sich aber im Frieden von Rastatt (7. 3. 1714) bzw. Baden (7. 9. 1714) schließlich doch mit den in Utrecht ausgehandelten Bedingungen abfinden.“784 Das Königreich Spanien – samt seinen Kolonien – war für das Haus Habsburg endgültig verloren. Der Epilog der Hamburger Oper feiert hingegen noch die Vereinigung Spaniens und Österreichs bzw. Teutschlands durch Karl VI. und glorifiziert den regierenden Kaiser, in der Verschmelzung überkommener heilsgeschichtlichchristologischer Deutungsschemata mit welthaft-imperialer Symbolik, als Phoenix von dem F)nfften CARL.785 Die drei allegorischen Figuren Friede, Großmuth und Liebe fungieren in bekannter Weise als Propheten, die Bühnenzeit und Zuschauerzeit miteinander verknüpfen und im Zeichen der Apotheose Karls VI. das ,quasi-typologische‘ Schema applizieren. So verkündet der Friede das Friedensregiment Karls VI. nach zweymal hundert Jahren: Wann fast nach zweymal hundert Jahren | Sich mit der Donau wird der Tagus wieder paaren / | Soll ein Monarch, bekr nzt durch Tapferkeit / | Ein hoher Zweig aus Oestreichs G tter-Saamen / | Dem F)nfften CAROL gleich an Großmuth / Jahr und Nahmen / | Nachdem Er Feind und Neid geschlagen / | Castiliens und Teutschlands Crone tragen / | Alsdann will ich / geziert mit Oehl- und Palmen-Zweigen / |

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als Hercules Germanicus, in: Walter Haug u. Burghart Wachinger [Hgg.], Traditionswandel und Traditionsverhalten, Tübingen 1991 [Fortuna vitrea 5], S. 77–95). Beispielsweise implizieren die beiden monumentalen Säulen der von Karl VI. errichteten Wiener Karlskirche – abgesehen davon, daß sie Zitat der beiden erhaltenen römischimperialen Säulen Trajans und Mark Aurels sind,– auch das herkuleische Säulenpaar. Vgl. Andreas Peþar, Die Ökonomie der Ehre, S. 262. Johannes Kunisch, Absolutismus, S. 144. Zur Phoenix-Symbolik in der habsburgischen Panegyrik zur Zeit Karls VI. vgl. Franz Matsche, Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., S. 310–319.

327 Mich wiederum im sch nsten Schmucke zeigen. Und gleichermaßen preist die Großmuth Karls künftige bzw. jetzige großmütige Herrschaft und exponiert ihn – gemäß der in der Opernhandlung vergegenwärtigten habsburgischen Panegyrik der Zeit – als sakral überhöhten Vollender einer mythisch-imperial-dynastischen Figurationstrias: SO k mmt ein Held / den ich von Jugend auffgef)hrt! | Der mehr den Thron / als ihn die Crone / ziert / | Ein solcher Held / dem Hercules selbst weicht / | Ein Phoenix von dem F)nfften CARL, | Ein K yser / der sich selbst nur gleicht / | Ein Printz / der minder Jahr als Cronen zehlet / | Dem ich mich in Elisabeth verm hlet / | Wann der wird Spaniens und Teutschlands Thron begl)cken / | So sollt ihr mich im h chsten Glantz erblicken. Zuletzt prophezeit die Liebe die Geburt eines kaiserlichen Prinzen und enthüllt damit zugleich das virulente Dilemma des Hauses Österreich, dem bislang noch kein männlicher Erbe beschieden war: Alsdann wird mitten in den Kriegen | Die Liebe diesen Held besiegen / | Wodurch ein Printz aus seinen Lenden | Wird Teutschlands Furcht und Seuffzen enden; | Schwebt Fried und Großmuth nun um unsers CAROLS Thron / | So trag ich auch dereinst den h chsten Preiß davon. Mit der prunkvollen Darstellung des großen dynastischen Ahnen des 16. Jahrhunderts und der – darauf beruhenden – Apotheose seines glorreichen Nachfolgers auf der Gänsemarkt-Bühne inszenierte sich die Reichsstadt Hamburg als stolze und treue Untertanin des Kaisers und prominentes Mitglied der ,Reichsfeiergemeinschaft‘. Wie die pompösen Feierlichkeiten zur Frankfurter Kaiserkrönung insgesamt – die am folgenden Tag in einem gewaltigen Feuerwerk kulminierten, wo u. a. die panegyrische Parallelisierung des regierenden Kaisers mit Karl V. erneut ausgespielt wurde786 – wurde wohl auch die Oper vom Rat der Stadt in Auftrag gegeben787 und sollte Hamburgs Ergebenheit und Dankbarkeit für die kaiserliche Unterstützung im aktuellen Verfassungskonflikt zwischen Senat und Bürgerschaft788 im ,höfischen‘ Fest zur Schau stellen: So kan sich Hamburg, um erneut die Schlußbemerkung des Libretto-Vorberichts zu zitieren, [...] unter dem gl)ckseligsten Regimente CARL des Sechsten eine vollkommene Ruhe / und nebst dem so langgew)nschten GOtt gebe / Ihrer K yserl. Majest t h chst vergn)glichen Frieden / in diesem Jahrhundert / die allergl)ckseligsten Zeiten versprechen. Hier liegt denn auch der eher ungewöhnliche, aus dem historisch-politischen Sonderstatus der Reichsstadt Hamburg resultierende Umstand vor, daß nicht der Fürst selbst Urheber des auf ihn bezogenen dynastisch-repräsentativen Ereignisses ist, sondern das in seinem Namen agierende stadtrepublikanische Regiment. Und so konnten der Senat mit dem Bürgermeister an der Spitze, der eigens geladene kaiserliche Resident Kurtzrock, der die Feierlichkeiten in einem am 30. Januar

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Zu den Festlichkeiten im einzelnen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, s. insbesondere Joachim Whaley, Religiöse Toleranz und sozialer Wandel, S. 206 und Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 128f. u. 138–144. Vgl. Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 128. Vgl. o. S. 278–280.

328 1712 nach Wien übermittelten Bericht eingehend würdigte,789 und möglicherweise auch die Mitglieder der in Hamburg konferierenden kaiserlichen Kommission sowie verschiedene auswärtige Gesandte einer Opernaufführung beiwohnen, „wie sie aufwendiger und treffender auf den Anlaß abgestimmt nie wieder bei einer Hamburger Festlichkeit zu sehen war“.790 Mit kaiserlicher Hilfe gelangte die verfassungsrechtliche Mediation der Kommission unter Damian Hugo von Schönborn, deren Finanzierung freilich der städtischen Kommune ebenso auferlegt worden war wie der Unterhalt der in der Stadt einquartierten Truppen, in den folgenden Monaten endlich zum ersehnten Abschluß: Im Hamburger ,Hauptrezeß‘, der eine dauerhafte Stabilisierung der innenpolitischen Verhältnisse herbeiführte, erlangte die Stadt ihre „volle politische Aktionsfähigkeit“791 zurück. In diesem Sinne war der Kaiser letztlich seiner Verantwortung und Schutzfunktion gegenüber seinen Hamburger ,Untertanen‘ gerecht geworden und hatte deren ostentative, ,höfisch‘opulente Huldigung nachträglich Früchte getragen. Carolus V. ist gleichwohl ein Einzelfall geblieben, was die Präsentation eines Angehörigen der Habsburger Dynastie als Titelhelden einer historischen Oper anbelangt. Die einzige Oper, die dem Beispiel der Hamburger Produktion im frühen 18. Jahrhundert folgte, war – soweit die Repertoireübersichten des Katalogteils (Anhang A) dies erkennen lassen – Müllers und Schürmanns Rudolphus Habspurgicus für das Braunschweiger Hagenmarkt-Theater. Es ist vielleicht nicht ganz unwahrscheinlich, daß sich die Braunschweiger Produzenten 1723 auch an die Hamburger Festoper des Jahres 1712, die zwei Jahre später, 1714, anläßlich der Feier von Karls VI. Geburtstag am 1. Oktober ein zweites Mal aufgeführt worden war,792 erinnerten, als es darum ging, eine repräsentative Festoper mit

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Zur Opernaufführung heißt es dort: die opera wahr die Historie Caroli V. wie Er Franciscum I. gefangen gehabt, und gegen der meinung seines Canzlers, auß lauter großmuth wieder frey gelaßen. Es wahr durchgehents mit delicater Music und saubern condecorationen gezieret, auch wurden allerley weine und refraichements darin lanté praesentiret (zit. nach Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 143). Der Bericht schildert insbesondere den exklusiven, extraordinären Gestus der Hamburger Krönungsfeierlichkeiten und vermittelt dem Wiener Hof zugleich das öffentlich und mit Vehemenz lancierte Untertanenbewußtsein der wichtigen norddeutschen Handelsmetropole: Gleichwie das gantze Röm:e Reich wegen der auff Ew. Kays:en Maytt: allerheiligste Person glücklich außgefallene Kays:n wahll, undt erfolgter Kays:n erhöhung eine besondere freüde empfunden, Also hat sich auch die gute Stadt Hamburg, welche sonst wegen ihres considerablen See Commercii bey anderen Königreichen vor eine republique geachtet wird, ihre devotion in dießen wie in anderen begebenheiten, mit besonderer distinction contestiren wollen indem Sie dießerwegen zwey tage nacheinander publique festiviteten mit allem decor, zu Ew: Kayserl:n und cathol:n Maytt: allerhöchsten Ehren, nach anliegender kurtzen beschreibung, habe celebriren lassen, welches alles mit algemeinem aplausu und frolocken des mit vivat ruffen jauchtzenden Volcks, ohne unordnung und unglück durch die gute gemachte anstald sehr wol reussiret (ebd., S. 142). Dorothea Schröder, Zeitgeschichte auf der Opernbühne, S. 129. Rainer Ramcke, Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich, S. 17. DIE OESTERREICHISCHE GROßMUTH / ODER: CAROLUS V. Vermittelst eines Prologi Abermahl Dem Aller-Durchlauchtigsten / Großm chtigsten / un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn CAROLO VI. Erwehltem Rmischen K yser / zu allen Zeiten Mehrern

329 einem adäquaten und zugleich signifikanten Sujet zum Besuch des Wiener Kaiserpaares zu inszenieren. Und so ist hier erneut die enge Korrelation zwischen den Bühnen in Hamburg und Braunschweig an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert evident.

–––––––— des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn und Bheim Knig &c.&c.&c. An Dero hohem Geburts-Feste unterth nigst gewidmet / Und in einem Sing-Spiele auf den Hamburgischen Schau-Platz gebracht am 1. Octobris, 1714 (D-HVl, Op. 2,24). – Die im ganzen unveränderte Wiederaufnahme wurde durch einen panegyrischen Prolog für den aktuellen Aufführungsanlaß adaptiert. In einem zweiten, kurzen Vor-Bericht weist Johann Ulrich König auf diese Adaptation hin, berichtet von der wohlwollenden Aufnahme, die die erste Fassung am Wiener Hof erfahren (und die zugleich deren Wiederaufführung begünstigt) habe, und reflektiert zuletzt den aktuellen Friedensschluß von Rastatt (7.3.1714) und Baden (7.9.1714), der den Spanischen Erbfolgekrieg nun auch für Kaiser und Reich beendet hat: OB gleich die Er fnung unsers Schauplatzes mit einer gantz neuen und eigentlich dazu eingerichteten Opera geschehen sollen / so hat doch solches die Enge der Zeit nicht zugelassen. Da nun heute das hohe Geburts-Fest Ihro R mis. K yserl. Majest t CAROLI VI. einf lt / und man eine so sch ne Gelegenheit seine allerunterth nigste Devotion zu bezeugen / nicht vorbeystreichen lassen wollen / als ward beschlossen / vermittelst eines in h chster Eil dazu verfertigten Prologi mit der Opera CAROLUS V. an diesem solennen Tage den Anfang zu machen / und zwar um so vielmehr / weil bekandt / daß dieses Sujet das Gl)ck gehabt / an dem K yserl. Hofe so wohl aufgenommen zu werden / daß / bey der ersten Aufff)hrung / davon eine eigene Relation in der Residentz-Stadt Wien gedruckt worden. Der Himmel erf)lle die getreueste und vielf ltig wiederhohlte Gl)ck-W)nsche / welche in diesem Schau-Spiele f)r das AllerDurchlauchtigste Oesterreichische Ertz- und Stamm-Hauß schuldigst abgeschickt worden / und lasse bald die gl)ckselige Stunden erscheinen / da wir / wegen des nunmehr geschlossenen Friedens / mit gantz Teutschland das vollkommene Vergn)gen haben werden / den unsterblichen Ruhm unsers Glorw)rdigsten Monarchen auf diesem Schauplatze weitl ufftiger zu besingen. Der geneigte Leser aber entschuldige / daß die Erfindung und Ausarbeitung dieses Prologi in so wenigen Stunden / die man dazu anwenden k nnen / nicht besser gerathen.

3 Resümee und Ausblick Am Beginn dieser Arbeit stand die Frage nach der Virulenz ,mittelalterlicher‘ Sujets im europäischen Opernsystem der Frühen Neuzeit und mithin nach der Bedeutung einer Rezeption des ,Mittelalters‘ für das Musiktheater des späten 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. Ihren Ausgangspunkt nahm die Untersuchung von einer ausgreifenden heuristischen Erschließung entsprechender Stoffe und Werke auf der Basis eines pragmatischen, das moderne Epochenschema zugrundelegenden Mittelalterbegriffs. Als Ergebnis dieser Bestandsaufnahme kristallisierte sich u. a. jener – vor allem für das norddeutsche Musiktheater signifikante – Typus der ,dynastischen Mittelalteroper‘ heraus, der für die Fragestellung der Arbeit und ihren Versuch, eine Vorstellung von den Bedingungen und Modi einer ,Mittelalter‘-Rezeption in der frühneuzeitlichen Oper zu gewinnen, in besonderem Maße aufschlußreich zu sein versprach und dem sich ihre Hauptkapitel im einzelnen widmeten.1 Und so mögen denn im Fokus und Arrangement der hier vorgelegten Studie verschiedene Stationen und Facetten dieser ,dynastischen Mittelalteroper‘ in der norddeutschen Opernlandschaft und ihren europäischen Kontexten um 1700 sichtbar geworden sein. Beginnend mit Steffanis und Mauros Henrico Leone, über die erstaunliche Reihe der Braunschweiger Opern, die vielleicht ohne das Hannoveraner ,Initialereignis‘ in dieser Weise nicht denkbar sind, wurde zuletzt die Ausprägung des Typus an der Hamburger Gänsemarkt-Bühne in den Blick genommen, die ihrerseits enge wechselseitige Verbindungslinien nach Hannover und Braunschweig erkennen läßt. Die jeweiligen Interessen der Opernproduzenten und Funktionen der Werke wurden von Fall zu Fall erörtert, wobei sich in nuce folgende Tendenzen – jenseits der basalen Kategorie des ,ästhetischen Vergnügens‘ – für die drei Bühnen abzuzeichnen schienen: Während mit Herzog Ernst Augusts Henrico Leone die europäische Dimension der welfischen Dynastie vor dem Hintergrund machtpolitischer Strategien propagiert wurde, spiegelte die Braunschweiger Operntradition seit 1716 das wiedergewonnene Selbstbewußtsein des reichsfürstlichen Hauses (insbesondere seine Kaisernähe) sowie das augenfällige Bemühen wider, das in Hannover begonnene Projekt einer repräsentativen Inszenierung der welfischen Memoria nun als Reflexion der über Jahrhunderte fortgeschrittenen Verwurzelung der

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Die verwandten Genres Drama/Tragödie und Roman konnten im Rahmen dieser Studie nicht in dem Maße berücksichtigt werden, wie es vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Ihre Auswertung, im europäischen Kontext, wäre für eine umfassendere Einschätzung des Phänomens der ,Mittelalter‘-Rezeption um 1700 sicherlich höchst aufschlußreich.

331 Welfen in Sachsen und ihrer alten imperialen Bezüge fortzuführen und im Zeichen landesherrlicher Repräsentation zu intensivieren. Demgegenüber resultierten aus den wechselnden Indienstnahmen und dem weiten Funktionsrahmen der Hamburger Bühne (als eines Kontaktraums frühneuzeitlicher Stadtund barocker Hofkultur), deren erste ,dynastische Mittelalteroper‘ Der Tapffere Kayser Carolus Magnus vielleicht unter dem Eindruck des Hannoveraner Henrico Leone entstand, verschiedene Ausformungen des Hannoveraner und Braunschweiger Operntypus, die als ,Kaiseropern‘, ,stadtgeschichtliche Opern‘ und ,dynastische Mittelalteropern‘ im engeren Sinne zu charakterisieren und im Licht der jeweiligen obrigkeitlichen Politik und (lokalen) Erinnerungstraditionen zu deuten waren. Trotz aller Differenziertheit im einzelnen läßt das Corpus der untersuchten Opern mit Blick auf die Darstellung und Funktionalisierung einer – aus der jeweiligen Perspektive – eigenen Geschichte zuweilen charakteristische Übereinstimmungen, Parallelen und Querverbindungen erkennen, die es rechtfertigen mögen, eine spezifisch norddeutsche ,dynastische Mittelalteroper‘ zu postulieren, die im Kontext der europäischen Oper der Zeit eine gewisse Singularität beanspruchen kann. Zumindest im süddeutschösterreichischen Raum hat sie jedenfalls in dieser Form kein Äquivalent. An der für das Reich zentralen Bühne des Wiener Hofes ist der Typus gewissermaßen nicht präsent, Dresden und München kennen ihn nicht in diesem Ausmaß – um nur die im ausgehenden 17. Jahrhundert „normgebenden Instanzen für die weitere Verbreitung der Oper an den deutschen Höfen“2 zu nennen.3 Fragt man nach Ansätzen einer für das moderne Mittelalterbild konstitutiven Erfahrung von historischer Differenz, nach Anzeichen eines von der Jetzt-Zeit um 1700 abgegrenzten ,Mittelalters‘, das in den einzelnen Opern der Zeit möglicherweise evoziert wird, d. h. insbesondere in den Paratexten und Inszenierungsanweisungen der Libretti und gegebenenfalls mit den entsprechenden (überlieferten) Bühnenbildern und Dekorationsentwürfen, so ergibt sich ein überaus divergentes Spektrum. Es reicht von – mehrheitlich – typisierenden, eher auf die Exemplumstruktur der Handlung zielenden und mit

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Erich Reimer, Die Hofmusik in Deutschland, S. 87. Zu den Wiener Verhältnissen s. Kap. 1.3.2. Für Dresden ist speziell die (wirkungsgeschichtlich nicht unbedeutende) Festoper Teofane (1719) anzuführen. Am Münchener Hof wurden indes in den Jahren zwischen 1669 und 1675 drei Opern produziert, wovon eine auch auf die bayerische Landesgeschichte bzw. die Institution des Territorialherrn zielt (I portenti dell’indole generosa) – wenngleich die Dynastiegeschichte der Wittelsbacher nicht berührt wird –, während zwei auf die dynastische Herkunft der Kurfürstin Henriette Adelaide, einer geborenen Prinzessin von Savoyen, anspielen: Adelaide regia principessa di Susa, Ottone in Italia (in beiden Opern verweisen die Namen der jeweiligen weiblichen Protagonistinnen zudem auf die Auftraggeberin/Widmungsträgerin Henriette Adelaide [† 1676]). Für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts ist viertens die Hochzeitsoper Adelaide (1722) zu nennen, die das Ottonen- und das damit verschränkte Italienthema erneut aufgreift und nun mit Blick auf die ,imperiale‘ Vermählung des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht mit der österreichischen Erzherzogin und Kaisernichte Maria Amalia sowie die aus dieser Verbindung abgeleiteten Ansprüche der Wittelsbacher Kurfürsten auf die Kaiserwürde funktionalisiert.

332 Blick auf die Zeitdimension der historischen Bühnenhandlung indifferenten Inszenierungen (beispielsweise L’innocenza difesa) oder von Produktionen, die vielmehr Mythisch-Sagenhaftes im Umkreis einer historischen oder als historisch vermuteten Person exponieren (etwa Henrico Leone,4 Thassilo, tendenziell auch Emma und Eginhard), über einzelne Spuren einer historisierenden Darstellung bis zu den Historienopern Johann Ulrich Königs und Johann Samuel Müllers in den 1710er und 1720er Jahren. Diese, eigens für die Braunschweiger oder Hamburger Bühne geschaffen, stellen die Historizität des jeweiligen Sujets, die wahrhaffte Geschichte, deutlicher heraus und markieren, nicht zuletzt in den ausschweifenden Paratexten und mit der Präsentation detaillierter, genuin historischer Tableaus, eine zeitliche Distanz zwischen der Bühnenhandlung und der Zuschauerrealität. Im Rekurs auf den aktuellen historisch-juristisch-gelehrten Diskurs sowohl der mittel- und norddeutschen Universitäten als auch der avancierten Hofhistoriographie etwa Leibnizscher Prägung, die beide die – überwiegend mittelalterliche – Historie des Heiligen Römischen Reiches wie seiner Territorien und Dynastien fokussieren, und vielleicht auch im Licht eines um 1700 (im ästhetischen und philosophischen Diskurs) propagierten „Natürlichkeitsideals“5 etablieren sie einen spezifischen ,Mittelalter‘-Diskurs, der durchaus ins 19. Jahrhundert vorausweist, was etwa die Konstitution eines charakteristischen Zeitkolorits oder einer ansatzweise greifbaren Aura von Alterität betrifft. So gesehen transzendieren die genannten Bühnenwerke den Status reiner – politisch motivierter – Funktionsopern zugunsten der Darstellung und Erfahrbarkeit präsupponiert authentischer Historizität. Unter den Auspizien einer Entdeckung von eigener Historie hat eine ,Verschiebung‘ statt von der panegyrischen ,Genealogieoper‘ zur ,Geschichtsoper‘, die die Differenz zwischen Einst und Jetzt sichtbar zu machen und jenes Einst in seinen genuinen Bedingungen und ,Realitäten‘ partiell einzufangen sucht. Insofern mag sich hier eine mit der „Früh-,Historisierung‘“6 des zeitgenössischen Wissenschaftssystems korrespondierende Tendenz andeuten, die sich bisweilen auch in der Gestaltung ,nicht-mittelalterlicher‘ historischer Sujets niedergeschlagen zu haben scheint (etwa in Johann Joachim Hoes Festoper Trajanus für die Hamburger Bühne). Für die musikalische Gestaltung bleibt dagegen die Markierung einer zeitlichen Differenz offenbar irrelevant: Soweit dies anhand der überlieferten Quellen zu beurteilen ist, läßt das barocke Musiksystem (noch) keine auf das Historisch-Charakteristische eines Sujets

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Hier sei nur an die einleitende Passage des Argomento dieser Oper – in der deutschen Übersetzung des Braunschweiger Librettos von 1699 und 1716 – erinnert: Der leere Schatten folget dem hellen Lichte / und die warhafftesten Geschichte sind niemahls ohne ertichteten Zusatz: Ein gleiches findet sich bey dem Lebens-Lauff / und bey denen sonst ungezweiffelten Heldenthaten des Hertzog Henrichs des L wens / welche mit so viel Fabeln untermenget / daß auch dieselbe in gantz Teutschland ber)hmt und bekandt sind. Aus diesen Fabelhafften Erzehlungen ist diese Opera gezogen [...]. Vgl. o. S. 77 mit Anm. 95 u. S. 123 mit Anm. 187. Dirk Niefanger, Geschichtsdrama der Frühen Neuzeit, S. 229. Karl Otmar Freiherr von Aretin u. Notker Hammerstein, Reich, IV. Frühe Neuzeit, S. 478.

333 gerichteten Tendenzen erkennen. Während zuweilen etwa exotische Räume (vor allem in der französischen Opern- und Balletttradition) oder spezifische soziale Milieus durchaus mit musikalischen Mitteln verdeutlicht werden, ist dies offensichtlich nicht der Fall hinsichtlich des Aspektes ,Zeit‘. Anstelle einer – wie auch immer im einzelnen vorstellbaren – Archaisierung dominiert der Gegenwartsbezug der signifikanten opernästhetischen Affektstruktur. Nun stellt sich hier wie in den besprochenen Opern überhaupt das ,Mittelalter‘ (noch) nicht als ideologisch-programmatischer Gegenentwurf – sei es in pejorativer oder positiv-idealisierender Besetzung – zur zeitgenössischen JetztZeit dar. Vor dem Hintergrund des für die norddeutsche Opernlandschaft bemerkenswerten Konnexes zwischen ,Mittelalter‘-Rezeption, historischjuristisch-wissenschaftlichem Diskurs sowie obrigkeitlicher Repräsentation bzw. Legitimation von Herrschaft und Geschichtspolitik erscheint das Zeitalter, das eine neuzeitliche Konstruktion als ,Mittelalter‘ aufgefaßt hat, vielmehr als Ursprungs- und Frühraum der jeweils eigenen, dynastischen, territorialen, institutionellen oder nationalen (reichsgeschichtlichen) Vorzeit.7 Die inszenierte Vergangenheit fungiert als Vergegenwärtigungsraum der eigenen Identität, den die norddeutsche Oper im engen Anschluß an den Wissenschaftsdiskurs der deutschen Frühaufklärung im Zeichen einer Entdeckung und Indienstnahme von eigener Historie erschließt. Um 1700 steht – an den norddeutschen Bühnen Hannover, Braunschweig und Hamburg – offensichtlich das Moment der mehr oder minder ungebrochenen Kontinuität zwischen eigener Vorgeschichte, deren ,Veroperung‘ dem allenthalben dominierenden griechischrömischen Paradigma nun gerade entgegensteht, und zeitgenössischer Gegenwart als Zielpunkt einer sich steigernden, teleologischen historischen Entwicklung im Vordergrund.8 Daß auch andernorts vereinzelt Versuche unternommen wurden, spezifisch historische Züge eines ,mittelalterlichen‘ Sujets zu exponieren, mag der Fall der römischen ,dynastischen Mittelalteroper‘ Carlo Magno verdeutlichen. Die Oper wurde aus Anlaß der erwarteten Geburt des französischen Thronfolgers im Jahr

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Allein in der Hamburger Oper Mistevojus (1726) deutet sich mit der Präsentation des von den Obodriten besetzten und zerstörten Hamburg eine entschieden pejorative Konnotation jener Frühzeit an – freilich, um den Glanz der Gegenwart, die aufgrund unverbrüchlicher Kontinuitätslinien mit der frühmittelalterlichen Vergangenheit verbunden ist, umso heller erstrahlen zu lassen: Reiß / stoltzer Mistevo / reiß nur mein Hamburg nieder! | In kurzer Zeit find ichs auf dieser Stelle wieder / | Und zwar in gr ßrer Pracht / in besserm Flor / | Als jemals hiebevor (so die Apostrophe der Hammonia, I, 2). Zu ganz analogen geschichtstheoretischen Vorstellungen bei Leibniz vgl. etwa Werner Conze, Leibniz als Historiker, S. 76: „Die ,nova facies rerum‘, die sich seit den germanischen Staatsgründungen der Völkerwanderungszeit entwickelte, erkannte Leibniz als den Beginn der europäischen Staatengeschichte. Also auch von daher war für ihn das Mittelalter eine Zeit des Anfangs und der Vorbereitung. Nach dem Gesetz der Kontinuität mußten in der Geschichte des Mittelalters die Grundlagen für das europäische Staatensystem seiner Zeit und das Imperium der Deutschen gelegt sein, und es trieb ihn, diesen Ursprüngen des neuen Europa im Mittelalter nachzugehen. Darin muß ein Hauptanliegen und der wesentliche Sinn seiner Annalen gesehen werden.“

334 1728 von Kardinal Pietro Ottoboni produziert, der seinerzeit Vizekanzler der Kurie und Protektor der französischen Krone beim Heiligen Stuhl war. Das Werk (Libretto von Ottoboni, Musik von Giovanni Battista Costanzi),9 dessen höchst politische Funktion einerseits eine Huldigung an das mit der Kurie wieder versöhnte französische Königshaus, andererseits die besondere Verantwortlichkeit des französischen Königs als dynastischen Erben Karls des Großen für das Wohl der Kirche implizierte,10 wurde für die erste Aufführung in Ottobonis Hoftheater, in der Cancelleria, mit Dekorationen von Domenico Vellani ausgestattet, der zeitgenössischen Berichten zufolge die historische Dimension des Sujets durch spezifisch ,gotische‘ Stilelemente, etwa die finale Präsentation des Sonnengottes in einem gotischen Tempel (in un Tempio Gotico),11 andeutete:12 „L’originalité de Vellani, marquée au coin du bon sens piusqu’il donnait à ce drame carolingien un cadre médiéval, fut une audace sans

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CARLO MAGNO Festa Teatrale In Occasione Della Nascita Del Delfino Offerta alle Sacre Reali Maestà Cristianissime Del Re, E Regina Di Francia Dal Cardinale Otthoboni Protettore Degl’Affari della Corona, In Roma, 1729 (I-Fn, Nencini F.9.3.15 [repräsentativer, luxuriös ornamentierter Druck des Librettos im Folioformat, mit 14 ganzseitigen Stichen, die wohl Nicola Michettis klassizistische Dekorationen für die Inszenierung 1729 reproduzieren]). Eine Partiturhandschrift, die Costanzis Musik überliefert, gehört heute zum Bestand der Bibliothèque nationale de France: RES F – 816 (1–3). – Zwei Exemplare des repräsentativen Librettodrucks im Folioformat, mit bemalten Einbänden in Goldseide (insgesamt sind vier verschiedene Szenen, jeweils eine auf der Einbandvorderseite und -rückseite, dargestellt), übersandte Ottoboni an König Ludwig XV. und Königin Marie. Beide Prachtausgaben wurden kürzlich – offensichtlich unabhängig voneinander – wiederentdeckt und befinden sich heute in Privatbesitz (vgl. zum einen Flavia Matitti, Due doni del cardinale Ottoboni alla corona di Francia, in: Strenna dei romanisti 56 [1995], S. 383– 396, hier S. 393–396; zum anderen Stefanie Walker u. Frederick Hammond [Hgg.], Life and the Arts in the Baroque Palaces of Rome. Ambiente Barocco, New Haven u. London 1999, S. 206f.). Das Sujet behandelt, ähnlich der Hamburger Produktion von 1709, das Desiderius-Thema und Karls des Großen römischen Triumph – nun allerdings nach Desiderius’ Unterwerfung und mit dessen Tochter Adelinda als Karls Gegenspielerin: Le sujet de l’Opera s’est tiré d’une des Victoires, que CHARLE MAGNE remporta en Italie: on s’est borné par preference a ce choix determiné par l’occasion, qu’il donné de faire voir le lieu, ou furént couronnés tous ses Exploits. On le represente donc Vainqueur en Italie; on le voit receù dans Rome avec applaudissement: revetu du nom d’Empereur, & d’Auguste dans cette Capitale du Monde Chretien, à qui il appartient par la disposition de la Divine Providence de donnér les Titres aux Vainqueurs, & de leur departir l’honneur du Triomphe. Ce sujet au reste à parú tres propre a etre representé à l’occasion de la Naissance du Dauphin, puis qu’il rappelle le souvenir de la recompense, que Dieu, par le Ministere de son Vicaire en Terre, accorda autrefois a la valeur, & au merite singulier d’un de ses plus illustres Ayeux (so der Schluß von Ottobonis Avertissement historique [ohne Paginierung]). Zur Stilbezeichnung ,gotisch‘ und ihren durch die (italienische) Renaissancekultur vermittelten (und zuweilen bis weit ins 18. Jahrhundert hinein propagierten) negativen, abwertenden Konnotationen – im Sinne einer Geringschätzung der „Kunst [oder allgemeiner Kultur] des Nordens, der Goten“ – vgl. Günther Binding, Gotik, in: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 1575f. Vgl. Flavia Matitti, Due doni del cardinale Ottoboni alla corona di Francia, S. 393.

335 lendemain“.13 Als die Oper nämlich ein Jahr später (1729) erneut aufgeführt wurde, als der Dauphin tatsächlich das Licht der Welt erblickte (ein Jahr zuvor hatte Königin Marie LeszczyĔska entgegen den Erwartungen Ottobonis ein Mädchen zur Welt gebracht), engagierte Ottoboni den römischen Bühnenarchitekten Nicola Michetti und beauftragte ihn mit einer Neuinszenierung, die nun ganz im ,klassisch‘-antiken Stil der Zeit ausfiel und damit wohl eher dem Geschmack des Kardinals und seinen repräsentativen Intentionen entsprach.14 Eine in Umrissen vergleichbare Orientierung am ,klassisch‘-antiken Paradigma läßt die Spielplanpolitik der Londoner Royal Academy of Music in den 1720er Jahren erkennen. Dort wurden in den neun Spielzeiten zwischen 1720 und 1728 bevorzugt Sujets aufgeführt, die mit den „klassizistischen Bestrebungen“ des (hoch)adligen Direktoriums korrespondierten.15 So äußert sich der Geschäftsträger Modenas in London, Giuseppe Riva, in einem Brief vom 5. September 1725 an seinen Freund, den Modeneser Hofbibliothekar und Historiographen Ludovico Antonio Muratori, folgendermaßen über die damalige Sujetpolitik der Royal Academy: Il soggetto dev’ essere semplice, tenero, eroico, Romano, Greco o Persiano ancora, non mai Gotico o Longobardo [Das Sujet soll einfach/natürlich, zart, heroisch, römisch, griechisch oder auch persisch sein, nie gotisch oder langobardisch].16 Allein Händel verstieß verschiedentlich gegen diese Sujetpolitik und brachte auch ,gotische‘, ,langobardische‘ oder ,mittelalterlich‘-dynastische Stoffe auf die Bühne, die mitunter auf die Herkunft seiner Gönner, der welfischen Könige von England, zielten und norddeutsche Kontinuitäten weiterzuführen schienen – jedenfalls was die ,Ottonen-Opern‘ Ottone (1723) und Lotario (1729) sowie die britische Allusion des Henrico Leone, Riccardo primo (1727), anbelangt.17 Dagegen befolgten „die italienischen Komponisten der RAM [...] [jene] Richtlinie streng: Fast alle von Bononcini und Ariosti gewählten Sujets spielen, wer auch immer den Text bearbeitete, auf römischen, griechischen oder orientalischen Schauplätzen“.18 Die beiden genannten Beispiele aus Rom und London mögen somit nicht nur die Dominanz des antiken Modells gegenüber dem Versuch einer sujetgemäßen Historisierung und, darüber hinausgehend, die universelle Verbindlichkeit dieses ,klassischen‘ Modells aufzeigen. Sie könnten zugleich die Hypothese

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Olivier Michel, Introduzione/Introduction, in: Carlo Magno Festa Teatrale In Occasione Della Nascita Del Delfino Offerta alle Sacre Reali Maestà Cristianissime Del Re, E Regina Di Francia Dal Cardinale Otthoboni Protettore Degl’Affari della Corona. Introduzione e note di Olivier Michel, Rom 1987 (= Faksimile des repräsentativen Librettodrucks Rom 1729), S. 7–15, hier S. 12. Vgl. ebd. Hans Dieter Clausen, Der Einfluß der Komponisten auf die Librettowahl der Royal Academy of Music (1720–1729), in: Hans Joachim Marx (Hg.), Zur Dramaturgie der Barockoper, S. 55–72, hier S. 55. Ebd., S. 71 (Anhang 2). Vgl. Reinhard Strohm, Händel und seine italienischen Operntexte, S. 116 u. 129. Hans Dieter Clausen, Der Einfluß der Komponisten, S. 61. Vgl. auch Reinhard Strohm, Händels Opern im europäischen Zusammenhang, in: Herbert Schneider u. Reinhard Wiesend (Hgg.), Die Oper im 18. Jahrhundert, S. 37–45, hier S. 44.

336 einer Sonderstellung des norddeutschen Operntypus im Kontext des europäischen Opernsystems stützen, insoweit hier gerade Sujets aus der eigenen regionalen oder dynastischen Vorzeit ausgespielt werden, deren Alterität wiederum ansatzweise und im Einzelfall auf der Bühne oder in der historischen Diskursivierung der umfangreichen Paratexte und wissenschaftlich-gelehrten Vorreden exponiert wird. In Hannover, Braunschweig und Hamburg endet die Repertoire-Präsenz der (dynastischen) ,Mittelalteroper‘ zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Im Fall der Hannoveraner und Hamburger Bühne verschwindet der Typus zwangsläufig mit dem jeweiligen Abbruch des institutionalisierten Opernbetriebes in den Jahren 1698 (Hannover) und 1738 (Hamburg). Die Braunschweiger Verhältnisse unterscheiden sich davon insofern, als das Hagenmarkt-Theater mit dem Regierungsantritt des Herzogs Karl I. im Jahr 1735 den Spielbetrieb nach kurzer Unterbrechung wieder aufnahm und bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein kontinuierlich bespielt wurde. Im Zeichen sich verstärkender klassizistischer Tendenzen, die die enge Verbundenheit der Braunschweiger Hofkultur Karls I. mit dem Berliner Hof seines Schwagers Friedrich II. widerspiegeln, kommt den Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet hier jedoch seit den 1740er Jahren kaum mehr eine Bedeutung zu. Und insgesamt scheint die ,Mittelalter‘-Rezeption im europäischen Dramma per musica in den 1740er Jahren, im Licht ebenjenes um die Jahrhundertmitte favorisierten antikisierenden Stilideals, vorübergehend ihren Endpunkt erreicht zu haben. Die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts leiten dann ganz allmählich, unter veränderten kulturgeschichtlichen Bedingungen, Auspizien und Interessen, eine neue Phase der ,Mittelalter‘-Rezeption im Medium der Oper und ihrer jeweils zu differenzierenden nationalen Erscheinungsformen ein. Daß hier indes nicht die erste bewußte Auseinandersetzung mit den Jahrhunderten zwischen Antike und Neuzeit in der Geschichte der Oper einsetzt, dies zu verdeutlichen, war ein Ziel dieser Untersuchung.

Anhang

A Katalog: ,Mittelalterliche‘ Sujets in der Oper um 1700 1

Chronologisches Verzeichnis

Braunschweig-Wolfenbüttel 340 – Dresden 343 – Düsseldorf 344 – Florenz 345 – Hamburg 350 – Hannover 354 – Leipzig 355 – London 356 – München 360 – Neapel 362 – Paris 368 – Stuttgart 368 – Venedig 369 – Weißenfels 386 – Wien 387 Der Katalog erfaßt Opern mit ,mittelalterlichem‘ Sujet (zur Definition s. Kap. 1.3.1) an 15 – für das europäische Opernsystem um 1700 mehr oder minder repräsentativen – Spielstätten im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, in Italien, England und Frankreich. Die Aufnahme der Titel der verzeichneten Werke folgt in der Regel dem Wortlaut der überlieferten Libretti, der entweder nach den jeweiligen Druckexemplaren und Handschriften (dann stets mit Signatur) oder den konsultierten Librettokatalogen zitiert wird (die eigentlichen Werktitel – im Kontext des Titelblatts – wurden dabei einheitlich in Großbuchstaben gesetzt, Umlautzeichen entsprechend der modernen Schreibung vereinheitlicht). Wo Textbücher und Partituren fehlen, stützt sich der Katalog auf die Angaben der einschlägigen Bibliographien, Repertoireverzeichnisse und Forschungsarbeiten. Bibliothekssiglen und Signaturen der erhaltenen Textbücher werden in { } mitgeteilt, auf die jeweiligen Librettokataloge/Bibliographien wird in [ ] verwiesen. Ebenso erscheinen Hinweise zum konkreten Inhalt/Sujet und seinen Referenztexten sowie zu den Dramatis personae in [ ]. Auslassungen oder Zusätze im zitierten Titeltext (oder weiteren Paratexten) werden – wie üblich – durch [...] angezeigt. Daten zur Aufführung (Ort, Zeit) sowie Informationen zu (bearbeiteten) Wiederaufführungen (WA), zu früheren oder Erstaufführungen (EA), zu Adaptationen (Text und/oder Musik) an einem anderen Ort und zu Libretto-/Opern- oder Dramen-Vorlagen (mit Blick auf das Sujet) erscheinen in ( ); gleiches gilt für relevante Bemerkungen der Forschungsliteratur. ,T[ext]:‘ bezeichnet die Verfasser der Texte, ,M[usik]:‘ die Komponisten. Fragezeichen signalisieren Unsicherheiten hinsichtlich der beteiligten Personen, bei Daten hinsichtlich des Aufführungsdatums oder der Aufführung selbst. Stehen Fragezeichen vor dem jeweiligen Eintrag (d. h. vor der Jahreszahl), war das vorliegende Sujet nicht eindeutig zu identifizieren. Den Einträgen liegt dann in nuce das folgende Schema zugrunde (wobei freilich nicht immer alle Rubriken gefüllt werden): Jahreszahl TITEL/Titelblatt u. ggf. weitere Paratexte – T: , M: , [Dramatis personae] [Librettokatalog, Nr.] {Bibliothekssigle, Signatur} (Daten zur Aufführung; Informationen zu Wiederaufführungen, früheren oder Erstaufführungen, Adaptationen an einem anderen Ort, zu konkreten dramatischen, d. h. Libretto-/Opern- oder Dramen-Vorlagen – letztere können auch bereits unter ,T:‘ genannt sein; Forschungsliteratur) [Angaben zum Sujet und/oder seinen Referenztexten] Unsicherheiten ergeben sich bisweilen insbesondere für die Datierung der (Karnevals-)Opern der italienischen Spielorte, da einerseits der Karnevalsbeginn mit dem 26. Dezember noch – für sechs Tage – ins ,alte‘ Jahr fällt (so kann eine Aufführung am 27. Dezember 1708 im Libretto mit der Jahreszahl 1709 ausgewiesen sein, wenn nämlich die Karnevalssaison gemeint ist), andererseits z. B. in Venedig noch bis 1797 eine traditionelle Jahreszählung more veneto Gültigkeit hatte (wonach das Jahr mit dem 1. März beginnt) und insofern manche Libretto-

339 angabe nach moderner Zählung um ein Jahr vorzudatieren wäre (ähnliches gilt für Florenz, wo ebenfalls bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein mit dem Gregorianischen Kalender konkurrierendes, den Neujahrstag auf das Fest der Verkündigung datierendes Modell bestand). Gleichwohl war die moderne Zählung seit Beginn des 18. Jahrhunderts alternativ gebräuchlich und erscheint mithin in gleicher Weise und ohne besondere Markierung auf den Titelseiten der gedruckten Libretti. Angesichts dieser und weiterer Datierungsproblematiken legt der Katalog zunächst die Jahreszahl auf der Titelseite des Librettos (wenn vorhanden) zugrunde, sodann kann auch eine aus der Sekundärliteratur übernommene präzisierende Angabe mit / stehen. Schließlich sind mehrere unter derselben Jahreszahl aufgeführte Werktitel eines jeden Opernzentrums – unabhängig vom in den Einträgen z. T. ebenfalls mitgeteilten genauen Aufführungsdatum – durchweg alphabetisch angeordnet (stets ohne Berücksichtigung des Artikels). Der Katalog registriert prinzipiell ,Premieren‘, d. h. Neukompositionen oder Adaptationen, auch Aufführungen an einem anderen als dem ursprünglichen Theater (letzteres betrifft speziell die venezianischen Verhältnisse); unveränderte Wiederholungen am selben Ort (in derselben Saison) wurden nicht eigens verzeichnet. Nicht zuletzt aus Platzgründen und zugunsten einer besseren Übersichtlichkeit wurden spätere, (von den ursprünglichen Produzenten) eher geringfügig bearbeitete (soweit dies zu ermitteln war) Wiederaufführungen vorwiegend bei den früheren Aufführungen und nicht als eigene Einträge notiert. Insgesamt sind die Grenzlinien hier aber (auch mangels Quellenmaterials) nicht immer eindeutig zu ziehen. Der zeitliche Rahmen der Repertoireübersichten ergibt sich aus der Kontinuität des Spielbetriebs der einzelnen Spielstätten. Er reicht von den ersten Anfängen einer Opernpflege eines Zentrums im 17. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die jeweiligen zeitlichen Endpunkte resultieren entweder aus einer Einstellung des institutionalisierten Opernbetriebs oder sie fallen – bei Hoftheatern – mit markanten (verwaltungs)politischen Einschnitten infolge von Regierungs-/Herrschaftswechseln zusammen. Ansonsten – im Fall von Dresden, London, Paris und Venedig – brechen die Übersichten spätestens mit dem Jahr 1740 ab. Jeder Repertoireübersicht eines Opernzentrums folgt ein Verzeichnis der zugehörigen Librettokataloge, Bibliographien und Forschungsliteratur.

Bibliothekssiglen (RISM) A-Wgm A-Wn A-Wst D-B D-Dl D-Gs D-GRu D-Hs D-HVl D-Ju D-KNth D-Mbs D-MHrm D-Sa D-Sl D-W GB-Lbl I-Fn I-Vcg I-Vgc I-Vnm

Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Österreichische Nationalbibliothek Wien Stadtbibliothek Wien Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Universitätsbibliothek Greifswald Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky Hamburg Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek Hannover Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln Bayerische Staatsbibliothek München Reiss-Engelhorn Museen Mannheim Hauptstaatsarchiv Stuttgart Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel British Library London Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Casa di Goldoni Venezia Istituto di Lettere, Musica e Teatro della Fondazione Giorgio Cini Venezia Biblioteca Nazionale Marciana Venezia

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Braunschweig-Wolfenbüttel (bis 1735) 1692 LA LIBUSSA. Drama per Musica Dà rappresentarsi nel Teatro Ducale di Wolffenbüttel Consacrato All’Altezza […] Augusto Guglielmo Duca di Bronsuich Luneburgo, &c. dà Flaminio Parisetti […]. – T: Flaminio Parisetti, M: Clemente Monari [Thiel, Nr. 1001] {D-W, Textb. 368} [= Libussa, Gemahlin PĜemysls des Pflügers; PĜemyslidensage] 1697 HERTZOG HENRICH DER LÖWE. – T: Gottlieb Fiedler (nach Ortensio Mauro, Henrico Leone, Hannover 1689), ? (Adaptation?), M: Agostino Steffani (Braunschweig, Sommermesse 1697; WA 1699, vgl. Thiel, Nr. 868; vgl. Hamburg 1696) 1697 OTTONE. Tragedia Per Musica, Da rappresentarsi nel Teatro di Braunsveig, L’Anno M.DC.XCVII. OTTO, Sing-Spiel […]. – T: Girolamo Frigimelica Roberti, M: Carlo Francesco Pollarolo [Sartori, Nr. 17620] {D-HVl, Op. 1,59} (Braunschweig, Sommermesse 1697) (vgl. Venedig 1694) [= Ks. Otto III. † 1002] 1697? ROLAND. – T: Gottlieb Fiedler (nach Ortensio Mauro, Orlando generoso, Hannover 1691), M: Agostino Steffani (Braunschweig, Sommermesse 1697) (vgl. Hamburg 1695) 1698 ORLANDO GENEROSO. – T: Ortensio Mauro, M: Agostino Steffani (Braunschweig, Wintermesse 1698) {dt. Szenarium (Kurzer Inhalt aller Auftritte aus der Italiänischen OPERA ORLANDO Oder ROLAND genandt): D-HVl, Op. 1,62} (EA Hannover 1691) 1699 PHARAMOND. – T: Gottlieb Fiedler (nach Apostolo Zeno, Il Faramondo, Venedig 1699), M: Carlo Francesco Pollarolo (Braunschweig, Sommermesse 1699; WA 1701, vgl. Thiel, Nr. 1270) 1703 ALMIRA. Drama Per Musica, Da rappresentarsi, Nel famorissimo Theatro Di Bronsvic. ALMIRA In einem Sing-Spiel vorgestellet [...]. – T: Giulio Pancieri, M: Ruggiero Fedeli [Thiel, Nr. 61] {D-W, Textb. 30} (vgl. Venedig 1691) 1704? LEONILDE ODER DIE SIEGENDE BESTÄNDIGKEIT In einem Singenden SchauSpiele Auf dem Braunschweigischen Theatro vorgestellet / [...] Fr. Sophien Amalien / Erb-Prinzeßin zu Dennemarck und Norwegen / zu Braunschweig und Lüneburg Vermählten [...] Unterthänigst gewidmet von Gottlieb Fidlern. – T: Gottlieb Fiedler (nach Francesco Silvani, La costanza in trionfo, Venedig 1696 ?), M: Georg Caspar Schürmann [Thiel, Nr. 998] {D-W, Textb. 529} (WA 1705/06, 1722, 1728) 1712 FREDEGONDA Drama per Musica da rappresentarsi Nel famosissimo Theatro di Brunsviga. FREDEGUNDA In einem Singe-Spiel vorgestellet […]. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Thiel, Nr. 773] {D-W, Textb. 654} (Braunschweig, 08. 02. 1712; WA 1716; EA Venedig 1705, vgl. auch Hamburg 1715) 1715 REGNERO Drama per Musica da rappresentarsi Nel famosissimo Teatro di Braunsviga l’anno 1715. consacrato All’Altezza Serenissima dell’Augusto Gvilielmo, Duca regnante di Braunsviga-Luneburgo &c. REGNERUS In einem Singe-Spiel vorgestellet […]. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati (La Svanvita), M: Georg Caspar Schürmann (?) [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-HVl, Op. 1,74 u. D-W, Textb. 516 (unvollständig)} (Braunschweig, 02. 02. 1715) 1716 HENRICH DER LÖWE In einer Opera, nebst einem Epilogo und Feuerwerck / Zu Ehren Der Aller-Durchlauchtigsten / Großmächtigsten Fürstin und Frauen / Fn. Elisabeth Christinen, Römischen Käyserin [...] Gebohrner Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro Allerunterthänigst vorgestellet In der Braunschweigischen Lichtmeß-Messe 1716. – T: Ortensio Mauro, Gottlieb Fiedler, ? (Adaptation), M: Agostino Steffani, Georg Caspar Schürmann (?) (Adaptation) [Thiel, Nr. 858] {D-W, Textb. 541} (Braunschweig, Wintermesse 1716; WA 1729 als Heinrich der Löwe) 1716 TEODOSIO ED EUDOSSA Drama per Musica da rappresentarsi Nel Felicissimo Giorno Del Nome [...] di Elisabeta Sofia Maria Duchessa regnante […] Nel Teatro di Wolfenbüttel l’anno 1716. THEODOSIUS UND EUDOXIA In einem Singe-Spiel vorgestellet [...]. – T: Vincenzo Grimani, M: Johann Joseph Fux, Francesco Gasparini, Antonio Caldara [Thiel, Nr. 1574] {D-W, Textb. 748} (Wolfenbüttel, 12. 09. 1716; WA 1721; vgl. Il Teodosio, Venedig 1699) [Ks. Theodosius II. u. Eudokia]

341 1718 HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / NACHMAHLS ERWEHLTER TEUTSCHER KÄYSER / In einem Singe-Spiele Im Jahre 1718. auf dem grossen Braunschweig. Schau-Platze vorgestellt / Und Dem Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn August Wilhelm / Regierenden Hertzoge zu Braunschw. u. Lüneb. Wie auch Der [...] Frauen Elisabetha Sophia Maria / Vermählter Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / gebohrner Hertzogin zu Holstein etc. unterthänigst gewidmet von Johann Ulrich König. – T: Johann Ulrich König, M: Georg Caspar Schürmann [Thiel, Nr. 852] {D-W, Textb. Sammelbd 9 (1)} (Braunschweig, Sommermesse 1718; WA 1721, 1730) [= Heinrich I., ostfränk. Kg., † 936] 1720 FREDEGUNDA In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro In der Laurentii Messe Anno 1720. – T: Georg Caspar Schürmann (nach Francesco Silvani, La Fredegonda), M: Francesco Gasparini, Georg Caspar Schürmann (Adaptation) [Thiel, Nr. 774] {D-W, Textb. Sammelbd 9 (5)} (Braunschweig, Sommermesse 1720) 1721 HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / ERSTER RÖMISCHER KÄYSER / ZWEYTER THEIL / In einem Singe-Spiele Auf dem grossen Braunschweig. Theatro in der Lichtmessen-Messe im Jahr 1721. vorgestellet / Und Dem Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Hrn. Ludewig Rudolphen, Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg etc. Wie auch Der [...] Frn. Christinen Louisen / Vermählter Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / gebohrner Fürstin von Oettingen etc. unterthänigst gewidmet Von dem Verfasser. – T: Johann Ulrich König, M: Georg Caspar Schürmann [Thiel, Nr. 853] {D-W, Textb. Sammelbd 9 (8)} (Braunschweig, Wintermesse 1721) 1722 DAS EROBERTE JERUSALEM / ODER ARMIDA UND RINALDO In einem SingeSpiele Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro in der Lichtmessen-Messe 1722 vorgestellet / [...] Herrn August Wilhelm / Regierendem Hertzog zu Braunschw. und Lüneb. etc. Wie auch der [...] Frauen Elisabetha Sophia Maria / Regierender Hertzoginn zu Braunschweig und Lüneburg / [...] Unterthänigst gewidmet von dem Verfasser. – T: Johann Samuel Müller (nach Giulio Cesare Corradi, La Gerusalemme liberata, Dresden 1687), M: Georg Caspar Schürmann [Thiel, Nr. 655] {D-W, Textb. 526} (Braunschweig, Wintermesse 1722; WA 1727) [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1722 ORLANDO FURIOSO Drama per Musica da rappresentarsi nel Famosissimo Teatro di Braunsviga. L’Anno 1722. DER RASENDE ROLAND In einer Opera vorgestellet […] In der Lichtmessen-Messe Anno 1722. – T: Grazio Braccioli, Georg Caspar Schürmann (Adaptation), M: Pasticcio, arrangiert von Schürmann [Thiel, Nr. 1192] {D-W, Textb. 525} (Braunschweig, Wintermesse 1722) (Strohm 1976/II, S. 279: „Von Schürmann arrangiertes P[asticcio] [...]. Vorlage ist, wahrscheinlich für Text und Musik, Vivaldis Orlando furioso Venezia S. Ang aut 1714 – seinerseits eine Adaptierung von Ristoris Vertonung 1713. Dazu wurden viele fremde A[rien] eingelegt, von denen einige offenbar von Lotti, Chelleri und Händel (Rinaldo) stammen.“) 1722? L’INNOCENZA DIFESA Drama per Musica Con Prologo Da Rappresentarsi Al Teatro Ducal Di Wolfenbuttel Festeggiandosi Il Nome Gloriosissimo […] Di Elisabeta Cristina Imperadrice Regnante. DIE BESCHÜTZE UNSCHULD In einer Opera Nebst einem Prologo vorgestellet [...]. – T: Francesco Silvani, ? (Prolog), M: Konrad Friedrich Hurlebusch [Thiel, Nr. 906] {D-W, Textb. 685} (vgl. Venedig 1722) [Judith, Gemahlin Ks. Ludwigs des Frommen, und ihr Sohn, Karl der Kahle (hier Fabio genannt), sind den Anschlägen und Intrigen ihres Stiefsohnes/-bruders, Ks. Lothars I., ausgesetzt] 1723 RUDOLPHUS HABSPURGICUS, In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro, Und Ihro Röm. Kayserl. Majest. Majest. Dem Allerdurchlauchtigsten / Großmächtigsten und Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn / Herrn Carl dem Sechsten / Erwählten Römischen Kayser / [...] Wie auch Der Allerdurchlauchtigsten / Großmächtigsten Fürstin und Frauen / Frauen Elisabeth Christinen / Römischen Kayserin / [...] Gebohrnen Hertzogin zu Braunschw. und Lüneb. Meiner allergnädigsten Kayserin und Frauen / allerunterthänigst gewidmet. – T: Johann Samuel

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Müller, M: Georg Caspar Schürmann {D-HVl, Op.1,105} (Braunschweig, 04. 02. 1723) [Rudolf v. Habsburg, dt. Kg., u. Ottokar II. PĜemysl, Kg. v. Böhmen] OTTONE RE DI GERMANIA, Drama per Musica da rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’Estate l’anno 1723. OTTO KÖNIG IN TEUTSCHLAND In einer Opera vorgestellet auff dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Sommer-Messe 1723. – T: Nicola Haym, Stefano Benedetto Pallavicino, ? (Adaptation), M: Georg Friedrich Händel, Antonio Lotti, ? (Adaptation) [Sartori, Nr. 17634] {D-HVl, Op. 1,103} (Braunschweig, Sommermesse 1723) (vgl. Ottone, re di Germania, London 1723; Teofane, Dresden 1719) [Ks. Otto II. u. Theophanu] DER GROSSE KÖNIG DER AFRICANISCHEN WENDEN GENSERICUS ALS ROM UND CARTHAGENS UBERWINDER In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro In der Lichtmessen-Messe Anno 1725. – T: Christian Heinrich Postel, Christian Friedrich Weichmann (Adaptation), M: Georg Philipp Telemann [Thiel, Nr. 837] {D-W, Textb. 663} (Braunschweig, Wintermesse 1725, WA 1728, 1732) (vgl. Sieg der Schönheit, Hamburg 1722) JUSTINUS In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Sommer-Messe 1725. – T: Christian Ernst Simonetti (nach Nicolò Beregani, Giustino, Venedig 1683), M: Georg Caspar Schürmann (?) [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-B, Mus T 20,10} (Braunschweig, Sommermesse 1725; WA 1726) OTTONE RE DI GERMANIA, Drama per Musica da rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’Inverno l’anno 1725. OTTO KÖNIG IN TEUTSCHLAND In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Winter-Messe 1725. – T: Nicola Haym, Stefano Benedetto Pallavicino, ? (Adaptation), M: Georg Friedrich Händel, Antonio Lotti, ? (Adaptation) [Thiel, Nr. 1214] {D-W, Textb. 218} (Braunschweig, Wintermesse 1725) (gegenüber der Produktion 1723 nun mit zusätzlichen Arien von Antonio Lotti, eine neue Arie von Händel) HENRICUS AUCEPS In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro, Und Dem Durchlauchtigsten Hertzog und Herrn / Herrn August Wilhelm / Regierenden Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg / etc. unterthänigst gewidmet. – T: Johann Ulrich König, M: Georg Caspar Schürmann, einige Arien von Carl Heinrich Graun [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-HVl, Op. 1,19} (Braunschweig, Sommermesse (?) 1726; WA von: Heinrich der Vogler / Hertzog zu Braunschweig / nachmahls Erwehlter Teutscher Käyser, Braunschweig 1718) LUDOVICUS PIUS ODER LUDEWIG DER FROMME In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro In der Winter-Messe 1726. – T: Christian Ernst Simonetti (nach Tomaso Stanzani, L’anarchia dell’imperio, Venedig 1683/84), M: G. C. Schürmann, einige Arien u. Duette von Carl Heinrich Graun [Thiel, Nr. 1025] {D-W, Textb. 515} (Braunschweig, Wintermesse 1726; WA 1727, 1734) RODOALDO RE DI NORVEGIA, Drama per Musica Da recitarsi sul famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’inverno anno 1726. RODOALDUS KÖNIG IN NORWEGEN In einer Opera vorgestellet [...]. – T: Francesco Silvani (La fede tradita e vendicata), M: Giuseppe Maria Orlandini u. a. (Pasticcio) [Thiel, Nr. 1406] {D-W, Textb. 372} (Braunschweig, Wintermesse 1726; WA 1730 in Braunschweig als Ernelinda) (Strohm 1976/II, S. 281: „Vorlage für dieses P[asticcio] ist Orlandinis La fede tradita e vendicata, wahrscheinlich in der Fassung Bologna Mars.-Rossi 1712, die auch einige Stücke von F. Gasparini enthielt.“) DIE IN IHRER UNSCHULD SIEGENDE SINILDE In einem Singe-Spiel Auf Dem grossen Braunschweigischen Schau-Platz vorgestellet In der Winter-Messe 1727. – T: Johann Ulrich König (nach Francesco Silvani, Il miglior d’ogni amore per il peggiore d’ogni odio, Venedig 1703), M: Carl Heinrich Graun [Thiel, Nr. 891] {D-W, Textb. 740} (Braunschweig, 03. 02. 1727; WA 1729, 1736 als: Sancio Oder Die in ihrer ’) FLAVIO CUNIBERTO. – T: Matteo Noris ?, M: Konrad Friedrich Hurlebusch OPERA COMICA, GENANT EGBERT UND LOTHARIUS. 1728. B. – T: Johann Ernst Beims, M: ? {hs. Libretto: D-W, Textb. 791} (Aufführung fraglich) [Brunonen

343 und Süpplingenburger: Mgf. Ekbert II., Gf. Lothar u. Richenza v. Northeim] 1729 RICHARDUS GENANNT DAS LÖWEN-HERZ / KÖNIG IN ENGELLAND / In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro In der Winter-Messe 1729. – T: ? (nach Paolo Antonio Rolli, Riccardo I re d’Inghilterra), M: Georg Friedrich Händel, ? (Adaptation) [Thiel, Nr. 1394] {D-W, Textb. 216} (Braunschweig, Wintermesse 1729; WA 1734) (EA London 1727, vgl. auch Der Mißlungene BrautWechsel / Oder Richardus I. König von England, Hamburg 1729) 1730 MAGNUS TORQUATUS ODER MAGNUS MIT DER SILBERNEN KETTE HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG UND LÜNEBURG In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro in der Winter-Messe 1730. – T: Johann Samuel Müller, M: Georg Caspar Schürmann [Thiel, Nr. 1041] {D-W, Textb. 695} (Braunschweig, Wintermesse 1730; WA 1739) [Magnus II. Torquatus v. BraunschweigLüneburg u. Albrecht v. Sachsen-Wittenberg; ,Lüneburger Erbfolgekrieg‘] 1731 L’INNOCENZA DIFESA Drama Per Musica Da Rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro Di Brunsviga Nella Fiera D’Estate L’Anno 1731. DIE VERTHEIDIGTE UNSCHULD In einer Opera vorgestellet [...]. – T: Francesco Silvani, M: Fortunato Chelleri [Thiel, Nr. 907] {D-W, Textb. 91} (Braunschweig, Sommermesse 1731; vgl. Venedig 1722; s. a. Judith, Gemahlin Käyser Ludewigs des Frommen, Hamburg 1732) Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Chrysander, Friedrich, Geschichte der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Capelle und Oper vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Jahrbücher für musikalische Wissenschaft, Bd. 1, Leipzig 1863, S. 147–286. Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen, Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Meyer, Reinhart, Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Bearbeitungen und Übersetzungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, 1. Abteilung: Werkausgaben, Sammlungen, Reihen, 3 Bde, Tübingen 1986, 2. Abteilung: Einzeltitel, Tübingen 1993ff. Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Schmidt, Gustav Friedrich, Neue Beiträge zur Geschichte der Musik und des Theaters am Herzoglichen Hofe zu Braunschweig-Wolfenbüttel. Erste Folge: Chronologisches Verzeichnis, München 1929. Schmidt, Gustav Friedrich, Die frühdeutsche Oper und die musikdramatische Kunst Georg Caspar Schürmanns, 2 Bde, Regensburg 1933/34. Smart, Sara, Doppelte Freude der Musen. Court Festivities in Brunswick-Wolfenbüttel 1641– 1700, Wiesbaden 1989 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 19). Thiel, Eberhard/Rohr, Gisela, Libretti. Verzeichnis der bis 1800 erschienenen Textbücher, Frankfurt a. M. 1970 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 14).

Dresden (bis ca. 1740) 1686 ALARICO. – T: ?, Christoph Bernhard (parallele dt. Übersetzung), M: ? (Vorlage ?: Alarico re de Goti, Ferrara 1685, T: Borso Bonacossi da San Steffano, M: Giovanni Battista Bassani, vgl. Brockpähler S. 135 Anm. 15)

344 1687 LA GERUSALEMME LIBERATA, Drama Per Musica Da Rappresentarsi Nel Teatro Elettorale l’Anno M DC LXXXVII. Consacrato All’Altezza […] Gio: Giorgio Terzo, Duca Di Sassonia, Elettore del S.R.I. &c. DAS BEFREYETE JERUSALEM / Drama zur Musica Darzustellen auff dem Churfl. Sächs. Theatro / 1687. […]. – T: Giulio Cesare Corradi, Christoph Bernhard (parallele dt. Übersetzung), M: Carlo Pallavicino [Sartori, Nr. 11593] {D-Dl} (EA Venedig 1687, vgl. Braunschweig 1722) 1694 ALERANO & ADELAIDE, Drama Da Rappresentarsi Nel Teatro Del Serenmo. Elettore Di Sassonia. L’Anno M.DC.XCIV. ALERANO UND ADELAIS / Drama […]. – T: ?, M: ? {D-W, Xb 4° 324} [Sujet um Ks. Otto I.; vgl. Ottone in Italia, München 1670 u. Der glückliche Liebes-Fehl Printz Walrams aus Sachßen, Halle (s. Weißenfels) 1673] 1719 TEOFANE Dramma Per Musica rappresentato Nel Regio Elettoral Teatro di Dresda In Occasione Delle felicissime Nozze De’ Serenissimi Principi Federico Augusto, Principe Reale di Pollonia, & Elettorale di Sassonia, e Maria Gioseffa, Arciduchessa d’Austria. THEOPHANE Opera representé sur le Theatre Royal & Electoral de Dresde […]. – T: Stefano Benedetto Pallavicino, M: Antonio Lotti [Ottone, Teofane, Emireno, Gismonda, Adelberto, Matilda, Felicità, Naiade, Germania] [Sartori, Nr. 23048] {D-Dl, MT. 1401 Rara; D-W} [= Theophanu, byz. Prinzessin, Gemahlin Ks. Ottos II.] 1738 ALFONSO, Dramma Per Musica Rappresentato Per Regio Comando In Dresda In Occasione Delle Auguste Nozze Di Carlo, Re Delle Due Sicilie, E Amalia, Principessa Reale Di Pollonia Duchessa Di Sassonia. MDCCXXXVIII. ALFONSO / Ein Musicalisches Drama […]. – T: Stefano Benedetto Pallavicino, M: Johann Adolf Hasse [Pelagio, Ermesenda, Alfonso, Garzia, Elvira, Fernando, Enrico] [Sartori, Nr. 895] {D-Mbs, Slg. Her 62} [Pelayo u. Alfons I. v. Asturien; Spanien 8. Jh., Anfänge der ,Reconquista‘] 1738 IRENE, Dramma Per Musica, rappresentato Alla Regia Elettoral Corte Di Dresda. IRENE, Ein Musicalisches Drama […]. – T: Stefano Benedetto Pallavicino, M: Johann Adolf Hasse [Irene, Niceforo, Isacio, Eudossa] [Sartori, Nr. 13643 u. 13644] {D-B - Dl} [= Eirene Dakaina, Gemahlin Ks. Alexios’ I. Komnenos v. Byzanz, † 1118] Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Fürstenau, Moritz, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 2 Bde, Dresden 1861 u. 1862. Hochmuth, Michael, Chronik der Dresdner Oper. Zahlen, Namen, Ereignisse, Hamburg 1998. Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994.

Düsseldorf (1679–1716) 1687 ERMINIA NE BOSCHI. Divertimento musicale rappresentato nel giorno natalizio […] dell’archiduchessa Maria Anna d’Austria per commando […] del duca di Giuliers prencipe ellettorale palatino et alla medesima altezza consacrato. Posto in musica dal sign. D. Sebastiano Moratelli […] con l’arie per li balli del sig. Giorgio Crafft. – T: Giorgio Maria Rapparini, M: Sebastiano Moratelli [Sartori, Nr. 9158] {D-MHrm} [Episode aus: Tasso, La Gerusalemme liberata; 6. Gesang] 1688 ERMINIA AL CAMPO. Trattenimento musicale rappresentato ne’ giorni carnevaleschi per commando del […] duca di Giuliers prencipe ellettorale palatino et alla medesima altezza consacrato. Posto in musica dal sign. D. Sebastiano Moratelli […] con l’arie per li balli del sign. Giorgio Crafft. – T: Giorgio Maria Rapparini, M: S. Moratelli [Sartori, Nr. 9156] {D-MHrm} [Episode aus: Tasso, La Gerusalemme liberata; 7. Gesang] 1703 TIBERIO IMPERATOR D’ORIENTE. Drama per la musica rappresentato alla Corte Elettorale Palatina il carnovale dell’anno 1703. – T: Giovanni Domenico Pallavicino, Stefano Benedetto Pallavicino (Adaptation), M: Francesco Gasparini [Tiberio, Sofia,

345 Anastasia, Giustiniano, Valente, Maurizio] [Sartori, Nr. 23121] {D-MHrm} (vgl. Venedig 1702) [nach dem Tod Justins II. wird Tiberios Thrax zum Kaiser erhoben, Byzanz im 6. Jh.] 1709 TASSILONE. Tragedia Per Musica Rappresentata Alla Corte Elettorale Palatina L’Anno 1709. – T: Stefano Benedetto Pallavicino, M: Agostino Steffani [Sartori, Nr. 22860] {D-MHrm, T 59} [Bayernherzog Tassilo u. Karl der Große, 8. Jh.] ~1709 ENGELBERTA. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Francesco Gasparini [= Angilberga, Gemahlin Ks. Ludwigs II. † 875] (vgl. Venedig 1708) 1713 AMALASUNTA. Tragedia Per Musica Rappresentata Alla Corte Elettorale Palatina. – T: Stefano Benedetto Pallavicino ?, M: Johann Hugo Wilderer [Amalasunta, Teodato, Matilda, Cunegonda, Vitige, Costanzo, Eutari, Arderico] [Sartori, Nr. 980] {D-MHrm} (letzte Opera seria unter Kurfürst Johann Wilhelm v. Pfalz-Neuburg) [= Amalasuntha, ostgot. Kgn., Tochter Theoderichs des Großen] Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Croll, Gerhard, Agostino Steffani. Studien zur Biographie. Bibliographie der Opern und Turnierspiele, Habil. masch. Münster 1961, S. 161–169. Croll, Gerhard, Zur Chronologie der ,Düsseldorfer‘ Opern Agostino Steffanis, in: Heinrich Hüschen (Hg.), Festschrift Karl Gustav Fellerer, Regensburg 1962, S. 82–87. Freitäger, Andreas, Die Barockoper unter Jan Wellem (1679–1716). Studien zur Düsseldorfer Hofoper als Verherrlichung des Fürsten, Düsseldorf 1990 (Düsseldorfer Familienkunde, Sonderheft 1990). Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Walter, Friedrich, Geschichte des Theaters und der Musik am kurpfälzischen Hofe, Leipzig 1898.

Florenz (bis 1737) 1692 IL RODERICO. Drama per musica fatto rappresentare da’ signori Accademici Innominati nel Teatro di Via del Cocomero al serenissimo principe Ferdinando di Toscana. – T: Gio. Batt. Bottalino, M: ? [Sartori (wie im weiteren), Nr. 20079] (vgl. Neapel 1687) 1696 TEODORA AUGUSTA. Drama per musica rappresentato in Firenze l’anno 1696. Dedicato alla ser.ma Violante Beatrice di Baviera principessa di Toscana. – T: Adriano Morselli, ? (Adaptation), M: ? [Nr. 23026] (vgl. Venedig 1686) 1696/ LA FEDE NE’ TRADIMENTI. Drama per musica rappresentato in Firenze l’anno 1696 1697 ab Inc. Dedicato al sereniss. principe Gio. Gastone di Toscana. – T: Girolamo Gigli, M: ? [Garzia, Anagilda, Fernando, Elvira, Tisbe, Gillo] [Nr. 9870] (Weaver 1978: Teatro Tintori) [nach Bartolomeo de Rogatis, Historia de la perdida e riacquisto della Spagna occupata da Mori, u. a. Venedig 1674/75] 1697 FLAVIO CUNIBERTO. Drama per musica rappresentato in Firenze nell’autunno del 1697. – T: Matteo Noris, M: Giovanni Domenico Partenio ? [Nr. 10722] (vgl. Venedig 1682, 1687) 1698 BELISARIO IN RAVENNA OVVERO I RIVALI GENEROSI. Drama rappresentato in Firenze nel carnevale del 1698. – […] Lo Stampatore a chi legge: […] sia stato necessario mutare alcune Arie ed aggiungerne altre con pochi versi di recitativo […] attesochè è convenuto accomodar la Poesia a Musica già fatta sopra d’altre parole […]. – T: Apostolo Zeno, ? (Adaptation), M: Marc’Antonio Ziani [Nr. 3875] (vgl. I rivali generosi, Venedig 1697) 1699 FARAMONDO. Drama per musica rappresentato nella Villa di Pratolino. – T: Apostolo Zeno, ? (Adaptation), M: Carlo Francesco Pollarolo ? [Nr. 9714] (vgl. Venedig 1699)

346 1700 CARLO RE D’ALEMAGNA. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnevale dell’anno 1700. – T: F. Silvani (L’innocenza giustificata), G. Maggi (Adaptation) ?, M: ? [Carlo, Lotario, Adalgiso, Edvige, Giuditta, Gildippe, Berardo, Asprando, Nerina, Fronzo] [Nr. 5111] {I-Fn, 21.8.173} (Sartori: „= Genova 1699, con mutamenti nella sceneggiatura, in qualche recitativo e in qualche aria“) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) [Referenztext: Emanuele Tesauro, Del Regno d’Italia sotto i barbari epitome (?)] 1701 ALARICO RE DE VANDALI. Dramma per musica rappresentato in Firenze nel carnevale del 1701. – T: Francesco Silvani (L’ingratitudine gastigata, Venedig 1698), M: ? [Alarico, Raimondo, Enrico, Ginevra, Brunechilde, Astolfo, Bleno] [Nr. 534] (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1701 ODOARDO. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnevale del 1701. – T: Apostolo Zeno, M: ? [Edvino, Odoardo, Metilde, Gismonda, Riccardo, Enrico, Lesbina, Adolfo] [Nr. 16895] (vgl. Venedig 1698) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1702 FLAVIO CUNIBERTO. Drama per musica rappresentato nella Villa di Pratolino. – […] Argomento: […] Egli è parto della già nota penna del Signor Matteo Noris, che avrà la discretezza di soffrire la mutazione fattasi quivi nell’arie […] per recare qualche sorte di varietà ad un’Opera che viene in iscena dopo essere stata già veduta comparire su più famosi Teatri […] – T: Matteo Noris, ? (Adaptation), M: Alessandro Scarlatti (2. Fassung) [Flavio Cuniberto, Ernelinda, Lotario, Ugone, Emilia, Teodata, Guido, Vitige, Bleso] [Nr. 10724] {I-Fn, 1266.1} 1702 LA FORZA DELLA VIRTÙ. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnovale dell’anno 1702. – T: Domenico David, ? (Adaptation), M: ? [Nr. 10879] (vgl. Venedig 1693) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1703 GRISELDA. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnevale del 1703. – T: Apostolo Zeno, M: Tomaso Albinoni [Gualtiero, Griselda, Costanza, Corrado, Roberto, Otone, Elpino, Pernella, Everardo] [Nr. 12516] (vgl. Venedig 1701) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1703/ VINCISLAO. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnevale del 1704. – […] 1704 Lo Stampatore a chi legge: […] il virtuosissimo Sig. Apostolo Zeno che l’ha ridotta in Drama […]. E’ bensì necessario a sapersi che il Teatro di Firenze non essendo capace delle magnificenze che si praticano in quelli di Venezia, è indispensabile ridurre li Drami all’esigenza di esso […] – T: Apostolo Zeno (Venceslao), M: Giovanni Maria Capelli ? [Vincislao, Casimiro, Alessandro, Lucinda, Ernando, Erenice, Gismondo] [Nr. 24455] (vgl. Venedig 1703) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1704/ LA FEDE TRADITA E VENDICATA. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze 1705 nel presente carnevale dell’anno 1705. Sotto la protezione del serenissimo gran principe di Toscana. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Ricimero, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Vitige, Edelberto, Milo, Lesbina] [Nr. 9903] (vgl. Venedig 1704) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1706 LA CLOTILDE D’ARAGONA. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnevale dell’anno 1706. – T: Francesco Silvani ?, M: ? [Clotilde, Sancio, Garzia, Fernando, Anagilda, Ramiro, Consalvo] [Nr. 5880] (vgl. Il miglior d’ogni amore per il peggiore d’ogni odio, Venedig 1703) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1706 IL GRAN TAMERLANO. Dramma per musica rappresentato nella Villa di Pratolino. – Gentilissimo Lettore. […] Tutto il resto, che si rappresenta nel Drama, parte è storico, parte è finto sul verisimile da Monsù Pradon; di cui può dirsi tutto il Drama […]. Per ritrovare quello, che vi è del mio, è necessario, che ti prenda la soddisfazione di leggere l’Autor Franzese, e doppo avere ammirato l’Opera di quello, compatire generosamente la mia […] – T: Antonio Salvi (nach Jacques Pradon, Tamerlan, ou La Mort de Bajazet, Paris 1675), M: Alessandro Scarlatti [Nr. 12476] {I-Fn, 21.8.251} 1706/ L’AMBLETO. Drama per musica rappresentato in Firenze nel carnevale dell’anno 1707 1707. Sotto la protezione del serenissimo principe di Toscana. – T: A. Zeno u. Pietro Pariati, M: Francesco Gasparini ? [Ambleto, Fengone, Gerilda, Veremonda, Valdemaro, Sifrido, Tisbe, Gilbo] [Nr. 1211] (vgl. Venedig 1705) (Weaver 1978: Teatro Cocomero)

347 1707 DIONISIO RE DI PORTOGALLO. Drama per musica rappresentato nella Villa di Pratolino. – Gentilissimo Lettore. […]. Tutto questo è verità, cavata dall’ Istoria Portoghese, scritta in lingua Franzese da Mons. Lequien dela Neufuille [= Jacques Lequien de la Neufville, Histoire générale de Portugal, Paris 1700]; il restante è finzione poetica appogiata sul verisimile […]. – T: Antonio Salvi, M: Giacomo Antonio Perti [Nr. 7930] {I-Fn, 1266.3} [= Dinis I., Kg. v. Portugal, † 1325] 1707 IL MAURIZIO. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nell’estate dell’anno 1707 sotto la protezione del serenissimo principe di Toscana. – T: Adriano Morselli, M: Domenico Gabrieli ? [Maurizio, Tiberio II., Cosdroe, Ergilda, Cirene, Placilla, Ircano] [Nr. 15287] (vgl. Il Mauritio, Venedig 1687) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1707 VINCER SE STESSO È LA MAGGIOR VITTORIA [Rodrigo]. Drama per musica rappresentato in Firenze nell’autunno dell’anno 1707 sotto la protezione del serenissimo principe di Toscana. – T: Francesco Silvani (Il duello d’amore e di vendetta, Venedig 1700), Antonio Salvi ? (Adaptation), M: Georg Friedrich Händel [Rodrigo, Esilena, Florinda, Giuliano, Evanco, Fernando] [Nr. 24940] (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1707/ I PRODIGI DELL’INNOCENZA. Drama per musica rappresentato in Firenze nel 1708 carnovale dell’anno 1708 sotto la protezione del serenissimo principe di Toscana. – T: G. Frigimelica Roberti (Ottone, Venedig 1694), ? (Adaptation), M: ? [Ottone, Eleonora, Fausto, Matilde, Ugone, Enrico] [Nr. 19148] (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1708 L’AMOR GENEROSO. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nell’autunno dell’anno 1708. Sotto la protezione del serenissimo principe di Toscana. – […] Benigno lettore: Questo drama fu rappresentato l’anno passato in Venezia, ora comparisce di nuovo su questo Teatro di Musica differente […]. – T: Apostolo Zeno, M: Giuseppe Maria Orlandini u. Rocco Ceruti [Frilevo, Aldano, Girita, Alvinda, Sivardo, Asmondo] [Nr. 1390] (vgl. Venedig 1707) (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1708 GINEVRA PRINCIPESSA DI SCOZIA. Dramma per musica rappresentato nella Villa di Pratolino. – Gentilissimo Lettore. Il quinto Canto del nostro Omero Toscano, l’ingegnosissimo Ariosto m’ha somministrato per lo presente Dramma il Soggetto, il Luogo, l’Azione, i Principali Attori, e i loro Caratteri ancora; Ho giudicato per tanto superfluo il distenderne l’Argomento, potendo tu con più diletto leggerlo in quel maraviglioso Poema […]. – T: Antonio Salvi, M: Giacomo Antonio Perti [Nr. 11863] {I-Fn, 21.8.117} [nach Ariosto, Orlando furioso] 1710 LA FORZA DELL’INNOCENZA. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel presente autunno dell’anno 1710. Sotto la protezione del serenissimo principe di Toscana e consacrata al medesimo. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati (Engelberta o La forza dell’innocenza), Giovanni Domenico Bonmattei Pioli (scene giocose), M: ? [Lodovico II., Engelberta, Matilde, Bonoso, Arrigo, Ernesto, Ottone, Auretta, Gildo] [Nr. 10859] (Weaver 1978: Teatro Cocomero) 1710 RODELINDA REGINA DE’ LONGOBARDI. Dramma per musica rappresentato nella Villa di Pratolino. – Argomento. […] Tutto questo si suppone; tratto dall’Istoria di Paol Diacono, del Tesauro, e d’altri […]. Questo stesso soggetto fu posto in Teatro dal famoso Tragico Francese Pietro Cornelio, ma con esito così infelice, che egli medesimo si dichiara di non volere esaminarlo per perderne la memoria. Io mi son dispensato dal seguitare l’ordine, l’episodio, e lo sceneggiamento del medesimo Cornelio, ancorché mi sia servito degli stessi Personaggi, e dati loro gl’istessi Caratteri […]. – T: Antonio Salvi (nach Pierre Corneille, Pertharite, roi des Lombards, Paris 1651/52), M: Giacomo A. Perti [Nr. 20061] {I-Fn, 21.8.120} [nach Paulus Diaconus, Historia Langobardorum] 1715 IL COMANDO NON INTESO ED UBBIDITO. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del Cocomero nell’autunno dell’anno 1715. Sotto la protezione dell’altezza reale del serenissimo gran principe di Toscana. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Zoe, Isacio, Teodora, Argiro, Costantino, Maniace, Leone] [Nr. 5931] {I-Fn, 21.8.138} (vgl. Venedig 1709) 1716/ IL TAMERLANO. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del 1717 Cocomero nel carnevale dell’anno 1717. Sotto la protezione […] del ser. gran principe

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di Toscana. – T: Agostino Piovene ?, M: ? [Tamerlano, Bajazete, Asteria, Irene, Andronico, Idaspe] [Nr. 22817] {I-Fn, 21.8.266} LA FEDE NE’ TRADIMENTI. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro degl’illustriss. SS. Accademici Immobili posto in Via della Pergola sotto la protezione dell’altezza […] Gio. Gastone gran principe di Toscana. – T: Girolamo Gigli, M: Luca Antonio Predieri [Garzia, Anagilda, Fernando, Elvira] [Nr. 9881] SCANDERBEG. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro degl’ illustrissimi signori Accademici Immobili posto in Via della Pergola nell’estate dell’anno 1718 sotto la protezione dell’altezza reale del serenissimo gran principe di Toscana. – Argomento. […] Così il Sagredo nelle memorie Istoriche de’ Monarchi Ottomani; e più diffusamente il P.Duponcet Francese della Compagnia di Gesù nella vita di Scanderbeg. Questo soggetto è uno de’ migliori pezzi, che rappresentino gl’Istrioni. Per servire al genio, e al comando di molti Amici, e Padroni mi sono indotto a ridurlo per la Musica, con pigliarmi la licenza di mutarne alcune Scene, di scemare il numero degli Attori, e di levare gli spettacoli […]. – T: Antonio Salvi, M: Antonio Vivaldi [Scanderbeg, Doneca, Aroniz, Ormondo, Climene, Amurat II., Asteria, Acomat] [Nr. 21095] {I-Fn, 21.8.219} [= Georg Kastriota, gen. Skanderbeg, alban. Fürst/Freiheitskämpfer, † 1468] GRISELDA. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del Cocomero nel carnevale dell’anno 1719 sotto la protezione dell’altezza reale del serenissimo gran principe di Toscana. – T: Apostolo Zeno, M: ? [Gualtiero, Griselda, Costanza, Corrado, Roberto, Otone, Elpino, Pernella] [Nr. 12526] (vgl. 1703) L’INNOCENZA DIFESA. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze il carnovale dell’anno 1721 nel Teatro di Via della Pergola. Sotto la protezione dell’altezza reale del […] gran principe di Toscana e dedicato all’eccellenza […] Francesco Bonelli Baron romano etc. – T: Francesco Silvani (L’innocenza giustificata, Venedig 1699), ? (Adaptation), M: ? [Giuditta, Gildippe, Lotario, Adalgiso, Berardo, Asprando] [Nr. 13300] FLAVIO ANICIO OLIBRIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Via della Pergola nella presente estate dell’anno 1723. Sotto la protezione del […] gran principe di Toscana all’altezza […] Violante Beatrice gran principessa di Toscana. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Francesco Gasparini (Pasticcio) [Flavio Anicio Olibrio, Placidia, Ricimero, Teodelinda, Olderico, Massimo] [Nr. 10712] (Strohm 1976/II, S. 274: „Vorlage ist F. Gasparinis Vertonung Milano T.R.D. car 1722; weitere A[rien] wurden aus anderen Opern und P[asticcios] von 1722–1723 übernommen.“) GINEVRA PRINCIPESSA DI SCOZIA. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del Cocomero nel carnevale dell’anno 1723. Sotto la protezione dell’ altezza reale del seren. gran principe di Toscana. – T: Antonio Salvi, ? (Adaptation), M: Carlo Francesco Pollarolo ? [Nr. 11867] (vgl. 1708) ADELAIDE. Drama musicale da rappresentarsi nel Teatro di Via del Cocomero l’anno 1725. Sotto la protezione dell’A. R. di Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. Dedicato alla medesima altezza reale. – T: Antonio Salvi, ? (Adaptation), M: Giuseppe Maria Buini u. a. (Pasticcio) ? [Adelaide, Ottone, Berengario, Matilde, Idelberto, Everardo, Clodomiro] [Nr. 285] (vgl. München 1722) L’AMOR COSTANTE. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via Cocomero nel carnevale dell’anno 1725. Sotto la protezione dell’altezza reale di Gio. Gastone I. granduca di Toscana. – T: Antonio Salvi (Rodelinda regina de’ Longobardi, Pratolino 1710), ? (Adaptation), M: Passoti ? [Rodelinda, Bertarido, Grimoaldo, Edvige, Garibaldo, Unulfo, Unoldo] [Nr. 1313] {I-Fn, 21.8.150} LA FORZA DEL SANGUE. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della Pergola nel carnovale dell’anno 1726. Sotto la protezione dell’altezza reale di Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – Argomento. […] non esser questa la medesima Zoe, la di cui Istoria diede l’argomento al Drama intitolato Il Comando non inteso ed ubbidito che fù rappresentato nell’Autunno dell’Anno 1715 nel Teatro di Via del Cocomero […]. – T: Francesco Silvani, M: ? [Zoe, Foca, Elena, Eraclio, Argiro, Alessandro, Basilio] [Nr. 10842] {I-Fn, 1261.14} (vgl. Venedig 1711)

349 1726 L’INGRATITUDINE GASTIGATA. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del Cocomero nel carnevale dell’anno 1726. Sotto la protezione […] di Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: F. Silvani, ? (Adaptation), M: ? [Alarico, Raimondo, Enrico, Ginevra, Brunechilde, Astolfo] [Nr. 13213] (vgl. Venedig 1698) 1727/ ERNELINDA. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della 1728 Pergola nel prossimo carnevale dell’anno 1728 sotto la protezione dell’altezza reale […] Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. Dedicato alla medesima altezza reale. – T: Francesco Silvani (La fede tradita e vendicata), ? (Adaptation), M: Leonardo Vinci (Pasticcio) [Ricimero, Vitige, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Edelberto] [Nr. 9167] (Strohm 1976/II, S. 274: „Vorlage ist Vincis Vertonung Napoli S.B. 4.11.1726. Mehrere A[rien] anderer Autoren wurden eingelegt.“) 1728/ ATENAIDE. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della 1729 Pergola nel carnevale dell’anno 1729. Sotto la protezione dell’altezza reale […] Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Apostolo Zeno, M: Antonio Vivaldi [Teodosio II., Atenaide, Pulcheria, Varane, Leontino, Marziano, Probo] [Nr. 3461] (vgl. Wien 1714) 1730 IL GRAN TAMERLANO. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della Pergola nel carnevale dell’anno 1730. Sotto la protezione dell’altezza reale […] Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Antonio Salvi, ? (Adaptation), M: Giovanni Porta [Tamerlano, Bajazet, Asteria, Andronico, Rossane, Leone, Tamur] [Nr. 12477] (vgl. 1706) 1730/ IL FRATRICIDA INNOCENTE. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel 1731 Teatro di Via del Cocomero nel carnovale dell’anno 1731 sotto la protezione dell’ altezza reale del serenissimo Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Apostolo Zeno (Venceslao), M: ? [Vincislao, Casimiro, Alessandro, Lucinda, Erenice, Ernando, Gismondo] [Nr. 11033] (vgl. Vincislao, 1703/04) 1732 LA FEDE NE’ TRADIMENTI. Drama per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della Pergola nell’estate dell’anno 1732. Sotto la protezione dell’altezza reale del serenissimo Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Girolamo Gigli, ? (Adaptation), M: Gaetano Maria Schiassi ? [Garzia, Anagilda, Fernando, Elvira] [Nr. 9890] (frühere Fassungen 1696/97 u. 1718) 1734 L’UMILTÀ ESALTATA. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del Cocomero nell’autunno dell’anno 1734 sotto la protezione dell’altezza reale del sereniss. Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Apostolo Zeno (Griselda), ? (Adaptation), M: ? [Gualtiero, Griselda, Costanza, Roberto, Otone, Corrado] [Nr. 24251] (vgl. Griselda, 1703 u. 1719) 1735 ADELAIDE. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via del Cocomero il carnevale dell’anno 1735 sotto la protezione dell’A.R. del serenissimo Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: A. Salvi, ? (Adaptation), M: ? [Ottone, Adelaide, Berengario, Matilde, Idelberto, Everardo, Clodomiro] [Nr. 292] (frühere Fassung 1725) 1735 EZIO. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro degl’illustriss. SS. Accademici Immobili di Via della Pergola nel carnevale dell’anno 1735 sotto la protezione dell’altezza reale del serenissimo Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Pietro Metastasio, M: ? [Valentiniano III., Fulvia, Ezio, Onoria, Massimo, Varo] [Nr. 9473] 1736 GINEVRA PRINCIPESSA DI SCOZIA. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della Pergola nel carnevale dell’anno 1736 sotto la protezione dell’altezza reale […] Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Antonio Salvi, M: Antonio Vivaldi [Re di Scozia, Ginevra, Ariodante, Lurcanio, Dalinda, Polinesso, Odoardo] [Nr. 11873] (frühere Fassungen 1708 u. 1723) 1736/ IL CID. Dramma per musica da rappresentarsi in Firenze nel Teatro di Via della Pergola 1737 il carnevale dell’anno 1737. Sotto la protezione dell’altezza reale del sereniss. Gio. Gastone I. gran duca di Toscana. – T: Giovanni Giacomo Alborghetti, ? (Adaptation), M: ? [Ferdinando I., Rodrigo, Cimene, Leonora, Diego Rui-Diaz, Duarte] [Nr. 5574] {IFn, 21.N.8.168} [Rodrigo (Ruy) Diaz de Vivar, kast. Heerführer/Nationalheld]

350 Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Strohm, Reinhard, Italienische Opernarien des frühen Settecento (1720–1730), 2 Bde, Köln 1976 (Analecta Musicologica 16). Weaver, Robert Lamar/Weaver, Norma Wright, A Chronology of Music in the Florentine Theater 1590–1750. Operas, Prologues, Finales, Intermezzos and Plays with incidental Music, Detroit 1978.

Hamburg (1678–1738) 1682 ATTILA. – T: ? (nach Matteo Noris, Attila, Venedig 1672), M: Johann Wolfgang Franck [Marx/Schröder (wie im weiteren), Nr. 33] {D-Hs, 20 in MS 639/3:2} 1690 BAJAZETH UND TAMERLAN in einem Sing-Spiel vorgestellet. Anno 1690. – T: Christian Heinrich Postel (nach Giulio Cesare Corradi, Il gran Tamerlano, Venedig 1689), M: Johann Philipp Förtsch [Nr. 37] {D-Hs, 38 in MS 639/3:3} (WA 1695) 1692 DER TAPFFERE KAYSER CAROLUS MAGNUS, UND DESSEN ERSTE GEMAHLIN HERMINGARDIS. In einem Sing-Spiel vorgestellet. – T: Christian Heinrich Postel, M: Johann Georg Conradi [Nr. 257] {D-Hs, 21 in MS 640/3:2} 1693 DER GROSSE KÖNIG DER AFRICANISCHEN WENDEN GENSERICUS, ALS ROM- UND KARTHAGENS UBERWINDER / In einem Singe-Spiel Auf Dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet Im Jahr 1693. – T: Christian Heinrich Postel (nach Nicolò Beregani, Il Genserico, Venedig 1669), M: Johann Georg Conradi [Nr. 142] {D-Hs, 48 in MS 639/3:4} 1694 LA GIERUSALEMME LIBERATA, Drama per Musica Da Rappresentarsi Nel Teatro D’Hamburgo, L’Anno M.DC.XCIV. DAS BEFREYTE JERUSALEM/ In einem SingeSpiel / Auff Dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet / 1694. – T: Gottlieb Fiedler (nach Giulio Cesare Corradi, La Gerusalemme liberata, Dresden 1687), M: Carlo Pallavicini [Nr. 133] {D-Hs, 52 in MS 639/3:4} (1695 vollständig in dt. Sprache als Armida) 1695 DER GROßMÜTHIGE ROLAND In einem Singe-Spiel / Auff Dem Hamburgischen Theatro vorgestellet. Im Jahr 1695. – T: Gottlieb Fiedler (nach Ortensio Mauro, Orlando generoso, Hannover 1691), M: Agostino Steffani [Nr. 143] {D-Hs, 65 in MS 639/3:4} (WA 1696, 1699?, 1707, 1720, 1721, 1722 u. 1735) 1696 HERTZOG HENRICH DER LÖWE / In einem Sing-Spiel Auff dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet. – T: Gottlieb Fiedler (nach Ortensio Mauro, Henrico Leone, Hannover 1689), M: Agostino Steffani [Nr. 157] {D-Hs, 70 in MS 639/3:5} 1696 MAHUMETH II. – T: Hinrich Hinsch, M: Reinhard Keiser [Nr. 192] {D-Hs, 66 in MS 639/3:4} [Mohammed II. u. Bianca, Tochter des Ericus Puteani, des letzten venezianischen Kommandanten von Negroponte; Negroponte um 1470] 1700 LA FORZA DELLA VIRTU, ODER DIE MACHT DER TUGEND. In einem SingSpiel vorgestellet / Und aus dem Italiänischen ins Teutsche übersetzet Im Jahr / 1700. – T: Friedrich Christian Bressand (nach Domenico David, La forza della virtù, Venedig 1693), M: Reinhard Keiser [Nr. 113] {D-Hs, 32 in MS 640/3:3} („In der Inhaltsangabe nennt Bressand den 5.Teil der Historien von Rogatis als Textquelle und entschlüsselt die historischen Namen der Hauptpersonen“: Marx/Schröder, S. 170) 1701 Als Der Aller-Durchlauchtigste / Großmächtigste und Unüberwindlichste Leopoldus, Erwehlter Römischer Käyser zu allen Zeiten Mehrer des Reichs &c. &c. &c. Hoher Nahmens-Tag / einfiele: Anno 1701. den 15. November. Wurde derselbe auf dem Hamburgischen Theatro, mit der neuen Opera, PHILIPPUS, HERTZOG ZU MAYLAND: Aller unterthänigst gefeyret. – T: Hinrich Hinsch, M: Georg Bronner [Nr. 13] {D-Hs, 34 in MS 640/3:3} („Das Stück [Philippus, Hertzog zu Mayland] wurde durch den kaiserlichen Gesandten in Hamburg verboten, im nächsten Jahr [1702] jedoch unter dem Titel Beatrix aufgeführt“: Marx/Schröder, S. 45) [= Filippo Maria Visconti († 1447), Sohn des Hzgs. Gian Galeazzo v. Mailand († 1402); Mailand zur Zeit Ks. Sigmunds]

351 1701 STÖRTEBECKER UND JÖDGE MICHAELS Erster Theil / vorgestellet In einen Singe-Spiel auff dem Hamburgischen Schau-Platz. – T: Hotter, M: Reinhard Keiser [Nr. 252] {D-Hs, 88 in MS 639/3:6} (WA 1707) 1701 STÖRTEBECKER UND JÖDGE MICHAELS / Zweyter Theil / Vorgestellet. In einem Singe-Spiel Auf dem Hamburgischen Schau-Platz. – T: Hotter, M: Reinhard Keiser [Nr. 253] {D-Hs, 89 in MS 639/3:6} (WA 1707) 1701 THASSILO diese Opera wurde nicht gespielet. Die Poesie hatte M.sr Nohtnagel geschr[ieben] Anno 1701. – T: Nothnagel, M: ? {hs. Libretto: A-Wn, Cod. 13867} (nicht aufgeführt) [= sagenhafter Stammvater des Hauses Hohenzollern, ~ 800] 1702 BEATRIX in einem Sing-Spiel vorgestellet [= Philippus, Hertzog zu Mayland, Aufführung 1701 verboten]. – T: Hinrich Hinsch, M: Georg Bronner [Nr. 13] 1702 DER KÖNIGLICHE PRINTZ REGNERUS. In einer Opera Auff dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet. – T: Magister Lange ?, M: Johann Christian Schiefferdecker [Nr. 180] {D-Hs, 97 in MS 639/3:6} (EA als Regnerus und Svanvite, Weißenfels 1701) [nach Saxo Grammaticus, Gesta Danorum] 1702 DER SIEGREICHE KÖNIG DER GOTHEN / ALARICUS. ALS ÜBERWINDER DES MÄCHTIGEN ROMS / In einem Singe-Spiel / Auff dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. – T: Nothnagel (nach Borso Bonacossi da San Steffano, Alarico re de Goti, Ferrara 1685), M: Johann Christian Schiefferdecker [Nr. 249] {D-Hs, 95 in MS 639/3:6} 1702 VICTOR HERTZOG DER NORMANNEN Opera. – T: Hinrich Hinsch, M: Johann Christian Schiefferdecker, Johann Mattheson u. Georg Bronner [Nr. 291] {D-Hs, 96 in MS 639/3:6} [= Wilhelm der Eroberer; England nach dem Tod Eduards des Bekenners 1066, Auseinandersetzung zwischen Wilhelm und Harald II. v. Wessex (Schlacht bei Hastings); Namen geändert: Wilhelm = Victor, Harald = Lahardus] 1705 DER IN KROHNEN ERLANGTE GLÜCKS-WECHSEL / ODER: ALMIRA, KÖNIGIN VON CASTILIEN / In einem Singspiel Auf dem grossen Hamburgischen Schauplatz Vorgestellet Im Jahr 1704. – T: Friedrich Christian Feustking (nach Giulio Pancieri, L’Almira, Venedig 1691), M: Georg Friedrich Händel [Nr. 166] {D-Hs, 109 in MS 639/3:7} (WA 1732, musikalische Bearbeitung von Telemann) 1706 LA COSTANZA SFORZATA DIE GEZWUNGENE BESTÄNDIGKEIT / ODER DIE LISTIGE RACHE DES SUENO. An dem frohen Geburths-Tage Des AllerDurchlauchtigsten / Großmächtigsten Fürsten und Herrn / Herrn Friderici IV. Königs zu Dennemarck und Norwegen / der Gothen und Wenden etc. etc. etc. Zu unterthänigster Freuden-Bezeugung auf dem Hamburgischen Schau-Platz In einem Sing-Spiel aufgeführet / den 11. Octobr. 1706. – T: Barthold Feind, M: Reinhard Keiser [Nr. 68] {D-Hs, 118 in MS 639/3:7} (11. 10. 1706) [Sven Gabelbart, Kg. v. Dänemark † 1014] 1706 DER DURCHLAUCHTIGE SECRETARIUS, ODER: ALMIRA, KÖNIGIN IN CASTILIEN / In einem Sing-Spiel Auf dem grossen Hamburgischen Schauplatz Auffgeführet und in die Music gesetzt Durch Reinhard Keisern, Hochfürstl. Mecklenburgis. Capell-Meistern / Im Jahr 1706. – T: Friedrich Christian Feustking, Hamburg 1704; bearbeitet von Barthold Feind, M: Reinhard Keiser [Nr. 89] {D-Hs, 190 in MS 639/3:12} (WA 1708) 1706 DER VON DEM ACKERS-PFLUG ZU DEN THRON ERHABENE KÄYSER / JUSTINUS. In einem Sing-Spiel / Auf den großen Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. Im Jahr 1706. – T: ? (nach Nicolò Beregani, Giustino, Venedig 1683), M: Johann Christian Schiefferdecker [Nr. 292] {D-Hs, 114 in MS 639/3:7} (EA Leipzig 1700) 1709 DESIDERIUS, KÖNIG DER LONGOBARDEN / Musicalisches Schauspiel / An dem frohen Gebuhrts-Tage Des Allerdurchlauchtigsten / Großmächtigsten Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn / Herrn Josephi, Erwehlten Römischen Kaysers / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs etc. etc. etc. Zu allerunterthänigster Freuden-Bezeugung Auf dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet / Im Jahr 1709. den 26. Julii. – T: Barthold Feind, M: Reinhard Keiser [Nr. 71] {D-Hs, 128 in MS 639/3:8} (26. 07.1709)

352 1711 DIE GEHEIMEN BEGEBENHEITEN HENRICO IV. KÖNIGS VON CASTILIEN UND LEON / ODER: DIE GETHEILTE LIEBE / In einer Opera Auff dem grossen Hamburgischen Schau-Platz Vorgestellet Im Jahr 1711. im Monath Februarius. – T: Johann Joachim Hoe (nach anonymer franz. Vorlage), M: Johann Mattheson [Nr. 125] {D-Hs, 135 in MS 639/3:8} (09. 02. 1711) >Heinrich IV., Kg. v. Kastilien (1425–1474)@ 1712 DIE OESTERREICHISCHE GROßMUTH / ODER: CAROLUS V. Auf das Höchsterfreulichste Crönungs-Fest Des Aller-Durchlauchtigsten / Großmächtigsten / unüberwindlichsten Fürsten und Herrn / Herrn Caroli VI. Erwählten Römischen Käysers / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn und Böheim Königs / &c. &c. &c. Zu allerunterthänigster Freuden-Bezeugung / in einem Musicalischen Schauspiele / auf dem Grossen Hamburgischen Theatro vorgestellet / am Tage Caroli. MDCCXII. – T: Johann Ulrich König, M: Reinhard Keiser [Nr. 207] {D-Hs, 137 in MS 639/3:8} (28. 01. 1712; WA 1714, zum Geburtstag Karls VI. [01. 10.]) 1712 DIE WIEDERHERGESTELTE RUH / ODER DIE GECRÖNTE TAPFERKEIT DES HERACLIUS, Auff das Ungarische Crönungs-Fest Des Aller-Durchlauchtigsten / Großmächtigsten / Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn / Herrn Caroli VI. Erwehlten Römischen Kaysers / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn und Böheim Königs etc. etc. In hoher Gegenwart Des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn Anthon Ulrichs, Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg. Zu allerunterthänigster Freuden-Bezeugung / in einem Singe-Spiel auf dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet / Im Junio MDCCXII. – T: Johann Ulrich König (nach Nicolò Beregani, L’Heraclio, Venedig 1671), M: Reinhard Keiser [Nr. 297] {DHs, 54 in MS 640/3:5} 1715 FREDEGUNDA. In einem Musicalischen Schau-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellt im Mertz-Monat 1715. – T: Johann Ulrich König (nach Francesco Silvani, La Fredegonda, Venedig 1705), M: Reinhard Keiser [Nr. 114] {DHs, 143 in MS 639/3:9} (Widmung an Carl Rudolph Herzog zu Württemberg-Teck) (WA 1716, 1721, 1723–25, 1727, 1730, 1731, 1733–36, 1738) >= Fredegunde, fränk. Kgn. † 596/597, Gemahlin Chilperichs I.; o Gregor v. Tours, Decem libri historiarum@ 1715 RINALDO, Musicalisches Schau-Spiel / Auf dem grossen Hamburgischen Theatro / Im Monath Novembr. 1715. – T: Aaron Hill/Giacomo Rossi (London 1711), Barthold Feind (Adaptation), M: Georg Friedrich Händel [Nr. 230] {D-Hs, 1 in M A/403} (27. 11. 1715; WA 1720, 1721, 1723, 1724, 1727, 1730) 1717 ORIANA. Wurde In einem Singe-Spiel / Auf dem Hamburgischen Schau-Platz / vorgestellet / Im Monath September 1717. – T: Joachim Beccau (nach Giacomo Rossi ?, Amadigi di Gaula, London 1715), M: Georg Friedrich Händel [Nr. 210] {D-Hs, 153 in MS 639/3:9} (WA 1719, 1720) 1718 TEODOSIO Drama Per Musica da rappresentarsi Nel Teatro d’Hamburgo L’anno 1718. TEODOSIUS In einer Opera vorgestellet Auf dem Hamburgischen Theatro Anno 1718. – T: Vincenzo Grimani, Il Teodosio, Venedig 1699, M: Johann Joseph Fux, Francesco Gasparini, Antonio Caldara [Nr. 260] {D-Hs, 158 in MS 639/3:10} (vgl. Teodosio ed Eudossa, Wolfenbüttel 1716) (09. 11. 1718; WA 1719, 1721) 1719 HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / NACHMAHLS ERWEHLTER TEUTSCHER KAYSER / In einem Singe-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1719. – T: Johann Ulrich König, ? (Adaptation), M: Georg Caspar Schürmann, Antonio Bononcini, Antonio Lotti, Antonio Vivaldi, ? (Adaptation) [Nr. 152] {D-Hs, 162 in MS 639/3:10} (EA Braunschweig 1718) (WA 1720, 1721, 1735, 1736) 1722 SIEG DER SCHÖNHEIT / in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet / 1722. – T: Christian Heinrich Postel (Gensericus, Hamburg 1693), Christian Friedrich Weichmann (Adaptation), Musik: Georg Philipp Telemann [Nr. 246] {D-Hs, 215 in MS 639/3:14} (WA 1723–25, 1727, 1728, 1734, 1735) 1725 BRETISLAUS, ODER DIE SIEGENDE BESTÄNDIGKEIT Auf die Höchst-glückliche Verbindung Seiner Königl. Hoheit / Des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn

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Carl Friederich Erben zu Norwegen / Hertzogen zu Schleßwig / Holstein &c. &c. &c. Mit Der Durchlauchtigsten Rußischen Kayserlichen Prinzeßin Anna Petrowna An Deroselben Hohen Geburhts-Feste Den 27. Jan./7.Febr. Anno 1725. In einem Sing-Spiele / Nebst einer Illumination und einem Feuer-Wercke Auf dem Hamburgischen SchauPlatze vorgestellet. – T: Johann Philipp Praetorius, M: Reinhard Keiser (einige Arien von Giuseppe Maria Orlandini, Giovanni Bononcini u. Cyrill v. Wich) [Nr. 54] {D-Hs, 249 in MS 639/3:17} (07. 02. 1725) [Verbindung des böhm. Prinzen Bretislaus (= Hzg. Bretislaus I. v. Böhmen) mit Judith, einer (fiktiven) Tochter Ks. Konrads II. (†1039)] TAMERLAN, In einem Sing-Spiele / Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. Im Jahr 1725. – T: Johann Philipp Praetorius (nach Nicola Francesco Haym, Tamerlano, London 1724), M: Georg Friedrich Händel, Cyrill von Wich (Partie des Bajazeth) [Nr. 256] {D-Hs, 247 in MS 639/3:17} (17. 09. 1725) MISTEVOJUS, In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet Im Jahr 1726. – T: Johann Samuel Müller, Ergänzung am Ende des fünften Aktes von Johann Philipp Praetorius, M: Reinhard Keiser [Nr. 200] {D-Hs, 259 in MS 639/3:18} (WA 1729, 1735) [Zerstörung Hamburgs durch den Obodritenfürsten Mistui, Ende des 10. Jhs.] OTTO, in einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet im Jahr 1726. – T: Johann Georg Glauche (nach Nicola Francesco Haym, Ottone, re di Germania, London 1723), M: Georg Friedrich Händel, Einlagearien u. Rezitative v. G. Ph. Telemann [Nr. 213] {D-Hs, 252 in MS 639/3:17} (15. 05. 1726; WA 1727, 1729) ADELHEID, In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1727. – T: ? (nach Johann Christian Hallmann, Die Schaubühne des Glücks, oder Die unüberwindliche Adelheide, Breslau 1684), M: Georg Philipp Telemann [Nr. 4] {D-Hs, 267 in MS 639/3:18} (17. 02. 1727; WA 1728, 1734) SANCIO, ODER DIE SIEGENDE GROßMUTH. In einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. Im Jahr 1727. – T: Johann Ulrich König (nach F. Silvani, Il miglior d’ogni amore per il peggiore d’ogni odio, Venedig 1703), M: Georg Philipp Telemann [Nr. 235] {D-Hs, 266 in MS 639/3:18} (06. 10. 1727; WA 1730–34, 1736–38) (vgl. Die In ihrer Unschuld Siegende Sinilde, Braunschweig 1727) DIE LAST-TRAGENDE LIEBE / ODER EMMA UND EGINHARD, in einem SingSpiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze Anno 1728. aufgeführet. – T: Christoph Gottlieb Wend, M: Georg Philipp Telemann [Nr. 184] {D-Hs, 88 in MS 640/3:8} (22. 11. 1728; WA 1731, 1732) >sagenhafter Stoff: Emma = Tochter Karls des Großen] FLAVIUS BERTARIDUS, KÖNIG DER LONGOBARDEN / in einer Opera auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. Im Jahr 1729. – T: Georg Philipp Telemann und Christoph Gottlieb Wend (nach Steffano Ghigi, Flavio Bertarido re de Longobardi, Venedig 1706), M: Georg Philipp Telemann [Nr. 110] {D-Hs, 272 in MS 639/3:19} (23. 11. 1729) DER MIßLUNGENE BRAUT-WECHSEL / ODER RICHARDUS I. KÖNIG VON ENGLAND / in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze fürgestellet. Anno 1729. – T: Christoph Gottlieb Wend (nach Paolo Antonio Rolli, Riccardo I. re d’Inghilterra, London 1727), M: Georg Friedrich Händel, deutsche Arien und Rezitative von Georg Philipp Telemann [Nr. 199] {D-Hs, 273 in MS 639/3:19} (03. 02. 1729) (vgl. auch Richardus genannt das Löwen-Herz / König in Engelland, Braunschweig 1729) ERNELINDA. In einer Opera auf dem Hamburgischen Schau-Platze Zum ersten mahle vorgestellet Im Jahr 1730. – T: Francesco Silvani (La fede tradita e vendicata, Venedig 1704), Georg Philipp Telemann (Adaptation), M: Pasticcio (Giuseppe Maria Orlandini ?, deutsche Rezitative von Telemann) [Nr. 99] {D-Hs, 94 in MS 640/3:8} (27. 09. 1730; WA 1731) (vgl. Rodoaldo re di Norvegia, Braunschweig 1726, sowie Ernelinda, Braunschweig 1730) MARGARETHA, KÖNIGIN IN CASTILIEN. In einer Opera auf dem Hamburgischen Schau-Platze aufgeführet den 10. Aug. 1730. – T: Johann Georg Hamann, M: Georg

354 Philipp Telemann; [Nr. 193] {D-Hs, 275 in MS 639/3:19} (10. 08. 1730) („Anlaß für die Festaufführung war die Krönung von Zarin Anna Iwanowna. Aus politischen Gründen verlegte Hamann, wie er im Vorbericht erklärt, die ursprünglich in Rußland spielende Geschichte von Prinzessin Olga und ihrem Gemahl Igor [Vorlage unbekannt] nach Spanien und änderte die Namen der handelnden Personen“: Marx/Schröder, S. 279) 1732 JUDITH, GEMAHLIN KÄYSER LUDEWIGS DES FROMMEN; ODER DIE SIEGENDE UNSCHULD, In einer Opera Auf Dem Hamburgischen Schau-Platze Ao. 1732. vorgestellet. – T: Johann Georg Hamann (nach Francesco Silvani, L’innocenza giustificata, wiederaufgeführt als L’innocenza difesa, Venedig 1722), M: Pasticcio (Arien aus Georg Friedrich Händel, Lotario; Fortunato Chelleri, L’innocenza difesa; von Georg Philipp Telemann, Rezitative von Telemann) [Nr. 176] {D-Hs, 99b in MS 640/3:9} (26. 11. 1732; WA 1733–37) (vgl. L’innocenza difesa, Wolfenbüttel 1722?, Braunschweig 1731) 1734 RODELINDA, KÖNIGIN IN DER LOMBARDEY, In einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze Im Jahr 1734. vorgestellet. – T: Fischer und Christoph Gottlieb Wend (nach Nicola Francesco Haym, Rodelinda regina de’ Longobardi, London 1725), M: Georg Friedrich Händel (Arien), Rezitative von Georg Philipp Telemann ? [Nr. 231] {D-Hs, 103 in MS 640/3:9} (29. 11. 1734; WA 1736) Marx, Hans Joachim, Geschichte der Hamburger Barockoper. Ein Forschungsbericht, in: Floros, Constantin/Marx, Hans Joachim/Petersen, Peter (Hgg.), Studien zur Barockoper, Hamburg 1978 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 3), S. 7–34. Marx, Hans Joachim/Schröder, Dorothea, Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Katalog der Textbücher (1678–1748), Laaber 1995. Meyer, Reinhart, Die Hamburger Oper 1678–1730. Einführung und Kommentar zur dreibändigen Textsammlung, Millwood 1984 (Die Hamburger Oper, Bd. 4). Meyer, Reinhart, Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Bearbeitungen und Übersetzungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, 1. Abteilung: Werkausgaben, Sammlungen, Reihen, 3 Bde, Tübingen 1986, 2. Abteilung: Einzeltitel, Tübingen 1993ff. Schröder, Dorothea, Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690–1745), Göttingen 1998 (Abhandlungen zur Musikgeschichte 2). Schulze, Walter, Die Quellen der Hamburger Oper (1678–1738). Eine bibliographischstatistische Studie zur Geschichte der ersten stehenden deutschen Oper, Hamburg u. Oldenburg 1938. Wolff, Hellmuth Christian, Die Barockoper in Hamburg (1678–1738), 2 Bde, Wolfenbüttel 1957.

Hannover (bis 1698) 1668? L’ADELAIDE. – T: Pietro Dolfin, M: Antonio Sartorio (vgl. Venedig 1672; weiterhin Hamburg 1727) (Reinmar Emans hält eine Aufführung der Oper zur Hochzeit Herzog Johann Friedrichs von Braunschweig-Lüneburg mit Benedicta Henrietta von der Pfalz im Jahre 1668 durchaus für möglich, obgleich dafür keine Belege vorliegen.) 1689 HENRICO LEONE, Dramma dà recitarsi per l’anno MDCLXXXIX. Nel nuovo Theatro D’Hannover. – T: Ortensio Mauro, M: Agostino Steffani [Sartori, Nr. 8956] {D-W, Textb. 303} [= Hzg. Heinrich der Löwe; ,Heinrichsage‘] 1691 ORLANDO GENEROSO. Drama per il Theatro d’Hannover MDCXCI. – T: Ortensio Mauro, M: Agostino Steffani [Sartori, Nr. 17499] {D-W, Textb. 319} (WA 1692) [nach Ariosto, Orlando furioso]

355 1693 (Göttingen): DIE SIEGENDE GROßMUTH Zu Ehren dem Durchläuchtigsten und Großmächtigsten Fürsten und Herrn Herrn Ernest-August / Herzogen zu Braunsweig und Lüneburg des H. Römischen Reichs Churfürsten und Bischoffen zu Osnabrug Auf Sr. Churfürstl. Durchl. Erhöhung zur neuen und neundten Churwürde in einem Singspiel vorgestellet Von Joachim Meiern Prof. P. in Sr. Churfürstl. Durchl. Gymnasio zu Göttingen. – T: u. M: Joachim Meier {D-Gs, 8 P DRAM. III,1641} [Heinrich d. Ä. v. Braunschweig, Sohn Heinrichs des Löwen, u. Agnes v. Staufen] Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Emans, Reinmar, Die beiden Fassungen von Antonio Sartorios Oper ,L’Adelaide‘. Unter besonderer Berücksichtigung des in Hannover verwahrten Autographs, in: A. Colzani u. a. (Hgg.), Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca. Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland, Como 1995, S. 59–79. Fischer, Georg, Musik in Hannover. Zweite vermehrte Auflage von ,Opern und Concerte im Hoftheater zu Hannover bis 1866‘, Hannover u. Leipzig 1903. Keppler, Philip, Agostino Steffani’s Hannover Operas and a rediscovered Catalogue, in: Harold Powers (Hg.), Studies in Music History. Essays for Oliver Strunk, Princeton 1968, S. 341–354. Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen, Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Timms, Colin, Polymath of the Baroque. Agostino Steffani and His Music, Oxford u. New York 2003.

Leipzig (1693–1720) 1696 PHOCAS. In einer Opera Mit Churfürstl. Sächsischer gnädigster Verwilligung in der Oster-Messe. An. 1696. Auf Dem Leipziger Schauplatze Vorgestellet. – T: Christian Ludwig Boxberg, M: ? {D-Dl} (Vorlage: Nicolò Beregani, L’Heraclio, Venedig 1671 ?) [= Phokas, byz. Ks., † 610 n. Chr.] 1700 JUSTINUS Wurde Mit Königl. Majestät in Bohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen allergnädigster Verwilligung auff dem Leipziger Schau-Platze in der Oster-Messe 1700. vorgestellt in einer Opera. – T: ?, M: Johann Christian Schiefferdecker [Meyer, 2. Abt., Bd. 1, S. 345f.] {D-Dl - Ju} (Oster- u. Michaelismesse 1700; WA 1703) (Vorlage: Nicolò Beregani, Giustino, Venedig 1683) (vgl. Hamburg 1706) 1701 ATHANAGILDA in einer Opera Mit Königl. Polnischer und Churfürstl. Sächsischer allergnädigster Verwilligung in der Oster Messe Anno 1701, auf den Leipziger SchauPlatze vor zu stellen. – T: u. M: Christian Ludwig Boxberg [Meyer, 2. Abt., Bd. 2, S. 37] {D-Dl - Ju} (WA 1707) (Vorlage: Giulio Cesare Corradi, L’inganno regnante overo L’Atanagilda regina di Gottia, Venedig 1688 ?) 1702 OTTO wurde mit Königl. Maj. in Pohl. und Churf. Durchl. zu Sachsen allergnädigster Verwilligung auf dem Leipziger Schau-Platze in der Oster-Messe 1702. vorgestellet. in einer Opera. – T: ?, M: ? [Meyer, 2. Abt., Bd. 2, S. 98f.] {D-Dl - Ju} [Ks. Otto I.] 1703 FERDINAND UND ISABELLA in einer Opera Mit Ihro Königl. Majestät in Pohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen allergnädigster Verwilligung auf dem Leipziger Theatro in der Neu-Jahr Messe Anno 1703. vorzustellen. – T: Georg Philipp Telemann ?, M: G. Ph. Telemann [Meyer, 2. Abt., Bd. 2, S. 206f.] {D-Dl - Ju} (WA 1705)

356 1708 COSROES Wurde Mit Königl. Majestät und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen allergnädigster Verwilligung auf den Leipziger Schau-Platze in der Michaelis-Messe 1708. vorgestellet in einer Opera. – T: ?, M: ? [Reuter, S. 92] [= (fiktiver?) langob. Kg.] 1710 ALMIRA. – T: ? (nach Giulio Pancieri, L’Almira, Venedig 1691 ?), M: ? [Reuter, S. 113] (vgl. Braunschweig 1703, Weißenfels 1704, Hamburg 1705) 1710 DIE ÜBER HAß UND RACHE TRIUMPHIRENDE LIEBE, Wurde mit Ihro Königlichen Majest. in Pohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen allergnädigster Bewilligung In Der Oster-Messe 1710. An dem Großmüthigen Exempel Pharamundi, Königes der Francken, Auff dem Leipziger Schau-Platze vorgestellet in einer Opera. – T: ? (nach A. Zeno, Faramondo, Venedig 1699), M: ? [Reuter, S. 111] (vgl. Braunschweig 1699) 1714 ALMIRE UND FERNANDO Wurden mit Ihro Königl. Majestät in Pohlen und ChurFürstl. Durchl. zu Sachsen Allergnädigster Verwilligung Auf dem Leipziger SchauPlatze In der Oster-Messe 1714. aufgeführet in einer Opera. – T: ? , M: ? [Meyer, 2. Abt., Bd. 2, S. 243] {D-Dl} (WA von Almira, 1710 ?) Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen, Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Meyer, Reinhart, Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Bearbeitungen und Übersetzungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, 1. Abteilung: Werkausgaben, Sammlungen, Reihen, 3 Bde, Tübingen 1986, 2. Abteilung: Einzeltitel, Tübingen 1993ff. Reuter, Fritz, Geschichte der deutschen Oper in Leipzig am Ende des 17. und am Anfange des 18. Jahrhunderts (1693–1720), Diss. Leipzig 1923. Schmidt, Gustav Friedrich, Die älteste deutsche Oper in Leipzig am Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, in: Festschrift zum 50. Geburtstag. Adolf Sandberger überreicht von seinen Schülern, München 1918, S. 209–257.

London (bis ca. 1740) 1674 MACBETH, a tragedy. With all the alterations, amendments, additions, and new songs. As it’s now acted at the Dukes Theatre. [Dramatic opera] – T: William Davenant (nach Shakespeare), M: M. Locke u. Robert Johnson {GB-Lbl} (EA wohl bereits 1664) (Revivals: 1696, M: John Eccles; 1702, M: Richard Leveridge ?) 1691 KING ARTHUR: OR, THE BRITISH WORTHY. A dramatick opera. Perform’d at the Queens Theatre by Their Majesties servants. Written by Mr. Dryden. – T: John Dryden, M: Henry Purcell {GB-Lbl} (05. 1691, Queen’s, Dorset Garden) 1698/ RINALDO AND ARMIDA: a tragedy: as it is acted at the theatre in Little-Lincoln’s1699 Inn-Fields. Written by Mr. Dennis. [Dramatic opera] – T: John Dennis, M: John Eccles {GB-Lbl} (11. 1698, Lincoln’s Inn Fields; gedrucktes Libretto mit Jahreszahl: 1699) [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1707 ROSAMOND. An opera. Humbly inscrib’d to Her Grace the Dutchess of Marlborough. – T: Joseph Addison, M: Thomas Clayton [King Henry, Sir Trusty, Page, Messenger, Queen Elinor, Rosamond, Grideline] {GB-Lbl} (04. 03. 1707, Drury Lane) (engl. Text) (vgl. 1733) [= Rosamund Clifford, legendäre Mätresse Heinrichs II. v. England] 1709 CLOTILDA. An opera. Humbly inscrib’d to the most noble the Marchioness of Kent. – T: Domenico David, John James Heidegger, M: Pasticcio [Fernando, Alphonso, San-

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cho, Roderigo, Clotilda, Isabella, Leonora] [Sartori, Nr. 5874] (02. 03. 1709, Queen’s, Haymarket) (Text teils engl., teils ital.; Vorlage: La forza della virtù, Venedig 1693 ?) ALMAHIDE. Opera dedicata a sua eccellenza il signor Giovanni Wencislao conte di Gallasso […] inviato straordinario delle Maestà Loro, Cesarea e Cattolica presso S. M. la regina. – T: Pietro Antonio Bernardoni, John James Heidegger, M: Attilio Ariosti, Giovanni Bononcini u. a. (Pasticcio) [Almanzor, Almiro, Gemir, Rusteno, Floro, Almahide, Celinda, Blesa] [Sartori, Nr. 931] (10. 01. 1710, Queen’s, Haymarket) (durchgängig ital. Text; gilt für alle folgenden Werke;Vorlage: Amor tra nemici, Wien 1708 ?) RINALDO. Opera da rappresentarsi nel Reggio Teatro a Londra. An Opera as it is perform’d at the Queen’s Theatre in London. – T: Aaron Hill/Giacomo Rossi, M: Georg Friedrich Händel [Goffredo, Eustazio, Rinaldo, Argante, Mago, Araldo, Armida, Almirena, Donna, Sirene] [Sartori, Nr. 19843] (24. 02. 1711, Queen’s, Haymarket) (Widmung an Königin Anne) (WA 1712, 1713, 1714/15, 1717; Neufassung 1731, EA 06. 04. King’s, Haymarket) [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] AMBLETO. Opera da rappresentarsi nel Reggio Teatro d’Hay-Market dedicata a sua eccellenza il signor Henrico conte di Portland, viceconte di Woodstock […]. – T: Apostolo Zeno, M: Francesco Gasparini u. a. (Pasticcio) [Ambleto, Fengone, Valdemaro, Siffrido, Gerilda, Veremonda, Ildegarde] [Sartori, Nr. 1214] (27. 02. 1712, King’s, Haymarket) (Sartori: „= Venezia 1705, con arie e scene mutate“) ERNELINDA. Opera da rappresentarsi nel Reggio Teatro d’Hay-Market. – T: Francesco Silvani (La fede tradita e vendicata), M: Francesco Gasparini u. a. (Pasticcio) [Ricimero, Ernelinda, Rodoaldo, Edvige, Vitige, Edelberto] [Sartori, Nr. 9165] (26. 02. 1713, King’s, Haymarket) (Strohm 1976/II, S. 274: „Von Heidegger veranstaltetes P[asticcio], wahrscheinlich nach Orlandinis La fede tradita e vendicata Genova S. Ag. aut 1709. Viele weitere A[rien] aus anderen Londoner Opern wurden eingelegt.“) AMADIGI DI GAULA. Opera da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market. AMADIS OF GAUL, an opera […]. – T: Giacomo Rossi (?) (nach Antoine Houdard de La Motte, Amadis de Grèce, Paris 1699), M: Georg Friedrich Händel [Amadigi, Dardano, Oriana, Melissa, Orgando] [Sartori, Nr. 972] (25. 05. 1715, King’s, Haymarket) (Widmung an Richard Earl of Burlington and Corck) (WA 1716, 1717) VINCISLAO RE DI POLONIA. Drama per musica. – T: A. Zeno (Venceslao), M: F. Mancini u. a. (Pasticcio) [Sartori, Nr. 24941] (14. 03. 1717, King’s, Haymarket) GRISELDA. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro d’Hay-Market per la Reale Accademia di Musica. Di Paolo Antonio Rolli […]. – Argomento. […] Dall’ultima Novella del Boccacci trae l’origine sua l’Argomento di questo Drama […]. Il Carattere di Rambaldo nel primo e secondo Atto con pochi versi di recitativo alle di lui Scene appartenenti, è dovuto ad un vecchio Drama di tal Nome datomi co’l commando. – T: Paolo A. Rolli (nach Apostolo Zeno, Griselda, Venedig 1701), M: Giovanni Bononcini [Griselda, Almirena, Gualtiero, Rambaldo, Ernesto] [Sartori, Nr. 12529] (22. 02. 1722) ERMINIA. Favola boschereccia d’Eulio Pastore Arcade [= Paolo Antonio Rolli]. Composta per la Reale Accademia e dedicata alle gentilissime dame della Gran Britannia […] dal loro […] servidore Giovanni Bononcini. – T: Paolo Antonio Rolli (nach Accademico Quirino [= D. O. Petrosellini ?], Erminia, Rom 1719), M: Giovanni Bononcini [Sartori, Nr. 9152] (30. 03. 1723) [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] FLAVIO RE DE’ LONGOBARDI. Drama. Da Rappresentarsi Nel Regio Teatro d’HayMarket, Per la Reale Accademia di Musica. – T: Nicola Francesco Haym (nach Matteo Noris/Silvio Stampiglia ?, Il Flavio Cuniberto, Rom 1696), M: Georg Friedrich Händel [Emilia, Vitige, Guido, Flavio, Teodata, Ugone, Lotario] [Sartori, Nr. 10726] (14. 05. 1723, King’s, Haymarket) (WA 1732) OTTONE, RE DI GERMANIA. Drama. Da Rappresentarsi Nel Regio Teatro d’HayMarket, Per La Reale Accademia di Musica. – T: Nicola Francesco Haym (nach Stefano Benedetto Pallavicino, Teofane, Dresden 1719), M: Georg Friedrich Händel [Teofane, Gismonda, Ottone, Adelberto, Matilda, Emireno] [Sartori, Nr. 17635] (12. 01. 1723, King’s, Haymarket) (Widmung an den Earl of Halifax) (WA 1724, 1726, 1727, 1733)

358 1724 TAMERLANO. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market per la Reale Accademia di Musica. – T: Nicola Francesco Haym (nach Agostino Piovene, Il Tamerlano, Venedig 1711, und Bajazet, Reggio Emilia 1719), M: Georg Friedrich Händel [Asteria, Irene, Andronico, Tamerlano, Bajazet, Leone] [Sartori, Nr. 22821] (31. 10. 1724, King’s, Haymarket) (WA 1731) 1725 L’ELPIDIA OVERO LI RIVALI GENEROSI. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market per la Reale Accademia di Musica. The words compos’d by signor Apostolo Zeno. The musick by signor Leonardo Vinci, except some few songs by signor Gioseppe Orlandini. – T: Apostolo Zeno (I rivali generosi, Venedig 1697), Nicola Francesco Haym ?, M: Georg Friedrich Händel (Pasticcio) [Belisario, Olindo, Arminio, Elpidia, Vitige, Rosmilda] [Sartori, Nr. 8791] (11. 05. 1725, King’s, Haymarket) (Strohm 1976/II, S. 273: „Von Händel arrangiertes P[asticcio]; hauptsächlich aus A[rien] der venezianischen Karnevalssaison 1725 zusammengesetzt.“) 1725 RODELINDA REGINA DE’ LONGOBARDI. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market per la Reale Accademia di Musica. – T: Nicola Francesco Haym (nach Antonio Salvi, Rodelinda regina de’ Longobardi, Pratolino 1710), M: Georg Friedrich Händel [Rodelinda, Bertarido, Grimoaldo, Edvige, Unulfo, Garibaldo, Flavio] [Sartori, Nr. 20062] (13. 02. 1725, King’s, Haymarket) (Widmung an den Earl of Essex) (WA 1726, 1731) 1727 RICCARDO I. / RE D’INGHILTERRA. Melo-Drama. Per La Reale Accademia di Musica. – T: Paolo Antonio Rolli (nach Francesco Briani, Isacio tiranno, Venedig 1710), M: Georg Friedrich Händel [Riccardo (Senesino), Costanza (Francesca Cuzzoni), Berardo (G. B. Palmerini), Isacio (G. M. Boschi), Pulcheria (Faustina Bordoni), Oronte (Antonio Baldi)] [Sartori, Nr. 19795] {GB-Lbl, 11714.b.10.[1.]} (11. 11. 1727, King’s, Haymarket) (Widmung an König Georg II.) 1729 LOTARIO, Drama. Da Rappresentarsi Nel Regio Teatro d’Hay-Market. LOTHARIUS, An Opera […]. – T: Giacomo Rossi (nach Antonio Salvi, Adelaide, München 1722), M: Georg Friedrich Händel [Lotario, Matilde, Berengario, Adelaide, Idelberto, Clodomiro] [Sartori, Nr. 14417] (02. 12. 1729, King’s, Haymarket) 1731 VENCESLAO. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market. Done into English by Mr. Humphreys. – T: Apostolo Zeno, M: Pasticcio (von Händel veranstaltet) [Ernando, Venceslao, Casimiro, Alessandro e Lucinda, Erenice, Gismondo] [Sartori, Nr. 24471] (12. 01. 1731, King’s, Haymarket) (Strohm 1976/II, S. 285: „Von Händel arrangiertes P[asticcio]; Vorlagen sind wahrscheinlich die gleichnamigen Opern Venezia S.G.Gr. car 1722 von Porta, A. Pollarolo und Capelli und Parma pri 1724 von Capelli allein.“) 1732 EZIO. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market. Done into English by Mr. Humphreys. – T: ? (nach Pietro Metastasio, Ezio, Rom 1729), M: Georg Friedrich Händel [Valentiniano III., Fulvia, Ezio, Onoria, Massimo, Varo] [Sartori, Nr. 9472] (15. 01. 1732, King’s, Haymarket) 1733 ORLANDO. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro d’Hay-Market. Done into English by Mr. Humphreys. – T: ? (nach Carlo Sigismondo Capeci, L’Orlando overo La gelosa pazzia, Rom 1711), M: Georg Friedrich Händel [Orlando, Angelica, Medoro, Zoroastro, Dorinda] [Sartori, Nr. 17484] (27. 01. 1733, King’s, Haymarket) [nach Ariosto, Orlando furioso] 1733 ROSAMOND. – T: Joseph Addison, M: Thomas A. Arne (07. 03. 1733, Lincoln’s Inn Fields) (vgl. 1707) 1735 ALCINA. An Opera as it is perform’d at the Theatre Royal in Covent-Garden. – T: ? (nach Antonio Fanzaglia, L’isola d’Alcina, Rom 1728), M: Georg Friedrich Händel [Alcina, Ruggiero, Morgana, Bradamante, Oronte, Melisso, Oberto] [Sartori, Nr. 656] (16. 04. 1735, Covent Garden) (WA 1736/37) [nach Ariosto, Orlando furioso] 1735 ARIODANTE. An Opera as it is perform’d at the Theatre Royal in Covent-Garden. – T: ? (nach Antonio Salvi, Ginevra principessa di Scozia, Florenz 1708), M: Georg Friedrich Händel [Ginevra, Dalinda, Ariodante, Polinesso, Odoardo, Lurcanio, Il Re di

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Scozia] [Sartori, Nr. 2637] (08. 01. 1735, Covent Garden) (WA 1736) [nach Ariosto, Orlando furioso] ONORIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Teatro dell’Hay-Market. – T: ?, M: ? [Onorio, Eucherio, Ormonte, Stilicone, Termanzia, Placidia] [Sartori, Nr. 17099] (13. 04. 1735, King’s, Haymarket) JUSTIN [Giustino]. An Opera as it is perform’d at the Theatre Royal in Covent-Garden. Composed by Mr. Handel. – T: ? (nach Nicolò Beregani, Giustino, Venedig 1683, und Nicolò Beregani, Pietro Pariati, Giustino, Rom 1724), M: Georg Friedrich Händel [Anastasio, Arianna, La Fortuna, Giustino, Leocasta, Amanzio, Vitaliano, Polidarte] [Sartori, Nr. 12374] (16. 02. 1737, Covent Garden) FARAMONDO. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-Market. – T: ? (nach Apostolo Zeno, Faramondo, Rom 1720), M: Georg Friedrich Händel [Faramondo, Clotilde, Gustavo, Adolfo, Rosimonda, Gernando, Teobaldo, Childerico] [Sartori, Nr. 9725] (03. 01. 1738, King’s, Haymarket) ANGELICA E MEDORO. Melodramma composto da Gio. Battista Pescetti da rappresentarsi nel Regio Teatro di Covent-Garden. – T: ?, M: Giovanni Battista Pescetti [Sartori, Nr. 1985] [nach Ariosto, Orlando furioso]

Clausen, Hans Dieter, Der Einfluß der Komponisten auf die Librettowahl der Royal Academy of Music (1720–1729), in: Marx, Hans Joachim (Hg.), Zur Dramaturgie der Barockoper. Bericht über die Symposien der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 1992 und 1993, Laaber 1994, S. 55–72. Dean, Winton/Knapp, John Merrill, Handel’s Operas 1704–1726, Oxford 2001 (Nachdruck der zweiten Auflage). Händel-Handbuch, hg. v. Kuratorium der Georg-Friedrich-Händel-Stiftung, Bd. 1: Lebens- und Schaffensdaten, zusammengestellt von Siegfried Flesch. Thematisch-systematisches Verzeichnis: Bühnenwerke, von Bernd Baselt, Leipzig u. Kassel 1978. Kenny, Shirley Strum (Hg.), British Theatre and the Other Arts, 1660–1800, Washington [usw.] 1984. The librettos of Handel’s operas. A collection of seventy-one librettos documenting Handel’s operatic career, 13 Bde, hg. v. Ellen T. Harris, New York u. London 1989. Lindgren, Lowell, Critiques of Opera in London, 1705–1719, in: A. Colzani u. a. (Hgg.), Il melodramma italiano in Italia e in Germania nell’età barocca. Die italienische Barockoper, ihre Verbreitung in Italien und Deutschland, Como 1995, S. 145–165. Loewenberg, Alfred, Annals of Opera 1597–1940. Third edition, revised and corrected, Totowa/New Jersey 1978. Opera Register from 1712 to 1734 (Colman-Register), bearbeitet von Konrad Sasse, in: Händel-Jahrbuch 5 (1959), S. 199–223. Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Strohm, Reinhard, Händel und seine italienischen Operntexte, in: Händel-Jahrbuch 21/22 (1975/1976), S. 101–159. Strohm, Reinhard, Italienische Opernarien des frühen Settecento (1720–1730), 2 Bde, Köln 1976 (Analecta Musicologica 16). White, Eric W., A Register of First Performances of English Operas and Semi-Operas from the 16th Century to 1980, London 1983.

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München (bis 1745, einschließlich der Brüsseler Aufführungen 1692–1701 sowie 1704–1715) 1665 L’AMOR DELLA PATRIA SVPERIORE AD OGN’ALTRO. Dramma Musicale Per applaudere al felicißimo Parto Della Ser.ma Adelaide Real Principessa Di Savoia, Duchessa Elettrice Regnante di Baviera, &c. Nella Nascita Di Lvigi Amedeo Gaetano Principe di Baviera. Composto dal Sig. Francesco Sbarra. – T: F. Sbarra, M: J. K. Kerll (?) [Sartori, Nr. 1339] {D-Mbs, 4 Bavar. 2165,III,3} (vgl. Venedig 1668) [Belagerung der toskanischen Stadt Aurelia durch Narses († 574), den Feldherrn Ks. Justinians I.] 1669 L’ADELAIDE REGIA PRINCIPESSA DI SVSA. Dramma Mvsicale Fatto rappresentare auanti L’Altezza Elettorale del Serenissimo Ferdinando Maria, Duca dell’una, e l’altra Bauiera, e del Palatino superiore, &c. Principe Elettore del S.R.I. &c. Nel Giorno della sua Nascita li 31. Ottobre. 1669. Dall’Altezza Elettorale della Serenissima Henrietta Adelaide Duchessa dell’una, e l’altra Bauiera […] Regia Principessa di Sauoia, &c. E cemposto per Commandamento della Med.a Da Gio: Battista Rodoteo, Veneto. – T: Giovanni Battista Rodoteo, M: Giulio Riva [Sartori, Nr. 304] {D-W, Textb. 470} (vgl. Venedig 1670) [= Adelheid, Gfn. v. Turin, † 1091 ?] 1670 OTTONE IN ITALIA. Melo-Dramma per Musica, Del Dottor Marco Rossetti Consecrato Alle Serenissime Altezze Di Ferdinando Maria, Et Adelaide Enrietta, Nata Principessa Reale, Elettori del Sacro Romano Impero, Et Duchi dell’una, e l’altra Bauiera, &c. – T: Marco Rosetti , M: Marco Rosetti ? [Sartori, Nr. 17629] {D-Mbs, 4 Bavar. 2165,IV,19} [= Ottone Secondo, primo Imperatore de’ Romani nella Germania (Otto I.); Adelheid v. Italien alias Dalinda; die Kaisertochter Alteria u. Prinz Alerame] 1672 AMOR TIRANNO. OVERO REGNERO INNAMORATO. Poesia Dramatica-ComicaNuova rappresentata in Musica l’Anno 1672. Nel Giorno Natalitio Del Serenissimo Ferdinando Maria, Duca di Baviera […] Per Comando Della Serenissima Duchessa Elettrice Consorte Enrietta Adelaide Principessa Real Di Savoia. – T: Domenico Gisberti, M: Johann Kaspar Kerll [Sartori, Nr. 1483] {D-Mbs, P.o.it. 433 (2,1)} [nach Saxo Grammaticus, Albert Krantz u. Johannes Magnus] 1675 I PORTENTI DELL’INDOLE GENEROSA. OVERO ENRICO III. IMPERADORE, DUCA XXXIII. DI BAVIERA. Drama Per Musica. Ai Natali del LXI. suo Successore composto. – T: Domenico Gisberti, M: Ercole Bernabei [Sartori, Nr. 18978] {D-Mbs, P.o.it. 433 (2,2)} [= Ks. Heinrich III. † 1056; Quellen: Johannes Vervaux, Annales Boicae gentis, 1662/63; Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris] 1678 ALVILDA IN ABO. Da rappresentarsi All’Altezza Serenissima Elettorale Di Ferdinando Maria, Duca dell’una, e l’altra Baviera, e del Palatinato Superiore […]. MeloDrama Di Ventura Terzago. Posto in Musica da D. Giuseppe Antonio Bernabei, V.M. di Cap. di S.A.E. Monaco 10. Febbraro M.DC.LXXVIII. – T: Ventura Terzago, M: Giuseppe Antonio Bernabei [Sartori, Nr. 959] {D-Mbs, Bavar. 4015-21,3} (10. 02. 1678, zum Karneval) [nach Saxo Grammaticus, Gesta Danorum] 1687 ALARICO IL BALTHA, CIOÈ L’AUDACE, RÈ DE GOTHI. Drama per Musica Comandato Dall’Altezza Serenissima Di Massimiliano Emanvele Duca dell’una, e l’altra Baviera, e dell’altro Palatinato […] Per celebrare Il Dì Natalitio Dell’ Augustissima Consorte la Serenissima Elettrice Maria Antonia, Arciduchessa d’Austria, &c. &c. L’Anno 1687. Composto da Luigi Orlandi Segretario di S.A.E. Posto in Musica dal S. D’ Agostino Steffani, Direttore della Musica di Camera di S.A.E. Con l’Arie per i Balletti del S. Melchior d’Ardespin Maestro di Concerti, & Aiutante di Camera di S.A.E. – T: Ludovico Orlandi, M: Agostino Steffani [Sartori, Nr. 529] {D-Mbs, 4 Bavar. 2165,VI,9; - KNth} (25. 01. 1687, zum Geburtstag der Kurfürstin Maria Antonia) 1690 L’ERACLIO. Drama per Musica Da rappresentarsi nel Teatro Elettorale Di Monaco, E consecrato Alla S.C.R.M.ta Di Leopoldo Imperatore &c. &c. – T: Pietro Antonio Bernardoni ? (nach Pierre Corneille, Héraclius, Empereur d’Orient, Paris 1646), M: Giuseppe Antonio Bernabei [Sartori, Nr. 9026] {D-Dl - Mbs, 4 Bavar. 2165,VII,1; 4 P.o.it. 143} (05. 02. 1690, erste Festoper anläßlich des Besuches Kaiser Leopolds I.)

361 1694? DIE GETRUCKTE ABER NICHT UNTERDRUCKTE UNSCHULD Mittelst Einer wahrhafften Historia in Musicalischer Opera vorgestellt / Durch GENOVEFAM. – T: ?, M: Philipp Jakob Seerieder {D-Mbs, Res/4 P.o.germ. 232,3} 1695 (Brüssel): AMADIS DE GAULE. – T: Philippe Quinault (Prolog v. P.-A. Fiocco), M: Jean-Baptiste Lully (20. 01. 1695) 1697 (Brüssel): ARMIDE. – T: Ph. Quinault, M: J.-B. Lully (09. 04. 1697) 1706 (Brüssel): ROLAND. – T: Ph. Quinault, M: J.-B. Lully {D-Mbs, Res/Bavar. 4010-13,3} 1722 ADELAIDE Primo Drama Per Musica Da Rappresentarsi Alle Augustissime Nozze De Serenissimi Sposi Carlo Alberto Principe Elettorale Di Baviera &c. &c. E Maria Amalia Arciduchessa D’Austria &c. &c. L’Anno MDCCXXII. – T: Antonio Salvi, M: Pietro Torri [Adelaide, Berengario, Matilde, Idelberto, Ottone, Claudio, Atto, Corrado; Prologo: Giove, Pallade, Nettuno] [Sartori, Nr. 280] {D-Dl - Mbs, Bavar. 4015,I,3, Bavar. 4015,XXII,2 (dt. Inhaltsangabe: Bavar. 4015,I,4)} (18. 10. 1722, erste Festoper zur Feier der Vermählung des Kurprinzen Karl Albrecht mit Erzherzogin Maria Amalia v. Österreich) [Ks. Otto I., Kgn. Adelheid, Kg. Berengar II. u. Adalbert v. Italien] 1723 GRISELDA. Drama Per Musica Da Rappresentarsi in Monaco nel Autunno dell’anno 1723. Nel Teatro Elettorale Festeggiandosi il Felicissimo Giorno del Nome Dell’ Altezza Serenissima Elettorale di Massimiliano Emanuele Duca dell’Alta e Bassa Baviera, e del Palatinato Superiore, Elettore del Sac. Rom. Imp. Conte Palatino del Reno, Landgravio di Leuchtenberg, &c. Dedicato Al Medesimo Serenissimo Elettore, &c. Dal Serenissimo Principe Elettorale E da tutta La Serenissima Elettorale Casa &c. In Monaco il di 12. Ottob. 1723.– T: Apostolo Zeno, M: Pietro Torri [Sartori, Nr. 12533] {DMbs, Bavar. 4015, XIII, 3} (12. 10. 1723, zum Namenstag Max Emanuels) (WA 1735) 1724 AMADIS DI GRECIA, Drama Per Musica Da rappresentarsi con Pompa usitata, festeggiandosi Il Parto Felice Di Sua Altezza Serenissima Maria Amalia, Principessa Elettorale di Bauiera […] Per Commando Et Ordinanza Di […] Massimiliano Emanuele, Duca dell’alta e Bassa Baviera […] In Monaco nel Mese di Ottobre, 1724. La Poesia è di Perozzo de Perozzi. – T: P. de Perozzi, M: Pietro Torri [Amadis, Melissa, Asprando, Nicea, Arsace, Omiro, Ismedoro] [Sartori, Nr. 973] {D-Mbs, Slg. Her 2592 (dt.); I-Vnm} (10. 1724, zur Feier der Geburt der Prinzessin Maria Antonia Walpurgis) 1725 VENCESLAO. Drama Per Musica Da Rappresentarsi in Monaco nell’Autunno dell’Anno 1725. Nel Teatro Elettorale Festeggiandosi il Felicissimo Giorno del Nome Dell’Altezza Serenissima Elettorale Di Massimiliano Emanuele Duca dell’Alta e Bassa Baviera […] Dedicato Al Medesimo Serenissimo Elettore, &c. Dal Serenissimo Principe Elettorale […] In Monaco il dì 12 Ottobr. 1725. – T: Apostolo Zeno, M: Pietro Torri [Venceslao, Casimiro, Alessandro, Lucinda, Erenice, Ernando, Gismondo, Pace, Discordia] [Sartori, Nr. 24466] {D-Mbs, Bavar. 4015-33,1} (12. 10. 1725, zum Namenstag Max Emanuels) (WA 1731) Bolongaro-Crevenna, Hubertus, L’Arpa festante. Die Münchner Oper 1651–1825, München 1963. Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen, Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Münster, Robert, Die Musik am Hofe Max Emanuels, in: Glaser, Hubert (Hg.), Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700, 2 Bde, München 1976, Bd. 1: Zur Geschichte und Kunstgeschichte der Max-Emanuel-Zeit, S. 295–316. Rudhart, Franz Michael: Geschichte der Oper am Hofe zu München, Freising 1865. Sartori, Claudio: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994.

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Neapel (bis 1734) 1652 VEREMONDA L’AMAZZONE D’ARAGONA. Drama ridotto in nuova forma da Luigi Zorzisto [= Giulio Strozzi], posto in musica da Francesco Cavalli et adornato con l’apparenze di scene, machine e balli di Gio. Battista Balbi. All’ecc.mo sig. conte di Ognatte, Villamediana et Tassis, vicerè, luogotenente e cap. generale del Regno di Napoli etc. – T: Giulio Strozzi, M: Francesco Cavalli [Zelemina, Zaide, Giacutte, Delio, Zeriffo, Re d’Aragona, Roldano, D.Buscone, Veremonda, Callidia, Sergente maggiore, Vendetta, Amore, Furore; Prologo: Musica, Poesia, Architettura] [Sartori (wie im weiteren), Nr. 24632] (vgl. Venedig 1652) 1673 L’ERACLIO. Melodrama per lo Teatro di S. Bartolomeo. Consecrato all’eccellentissimo signor marchese d’Astorga vicerè di Napoli, etc. – T: Nicolò Beregani, Giovanni Cicinello, M: Pietro Andrea Ziani [Prologo: Lascivia, Tirannide, Fortuna, Amore; Heraclio, Foca, Mauritio, Theodosia, Honoria, Siroe, Emiliano, Prisco, Arconte, Aspasia, Idreno, Eurillo] [Nr. 9023] (Sartori: „= Venezia 1671 con l’aggiunta del Prologo e di alcune scene“) 1674 IL GENSERICO. Melodrama rappresentato nel Real Palazzo a 6 di novembre giorno del compleannos del re nostro sig. che Dio guardi. Consecrato all’eccellentissimo […] marchese d’Astorga vicerè di Napoli, etc. – T: Nicolò Beregani (?), M: ? [Gensericus, Eudossia, Frasimondo, Honorico, Theodora, Massimo, Placidia, Odoacre, Zeffa, Leontio, Flavio, Delbo] [Nr. 11536] (vgl. Venedig 1669) 1675 ATTILA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di San Bartolomeo consecrato all’eccellentiss. sig. marchese Dastorga vicerè di Napoli etc. – T: Matteo Noris, M: Pietro Andrea Ziani [Attila, Orone, Liso, Valentiniano, Onoria, Massimo, Filistene, Theodorico, Irene, Torismondo, Desba, Apollo] [Nr. 3450] (Sartori: „= Venezia 1672“) 1677 IL TEODOSIO. Melodramma per musica da rappresentarsi in Palazzo nella Sala de’ Vicerè in questi ultimi giorni di carnevale del presente anno 1677. Con un nuovo Prologo e Tramezzi posti nel fine dell’opera in questa seconda impressione. Dedicato a D. Fernando Ioachin Faxardo vicerè. – T: ?, M: ? [Nr. 23038] 1684 IL GIUSTINO. Melodrama da rappresentarsi per lo compleannos di Carlo II monarca delle Spagne nel Regal Palaggio. Dedicato all’eccellentissimo signor D. Gaspar d’Haro e Gusman, marchese del Caspio, vicerè e capitan generale nel regno di Napoli. – T: Nicolò Beregani, ? (Adaptation), M: Giovanni Legrenzi, Alessandro Scarlatti (Adaptation) [Anastasio, Arianna, Giustino, Vitaliano, Andronico, Eufemia, Amantio, Ombra di Vitaliano seniore, Brillo, Polimante, Erasto, Fortuna, Allegrezza] [Nr. 12360] (06. 11. 1684) (Sartori: „= Venezia 1683, ma con in più il Prologo e con alcune scene mutate“) 1686 L’ETIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Real Palazzo. Dedicata all’ eccellentissimo […] D. Gasparo d’Aro y Guzman, etc. viceré e capitan generale in questo Regno. – T: Adriano Morselli (L’innocenza risorta overo Etio, Venedig 1683), Filippo Schorr ?, M: Alessandro Scarlatti ? [Etio, Eudossia, Massimo, Flavia, Fabio, Gilba, Onorio, paggio d’Etio] [Nr. 9339] (14. 02. 1686) 1686 L’OLIMPIA VENDICATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Real Palazzo per lo compleannos della regina madre D. Marianna d’Austria […]. Dedicata all’eccellentissimo […] D. Gasparo d’Aro y Guzman […] vicerè e capitan generale in questo regno. – T: Aurelio Aureli, M: Alessandro Scarlatti [Olimpia, Bireno, Oberto, Alinda, Osmiro, Araspe, Niso, Nespa] [Nr. 16930] (23. 12. 1686) (vgl. Venedig 1682) ( 1687 IL RODERICO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di San Bartolomeo l’anno 1687. Consecrato all’eccellentiss. signor D. Gasparo d’Aro y Guzman, marchese del Carpio etc. viceré e capitan generale in questo regno. – T: Giovanni Battista Bottalino ?, M: ? [Sancio, Roderico, Anagilda, D.Giuliano, Florinda, Ulit, Zilauro, Lesbia, Bubo] [Nr. 20075] 1688 IL FLAVIO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Regio Teatro di Napoli alli 6 di novembre 1688, giorno del compleanos del re nostro signore Carlo Secondo, che Dio guardi. Consacrato all’eccellentiss. […] D. Francesco Benavides, conte di Santo

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Stefano, vicerè di Napoli, etc. – T: Matteo Noris (Il re infante, Venedig 1683), M: Alessandro Scarlatti [Flavio, Liutberto, Rodoaldo, Sestilia, Ergisto, Anna, Ariberto, Drosilla, Enrico, Ricimero, Aristene, Gildo, Orilla] [Nr. 10705] (17. 11. 1688) L’AMAZONE CORSARA O VERO L’ALVILDA. Drama da rappresentarsi nel regal palazzo per lo compleannos del re nostro sig. Carlo Secondo monarca delle Spagne che Dio guardi in tempo de suoi regii sponzali colla maestà di Marianna di Neuburgo. Consecrato all’eccellentiss. Sig. D. Francesco Benavides […] vicerè e capitan generale in questo Regno. – T: Giulio Cesare Corradi, ? (Adaptation), M: ? [Nr. 1175] (06. 11. 1689) (Sartori: „= Venezia 1686, con in più il Prologo, Felba e Dorco che sostituiscono Irena e Delfo con versi nuovi; non tiene conto di Bologna 1688“) TEODORA AUGUSTA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Regal Palazzo per lo compleanos del re nostro signore Carlo II. dedicata all’ […] sig. D. Francesco di Benavides conte di S. Stefano, vicerè e capitan generale in questo regno, ecc. – T: Adriano Morselli, M: Alessandro Scarlatti [Nr. 23023] (06. 11. 1692) (vgl. Venedig 1686) FLAVIO CUNIBERTO. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro di S. Bartolomeo nell’anno 1693. Consecrato a D. Francesco Benavides vicerè di Napoli. – T: Matteo Noris, M: Alessandro Scarlatti (1. Fassung) [Nr. 10720] (10.11. 1693) (vgl. Venedig 1682) ALFONSO IL SESTO RE DI CASTIGLIA. Melodrama da rappresentarsi nel Regal Palaggio per lo Compleannos della Maestà Cattolica di Carlo II. re delle Spagne. Consecrato all’eccellentiss. sig. D. Francesco De Benavides […] vicerè e capitan generale in questo Regno, etc. – T: Matteo Noris, ? (Adaptation), M: Alessandro Scarlatti ? [Monarchia di Spagna, Giunone, Lucina, Alfonso, Teoderico, Enrico, Gubaldo, Gelinda, Attilia, Ariene, Zelto] [Nr. 899] (06. 02. 1694) (vgl. Alfonso primo, Venedig 1694) L’ODOACRE. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro di S. Bartolomeo nell’anno 1694. Consecrato all’eccellentiss. […] Francesco Benavides conte di S. Stefano ecc. vicerè e capitan generale in questo regno. – T: Novello Bonis, M: Alessandro Scarlatti [Odoacre, Alceste, Ormonte, Theodorico, Fausta, Fulvio, Giunia, Celso, Nesso, Flacco] [Nr. 16891] (09. 01. 1694) (vgl. Venedig 1680) ODOARDO. Drama per musica D.A.Z. [di Apostolo Zeno ?] da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo di Napoli in quest’anno 1700. Dedicato all’illustrissima […] D. Maria de Giron y Sandoval, duchessa di Medina-Coeli etc. – T: Apostolo Zeno, ? (Adaptation), M: Alessandro Scarlatti [Odoardo, Edvino, Metilde, Gismonda, Riccardo, Enrico, Lesbina, Adolfo] [Nr. 16894] (05. 05. 1700) (vgl. Venedig 1698) I RIVALI GENEROSI. Drama per musica da recitarsi nel Real Palazzo per il compleannos del re nostro sig. e nel Teatro di S. Bartolomeo di Napoli in quest’anno 1700. Dedicato all’illustriss. […] D. Maria de Gyron y Sandoval duchessa di MedinaCeli, vice-regina di Napoli. – T: Apostolo Zeno, Francesco Maria Paglia, M: Filippo Maria Collinelli [Belisario, Elpidia, Olindo, Ormonte, Vitige, Rosmilda, Alarico, Elisa, Goro] [Nr. 20025] (Sartori: „Rifacimento di Fr. M. Paglia del libretto dello Zeno“) TIBERIO IMPERATORE D’ORIENTE. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Palazzo e nel Teatro di S. Bartolomeo, per il felice arrivo in questa fedelissima città di Napoli del gran monarca Filippo V. nostro re e signore che Dio guardi. – T: Giovanni Domenico Pallavicino, ? (Adaptation), M: Alessandro Scarlatti [Tiberio, Sofia, Anastasia, Giustiniano, Cleante, Maurizio, Valente, Lesbina, Milo] [Nr. 23119] (08. 05. 1702) (vgl. Venedig 1702) IL GIUSTINO. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Palazzo in quest’anno 1703 per il giorno natalizio di Filippo Quinto. Dedicato a […] il marchese di Villena vicerè. – T: Nicolò Beregani, Giulio Convò, M: Domenico Scarlatti [Giustino, Arianna, Anastasio, Vitaliano, Andronico, Eufemia, Amantio, Polimante, Gelinda, Brillo] [Nr. 12371] L’IRENE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo di Napoli dedicato all’illustriss. […] D. Mercurio Antonio Lopez […] capitano delle Guardie Alemane, figlio del eccell. […] duca d’Ascalona […] vicerè e capitan generale in questo

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regno di Napoli. – T: Girolamo Frigimelica Roberti, Nicola Barbapiccola, M: Carlo Francesco Pollarolo, Domenico Scarlatti [Memete II., Irene, Demetrio, Dejanira, Solimano, Hali, Alete, Lesbia, Dori, Nuto] [Nr. 13642] (vgl. Venedig 1694/95) LA GRISELDA. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro di S. Bartolomeo nell’està del 1706. Dedicato all’illustriss. […] signora D. Catarina de Moscosas, Ossorio, Urtado, de Mendoza […] viceregina nel regno d’Aragona. – T: Apostolo Zeno, Carlo De Petris, M: Tommaso Albinoni, Domenico Sarro [Gualtiero, Griselda, Costanza, Corrado, Ruberto, Ottone, Elpino, Pernella] [Nr. 12520] (Adaptation; Vorlage Florenz 1703) LA FEDE TRADITA E VENDICATA. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro di S. Bartolomeo in questo presente anno. Dedicato all’eccellentissimo […] Wirrico di Daun […] viceré e capitan generale di questo regno di Napoli. – T: Francesco Silvani, Carlo De Petris, M: Francesco Gasparini, Giuseppe Vignola [Ricimero, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Vitige, Edelberto, Lesbina, Milo] [Nr. 9906] (Adaptation; Vorlage Venedig 1704) L’AMOR GENEROSO. Drama per musica da rappresentarsi nel nuovo Teatro detto di S. Gio. de’ Fiorentini del sig. A. Z.[eno] dedicato all’eminentiss. […] sig. Vincenzo sotto il titolo di S. Eustachio, della S.R.C. diacono Cardinal Grimani, di sua M. C. intimo consigliere e in questo Regno vicerè, luogotenente e capitan generale. – T: Apostolo Zeno, ? (Adaptation), M: Francesco Gasparini, Giuseppe de Bottis [Alvilda, Frilevo, Aldano, Girita, Asmondo, Sivardo, Vespetta, Carino] [Nr. 1391] (Adaptation; Vorlage Venedig 1707) IL MAURIZIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo dedicato all’eminentiss. principe Vincenzo sotto il titolo di S. Eustachio, della S.R.C. diacono cardinal Grimani […] in questo regno vicerè, luogotenente e capitan generale. – […] Il Dramma è di Nicolò Minati. Le scene buffe e tutte l’arie col segno % sono dell’Abb. Papis. – T: Nicolò Minato, Giuseppe Papis, M: Antonio Orefici [Tiberio II., Maurizio, Cosdroe, Ergilda, Placilla, Cirene, Ircano, Bellina, Lenno] [Nr. 15288] (vgl. Il Mauritio, Venedig 1687) L’ENGELBERTA O SIA LA FORZA DELL’INNOCENZA. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Palazzo in occasione di festeggiare il glorioso nome di Carlo III monarca delle Spagne, etc. Dedicato all’eminentiss. […] cardinale Grimani, vicerè, luogotenente, e capitan generale in questo regno. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Antonio Orefici u. Francesco Mancini [Lodovico II., Engelberta, Metilde, Bonoso, Ernesto, Arrigo, Ottone] [Nr. 8924] (04. 11. 1709) (Sartori: „= Milano 1708, ma diviso in 3 atti e con quasi tutte le arie mutate“) (vgl. Venedig 1708) TEODORA AUGUSTA. Drama per musica da rappresentarsi nel Nuovo Teatro detto de’ Fiorentini nel corrente anno 1709. Dedicato al principe Vincenzo sotto il titolo di S. Eustachio della S.R.C. diacono cardinal Grimani in questo regno vicerè. – T: Adriano Morselli, ? (Adaptation), M: Giuseppe Vignola [Teodora, Osmano, Lotario, Clitarco, Antemio, Romilda, Calista, Niso] [Nr. 23027] (vgl. 1692) IL TEODOSIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo. Dedicato all’eminentissimo […] Vincenzo, sotto il titolo di S. Eustachio della S.R.C. diacono cardinal Grimani vicerè. – T: Vincenzo Grimani (?), M: Alessandro Scarlatti [Teodosio, Pulcheria, Valentiniano, Lireno, Isdegarde, Berenice, Oronte, Dorilla, Delbo] [Nr. 23041] (28. 01. 1709) (vgl. Venedig 1699) LA PASTORELLA AL SOGLIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel dì 4 novembre 1710 giorno festivo del nome dell’invitto monarca Carlo III. re delle Spagne. Dedicato al […] conte Carlo Borromeo, vicerè e capitan generale. – […] Il Drama è postuma fatica di Giulio Cesare Corradi al quale si è aggiunta la parte di Drusilla e tolto, aggiunto e variato qualche cosa per uniformarsi al genio de’ rappresentanti e della città in cui si rappresenta […]. – T: Giulio Cesare Corradi, ? (Adaptation), M: Antonio Orefici [Odoardo, Sigisberto, Mitilde, Egina, Arideo, Falasco, Drusilla] [Nr. 18140] (vgl. Venedig 1702)

365 1710 LA PRINCIPESSA FEDELE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo per il carnevale dell’anno 1710. Dedicato all’eminentissimo […] cardinal Grimani viceré, luogotenente […] in questo regno. – […] Amico Lettore: Se ritroverai il presente Drama in qualche parte diverso dal suo primo Originale rappresentato nel passato autunno in Venezia […] essendo stato necessario l’intricarsi le Parti Buffe come anche variare il fine per renderlo secondo il costume di questa città […]. – T: Agostino Piovene, ? (Adaptation), M: Alessandro Scarlatti [Aladino, Rosana, Ridolfo, Cunegonda, Arsace, Ernesto, Gerina, Mustafà] [Nr. 19131] (07. 02. 1710) (vgl. Venedig 1709) 1711 AMBLETO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di San Bartolomeo il dì 4 Novembre 1711 in cui si festeggia il glorioso nome di S.M. Cat. Carlo III. Monarca delle Spagne e sesto imperatore eletto. Consacrato all’illustriss. […] co. Carlo Borromeo vicerè, luogotenente e capitan generale in questo Regno. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, ? (Adaptation), M: Francesco Gasparini, Giuseppe Vignola [Ambleto, Veremonda, Fengone, Gerilda, Ildegarde, Valdemaro, Siffrido, Grilletta, Linco] [Nr. 1213] (Adaptation; Vorlage Venedig 1705; Sartori: „= Venezia 1705, con mutamenti di arie e con l’aggiunta delle scene buffe di Linco e Grilletta“) 1711 FLAVIO ANICIO OLIBRIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel carnevale dell’anno 1711. Consagrato all’illustriss. […] principe D. Antonio Tolomeo Triulzio degnissimo nipote e capitano delle guardie alemane dell’illustriss. […] Co. Carlo Borromei vice-re e capitan generale in questo Regno. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, ? (Adaptation), M: Nicola Porpora [Flavio Anicio Olibrio, Placidia, Ricimero, Teodelinda, Fedele, Olderico, Perletta, Niso] [Nr. 10708] (01. 1711) (vgl. Venedig 1707) 1711/ L’ERACLIO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel 1712 presente anno 1711. Dedicato all’illustriss. […] contessa Camilla Barberini Borromei, viceregina in questo regno. – T: ?, M: Giuseppe de Bottis [Foca, Eraclio, Maurizio, Teodosia, Onoria, Cleomene, Belinda, Rullo] [Nr. 9028] (Sartori: „Testo diverso dai precedenti“) 1712 LA FORZA DEL SANGUE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo il dì 26 di ottobre 1712. Consegrato all’eccellentissimo […] conte Carlo Borromeo vice-re e capitan generale in questo regno. – T: Francesco Silvani, ? (Adaptation), M: Antonio Lotti, Giuseppe Vignola [Zoe, Foca, Elena, Argiro, Eraclio, Basilio, Alessandro, Delfina, Blesso] [Nr. 10839] (Adaptation; Vorlage Venedig 1711) 1712 LA VITTORIA D’AMOR CONIUGALE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo il dì 15 di dicembre 1712. Consecrato al conte Carlo Borromeo vice rè. – […] Amico lettore: Benche dalla penna di ben dotto autore uscito fosse il presente Drama è convenuta, per adattarlo al gusto di questa città mutarsi in esso quasi tutto il Recitativo sì perchè la necessità di porvisi le scene buffe […]. Vi sono anche tolte ed aggiunte molte arie […]. La musica di tutto il Recitativo, delle scene buffe e dell’arie è parto del maestro di cappella signor Carmino Giordano […]. – T: Francesco Briani (Isacio tiranno, Venedig 1710), ? (Adaptation), M: Carmino Giordano [Isacio, Ricardo, Costanza, Pulcheria, Oronte, Berardo, Tristano, Rosetta, Malorco] [Nr. 25110] 1713 BASILIO RE D’ORIENTE. Drama per musica da rappresentarsi nel Nuovo Teatro de’ Fiorentini nel giugno 1713. Dedicato a […] il conte Wirrico di Daun vice-re e capitan generale in questo Regno di Napoli etc. – T: Giovanni Battista Neri, Bernardo de Dominici, M: Nicola Porpora [Basilio, Leone, Doristo, Placidia, Flavia, Bareno, Dorilla, Nesso] [Nr. 3826] (24. 06. 1713) (vgl. Venedig 1696) 1713 IL COMANDO NON INTESO ET UBBIDITO. Drama per musica da rappresentarsi nel Nuovo Teatro de’ Fiorentini nel maggio 1713. Consagrato a […] il conte Carlo Borromeo vice-rè e capitan generale in questo regno di Napoli. – T: F. Silvani, Nicola Giuvo, M: Antonio Lotti, Domenico Sarro [Zoe, Isacio, Teodora, Argiro, Costantino, Maniace, Spilletta, Frullo] [Nr. 5930] (15. 05. 1713) (Adaptation; Vorlage Venedig 1709; Sartori: „= Venezia 1709, con arie e molti recitativi mutati e l’aggiunta delle scene buffe“)

366 1714/ VINCISLAO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo il dì 26 1715 decembre 1714. Consagrato al conte Wirrico di Daun principe di Teano vicerè. – T: Apostolo Zeno (Venceslao), M: Francesco Mancini [Vincislao, Casimiro, Alessandro, Erenice, Ernando, Lucinda, Gerilda, Gildo] [Nr. 24459] (vgl. Venedig 1703) 1715 IL DUELLO D’AMORE E DI VENDETTA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo il giorno 19 novembre 1715 in cui si festeggia il glorioso nome di S. M. Ces. e Cat. Elisabetta Cristina imperatrice regnante. Consagrato all’ eccellentissima […] Maria Barbara d’Erbestein principessa di Teano […] viceregina in questo regno etc. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Feo (Pasticcio) [Rodrigo, Esilena, Evinco, Florinda, Giuliano, Fernando, Lauretta, Corrado, Bambino] [Nr. 8610] (Strohm 1976/II, S. 300: „Von Feo veranstaltetes Pasticcio, Textvorlage Venezia 1700“; Sartori: „= Venezia 1700, con molte arie mutate; 27 sono le arie del Feo“) 1716 CARLO RE D’ALEMAGNA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel carnevale dell’anno 1716. Dedicato all’illustriss. […] conte Leopoldo di Daun, degnissimo figlio di questi eccellentissimi signori viceregnant. – T: Francesco Silvani (L’innocenza giustificata), Giuseppe Papis, M: Alessandro Scarlatti [Lotario, Adalgiso, Giuditta, Gildippe, Berardo, Asprando, Carlo, Armilla, Bleso] [Nr. 5114] (26. 01. 1716) (Sartori: „= Bologna 1713, con tutte le arie mutate e diversi gli Intermezzi“) [= Karl der Kahle, Sohn Judiths u. Ks. Ludwigs des Frommen] 1717 IL GRAN CID. Drama per musica da rappresentarsi nel Regio Teatro di S. Bartolomeo nel corrente carnevale 1717. All’eccellentiss. […] conte Ferdinando di Daun degnissimo figlio degl’eccellentiss. […] viceregnanti in questo regno. – T: Giovanni Giacomo Alborghetti, M: Francesco Gasparini [Ferdinando I., Leonora, Cimene, Duarte, Diego, Rodrigo, Garzia] [Nr. 12452] 1718 ARMIDA AL CAMPO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel carnevale dell’anno 1718. – T: Francesco Silvani, M: Domenico Sarro [Nr. 2757] (13. 02. 1718) (vgl. Venedig 1708) 1718 LA FEDE NE’ TRADIMENTI. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nella state dell’anno 1718. Consacrato all’illustriss. […] Wirrico conte di Daun vicerè e capitan generale in questo regno. – T: Girolamo Gigli, Giuseppe Papis, M: Domenico Sarro [Garzia, Anagilda, Fernando, Elvira, Rosicca, Padiglio] [Nr. 9882] (25. 05. 1718) (Sartori: „= Firenze 1697, con arie e recitativi mutati“) 1718 RINALDO. Drama per musica da rappresentarsi nella gran sala del Real Palazzo il dì 1 ottobre 1718 in cui si festeggiano gli anni di S. M. ces. e catt. Carlo VI. Consagrato al conte Wirrico di Daun, viceré e Cap. Gen. in questo regno. – […] Lo Stampatore a chi legge: […] Musica del signor Giorgio Federico Hendel, che primo la pose in musica. Molte scene aggiuntevi come ancora tutte le buffe, quali ritroverai segnate con il % sono musica del sign. Leonardo Leo, che n’ebbe il pensiero di diriggerla. – T: Aaron Hill/Giacomo Rossi, ? (Adaptation), M:. Georg Friedrich Händel, Leonardo Leo [Vittoria, Armida, Goffredo, Almirena, Rinaldo, Argante, Eustazio, Lesbina, Nesso] [Nr. 19845] (Adaptation; Vorlage London 1711) (Sartori: „= Londra 1711, con arie mutate + le arie del Leo“) 1719 ARMIDA ABBANDONATA. Dramma per musica da rappresentarsi nella gran sala del Real Palazzo il dì 1 ottobre 1719 per festeggiare il giorno natalizio di S. M. ces. e cat. Carlo VI. per ordine dell’eminentiss. […] cardinale Wolfgango Annibale di Schrattembach […] luogotenente e capitan generale in questo regno. – T: F. Silvani, M: Michele Falco [Armida, Rinaldo, Tancredi, Erminia, Ubaldo, Dano, Rambaldo, Filomaco, Amaranto, Fantasma di Clorinda, Ferinda; Prolog: Apollo, Clio, Euterpe, Erato, Melpomene, Talia, Terpsicore, Polimnia, Urania, Calliope] [Nr. 2727] (vgl. Venedig 1707) 1719 FARAMONDO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo il giorno 19 novembre 1719 in cui si festeggia il gloriosissimo nome di S. M. ces. e cat. Elisabetta imperadrice regnante. Consagrato all’eminentiss. […] cardinale Wolfango Annibale di Schrattembach […] vicerè, luogotenente e capitan generale in questo regno. – T: Apostolo Zeno, ? (Adaptation), M: Nicola Porpora [Faramondo, Gustavo, Rosi-

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monda, Adolfo, Clotilde, Gernando, Teobaldo, Childerico, Merilla, Gilbo] [Nr. 9722] (vgl. Venedig u. Florenz/Pratolino 1699) GINEVRA PRINCIPESSA DI SCOZIA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel carnevale dell’anno 1720. Consagrato all’eminentissimo […] Wolfango Annibale di Schrattembach del titolo di S. Marcello […] vice-rè, luogotenente e capitan generale in questo regno. – T: Antonio Salvi, ? (Adaptation), M: Domenico Sarro [Donaldo, Ginevra, Ariodante, Dalinda, Polinesso, Lurcanio, Odoardo, Brunetta, Burlotto] [Nr. 11864] (vgl. Florenz/Pratolino 1708) BAJAZETE IMPERADOR DE’ TURCHI. Dramma traggico da rappresentarsi nel Real Palazzo di questa città festeggiandosi il felicissimo giorno natalizio […] di Elisabetta Cristina imperatrice regnante. Consacrato all’eminentissimo […] cardinale Michele Federico d’Althann viceré luogotenente e capitan generale in questo Regno. – […] Poesia di B. Saddumene dal Tamerlano di A. Piovene. […] Tutti li recitativi, Scene buffe e l’arie segnati con questo segno + sono composizione del signor Lionardo Leo. – T: Agostino Piovene, Bernardo Saddumene, M: Leonardo Leo u. a. (von Leo arrangiertes Pasticcio) [Bajazet, Asteria, Tamerlano, Irene, Andronico, Idaspe, Venturina, Sciarappa] [Nr. 3658] (28. 08. 1722) L’ERNELINDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel dì 4 novembre 1726, giorno in cui si celebra il nome dell’augustissimo cesare Carlo VI. il grande imperador de romani. Dedicato all’eminentissimo […] cardinale MicheleFederico d’Althann vice-rè, luogotenente e capitan generale in questo regno, etc. – T: Francesco Silvani (La fede tradita e vendicata), Carlo De Palma, M: Leonardo Vinci [Ricimero, Vitige, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Edelberto, Rosmene, Erighetta, D. Chilone] [Nr. 9166] LA LUCINDA FEDELE. Dramma per musica del signor Apostolo Zeno da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo in questo carnevale del corrente anno 1726. Dedicato al […] card. Michele Federico d’Althann vicerè. – T: Apostolo Zeno (Venceslao), ? (Adaptation), M: Giovanni Porta [Vincislao, Casimiro, Erenice, Lucinda, Alessandro, Ernando, Gildo, Pancrazio, Fiammetta] [Nr. 14430] (vgl. Vincislao, 1714) FLAVIO ANICIO OLIBRIO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo in questo anno 1728. Consecrato […] a D. Luiggi, Tommaso, Raimondo conte di Harrach. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, ? (Adaptation), M: Leonardo Vinci [Flavio Anicio, Placidia, Massimo, Ricimero, Teodelinda, Olderico] [Nr. 10713] (frühere Aufführung 1711 mit der Musik von Porpora) L’ULDERICA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo nel carnevale di quest’anno 1729. Consegrato all’eccellentissima […] Ernestina Margarita contessa di Harrach, nata contessa di Dietrichstein e viceregina di questa città e regno. – T: ?, M: Johann Adolf Hasse [Ulderica, Olao, Roderico, Regnero, Ildegonda, Sigeberto, Asmondo] [Nr. 24203] EZIO. Dramma per musica di Pietro Metastasio romano fra gli Arcadi Artino Corasio, da rappresentarsi nel Teatro di S. Bartolomeo in quest’anno 1730. Dedicato all’ eccellentissimo […] D. Luiggi, Tommaso, Raimondo conte di Harrach […] vicerè, luogotenente e capitan generale del regno di Napoli. – T: Pietro Metastasio, M: Johann Adolf Hasse [Valentiniano III., Fulvia, Ezio, Onoria, Massimo, Varo] [Nr. 9469] (vgl. Venedig 1728)

Dubowy, Norbert, Scarlatti, 1. (Pietro) Alessandro (Gaspare), in: 2MGG Personenteil, Bd. 14 (2005), Sp. 1069–1108. Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Strohm, Reinhard, Italienische Opernarien des frühen Settecento (1720–1730), 2 Bde, Köln 1976 (Analecta Musicologica 16).

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Paris (Académie Royale de Musique/Hof von Versailles, 1671 bis ca. 1740) 1684 AMADIS [DE GAULE]. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Philippe Quinault, M: Jean-Baptiste Lully [Hauptpersonen: Oriane, Arcabonne, Amadis, Florestan] [Lajarte, Nr. 16] (EA Paris 18. 01. 1684, Versailles 05. 03. 1685; WA 1687, 1701, 1707, 1718, 1731, 1740) (Titelaufnahme nach Théodore de Lajarte 1878) 1685 ROLAND. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Ph. Quinault, M: J.-B. Lully [Angélique, Thémire, Roland, Médor] [Lajarte, Nr. 17] (EA Versailles 08. 01. 1685, Paris 08./09. 03. 1685; WA 1686, 1690, 1691, 1705, 1706, 1709, 1716, 1727, 1743) 1686 ARMIDE. Tragédie en 5 actes et un prologue. – T: Ph. Quinault, M: J.-B. Lully [Armide, Sidonie, Phénice, Renaud, Hidraot, la Haine] [Lajarte, Nr. 21] (EA Paris 15. 02. 1686; WA 1687, 1692, 1697, 1703, 1713, 1714, 1724, 1746) 1699 AMADIS DE GRÈCE. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Antoine Houdard de La Motte, M: André Cardinal Destouches [Lajarte, Nr. 49] (EA Paris 26. 03. 1699 [?], WA 1711, 1724, 1745) 1702 TANCRÈDE. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Antoine Danchet, M: André Campra [Clorinde, Tancrède, Herminie, Argant, Isménor] [Lajarte, Nr. 60] (EA Paris 07. 11. 1702; WA 1707, 1717, 1729, 1738) 1705 ALCINE. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: A. Danchet, M: A. Campra [Alcine, Mélanie, Athlante, Astolphe] [Lajarte, Nr. 66] (EA Paris 15. 01. 1705; WA –) 1707 BRADAMANTE. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Pierre-Charles Roy, M: La Coste [Lajarte, Nr. 72] (EA Paris 02. 05. 1707; WA – ) 1722 RENAUD OU LA SUITE D’ARMIDE. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Simon-Joseph de Pellegrin, M: Henri Desmarets [Lajarte, Nr. 102] (EA Paris 05. 03. 1722; WA – ) 1735 SCANDERBERG. Tragédie lyrique en 5 actes et un prologue. – T: Antoine Houdard de La Motte, Jean-Louis-Ignace de La Serre, M: François Rebel, François Francœur [Roxane, Servilie, Scanderberg, le Muphti, Amurat; Prolog: Melpomène, la Magie] [Lajarte, Nr. 132] (EA Paris 27. 10. 1735; WA – ) La Gorce, Jérôme de, L’Opéra à Paris au temps de Louis XIV. Histoire d’un théâtre, Paris 1992. Lajarte, Théodore de, Bibliothèque musicale du Théâtre de l’Opéra. Catalogue historique, chronologique, anecdotique, 2 Bde, Paris 1878 (Nachdruck Genève 1969). Pitou, Spire, The Paris Opera. An Encyclopedia of Operas, Ballets, Composers, and Performers, 4 Bde, Westport/Connecticut u. London 1983–1990. Recueil général des opéras représentées par l’Académie Royale de Musique depuis son établissement, 3 Bde, Paris 1703–1746 (Nachdruck Genève 1971).

Stuttgart (bis 1737) 1698 ALARICH IN PULCHERIAM VERLIEBT. Sing-Spiel. Auf dem Hoch-Fürstl. Würtembergischen Schau-Platz vorgestellet. – T: Nothnagel ?, M: Johann Christian Schiefferdecker ? [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-Sl} (vgl. Hamburg 1702) 1698 ERMINIA. ODER: DIE IN LIEBE VERWANDELTE WIDERWERTIGKEIT / In einem Schaefer-Spiel Vorgestellt Auf den Hoch-Fürstlichen Geburts-Tag Der Durchleuchtigsten Fürstin und Prinzeßin Prinzeßin Eberhardina Ludovica, Herzogin zu Wirtemberg und Teck / Gräfin zu Mömpelgart / Herrin zu Heidenheim / etc. Den 11. Octobr. 1698. Stuttgart. – T: ?, M: ? [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-Sa} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1701 MECHTILDE. Zu Ehren Der Durchleucht. Fürstin und Frauen / Frauen / Johanna Elisabetha. Herzogin zu Würtemberg und Teck / [...] Und dann Der Durchleucht.

369 Fürstin und Princessin / Princessin Eberhardina Ludovica, Herzogin zu Würtemberg und Teck [...] Als Dero Beyder Hochfürstl. Geburts-Fest / Den 11. Octobris 1701. auf einen Tag höchst-feyrlich celebrirt wurde. – T: Gottlieb Fiedler (nach Ortensio Mauro, Henrico Leone, Hannover 1689), M: Agostino Steffani {D-Sa, A 21 Bü 635} (vgl. Hertzog Henrich der Löwe, Hamburg 1696) Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen, Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Krauß, Rudolf, Das Stuttgarter Hoftheater von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Stuttgart 1908.

Venedig (bis ca. 1740) 1639 L’ARMIDA. Del sig.r Benedetto Ferrari rappresentata in musica in Venetia l’anno 1639. Al serenissimo Francesco Erizzo doge di Venetia dedicata. Con licenza de Superiori e privilegio. – T: u. M: Benedetto Ferrari [Sartori (wie im weiteren), Nr. 2669] {I-Vnm} (Teatro SS. Gio. e Paolo) [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1648 LA TORILDA. Dramma del Rincorato [= Pietro Paolo Bissari], per i moderni teatri. – T: Pietro Paolo Bissari, M: Francesco Cavalli [Personen: Satiro, Nuto, Orcane, Rosinda, Scarino, Albinda, Grimone, Adolfo, Baldera, Florineo, Torilda, Athero, Arione, L’Inganno, Il Tempo, Il Sole, Ecate, Amore, Il Sonno] [Nr. 23344] {I-Vnm, Dramm. 915.7; D-W} [nordisch-,gotisches‘ Sujet; nach Saxo Grammaticus, Gesta Danorum ?] 1650 LA BRADAMANTE. Del Co. Pietro Paolo Bissari. Drama per musica nel Teatro Grimano [SS. Gio. e Paolo]. – T: Pietro Paolo Bissari, M: Francesco Cavalli [Bradamante, Atlante, Angelica, Carlo, Amone, Ruggiero, Orlando, Fioretto, Fiordispina, Astolfo, Alcina, Rodomonte] [Nr. 4124] {I-Vnm, D-Mbs} [nach Ariosto, Orlando furioso] 1652 VEREMONDA L’AMAZZONE D’ARAGONA. Drama ridotto in nuova forma dal signor Luigi Zorzisto [= Giulio Strozzi], per esser honorato di musica dal signor Francesco Cavalli. Dedicato all’illustriss. signor cav.re il signor di Gremonville. – T: Giulio Strozzi, M: Francesco Cavalli [Zelemina, Zaide, Delio, Zeriffo, Re d’Aragona, Roldano, D. Buscona, Veremonda, Vespina, Vendetta, Amore, Furore, Sergente maggiore, Giacutte] [Nr. 24633] {I-Vnm, Dramm. 919.7} (vgl. Neapel 1652) [vermutlich fiktiver Stoff] 1658 IL MEDORO. Drama per musica di Aurelio Aureli nel Teatro a SS. Gio. e Paolo. Favola quarta. Dedicata alle serenissime altezze di Giorgio Guglielmo et Ernesto Augusto, duchi di Bransvich e Luneburgh. – T: Aurelio Aureli, M: Francesco Luccio [Medoro, Angelica, Oronte, Sacripante, Leno, Leomede, Euristo, Brillo, Auristella, Miralba, Brimarte, im Prolog: La Gelosia, Il Tradimento, Hecate, Atlante, Il Sole] [Nr. 15378] {I-Vnm, Dramm. 923.3} [nach Ariosto, Orlando furioso] 1668 L’AMOR DELLA PATRIA SUPERIORE AD OGN’ALTRO. Dramma musicale del sig. Francesco Sbarra. – T: Francesco Sbarra, M: ? [Emilio, Fabio, Aronte, Ariberto, Matilde, Elisa, Lisarda, Filindo, Orminio, Narsete, Artabano, Tersite, Vafrino] [Nr. 1340] {I-Vnm D-Mbs} (vgl. München 1665) [Belagerung der toskanischen Stadt Aurelia durch Narses, den Feldherrn Ks. Justinians I.] 1669 IL GENSERICO. Melodramma da rappresentarsi nel famoso Theatro Grimano a SS. Gio. e Paolo l’anno 1669. Consacrato all’altezza serenissima di madama Benedetta

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nata principessa elettorale palatina duchessa di Bransvich e Luneburgo etc. – T: Nicolò Beregani, M: Marc’ Antonio Cesti (?), Giovanni Domenico Partenio (?) [Genserico (Re de Vandali), Eudossa (Imperatrice di Roma), Trasimondo, Honorico, Theodora, Massimo (Tiranno di Roma), Placidia (Figliuola dell’Imperatore), Odoacre (Generale di Massimo), Zelfa, Leontio, Flavio, Delbo, Artemidoro] [Nr. 11535] {I-Vnm D-HVl -W} L’ADELAIDE REGIA PRINCIPESSA DI SUSA. Dramma musicale da Gio. Battista Rodoteo veneto. – T: Gio. Battista Rodoteo, M: Giulio Riva [Nr. 305] {I-Vnm, Dramm. 937.5} (Teatro ai Saloni) (vgl. München 1669) [= Adelheid, Gfn. v. Turin, †1091 ?] L’ERMENGARDA REGINA DE’ LONGOBARDI. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro Grimano a SS. Gio. e Paolo l’anno 1670. Dedicata alla prottetione del benigno lettore. – T: Pietro Dolfin, M: Antonio Sartorio [Ermengarda, Ridolfo, Giudo, Lamberto, Ema, Lerno, Ardelinda, Genutio, Oribante, Lesbia, Glipo] [Nr. 9146] {I-Vnm, Dramm. 937.1} [= Tochter Bertas u. Adalberts II. v. Tuszien, 10. Jh., entsprechend der Herleitung im Argomento] L’HERACLIO. Melodrama da rappresentarsi nel Theatro Grimano di SS. Gio. e Paolo l’anno 1671. Consacrato all’altezza serenissima del sig. duca Ernesto Augusto di Bransvich, Luneburgo, Osnapruch etc. – T: Nicolò Beregani, M: Pietro Andrea Ziani [Heraclio, Foca, Mauritio, Theodosia, Honoria, Siroe, Emiliano, Prisco, Arconte, Aspasia, Idreno] [Nr. 9021] {I-Vnm D-Mbs} [= Ks. Herakleios; Byzanz, 1. Hälfte des 7. Jhs.] L’ADELAIDE Drama per Musica, Da Rappresentarsi nel Teatro Vendramino à San Saluatore. L’Anno M.DC.LXXII. Consacrato All’Altezza Sereniss. Del Prencipe Gio. Federico Duca di Bransuich, Luneburgo, &c. – T:. Pietro Dolfin, M: Antonio Sartorio [Adelaide, Berengario, Adalberto, Ottone, Annone, Gissilla, Delma, Armondo, Amedea, Lindo, Mineratore, Masnadiero, capitano d’Annone] [Nr. 278] {I-Vnm; D-W, Textb. Sammelbd 14 (2)} [Adelheid, Witwe Kg. Lothars v. Italien u. spätere Ksn., Ks. Otto I. (hier: Ottone secondo Imperator), Kg. Berengar II. u. Adalbert v. Italien] ATTILA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimano a SS. Gio. e Paolo l’anno 1672. Di Matteo Noris. Consacrato alle altezze […] principe e principessa di Monaco, duchi di Valentinese, etc. – T: Matteo Noris, M: Pietro Andrea Ziani [Nr. 3448] {I-Vnm, Dramm. 1156.1} TOTILA. Drama per musica nel famoso Teatro Grimano di SS.Gio. e Paolo l’anno 1676 di Matteo Noris. Consacrato all’altezza serenissima di Ferdinando Carlo duca di Mantova […]. – T: Matteo Noris, M: Giovanni Legrenzi, [Totila, Vitige, Teodato, Belisario, Lepido, Cina, Servio, Marzia, Publicola, Clelia, Desbo, Floro, 4 Isauri] [Nr. 23355] {D-W} [= Totila, Kg. der Ostgoten, um 550] I DUO TIRANNI AL SOGLIO. Drama per musica nel Teatro Vendramino di San Salvatore l’anno 1679. Di Matteo Noris. Consacrato alla S.C.R.M. di Leopoldo I imperatore. – T: Matteo Noris, M: Antonio Sartorio [Valentiniano (Imperator di Roma); Teodosio (vecchio suo Zio); Giunia; Emilio; Decio; Arbogasto, (capitano delle Romane legioni); Eugenio; Pronta; Teodelinda; Cosro; Sitalce; Sileno; Ombra di Teodosio; Selvaggio; Gerildo] [Nr. 8592] {I-Vnm D-W} [Ks. Valentinian II. u. Arbogast, Ende des 4. Jhs.] ERMELINDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Canareggio l’anno 1679 del nobil huomo sier Marco Morosini. Consecrata all’illustriss. […] Marco Contarini, dignissimo procurator di San Marco. – T: Marco Morosini, M: Carlo Sajon [Ermelinda (Regina d’Italia), Cuniberto (suo Sposo), Teodata (prima Dama di corte), Oronte, Ridonte, Aldone, Lesba, Erindo, Filbo] [Nr. 9137] {I-Vnm, Dramm. 947.4} [= Hermelinda, Gemahlin des langob. Kgs. Cunincpert † 700] L’ODOACRE. Drama per musica di Novello Bonis da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’anno 1680. Dedicato all’illustrissimo […] Leonida Zabarella nobile patavino. – T: Novello Bonis, M: Giovanni Varischino [Odoacre (Re degl’Eruli), Teodorico (Re de Goti), Fausta (Imperatrice), Ormonte, Alceste, Flacco, Giunia, Celso, Nesso] [Nr. 16882] {I-Vnm D-Mbs - W} [Odoaker u. Theoderich der Große]

371 1681 IRENE E COSTANTINO. Drama per musica nel Theatro Vendramino di S. Salvatore l’anno 1681. Dedicato all’illustrissimo […] Gio. Battista Mora nobile veneto. – T: Andrea Rossini, M: Antonio Zanettini [Irene, Costantino, Marzia, Prisco, Elisa, Attilio, Egisto, Araspe, Aceste] [Nr. 13649] {I-Vnm, Dramm. 950.5; D-W} [Irene u. Konstantin VI., Byzanz, 8. Jh.] 1682 CARLO RE D’ITALIA, Drama Per Mvsica Da Rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Grimano in S. Gio. Grisostomo. L’Anno M.DC.LXXXII. Di Matteo Noris. Cosacrato Alla Fortvna. – T: Matteo Noris, M: Carlo Pallavicino [Carlo, Stesicrea, Osiride, Adrasto, Cirene, Lucimoro, Agrimondo, Doride, Rodoaspe, Fornace, Ismeno, Lena, Fortuna, Nettuno, Glauco, Proteo, Tritone, Dori, Giove, Amore, Imeneo, Giunone, Plutone] [Nr. 5115] {I-Vnm, Dramm. 953.4; D-W} [= Ks. Karl III. † 888] 1682 FLAVIO CUNIBERTO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimano in S. Gio. Grisostomo l’anno 1682. Di Matteo Noris. Consacrato all’illustriss. […] conte Carlo Vicenzo Iovannelli […]. – T: Matteo Noris, M: Giovanni Domenico Partenio [Nr. 10715] {I-Vnm D-W} (WA 1687) [= Cunincpert, langob. Kg., † 700] 1682 OLIMPIA VENDICATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo l’anno 1682. Di Aurelio Aureli. Opera XXII. Consacrato all’altezza serenissima di Antonio Ulrico, duca di Bransvich e Luneburgo. – L’Auttore à chi legge. Il tradimento fatto da Bireno in amore ad Olimpia, fù invenzione del famoso Ariosto. La Vendetta fatta da la medesima contro il traditore suo amante è capriccio della mia debole penna. – T: Aurelio Aureli, M: D. Domenico Freschi [Nr.16927] {I-Vnm, Dramm. 951.6; D-W} [nach Ariosto, Orlando furioso] 1682/ OTTONE IL GRANDE. Drama per musica da recitarsi nel famoso Teatro de’ SS. Gio. 1683 e Paolo l’anno 1683 [Groppo, Allacci u. Galvani: 1682] di Francesco Valsini [= Francesco Silvani]. Dedicato all’illustriss. et eccellent. sig. Girolamo Veniero, figlio di S. eccell. il sig. Nicolò procuratore di S. Marco. – T: Francesco Silvani, M: Paolo Biego [Nr. 17627] {I-Vnm, Dramm. 953.7; GB-Lbl} [Ks. Otto I., Adelheid, Witwe Kg. Lothars v. Italien, Kg. Berengar II. u. Adalbert v. Italien] 1683 GIUSTINO. Melodrama da rappresentarsi nel celebre Teatro Vendramino di San Salvatore l’anno 1683. Consecrato all’Alt. Ser. del sig. principe Alessandro Farnese cavalliere dell’Ordine del Tosone e generale dell’infanteria della serenissima Republica di Venetia etc. – T: Nicolò Beregani, M: Giovanni Legrenzi [Anastasio, Arianna, Giustino, Eufemia, Vitaliano, Andronico, Amantio, Polimante, Erasto, Brillo, Ombra di Vitaliano. In macchina: Atlante, Venere, Himeneo, Allegrezza, Fortuna, Gloria, Eternità] [Nr. 12359] {I-Vnm, Dramm. 955.5} [= Justin I., byz. Ks. † 527] 1683 L’INNOCENZA RISORTA OVERO ETIO. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro di S. Casciano l’anno 1683. Consecrato alla serenissima altezza del prencipe Alessandro Farnese, cavaliere dell’Ordine del Tosone ecc. – T: Adriano Morselli, M: Pietro Andrea Ziani [Etio, Valentiniano, Eudossa, Massimo, Flavia, Onorio, Sabina, Fabio, Gilbo] [Nr. 13354] {I-Vnm, Dramm. 1169.4; D-W} [= Aetius, Heermeister Ks. Valentinians III., von diesem 454 ermordet] 1683 IL RE INFANTE. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimano di San Gio. Grisostomo l’anno 1683. Di Matteo Noris. Consacrato alla […] elettorale altezza di Massimiliano Emanuel, duca di Baviera, ecc. – T: Matteo Noris, M: Carlo Pallavicino [Flavio Liutberto, Rodoaldo, Sestilia, Ergisto, Anna, Ariberto, Doricle, Enrico, Rocimero, Aristene, Gildo, Ettore] [Nr. 19573] {I-Vnm, Dramm. 954.5} [= Liutpert, langob. Kg., Sohn Cunincperts] 1683/ L’ANARCHIA DELL’IMPERIO Drama Per Mvsica Da rappresentarsi nel Famo1684 sissimo Teatro Vendramino à S. Saluatore. L’Anno M.DC.LXXXIV. Di Tomaso Stanzani. Consacrata All’Illustriss. […] Sig. Carlo Contarini Fù dell’Illustriss. […] Sig. Andrea K. e Procur. di S. Marco. – T: Tomaso Stanzani, M: Giovanni Legrenzi [Ludovico Pio, Lotario, Pipino, Claudio, Erginia, Daligi, Argiade, Isauro, Velfo, Lisbo, Giove, Imeneo] [Nr. 1889] {I-Vnm, Dramm. 956.5; D-W} (04. 12. 1683: Datum der Widmung) [Rebellion der Söhne Ks. Ludwigs des Frommen († 840) gegen den Vater]

372 1684 RICIMERO RE DE VANDALI. Drama per musica nel famosissimo Teatro Grimano in S. Gio. Grisostomo l’anno 1684. Di Matteo Noris. Consacrata all’altezza serenissima […] Maurizio Guglielmo duca di Sassonia […] ecc. – T: Matteo Noris, M: Carlo Pallavicino [Ricimero, Teoderico, Severo, Pulcheria, Lidio, Cina, Antemio, Domizia, Celso, Niso, Soldato con nome di Luceio] [Nr. 19819] {I-Vnm, Dramm. 1170.7; D-W} [Ricimer, Magister militum, dem westgot. oder sueb. Königshaus entstammend, u. Libius Severus, weström. Ks. 461–465] 1685 ARIBERTO E FLAVIO REGI DE LONGOBARDI. Drama per musica da rappresentarsi nel ristaurato famoso Teatro Vendramino di San Salvatore l’anno 1685. Di D. Rinaldo Cialli. Consecrato all’illustriss. […] Arnoldo Druyvesteyn fu segretario della città di Kennermerlant […]. – T: Rinaldo Cialli, M: Carlo Ambrogio Lonati [Nr. 2622] {I-Vnm, Dramm. 1171.5; D-W} [Aribert II. u. Ansprand, langob. Kge. u. Gegner im Kampf um die Königsherrschaft, ~ 700] 1685 RODOALDO RE D’ITALIA. Drama da rappresentarsi nel Nuovo Teatro Zane a S. Moisé l’anno 1685. Di Tomaso Stanzani. Consecrato all’altezza serenissima di Ferdinando Carlo duca di Mantova, Guastalla, ecc. – T: Tomaso Stanzani, M: Domenico Gabrieli [Rodoaldo, Arnelinda, Deianirra, Elviro, Eriberto, Melissa, Adalgiso, Floro] [Nr. 20083] {I-Vnm, Dramm. 1171.2} [= Rodwald, Kg. der Langobarden, † 653 ?] 1686 L’AMAZONE CORSARA OVERO L’ALVILDA REGINA DE GOTI. Drama da rappresentarsi in musica nel famoso Teatro Grimano di SS. Gio. e Paolo l’anno 1686. Di Giulio Cesare Corradi. Consacrato all’eccellenze […] Francesco Duodo e Loredano Tron. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Carlo Pallavicino [Alvilda, Gilde, Irena, Alfo, Olmio, Ernando, Delio, Fama] [Nr. 1172] {I-Vnm, Dramm. 961.2; D-Mbs} (WA 1688) (vgl. München 1678) [nach Saxo Grammaticus, Gesta Danorum ?] 1686 TEODORA AUGUSTA. Drama per musica da rappresentarsi nel riformato Teatro Vendramino di San Salvatore l’anno 1686. Consacrato all’altezza […] Ernesto Augusto di Bransvich […]. – T: Adriano Morselli, M: Domenico Gabrieli [Nr. 23019] {I-Vnm, Dramm. 959.5; D-Mbs} [Theodora II., byz. Ksn., Gemahlin des Theophilos, 9. Jh.] 1687 LA GIERUSALEMME LIBERATA. Drama da rappresentarsi in musica nel famosissimo Teatro Grimano di SS. Gio. e Paolo l’anno 1687. Di Giulio Cesare Corradi. Consacrato all’illustriss. […] Carlo conte de Manchester […] pari d’Inghilterra, etc. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Carlo Pallavicino [Gofredo, Rinaldo, Tancredi, Ubaldo, Arideno, Armida, Clorinda, Argante, Rambaldo] [Nr. 11594] {I-Vnm} (vgl. Dresden 1687, Hamburg 1694) [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1687 IL MAURITIO. Drama da rappresentarsi in musica nel famoso Teatro Vendramino di S. Salvatore l’anno 1687. Consacrato all’A. S. del duca Ranuccio II duca di Parma, Piacenza, Castro etc. – T: Adriano Morselli, M: Domenico Gabrieli [Mauritio, Tiberio, Cosdroe, Ergilda, Placilla, Ircano, Cirene, Leno] [Nr. 15271] {I-Vnm, Dramm. 962.1} [= Maurikios, byz. Ks. (539–602), Nachfolger Tiberios’ I.] 1688 CARLO IL GRANDE Drama Per Mvsica Da Rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Grimano di S. Gio. Grisostomo l’Anno 1688. Consacrato All’Altezza Serenissima Di Ferdinando De’ Medici […]. – A chi Legge. Fv già occupata l’Istoria di Carlo il Grande dal Diuino Ariosto nel suo marauiglioso Poema. S’è valso l’Autorre d’alcuni Episodij del medesimo, se ben in qualche parte alterati, e per accomodarsi alla Scena, e perche vi fosse qualche cosa del suo […]. – T: Adriano Morselli, M: Domenico Gabrieli [Nr. 5107] {I-Vnm, Dramm. 965.5; D-W} [nach Ariosto, Orlando furioso] 1688 L’INGANNO REGNANTE OVERO L’ATANAGILDA REGINA DI GOTTIA. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimano di SS. Gio. e Paolo l’anno 1688. Di Giulio Cesare Corradi. Consacrato all’altezza serenissima d’Ernesto Augusto duca di Bransvich, Luneburgo […]. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Marc’ Antonio Ziani [Nr. 13184] {I-Vnm, Dramm. 964.5; D-W} 1689 IL GRAN TAMERLANO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimano di SS. Gio. e Paolo l’anno 1689. Di Giulio Cesare Corradi. Consacrato all’

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altezza ser.ma di Ferdinando gran principe di Toscana. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Marc’Antonio Ziani [Rosolana, Zelida, Emireno, Tamerlano, Baiazette, Ialone, Ali] [Nr. 12473] {I-Vnm} [Tamerlan bzw. Timur u. Bayezid I., osman. Herrscher † 1403] L’ALBOINO IN ITALIA. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimano di SS. Gio. e Paolo l’anno 1691. Consacrato all’illustrissimo e eccellentissimo D. Camillo Gonzaga, conte di Novellara e Bagnol etc. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Giuseppe Felice Tosi u. Carlo Francesco Pollarolo [Nr. 570] {I-Vnm, Dramm. 1179.3} [Alboin, Kg. der Langobarden, † 572/573, auf Betreiben seiner Gemahlin Rosemunda von Helmichis ermordet; wohl nach Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, Lib. II] L’ALMIRA. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Giovanni e Paolo l’anno 1691. Consagrata all’altezza […] del […] principe Luigi d’Este. – T: Giulio Pancieri, M: Giuseppe Boniventi [Nr. 943] {I-Vnm GB-Lbl} (vgl. Almira, Braunschweig 1703, Weißenfels 1704, Hamburg 1705) IOLE REGINA DI NAPOLI. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di SS. Gio. e Paolo l’anno 1692. Di Giulio Cesare Corradi. Consacrato all’altezza […] del […] prencipe Gioanni Adolfo prencipe palatino del Reno […]. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Carlo Francesco Pollarolo [Nr. 13541] {I-Vnm, Dramm. 972.4} [= Isabella Jolande † 1228, zweite Gemahlin Ks. Friedrichs II.] ONORIO IN ROMA. Drama da rappresentarsi in musica nel famosissimo Teatro di S. Gio. Grisostomo l’anno 1692. Consacrato all’eminentiss. […] cardinale Pietro Othoboni pronipote della Sanità di Alessandro VIII pontefice massimo di gloriosa memoria. – T: Giovanni Matteo Giannini, M: Carlo Francesco Pollarolo [Onorio (Imperatore d’Occidente), Termanzia, Stilicone (Generale d’Onorio), Eucherio, Placidia (Sorella d’Onorio), Lucillo (Figlio d’Alarico), Marcellino, Lindo] [Nr. 17101] {I-Vnm} IL TRIONFO DELL’INNOCENZA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo l’anno 1692 di Rinaldo Cialli. Consecrato all’illustriss. […] Ferdinando Torriano, barone di Tassis, cameriere della chiave d’oro di S. M. cesarea e suo generale hereditario delle poste imperiali in Venetia. – T: Rinaldo Cialli, M: Antonio Lotti [Zenone, Erianne, Dorisbe, Oreste, Ilo, Gilauro, Niso, La Fama] [Nr. 23735] {I-Vnm, Dramm. 973.2} [Zeno der Isaurier, oström. Ks. † 491, ’ Ariadne, Tochter Leos I.] GLI AVVENIMENTI D’ERMINIA E DI CLORINDA SOPRA IL TASSO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimano di SS. Giovanni e Paolo l’anno 1693. Di Giulio Cesare Corradi. Consecrato all’illustr. […] Antonio Vidman […]. – Cortese Lettore. Ti mostrasti cosi sadisfatto della mia Gerusaleme [ĺ Venedig 1687], che hò voluto comporti un altro Drama intitolato gl’Avvenimenti d’Erminia, e di Clorinda, tratto da quel sempre prodigioso Poema del Sig. Torquato Tasso […]. – T: G. C. Corradi, M: Carlo Francesco Pollarolo [Clorinda, Erminia, Tancredi, Argante, Raimondo, Ismene, Alindo, Rambaldo, Pastore, Pindoro, Arideo, Corriero, Spirito di Erminia, Fantasma, Fama] [Nr. 3569] {I-Vnm} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] LA FORZA DELLA VIRTÙ. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Gio. Grisostomo l’anno 1693. Di Domenico David. Dedicato a sua eccellenza il signor Gio. Carlo Grimani. – Argomento. […] Tutto ciò, che si ramenta dal Rogatis nel quinto volume delle sue Storie di Spagna, viene da me circa alcuni particolari, alteratoessendo concesso al Poeta il mutar’ il vero, e ridurlo a quella natura del verisimile, che può introdur nobiltà d’azione, e movimento d’affetti […]. – T: Domenico David, M: Carlo Francesco Pollarolo [Fernando, Clotilde, Anagilda, Rodrigo, Alfonso, Sancio, Padiglio] [Nr. 10873] {I-Vnm, Dramm. 972.7} [Don Pedro der Grausame, Kg. v. Kastilien † 1369; Namen geändert; das Argomento verweist auf Bartolomeo de Rogatis, Historia de la perdida e riacquisto della Spagna occupata da Mori, Venedig 1674/75] ALFONSO PRIMO. Drama per musica da recitarsi nel Teatro Vendramino di S. Salvatore l’anno 1694. Di Matteo Noris. Consacrato all’illust. […] Antonio Gio. del sac. rom. Impero conte di Nostis […]. – T: M. Noris, M: Carlo Francesco Pollarolo [Nr. 901] {IVnm, Dramm. 974.5} [= Alfons II. v. Asturien; Quellenangabe: Bartolomeo de Rogatis, Historia de la perdida e riacquisto della Spagna occupata da Mori, Venedig 1674/75]

374 1694 LA MOGLIE NEMICA. Drama Per Mvsica Da Rappresentarsi nel Teatro Vendramino di S. Saluatore, L’Anno 1694. Di Francesco Silvani. Consacrato A Sua Eccellenza, il Sig. Duca Francesco Maria Spinola, Grande di Spagna, Duca di S. Pietro, e di Sabioneta, Principe di Masseta, Co. di Salieto, […]. – T: F. Silvani, M: Marc’ Antonio Ziani [Niceforo, Nicea, Otone, Teofane, Tigrane, Costantino, Telfo] [Nr. 15774] {I-Vnm, Dramm. 974.2} [Nikephoros II. Phokas, byz. Ks. 963–969, Ks. Otto (II.) u. Theophanu] 1694 OTTONE. Tragedia Per Musica Fatta Da rappresentarsi nel Teatro di S. Gio. Grisostomo. L’Anno M.DC.XCIV. Dedicata A Sva Altezza Serenissima Elettorale Ernesto Avgvsto Duca di Bronsuich, e Lunebourg &c. Elettore del S.R.I. – T: Girolamo Frigimelica Roberti, M: Carlo Francesco Pollarolo [Ottone III, Ottone suo Figlio, Eleonora d’Aragona, Metilde, Lucrezia, Enrico, Ugone, Adolfo] [Nr. 17618] {I-Vnm, Dramm. 974.1} (WA 1716) (vgl. Ottone, Braunschweig 1697) [= Ks. Otto III. † 1002] 1694/ IRENE. Tragedia per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimano di S. Gio. 1695 Grisostomo l’anno 1695. Dedicata all’em.mo signor cardinal Pietro Ottobono. – T: Girolamo Frigimelica Roberti, M: Carlo Francesco Pollarolo [Memete, Irene, Demetrio, Deianira, Hali, Solimano, Olobolo] [Nr. 13641] {I-Vnm} [Irene u. Mohammed II., nach der Eroberung Konstantinopels 1453] 1695 IL PRINCIPE SELVAGGIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’ Angelo l’anno 1695. Consagrato all’illust. […] D. Filippo Antonio Spinola Colonna, duca di Sesto […]. – T: Francesco Silvani, M: Michel Angelo Gasparini [Arideno, Eleonora, Irene, Luigi, Rodolfo, Diego, Alcaste] [Nr. 19122] {I-Vnm, Dramm. 976.1} 1696 BASILIO RE D’ORIENTE. Dramma per musica da recitarsi nel Teatro a S.Cassano novamente riaperto a uso d’opere l’anno 1696. Consacrato all’altezza serenissima di Rinaldo I duca di Modona, Reggio etc. – T: Giovanni Battista Neri, M: Francesco Navara [Basilio, Leone, Doristo, Placidia, Flavia, Lavrindo, Ombra di Costantino] [Nr. 3825] {I-Vnm, Dramm. 1186.4} [= Basileios I., byz. Ks. † 886] 1696 LA CLOTILDE. Drama per musica da recitarsi nel Teatro Tron a S. Cassano novamente riaperto a uso d’opere l’anno 1696. Dedicato all’illustriss. […] Co. Lorenzo Beretti […]. – T: Giovanni Battista Neri, M: Giovanni Maria Ruggieri [Amalarico, Clodoveo, Clotilde, Elisa, Lotario, Adolfo] [Nr. 5876] {I-Vnm, Dramm. 978.2} [= Chlothilde, Tochter Chlodwigs u. Gemahlin des westgot. Kgs. Amalarich † 531] 1696 LA COSTANZA IN TRIONFO. Drama per musica di Francesco Silvani da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo. Consacrato all’illustriss.mo et eccellentissimo sig. Francesco Antonio conte di Berka etc. – T: Francesco Silvani, M: Marc’Antonio Ziani [Gustavo, Leonilde, Sveno, Marianne, Lotario, Flavio, Riccardo] [Nr. 6815] {I-Vnm, Dramm. 979.2; D-W} (vgl. Leonilde oder Die siegende Beständigkeit, Braunschweig 1704?) 1696 ROSIMONDA. Tragedia per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimano di San Gio. Grisostomo l’anno 1696. Consacrata all’illustrissimo […] Alessandro Molino capitan general da mare ecc. – T: Girolamo Frigimelica Roberti, M: Carlo Francesco Pollarolo [Rosimonda, Alboino, Alsuinda, Longino, Ermechildo, Cleffo, Teodata, Edvige, Amalasunta, Adelaide, Flavio, Costante, Pan, Diana, Eridano, Vertunno, Flora, Bacco] [Nr. 20180] {I-Vnm} [= Rosemunda, Gemahlin des langob. Kgs. Alboin, dessen Tod sie veranlaßt; vgl. L’Alboino in Italia, 1691] 1696 ZENONE IMPERATOR D’ORIENTE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Casciano l’anno 1696. Di Antonio Marchi. Consecrato all’illustr. […] Gio. Casimiro Bocum ablegato estraordinario per la serenissima Republica di Polonia alli principi d’Italia. – T: Antonio Marchi, M: Tommaso Albinoni [Zenone, Belisante, Floralba, Fermondo, Elpi, Aridea, Lesbo, Atlante] [Nr. 25369] {I-Vnm, Dramm. 979.3} [= Zeno der Isaurier, oström. Ks.; das Argomento beruft sich auf Procopius’ De bello Gothico und Jordanes’ De regnorum ac temporum successione] 1697 AMOR E DOVER. Drama per musica di Domenico David da recitarsi nel Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo. Consacrato all’altezza serenissima di Ferdinando Terzo gran principe di Toscana. – Argomento. […] Tutto cio è verità ramentata dal Pigna,

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famoso Storico de’ Principi d’Este: E perchè il vero lasciato nella sua sincera schiettezza non è oggetto del Poeta, ma bensì il vero alterato dalle finzioni del verisimile, si fingono perciò nel presente Drama varii avvenimenti, li quali alterando, e non istruggendo la Storia formano quella tanto necessaria, e considerabile parte della poesia, che da’ Saggi dell’arte viene detta invenzione. – T: Domenico David, M: Carlo Francesco Pollarolo [Matilda, Beatrice, Gofredo, Roberto, Gernando, Silvio, Vafrino] [Nr. 1368] {I-Vnm, Dramm. 980.1} [Mathilde Mgfn. v. Tuszien, † 1115, Gemahlin Gottfrieds IV. des Buckligen v. Oberlothringen; das Argomento verweist auf Giovanni Battista Pignas Istoria de’ Principi di Este sino all’anno 1476 (Ferrara 1570, Venedig 21572)] I RIVALI GENEROSI. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Salvatore l’anno 1697. Dedicato all’illustriss. […] Co. di Mansfelt […]. – T: Apostolo Zeno, M: Marc’Antonio Ziani [Belisario, Ormonte, Olindo, Elpidia, Vitige, Rosmilda, Alarico] [Nr. 20023] {I-Vnm} [Belisar, Feldherr Ks. Justinians I.; Vitigis, ostgot. Kg.; Referenztexte/-autoren (nach der Werkausgabe 1744: A. Zeno, Poesie drammatiche, Bd. 5, S. 273): Gian Giorgio Trissino, La Italia liberata da Gothi, Rom 1547; Carlo Sigonio] L’INGRATITUDINE GASTIGATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Casciano l’anno 1698 di Francesco Silvani. Consagrato al conte Francesco Ferdinando di Salburgh […]. – T: Francesco Silvani, M: Tommaso Albinoni [Alarico, Raimondo, Enrico, Ginevra, Brunechilde, Astolfo, Bleno] [Nr. 13206] {I-Vnm, Dramm. 1190.5; D-Mbs} (WA 1702) ODOARDO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’anno 1698. Consacrato a S.E. […] Carlo conte di Manchester ecc. – T: Apostolo Zeno, M: Marc’ Antonio Ziani [Edvino, Odoardo, Metilde, Gismonda, Riccardo, Enrico, Adolfo] [Nr. 16892] {I-Vnm, Dramm. 1190.1} [Edgar u. Eadwig, Kge. v. England, ca. 960; als Quelle nennt das Argomento Polydor Vergils Historia Anglica (zuerst Basel 1534)] PRIMISLAO PRIMO RE DI BOEMIA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Cassiano l’anno 1698. Di Giulio Cesare Corradi. Consacrato all’illustriss. […] sig. Giacomo Ricardi sargente generale per la ser.ma Repubblica di Venetia nel Levante. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Tommaso Albinoni [Primislao, Libussa, Valasca, Ergildo, Celinda, Roberto, Breno] [Nr. 19084] {I-Vnm, Dramm. 982.3} [Libussa u. PĜemysl d. Pflüger; PĜemyslidensage; das Argomento bezieht sich u. a. auf die Historia Bohemica des Enea Silvio de’ Piccolomini sowie auf Raffaele Maffei gen. Volaterranus] L’AMAR PER VIRTÙ. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Vendramino di S. Salvatore l’autunno dell’anno 1699. Consacrato alle nobilissime dame venete. – T: Donato Cupeda, M: Antonio Draghi [Egilda, Adagliso, Meribe, Arideno, Craterio, Consalvo] [Nr. 1162] {I-Vnm, Dramm. 986.3} (vgl. L’amare per virtù, Wien 1697) [die Tochter des letzten westgot. Kgs. Rodrigo u. der Maurenfürst Abd al-Azz, Anfang 8. Jh.; Quellenangabe: Bartolomeo de Rogatis, Historia de la perdida e riacquisto della Spagna occupata da Mori, Venedig 1674/75] GL’AMORI TRA GL’ODII O SIA IL RAMIRO IN NORVEGIA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassiano l’anno 1699. – T: Marc’Antonio Remena, M: Marc’Antonio Ziani [Ramiro, Lamberta, Fidalmo, Effro, Irene, Arsette, Nesso] [Nr. 1841] {I-Vnm, Dramm. 1191.10} FARAMONDO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo l’anno 1699. Dedicato all’altezza serenissima di Ferdinando Terzo gran principe di Toscana. – T: Apostolo Zeno, M: Carlo Francesco Pollarolo [Gustavo, Sveno, Adolfo, Rosimonda, Faramondo, Clotilde, Gernando, Teobaldo, Childerico] [Nr. 9715] {I-Vnm} (vgl. Florenz 1699, Neapel 1719) [= Pharamund, sagenhafter fränk. Kg.; im Argomento (der Werkausgabe von 1744: A. Zeno, Poesie drammatiche, Bd. 6, S. 5) nennt Zeno die franz. Historiographen Mons. di Mezeray, de la Serre, Verdier und verweist auf Gautier de Costes de La Calprenèdes Faramond, ou l’histoire de France (Paris 1661–70) als zentralen Referenztext] L’INNOCENZA GIUSTIFICATA. Drama per musica di Francesco Silvani da rappresentarsi nel famoso Teatro Vendramino di S. Salvatore. Consacrato a sua

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eccellenza il sig. Ferdinando Ernesto del S.R.I. conte di Mollarth. – T: Francesco Silvani, M: Benedetto Vinacese [Lotario, Adalgiso, Giuditta, Gildippe, Edvige, Carlo, Berardo, Asprando] [Nr. 13316] {I-Vnm} (vgl. Carlo re d’Alemagna, Florenz 1700, Neapel 1716; L’innocenza difesa, Wolfenbüttel 1722?, Braunschweig 1731; Judith, Gemahlin Käyser Ludewigs des Frommen, Hamburg 1732) IL TEODOSIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Cassiano in Venezia l’anno 1699. – T: Vincenzo Grimani, M: Marc’Antonio Ziani, [Teodosio, Pulcheria, Leone, Valentiniano, Isdegarde, Berenice, Oronte, Delbo] [Nr. 23039] {IVnm D-W} [= Theodosius II., oström. Ks. 408–450] IL DUELLO D’AMORE E DI VENDETTA. Drama per musica da recitarsi nel famoso Teatro Vendramino di S. Salvatore l’anno 1700. Poesia di Francesco Silvani servidore di S.A.S. di Mantova. Consagrato a D. Luigi della Cerda […] Vice rè e capitano generale del regno di Napoli. – T: Francesco Silvani, M: Marc’Antonio Ziani, [Rodrigo, Esilena, Climene, Evanco, Florinda, Giuliano, Fernando] [Nr. 8607] {I-Vnm} [Roderich, letzter Kg. der Westgoten] GRISELDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Casciano l’anno 1701. Consacrata all’illustrissimo […] Antonio Ballaribi, ministro dell’altezza serenissima di Modana. – A chi legge. Non molto diversamente dal mio racconto narrano i fatti di Griselda, primieramente il Boccaccio nell’ ultima Novella del suo Decamerone; il Petrarca ne’ suoi Opuscoli Latini; e Jacopofilippo Foresti da Bergamo nel suo Supplimento alle Cronache. Paolo Mazzi, ed Ascanio Massimo ne formarono con tal nome due Tragicommedie […]. Questo stesso soggetto fu trattato ancora felicemente dal Signor Carlo Maria Maggi […]. Per altra strada assai diversa da questi, io mi son portato allo sviluppo della mia favola […] (zit. nach der Werkausgabe von 1744: Apostolo Zeno, Poesie drammatiche, Bd. 3, S. 3). – T: Apostolo Zeno, M: Antonio Pollarolo [Nr. 12515] {I-Vnm D-W} AMAR PER VENDETTA. Drama per musica da recitarsi nel Teatro di S. Moise nuovamente riaperto a uso d’opere l’autunno dell’anno 1702. – T: Giovanni Battista Neri, M: Giovanni Maria Ruggeri [Amalarco, Clodoveo, Clotilde, Elisa, Lotario, Adolfo, Delfo] [Nr. 1153] {I-Vnm} (= La Clotilde, Venedig 1696; vgl. Wiel 1897, Nr. 14) L’ARTE IN GARRA CON L’ARTE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassiano l’anno 1702. Poesia di Francesco Silvani servitore di S. A. sereniss. di Mantova. – T: Francesco Silvani, M: Tommaso Albinoni [Manfredi, Roggiero, Irene, Costanza, Guglielmo, Carlo, Roberto] [Nr. 3124] {I-Vnm, Dramm. 989.6} [Manfred, Kg. v. Sizilien, u. Konradin (unter dem Namen Roggiero), Sohn Kg. Konrads IV.] LA PASTORELLA AL SOGLIO. Opera postuma di Giulio Cesare Corradi da rappresentarsi per musica nell’antichissimo teatro Tron di San Casciano per l’autunno dell’anno 1702. – T: Giulio Cesare Corradi, M: Pasticcio ? [Adoardo, Sigiberto, Mitilde, Valasco, Egina, Arideo, Ombra di Alvilda] [Nr. 18139] {I-Vnm, Dramm. 990.6} [Ecgwyn, Gemahlin Eduards des Älteren, Kgs. v. Wessex 899–924] TIBERIO IMPERATORE D’ORIENTE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’anno 1702. – T: Giovanni Domenico Pallavicino, M: Francesco Gasparini [Tiberio, Sofia, Anastasia, Giustiniano, Mauritio, Valente] [Nr. 23120] {IVcg} (vgl. Düsseldorf 1703) [= Tiberios I., byz. Ks., 6. Jh.] L’ALMANSORE IN ALIMENA. Drama per musica da recitarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’anno 1703. Consacrato all’eccellenza del signor prencipe Filippo Ercolani […]. – T: Giovanni Matteo Giannini, M: Carlo Francesco Pollarolo [Almansore, Alindare, Serissa, Teorilla, Alvindo, Elbendauro, Fidauro] [Nr. 934] {I-Vnm, Dramm. 1196.3} L’HONOR AL CIMENTO. Opera musicale da rappresentarsi nel Teatro di S. Fantino l’anno 1703. Dedicata all’illustrissimo signor Benedetto Rigogli nobile firentino. – T: Girolamo Colatelli, M: D. Teofilo Orgiani [Carlo, Ubaldo, Melisso, Arsace, Simonia, Araspe, Rinaldo, Armida] [Nr. 17094] {I-Vnm} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] IL MIGLIOR D’OGNI AMORE PER IL PEGGIORE D’OGNI ODIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Casciano l’autunno dell’anno 1703.

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Consagrato all’altezza […] del sig. principe Gioseppe de’ duchi di Lorena […]. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Clotilde, Sancio, Anagilda, Garzia, Fernando, Ramiro, Consalvo] [Nr. 15598] {I-Vnm, Dramm. 992.5; D-Mbs} IL VENCESLAO. Drama da rappresentarsi per musica nel Teatro Grimani in S. Gio. Grisostomo. A sua eccellenza il signore Filippo Rangoni […]. – T: Apostolo Zeno (nach Jean de Rotrou, Venceslas, Paris 1647), M: Carlo Francesco Pollarolo [Venceslao, Casimiro, Alessandro, Lucinda, Ernando, Erenice, Gismondo] [Nr. 24454] {I-Vnm} LA FEDE TRADITA E VENDICATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Casciano l’anno 1704. Poesia di Francesco Silvani servitore di S. A. serenissima di Mantova. Consagrato all’illustriss. […] Francesco Tron padrone del sudetto Teatro. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Ricimero, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Vitige, Gildippe, Edelberto] [Nr. 9902] {I-Vnm, Dramm. 993.2; D-Mbs} LA FORTUNA PER DOTE. Tragicommedia da rappresentarsi in musica nel famosissimo Teatro Grimano di S. Gio. Grisostomo l’anno 1704. – T: Girolamo Frigimelica Roberti, M: Carlo Francesco Pollarolo [Teodosio, Flacilla, Antioco, Ildegarde, Marziano, Atenaide, Leandra, Onora] [Nr. 10794] {I-Vnm D-Hs} [Ks. Theodosius II., 1. Hälfte des 5. Jhs.] AMBLETO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassano il carnevale dell’anno 1705. Consacrato a sua eccellenza […] Federigo Cavalli. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Francesco Gasparini [Ambleto, Veremonda, Fengone, Gerilda, Ildegarde, Valdemaro, Siffrido] [Nr. 1210] {I-Vnm Vcg} [nach Saxo Grammaticus, Gesta Danorum] LA FEDE NE’ TRADIMENTI. Drama per musica da recitarsi nel Teatro di S. Fantino l’anno 1705. Dedicata all’illustriss. sig. […] Zorzi Meli cittadino veneto. – T: Girolamo Gigli, Giuseppe Beretta (?), M: Carlo Francesco Pollarolo [Garzia, Anagilda, Fernando, Elvira, Betta, Simone] [Nr. 9876] {I-Vnm, Dramm. 995.6} (Sartori: „= Firenze 1696, con arie mutate e le scene buffe di Gillo e Tisbe sostituite da quelle di Betta e Simone“) [Quellenangabe im Ristretto dell’Opera des Librettos: Rogatis, Historia de la perdida e riacquisto della Spagna occupata da Mori] LA FREDEGONDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron in S. Casciano l’anno 1705. Dedicata a sua eccellenza il signor marchese D. Lorenzo Verzuso Beretti Landi ambasciadore di sua maestà cattolica al corpo elvetico. Poesia di Francesco Silvani servidore del serenissimo sig. duca di Mantova. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Fredegonda, Chilperico, Galsuinda, Ermenegildo, Bazina, Sigiberto, Landrico] [Nr. 11035] {D-W} [= Fredegunde, fränk. Kgn. † 596/597, Gemahlin Chilperichs I.; das Argomento führt Gregor v. Tours an] FLAVIO BERTARIDO RE DE LONGOBARDI. Drama per musica di Stefano Ghisi patritio veneto da rappresentarsi nell’impareggiabile Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo l’anno 1706. Consecrato a sua eminenza il sig. cardinal Grimani. – T: Stefano Ghisi, M: Carlo Francesco Pollarolo [Flavio Bertarido, Rodelinda, Cuniberto, Flavio Grimoaldo, Flavia, Oronte, Onulfo] [Nr. 10714] {I-Vnm Vcg Vgc} L’AMOR GENEROSO. Drama da rappresentarsi per musica nel Teatro Tron di S. Cassano l’autunno dell’anno 1707. A sua eccellenza il signor Girolamo Delfino […]. – T: Apostolo Zeno, M: Francesco Gasparini [Frilevo, Aldano, Girita, Alvilda, Sivardo, Asmondo] [Nr. 1389] {I-Vnm D-HVl} [Quellen (nach der Werkausgabe 1744: A. Zeno, Poesie drammatiche, Bd. 6, S. 108): Saxo Grammaticus u. Albert Krantz] ARMIDA ABBANDONATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’autunno dell’anno 1707. Dedicato agl’illustriss. […] sposi il signor Nicolò Cornaro procurator di S. Marco e la signora Francesca Soranza procuratessa Cornara. – A chi vorrà leggere. Il titolo posto in fronte a questo Dramma dimostra assai chiaramente, essersene presa l’Idea dal celeberrimo Poema della Gerusalemme liberata immortale fatica del Principe fra poeti italiani Torquato Tasso […]. – T: Francesco Silvani, M: Giovanni M. Ruggeri [Armida, Rinaldo, Tancredi, Erminia, Ubaldo, Rambaldo, Filomaco] [Nr. 2718] {I-Vgc D-HVl} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata]

378 1707 FLAVIO ANICIO OLIBRIO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassano il carnovale dell’anno 1707. A sua eccellenza il signor conte di Manchester, ambasciadore estraordinario di sua maestà la regina della Grande Bretagna etc. etc. etc. alla serenissima Republica di Venezia. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Francesco Gasparini [Flavio Anicio Olibrio, Placidia, Ricimero, Teodelinda, Fedele, Olderico, Massimo] [Nr. 10706] {I-Vnm} [= Flavius Anicius Olybrius, weström. Ks. † 472; im Argomento (der Werkausgabe von 1744: A. Zeno, Poesie drammatiche, Bd. 10, S. 385) wird auf Evagrius Scholasticus, Procopius u. Paulus Diaconus verwiesen] 1708 ARMIDA AL CAMPO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo il carnovale dell’anno 1707 M.V. [= 1708]. Consagrato all’illustriss. marchese Scipione Sacrati Giraldi marchese di S. Valentino […]. – T: Francesco Silvani, M: Giuseppe Boniventi [Armida, Rinaldo, Goffredo, Clorinda, Tancredi, Argante, Gernando] [Nr. 2754] {I-Vnm Vcg Vgc} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1708 ENGELBERTA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di San Cassano il carnovale dell’anno 1708. A sua maestà il re Federigo Quarto di Danimarca e Norvegia […]. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Tommaso Albinoni u. Francesco Gasparini [Lodovico, Engelberta, Metilde, Bonoso, Arrigo, Ernesto, Ottone] [Nr. 8922] {I-Vcg} [= Angilberga, Gemahlin Ks. Ludwigs II. † 875] 1709 BERENGARIO RE D’ITALIA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo il carnovale dell’anno 1709. Di Matteo Noris. All’illustrissimo […] Gio. Battista Durino conte e regio feudatario di Monza etc. – T: Matteo Noris, M: Girolamo Polani [Berengario, Doriclea, Arnolfo, Scitalce, Leonora, Enrico, Metilde, Anscario] [Nr. 3953] {I-Vnm, Dramm. 1206.6} [= Berengar I., Ks. u. Kg. v. Italien † 924] 1709 IL COMANDO NON INTESO ED UBBIDITO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo di Francesco Silvani. Consagrato a […] Carlo Ernesto conte de Waldstein […]. – T: Francesco Silvani, M: Antonio Lotti [Zoe, Isacio, Teodora, Argiro, Constantino, Meniace, Leone] [Nr. 5927] {I-Vnm Vcg Vgc} [Zoe, byz. Ksn. † 1050, Gemahlin des Romanos] 1709 EDVIGE REGINA D’UNGHERIA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’anno 1709. Consacrato a sua eccellenza […] Gio. Battista del S.R.I. Co. di Castelbarco libero barone delli Quattro Vicariati […] comissario plenipotenz. in Italia e governatore di Mantova per S.M.C. – T: Tommaso Malipiero, M: Pasticcio ? [Edvige, Isabella, Elmira, Carlo, Sigismondo, Ridolfo, Banno] [Nr. 8651] {I-Vnm, Dramm. 1003.5} [= Maria, Tochter Ludwigs I. v. Ungarn, Gemahlin Ks. Sigmunds] 1709 LA PRINCIPESSA FEDELE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di San Cassiano per l’autunno dell’anno 1709. Dedicato alle dame di Venezia. – T: Agostino Piovene, M: Francesco Gasparini [Aladino, Rosana, Ridolfo, Cunegonda, Arsace, Ernesto] [Nr. 19130] {I-Vnm Vcg Vgc} [Zeit der Kreuzzüge] 1709 LE VICENDE D’AMOR E DI FORTUNA. Da rappresentarsi in musica nel Teatro di San Fantino il carnovale dell’anno 1709. – T: Giovanni Domenico Pallavicino, ? (Adaptation), M: Pasticcio ? [Tiberio, Sofia, Anastasia, Giustiniano, Maurizio, Valente] [Nr. 24844] {I-Vnm Vcg} (Wiel 1897, Nr. 93: „Questo drama è, con lievi modificazioni, il Tiberio Imperatore d’Oriente, rappresentato nel 1702, nel teatro S. Angelo, con musica di Franc. Gasparini.“) 1710 ISACIO TIRANNO Drama per Musica Da Rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo L’Autunno dell’Anno 1710. Consacrato All’Altezza Serenissima Di Giovanni Prencipe del S.R.I. di Mindelheim, Duca di Marlborough, March. di Blanford, Co. di Marlborough, Bar. di Churchill, di Sandridge, di Aumouth, &c. Cap. Gen. delle Truppe di S.M. Britanica, Gen. dell’Artigliaria, Colon. delle guardie; Attuale Consigliero privato, Cav. dell’ordine della Giartiera, Ambasciadore Straordinario, e Plenipotentiario della detta Regina Britanica, appresso gli Stati Generali delle Provincie unite, e Generale delle Armate Confederate, &c. – T: Francesco Briani, M: Antonio Lotti [Isacio, Ricardo, Costanza, Pulcheria, Oronte, Berardo, Corado] [Nr. 13767] {IVnm, Dramm. 1207.9} (o Riccardo I. re d’Inghilterra, London 1727) [Richard

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Löwenherz u. Isaak Komnenos v. Zypern, im Vorfeld des 3. Kreuzzuges; Quellenangaben im Argomento istorico: Louis Maimbourg, Histoire des Croisades, Paris 1675, u. Gian Francesco Biondi, Istoria delle guerre civili d’Inghilterra, Venedig 1637–41] IL TAMERLANO. Tragedia per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di San Cassano l’anno 1710. – T: Agostino Piovene, M: Francesco Gasparini [Tamerlano, Bajazet, Asteria, Irene, Andronico, Leone, Tamur, Zaida] [Nr. 22814] {I-Vnm Vcg} [Tamerlan bzw. Timur u. Bayezid I.; in der Vorrede Al Lettore werden zum einen die Historia Turco-Byzantina des Michael Ducas (editio princeps Paris 1649), zum anderen Pradons Tragödie Tamerlan, ou La Mort de Bajazet (1675) genannt] ARMIDA IN DAMASCO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo l’autunno dell’anno 1711. Del dottor Grazio Braccioli. Dedicato al merito dell’ illustrissimo signor Silvio Antonio Marsigli Rossi. – T: Grazio Braccioli, M: D. Jacomo Rampini [Idraote, Armida, Rinaldo, Ferinda, Altamoro, Aradino, Plutone, Folletto] [Nr. 2772] {I-Vnm Vcg} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] LA FORZA DEL SANGUE. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo l’autunno dell’anno 1711. Consagrato agl’illustrissimi […] Almorò Pisani et Isabella Corara. – T: Francesco Silvani, M: Antonio Lotti [Zoe, Foca, Elena, Argiro, Eraclio, Basilio, Alessandro] [Nr. 10838] {I-Vnm, Dramm.1008.1} [Zoe, byz. Ksn. † 912, Gemahlin Leons VI.] L’INFEDELTÀ PUNITA. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo l’autunno dell’anno 1712. Consacrato all’ill.mo sig. Co. Pietro Zanardi del S.R.I. Co. della Vergiliana, Polesine mantovano ecc. – T: Francesco Silvani, M: Antonio Lotti u. Carlo Francesco Pollarolo [Ricimero, Alarico, Indimero, Gundeberga, Anagilda, Ataulfo, Geta] [Nr. 13100] {I-Vnm Vcg} IRENE AUGUSTA. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo l’autunno dell’anno 1713. – T: Francesco Silvani, M: Antonio Lotti [Irene, Costantino, Leonzio, Teodate, Artemio, Niceforo, Maurizio] [Nr. 13647] {IVnm, Dramm. 1011.4} [= Irene, byz. Ksn. 797–802, Gemahlin Leons IV.] ORLANDO FURIOSO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo l’autunno del 1713 del dottor Grazio Braccioli consegrato all’ill.mo marchese Scipione Dal Sale. – T: Grazio Braccioli, M: Giovanni Alberto Ristori [Orlando, Angelica, Bradamante, Alcina, Ruggiero, Medoro, Astolfo] [Nr. 17487] {I-Vnm Vcg} [nach Ariosto, Orlando furioso] ORLANDO FINTO PAZZO. Drama per musica da rappresentarsi in S. Angelo l’autunno 1714 del dottor Grazio Braccioli. Dedicato a S.A.S. il sig. prencipe Carlo Margraf de Baden e Hochberg […]. – T: Grazio Braccioli, M: Antonio Vivaldi [Orlando, Ersilla, Tigrinda, Origille, Argillano, Grifone, Brandimante] [Nr. 17486] {IVnm Vcg} [nach Matteo Maria Boiardo, L’Orlando innamorato] ORLANDO FURIOSO. Dramma per musica da rappresentarsi la seconda volta nel Teatro di Sant’Angelo l’autunno del 1714 del dottor Grazio Braccioli. Consegnato alli ill.mi Angelo d’Annibale Marsiglj Rossi. – T: Grazio Braccioli, M: Antonio Vivaldi [Nr. 17488] {I-Vnm Vcg} (Sartori: „= Venezia 1713, con quasi tutte le arie mutate. Rifacimento di A. Vivaldi“) [nach Ariosto, Orlando furioso] RODOMONTE SDEGNATO. Dramma da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo il carnovale dell’anno 1714 del dottor Grazio Braccioli. Consacrato a sua altezza serenissima il sig. prencipe D. Giuseppe Maria Gonzaga di Guastalla etc. etc. etc. – T: Grazio Braccioli, M: Michiel Ang. Gasparini [Rodomonte, Doralice, Aleria, Armindo, Elbanio, Mandricardo, Agramante] [Nr. 20089] {I-Vcg} [nach Ariosto, Orlando furioso] LA FEDE TRADITA E VENDICATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé l’autunno dell’anno 1715. Consacrato all’illustrissino signor Co. Antonio Della Porta. – T: Francesco Silvani, M: Francesco Gasparini [Ricimero, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Vitige, Edelberto] [Nr. 9914] {I-Vnm Vcg Vgc} (Wiel 1897, Nr. 135: „Rappresentata prima, l’anno 1704, nel Teatro S. Cassiano“; lt. Strohm 1976/II, S. 165 von Gasparini überwiegend neu vertont)

380 1716 ARIODANTE. Drama per musica del dottore Antonio Salvi fiorentino da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di San Giovanni Grisostomo. Dedicato a […] Carlo Filippo di Najuburgo conte palatino del Reno […]. – T: Antonio Salvi (Ginevra principessa di Scozia, Florenz/Pratolino 1708), ? (Adaptation), M: Carlo Francesco Pollarolo [Nr. 2631] {I-Vnm} (WA 1718) [nach Ariosto, Orlando furioso] 1716 FOCA SUPERBO Drama per Musica Di A. M. Luchini Da Rappresentarsi nel Famoso Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo. Il Carnoval dell’Anno 1716. Consagrato All’ Altezza […] Di Carlo Langravio d’Hassia […]. – T: Antonio Maria Lucchini, M: Antonio Lotti [Ottone, Foca, Onoria, Teofania, Cinisco, Lotiero, Eudosio] [Nr. 10752] {I-Vnm, Dramm. 1015.1} [= Nikephoros II. Phokas, byz. Ks. 963–969] 1716 LA VIRTÙ CORONATA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé il carnovale 1716. Dedicato all’illustrissimo signor Onofrio Peyer d’Aslach colonello della sereniss. Republica di Venetia. – T: Domenico David, ? (Adaptation), M: Pasticcio ? [Nr. 24987] {I-Vnm} (Wiel 1897, Nr. 149: „Rappresentato prima, l’anno 1693, nel Teatro S. Gio. Grisostomo, col titolo: La forza della virtù, con musica di Carlo Franc. Pollarolo.“) 1717 BERTOLDO. Drama tragicomico da rappresentarsi nel Teatro di San Fantino il carnovale dell’anno 1717. – T: Francesco Passerini, M: Girolamo Bassani [Alboino, Rosilda, Lucio, Lisa, Bertoldo] [Nr. 3990] {I-Vnm, Dramm. 1019.3} [zur Zeit des Langobardenkönigs Alboin] 1717 L’INNOCENZA RICONOSCIUTA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’autunno dell’anno 1717. – T: Tommaso Malipiero, M: Carlo Francesco Pollarolo [Ottone, Geltrude, Gerardo, Giolanta, Guido, Fernando, Lirino] [Nr. 13351] {I-Vnm, Dramm. 1018.4} [Andreas II., Kg. v. Ungarn 1205–1235, ’ Gertrud v. Andechs-Meranien (ermordet); Quellenangabe des Librettos: Antonio Foresti, Mappamondo istorico, Venedig 1691–94] 1717 TIETEBERGA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di San Moisé l’autunno dell’anno 1717. – T: Antonio Maria Lucchini, M: Antonio Vivaldi [Tieteberga, Lotario, Valdrada, Clotilde, Guido, Ercinio, Marciano] [Nr. 23124] {I-Vnm, Dramm. 1018.3} [= Theutberga, fränk. Kgn. † nach 869, Gemahlin Lothars II.] 1718 ARMIDA AL CAMPO D’EGITTO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di San Moisé il carnovale dell’anno 1718. Dedicata a sua eccellenza […] baron Federico Girolamo di Witzendorff […]. – T: Giovanni Palazzi, M: Antonio Vivaldi [Califfo re d’Egitto, Armida, Osmira, Erminia, Emireno, Tisaferno, Adrasto] [Nr. 2763] {I-Vnm} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1719 AMALASUNTA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo nel carnevale dell’anno 1719. Dedicato a […] Gio. Matthia del S.R.I. conte di Scholenburg […]. – T: Giacomo Gabrieli, M: Fortunato Chelleri [Amalasunta, Teodato, Ariberto, Doriclea, Clodesillo, Leuderico, Arsamene] [Nr. 981] {I-Vnm, Dramm. 1021.3} [= Amalasuntha, ostgot. Kgn. † 535] 1720 ARMIDA DELUSA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo il carnovale dell’anno 1720. – T: u. M: Giuseppe Maria Buini [Armida, Cleoanta, Rinaldo, Adrasto, Telesia, Ubaldo, Guelfo] [Nr. 2766] {I-Vnm Vcg} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1720 GRISELDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuele nel mese di maggio dell’anno 1720. Dedicato a Giorgio Parker figlio unico di S. E. milord Parker gran cancelliere della Gran Bretagna. – T: Apostolo Zeno, M: Giuseppe Maria Orlandini [Gualtiero, Griselda, Oronta, Tigrane, Ottone, Corrado, Elpino] [Nr. 12528] {I-Vnm Vcg} 1720 TEODORICO. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo l’autunno dell’anno 1720 del dot. Antonio Salvi fior. Dedicata a […] Leonora contessa di Collato [= Collalto] […]. – T: Antonio Salvi, M: Giovanni Porta [Teodorico, Odoacre, Ostilia, Antigono, Clotilde, Leone] [Nr. 23032] {I-Vnm, Dramm. 1221.8} [= Theoderich der Große, Kg. der Ostgoten † 526]

381 1721 L’AMORE PER FORZA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé l’autunno dell’anno 1721. – T: Bartolomeo Pavieri, M: Girolamo Bassani u. Matteo Lucchini [Armida, Rinaldo, Clorinda, Tancredi, Argante, Doricle] [Nr. 1721] {IVnm Vcg Vgc} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] 1721 CIMENE. Tragedia da cantarsi nel Teatro in S. Angelo nelle notti autunnali l’anno 1721. – Frà altre Tragedie scritte da Pietro Cornelio rinomato Poeta Francese, molto applaudita da spettatori fù quella, che prima di lui argutamente ideassi Guglielmo di Castro Autore Spagnolo sopra la doppia passione di Cimene Illustre Donzella della Castiglia costretta dal dovere di Figlia a perseguitare l’amato Rodrigo uccisore del Conte di Gormas di lei Padre sino a la morte, che ella temeva impetrare. Piacque d’introdurre la stessa Tragedia compendiosamente su queste Scene Musicali nella presente Stagione, colle maniere della nostra Lingua, e colla moda dei nostri Teatri, ma col disegno, e coi sentimenti, in tutto, della Musa straniera, che somministra l’avventuroso esemplare […]. – T: Benedetto Pasqualigo (nach Pierre Corneille, Le Cid, Paris 1636), M: Girolamo Bassani u. Marco Zucchini [Cimene, Sancio, Leonora, Rodrigo, Diego, Ferdinando I] [Nr. 5605] {I-Vnm, Dramm. 1223.2} 1721 LA FEDE NE’ TRADIMENTI. Drama per musica da recitarsi nel Teatro di S. Angelo l’autunno dell’anno 1721 dedicato a sua eccellenza […] Aurora Sanseverino, prencipessa della famiglia Gaetana, duchessa di Laurenzano. – T: Girolamo Gigli, M: Carlo Luigi Pietragrua [Anagilda, Elvira, Fernando, Garzia] [Nr. 9884] {I-Vnm} (Wiel 1897, Nr. 193: „Rappresentato prima, l’anno 1705, nel teatro S. Gio. Grisostomo, con musica di C. F. Pollarolo.“) 1722 L’INNOCENZA DIFESA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo nel carnovale dell’anno 1722. Dedicato al […] principe Giovan Teodoro duca dell’una et dell’altra Baviera […]. – T: Francesco Silvani (L’innocenza giustificata, 1699), ? (Adaptation), M: Fortunato Chelleri [Giuditta, Gildippe, Lotario, Adalgiso, Berardo, Asprando] [Nr. 13302] {I-Vnm Vcg Vgc} 1722 VENCESLAO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo nel carnovale dell’anno 1722. Dedicato a sua altezza […] Teodoro Costantino Lubominshii principe del sacro romano imperio […]. – T: Apostolo Zeno, M: Giovanni Porta, Antonio Pollarolo, Giovanni Maria Capelli (Gemeinschaftsarbeit, vgl. Strohm 1976/II, S. 156) [Venceslao, Erenice, Casimiro, Alessandro, Lucinda, Ernando, Gismondo] [Nr. 24463] {I-Vnm Vcg Vgc} (Wiel 1897, Nr. 203: „Rappresentato prima, l’anno 1703, nello stesso teatro, con musica di Carlo Franc. Pollarolo.“) 1723 ARMIDA ABBANDONATA. Dramma per musica da rappresentarsi per seconda nell’ autunno 1723 nel Teatro Giustiniano di San Moise. – T: Francesco Silvani, M: Giuseppe Maria Buini [Armida, Rinaldo, Tancredi, Erminia, Ubaldo, Rambaldo] [Nr. 2728] {I-Vnm Vcg} (EA 1707, Teatro S. Angelo, M: G. M. Ruggeri) 1723 BAJAZETTE. Tragedia per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuele l’anno 1723 per la fiera dell’Ascensione. Dedicata a sua altezza sereniss. il signor principe Giuseppe d’Assia Darmstat, cavaliere dell’Ordine insigne di S. Uberto etc. etc. – T: Agostino Piovene, M: Francesco Gasparini [Tamerlano, Bajazet, Asteria, Irene, Andronico, Temur, Zaida] [Nr. 3650] {I-Vnm Vcg Vgc} (vgl. Il Tamerlano, 1710) 1723 GLI EQUIVOCI D’AMORE E D’INNOCENZA. Dramma per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo. Nell’autunno 1723. Consecrato a Giuseppe Maria Pallavicino patrizio genovese. – T: Antonio Salvi, M: Francesco Gasparini [Leonora, D. Carlo Sancio, Raimondo, Elvida, Ramiro, Ernesto] [Nr. 8978] {I-Vnm, Dramm. 1028.7} 1723 L’ERMENGARDA. Dramma per musica da rappresentarsi nell’autunno 1723 nel Teatro Giustiniano di San Moisé. – T: Antonio Maria Lucchini, M: Tommaso Albinoni [Ermengarda, Ridolfo, Gisilde, Guido, Ugone, Lamberto, Berengario, Anscario] [Nr. 9144] {I-Vnm, Dramm. 1028.5} [= 2. Gemahlin des Mgfen. Adalbert v. Ivrea, Stiefmutter Kg. Berengars II. v. Italien, 10. Jh.; die Istoria des Librettos verweist auf Emanuele Tesauro, Del Regno d’Italia sotto i barbari epitome, Venedig 1667]

382 1723 VENCESLAO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé nel carnovale dell’anno 1723. – T: Apostolo Zeno, M: Giovanni Porta, Antonio Pollarolo, Giovanni Maria Capelli (vgl. 1722) ? [Nr. 24464] {I-Vnm Vcg Vgc} (frühere Aufführungen 1703 u. 1722) 1725 ALCINA DELUSA DA RUGERO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Cassan l’autunno dell’anno 1725. Di Antonio Marchi. – T: Antonio Marchi, M: Tommaso Albinoni [Alcina, Rugero, Bradamante, Melissa, Alindo, Idraspe] [Nr. 660] {I-Vnm Vcg Vgc} (vgl. Alcina, London 1735 u. 1736) [nach Ariosto, Orlando furioso] 1725 LI SDEGNI CANGIATI IN AMORE. Dramma da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé il carnevale dell’anno 1725. Dedicato a […] D. Alderano Cibo Malaspina […]. – T: Francesco Silvani (Il duello d’amore e di vendetta), ? (Adaptation), M: Giuseppe Maria Buini [Rodrigo, Esilena, Evanco, Florinda, Giuliano, Fernando] [Nr. 21395] {I-Vcg Vgc} (Wiel 1897, Nr. 239: „Lo stesso drama fu rappresentato prima, l’anno 1700, nel teatro S. Salvatore, col titolo: Il duello d’amore e di vendetta; musica di Marc’Antonio Ziani.“) 1726 AMORE E SDEGNO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassano nel carnevale dell’anno 1726. Dedicato a […] Nicolò Contarini di Alvise. – T: Michiel Angelo Boccardi di Mazzera, M: Luigi Tavelli [Otone, Nicea, Niceforo, Teodelinda, Costantino, Tigrane] [Nr. 1629] {I-Vnm, Dramm. 1231.9} (= Ottone amante, Venedig 1726; Neubearbeitung von La moglie nemica, 1694, vgl. Allacci, Sp. 66 u. Sonneck I, S. 97) 1726 CUNEGONDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo per il carnevale dell’anno 1726. – T: Agostino Piovene, M: Antonio Vivaldi [Cunegonda, Aladino, Rosana, Ridolfo, Arsace, Ernesto] [Nr. 6965] {I-Vnm Vcg Vgc} (Wiel 1897, Nr. 251: „Rappresentato prima, l’anno 1709, nel teatro S. Cassiano, col titolo di Principessa fedele e con musica di Francesco Gasparini.“) 1726 LA FEDE TRADITA E VENDICATA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo il carnovale dell’anno 1726. Dedicato a […] Gio. Mattia del S.R.I. conte di Schoulembourg […]. – T: Francesco Silvani, M: Antonio Vivaldi [Ricimero, Rodoaldo, Ernelinda, Edvige, Vitige, Edelberto] [Nr. 9917] {I-Vnm} (Wiel 1897, Nr. 254: „Rappresentato prima, l’anno 1704 e l’anno 1715.“) 1726 OTTONE AMANTE. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassano nel carnevale dell’anno 1726. Dedicato a Nicolò Contarini di S. E. il sig. Alvise. – T: Michiel Angelo Boccardi di Mazzera, M: Luigi Tavelli [Ottone, Nicea, Niceforo, Teodelinda, Costantino, Tigrane] [Nr. 17626] {I-Vnm} (= Amore e sdegno, Venedig 1726; vgl. Groppo, Nr. 606 u. Wiel 1897, Nr. 248 – Neubearbeitung von La moglie nemica, 1694; vgl. Allacci, Sp. 590) 1726 I RIVALI GENEROSI. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuele l’anno 1726 per la fiera dell’Ascensione. – T: Apostolo Zeno, M: Giuseppe Vignati [Nr. 20031] {I-Vnm Vcg Vgc} (Wiel 1897, Nr. 260: „Rappresentato prima, l’anno 1697, nel teatro S. Salvatore, con musica di M. Ant. Ziani.“) 1726 IL TRIONFO D’ARMIDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano a S. Moisé l’anno 1726. – T: Girolamo Colatelli, M: Tommaso Albinoni [Nr. 23675] {IVnm Vcg} (Wiel 1897, Nr. 257: „Rappresentato prima, l’anno 1703, col titolo: L’onor al Cimento e con musica di T. Orgiani.“) 1726 IL TRIONFO DI FLAVIO OLIBRIO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani a S. Gio. Grisostomo nell’autunno 1726. Dedicato a sua eccellenza il signor marchese Ludovico Rangoni signore di Spilimbergo […]. – T: Apostolo Zeno u. Pietro Pariati, M: Giovanni Porta [Flavio Olibrio, Placidia, Ricimero, Teodolinda, Arbace, Ulderico] [Nr. 23987] {I-Vnm D-Mbs} (Wiel 1897, Nr. 243: „Rappresentato prima, l’anno 1707, nel teatro S. Cassiano, con musica di Franc. Gasparini e col titolo Flavio Anicio Olibrio.“) 1727 L’ADALOALDO FURIOSO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moise nel carnovale 1727. – T: Antonio Maria Lucchini, M: Giacomo

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Macari [Teodelinda, Adaloaldo, Gundeberga, Antario, Niceta, Adulfo] [Nr. 223] {IVnm, Dramm. 1035.3} [= Adalwald, langob. Kg., 7. Jh.] IL BERTARIDO RE DE LONGOBARDI. Drama per musica da rappresentarsi in Venezia nel Teatro Tron di S. Cassiano l’autunno dell’anno 1727. – T: Antonio Salvi (Rodelinda regina de’ Longobardi, Florenz/Pratolino 1710), M: Giuseppe Boniventi [Rodelinda, Bertarido, Edvige, Grimoaldo, Unulfo, Garibaldo] [Nr. 3988] {I-Vnm Vcg Vgc} ORLANDO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’autuno dell’anno 1727. – T: Grazio Braccioli, M: Antonio Vivaldi (Neuvertonung) [Orlando, Angelica, Alcina, Bradamante, Medoro, Ruggiero, Astolfo] [Nr. 17483] {I-Vnm Vcg} (Vivaldis zweite Vertonung von Bracciolis Orlando furioso) EZIO. Dramma per musica di Artinio Corasio Pastor Arcade [= Metastasio] da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo nell’autunno dell’ 1728. Dedicato a S. eccellenza il sig. Con. di Harach […] intimo consigliere attuale di stato di S.M.C.C. suo vice ré luogotenente e capitan generale del Regno di Napoli. – T: Pietro Metastasio, M: Nicola Porpora [Valentiniano III, Fulvia, Ezio, Onoria, Massimo, Varo] [Nr. 9466] {I-Vnm Vcg} GRISELDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassiano nel carnovale 1728. Dedicata all’illustrissimo […] conte Ottaviano Vimercati, nobile di Crema etc. – T: Apostolo Zeno, M: Tommaso Albinoni [Gualtiero, Griselda, Oronta, Tigrane, Ottone, Corrado, Aroldo] [Nr. 12537] {I-Vnm Vcg} (frühere Aufführungen 1701, M: Pollarolo, u. 1720, M: Orlandini) L’ABBANDONO DI ARMIDA. Trattenimento scenico da cantarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo nell’ultima sera del carnevale dell’anno 1729. – T: Giovanni Boldini, M: Antonio Pollarolo ? (Pasticcio) [Armida, Erminia, Clorinda, Tancredi, Rinaldo, Ubaldo] [Nr. 12] {I-Vnm} [nach Tasso, La Gerusalemme liberata] ADELAIDE. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassano nel carnevale 1729. All’illust. […] prencipe Giacomo duca di Hamilton […]. – T: Antonio Salvi, M: Giuseppe Maria Orlandini [Adelaide, Ottone, Berengario, Matilde, Idelberto, Everardo, Clodomiro] [Nr. 288] {I-Vnm Vcg Vgc} (vgl. Adelaide, München 1722 u. Florenz 1725, sowie Lotario, London 1729) ONORIO. Drama per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo nell’autunno dell’anno 1729. Dedicato a sua eccellenza il sig. marchese Luca Casimiro degl’Albiti. – T: Domenico Lalli u. Giovanni Boldini ?, M: Francesco Ciampi [Onorio, Temanzia, Placidia, Eucherio, Stilicone, Ormonte] [Nr. 17098] [= Honorius, weström. Ks., Anfang des 5. Jhs.] DALISA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuele nella fiera dell’Ascensione dell’anno 1730. – T: Nicolò Minato, Domenico Lalli, M: Johann Adolf Hasse [Ottone, Dalisa, Edita, Enrico] [Nr. 7052] {I-Vnm, Dramm. 1239.2; DMbs} (Vorlage: Nicolò Minato, Baldracca, Wien 1679 ?) [Ks. Otto I., im Konflikt mit seinem Bruder Heinrich, verliebt sich in die schöne Schäferin Dalisa; Quellenangabe im Argomento: Burkhard Gotthelf Struve, Syntagma Historiae Germanicae, Jena 1716 ?] LA FEDE IN CIMENTO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Tron di S. Cassiano il carnovale dell’anno 1730. Dedicato a S.A.S. il signor duca di Parma […]. – T: Apostolo Zeno, M: Francesco Gasparini u. Santo Lapis [Frilevo, Aldano, Alvida, Girita; Sivardo, Asmondo] [Nr. 9862] {I-Vnm Vcg} (Wiel 1897, Nr. 301: „Il drama era stato rappresentato prima, l’anno 1707, nel teatro S. Cassiano, con musica di Franc. Gasparini e col titolo di Amor generoso.“ S. auch Allacci, Sp. 331) L’ODIO PLACATO. Drama per musica da recitarsi nel Teatro di S. Angelo l’anno 1730. – T: Francesco Silvani, M: Baldassare Galuppi [Rodrigo, Esilena, Florinda, Fernando, Climene, Giuliano, Evanco] [Nr. 16872] {I-Vnm Vcg Vgc} (Wiel 1897, Nr. 306: „Rappresentato prima, l’anno 1700, nel Teatro S. Salvatore con musica di Marc’ Antonio Ziani, e col titolo di Duello d’amore e di vendetta; e l’anno 1725, nel teatro S. Moisé, con musica di G. M. Buina e col titolo: Gli sdegni cangiati in amore.“)

384 1731 ARMIDA AL CAMPO D’EGITTO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Malgarita il carnovale dell’anno 1731. – T: Giovanni Palazzi, M: Antonio Vivaldi [Nr. 2764] {I-Vnm Vcg} (EA 1718, Teatro S. Moisé) 1731 LA RODELINDA. Drama per musica da rappresentarsi in Venezia nel Teatro di San Moisé l’autuno dell’anno 1731. – T: Antonio Salvi (Rodelinda regina de’ Longobardi, Florenz/Pratolino 1710), M: Bartolomeo Cordans [Rodelinda, Bertarido, Edvige, Grimoaldo, Garibaldo, Unulfo] [Nr. 20060] {I-Vnm Vcg Vgc} (vgl. Il Bertarido re de Longobardi, 1727) 1731 ROMILDA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé nel carnevale dell’anno 1731. – T: Carlo Pagani Cesa, M: Bartolomeo Cordans [Alcano, Romilda, Rodoaldo, Agila, Gisberto] [Nr. 20116] {I-Vnm, Dramm. 1043.4} [Romilda nach Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (Lib. IV, Cap.37ff.), Gemahlin Gisulfs v. Friaul, eines Neffen des langob. Kgs. Alboin] 1732 LA CADUTA DI LEONE IMPERATOR D’ORIENTE. Drama per musica da recitarsi nel Teatro di Sant’Angelo l’autunno 1732. Consacrato all’altezza […] principe Filippo langravio d’Hassia […]. – T: Carlo Pagani Cesa, M: Giuseppe Antonio Paganelli [Leone, Costante, Irene, Eumena, Cloro] [Nr. 4380] {I-Vnm, Dramm. 1046.6; D-Dl} [= Leon V., byz. Ks. † 820] 1732 GLI EVENIMENTI DI RUGERO. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Giustiniano di S. Moisé il carnevale dell’anno 1732. Di Antonio Marchi. Dedicato a […] Paolo Martinengo nobile veneto […]. – T: Antonio Marchi, M: Tommaso Albinoni [Rugiero, Alcina, Bradamante, Melissa, Alindo, Idraspe] [Nr. 9446] {I-Vnm Vcg Vgc} (lt. Sonneck I, S. 54 bearbeitete Fassung von Alcina delusa da Rugero, 1725) 1733 GINEVRA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di San Samuele nella fiera dell’Ascensione l’anno 1733. Dedicato a […] il principe d’Ardore. – T: Antonio Salvi (Ginevra principessa di Scozia, Florenz/Pratolino 1708), M: Giuseppe Sellitti [Donaldo, Ginevra, Dalinda, Ariodante, Polinesso, Lurcanio] [Nr. 11871] {IVnm Vcg} (vgl. Ariodante, 1716) 1735 L’ANAGILDA. Drama per musica da rappresentarsi nel famoso Teatro Tron di San Cassiano nel carnovale dell’anno 1735. Dedicato a S. eccellenza il sig. Leopoldo Ottavio del sac. rom. impero Co. della Torre Valsassina e Tassis […]. – Argomento. […] Il tutto è tolto dalla famosa Tragedia Spagnuola del celebre D. Pietro Calderon della Barca, intitolato il D. Sancio [?]. Vivi felice etc. – T: Antonio Zanibon, M: Antonio Pampino [Anagilda, Sancio, Dantea, Florindo, Rodrigo, Fernando] [Nr. 1881] {I-Vnm, Dramm. 1050.2} 1735 GRISELDA. Drama per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuel nella fiera dell’Ascensione l’anno 1735. Dedicato a sua eccellenza […] Federico Valignanj marchese di Cepagatti. – T: Apostolo Zeno, M: Antonio Vivaldi [Gualtiero, Griselda, Costanza, Roberto, Ottone, Corrado] [Nr. 12542] {I-Vnm Vcg} (Wiel 1897, Nr. 360: „Rappresentato prima, l’anno 1701, nel Teatro S. Cassiano con musica di A. Pollarolo; l’anno 1720, nel teatro S. Samuele, con musica di G. M. Orlandini e l’anno 1728, nel teatro S. Cassiano, con musica di T. Albinoni.“) 1736 VENCESLAO. Dramma per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo nel carnovale dell’anno 1736. Dedicato a […] Giuseppe Federico principe di Sassonia Hildburgausen. – T: Apostolo Zeno, M: ? [Nr. 24474] {I-Vnm Vcg} (frühere Aufführungen 1703, 1722, 1723) 1736 LA ZOE. Dramma per musica da rappresentarsi nel nobile Teatro Tron di S. Cassano l’autunno 1736. Dedicato a […] D. Giuseppe Carrillo di Albornos. – T: Francesco Silvani, M: Luca Antonio Predieri [Zoe, Foca, Fausta, Eraclio, Alessandro, Argiro] [Nr. 25416] {I-Vnm Vcg} (Wiel 1897, Nr. 361: „Rappresentato prima, l’anno 1711, nel teatro S. Gio. Grisostomo, con musica di Ant. Lotti e col titolo: La forza del sangue.“) 1737 L’ALVILDA. Dramma per musica da rappresentarsi nel nobilissimo Teatro Grimani di S. Samuele in tempo della fiera dell’Ascensione l’anno 1737. Dedicato a Mylord Raymond pari d’Inghilterra. – T: Apostolo Zeno, Domenico Lalli, M: Baldassare

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Galuppi [Frilevo, Aldano, Alvilda, Girita, Sivardo] [Nr. 957] {I-Vnm Vcg} (Neubearbeitung von L’amor generoso, Venedig 1707) EZIO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo l’autunno dell’anno 1737. Dedicato a donna Fulvia Visconti Clerici. – T: Pietro Metastasio, M: Giovanni Battista Lampugnani [Ezio, Fulvia, Valentiniano, Onoria, Massimo, Varo] [Nr. 9474] {I-Vnm Vcg} (frühere Aufführung 1728, M: Nicola Porpora) ANGELICA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuele nella fiera dell’Ascensione dell’anno 1738. Dedicato a sua altezza […] il duca di Modena. – T: Carlo Vedoa, M: Giovanni Battista Lampugnani [Angelica, Nerina, Medoro, Cloridano, Ugerio] [Nr. 1975] {I-Vnm Vcg Vgc} [nach Ariosto, Orlando furioso] ARMIDA AL CAMPO D’EGITTO. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro di S. Angelo il carnovale dell’anno 1738 dedicato a monsieur Augusto Brandofer di Augusta. – T: Giovanni Palazzi, M: Antonio Vivaldi (Pasticcio) [Califfo, Armida, Emireno, Osmira, Erminia, Tisaferno, Adrasto] [Nr. 2765] {I-Vnm Vcg} (Wiel 1897, Nr. 382: „Rappresentato prima, l’anno 1718, nel teatro S. Moisé e l’anno 1731, nel Teatro S. Margherita“; Strohm 1976/II, S. 268: „Von Vivaldi aufgeführt. Vorlage ist seine eigene Vertonung von 1718, zu der auch die Part. gehört. Sie wurde aber von Vivaldi mit mehreren fremden A[rien] ausgestattet.“) GUSTAVO PRIMO RE DI SVEZIA. Dramma per musica da rappresentarsi nel Teatro Grimani di S. Samuele in tempo della Ascensione nell’anno 1740. – T: Carlo Goldoni, M: Baldassare Galluppi [Ernesto, Ergilda, Learco, Dorisbe, Argeno] [Nr. 12597] {IVnm, Dramm. 1055.9} [= Gustav I. Vasa, Kg. v. Schweden (1523–1560)] OTTONE. Dramma per musica da rappresentarsi nel famosissimo Teatro Grimani di S. Gio. Grisostomo il carnovale dell’anno 1740. Dedicato a sua altezza reale Federico Christ. principe elettorale di Sassonia figlio del regnante Augusto di Polonia […]. – T: Antonio Salvi (?), M: Gennaro d’Alessandro [Ottone, Berengario, Matilde, Adelaide, Idelberto, Clodomiro] [Nr. 17624] {I-Vnm, Dramm. 1055.1} (Textvorlage: Adelaide, München 1722 ?) [Ks. Otto I., Kgn. Adelheid, Kg. Berengar II. u. Adalbert v. Italien]

Allacci, Lione, Drammaturgia di Lione Allacci accresciuta e continuata fino all’anno 1755, Venezia 1755 (Nachdruck Turin 1961). Galvani, Livio Niso, I Teatri musicali di Venezia nel secolo XVII (1637–1700), Milano 1879 (Nachdruck Bologna 1969). Groppo, Antonio, Catalogo di tutti i drammi per musica recitati ne’ Teatri di Venezia dall’ anno 1637, in cui ebbero principio le publiche rappresentazioni de’ medesimi sin all’ anno presente 1745, Venezia 1745. Leich, Karl, Girolamo Frigimelica Robertis Libretti (1694–1708). Ein Beitrag insbesondere zur Geschichte des Opernlibrettos in Venedig, München 1972 (Schriften zur Musik 26). Sartori, Claudio, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Saunders, Harris Sheridan, The Repertoire of a Venetian Opera House (1678–1714): The Teatro Grimani di San Giovanni Grisostomo, Diss. Harvard 1985. Sonneck, Oscar George Theodore, Library of Congress. Catalogue of Opera Librettos printed before 1800, 2 Bde, Washington 1914. Strohm, Reinhard, Italienische Opernarien des frühen Settecento (1720–1730), 2 Bde, Köln 1976 (Analecta Musicologica 16). Wiel, Taddeo, I Codici musicali Contariniani del secolo XVII nella R. Biblioteca di San Marco in Venezia, Venezia 1888 (Nachdruck Bologna 1969). Wiel, Taddeo, I Teatri musicali veneziani del Settecento. Catalogo delle opere in musica rappresentate nel secolo XVIII in Venezia (1701–1800), Venezia 1897. Wolff, Hellmuth Christian, Die venezianische Oper in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Berlin 1937. Zeno, Apostolo, Poesie drammatiche, 10 Bde, Venedig 1744.

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Weißenfels (bis 1736) 1673 (Halle): DER GLÜCKLICHE LIEBES-FEHL PRINTZ WALRAMS AUS SACHßEN. Bey Des Hochwürdig-Durchlauchtigen Fürsten und Herrn / Hn. Augustens / des Jüngern / Herzogens zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg [...] Und Der Durchlauchtigen Fürstin / Princeßin Charlotten / Landgräfin zu Hessen [...] Am 25. des August-Monats dieses 1673sten Jahres in der Residentz zu Halle vollzogenem Fürstlichen Beylager in einer Schau-Platz-Feyer fürgestellet. – T: David Elias Heidenreich ? M: David Pohle [Thiel, Nr. 822] {D-W, Textb. 4° 51} [Verbindung der Tochter Ottos des Großen mit Prinz Walram, einem Urenkel Widukinds] 1683 DIE GESCHICHTE PFALTZ-GRAFF SIEGFRIEDS VON TRIER UND SEINER GEMAHLIN GENOVEVA. – T: ?, M: ? (,Schauspiel‘ mit Musik, bei Brockpähler nicht aufgeführt als Oper) 1701 REGNERUS UND SVANVITE Wurden in einer Opera Beym angestellten Carneval Auff dem Hochfürstl. Schau-Platze zur Neuen Augustusburg in Weissenfels vorgestellet. Anno MDCCI. – T: Magister Lange ?, M: Johann Christian Schiefferdecker [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-B, Mus T 9,18} (vgl. Hamburg 1702) 1704 ALMIRA. KÖNIGIN VON CASTILIEN, praesentirete sich Auf dem Schau-Platz Der Neuen Augustus-Burg zu Weissenfelß, Bey hoher Anwesenheit Seiner Chur-Fürstlichen Durchlauchtigkeit zu Pfaltz, In einer Opera d. ... Julii, Anno 1704. – T: Friedrich Christian Feustking ? (nach Giulio Pancieri, L’Almira, Venedig 1691), M: Reinhard Keiser, Ruggiero Fedeli ? (ital. Arien) [Thiel, Nr. 62] {D-W, Textb. 4º 54} 1708 DONNA VIOLANTA, ODER: DER SPIEGEL KEUSCHER DAMEN. – T: ?, M: ? (WA 1732: DONNA VIOLANTA, ODER: DER SPIEGEL KEUSCHER DAMEN Wurde Als der Durchlauchtigste Fürst und Herr, Herr Christian, Hertzog zu Sachsen, [...] Dero höchsterwünschten Hohen Geburths-Tag Anno 1732 den 23. Febr. abermahls höchstfeyerlich begangen, Auf dem Grossen Schau-Platz der Neuen Augustus-Burg in Weissenfelß In einer Opera unterthänigst aufgeführet.) [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {Libretto [1732] in: D-B, Mus. Tv 250 R} ?1710 ADELHEID. – T:? (nach Johann Christian Hallmann, Die Schaubühne des Glücks, oder Die unüberwindliche Adelheide, Breslau 1684 ?), M: Telemann ? (vgl. Hamburg 1727) ?1715 DER UNSCHULDIG-VERDA@TE HEINRICH / FÜRST VON WALLIS, Wurde bey Der Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen / Frn. Louysen Christinen / Hertzogin zu Sachsen / Jülich / Cleve und Berg / auch Engern und Westphalen [...] Höchsterfreulichem Geburths-Fest / in einem Schau-Spiel / Auf der Neuen Augustus-Burg zu Weissenfels / Nebst folgender Singenden Vorrede / unterthänigst aufgeführet / Den 22. Januarii, An. 1715. – T: ?, M: Johann Augustin Kobelius [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {Libretto (nur Prolog) in D-B, Mus. Th 366/100 Rara} 1717 DIE AUCH IM UNGLÜCK GLÜCKLICHE LIEBE, ODER ISABELLA UND RODRIGO, wurde Auf Hochfürstl. Gnädigsten Befehl, am [hs. ,19.‘] Maij, Anno 1717. in einer Opera unterthänigst aufgeführet. – T: ?, M: Johann Augustin Kobelius [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-B, Mus. Tl 490 Rara} 1730 CHLODOVEUS, ODER DER WOHLGERATHENE SPRUNG / Wurde Bey des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Christian Hertzogs zu Sachsen / Jülich, Cleve und Berg, auch Engern und Westphalen […] Abermahls höchst-glücklichst und höchst-erwünschtest erschienenen Geburths-Tage Anno 1730. den 23. Febr. Auf dem grossen Theatro der neuen Augustusburg zu Weissenfelß in einer Opera unterthänigst vorgestellt. – T: ?, M: ? [RISM: Libretti in dt. Bibliotheken] {D-B, Mus. Tc 550 R} Brockpähler, Renate, Handbuch zur Geschichte der Barockoper in Deutschland, Emsdetten 1964 (Die Schaubühne 62). Fuchs, Torsten, Studien zur Musikpflege in der Stadt Weißenfels und am Hof der Herzöge von Sachsen-Weißenfels. Ein Beitrag zur mitteldeutschen Musikgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. Halle-Wittenberg 1990.

387 Libretti in deutschen Bibliotheken. Katalog der gedruckten Texte zu Opern, Oratorien, Kantaten, Schuldramen, Balletten und Gelegenheitskompositionen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Herausgegeben vom Repertoire International des Sources Musicales (RISM), Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1992 (107 Mikrofiches und ein Begleitheft). Meyer, Reinhart, Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Bearbeitungen und Übersetzungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, 1. Abteilung: Werkausgaben, Sammlungen, Reihen, 3 Bde, Tübingen 1986, 2. Abteilung: Einzeltitel, Tübingen 1993ff. Sent, Eleonore (Hg.), Die Oper am Weißenfelser Hof, Rudolstadt 1996. Thiel, Eberhard/Rohr, Gisela, Libretti. Verzeichnis der bis 1800 erschienenen Textbücher, Frankfurt a. M. 1970 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 14). Werner, Arno, Städtische und fürstliche Musikpflege in Weißenfels bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1911.

Wien (bis 1740) 1672 GUNDEBERGA. Drama per musica nel giorno natalitio della S.C.R.M.tà dell’ Imperatrice Margherita per comando della S.C.R.M.tà dell’Imperatore Leopoldo l’anno 1672 et al medesimo consacrato. Musica del sig. Ant. Draghi Ma.ro di Cap. della M.tà dell’Imperatrice Eleonora. Con l’arie per li balli del sig. Gio. Enrico Smelzer, vicemaestro di Cap. di S.M.C. – T: Nicolò Minato, M: Antonio Draghi u. Leopold I. [Sartori, Nr. 12595] {A-Wgm, 22/5 1 (it.), A-Wn, 4.654-A (dt.)} [= Gundeperga, Tochter des langob. Kgs. Agilulf u. Gemahlin des späteren langob. Kgs. Ariwald; Ex Sigon: lib: 5: nach Carlo Sigonio, Historiarum de regno Italiae Libri quindecim, Venedig 1574] 1679 BALDRACCA. Drama per musica nel felicissimo dì natalizio [...] dell’imperatrice Eleonora Maddalena Teresa. Per comando [...] dell’imperatore Leopoldo. Et alla med.ma M.tà consacrato l’anno 1679. Posto in musica dal S.r Antonio Draghi, intendente delle musiche teatrali di S.M.C. et M.to di cap. dell’imp. Eleonora. Con l’arie delli Balletti del S.r Gio. Henrico Smelzer, V.M.to di cap. di S.M.C. – T: Nicolò Minato, M: Antonio Draghi [Sartori, Nr. 3669] {A-Wst, A 23.573 (it.), A-Wn, 629.656A Th (dt.: Baldraka)} [Ks. Otto I., im Konflikt mit seinem jüngeren Bruder und Rivalen Heinrich, liebt die einfachen Verhältnissen entstammende Baldracca; das Argomento beruft sich auf Raffaele Maffei gen. Volaterranus (und zwar vermutlich auf dessen Commentariorum urbanorum libri octo et triginta, zuerst Rom 1506)] 1697 L’ADALBERTO OVERO LA FORZA DELL’ASTUZIA FEMMINILE. Drama per musica all’augustissime maestà cesaree nel carnovale l’anno 1697. Posto in musica dal S.r Antonio Draghi maestro di cap. di S.M.C. Con l’arie per li balletti del S.r Gio. Gioseffo Hoffer, violinista di S.M.C. – T: Donato Cupeda, M: A. Draghi, Leopold I. [Sartori, Nr. 221] {A-Wn, 407.402-A M (it.) (dt.: Adalbert Oder Die Macht der WeiberList)} [Otto I. (dessen Stelle in der Bühnenhandlung von Lidolpho / deß Kaysers Otto Sohn, eingenommen wird), Adelheid, Witwe des Kgs. Lothar, u. Adalbert v. Italien] 1697 L’AMARE PER VIRTÙ. Drama per musica nel felicissimo dì natalizio della S.C.R.M.tà dell’imperatore Leopoldo I sempre augusto per comando […] dell’ imperatrice Eleonora, Maddalena, Teresa l’anno 1697. Posto in musica dal S.r Antonio Draghi maestro di cap. di S.M.C. con l’arie per li Balletti del S.r Gio. Gioseffo Hoffer, violinista di S.M.C. – T: Donato Cupeda, M: Antonio Draghi, Leopold I. [Sartori, Nr. 1161] {A-Wn, 407.402-A M (it.) (dt.: Lieben auß Tugend)} (vgl. Venedig 1699) [die Tochter des letzten Westgotenkönigs Rodrigo u. der Maurenfürst Abd al-Azz, Anfang des 8. Jhs.; nach Bartolomeo de Rogatis, Historia de la perdida e riacquisto della Spagna occupata da Mori, Venedig 1674/75]

388 1707 L’ALBOINO. Drama per musica rappresentato alle sac. ces. reali maestà nel carnevale dell’anno 1707, posto in musica dal sig. Marc’Antonio Ziani vice maestro di cappella di S.M.C. con l’arie per i balli del sig. Gio. Gioseffo Hoffer, violinista di S.M.C. – T: ?, M: Marc’Antonio Ziani [Sartori, Nr. 568] {A-Wn, 407.368-A M (it.) (dt.: Der Alboino)} (Vorlage: Giulio Cesare Corradi, Alboino in Italia, Venedig 1691 ?) 1708 AMOR TRA NEMICI. Dramma per musica rappresentato nel felicissimo giorno natalizio della S.C.R.M. di Giuseppe I imperador de’ romani sempre augusto per comando della S.C.R. maestà dell’imperadrice Amalia Willelmina l’anno 1708 posto in musica dal P. Attilio Ariosti. – T: Pietro Antonio Bernardoni, M: Attilio Ariosti [Sartori, Nr. 1490] {A-Wn, 407.368-A M (it.) (dt.: Die Liebe unter denen Feinden); D-KNth} [zur Zeit der Maurenherrschaft in Spanien; während der Regentschaft des al-Mans*r billh (Almanzor, † 1002) ?] (u. a. nach Lope de Vega, La envidia de la nobleza) 1714 L’ATENAIDE. Drama per musica da rappresentarsi nel felicissimo giorno del nome […] dell’imperatrice Elisabetta Cristina per comando di Carlo VI imperator de romani […] l’anno 1714. Poesia del sig.r Apostolo Zeno. – T: Apostolo Zeno, M: Marc’ Antonio Ziani (1. A.), Antonio Negri (2. A.), Antonio Caldara (3. A.), Francesco Conti (Lic.) [Sartori, Nr. 3415] {A-Wn D-W - KNth} [Ks. Theodosius II. u. Athenaïs/ Eudokia, 1. Hälfte des 5. Jhs.; im Argomento (zit. nach der späteren Werkausgabe: Poesie drammatiche, Venedig 1744, Bd. 1, S. 359) verweist Zeno auf die Istorici Greci Johannes Zonaras und Theophanes Confessor] 1716 ANGELICA VINCITRICE DI ALCINA. Festa teatrale da rappresentarsi sopra la grande Peschiera dell’Imperiale Favorita solennizzandosi la felicissima […] nascita di Leopoldo arciduca d’Austria e real principe de Las Asturias, per comando della […] maestà di Carlo VI, imperador de’ romani sempre augusto l’anno 1716. – T: Pietro Pariati, M: Johann Joseph Fux [Sartori, Nr. 1996] {A-Wn (it.), (dt.: Die über die Alcina obsigende Angelica)} [nach Ariosto, Orlando furioso] 1719 SIRITA. Dramma per musica da rappresentarsi nell’Imperial Favorita per comando della sacra ces. e catt. real maestà di Carlo VI imperadore de’ romani sempre augusto per le felicissime nozze de’ serenissimi principi Maria Gioseffa arciduchessa d’Austria, e Federico Augusto principe ereditario di Sassonia. La poesia è del sig. Apostolo Zeno poeta ed istorico di S.M.C. e catt. La musica è del sig. Antonio Caldara vice-maestro di cappella di S. M. ces. e catt. – T: A. Zeno, M: A. Caldara [Sartori, Nr. 22060] {A-Wn, (it.), (dt.: Die Sirita)} [Im Argomento (zit. nach: Poesie drammatiche, Venedig 1744, Bd. 6, S. 185–187) bezieht sich Zeno auf Sassone Grammatico, genauer auf das VII. Libro delle sue Istorie di Danimarca, sowie auf Alberto Krantzio u. Giovanni Meursio] 1725 GRISELDA. Dramma per musica da rappresentarsi nella cesarea corte per comando augustissimo nel carnevale dell’anno 1725. La poesia è del sig. Apostolo Zeno, poeta ed istorico di S. M. ces. e cattol. La musica è del sig. Francesco Conti, tiorbista e compositore di camera di S. M. ces. e cattol. – T: Apostolo Zeno, M: Francesco Conti [Sartori, Nr. 12534] {A-Wn D-W - KNth} [nach Giovanni Boccaccio, Il Decamerone] 1725 VENCESLAO. Dramma per musica da rappresentarsi nella cesarea Corte per il nome gloriosissimo […] di Carlo VI imperadore de’ romani sempre augusto. Per comando [...] di Elisabetta Cristina imperadrice regnante l’anno 1725. La poesia è del sig. Apostolo Zeno poeta ed istorico di S.M.C. e C. La musica è del sig. Antonio Caldara vice-maestro di capp. di S.M.C. e C. – T: Apostolo Zeno (nach Jean de Rotrou, Venceslas, Paris 1647), M: Antonio Caldara [Sartori, Nr. 24468] {A-Wn D-W} Hadamowsky, Franz, Barocktheater am Wiener Kaiserhof. Mit einem Spielplan (1625–1740), in: Jahrbuch der Gesellschaft für Wiener Theaterforschung 1951/1952, Wien 1955. Sartori, Claudio: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, 7 Bde, Cuneo 1990–1994. Seifert, Herbert, Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, Tutzing 1985 (Wiener Veröffentlichungen zur Musikgeschichte 25). Zeno, Apostolo, Poesie drammatiche, 10 Bde, Venedig 1744.

389

2 Systematisches Verzeichnis Braunschweig-Wolfenbüttel 390 – Dresden 391 – Düsseldorf 392 – Florenz 393 – Hamburg 394 – Hannover 395 – Leipzig 396 – London 397 – München 398 – Neapel 399 – Paris 400 – Stuttgart 401 – Venedig 402 – Weißenfels 404 – Wien 405 Unterschieden werden sieben typische Konstellationen oder Themenkreise ,mittelalterlicher‘ Sujets. Die im chronologischen Verzeichnis vollständig aufgeführten Operntitel werden im folgenden aus Platzgründen z. T. verkürzt wiedergegeben.

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Teodosio ed Eudossa (1716) Justinus (1725)

Spanien/Iberische Halbinsel

Almira (1703) Sinilde (1727)

La Libussa (1692) Pharamond (1699) Fredegonda (1712) Fredegunda (1720) Gensericus (1725)

Langobardenherrschaft in Italien Flavio Cuniberto (1727?)

Zeit der Völkerwanderung Leonilde (1704?) Regnero (1715) Rodoaldo (1726)

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Hertzog Henrich der Löwe (1697) Ottone (1697) Henrich der Löwe (1716) Heinrich der Vogler I (1718) Heinrich der Vogler II (1721) L’innocenza difesa (1722?) Rudolphus Habspurgicus (1723) Ottone re di Germania (1723) Ottone re di Germania (1725) Henricus Auceps (1726) Ludovicus Pius (1726) Egbert und Lotharius (1728?) Richardus genannt das LöwenHerz (1729) Magnus Torquatus (1730) L’innocenza difesa (1731)

Zentraleuropäisches Mittelalter

Braunschweig-Wolfenbüttel (bis 1735)

Roland (1697?) Orlando generoso (1698) Das eroberte Jerusalem (1722) Orlando furioso (1722)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso

390

Alfonso (1738)

Spanien/Iberische Halbinsel

Alarico (1686)

Zeit der Völkerwanderung

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Irene (1738)

Langobardenherrschaft in Italien

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Dresden (bis ca. 1740)

Zentraleuropäisches Mittelalter Alerano & Adelaide (1694) Teofane (1719)

La Gerusalemme liberata (1687)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Tasso

391

Spanien/Iberische Halbinsel

Amalasunta (1713)

Zeit der Völkerwanderung

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Tiberio imperator d’Oriente (1703)

Langobardenherrschaft in Italien

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern Zentraleuropäisches Mittelalter Tassilone (1709) Engelberta (ca. 1709)

Düsseldorf (1679–1716)

Erminia ne boschi (1687) Erminia al campo (1688)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Tasso

392

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Teodora Augusta (1696) Il gran Tamerlano (1706) Il Maurizio (1707) Il comando non inteso ed ubbidito (1715) Il Tamerlano (1716/17) Scanderbeg (1718) La forza del sangue (1726) Atenaide (1728/29) Il gran Tamerlano (1730)

Spanien/Iberische Halbinsel

Il Roderico (1692) La fede ne’ tradimenti (1696/97) La forza della virtù (1702) La Clotilde d’Aragona (1706) Dionisio re di Portogallo (1707) Vincer se stesso è la maggior vittoria (1707) La fede ne’ tradimenti (1718) La fede ne’ tradimenti (1732) Il Cid (1736/37)

Belisario in Ravenna ovvero I rivali generosi (1698) Faramondo (1699) Alarico re de Vandali (1701) Flavio Anicio Olibrio (1723) Ezio (1735)

Langobardenherrschaft in Italien Flavio Cuniberto (1697) Flavio Cuniberto (1702) Rodelinda regina de’ Longodardi (1710) L’amor costante (1725)

Zeit der Völkerwanderung

Vorzeit der nordischen Länder La fede tradita e vendicata (1704/05) L’Ambleto (1706/07) L’amor generoso (1708) L’ingratitudine gastigata (1726) Ernelinda (1727/28)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Florenz (bis 1737)

Zentraleuropäisches Mittelalter Carlo re d’Alemagna (1700) Odoardo (1701) Griselda (1703) Vincislao (1703/04) I prodigi dell’innocenza (1707/08) La forza dell’innocenza (1710) Griselda (1719) L’innocenza difesa (1721) Adelaide (1725) Il fratricida innocente (1730/31) L’umiltà esaltata (1734) Adelaide (1735)

Ginevra principessa di Scozia (1708) Ginevra principessa di Scozia (1723) Ginevra principessa di Scozia (1736)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto

393

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Bajazeth u. Tamerlan (1690) Mahumeth II. (1696) Justinus (1706) Heraclius (1712) Teodosio (1718) Tamerlan (1725)

Spanien/Iberische Halbinsel La forza della virtu (1700) Almira (Händel) (1705) Almira (Keiser) (1706) Henrico IV. (1711) Sancio (1727) Margaretha (1730)

Attila (1682) Gensericus (1693) Alaricus (1702) Fredegunda (1715) Sieg der Schönheit (1722)

Langobardenherrschaft in Italien Desiderius (1709, ĺ) Flavius Bertaridus (1729) Rodelinda (1734)

Zeit der Völkerwanderung Regnerus (1702) Sueno (1706) Ernelinda (1730)

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Carolus Magnus (1692) Hertzog Henrich der Löwe (1696) Störtebecker I (1701) Störtebecker II (1701) Thassilo (1701) [nicht aufgeführt] Philippus, Hertzog zu Mayland/ Beatrix (1702) Victor Hertzog der Normannen (1702) Desiderius (1709, ĸ) Carolus V. (1712) Heinrich der Vogler [I] (1719) Bretislaus (1725) Mistevojus (1726) Otto (1726) Adelheid (1727) Emma und Eginhard (1728) Richardus I. König von England (1729) Judith (1732)

Zentraleuropäisches Mittelalter

Hamburg (1678–1738) Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso, Amadis-Roman La Gierusalemme liberata (1694) Roland (1695) Rinaldo (1715) Oriana (1717)

394

Langobardenherrschaft in Italien

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum

Zeit der Völkerwanderung

Spanien/Iberische Halbinsel

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern

L’Adelaide (1668?) Henrico Leone (1689) Die siegende Großmuth (Göttingen, 1693)

Zentraleuropäisches Mittelalter

Hannover (bis 1698)

Orlando generoso (1691)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto

395

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Phocas (1696) Justinus (1700)

Spanien/Iberische Halbinsel

Ferdinand und Isabella (1703) Almira (1710) Almire und Fernando (1714)

Die über Haß und Rache Triumphirende Liebe (1710)

Langobardenherrschaft in Italien Cosroes (1708)

Zeit der Völkerwanderung

Zentraleuropäisches Mittelalter Otto (1702)

Vorzeit der nordischen Länder Athanagilda (1701)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Leipzig (1693–1720) Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘)

396

Clotilda (1709) Almahide (1710)

Spanien/Iberische Halbinsel

King Arthur (1691) L’Elpidia overo Li rivali generosi (1725) Ezio (1732) Onorio (1735) Faramondo (1738)

Zeit der Völkerwanderung

Tamerlano (1724) Justin (1737)

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum

Flavio re de’ Longobardi (1723) Rodelinda (1725)

Langobardenherrschaft in Italien

Vorzeit der nordischen Länder Ambleto (1712) Ernelinda (1713)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Macbeth (1664/74) Rosamond (1707) Vincislao re di Polonia (1717) Griselda (1722) Ottone, re di Germania (1723) Riccardo I. (1727) Lotario (1729) Venceslao (1731) Rosamond (1733)

Zentraleuropäisches Mittelalter

London (bis ca. 1740) Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso, Amadis-Roman Rinaldo and Armida (1698/99) Rinaldo (1711) Amadigi di Gaula (1715) Erminia (1723) Orlando (1733) Alcina (1735) Ariodante (1735) Angelica e Medoro (1739)

397

Spanien/Iberische Halbinsel

L’amor della patria superiore ad ogn’altro (1665) Alarico il Baltha (1687)

Zeit der Völkerwanderung

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum L’Eraclio (1690)

Langobardenherrschaft in Italien Amor tiranno. Overo Regnero innamorato (1672) Alvilda in Abo (1678)

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Adelaide regia principessa di Susa (1669) Ottone in Italia (1670) I portenti dell’indole generosa (1675) Genovefa (1694?) Adelaide (1722) Griselda (1723) Venceslao (1725)

Zentraleuropäisches Mittelalter

München (bis 1745) Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso, Amadis-Roman Amadis de Gaule (Brüssel, 1695) Armide (Brüssel, 1697) Roland (Brüssel, 1706) Amadis di Grecia (1724)

398

Veremonda l’Amazzone d’Aragona (1652) Il Roderico (1687) Alfonso il sesto re di Castiglia (1694) Il duello d’amore e di vendetta (1715) Il gran Cid (1717) La fede ne’ tradimenti (1718)

Spanien/Iberische Halbinsel

Il Genserico (1674) Attila (1675) L’Etio (1686) L’Odoacre (1694) I rivali generosi (1700) Flavio Anicio Olibrio (1711) Faramondo (1719) Flavio Anicio Olibrio (1728) Ezio (1730)

Zeit der Völkerwanderung

L’Eraclio (1673) Il Teodosio (1677) Il Giustino (1684) Teodora Augusta (1692) Tiberio imperatore d’Oriente (1702) Il Giustino (1703) L’Irene (1704) Il Maurizio (1708/09) Teodora Augusta (1709) Il Teodosio (1709) L’Eraclio (1711/12) La forza del sangue (1712) Basilio re d’Oriente (1713) Il comando non inteso et ubbidito (1713) Bajazete (1722)

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum

Langobardenherrschaft in Italien Il Flavio (1688) Flavio Cuniberto (1693)

Vorzeit der nordischen Länder L’Amazone corsara o vero L’Alvilda (1689) La fede tradita e vendicata (1707) L’amor generoso (1708/09) Ambleto (1711) L’Ernelinda (1726) L’Ulderica (1729)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Neapel (bis 1734)

Zentraleuropäisches Mittelalter Odoardo (1700) La Griselda (1706) L’Engelberta o sia La forza dell’innocenza (1709) La pastorella al soglio (1710) La principessa fedele (1710) La vittoria d’amor coniugale (1712) Vincislao (1714/15) Carlo re d’Alemagna (1716) La Lucinda fedele (1726)

L’Olimpia vendicata (1686) Armida al campo (1718) Rinaldo (1718) Armida abbandonata (1719) Ginevra principessa di Scozia (1720)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso

399

Spanien/Iberische Halbinsel

Zeit der Völkerwanderung

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum Scanderberg (1735)

Langobardenherrschaft in Italien

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern Zentraleuropäisches Mittelalter

Paris (1671 bis ca. 1740) Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso, Amadis-Roman Amadis [de Gaule] (1684) Roland (1685) Armide (1686) Amadis de Grèce (1699) Tancrède (1702) Alcine (1705) Bradamante (1707) Renaud ou La suite d’Armide (1722)

400

Spanien/Iberische Halbinsel

Alarich in Pulcheriam verliebt (1698)

Zeit der Völkerwanderung

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum

Langobardenherrschaft in Italien

Vorzeit der nordischen Länder

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Stuttgart (bis 1737)

Zentraleuropäisches Mittelalter Mechtilde (1701) Erminia (1698)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Tasso

401

L’amor della patria (1668) Il Genserico (1669) Attila (1672) Totila (1676) I duo tiranni al soglio (1679) L’Odoacre (1680) Etio (1683) Ricimero (1684) Onorio in Roma (1692) La Clotilde (1696) I rivali generosi (1697) Primislao (1698) Faramondo (1699) Amar per vendetta (1702) La Fredegonda (1705) Flavio Anicio Olibrio (1707) Amalasunta (1719) Teodorico (1720) I rivali generosi (1726) Il trionfo di Flavio Olibrio (1726) Ezio (1728) Onorio (1729) Ezio (1737) ***

Zeit der Völkerwanderung

***

Langobardenherrschaft in Italien Ermelinda (1679) Flavio Cuniberto (1682) Il re infante (1683) Ariberto e Flavio regi de Longobardi (1685) Rodoaldo re d’Italia (1685) L’Alboino in Italia (1691) Rosimonda (1696) Flavio Bertarido re de Longobardi (1706) Bertoldo (1717) L’Adaloaldo furioso (1727) Il Bertarido re de Longobardi (1727) La Rodelinda (1731) Romilda (1731)

***

Vorzeit der nordischen Länder La Torilda (1648) L’Amazone corsara overo L’Alvilda (1686) L’inganno regnante overo L’Atanagilda (1688) La costanza in trionfo (1696) L’ingratitudine gastigata (1698) Gl’amori tra gl’odii (1699) La fede tradita e vendicata (1704) Ambleto (1705) L’amor generoso (1707) L’infedeltà punita (1712) La fede tradita e vendicata (1715) La fede tradita e vendicata (1726) La fede in cimento (1730) L’Alvilda (1737)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso L’Armida (1639) La Bradamante (1650) Il Medoro (1658) Olimpia vendicata (1682) La Gierusalemme liberata (1687) Carlo il Grande (1688) Gli avvenimenti d’Erminia e di Clorinda sopra il Tasso (1693) L’honor al cimento (1703) Armida abbandonata (1707) Armida al campo (1708) Armida in Damasco (1711) Orlando furioso (1713) Orlando finto pazzo (1714) Orlando furioso (1714) Rodomonte sdegnato (1714) Ariodante (1716) Armida al campo d’Egitto (1718) Armida delusa (1720) L’amore per forza (1721)

Zentraleuropäisches Mittelalter L’Adelaide regia principessa di Susa (1670) L’Ermengarda (1670) L’Adelaide (1672) Carlo re d’Italia (1682) Ottone il Grande (1682/83) L’anarchia dell’imperio (1683/84) Iole regina di Napoli (1692) La moglie nemica (1694) Ottone (1694) Amor e dover (1697) Odoardo (1698) L’innocenza giustificata (1699) Griselda (1701) L’arte in garra con l’arte (1702) La pastorella al soglio (1702) Il Venceslao (1703) Engelberta (1708) Berengario re d’Italia (1709) Edvige regina d’Ungheria (1709) La principessa fedele (1709)

Venedig (bis ca. 1740)

402

***

Isacio tiranno (1710) Foca superbo (1716) L’innocenza riconosciuta (1717) Tieteberga (1717) Griselda (1720) L’innocenza difesa (1722) Venceslao (1722) L’Ermengarda (1723) Venceslao (1723) Amore e sdegno/Ottone amante (1726) Cunegonda (1726) Griselda (1728) Adelaide (1729) Dalisa (1730) Griselda (1735) Venceslao (1736) Gustavo primo re di Svezia (1740) Ottone (1740)

L’Heraclio (1671) Irene e Costantino (1681) Giustino (1683) Teodora Augusta (1686) Il Mauritio (1687) Il gran Tamerlano (1689) Il trionfo dell’innocenza (1692) Irene (1694/95) Basilio re d’Oriente (1696) Zenone imperator d’Oriente (1696) Il Teodosio (1699) Tiberio imperatore d’Oriente (1702) La fortuna per dote (1704) Il comando non inteso ed ubbidito (1709) Le vicende d’amor e di fortuna (1709) Il Tamerlano (1710/11) La forza del sangue (1711) Irene Augusta (1713) Bajazette (1723) La caduta di Leone imperator d’Oriente (1732) La Zoe (1736) ***

Veremonda l’Amazzone d’Aragona (1652) L’Almira (1691) La forza della virtù (1693) Alfonso primo (1694) Il principe selvaggio (1695) L’amar per virtù (1699) Il duello d’amore e di vendetta (1700) L’Almansore in Alimena (1703) Il miglior d’ogni amore (1703) La fede ne’ tradimenti (1705) La virtù coronata (1716) Cimene (1721) La fede ne’ tradimenti (1721) Gl’equivoci d’amore e d’innocenza (1723) Li sdegni cangiati in amore (1725) L’odio placato (1730) L’Anagilda (1735) ***

Zentraleuropäisches Mittelalter

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum

Spanien/Iberische Halbinsel

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Venedig (bis ca. 1740) [Fortsetzung]

***

Armida abbandonata (1723) Alcina delusa da Rugero (1725) Il trionfo d’Armida (1726) Orlando (1727) L’abbandono di Armida (1729) Armida al campo d’Egitto (1731) Gli evenimenti di Rugero (1732) Ginevra (1733) Angelica (1738) Armida al campo d’Egitto (1738)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto, Tasso

403

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum

Spanien/Iberische Halbinsel

Almira (1704) Donna Violanta (1708) Isabella und Rodrigo (1717)

Langobardenherrschaft in Italien

Zeit der Völkerwanderung

Zentraleuropäisches Mittelalter Der glückliche Liebes-Fehl Printz Walrams aus Sachßen (Halle, 1673) Die Geschichte Pfaltz-Graff Siegfrieds von Trier und seiner Gemahlin Genoveva (1683) ? Adelheid (1710) ? Der Unschuldig-verda@te Heinrich / Fürst von Wallis (1715) Chlodoveus (1730)

Vorzeit der nordischen Länder Regnerus und Svanvite (1701)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Weißenfels (bis 1736) Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘)

404

Byzanz/Östlicher Mittelmeerraum L’Atenaide (1714)

Spanien/Iberische Halbinsel

L’amare per virtù (1697) Amor tra nemici (1708)

Langobardenherrschaft in Italien Gundeberga (1672) L’Alboino (1707)

Zeit der Völkerwanderung

Zentraleuropäisches Mittelalter Baldracca (1679) L’Adalberto (1697) Griselda (1725) Venceslao (1725)

Vorzeit der nordischen Länder Sirita (1719)

Historische bzw. pseudohistorische Opern

Wien (bis 1740)

Angelica vincitrice di Alcina (1716)

Epos-/Roman-Opern (,Ritterepik‘) Ariosto

405

B

Henrico Leone (1689) und Henrich der L we (1716): Synopse der musikalischen Fassungen

Henrico Leone

Henrich der L we

(Partiturautograph: GB-Lbl, R.M.23.h.7–9)

(Hs. Partitur: D-SWl, Mus 5261)

Sinfonia mit Chor „Cieli aita“ I,1 Rezitativ (~F-Dur) Arie (Henrico) „Trà le braccia de la morte“ (F-Dur) Orchesterzwischenspiel 2 Rezitativ Arie (Idalba) „Non sempre son funeste le nubi“ (a-Moll)

Ouverture: ,Choreinbau‘ bei der Wiederholung des Fugato-Teils entfällt dt., * Ļ (~D-Dur) Ļ (D-Dur) entfällt dt. ĺ (B-Teil ohne Violen)

3 Rezitativ Arie (Idalba) „Nò, non partirò“ (d-Moll)

dt. dt., ohne imitatorische Orchesterritornelle

4 Rezitativ Arie (Ircano) „In qual baratro“ (G-Dur) Orchesterritornell (Gavotte)

dt. ĺ entfällt

5 Rezitativ Arie (Metilda) „Posso ogni mal soffrir“ (e-Moll) Rezitativ

dt., * ersetzt durch: Arie „Se un solo è quel core“ aus Tassilone (I,5; D-Dur) dt., neu vertont

6 Rezitativ dt. Duett (Metilda, Almaro) „Io spero/credo la dt., Schluß um 5 Takte erweitert, ohne ursua uita/morte“ (A-Dur) sprünglich abschließendes Ritornell 7 Rezitativ Arie (Almaro) „Non gioua esser fedel“ (d-moll) [Anhang (Alternative): Arie „Pura fede sincera costanza“]

dt., * ersetzt durch: Arie „Vieni o cara“ (B-Dur, Herkunft unklar) [nicht vorhanden]

407 8 Arie (Eurillo) „Quanti affari“ (F-Dur) Rezitativ Arie (Errea) „Donne belle“ (B-Dur) Orchesterritornell 9 Rezitativ Arie (Metilda) „Quando il gel“ (g-Moll)

dt. dt., * (zuletzt Ĺ) dt., Ĺ (F-Dur), im B-Teil um 3 Takte gekürzt entfällt dt. dt., Orchesterritornelle durchgehend dreistimmig (Oboen/Fagott, kein Wechsel in der Besetzung)

10 Arie (Idalba) „Sin che uuol Amor“ (B-Dur) Rezitativ Arie (Ircano) „Troppo costa“ (F-Dur)

ĺ dt. ĺ (Instrumentation: Flöten statt Violinen)

11 Rezitativ Arie (Almaro) „Cara speme“ (D-Dur)

dt., * ĺ

12 Rezitativ 13 Arie (Metilda) „Un balen d’incerta speme“ (e-Moll) Rezitativ 14 Rezitativ Arie (Metilda) „Pende il cor“ (Ostinato, BDur) Orchesterritornell (Zwischenspiel) 15 Arie (Almaro) „Sento al cor“ (= 2. Strophe von „Pende il cor“ [,Aria in duetto‘]) Rezitativ [Anhang (Alternative): Arie „Deh cessate“] Arie (Errea) „È follia l’amar“ (d-Moll) 16 Rezitativ (~D-Dur) Arie (Henrico) „Quest’ unghia predatrice“ (D-Dur) Rezitativ (~G-Dur) Orchesterritornell (Kampfszene) Rezitativ (Cĺd) Arie (Henrico) „Gratie à uoi“ (d-Moll) Orchestersatz/Tanz (Menuet, instrumentale Arienstrophe)

dt., * ersetzt durch: Arie „Meco resti la speranza“ aus Tassilone (III,1: „Teco resti la speranza“; d-Moll) dt., * dt., * ĺ ĺ ĺ dt., * [nicht vorhanden] dt., Ĺ (a-Moll); abschließendes Orchesterritornell entfällt dt., Ļ (~C-Dur) dt., Ļ (C-Dur) dt., * Ļ (~F-Dur) entfällt dt., Ļ (Bĺc) dt., Ļ (g-Moll) entfällt

II,1 dt., * Ļ (~F-Dur) Rezitativ (~G-Dur) Arie (Eurillo) „Il servir innamorati“ (G-Dur) ersetzt durch: Duett (Eurillo, Errea) „Verliebten zu dienen“ (F-Dur) (Neukomposition?)

408 2 Arie (Errea) „Il servir innamorati“ (A-Teil) Rezitativ Arie (Errea) „Io non amo“ (D-Dur) 3 Rezitativ 4 Rezitativ Arie (Idalba) „Se non l’ami“ (F-Dur)

entfällt dt., * dt., Ĺ (A-Dur), rahmendes Ritornell entfällt

dt., *

Rezitativ Arie (Almaro) „Mà uoi labra“ (g-Moll)

dt., * ersetzt durch: Arie „Non v’è momento“ (c-Moll, Herkunft unklar) dt., * ĺ

5 Rezitativ Arie (Idalba) „Che non può“ (B-Dur)

dt. ĺ

6 Rezitativ Arie (Metilda) „Lunghi nembi“ (d-Moll)

dt., * (deutlich gekürzt) ĺ (ohne rahmendes Orchesterritornell)

7 Rezitativ

dt., *

8 Arie (Metilda; Almaro) „Sfronda il gel“ (,Aria in duetto‘; G-Dur)

dt., ohne abschließenden Orchestersatz (instrumentale Arienstrophe)

9 Rezitativ Arie (Errea) „Demoni che uenite“ (F-Dur)

dt., * (Ĺ) dt., Ĺ (B-Dur)

10 Rezitativ Arie (Henrico) „Morirò“ (c-Moll) Accompagnato (Henrico) „Mà di chi t’abbandona“ (EsĺF)

11 Rezitativ Arie (Ircano) „Non rompe chi spera“ (a-Moll) 12 Rezitativ Arie (Metilda) „Ossa care“ (d-Moll) Rezitativ 13 Rezitativ Arie (Almaro) „L’ingrata si rende“ (Ostinato, a-Moll)

dt. dt., Ļ (g-Moll) dt., Ļ (BĺC), Instrumentation: ohne Flöten; Nachtrag/Ergänzungstakte in Steffanis Partiturautograph (GB-Lbl, R.M.23.h.8, S. 42) nicht übernommen, Kadenz der Singstimme vorgezogen dt. ĺ

dt., * ĺ dt., * dt., * ĺ

409 14 Rezitativ Arie (Errea) „Io consolo“ (C-Dur)

dt., * (Ĺ) neu vertont (?), (g-Moll)

15 Arie (Idalba) „Ne’ stigi horrori“ (A-Dur) Rezitativ

dt. dt., *

16 Rezitativ

dt., *

17 Arie (Ircano) „La sfrenata giouentù“ (G-Dur)

zu 16 ĺ (ohne rahmende Orchesterritornelle)

17 18 dt., * Ļ (FĺC) Rezitativ (GĺD) Arie (Henrico) „Dolce oblio“ (Ostinato, D- Ļ (C-Dur) Dur) 18 entfällt Orchestereinleitung (Auftritt des Demone) dt., * Ļ (~C-Dur) Rezitativ (DĺC) dt. Arie (Demone) „Pigri spirti“ (C-Dur) III,1 Rezitativ (~F-Dur) Arie (Eurillo) „Per hauer fortuna“ (F-Dur)

dt., * Ļ (~G-Dur) (stark modifiziert) dt., Ļ (G-Dur)

2 Rezitativ (~d-Moll) Arie (Henrico) „Sù che fate“ (d-Moll) Rezitativ

dt., * Ļ (~h-Moll) (deutlich modifiziert) Ļ (h-Moll), ohne rahmendes Ritornell dt., * (Ļ)

3 Rezitativ Arie (Almaro) „Non si parli più“ (a-Moll) Rezitativ Duett (Idalba, Ircano) „Tiranna servitù“ (C-Dur, 2 Strophen)

dt., * entfällt dt. ersetzt (pro Strophe) durch: zweitaktige Rezitativkadenz mit Parallelführung der beiden Stimmen (Idalba, Hircano) dt. Rezitativ ersetzt durch: Duett „Pur t’abbraccio“ Duett (Metilda, Henrico) „Sin hor (G-Dur; Herkunft unklar) m’afflissi/offesi à torto“ (D-Dur) dt., * (Schlußtakte folgen einer zweiten Rezitativ Version im Anhang der Partitur 1689; die dort nachfolgende Arie [Metilda] „D’un [Anhang (Zusatz): Arie (Metilda) „D’un Anima grande“ wurde nicht übernommen) Anima grande“] Duett (Henrico, Almaro) „Non si pensi più“ ĺ (zu Beginn: Henrich Ļ, Almaro Ĺ) (G-Dur) 4 Arie (Idalba) „Speranze già morte“ (g-Moll) Rezitativ Arie (Ircano) „La speranza è un falso ben“ (B-Dur)

dt. dt., * ĺ

410 5 Rezitativ (~d-Moll) Arie (Errea) „Maledetta sia“ (d-Moll)

9 dt., * Ļ (~a-Moll) dt., Ļ (a-Moll), + zweitaktiges Vorspiel, ohne abschließendes Orchesterritornell

6 Rezitativ Arie (Metilda) „Io respiro“ (D-Dur)

5 dt. dt.

7 Rezitativ Arie (Eurillo) „È la guerra“ (C-Dur)

6 dt., * dt., ohne abschließendes Orchesterritornell

8 Arie (Idalba) „Son risoluta“ (F-Dur)

7 ersetzt durch: Arie „Nacqvi donna“ (D-Dur, Herkunft unklar) dt., * dt. dt., * ĺ

Rezitativ Arie (Idalba) „Son risoluta“ (D. c.: A-Teil) Rezitativ Arie (Ircano) „Quanto son precipitose“ (G-Dur) [Anhang (Alternative): Arie „Ad ogni consiglio“] 9 Orchestereinleitung/Aufzugsmusik Arie (Henrico) „Chi rifiuta la Clemenza“ (G-Dur) Rezitativ (~C-Dur) Duett (Henrico, Almaro) „Al sangue al fuoco“ (C-Dur) Chor „Al sangue al fuoco“ (C-Dur) Rezitativ (CĺD, mit alternativer, gekürzter Schlußfassung [?]) Triumphmusik (Menuet)

[nicht vorhanden]

8 entfällt ersetzt durch: Arie „A facile vittoria“ aus Tassilone (IV,8; D-Dur) dt., * Ĺ (~D-Dur) dt., Ĺ (Henrich Ļ) (D-Dur), Instrumentation reduziert: ursprünglicher Tromp./Paukenpart entfällt, Violinen/Oboen ersetzt oder ergänzt (?) durch 2 (?) Trompeten entfällt dt., * (mit einer Variante der alternativen [?] Schlußtakte der Vorlage), (~D-Dur) entfällt

10 Rezitativ Arie (Errea) „Per punir“ (F-Dur)

entfällt

11 Arioso (Eurillo) „Vittoria“ (F-Dur) Rezitativ Arie (Eurillo) „La faccia hai squallida“ (a-Moll) Rezitativ Arioso (Eurillo) „Vittoria“ (Wdh.)

10 „Victoria“, stark überarbeitet, nur mit B.c. dt., * dt.

Arie (dt.) (Eurillo) „Die Victori auszubreiten“ (d-Moll) Orchesterritornell [Anhang (Alternative?): Arie „Si danzi“]

dt., * wie o., + 4 Takte B.c.-Erweiterung (Begleitnachlauf) entfällt entfällt [nicht vorhanden]

411 12 Rezitativ Arie (Ircano) „Han le donne“ (C-Dur)

entfällt

13 Rezitativ Arie (Idalba) „Animosa toleranza“ (g-Moll)

11 dt. ersetzt durch: Arie (Hircano) „Le tue glorie“ aus Tassilone (III,5: „Le mie glorie“, CDur) Chor „Tapfrer Henrich sey willkommen“ aus Tassilone (II,1 bzw. II,2; D-Dur)

14 Aufzugs-/Triumphmusik (Marche) [Anhang (Zusatz): Arie (Henrico) „Toglie il pregio à la uittoria“] Rezitativ (~C-Dur) Schlußensemble (fünfstimmig) „Si dia fine ad ogni pena“ (C-Dur)

12 entfällt [nicht vorhanden] dt., * (DĺC) dt., andere Figuren-/Stimmkombination in den Duettpassagen; Schlußtutti: + Errea, dennoch fünfst. (Oberstimme verdoppelt)

Quellen: Steffani, Agostino, Henrico Leone. Hannouera 1688: GB-Lbl, R.M. 23.h.7–9 (Autograph). Steffani, Agostino, Ein comisch Drama [= Steffani, Agostino/Schürmann, Georg Caspar (?), Henrich der Lwe, Braunschweig 1716]: D-SWl, Mus 5261.

Anmerkungen: ĺ Ĺ Ļ XĺY ~X *

unveränderte Übernahme Transposition in eine höhere Lage Transposition in eine tiefere Lage Modulation von X nach Y Tonart X als Ausgangs- und Zielpunkt des harmonischen Verlaufs Rezitativ bearbeitet/modifiziert: Die Änderungen betreffen zuweilen nur bestimmte Abschnitte eines Rezitativs, gehen aber tendenziell über eine Anpassung an die dt. Sprache und ihre Deklamation hinaus – wobei die Grenze nicht immer eindeutig zu ziehen ist. In einigen Fällen sind die Modifikationen freilich auf die Übersetzung und die damit einhergehende Varianz der Textmenge zurückzuführen. [Anhang] Arien im Anhang von Steffanis autographer Partitur, die in zwei Fällen (I, 7 u. III, 3) auch ins gedruckte Libretto 1689 übernommen wurden und mithin bereits für die Uraufführung eingefügt worden sein dürften. Stimmlagen der Soli in Steffanis Henrico Leone (in Klammern die Namen der mutmaßlichen Sänger der Hannoveraner Uraufführung, vgl. dazu Colin Timms, Polymath of the Baroque, S. 55f.): Henrico Leone: Sopran (Nicola Paris), Metilda: Sopran (Vittoria Tarquini oder Signora Cettareli), Idalba: Sopran (Signora Cettareli oder Vittoria Tarquini),

412 Almaro: Tenor (Antonio Borosini), Ircano: Baß (Antonio Cottini/Nicola Gratianini), Errea: Alt (Severo Frangioni), Eurillo: Alt (Augustino Granara), Lindo: Sopran (Nicola Remolini), Demone: Baß (Nicola Gratianini/Antonio Cottini). Die Braunschweiger Adaptation von 1716 sieht demgegenüber folgende Änderungen vor: In tieferer Lage erscheinen die Partien des Henrich (Alt), des Eurillo (Baß) und des Lindo (Tenor), während die Partie der Errea nun in Sopranlage notiert ist.

Hinweise zu den Notenbeispielen in Kap. 2.1.2.2 und 2.2.2.1 Die in Kap. 2.1.2.2 und 2.2.2.1 beigegebenen Notenbeispiele (Abb. 1–16, 18, 19) wurden nach dem Autograph GB-Lbl, R.M. 23.h.7–9 und der Handschrift D-SWl, Mus 5261 transkribiert. Sie übertragen den Notentext der beiden Quellen in modernen Satz. Dabei sind besonders zu beachten: – Vokalstimmen und Instrumente sind in moderner Schlüsselung notiert; speziell für die Vokalstimmen bedeutet dies: Sopran- und Alt-Schlüssel wurden in Violin-Schlüssel, Tenor-Schlüssel in oktavierenden Violin-Schlüssel, gelegentlich verwendeter BaritonSchlüssel I in Baß-Schlüssel transformiert. – Sämtliche Vortragsangaben – zu Tempo, Dynamik und Phrasierung, Verzierungen – und Szenenanweisungen entstammen den handschriftlichen Quellen; nur in ganz wenigen, eindeutigen Fällen wurden Ergänzungen nach Analogie vorgenommen. Dies gilt auch für die Angaben zur Besetzung; wo sie in den Quellen fehlen, wurden sie – soweit erschließbar – in eckigen Klammern zugesetzt. Rollennamen wurden grundsätzlich ausgeschrieben. – Taktangabe und Takteinteilung wurden ohne Änderung übernommen, ebenso Noten- und Pausenwerte. Ersetzt wurden lediglich Punktierungen über die Taktgrenze hinweg; sie sind durch Haltebögen wiedergegeben. – Ebenso wurden Tonartenvorzeichnung und Akzidentien unverändert übertragen. In den Quellen nicht vorhandene, vom Verfasser ergänzte Akzidentien erscheinen in Stichnotengröße über der jeweiligen Stammnote. – Die Textierung (einschließlich der in den Überschriften der Notenbeispiele aufgeführten Incipits) und Interpunktion folgt der Schreibweise und Zeichensetzung der jeweiligen Partiturhandschrift. In Einzelfällen wurden differierende Schreibweisen innerhalb eines musikalischen Satzes (etwa bei der Textierung der einzelnen Vokalstimmen) vereinheitlicht. Zusätze zum Text der Quellen sind, wie üblich, in eckigen Klammern ausgewiesen.

C

Transkription der Handschrift Textb. 791 der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Das handschriftliche Libretto Opera Comica, genant Egbert und Lotharius (D-W, Textb. 791) wird hier erstmals im Druck wiedergegeben. Soweit möglich, wird der Text buchstabengetreu übertragen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Unterscheidung von Groß- und Kleinschreibung, ebenso von Getrennt- und Zusammenschreibung zwar beizubehalten versucht wurde, in vielen Fällen aber nicht eindeutig zu klären war. Vereinheitlicht wurde insbesondere die Großschreibung am Versbeginn (innerhalb der Prosa-Partien der integrierten Komödie Recept ein zänkisch Weib, bald from zu machen: zu Beginn einer Figurenrede), die das Libretto selbst anzudeuten scheint. Nicht unterschieden wurde zwischen s- und A-Schreibung,  wurde als y gesetzt. Bei Zahlenangaben wurde für i, je nach Kontext (entweder arabische oder römische Ziffern), 1 oder I gesetzt. Kürzungszeichen der Handschrift wurden in [ ] aufgelöst; in [ ] erscheinen weiterhin Zusätze zum handschriftlichen Text. Bühnen- und Szenenanweisungen, die in der Handschrift meist durch Unterstreichung ausgewiesen sind, wurden einheitlich kursiviert, wobei (globale) Inszenierungsanweisungen zu Beginn einer Szene ohne Einzug stehen, während solche innerhalb einer Szene – im Manuskript wie in der Transkription in (: :) – in der Regel auf der Höhe des Rezitativtextes eingerückt wurden. Schlußmarkierungen im Bereich der Arien und Chorsätze (Fermate) wurden wiedergegeben als: (Fine), die Bezeichnung d.c. (da capo) unverändert übernommen. Gleiches gilt für Virgolette am Versbeginn („). Alternative Textierungen (in der Handschrift über den zu ersetzenden Lemmata notiert) wurden in ( ) nachgestellt. Insgesamt ist die Transkription bemüht, die Anordnung des handschriftlichen Librettotextes beizubehalten; Zeilenumbrüche innerhalb der Prosa-Partien (Paratexte, Bühnenanweisungen, die in II, 6 inserierte Komödie Recept ein zänkisch Weib, bald from zu machen) wurden indes nicht eigens markiert. Eine Foliierung wurde in eckigen Klammern beigegeben. Die Interpunktion folgt der Zeichensetzung der Handschrift.

414

Opera Comica, genant Egbert und Lotharius. 1728. B. [1v: leer]

[2r]

Vorbericht

Die Jnvention zu dieser lustigen Opera ist vollenkommen genommen aus der Historie, des von statur ansehnlichen großen letzeren Sächsischen Marggrafens (: sonst auch Marggraf von Melverode genant :) und herrns zu Braunschweig Egbert, oder Ecbert des 2ten; deßen Schwester der Gertrudis, und des Grafens von Süpplingenburg Lotharii. Von dem erstern wird berichtet, daß Er auf dem anizo ganz zerstöhreten Schloße Hohenwörde an der Oker, nicht weit von der jezigen Mühle, Eisenbüttel gelegen, residiret; das von seinem Vater Egbert dem 1sten angefangene, und nicht [2v] weit davon an der Oker gelegene Stifft St. Cyriaci zur Vollenkommenheit gebracht, es zu unterrichtung der Jugend, und haltung eines beständigen Gottesdienstes eingeweyhet, und endlich 1090 von einigen, als gute Freunde sich stellenden Anhängern des Keysers Heinrici des IV., mit welhem Er auf Einrahten des Pabsts Gregorii VII. Krieg geführet, bey Nacht im Schlaff mit einer Axt in Kopff gehauen und getödtet, nachero zwar in der St. Cyriaci Kirche unter den Altar begraben, anno 1689 aber in die Stadt Braunschweig bey seiner Schwester Gertrud, in die St. Blasii Stiffts-Kirche gebracht worden. Von gedachter Gertrud wird gemeldet, daß Sie zum erstenmahl sey vermählet [3r] worden, mit Heinrich dem Feisten, Grafen zu Northeim und herzogen an der Werre, aus eben der alten Wittekindischen familie, woraus der Marggraf Egbert entsproßen, und mit selbigem die Richensa, Rixa, oder Rikitsa erzeuget; von ihrem bruder Egbert zur Erbin seines landes ernant, und da der Keyser Heinrich der IV. Braunschweig und Tanqvarderode erobert, durch hülffe des Wittekinds, edlen herrns von Wulferbütle oder Wolffenbüttel (: deßen männliche Erben bald ausgestorben :) und der bürger in Braunschweig, wovon ein bader im Sacke, zu Nacht das Schloß Tanqvarderode angezündet, beyde wieder eingenommen; das Egydien-Kloster gestifftet, und ihre Princeßin Richensa, mit dem Grafen Lüder oder Lothario von Süpplenburg vermählt, welher Braunschweig und [3v] Northeim mit einander verknüpfft, das Lüneburgische und Sächsische bey abgang der Billingischen familie, als welhe den Titul herzoge von Sachsen geführt, vom Keyser Heinrico V. erhalten, endlich nach Selbigen selber Keyser geworden, und seine einzige mit der Richensa erzeugete Princeßin Gertrud, mit dem Heinrico Superbo herzogen von Bayern, aus dem Gvelphischen Geschlecht, vermählet, und also das damahlige weitlaufftige Sachsen ganz an das jezige Braunschweig-Lüneburg-Durchlauchtigste hauß gebracht. Ob nun zwar woll bekandt, daß diese Sachen so geschwind auf einander nicht erfolget, so wird man solhes doch, nebst den eingemischten Neben-Umständen, der Freyheit des theatri beymeßen. Was aber von dem [4r] berühmten Braunschweig[ischen] Graal erwehnet, befindet sich vollenkommen in den Braunschweig[ischen] Geschichten, und ist selbiger alle 7 Jahr vor den Fallerslebischen Thore gehalten, worzu man die benachtbahrten Fürsten und Adel invitiret, indem solhe Spielereyen und lustbahrkeiten darauf vorgekommen, welhe ganz auserordentlich gewesen. Der lezere von diesen Spiel-Margten ist 1481 gehalten worden.

415 Personen sind also darin aufgeführet, Egbert der 2te, Marggraf zu Sachsen, und herr zu Braunschweig. Gertrud deßen Schwester, eine Gemahlin Heinrici des Feisten. Heinrich Pingvis, Graf zu Northeim, und herzog an der Werre. [4v] Richensa Princeßin des Heinrichs. Lotharius Graf von Supplingenburg. Wittekind edler herr von Wolffenbüttel. Meister Cordt der Müller von Eisenbüttel, am hofe des Egberts woll gelitten. Sabina eine alte bedientin der Gertrud. Das fatum. Ein alter Braunschweigischer burgerMeister. Der erste Probst oder Dechant des Cyriaci Stiffts. Ein Ungarischer Arz. Ein Officier des Egberts. Ein feindlicher Officier.

Veränderungen des theatri sind Jm 1sten Actu, (1) Ein großer Saal in dem Schloße Hohenwörde, mit gedeckter Tafel, und Bufet. [5r](2) Der Oker-Fluß, und an selbigen auf einer Seiten die Eisenbüttelsche Mühle, und an der andern der Eingang oder Thor des gedachten Schloßes. (3) Ein audienz-Zimmer in dem Schloße. (4) Eine angenehme Wiese an der Oker, beym Mondschein, und aufgehenden Sternen. Jm 2ten Actu, (5) (6) (7) (8)

Die neue Stiffts-Kirche St. Cyriaci von innen, nebst denen auf dem Chor sizenden Canonicis, und einer Orgel. Die Kirche wird zu letz durch Pyramiden illuminiret. Eine lustige allee mit ruhe-bäncken, in der Gegend des Schloßes. Der alte Braunschweig[ische] Graal, mit allerhand gezelten und Boutiqven, nebst einem Comoedien-theatro. Eine Dorff-Gaße mit verschiedenen bauer-hausern, in der Ferne ein Gebürge.

416 Jm 3ten Actu, [5v](9) Der Vorhoff des Schloßes Hohenwörde mit aufgeschlagenen Thore. (10) Die burg Tanckqvarderode, nebst einer dahin führenden Braunschweig[ischen] Gaße. Die burg stehet in Feuer, und wird erobert. (11) Ein gewölbter Trauer-Saal, so sich zu letz in ein Freuden-Zimmer verwandelt.

Neben-Veränderungen, (1) (2) (3) (4)

Ein Erdbeben, wovon die Tische im Schloß-Saale einfallen. Eine Sirene, die sich auf der Oker hören läst. Einige Schiffe auf der Oker, worin sich die deputirten des Braunschweig[ischen] Rahts befinden, nebst ihren Musicanten, insgesamt in ihrer antiqven Kleidung. Ein Parade-bette, worauf die leiche des Egberts zu sehen.

Flugwerck, [6r] Das fatum, nebst 4 Geniis, so das Portrait des Lotharii, die Keyser[liche] Krone, Zepter und den Reichs-Adler praesentiren.

Tänze, (1) (2) (3) (4) (5) (6)

der bauren und baurinnen aus Melmerode, mit ihrer Dorf-Music. der hoff-Jungfern. der hoff-bedienten, als Geister verstellet. zwey verkleideter Affen. der Krieges-Officier, die ihre exercitia machen. der Klag-Weiber.

[6v: leer]

[7r]

Erster Actus 1ster Auftritt

Das theatrum praesentiret einen großen Eß-Saal, worin der Gebuhrts-Tag des Marggrafen Egberts celebriret wird. An der einen Seite stehet eine große Schencke, an der andern die hoffCapelle, nebst den Paucken und Trompetern, vorn im Saal die Trabanten. An der Tafel sizen, Egbert, Heinrich, Gertrudt, Richensa, Lotharius und Wittekind. Chor Komt vergnügte Freuden-Flammen, Komt verbindet euch zusammen, Komt vermehret unsre lust. (Fine) Nichts von schwarzen Trauer-Klagen Nichts von Unmuht, Kranckheit, Plagen Sey dir, theurer Fürst, bewust.

417 Egbert [7v] Heinrich Lothar.

Der himmel laß es so geschehen, Wie ihrs mir wünscht zu gehen. (: dem Lothario einen Pocal reichend :) Mein Graf, auf unsers Fürsten leben! Ja ja Er soll stets in Vergnügung schweben! (: währenden Trincken, laßen sich die Trompeten und Pauken hören :) der Chor Komt vergnügte Freuden-Flammen, Komt verbindet euch zusammen, Komt vermehret unsre lust. (: Nach den Chor höret man einen entsezlichen Knall eines Erdbebens, wodurch der Saal erschüttert wird, und die Tische darnieder fallen, die anwesende aber sehr erschrocken von ihren Seßeln aufspringen :)

Egbert Heinrich Egbert Gertrud

[8r] Heinr. Wittek. Lothar.

Egbert

Welch Knall, welch grausam Schrecken, Will unsre lust beflecken? Ein Erden-Fall scheint es zu seyn. Uns machts, ach! rechte Pein. Wie? Pein? Ey nein!, Wie kan Euch dis erschrecken, Dis hauß ist ja an allen Ecken, Von gelben Oker-Strohm umfloßen, Wie leichtlich ist der Wind darunter eingeschloßen, Der mit gewalt den Ausgang hat genommen. Daher ist auch die Schütterung gekommen. Mein Fürst hiemit stimm ich auch ein, Es wird also gewesen seyn. Kan man auch gleich die Uhrsach nicht ergründen, Warum der Knall sich also müßen finden, So folgt doch eben nicht, Daß solhes sey gericht Uns Unglück anzudeuten! Jch will euch insgesamt nicht wiederstreiten Allein – – Aria à 2

Gertrud Heinr. beyde Gertrud Heinrich beyde [8v] Egbert

Sich mit leeren Schrecken kräncken, Vor der Zeit auf Unglück dencken, Dieses mehret nur die Pein. (Fine) Der Gedancken sich entschlagen, Sich durch Furcht nicht selber plagen, Dieses kan das herz erfreun. Es soll so seyn. Wir bannen alle Schmerzen Aus unsrer brust und herzen. Man sez die Fröligkeiten Ja nicht zur Seiten.

418 2ter Auftritt M. Cord der Müller

Egbert

Mein Fürst, die bauerschafft läst sich entfehlen, Sie kan die lust nicht hehlen, Die Sie in ihren Kragen Vor Euch, und vor die Gertrud tragen. Als Altermann soll ich das Wort vor alle führen, Und Euch aufrichtig gratuliren. Führ sie geschwind herein, Sie soll der lust mit theilhafft seyn. Aria

Cord

[9r]

Juchey, lustig muß man heute seyn! Packet euch ihr Müller-grillen, Jch will heut den Magen füllen, Mit der Mumm’ und brante Wein. Juchey! lustig muß man heute seyn! Herein, herein, Hans, Hennig Klump, Jaust, Drews, und Stephen Plump; Gevatterschen herein, Heut muß vor unsern herrn getanzet seyn. (: Die bauren kommen mit ihrer Dorf-Music herein, und tanzen, welhes die herrschafft etwas mit ansiehet, sich aber bald retiriret. :)

3ter Auftritt Das theatrum praesentiret den Prospect des Schloßes Hohenwörde, und die Eisenbüttelsche Mühle, an dem Okerstrohm. Eine Sirene im Waßer. Aria [Sirene]

[9v]

Heut lachet das Glücke, heut scheinet die Sonne, Heut scherzen die herzen, in Freude und Wonne, Und morgen pflegt plözlich die ändrung geschehn, Daß man sich in höhster betrübniß muß sehn. „Ach! allzu leichtes glücke! „Du webest schon in Fröligkeit die Stricke, „Wodurch der Mensch soll seinen Fall erreichen, „Ach Schicksall! Wem ist dieser Unbestand zugleichen? (: repetirt die Aria :)

4ter Auftritt Cord aus der Mühle, mit einem Eyßhaken. Cord

Welch Noht-geschrey, läst sich hier hören? Wart, Jungfer, wart, ich will Euch hülff gewehren. Ach Weh! das arme ding geht unter;

419 (: die Sirene gehet unter, und bald wieder hervor, zu lez mit lachen ab :) Dort ist Sie noch, ganz gut und munter! Greifft diesen haken an, Sonst ists um Euch gethan! Welch dumm Gehirn, das Mensch will sich nicht helffen laßen! So magst du dan versauffen und erblaßen! – – Sie lacht! Was dieses heist, fält mir nicht ein, Sie wird gewiß des Teufels Tochter seyn.

5ter Auftritt Egbert [10r] Egbert

Cord

Egbert Cord

Egbert Cord

Aria Angenehmer ort, du kränckst itz meine Sinnen! (Fine) Vormahls gabst du mir die Ruh, Jtz sagst du mir Unglück zu, Und ich weiß doch nicht, demselben zu entrinnen. d.c. Mein herr, ich kan es nicht verneinen, Jch muß vor Furcht bald weinen, Weil sich so vielerley läst sehen, Das hier noch niemahls ist geschehen. Und was für Sachen? Ein Frauens-Mensch hat hier gewinselt und geschrien, Und da zur Rettung ich mich wolt bemühen, Fing Sie ganz hefftig anzulachen, Und schoß in Augenblick in Mühlen-Kulck hinein. Leg ab den Kummer und die Pein, Jch will deshalb gar nicht bekümmert seyn. Dis soll mich zwar erfreun, Allein, allein – – Aria

[10v]

Wann die hunde und die Eulen, Und das Mühlen Camm-Rad heulen, Zeigts gewiß ein Unglück an. (Fine) Ach wer weiß, was wird geschehen! Jch möcht fast vor Angst vergehen, Ach mir armen Müllers-Mann! d.c.

6ter Auftritt Gertrud Gertrud

zum Egbert

Was will der Geck, mit seinen hund und Eulen? Was soll des Mühlen-Camm-Rads heulen? Geh fort, von solhen Frazen, Muß du dem bauer volck vorschwazen. (: Cord ab in seine Mühle :) So muß ich Euch annoch betrübet schauen?

420

Egbert

Mein bruder, wolt ihr noch auf Schatten bauen? Ermuntert Eur gesicht! Der Raht von Braunschweig will gleich seine pflicht An diesen Freuden-Tag ablegen. Jch laß ô Schwester mich, von Euch ganz gern bewegen! Aria Hat gleich des himmels Macht beschloßen, Daß mir ein Unglück soll geschehn, So will ich, ja, ganz unverdroßen, An ein betrübt verhängniß gehn. (: gehet ab mit Gertrud ins Schloß, da dan so fort einige Schiffe sich auf der Oker [11r] sehen laßen, wovon das erstere die Musicanten mit ihren antiqven Manteln, das 2te die deputirte des Rahts von Braunschweig führet, welhe unter folgenden Chor aussteigen, und ins Schloß gehen. [:)] Chor Egbert unser Fürst soll leben, Biß Er selbst des lebens müd und satt. (Fine) Nichts als Freude ihn umgeben, Wies sein Regiment verdienet hat.

7ter Auftritt Das theatrum verändert sich in ein Audienz-Zimmer. Lotharius. Aria Jst dan woll größre Pein Als lieben, und dabey verschmähet seyn? Jch opfre herz und hand, Zum treusten Unterpfand, Und dennoch spürt mein lieben, Sonst nichts als nur betrüben, Jst dan woll größre Pein, Als lieben, und dabey verschmähet seyn?

[11v]

8ter Auftritt

Richensa, welhe von Wittekind an der hand geführet wird. Lothar.

Ja ja ich seh nun deutlich in der That, Was mich bißher verlezet hat. Richensa wird geführt von Wittekind. Ach Schmerz! Verstecken will ich mich geschwind! Aria

Richensa

Zu den bitten, zu den Klagen,

421 Kan ich nichts zur Antwort sagen, Weil ich nichts von lieben weiß. (Fine) Zwar ein selbst beliebtes hoffen, Stehet Euch woll etwan offen, Aber nicht auf mein geheiß. d.c. (: gehet ab :) Wittekind

Welh harter Sturm, umnebelt meine Sinnen? Da ich gedacht, dis herze zu gewinnen, So wird so gar das hoffen mir benommen? Nein, nein, Richensa nein, ihr solt mir nicht entkommen. Aria Hoffe nur verwirtes herz! Was dir heut nicht will von statten gehen, Kan gar leichte Morgen noch geschehen, Und erleichtern deinen Schmerz, Hoffe nur verwirtes herz!

[12r]

(: gehet ab, und Lotharius wieder hervor :) Lothar.

Jch qväle mich mit nichts als Kräncken, Und kan doch nicht ausdencken, Wohin Richensens herze ziehlet. Dem Wittekind hat Sie die liebe abgeschlagen, Und mir vermehrt Sie täglich meine plagen, Ob Sie etwan mit aller liebe spielet? Vielleicht hat Sie mich woll gesehen, Und sich nur so gestellt! Allein die list soll dismahl nicht von statten gehen, Wer andre treugt, offt selbsten fält. Aria Jch will auch die liebe brechen, Und gleich mein so treu Versprechen, Wiederum zu rücke ziehn. (Fine) Daß mein herz durch liebes-klagen Sich solt selbsten täglich nagen Solt ich mich darum bemühn? d.c.

[12v]

(: gehet ab :)

9ter Auftritt Egbert mit seiner svite, Gertrud, Heinrich, die deputirten der Stadt Braunschweig. Egbert Der burgerM. oder deputirter

So nimt der Raht, und Braunschweigs-bürgerschafft Auch theil an unsern wollergehen? Um nicht zu seyn in unsrer Treue mangelhafft Muß dis nach unsrer pflicht geschehen.

422

Egbert burgerM. Egbert [13r] Heinr. Egbert

Der himmel mag den Fürsten benedeyen, Daß Er noch viele Jahr sich kan an diesem Tag erfreuen. Wir sind vor euren Wunsch euch sehr verbunden, Jhr könt der Stadt von Uns, die gröste huld versprechen. Es würde diese huld, gedoppelt ja! entfunden, Wann unser Fürst sich würden nicht entbrechen, Und morgen unsern Graal mit dero Gegenwart beehren. Der bitte können Wir vor dismahl fast euch nicht gewehren. Wir bitten dan Uns solhes zu erlauben. Wir können Euch ja das nicht rauben, So Euch erweckt Vergnügen; Seht nun, Wir wollen Uns selbst mit dahin verfügen. (: die deputirte machen ihren Reverenz und gehen ab :) Aria

Gertrud

Fremder lust zu sehen, Treibet offtmals eigne Schmerzen, Aus dem ganz betrübten herzen Und sezt es in andren Stand. (Fine) Es verkehrt das Flehen, Macht vergeßend auch die plagen Die das herze heimlich nagen Obs schon ist ein eytler Tandt. d.c. (: gehen insgesamt ab :)

10ter Auftritt Das theatrum ist eine angenehme Wiese an der Oker, bey angehender Nacht, mit aufgehenden Mond und Sternen, nebst einem baume worauf der Müller sizet. Sabina mit verschiedenen hoffJungfern. [13v] Sabina

Sabina

Cord vor sich Sabina

Der plaz, ich muß es woll gestehen, Den ihr zu eurer lust habt ausersehen, Hegt mehr als tausend lieblichkeiten. Zeigt dan, was ihr vor lust mir wollen hier bereiten. (: die hoffJungfern tanzen, und zwar allerhand Characters :) Wär jez mein liebster hier Es würde mir Jn höhsten grad Vergnügen, Allein – – (: Die Jungfer muß recht scharff verliebet seyn! :) Allein ohn Jhn, ich will nicht lügen, Entfindet diese brust Nur halb die lust. Aria Kom mein Schaz, kom mein Verlangen, Kom und laße dich umfangen, Kom du angenehme Sonne,

423 Kom du mehr als lust und Wonne Kom und finde dich hier ein. Cord von baum fallend [14r] Sabina Cord

Sabin. Cord Sabin.

Cord Sabin. [14v] Cord

Gleich, gleich, mein Schaz, gleich will ich bey Euch seyn. O Weh, helfft, helfft, o Weh, welh Affen-Angesicht! Jch bin kein Affe nicht, Jch bin der Meister Cord, aus dieser Eisenbüttel-Mühlen, Jch hab auf diesen baum nur angesehn das Spielen, Womit ihr euch ergezet. Wir sind dadurch sehr hart verlezet. Wart wart der Vorwiz soll dir bald gereuen. (: Sie sagt einer Jungfer etwas ins Ohr, welhe so gleich abgehet. :) Ey nein, ich bin ein ehrlich Mutter Kind, Und wolte Euch woll selber freyen, Weil ihr so sehr nach einen brautigam verlanget. Du Mühlen dieb, du bauren Kind, Seht, seht, was sich der Kerl doch unterfanget? Wo du nicht wilst von Uns in Stücken seyn zerrißen So seze dich auf deine Knie, Und bitte deine Straffe ab. (: Verdamte courtesie Dir fluch ich bis ins Grab :) Jch will zu allen mich entschließen. Sag nach. Ach! ach! Arioso

Sabina Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord Sabin. Cord [15r] Sabin.

Es wäre mein verdienter lohn, Es wäre mein verdienter lohn, Daß ich braf würd gestrichen, Daß ich braf würd gestrichen, Weil ich recht so als ein Spion Weil ich recht so als ein Spion Den Nymphen nachgeschlichen; Den Nymphen nachgeschlichen; Allein weil Sie barmherzigkeit Allein weil Sie barmherzigkeit Mir wiederfahren laßen, Mir wiederfahren laßen, So will ich jez und allezeit So will ich jez und allezeit Den bösen Vorwiz haßen. Den bösen Vorwiz haßen. Solt mein Gemüht verändert seyn, Solt mein Gemüht verändert seyn, So wünsch ich ohne Scherzen, So wünsch ich ohne Scherzen, Daß aus mir werd ein Müller-Schwein, Daß aus mir werd, es kan nicht seyn, Daß aus mir werd ein Müller-Schwein, So mags drum seyn; ein Müller-Schwein. Lacht doch, lacht, lacht, von herzen!

424 Cord Sabin. Cord Sabin.

Jch weine fast vor Schimff und Schmerzen. Steh auf, laß dir die Augen nun verbinden. Zu lez wird man mich gar noch schinden! Nein, nein, Dis soll nicht seyn, Die du aniz blind zu wirst fangen, Solst du der einst, zur braudt erlangen. (: Jhm werden die Augen zu gebunden, und die Jungfern gehen ab, dahingegen kommen an allen orten, wo der Müller hingehet, einige als Poltergeister verkleidete hoffbedienten heraus, welhe dem Müller Prügel oder Stöße geben :)

Cord

[15v]

Die Jungfern sehen schon passable aus, Es mag drum seyn: die ich jez krieg, muß mit ins Mühlenhauß. (: Tappet mit verbundenen Augen nach den Jungfern, bekömt aber jedesmal einen Stoß :) O Weh! Das ist ein kloz, ich fühl den Stoß, – – Noch einer hey – – O Weh! ô Weh! – – Dorthin – – so viele da – – O Weh – – ja ja – – Das ist zu grob, ich mache mir die Augen loß. – – O Weh! o Weh – – Vor Angst ich nunmehr gar vergeh. (: laufft ab, die hoffbedienten schließen mit einem Tanz den 1sten Actum. :)

Der 2te Actus 1ster Auftritt Das theatrum praesentiret die neue Stiffts-Kirche St. Cyriaci von innen, die Canonici sizen in ihren Stühlen, der Organist spielt den Schluß der Hora. Egbert, Gertrud, Heinrich, der erste Probst oder Dechant. Ein bedienter, welher den großen fundations-brief mit angehangenen Siegel träget, und ein anderer, so die aufgezeichneten Constitutiones hält. Egbert [16r] Probst Egbert

Probst

Euch sey hiemit dis Stifft vertrauet, Nehmt diesen brief, worin ihr schauet, Was selbigen zum Unterhalt gegeben: Doch seyd bemüht, daß jener geistlich leben, Also beschaffen sey, wie hierin ist enthalten. Jch werde es mit gröster Treu verwalten. „Rufft eyfrig an, „Des hohen himmels Güte, „Daß Er Uns sey in Gnaden zugethan, „Vor Unglück Uns, und unser ganz Geschlecht behüte. „Der Jugend lehrt des herren Wege, „Daß Sie von Tugend-Stege, „Auf keine art muß weichen. „Den Kranken dient, so Arm als Reichen. „Durch ein andächtigs leben, „Solt ihr der Welt ein gut exempel geben. Mein Fürst, ich falle dan zu dero Füßen,

425

[16v]

Und statte meinen Danck ganz unterthänigst ab. Die Gnade so man läst auf mich jez fließen, Jst groß, drum ehr’ ich Sie, biß in mein grab. „Nun wird des Egberts Ruhm, zu allen Zeiten blühen, „Und sich der Nach-Welt Preiß in höchsten grad zuziehen. (: die Kirche wird auf einmahl durch Pyramiden illuminiret, worin der Nahme, Egbert transparent zu sehen :) Chor der Canonicorum mit ihrer Orgel Egberts Nahm und Angedencken Wird zu keiner Zeit vergehn; Weil Er das uns wollen schencken, Welhes ewig bleibet stehn.

Heinrich

Ja ja! sein Nahm wird nun zu keiner Zeit vergehen, Er bleibt, troz selbst der Zeit, beständig grünend stehen, Kan Er gleich keinen Prinzen weisen, So einst nach Jhm auf seinem Stuhle sitz, So wird dis Stifft Jhn doch als Vater preisen, Wodurch sein Ruhm wird sichrer unterstütz. Aria Stiffter, Kirchen, Schlößer bauen, Und der Nachwelt anvertrauen, Jst ein Werck, das kan erfreun Die so ohne Kinder seyn: Dan man kan an solhen lesen, Wer der Vater ist gewesen.

[17r] Egbert zu Gertrud und Heinrich Gertrud Heinr. Probst

So will ich dan dis Stifft als meinen Prinz erkennen, Jedoch Euch, und auch Euch, als Erben meines Staats ernennen. Jn Euch will ich als meinen Kindern leben. Dem neuen Wachsthum soll vor unser hauß Richensa geben. Mir fehlt gleichfals ein Prinz, drum solls das Kloster seyn So ich Egidio in Braunschweigs-Stadt will gründen, Jch stimme mit Euch ein. Wer kan gnug Ruhm vor diese Fürsten finden! Chor Egberts Nahm und Angedencken Wird zu keiner Zeit vergehn.

2ter Auftritt Das theatrum zeigt eine lustige allee mit ruhe-bäncken zwischen den Garten in dortiger Gegend. Richensa, Lotharius. Lothar. Richens.

Jch gratulire dan zur neuen liebe. Mein Graf, ihr irrt, Und seyd von Eyfersucht verwirrt.

426 Lothar. [17v] Richens. Lothar. Richens. Lothar. Richens. Lothar. Richens. Lothar. Richens.

Jch kenne eure Triebe, Die ihr vor Wittekinden hegt. Jch sage nichts, biß daß eur Zorn sich legt. Heist dis, das wort gehalten, So man mir einst versprochen? Von meiner Seit ist nichts gebrochen, Und will ich eh erkalten Als solhes soll geschehn. Warum ließ man mir kürzlich gehn, Und wolte mir so gar das Angesicht nicht gönnen? Wolt Jhr dan jez die Art verliebter nicht erkennen? Das ist der Vorwand aller ungetreuen! Sagt, was Jhr wolt, es wird Euch einst gereuen! Mich? nein, ich will mein Wort zurücke nehmen, Und ich, ich will darum mich gar nicht grämen. Aria

Lothar.

Gleiches mit gleichen vergelten Jst nicht zu schelten. Euch hab ich geliebet zu sehr, Und iz nicht mehr. (: gehet ab :)

r

[18 ] Richensa

Geh Ungetreuer geh, ich kenne dich, Du aber kennst nicht, mich Noch auch mein herz, wie dir es ist gewogen! Die Eyfersucht hat dich betrogen! Der Eltern Macht hat mich zurückgezogen, Daß ich mein herz, mit zarten blicken, Nicht kunt ausdrücken! Jedoch ich nehm den Vortrag an, Und laß die liebe fahren, Mit der ich dir war zugethan; Doch will ich dir bald offenbahren, Daß dieses herz, daß meine Treu Vor Wittekind gar nicht bestimmet sey. Jch faße den Entschluß, und will mein leben Dem Kloster-Stand vollkommen übergeben. (: Sezet sich auf eine banck :) Aria

[18v]

Nichts von lieben, nichts von Eitelkeiten, Soll hinfort dis treue herz bestreiten, Jch erwehle mir die stille Ruh. (Fine) Andre mögen sich mit solhen tragen, Jch will mich derselben ganz entschlagen, Und die brust vor Jhnen schließen zu. d.c. Welh Schlummer will mein Auge dan bestricken? Solls etwan seyn, der Vorschmack von dem Wesen,

427 So ich zu meiner Ruh, mir auserlesen? Ja ja, es scheint, der himmel will mich selbst erqvicken. Aria Mattes Auge nim den Schlummer Jtz zu deinen labsahl ein. (Fine) Nim hinweg der brust den kummer, Der mir auszehrt Mark und bein. d.c. (: Sie entschläfft :)

3ter Auftritt Das fatum läst sich in einer Wolcke herunter nebst 4 Geniis, wovon 2 eine Keyser[liche] Krone und Scepter auf einem Küßen praesentiren, und 2 des Lotharii brust bild. fatum [19r]

„Richensa schläfft, und denket sich zu retten, „Von Ehestand, von liebes-Ketten, „Allein umsonst, Lotharius „Der Graf, der muß „Mit dir das Schicksahl vollenziehen; „Auf ihn wird bald die Keyser-Krone prangen, „Du Jhn, als den Gemahl umfangen. „Vergeblich ist demnach dein ganz bemühen, „Weil durch eur Kind, das edle Brunons-land „Dem tapfern Gvelphen-Stamm ist zuerkandt. Aria Was die schwachen Menschen dencken, Dem stimmt nicht der himmel allzeit bey. (Fine) Offtmahls steht dem herzen offen, Ein vergnügtes Freuden hoffen, Worzu doch das Schicksal nicht, Sein so machtreich Jawort spricht: Offtmahls pflegt man sich zu kräncken, Und in Kummer zu versencken, Durch die selbst beliebte Phantasey, Was die schwachen Menschen dencken, Dem stimmt nicht der himmel allzeit bey. (: Das fatum verschwindet, und Richensa erwachet :)

v

[19 ] Richensa

Wie traumet mir? oder was hab ich gesehen? Lotharium soll ich als den Gemahl umfangen, Und mit der Keyser-Kron der einsten prangen! Jedoch! wer kan dem Schicksal wiederstehen! Jch hebe meine Treu, noch ferner vor Jhm auf, Wie woll ganz in verborgen, Wer weiß, ob nicht schon Morgen, Sein herz gibt nähern Kauff.

428 Aria Jch folge dem Geschicke, Und küße mein Gelücke; Ohn einen Wiederstand. (Fine) Sich selben wiedersezen, Heist sich nur selbst verlezen, Und doch nichts abgewandt. d.c. (: Sie gehet ab :)

4ter Auftritt Das theatrum praesentiret, den Braunschweig[ischen] berühmten Graal oder Margt, vor dem Fallerslebischen Thore mit allerhand Boutiqven, 2 großen und verschiedenen kleinen Gezelten, mit [20r] bürgern und bauren angefüllet. Jn der ferne stehet ein Comoedien-theatrum. M. Cord, Sabina. Cord

Sabin. Cord

Sabin. [20v] Cord

Seht hier den ort, wo alle lust zufinden; Seht ihn von vorn, seht ihn von hinten, Er zeigt nicht nur den Augen ein Ergezen, Man kan darauf den Magen gleichfals nezen, Mit breyhan, Mumm, und fremden bier. Allein ich sterbe schier, Wann ich daran gedencke, Was ihr mir habt vor Poßen angericht. Und ich gesteh, daß ich mich selbsten desfals kränke, Seht wie die Thränen-Fluht aus meinen Augen bricht. Nur nicht geweint, ich will es gleich vergeßen. Sagt mir nur unterdeßen Jst es dan wahr, daß ihr mich wollet freyen? Warhafftig glaubt, es wird Euch nicht gereuen, Jch dencke bald ein Neben Ämtgen zu erlangen, Daß ihr euch meiner nicht solt schämen. Was soll ich thun? ich bin gefangen. Jch will darzu mich woll beqvämen. Sagt nur, ob ich dan auch soll herr vom Gelde seyn? O Weh, daß ist sehr hart – – – jedoch, ich willge ein. Seht hier, nehmt diesen beutel an, Ob ich Euch gleich nicht mehr jtz geben kan, So hab ich doch noch einen Schatz verborgen, Der soll auch euer seyn. Jhr dürfft nicht sorgen! Aria Hurtig, einen Krug mit Mumme her Jch will meine braudt zu trincken; (Fine) Hurtig, macht doch fort, mir durst so sehr, Auf die Wurst, und harten Schincken.

Sabin.

Die Aufwartung ist schlecht, Jch muß mich selbst bedienen. Die lust in diesen grünen

429

Cord Sabina [21r]

Macht, daß der Wirth bezecht Die Pflicht nicht kan versehen. Wart ihr nur hier, ich will selbst zu ihn gehen. (: gehet in ein bier-Gezelt :) Geh nur du Geck, ich mag nicht länger bey dir stehen. Aria So muß man die Gecke vexiren, Und solhe aufs Narren-Seil führen, Die Amor im Kopffe hat irrig gemacht. (Fine) Man muß sich zur liebe beqvemen, Und Jhnen den beutel abnehmen, Daß Sie ein jeder von herzen verlacht. d.c. (: Sie gehet ab, und M. Cord kömt aus dem Gezelte wieder :)

Cord

[21v]

Holla, mein Schatz, mein Schatz, bistu noch da? Antworte doch, nur Ja! Sie ist hinweg, und hat den beutel mitgenommen, Jch armer Mann, solt ich ums Geld woll gleichfals kommen? Holla mein Schatz bistu noch da? Antworte doch, nur einmahl Ja! Nichts nichts; ach! ach! ich bin betrogen Sie hat das Geld mir abgelogen. Holla mein Schatz, bistu noch da? Antworte doch, doch nur ein halbes Ja! Jch höre nichts; wart wart du Ungeheur, Du hexe du, du Abendtheur, Du solst mir dis umsonst nicht thun, Jch räche mich, und will nicht eher ruhn.

5ter Auftritt Das theatrum zur Comoedie wird geöffnet, 2 Affen sizen auf den Ecken des theatri, ein Ungarischer Artz tritt hervor, welhen zu hören, sich die leute aus den Gezelten herbey machen. Der Artz

Cord Artz Cord [22r] Artz

Herbey, herbey, ihr herren und ihr Frauen, Hier könt ihr schauen, Den Ungarischen Artz, der da aus Mutterleib geschnitten. Hat jemand ein beschweren, Der sag es an, ich kan ihn gleich gewehren, Warum Er mich wird bitten. Herr Artz gebt mir doch Raht, mit ist mein Geld genommen, Wo ich daßelbe kan, bald wiederum bekommen. Nehmt dieses pulver ein, So wird Euch gleich geholffen seyn. Das geht nicht an, ihr müst durch hexereyen, Mich von der Noht befreyen, Und mir mein Geld verschaffen. Seht hier die Wurzel der Schlaraffen, Womit man kan, Verstand, Vernunfft und leben, Den Steinen, Menschen, Vieh, entweder nehmen oder geben.

430 Cord Artz

Cord

[22v] Artz Cord Artz Cord

Die schicket sich vor mich, ich will sie Euch abkauffen, Komt, komt mit mir, wir wollen erst eins sauffen. Um mir noch mehr zu trauen, Solt ihr jtz eine probe schauen. (: Der Artz steiget von theatro, rühret die Affen mit der Wurzel an, mit folgenden Worten :) Datetibus dum Dominus, Grand multum Slägibus. (: Die Affen tanzen eine kurze entree, worin Sie den Müller stoßen und vexiren :) Herr Doctor helfft, nichts Slägibus, Herr Doctor Dominus, Und ihr, ihr herren Affen, Jhr macht mir gar zu viel zu schaffen. Jhr müst Sie mit der Wurzel nur anrühren, So wird sich ihre Wuht gar bald verliehren. Vor Angst hatt ich das ding vergeßen. (: rühret die Affen an, welhe sich retirir[en] :) Nun könt ihr leicht ermeßen, Wie hoch ich sey mit meiner Kunst zu schäzen, Komt nur, ich will Euch gleich davor ergözen. (: gehen ab :)

6ter Auftritt Egbert, Heinrich, Gertrud, Lotharius und Wittekind, nebst dem Braunschweig[ischen] Magistrat. Ein burgerMeister Egbert/Heinrich/Gertrud burgeM. [23r]

Weil Sie Durchlauchtigste, die Freude hier vermehren, So fodert Braunschweig-Pflicht, dis JahrMargt zuverehren. (: Er praesentiret jedem von der herrschafft einen beutel mit Ducaten :) Wir nehmen es zu willen an, Und bleiben Euch davor in Gnaden zugethan. Behagt es dan, sich hier in dis Gezelt zu sezen, Man wird so fort Sie suchen zu ergözen, Mit einem kurzen Stück, worüber man wird lachen: Es heist: Recept ein zänkisch Weib, bald from zu machen.

Comoedie, Actus 1, Scena 1 Arleqvin, wird von seiner Frauen, der Ventosa, zum hause hinaus geprügelt. Ventosa Arleq. Ventosa Arleq. Ventos. Arleq. Ventos.

Du bösewicht, du nichtswürdiger lumpenhund, wilst du nicht thun, was ich von dir haben will? Ach ja Frau, ach meine liebe Frau, ich wills ja gerne thun. Willst du das Maul halten, du Crocodillen-Gesicht. Ja ich will gerne mein Maul halten. Sehet, wie der Taps stehet. Wilstu sprechen, ob du thun wilst, was ich von dir haben will. Ja gerne, ich will sprechen. Du dummes Rind Vieh, du solst sagen, ob du inskünfftige thun wilst, was ich haben will.

431 Arleq. [23v] Ventosa

Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventos.

Arleq. Ventos. Arleq. [24v] Ventos. Arleq.

Ach meine allerliebste Frau und Gebiehterin, einmahl hastu befohlen, ich soll das Maul halten, und nunmehro befiehlstu, ich soll sprechen. Jch weiß ja nicht, was ich thun soll? Sehet, sehet, mir doch den Tropff an? Jst Er woll wehrt, wegen seines Unverstandes, daß Er eine solhe kluge Frau haben muß, als ich bin. Allein ich merke woll, was darhinter stecket. Die Sprache will nicht heraus, Er will nicht bekennen, daß Er thun will, was ich von ihm verlange. Du verruchter heimtückischer Vogel, ich breche dir den halß, wann du nicht deutlich nachsagest: Ja ich will alles thun, was meine liebe Frau haben will. Ja ich will alles thun, was meine liebe Frau haben will. Sehet, wie die alte huhre von Kerl stehet. Sehet, wie die alte huhre von Kerl stehet. [(: ] auf den Mann schlagend :) Du bösewicht, du Affengesichte, mich zu schelten? Nein liebe Frau, nein, es ist so nicht gemeynt, ich meynte, ich müste solhes nachsagen. Warte ich will dich anders kriegen, ich will schon erfahren, wo dir die Mücke sizen; Seze dich [24r] vor mich auf die Knie. Ja gerne. Stehe auf. Ja gerne. Hohle den Stock wieder. Ja gerne. Spring über. Ach das kan ich ja nicht. Fort, fort, spring über. Jch wills versuchen. Nunmehro so hoch. (: Arleqvin fält :) Ach meine herzallerliebste Frau, so hoch kan ich nicht hinauf kommen. Damit du siehest, daß du noch eine gütige gnädige Frau habest, so laße ich dir eine ganze Stunde Zeit, um dich darin zu exerciren. Und wann du es alsdan nicht kanst, so gibt acht, wie meine hände und deine haare, collation miteinander sollen halten. Ja ja liebe Frau, gehe nur, ich will mich schon bestreben. Was? soll ich gehen? siehestu mich so gerne bey dir? Ach nein, liebe Frau, bleib doch bey mir, ich bitte dich. Sehet, wie der bösewicht mir nach den Maule spricht. Warte Vogel, spring du mir nicht über, wie sichs gebühret, ich will dir bezahlen! Jch will ja alles gerne thun, was meine Frau befiehlet. (: Ventosa gehet ab :) Sehet ihr herrn, das ist ein remedium, womit man seine Frau, biß auf den Tod vexiren kan, wann man nemlich alles thut, was Sie haben will. Vorher gabs immer lerm zwischen Uns, allein nunmehro ist alles gut. Und ob Sie zwar wunderlich, daß ich öffters nicht kan klug aus ihr werden, so spreche ich ihr ein bischen nach den Maule, so ist alles gut. Sehet so muß man die Weiber vexiren. Allein ich muß mich woll allnachgerade exerciren, daß ich recht überspringe. (: exerciret sich nach den Ziel zuspringen :) Scena 2

Meister Hans, ein böttger. Arleqvin. M. Hans

Was zum hencker, Nachtbahr, was macht ihr?

432 [25r] Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans Arleq. [25v] M. Hans Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans

Arleq.

Was fragt ihr darnach. Kom ich doch nicht zu Euch, und frage, Nachtbahr, was macht ihr? Pfuy, pfuy, daß sind exercitia vor die hunde. Jn meinem lande thun es auch die Menschen. Jch sage es euh in guter Wollmeynung, wann es in unsern Flecken bekandt wird, so wird kein ehrlicher Mann mehr mit Euch in der Schencke trincken, sondern man wird euh mit hunden hinaus hezen. Was? nicht mehr mit mir trincken? Ja freylich, so wahr als ich ein ehrlicher Mann bin. Aus unser löblichen Gilde ist vor kurzen noch ein solher hinaus gestoßen. Ey ey! ich müste ja verdursten, wann kein ehrlicher Mann mehr mit mir trinken solte. Das kan nicht anders seyn. Allein meine Frau will es also haben, und wann ichs nicht recht mache, wann Sie zurück kömt, wirds übel mit mir aussehen! Was? ihr last euch schlagen? von eurer Frauen? und seyd ein Kerl? Laßen sich dan die andern Männer nicht auch von ihren Weibern schlagen? Ey pfuy, ihr beschimffet das männliche geschlecht. Jch habe würcklich gemeynet, daß es die mode wäre. Was mode? die mode gilt nicht! Wann ich aber nicht thue, was meine Frau haben will, so zanket Sie mit mir. Jhr müst ihr einmahl das Zanken abgewehnet, damit es von euch heiße, Sehet, daß ist ein prawer Kerl, der kan sein Weib zwingen. Das ding ist zwar woll gut, allein wie soll ichs machen, daß ich ihr das Zancken abgewehne. Sie ist verteuffelt böse, und könte mir leicht den halß umdrehen, wann das Kunst-Stücke nicht probatum. Da last mir vorsorgen. Jhr wist, daß ich Gesellen, recht handveste Kerl habe; diese haben kürzlich ein großes Faß verfertiget, so ich hier will herbringen laßen. Sorget ihr nur, daß eure Frau sich hinein seze. Vor das andere last mir sorgen. So bald ihr mir davon ein Zeichen gebet, will ich mit meinen leuten da seyn. Ey das soll gut gehen. Geschwind das Faß [26r] her. Geschwind, geschwind: Warte du Canaille, ich will dir das Zancken abgewehnen. Wiltu mich wieder die mode tractiren? (: das Faß wird herein gebracht :) Geschwind Meister Hans, meine Frau kömt schon. (: M. Hans gehet ab :) Scena 3

Arleqvin in Gedancken, Ventosa. Ventosa Arleq. Ventosa Arleq. Ventos. Arleq.

Sehet mir den Kerl an, sehet, sehet! wie Er stehet. Jst es müglich, daß man ihn unter die Männer rächen kan. [(: ] vor sich :) Wart, wart, ich will dirs schon lernen! Kanstu nichtswürdiger dich nicht unterdeßen exerciren in Springen, als ich dir befohlen habe, wie stehestdu da in Gedancken? Ach meine liebe Frau, und Gebiehterin, ich habe mich die ganze Zeit geübet, und will dir auh in allen gehorchen; allein es ist so ein caseus passiret, der mir die Gedancken in Kopff gebracht. Und was dan, sag an, fort geschwind, oder – – – Ach geduld! es ist ein gut Stück geld dabey zu verdienen.

433 Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Ventosa Arleq. Ventosa Arleq. [27r] Ventosa

Du weist nun, daß ich nicht lange geduld haben kan, [26v] und dennoch hälst du mich mit deinen qvackeleyen auf. Sag geschwind, was ist passiret. Es war hier ein vornehmer herr, mit unsern Nachtbahr dem Meister Hans; selbige haben mich gewaltig wegen des überspringens ausgelachet. Was hat der grobe Kerl meinen Mann zu verführen? Es möchte doch der große Hans nur vor seiner Thür fegen! Hört weiter. Dieser M. Hans sagte zu den fremden; ich hätte nicht einmahl Macht, zu meiner Frauen zu sagen, daß Sie sich dorten in das Faß setze. Was mag sich doch der nichtswürdige lumpenhund, um mein haußhalten bekümmern. Jch antwortete ihn auch: M. Hans ihr seyd ein lügener, ich habe in meinem hause alles zu befehlen, und was ich meiner Frauen zu Gefallen thue, das geschicht aus liebe. Was will dan der Kerl mehr? Er wettete mit den fremden um 10 Ducaten, welhe ich zu versauffen haben solte; ich könte es nicht dahin bringen, daß meine Frau auf meinen befehl sich in das Faß setze. Die Ducaten sind gut vor mich. Und um den Kerl zu zeigen, daß ich ihn nicht gut bin, so will ich solhes thun, zwar nicht auf dein befehl, sondern dem groben Hans zum Troz und Schaden; geschwinde her mit dem Faße, ich will mich hinein sezen. Scen. 4

Arleqvin rufft M. Hans, welher mit 2 Gesellen erscheinet, die so gleich das Faß umkehren, daß die Frau darin zu stehen kömt. Arleq. Ventosa Arleq. Ventos. [27v] Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. Arleq. Ventos. Arleq. [28r] Ventosa Arleq. Ventos. Arleq. Ventos.

Hier M. Hans sehet ihr, was ich vor eine gehorsahme Frau habe? Die wette ist verspielet. Was unterstehet ihr Euch, ihr Schindergeschmeiße?, eine ehrliche Frau also zu begegnen. Mann geschwinde kom her, und hilff mir heraus. Das laß ich woll bleiben! Du nichtswürdiger Schelm, steckst du auch unter der betriegerey. Frau schweig, schweig, ich habe anizo etwas anders mit dir zu sprechen. O du Galgen Schwengel, warte ich will dirs gedencken! Jch frage dich, ob du inskünfftige thun wilt, was ich haben will? ob du das Zancken wilst ablegen, und deinen Mann nicht mehr überspringen laßen? O du nichtswürdiger Holluncke, warte, ich will dich bezahlen! M. Hans sorget, sorget M. Hans. (: die böttger fangen an zu böttgern, unter welhen getöse die Ventosa iAer weg schilt, so lange biß Arleqvin wincket :) Haltet ein ihr herrn, ich muß erst meine Frage wieder an Sie abgehen laßen! Frau wilstu inskünfftige thun, was dein lieber Mann haben will? Jhr seyd Spizbuben insgesamt, wolt ihr Schelme mich loß laßen? M. Hans sorget, sorget M. Hans. (: die böttger fangen wieder an zu klopffen :) [(: ] bittet, mit dem Schlagen einzuhalten :) Frau, wilstu auch inskünfftige thun, was ich haben will? Laß mir doch erst zum Faße heraus, alsdan will ichs ja sagen! Ey sehet mir du kluge Frau an? Warte! M. Hans sorget, sorget M. Hans. (: du böttger fangen wieder an zu böttgern :) Ach mein lieber Mann, mein herzens Mann, ach! ihr lieben herrn, schlagt mir doch die Ohren nicht mehr so voll, ich bitte euch 1000, ja 100 000 mahl.

434 Arleq. Ventosa Arleq.

Worzu entschliest du dich? Frau? es heist hier, Vogel friß oder stirb. [(: ] weynend :) Du handelst unrecht bey mir; ist das ehrlich, mich so zu qvälen, ich werde das gehör verliehren. Laß mich doch heraus, du weist ja, daß ich eine ehrliche Frau bin! Die falsche hexe! Sie will mit der Sprache nicht heraus. M. Hans sorget, sorget M. Hans. (: die böttger schlagen wieder darauf loß, biß Sie von dem darauf zu kommenden Junckern des Fleckens verstöhret werden; die Ventosa schreyet :)

[28v]

Scena 5

Der Junker Sincerus, mit seinem Jäger, von der Jagdt kommend. Sincer[us]

Was vor ein entsezliches Mord-Geschrey, müßen meine Ohren hier anhören? (: Arleq. M. Hans und die böttger lauffen davon :) Ventos. Ach! ihr Gestrengen laßen sich eröffnen, daß der böttger M. Hans, der große Flegel, Jhr Gestrengen, und mein Mann, der Schelm, mich in dieses Faß gesezet, und so lange auf die reiffen zu schlagen laßen, biß ich bekennen solte; alles zu thun, was mein Mann von mir verlangete. Sincer[us] Es ist dieser Flecken zwar nur klein, allein täglich lauffen klagen ein, daß die Weiber die Oberherrschafft über ihre Männer haben wollen. Meynt ihr Weiber dan, daß die Männer schuldig sind, nach euren Kopf zu leben. Ventos. Jhr Gestrengen, wir richten Uns viel nach Jhr Gestrengen Gnädiger Frauen. [29r] Sincer[us] So so! nun nun wir hoffen, solhes auch endlich noch abzustellen! Ventos. Jch bitte, doch so lange mit Uns Weibern geduld zu haben, und mich durch ihren diener aus dem Faß helffen zu laßen. Sincer[us] Hier, Jäger helfft Sie heraus. Ventos. Ach! ihr Gestrengen, ich bedancke mich tausendmahl. Sincer[us] Bestrebet euch, daß ich inskunfftige keine klage von euch höre, oder man wird euch vor allen Weibern ansehen. (: gehet ab mit seinem diener :) Ventos. Jst das Recht? Den Mannsleuten allein beyzufallen? Sehet, sehet, wie verblendet ihr Gestrengen richten können? Wie woll ich lache darüber, ich will so fort zur gnädigen Frauen gehen, und ihr die Sache entdecken, gewiß die soll das Recht anders sprechen, und meinen nichtswürdigen Kerl darzu straffen laßen. (: gehet ab :) Scena 6 Arleqvin, M. Hans. M. Hans [29v] Arleq. M. Hans

Arleq.

Warum liefft ihr? hättet ihr nicht eure Nohtdurfft können von euch sagen. Ja! Warum liefft ihr? ich dachte, weil ihr lieffet, so müste ich auch lauffen. Wir haben alle beyde thörlich gehandelt. Unser Juncker ist ein brawer Kerl, welher sich eben so woll von seinem Weibe muß vexiren laßen, wie wir; hätten wir Jhm die Sache erzählet, vielleicht hätte Er selber geholffen, das Weib auf andere Gedancken zu bringen. Jhr müst sehen, daß ihr Sie noch einmahl ins Faß hinein krieget, alsdan soll Sie nicht wieder entwischen. Ey Poßen! meine Frau hört graß wachsen! Einmahl hat Sie sich betriegen laßen, allein zum zweytenmahl ists unmüglich. Das schlimste ist anizo, daß ich nicht wieder darf nach hause kommen.

435 M. Hans

Arleq. M. Hans Arleq. M. Hans Arleq.

Was ist daran gelegen! Komt wir wollen in die Schencke gehen, und daselbst so lange sauffen, als wir können. Wann wir nicht zu hause kommen, werden unsere Weiber glauben, wir haben Uns versoffen, oder ertruncken, und Uns mit höhster Angst suchen; da Sie Uns dan willigst [30r] werden annehmen, und Gott dancken, daß Sie Uns nur wieder gefunden. Ja ja! ich befürchte, daß bey den Wiederfinden etwas passiren möchte, fürnemlich wann die Weiber solten zu gleich kommen! Da last ihr mir vorsorgen. Ja! ihr habt das vorigemahl eben nicht gar zu gut gesorget! Dieses mahl soll es schon beßer gehen. Nun es mag drum seyn. Jch gehe mit, und die Grillen müßen alle zum Kopfe heraus. (: gehen nach der Schencke hin :) Scen. 7

Arleqvin, M. Hans, der Wirth. Arleq. Wirth Arleq. Wirth M. Hans Wirth Arleq. M. Hans Wirth

Holla ho! Holla ho! ist keine Aufwartung vor vornehme Gäste vorhanden? Sieh da, Sieh da, ihr herrn. Wo komt ihr her? Den h[er]rn Arleqvin hier zu sehen, solhes ist etwas rares. Ja wann ich komme, so komme ich auch richtig und sind 8 Tage und 8 Nächte noh lange nicht [30v] lang genug vor mich. Das ist mir um destolieber. Halts Maul mit euren complimenten; gebet gleich 2 Kannen mit bier her. Die Zeit ist edel, man muß Sie nicht vergeblich vorbey streichen laßen. So gleich soll aufgewartet seyn! (: hohlet und bringet 2 hölzerne Kannen :) Jhr wolt ja sorgen, h[er]r Nachtbahr. Bekümmert Euch nur nicht! h[er]r Wirth last Euch gleichfals bey uns ein wenig nieder. Jch schlage es eben nicht aus. Zu guten Gästen gehöret ein guter Wirth! Scena 8

Der Musicante zu den vorigen. Musicant. Arleq. Music. Wirth [31r] M. Hans Arleq.

Zum guten Glück, treffe ich hieselbst meine 2 Nachtbahren an. Es freuet mich von herzen, so brawe leute bey einander zu sehen. H[er]r Wirth, eine Kanne vor mich. So gleich! Nun ihr h[er]rn Nachtbahren last Uns unsere und der Schencken ihre Gesundheit trincken, wir kommen doch nicht wieder so jung zusammen, und in dieser Schencke ist allzeit gut bier. Vivat, es leben wir, und die ehrliche Schencke – – – hey Juchey. Das ist ein galantes leben!

436 Scena 9 Ventosa darzu. Ventosa Arleq. M. Hans

Arleq. M. Hans Musicant [31v] Wirth M. Hans Musicant M. Hans Arleq.

Treffe ich dich, du versoffner Schelm und betrieger hier an? M. Hans sorget, sorget M. Hans. Was wollen die Weiber in der Schencke? Jhr h[er]rn thut, was ich thue. (: Sie fangen mit den Kannen an zu klappern, daß man der Ventosa Worte nicht hören kan, und zwar ihr so stark um den Kopff herum, daß Sie mit höhsten dreuen davon laufft :) Das gehet gut! ach du allerliebste Kanne! So muß man die Weiber zahm machen! So muß ein Mann seine Authoritet unterstüzen! So kan man die Weiber scheren! Allein ihr h[er]rn wir müßen unserer Weiber gesundheit nun gleichfals trinken. Das ist höhst nöhtig. Dann wann meine Frau erführe, daß ich ihre gesundheit nicht getruncken hätte, sie spräche mir in 3 Tagen kein wort zu. Und meine in 8 Tagen nicht. Und meine – – ja meine Frau – – die – – ja das ist eine Frau – – courage ihr h[er]rn. Die gesundheit unserer Weiber – – hey Juchey. Das geht gut! Scena 10

Ventosa nebst M. Hans- und des Musicanten-Weibe. Ventosa Arleq. Alle 3 Weiber zugleich Arleq. [32r] M. Hans

Sehet ihr meine lieben Nachtbahrinnen, sehet, da sind die Sauff-Teufel zusammen! M. Hans sorget, sorget braw stark, es sind ihrer 3 da. Jhr Saufflümmels. Saufft daß euch das bier ersticke. M. Hans sorget doch! Was wollen die Weiber in der Schencke! Jhr h[er]rn wie ihr wolt wißet! (: klappern mit den Kannen die Weiber wieder weg :) Scena 11

Arleq. Wirth Arleq. M. Hans Arleq. With M. Hans

Jhr h[er]rn was sind wir nicht vor tapfre Männer! Daran ist kein zweifel. Allein ihr h[er]rn ich wolte nun auch geld vors bier haben. H[er]r Wirth, ich wills schuldig bleiben. Siehet man mich vor einen solhen Kerl an, der nicht bezahlen kan? Jch komme hierher, um meinem Nachtbahr einen Gefallen zu thun, und selbiger wird nimmer zugeben, daß ich vor mich bezahlen soll. H[er]r Wirth maht doch kein Wunder, ich nehme es auf mich vor alle beyde, und bleibe euch schuldig. Dieses ist ja worts genug. Wann kein Geld da ist, so ist auch kein bier mehr vorhanden. (: gehet mit seinen Kannen ab :) Wann kein bier da ist, so kan ich nicht mehr sorgen. (: gehet ab :)

437 [32v]

Scena 12

Arleqvin und Musicante. Arleq.

Musicant.

Arleq. Musicant. Arleq. Musicant. Arleq. Musicant. Arleq. Musicant. Arleq.

Ach du armer Arleqvin! hättest du überspringen gelernet, so dürffstu anizo wieder nach hause kommen. Siehe nun der Karren in Koht stecket, gehet M. Hans davon. Und wann die 3 Plutonischen Gratien über dich kommen, so behälst du kein haar im Kopffe. ach – ach! ach! wie habe ich mich vergangen! Mein lieber Nachtbahr ihr müst geduld haben, und nicht so gleich verzagen, es sind noch woll Mittel vorhanden, die Sache wieder gut zumachen. Des M. Hans seine remedia sind zu hart, wodurch man nichts heilsahmes bey den Weibern ausrichtet. Wann ihr wolt glücklich seyn, so stellet euch an, als wann ihr taub seyd, wann eure Frau wühtet und zanket; dann dieses ist das rechte universal remedium, zänckische Weiber bald fromm zu machen. Dabey aber will ich euch ein [33r] Jnstrument geben, worauf ihr solange spielen solt, biß Sie mit poltern aufgehöret hat. H[er]r Nachtbahr, ich habe aber mein lebtage, auf Jnstrumenten nichts gethan? Das thut zur Sache nichts. Jhr solt Sie nur durch deßen übeln Klang zum stillschweigen bringen. (: gehet ab und hohlet einen Dudel-Sack herbey :) Das ist gut! ich will mich gerne allezeit Taub stellen, und aus allen leibes Kräfften darauf loß spielen, wann ich Sie dadurch kan zum stillschweigen bringen! Sehet, da habt ihr das Jnstrument. Jhr werdet es ja zu tractiren wißen, damit es anspricht? O ja! wie einen Dudel Sack! Das verstehet sich von selbsten. Jch meyne, wie ihr darauf spielen müßet? O! das habe ich zur gnüge gesehen. So lebet dan woll, und fahret glücklich [33v] damit. Vergeßet aber nicht zu erst Wind hinein zu blasen. (: gehet ab :) O das ist ein vortreffliches Kunst Stückgen. M. Hans der grobe Flegel mag immer hin gehen, mit seinen: last mich nur sorgen; Er hat mich so tieff hinein gesorget, daß dieser Dudel-Sack mich nun mehro muß wieder heraus sorgen, und mit meiner Frau versöhnen. Jedoch ich muß das ding woll probiren (: bläset, ohne das der Sack anspricht :) h[er]r Musica[nte], wo seyd ihr, der Sack will nicht singen? – – Jedoch still, ich besinne mich, ich solte zu vor Wind hinein thun. (: hat seine Lazzi, biß der Sack anspricht [ :)] Scena 13

M. Hans- und das Musicanten-Weib. Die Weiber Arleq. Die Weiber [34r] Die Weiber Arleq.

Jst das Sauff-collegium vorbey? Wo sind unsere Sauff Kerl, habt ihr Sie nicht gesehen? Ach ihr lieben Nachtbahrinnen, hier fehlet es! (: weiset ans Ohr [ :)] O die Sauff Teufel, ich wolte daß ihr ersticken müstet, wann ihr ein ander mehr zum Sauffen verleitet. (: Arleqvin fängt an zu spielen, biß die Weiber die Ohren zu halten, und ihn winken still zu schweigen :) Ach lieber Nachbahr, sagt uns doch nur, wie viel Sie versoffen? Hier fehlts! hier fehlts! (: greifft ans Ohr und spielet wieder so lange, biß die Weiber mit hefftigen schelten abgehen :)

438 Arleq.

O! unvergleichliches Säckgen, du Säckgen aller Säckgen, du Weiberbezwinger! Aber Siehe da, da kömt mein Schatz auh her. Arleqvin da es an courage fehlet, so faße ein herz! Scena 14

Ventosa. Ventosa Arleq. Ventos. Arleq. Ventos. Arleq. [34v] Ventosa Arleq. Ventosa Ventosa

Ventosa

Ventosa Arleq. Ventosa Arleq. Ventosa Ventos. Arleq. Ventosa Arleq.

Ventosa Arleq.

Treffe ich dich verwegenen Saufflümmel hier an? Ach meine liebe Frau, hier fehlst [sic]! Was fehlet dan da? Ach ich kan nicht hören! Nicht hören? Nein! nichts kan ich hören, was du sagest. Du antwortest mir aber auf meine Frage? Unser Nachbahr M. Hans hat Schuld daran. Was Schuld hin, was Schuld her, du bist ein bösewicht, ein betrieger, ein Saufflümmel (: Jndem Sie schilt, fängt Arleqvin mit aller Macht an zu spielen, daß Ventosa die Ohren zu halten, und winken muß, still zu schweigen :) Sage mir, wer hat dir diesen Anschlag gegeben, dann selbiger rührt nicht aus deinem Gehirne her? Sage, ich wills wißen, um ein mahl hinter die Verführung zukommen. (: Arleqvin fängt wieder an zu spielen, biß Sie winket, still zu schweigen :) Jch will auch dieses nicht wißen, halte doch nur mit dem entsezlichen geplärre ein. Jch frage dich nur, ob du inskünfftige dich beßern wilt. (: Arleqvin fängt wieder an zu spielen, biß daß Sie ihn bittet, und winket aufzuhören :) Jch bitte dich höchlich, unterlaß doch die ver-[35r]maledeyte Music, ehe man taub davon wird! Frau, ich bin schon taub, ich kan nicht mehr hören, was du keifest! Jch glaube der Kerl ist von Sinnen gekommen. Gib mir den Dudel Sack her, ich will ihn auch versuchen? Jn geringsten nicht. Dieses Jnstrument gehöret vor die Manns-Personen! Aber Frau, sag, ob du dich inskünfftige nicht beßern wilt? Eine so ehrliche, aufrichtige und brawe Frau, solte die sich noch beßern? (: Arleqvin fängt wieder an zu blasen :) O Schweig, schweig stille, ehe ich ganz taub werde, oder gar von Sinnen komme. Ja ja! ich will mich beßern, wann du dich nur beßerst. Wie hieß das!, ich habe es nicht recht hören können! ey Frau sage es doch noch einmahl! Wann du dich nur beßerst, so will ich mich auch beßern! O güldenes wort!, das ist ein wort, so sich hören läst! höre Frau, ich will mich beßern, dabey [35v] gleichfals taub bleiben, du magst auch sagen, was du wilt: allein versichere mir nun auch, daß du inskünfftige wilt stumm seyn, wann von mir etwas geschehen solte, so sich nicht schicket. Was? solt ich stumm seyn, und nicht mehr reden, und zu allen deinen lastern ja sagen? Eben so wenig als ich recht taub bin, eben so wenig sollstu recht stumm seyn. Allein ich sehe woll du bleibest die alte Zanck-Ventosa, als du gewesen, deshalben bleibe ich der Arleqvin mit dem Dudel-Sacke. (: Fänget wieder aufs hefftigste anzublasen, daß die Frau die Ohren zu hält, und ihn zum stillschweigen bittet :)

439 Ventosa Arleq. Ventosa Arleq.

Weil ich dan sehe, daß sich niemand meiner annimt, ich aber das entsezliche heulen nicht mehr erdulden kan, so bitte ich dich, lege den verhasten [36r] Sack weg. Nein, das geschicht nicht. Selbigen behalte ich allezeit bey mir. Aber taub will ich seyn, versprich du mir nur, dan und wan stumm zu seyn. Ey nun es sey darum. Jch will schweigen, indem ich ja, mit allen meinen Zancken, wann ichs recht bedencke, mir den größesten Schaden selber anthue. Das ist wahr! Und ich will taub seyn, und deine reden, wann ja bißweilen noch etwas passiren solte, nicht hören noch beantworten, sondern alsdan den Dudel Sack gebrauchen. Siehe Frau, nun wollen wir Uns nach hause begeben, und vergnüget leben. Gute Nacht ihr herrn Spectatoren, wer es eben so gut, wie wir, haben will, der mache es auch also. Gute Nacht. (: Sobald als das Comoedien-theatrum sich schließet, höret man in der ferne einen blasenden Postillion :)

[36v] Egbert Heinrich Egbert Gertrud

Was heißet das, was läst sich hören? Ein postgeschrey! Vielleicht wills unsre lust zerstöhren. Wer einmahl sich dem Schrecken hat ergeben, Der pflegt in steter Furcht zu leben. Egbert Mein herz will mir, was böses prophezeyen! Lothar./Wittek. Der himmel wolle nichts, als guts verleyhen.

7ter Auftritt Ein Officier mit einem Postillion zu pferde. Officier Egbert Officier Egbert

[37r] Lothar. Heinr. Gertrud Heinr. burgeM. Egbert Gertrud

Mein Fürst aus diesem brief wird man ersehen, Was in verwichner Nacht geschehen. Sag nur heraus, was dir bekandt. Der Feind ist unvermuht gefallen in das land, Und scheint, als wann Er will auf Hohenwörde gehen. (: lieset erst den brief vor sich in der Stille :) Ja ja es ist also geschehen! Allein nach meiner burg, das ist zu kühn! Mein Graf, eylt gleich, mit meinem Volcke hin; Sucht, wie ihr könt, denselben abzuschrecken, Jch folge Euch gleich auf dem Fuße nach. Jch werde den befehl so fort vollstrecken, Und scheuen nichts, kein Ungemach! (: gehet ab :) Jch aber will mich also bald bestreben, Zu hohlen meine Macht, aus meinen landen, Bleibt mein Gemahl? Nein, nein, die Noht ist hier vorhanden! (: gehet ab :) Die Stadt wird sichs zum Glücke schäzen, Wann Sie, Durchlauchtigste, sich ihr vertrauen. Ja Schwester geht, es wird in ihr Euch nichts verlezen, Jhr könnet auf mein wort, ganz sicher bauen. Mein bruder lebet woll;

440

Egbert Wittek. [37v] Egbert Wittek. Egbert

Jch geh demnach wohin ich soll, Doch müst ihr mir bald Nachricht geben, Um meine Furcht aus dieser brust zu heben. (: gehet mit dem Magistrat ab :) Mein Wittekind, ihr solt verschaffen, Daß man so gleich aufbringe in die Waffen, Was von dem landvolck kan dieselbe führen. Jch will darzu ganz keine Zeit verliehren. Jedoch habt gleichfals acht, Wann etwan nach der Stadt der Feind auch tracht, Jch werde meine Treu in beyden zeigen. Ja Schicksal ja! du hast mir wollen nicht verschweigen, Wie daß Gefahr vorhanden sey! Jch stimme bey, Daß das ganz unvermuhte Schrecken, Mich aus der Sicherheit hat sollen wecken. Aria So spielet das Glücke! Nach Freude, nach Scherzen Bekümmerts die herzen, Nach hüpfen, nach lachen, Pflegts Kummer zu machen Und zeiget die Tücke. So spielet das Glücke! (: gehet ab :)

8ter Auftritt Das theatrum praesentiret eine gaße von bauer-hausern, in der ferne ein Gebürge, worin die [38r] Trommeln gerühret werden, und Soldaten marchiren. Lotharius führt seine Mannschafft heraus. Lothar.

Dort läßet sich der Feind schon sehen, Auf auf, ihr helden auf! Um seine Wuht, und fernern lauff Zu hemmen, und dabey uns auch zu rächen, Muß man mit tapfern Muht ihn in den rücken gehen, Und seinen Trotz darnieder brechen. Aria Entblößet den degen Zeigt freudigen Muht. Fecht tapfer, wie helden gebührt, Die mehrmahls der lorbeer geziert, Biß daß sich die Wuht Der Feinde muß legen. Entblößet den degen Zeigt freudigen Muht.

441 Jedoch! Was muß ich schauen, Darf ich den Augen trauen, Ja ja Richensa ist gefangen; Dis ist der erste Sieg, den wir erlangen.

[38v]

9ter Auftritt

Ein feindlicher Officier, welher nebst einigen Soldaten die Richensa in ihren Schlaff-Kleidern gefangen geführet. Officier Lothar.

Richens. Lothar. Richensa

[39r]

Lothar.

Nur fort, nur fort, hier hilfft kein Flehen. Durch diese waffen Will ich Jhr rettung schaffen. (: Jndem Er auf die Feinde loßgehet, retiriren sich selbige in höhster Eyle, und verlaßen die Richensa :) Halt, halt, Verwegene – – – Das glück ist schon geschehen! Mein Graf, wie bin ich Euch so hoch verbunden! Ein glück, daß ich Euch eben vorgefunden!, Da ich bemühet war, den Feinden nachzusezen, Und unsre Schart an Jhnen auszuwezen. Ach eylt dem Schloße zu, eh es wird ganz verheeret, Der gröste theil ist meist zerstöhret. Kaum hatte sich der Marggraf wieder eingefunden, So ließen sich vorn Thor verschiedne leute sehen, Die man zu letz herein ließ gehen, Weil Sie mit einem Eyd sich höchst verbunden, Daß Sie von Feinden weggegangen, Und bey des Ecberts heer, ihr glück vermeynten zu erlangen. So bald die Nacht war angebrochen, Erfuhr man in der burg ein hefftigs lerm und pochen, Und ich bin selbst durch dieses falsche Volck gefangen, Die euer tapfern Faust entsprangen. Wohin der Marggraf ist gekommen, Hab ich auf keine art erfahren noch vernommen. Zu euer Sicherheit nehmt diese Mannschafft an, Die Euch nach Braunschweig hin, begleiten soll und kan. Jhr andern folgt, und zeiget löwen-Muht, Stillt eure Rach in Feindes bludt. (: Richensa gehet mit einigen Soldaten ab, Lothari[us] aber führet die übrigen unter einen March weiter nach der andern Seite ab. :)

10ter Auftritt Wittekind mit einigen Soldaten u. Tambour, welher denen aus ihren hausern herauskommenden bauren Spieße und degen austheilen läst. [39v] M. Cordt der Müller ganz gewaffnet. Wittek.

Um unser Vaterland zu decken, Muß kein gewehr euch schrecken. Gebt Jhnen Spieß und degen,

442

Cordt

Zeigt, wie man muß dieselbigen bewegen, Und sich dem Feinde wiedersezen, Ohn daß Er Sie kan einst verlezen. Hernach solt ihr ohn einziges verweylen, Mir in die Stadt nach eylen. (: gehet ab :) Macht fort, und last euch doch nicht lange bitten, Es muß anizo seyn gestritten. Seht mein exempel an, Machts so, wie ich gethan. Mit diesem Sarras will ich Kopff und Kragen, Auf einem hieb wegschlagen, Mit selbigen will ich den Feind so bange machen, Daß Er sich soll zu Tode lachen. Aria

[40r]

Sa ihr herren nur courage Uns verbleibt die avantage. (Fine) Wann der Feind darnieder liegt, Und wir sehen ihn besiegt, Können wir praf beute machen, Und verbeßern unsre Sachen, Daß wir hintern ofen fein, Können nachmahls lustig seyn. Sa ihr bauren nur courage, Uns verbleibt die avantage. Jedoch was muß ich dort erblicken! Wart, wart, dich will ich wiederum berücken.

11ter Auftritt Sabina weynend. Sabin.

Cordt [40v]

Sabin. Cordt

Jhr herrn, ihr Freunde hier, Ach helffet mir, Daß ich doch sicher mag nach Hohenwörde gehen, Der Fürstin Gertrud diene ich in ihrer Kammer, Drum helfft mir doch in diesem Jammer, Jch hab den Weg verfehlt, und mich versehen. Es soll so gleich geschehen. Herr Tambour hier, rührt gleich das Spiel Weil ich ihr kundbahr machen will, Worzu Sie sich, gleich muß beqvemen. (: die Trommel wird zum Werben gerühret, und der Sabinen ein Soldaten Rock, huht, degen und Spieß praesentiret :) Seht hier, rock, huht und waffen, Die müßet ihr annehmen, Und unsern land den Schuz damit verschaffen. Jch bin ein Weibes bild, wie kan ich waffen führen? Nur nicht viel worts, und ohne zeit verliehren, Ziehts an; es hats der Fürst befohlen,

443

Sabin. Cordt vor sich

Sabin. [41r] Cordt Sabin. Cordt Sabin. Cordt Sabin. Cordt Sabin. Cordt Sabin. Cordt Sabin. Cordt

Jch werde sonst die Corporals herhohlen. (: Man ziehet ihr mit gewalt die montur an :) Ach weh! ich bin verlohren! (: Nein, nein, es heist geschoren :) Fort her, ihr müst die Finger legen, Auf diese Trommel hier, und hier auf meinen degen, Und solt dabey die Treue schweren, Dem landesherren. Jch schlage zu – – – ach! halt, ich will gehorsam seyn. Das stimmt mit meinem Wunsche ein. So schwere dan: Jch als ein tapfrer Mann, Jch als ein tapfrer Mann, Will auf die Trommel schweren, Will auf die Trommel schweren, Daß ich will fechten treu Daß ich will fechten treu vors land und meinen herren. vors land und meinen herren. Jsts müglich, daß ich noch vor Schrecken stehen kan? Fürcht ihr euch vor den Spieß, halt halt, hier nehmt die Trommel an. Jch will, und kan ja nicht. Jhr müst und solt Sie tragen. (: hängt der Sabinen die Trommel an :) Ach höret doch, mein bitten und mein klagen! Nichts nichts, geht ins Qvartier hinein, Da solt ihr bald ganz andrer Meynung seyn. (: gehet ab mit den geworbenen bauren und der Sabine. Die Officiers so den bauren die [41v] exercitia gewiesen, weisen selbige in einem Tanze, und schließen damit den 2ten Actum. :)

Dritter Actus Das theatrum praesentiret den Vorhoff des ruinirten Schloßes Hohenwörde, von vorne, mit zugesperreten Thüren am hause, und zerschlagenen Thore.

1ster Auftritt Heinrich, und Wittekind, mit Soldaten. Aria Heinr.

Jch will Euch verbunden leben, Und verbleib Euch ewig zugethan. (Fine) Jhr habt mir die Freyheit geben, Da ich sonst den Kerker schaute an. d.c. Aria

Wittek.

Was von mir vor Euch geschehen,

444 Dis und mehr erfodert meine Pflicht. (Fine) Köntet ihr ins herz mir sehen, Fündet ihr weit mehreren bericht. d.c. [42r] Heinr.

Wittek. Heinr.

Wittek. Heinr.

Wittek. [42v]

Kaum hatte ich die reise angefangen, So ward ich gleich von Feinden angerant. Der Führer war mir unbekandt, Doch wie es schien, war dieses sein Verlangen, Daß man auf keine art mich solte kräncken, Dagegen zur gefangenschafft einschräncken. Nach ihren Willen ist es dismahl nicht geschehen. Da mir das Glücke ließ Euch und eur Volck nur sehen, So fast ich andren Muht, Obgleich der Feinde Wuht Schien ihren Schluß selbst zu bereuen. Jch hab das Glück, und kan mich freuen, Daß ich, mein Fürst, Euch der Gefahr entnommen. Ja ja, durch Euch bin ich dem Feind entkommen. Weil aber hier kein Feind sich läßet sehen, So wollen wir zum Schloße hinauf gehen, Und mein Gemahl aus Braunschweig zu Uns bitten, Um Jhr von dem, was wir erlitten, Die Nachricht zu ertheilen. [(: ] zu einen Soldaten :) Hier, ihr, eylt, eylt, ganz ohn verweylen. Und führt nach unsers herrn begehr Die Fürstin her. Jhr andern ihr versucht, ob jene thür sey offen? (: Jndem einige leute nach der thür gehen wollen, eröffnet sich selbige von selbsten :)

2ter Auftritt Lotharius. Lothar.

Ach was für Ungelück hat uns betroffen! Das Schloß ist ausgeraubt, und fast verstöhret, Und was das härteste, so Uns beschweret, Jst daß vom Feind, der Marggraf überfallen, Vielmehr von eigenen Vasallen, Die sich zuvor bey Jhm als Freunde angegeben; Und wie Er Jhnen hat erlaubt im Schloß zu leben, Hat ihre Wuht, im Schlaff bey dunckler Nacht, Verrähterisch Jhn meistens umgebracht. Der Kopff ist mit der Axt also gespalten, Daß Er unmüglich ist beym leben zu erhalten. (: Es eröffnet sich eine Thür zu einen Cabinet, worin man den Egbert auf einem bette [43r] mit verbundenen Kopffe liegen siehet, welher sich von seinen bedienten ins Vorzimmer heraus tragen läst :)

445 3ter Auftritt Egbert, hernach Gertrud. Egbert

Gertrud Heinr. Wittek. Gertrud Egbert [43v] Gertrud

Jst meine Schwester hier noch nicht vorhanden? Ach Schmerz! Ach Unglücks volle Nacht! Jedoch bald hab ichs überstanden; Schafft daß ich sey, nach Braunschweig hingebracht. Mein bruder ach! was muß ich sehen? Ach Schmerz! ich muß vor leyd vergehen! (: Sinket in eine Ohnmacht :) Wie mein Gemahl? Welh hartes Schrecken, Wolt ihr in dieser brust erwecken, Ermuntert eure Sinnen! Das bludt scheint seinen lauff gleich wieder zugewinnen. [(: ] halb erwachend :) Mein bruder, ach! verwundt! Ach! Schwester ach! lebt ihr doch nur gesund, Jch will ja gerne sterben! Jhr müst mein land, nach meinem Tode erben, Drum ändert eur betrüben, Damit der Unterthan nicht ganz verlaßen sey. Ach wort! du schneidest mir mein herz entzwey, Mein mehr als Schwesterliches lieben, Kan ohne Euch, allein, Nicht mehr beym leben seyn! Aria

Egbert [(: ] halb Todt :)

Liebste Schwester lebet woll! Mein Geist will den leib verlaßen, Und mein Aug und Mund erblaßen, Jch verlaß Euch Traurens voll, Liebste Schwester lebet woll! (: Egbert reicht den übrigen die hand, und stirbt hernach :)

Gertrud Ach halt! mein bruder, ach – – – Er ist verschieden, [(: ] weynend :) Wie ist mir, bin ich dan annoch im leben? Heinr. Jch bitte mein Gemahl, stelt Euch zu Frieden, Man kan ja nicht dem Schicksahl wiederstreben?

4ter Auftritt Ein Officier. [44r] Officier

Heinr.

Was seh ich, wie? mein Fürst erblaßt? Vor Schrecken Kan ich die Nachricht kaum entdecken. Man eyle gleich, man muß der Stadt zu hülffe ko@en, Der Feind hat schon Tanqvarderode eingenommen, Richensa, die Princeß, ist auch gefangen; Was hör’ ich, wie? man soll gleich hülff erlangen. Mein Wittekind, mein Graf, Euch laß ich Sorge tragen,

446

Wittek. und Lothar.

Heinr.

[44v] Gertrud

Wie jtz der Feind sey zu verjagen. Hat gleich des Feindes hand Uns und dem Vaterland Den Fürsten weggenommen, So soll es doch dahin nicht kommen, Wohin mit seiner list und Macht Er es zu bringen ist bedacht. (: gehen ab, mit dem Officier und Soldaten :) [(: ] zu Egberts bedienten :) Und ihr tragt diesen leib ins neue Stifft hinein. Wir wollen gleich, gleich bey Euch seyn. (: Egbert wird abgetragen :) Nun mein Gemahl, hemmt doch eur Klagen, Ach mein Gemahl! ich kan Euch nichts versagen, Allein gedenckt, ein treues brudern herz Jst mir entrißen; Um nun zu lindern solhen Schmerz Laß ich die Thränen fließen. Aria Thränet nur, ihr meine Augen, Jhr vermindert meinen Schmerz. (Fine) Thränet nur, ihr könt aussaugen, Was da qvälet dieses herz. d.c. (: gehen ab :)

5ter Auftritt Das theatrum praesentiret die burg Tanckqvarderode, nebst einer dahin führenden Gaße, in Braunschweig. Lotharius, Wittekind, nebst ihren Soldaten, und Braunschweig[ischen] bürgern, welhe mit Sturm-leitern und böcken versehen. Wittek. Lothar. [45r]

Wittek.

Wir wollen gleich den Sturm anfangen. Sie sind zu starck, wir werden nichts erlangen. So bald der bader wird das Feuerzeichen geben, Will ich mich gleich mit etlichen bestreben, Ganz unvermerckt, die Mauren zu ersteigen. Allein das Volck muß sich am Thor beständig zeigen Und da sein glücke machen. Jch merke schon die Sachen! Aria

Lothar. Wittek.

Durch kühnes Unterfangen, Soll dieses herz erlangen, Was ihm Vergnügen schafft. Durch tapfern Sturm und Kriegen, Gedenck ich zu besiegen, Den Feind und seine Krafft.

447 Lothar.

Wittek.

Jedoch das zeichen wird gegeben, Seht wie der brand sich häuffet. Jtz ist es Zeit, daß man zum waffen greiffet. Zum Sturm. Zum Sturm. Wer streiten kan, Der fechte, als ein rechter Mann, Und achte nichts sein leben! (: Unter der Sturm-Music steiget Lotharius mit einigen Soldaten über die Mauren, Wittekind [45v] aber bricht zu lez das thor ein, und secundiret also den Lotharium. [ :)]

6ter Auftritt Lotharius führet die Richensa aus dem Schloße heraus. Richensa

Lothar. Richens. Lothar.

[46r]

Richens.

Nun 2mahl habt Jhr mir die Freyheit wiedergeben Und aus gefangenschaftt befreyt mein leben, Sagt an den danck, den Jhr verlanget? Daß ihr ihn alsofort entfanget, Will ich die Sorge selbst bey meinen Eltern tragen. Princeß ist mir erlaubt, ein wort zu sagen?, Und was? Zum ersten mahl ists nur von ohngefehr geschehen, Daß ich das Glück gehabt, Euch frey zu sehen, Dis zweyte mahl hab ich gewagt mein leben, Um der Gefangenschafft Euch zu entheben. Dis hab ich mir zur Straffe auferleget Vor die Verwegenheit, Da ich vor kurzer zeit, Durch diesen Mund, Euch alle liebe aufgesaget, (: Es ist ein Fehl der mich zu Tode naget :) Da doch mein herz vor Euch, die reinste Treue heget. Darf ich nun einen danck ausbitten, So last den Fehl vergeßen seyn, Es ist von mir der Wollstand überschritten, Und dieses gehet mir, durch Adern Marck und bein. Mein Graf, wem ich die Treu einmahl geschworen, Das ändert nie mein herze nicht. Euch habe ich einmahl zu meiner lieb’ erkohren, Euch bin ich überdem verpflicht, Drum glaubt, ich stimme mit Euch ein, Der Fehl soll ewiglich vergeßen seyn. Ja zu den treusten Unterpfand, Entfangt aufs neue diese hand. Aria Diese brust hegt nichts als reine Treue, Dieses herz leydt keinen Unbestand! (Fine) Dieses ists, warum ich Euch verzeihe, Und mein herz sez wiederum in brand.

448 Aria Lothar.

Jch küße mein Glücke Und bin nun vergnügt. (Fine) Jndem mein Geschicke, Jst völlig besiegt.

[46v]

(: gehen beyde ab :)

7ter Auftritt M. Cordt in Soldaten-habit, mit einer langen Trauer-Mantel, den degen in der hand haltend. Cordt

O Weh! o Noht! Mein herr, der Marggraf Egbert todt! Die Mühle ist von Feinden ganz zerschlagen, Und den Soldaten-Stand, kan ich nicht mehr ertragen, Vor leyd werd ich gewiß bald ganz erstarren, Ach! ach! wann ich es recht bedenck’, so muß ich blarren. Aria Jch mag nun nicht länger leben, Es muß doch gestorben seyn. Dieser soll den rest mir geben, Und verkürzen meine Pein. Gute Nacht ihr Mädgen und ihr brüder, Gute Nacht, biß wir uns sehen wieder.

[47r]

Allein das ding thut weh, das kan ich auch nicht leyden, Nein nein! ich stecke dich in deine Scheiden; Noch eins, ich will an nichts, als Trauren nur gedencken, Und mich also zu Tode kräncken.

8ter Auftritt Sabina, als eine KlagMutter. Cordt

Sabin. Cordt Sabin. Cordt Sabin.

Allein, was muß ich sehen, Die leichen-Mutter komt auf mich zu gehen, Ach weh! nun ists um mich geschehen! Jch muß Sie doch befragen, Wer seyd ihr, und was wolt ihr hier vortragen? Jch bin der geist der kurz verstorbenen Sabinen, Und darum hier erschienen Dich mit ins Reich der Todten abzuführen. Ach – – weich – – von mir – ô Geist – – ich – laß – mich – nicht – anrühren. Man weiß schon, daß du dich, wilst selbst das leben nehmen, Drum solstu iz darzu dich gleich beqvemen. Ach – – nein – – es war – mein – Ernst – ja nicht. Jch habe es – – nur – – so – erdicht. Du bösewicht,

449 [47v]

Cordt

Sabin.

Vor das, was du mir angericht, Will ich nicht weiter Dich erschrecken; Doch solstu mir entdecken, Ob du dich wilt beqvemen, Zur Frauen mich zu nehmen? Durch mich kanstu zu Dienste wiederkommen. So lebstu noch? Nun wird mir alles zittern abgenommen! Ja ja! Ach ja! du solst mein Weibgen seyn. Allein – – Jns Todten-Reich mag ich noch gar nicht hin, Zum hochzeit-Schmauß – – das ist mein Sinn. Nur noch geduld, du solst es nicht bereuen, Daß du mich wilst nunmehro freyen. Aria

Cordt

[48r] Sabin. Cordt Sabin. Cordt beyde

Bin ich gleich nicht schön zu nennen, Triffstu doch was bey mir an, Das dir mancher wird mißgönnen, Ders so gut nicht haben kan. (Fine) Mich aus Nöhten zu erretten, Nehm ich dich, du liebes weib, Du bist gleich den Marjonetten, Die man braucht zum zeit vertreib. (Fine) Ach wie werd ich dich zu drücken. Ach wie werd ich an dich (von dir) rücken. Ach wie werd ich mich erfreun, Ach, mir wird der kauff (es nicht) gereun, Wann wir erst zusammen seyn. d.cap.

8ter Auftritt [= 9. Auftritt] Das theatrum praesentiret einen gewölbeten Trauer-Saal, in deßen ferne in einem Zimmer die leiche des Egberts auf einem Parade-bette stehet, vor welhen einige Klag-Weiber ihr betrübniß durch einem Tanz anzeigen, und sich hernach retiriren. Gertrud, und Heinrich in der Trauer. Gertrud Heinr. Gertrud Heinr.

Dis ist der ort, den niemand kan entweichen. Hier muß ein jeder der natur den Zoll darreichen. Hier leget sich die hoheit selbsten ab. Hier decket Sie ein schlechtes Grab. Aria

[48v] Gertrud

Nichts als schnöde Eitelkeiten, Jst der Schatz von unsern Zeiten Die wir auf der Welt gehabt. (Fine) Alle hoheit, alles Glücke, Tritt von Uns hier gleich zurücke, Weil das ganze Rund der Welt, Mit dem, was sie in sich hält, Jst mit Eitelkeit verkappt. d.c.

450 Heinr.

Gertrud

Um Uns in lande fest zu sezen, Muß man nach allen pläzen, So gleich den treuen Wittekind absenden, Daß Sie sich Jhm durch einem Eyd verpfänden Uns stets getreu zu leben. Jaja! man kan ihn schon die Vollmacht geben!

9ter Auftritt [= 10. Auftritt] Wittekind. Wittek. [49r]

Gertrud Heinr. Gertrud Wittek.

Durchlauchtigste, Eur Braunschweig ist befreyet, Tanqvarderod’ auh wieder eingenommen, Der Feind geschlagen und zerstreuet. Ein kleiner rest ist zwar entkommen, Doch hat Er gleich das land verlaßen, Man kan nun wiederum in guter Ruhe seyn! Vor Euch kan ich nicht dancks genug abfaßen!, Jch will sein herz zur danckbahrkeit erfreun, Richensa ist des Wittekindens braudt; Mein Kind, mein land, sey Euch vertraut. Jsts müglich, daß ich kan, die Freud’ ausdrücken, Mit welher man mich will beglücken! Kan ich dan gleich den danck nicht nach gebühr ablegen, So wird dis herz sich stets dahin bewegen, Daß es befehl, und dero Willen Jn allen mag erfüllen. Aria Dieses herz und diese Sinnen, Diese brust, all mein beginnen, Jst zu dero dienst bereit. (Fine) Wo ich kan zu willen leben, Werd ich höchstens mich bestreben, Krafft der schuld’gen danckbahrkeit. d.c.

[49v]

10ter Auftritt [= 11. Auftritt] M. Cordt und Sabina. Cordt

Sabin.

Wann Sie, Durchlauchtigste, nicht huldreich mich ansehen, So ists um mich geschehen. Mein herr ist todt, und ganz gestorben, Dadurch bin ich gleichfals verdorben, Daß wann Sabina hier nicht noch barmherzigkeit Mir wiederfahren laßen, So hätte ich vor großen leyd Auch müßen schon erblaßen. Wann nur die herrschafft will Jhn mir zum Manne geben, Nebst einem dienst bey hoff; so werd ich mich bestreben, Jhn in der hof-manier zu unterrichten,

451

[50r] Heinr. Gertrud Cordt Sabin.

Daß Er in guten Züchten Dem Ämtgen soll recht woll vorstehen. Jch laße es geschehen, Jhr solt versorget seyn. Jch stimme gleichfals ein. Jch dancke sehr. – – Wir sind ein Paar, Und übers Jahr – – – Ey nein, nichts nichts, fürwahr.

11ter Auftritt [= 12. Auftritt] Richensa, Lotharius. Lothar. vor sich Gertrud Heinr. zu Lothar. zu Richensa [50v] Lothar. Richens. Gertrud

Nehmt hin von meinen händen Die ich das Glück gehabt, nun zweymahl zu entwenden, Dem Feind und seinen Wühten. (: Jch hoffe, daß mein thun, und die meriten Sie zur Erkäntlichkeit Schon soll bewegen! :) Mein Graf, wir sind bereit Den grösten Ruhm davor Euch bey zu legen. Kan man von Unsrer Seit Euch wieder dienen, So solls mit gröster lust geschehn. Mein Kind die zeit ist bald erschienen, Daß Jhr Euch solt vermählet sehn. Reicht hin die hand Dem edlen Wittekind, zum liebes-Unterpfand. (: Jch möchte vor verdruß erkalten :) (: Und ich vor Schmerzen untergehn :) So bald dem Egbert ist ein prächtger leichen dienst gehalten, Soll das Vermählungs-Fest geschehn.

12ter Auftritt [= 13. Auftritt] Des Egberts unsichtbahrer Geist. Geist

Gertrud Heinr.

Richens. Heinr.

Nein! spart den allzu großen pracht! Jn diesem Stifft, beym Altar will ich liegen, Das Grab soll seyn verschwiegen, Weil meinem cörper noch der Feind nachtracht. Was Furcht, welh hefftig Schrecken, Will diese Stimm in mir erwecken? Man muß dem Geist zu willen leben! Und ihr Princeß, mein einzig Kind, Solt itz dem Wittekind Die hand zur Gegenliebe geben. Mein Vater, und mein Fürst, will man mich zwingen, Und Wittkind mit Gewalt mir zum Gemahl aufdringen? Des landes Nuzen will es soll also geschehen.

452 [51r]

13ter Auftritt [= 14. Auftritt]

Eine prächtige Machine, worin das fatum verdecket sizet, öffnet sich mit einem starken Knall. Arioso Fatum

[51v]

„Sehr selten kan der Mensch, denselben völlig sehen!, „Darum soll hier es so ergehen, „Wie es von himmel ist beschloßen: „Richensa und Lothar, die sorgen vor die Sproßen, „Wodurch dis land sein Glück wird haben. „Und ob ihr herz sich nur kan laben, „An einem Kind, das man Princeßin nennet, „So wird durch Jhr das land, dem hause doch gegönnet, „Das würdig ist es zu besizen, „Und es mit seiner Macht kan unterstüzen; „Das tapfre Gvelphen-hauß, wird es zum herren haben. „Des Wittekinds Geschlecht wird seyn gar bald begraben. „Des Egberts Grab nicht stets verborgen bleibet, „Wann einst Rudolph August, und Anthon Ulrichs-hand den [Zepter führt, „Wird es von ohngefehr gespürt, „Und Gertruds-Grufft in Braunschweig einverleibet. „Der himmel selbst hat es also bedacht, „Drum woll! Wanns auch von Euch wird vollenbracht. Aria Was der himmel hat beschloßen, Muß geschehn, Ob wirs gleich nicht gerne sehn. (Fine) Drum nur willig unverdroßen, Alle last Zu den tragen aufgefast. d.c.

Gertrud Heinr. Richens. Heinr. Lothar. Gertrud/ Heinr.

Welch wunder muß ich hören! Man muß den Schluß, durch den Gehorsam ehren! Princeß, wolt ihr den Grafen dan umfangen? Dis ist mein einziges Verlangen. Mein Graf, und was sagt ihr darzu? Dis herz findt dadurch seine Ruh. Der himmel mag den reichsten Seegen, Auf dis Verbündniß legen. Aria à 2

Lothar. Richens. beyde

Nun schwinden meine leyden, Nun blühen meine Freuden Aus/Jn dieser getreuen brust. (Fine) Es ist jez unsern herzen, Nichts als ein sanfftes Scherzen, Und keine Qvall mehr bewust. d.c.

453 [52r] Heinr. Wittek. Fatum

Jedoch mein Wittekind, was kan man Euch nun geben? Dem Schicksahl muß man niemals wiederstreben. „Daß alles leyd nun sey verschwunden, „Richensa und Lothar beglückt verbunden, „Daß land von Feinden frey, „Und so des landes best’ und Glück befördert sey; „So nehmet dis zu einen Zeichen, „Es soll die Trauer hier zurücke weichen, „Und sich in einen Freuden-ort verkehren, „Wo nichts als lust und Glückwünschung zu hören. (: der Trauer-Saal verschwindet plözlich, und erscheinet ein angenehmes Freuden-Zimmer: bey dem fato läst sich ein prächtiges Gewölcke herunter, so mit Geniis angefüllet, welhe folgenden Chor mit ihrer eigenen Music anfangen :)

[52v]

Chor von den Geniis Lothar und der Gvelphen-hauß Blüh in steten Seegen.

Fatum Wittek. Gertrud Heinr.

„Der himmel gieß auf solhes aus, „Was nichts als Freude kan erregen. „Es blühe das Geschlecht nicht eher aus, „Biß unser Oker-Strohm aufhöhrt sich zubewegen. „Es schlage selbiges in solhe Sproßen aus, „Die vor die Kronen auch den schönsten Wachsthum hegen. „Es breite seinen Ruhm nach Nord- und Westen aus, „Ob schon die Neider sich dagegen legen. Chor von den Geniis Lothar und der Gvelphen-hauß Blüh in steten Seegen. Chor der übrigen Personen

[53r]

Ja! es blühe nimmer aus! Blüh auf allen Wegen. Blüh an hoheit, blüh an Glücke, Blühe troz der Neider Tücke, Blüh an Ehre, blüh an Ruhm, Blüh an grauen Alterthum, Blühe an Gesundheits-Tagen, Blühe ohne Trauer-Klagen, Blüh an Wollseyn nimmer aus, Blühe allerwegen, Lothar und der Gvelphen-hauß Blüh in steten Seegen. *** Ludwig Rudolphs-hohes hauß, Blüh in steten Seegen,

454 [53v]

Ja! es blühe nimmer aus, Blüh auf allen Wegen. Blüh an hoheit, blüh an Glücke, Blühe troz der Neider-Tücke, Blüh an Ehre, blüh an Ruhm, Blüh an grauen Alterthum, Blühe an Gesundheits-Tagen, Blühe ohne Trauer-Klagen, Blüh an Wollseyn nimmer aus, Blühe allerwegen, Ludwig Rudolphs-hohes hauß Blüh in steten Seegen. Dieses wünschet in tieffster devotion, Jhro hochFürst[lichen] Durch[laucht] unterthänigster Knecht Beims.

Bibliographie Aufgeführt werden Titel, auf die im Text ausdrücklich verwiesen oder aus denen zitiert wird. In der Rubrik ,Quellenschriften‘ sind alle Texte verzeichnet, die aus der Zeit vor 1800 datieren (einschließlich ihrer Editionen). Alle jüngeren Titel und insbesondere Sekundärtexte erscheinen unter ,Forschungsliteratur‘. Kürzungen umfangreicher (älterer) Titel sind durch [...] angezeigt.

Abkürzungen AA I

ADB AfK BLVS DVjs DWb JOWG LexMA MGG 2

MGG

MGH NdsJb PBB 2 VL

Leibniz, Gottfried Wilhelm, Sämtliche Schriften und Briefe, hg. v. d. Preußischen (später Deutschen, zuletzt Berlin-Brandenburgischen) Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Erste Reihe: Allgemeiner politischer und historischer Briefwechsel, Darmstadt, (später) Leipzig, (zuletzt) Berlin 1923ff. Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Commission bei der Kgl. [Bayer.] Akademie der Wissenschaften, 56 Bde, Leipzig 1875–1912. Archiv für Kulturgeschichte. Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart. Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde in 32 Teilbden, Leipzig 1854–1960. Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft. Lexikon des Mittelalters, 9 Bde, München u. Zürich 1980–1998. Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes hg. v. Friedrich Blume, 17 Bde, Kassel u. Basel 1949–1986. Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik begründet v. Friedrich Blume. Zweite, neubearbeitete Ausgabe hg. v. Ludwig Finscher, 26 Bde in zwei Teilen (Personen- u. Sachteil), Kassel [usw.] 1994ff. Monumenta Germaniae Historica. Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet v. Wolfgang Stammler, fortgeführt v. Karl Langosch. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hg. v. Kurt Ruh (ab Bd. 9 hg. v. Burghart Wachinger) u. a., 11 Bde, Berlin u. New York 1978–2004.

Bibliothekssiglen (RISM) A-Wn D-B D-Dl D-Gs

Österreichische Nationalbibliothek Wien Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

456 D-GRu D-Hs D-HVl D-Mbs D-Sa D-SWl D-W D-Wa GB-Lbl I-Fn I-Vnm PL-Kj

1

Universitätsbibliothek Greifswald Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky Hamburg Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek Hannover Bayerische Staatsbibliothek München Hauptstaatsarchiv Stuttgart Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel British Library London Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze Biblioteca Nazionale Marciana Venezia Biblioteka JagielloĔska Kraków

Quellen

1.1 Archivalische Quellen D-Wa, 1 Alt 23, Nr. 147.

1.2 Libretti Sammlungen Die Hamburger Oper. Eine Sammlung von Texten der Hamburger Oper aus der Zeit 1678– 1730. Hg. v. Reinhart Meyer, 4 Bde, München 1980 (Bde 1–3), Millwood 1984 (Bd. 4). I libretti italiani di Georg Friedrich Händel e le loro fonti, Bd. 1 (in zwei Teilen: 1.1.: I testi händeliani, 1.2.: Note ai testi e fonti): Da ,Vincer se stesso è la maggior vittoria‘ (1707) a ,L’Elpidia, overo Li rivali renerosi‘ (1725), hg. v. Lorenzo Bianconi, Firenze 1992 (Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 26). The librettos of Handel’s operas. A collection of seventy-one librettos documenting Handel’s operatic career, 13 Bde, hg. v. Ellen T. Harris, New York u. London 1989. Zeno, Apostolo, Poesie drammatiche, 10 Bde, Venedig 1744.

Einzeltexte (alphabetische Ordnung der Titel ohne Berücksichtigung des Artikels; Werktitel einheitlich in Kapitälchen) L’ADELAIDE Drama per Musica, Da Rappresentarsi nel Teatro Vendramino à San Saluatore. L’Anno M.DC.LXXII. Consacrato All’ Altezza Sereniss. Del Prencipe Gio. Federico Duca di Bransuich, Luneburgo, &c. (D-W, Textb. Sammelbd 14 [2]). ADELAIDE Primo Drama Per Musica Da Rappresentarsi Alle Augustissime Nozze De Serenissimi Sposi Carlo Alberto Principe Elettorale Di Baviera &c.&c. E Maria Amalia Arciduchessa D’Austria &c. &c. L’Anno MDCCXXII. (D-Mbs, Bavar. 4015, I, 3). ADELHEID, In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1727 (D-Hs, 267 in MS 639/3:18).

457 Als Der Aller-Durchlauchtigste / Großm chtigste und Un(berwindlichste Leopoldus, Erwehlter Rmischer K yser zu allen Zeiten Mehrer des Reichs &c.&c &c. Hoher NahmensTag / einfiele: Anno 1701. den 15. November. Wurde derselbe auf dem Hamburgischen Theatro, mit der neuen Opera, PHILIPPUS, HERTZOG ZU MAYLAND: Aller unterth nigst gefeyret (D-Hs, 34 in MS 640/3:3). L’ANARCHIA DELL’IMPERIO Drama per Mvsica Da rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Vendramino à S. Saluatore. L’Anno M.DC.LXXXIV. Di Tomaso Stanzani. Consacrata All’Illustriss. & Eccell. Sig. Carlo Contarini Fù dell’Illustriss. & Eccell. Sig. Andrea K. e Procur. di S. Marco (I-Vnm, Dramm. 956.5). BRETISLAUS, ODER DIE SIEGENDE BEST NDIGKEIT Auf die Hchst-gl(ckliche Verbindung Seiner Knigl. Hoheit / Des Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Herrn Carl Friederich Erben zu Norwegen / Hertzogen zu Schleßwig / Holstein &c. &c. &c. Mit Der Durchlauchtigsten Rußischen Kayserlichen Prinzeßin Anna Petrowna An Deroselben Hohen Geburhts-Feste Den 27.Jan./7.Febr. Anno 1725. In einem Sing-Spiele / Nebst einer Illumination und einem Feuer-Wercke Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet (D-Hs, 249 in MS 639/3:17). CARLO MAGNO Festa Teatrale In Occasione Della Nascita Del Delfino Offerta alle Sacre Reali Maestà Cristianissime Del Re, E Regina Di Francia Dal Cardinale Otthoboni Protettore Degl’Affari della Corona, In Roma, 1729 (I-Fn, Nencini F. 9. 3. 15). CLEOPATRA. Sing-Spiel / Auf dem grossen Braunschweigischen Schauplatze vorzustellen / im Jahr 1691. Dem Durchleuchtigen Prinzen / Herrn Ludwig Rudolfen / Hertzogen zu Braunschweig und L(neburg; wie auch der gleichfalls Durchleuchtigen Prinzeßin / Frauen Christinen Louisen / Verm hlter Hertzogin zu Braunschw. L(neb. gebohrner F(rstin zu Oettingen / unterth nigst gewidmet von Friderich Christian Bressand (D-W, Textb. 397). DESIDERIUS, KNIG DER LONGOBARDEN / Musicalisches Schauspiel / An dem frohen Gebuhrts-Tage Des Allerdurchlauchtigsten / Großm chtigsten Un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn Josephi, Erwehlten Rmischen K ysers / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs etc.etc.etc. Zu allerunterth nigster Freuden-Bezeugung Auf dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet / Im Jahr 1709. den 26. Julii (D-Hs, 128 in MS 639/3:8). EVROPE, Pastorale heroiqve, ornée de Musique, de Dances, de Machines, et de Changemens de Theâtre: & Representée Au Château de Cell, Deuant Leurs Altesses Serenissimes, Le … de Januier M.DC.LXXXIX. (D-W, Textb. 180). Friedens Sieg. Ein Freudenspiel von Justus Georg Schottelius. 1648. Hg. v. Friedrich E. Koldewey, Halle a. S. 1900 (Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts 175). Gantz kurtzer Bericht und Inhalt der Historie Von Hertzog Henrich dem Lwen / Und der OPERA Worinn Er wird f(rgestellet Zu Hannover / Anno 1689. (D-W, Textb. 358). HEINRICH DER LWE / In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro In der Sommer-Messe Anno 1729 (D-HVl, Stück 3 in C 10344:2). HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / ERSTER RMISCHER K YSER / ZWEYTER THEIL / In einem Singe-Spiele Auf dem grossen Braunschweig. Theatro in der Lichtmessen-Messe im Jahr 1721. vorgestellet / Und Dem Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Hrn. Ludewig Rudolphen / Hertzogen zu Braunschweig und L(neburg etc. Wie auch Der Durchlauchtigsten F(rstin und Frauen / Frn. Christinen Louisen / Verm hlter Hertzogin zu Braunschweig und L(neburg / gebohrner F(rstin von Oettingen etc. unterth nigst gewidmet Von dem Verfasser (D-W, Textb. Sammelbd 9 [8]). HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / NACHMAHLS ERWEHLTER TEUTSCHER K YSER / In einem Singe-Spiele Im Jahre 1718. auf dem grossen Braunschweig. Schau-Platze vorgestellt / Und Dem Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Herrn August Wilhelm / Regierenden Hertzoge zu Braunschw. u. L(neb. Wie auch Der gleichfalls Durchlauchtigsten F(rstin und Frauen / Frauen Elisabetha Sophia Maria / Verm hlter Hertzogin zu Braunschweig und L(neburg / gebohrner Hertzogin zu Holstein etc. unterth nigst gewidmet von Johann Ulrich Knig (D-W, Textb. Sammelbd 9 [1]).

458 HEINRICH DER VOGLER / HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG / NACHMAHLS ERWEHLTER TEUTSCHER KAYSER / In einem Singe-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1719 (D-Hs, 162 in MS 639/3:10). HENRICH DER LWE In einer Opera, nebst einem Epilogo und Feuerwerck / Zu Ehren Der Aller-Durchlauchtigsten / Großm chtigsten F(rstin und Frauen / Fn. Elisabeth Christinen, Rmischen K yserin / in Germanien / zu Castilien / Leon / Arragon / beyder Sicilien / Jerusalem / Hungarn / Boheimb / Dalmatien / Croatien / Sclavonien / Navarra / Granada / [...] der Ost- und West-Indien / der Insuln und festen Landes des Oceanischen Meeres / Knigin / Ertz-Hertzogin zu Oesterreich / Hertzogin zu Burgund / Braband / Meyland / Steyer / K rnten / Kr yn / Lutzenburg / Würtenberg / Ober- und Nieder-Schlesien / F(rstin zu Schwaben / [...] Gebohrner Hertzogin zu Braunschweig und L(neburg Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro Allerunterth nigst vorgestellet In der Braunschweigischen Lichtmeß-Messe 1716 (D-W, Textb. 541). HENRICO LEONE, Dramma dà recitarsi per l’anno MDCLXXXIX. Nel nuovo Theatro D’Hannover (D-W, Textb. 303). HENRICUS AUCEPS In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro, Und Dem Durchlauchtigsten Hertzog und Herrn / Herrn August Wilhelm / Regierenden Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg / etc. unterthänigst gewidmet [1726] (D-HVl, Op. 1,19). HERTZOG HENRICH DER LWE / In einem Sing-Spiel Auff dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet [1696] (D-Hs, 70 in MS 639/3:5). HERTZOG HENRICH DER LWE / In einem Hoch-Teutschen Singe-Spiel Mit Großg. Erlaubnus Eines Hoch-Edlen Raths Der deß Heiligen Rm. Reichs Freyen Stadt Augspurg aufgef(hret Anno 1698 (D-GRu, Bm 227). HERTZOG HENRICH DER LWE / In einem Sing-Spiel Auf dem Braunschweigischen SchauPlatz vorgestellet [1699] (D-W, Textb. 135). DAS HCHST-PREIßLICHE CRNUNGS-FEST Ihr. Knigl. Mayst. in Preussen / Und Ih. Churfl. Durchl. zu Brandenburg / wurde mit einem Ballet und Feuerwerck Allerunterth nigst verehret auff dem Hamburgischen Schau-Platz [1701] (D-Hs, 87 in MS 639/3:6). L’INNOCENZA DIFESA Drama per Musica Con Prologo Da Rappresentarsi Al Teatro Ducal Di Wolfenbuttel Festeggiandosi Il Nome Gloriosissimo Della Sac. Ces. E Catt. Real Maestà Di Elisabeta Cristina Imperadrice Regnante DIE BESCH(TZTE UNSCHULD In einer Opera Nebst einem Prologo vorgestellet Auf dem Hoch-F(rstl. Theatro zu Wolfenb(ttel [...] [1722?] (D-W, Textb. 685). L’INNOCENZA DIFESA Drama Per Musica Da Rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro Di Brunsviga Nella Fiera D’Estate L’Anno 1731. DIE VERTHEIDIGTE UNSCHULD In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro In der Sommer-Messe 1731 (D-W, Textb. 91). ISACIO TIRANNO Drama per Musica Da Rappresentarsi nel Famosissimo Teatro Grimani di San Gio. Grisostomo L’Autunno dell’Anno 1710. Consacrato All’Altezza Serenissima di Giovanni Prencipe del S.R.I. di Mindelheim, Duca di Marlborough […] Ambasciadore Straordinario, e Plenipotentiario della detta Regina Britanica, appresso gli Stati Generali delle Provincie unite, e Generale delle Armate Confederate, &c. (I-Vnm, Dramm. 1207.9). JUDITH, GEMAHLIN K YSER LUDEWIGS DES FROMMEN; ODER DIE SIEGENDE UNSCHULD, In einer Opera Auf Dem Hamburgischen Schau-Platze Ao. 1732. vorgestellet (D-Hs, 99b in MS 640/3:9). Kurzer Inhalt aller Auftritte aus der Itali nischen OPERA ORLANDO Oder ROLAND genandt. Im Jahr 1698 (D-HVl, Op. 1,62). DIE LAST-TRAGENDE LIEBE / ODER EMMA UND EGINHARD, in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze Anno 1728. aufgef(hret (D-Hs, 88 in MS 640/3:8). LUDOVICUS PIUS ODER LUDEWIG DER FROMME In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro In der Winter-Messe 1726 (D-W, Textb. 515).

459 MAGNUS TORQUATUS ODER MAGNUS MIT DER SILBERNEN KETTE HERTZOG ZU BRAUNSCHWEIG UND L(NEBURG In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro in der Winter-Messe 1730 (D-W, Textb. 695). MAGNUS TORQUATUS ODER MAGNUS MIT DER SILBERNEN KETTE / HERZOG ZU BRAUNSCHWEIG UND L(NEBURG In einer Opera vorgestellet auf dem grossen Braunschweigischen Theatro. In der Winter-Messe 1739 (D-HVl, Op. 1,172). MECHTILDE. Zu Ehren Der Durchleucht. F(rstin und Frauen / Frauen / Johanna Elisabetha. Herzogin zu W(rtemberg und Teck / Gr fin zu Mmpelgart / Frauen zu Heydenheim / etc. Gebohrner Marggr fin zu Baaden Durlach / etc. etc. Und dann Der Durchleucht. F(rstin und Princessin / Princessin Eberhardina Ludovica, Herzogin zu W(rtemberg und Teck [...] Als Dero Beyder Hochf(rstl. Geburts-Fest / Den 11. Octobris 1701. auf einen Tag hchstfeyrlich celebrirt wurde (D-Sa, A 21 Bü 635). DER MIßLUNGENE BRAUT-WECHSEL / ODER RICHARDUS I. KNIG VON ENGLAND / in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze f(rgestellet. Anno 1729 (D-Hs, 273 in MS 639/3:19). MISTEVOJUS, In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet Im Jahr 1726 (D-Hs, 259 in MS 639/3:18). DIE OESTERREICHISCHE GROßMUTH / ODER: CAROLUS V. Auf das Hchsterfreulichste Crnungs-Fest Des Aller-Durchlauchtigsten / Großm chtigsten / un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn Caroli VI. Erw hlten Rmischen K ysers / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn und Bheim Knigs / &c. &c. &c. Zu allerunterth nigster Freuden-Bezeugung / in einem Musicalischen Schauspiele auf dem grossen Hamburgischen Theatro vorgestellet / am Tage Caroli. MDCCXII (D-Hs, 137 in MS 639/3:8). DIE OESTERREICHISCHE GROßMUTH / ODER: CAROLUS V. Vermittelst eines Prologi Abermahl Dem Aller-Durchlauchtigsten / Großm chtigsten / un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn CAROLO VI. Erwehltem Rmischen K yser / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn und Bheim Knig &c.&c.&c. An Dero hohem Geburts-Feste unterth nigst gewidmet / Und in einem Sing-Spiele auf den Hamburgischen Schau-Platz gebracht am 1. Octobris, 1714 (D-HVl, Op. 2,24). OPERA COMICA, GENANT EGBERT UND LOTHARIUS. 1728. B. (D-W, Textb. 791). ORLANDO GENEROSO. Drama per il Theatro d’Hannover MDCXCI (D-W, Textb. 319). OTTO, in einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet Im Jahr 1726 (D-Hs, 252 in MS 639/3:17). OTTONE. Tragedia Per Musica Fatta Da rappresentarsi nel Teatro di S. Gio. Grisostomo. L’Anno M.DC.XCIV. Dedicata A Sva Altezza Serenissima Elettorale Ernesto Avgvsto Duca di Bronsuich, e Lunebourg &c. Elettore del S.R.I. (I-Vnm, Dramm. 974.1). OTTONE. Tragedia Per Musica, Da rappresentarsi nel Teatro di Braunsveig, L’Anno M.DC.XCVII. OTTO, Sing-Spiel F(r das Braunschweigische Theatrum. Im Jahr 1697 (DHVl, Op. 1,59). OTTONE, RE DI GERMANIA. Drama. Da Rappresentarsi Nel Regio Teatro d’Hay-Market, Per La Reale Accademia di Musica [1723], Faksimile-Nachdruck in: The librettos of Handel’s operas, Bd. 3. OTTONE RE DI GERMANIA, Drama per Musica da rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’Estate l’anno 1723. OTTO KNIG IN TEUTSCHLAND In einer Opera vorgestellet auff dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Sommer-Messe 1723 (D-HVl, Op. 1,103). OTTONE RE DI GERMANIA, Drama per Musica da rappresentarsi Sul Famosissimo Teatro di Brunsviga Nella fiera d’Inverno l’anno 1725. OTTO KNIG IN TEUTSCHLAND In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Winter-Messe 1725 (D-W, Textb. 218). RICCARDO I. / RE D’INGHILTERRA. Melo-Drama. Per La Reale Accademia di Musica. Londra Sold at the King’s Theatre in the Haymarket. 1727 (GB-Lbl, 11714.b.10.[1.]).

460 RICHARDUS GENANNT DAS LWEN-HERZ / KNIG IN ENGELLAND / In einer Opera vorgestellet Auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro In der Winter-Messe 1729 (D-W, Textb. 216). IL RITORNO DI GIULIO CESARE VINCITORE DELLA MAURITANIA. Festa per Musica Nel Felicissimo Ritorno Della S. R. M[aestà] Di Givseppe I. Rè de’ Romani Dal Conquisto Dell’ importantiss:ma Piazza di Landau. L’anno 1704. (D-Dl, MT. 2546, misc. 2). RUDOLPHUS HABSPURGICUS, In einer Opera vorgestellet Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro, Und Ihro Rm. Kayserl. Majest. Majest. Dem Allerdurchlauchtigsten / Großm chtigsten und Un(berwindlichsten F(rsten und Herrn / Herrn Carl dem Sechsten / Erw hlten Rmischen Kayser / zu allen Zeiten Mehrern des Reichs / in Germanien / Hispanien / Hungarn / Boheim / Dalmatien / Croatien und Sclavonien / etc. etc. Knige / Ertz-Hertzogen zu Oesterreich / Hertzogen zu Burgund / Steyer / C rnthen / Crayn und W(rtemberg / Grafen zu Tyrol / etc. etc. Meinem allergn digsten Kayser und Herrn / Wie auch Der Allerdurchlauchtigsten / Großm chtigsten F(rstin und Frauen / Frauen Elisabeth Christinen / Rmischen Kayserin / [...] Gebohrnen Hertzogin zu Braunschw. und L(neb. Meiner allergn digsten Kayserin und Frauen / allerunterth nigst gewidmet [1723] (D-HVl, Op. 1,105). DIE SIEGENDE GROßMUTH Zu Ehren dem Durchl uchtigsten und Großm chtigsten F(rsten und Herrn Herrn Ernest-August / Herzogen zu Braunsweig und L(neburg des H. Rmischen Reichs Churf(rsten und Bischoffen zu Osnabrug Auf Sr. Churf(rstl. Durchl. Erhhung zur neuen und neundten Churw(rde in einem Singspiel vorgestellet Von Joachim Meiern Prof. P. in Sr. Churf(rstl. Durchl. Gymnasio zu Gttingen [1693] (D-Gs, 8 P DRAM. III,1641). STRTEBECKER UND JDGE MICHAELS Erster Theil / vorgestellet In einen Singe-Spiel auff dem Hamburgischen Schau-Platz [1701] (D-Hs, 88 in MS 639/3:6). STRTEBECKER UND JDGE MICHAELS / Zweyter Theil / Vorgestellet. In einem Singe-Spiel Auf dem Hamburgischen Schau-Platz [1701] (D-Hs, 89 in MS 639/3:6). DER TAPFFERE KAYSER CAROLUS MAGNUS, UND DESSEN ERSTE GEMAHLIN HERMINGARDIS In einem Sing-Spiel vorgestellet [1692] (D-Hs, 21 in MS 640/3:2). TEMPEL DER TUGEND UND EHRE / an dem Hchst-Feyerlichen Geburts-Tage Des Durchleuchtigsten F(rsten und Herrn / Herrn Anthon Ulrichs / Herzogens zu Braunschweigs und L(neburg / etc. als S. Hoch-F(rstl. Durchl. Das vier und sechszigste Jahr Dero HochFürstl. Alters zur(ck legeten / Den 4. Octobr. MDCXCVII. vermittelst eines Ballets Auf dem F(rstlichen Schlosse zu Wolffenb(ttel erffnet und dargestellet. Nebst angehengter / folgenden tags gehaltener / Wirtschafft der VII. Planeten (D-W, Textb. 66). TEOFANE Dramma Per Musica rappresentato Nel Regio Elettoral Teatro di Dresda In Occasione Delle felicissime Nozze De’ Serenissimi Principi Federico Augusto, Principe Reale di Pollonia, & Elettorale di Sassonia, e Maria Gioseffa, Arciduchessa d’Austria. THEOPHANE Opera representé sur le Theatre Royal & Electoral de Dresde à l’occasion du Mariage De L.L. A.A. R.R. Frederic Auguste, Prince Royal de Pologne, & Electoral de Saxe, & Marie Josephe, Archiduchesse d’Austriche [1719] (D-Dl, MT. 1401 Rara). THASSILO diese Opera wurde nicht gespielet. Die Poesie hatte M.sr Nohtnagel geschr[ieben] Anno 1701 (A-Wn, Cod. 13867). DIE VERSTRTE IRMENSEUL / ODER DAS BEKEHRTE SACHSEN-LAND / Bey Hchst-erfreulicher Wiederkunfft Des Durchlauchtigsten F(rsten und Herrn / Hrn. Ludewig Rudolphs Hertzogen zu Braunschw. und L(neb. Und Dero Durchlauchtigsten Frau Gemahlin / Fr. Christinen Louisen Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / Gebohrner F(rstin zu Oettingen / In dero Residence Blanckenburg / Aus devotester Freuden-Bezeigung Auff dem Blanckenburgischen Theatro unterth nigst vorgestellet / von hiesiger Schul-Jugend (D-W, Textb. Sammelbd 8 [5]). VICTOR HERTZOG DER NORMANNEN Opera [1702] (D-Hs, 96 in MS 639/3:6).

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1.3 Partituren und Ariensammlungen Manuskripte Aria ex opera Heinrich di Mons. Schührman, in: D-Hs, ND VI 81g: 11, S. 85f. Aries dell’Opera Henricus Auceps, in: D-B, Mus. ms. 30227, fol. 95v–115r. Aus der Opera Henricus auceps von Schürmann, in: D-B, Mus. ms. 30274, fol. 68r–84v. Händel, Georg Friedrich, Riccardo primo, Re d’Inghilterra. Direktionspartitur: D-Hs, M A/1045. Keiser, Reinhard, Desiderius / König der Longobarden (Desiderius eine Oper von Reinhard Keiser in eigenhändiger Partitur, aus Pölchaus Bibliothek): PL-Kj, Mus. ms. autogr. /b.s./, Inw. nr. 5994. Keiser, Reinhard, Heraclius: PL-Kj, Mus. ms. autogr. /b.s./, Inw. nr. 5993. Steffani, Agostino, Henrico Leone. Hannouera 1688: GB-Lbl, R.M. 23.h.7–9 (Autograph). Steffani, Agostino, Ein comisch Drama [= Steffani, Agostino/Schürmann, Georg Caspar (?), Henrich der Lwe, Braunschweig 1716]: D-SWl, Mus 5261.

Editionen Händel, Georg Friedrich, Riccardo primo, Re d’Inghilterra. Opera in tre atti HWV 23. Hg. v. Terence Best, Kassel [usw.] 2005 (Hallische Händel-Ausgabe II/20). Keiser, Reinhard, Desiderius, König der Longobarden. Hg. v. Hansjörg Drauschke, Beeskow 2005. Steffani, Agostino, Tassilone. Tragedia per Musica (in 5 atti) Rappresentata alla Corte Elettorale Palatina l’anno 1709. Text: Stefano Benedetto Pallavicini (1672–1742), Musik: Agostino Steffani (1654–1728). Hg. v. Gerhard Croll, Düsseldorf 1958 (Denkmäler rheinischer Musik 8). Telemann, Georg Philipp, Die Last-tragende Liebe oder Emma und Eginhard. Singspiel in drei Akten nach einem Libretto von Christoph Gottlieb Wend TWV 21:25. Hg. v. Wolfgang Hirschmann, Kassel [usw.] 2000 (Georg Philipp Telemann, Musikalische Werke 37).

1.4 Quellenschriften Allacci, Lione, Drammaturgia di Lione Allacci accresciuta e continuata fino all’anno 1755, Venezia 1755 (Nachdruck Turin 1961). Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Werke: Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und in Verbindung mit HansHenrik Krummacher hg. v. Rolf Tarot, Bd. I u. II: Bühnendichtungen. Unter Mitwirkung von Maria Munding und Julie Meyer hg. u. eingel. v. Blake Lee Spahr, Stuttgart 1982– 1985 (BLVS 303/304, 309/310). Aurelius Augustinus, Der Gottesstaat. De civitate Dei, 2 Bde, hg. v. Carl Johann Perl, Paderborn [usw.] 1979. Becker, Heinz (Hg.), Quellentexte zur Konzeption der europäischen Oper im 17. Jahrhundert, Kassel [usw.] 1981 (Musikwissenschaftliche Arbeiten 27). Beims, Johann Ernst, Tabulae Chronologicae, Oder Teutsche Chronologische Tabellen, Von Anfang der Welt / Bis Auf das jetzt-lauffende Jahr / [...], Braunschweig 1725. Bodin, Jean, Methodus ad facilem historiarum cognitionem, Paris 1566. Braunschweigische Reimchronik, hg. v. Ludwig Weiland, in: Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, Bd. 2, hg. v. Ludwig Weiland (MGH Deutsche Chroniken 2), Hannover 1877 (Nachdruck München 2001).

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Della Caualleria. Das ist: Gr(ndlicher vnd außf(hrlicher Bericht / von allem was zu der lblichen Reuterey gehrig / vnd einem Cavallier zu wissen von nhten [...] Itzo aber auffs newe mit n(tzlichem gutem Bericht / auch herrlichen schnen Figuren / allenthalben vermehrt / verbessert vnd zum dritten mal Gedruckt zu Remlingen. Cum Gratia & Privilegio. 1624. Ludewig, Johann Peter, Vollständige Erläuterung der Güldenen Bulle. Hg. v. Hans Hattenhauer, 2 Bde, Nachdruck der Ausgabe Frankfurt u. Leipzig 1752, Hildesheim [usw.] 2005 (Historia Scientiarum). Lünig, Johann Christian, Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-Platz Aller Ceremonien [...], 2 Bde, Leipzig 1719/20. Luther, Martin, Vorrede zu Historia Galeatii Capellae. 1538, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 50, Weimar 1914, S. 383–385. Maffei, Raffaele (Volaterranus), Commentariorum urbanorum libri octo et triginta, [Frankfurt a. M.] 1603 (zuerst Rom 1506). Mattheson, Johann, Das Neu-Erffnete Orchestre, Hamburg 1713 [Reprint als: Johann Mattheson, Die drei Orchestre-Schriften, Bd. 1: Das Neu-Eröffnete Orchestre. Mit einer Einführung (dt./engl.) von Dietrich Bartel, Laaber 2004]. – Der Musicalische Patriot, Hamburg 1728 (Nachdruck Leipzig 1975). Meibom [d. J.], Heinrich, Rerum Germanicarum Tomi III, Helmstedt 1688. Daniel Georg Morhofens Unterricht von der teutschen Sprache und Poesie. Hg. v. Henning Boetius, Bad Homburg [usw.] 1969 (Neudruck des Textes der 2. Auflage 1700). Newe / Volstendige / Braunschweigische vnd Luneburgische Chronica [...] Erstlich Durch M. Heinricum Bunting Abgefasset / Itzo aber auffs New mit sonderbahren fleiß vbersehen / hin vnd wider corrigiret, mercklich gebessert / vermehret vnd biß auff jtziges 1620. Jahr außgef)hret / Durch M. Heinrich Meybaum, Der F(rstllichen Julius-Universitet Professorem, Magdeburg 1620. Opera Register from 1712 to 1734 (Colman-Register), bearbeitet von Konrad Sasse, in: Händel-Jahrbuch 5 (1959), S. 199–223. Pauli Historia Langobardorum, hg. v. Ludwig Bethmann u. Georg Waitz, in: Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum saec. VI–IX, hg. v. Georg Waitz (MGH Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum), Hannover 1878, S. 12–187. Pregitzer, Johann Ulrich, Teutscher Regierungs- und Ehrenspiegel / Vorbildend Des Teutschen Reichs / und desselben St nde / ersten Anfang / Fortleitung / Hoheit / Macht / Recht / und Freyheit. Auch Der Chur-F(rsten / F(rsten / Grafen und Herren / und derselben hohen H user / Besonders des Hauses Hohenzollern / Ursprung / W(rde / und Herrlichkeiten, Berlin 1703. Recueil général des opéras représentées par l’Académie Royale de Musique depuis son établissement, 3 Bde, Paris 1703–1746 (Nachdruck Genève 1971). Rehtmeyer, Philipp Julius, Antiqvitates ecclesiasticae inclytae urbis Brunsvigae, Oder: Der ber(hmten Stadt Braunschweig Kirchen-Historie, 2 Bde, Braunschweig 1707. – Braunschweig-L(neburgische Chronica, Oder: Historische Beschreibung der Durchlauchtigsten Herzogen zu Braunschweig und Lüneburg [...], 3 Bde, Braunschweig 1722. Rohr, Julius Bernhard von, Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren. Hg. u. kommentiert v. Monika Schlechte, Weinheim 1990 (Neudruck der Ausgabe Berlin 1733). Rüxner, Georg, Anfang, ursprung vnnd herkommen des Thurniers inn Teutscher nation, Simmern 1530. Der sog. Rufus-Chronik zweiter Theil von 1395–1430, hg. v. Karl Koppmann, in: Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Lübeck. Dritter Band, Leipzig 1902 (Die Chroniken der deutschen Städte 28), S. 1–341. Seckendorff, Veit Ludwig von, Teutscher Fürsten-Staat. Samt des sel. Herrn Autoris Zugabe sonderbarer und wichtiger Materien vor itzo aber mit Fleiß verbessert, und mit dienlichen Anmerckungen samt dazu gehrigen Kupffern, Summarien und Register versehen, durch Hn. Andres Simson von Biechling, Jena 1737 [7. Auflage] (Neudruck Aalen 1972).

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Register Das Register enthält die im Untersuchungsteil sowie in den Anmerkungen behandelten/ genannten Opern und musikdramatischen Werke (bzw. deren Libretti) und historischen Personen. Die Anhänge sind nicht erfaßt. Abkürzungen: Bf. – Bischof, Fst./Fstn. – Fürst/ Fürstin, Gem. – Gemahlin, Gf./Gfn. – Graf/Gräfin, Hzg./Hzgn. – Herzog/Herzogin, Kfst./ Kfstn. – Kurfürst/Kurfürstin, Kg./Kgn. – König/Königin, Ks./Ksn. – Kaiser/Kaiserin, Lgf./ Lgfn. – Landgraf/Landgräfin, Mgf./Mgfn. – Markgraf/Markgräfin.

1 Opern und musikdramatische Werke (Kurztitel) L’Adalberto 44 L’Adelaide (Venedig 1672) 38, 40 u. Anm. 152, 273 Adelaide (München 1722) 215 Anm. 467, 331 Anm. 3 Adelaide (Venedig 1729) 38 Adelaide regia principessa di Susa 331 Anm. 3 Adelheid 58 Anm. 233, 273 u. Anm. 636 Admeto (London 1727) 243, 246 Admeto (Braunschweig 1729) 214 Anm. 463, 242 Anm. 540 Alaricus 57 Anm. 227 L’Alboino 44 Alceste 59 Alcine 50 Anm. 190 Alessandro 243, 245f., 293 Anm. 691 Alessandro Severo 191 L’Almira (Venedig 1691) 139 Anm. 253 Almira (Braunschweig 1703) 55, 139 Almira (Hamburg 1705) 57 Anm. 228 Almira (Hamburg 1706) 57 Anm. 228 Amadis [de Gaule] 50 Anm. 190 Amadis de Grèce 50 Anm. 190 L’amare per virtù 44 Amor tra nemici 44 Amore e sdegno 38 L’anarchia dell’imperio 230f. u. Anm.514 Ancile Romanum 269 Angelica vincitrice di Alcina 44 Antioco (Venedig 1659) 35 Anm. 135 Antioco (Venedig 1705) 307 Anm. 724 L’Armida (Venedig 1639) 34 Anm. 132, 37

Armide (Paris 1686) 50 Anm. 190 L’Atenaide 44 Attila 57 u. Anm. 227 Baccanali 62 Anm. 23, 63 Anm. 31 Bajazeth und Tamerlan 58 Anm. 230 Baldracca 44, 172 Anm. 356 Beatrix 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 272 Anm. 634 Der Best ndige Orpheus 139 Anm. 250 La Bradamante (Venedig 1650) 37 Bradamante (Paris 1707) 50 Anm. 190 Bretislaus 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 272f. u. Anm. 635 Briseide 62 u. Anm. 23, 63 Anm. 31 Carlo Magno 333–335 Carlo re d’Alemagna 228f. Chi più sà manco l’intende 17 Anm. 49 La clemenza di Augusto 17 Anm. 49 La clemenza di Tito (Wien 1734) 17 Anm. 49 La clemenza di Tito (Hamburg 1745) 269 Cleofide 200 Cleopatra 52, 137–139, 180 Anm. 370 Il Costantino 17 Anm. 49 Costanza e fortezza 227 La costanza in trionfo 139 Anm. 253 La costanza nelle selve 62 u. Anm. 23, 63 Anm. 31, 147 Dafne 2 u. Anm. 6 Dalisa 38 Desiderius, Knig der Longobarden 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 272, 274f., 278–297, 318, 334 Anm. 10

482 Il duello d’amore e di vendetta 285 Emma und Eginhard 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 274–278, 332 Die entdeckte Verstellung 5 Anm. 16 Ercole amante 48 Ernelinda (Braunschweig 1730) 149 Anm. 295 Ernelinda (Hamburg 1730) 58 Anm. 231 Das eroberte Jerusalem 55, 149 Anm. 296 Euridice 2 u. Anm. 7 Europe 71 u. Anm. 70 Faramondo 139 Anm. 253 Flavio Cuniberto 55, 149 Anm. 292 Flavius Bertaridus 58 Anm. 229 Foca superbo 38 La forza della virtù (Venedig 1693) 29 La forza della virtu (Hamburg 1700) 29, 57 Anm. 228 La Fredegonda (Venedig 1705) 139 Anm. 253 Fredegonda (Braunschweig 1712) 55, 139 Fredegunda (Hamburg 1715) 57 Anm. 227 Fredegunda (Braunschweig 1720) 55, 149 Anm. 293 Gensericus (Hamburg 1693) 57 Anm. 227 Gensericus (Braunschweig 1725) 55, 149 Anm. 293 La Gierusalemme liberata 58 Anm. 232 Giulio Cesare e Cleopatra 214 Anm. 463, 242 Anm. 540 Griselda (Venedig 1701) 44 Anm. 169 Griselda (Wien 1725) 44 Der Großm(thige Roland 58 Anm. 232, 145 u. Anm. 273 Gundeberga 44 Heinrich der Lwe (Braunschweig 1729) 243f., 245 u. Anm. 552 Heinrich der Vogler (1.Teil, Braunschweig 1718) 55 Anm. 214, 149 Anm. 297, 166–193, 196, 199–202, 205–208, 212f., 214, 218, 223f., 226, 236, 238f., 259f., 265f., 289, 319, 324f. Heinrich der Vogler (2.Teil, Braunschweig 1721) 55 Anm. 214, 149 Anm. 297, 190, 192–208, 212f., 214, 218, 221, 223, 226 Anm. 498, 236, 238f., 259f., 261 Anm. 592, 265f., 289, 319, 324f.

Heinrich der Vogler (Hamburg 1719) 58 Anm. 233, 190–192, 199, 268 Anm. 622, 269, 273 Helena rapita da Paride 59 Henrich der Lwe (Braunschweig 1716) 55 Anm. 214, 137, 149 Anm. 297, 150–165, 167, 173, 185, 243f., 245, 259f. Henrico IV. 57 Anm. 228 Henrico Leone 1, 13, 52, 58, 62f. u. Anm. 23, 65–137, 142–144, 150–154, 159 u. Anm. 317, 243, 274, 330–332, 335 Henricus Auceps 55 Anm. 214, 149 Anm. 297, 187 Anm. 389, 190 u. Anm. 396 Heraclius 58 Anm. 230, 269, 292 Anm. 688 Hertzog Henrich der Lwe (Hamburg 1696) 58 Anm. 233, 90, 136, 142f. u. Anm. 265f., 144 u. Anm. 269f., 154, 196 u. Anm. 413, 270f. u. Anm. 631f. Hertzog Henrich der Lwe (Braunschweig 1697/99) 55 Anm. 214, 136, 139, 141–144, 147, 150f. u. Anm. 300, 153 Anm. 308, 154 Hertzog Henrich der Lwe (Augsburg 1698) 143 Anm. 268 Der Hochm(thige Alexander 214 Anm. 463, 242 u. Anm. 540, 293 Anm. 691 Das Hchst-preißliche Crnungs-Fest 314f. u. Anm. 744 u. 746 L’incoronazione di Dario 191 L’incoronazione di Poppea 3, 36 L’infedeltà punita 29 L’innocenza difesa (Venedig 1722) 29, 229, 274 Anm. 643 L’innocenza difesa (Wolfenbüttel 1722?) 29, 55 Anm. 214, 149 Anm. 297f., 178 Anm. 365, 227–230, 332 L’innocenza difesa (Braunschweig 1731) 29, 55 Anm. 214, 149 Anm. 297f., 230 u. Anm. 507, 274 Anm. 643 L’innocenza giustificata 228, 274 Anm. 643 L’innocenza risorta overo Etio 29 Isacio tiranno 41f. u. Anm. 157, 242 Judith, Gemahlin K yser Ludewigs des Frommen 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 274 u. Anm. 643 Justinus (Hamburg 1706) 58 Anm. 230 Justinus (Braunschweig 1725) 55, 149 Anm. 294

483 Leonilde 55, 139 La liberazione di Ruggiero 34 Anm. 132 La libertà contenta 62 Anm. 23, 63 Anm. 31 La Libussa 55, 139 Lotario 274 Anm. 643, 335 La lotta d’Hercole con Acheloo 62 Anm. 23, 63 Anm. 31 Ludovicus Pius 55 Anm. 214, 149 Anm. 297f., 227f., 230–232 Magnus Torquatus (Braunschweig 1730) 55 Anm. 214, 149 Anm. 297, 247– 255, 259 Magnus Torquatus (Braunschweig 1739) 255 Anm. 577 Margaretha 57 Anm. 228 Masagniello furioso 5 Anm. 17 Mechtilde 143 Anm. 268 Il Medoro 37 Der Mißlungene Braut-Wechsel / Oder Richardus I. 58 Anm. 233, 244 Anm. 547, 270f. u. Anm. 631f. Mistevojus 58 Anm. 233, 270 u. Anm. 629, 307–313, 333 Anm. 7 La moglie nemica 38 La monarchia latina trionfante 17 Anm. 49 Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V. (Hamburg 1712) 29, 58 Anm. 233, 227, 268 Anm. 622, 270f. u. Anm. 631, 272, 315f., 317–329 Die Oesterreichische Großmuth / Oder: Carolus V. (Hamburg 1714) 328f. u. Anm. 792 Olimpia vendicata 37 Opera Comica, genant Egbert und Lotharius 55 Anm. 214, 149 Anm. 297, 232–242, 259f. L’Orfeo (Mantua 1607) 2 L’Orfeo (Paris 1647) 48 Oriana 58 Anm. 232 Orlando furioso 55, 149 Anm. 296 Orlando generoso (Hannover 1691) 62 Anm. 23, 63f. u. Anm. 33, 142, 145 u. Anm. 273 Orlando generoso (Braunschweig 1698) 55, 139, 142 u. Anm. 262f., 145, 147 Orontea 59 Otto 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 269f. u. Anm. 628, 273 Otto puer 255 u. Anm. 579 Ottone (Venedig 1694) 38–42, 60, 139 Anm. 253, 142 u. Anm. 263, 145 u. Anm. 276

Ottone (Braunschweig 1697) 55 Anm. 214, 139, 141f. u. Anm. 262f., 145, 147 Ottone (Venedig 1740) 38 Ottone il Grande 38 Ottone in Italia 331 Anm. 3 Ottone, re di Germania (London 1723) 213–217, 251, 269f. Anm. 628, 335 Ottone re di Germania (Braunschweig 1723) 55 Anm. 214, 149 Anm. 297f., 213–216, 242 Anm. 540, 250 Anm. 568, 251, 269f. Anm. 628 Ottone re di Germania (Braunschweig 1725) 55 Anm. 214, 149 Anm. 297f., 215 Anm. 466, 216f. u. Anm. 471, 242 Anm. 540, 250 Anm. 568, 251, 269f. Anm. 628 Paride in Ida 59 Partenope 214 Anm. 463, 242 Anm. 540 Pharamond 55, 139 Pharao und Joseph 217 Anm. 476 Pharasmanes 152 Philippus, Hertzog zu Mayland 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 272 u. Anm. 634 Poro ed Alessandro 214 Anm. 463, 242 Anm. 540 I portenti dell’indole generosa 331 Anm. 3 Regier-Kunst-Schatten 140 Regnero (Braunschweig 1715) 55, 149 Anm. 295 Regnerus (Hamburg 1702) 58 Anm. 231 Renaud ou La suite d’Armide 50 Anm. 190 Riccardo primo 242–247, 270, 335 Richardus genannt das Lwen-Herz 55 Anm. 214, 149 Anm. 297f., 214 Anm. 463, 242–247 Rinaldo (London 1711) 202 Rinaldo (Hamburg 1715) 58 Anm. 232 Il ritorno di Giulio Cesare 17 Anm. 49, 46f. u. Anm. 179 Le rivali concordi 62 Anm. 23, 63 Anm. 31 Rodelinda 58 Anm. 229 Rodoaldo re di Norvegia 55, 149 Anm. 295 Roland (Paris 1685) 50 Anm. 190 Roland (Braunschweig 1697?) 55, 139, 141f. u. Anm. 262, 145, 147 Il Romolo 17 Anm. 49 Rudolphus Habspurgicus 55 Anm. 214, 149 Anm. 297, 217–227, 238, 256, 259f., 265f., 289, 328

484 Li sacrifici di Romolo 17 Anm. 49 Sancio 57 Anm. 228 Scanderberg 50 Seelewig 51 u. Anm. 198 Seleuco 307 Anm. 724 Serse 48 Sesostri 190 Sieg der Schnheit 57 Anm. 227 Die siegende Großmuth 124–126 Sinilde 55, 149 Anm. 291 Sirita 44 Siroe re di Persia 214 Anm. 463, 242 Anm. 540 Lo sposalizio di Medoro 34 Anm. 132 Strtebecker und Jdge Michaels (1.Teil) 58 Anm. 233, 270 u. Anm. 629, 297– 305 Strtebecker und Jdge Michaels (2.Teil) 58 Anm. 233, 270 u. Anm. 629, 297– 305 Sueno 58 Anm. 231 La superbia d’Alessandro 62 Anm. 23, 63 Anm. 31 Tamerlan 58 Anm. 230 Tancrède 50 Anm. 190 Der Tapffere Kayser Carolus Magnus 58 Anm. 233, 268 Anm. 622, 274f. u. Anm. 646, 277, 288f. u. Anm. 679, 290 u. Anm. 683, 331

Tassilone 152 u. Anm. 305 u. 307, 154, 159 Tempel Der Tugend und Ehre 146f. u. Anm. 277–282, 184 Der Tempel des Janus 269 Teodosio 58 Anm. 230 Teodosio ed Eudossa 55, 149 Anm. 294 Teofane 74 Anm. 82, 197 u. Anm. 417, 213–217, 250–252, 253 Anm. 575, 269f. Anm. 628, 331 Anm. 3 Thassilo 58 Anm. 233, 270 u. Anm. 631, 313–317, 332 La Torilda 37 Trajanus 269, 332 I trionfi del fato 62 Anm. 23, 63 Anm. 31, 115 Anm. 179 Il Venceslao (Venedig 1703) 44 Anm. 169 Venceslao (Wien 1725) 44 Veremonda l’Amazzone d’Aragona 37 Die verstrte Irmenseul 140f. u. Anm. 257 Victor Hertzog der Normannen 58 Anm. 233, 270 u. Anm. 631, 315f. u. Anm. 751 Il zelo di Leonato 62 Anm. 23

2 Personen Adalbert, Kg. v. Italien 214 u. Anm. 465 Adam v. Bremen 308 Anm. 728 Adelchis, Sohn Kg. Desiderius’ 283f. Anm. 674 Adelheid v. Burgund, Ksn. 38 u. Anm. 143, 212, 215 Anm. 467 Adelung, Johann Christoph 26 Anm. 100 Adolf III., Gf. v. Holstein 110 Anm. 168 Aethelstan, engl. Kg. 194 Agnes v. Braunschweig-Lüneburg, Gem. Hzg. Albrechts II. v. BraunschweigGrubenhagen 252 Anm. 570 Agnes v. Staufen, Gem. Heinrichs d. Ä. v. Braunschweig 125f. u. Anm. 194 Aistulf, Kg. d. Langobarden 283f. Anm. 674 Albrecht I., dt. Kg. 218–220, 283 Anm. 673 (?) Albrecht II., dt. Kg. 45 Albrecht I. d. Große, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 128f.

Albrecht II. d. Fette, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 129, 220, 225 Anm. 497 Albrecht II., Hzg. v. BraunschweigGrubenhagen 252 Anm. 570 Albrecht I., Hzg. v. Niederbayern-Straubing, Gf. v. Holland 301 Anm. 708 Albrecht, Hzg. v. Sachsen-Wittenberg 248f. u. Anm. 562, 254 Aleksej, Zarewitsch v. Rußland 161 Alexander d. Große 46 Anm. 177, 50 Alkuin, Abt v. St. Martin (Tours) 275 Alveri, Giovanni Battista 53 Anm. 205 Angilbert, Hofkapellan Karls d. Großen 275 u. Anm. 650 Anguillara, Giovanni Andrea dell’ 3 Anm. 10 Anna v. Österreich, Kgn. v. Frankreich 48 Anna Petrowna v. Rußland 272f. u. Anm. 635

485 Anne, Kgn. v. Großbritannien 41 Anm. 157, 282, 315f. Ansa, Gem. Kg. Desiderius’ 283f. Anm. 674 Anselperga, Tochter Kg. Desiderius’ 283f. Anm. 674 Ansgar, Erzbf. v. Hamburg 277 u. Anm. 653 Anton Ulrich, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel) 51–53, 61, 70, 137, 138 Anm. 249, 139–141, 143 Anm. 267, 144–148, 150f. u. Anm. 300, 161f. u. Anm. 322, 162f. Anm. 327, 173 Anm. 358, 184, 193, 211, 240f. Anm. 537, 257 Ariosti, Attilio 335 Ariosto, Ludovico 3 Anm. 11, 33f. u. Anm. 132, 37, 44, 49f., 55, 63 u. Anm. 32 Aristoteles 2f. Anm. 9 Arminius 283 Anm. 673 Arnulf, Hzg. v. Bayern 203 August I., Kfst. v. Sachsen 132 August d. J., Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) 51 u. Anm. 198, 210 August Wilhelm, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel) 54, 137, 147f., 162f. Anm. 327, 164, 166–168, 173, 176, 185f., 188, 190 Anm. 396, 218, 226, 241f., 246 u. Anm. 556, 247 Anm. 558, 252–254, 255 Anm. 579, 256, 257 Anm. 585 Augustinus, Aurelius 15f. u. Anm. 39 Augustus, röm. Ks. 17 Anm. 49, 23 Anm. 79, 50, 285 Azzo II., Mgf. v. Este 40f. u. Anm. 154– 156, 64, 67, 70 Anm. 63, 147 Anm. 281 Baptiste, Mr. 307 Anm. 724 Bardi, Giovanni de’ 1f. u. Anm. 2 Batteux, Charles 50 Anm. 195 Bayle, Pierre 21 Beims, Johann Ernst 232f. Anm. 517, 233, 239–241, 266 Benedicta Henrietta v. d. Pfalz, Hzgn. v. Braunschweig-Lüneburg (Calenberg) 40 Anm. 152 Berengar II., Kg. v. Italien 38, 40 Anm. 155, 214 u. Anm. 465, 215 Anm. 467 Berengaria v. Navarra, Kgn. v. England 41 Bernhard I., Hzg. v. Sachsen 308 u. Anm. 728

Bernhard III., Gf. v. Aschersleben, Hzg. v. Sachsen 68 Anm. 53, 109f. Anm. 167 Bernhard, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 248 Bernhard, Hzg. v. Sachsen-Meiningen 150f. Anm. 300 Bertha, Tochter Ks. Karls d. Großen 275 u. Anm. 650 Boccaccio, Giovanni 44 Bodin, Jean 17 Anm. 52 Boeckler, Johann Heinrich 284 Bononcini, Antonio 190 Bononcini, Giovanni 43, 46f., 335 Bordoni, Faustina 200, 242 Borosini, Antonio 71 Anm. 68 Bote, Konrad 182 Anm. 377 Brantôme, Pierre de Bourdeille de 319, 323 u. Anm. 773 Bressand, Friedrich Christian 52f., 137 u. Anm. 247, 144 Anm. 269, 146, 184 Briani, Francesco 41f., 242 Bronner, Georg 272 Anm. 634, 315f. Anm. 751 Brun, Sohn Gf. Liudolfs 176, 186 u. Anm. 386, 226 Bünting, Heinrich 78 Anm. 103, 79, 109f. Anm. 167 Burkhard I., Hzg. v. Schwaben 203 Busenello, Francesco 3, 36 Busoni, Ferruccio 2f. Anm. 9 Caccini, Giulio 2 Anm. 2 Caesar, C. Julius 17 Anm. 49, 45 Anm. 173, 47 Caldara, Antonio 43 Calvisius, Sethus 112 Anm. 173 Cambert, Robert 48 Campioli, Antonio 200 Campra, André 230 Cats, Jacob 276 Caussin, Nicolas 140 Anm. 257 Cavalieri, Emilio de’ 2 Anm. 2 Cavalli, Francesco 48 Cellarius, Christoph 8, 18 u. Anm. 56f., 19 u. Anm. 58, 23f. u. Anm. 78–80, 171, 284 Anm. 675 Cettareli, Signora 71 Anm. 68 Charlotte Christine Sophie v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel/ Blankenburg), Prinzessin v. Rußland 161 Charlotte Felicitas v. BraunschweigLüneburg, Hzgn. v. Modena 40 Anm. 154, 64

486 Chelleri, Fortunato 228–230, 269f. Anm. 628, 274 Anm. 643 Chlodwig I., merow. Kg. 50 Christian V., Kg. v. Dänemark 279 Christian Albrecht, Hzg. v. HolsteinGottorf 56 Christian Ludwig, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Calenberg) 59 Anm. 2 Christine Charlotte v. Württemberg, Fstn. v. Ostfriesland 70 Christine Luise v. Oettingen, Hzgn. v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel/Blankenburg) 137 Anm. 247, 140 Anm. 257, 143 Anm. 267, 161f. u. Anm. 322, 192f. u. Anm. 405, 205 Cicero, M. Tullius 26 u. Anm. 96 Clemens XI., Papst 280f. u. Anm. 668 Cluver, Detlev 281 Conradi, Johann Georg 274 Anm. 646, 288f. u. Anm. 679 Conring, Hermann 20 Contarini, Marco 40 Anm. 153 Corneille, Thomas 198 Corsi, Jacopo 2 Anm. 6 Costanzi, Giovanni Battista 334 u. Anm. 9 Cottini, Antonio 71 Anm. 68 Cupeda, Donato 46f. Cuzzoni, Francesca 215 Anm. 466, 242 Datt, Johann Philipp 171 Desiderius, Kg. d. Langobarden 275, 282–284, 334 Anm. 10 Destouches, André Cardinal 230 Dietrich, sächs. Mgf. 308 u. Anm. 728 Dolfino, Pietro 273 Dorothea v. Sachsen, Gem. Hzg. Heinrich Julius’ v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) 80, 130 Draghi, Antonio 43 Dubravius, Johannes 223 Eberhard IV. Ludwig, Hzg. v. Württemberg 143 Anm. 268 Eckhart, Johann Georg 24, 201 Anm. 427, 220, 262 Edgith, dt. Kgn. 194, 206 Edgiva, Schwester d. Kgn. Edgith 194 Einhard, Biograph Karls d. Großen 284 Ekbert II., Mgf. v. Meißen 233f. u. Anm. 520 Eleonora Gonzaga, Ksn., Gem. Ks. Ferdinands II. 42 Eleonora Magdalena Gonzaga, Ksn., Gem. Ks. Ferdinands III. 42

Eleonore v. Aquitanien, Kgn. v. England 67 Eleonore, Schwester Ks. Karls V., Kgn. v. Frankreich 320 Anm. 765, 322 Elisabeth v. Görz-Tirol, dt. Kgn. 218– 220 Elisabeth I., Kgn. v. England 34 Anm. 132 Elisabeth v. Braunschweig-Lüneburg, Gem. Hzg. Ottos v. SachsenWittenberg 248 Anm. 562 Elisabeth Christine v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel/Blankenburg), Ksn. 150 u. Anm. 299, 161f. u. Anm. 322, 164f., 178f. Anm. 365, 181 Anm. 372, 185, 193, 206, 213, 217–219, 221, 225–228, 230, 232, 240f. u. Anm. 537, 253, 257, 260 Elisabeth Magdalena, Hzgn. v. Braunschweig-Lüneburg (Celle) 210 Elisabeth Sophie Marie v. HolsteinNorburg, Hzgn. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel) 166 Anm. 340, 167, 185, 188 Elmenhorst, Heinrich 56 Anm. 220 Ernst August, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Calenberg), Kfst. v. Hannover 1, 13, 27f., 38 Anm. 143, 39f. u. Anm. 149 u. 153, 52 u. Anm. 202, 59–73, 76–78, 81, 96f. Anm. 143, 100 u. Anm. 151, 104 Anm. 157, 121f., 124–126, 130, 136–138, 142, 144f. u. Anm. 276, 147, 150, 243, 330 Eticho 127 Eugen, Prinz v. Savoyen 41, 192 u. Anm. 404, 268f. Anm. 624, 280 Eusebius v. Caesarea 16 Fabricius, Johann 161, 240f. Anm. 537 Fabris, Giacomo 307 Anm. 724, 312 Anm. 735 Farinel, Jean-Baptiste 100 Anm. 153 Fedrizzi, Giuseppe 53 Anm. 205 Fehling, Carl Heinrich Jacob 204 Anm. 432, 205 Anm. 434 Feind, Barthold 5 Anm. 16f., 37 Anm. 141, 49f. Anm. 189, 62 u. Anm. 22, 142f. Anm. 266, 174, 196f. u. Anm. 415, 199 u. Anm. 421, 278–286, 288f. u. Anm. 679, 297 Ferdinand III., Ks. 210 Ferdinand Albrecht II., Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) 54 Anm. 211, 246 u. Anm. 556

487 Ferdinando v. Toskana 39 Anm. 149 Ferdinando Carlo, Hzg. v. Mantua 39 Anm. 149 Ferrari, Benedetto 34 Anm. 132 Feyrabend, Sigmund 171 Anm. 353 Fiedler, Gottlieb 137, 144f. u. Anm. 269 u. 273 Fiorè, Stefano Andrea 229 Fischer v. Erlach, Joseph Emanuel 45 Anm. 173 Franck, Johann Wolfgang 57 Frangioni, Severo 71 Anm. 68 Franz I., Kg. v. Frankreich 319f. u. Anm. 765f., 322, 323 Anm. 773, 328 Anm. 789 Franz Otto, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Celle) 210 Friedrich I. Barbarossa, Ks. 67f. u. Anm. 53, 75f. u. Anm. 88, 78 u. Anm. 101, 79 Anm. 107, 91f. u. Anm. 134, 121 u. Anm. 182, 123f. u. Anm. 189, 209 Anm. 445, 285 Friedrich II., Ks. 128, 136, 209, 247 Friedrich I., Kg. in Preußen, als Friedrich III. Kfst. v. Brandenburg 70, 313– 317 Friedrich II. d. Große, Kg. v. Preußen 316f. u. Anm. 757, 336 Friedrich IV., Kg. v. Dänemark 39 Anm. 149 Friedrich August I. d. Starke, Kfst. v. Sachsen, als August II. Kg. v. Polen 166, 192, 197f., 215 Anm. 467 Friedrich August II., Kfst. v. Sachsen, als August III. Kg. v. Polen 39 Anm. 149, 74f. Anm. 82, 197, 213 Anm. 462, 215 Anm. 467, 218 Anm. 478 Friedrich Ulrich, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel) 256 Anm. 581 Friedrich Wilhelm I., Kg. in Preußen 257 Anm. 585 Friedrich Wilhelm, Kfst. v. Brandenburg 210 Frigimelica Roberti, Girolamo 38 Anm. 143, 39–42, 145 u. Anm. 276 Fux, Johann Joseph 227 Galilei, Vincenzo 2 Anm. 2 Gattinara, Mercurino de 320 u. Anm. 765 Georg I., Kg. v. Großbritannien, als Georg Ludwig Kfst. v. Hannover 39 Anm. 149, 52 Anm. 202, 60, 63, 72, 100 Anm. 151, 162, 214 Anm. 464, 232 Anm. 515, 243, 269f.

Georg II., Kg. v. Großbritannien 163, 242f., 244 Anm. 548, 246, 257 Anm. 585, 271 Georg I., Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Calenberg) 59 u. Anm. 2 Georg Wilhelm, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Celle) 52 u. Anm. 202, 59 Anm. 2, 60, 68, 70f., 100 u. Anm. 151, 138, 161, 279 Gerhard v. Steterburg, Propst 124 Anm. 192 Gertrud v. Braunschweig, Gfn. v. Northeim 233 Gertrud v. Süpplingenburg, Hzgn. v. Bayern u. Sachsen 128, 234, 238, 240 Giselbert, Hzg. v. Lothringen 203 Glauche, Johann Georg 269f. Anm. 628 Göding, Heinrich 79–81, 90f. u. Anm. 127, 99 u. Anm. 148, 105 Anm. 161, 115, 130 Görres, Johann Joseph 80 Goethe, Johann Wolfgang 165 Anm. 338 Gottfried v. Viterbo 284 Gottsched, Johann Christoph 142 Anm. 262 Granara, Augustino 71 Anm. 68 Gratianini, Nicola 71 Anm. 68 Graun, Carl Heinrich 166, 187 Anm. 389, 190 Anm. 396, 230 Grillparzer, Franz 223 Grimani, Giovanni Carlo u. Vincenzo 39 Anm. 149, 41 Grimm, Jacob u. Wilhelm 80 Grote, Otto 70 Gryphius, Andreas 265 Guarini, Battista 2 u. Anm. 2 u. 4 Gundling, Nikolaus Hieronymus 168 u. Anm. 346, 171, 174f. Anm. 362, 195, 203, 219, 263 u. Anm. 605, 265f., 273 Gundrada, Enkelin Karl Martells 275 Guntram (d. Reiche), Gf. 220 Hadrian I., Papst 283–285, 290 Anm. 682 Händel, Georg Friedrich 7f. u. Anm. 25, 63, 202, 213–217, 242–246, 251, 269f. Anm. 628, 274 Anm. 643, 293 Anm. 691, 335 Hahn, Simon Friedrich 201 Anm. 427, 219 u. Anm. 481, 232 Anm. 515, 264 Anm. 608, 266, 273f. u. Anm. 642 u. 644, 283f. Anm. 674 Hallmann, Johann Christian 273

488 Hamann, Johann Georg 274 Anm. 643 Harald II. Godwinson, Kg. v. England 315f. Anm. 751 Hardnit, Enkel Ks. Karls d. Großen 275 Harenberg, Johann Christoph 238 Anm. 529 Harms, Johann Oswald 53, 90f. u. Anm. 130, 137, 304–306, 310 Harsdörffer, Georg Philipp 51 u. Anm. 198 Hartwig II., Erzbf. v. Hamburg-Bremen 110 Anm. 168 Hasse, Johann Adolf 166, 200 Hatheburg, Gem. Kg. Heinrichs I. 170 Haym, Nicola Francesco 213, 215 Heineccius, Johann Michael 168 u. Anm. 346, 262, 266 Heinrich I. d. Vogler, ostfränk. Kg. 166– 168, 170–173, 174f. Anm. 362, 177, 178 Anm. 364, 180 u. Anm. 370, 181 Anm. 372, 183, 185f., 189–191, 192 Anm. 406, 193–195, 203, 208–212, 220 Anm. 485, 265 Heinrich II., Ks. 307 Heinrich IV., Ks. 233f. Heinrich V., Ks. 128 Heinrich VI., Ks. 96f. Anm. 143, 125 u. Anm. 194 Heinrich II. Plantagenêt, Kg. v. England 67, 96f. Anm. 143, 128 Heinrich IV., Kg. v. Frankreich 2 Heinrich IX. d. Schwarze, Hzg. v. Bayern 66, 127, 239 Heinrich X. d. Stolze, Hzg. v. Bayern u. Sachsen 66f. u. Anm. 42, 78 Anm. 100, 128, 210, 234, 239–241 Heinrich d. Löwe, Hzg. v. Bayern u. Sachsen 33, 63, 65–73, 75–82, 91, 96f. Anm. 143, 99f., 104 Anm. 157, 109f. u. Anm. 167f., 122–126, 128– 136, 144–146, 148, 150, 159, 161, 164f., 173, 194, 209f., 212, 238, 239 Anm. 530, 240, 243, 245, 255, 260, 332 Anm. 4 Heinrich d. Ä. v. Braunschweig, Pfalzgf. bei Rhein 67, 125f. u. Anm. 194, 238 Heinrich d. J., Hzg. v. BraunschweigLüneburg 236 Heinrich d. Fette, Gf. v. Northeim 78 Anm. 100, 233 Heinrich Julius, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel) 80, 130– 132, 193 Anm. 407

Heinrich Mirabilis, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 128f., 220, 225 Anm. 497 Helene v. Dänemark 212 Helmold v. Bosau 307f. u. Anm. 728 Helwig, Michael 240f. Anm. 537 Hemma, Gem. Kg. Ludwigs d. Deutschen 229 Anm. 505 Henniges, Hieronymus 210 Henriette Adelaide v. Savoyen, Kfstn. v. Bayern 331 Anm. 3 Hermann Billung, Hzg. in Sachsen 128 Hesse-Döbricht, Johanna Elisabeth 200 Hieronymus 16 Hill, Aaron 202 Hinsch, Hinrich 272 Anm. 634, 315f. Anm. 751 Hoe, Johann Joachim 332 Hoffmann, E. T. A. 2f. Anm. 9 Hoffmann v. Hoffmannswaldau, Christian 276 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 77 u. Anm. 97 Hotter 299f. Hrotsvit v. Gandersheim 168 Anm. 347, 184, 194 Anm. 409f. Hugo, Ludolf 69 Hugo, Victor 183 Hunold, Christian Friedrich (Menantes) 5 Anm. 16, 29 Anm. 113, 174, 199 u. Anm. 422 Hurlebusch, Konrad Friedrich 229 Ippolito d’Este 63 Anm. 32 Irmentrud, Gfn., vermeintl. Schwägerin Ks. Karls d. Großen 314 Anm. 745 Isaak Komnenos v. Zypern 41 Isenbard, Gf., vermeintl. Vater Thassilos 314 Anm. 745 Ivanovich, Cristoforo 36 u. Anm. 140 Jacobi, Mademoiselle 221 Jaime, Ernst August 217 Jakob I., Kg. v. England 96f. Anm. 143 Jakob (III.) Eduard Stuart, engl. Thronprätendent 214 Anm. 464 Jastram, Cord 279 Jenefeld, Hinrich 297 Johann Friedrich, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Calenberg) 40 u. Anm. 152 u. 154, 59f. u. Anm. 2 u. 10, 64f. Johann Georg III., Kfst. v. Sachsen 39 Anm. 149, 61 Johann Wilhelm v. Pfalz-Neuburg, Kfst. v. d. Pfalz 63

489 Johanna v. Anjou-Plantagenêt, Kgn. v. Sizilien 41 Johanna Elisabeth v. Baden-Durlach, Hzgn. v. Württemberg 143 Anm. 268 Johannes XII., Papst 40f. Anm. 156 Joseph I., Ks. 43, 44 Anm. 168, 45, 47 u. Anm. 179, 162, 165, 193, 215 Anm. 467, 218 Anm. 478, 272, 278 u. Anm. 659, 280–282, 285–287, 289, 295– 297, 318, 321, 326 Judith, Gem. Ks. Ludwigs d. Frommen 227–229, 231, 232 Anm. 515 Julius, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) 80 Anm. 112 Julius Franz, Hzg. v. Sachsen-Lauenburg 68 Julius Heinrich, Hzg. v. Sachsen 210 Karl I. d. Große, Ks. 16, 33, 50, 140, 141 Anm. 259, 204 u. Anm. 430, 207, 228, 263f. Anm. 606, 269, 273–277, 282–285, 289, 290 Anm. 682, 295f., 314 Anm. 745, 316–319, 321, 334 u. Anm. 10 Karl II. d. Kahle, Ks. 228f., 231 Karl IV., Ks. 247–249, 254 Karl V., Ks. 174f. Anm. 362, 271, 318– 322, 324–327, 328 Anm. 789 Karl VI., Ks., als Karl III. Kg. v. Spanien 16, 43, 45 u. Anm. 173, 150, 161f. u. Anm. 322, 165, 181 Anm. 372, 185, 193, 204 Anm. 430, 206, 215 Anm. 467, 217f. u. Anm. 472 u. 478, 220f., 225–227, 240f. u. Anm. 537, 253, 257, 271f., 280f., 285, 309f., 312, 316–318, 320–322, 324–329 Karl VII., Ks., als Karl Albrecht Kfst. v. Bayern 215 Anm. 467, 218 Anm. 478, 331 Anm. 3 Karl III. d. Einfältige, westfränk. Kg. 203 Karl I., Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Wolfenbüttel) 54 Anm. 211, 255 Anm. 577, 336 Karl, Lgf. v. Hessen-Kassel 70 Karl Friedrich, Hzg. v. Holstein-Gottorf 272f. u. Anm. 635 Karl Leopold, Hzg. v. Mecklenburg 163 u. Anm. 329 Katharina v. Anhalt, Hzgn. v. Braunschweig-Lüneburg 248f., 250 Anm. 567 Keiser, Reinhard 53, 272f. Anm. 635, 278, 280, 288–292, 294, 295 Anm. 693, 299 u. Anm. 702, 307 u. Anm. 724, 314 Anm. 744, 318, 325

Kepler, Johannes 282 Kircher, Athanasius 88 Anm. 125 König, Johann Ulrich 5 Anm. 16, 13f. Anm. 34, 166–168, 170–175, 177– 183, 187, 189–200, 202–205, 206 Anm. 437, 207 Anm. 438, 208 Anm. 441, 218, 223, 233, 237, 239, 261 Anm. 592, 265f., 317 Anm. 759, 318–321, 323–325, 328f. Anm. 792, 332 Kolbe v. Wartenberg, Johann Casimir Gf. 316f. Anm. 756 Konrad I., ostfränk. Kg. 174f. u. Anm. 362 Konrad II., Ks. 272f. Anm. 635 Konrad v. Staufen, Pfalzgf. bei Rhein 125 u. Anm. 194 Konstantin d. Große, röm. Ks. 17 Anm. 49, 19, 23, 45 Anm. 173, 284 Korner, Hermann 298 Anm. 698 Koulhaas, Christina Louisa u. Johann Ferdinand 200, 221 Krantz, Albert 307 Krist, Mons. 221 Krumbholtz, Christian 279f., 305 Kuniza/Kunigunde, Gem. Azzos II. v. Este 40 Anm. 154, 64, 70 Anm. 63 Kurtzrock, Theobald Joseph v. 327 Kusser, Johann Sigismund 52f., 137, 143 Anm. 268 La Mothe Le Vayer, François 21 Lazius, Wolfgang 181f. Anm. 375 Legrenzi, Giovanni 230f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 18 Anm. 57, 21, 24f. u. Anm. 95, 27f. u. Anm. 104–106, 30 Anm. 117, 40f. u. Anm. 154 u. 156, 64–73, 75, 124 Anm. 190, 125f., 136, 145, 168, 170, 184 Anm. 380, 194 Anm. 409, 201 Anm. 427, 219f., 262f., 265, 283, 316f. Anm. 756, 333 Anm. 8 Leo III., Papst 284f., 290 Anm. 682, 295 Leo Archipresbyter (v. Neapel) 46 Anm. 177 Leopold I., Ks. 43, 44 Anm. 168, 45 u. Anm. 173, 61, 74f. Anm. 82, 76 Anm. 92, 125, 138 Anm. 249, 144, 161, 165, 192, 225, 272 u. Anm. 634, 313 Leopold V., Hzg. v. Österreich u. Steier 96f. Anm. 143 Leuckfeld, Johann Georg 194 u. Anm. 409, 262 Leyser, Polycarp 24f.

490 Liudolf, Großvater Kg. Heinrichs I. 168, 186, 210 Liudprand v. Cremona 168/170 Livius, Titus 263f. Anm. 606 Löhneyß, Georg Engelhard 131–133, 182 u. Anm. 378 Lohenstein, Daniel Casper v. 46 Anm. 178, 259 u. Anm. 590, 263f. Anm. 606, 265 u. Anm. 612 Lothar I., Ks. 228f. u. Anm. 505, 231 Lothar III., Ks. 128, 210, 212, 233f., 238–241 Lothar, Kg. v. Italien 38 Lotti, Antonio 41, 191, 197 Anm. 417, 215–217, 242, 250f. u. Anm. 569 Ludewig, Johann Peter v. 219, 263f. u. Anm. 606, 266 Ludolf v. Sachsen, vermeintl. Sohn Ks. Ottos III. 210 Ludwig I. d. Fromme, Ks. 227–229, 231, 232 Anm. 515, 277 Anm. 653 Ludwig II. d. Deutsche, ostfränk. Kg. 228f. u. Anm. 505 Ludwig XIV., Kg. v. Frankreich 34, 48– 50, 144, 268f. Anm. 624, 272 Anm. 634, 281 Ludwig XV., Kg. v. Frankreich 334 Anm. 9 Ludwig V. d. Brandenburger, Hzg. v. Bayern, Mgf. v. Brandenburg 249 Ludwig, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 247, 248 Anm. 562 Ludwig Rudolf, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel/ Blankenburg) 54 u. Anm. 211, 137 u. Anm. 247, 140 Anm. 257, 148, 161f., 162f. Anm. 327, 192f. u. Anm. 405, 205, 233, 241f., 247 Anm. 558 Lünig, Johann Christian 197 u. Anm. 416, 224 Anm. 495 Lully, Jean-Baptiste 48f. u. Anm. 186, 53 Anm. 205, 88 Luther, Martin 27 Anm. 102 Mabillon, Jean 21 Maffei, Raffaele (Volaterranus) 172 u. Anm. 356 Magnus I. Pius, Hzg. v. BraunschweigLüneburg 67 Magnus II. Torquatus, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 67, 247–250, 252 Anm. 570, 253f., 255 Anm. 577 Mancia, Luigi 62 Margarete v. Valois, Schwester Kg. Franz’ I. 320 Anm. 765

Margerita Teresia v. Spanien, Ksn. 74f. Anm. 82 Maria v. Brabant, Ksn. 212 Maria de’ Medici, Kgn. v. Frankreich 2 Maria Amalia v. Österreich, Kfstn. v. Bayern, Ksn. 215 Anm. 467, 218 Anm. 478, 331 Anm. 3 Maria Josepha v. Österreich, Kfstn. v. Sachsen u. Kgn. v. Polen 74f. Anm. 82, 197, 207 Anm. 438, 213 Anm. 462, 215 Anm. 467, 218 Anm. 478 Maria Theresa v. Spanien, Kgn. v. Frankreich 48 Maria Theresia v. Österreich, Ksn. 43, 165, 185, 218 Anm. 478 Marie LeszczyĔska, Kgn. v. Frankreich 334 Anm. 9, 335 Mark Aurel, röm. Ks. 326 Anm. 783 Marlborough, John Churchill, Hzg. v. 41 u. Anm. 157, 242 Mathias, Hans Heinrich 66 Mathilde, ostfränk. Kgn. 167 u. Anm. 342, 170, 195, 210, 212 Mathilde v. England, dt. Kgn./Ksn. 128 Mathilde v. Anjou-Plantagenêt, Hzgn. v. Bayern u. Sachsen 67, 96f. Anm. 143, 123 u. Anm. 188, 126, 136, 212 Mathilde v. Tuszien, Mgfn. 68 Anm. 53 Mattheson, Johann 88 Anm. 125, 92 Anm. 137, 97 Anm. 146, 100 Anm. 154, 112 Anm. 173, 217f. Anm. 476, 299 u. Anm. 703, 313 u. Anm. 743, 315f. Anm. 751 Mauro, Ortensio 62f., 71, 73, 75, 79, 91, 94, 103f. u. Anm. 156, 109, 121f., 144, 330 Maximilian I., Ks. 174f. Anm. 362, 325f. Anm. 782 Maximilian II. Emanuel, Kfst. v. Bayern 39 Anm. 149, 61f. Maximilian Wilhelm, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Hannover) 39 Anm. 149, 60 Mayer, Johann Friedrich 305 Mazarin, Jules 48 Mechthild v. Brandenburg, Hzgn. v. Braunschweig-Lüneburg 212 Mechthild v. Braunschweig-Lüneburg, Gem. Hzg. Ludwigs v. Braunschweig-Lüneburg 248 Anm. 562 Meibom, Heinrich d. Ä. 78 Anm. 103, 79, 109f. Anm. 167, 124 u. Anm. 192, 212 Anm. 459 Meibom, Heinrich d. J. 170

491 Meier, Joachim 124–126 Meinhard II., Gf. v. Görz-Tirol 220 Mencke, Johann Burkhard 219 u. Anm. 480f. Ménestrier, Claude-François 178f. Anm. 365f., 304 Metastasio, Pietro 43, 174 Mézeray, François-Eudes de 229, 319 Michels, Godeke 297–300, 301 Anm. 707f. Michetti, Nicola 334 Anm. 9, 335 Minato, Nicolò 43, 172 Anm. 356, 307 Anm. 724 Mingotti, Angelo u. Pietro 56 Anm. 216 Mistui, Obodritenfst. 307f. u. Anm. 728 Molière 48, 198 Monteverdi, Claudio 2f., 36 Morhof, Daniel Georg 195 u. Anm. 411 Moritz, Lgf. v. Hessen-Kassel 34 Anm. 132 Müller, Johann Samuel 217–220, 222f., 233, 247, 255, 266, 307–310, 328, 332 Münchhausen, Hieronymus v. 241, 247 Anm. 558 Muratori, Ludovico Antonio 24f., 181f. Anm. 375, 335 Neumeister, Erdmann 29 Anm. 113 Nithard, Enkel Ks. Karls d. Großen 275 Noris, Matteo 37 Anm. 141, 57 Anm. 225 Nothnagel 313, 314 Anm. 744 Oesterreich, Georg 200, 221 Orlandini, Giuseppe Maria 228f. Orosius, Paulus 16 Oswald, hl., Kg. v. Northumbria 194 Otto I. d. Große, Ks. 16, 33, 38, 40f. Anm. 156, 44, 147 Anm. 282, 172 u. Anm. 356, 184, 194f., 199, 203, 206, 212, 214 u. Anm. 465, 215 Anm. 467, 273, 318f. Otto II., Ks. 38, 212, 214 u. Anm. 464f., 215 Anm. 467, 273, 307, 308 Anm. 728 Otto III., Ks. 38 u. Anm. 143, 40–42, 212 Otto IV., Ks. 67, 212 Otto puer, Hzg. v. BraunschweigLüneburg 128f., 212, 255 Otto d. Erlauchte, Hzg. v. Sachsen, Vater Kg. Heinrichs I. 186 Otto, Hzg. v. Sachsen-Wittenberg 248 Anm. 562 Otto v. Freising 16 Anm. 46, 66 Anm. 42, 284

Ottoboni, Pietro 334f. u. Anm. 9 Ottokar II. PĜemysl, Kg. v. Böhmen 220, 222–225, 227 Ovid (Publius Ovidius Naso) 3 u. Anm. 10 Pallavicino, Stefano Benedetto 197 Anm. 417, 214 Anm. 465, 215, 250, 269f. Anm. 628 Pariati, Pietro 43, 307 Anm. 724 Paris, Nicola 71 Anm. 68 Parisetti, Flaminio 53 Anm. 205 Paulus Diaconus 32 u. Anm. 126 Peri, Jacopo 2 Anm. 2 u. 6f. Perizonius (Jakob Voorbroek) 263f. Anm. 606, 283 Perrin, Pierre 48 Peter I. d. Große, Zar v. Rußland 161, 267 Anm. 619, 272 Petrarca, Francesco 22 Petrus IV. Candiano, Doge v. Venedig 38 Anm. 143 Petrus II. Orseolo, Doge v. Venedig 38 Anm. 143 Pharamund, sagenhafter fränk. Kg. 32 Philipp II. Augustus, Kg. v. Frankreich 125 Anm. 194 Philipp II., Kg. v. Spanien 324 Philipp V., Kg. v. Spanien 321, 324f. Piccolomini, Enea Silvio de’ 223 Pichon, Mademoiselle 200 Pippin I., Kg. v. Aquitanien 228 Piva, Gregorio 96 Anm. 141 Pollarolo, Carlo Francesco 145 Postel , Christian Heinrich 144 Anm. 269, 265 u. Anm. 612, 274 Anm. 646, 288f. u. Anm. 679 Praetorius, Johann Philipp 272f. Anm. 635, 307, 311 Pregitzer, Johann Ulrich 316, 317 Anm. 758 PĜemysl d. Pflüger, sagenhafter Urahn d. PĜemysliden 32 Pufendorf, Samuel 20 Quinault, Philippe 48f. Regino v. Prüm 170 Rehtmeyer, Philipp Julius 92 Anm. 136, 141 Anm. 258, 174f. Anm. 362, 212 Anm. 459, 234 Anm. 520, 237 Anm. 524, 256 Anm. 581, 262 Remolini, Nicola 71 Anm. 68 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England 33, 41, 96f. Anm. 143, 243, 245 Richenza v. Northeim, Ksn. 128, 210, 233, 238–241

492 Rinaldo III., Hzg. v. Modena 40 Anm. 154, 64 Rinuccini, Ottavio 2 Anm. 2 u. 6f. Riva, Giuseppe 335 Rohr, Julius Bernhard v. 197 u. Anm. 416, 224 Anm. 495, 325 Anm. 779 Rolli, Paolo 242f., 244 Anm. 548 Romulus, sagenhafter Gründer Roms 17 Anm. 49, 45 Anm. 173 Romulus Augustus (,Augustulus‘), letzter weström. Ks. 263f. Anm. 606 Rorico, Gf. 275 Rossi, Luigi 48 Rotrou, Jean de 44 Rotrud, Tochter Ks. Karls d. Großen 275 Rudolf I., dt. Kg. 218–223, 225 u. Anm. 497, 227, 256 Rudolf August, Hzg. v. BraunschweigLüneburg (Wolfenbüttel) 51f. u. Anm. 202, 70, 138 Anm. 249, 141, 145, 161 Rüxner, Georg 171 u. Anm. 353, 182f., 194 Ruhe, Mons. 200, 221 Rymer, Thomas 283 Saladin 96 Salvi, Antonio 215 Anm. 467 Sandoval, Prudencio de 319 Sartorio, Antonio 40 Anm. 152, 60 Anm. 10 Saxo Grammaticus 33 u. Anm. 127 Scarlatti, Alessandro 229 Schiefferdecker, Johann Christian 315f. Anm. 751 Schmidt, Johann Christoph 244f. Anm. 550 Schönborn, Damian Hugo Gf. v. 280, 297, 328 Schönleben, Johann Ludwig 219f. Anm. 483 Schoke, Nikolaus 297, 300 Anm. 706 Schott, Gerhard 56, 142f. Anm. 266f., 196 Schottelius, Justus Georg 210, 211 Anm. 452f. Schürmann, Georg Caspar 6 Anm. 19, 53, 137, 150f. u. Anm. 300, 152 u. Anm. 304, 166, 187f. u. Anm. 389f., 189–191, 200, 206, 208 Anm. 442, 216–218, 221, 222 Anm. 487, 230 u. Anm. 511, 244, 247, 328 Schurtzfleisch, Conrad Samuel 283f. u. Anm. 673 Scipio Africanus Maior 36 Anm. 138

Seckendorff, Veit Ludwig v. 122 Anm. 185 Senesino (Francesco Bernardi) 242 Sigismund, Ks. 174f. Anm. 362, 272 Anm. 634 Sigonio, Carlo 229 Silvani, Francesco 228, 274 Anm. 643, 285 Simon v. Utrecht 297, 300 u. Anm. 706, 302 u. Anm. 710 Simonetti, Christian Ernst 230 u. Anm. 510 Simonetti, Christina Elisabeth 200, 221 Simonetti, Johann Wilhelm 230 Anm. 510 Skanderbeg (Georg Kastriota) 50 Anm. 191 Sleidan, Johannes 319 Snitger, Hieronymus 279 Sophie v. d. Pfalz, Hzgn. v. Braunschweig-Lüneburg (Calenberg) 67, 70f., 73, 96f. Anm. 143, 124 Anm. 191, 147 Sophie Charlotte v. Braunschweig-Lüneburg, Kfstn. v. Brandenburg u. Kgn. in Preußen 70, 147 Sophie Dorothea v. Braunschweig-Lüneburg (,Prinzessin v. Ahlden‘) 52 Anm. 202, 100 Anm. 151 Staden, Sigmund Theophil 51 Stanzani, Tomaso 230f. u. Anm. 514 Steffani, Agostino 1, 40f. Anm. 156, 52, 58, 59 Anm. 1, 61–64, 71, 73, 74f. Anm. 82, 82 Anm. 119–121, 88, 94, 97, 104 Anm. 157, 105, 110, 115 u. Anm. 179, 122, 137, 142, 143 Anm. 268, 145 u. Anm. 273, 150, 152 u. Anm. 305, 154, 158f. u. Anm. 316, 330 Stielke, Balthasar 279f. Störtebeker, Klaus 33, 297–301 Striggio, Alessandro 2 u. Anm. 2 Strozzi, Piero 2 Anm. 2 Stübner, Abraham 208 Anm. 442 Stübner, Johanna Dorothea 200, 221 Sueton (C. Suetonius Tranquillus) 23 Tacitus, P. Cornelius 23 Tarquini, Vittoria 71 Anm. 68 Tasso, Torquato 2 u. Anm. 4, 3 Anm. 11, 33f. u. Anm. 132, 37, 49f., 55, 103f. u. Anm. 156 Telemann, Georg Philipp 244 Anm. 547, 273 u. Anm. 636, 274 Anm. 643, 275 Anm. 647, 276 Anm. 652

493 Temple, Sir William 18 Anm. 55 Titus, röm. Ks. 17 Anm. 49 Thankmar, Sohn Kg. Heinrichs I. 195 Thassilo, Gf., vermeintl. Stammvater d. Hohenzollern 314 Anm. 745, 316f. Theophanu, byz. Prinzessin, Ksn. 38, 212, 214, 215 Anm. 467 Thietmar v. Merseburg 170, 307f. u. Anm. 728 Thomasius, Christian 20f. u. Anm. 68, 27 u. Anm. 103, 219 Anm. 480, 263 Torri, Pietro 62, 215 Anm. 467 Trajan, röm. Ks. 23, 326 Anm. 783 Uffenbach, Johann Friedrich v. 54 Anm. 209, 152, 293 Anm. 691 Vellani, Domenico 334 Vera y Figueroa, Juan Antonio de 319 Viktor Amadeus, Hzg. v. Savoyen 39 Anm. 149 Vinacese, Benedetto 228 Vinci, Leonardo 269f. Anm. 628 Visconti, Filippo Maria, dritter Hzg. v. Mailand 272 Anm. 634 Vivaldi, Antonio 191 Vogel, Jacob 195 u. Anm. 411 Voltaire 10, 19 u. Anm. 61 Wagner, Richard 7 Anm. 22, 31 Walpole, Sir Robert 214 Anm. 464 Walsh, John 269f. Anm. 628 Walther, Johann Gottfried 150f. Anm. 300 Weise, Friedrich 200, 221 Welf, Gf., Vater d. Ksn. Judith, Spitzenahn d. Welfen 229, 231, 314 Anm. 745 Welf III., Hzg. v. Kärnten 70 Anm. 63 Welf IV., Hzg. v. Bayern 67 Welf V., Hzg. v. Bayern 66 Welf VI., Hzg. v. Spoleto 209 Anm. 445

Welhausen, Conrad Christian 221 Wend, Christoph Gottlieb 244 Anm. 547, 275 Anm. 647, 276 Anm. 652 Wenzel I. d. Hl., Fst. v. Böhmen 203 Wenzel, Hzg., Kfst. v. SachsenWittenberg 248 Widukind, sächs. Dux 128, 140f. u. Anm. 258f., 168 u. Anm. 347, 170, 176, 182 Anm. 377, 210, 277, 283 Anm. 673 Widukind v. Corvey 168 u. Anm. 347, 170f., 180 Anm. 370 Wigbold, Mag. 298 u. Anm. 698 Wilhelm I. d. Eroberer, Kg. v. England 33, 315f. u. Anm. 751 Wilhelm (d. Fette), Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg 212 Wilhelm, Hzg. v. Braunschweig 129, 220, 225 Anm. 497 Wilhelm m. d. großen Beine, Hzg. v. Braunschweig- Lüneburg 247–249 Wilhelmine Amalie v. BraunschweigLüneburg, Ksn. 162 Woldemar, Mgf. v. Brandenburg 249f. Woldemar d. Falsche, Mgf. v. Brandenburg 249f. Wulfhild, Gem. Hzg. Heinrichs d. Schwarzen 239 Wyssenherre, Michel 90 Anm. 127 Zedler, Johann Heinrich 32 Anm. 124, 181 Anm. 374, 204 Anm. 430, 220 Anm. 485, 223, 250 Anm. 567, 273f., 287 Anm. 677, 290 Anm. 682, 307f. u. Anm. 728, 314 Anm. 745, 319, 323 Zeno, Apostolo 43f. u. Anm. 169, 174, 307 Anm. 724 Zenocarus (Snouckaert), Guillaume 319 Zesen, Philipp v. 265 Anm. 612