Lexikon deutscher Partikeln [1 ed.] 3324003105, 9783324003100

Helbig verweist in seinem „Lexikon deutscher Partikeln“ auf das Ungleichgewicht zwischen dem linguistischen Forschungsin

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German Pages 266 Year 1990

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Lexikon deutscher Partikeln [1 ed.]
 3324003105, 9783324003100

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LEXIKON deutscher Partikeln

Der Tee ist aber heiß’ Der Tee ist vielleicht heiß!

auch — sogar Auch Peter ist krank. Sogar Peter ist krank Nur Peter ist krank.

Ich komme ja schon. Ich komme doch schon.

eben — gerade — genau Eben dieser Arzt hat bei der Operation versagt. Gerade dieser Arzt hat bei der Operation versagt. Genau dieser Arzt hat bei der Operation versagt.

Wie heißt du denn? Wie heißt du eigentlich? ■ VF’

L-I

Er hat nur drei Briefe bekommen. Er hat erst drei Briefe bekommen.

Gerhard Helbig Lexikon deutscher Partikeln

LEXIKON deutscher Partikeln

Verlag Enzyklopädie Leipzig

Helbig, Gerhard: Lexikon deutscher Partikeln/Gerhard Helbig. -2., unveränd. Aufl. - Leipzig: Verlag Enzyklopädie, 1990. - 258 S. ISBN 3-324-00310-5

ISBN 3-324-00310-5 ©Verlag Enzyklopädie Leipzig, 1990 0817/02011090 Printed in the German Democratic Republic Lichtsatz: INTERDRUCK, Graphischer Großbetrieb Leipzig1/18/97 Druck und Einband: Druckhaus Aufwärts, Leipzig -111/18/20 Lektor: Helga Richter Einbandgestaltung: Rolf Kunze, Großpösna Redaktionsschluß: 15.4.1987 Bestell-Nr. 578 113 8

Vorwort

Dieses „Lexikon deutscher Partikeln“ ordnet sich in die Reihe von Lexika zu anderen Wortklassen (Präpo­ sitionen, Artikel, Konjunktionen) ein. Daß die Lexika solcher Funktionswörter für viele praktische Zwecke und unterschiedliche Benutzerkreise nützlich sind (z. B. für den Ausländer, aber durchaus nicht nur für ihn), wird sicher von niemandem bestritten. Die Parti­ keln weisen gegenüber den anderen Funktionswörtern Besonderheiten auf, die deshalb kaum erkannt worden sind, weil sie sehr lange von der Sprachwissenschaft vernachlässigt worden sind und erst in den letzten bei­ den Jahrzehnten stärker in das Blickfeld der For­ schung getreten sind. Aus diesem Grunde muß ein­ schränkend gesagt werden, daß viele Fragen auch noch nicht endgültig geklärt werden konnten. Während es z. B. nicht nur dem Linguisten, sondern auch schon dem Nicht-Fachmann klar ist, was subordinierende oder koordinierende Konjunktionen sind, was tempo­ rale, lokale oder kausale Konjunktionen oder Präposi­ tionen sind, was ein bestimmter oder ein unbestimm­ ter Artikel ist, ist selbst unter Linguisten heute noch nicht einhellig und endgültig geklärt, was man unter den Partikeln versteht, welche Klassen man zu unter­ scheiden hat, welche Funktionen sie haben und wie sie zu beschreiben sind. Dieser Umstand sollte nicht dazu (ver-)führen, eine lexikographische Darstellung der Partikeln vorerst aufzuschieben (dem widerspricht die dringende Notwendigkeit, gerade die Partikeln für einen breiteren Leserkreis aufzubereiten). Allerdings führt dieser Umstand zu einigen Besonderheiten die­ ses Lexikons: Auf der einen Seite wurde dem eigent­ lichen Wörterverzeichnis eine umfangreichere Einlei­ tung vorangestellt, die allgemeine Eigenschaften der Partikeln behandelt, in die oben genannten und in an-

6 dere Probleme der Partikeln einfuhrt und dem Leser —------- ein genaueres Bild dieser Wortklasse vermitteln soll. Der ausschließlich an praktischen Fragen orientierte Benutzer des Buches kann jedoch auch das Wörterver­ zeichnis ohne die Lektüre dieser Einleitung verwen­ den. Auf die Lektüre der Benutzungshinweise sollte indes nicht verzichtet werden. Auf der anderen Seite schien es ratsam, dem eigentlichen Wörterverzeichnis ein umfangreicheres Verzeichnis der Fachliteratur fol­ gen zu lassen, die nicht nur der Autor dankbar ausge­ wertet hat, die auch demjenigen Leser eine Hilfe sein soll, der sich über die praktische Nutzung des Lexi­ kons hinaus über die gleichermaßen interessanten wie schwierigen Fragen der Partikeln unter theoretischem Aspekt informieren will.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

11

1.

Die Bedeutung der Partikeln im Deutschen

2.

Zur linguistischen Beschreibung der Parti­ keln 13

3.

Was sind Partikeln?

4.

Merkmale der Partikeln

11

19

21

5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5.

Subklassen der Partikeln 27 Allgemeine Binnenklassifizierung 27 Abtönungspartikeln 32 Gradpartikeln 37 Steigerungspartikeln 46 Zu den Antwortpartikeln und den Negationsparti­ keln 49 5.6. Partikeln und „Gesprächswörter“ 52

Funktionen der Abtönungspartikeln 55 Prinzipien und Methoden zur Beschreibung der Partikeln 64 7.1. Allgemeine Methoden 64 7.2. Distributionsanalyse 65 7.3. Funktionsvarianten oder Gesamtbedeutung der Partikeln? 67

6. 7.

8.

Abgrenzungsprobleme bei homonymen PartikelLexemen 71

9.

Zur Kombinierbarkeit von Abtönungsparti­ keln 75

Zum Aufbau des Wörterverzeichnisses (Benutzungs­ hinweise) 77

8

Wörterverzeichnis

80

aber 80 absolut 82 allein 83 allerdings 84 also 86 annähernd 87 auch 88 ausgerechnet 94 ausgesprochen 95 ausschließlich 95 äußerst 96 außergewöhnlich 97 außerordentlich 98 beinahe 98 bereits 99 besonders 101 bloß 102 denn 105 direkt 110 doch 111 durchaus 120 eben 120 ebenfalls 125 ebenso 125 echt 127 eh 127 eigentlich 128 einfach 131 einigermaßen 134 einmal 135 einzig (einzig und allein) 135 erst 136 etwa 141 etwas 145 extrem 146 fast 147 ganz 147

gar 150 genau 152 gerade 154 geradezu 155 gleich 156 gleichfalls 157 halt 158 höchst 160 höchstens 160 hübsch 161 immer 161 immerhin 163 insbesondere 164 ja 165 jedenfalls 173 lediglich 174 mal 175 man 177 mindestens 178 nahezu 178 nicht 179 nicht einmal 182 nicht etwa 184 nicht gar 184 nicht gerade 184 nicht zuletzt 184 noch 185 nun 188 nun einmal 189 nur 189 ohnehin 194 recht »195 rein 196 restlos 197 richtig 197 ruhig 198 schließlich 199 schön 200

schon 201 sehr 211 selbst 212 so 214 sogar 218 sowieso 219 total 220 überaus 220 überdies/im übrigen überhaupt 222 übermäßig 224 übrigens 225 ungefähr 226 ungemein 226 ungewöhnlich 227

viel 228 vielleicht 228 völlig/vollkommen/ vollständig 232 vornehmlich 233 weit 233 weitaus/bei weitem 234 wenig 235 221 wenigstens 236 wesentlich 237 wohl 238 ziemlich 243 zu 244 zumal 246 zumindest 246

Literaturverzeichnis

248

9

Einleitung

1. Die Bedeutung der Partikeln im Deutschen Das Deutsche verfugt über eine beträchtliche Zahl von „kleinen Wörtern“, die unflektierbar sind und doch nicht einfach mit den anderen unflektierbaren Wör­ tern (den Konjunktionen, Präpositionen, Adverbien, Interjektionen) gleichgesetzt werden können. Solche Wörter (z. B. bloß, nur, denn, eben, etwa, schon, wohl in bestimmten Verwendungen gerade, genau, nur, so­ gar, selbst; sehr, weitaus, ganz, ziemlich) werden gewöhn­ lich Partikeln genannt (zur genaueren Begriffsbestim­ mung vgl. 3. und 4.), ohne daß diese Klasse von Wörtern als völlig einheitlich und homogen anzusehen wäre. Vielmehr bedarf sie einer weiteren Subklassifi­ zierung (vgl. 5.). Obwohl die Partikeln (vor allem die Subklasse der Abtönungspartikeln; vgl. 5.2. und 6.) relativ „bedeu­ tungsarm“ sind, folglich über sie den geläufigen Wör­ terbüchern und Grammatiken nicht viel Genaues zu entnehmen ist, werden sie im Deutschen sehr häufig verwendet, vor allem in der Alltagssprache (besonders im Dialog), aber auch bei den größten deutschen Schriftstellern. So haben Zählungen ergeben (vgl. Weydt, 1969, 4), daß auf 100 deutsche Gesamtwörter 13 Partikeln, auf 100 französische Gesamtwörter dage­ gen 7 Partikeln entfallen, daß 100 deutschen Partikeln folglich in der Frequenz nur 65 französische Partikeln entsprechen und daß deutsche Texte weit mehr Parti­ keln enthalten als die entsprechenden französischen Übersetzungen. In der Tat gilt die deutsche Sprache als besonders partikelreich im Verhältnis zu anderen Sprachen; dieser Umstand führt zu Schwierigkeiten

12 bei der Übersetzung der deutschen Partikeln, weil ---------- diese zumeist keine direkten Äquivalente in anderen Sprachen haben. Darüber hinaus gibt es Unterschiede innerhalb der deutschen Sprache: Die Schriftsprache ist weit partikelärmer als die partikelreiche Umgangsbzw. Alltagssprache. Ein Vergleich zwischen der Lite­ ratursprache, der Zeitungssprache und der Alltagsspra­ che hat zu dem Ergebnis geführt, daß sich im unge­ zwungenen Alltagsgespräch etwa dreimal so viele Partikeln (Abtönungspartikeln) finden wie im Zei­ tungsdeutsch (vgl. Weydt, 1969, 98ff). Die Häufigkeit von Partikeln hängt somit offensichtlich nicht primär von sozialen Unterschieden der Sprecher, auch nicht allein davon ab, ob der Text geschrieben oder gespro­ chen ist (es sind auch deutliche Unterschiede zwi­ schen Dialogen und nicht-wörtlicher Rede im Roman nachgewiesen worden), sondern von unterschiedlichen Texttypen, vor allem davon, ob sich der Sprecher di­ rekt an einen präsenten Partner (im Dialog) oder nur per Distanz an einen weder präsenten noch spezifizier­ ten Partner wendet. Verallgemeinert kann man sagen: Je umgangssprachlicher ein Text ist, desto partikelrei­ cher ist er in der Regel auch. Partikeln kommen häufi­ ger vor in gesprochener als in geschriebener Sprache, in der Umgangssprache des Alltags als in der gehobe­ nen Sprache, in spontaner als in geplanter Sprache, in dialogischer als in monologischer Sprache (vgl. Franck, 1980, 24): Alle diese Verteilungsverhältnisse verweisen auf die umgangssprachliche natürliche Kommunikation (als bevorzugten Verwendungsbe­ reich namentlich der Abtönungspartikeln). Aus der relativen „Bedeutungsarmut“ der meisten Partikeln, aus dem Umstand, daß sie oft weglaßbar zu sein scheinen und keine „greifbare“ Bedeutung auf­ weisen, darf keinesfalls auf ihre kommunikative Un­ wichtigkeit geschlossen werden. Ganz im Gegenteil: Sie drücken oft - mitunter so­ gar entscheidende - kommunikative Nuancen aus, die (auch wenn sie oft der Äußerung wenig sachliche In­ formation hinzufügen) keineswegs für unwesentlich

gehalten werden dürfen, weil sie der Sprache nicht nur 13 Flüssigkeit und Verbindlichkeit verleihen, sondern ----------auch ein bestimmtes „Gesprächsklima“ (Weydt u. a., 1983, 13) schaffen, die Konversation steuern, im Inter­ aktionskontext verankern und auf diese Weise auch ausdrücken, wie die Gesprächspartner zueinander ste­ hen, welche Voraussetzungen sie haben und welche Reaktionen erwartet werden. Ein Muttersprachler ver­ steht diese Nuancen gleichsam selbstverständlich, ohne sie aber in der Regel erklären zu können. Einem Ausländer bieten diese Nuancen jedoch er­ hebliche Schwierigkeiten, weil er sie nicht ohne weite­ res nachvollziehen kann. Ein Ausländer, der die deut­ sche Sprache lernt, ohne sich die Partikeln anzueig­ nen, würde ein sehr untypisches und hölzernes Deutsch erwerben, das sich wesentlich von dem Deutsch unterscheidet, das von deutschen Mutter­ sprachlern im deutschen Sprachgebiet verwendet wird. Daraus resultiert die Notwendigkeit der linguistischen Beschreibung der Partikeln. So will auch dieses Lexi­ kon dazu beitragen, die Funktionen der einzelnen Par­ tikeln zu verdeutlichen, einerseits für den Ausländer (um sie im Fremdsprachenunterricht lehrbar zu ma­ chen, um das genannte unübersehbare Defizit einer untypischen, partikellosen Sprache abzubauen), ande­ rerseits aber auch für die Muttersprachler (damit sie den unreflektierten Gebrauch der Partikeln erklären und die Partikeln auf diese Weise reflektierter und zielgerichteter einsetzen können).

2. Zur linguistischen Beschreibung der Partikeln Auf Grund ihrer hohen Frequenz und ihrer zentralen Bedeutung für den kommunikativen Sinn von Äuße­ rungen dürfen die Partikeln nicht als periphere Ele­ mente des Wortschatzes angesehen werden, wie das lange Zeit geschehen ist. Vor allem seitens der norma-

14 tiven Stilistik sind sie vielfach als „Flickwörter“ (sie ---------- wimmeln „wie Läuse im Pelz unserer Sprache herum“) (Reiners, 1944, 282 f; vgl. auch Riesel, 1969, 448) oder als „farblose Redefüllsel“ (Lindqvist, 1961, 24) denunziert worden, verbunden mit dem Ratschlag, auf solche Füllwörter zu verzichten. Diese Vorschriften der Stilistik werden der Bedeutung der Partikeln nicht nur- nicht gerecht, sondern haben die Einsichten in ihre Leistungen auch lange Zeit behindert. Ebenso un­ gerechtfertigt ist die - freilich wesentlich seltener an­ zutreffende - entgegengesetzte, aber ebenso pauschale Rechtfertigung der (Abtönungs-)Partikeln als „Einfühlungs- oder Erlebniswörter oder auch introspizierende Wörter“ mit der wesentlichen Aufgabe, „das Einfüh­ len, das Teilnehmen, das Miterleben, die Innenschau auszudrücken“ (Azzalino, 1950, 200). Dieser unbefriedigende Stand in der Beschreibung der Partikeln spiegelt sich naturgemäß in den meisten Wörterbüchern. Weil sie selbst nur eine geringe oder gar keine denotative Bedeutung haben, ihre Bedeu­ tung sich erst über den Kontext erschließen läßt, weil die Wörterbücher andererseits traditionell auf die autosemantischen Haupt-Wortarten ausgerichtet sind, werden sie häufig als „ohne eigentliche Bedeutung“ charakterisiert (vgl. Klappenbach/Steinitz, 1961 ff, 787, 1164 u. a.; vgl. dazu Malige-Klappenbach, 1981) - eine Charakteristik, die den Benutzern wenig Aufschluß gibt. Die Diskrepanz zwischen der Relevanz bestimmter Wortschatzbereiche (der „Funktionswörter“ über­ haupt, der Partikeln im besonderen) auf der einen Seite und ihrer unzulänglichen lexikographischen Dar­ stellung auf der anderen Seite (vgl. Lang, 1982, 72 ff.) war und ist unübersehbar. » Es handelt sich nicht nur um ein Ungleichgewicht in bezug auf die tatsächliche Sprachverwendung und die Wörterbuchdarstellung, sondern auch (das gilt vor allem für die letzten Jahrzehnte, in denen das For­ schungsinteresse an den Partikeln sprunghaft gestiegen ist) um ein Ungleichgewicht zwischen dem linguisti-

sehen Forschungsinteresse und der Umsetzung in die Wörterbücher, weil die Darstellung im Wörterbuch hinter der Forschungsentwicklung zurückgeblieben ist (was Ausdruck der generellen Diskrepanz zwischen linguistischer Theoriebildung und praktischer Lexiko­ graphie ist). Bemerkenswert ist dabei die Konvergenz zwischen Lexikographie und Fremdsprachenunter­ richt, die man als „prästabilierte Übereinstimmung“ bezeichnet hat (Bastert, 1985, 79): Diejenigen Wör­ ter, die im Fremdsprachenunterricht besondere Lern­ schwierigkeiten bereiten, sind auch in der Lexikogra­ phie schwer darzustellen. Genauer: Weil die Partikeln in den Wörterbüchern unbefriedigend dargestellt sind, fehlt die linguistische Grundlage für ihre Vermittlung im Sprachunterricht. Die Gründe für diesen unbefriedigenden Zustand sind mehrfacher Art. Sie liegen zunächst in den Parti­ keln selbst, in ihrer Komplexität und ihrer vielfachen Verwendbarkeit, in der Tatsache, daß sie sich nicht wie Autosemantika beschreiben lassen, daß sie sich auf Grund ihrer relativ geringen Bedeutung nur sehr schwer von Syntax und Semantik her (innerhalb einer ausschließlich systemorientierten Linguistik) darstel­ len lassen, daß die entsprechenden Lexeme sehr viel­ seitig verwendbar sind, in der Regel nicht nur in unter­ schiedlicher Funktion in mehreren Subklassen der Partikeln, sondern auch als Elemente anderer Wort­ klassen (z.B. Adverbien, Konjunktionen, Modalwörter, Satzäquivalente). Dazu kommen Gründe, die aus der Entwicklung der Sprachwissenschaft motiviert sind: Es gab keine Theorie der Partikeln, die Partikeln entzo­ gen sich den Fragestellungen sowohl der traditionellen als auch weitgehend der strukturalistischen und gene­ rativen Grammatik. Zusätzlich spielte wohl eine Rolle, daß sich die Sprachwissenschaft lange Zeit vornehm­ lich an der geschriebenen Sprache orientierte und da­ bei der hauptsächliche Verwendungsbereich der Parti­ keln ausgeblendet blieb (vgl. auch Krivonosov, 1977a, V). Diese Situation änderte sich sehr deutlich mit der

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16 „kommunikativ-pragmatischen Wende“ in der Lin---------- guistik (vgl. Helbig, 1986), mit der international (seit etwa 1970) zu beobachtenden Akzentverlagerung vom Zeichensystem der Sprache auf dessen Funktionen in der Kommunikation. Im Rahmen dieser Entwicklung entstand in den letzten beiden Jahrzehnten eine Fülle von Arbeiten zu den Partikeln, so daß man von einer „plötzlichen Blüte der Partikelforschung“ (vgl. Franck, 1979, 11) und von einer sich entwickelnden „Partikologie“ (Weydt, 1981a, 46) bzw. „Partikel-Lin­ guistik“ (Henne, 1979, 132) sprechen kann. Abgesehen von den vielen Einzelarbeiten (wie sie z. T. im Litera­ turverzeichnis angegeben sind), läßt sich das zuneh­ mende Interesse der germanistischen Linguistik an den Partikeln vor allem auch an der wachsenden Zahl von großen Monographien und Sammelbänden able­ sen, zwischen denen der Publikationsabstand immer kürzer geworden ist und die als repräsentativ für die heutige Partikelforschung gelten müssen: Krivonosov (1963a), Weydt (1969), Altmann (1976), Lütten (1977), Weydt (1977), Altmann (1978), Bublitz (1978), Weydt (1979), Franck (1980), Weydt (1981), Weydt (1983), Jacobs (1983), Bastert (1985), Doherty (1985), Hentschel (1986), Wolski (1986). Die­ ser Aufschwung der Partikelforschung führte natürlich noch nicht sofort zu einer adäquaten Darstellung in Wörterbüchern (Vorstellungen dazu etwa in Weydt/ Hentschel, 1983; Burkhardt, 1982; Baunebjerg/Wesemann, 1983; Bastert, 1985; Wolski, 1986), erst recht nicht ohne weiteres zu einem partikelfreundli­ chen Klima im Fremdsprachenunterricht (auch wenn die linguistischen Bemühungen um die Partikeln zu einigen Arbeiten im Hinblick auf den Fremdsprachen­ unterricht und damit zu Versuchen, einer didaktischen Umsetzung von Ergebnissen der Partikelforschung ge­ führt haben - vgl. vor allem Kemme, 1979; Helbig/ Kötz, 1981; Weydt/Harden/Hentschel/Rösler, 1983; Kötz, 1984). Wenn man die Frage stellt, warum die Partikeln seit damals so stark in den Vordergrund getreten sind,

müssen sicher mehrere Faktoren genannt werden. Auf Grund der bisherigen Entwicklung lag eine deutliche Lücke in der Grammatik und im Lexikon vor, die sich vor allem auf den Fremdsprachenunterricht und auf die Ubersetzungsproblematik negativ auswirkte, also eine Anforderung der Praxis an die Linguistik dar­ stellte. Sie konnte zunächst (in einer systemorientier­ ten Linguistik) nicht befriedigt werden wegen der Komplexität der Partikeln und ihren vielfältigen Funk­ tionen in der Kommunikation. Erst eine kommunika­ tiv-pragmatisch orientierte Linguistik konnte den Er­ klärungsrahmen für die Partikeln bereitstellen: Die seither entwickelten neueren Ansätze, die nicht mehr Phonem, Wort und Satz als Grundeinheiten auffassen, sondern Text, Sprechakt und Konversation, gestatten einen wesentlich adäquateren Zugriff zu den Partikeln. Dazu kommt, daß die Linguistik seitdem wesentlich empirischer geworden ist (sich nicht mehr ausschließ­ lich auf selbst erfundene, isolierte Satzbeispiele be­ schränkt, sondern sich stärker auf echte Gesprächssi­ tuationen und auch z.T. auf authentisches mündliches Sprachmaterial ausrichtet), daß - in den verschiede­ nen kommunikativ-pragmatischen Ansätzen - neue Methoden entwickelt worden sind, die auf den lange vernachlässigten Gegenstand angewandt worden sind (vgl. Franck, 1979, 11 f.; Weydt, 1981a, 45ff.). Da die kommunikativ-pragmatische Wende in der Sprachwissenschaft nicht völlig homogen war, sondern zur Entwicklung unterschiedlicher Theorien und Theorie-Ansätze (z. B. Textlinguistik, Sprechakttheo­ rie, Handlungstheorie, Konversationsanalyse) mit un­ terschiedlichem Methoden-Arsenal führte, konnte es nicht ausbleiben, daß auf die Partikeln unterschiedli­ che theoretische Konzepte und unterschiedliche Be­ schreibungsverfahren angewandt worden, daß sie zu einer Art „Brennpunkt“ verschiedener Methoden ge­ worden sind, in dem sich viele unterschiedliche theo­ retische Ansätze sammeln und an denen sie auch er­ probt werden (vgl. Weydt, 1981a, 45 ff.). Während die ersten größeren Arbeiten zu den Partikeln noch struk-

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18 turalistischen Traditionen verhaftet und entweder ---------- mehr distributionalistisch (wie Krivonosov, 1963 a) oder mehr funktional (wie Weydt, 1969) ausgerichtet waren, traten in den 70er und 80er Jahren als theoreti­ scher Erklärungshintergrund einerseits logische Me­ thoden (vor allem für die Gradpartikeln), andererseits die Sprechakttheorie und die Konversationsanalyse (vor allem für die Abtönungspartikeln) deutlicher zu­ tage. Diese divergierende Entwicklung brachte es mit sich, daß die unterschiedlichen Richtungen nicht nur unterschiedliche Antworten hervorbrachten, sondern bereits unterschiedliche Fragen an die Partikeln rich­ teten, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Parti­ keln betreffen, die aber Aspekte eines komplexen und vielfältigen Phänomens darstellen (und sich bei ihrer lexikographischen Erfassung ergänzen und deshalb in­ tegriert werden müssen). Bei diesen Forschungsergebnissen handelt es sich um eine weitgehend unkoordinierte und heterogene Menge von Einzeleinsichten (abhängig von den jewei­ ligen Theorie-Entwürfen), die zwar nicht die Komple­ xität der Leistungen der Partikeln erfassen, wohl aber ein fruchtbares und notwendig zu durchlaufendes Durchgangsstadium darstellen, deren Ergebnisse nicht einfach „negiert“ werden dürfen, vielmehr aufeinander bezogen und in ein komplexeres Modell eingeordnet werden müssen (vgl. auch Wolski, 1986, 323f., 351, 445). Das bedeutet keine schlichte Harmonisierung von Unverträglichkeiten, wohl aber werden dadurch Einseitigkeiten vermieden, die dann entstehen, wenn die bisherigen (heterogenen) Erkenntnisse überhaupt und/oder die unter alternativen theoretischen Ansät­ zen erreichten Einsichten ignoriert werden.

3. Was sind Partikeln? Der Terminus und Begriff „Partikel“ muß auch heute noch in jeder linguistischen Arbeit, in jeder Gramma­ tik und in jedem Wörterbuch speziell definiert werden, da er sehr uneinheitlich verwendet wird. Davon zeugt auch das Lexikon Sprachwissenschaftlicher Ter­ mini (1985, 182), das zunächst zwei verschiedene Be­ deutungen nebeneinanderstellt (1) synsemantische Wortart ohne Formveränderungen und nahezu ohne eigene Bedeutung; 2) Bezeichnung für unflektierbare Wörter schlechthin, d. h. Präpositionen und Konjunk­ tionen, manchmal auch einschließlich Adverbien), dann aber noch die „rangverleihenden Partikeln“ (in hervorhebender oder einschränkender Funktion wie z. B. allein, erst) hinzufügt. Der Begriff „Partikel“ wird in der linguistischen Literatur mindestens in vierfa­ cher Bedeutung gebraucht: 1) Unter den Partikeln werden alle unflektierbaren, d. h. weder konjugierbaren noch deklinierbaren noch komparierbaren Wörter verstanden. Danach würden zu den Partikeln die Konjunktionen, die Präpositionen, die Adverbien, die Modalwörter, ei­ nige Negationswörter und die Partikeln im engeren Sinne gehören. Eine solche weite Auffassung der Partikeln (der Umfang des Begriffes „Partikel“ ist bei dieser Interpretation am größten) basiert auf morphologischen Kriterien der Wortartklassifizie­ rung, schließt hingegen semantische und syntakti­ sche Kriterien weitgehend aus. Ein solches Ver­ ständnis der Partikeln war in den traditionellen Grammatiken vielfach anzutreffen, findet sich aber auch noch in der Gegenwart (vgl. z. B. Kleine En­ zyklopädie, Bd. 2, 1970, 896f; Duden, 1973, 62). Wie auf der einen Seite der Begriff „Adverb“ sehr weit gefaßt wird (so daß er die Modalwörter und Partikeln einschließt), so dehnt sich auf der ande­ ren Seite die Bezeichnung „Partikel“ immer mehr aus (so daß sie Konjunktionen, Präpositionen, Ad­ verbien und Modalwörter einschließt).

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2) In einem etwas engeren Sinne werden unter Parti­ keln nicht alle unflektierbaren Wörter verstanden, sondern nur (a) die Negationspartikeln, (b) die Mo­ dalwörter und (c) die „modalen“ bzw. „emotional­ expressiven Partikeln“: (a) Er arbeitet nicht. (b) Er arbeitet hoffentlich. (c) Er arbeitet doch. Eine solche Gruppierung findet sich z.B. bei Erben (1964, 157), der diese drei Gruppen als „Partikeln“ oder „Satzadverbien“ zusammenfaßt, sie also wort­ klassenmäßig nicht grundsätzlich von den Adver­ bien trennt. An anderer Stelle tauchen bei ihm „Rangier-Glieder“ auf (Erben, 1964, 265), die ver­ standen werden als „rangverleihende Partikeln der Hervorhebung oder Einschränkung“ (mit oft „appositiver“ Zuordnung zu Satzgliedern verschiedener Art):

(d) Allein der Arzt konnte hier entscheiden. 3) In einem noch engeren Sinne werden unter Parti­ keln nach syntaktischen Kriterien nur solche un­ flektierbaren Wörter verstanden, die eine eigene Wortklasse darstellen und sich von den Adverbien und Modalwörtern, erst recht von den Präpositio­ nen und Konjunktionen unterscheiden. Danach wären Partikeln solche morphologisch unflektierba­ ren Wörter, die über keine solchen syntaktischen Funktionen verfugen, wie sie den Wörtern anderer unflektierbarer Wortklassen (z. B. den Adverbien, Modalwörtern, Präpositionen und Konjunktionen) zukommen (vgl. Helbig/Buscha, 1972, 428ff.; vgl. auch Admoni, 1972, 207 f.). % 4) Schließlich werden die Partikeln im engsten Sinne verstanden als Restgruppe der unflektierbaren Wör­ ter, die - im Unterschied zu den Interjektionen keinen Satzwert, - im Unterschied zu den Adver­ bien - keinen Satzgliedwert, - im Unterschied zu den obengenannten „Rangier-Gliedern“ - keinen

Satzgliedteilwert und - im Unterschied zu den Prä­ 21 positionen und Konjunktionen - keinen Fügteil- ---------Charakter haben (vgl. Heidolph u. a., 1981, 490f., 683, 688 f.). Auf diese Weise werden die Partikeln auf die „Modalpartikeln“ reduziert (die Grad- und Vergleichspartikeln werden aus den Partikeln aus­ geschlossen und den Adverbien zugeordnet). Mit­ unter wird diese Gruppe sogar - mindestens in der Interpretation, wenn nicht auch im Umfang - wei­ ter (vor allem unter stilistisch-kommunikativem Aspekt) eingeschränkt und zu „Würz-“ oder „Fär­ bewörtern“ abgestempelt (vgl. Schröder, 1965, 31 ff.), was nach dem heutigen Erkenntnisstand der Funktion auch dieser eingeschränkten Restgruppe nicht gerecht wird. Wir entscheiden uns für die Interpretation 3), weil sie einerseits - gegenüber den Interpretationen 1) und 2) - eine größere Differenzierung der Partikeln gegen­ über den anderen unflektierbaren Wortarten ermög­ licht, weil sie andererseits - gegenüber der Interpreta­ tion 4) - eine Reduktion der Partikeln auf die modalen (oder „expressiven“) Partikeln ausschließt. Diese modalen Partikeln werden vielmehr als Sub­ klasse der Partikeln aufgefaßt (neben anderen Subklas­ sen). Eine Subklassifizierung der Partikeln ist deshalb zu einem dringenden Desiderat geworden (vgl. aus­ führlicher 5.).

4. Merkmale der Partikeln Aus der unter 3. genannten Interpretation 3) lassen sich folgende Merkmale ableiten, die die Partikeln von anderen Wortklassen, auch und gerade von den ande­ ren unflektierbaren Wortklassen abgrenzen:

1) Die Partikeln können keine selbständigen Satzglie­ der, sondern nur Teile von Satzgliedern sein. Das unterscheidet sie sowohl von den Adverbien, die als Satzglieder auftreten, als auch von den Modalwör-

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tern, die mehr als Satzglieder sind (weil sie in der zugrunde liegenden Struktur latente Sätze und folglich in Sätze transformierbar sind), von den In­ terjektionen und anderen Satzäquivalenten (die außerhalb des Satzverbandes stehen) (vgl. Helbig/ Buscha, 1984, 475 ff.). 2) Weil die Partikeln keine selbständigen Satzglieder sind, sind sie in der Regel auch nicht allein erststel­ lenfähig: Sie können nicht allein (als einziges Stel­ lungsglied) die Position vor dem finiten Verb im deutschen Aussagesatz (Hauptsatz) einnehmen.

(1) Er hat die Prüfung ziemlich gut bestanden. (Partikel) (2) Er hat die Prüfung ja gut bestanden. (Partikel) (3) Er hat die Prüfung diesmal gut bestanden. (Adverb) (4) Er hat die Prüfung sicher gut bestanden. (Modalwort)

(la) ^Ziemlich hat er die Prüfung gut bestanden. (lb) Ziemlich gut hat er die Prüfung bestanden. (2a) Va hat er die Prüfung gut bestanden. (2b) *Ja gut hat er die Prüfung bestanden. (3a) Diesmal hat er die Prüfung gut bestanden. (4a) Sicher hat er die Prüfung gut be­ standen. (4b) Sicher, er hat die Prüfung gut be­ standen. Modalwörter sind (das ergibt sjch aus ihrem unter 1) angedeuteten Charakter) sowohl erststellenfähig (4a) als auch abgesondert möglich (4b), Adverbien sind erststellenfähig (3a), während Partikeln in der Regel weder erststellenfähig noch abgesondert mög­ lich sind. 3) Partikeln können auf Grund ihrer fehlenden Satz-

gliedschaft nicht erfragt werden, d. h., sie sind als 23 selbständige Antworten nicht möglich. Das unter- ---------scheidet sie einerseits von den Adverbien, die - da sie Satzglieder sind - als selbständige Antworten auf Ergänzungsfragen (Satzgliedfragen) auftreten, andererseits aber auch von den Modalwörtern, die - da sie latente Sätze sind - als selbständige Antworten auf Entscheidungsfragen (Satzfragen) erscheinen:

(lc) Wie gut hat er die Prüfung bestanden? xZiemlich. (2c) Wie gut hat er die Prüfung bestanden? xJa. (3 b) Wann hat er die Prüfung bestanden? Diesmal. (4c) Hat er die Prüfung gut bestanden? Sicher. Modalwörter antworten auf Satzfragen, Adverbien auf Satzgliedfragen, Partikeln auf überhaupt keine Fragen:

(5) Kommt er heute? (Satzfrage)

Sicher. xSpät. xZiemlich. xNur.

(6) Wann kommt er heute? (Satzgliedfrage)

xSicher. Spät. xZiemlich. xNur.

4) Partikeln tragen nichts zu den Wahrheitsbedingun­ gen von Aussagesätzen (d. h. zu den Sachverhalten, die ausgesagt werden) bei, berühren also die Wahr­ heitswerte von Sätzen (in denen sie stehen) nicht (vgl. Bartsch, 1979, 367ff.; Franck, 1980): (7) Er hat eben das Spiel verloren. (Abtönungs-)Partikel (= Er hat das Spiel verloren.)

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(8) Sogar der Arzt konnte ihm nicht helfen. (Grad-)Partikel (= Der Arzt konnte ihm nicht helfen.)

Der Satz mit Partikel entspricht im Wahrheitswert dem Satz ohne Partikel. Was die Partikeln jeweils dem Satz ohne Partikel hinzufugen, sind Informa­ tionen anderer Art, die sich von Subklasse zu Sub­ klasse der Partikeln unterscheiden (vgl. unter 5.), aber nicht die Wahrheitsbedingungen tangieren. 5) Daraus resultiert der Eindruck, daß die Partikeln in den Sätzen, in denen sie stehen, eliminiert werden können, ohne daß die betreffenden Sätze (syntak­ tisch) ungrammatisch werden, ohne daß dabei von der semantischen Information (im Sinne des Wahr­ heitswertes) etwas verlorengeht. 6) Obwohl die Partikeln in diesem Sinne eliminierbar sind, modifizieren sie die Äußerung in bestimmter Weise (teils semantisch, teils pragmatisch). Wie sie die Äußerung modifizieren und auf welche Teile des Satzes (Satz als Ganzes, einzelne Teile des Sat­ zes usw.) diese Modifizierung bezogen ist, ist je­ doch eine Frage, in der sich die Subklassen der Par­ tikeln (vor allem: Abtönungspartikeln, Gradparti­ keln, Steigerungspartikeln) erheblich voneinander unterscheiden (vgl. genauer 5.). Die genannten Merkmale stehen in einem geordneten Zusammenhang miteinander: Die Merkmale 1) bis 3) sind syntaktischer, die Merkmale 4) bis 6) semanti­ scher Art. Für die syntaktischen Merkmale grundle­ gend ist 1), während 2) und 3) Oberflächenreflexe von 1) und 2) und zugleich als operationelle Kriterien be­ nutzbar sind. Bei den semantischen Merkmalen lassen sich 5) und 6) vom grundlegenden‘Kriterium 4) ablei­ ten. Dieser Komplex von Merkmalen erlaubt es, die Partikeln als Wortklasse von anderen unflektierbaren Wortklassen abzuheben, sie auch zu unterscheiden von den Wortarten, von denen sie oft nicht deutlich unterschieden worden sind: den Adverbien (vgl. die

„Satzadverbien“ bei Erben (1964, 157)) oder den „ad25 jungierten Adverbialia“ bei Engel (1968, 85) und den ---------Modalwörtern (noch vermischt z. B. bei Weydt (1969, Titel und Untertitel!) und bei Saidow (1967, 203 ff.; 1969, 313 ff.). Der Komplex der genannten Merkmale läßt auch deutlich werden, daß eine beliebige Zusam­ menstellung von ungeordneten Merkmalen für die Par­ tikeln (wie sie häufig vorgenommen worden ist; vgl. z. B. Michelevic, 1958, 95; Krtvonosov, 1977a, llf; Trömel-Plötz, 1979; Rudolph, 1979, 144f; Spranger, 1972, 293) nicht genügt. Der Blick wird oft ge­ trübt dadurch, daß einzelne Merkmale überbetont oder verabsolutiert werden oder worden sind: Das gilt besonders für die Erststellenfähigkeit (vgl. z.B. Engel, 1968, 85), gilt aber auch für den „expressiven“ (oder „abtönenden“) Charakter (die Partikeln werden da­ durch auf die Subklasse der „Abtönungspartikeln“ oder gar auf „Würzwörter“ reduziert), gilt auch für die ausschließliche Beziehung der Partikeln auf das Verb und/oder ihre generelle Unbetonbarkeit (vgl. z. B. Weydt, 1969, 70; Iwasaki, 1972, 106). Bestimmte (nach unseren gegenwärtigen Einsichten nicht mehr zutreffende) Verallgemeinerungen haben sich dadurch herausgebildet, daß Eigenschaften einer Subklasse auf die Gesamtheit der Partikeln übertragen worden sind, daß zwischen den einzelnen Subklassen nicht genü­ gend differenziert worden ist (vgl. dazu kritisch bereits Krtvonosov, 1982, 487ff). Durch die zunehmende Differenzierung der Parti­ keln müssen auch manche Merkmale, die ihnen früher zumeist zugeschrieben worden sind (oft sogar an zen­ traler Stelle), angezweifelt oder eingeschränkt werden. Das betrifft vor allem die Unbetontheit bzw. Unbeton­ barkeit, mit deren Hilfe man glaubte, alle betonten (betonbaren) Lexeme aus der Klasse der Partikeln aus­ schließen zu können. Inzwischen hat sich jedoch her­ ausgestellt, daß nicht nur die Gradpartikeln, sondern auch einige Abtönungspartikeln in bestimmten Funk­ tionen betont sein können oder sogar müssen (weitere Beispiele vgl. im Wörterverzeichnis):

26

(9) Wie heißt du denn (, wenn du nicht Peter heißt)? (10) Komm ja nicht zu spät! Auch einige der oben genannten Merkmale bedürfen einiger Einschränkungen: Vor allem die fehlende Erststellenfähigkeit muß für eine bestimmte Gruppe von Abtönungspartikeln als Kriterium aufgegeben wer­ den, da - im Unterschied zu der Mehrzahl der Abtö­ nungspartikeln - diese Gruppe (allerdings, immerhin, je­ denfalls, ohnehin, schließlich, sowieso, überhaupt) durch­ aus erststellenfähig ist (die Position vor dem finiten Verb im deutschen Aussagesatz allein einnehmen kann), ohne daß sich dabei die Bedeutung des Satzes ändert (man also von einem Übergang in eine andere Wortklasse - etwa der Adverbien oder der Konjunktio­ nen - sprechen könnte). Dies hat zu einer Zweiteilung der Subklasse der Abtönungspartikeln geführt: (vgl. vor allem Weydt, 1969, 68f; Weydt/Hentschel, 1983, 4f; Hentschel, 1983, 46; Baunebjerg/Wesemann, 1983, 129f):

a) Abtönungspartikeln im engeren Sinne bzw. „echte“ Abtönungspartikeln (sind nicht erststellenfähig, ha­ ben aber Homonyme in anderen Wortklassen); b) Abtönungspartikeln im weiteren Sinne bzw. „abtö­ nungsfähige“ Partikeln (sind erststellenfähig, haben aber keine Homonyme in anderen Wortarten): (lla) Er hat das Spiel eben verlören. (Partikel, Gruppe a)) (llb) Eben hat er das Spiel verloren. (Adverb) (12a) Er hat immerhin gut gefrühstückt. (Partikel, Gruppe b)) (12b) Immerhin hat er gut gefrühstückt. » (Partikel)

Weiterhin gibt es Einschränkungen spezieller Art hin­ sichtlich der Stellung und der Permutierbarkeit, hin­ sichtlich des isolierten Vorkommens und hinsichtlich der Wahrheitsbedingungen, Einschränkungen, die je­ doch Sonderfälle betreffen bzw. sich in den einzelnen

Subklassen der Partikeln unterschiedlich auswirken, die deshalb bei den einzelnen Subklassen erwähnt wer­ den.

5.

Subklassen der Partikeln

5.1. Allgemeine Binnenklassifizierung

Umstritten ist nicht nur die Abgrenzung der Partikeln gegenüber anderen unflektierbaren Wortarten - sie wird erschwert durch den Umstand, daß die meisten als Partikeln verwendeten Lexeme zugleich in anderen Wortklassen Vorkommen (vgl. dazu 8.) -, umstritten ist auch und erst recht die Binnenklassifizierung der Partikeln, d.h. die Gesamtaufteilung des Bereichs, den man als Partikeln (im Sinne der Interpretation 3) unter 3.) bezeichnet (vgl. auch Bastert, 1985, 31). Klar ist, daß die Klasse der Partikeln insgesamt sehr grob und heterogen ist, daß sie folglich einer weiteren Subklassi­ fizierung bedarf. Frühzeitig ist auch der Unterschied zwischen „modalen“ Partikeln und „logischen“ („nicht-modalen“) Partikeln in das Blickfeld getreten (vgl. Krivonosov, 1963a; 1963b; 1977c, 352; 1982, 489), mitunter sogar bei der gleichen Wortform: (13) Wo habe ich nur die ganze Zeit meine Augen gehabt? (modale Partikel) (14) Er hat nur ein gesundes Auge. (logische Partikel) Es handelt sich in der Tat um zwei verschiedene Grup­ pen von Partikeln (die modalen Partikeln beziehen sich auf das Prädikat und den gesamten Satz, die logi­ schen Partikeln nur auf ein Satzglied), die unter­ schiedliche Eigenschaften und Funktionen haben (vgl. auch Gerstenkorn, 1976, 247). Das führte zu einer Differenz zwischen solchen Par­ tikeln, bei denen die semantische Funktion dominant

27

28 ist (wie bei den „logischen“ Partikeln), und solchen, ---------- bei denen die kommunikative Funktion dominant ist (wie bei den „modalen“ Partikeln) (vgl. Helbig/Kötz, 1981, 16ff; Helbig/Buscha, 1984, 476ff.). Eine solche Zweiteilung erwies sich zwar als ein Schritt in die rich­ tige Richtung, aber als nicht ausreichend, da - abgese­ hen von der etwas unglücklichen Terminologie „mo­ dal“ versus „logisch“ - mindestens die Partikeln mit primär semantischer Funktion einer weiteren Differen­ zierung bedürfen. Eine solche weitere Differenzierung ist schon deshalb nötig, weil inzwischen die Gradparti­ keln (vgl. Altmann, 1976; 1978; Jacobs, 1983), die Antwortpartikeln (vgl. Baunebjerg, 1981), die Tempo­ ralpartikeln (vgl. Brausse, 1986) und andere Gruppen in das Blickfeld der linguistischen Forschung getreten und z. T. auch als eigenständige Subklassen etabliert worden sind. Darüber hinaus ist zunehmend deutli­ cher geworden, daß auch die „modalen“ Partikeln (mit dominanter kommunikativer Funktion) über eine se­ mantische Bedeutung verfügen, die die Grundlage für die kommunikative Verwendung in unterschiedlichen Funktionen ist (vgl. Doherty, 1985; Wolski, 1986) auch wenn diese Bedeutung nicht ohne Beziehung auf die Verwendungstypen studiert werden kann, relativ wenig speziell ist und gegenwärtig noch nicht in jedem Falle eindeutig ermittelt worden ist (werden kann). Freilich gibt es bisher keine allerseits akzeptierte Subklassifizierung der Partikeln (was zusätzlich noch durch eine uneinheitliche Terminologie erschwert wird). Es werden in der Literatur (vgl. vor allem Alt­ mann, 1976, 3; Bussmann, 1983, 371 f.) im allgemeinen folgende Subklassen genannt (die uns als vorläufiger Ausgangspunkt dienen sollen): 1) Abtönungspartikeln oder Modatpartikeln (manch­ mal auch: Satzpartikeln, Einstellungspartikeln): aber, auch, bloß, denn, doch, eben, etwa, halt, ja, schon, vielleicht, wohl; allerdings, immerhin, jeden­ falls ... 2) Gradpartikeln (oder Rangierpartikeln - entspre-

3)

4) 5) 6) 7) 8) 9)

chend den Rangier-Gliedern Erbens): auch, ausge­ rechnet, eben, genau, besonders, gerade, nur, selbst, so­ gar ... Steigerungspartikeln (oder Intensifikatoren oder Gradmodifikatoren): außerordentlich, etwas, ganz, höchst, sehr, weitaus, ziemlich ... Temporalpartikeln: erst, noch, schon Antwortpartikeln (manchmal auch: Satzpartikeln): ja, nein, doch; eben, doch, genau ... Vergleichspartikeln: wie, als, denn Interjektionspartikeln: ah! nanu! oweh! ... Negationspartikeln: kein, nicht ... Infinitivpartikel: zu.

Auf Grund dieser Auflistung ist für die Zwecke dieses Lexikons zu entscheiden, welche der genannten Klas­ sen als Subklassen der Partikeln (im Sinne der Inter­ pretation 3) unter 3.) anzunehmen sind, d. h. welche Klassen (oder Teile von Klassen) im theoretischen Sin­ ne nicht in vollem Maße den Merkmalen der Partikeln entsprechen, welche Klassen (gegebenenfalls) aus prak­ tischen Gründen zusätzlich in das Wörterverzeich­ nis aufgenommen werden sollen. Zweckmäßigerweise beginnen wir mit den Klassen, die am ehesten (und wohl auch eindeutig) ausgesondert werden können. Die Vergleichspartikeln werden deshalb ausge­ schlossen, weil ihre (gelegentliche) Zuordnung zu den Partikeln eher eine Verlegenheitslösung zu sein scheint, die darauf zurückzuführen ist, daß man die entsprechenden Lexeme nicht eindeutig den Präposi­ tionen oder Konjunktionen zuordnen kann (oder will). In Wahrheit gehören sie zweifelsfrei zu den Fügewör­ tern, und es hängt von den angenommenen Kriterien ab (Position oder Kasusrektion), ob sie als Präpositio­ nen oder als Konjunktionen anzusehen sind. Ebenso ausgeschlossen werden können die Inteijektionspartikeln, weil sie - als Satzäquivalente - nicht in den Satz integrierbar sind, sondern stets außerhalb des Satzverbandes (abgesondert oder isoliert) stehen (vgl. Helbig/Buscha, 1984, 529f.). Schwieriger ist die Ent-

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30 Scheidung bei den Antwortpartikeln, da diese Sub---------- klasse uneinheitlich ist: Auf der einen Seite stehen mit ja, nein, doch eindeutige Satzäquivalente, die als Ant­ worten auf Entscheidungsfragen stehen und - ähnlich wie die Interjektionen - nicht in den Satzverband in­ tegrierbar sind, auf der anderen Seite jedoch auch Wörter (z. B. eben, doch), die zwar außerhalb des Satz­ verbandes stehen, jedoch keineswegs nur als Antwor­ ten auf Entscheidungsfragen (sondern auch als Replik auf Aussagesätze) stehen und in einer Funktion ver­ wendet werden, die der Funktion als Partikel innerhalb des Satzes weitgehend entspricht (sie können oft sogar als Reduktion eines Satzes verstanden werden), die deshalb - mindestens aus praktischen Gründen nicht aus der lexikographischen Beschreibung der Par­ tikeln ausgeschlossen werden sollten. Die Temporal­ partikeln (vgl. Brausse, 1986) haben sich zwar als se­ mantisch abgrenzbares Feld erwiesen, stehen aber im Zusammenhang mit den Gradpartikeln und folgen weitgehend deren Regularitäten, so daß die Annahme einer spezifischen Subklasse von Temporalpartikeln mindestens für unsere Zwecke - nicht notwendig er­ scheint. Die Gruppe der Negationspartikeln ist mor­ phologisch nicht einheitlich, da sie auch flektierbare Elemente (z.B. kein) einschließt, die per defmitionem nicht zu den Partikeln gehören. Es bleiben jedoch we­ sentliche Elemente (nicht als Satz- und Sondernega­ tion) übrig, die zwar gegenüber den allgemeinen Merk­ malen der Partikeln einige Besonderheiten aufweisen (vgl. 5.5.), aber aus theoretischen wie praktischen Er­ wägungen in das Wörterverzeichnis aufgenommen werden. Ebenso aufgenommen wird die Infinitivparti­ kel zu, deren Besonderheit - gegenüber den allgemei­ nen Merkmalen der Partikeln - darin besteht, daß sie keinen semantischen und keineh kommunikativen Wert hat (daß sie auch nichts abtönt, graduiert oder steigert - wie die Partikeln anderer Subklassen), daß sie nur ein syntaktisches Signal (für den Infinitiv) dar­ stellt, das jedoch nicht eliminiert werden kann (ohne daß der Satz ungrammatisch wird).

Nach dieser Aussonderung bleiben für die weitere Darstellung folgende Subklassen (die im folgenden nä­ her charakterisiert werden): 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Abtönungspartikeln Gradpartikeln Steigerungspartikeln Antwortpartikeln Negationspartikeln Infinitivpartikel.

Für die Gruppe 1) verwenden wir den Terminus „Abtö­ nungspartikeln“ (seit Weydt, 1969, eingebürgert) - im Unterschied zu den anderen Termini, vor allem zu dem häufigen Terminus „Modalpartikeln“ (vgl. z. B. Krtvonosov, 1963a; 1963c; 1977a; 1977c; 1978; Bu­ blitz, 1978; Bastert, 1985; Wolski, 1986), weil mit der „Modalität“ die Funktion der Abtönungspartikeln nur sehr vage umschrieben ist und außerdem eine Ver­ mengung mit den „Modalwörtern“ vermieden werden soll. Auch der Terminus „Einstellungspartikel“ (vgl. Doherty, 1985, 15) trifft nur eine - wenn auch sehr wesentliche - Funktion dieser Subklasse; der Termi­ nus „Satzpartikel“ (vgl. z. B. Hartmann, 1975) wird schon deshalb vermieden, weil er auch für die Sub­ klasse der Antwortpartikeln gelegentlich verwendet wird. Für die Gruppe 2) verwenden wir - mit Altmann (1976; 1978) - den Terminus „Gradpartikeln“, weil das ebenfalls übliche „Rangierpartikel“ (vgl. Clement/ Thümmel, 1975, 83 ff.) sich vornehmlich nur auf die syntaktische Ebene bezieht. Schließlich ziehen wir für die Gruppe 3) die Bezeichnung „Steigerungspartikeln“ vor, da es sich sowohl um Intensifikatoren als auch um De-Intensifikatoren handelt (vgl. Pusch, 1981, 32 ff). Der für die Steigerungspartikeln auch manchmal ver­ wendete Terminus „graduierende Partikeln“ (vgl. Schmidt, 1985, 241 ff.) trifft zwar sachlich zu, könnte aber zu einer Vermischung mit den Gradpartikeln füh­ ren (als deren Subklasse sie z.B. bei Schmidt auch er­ scheinen).

31

5.2. Abtönungspartikeln

32

Die Merkmale für die Abtönungspartikeln sind in der Literatur mehrfach zusammengestellt worden (vgl. z.B. Krivonosov, 1977a, 11 f.; 1977b, 187ff.; 1978, 12; Ger­ stenkorn, 1976, 113; Kemme, 1979, 6ff.; Lieb, 1977, 155 ff.; Iwasaki, 1977, 65f.; Becker, 1976, 6f; Bu­ blitz, 1978, 36ff; Franck, 1980, 20ff; Gornik-Gerhardt, 1981, 33 ff.; Bastert, 1985, 32). Am bekannte­ sten und folgenreichsten ist wohl die Charakteristik von Weydt (1969, 68; 1977a, 217f.) gewesen, der fol­ gende Merkmale für die Abtönungspartikeln angenom­ men hat: a) Sie sind unflektierbar. b) Sie dienen dazu, die Stellung des Sprechers zum Gesagten auszudrücken. c) Sie können nicht in gleicher Bedeutung eine Ant­ wort auf eine Frage bilden. d) Sie können nicht die erste Stelle im Satz ausfüllen. e) Sie beziehen sich auf den ganzen Satz. f) Sie sind immer unbetont. g) Sie sind in den Satz integriert. h) Sie haben einen Lautkörper, der anders akzentuiert ist oder in anderer syntaktischer Stellung minde­ stens noch eine andere Bedeutung hat und dann einer anderen Funktionsklasse angehört. Diese Merkmale, die nicht vollständig sind, sind von anderen Autoren z. T. übernommen, z. T. aber auch modifiziert und ergänzt worden. Zusätzlich werden vor allem folgende Merkmale genannt:

Sie sind weder selbständige Satzglieder (vgl. d)), noch können sie als Satzäquivalente auftreten (vgl. c)) (vgl. Krivonosov, 1977a, llf; 1977b, 211 ff.; Iwasaki, 1977, 65 f.). ‘ k) Sie bilden zusammen mit einem anderen Wort (dem Verb) ein Satzglied, gehören zum Prädikat und stellen zusammen mit dem Verb eine intona­ torische Einheit (ein „phonetisches Wort“) dar (vgl. Krivonosov, 1977b, 187 ff). i)

l) m)

n)

o)

p) q)

Sie sind syntaktisch immer fakultativ, d. h. ohne 33 Gefahr für die Grammatikalität des Satzes weglaß- ---------bar (vgl. z.B. Franck, 1980, 20ff.). Sie haben keine selbständige lexikalische Bedeu­ tung und tragen nichts zur sachlichen Information des Satzes (zu den Wahrheitsbedingungen von Sätzen) bei, können deshalb auch unter semanti­ schem Aspekt weggelassen werden (vgl. z. B. Kri­ vonosov, 1977a, 11 f.; Iwasaki, 1977, 65f.; Bublitz, 1978, 36ff). Sie sind statt dessen Signale für die Stellung­ nahme des Sprechers zur Proposition (vgl. b)) (vgl. Hartmann, 1975, 234f.), sind „Ausdrucksweisen der Sprechereinstellung“ (Bublitz, 1978; vgl. auch Doherty, 1985, 15), haben deshalb eher eine meta-kommunikative Funktion (als Signale an den Hörer, wie er die in der Äußerung enthaltene In­ formation aufnehmen bzw. auf sie reagieren sollte) (vgl. Kemme, 1979, 6 ff.). Sie haben deutliche Restriktionsbeschränkungen hinsichtlich ihres Vorkommens in Aussage-, Frage- und Aufforderungssätzen, weil sie mit un­ terschiedlichen Sprechhandlungen verbunden sind (vgl. Weydt, 1969; Franck, 1980, 20ff; Helbig/ Kötz, 1981, 23ff; Gerstenkorn, 1976, 113; Do­ herty, 1985). Sie sind kurze, in der Regel einsilbige Wörter (vgl. Bublitz, 1978, 36ff; Gornik-Gerhardt, 1981, 33 ff.). Sie stehen im Satz nach dem finiten Verb; zwi­ schen finitem Verb und Abtönungspartikel können andere (unbetonte) Glieder stehen. Die Abtö­ nungspartikeln sind in gewisser Weise permutier­ bar und flexibel (ähnlich wie die Sondernegation) (vgl. Bublitz, 1978, 36ff; Franck, 1980, 20ff; Gornik-Gerhardt, 1981, 33 ff.). Sie stehen an der Grenze zwischen Thema und Rhema, also immer vor dem Rhema und sind auf diese Weise an der kommunikativen Gliederung des Satzes beteiligt

34

(vgl. Krivonosov, 1977b, 187f.; Hentschel, 1983, 48). r) Abtönungspartikeln sind nicht negierbar - wie auch die anderen Elemente mit Satzskopus, d. h. mit dem gesamten Satz als Bezugsbereich (z.B. die Modalwörter) nicht negierbar sind - und stehen deshalb vor dem Negationswort (vgl. Gornik-Gerhardt, 1981, 33 ff.): (15a) Das ist doch nicht wahr. (15b) xDas ist nicht doch wahr. Diese Inventarisierung kann nur als erster Anhalts­ punkt dienen, weil sie ungeordnete Merkmale sehr un­ terschiedlicher Ebenen enthält, in ihr auch Merkmale enthalten sind, die nicht nur für die Subklasse der Ab­ tönungspartikeln, sondern für die gesamte Klasse der Partikeln charakteristisch sind, weiterhin Merkmale (diese wieder nicht komplex genug - vgl. c), n)), die schon die mehrfachen Leistungen der Abtönungsparti­ keln betreffen (vgl. genauer unter 6.), schließlich Merkmale, die mindestens relativiert, wenn nicht auf­ gegeben werden müssen. Wenn wir von ganz allgemei­ nen Merkmalen (z. B. der Unflektierbarkeit; vgl. 3.) und von solchen Merkmalen, die für die gesamte Klasse der Partikeln zutreffen (vgl. 4.) absehen, müs­ sen der Subklasse der Abtönungspartikeln - im Un­ terschied zu den anderen Subklassen der Partikeln, vor allem zu den Grad- und den Steigerungspartikeln folgende Eigenschaften zugesprochen werden: 1) Die Abtönungspartikeln beziehen sich nicht auf einzelne Satzglieder, sondern auf das Prädikat und damit auf den ganzen Satz. Weil sie stets Konstitu­ ente des Gesamtsatzes sind, können sie nicht einer speziellen Konstituente des Satzes zugeordnet wer­ den. Bei ihnen ist keine direkte syntaktische oder semantische Zuordnung zu einem anderen Satz­ glied erkennbar. 2) Die Abtönungspartikeln haben keine spezifische (sondern nur eine allgemeine) semantische Bedeu­ tung, ihre Funktion liegt in erster Linie auf kom-

munikativer Ebene: Sie verändern nicht die Wahr­ 35 heitsbedingungen des Satzes, sondern drücken ---------Einstellungen des Sprechers zur Proposition aus, ordnen die Äußerung in den Text, in die Ge­ sprächssituation und in den Handlungskontext ein, indizieren bzw. modifizieren die Sprechhandlung, gliedern und steuern den Gesprächsablauf, signali­ sieren bestimmte Vorstellungen über die Ge­ sprächspartner (z. B. gemeinsame Voraussetzungen sowie erwartete Reaktionen) usw. Vgl. genauer un­ ter 6. 3) Die Abtönungspartikeln zeigen bestimmte Restrik­ tionen hinsichtlich der Sprechhandlung und der Satzart: Es gibt zwar Partikeln, die in Aussage-, Frage- und Aufforderungssätzen verwendet werden können (z.B. doch) - wenn auch mit unterschiedli­ cher Funktion. Die Mehrzahl der Abtönungsparti­ keln ist jedoch auf bestimmte Satzarten festgelegt. So kommen z. B. denn und etwa fast nur in Frage­ sätzen vor, eben, halt und ja nicht in Fragesätzen. Dabei decken sich Satzarten und Sprechhandlun­ gen (also z. B. Fragesätze und Fragehandlungen, Aufforderungssätze und Aufforderungshandlun­ gen) nicht völlig. Vgl. genauer unter 6. (vgl. auch Helbig/Kötz, 1981, 24ff.). 4) Die Abtönungspartikeln sind in der Regel nicht ne­ gierbar. 5) Die Abtönungspartikeln zeigen Beschränkungen im Hinblick auf ihre Position: Die zentrale Gruppe der Abtönungspartikeln ist nicht erststellenfähig, alle Abtönungspartikeln stehen hinter dem finiten Verb im deutschen Aussagesatz (Hauptsatz), wobei zwi­ schen finitem Verb und Abtönungspartikel mehrere andere (unbetonte) Glieder stehen können. Somit handelt es sich nicht um eine völlig freie Permuta­ bilität im Satz, auch nicht um eine feste, nicht vari­ ierbare Stellung im Satz (so Franck, 1980, 20ff), wohl aber um eine beschränkte Flexibilität inner­ halb des genannten Rahmens (vgl. auch Hent­ schel, 1983, 46f):

36

(16) Peter hat ( ) gestern ( ) seiner Freun­ din ( ) die Uhr ( ) geliehen. In die mit Klammer bezeichneten Positionen kön­ nen solche Abtönungspartikeln wie eigentlich, doch, ja, schon, halt u. a. eingesetzt werden. Die Abtö­ nungspartikeln sind in der Regel jedoch nicht fo­ kussierbar, d. h., sie treten nicht in solche Positio­ nen, in denen sie thematisch (vom Mitteilungswert her) besonders hervorgehoben wären (vgl. auch Franck, 1980, 20ff).

Bei den genannten 5 Merkmalen fällt auf, daß 2 Merk­ male, die bisher oft an zentraler Stelle genannt oder als Grundeigenschaften der Abtönungspartikeln aufge­ faßt worden sind (vgl. Kemme, 1979, 6ff.) - die Unbetonbarkeit und die fehlende Erststelligkeit - entweder gar nicht erscheinen oder nur mit Einschränkungen gelten (vgl. dazu bereits unter 4.). In der Tat gibt es ei­ nige Abtönungspartikeln (z. B. denn, eigentlich, ja, bloß), die in bestimmten Funktionen (Satzarten) be­ tont auftreten. Nach der fehlenden bzw. vorhandenen Erststellenfähigkeit lassen sich 2 Gruppen von Abtö­ nungspartikeln unterscheiden: (a) solche, die im Zentrum der Subklasse stehen, nicht erststellenfähig sind (sie würden dabei in eine andere Wortklasse - z. B. der Modalwörter oder der Adverbien - übertreten), die zumeist ein­ silbig sind und Homonyme in anderen Wortklas­ sen haben, auch „Abtönungspartikeln im engeren Sinne“ oder „echte Abtönungspartikeln“ genannt (vgl. Weydt, 1969, 68f; Weydt/Hentschel, 1983, 4f; Hentschel, 1983, 46; Baunebjerg/Wesemann, 1983, 129ff), z.B. aber, auch, bloß, denn,'doch, eben, einfach, etwa, halt, ja, mal, nur, schon, vielleicht, (b) solche, die an der Peripherie der Subklasse stehen und erststellenfähig sind (dabei in gleicher Funk­ tion auftreten, d. h. nicht in eine andere Wort-

klasse übertreten), die zumeist nicht einsilbig sind und keine Homonyme in anderen Wortklassen ha­ ben, auch „Abtönungspartikeln im weiteren Sinne“ oder „abtönungsfähige Partikeln“ ge­ nannt, z.B. schließlich, immerhin, jedenfalls, überhaupt, allerdings, eigentlich.

Neben dieser ersten Klassifizierung der Abtönungspar­ tikeln nach der möglichen Erststellenfähigkeit (die un­ abhängig von der Funktion ist) gibt es eine zweite (sich aus der Funktion ergebende) Klassifizierung nach dem Vorkommen in bestimmten Satztypen bzw. zum Ausdruck bestimmter Sprechhandlungen (vgl. 3) in 5.2.). Es ist versucht worden (vgl. Hartmann, 1975, 235 ff.), diese zweite Klassifizierung mit dem Krite­ rium einer möglichen Paraphrasierung durch „Es ist Partikel der Fall, daß Satz“ in Verbindung zu brin­ gen. Je nachdem, ob die Abtönungspartikeln dieses Kriterium erfüllen (z. B. doch, eben, halt, ja, immerhin, schon, wohl) oder nicht erfüllen (z. B. aber, bloß, denn, etwa, mal, nur), ergeben sich 2 Gruppen, die sich zu­ sätzlich durch weitere Eigenschaften voneinander un­ terscheiden: Die 1. Gruppe ist distributionell weitge­ hend auf Aussagesätze und auf Sprechhandlungen der Behauptung festgelegt (zumeist ohne Sprecherwech­ sel), die 2. Gruppe kommt zumeist in Frage- und Be­ fehlssätzen (und entsprechenden Sprechhandlungen) vor (z.T. mit Sprecherwechsel). 5.3. Gradpartikeln

Die Gradpartikeln unterscheiden sich von den anderen Subklassen der Partikeln vor allem durch folgende Ei­ genschaften (vgl. vor allem Altmann, 1976, 1978, 1979; König, 1977, 1981; Jacobs, 1981):

1) Die Gradpartikeln beziehen sich nicht auf den ge­ samten Satz, sind also keine unmittelbaren Konsti­ tuenten des Satzes (im Unterschied zu den Abtö-

37

38

nungspartikeln), sondern stehen immer in enger Beziehung zu einer Konstituente des Satzes. Diese Beziehung ist syntaktischer Art (Bezug auf syntak­ tische Zuordnungskonstituente) und semantischer Art (Bezug auf semantischen Bezugsbereich oder Skopus):

(17a) Sogar ich habe Peter zum Geburtstag gratuliert. (17b) Ich habe sogar Peter zum Geburtstag gratuliert. (17c) Ich habe Peter sogar zum Geburtstag gratuliert.

2) Die Funktion der Gradpartikeln liegt nicht primär auf kommunikativer, sondern auf semantischer Ebene (im Unterschied zu den Abtönungsparti­ keln). Zwar verändern auch sie nicht den Wahr­ heitswert der Sätze (wenn die Sätze mit Gradparti­ keln wahr sind, sind sie auch ohne Gradpartikeln wahr), aber sie fügen (auf Grund ihrer spezifischen semantischen Bedeutung) dem Satz eine quantifi­ zierende und/oder skalierende Interpretation hinzu und markieren bestimmte Präsuppositionen bzw. Implikationen: (18) Nur Peter hat die Wahrheit gesagt. (Assertion: Peter hat die Wahrheit ge­ sagt. Präsupposition bzw. Implikation: Es gibt kein von Peter verschiedenes Element, das die Wahrheit gesagt hat. Alle Perso­ nen, die nicht Peter sind, haben nicht die Wahrheit gesagt. = quantifizierende Interpretation)

(19) Auch Peter hat die Wahrheit gesagt. (Assertion: Peter hat die Wahrheit ge­ sagt. Präsupposition bzw. Implikation: Es gibt von Peter verschiedene Elemente (min-

destens 1 solches Element), die die Wahrheit gesagt haben. Jemand, der nicht Peter ist, hat die Wahrheit ge­ sagt. = quantifizierende Interpretation) (20) Sogar Peter hat die Wahrheit gesagt. (Assertion: Peter hat die Wahrheit ge­ sagt. Präsupposition bzw. Implikation: Es gibt mindestens ein von Peter verschiedenes Element, das die Wahrheit gesagt hat, das in einer (durch Erwartung, Reihen­ folge u.a.) geordneten Skala tiefer als Pe­ ter steht. = skalierende Interpretation)

Während die Assertion (Aussage, Behauptung) aus dem betreffenden Satz ohne die Gradpartikel be­ steht (insofern bleibt der wahrheitsfunktionale Teil der Bedeutung von den Gradpartikeln unberührt), variieren die entsprechenden Präsuppositionen (Sinn-Voraussetzungen) bzw. Implikationen auf Grund a) der jeweiligen Gradpartikel selbst, b) des Interpretationsmodus (quantitativ und/oder skalierend), c) des jeweiligen Bezugsbereiches (und damit auch der Stellung und des Satzakzents).

3) Die Gradpartikeln zeigen keine Restriktionen hin­ sichtlich der Sprechhandlung und der Satzart, wohl aber hinsichtlich der Bezugsbereiche. Sie können sich auf sehr unterschiedliche Skopustypen (d. h. Typen von Bezugsbereichen) beziehen, mindestens auf Nominal- und Präpositionalgruppen (ein­ schließlich komplexer Nominalgruppen, Pronomi­ nalgruppen und Nebensätze), auf Teile des Prädi­ katsbereichs (auf Verben, prädikative Adjektive und Substantive, Quantoren u.a.), auf Adverbialien

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verschiedener Gruppen u. a. (vgl. ausführlich Alt­ mann, 1976, 89ff.): (21) Selbst der Arzt konnte ihm nicht helfen. (22) Selbst bei schlechtem Wetter ging er spa­ zieren. (23) Selbst wenn schlechtes Wetter war, ging er spazieren. (24) Er ist sogar Direktor. (25) Er hat ihm das Buch sogar geschenkt. (26) Sogar heute ist er nicht erschienen. 4) Die Gradpartikeln haben ähnliche Eigenschaften hinsichtlich der Stellung und des semantischen Be­ zugsbereiches (Skopus) wie die Sondernegation („lokale“ Negation); diese gemeinsamen Eigen­ schaften beruhen darauf, daß beide Operatoren sind, die sich auf einen Skopus beziehen, der von ihnen betroffen wird. Im Skopus dieser Operatoren steht nicht der gesamte Satz, sondern jeweils nur eine Variable innerhalb der Proposition: (27a) Sogar/Nur Peter hat seiner Schwester das Bild gezeigt. (27b) Peter hat sogar/nur seiner Schwester das Bild gezeigt. (27c) Peter hat seiner Schwester sogar/nur das Bild gezeigt. (28a) Nicht Peter hat seiner Schwester das Bild gezeigt. (28b) Peter hat nicht seiner Schwester das Bild gezeigt. (28c) Peter hat seiner Schwester nicht das Bild gezeigt. 5) Die Stellung der Gradpartikeln ergibt sich aus ihrer Beziehung zu speziellen syntaktischen Zuord­ nungskonstituenten im Satz. Sie können - relativ zu ihrer syntaktischen Zuordnungskonstituente den ganzen Satz von vorn bis hinten durchwan­ dern, an allen Satzgliedgrenzen innerhalb des Sat­ zes auftreten und werden auch immer zusammen

mit dieser Zuordnungskonstituente im Satz permu­ tiert (vgl. die Beispiele (27a) bis (27c)). Auch wenn in der Regel die Gradpartikel vor der Satzkonstitu­ ente (meist: einem Satzglied) steht, der sie syntak­ tisch zugeordnet ist, gibt es prinzipiell mehrere Möglichkeiten der Stellung (die für die einzelnen Gradpartikeln in unterschiedlicher Weise zutref­ fen): a) Sie steht unmittelbar vor der Zuordnungskonsti­ tuente (Normalfall, für alle Gradpartikeln mög­ lich): (29) Nur der Ärzt konnte dem Verletzten hel­ fen. b) Sie steht unmittelbar nach der Zuordnungskon­ stituente: (30) Der Ärzt nur konnte dem Verletzten hel­ fen. c) Sie steht - seltener - in Distanzstellung zu der Zuordnungskonstituente: (31) Der Ärzt konnte dem Verletzten nur hel­ fen.

Vgl. auch die Möglichkeiten a) bis c) bei Tem­ poralpartikeln: (32a) Erst in der vergangenen Woche habe ich den Brief erhalten. (32b) In der vergangenen Woche erst habe ich den Brief erhalten. (32c) In der vergangenen Woche habe ich erst den Brief erhalten. d) Sie steht - selten - innerhalb einer Konstitu­ ente, und zwar innerhalb einer (komplexen) No­ minalgruppe oder Präpositionalgruppe (z.B. zwi­ schen Substantiv und Genitiv- oder Präpositio­ nalattribut, zwischen Artikel und Adjektivattri­ but, zwischen Präposition und Substantiv) (vgl. Altmann, 1976, 298f.; 1978, 34f.; Jacobs, 1983, 5):

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(33a) Ein nur in wenigen Exemplaren vorhan­ denes Buch wurde verkauft. (33b) Ein in nur wenigen Exemplaren vorhan­ denes Buch wurde verkauft. (34) Für nur eine Mark bekam er die Fahr­ karte. (35) Er traf die Tochter gerade jenes Lehrers, bei dem er gewohnt hatte. Die Beispiele lassen erkennen, daß die Bezugskonsti­ tuente der Gradpartikel den Hauptakzent (Kontrastak­ zent) trägt. Für viele Gradpartikeln gibt es Restriktio­ nen in der Stellung, weil sie die Möglichkeiten b), c) und/oder d) ausschließen. Die Distanzstellung wird nur akzeptabel bei besonders starkem Kontrastakzent (auf der Zuordnungskonstituente und auf der Gradpar­ tikel selbst). Wenn die Gradpartikel vor ihrer Zuord­ nungskonstituente und die Konstituente selbst vor dem finiten Verb im deutschen Aussagesatz steht, tritt die Gradpartikel natürlich an der ersten Stelle des Sat­ zes auf (vgl. Beispiele (21), (22), (23), (26), (27a), (29), (32a). Aber sie wird nicht erststellenfähig in dem Sinne, daß sie allein die Stelle vor dem finiten Verb einnehmen kann. Sie ist nicht satzgliedfähig, sondern nur Teil einer Konstituente, mit der sie zusammen im Satz permutiert wird:

(36a) Lediglich zwei Schwestern hat er. (36b) Er hat lediglich zwei Schwestern. (36c) * Lediglich hat er zwei Schwestern. Die Tatsache jedoch, daß die Gradpartikeln an der Satzspitze auftreten können, unterscheidet sie von den Abtönungspartikeln (vgl. Altmann,» 1978, 13). Am wesentlichsten für die Gradpartikeln ist das Verhältnis zwischen der Gradpartikel (als Operator) und ihrem Skopus (ihrer Bezugskonstituente). Es gibt drei Kriterien zur Ermittlung des Skopus (die aber iso­ liert nicht ausreichen) (vgl. Altmann, 1976, 29ff.; 1978, 19ff):

a) die Stellung der Gradpartikel (vgl. unter 5)), 43 b) die Position des Satzakzents (vgl. die Beispiele von ---------(29) bis (35)), c) die mögliche Fortsetzung des Satzes durch einen Kontrastsatz:

(29a) Nur der Ärzt konnte ihm helfen, nie­ mand sonst (kein Verwandter oder Freund). Die Stellung kann als eindeutiges Mittel zur Abgren­ zung des Skopus deshalb nicht ausreichen, weil die Gradpartikel zwar meistens, aber durchaus nicht im­ mer vor ihrem Skopus steht (vgl. die Fälle b), c) und d) ). Die Lage des Satzakzentes führt dann zu Schwie­ rigkeiten bei der Ermittlung des Skopus, wenn das der Gradpartikel folgende Satzglied mehrgliedrig ist (vgl. die Beispiele (33) bis (35), wo es mehrere Möglichkei­ ten für den Satzakzent gibt). Überhaupt decken sich die verschiedenen Arten des „Bezugs“ der Gradparti­ keln nicht völlig (vgl. Altmann, 1978, 93 ff.; Jacobs, 1983, 8 ff): a) der syntaktische Bezug der Gradpartikel auf ihre Zuordnungskonstituente, b) der semantische Bezug der Gradpartikel auf ihren Skopus (oder Bezugsbereich), c) der kommunikative Bezug der Gradpartikel auf ihren Fokus (auf das Informationszentrum des Sat­ zes, auf das, was durch Akzentuierung besonders hervorgehoben und semantisch besonders betroffen ist).

Auch wenn es in der Regel Entsprechungen gibt, ist der Fokus nicht eindeutig durch die Akzentposition festlegbar (auch wenn er von ihr abhängig ist), decken sich syntaktische Zuordnungskonstituente und Skopus nicht immer. Ebensowenig können Skopus und (Kontrast-)Fokus immer gleichgesetzt werden. Die Interpre­ tation des Skopus ist häufig von der Akzentsetzung ab­ hängig (wobei in Distanzstellung in der Regel auch die Gradpartikel selbst betont ist):

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(37a) Peter hat auch Hunger (, nicht nur Durst). (37b) Peter hat auch Hunger (, nicht nur die anderen). Innerhalb der Gradpartikeln lassen sich zunächst Grup­ pen unterscheiden nach der quantifizierenden bzw. skalierenden Interpretation. Bei der quantifizierenden Interpretation wird die Skopus-Konstituente in quanti­ fizierende Beziehung zu typengleichen Konstituenten gesetzt, bei der skalierenden Interpretation wird der Skopus-Konstituente ein bestimmter Platz (ein Grad) in einer Skala mit Angabe der Richtung der Skala zu­ gewiesen (vgl. Altmann, 1976, 1; 1978, 119). Wir vergleichen:

(38a) Peter fährt im Urlaub auch nach Ita­ lien. (Die Anzahl der typengleichen Entitä­ ten wird vergrößert. Zusätzlich zu ande­ ren Orten fährt er nach Italien. - quantifizierend) (38b) Peter fährt im Urlaub sogar nach Ita­ lien. (Die genannte typengleiche Entität be­ kommt einen hohen Platz in einer Be­ wertungsskala zugesprochen - im Un­ terschied zu anderen Ländern. - skalierend) Manche Gradpartikeln (z.B. sogar, selbst, nicht einmal) lassen nur eine skalierende Interpretation, andere (z.B. gerade, genau, eben, ausgerechnet, vor allem) lassen nur eine quantifizierende Interpretation zu, wieder an­ dere (z.B. nur, bloß, lediglich) lassen sowohl eine quan­ tifizierende als auch eine skalierende Interpretation zu: (39) Peter war im Urlaub nur in Thüringen. (a) Er war nicht an der Ostsee, in Bulga­ rien oder anderswo. (quantifizierend)

(b) Er war im Urlaub an einem Ort, der 45 in der Skala möglicher Urlaube nicht ---------sehr hoch steht. (skalierend).

Weiterhin kann man unterscheiden (vgl. König, 1977, 68; 1981, 107ff.):

a) exklusive Gradpartikeln, die andere schließen (z.B.: nur, bloß, lediglich, erst, ausgerechnet), b) inklusive Gradpartikeln, die andere schließen (z.B.: auch, sogar, noch, schon, sondere).

Werte aus­ genau, eben, Werte ein­ selbst, insbe­

Daraus ergeben sich folgende Gruppen von Gradparti­ keln (vgl. Altmann, 1976, 87; 1978, 7; vgl. auch Schmidt, 1985, 241 ff.): 1) nur-Gruppe (nur, bloß, lediglich, allein, ausschließlich, einzig, einzig und allein)', restriktiv und exklu­ siv, schließen andere typengleiche Konstitu­ enten aus; 2) uwc/z-Gruppe (auch, ebenfalls, ebenso, gleichfalls): ko­ ordinativ und inklusiv (im Sinne der Hinzufü­ gung und des Zusatzes), aber ohne Wertung; 3) sogar-Gruppe (sogar, selbst, nicht einmal): heraushe­ bend und inklusiv, mit Wertung, schließen andere typengleiche Konstituenten auf einem tieferen Rang der Werteskala ein; 4) gerade-Gruppe (gerade, genau, eben, ausgerechnet, vor allem, insbesondere, wenigstens, zumindest): her­ aushebend, implizieren eine schwache NichtEinzigkeits-Bedingung, heben die FokusKonstituente in besonderer Weise hervor (von ihrem Zutreffen hängt die Aussage in beson­ derer Weise ab); 5) erst-Gruppe (erst, schon, noch): temporale Gradparti­ keln (vgl. besonders Brausse, 1986), ordnen Sachverhalte zeitlich ein und stellen erwarte­ ten Zeitpunkt mit einem korrigierten (tatsäch-

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liehen) Zeitpunkt gegenüber, temporal oder skalierend interpretierbar; 6) ungefähr-Gruppe (ungefähr, etwa, vielleicht, fast, bei­ nahe, nahezu): relativierende Gradpartikeln (vgl. besonders Schmidt, 1985, 251 ff.), die Genauigkeitsbeschränkungen aufheben und andere Werte einschließen, die Zeit- und Mengenangaben einschränken; inklusiv und nicht-restriktiv.

5.4. Steigerungspartikeln Die Steigerungspartikeln unterscheiden sich von ande­ ren Subklassen der Partikeln durch folgende Merk­ male: 1) Sie beziehen sich nicht auf den gesamten Satz (im Unterschied zu den Abtönungspartikeln), auch nicht auf unterschiedliche syntaktische Zuord­ nungskonstituenten und semantische Skopustypen (im Unterschied zu den Gradpartikeln), sondern zumeist nur auf Adjektive (oder Adjektiv-Adver­ bien):

(40a) Der Schüler ist sehr/ziemlich/ungewöhn­ lich fleißig. (40b) Der Schüler arbeitet sehr/ziemlich/unge­ wöhnlich fleißig. Nur in wenigen Fällen ist zusätzlich ein Bezug auf Verben möglich:

(40c) Das Bein schmerzte sehr. 2) Die Funktion der Steigerungspartikeln liegt nicht primär auf kommunikativer, sondern auf semanti­ scher Ebene (wie bei den Gradpartikeln, im Unter­ schied zu den Abtönungspartikeln). Sie verändern zwar die Wahrheitsbedingungen insofern nicht, als die ohne die Steigerungspartikeln im Satz be­ nannte Eigenschaft erhalten bleibt (gleichsam präsupponiert ist); aber die .Steigerungspartikeln ord-

nen die durch die Adjektive bezeichneten Eigen­ 47 schaften einer impliziten Wert- bzw. Grad-Skala ---------zu, indem sie den Grad dieser Eigenschaften ange­ ben oder modifizieren (deshalb werden sie auch „Gradmodifikatoren“ genannt): (41a) Der Schüler ist faul. (41b) Der Schüler ist außerordentlich /sehr/ ziemlich/etwas faul.

3) Die Steigerungspartikeln zeigen keine Restriktio­ nen hinsichtlich der Sprechhandlung und der Satz­ art (im Unterschied zu den Abtönungspartikeln), auch keine Restriktionen hinsichtlich semantischer Bezugsbereiche (im Unterschied zu den Gradparti­ keln), aber dafür Restriktionen im Hinblick auf die Verträglichkeit mit unterschiedlichen Steigerungs­ formen (Positiv, Komparativ, Superlativ) der Adjek­ tive, auf die sie sich beziehen (vgl. Helbig/Buscha, 1984, 478). Es gibt a) Steigerungspartikeln, die nur vor einem Positiv stehen (sehr, besonders, ganz, höchst, recht, so, überaus, ziemlich, ungemein, außergewöhnlich, ungewöhn­ lich, außerordentlich, völlig, restlos, vollkommen, to­ tal, zu ...), b) Steigerungspartikeln, die vor einem Positiv oder einem Komparativ stehen (etwas), c) Steigerungspartikeln, die nur vor einem Kompa­ rativ stehen (viel, weit), d) Steigerungspartikeln, die vor einem Komparativ oder einem Superlativ stehen (weitaus), e) Steigerungspartikeln, die vor einem Positiv, einem Komparativ oder einem Superlativ stehen (absolut). 4) Die Stellung der Steigerungspartikeln liegt fest (im Unterschied zu den Abtönungs- und Gradparti-

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kein): Sie stehen immer vor dem Bezugswort, d. h. dem Adjektiv, dessen Grad sie signalisieren bzw. modifizieren. 5) Wie die Abtönungs- und Gradpartikeln, so kom­ men auch die Steigerungspartikeln unbetont oder betont vor. Die Betont- bzw. Unbetontheit hängt je­ doch nicht von dem Vorkommen in bestimmten Satzarten und Sprechhandlungen (wie bei den Ab­ tönungspartikeln) und auch nicht von der Stellung (wie bei den Gradpartikeln) ab, sondern (in den meisten Fällen) von der kommunikativen Intention (die eine schwache oder eine starke Graduierung zuläßt). In einigen Fällen ist sie mit einem Bedeu­ tungsunterschied der Partikel selbst verbunden:

(42a) Die Arbeit ist ganz güt. (Abschwächung der Eigenschaft, weni­ ger als „gut“) (42b) Die Arbeit ist ganz vorzüglich. (Verstärkung der Eigenschaft, mehr als „vorzüglich“) (42c) Das Stadion ist ganz ausverkauft. (Verstärkung der Eigenschaft, völlig „ausverkauft“) Nach dieser unterschiedlichen Funktion der Ver­ stärkung oder Abschwächung lassen sich die beiden Gruppen der Intensifikatoren (z.B. sehr, höchst, au­ ßerordentlich, ungewöhnlich, ungemein, weit, weitaus, überaus, so, völlig, total, restlos, direkt, absolut) und der De-Intensifikatoren (z.B. ziemlich, nahezu, fast, einigermaßen, etwas) unterscheiden. Auffällig ist nicht nur die größere Anzahl der Intensifikatoren, sondern auch die beachtliche Zahl von Intensifika­ toren, die der (weiteren) Steigerung von Adjektiven dienen, die an sich schon Grenzwerte ausdrücken (dadurch wird ausgedrückt, daß diese Grenzwerte erreicht worden sind) (vgl. Pusch, 1981, 32ff):

(43) Er ist völlig/ganz/absolut/restlos/total/ vollkommen blind.

Eine Gruppenbildung ergibt sich auch daraus, daß Steigerungspartikeln a) entweder nur in dieser Funktion vorkommen (z.B. sehr, besonders, weitaus, überaus, höchst) b) oder Adjektive sind, die in der Funktion von Steigerungspartikeln verwendet werden (z.B. ungewöhnlich, außerordentlich, total, völlig, absolut, restlos).

5.5. Zu den Antwortpartikeln und den Negationspartikeln

Im Unterschied zu den großen Subklassen der Abtö­ nungspartikeln, der Gradpartikeln und der Steige­ rungspartikeln handelt es sich bei den Antwort- und Negationspartikeln um sehr kleine Klassen, die nur aus wenigen Elementen bestehen. Dabei haben die Antwortpartikeln bestimmte Beziehungen zu den Ab­ tönungspartikeln, die Negationspartikeln zu den Grad­ partikeln, aber gegenüber diesen größeren Subklassen einige spezifische Eigenschaften, die ihre Absonde­ rung nicht nur erlauben, sondern auch nötig machen. Unter Antwortpartikeln werden gewöhnlich Wörter verstanden wie ja, nein, doch, eben, genau u. a. Charak­ teristisch für sie ist die isolierte (oder abgesonderte) Stellung außerhalb des Satzverbandes (was sie von an­ deren Subklassen der Partikeln deutlich unterscheidet und zugleich die Frage provoziert, ob sie überhaupt noch den Partikeln zugerechnet werden können). In­ nerhalb dieser „Antwortpartikeln“ sind 2 Gruppen un­ terscheidbar: a) solche, die als Antworten auf Entscheidungsfragen fungieren (ja, nein, doch) und als spezifische Unter­ gruppe der Satzäquivalente angesehen werden kön­ nen (vgl. Helbig/Buscha, 1984, 530ff); b) solche, die nicht als Antwort auf Entscheidungsfra­ gen fungieren, sondern eher als Bestätigungs-, Ver-

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stärkungs- oder Einschränkungssignale, die als Re­ plik auf vorangegangene Aussagesätze verwendet werden (z.B. genau, doch, eben, schon): (44a) A: Du hast mir doch gestern verspro­ chen zu kommen. B: Genau/Eben/Schon. (44b) A: Du hast mir noch keine Antwort ge­ geben. B: Doch/Genau/Eben/Schon.

Diese unter b) genannten Fälle berühren sich nicht nur in der Funktion mit den Abtönungspartikeln, sondern sind z. T. sogar als Reduktionen von Sät­ zen mit solchen Abtönungspartikeln verstehbar (vgl. Helbig/Kötz, 1981, 71):

(45a) A: Er hat die Prüfung bestanden. B: Schon. (Er hat die Prüfung schon bestan­ den, aber nicht gerade gut).

Unter Negationspartikeln werden manchmal die Negationswörter schlechthin verstanden (zu dieser Gruppe, die keine morphologisch und syntaktisch ein­ heitliche Wortklasse ist, vgl. Helbig/Buscha, 1984. 513 ff.). Diese Gleichsetzung ist ungerechtfertigt, weil es einige Negationswörter gibt, die flektierbar sind (kein, niemand) und folglich auf Grund dieses Merk mals nicht zu den Partikeln gerechnet werden können, weil es andere Negationswörter gibt, die Satzgliedcha­ rakter haben (nirgends, nirgendwo, nirgendwoher, nirgend­ wohin, nie(mals) als Adverbiale, nichts als Subjekt oder Objekt), die aus diesem Grunde nicht als Partikeln an­ gesehen werden können, und noch andere, die zu an­ deren Wortklassen gehören (neinK als Satzäquivalent, weder ... noch als Konjunktion). Als Partikel bleibt das Negationswort nicht, das so­ wohl hinsichtlich des semantischen Bezugsbereiches als auch hinsichtlich seiner Stellung im Satz als kom­ pliziertestes Negationswort gelten muß: Es ist ein Ope­ rator, der einen unterschiedlichen Skopus haben kann.

Der vom Negationsoperator betroffene Skopus kann einmal der gesamte Satz (die Prädikation), können aber andererseits auch jeweils einzelne Glieder des Satzes (meist: Satzglieder) sein. Im ersten Falle han­ delt es sich um die Satznegation („totale Negation“), im zweiten Falle um die Sondemegation („lokale Ne­ gation“) eines einzelnen Gliedes (vgl. Helbig/Buscha, 1984, 515 ff.). Der semantischen Unterscheidung zwi­ schen Satz- und Sondernegation entspricht - aller­ dings nicht in direkter Weise - eine unterschiedliche syntaktische Stellung von nicht, die einem komplizier­ ten Regelwerk folgt (vgl. Helbig/Ricken, 1973; Hel­ big/Buscha, 1984, 519ff.). Auch wenn in jüngerer Zeit die Unterscheidung zwischen Satz- und Sondernega­ tion manchmal in Frage gestellt wird, so handelt es sich doch um unterschiedliche Skopusbereiche, die grundsätzlich differenziert werden müssen (auch wenn die herkömmliche Unterscheidung mancher Spezifi­ zierung und Modifizierung bedarf) (vgl. dazu Helbig, 1985; Nussbaumer/Sitta, 1986). Die Gemeinsamkeit der Negationspartikel nzc/H mit den Gradpartikeln besteht gerade darin, daß sie in glei­ cher Weise Operatoren sind, die sich auf ähnliche Sko­ pusbereiche beziehen und deshalb auch die gleiche Stellung im Satz einnehmen (vgl. die Beispiele (27) und (28)). Deshalb konnte die Frage entstehen, ob die Negationspartikel nicht auch eine Gradpartikel sei (vgl. Jacobs, 1983, 244). Dagegen spricht jedoch der Umstand, daß die Gradpartikeln generell keine Nega­ tion ausdrücken (lediglich nicht einmal erfüllt Funktio­ nen, die sowohl der Gradpartikel als auch der Nega­ tion eigen sind), daß die Negationspartikel - im Unterschied zu allen anderen Subklassen der Parti­ keln - den Wahrheitswert des Satzes verändert. Sie ist zwar syntaktisch in jedem Falle fakultativ (wie alle an­ deren Partikeln), aber semantisch nicht weglaßbar, ohne daß sich die Bedeutung des Satzes wesentlich än­ dert. Von der Negationspartikel nicht muß auch die Abtö­ nungspartikel nicht unterschieden werden, die (als Ne-

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gationsträger ohne Negationsbedeutung; vgl. Helbig/ Buscha, 1984, 526f.) nicht der Negierung, sondern der Abtönung dient (und folglich auch semantisch fakulta­ tiv ist, ohne daß sich die Bedeutung verändert): (46a) Was weiß er nicht alles? (= Was weiß er alles! Er weiß alles.) (46b) Kannst du mir nicht helfen? (= Kannst du mir helfen? Du kannst mir helfen.)

5.6. Partikeln und „Gesprächswörter“ Da die Partikeln vorwiegend im Gespräch verwendet werden (vgl. 1.), hat man versucht, die Partikeln (ge­ nauer: einige Subklassen der Partikeln) in die „Ge­ sprächswörter“ zu integrieren und diese Gesprächswör­ ter als spezifische Wortklasse aufzufassen. Nachdem Brinkmann (1971, 760ff.) zunächst sehr vage von „Ge­ sprächswörtern“ gesprochen hatte (die etwas von der Erwartung ausdrücken, die im Horizont der Partner begründet ist), werden diese bevorzugt in der gespro­ chenen Sprache und vor allem im Gespräch auftreten­ den Wörter unter dem Terminus „Gesprächswort“ von Henne (1978, 44ff.) als eigene Wortart etabliert, inner­ halb der 3 verschiedene Funktionsklassen (Gliede­ rungspartikeln, Rückmeldungspartikeln, Interjektio­ nen) unterschieden werden. Diese Idee hat Burkhardt (1982, 138 ff.) weiterge­ führt und präzisiert. Neben den „grammatischen Funktionswörtern“ (z. B. Präposition, Konjunktion, Artikel) versteht er die „Gesprächswörter“ als „kom­ munikative Funktionswörter“, fügt den HENNEschen „Gesprächswörtern“ noch die Gruppen der Abtönungs­ partikeln und der Sprechhandlungspartikeln (illokutionstransformierend oder illokutionsvollziehend; vgl. dazu genauer unter 6.) hinzu. Auf diese Weise gewinnt er folgende Klassifizierung der Gesprächswörter:

1) Gliederungspartikeln a) Gesprächsakt einleitend:

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3)

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ja, also, so, naja b) Gesprächsakt intern-gliedernd: ja, gell, ne c) Gesprächsakt ausleitend: ja, hm Rückmeldungspartikeln a) rückbestätigend: hm, ja, genau, richtig b) rückfragend: ja? bitte? was? hm? Interjektionen: bums! hoppla! ach! Sprechhandlungspartikeln a) illokutionstransformierend: ja, ruhig, gefälligst b) illokutionsvollziehend: ja, wehe, hallo, na Abtönungspartikeln: ja, denn, halt, eigentlich (zugleich Gliederungs­ partikeln)

Von diesen 5 Gruppen sind die Rückmeldungsparti­ keln hörerseitige Gesprächswörter, alle anderen Grup­ pen sind sprecherseitige Gesprächswörter (vgl. Burk­ hardt, 1982, 156). Mit einem solchen Ansatz werden zweifellos außer­ ordentlich wertvolle Einsichten in die „Gesprächswör­ ter“ gewonnen. Anzuzweifeln ist jedoch, ob auf diese Weise eine neue Wortklasse etabliert werden kann, da Wortklassen in der Regel nach morphologischen, syn­ taktischen und/oder semantischen Kriterien gewonnen werden, hier aber textsortenspezifische, d. h. letztlich pragmatische Gesichtspunkte den Ausgangspunkt bil­ den (vgl. kritisch bereits Stickel, 1982, 172ff.). So ist es nicht verwunderlich, daß in diese „Gesprächswör­ ter“ Wörter unterschiedlicher herkömmlicher Wortar­ ten eingehen (unter ihnen auch die Interjektionen, an­ dere Satzäquivalente und die Abtönungspartikeln).

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54 Auf alle Fälle sind nicht alle Gesprächswörter Parti---------- kein, umgekehrt sind auch nicht alle Partikeln Ge­ sprächswörter (sondern nur die Abtönungspartikeln). Somit liegt bei der Einordnung der Abtönungsparti­ keln in die „Gesprächswörter“ eigentlich keine Klassi­ fikation von Wortarten vor, sondern eine Klassifika­ tion von Gesprächsfunktionen (vgl. Stickel, 1982, 174), eine Klassifizierung nicht nach Morphosyntax und/oder Bedeutung, sondern eine Rubrizierung von (morphosyntaktisch und semantisch) heterogenen Ein­ heiten nach kommunikativen Äußerungsfunktionen (vgl. Wolski, 1986, 340ff., 395ff.). Überdies tauchen die Abtönungspartikeln in den verschiedenen ange­ nommenen Gruppen der „Gesprächswörter“ auf, so daß der Verdacht nicht unbegründet erscheint, daß es viele Überschneidungen zwischen den Gruppen gibt (was sich in der Kennzeichnung der Gruppe 5) bereits andeutet, aber weit über diese Gruppe hinausgeht). Daß solche Überschneidungen vorliegen, darf nicht verwundern, handelt es sich doch bei den Gruppen um heterogene Kriterien, mindestens a) um Kriterien der Gesprächsgliederung (wie sie sich aus den konversationellen Funktionen ergeben, die von der Konversations­ analyse in das Blickfeld gerückt worden sind) - so bei den Gliederungspartikeln und den Rückmeldungspar­ tikeln, b) um Kriterien der Sprechhandlung (wie sie sich aus interaktionsstrategischen Funktionen erge­ ben, die vor allem durch die Sprechakttheorie beleuch­ tet worden sind) - so bei den Sprechhandlungsparti­ keln und den Abtönungspartikeln. Diese unterschiedlichen Kriterien ergeben jedoch keine disjunkten Subklassen, vielmehr sind es unter­ schiedliche Aspekte, die den unterschiedlichen kom­ munikativen Funktionen der Abtönungspartikeln ent­ sprechen, die aber in gleicher Weise auf die meisten Lexeme dieser Klasse zutreffen. Deshalb eignet sich eine Eingliederung der Abtönungspartikeln in die „Gesprächswörter“ u. E. weder zur Wortartklassifizie­ rung noch zur Subklassifizierung der Partikeln. Sie läßt allerdings verschiedene Funktionen der Partikeln

deutlicher erkennen, die noch weiter differenziert wer­ den müssen (vgl. genauer unter 6.). Es ist auch - mit einigem Recht - vorgeschlagen worden (vgl. Bastert, 1985, 33), den Terminus „Gesprächswörter“ zu be­ schränken auf ausschließlich in der gesprochenen Rede verwendete Wörter (und damit solche Wörter auszuschließen, die eindeutig anderen syntaktisch-se­ mantisch fundierten Wortklassen zugeordnet werden können). In ähnlichem Sinne wird bei anderen Auto­ ren (z. B. Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 1983; Wolski, 1986, 117, 396) auch von „Gesprächs­ wörtern“ im engeren Sinne gesprochen, ausschließlich bezogen auf solche Ausdrücke (z. B. hm, na, ne; aha, äh), die tatsächlich vornehmlich „im Gespräch“ ver­ wendet werden. Ihnen an die Seite werden vereinzelt auch „Fragepartikeln“ gestellt (z. B. gelt, ne), deren Status als Partikel aber ebenso fragwürdig ist wie der der „Gesprächspartikeln“.

6. Funktionen der Abtönungs­ partikeln Vor allem die Abtönungspartikeln haben unterschied­ liche und komplexe Funktionen, die erst in den kom­ munikativ-pragmatisch orientierten Richtungen der gegenwärtigen Sprachwissenschaft deutlicher heraus­ gearbeitet worden sind (vgl. Helbig, 1986, 148 ff., 234ff.). Gewiß sind einige dieser Funktionen auch frü­ her schon umschrieben worden, z. B. dann, wenn das „Geheimnis solcher Wörter“ darin gesehen wurde, „daß sie Unausgesprochenes implizieren“ (Brink­ mann, 1962, 495; Erben, 1964, 157; dazu auch Malige-Klappenbach, 1981, 325f.), daß sie „die Verbin­ dung mit dem Horizont der Gesprächspartner“ herstellen und zusätzlich Momente ins Spiel bringen, die sich aus der Erwartung der Partner ergeben (Brink­ mann, 1971, 499, 760). Diese - noch weitgehend im­ pressionistische - Formulierung wurde dann von

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Weydt (1969, 68, 22) entscheidend präzisiert: Die Ab­ tönungspartikeln dienen für ihn dazu, die Haltung (Stellungnahme) des Sprechers zum Gesagten auszu­ drücken und dem Hörer mitzuteilen, wie er den Inhalt des Gesagten einzuordnen habe. Diese Funktionsbe­ stimmung ist für viele Arbeiten grundlegend gewor­ den, bedarf allerdings heute der Ergänzung, Spezifizie­ rung und Differenzierung, da von verschiedenen Richtungen unterschiedliche Funktionen der Abtö­ nungspartikeln akzentuiert worden sind (die sich nicht ausschließen, sondern ergänzen und überlagern). Es handelt sich dabei um folgende Funktionen, die ver­ schiedenen Analyse-Ebenen (und verschiedenen Theo­ rie-Ansätzen) zugeordnet sind - deshalb oft verabsolu­ tiert worden sind -, die jedoch systematisch aufeinan­ der bezogen und damit einer komplexeren Beschrei­ bung zugänglich gemacht werden müssen (vgl. vor allem Franck, 1980; vgl. auch Wolski, 1986, 336f., 370): 1) Mit den Partikeln drückt der Sprecher bestimmte Einstellungen, Voraussetzungen und Erwartungen aus, die er beim Vollzug von Handlungen gegen­ über dem Hörer hat. Insofern sind die Abtö­ nungspartikeln Einstellungsausdrücke und sagen etwas über die Einstellung des Sprechers zur Propo­ sition aus (vgl. Hartmann, 1977, 113L; Franck, 1980, 31 f.; Doherty, 1985). Sprechereinstellungen sind solche modalen Einstellungen des Sprechers, die sich auf seine Ansichten, Haltungen, Erwartun­ gen, Annahmen, Emotionen sowie auf die seines Hörers sowie auf die jeweilige soziale Rollenvertei­ lung beziehen (vgl. Bublitz, 1978, 6). Mit Hilfe von Einstellungsausdrücken gibt der »Sprecher zu erken­ nen, auf welche Weise er am Inhalt seiner Äuße­ rung Anteil nimmt, wie er ihn einordnet, bewertet und einschätzt in bezug auf den Wahrheitsgehalt und die Umstände der Situation. In der jüngeren Literatur besteht weitgehende Übereinstimmung darin, daß die Partikeln nichts

zum propositionalen Gehalt des Satzes beitragen, daß sie vielmehr etwas mit der-Sprechereinstellung zu tun haben oder - traditioneller ausgedrückt daß sie eher zur Intentions- als zur Darstellungs­ ebene gehören (vgl. Weydt, 1969, 61). In diesem Sinne hat Doherty (1985) einige Abtönungsparti­ keln als lexikalische Ausdrucksmittel für Einstel­ lungen verstanden (denen eine sprachliche Bedeu­ tung zukommt, auf deren Basis durch den Kontext eine entsprechende Äußerungsbedeutung und durch die Interaktionssituation ein entsprechender kommunikativer Sinn Zustandekommen kann; vgl. dazu 7.3.) und sie als „Einstellungspartikeln“ be­ zeichnet. Diesen Ausgangspunkt fortführend und ihn zugleich modifizierend, hat Wolski (1986, 383f., 490) den Nachweis versucht, daß die Abtö­ nungspartikeln nicht einfach Einstellungen aus­ drücken (wie z. B. die Modalwörter) - und auch mit den Abtönungspartikeln nicht einfach Einstel­ lungen ausgedrückt werden -, sondern daß sie über Einstellungen rangieren, die ihrerseits mit anderen Mitteln für Einstellungen ausgedrückt werden, daß sie nicht schlechthin Einstellungsausdrücke, son­ dern einstellungsregulierende Ausdrucksmittel sind. 2) Die Partikeln sind nicht nur Einstellungsausdrücke in diesem allgemeinen Sinne bzw. einstellungsre­ gulierende Ausdrücke (auf der Ebene der sprachli­ chen Bedeutung), sondern enthalten auch Hinweise auf die Wahrnehmung und Beurteilung der konkre­ ten und aktuellen Sprechsituation, besonders auch auf Eigenschaften, die durch die vorangegangene Interaktion entstanden sind (vgl. Franck, 1980, 31 f.; Kemme, 1979, 27); insofern sind sie auch situations-definierend. 3) Vor allem aber nehmen die Partikeln über ihr re­ stringiertes Auftreten in bestimmten Satzarten (Aus­ sage-, Frage- bzw. Aufforderungssatz) (vgl. unter ) 5.2. auf Sprechhandlungen Bezug. Deshalb sind sie illokutionsindizierend oder -modifizierend.

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Diese Funktion der Partikeln als „illokutive Indikatoren“ ist vor allem in der Sprechakttheorie aufge­ deckt (z.B. Wunderlich, 1972, 18f.; Helbig, 1977a; Helbig/Kötz, 1981, 15 ff.), stark akzentuiert und zuweilen auch verabsolutiert worden. Man hatte erkannt, daß mit jeder Äußerung eines Satzes nicht nur ein lokutiver Akt vollzogen (d. h. ein ent­ sprechender - syntaktisch und semantisch korrek­ ter - Satz mit seiner Bedeutung geäußert) wird, sondern damit zugleich ein illokutiver Akt (d. h. eine sprachliche Tätigkeit oder Handlung, z. B. eine Warnung, eine Frage, eine Aufforderung, ein Ratschlag, eine Drohung) ausgeübt wird (vgl. Searle, 1969, 29; Maas/Wunderlich, 1972,118ff.). Der illokutive Akt meint somit die mit der verbalen Äußerung verbundene Sprechhandlung. Wenn z. B. der Satz „Der Hund ist bissig.“ geäußert wird (lokutiv), so ist damit zugleich in einer bestimmten Si­ tuation eine Warnung ausgesprochen (illokutiv). Da jedoch sprachliche Einheiten oft multifunk­ tional sind, mit dem gleichen lokutiven Akt die ver­ schiedensten illokutiven Akte vollzogen werden können (und umgekehrt), stehen Satzarten (for­ male Äußerungstypen) und die mit ihnen vollzoge­ nen illokutiven Akte (Sprechhandlungen) in kei­ nem direkten Verhältnis zueinander. Ein formaler Aussagesatz wie „Du kannst das Fenster schlie­ ßen.“ kann z. B. - abhängig vom Handlungskon­ text - eine Feststellung, ein Ratschlag, eine Auffor­ derung oder eine Erlaubnis sein (vgl. Wunderlich, 1972, 18 f). Die Abtönungspartikeln gehören zu den illokuti­ ven Indikatoren, d. h. zu den in der Sprache ausge­ bildeten Mitteln, die die Äußerung auch relativ un­ abhängig von Handlungskontext eindeutig oder wenigstens eindeutiger machen:

(47a) Du kannst mal das Fenster schließen. (47b) Du kannst ja das Fenster schließen. (47c) Du kannst doch das Fenster schließen.

In (47a) ist eine schwache Aufforderung ausgespro­ chen, in (47b) ein Ratschlag, in (47c) ein Ratschlag oder die Zustimmung zu einem Wunsch des Sprechpartners. Freilich fungieren nicht alle Parti­ keln als illokutive Indikatoren, und andererseits gibt es illokutive Indikatoren, die kaum als Parti­ keln anzusehen sind, aber eine ähnliche kommuni­ kative Funktion erfüllen: (47d) He, du kannst das Fenster schließen. (47e) Du kannst bitte das Fenster schließen. (47f) Du kannst bestimmt das Fenster schließen. Die Auffassung von den Abtönungspartikeln als „illokutiven Indikatoren“ wurde in der Folgezeit et­ was präzisiert und zugleich relativiert: Die Abtö­ nungspartikeln dienen nicht immer der Indizierung von Sprechakten (weil sie als Sprechaktindikatoren polyfunktional sind, sie je nach Kontext verschie­ dene Funktionen haben können und die Äußerung mitunter auch bei gleichbleibender Abtönungspar­ tikel eine verschiedene Funktion haben kann), son­ dern auch der Modifizierung des Sprechaktes, weil mit ihrer Hilfe der Sprechakt auf die Gegebenhei­ ten der Interaktion bezogen wird, weil die Abtö­ nungspartikeln Änderungen oder Präzisierungen der Illokution des Satzes bewirken können (vgl. Sandig, 1979, 89f.; Franck, 1980, 31ff.). Man wird davon ausgehen können, daß einige Abtönungspar­ tikeln (z. B. etwa oder denn für Fragen) schon von ihrer Distribution her spezifisch für bestimmte Sprechakttypen sind (insofern diese Sprechakte tat­ sächlich anzeigen), daß andere eine unspezifische Distribution haben und in verschiedenen Sprech­ akttypen erscheinen (z.B. doch, eben, eigentlich), daß wieder andere (z. B. bloß, mal, schon) noch un­ spezifischer sind, so daß man verschiedene Grade bei der Indikation der Sprechhandlung annehmen kann (vgl. auch Hartmann, 1977, 104; Hinrichs, 1983, 275f.). Auch wenn die Rolle der Abtönungs-

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Partikeln als illokutive Indikatoren relativiert wer­ den muß (vgl. bereits Wunderlich, 1978, 137), ha­ ben sie doch auf alle Fälle eine illokutionsbezogene Funktion, indem sie implizit auf entspre­ chende Sprechhandlungen verweisen: Mit ihrer Hilfe kann die illokutive Rolle eines Sprechaktes sowohl angezeigt (indiziert) als auch verschoben (modifiziert) werden (vgl. Bastert, 1985, 48 f.). Es dürfte überhaupt das Problem verdunkeln, wenn die illokutionsindizierende und die illokutionsmodifizierende Funktion der Abtönungspartikeln al­ ternativ und undialektisch einander gegenüberge­ stellt werden, weil auch bei bloßer Modifikation der Illokution eine Anzeige der Illokution erhalten bleibt (vgl. Burkhardt, 1982, 152), weil die Abtö­ nungspartikeln - auch wenn sie die Äußerungen nicht eindeutig indizieren - auf Grund ihrer Funk­ tion eine Affinität zu bestimmten Illokutionen ha­ ben, andere Illokutionen aber ausschließen (vgl. Gornik-Gerhardt, 1981, 24 f.). 4) Die illokutive Funktion der Abtönungspartikeln (so wesentlich sie ist) ist eine von mehreren Funktio­ nen: Die Abtönungspartikeln verankern die Äuße­ rung auch im konversationellen oder argumentati­ ven Kontext, verleihen auch der emotiven Seite des Beziehungsstandes zwischen den Interaktanten Ausdruck (vgl. Franck, 1979, 3 ff.). Für diesen Er­ klärungsrahmen ist es nötig, die sprechakttheoreti­ schen Ansätze zu verbinden mit den Ansätzen aus der Konversations-(Gesprächs-)analyse und der In­ teraktionsanalyse. Im Hinblick auf den Konversa­ tionsaspekt indizieren die Abtönungspartikeln die konkrete Gesprächsstellung (sie zeigen an, ob sich der Gesprächspartner am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Gesprächs befindet) und haben eine konversationssteuemde Funktion (indem sie Ein­ fluß auf die Weiterentwicklung des Gesprächsab­ laufs nehmen) (vgl. Franck, 1980, 31 f.; Baunebjerg/Wesemann, 1983, 121 f.). Die Äußerung wird auf diese Weise im Hinblick nicht auf ihr Potential

als Sprechakttyp, sondern auf ihr Zugpotential in­ terpretiert, d. h. auf ihre Möglichkeiten als konversationeller Zug (es wird entsprechend vom „ZugCharakter“ der Abtönungspartikeln gesprochen). Die Abtönungspartikeln steuern die Konversation im Sinne der Sprecher. Sie nehmen Einfluß auf die Weiterentwicklung der Kommunikation, besonders auf die Fortsetzungskonstellation für den folgenden Sprecher: Sie strukturieren und gliedern das Ge­ spräch (deshalb wird auch von „Gliederungsparti­ keln“ gesprochen). Sie leiten einen Gesprächs­ schritt oder Gesprächsakt ein, aus oder gliedern ihn intern (vgl. ja, so, also), referieren anaphorisch oder kataphorisch auf vorher Gesagtes und/oder fol­ gende Gesprächsakte, schaffen Kontakt und bean­ spruchen die Aufmerksamkeit des Hörers (indem sie als Bitte um weitere Aufmerksamkeit fungieren) (vgl. Burkhardt, 1982, 148 ff., 153), dienen auch der Rückmeldung (und Bestätigung) des Hörers (z. B. ja, genau, eben). Sie sequenzieren die Konver­ sation (stellen z. B. Konnexe zum Vorgängerzug her oder schaffen neue Fortsetzungsraster), tragen zum Konsens bzw. Dissens (bezüglich Wahrheits­ ansprüchen oder Obligationen aus Vorgängeräuße­ rungen) bei und dienen der Themenentwicklung (z. B. durch Themenfortführung, -abschwächung oder -wechsel, durch Einordnung in größere Mu­ ster) (z. B. übrigens, überhaupt) (vgl. Franck, 1980, 116). 5) Neben diesen konversationellen haben die Abtö­ nungspartikeln auch interaktionsstrategische Funktionen, da sie die jeweilige Äußerung in den Interaktionszusammenhang einordnen (z. B. durch die Verbindung mit vorhergehenden oder folgen­ den Handlungen) (vgl. König, 1977a, 129). Sie die­ nen dazu, die Funktion des Sprechaktes unter den gegebenen Bedingungen der Interaktion mit ent­ sprechenden sprachlichen Mitteln zu verdeutli­ chen. Sie sind Ausdrücke für unvollständige Hand­ lungsarten, mit deren Hilfe der Sprecher auch

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isolierbare Sprechakte ausdrücklich auf die Interak­ tionsgegebenheiten beziehen kann (vgl. Sandig, 1979, 89f.). Sie drücken auch Annahmen, Bewer­ tungen oder Erwartungen im Hinblick auf die Re­ aktion des Gesprächspartners, im Hinblick auf die Antwort aus: So gibt es einige Partikeln in Ent­ scheidungsfragen (z. B. envtz, nicht, doch), deren we­ sentliche Funktion darin besteht, daß sie in „ten­ denziösen“ Fragen eine Präferenz des Sprechers für eine zustimmende oder ablehnende Antwort zum Ausdruck bringen, eine Präferenz z. T. für eine po­ sitive Antwort (nicht, doch), z. T. für eine negative Antwort (etwa) (vgl. Franck, 1979, 3 ff.). Damit sind Partnerhypothesen des Sprechers verbunden (die deutlich machen, welche Vorstellungen der Sprecher von seinem Partner hat hinsichtlich seines Wissens, seiner Einstellung usw.). Zu den interaktionsstrategischen Funktionen der Abtönungspartikeln gehört es auch, daß sie die Pro­ position abschwächen bzw. verstärken oder auch in einen bestimmten Interaktionszusammenhang bringen (vgl. Franck, 1980, 31 f., 117). Sie rufen da­ mit beim Hörer Reaktionen hervor, die durch die­ selbe Äußerung ohne Abtönungspartikel nicht zu­ stande gekommen wären (vgl. auch Bastert, 1985, . Man hat auch von einer „metakommunikativen 6) Funktion“ der Abtönungspartikeln gesprochen (vgl. Kemme, 1979, 66ff.): Es handelt sich um eine Si­ gnalfunktion an den Hörer, wie er die enthaltene Information aufnehmen bzw. wie er auf sie reagie­ ren sollte, um Dekodiersignale an den Hörer, den Satz (in dem die Partikel steht) auf gemeinsames Vorwissen zu beziehen bzw. auf etwas, was der Hö­ rer schon weiß, wissen könnte' oder wissen sollte (was z. B. vorher schon ausgesprochen worden ist und nun bestätigt werden soll). 6) Schließlich haben viele Abtönungspartikeln auch eine konnektierende, d. h. textverknüpfende Funk­ tion: Sie verbinden aufeinanderfolgende Äußerun­ gen auch über einen Sprecherwechsel hinweg, ver-

binden den Inhalt des Satzes (in dem die Partikel steht) in logischer Art mit einem Inhalt, der entwe­ der vorher geäußert wurde oder auch gar nicht sprachlich geäußert wurde, sich aber aus der Wahr­ nehmung bzw. dem Vorwissen ergibt oder nur ge­ dacht wird (vgl. Franck, 1980, 31 f.; Kemme, 1979, 15 ff., 27, 67ff). Diese Textverknüpfungsfunktion teilen die Abtönungspartikeln mit den Konjunktio­ nen, weshalb mitunter auch eine Paraphrasierung möglich ist (vgl. Kemme, 1979, 27ff.): (48) Ich gehe nicht schwimmen, weil das Wasser noch viel zu kalt ist. - Ich gehe nicht schwimmen, das Wasser ist ja noch viel zu kalt. (49) Ihr sollt das Obst nicht essen, weil es noch nicht gewaschen ist. - Ihr sollt das Obst nicht essen, es ist doch noch nicht gewaschen. Diese funktionelle Ähnlichkeit mit den Konjunktio­ nen hat auch dazu geführt, von „Verknüpfungsparti­ keln“ (statt von Abtönungspartikeln) zu sprechen (so Becker, 1976, 6ff.). Damit werden jedoch bestimmte Unterschiede verdunkelt (Konjunktionen verknüpfen immer mehrere explizit ausgeführte Äußerungen, die Partikeln tun dies durchaus nicht immer, da sie die Äußerungen vielfach auf Einstellungen, Annahmen usw. beziehen, die gar nicht explizit ausgedrückt sind). Außerdem kann die Funktion der Abtönungspartikeln nicht auf die Textkonnektierung reduziert werden; diese steht ihrerseits im Zusammenhang mit der konversationellen, interaktionellen und illokutiven Funk­ tion (wie Texte als sprachliche Realisate überhaupt in diese fundierenden Kontexte eingelagert sind und aus ihnen erklärt werden müssen).

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7.

Prinzipien und Methoden zur Beschreibung der Partikeln

7.1. Allgemeine Methoden Zur Beschreibung der Partikeln (vor allem der Abtö­ nungspartikeln) werden folgende Prinzipien und Me­ thoden verwendet (vgl. bereits Weydt, 1969, 21, 24, 30; Helbig/Kötz, 1981, 23ff.; Gornik-Gerhardt, 1981, 49f.; kritisch dazu Bastert, 1985, 50ff.):

1) Da die meisten Partikeln in ihrer Verwendung durch Kontext und kommunikative Situation be­ stimmt sind, muß die Frage gestellt werden, wie eine Kommunikations-, Sprech- und Interaktions­ situation beschaffen sein muß, in der ein Satz mit der betreffenden Partikel geäußert wird. Eine Ana­ lyse nur auf der Basis des isolierten Satzes ist zu­ mindest bei den Abtönungspartikeln wegen deren Funktionen (vgl. 6.) nicht ausreichend. 2) Es muß eine Opposition hergestellt werden zwi­ schen dem Vorhandensein und dem Nicht-Vorhan­ densein der betreffenden Partikel, d. h. zwischen der gleichen Äußerung, die einmal die Partikel ent­ hält und das andere Mal die Partikel nicht enthält (Deletionstest), um die spezifische Funktion der betreffenden Partikel zu erkennen:

(50a) Wie spät ist es? (50b) Wie spät ist es denn? 3) Eine zweite Opposition muß hergestellt werden zwischen dem Vorhandensein mehrerer Partikeln, die in der gleichen Äußerung in paradigmatischer Opposition zueinander stehen (Substitutionstest), so daß die unterschiedlichen Funktionen der einzel­ nen Partikeln besser erkannt werden können:

(50c)

bloß denn Wie spät ist es ■ eigentlich überhaupt wohl

4) Die Anfügung eines entsprechenden Nachsatzes (der ein Hinweis auf eine bestimmte Situation und einen Interaktionszusammenhang ist) läßt die Funktion der Partikeln deutlicher zutage treten: (51a) Woher kommst du denn? (daß du so braun gebrannt bist). (51b) Woher kommst du denn? (wenn du nicht von zu Hause kommst).

5) In vielen Fällen ist es möglich, die Partikeln zu pa­ raphrasieren und auf diese Weise ihre spezifische Funktion zu erschließen (Paraphrase-Test). 6) Es muß versucht werden, den Kontext und/oder Si­ tuationselemente zu verändern, um auf diese Weise zu prüfen, ob die Partikel in der betreffenden Äu­ ßerung dann noch stehen kann. Es muß auch ver­ sucht werden, die Partikel in Äußerungen (in kon­ terdeterminierte Kontexte) einzubauen, in denen sie nicht stehen kann, um auf diese Weise zu ermit­ teln, was die Ursache für die kommunikative Stö­ rung ist (was Rückschlüsse auf die Funktion der Partikel zuläßt). 7.2. Distributionsanalyse

Eine Beschreibung der Partikeln beginnt zweckmäßi­ gerweise mit einer Distributionsanalyse, d. h. mit der Ermittlung, in welcher formalen Satzart („Satzmo­ dus“) die Partikel auftreten kann (z. B. Aussagesatz, Aufforderungssatz, Entscheidungsfrage, Ergänzungs­ frage). Eine solche Analyse ist vor allem für die Abtö­ nungspartikeln nötig, da diese in ihrem Vorkommen in verschiedenen Satzarten starke Restriktionen auf­ weisen (vgl. 5.2.) und da die Satzart der einzige an der

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66 sprachlichen Form beobachtbare Ausgangspunkt für ---------- eine Klassenbildung innerhalb der Abtönungspartikeln darstellt (vgl. auch Franck, 1980, 170f.; Bastert, 1985, 56). Freilich liefert dieser Ausgangspunkt von der Form noch keine eindeutigen Aussagen über die Funktion, dies in doppelter Hinsicht (vgl. Bublitz, 1978, 123): a) Da es keine direkte Entsprechung von Form und Funktion gibt (Aussagesätze z. B. auch die Funk­ tion einer Aufforderung oder eines Ausrufs, Frage­ sätze auch die Funktion bzw. Intention von Auffor­ derungen, Ausrufen oder rhetorischen Fragen (mit impliziter Antwort) haben können), müssen solche Funktionen (oder Intentionen) für die Beschrei­ bung der Abtönungspartikeln ermittelt werden. Dazu bedarf es anderer und weiterer Kategorien (z. B. Ausruf, Wunsch, rhetorische Frage). b) Erst recht ist mit der Zuordnung zur formalen Satz­ art noch keine Aussage getroffen über Sprecherein­ stellungen und Sprechhandlung, zu deren Aus­ druck bzw. zu deren Vollzug die Partikeln wesentlich beitragen (vgl. unter 6.). Diese Sprecher­ einstellungen und Sprechhandlungen sind äußerst vielfältig (z. B. Überraschung, Drohung, Erwartung, Konsens, Verstärkung, Abschwächung). Für sie liegt auch noch keine allerseits akzeptierte Eintei­ lung und Klassenbildung vor.

Eine Distributionsanalyse muß von dem Vorkommen in der formalen Satzart ausgehen, kann aber bis zu einem hohen Grade die unter a) genannten Funktio­ nen (oder Intentionen) einschließen, so daß auf diese Weise Distributionsklassen von Abtönungspartikeln ermittelt werden können (vgl. bereits Helbig/Kötz, 1981, 25 ff.) - wobei davon auszugehen ist, daß die In­ tention im neutralen Kontext („Null-Kontext“) der for­ malen Satzart entspricht, daß aber durch Kontext und Interaktionssituation eine Uminterpretation vorge­ nommen werden kann, die von der formalen Satzart abweicht. So gibt es z. B.

1) Partikeln in formalen Aussagesätzen a) mit Aussage-Intention:

(52)

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” auch, bloß, doch, Die Speisen I eben, eigentlich, sind | halt, ja, mal, nur, schon, wohl

schmack­ haft.

b) mit Ausrufe-Intention: (53)

Das war

aber, doch, eben, halt, ja, vielleicht

}

eine Über­ raschung!

2) Partikeln in formalen Ergänzungsfragen a) mit Frage-Intention: Wie spät ist es ■

bloß, denn, doch, eigentlich, nur, wohl

b) mit Ausrufe-Intention: (55)

Was war das •

aber, auch, doch, bloß, nur, vielleicht

für ein Spiel!

c) mit impliziter Antwort: (56)

' auch, bloß, Warum sollte ermordet - denn, eigentlich, ■ man ihn haben? nur, schon 7.3. Funktionsvarianten oder Gesamtbedeutung der Partikeln?

Bisher theoretisch nicht eindeutig entschieden ist die Frage, ob die einzelnen Partikeln nur unterschiedliche Funktionsvarianten sind (z. B. dochx, doch2, doch?, usw.) oder ob den unterschiedlichen Funktionsvarianten eine semantisch definierbare Gesamtbedeutung zuge­ ordnet werden kann (die allen Funktionsvarianten, wie sie sich z. B. aus der Distributionsanalyse ergeben, zu­ grunde liegt). Diese Schwierigkeit ist wissenschaftsge­ schichtlich motiviert: Nachdem (in einer ersten

68 Phase) die Partikeln zumeist als bedeutungsarm oder ---------- -leer angesehen, weder in den Grammatiken noch in den Wörterbüchern ausreichend beschrieben und/oder gar unter stilistischem Aspekt als Flick- bzw. Füllwör­ ter verpönt worden sind (vgl. 2.), erfolgte mit der „kommunikativ-pragmatischen Wende“ der Linguistik (in einer zweiten Phase) eine Aufwertung der Parti­ keln, bei der begreiflicherweise zunächst der kommu­ nikative Wert der Partikeln mit ausschließlich oder primär pragmatischen Erklärungsversuchen in das Blickfeld trat. Erst in letzter Zeit (in einer dritten Phase) wird stärker nach den invarianten Gesamtbe­ deutungen der Partikeln gefragt, die den verschiede­ nen Verwendungsweisen und Funktionen (in unter­ schiedlichen Kontexten und Situationen) zugrunde liegen. Die Frage nach der Gesamtbedeutung wurde in ver­ schiedener Weise gestellt; bei Lütten (1977) z. B. we­ sentlich ohne Einbeziehung der einzelnen situations­ spezifischen Verwendungen, bei Weydt (1977a, 220) eher auf der Basis dieser Verwendungen, die (als Ho­ mophone) die Frage nach der Einheit der Partikel pro­ vozieren. So war z. B. bemerkt worden (vgl. z. B. Kemme, 1979, 13 f.), daß den verschiedenen Verwen­ dungen etwa von ja ein gemeinsames Element der Zu­ stimmung, von doch ein gemeinsames Element des Gegensatzes, von denn ein gemeinsames Element der Begründung, von auch und nur ein gemeinsames Ele­ ment der mengenmäßigen Zuordnung bzw. Ausgren­ zung usw. zukomme. Da diese Versuche wenig befrie­ digten, der Lexeminhalt der Partikeln (als Grund- oder Gesamtbedeutung) weniger als die Kontexte und die Sprechsituationen zu erklären schien, richtete sich die Aufmerksamkeit anderer Autoren fnehr auf die Situa­ tionen, weil die Partikel nur ein „Bedeutungspoten­ tial“ in die jeweilige Interaktion einbringe, das erst in einer sich herausbildenden „Sprechsituation“ allmäh­ lich zur Entfaltung komme (so Kirsten, 1983, 213 ff., 222 f.). So konnte es nicht verwundern, daß man den Partikeln vielfach semantische Elemente ihres Kontex-

tes zugeschrieben, daß man nicht genügend zwischen 69 den Bedeutungsanteilen der Partikeln selbst und de------------nen ihres Kontextes differenziert hat. Demgegenüber versucht Doherty (1985, 7, 12f.) mit Nachdruck den Nachweis, daß die Partikeln (bei ihr mindestens: ei­ nige „Einstellungspartikeln“) über jeweils eine invari­ ante Bedeutung verfügen, die den kontextuell beding­ ten Varianten zugrunde liegt, die folglich auch durch keinen situativen Kontext aufgehoben werden könne. Dieser Erklärungsansatz von Doherty (1981; 1985) - der charakteristisch und wegweisend für die dritte Phase der Partikelforschung ist - ist diktiert von einer deutlichen Skepsis gegenüber ausschließlich kommunikativ-handlungsbezogenen Erklärungsversu­ chen der Partikeln und geprägt von der Absicht, alle kommunikativen und illokutiven Möglichkeiten der Partikeln als Folge einer lexikalischen (sprachinter­ nen) Bedeutung zu begreifen. Es lag nahe, auf die von Bierwisch (1979; 1983) vorgenommene Differenzie­ rung von sprachlicher (Satz-)Bedeutung, Äußerungsbe­ deutung (im Kontext) und kommunikativem Sinn (in der Interaktion) zurückzugreifen und von der damit verbundenen Prämisse auszugehen, daß die Äuße­ rungsbedeutung und der kommunikative Sinn nicht als losgelöst und unabhängig von der sprachlichen Be­ deutung, sondern als grundsätzlich an diese (rück-)gebunden angesehen werden muß. Diese Prämisse hat Wolski (1986, 354ff., 357ff., 360ff., 445f., 481) auf die Partikeln übertragen und auf diese Weise die pragma­ tischen Funktionen der Partikeln nicht aus dem Kon­ text und der Situation, sondern aus der „wörtlichen“ (lexikalischen) Bedeutung zu erklären versucht. Auf diese Weise werden häufige Elemente des bisherigen Kommentierungsvokabulars kommunikativer Prove­ nienz (z. B. Verwunderung, Entrüstung, Verstärkung) zu­ rückgewiesen - weil sie nicht auf die Bedeutung, son­ dern auf den kommunikativen Sinn verweisen -, wird auch einer „Atomisierung“ der Partikelbedeutung in zahlreiche Funktionsvarianten entgegengetreten. Statt

70 dessen wird ein theoretisches Bezugsmodell geschaf---------- fen, in dem die unterschiedlichen Analyse-Ebenen aufeinander bezogen werden, wird von einer bedeu­ tungsminimalistischen Position ausgegangen, wird vor allem nach der „generischen Bedeutung“ der jeweili­ gen Partikel gefragt. Für die Rekonstruktion dieser Be­ deutung ist zwar die Analyse der Verwendungstypen (in den jeweiligen Satzarten mit den dabei auftreten­ den Restriktionen) Voraussetzung, aber diese Bedeu­ tung liefert andererseits die Begründung für die einzel­ nen Verwendungstypen und wird folglich nach den einzelnen Satzarten entfaltet. Auch wenn man theoretisch die Einwände Basterts (1985, 6) gegen diese sprachinteme abstrakte Bedeu­ tung nicht teilt, so ist kaum zu übersehen, (a) daß eine solche Bedeutung sehr schwer zu ermitteln und noch keineswegs in allen Fällen halbwegs überzeugend er­ mittelt worden ist; (b) daß - falls sie ermittelt ist diese invariante Bedeutung so allgemein und abstrakt ist (sein muß), daß sie für lexikographische Zwecke nicht ausreicht (sie macht also die vorher ermittelten Kontextvarianten mit ihren Funktionen keinesfalls überflüssig). Was die lexikographische Beschreibung anlangt, so liegt tatsächlich ein „Partikel-Paradoxon“ vor (Weydt/Hentschel, 1983, 3f.): Die Forderung nach semantischer Darstellung des Zusammenhangs der Funktionsvarianten untereinander (d. h. nach einer übergreifenden Gesamtbedeutung) kollidiert mit der nach leichter Verständlichkeit, weil die allen Va­ rianten gemeinsame Bedeutung so abstrakt ist, daß sie für den nur am praktischen Gebrauch interessierten Benutzer wenig nützlich ist. Die Beschreibung nur der einzelnen Funktionsvarianten indes verstellt dem Be­ nutzer das Verständnis für die Zusammenhänge zwi­ schen den einzelnen Varianten. Deshalb wird man sowohl die einzelnen Funktions­ varianten als auch die Gesamtbedeutung der Partikeln beschreiben müssen (vgl. auch Abraham, 1984, 156), ohne dabei aus dem Auge zu verlieren, daß die Ge­ samtbedeutungen weitgehend eine dringende, aber

gleichermaßen noch ungelöste Forschungsaufgabe sind (vgl. Weydt u. a., 1983, 159), daß sie notwendig (wenn überhaupt schon beschrieben) so allgemein sind, daß es mit ihrer Hilfe nur schwer möglich ist, alle Einzelvarianten plausibel zu erklären, daß es schließ­ lich notwendig (aber sehr schwierig) ist, eine lingui­ stisch ermittelte Bedeutung dieser Art in lexikographische Texte umzusetzen (die ja für linguistisch nicht ausgebildete Leser gedacht sind, folglich auch nicht einfach Reduktionen linguistischer Analysen sein kön­ nen) (vgl. auch Wolski, 1986, 449ff.). Diese Schwie­ rigkeiten hinsichtlich der „Gesamtbedeutung“ betref­ fen sowohl eine „generische Bedeutung“ (im Sinne von Wolski) - die auf die Partikeln beschränkt ist als auch (erst recht) eine „übergreifende Bedeutung“ (im Sinne von Weydt), die sich auch auf die Homo­ nyme (z. B. als Konjunktion oder Adverb) erstreckt und damit freilich auch die grundsätzlichen Unter­ schiede zwischen den Wortklassen einzuebnen droht (vgl. kritisch Wolski, 1986, 388ff.).

8. Abgrenzungsprobleme bei homonymen Partikel-Lexemen Die Beschreibung und Ausgliederung der Partikeln be­ reitet deshalb auch besondere Schwierigkeiten, weil die meisten Partikel-Lexeme homonym (genauer: homograph) sind, d. h. mit der gleichen Lautform auch in anderer Funktion verwendet werden können, teils in anderen Subklassen der Partikeln, teils auch in ande­ ren Wortklassen außerhalb der Partikeln. Damit sind manchmal Unterschiede in der Betonung verbunden, manchmal nicht. Auf diese Weise lassen sich mehrere Gruppen von Homonymie unterscheiden (vgl. ausführ­ licher Helbig/Buscha, 1984, 495ff.; Helbig/Kötz, 1981, 37ff.), die hier nur an einigen Beispielen ver­ deutlicht werden können:

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1) Dasselbe Lexem steht in verschiedenen Subklassen der Partikeln (mit oder ohne Betonungsunter­ schied): a) als Abtönungspartikel und als Gradpartikel (auch als Antwortpartikel):

(57a) Die Arbeit kostet eben viel Zeit. (Abtönungspartikel) (57b) Eben diesen Mann habe ich getroffen. (Gradpartikel) (57c) A: Er hat uns den Besuch versprochen. B: Eben. (Antwortpartikel) (58a) Wer sollte ihm schon helfen? (Abtönungspartikel) (58b) Er wartet schon zwei Stunden. (Gradpartikel) (58c) A: Er hat die Prüfung bestanden. B: Schon. (Antwortpartikel)

b) als Abtönungspartikel und als Negationsparti­ kel: (59a) Kannst du mir nicht helfen? (Abtönungspartikel) (59b) Du kannst mir nicht helfen. (N egationspartikel)

c) als Steigerungspartikel und als Infinitivpartikel:

(60a) Die Reise ist zu anstrengend. (Steigerungspartikel) (60b) Er hat die Absicht, uns zu besuchen. (Infinitivpartikel) 2) Dasselbe Lexem steht in der gleichen Subklasse der Partikeln, aber in unterschiedlicher Funktion (oft mit Betonungsunterschied): a) als Abtönungspartikel:

(61a) Wo wohnst du denn? (61b) Wo wohnst du denn? in Berlin wohnst)

(wenn du nicht

(62a) Er verläßt ja den Betrieb. (Das be­ ruhigt uns.) (62b) Verlasse ja das Haus! (dringender Rat, weil sonst eine Drohung realisiert werden kann) Dabei ist in (62) ein Unterschied in der Satzart obligatorisch, bei (61) aber umgekehrt ausge­ schlossen. b) als Steigerungspartikel:

(63a) Die Arbeit ist ganz güt. (ziemlich gut) (63b) Das Stadion war ganz ausverkauft. (völlig ausverkauft)

3) Dasselbe Lexem erscheint als Partikel (in der Regel unbetont) und zugleich in einer anderen Wort­ klasse (dann betonbar): a) Abtönungspartikel und Adverb: (64a) Er ist eben krank, (wir können es nicht ändern) (Abtönungspartikel) (64b) Der Zug ist eben angekommen. (soeben) (Adverb) (65a) Er löst die Aufgabe schon, (wir haben keine Zweifel) (Abtönungspartikel) (65b) Er hat die Aufgabe schon gelöst. (bereits) (Adverb) b) Gradpartikel und Adverb:

(66a) Eben diesen Mann habe ich getroffen. (genau) (Gradpartikel) (66b) Der Zug ist eben angekommen. (soeben) (Adverb) (67a) Genau dieses Ergebnis hat er voraus­ gesagt. (eben) (Gradpartikel) (67b) Er hat das Ergebnis genau berechnet. (präzise) (Adverb) c) Abtönungspartikel und Konjunktion: (68a) Er ist aber fleißig! (Abtönungspartikel)

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(68b) Er ist nicht sehr begabt, aber fleißig. (Konjunktion) d) Abtönungspartikel und Modalwort:

(69a) Das ist vielleicht eine Überraschung! (Abtönungspartikel) (69b) Das Ergebnis ist vielleicht eine Über­ raschung. (vermutlich) (Modalwort)

e) Abtönungspartikel und Satzäquivalent:

(70a) Das war doch ein großer Erfolg! (Abtönungspartikel) (70b) War das nicht ein Erfolg? Doch. (Satzäquivalent) (71a) Dort kommt er ja. (Abtönungspartikel) (71b) Kommst du heute? Ja. (Satzäquivalent) f) Abtönungspartikel und Adjektiv: (72a) Er ist eben krank. (Abtönungspartikel) (72b) Die Fläche ist eben. (Adjektiv)

g) Gradpartikel und Adjektiv:

(73a) Genau dieses Ergebnis hat er voraus­ gesagt. (Gradpartikel) (73b) Die Berechnung war genau. (Adjektiv) h) Steigerungspartikel und Adjektiv:

(74a) Das Ergebnis war weit besser als er­ wartet. (Steigerungspartikel) (74b) Der Weg in die Stadt ist weit. (Adjektiv) Auf Grund dieser vielfältigen Homonymien ist es nicht verwunderlich, daß auch Sätze mit den entspre­ chenden Lexemen manchmal mehrdeutig sind, daß die Homonymie nicht durch Satzart, Distribution, Be­ tonung u. a., sondern erst durch den Kontext und/oder die Situation beseitigt wird:

(75) Er wird die Aufgabe schon gelöst haben. (a) = bereits (temporales Adverb) (b) = (sehr) wohl (Abtönungspartikel)

(76) Er ist eben abgereist. (a) = soeben (temporales Adverb) (b) = halt (Abtönungspartikel) (77) Sie hat selbst an das Buch gedacht. (a) = höchstselbst, in eigener Person (Adverb) (b) = sogar (Gradpartikel)

9. Zur Kombinierbarkeit von Abtönungspartikeln Manchmal treten mehrere Abtönungspartikeln im Satz nebeneinander auf. Bei dieser Kettenbildung gelten bestimmte Reihenfolgebeziehungen, die jedoch noch nicht vollständig erforscht sind. Es lassen sich nach der möglichen Reihenfolge im Satz bestimmte Posi­ tionsklassen von Partikeln unterscheiden (vgl. Engel, 1968, 91ff.): (a) denn, doch (unbetont), eigentlich, etwa, ja (b) aber, eben,halt, vielleicht, wohl (c) doch (betont),schon (d) auch, mal (e) bloß, nur (f) noch Normalerweise gilt die Reihenfolge (a) - (b) - (c) (d) - (e) - (f):

(78) Wird er denn auch noch unpünktlich kommen? (79) Das war denn eben doch auch nur ein kleiner Erfolg. (80) Damit hat er eigentlich wohl schon seine Arbeit abgeschlossen. (81) Geh doch eben schon mal nach Hause! (82) Muß er aber auch bloß so schnell fahren! (83) Das ist vielleicht mal ein Wetter! (84) Das wird sich doch wohl noch klären lassen.

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76 Allerdings sind unbetontes doch und aber in der Stel---------- lung auch austauschbar: (85a) Er hat doch aber das Spiel gewonnen. (85b) Er hat aber doch das Spiel gewonnen.

Die Kombinierbarkeit von Partikeln im Satz ist gene­ rell dadurch beschränkt, daß nicht alle (Abtönungs-) Partikeln in allen (formalen) Satzarten und in allen (kommunikativen) Sprechhandlungstypen vorkommen können. Darüber hinaus wird diese Kombinierbarkeit auf Grund der Vereinbarkeit/Unvereinbarkeit der spe­ ziellen Funktionen der einzelnen Partikeln stark ein­ geschränkt.

Zum Aufbau des Wörterverzeich­ nisses (Benutzungshinweise) Im folgenden Wörterverzeichnis (dem Hauptanliegen und Hauptteil dieses Buches) sind die einzelnen Parti­ keln alphabetisch geordnet. Entsprechend der in der Einleitung skizzierten Problematik und dem gegenwär­ tigen Erkenntnisstand enthalten die Eintragungen zu den einzelnen Partikeln und ihren Funktionsvarianten folgende Informationen (vgl. dazu auch Weydt/Hentschel, 1983, 3ff.; Bastert, 1985, 90ff.): Am Beginn der Eintragung steht die einzelne Parti­ kel-Variante (mit tiefgestellten Ziffern durchnume­ riert) und ihre Zuordnung zu der entsprechenden Sub­ klasse der Partikeln (vgl. unter 5. in der Einleitung).

Unter 1. werden syntaktische Angaben gemacht, d. h. Hinweise gegeben auf Betonbarkeit, Stellung (bei den Abtönungspartikeln wird nur die Erststellenfähig­ keit vermerkt, da sie eine Ausnahme von der Regel darstellt, bei den Gradpartikeln die mögliche Vor-, Nach- oder Distanzstellung hinsichtlich des Bezugs­ gliedes) und vor allem auf die für den Gebrauch wich­ tigen Restriktionen, die sich bei den Abtönungsparti­ keln aus den Satzarten (vgl. 3) unter 5.2.), bei den Gradpartikeln aus der Art des Bezugsgliedes (vgl. 3) unter 5.3.) und bei den Steigerungspartikeln aus der Verträglichkeit mit unterschiedlichen Steigerungsfor­ men der Adjektive (vgl. 3) unter 5.4.) ergeben. Wenn bei den Stellungsmöglichkeiten der Gradpartikeln das Verb erscheint, so bezieht sich die Voranstellung im­ mer auf die infiniten Formen (Ich kann bloß vermu­ ten, daß er krank ist. Ich habe bloß vermutet, daß er krank ist.); bei den finiten Formen steht die Gradparti­ kel immer danach (Ich vermute bloß, daß er krank ist.). Unter 2. wird die Funktion der entsprechenden Par-

78 tikel-Variante angegeben, die bei den verschiedenen ---------- Subklassen von unterschiedlicher Art ist (vgl. unter 5.) und vor allem bei den Abtönungspartikeln im Schnitt­ punkt unterschiedlicher, sich zum Teil überlagernder Aspekte (Sprechhandlung, Einstellung, Gespräch, In­ teraktion, Text) liegt (vgl. unter 6.). Dabei handelt es sich vor allem um Erläuterungsparaphrasen. Nach Möglichkeit wird jedoch auch auf Synonyme (in WortForm) oder Quasi-Synonyme (in Form von Syntag­ men) (vgl. genauer Wolski, 1986, 26 ff.), auf andere Varianten der gleichen Partikel oder auf andere Parti­ keln hingewiesen. Wenn dabei das Gleichheitszeichen (=) verwendet wird, handelt es sich um Synonyme bzw. Quasi-Synonyme zur Erschließung der Funktion (mit deren Hilfe die Partikel substituiert werden kann), nicht in jedem Falle um völlige Synonymie (um völlige Bedeutungsäquivalenz), auch nicht notwendig um Partikeln. Unter 3. wird die entsprechende Partikel-Variante durch eine Reihe von Beispielen illustriert (an denen sich der vornehmlich an praktischer Nutzung interes­ sierte Leser direkt orientieren kann). In zahlreichen Fällen wird mit Kontexten gearbeitet, die mehr als einen Satz umfassen und einen Sprecherwechsel ein­ schließen; dann verweist A auf den ersten, B auf den zweiten Sprecher mit seinem Gesprächsschritt. Da es gewichtige metalexikographische Argumente gegen authentische Beispiele gibt (vgl. Wolski, 1986, 353, 477 f.), wurden konstruierte prototypische Beispiele ge­ wählt, die als Instanzen allgemeiner Regeln der expli­ ziteren Kommentierung der Funktion der Partikeln dienen. Nach 3. folgen (ohne Numerierung) Hinweise auf homonyme Lexeme außerhalb der Wortklasse der Par­ tikel (mit jeweils einem Beispiel) (vgl. 8.). Die Homo­ nyme innerhalb der Partikeln brauchen nicht geson­ dert aufgeführt zu werden, da sie nacheinander verzeichnet sind (als Varianten). Schließlich werden (ebenfalls ohne Numerierung) andeutungsweise Bemerkungen zu einer möglichen

Gesamtbedeutung der Partikeln gemacht, die jedoch 79 von der Forschung her noch nicht in jedem Falle abge- ---------sichert ist (vgl. 7.3.), erst recht für eine lexikographische Umsetzung erhebliche Schwierigkeiten berei­ tet. Besonderheiten werden in Form von Anmerkungen angegeben. Diese Anmerkungen sind am Rand durch die schwarze Rhombe gekennzeichnet, wenn sie sich nur auf eine Variante beziehen, durch die graue Rhombe dann, wenn sie sich auf die gesamte Partikel beziehen. Dem Wörterverzeichnis wird ein umfangreicheres Literaturverzeichnis nachgestellt, das bei der For­ schungssituation zu den Partikeln (vgl. 2.) notwendig erscheint. Die genannten Werke haben nicht nur dem Autor - sowohl für die die Problematik und den For­ schungsstand skizzierende Einleitung als auch für das Wörterverzeichnis selbst - eine Fülle von Einsichten und Ergebnissen vermittelt (die in dieses Buch Ein­ gang gefunden haben), sie können auch den speziell interessierten Lesern eine weitergehende Beschäfti­ gung mit den Partikeln erleichtern.

Wörterverzeichnis

aber

aber!

aber1

(Abtönungspartikel)

1. in Ausrufesätzen, die der Form nach Aussagesätze (Zweitstellung des finiten Verbs), Entscheidungs­ fragen (Erststellung des finiten Verbs) oder Ergän­ zungsfragen (Zweitstellung des finiten Verbs) sind; unbetont 2. Drückt das Erstaunen und die Überraschung des Sprechers über das besondere Maß (den besonderen Grad) eines Sachverhalts (einer Eigenschaft) aus, beruhend auf dem Gegensatz zwischen der (niedri­ geren) Erwartung des Sprechers und dem, was tat­ sächlich eingetreten ist (bemerkt worden ist) (= tat­ sächlich, wirklich, vielleicht)', setzt eine assertive (behauptende) Einstellung voraus und bezieht diese auf eine andere (implizierte, alternative und/oder vorausgegangene) Einstellung; als überraschte Re­ aktion auf unerwartete Äußerung auch textverknüp­ fend. 3. Das war aber eine Reise! Ihr seid aber gewachsen! Du hast aber einen Bart! Schmeckt dieser Wein aber gut! Haben Sie aber einen guten Kuchen gebacken! Was muß er aber auch so weit reisen! Was sind das aber auch für Leute! A: Das Hochhaus ist schon fertig. B: Das ist aber erstaunlich!

aber2

(Abtönungspartikel)

1. in Ausrufen, abgesondert vom Satz oder am Anfang eines elliptischen Satzes (ohne Prädikat); unbetont (wenn es nicht allein und abgesondert steht) 2. In fester Sequenz oder als Gliederungssignal; leitet eine Dialogfortsetzung ein, eröffnet zu einer an­ dersartigen Bewertung der Situation einen Gegen­ satz durch den Sprecher (z. T. verbunden mit einer Mahnung). 3. Aber, aber, was soll diese Aufregung! Aber Kinder! (Was habt ihr wieder angestellt?) Aber schnell ins Bett! Aber nein! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Homonym als koordinierende Konjunktion (adversativ): Die Mannschaft hat gut gespielt, aber sie hat das Spiel nicht gewonnen. Sie ist nicht schön, aber klug. Gesamtbedeutung: Mit aber werden zwei Gegensätze verbunden, wird eine Diskrepanz zwischen zwei Ge­ gensätzen signalisiert, nicht notwendig zwischen Vor­ gänger- und Nachfolgesatz (wie bei der Konjunktion), auch zwischen erwartetem und beobachtetem (oder eingetretenem) Geschehen. Anmerkungen: (1) aber drückt im Unterschied zu ja meist „graduelles“, nicht „absolutes“ Erstaunen aus:

Der Tee ist ja heiß! (man hat kalten Tee erwartet) Der Tee ist aber heiß! (man hat heißen, aber nicht so heißen Tee erwartet) Vgl. auch Anm. zu ja2. (2) Auf Grund der gemeinsamen Gesamtbedeutung ist die Grenze zwischen Partikel und Konjunktion in manchen Fällen schwer zu ziehen: Er konnte nicht segeln, aber schwimmen konnte er!

81 aber2

82

(3) Als Partikel kann aber nicht stehen in Aussagesätzen, Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen, wenn diese nicht Ausrufe-Intonation haben (d. h., wenn diese nicht emphatisch uminterpretiert werden):

Peter hat aber ein Auto.

(Konjunktion, nicht Partikel)

xHat Peter aber ein Auto? xWas für ein Auto hat Peter aber? (4) Bei aber} kann auch stets hinzugefügt werden, wenn es sich um Aussagesätze oder Entscheidungsfragen han­ delt; handelt es sich dagegen um Ergänzungsfragen, muß auch hinzugefügt werden: Das war aber (auch) eine Reise! Schmeckt dieser Wein aber (auch) gut! xWas muß er aber so weit reisen!

(5) aberx kann auch in döjS-Sätzen stehen, die selbständig sind, emphatisch uminterpretiert sind und Ausrufe-Into­ nation haben: Daß Peter aber (auch) eine solche (weite) Reise gemacht hat!

(6) aber kann auch in Aufforderungssätzen mit Imperativ stehen (nun als obligatorisches Einleitungswort, fakul­ tativ nachgestelltes auch): Nun schlaf aber (auch) endlich!

absolut absolut

(Steigerungspartikel)

1. vor Bezugswort (Adjektiv oder Adjektiv-Adverb im Positiv, Komparativ oder Superlativ); betont oder unbetont 2. Drückt den höchsten Grad der durch das Adjektiv bezeichneten Eigenschaft aus, die nicht mehr stei­ gerbar oder überschreitbar ist (= äußerst, völlig, vollkommen, vollständig). 3. Der Mitarbeiter ist absolut unfähig.

Die Terminstellung ist absolut unmöglich. Er fährt absolut gesetzwidrig. Die Lebensbedingungen sind in Europa absolut besser als in vielen Ländern Afrikas. Der Student hat absolut am besten abgeschnitten.

83

Homonym als Adjektiv (attributiv), zuweilen auch Adjektiv-Adverb: Der Kranke braucht absolute Ruhe. (= voll­ ständig) Das genügt absolut. Gesamtbedeutung vgl. 2.

allein allein x

allein (Gradpartikel)

1. vor, nach oder in Distanzstellung zum Bezugsglied (Substantiv- oder Präpositionalgruppe, auch vor Ad­ jektiv); unbetont oder betont 2. Restriktiv und exklusiv, drückt eine Beschränkung und Einschränkung im Hinblick auf Bezugsglied aus, schließt alle anderen typengleichen Elemente (außer dem Bezugsglied) aus (= nur6, bloß5, ledig­ lich)-, nur quantifizierend zu interpretieren. 3. Allein das Ministerium ist weisungsberechtigt. Das Ministerium allein ist weisungsberechtigt. Das Ministerium ist allein weisungsberechtigt. Allein den Kranken galt seine Fürsorge. Den Kranken allein galt seine Fürsorge. Den Kränken galt allein seine Fürsorge. Allein in Dresden ist er gewesen. In Dresden allein hat er viele Museen besucht. Das ist die allein gültige Fassung des Testaments.

allein!

84

allein2

allein 2 (Gradpartikel) vor oder nach Bezugsglied (Substantivgruppe); unbetont oder betont 2. Hebt das Bezugsglied hervor, steigert seine Bedeu­ tung für das Geschehen, drückt aus, daß von ande­ ren Faktoren (die in einer angenommenen Skala der Wichtigkeit tiefer liegen) abgesehen wird (= schon wy, skalierende Interpretation. 3. Allein die persönliche Begegnung zwischen den höchsten Staatsmännern war wertvoll. Die Idee (für das Projekt) allein war äußerst frucht­ bar. Allein dieser Vorgang hat die lange Reise gelohnt. Homonym als Adjektiv: Er ist allein (= ohne Gegenwart eines anderen). Adverb: Er arbeitet allein (= ohne fremde Hilfe). Er fährt allein in den Urlaub (= ohne Gegenwart eines anderen). Gesamtbedeutung: Element der Einschränkung, das allen Verwendungen gemeinsam ist.

aller­ dings aller­ dings!

allerdings allerdings x (Abtönungspartikel) 1. in Aussagesätzen; unbetont; erststellenfähig 2. Signalisiert die konzessive Bedeutung einer Aus­ sage, bezieht sich immer auf Vorangegangenes, drückt in bezug auf Vorgängertext (zurückhalten­ den) Einwand bzw. Widerspruch oder (höfliche) Einschränkung aus (= aber), stellt damit eine Art Gleichgewicht zwischen den aus beiden Sätzen zu folgernden Bewertungen her und führt zu einer ge­ wissen Unentschiedenheit in der gesamten Argu­ mentation.

3. Wir haben uns im Urlaub gut erholt, allerdings war das Wetter nicht sehr gut. Das Buch ist außerordentlich interessant, es ist allerdings schlecht gedruckt. Er hat eine gute Dissertation geschrieben, den Ter­ min hat er allerdings nicht eingehalten. Dieses Kleid gefiel ihr ausgezeichnet, allerdings war es sehr teuer. Die Bekannten haben eine große Wohnung, sie ha­ ben allerdings keine guten Verkehrsverbindungen zur Stadt.

85

Anm.: allerdings^ ist nicht immer durch aber ersetzbar und umge­ kehrt:

4

Er unternahm eine allerdings (*aber) kurze Reise nach Brüssel. Geh ins Bett! Aber ^allerdings) sofort! (Aufforderung)

allerdings^ (Antwortpartikel) 1. isoliert als Replik auf Entscheidungsfragen oder auf Aussagesätze; betont 2. Bestätigt den Inhalt der Frage/Aussage und bekräf­ tigt die Bejahung (= ja6 und ja7, aber natürlich), deutet aber zugleich einen einschränkenden Hin­ tergedanken an (auf dessen expliziten Ausdruck verzichtet werden kann, weil er für evident oder für überflüssig gehalten wird). 3. A: Kennst du Monika? B: Allerdings. (Ich kenne auch ihren Leichtsinn.) A: Ist Peter schon gekommen? B: Allerdings. (Aber - wie immer - zu spät.) A: Er hat uns nicht informiert. B: Allerdings. (Zu unserem Bedauern.) A: Er muß operiert werden. B: Allerdings. (Zu unserem Bedauern.) Gesamtbedeutung: Vorgängeraussage wird bestätigt; siehe unter 2.

aller^^ngS2

86 also also!

also2

alsoy

(Abtönungspartikel)

1. in Aussagesätzen, in Ergänzungsfragen und in Ent­ scheidungsfragen mit der Wortfolge des Aussagesat­ zes (Zweitstellung des finiten Verbs), auch in ellip­ tischen Ausrufen; unbetont 2. Wirkt textkonnektierend, greift etwas Vorangegan­ genes zusammenfassend und weiterführend auf, drückt damit oft (vor allem im Aussagesatz) Bestäti­ gung und Zustimmung aus (folglich, demzufolge}. 3. Das war es also für heute. Sie verlassen uns also? Wir hoffen also, daß du morgen kommst. Sie meinen also, daß wir uns heute entscheiden müssen? Wann kommst du also? Auf Wiedersehen also! Also dann auf Wiedersehen! Bis morgen also! also2

(Antwortpartikel)

1. abgesondert vor Aussagen, Aufforderungen und Fragen, unbetont oder betont 2. Wirkt vor allem textkonnektierend, kann formelhaft vorangegangene Gedanken zusammenfassen, führt zugleich weiter, indem es Aussage, Aufforderung oder Frage einleitet, auch Redepausen überbrückt. 3. Also, diese Frage müssen wir noch einmal bespre­ chen. Also, brechen wir auf. Also, kommst du mit oder nicht? Also, besuchst du uns morgen? Also, entscheide dich bald!

Homonym als Adverb: Also müssen wir uns beeilen.

87

Gesamtbedeutung liegt offenbar in Verknüpfung und Schlußfolgerung.

annähernd annähernd

an­ nähernd (Gradpartikel)

1. vor Bezugsglied (Substantiv-, Präpositional­ gruppe - oft mit Zahl- oder Zeitangaben Adjek­ tiv, Adverb); unbetont oder betont 2. Schränkt die Präzision des Bezugsgliedes ein (= etwaA, ungefähr) und drückt eine leichte Ein­ schränkung des Bezugsgliedes aus (= fast, beinahe, nahezu)-, zeigt an, daß die mit dem Bezugsglied be­ zeichnete Norm nicht vollständig (wie bei genau B gerade, eben3), sondern nur näherungsweise erreicht wird. 3. Annähernd vier Wochen bleibt er in Berlin. Annähernd nach vier Wochen kann er das Kran­ kenhaus wieder verlassen. Seine Lösung war annähernd richtig. Sie sind annähernd gleichaltrig. Die Läufer sind annähernd gleichzeitig am Ziel an­ gekommen. Wir haben uns ihn annähernd so vorgestellt. Annähernd zehnmal hat er uns im Krankenhaus be­ sucht. Es waren annähernd 10 Tausend Zuschauer im Sta­ dion.

88

auch auchj

auch2

auch auch!

(Abtönungspartikel)

1. in Aussagesätzen, die Behauptungen ausdrücken; unbetont 2. Textverknüpfend, rückvervzeisend (auf Text oder Si­ tuation); Vorgängerbehauptung wird implizit bestä­ tigt und bejaht (= ja; es ist wirklich so, daß...); die neue Behauptung bestreitet jedoch pragmatische Implikationen, die sich aus dem vorangegangenen Satz ableiten lassen, auch signalisiert damit einen (direkten oder indirekten) Widerspruch zu diesen Implikationen, hat interaktionell (im Handlungs­ kontext) einen erklärenden Charakter, indem der Vorgängeraussage das Erstaunliche und Fragwür­ dige genommen wird (= das ist auch nicht erstaun­ lich, denn ...; das war auch zu erwarten). 3. A: Das Essen war ausgezeichnet. B: Es war auch die teuerste Speise, die es in die­ sem Hotel gibt. A: Er ist zum Direktor ernannt worden. B: Er hat auch die meisten Erfahrungen auf unse­ rem Gebiet. A: Peter sieht sehr schlecht aus. B: Er ist auch sehr lange krank gewesen. A: (Eine alte Frau ist auf der Straße ausgerutscht und hat sich verletzt.) B: Es ist auch furchtbar glatt auf der Straße. auch2

(Abtönungspartikel)

1. in Entscheidungsfragen; unbetont 2. Nicht notwendig reaktiv, aber an interaktiven Kon­ text (Handlungskontext) gebunden; indiziert Zwei­ fel, Vergewisserung oder Besorgnis, macht Frage zur „Vergewisserungsfrage“: Der Sprecher hofft, daß der in der Frage bezeichnete Sachverhalt zu­ trifft, hält es aber nicht für sicher, möchte sich ver­ gewissern und suggeriert dem Hörer, daß der Sach-

verhalt so zu sein habe, daß mit ja geantwortet wird, erwartet also mit der suggestiven Frage eine bestätigende Antwort, drückt mit dieser Sprecher­ einstellung zugleich eine Aufforderung (das Er­ fragte zu tun), zuweilen Ermahnung bzw. Vorwurf aus (= Ich habe Zweifel, ob...', Ich hoffe, daß...', Warum tust du... nicht?}. 3. Hast du dich in der Abfahrtszeit des Zuges auch nicht getäuscht? Ißt du auch deine Suppe? Hast du es auch verstanden? Hast du dir auch die Hände gewaschen? Hast du auch die Mütze nicht vergessen? Gehst du auch heute noch in die Kaufhalle? Anm.: Auch in selbständigen o£>-Sätzen kommt auch^ vor:

89



Ob er auch weggefahren ist?

auch}

(Abtönungspartikel)

1. in Ergänzungsfragen; unbetont 2. Reaktiv und rhetorisch; es wird signalisiert, daß die Frage keine eigentliche Frage, sondern bereits eine (negative) Antwort ist. Der Sprecher will sich nicht informieren, sondern erwartet vom Hörer eine nega­ tive oder gar keine Antwort (deshalb: negativ-rheto­ rische Frage); es steht vielmehr in einer Art f Kommentar zur Vorgängeraussage (die ihrerseits einen unerwünschten Sachverhalt beschreibt), der in einem begründenden Verhältnis zu dieser Vorgän­ geraussage steht. 3. A: Mir ist es furchtbar kalt. B: Warum ziehst du dich auch so leicht an? A: Ich bin heute sehr müde. ß: Warum gehst du auch immer so spät ins Bett? A: Er kann die Aufgabe nicht lösen. B: Wie sollte er die Aufgabe auch lösen? A: Er wird die Sache vergessen haben. B: Was liegt auch daran? (Daran liegt nichts.)

auch3

90



Anm.: (1) auch3 ist auch in elliptischen Ausdrücken (nur mit Fra­ gewort) möglich: Warum auch? Wie auch? (2) Vereinzelt kann auch auch in Ergänzungsfragen stehen, die nicht-rhetorisch sind, vielmehr als Rückfragen eine Antwort verlangen (die dem Sprecher schon einmal be­ kannt war, aber im Moment entfallen ist): Wie hieß der kleine Gasthof in Masserberg auch wieder?

auch4

auch4

(Abtönungspartikel)

1. in Aufforderungssätzen; unbetont 2. Sprecher drückt aus, daß der Hörer den Sachverhalt schon getan haben sollte, aber bisher noch nicht ge­ tan hat, jetzt aber tun soll; schränkt den Inhalt der Aufforderung zugleich etwas ein (= aber} 3. Nun iß auch schön deine Suppe! Schreibe auch ordentlich! Vergeßt auch die Grüße nicht! Jetzt geht auch (schön) nach Hause!

auch5

auch5

(Abtönungspartikel)

1. in Ausrufesätzen, die der Form nach Ergänzungs­ fragen sind (Zweitstellung des finiten Verbs), aber keine Frageintonation haben; unbetont 2. Drückt keine Frage, sondern (negative) Stellung­ nahme des Sprechers aus. 3. Was war das auch für ein Erfolg! (Es war in Wirk­ lichkeit ein sehr bescheidener oder kein Erfolg.) Warum hat er das auch getan! (Er hätte es nicht tun sollen.) Wie konnte er auch so schnell abreisen! (Er hätte es nicht so schnell tun sollen.)

auch6

auchb

(Abtönungspartikel)

1. in selbständigen Nebensätzen (Subjektsätzen) ohne übergeordneten Matrixsatz (Hauptsatz); unbetont 2. Bestätigt den Sachverhalt (= es ist wirklich so,

daß...), versieht ihn zugleich mit einer zusätzli­ chen (positiven oder negativen) Bewertung, die der Bedeutung des eliminierten Matrixsatzes entspricht (Es ist leider/glücklicherweise so, daß...). 3. Daß er auch gerade heute kommt! (Das ist ausgezeichnet/schlimm!) Daß es auch heute den ganzen Tag regnet/wunderschön ist! Daß der Zug auch gerade heute so viel Verspätung hat!

91

Anna.: (1) auch6 in dq/?-Sätzen entspricht auch5 durch die Emphase und den Ausrufe-Charakter. (2) Vereinzelt taucht auch auch in stark idiomatisierten Ausrufesätzen auf, die jedoch nicht mehr als Uminter­ pretation von Ergänzungsfragen verstanden werden kön­ nen:



Den Teufel auch!

auch-]

(Gradpartikel)

1. vor Bezugsglied (Substantiv-, Präpositionalgruppe, Verb), bisweilen auch in Distanzstellung; betont oder unbetont 2. Fügt einen Tatbestand mehreren anderen gleichar­ tigen Tatbeständen hinzu (ebenfalls, ebenso^, gleich­ falls)-, Geschehen trifft nicht nur auf Bezugsglied, sondern auch auf typengleiche andere Glieder zu (das wird präsupponiert - d. h. impliziert und dem Sinne nach vorausgesetzt wird deshalb von Ne­ gation nicht berührt), schließt also die anderen Glieder ein (inklusiv); quantifizierende Interpreta­ tion. 3. Auch Peter ist nach Hause gegangen, (außer Mo­ nika, Paul u. a.) Er ist auch in Berlin gewesen, (wie in Dresden und Leipzig) In Berlin ist er auch gewesen. Lars hat die Prüfung auch bestanden.

auch7

92 ----------

Auch Lars hat die Prüfung bestanden, (neben anderen) Er hat geraucht und auch getrunken. Auch ich lehne diese These ab. (wie du) Das Auto hat er seiner Frau auch geschenkt.

4

Anm.: Mit einer Reaktion von „Nein, das stimmt nicht.“ auf „Peter ist auch in Berlin gewesen“ wird nur die Assertion bzw. Be­ hauptung („in Berlin“), nicht aber die Präsupposition (z. B.: in Dresden, in Leipzig) negiert.

auch8

(Gradpartikel) 1. vor Bezugsglied (Substantiv- oder Präpositional­ gruppe); unbetont 2. Verstärkt die Aussage durch Beziehung auf folgen­ des Bezugsglied, von dem zu erwarten gewesen wäre (da es in einer Skala oben steht), daß sie für dieses nicht zutrifft (= sogar, selbst)-, setzt dieses Zutreffen der Aussage für typengleiche andere Glie­ der voraus (Präsupposition), fügt das Bezugsglied hinzu, obwohl man dafür Zutreffen nicht erwartet hatte; inklusiv, skalare Interpretation. 3. Dagegen hatte auch der Arzt nichts mehr einzuwen­ den. Auch der beste Arzt konnte ihm nicht helfen, (die schlechteren erst recht nicht) Das Wasser des Sees war auch dem abgehärteten Schwimmer zu kalt. Auch der kleinste Fehler kann die größten Wirkun­ gen haben, (die größeren Fehler sowieso) Den Erdbebengeschädigten kann auch die kleinste Spende helfen.

$

Anm.: Der Unterschied zwischen auch-j und auch* besteht darin, daß bei auchi auch nicht durch sogar ersetzt werden kann (weil die Bedeutung verschoben wird):

auchs

Auch Peter bestand die Prüfung nicht. Sogar Peter bestand die Prüfung nicht,

daß bei auch* auch durch sogar ersetzt werden kann (ohne Bedeutungsunterschied): Auch ein Experte hätte das Erdbeben nicht Vorher­ sagen können. Sogar ein Experte hätte das Erdbeben nicht Vorher­ sagen können. auchy hat nur eine quantifizierende Interpretation, auchs ent­ hält dagegen Quantifikation und Wertung (Skalierung).

Homonyme als Adverb (betont): Der andere Lehrer hat auch recht. Teil einer (konzessiven) Konjunktion: Wer auch immer kam, wir haben uns gefreut. Teil einer (koordinierenden) Konjunktion: Sie essen sowohl Äpfel als auch Birnen.

Gesamtbedeutung: auch drückt die Verknüpfung von Elementen unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt aus, ordnet Aussagen in einen Zusammenhang ein, am offenkundigsten bei der Gradpartikel und bei der Ab­ tönungspartikel in Aussagesätzen, aber auch (mittel­ bar) in anderen Satzarten, bei Vergewisserungsfrage z. B. durch Bezug auf mitgedachte andere Bedingun­ gen, bei rhetorischer Frage durch Bezug auf mitge­ dachtes nicht-realisiertes Geschehen. Anmerkungen: (1) Wenn auch betont ist, ist es Gradpartikel; wenn es unbe­ tont ist, ist es Grad- oder Abtönungspartikel:

Du bist aber auch ein einfältiger Mensch. (nicht nur ein Unglücksrabe) Gradpartikel Du bist aber auch ein einfältiger Mensch. (nicht nur ein Unglücksrabe) Gradpartikel Du bist aber auch ein einfältiger Mensch. (xnicht nur ein Unglücksrabe) Abtönungspartikel (2) Auch bei Entscheidungsfragen ist zu unterscheiden zwi­ schen Abtönungspartikel: Bist du auch fleißig? (Das will ich hoffen!) und Gradpartikel: Bist du auch fleißig? (wie deine Eltern es sind).

93

94

(3) auch ist wie sogar, aber im Unterschied zu anderen Gradpartikeln immer inklusiv (in beiden Interpretatio­ nen): Auch Peter ist krank, (inklusiv; mindestens ein anderer als Peter ist krank) Sogar Peter ist krank, (inklusiv) Nur Peter ist krank, (exklusiv; kein anderer als Peter ist krank) Peter ist auch/sogar fleißig, (inklusiv; nicht nur begabt)

ausge­ rechnet

ausgerechnet ausgerechnet

(Gradpartikel)

1. steht vor oder nach Bezugsglied (Substantiv-, Prä­ positionalgruppe, Adjektiv, Adverb, Verb), auch in Distanzstellung und innerhalb einer komplexen Nominal- oder Präpositionalgruppe (mit Attribut als Bezugsglied); unbetont 2. Exklusiv und restriktiv; Aussage trifft nur auf Be­ zugsglied zu; Sprecher nimmt an, daß man eher von anderen Elementen als dem Bezugsglied das Geschehen erwartet. 3. Ausgerechnet Peter hat mich gestern besucht. Ihren früheren Verlobten ausgerechnet hat Inge in der Stadt getroffen. Ausgerechnet bei Regenwetter haben wir den Aus­ flug gemacht. Die ausgerechnet ältesten Teilnehmer haben die Belastungen gut überstanden. Er hat ausgerechnet geschlafen, als es klingelte. Ausgerechnet dort haben wir ihn nicht gesucht.

Homonym als Verb (Partizip II): Er hat sich seine Rente ausgerechnet.

95

ausgesprochen (Steigerungspartikel) aus­ 1. vor Bezugswort (Adjektiv oder Adverb im Positiv); gespro­ chen unbetont oder betont 2. Signalisiert die Steigerung des Bezugswortes, gra­ duiert (intensiviert) die im Bezugswort ausge­ drückte Eigenschaft (= sehr, ganz besonders, in ge­ steigertem Maße). 3. Er war vor der Prüfung ausgesprochen fleißig. Er schwimmt ausgesprochen gut. Sie arbeitet morgens ausgesprochen gern. Das ist ein ausgesprochen begabter Sänger. Wir finden sein Auftreten ausgesprochen lächer­ lich. Homonym als Adjektiv: Er war ein ausgesprochener Freund des Schwimmens. (= sehr groß)

ausschließlich ausschließlich (Gradpartikel) 1. vor oder nach Bezugsglied (Substantiv-, Präpositio­ nalgruppe); unbetont oder betont 2. Exklusiv und heraushebend, verbietet nicht nur eine Grenzüberschreitung nach oben und nach un­ ten (wie z. B. eben,, und genaue, sondern verneint darüber hinaus die Gültigkeit für einen anderen Ausdruck als für das Bezugsglied (= zmr6, allein^-, nur quantifizierende Interpretation. 3. Er hat ausschließlich europäische Länder besucht, (keine anderen) Ausschließlich in Dresden hat er bisher gewohnt. Seine Verwandten ausschließlich hat er zum Ge­ burtstag eingeladen.

aus­ schließ­ lich

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Homonyme als Präposition: Man hat die Reise ausschließlich der Fahrt­ kosten bezahlt. (= mit Ausnahme) Adjektiv: Er hat das ausschließliche Entscheidungs­ recht. (= uneingeschränkt, ohne Aus­ nahme) Anmerkungen: (1) Vgl.: Er hat ausschließlich europäische xund (ausschließ­ lich) arabische Länder besucht. Er hat eben europäische und (eben) auch arabische Länder besucht. (2) ausschließlich ist zwar durch nur6 austauschbar; aber im Unterschied zu nur6 kann es nur quantifizierend, nicht skalierend (wertend) verwendet werden.

äußerst äußerst (Steigerungspartikel) 1. vor Bezugswort (Adjektiv oder Adjektiv-Adverb im Positiv); unbetont oder betont 2. Drückt einen sehr hohen Grad der im Bezugswort genannten Eigenschaft aus (= sehr, überaus) 3. Der Film war äußerst interessant. Der Student liest äußerst schnell. Der Lehrer behandelte die Schüler äußerst streng. Für dieses Buch braucht er äußerst wichtige Mate­ rialien. Das war für das Vorhaben eine äußerst ungünstige Situation.

Anmerkung: äußerst als Intensifikator unterliegt zahlreichen Beschrän­ kungen, kann - wie sehr (vgl. dort die Anm. (1) und (2)) und überaus — nicht verwendet werden bei superlativischen Ad­ jektiven (die selbst schon den höchsten Grad einer Eigen­ schaft bezeichnen) und bei Adjektiven mit Grenzwerten:

xSie singt äußerst ausgezeichnet. xDer Student ist äußerst blind.

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Homonym als Adjektiv: Er wohnt im äußersten Süden der Stadt. (= am weitesten) Er arbeitet mit äußerstem Fleiß. (= größtem)

Gesamtbedeutung liegt im Ausdruck des höchsten Grades, der höchsten Intensität.

außergewöhnlich außergewöhnlich

(Steigerungspartikel)

1. vor Bezugswort (Adjektiv oder Adjektiv-Adverb im Positiv); unbetont oder betont 2. Verstärkt (intensiviert) die im Bezugswort ausge­ drückte Eigenschaft, gibt einen sehr hohen Grad an (= äußerst, ungewöhnlich, sehr, überaus), der weit über der (gewohnten) Erwartungsnorm liegt. 3. Es ist für diese Jahreszeit außergewöhnlich kalt. Er arbeitet außergewöhnlich fleißig. Das Kind ist von außergewöhnlich großem Wuchs. Der Lehrer beurteilte seine Schüler außergewöhn­ lich streng. Homonym (mit gleicher Bedeutung) als Adjektiv: Es herrschte eine außergewöhnliche Kälte.

außer­ gewöhn­ lich

98 außer­ ordent­ lich

außerordentlich außerordentlich

(Steigerungspartikel)

1. vor Bezugswort (Adjektiv oder Adverb im Positiv); unbetont oder betont 2. Signalisiert die Steigerung des Bezugswortes und einen sehr hohen Grad der im Bezugswort ausge­ drückten Eigenschaft (= sehr, besonders2). 3. Er war im vergangenen Jahr außerordentlich fleißig. Sie arbeitet außerordentlich fleißig. Der Motorradfahrer hatte es außerordentlich eilig. Der Schriftsteller arbeitet morgens außerordentlich gern. Das war ein außerordentlich begabter Sänger. Homonym als Adjektiv (mit gleicher Bedeutung): Das war ein außerordentlicher Erfolg.

beinahe

beinahe beinahe

(Gradpartikel)

1. vor (seltener: nach) Bezugsglied (Substantivgruppe, Verb, Adjektiv - oft Zahl- und Mengenangaben); unbetont oder betont 2. Drückt eine Einschränkung des Bezugsgliedes aus (=fast, nahezu)-, die mit Bezugsglied angegebene Norm wird nicht vollständig erreicht. 3. Beinahe einen Monat war er hier. Einen Monat beinahe war er hier. Es war beinahe 9 Uhr, als er zur Arbeit kam. Die Straße war beinahe 6 Meter breit. Beinahe jeden Tag war er betrunken. Der Stoff ist beinahe schwarz. Man kann beinahe behaupten, daß er überfordert ist.

Anmerkung: Beim Verb ist beinahe erststellenfähig: Beinahe kann man behaupten, daß er überfordert ist.

bereits bereits!

bereits

(Gradpartikel)

bereitSj

1. vor (seltener: nach) Bezugsglied (Zeitangaben); un­ betont 2. Ordnet einen Sachverhalt zeitlich so ein, daß sein Zutreffen früher eintritt, als ursprünglich erwartet wurde, korrigiert also einen erwarteten Zeitpunkt (= schon%, früher als erwartet); Gegensatz: ersf; tem­ porale Interpretation. 3. Er fängt bereits um 6 Uhr mit der Arbeit an. (Ar­ beitsbeginn wurde erst für eine spätere Zeit erwar­ tet.) Bereits morgen (Morgen bereits) will er uns besu­ chen. Der Zug kommt jetzt bereits um 14 Uhr an. Die Rosen blühen bereits im Juni. Heute bereits habe ich von dem Unfall gehört. Bereits im Mai hat er seine Dissertation abgeschlos­ sen.

bereits^

(Gradpartikel)

1. vor Bezugsglied (Zeitangaben); unbetont 2. Ordnet einen Sachverhalt zeitlich so ein, daß eine Erwartungshaltung von Sprecher und/oder Hörer mit der Realität konfrontiert und entsprechend der Wirklichkeit korrigiert wird (= schone später als er­ wartet); Gegensatz: ersf; erwarteter Wert liegt auf einer Werteskala; temporal-skalare Interpretation. 3. Es ist bereits Mittag. Es ist bereits 20 Uhr.

bereits2

100 -------- —

4

Es war bereits Mai, als er die Dissertation abgegeben hat. Es war bereits 8 Uhr, als er aufgestanden ist. Anm.: Wenn Zeitangaben skalar verwendet werden (bei bereits2) vor allem im Satztyp „Es + ist + bereits + Zeitangabe“ -, wird die Zeitangabe genau umgekehrt interpretiert wie im „normalen“ Falle der temporalen Interpretation (bei bereits^ (vgl. auch die Anm. zu schon?): Bereits im Mai hat er seine Dissertation abgege­ ben. (= bereits^ früher als erwartet) Es war bereits Mai, als er seine Dissertation abge­ geben hat. (= bereits2, später als erwartet)

bereits3

bereits^

(Gradpartikel)

1. vor (seltener: nach) Bezugsglied (Mengenangaben); unbetont 2. drückt aus, daß zu einem bestimmten zeitlichen Bezugspunkt ein größerer Wert auf einer gedachten Mengenskala erreicht wird, als ursprünglich erwar­ tet wurde (dieser größere Wert wurde erst für einen späteren Zeitpunkt erwartet) (= schon 10; mehr, län­ ger als erwartet)-, Gegensatz: erstf, skalare Interpreta­ tion 3. Er hat bereits 3 Briefe bekommen. Zwei Stunden bereits hat er gearbeitet. Seit einer Stunde bereits spielt Elke auf dem Hof. Er hat bereits 4 Schnitten gegessen. Fred schläft bereits ungewöhnlich lange. Das Kind ist bereits 6 Jahre alt.

4

Anm.: (1) Bei bereits2 handelt es sich um eine Skala von Zeitwer­ ten, bei bereits3 um eine Skala von'Quantitäten. (2) Als besondere Varianten können angesehen werden (a) Fälle, in denen als Bezugsglied weder Zeit- noch Mengenangaben, sondern andere skalierbare Ele­ mente (in einer Hierarchie von Werten) stehen (vgl. schon 10, dort Anm. (2)); Gegensatz: erst5:

Er ist bereits Professor. Sie ist bereits Großmutter.

101

(b) Fälle, in denen das Bezugsglied weder eine Zeitnoch eine Mengenangabe ist, aber einer Hierarchie von Werten entstammt, unter denen es besonders hervorgehoben wird (während von anderen Werten abgesehen wird); substituierbar durch schon (wie bei den anderen Funktionen von bereits) und durch al­ lein (spezifisch für diese Variante): Bereits (Allein) die persönliche Begegnung zwi­ schen den beiden Staatsmännern war wertvoll. Die Idee bereits (allein) war äußerst fruchtbar.

besonders besonders^

(Gradpartikel)

1. vor oder nach Bezugsglied (Substantiv-, Präpositio­ nalgruppe, Adverb); unbetont und betont 2. Hebt das Bezugsglied - in Relation zu Bezugsgliedem derselben Klasse - besonders hervor (= zumal, vornehmlich, vor allem, in erster Linie), schließt aber die anderen Bezugsglieder nicht aus, sondern ein; heraushebend und inklusiv. 3. Besonders im Sommer (Im Sommer besonders) ist das Meer schön. Der Arzt muß sich heute besonders um die schwer­ kranken Patienten kümmern. Besonders in Dresden/In Dresden besonders hat es ihm gefallen. Besonders dorthin wäre er gern gefahren.

besonders2

(Steigerungspartikel)

1. vor Bezugswort (Adjektiv oder Adverb im Positiv); unbetont und betont 2. Signalisiert die Steigerung des Bezugswortes, gradu­ iert (intensiviert) die im Bezugswort ausgedrückte Eigenschaft (= sehr, außerordentlich).

beson­ ders beson­ ders!

beson­ der

102 3. Er war im vergangenen Jahr besonders fleißig. ---------Er arbeitet besonders gut. Der Motorradfahrer hat es besonders eilig. Sie arbeitet morgens besonders gern. Das ist ein besonders großer Torwart. Homonym als Adverb: Wir müssen dieses Problem besonders behan­ deln. (= gesondert, für sich allein) Er sollte den Erkenntniszuwachs besonders ak­ zentuieren. (= nachdrücklich, ausdrücklich, in besonderer Weise)

bloß

bloß!

bloß bloß!

(Abtönungspartikel)

1. in Aufforderungssätzen; betont oder unbetont 2. Signalisiert die Dringlichkeit einer Aufforderung, die auf diese Weise den Charakter einer Warnung vor einer Gefahr oder (bei Nicht-Befolgung) einer Drohung mit unangenehmen Konsequenzen an­ nimmt (= nur!, Jai)3. Komm bloß nach Hause (, sonst könnte es dir schlecht ergehen)! Störe mich bloß nicht bei der Arbeit! Verspätet euch bloß nicht (, sonst ist der Zug abge­ fahren)! Geht bloß aus dem Wege (, sonst werdet ihr über­ fahren)! Rauch bloß nicht die ganze Schachtel leer! $

Anm.: bloß! ist erststellenfähig, (a) wenn es ohne finites Verb zusammen mit einem Infinitiv (als Aufforderung) vorkommt: Bloß nicht so schnell laufen! Bloß aufpassen!

(b) wenn es ohne Verb in einer Ellipse zusammen mit einem Adverb vorkommt: Bloß langsam!

103

(auf keinen Fall schnell!)

(c) wenn es in elliptischen Formen (ohne Verb) zusammen mit nicht vorkommt (dann ist bloß stets betont): Bloß nicht!

bloßi

(Abtönungspartikel)

bloß2

1. in Ergänzungsfragen; betont oder unbetont 2. Drückt die Dringlichkeit und Verstärkung einer Frage aus, das unbedingte Bemühen, beim Kom­ munikationspartner die gewünschte Information zu erhalten, und die nachdrückliche subjektive Anteil­ nahme des Sprechers (= nur3). 3. Wie spät ist es bloß? Was ist bloß mit ihm geschehen? Wo habe ich bloß meinen Bleistift hingelegt? Wann fährt der Zug bloß weiter? Warum ist er bloß nicht gekommen? Wo ist bloß der Autoschlüssel? Anm.: (1) In manchen Fällen hat die Ergänzungsfrage mit bloß den Charakter einer rhetorischen Frage, auf die keine Ant­ wort erwartet wird (weil Bewunderung, Vorwurf o.ä. aus­ gedrückt wird), wohl aber eine andere sprachliche Reak­ tion:



Wie hat er die Arbeit bloß geschafft? Wie konntest du mich bloß belügen? (2) In Entscheidungsfragen kommt bloß als Abtönungsparti­ kel nicht vor. Wenn bloß in Entscheidungsfragen vor­ kommt, ist es Gradpartikel:

Liest er bloß?

bloß?, (Abtönungspartikel) 1. in Ausrufesätzen, die die Form von Ergänzungsfra­ gen haben (Zweitstellung des finiten Verbs); betont oder unbetont

bloß3

104

2. Signalisiert keine Frage, auf die eine Antwort er­ wartet wird, sondern drückt Bewunderung, Vorwurf o. ä. aus (ähnlich wie die rhetorischen Fragen unter Anm. (1) zu bloß2, zu denen die Grenze fließend ist). 3. Wie siehst du bloß wieder aus! Was ist er bloß für ein Feigling gewesen! Weshalb mußte er bloß wegfahren!

bloß4

blo/ß

(Abtönungspartikel)

1. in Wunschsätzen, die der Form nach eingeleitete oder uneingeleitete Konditionalsätze sind und das Verb im Konjunktiv haben; betont oder unbetont 2. Dient dem Ausdruck der Verstärkung und der Dringlichkeit des (realen oder irrealen) Wunsches seitens des Sprechers (= nur5). 3. Wenn er bloß bald käme! Wenn das Wetter bloß schön bliebe! Würde es bloß bald hell! Hätte er bloß etwas gesagt! Wäre er bloß rechtzeitig zum Arzt gegangen! Wenn wir bloß schon zu Hause wären! bloß5

bloß5

(Gradpartikel)

1. vor dem Bezugsglied (Substantiv-, Präpositional­ gruppe, Adverb, Adjektiv, Verb); betont oder unbe­ tont 2. Restriktiv und exklusiv, signalisiert das Zutreffen des Sachverhalts nur auf das Bezugsglied, schließt andere typengleiche Bezugsglieder aus (bei quanti­ fizierender Interpretation) oder weist dem Bezugs­ glied einen niedrigen Platz in einer Bewertungs­ skala zu (bei skalierender Interpretation) (= nur6, lediglich). 3. Er erhielt bloß einen Trostpreis, (keinen ersten Preis) Ich habe bloß vermutet, daß er im Urlaub ist. (Ich weiß es nicht.) Er hat bloß 20 Mark bei sich, (nicht mehr)

Die Tür war bloß angelehnt, (nicht geschlossen) 105 Ist der Schüler bloß fleißig? (oder auch begabt?) ---------War das bloß ein Zufallserfolg? (oder entsprach das seinen Leistungen?) Anm.: (1) bloßs kann (da es einen niedrigen Platz zuweist) nicht bei solchen Wörtern stehen, die auf Grund ihrer lexikali­ schen Bedeutung keine Einschränkung zulassen:

xDie Arbeit war bloß ausgezeichnet. xWar er bloß Staatsoberhaupt? (2) Vgl. den Unterschied zwischen der quantifizierenden (a) und der skalierenden (b) Interpretation: (a) Bloß Peter hat den Vorschlag abgelehnt. (Alle anderen haben den Vorschlag nicht abgelehnt.) (b) Es handelt sich bloß um zwei Assistentenstel­ len (nicht um mehr als zwei und auch nicht um Stellen, die in der Skala höher als Assistenten­ stellen liegen, z. B. um Professorenstellen).

Homonym als Adjektiv: Er arbeitet mit bloßem Oberkörper,

(nackt)

Gesamtbedeutung für die Abtönungspartikel: Das Ausgedrückte wird in der betreffenden Situation als einzig relevant und wichtig hingestellt, alles andere er­ scheint als unwichtig.

denn denn,

denn (Abtönungspartikel)

1. in Entscheidungsfragen (mit Erststellung des fini­ ten Verbs); unbetont 2. Im Sprechhandlungstyp Frage; kennzeichnet eine Einstellung des Sprechers, daß etwas in Frage steht, was er eigentlich als gegeben (oder nicht gegeben) vorausgesetzt hat; damit wird Erstaunen (und Über-

dennj

106 ----------

raschung) ausgedrückt, zugleich meist konversationsbezogen auf Vorausgehendes rückwärtskonnektierend Bezug genommen (kausal-logischer Zusammenhang mit vorhergehender Äußerung wird von Gesprächspartnern mitverstanden), wodurch die Fragen den Charakter von Rückfragen erhalten. Fragen dieser Art mit denn wirken meist höflicher und verbindlicher als solche ohne denn. 3. A: Ich bringe dich mit dem Auto nach Hause. B: Hast du denn einen Führerschein? Hast du denn ein Auto? Geht der Junge denn heute nicht in die Schule? Kommt Peter denn heute zum Geburtstag? Geht sie denn immer so früh ins Bett? Wohnt er denn in Dresden? Bist du denn wieder völlig gesund?

denn2

denn2

(Abtönungspartikel)

1. in Entscheidungsfragen (mit Erststellung des fini­ ten Verbs); unbetont 2. Als Indikator für den Sprechhandlungstyp Vorwurf; auf diese „rhetorischen Fragen“ wird keine Antwort erwartet (eine Antwort wird vielmehr schon unter­ stellt), sondern eine Rechtfertigung. Eine Interpre­ tation solcher Entscheidungsfragen als Vorwürfe ist nur möglich, wenn (a) das ausgedrückte Geschehen nach Norm bzw. Erwartung als negativ zu bewerten ist, oder (b) sich eine negative Bewertung nicht aus dem Geschehen selbst, sondern aus dem Situations­ kontext ergibt. 3. Kannst du denn nicht Auto fahren? Kannst du denn nicht endlich mit dem Rauchen aufhören? Bist du denn wahnsinnig geworden? Bist du denn blind? Hast du denn Watte in den Ohren? Hat denn der Torwart den Ball nicht gesehen?

denn3

(Abtönungspartikel)

1. in Ergänzungsfragen; unbetont 2. Im Sprechakttyp Frage; bezieht sich auf etwas, was dem Hörer bekannt ist (oder von dem angenommen wird, daß es ihm bekannt ist), motiviert die Frage aus der Situation (meist in Fortsetzung eines Ge­ sprächs), ist konversationsbezogen und rückwärtskonnektierend (reaktiv) (vgl. denn3), gestaltet eine Frage natürlicher und freundlicher. 3. Wer ist denn alles gekommen? Wie spät ist es denn? Wo kommst du denn her? Was gibt es denn Neues? Warum muß er denn ins Krankenhaus? Wann kommt der Zug denn an? Anm.: (1) Dieser Typ der Ergänzungsfrage kommt auch elliptisch vor: Wieso denn? Wann denn?

107

denn3



(2) denn-j tritt nicht nur unmittelbar reaktiv, sondern verein­ zelt auch initiativ auf und leitet Gespräche ein:

Was ist denn hier los? Was fehlt uns denn? (Frage des Arztes an Patien­ ten)

denn A

(Abtönungspartikel)

1. in Ergänzungsfragen; unbetont 2. Als Indikator für Sprechhandlungstyp Vorwurf; auf diese „Fragen“ werden nicht nur Antworten, son­ dern Rechtfertigungen erwartet. Eine Interpretation als Vorwurf ist jedoch nur möglich, wenn entweder das ausgedrückte Geschehen selbst der Erwartung nach negativ zu bewerten ist oder aus dem Situa­ tionskontext eine negative Bewertung erhält (vgl. denn2). 3. Wo bist du denn so lange geblieben? Was ist denn hier los?

denn4

108 ----------

Wie siehst du denn wieder aus? Wann begreifst du das denn endlich? Wann kommt der Zug denn endlich?

4

Anm.: Die üblicherweise negativ bewerteten Sachverhalte können zur Grundlage für die Interpretation als Vorwurf werden, müssen es aber nicht.

denn5

denn5

(Abtönungspartikel)

1. in Ergänzungsfragen; betont 2. Nimmt auf Vorausgehendes Bezug (rückwärts-konnektierend), verstärkt und wiederholt eine Frage, auf die der Sprecher keine befriedigende Antwort erhalten hat, wenn zuvor schon eine Möglichkeit verneint worden ist. 3. A: Ich heiße nicht Peter. B: Wie heißt du denn? (wenn du nicht Peter heißt) A: Ich bin kein Mathematiker. B: Was bist du denn? (wenn du kein Mathemati­ ker bist) Wo arbeitest du denn? (wenn du nicht im Kauf­ haus arbeitest) Woran liegt es denn? (wenn nicht an seiner Freundin) Als was ist er denn angestellt? (wenn nicht als Lehrer) Wer hat die Fußballweltmeisterschaft denn gewon­ nen? (wenn nicht Argentinien) ♦

Anm.: (1) Statt denn5 steht oft (verstärkend) denn dann;

Wie heißt du denn dann? (2) Im Unterschied zu unbetontem denn kommt betontes denn nie in Entscheidungsfragen vor, auch nicht in indi­ rekten Entscheidungsfragen:

xIst Peter denn gekommen? xOb Peter denn gekommen ist?

(3) Sätze mit denn3 und denn5 unterscheiden sich manchmal nur durch den Akzent (bei gleichem lexikalischem Ma­ terial und gleicher syntaktischer Struktur):

109

Wie heißt du denn? Wie heißt du denn? (wenn du nicht Peter heißt) Wo finde ich dich morgen denn? Wo finde ich dich morgen denn? (wenn du nicht zu Hause bist)

dennb

(Abtönungspartikel)

denn6

1. in Ergänzungsfragen; unbetont 2. In Äußerungen, die „rhetorische Fragen“ sind, we­ der als echte Fragen noch als Vorwürfe interpretier­ bar sind, sondern Aussagen darstellen, zu denen vom Hörer eine Zustimmung erwartet wird. 3. Wer kann sich das denn heute noch leisten? (Kei­ ner kann es sich leisten.) Wer wird sich denn dabei aufregen? (Niemand.) Was haben wir denn damit erreicht? (Nichts.) Anm.: Zu rhetorischen Fragen werden Fragen mit denn auch, wenn es zusammen mit folgendem schon auftritt (schon allein si­ gnalisiert dabei den Charakter als rhetorische Frage):



Was hat er denn schon damit gewonnen? (Nichts.) Wer tritt denn schon für ihn ein? (Niemand.)

denn-j

(Abtönungspartikel)

1. in Ausrufesätzen, die die Form von Entscheidungs­ fragen haben (Erststellung des finiten Verbs); unbe­ tont 2. Kennzeichnet einen Ausruf des Sprechers, der den ausgedrückten Sachverhalt nicht erwartet hat und nun überrascht ist, der Übereinstimmung mit dem Hörer hinsichtlich des Sachverhalts herstellen will, also den angestrebten Konsens suggeriert. 3. Ist das Wetter denn nicht herrlich! Ist das denn zu glauben! Haben wir mit der Fahrt denn nicht großes Glück!

denn7

110 Homonyme als —------- koordinierende (kausale) Konjunktion: Er kommt nicht zur Arbeit, denn er ist krank, komparative Präposition (bzw. Konjunktion) - statt als: Er ist bekannter als Forscher denn als Lehrer. Adverb: Ich gehe denn (= dann) jetzt. So hat er denn (=dann) endlich seine Ruhe gefunden. Gesamtbedeutung: denn nimmt auf Vorangegangenes Bezug und motiviert die Frage (oder den Ausruf) ex­ tern (aus äußerem Anlaß) und enthält ein Element der Begründung. Es legt den Sprecher auf eine nicht-assertive (nicht-behauptende) Haltung fest. Anmerkungen: (1) denn kommt nicht in Aussagesätzen und in Aufforde­ rungssätzen vor, auch nicht in Entscheidungsfragesätzen mit der Wortstellung des Aussagesatzes (Zweitstellung des finiten Verbs):

xPeter ist denn gekommen. "Komm denn! Teter ist denn gekommen? (2) In Aussagesätzen taucht denn vereinzelt in Verbindung mit doch auf:

Das ist denn doch weit angenehmer als in der Großstadt.

direkt

direkt direkt

(Steigerungspartikel)

1. vor Adjektiv (Adjektiv-Adverb); unbetont 2. Gibt einen hohen Grad der bezeichneten Eigen­ schaft an, den man nicht erwartet hatte (= wirklich, wahrhaftig, geradezu).

3. Der Aufstieg zum Berg war direkt anstrengend. Der Film war direkt spannend. Diese Situation war ihm direkt peinlich. Er strengte sich direkt übermenschlich an.

111

Homonyme als Adjektiv: Dort geht der direkte Weg in die Stadt. Adverb: Der Bungalow steht direkt am Wald.

doch doch-t

doch

(Abtönungspartikel)

1. in Aussagesätzen; unbetont 2. Bestätigt eine Einstellung, drückt eine Verstärkung aus durch Erinnerung an Bekanntes, aber Vergan­ genes und in Vergessenheit Geratenes, das auf diese Weise vom Sprecher in das Bewußtsein des Hörers zurückgerufen werden soll. Mit doch wird an gemeinsame Wissensbasis appelliert, Sprecher will seine Einstellung auf Hörer übertragen und ihn illokutiv zur Zustimmung auffordern (dabei einen leichten Widerspruch ausräumen). dochx setzt Kon­ sens voraus, thematisiert den schon bestehenden Konsens ausdrücklich und wirkt im Dialog kon­ sens-konstitutiv. 3. Diesen Plan haben wir doch neulich schon bespro­ chen. (Das mußt du zugeben.) Wir wollten doch heute abend ins Theater ge­ hen. (Wir hatten das verabredet.) Er ist doch ein sehr erfahrener Chirurg. Du weißt doch, daß ich ins Ausland fahren muß. In dieser Gaststätte sind wir doch schon einmal ge­ wesen. (Nicht wahr?) Das letzte Mal sind wir doch nicht ganz fertig ge­ worden.

doch!

112



Anm.: (1) In dochx fehlt die negative Komponente des Vorwurfs, die in doch2 dominiert. (2) Auch wenn docht Konsens voraussetzt und konstituiert, bleibt ein Unterschied zu jax:

Ich komme ja schon. (Du siehst/weißt, daß ich komme.) (volle Übereinstimmung) Ich komme doch schon. (entgegen deiner Annahme) (leichter Widerspruch muß ausgeräumt werden) (3) doch kommt in einigen Nebensätzen vor (z.B. in nicht­ restriktiven Attributsätzen, in Kausal- und Konzessivsät­ zen), in anderen nicht (z. B. restriktiven Attributsätze, Temporalsätzen):

Diese großen Autos, die doch mehr als 20 Liter Benzin verbrauchen, sind unpraktisch. xAutos, die doch mehr als 20 Liter Benzin verbrau­ chen, sind unpraktisch. Ich kann nicht mit ins Bad, weil ich doch arbeiten muß. xEr ging mit ins Bad, als er doch erkältet war.

doch2

doch2

(Abtönungspartikel)

1. in Aussagesätzen; unbetont 2. Bezieht sich reaktiv auf vorangegangenen Sprech­ akt (Vorgängerzug) und stellt zwischen ihm und der durch doch2 kommentierten Aussage einen leichten Widerspruch her; wirkt einerseits konversationskonnektiv, enthält andererseits eine vom vorange­ henden Sprecher nicht gewünschte Reaktion, da Vorgängerzug kritisiert oder zurückgewiesen wird. Illokutiv handelt es sich um eine Zurückweisung (z.B. der Voraussetzung für die Erfüllung einer im Vorgängerzug ausgesprochenen Aufforderung), um einen Vorwurf, einen Gegenvorwurf bzw. eine Rechtfertigung (= aber). Mit Textverknüpfung und Rückwärtskonnektion ist oft begründende Funktion verbunden. 3. A: Mach das Fenster zu!

B: Es ist doch viel zu warm im Zimmer. A: Gib mir mein Buch zurück! B: Ich habe es dir doch gestern schon zurückgege­ ben. A: Du hast aber wenig Fleisch gekauft. B: Ich konnte doch nicht wissen, daß wir Besuch bekommen. A: Wir müssen über die Straße gehen. B: Jetzt nicht, die Ampel zeigt doch „rot“. Das können wir doch so nicht machen. So kommen wir doch zu keiner Lösung.

113

doch3 (Abtönungspartikel) 1. in Aufforderungssätzen; unbetont 2. Reaktiv und konnektierend zum vorangegangenen Akt des Gesprächspartners (eine Unterlassung, die kritisiert wird), zugleich initiativ in bezug auf fol­ gende Handlung (auf deren Ausführung insistiert wird); verstärkt eine Aufforderung und drückt da­ mit Wunsch nach Änderung aus, kann dringend, ungeduldig, ärgerlich oder vorwurfsvoll (vor allem in Verbindung mit endlich oder immer), kann aber auch beruhigend, höflich oder eher beiläufig (z. B. in Verbindung mit bitte oder mal) wirken (im letz­ ten Fall Abschwächung der Aufforderung zu Bitte oder Ratschlag). 3. Komm doch endlich zum Essen! Schrei doch nicht immer so! Hör doch (endlich) auf mit dem Klagen! Sei doch nicht so traurig! Sprechen Sie doch mal mit dem Arzt! Setzen Sie sich doch (bitte)! Nehmen Sie doch noch ein Stück Kuchen! Treiben Sie doch ein bißchen Sport!

doch3

Anm.: In die direkte (primäre) Illokution der Aufforderung ist indi­ rekt eine andere Illokution eingeschlossen, die in der Zu­ rückweisung des Vorgängerzuges, in der Ausräumung von Widersprüchen oder Bedenken besteht (oft in Verbindung mit mal oder ruhig):



Kommen Sie doch (mal/ruhig) nach Leipzig. (trotz ihrer Bedenken)

114 doch4

doch 4

(Abtönungspartikel)

1. in Ergänzungsfragen; unbetont 2. Drückt aus, daß mit der Frage an Bekanntes, aber Vergangenes und in Vergessenheit Geratenes erin­ nert wird, das der Sprecher vom Hörer (wieder) er­ fahren will (vgl. doch-^. Der Sprecher fragt nach etwas, was er eigentlich zu wissen glaubt oder wissen müßte, dessen er sich aber im Augenblick nicht erinnert. 3. Wo arbeitest du doch? (Du hast es mir zwar ge­ sagt, ich habe es aber vergessen.) Wohin fahren Sie doch in Ihrem Urlaub? Wo waren wir doch stehengeblieben? Wie heißt doch euer Hund? Wer war das doch gleich? Wann haben Sie doch das letzte Mal eine Kolik ge­ habt?



Anm.: (1) In direkten und indirekten Ergänzungsfragen kommt doch in der Regel nicht betont (kontrastierend bzw. kon­ zessiv) vor: xWo ist er doch gewesen? xWo er doch gewesen ist?

Vgl. aber Anm. (4) nach den Homonymen. (2) In der Entscheidungsfrage mit Erststellung des finiten Verbs kann doch nicht unbetont (als Abtönungspartikel) vorkommen (weil mit einer Entscheidungsfrage - ohne besondere Indizierung von Widerspruch oder Kontrast kein Rekurs auf eine gemeinsame Wissensbasis herstell­ bar ist, diese Basis erst durch die Frage hergestellt wer­ den soll), wohl aber betont (als konzessives Adverb):

xIst Peter doch verreist? Ist Peter doch verreist?

(Abtönungspartikel) (Adverb)

dochs

(Abtönungspartikel)

1. in Sätzen, die der Intonation nach Entscheidungs­ fragen sind, aber die Wortstellung von Aussagesät­ zen haben (Zweitstellung des finiten Verbs); unbe­ tont 2. Sprecher möchte sich durch Antwort des Hörers rückversichern und erwartet Bestätigung, möchte durch Formulierung der Frage eigene Sorge und Zweifel durch die Antwort des Hörers (eine Antwort mit ja wird erwartet und bevorzugt) aus dem Wege räumen und sich dadurch vergewissern (Vergewisserungs- bzw. Rückversicherungsfrage, tendenziöse Frage mit bestimmter Antworterwartung). 3. Das schaffst du doch bis morgen? (Ich nehme es an und möchte mich noch einmal vergewissern.) Du hilfst mir doch bei den Korrekturen? (nicht wahr?) Sie werden doch die Versammlung leiten? Du hast doch die Wohnung richtig abgeschlossen? Sie trinken doch auch ein Glas Bier? Sie kommen doch mit zur Gerichtsverhandlung? Du bleibst doch zu Hause? Anm.: (1) Die Wortstellung der Entscheidungsfrage (Erststellung des finiten Verbs) ist bei doch5 ausgeschlossen. Eine echte Entscheidungsfrage (mit Indifferenz des Sprechers gegenüber positiver oder negativer Antwort) ist nicht möglich: xSchäffst du das doch bis morgen? Aber: Schaffst du das doch bis morgen? (Adverb) xIst der Zug doch pünktlich gekommen? Aber: Ist der Zug doch pünktlich gekommen? (Adverb)

(2) Wohl aber ist bei Zweitstellung des finiten Verbs auch ein betontes doch möglich, dann aber in anderer (kontra­ stierender) Bedeutung (in der Funktion eines Adverbs, nicht in der von dochjy.

Du schaffst das doch bis morgen? (= Schaffst du das doch bis morgen?)

115

doch5



Du hilfst mir doch bei den Korrekturen? (= Hilfst du mir doch bei den Korrekturen?)

116 doch6

dochf,

(Abtönungspartikel)

1. in Ausrufesätzen mit Zweitstellung des finiten Verbs, entweder mit einleitendem Fragewort (Wort­ stellung der Ergänzungsfrage) oder ohne einleiten­ des Fragewort; unbetont 2. Signalisiert keinen eindeutigen Rekurs auf gemein­ same Wissensbasis (wie etwa dochx oder doch4), son­ dern eher eine spontane Reaktion auf eine unmit­ telbar vorangegangene Beobachtung oder Erfah­ rung, einen Gegensatz in der Vorstellung des Sprechers durch eine überraschende Feststellung (im Kontrast zur bisherigen Erwartung), einen Wi­ derspruch zwischen den Erwartungen des Sprechers und dem geäußerten Sachverhalt, damit eine Kor­ rektur des eigenen Wissens, verbunden oft mit Er­ staunen, Überraschung, Entrüsten 0. ä. (=ja2, wirk­ lich). Vom Hörer wird Zustimmung erwartet. 3. Was war das doch für ein Fußballspiel! Wie klug er doch ist! Was bist du doch für ein Faulpelz! Du schnarchst doch! (Ich habe es nicht geahnt.) Du bist doch kein kleines Kind mehr! Das ist doch eine bodenlose Frechheit! Das war doch unsere ehemalige Studentin! Das ist doch die Höhe!



Anm.: (1) Vereinzelt ist bei gleicher Funktion auch Erststellung des finiten Verbs möglich:

Unterbricht er den Redner doch schon wieder! Ist das Wetter doch herrlich! (2) Die Überraschung bezieht sich auf das Daß des Sachver­ halts selbst (wie ja2), nicht auf das Wie des im Ausruf ge­ äußerten Sachverhalts (wie aber} und vielleicht Vgl. dazu auch Anm. bei ja2.

doch-,

(Abtönungspartikel)

1. in Wunschsätzen (die der Form nach selbständige eingeleitete oder uneingeleitete Konditionalsätze sind); unbetont 2. Kennzeichnet die Äußerung als dringenden Wunsch (= bloß^ nurß, der in der realen Sprechsi­ tuation nicht erfüllbar, nur in der Zukunft erfüllbar (dann mit Konjunktiv Präteritum) oder irreal und unerfüllbar (dann mit Konjunktiv Plusquamper­ fekt) ist; damit verbunden ist Widerspruch zwi­ schen Wunsch und Wirklichkeit. 3. Käme der Brief doch bald! (Ich wünsche es mir dringend.) Wäre er doch ehrlich! Wenn wir doch bald in den Urlaub fahren könnten! Wenn es doch morgen nicht regnen würde! Würde er die Prüfung doch gut bestehen! Hätte er doch den Ratschlag des Arztes befolgt! Wäre er doch noch zu Hause geblieben! Anm.: doch-, ist obligatorisch, allerdings ersetzbar durch nur5 oder bloßt. xWenn der Brief käme! Wenn der Brief nur/bloß käme!

doch%

(Antwortpartikel)

1. isoliert oder abgesondert als Satzäquivalent, als Antwort auf eine Entscheidungsfrage oder Aussage mit expliziter Negation; betont 2. Die Negation des Vorgängersatzes (Frage oder Aus­ sage) wird negiert, d. h. aufgehoben, der strittige Sachverhalt als positiv behauptet; der Vorgänger­ satz (mit Negation) wird explizit bestritten. 3. Ist der Zug nicht pünktlich angekommen? Doch (, er ist pünktlich angekommen). Hat er nicht meistens recht? Doch. Ist er nicht im Krankenhaus gewesen? Doch. Haben wir keine Getränke mehr im Haus? Doch.

117

doch7



doch8

118 ----------

0

Kommst du nicht mit zur Vorlesung? Doch. Hat niemand meinen Schlüssel gesehen? Doch. A: Obst ist nicht gesund für die Zähne. B: Doch (, es ist gesund). A: Er braucht kein Visum für die Reise. B: Doch. Anm.: (1) Als Reaktion auf eine Frage verneint doch eine negierte Frage, bejaht ja eine nicht-negierte Frage, verneint nein eine nicht-negierte Frage: Ist der Zug nicht pünktlich angekommen? Doch (, er ist pünktlich angekommen). Ist der Zug pünktlich angekommen? Ja (, er ist pünktlich angekommen). Ist der Zug pünktlich angekommen? Nein (, er ist nicht pünktlich angekommen).

(2) Doch ist als bejahend-entgegensetzende (und verstär­ kende) Antwort nicht nur auf eine negierte Frage (und Aussage), sondern auch auf eine negierte Aufforderung möglich:

A: Lauf nicht auf die Straße! B: Doch. (3) Doch kann nach verneinten Fragen manchmal eher als Bestätigung aufgefaßt werden (Tendenz-Partikel, durch ja ersetzbar):

A: Ist das nicht herrlich? B: Doch (Ja), großartig. (4) Manchmal fehlt im Vorgängersatz die Negation (die aber meist rekonstruiert werden kann); doch fungiert als Zustimmungspartikel:

A: Das war sehr freundlich von ihm (