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German Pages 201 Year 2014
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse
Band 194
Leitungsautonomie und Fremdeinfluss Zulässigkeit und Grenzen vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten auf Leitungsentscheidungen des Vorstands einer Aktiengesellschaft
Von
Michael Herwig
Duncker & Humblot · Berlin
MICHAEL HERWIG
Leitungsautonomie und Fremdeinfluss
Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von
Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse
Band 194
Leitungsautonomie und Fremdeinfluss Zulässigkeit und Grenzen vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten auf Leitungsentscheidungen des Vorstands einer Aktiengesellschaft
Von
Michael Herwig
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Geleitwort In der Unternehmenspraxis finden sich zunehmend Vertragsgestaltungen, kraft derer außenstehende Personen auf Leitungsentscheidungen des Vorstands Einfluss nehmen (können). Bekannte Beispiele sind Investorenvereinbarungen (investment agreements), Zusammenschlussvereinbarungen (business combination agreements) und Kooperationsvereinbarungen (cooperation [framework] agreements), die in Kreditverträgen zu findenden financial covenants sowie die dem Veräußerer im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags auferlegten Verpflichtungen und Beschränkungen hinsichtlich der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Zielgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften. Das gemeinsame Merkmal dieser nach Inhalt und Zweck mitunter sehr unterschiedlichen Vereinbarungen unter Beteiligung der Aktiengesellschaft selbst liegt darin, dass sie den Spielraum der Geschäftsführung in Fragen der Geschäftspolitik beschneiden, indem sie Leitlinien für die zukünftige Unternehmensführung und Vorgaben für wesentliche Geschäftsführungsentscheidungen beinhalten oder dem Vertragspartner ein Mitspracherecht in Bezug auf ausgewählte zukünftige Entscheidungen einräumen. Der Verfasser hat diese Entwicklung zum Anlass genommen, Zulässigkeit und Grenzen einer vertraglich begründeten Einflussnahme auf Leitungsentscheidungen des Vorstands auszuloten. Den Ausgangspunkt hierfür bildet § 76 Abs. 1 AktG, wonach der Vorstand einer Aktiengesellschaft diese unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Hieraus wird bislang mehr oder minder pauschal ein allgemeiner Grundsatz der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht bzw. ein Verbot der Vorwegbindung des Vorstands hinsichtlich des künftigen Leitungsverhaltens abgeleitet. Hiergegen wendet sich der Verfasser und knüpft stattdessen daran an, dass die Aktiengesellschaft gesetzestypisch auf die autonome Verwirklichung des Gewinnziels angelegt ist. Der Verbandszweck als oberste Leitlinie für das Vorstandshandeln gebietet gesetzestypisch, dass der Vorstand das Ziel der Gewinnerzielung selbständig verfolgt. Diese innovative Anknüpfung erlaubt eine wesentlich differenziertere Betrachtung des Spannungsverhältnisses von Leitungsautonomie und Fremdeinfluss und die Entwicklung sachgerecht differenzierender Leitlinien und Grenzen für vertraglich begründete Einflussnahmemöglichkeiten auf Leitungsentscheidungen des Vorstands. Mit der vorliegenden Untersuchung hat der Verfasser ein gleichermaßen aktuelles wie grundlegendes Thema aufgegriffen und aufs Schönste gezeigt, dass gerade die wissenschaftlich überzeugende Arbeit auch in ihren praktischen Ergebnissen zu überzeugen vermag. Da die einleitend erwähnten Vertragsgestaltungen ihre Zukunft
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Geleitwort
erst noch vor sich haben, wird die Wissenschaft an der Arbeit nicht vorbeigehen können und die Praxis sie besonders gerne aufgreifen. Mainz, im April 2014
Peter O. Mülbert
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde das Manuskript im Juli 2013 noch einmal aktualisiert, so dass Rechtsprechung und Literatur bis Juni 2013 Berücksichtigung finden konnten. Zunächst möchte ich meinem Doktorvater und akademischem Lehrer Prof. Dr. Peter O. Mülbert meinen Dank aussprechen, an dessen Lehrstuhl ich mehrere Jahre, zunächst als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter, tätig gewesen bin und der mein Interesse für das Gesellschaftsrecht geweckt und gefördert hat. Er hat die Themenstellung der Arbeit angeregt und ihr Gelingen mit Rat und konstruktiver Kritik stets gefördert. Zudem gebührt ihm sowie den weiteren Herausgebern Prof. Dr. Dirk A. Verse M.Jur. und Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider Dank für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Schriftenreihe. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine förderlichen Hinweise möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Dirk A. Verse M.Jur. danken. Mein besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Kollegen und Freund Prof. Dr. Lars Leuschner, der mich stets in jeder Hinsicht nicht nur fachlich, sondern auch moralisch unterstützt hat. Mit offenem Ohr und schier unerschöpflicher Geduld hat er sich meinem unermüdlichen Diskussionsbedarf gestellt und mich so durch die Aufs und vor allem auch die Abs der Forschung begleitet. Von seinen zahlreichen Ratschlägen, Denkanstößen und Erklärungen sowie allgemein seiner Begeisterung für grundlegende (gesellschafts-)rechtliche Fragestellungen hat nicht nur diese Arbeit, sondern mein juristisches Verständnis an sich ungemein profitiert. Zutiefst dankbar bin ich zudem meinen Freunden, insbesondere Steffi, Niki und Daniel. Sie haben meine Promotionszeit zu einem großartigen Lebensabschnitt werden lassen. Von ganzem Herzen möchte ich mich schließlich bei meinen Eltern, Annette und Dr. Jürgen Herwig, bedanken. Ohne ihre Liebe und Unterstützung wäre nicht nur diese Arbeit nicht entstanden. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Mainz, Oktober 2013
Michael Herwig
Inhaltsübersicht Teil 1 Einleitung
23
A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Teil 2 Tatsächliche und rechtliche Bestandsaufnahme
27
A. Rechtliche Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Gegenstand und Reichweite der Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Teil 3 Grundlagen
31
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Teil 4 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Gestattung von Fremdeinfluss im Rahmen der Unternehmensleitung
65
A. Zulässigkeit und Grenzen vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter . . . . . . . 65 B. Verhältnis zum Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 D. Wirksamkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 E. Haftung für nachteilige Einflussnahmen auf vertraglicher Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
12
Inhaltsübersicht Teil 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
184
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung
23
A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Teil 2 Tatsächliche und rechtliche Bestandsaufnahme
27
A. Rechtliche Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Gegenstand und Reichweite der Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Punktuelle Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Partielle Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Umfassende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Teil 3 Grundlagen
31
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Vorstand als Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Aufsichtsrat als Überwachungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Hauptversammlung als Willensbildungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Statutarische Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 V. Besonderheiten in Konzernverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Inhaltsverzeichnis b) Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Sonstige Unternehmensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Identität von Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Leitung als herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . 49 3. Verhältnis von Leitung und Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Gegenstand der Leitungstätigkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Leitungsaufgaben kraft gesetzlicher Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Leitungsaufgaben kraft typologischer Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Ermittlung anhand betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Begriffsverständnis der herrschenden aktienrechtlichen Literatur . . . . 55 bb) Alternativkonzept Fleischers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Beibehaltung des klassischen Katalogs der ungeschriebenen Leitungsaufgaben des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Konkretisierung der ungeschriebenen Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . 60 (1) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (2) Lösungsvorschläge der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (3) Maßnahmen von erheblicher Bedeutung als ungeschriebene Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Teil 4 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Gestattung von Fremdeinfluss im Rahmen der Unternehmensleitung
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A. Zulässigkeit und Grenzen vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter . . . . . . 65 I. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Inhaltsverzeichnis
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2. Begründungsansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Autonomieverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Kompetenzdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Überwachungsdefizit und Haftungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Kritik an den Begründungsansätzen des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) § 76 Abs. 1 AktG als Norm der Binnenorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Kompetenzdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Nichtbestehen eines Haftungsdefizits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Der Verbandszweck der Aktiengesellschaft als Grundlage der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Kein Rückgriff auf das Prinzip der Verbandssouveränität . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Inhalt des Prinzips der Verbandssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 bb) Unzulänglichkeit des Prinzips der Verbandssouveränität . . . . . . . . . . . 77 (1) Fehlende sachliche und personelle Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (2) Fehlende Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Verbandszweck der Aktiengesellschaft als maßgebliche Schranke der Disposition über Leitungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Verbandszweck als überindividueller Zweck der Aktiengesellschaft . . 83 bb) Funktion des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Bestandteile des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Eigenwille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (a) Autonomie als Bestandteil des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . 87 (b) Konkretisierung des Autonomiebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 dd) Die Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan als Maßstab vertraglicher Einwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (1) Begründung von Fremdeinfluss ist nicht per se unzulässig . . . . . . 94 (2) Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung muss gewahrt bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Keine Übertragung von Leitungsaufgaben auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Unzulässigkeit von Weisungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Keine prinzipielle Unzulässigkeit von Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . . 98
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Inhaltsverzeichnis d) Vorgaben für die Bildung von Ausschüssen und Beiräten . . . . . . . . . . . . . 101 II. Zulässigkeit der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Kein Verbot der Vorwegbindung des Vorstandshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Selbstbindung des Vorstands in Leitungsfragen nicht per se unzulässig . . 104 2. Gesellschaftsinteresse als Maßstab der Zulässigkeit vertraglicher Einwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Beurteilungsspielraum des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . . . . . 107 b) Keine starre sachliche Grenze zulässigen Dritteinflusses . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Zeitliche Grenzen zulässigen Dritteinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Legitimationswirkung eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses? 113 a) Voraussetzungen der Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Zustimmung aller Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Keine Eintragung im Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Rechtsfolge: Schwebende (Un-)Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Keine Bestandskraft des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . 117 c) Fazit: Eingeschränkter praktischer Nutzen eines Zustimmungsbeschlusses 118 4. Aktionär als Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
B. Verhältnis zum Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Typischer Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Leitungsunterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Änderung des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Atypischer Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Teilbeherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Inhaltsverzeichnis
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b) Verdeckter Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Rechtliche Behandlung durch die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . 130 cc) Stellungnahme: Der verdeckte Beherrschungsvertrag als eigene Rechtsfigur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Abhängigkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Beherrschungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Gesetzliche Ausgangsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Keine Abhängigkeit aufgrund ausschließlich externer Beherrschungsmittel 138 aa) Fremdsteuerung einer Aktiengesellschaft kraft externer Einflussmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Mindermeinung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . 140 bb) Ungeeignetheit vertraglicher Einwirkungsrechte zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Abhängigkeit aufgrund der Kombination externer und interner Beherrschungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Zuständigkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Keine verdrängende Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Keine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Keine geschriebene Hauptversammlungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Keine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Freiwillige Befassung der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG . . . 151 III. Beteiligung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Überwachung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Kein grundsätzlicher Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Pflicht zur Begründung eines Zustimmungsvorbehalts im Einzelfall . . . . . 156
18
Inhaltsverzeichnis 3. Information des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
D. Wirksamkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Einschränkungen durch die Leitungsautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 E. Haftung für nachteilige Einflussnahmen auf vertraglicher Basis . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Haftung der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Begründung eines vertraglichen Einwirkungsrechts als haftungsauslösendes Moment? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Haftung für fremdbestimmtes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen fremdbestimmten Verhaltens . 163 bb) Unternehmerischer Beurteilungsspielraum bei fremdbestimmtem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Haftung nach 117 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Haftung des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Keine Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . 168 2. Keine Haftung analog § 93 Abs. 2 AktG als faktisches Vorstandsmitglied . . 169 a) Fehlerhaft bestellte Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Faktische Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Grundsätzliche Anerkennung der Figur des faktischen Organs . . . 173 (2) Konkretisierung des Haftungstatbestandes: Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organspezifischer Weise . . . . . . . . . . . 175 (3) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Haftung gemäß § 117 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Inhaltsverzeichnis
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Teil 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
184
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Abkürzungsverzeichnis Begr. RegE bspw. DCGK i.V.m. MoMiG m.w.N.
Begründung des Regierungsentwurfs beispielsweise Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 13. Mai 2013 in Verbindung mit Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2026) mit weiteren Nachweisen
Bezüglich der übrigen verwendeten Abkürzungen wird auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Auflage, Berlin 2008 verwiesen.
Teil 1
Einleitung A. Problemaufriss § 76 Abs. 1 AktG ordnet an, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift erschöpft sich nach nahezu einhelliger Ansicht im aktienrechtlichen Schrifttum nicht in einer bloßen Kompetenzzuweisung an den Vorstand. Die Leitung der Aktiengesellschaft wird vielmehr als „unveräußerlicher Kernbereich“ der Vorstandstätigkeit angesehen und daraus gefolgert, dass es dem Vorstand verboten sei, Leitungsentscheidungen aus der Hand zu geben.1 Weder darf der Vorstand die Erfüllung von Leitungsaufgaben gesellschaftsexternen Dritten überlassen (Übertragungsverbot), noch darf er sie auf einzelne Vorstandsmitglieder oder nachgelagerte Führungsebenen in der Gesellschaft delegieren (Delegationsverbot). Dieses Verständnis der Leitungsaufgabe des Vorstands wirft allerdings praktische Probleme auf. Im Schrifttum ist das Augenmerk vorwiegend auf die Frage gerichtet worden, inwieweit sich der Vorstand bei der Erfüllung seiner Leitungsaufgaben der Expertise Dritter bedienen kann, insbesondere der Mithilfe von Mitgliedern nachgelagerter Führungsebenen innerhalb der Gesellschaft.2 In diesem Zusammenhang hat es sich eingebürgert, zwischen der eigentlichen Leitungsentscheidung sowie deren Vorbereitung und Ausführung zu unterscheiden. § 76 Abs. 1 AktG verlange nicht, dass der Vorstand sämtliche Leitungsentscheidungen selbst vorbereite und ausführe. Die Delegation dieser Maßnahmen sei unbedenklich, solange der Gesamtvorstand nur die eigentliche Entscheidung selbst treffe.3
1 Vgl. nur Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 9; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 7; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 34; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 4 und 45; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 8. 2 Vgl. zur Frage der Zulässigkeit und der Grenzen unternehmensinterner Delegation von Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnehmen z. B. Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 49; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 217 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 80 ff. Zur Frage der Zulässigkeit und den Grenzen der unternehmensexternen Delegation (Outsourcing) z. B. Bergmann, Funktionsauslagerung, S. 97 ff.; Hadding/Hopt/Schimansky/Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 13 ff.; Stein, ZGR 1988, 163, 168 ff. 3 Vgl nur Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 20 und 65 und Münch. Komm. AktG/ Spindler3, § 76 AktG Rdn. 19 jeweils m.w.N.
24
Teil 1: Einleitung
Weitaus weniger Beachtung hat demgegenüber die Frage gefunden, ob sich der Vorstand im Rahmen der Erfüllung seiner Leitungsaufgabe der Einflussnahme außenstehender Dritter öffnen darf.4 Die h.M. lässt es bei der Aussage bewenden, dass Leitungsaufgaben nicht auf Dritte übertragbar seien. Indes ist eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage durchaus von praktischer Bedeutung, finden sich doch in der Unternehmenspraxis in zunehmendem Maße Vertragsgestaltungen, kraft derer außenstehende Personen auf Leitungsentscheidungen des Vorstands Einfluss nehmen. Prominente Beispiele dafür sind Investorenvereinbarungen5, Zusammenschlussvereinbarungen (business combination agreements)6 und Kooperationsvereinbarungen7, die in Kreditverträgen zu findenden financial covenants8 sowie die 4 Eine Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Ausübung von Leitungskompetenzen des Vorstands erfolgte allerdings jüngst in LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1153; OLG München v. 14. November 2012 – 7 AktG 2/ 12 = NZG 2013, 459, 461; Paschos, NZG 2012, 1142 ff.; Otto NZG 2013, 930 ff. Speziell zur Frage der Übertragbarkeit von Leitungsaufgaben Seibt, FS K. Schmidt, S. 1463 ff. 5 Eine solche Investorenvereinbarung haben z. B. die D+S Europe AG und die Pyramus S.à.r.l. (vgl. die Ad-hoc-Mitteilung der D+S Europe AG vom 15. April 2008) sowie die Continental AG und die Schäffler KG (vgl. die Pressemitteilungen der beiden Gesellschaften vom 21. August 2008) geschlossen. Zum typischen Regelungsinhalt von Investorenvereinbarungen vgl. Kiem, AG 2009, 301 ff.; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195 ff. sowie Steinert, Investorenvereinbarungen, S. 66 – 186. Eine Übersicht über die im letzten Jahrzehnt geschlossenen Investorenvereinbarungen findet sich bei Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 110. 6 Ein solches business combination agreement haben z. B. die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG und die UniCredito Italiano S.p.A. (vgl. die Ad-hoc-Mitteilung der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG vom 12. Juni 2005), die WaveLight AG und die Alcon Inc. (vgl. die Pressemitteilung der WaveLight AG vom 16. Juli 2007) sowie die Demax Cranes AG und die Terex Industrial Holding AG (vgl. die Ad-hoc-Mitteilung der Demax Cranes AG vom 16. Juni 2011; die Vereinbarung ist im Volltext abrufbar unter: http://www.demagcranes-ag.de/ downloads/160611_Business_Combination_Agreement_bersetzung_DEU.pdf) geschlossen. Zum typischen Regelungsinhalt von business combination agreements z. B. Aha, BB 2001, 2225 ff.; Drygala, WM 2004, 1413 ff. und 1457 ff. sowie Beck’sches Formularbuch Merger & Acquisitions/Seibt2, K. II. 2., S. 1525 ff. Eine Übersicht über die im letzten Jahrzehnt geschlossenen business combination agreements findet sich bei Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 110. Zur Frage der Wirksamkeit von business combination agreements vgl. LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06 = ZIP 2008, 555 ff.; OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330, 1331; OLG München v. 03. September 2008 – 7 W 1432/08 = ZIP 2008, 2117; LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152 ff.; OLG München v. 14. November 2012 – 7 AktG 2/12 = NZG 2013, 459 ff.; sowie LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HK O 4286/08 = AG 2010, 179 ff. 7 Eine solche Kooperationsvereinbarung haben z. B. die Mobilcom AG und die France Télécom S.A. geschlossen. Hierzu OLG Schleswig v. 08. Dezember 2005 – 5 U 57/04 = ZIP 2006, 421 ff.; OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124 ff. Der vollständige Vertragsinhalt der Kooperationsvereinbarung ist im Tatbestand des Urteils des OLG Schleswig abgedruckt. 8 Speziell zu financial covenants z. B. Staudinger/Freitag/Mülbert12 – 2011, § 488 BGB Rdn. 84 – 89, 140 und 223 f.; Kästle, Rechtsfragen der Verwendung von Covenants in Kreditverträgen; Bankrechts-Handbuch/Merkel/Tetzlaff4, § 98, XVIII, Rdn. 174 – 179; Runge,
A. Problemaufriss
25
dem Veräußerer im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags auferlegten Verpflichtungen und Beschränkungen hinsichtlich der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Zielgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften9. Gemeinsames Merkmal dieser im Hinblick auf Inhalt und Zweck mitunter sehr unterschiedlichen Vertragstypen ist, dass der Vorstand Bindungen eingeht, die seinen Spielraum in Fragen der Geschäftspolitik beschneiden. Sei es, dass die Vereinbarungen Leitlinien für die zukünftige Unternehmensführung und Vorgaben für wesentliche Geschäftsführungsentscheidungen beinhalten, Verpflichtungen im Hinblick auf die Wahrnehmung der Leitungskompetenz festlegen oder dem Vertragspartner ein Mitspracherecht in Bezug auf ausgewählte zukünftige Entscheidungen eingeräumt wird. Hinzu kommt, dass entsprechende Vereinbarungen durch das Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft ausgehandelt und abgeschlossen werden. Bei Beteiligung einer Aktiengesellschaft gewährt somit der Vorstand außenstehenden Dritten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen der Gesellschaft. Soweit der Leitung der Gesellschaft zuzuordnende Maßnahmen Gegenstand entsprechender Abreden sind, wirft dies die Frage auf, ob und inwieweit der Vorstand seine Leitungsautonomie im Wege einer schuldrechtlichen Selbstverpflichtung einschränken kann und darf.10 Soweit in der Literatur unter dem Stichwort der Verbandssouveränität eine Auseinandersetzung mit der Frage erfolgt, in welchem Umfang Dritten Einfluss auf die Geschicke einer Gesellschaft gewährt werden kann, wird zum einen die Aktiengesellschaft meist ausgespart und zum anderen der Fokus auf die Gesellschafter gelegt und der Frage nachgegangen, in welchem Umfang und auf welcher Grundlage diese einem Dritten Einfluss auf die Gesellschaft gewähren dürfen.11 Im Rahmen der Covenants in Kreditverträgen; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants; Wittig, WM 1996, 1381 ff. Zur Frage der Zulässigkeit von Kontroll- und Einwirkungsrechten in Finanzierungsverträgen Seibt, ZIP 2013, 1597, 1601 f. 9 Vgl. dazu z. B. Mielke/Welling, BB 2007, 277 f.; Picot, Handbuch Mergers & Acquisitions, B. VI. 1. i), S. 254; Semler/Volhard/von Schlabrendorf, § 16 Rdn. 65 – 90. Muster für entsprechende Vertragsgestaltungen finden sich z. B. bei Kästle/Oberbracht, Unternehmenskauf2, B. III. 12., S. 262 ff.; Knott/Mielke, Unternehmenskauf4, Rdn. 1184 ff. und Rdn. 1323 sowie Beck’sches Formularbuch Merger & Acquisitions/Schrader2, C. II.1., §§ 8.18 und 13.1.1. 10 Soweit in der Literatur eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen zulässiger Einflussnahme auf Gesellschaftsorgane in Investorenvereinbarungen erfolgt, legen die Autoren ihr Hauptaugenmerk auf die Frage, nach der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats (vgl. Reichert/Ott, FS Goette, S 397, 399 ff.) Daneben wird regelmäßig noch problematisiert, in welchem Ausmaß Bindungen des außenstehenden Dritten erfolgen können (vgl. Reichert/Ott, FS Goette, S 397, 407 und Steinert, Investorenvereinbarungen, S. 66 ff., insbes. S. 76 ff.). 11 Dazu z. B. Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459 ff.; dies., ZHR 157 (1993), 483 ff.; Fleck, ZGR 1988, 104 ff.; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht; Wiedemann, FS Schilling, S. 105 ff.; Wolff, Der drittbestimmte Verein. Auch die in den Fn. 5 bis 9 genannten Autoren problematisieren diesen Aspekt nicht. Soweit sich Ausführungen zur Frage der Zuständigkeit des Vorstands zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen finden, werden diese im Hinblick auf das Leitungsmonopol des
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Teil 1: Einleitung
vorliegenden Arbeit soll demgegenüber untersucht werden, ob es dem Leitungsorgan Vorstand gestattet ist, den internen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess in Leitungsfragen dem Einfluss außenstehender Dritter zu öffnen. Im Kern geht es darum, Zulässigkeit und Grenzen der freiwilligen Preisgabe von souveräner Entscheidungsmacht durch den Vorstand zu untersuchen. Das Augenmerk wird insoweit ausschließlich auf schuldrechtliche Vereinbarungen des Vorstands mit außenstehenden Dritten gelegt. Statutarische Mitwirkungsrechte werden bewusst ausgespart. Ziel ist es, Maßstäbe für Zulässigkeit und Grenzen der Einflussnahme Dritter auf die Leitungsentscheidungen des Vorstands herauszuarbeiten.
B. Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung gliedert sich in 5 Teile. Zunächst erfolgt eine kurze rechtliche und tatsächliche Bestandsaufnahme der Erscheinungsformen der Einflussnahme Dritter auf Leitungsentscheidungen des Vorstands (Teil 2). Im Anschluss wird in einem Grundlagenteil die Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft skizziert und der Inhalt der Leitungsaufgabe des Vorstands der Aktiengesellschaft dargestellt (Teil 3). Im vierten Teil werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte untersucht. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen der Einflussnahme außenstehender Dritter auf die Leitung der Gesellschaft (Teil 4, A.), gefolgt von einer Darstellung des Verhältnisses derartiger Vereinbarungen zum Aktienkonzernrecht (Teil 4, B.). Daran schließt sich eine Beschäftigung mit der Frage nach der Zuständigkeit der Organe der Aktiengesellschaft zum Abschluss derartiger Abreden an (Teil 4, C.), gefolgt von Ausführungen zur Wirksamkeit entsprechender Abreden bei einem Pflichtverstoß des Vorstands (Teil 4, D.). Zum Schluss wird die Haftung von Vorstand und gesellschaftsfremden Dritten im Falle der nachteiligen Einflussnahme auf Leitungsentscheidungen dargestellt (Teil 4, E.). Im letzten Teil erfolgt eine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse (Teil 5).
Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG für unproblematisch erachtet. Vgl. z. B. Kiem, AG 2009, 301, 304 f.; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 199 f.
Teil 2
Tatsächliche und rechtliche Bestandsaufnahme A. Rechtliche Gestaltungsformen Der Einfluss eines außenstehenden Dritten auf eine Gesellschaft kann auf unterschiedlichen rechtlichen Gestaltungsformen basieren. Bei der GmbH erfreut sich die Variante, Einflussrechte des Dritten in die Satzung aufzunehmen, besonderer Beliebtheit.1 Für die Aktiengesellschaft ist dieser Weg indes durch den in § 23 Abs. 5 AktG kodifizierten Grundsatz der Satzungsstrenge, der die Organisationsverfassung und den Zuständigkeitsbereich der Organe dem Zugriff des Satzungsgebers entzieht, versperrt.2 Die Anerkennung vertraglicher Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung als echte Satzungsbestandteile widerspräche zudem dem Charakter der Satzung als Schuld- und Organisationsvertrag3, deren Aufgabe sich darauf beschränkt, den inneren Aufbau der Aktiengesellschaft näher auszugestalten und die Rechte und Pflichte der Gründer zu regeln.4
1
Eine ausführlich Auseinandersetzung mit der Rechtslage bei der GmbH findet sich z. B. bei Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 492 ff.; Bürkle, Rechte Dritter in der Satzung der GmbH, passim; Hammen, WM 1994, 765 ff.; Herfs, Einwirkungsrechte Dritter auf die Willensbildung bei der GmbH, S. 61 ff.; Leuschner, Konzernrecht, S. 245 ff.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 287 ff. Ihre Einordnung als „echte“ Satzungsbestandteile wird indes von der h.M. abgelehnt. Grundlegend Ulmer, FS W. Werner, S. 911 ff.; ders., FS Wiedemann, S. 1297, 1309 ff. Ihm folgend z. B. Lutter/Hommelhoff/ Bayer19, § 3 GmbHG Rdn. 98; Baumbach/Hueck/Fastrich20, § 3 GmbHG Rdn. 26; Münch. Komm. GmbHG/Wicke, § 3 GmbHG Rdn. 120 jeweils m.w.N. 2 Köln. Komm. AktG/Arnold3, § 23 AktG Rdn. 148; Hüffer10, § 23 AktG Rdn. 36; Münch. Komm. AktG/Pentz3, § 23 AktG Rdn. 156; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 23 AktG Rdn. 55; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 6 Rdn. 10. 3 So die inzwischen h.M. im Aktienrecht, vgl. Köln. Komm. AktG/Arnold3, § 23 AktG Rdn. 9; Hüffer10, § 23 AktG Rdn. 7; Münch. Komm. AktG/Pentz3, § 23 AktG Rdn. 10; Schmidt/Lutter/Seibt2 ; § 23 AktG Rdn. 3. A.A. allerdings noch Großkomm. AktG/Röhricht4, § 23 AktG Rdn. 6: nur Organisationsvertrag. 4 Dezidiert dieser Ansicht Ulmer, FS W. Werner, S. 911, 922 ff. Zustimmend auch Großkomm. AktG/Wiedemann4, §179 AktG Rdn. 39; Köln. Komm. AktG/Zöllner2, § 179 Rdn. 40 sowie die in Fn. 1 genannten Vertreter der h.M.
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Teil 2: Tatsächliche und rechtliche Bestandsaufnahme
Auch die Übertragung von Mitverwaltungsrechten seitens eines herrschenden Aktionärs ist bei der Aktiengesellschaft5 wenig zielführend, wenn dem Dritten daran gelegen ist, Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft nehmen zu können. Nicht nur, dass das Abspaltungsverbot nach § 8 Abs. 5 AktG einem solchen Vorgehen enge Grenzen setzt, indem es die isolierte Übertragung von Verwaltungsrechten verbietet.6 Selbst dann, wenn der Dritte kraft Stimmrechtsvollmacht oder im Wege der Aktienleihe zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung ermächtigt wird, kann er keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen des Vorstands nehmen. Aus der in § 76 Abs. 1 AktG angeordneten eigenverantwortlichen Leitung seitens des Vorstand folgt, dass dieser, anders als die Geschäftsleiter einer Personengesellschaft oder GmbH, keinem Weisungsrecht der Hauptversammlung unterliegt.7 Weder der Mehrheitsaktionär noch eine sonstige Aktionärsgruppe (und erst recht nicht ein außenstehender Dritter) ist berechtigt, ihm Weisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten zu erteilen (§§ 111 Abs. 4 Satz 1, 119 Abs. 2 AktG). Im Aktienrecht sind der Vertragsgestaltung also enge Grenzen gesetzt. Die Einflussnahme auf Geschäftsführungsentscheidungen ist bei der Aktiengesellschaft allenfalls auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit der Gesellschaft als Vertragspartner möglich.8 Der Dritte ist gehalten mit dem Vorstand – in seiner Eigenschaft als Vertretungsorgan der Gesellschaft – eine Vereinbarung zu treffen, kraft derer ihm Mitspracherechte bei Geschäftsführungsentscheidungen zugestanden werden.9
B. Gegenstand und Reichweite der Vereinbarungen Diese Rechte lassen sich in Abhängigkeit von der Intensität der Einflussnahme des Dritten in drei Kategorien unterteilen: (1) Vereinbarungen, die nur eine Einflussnahme in ausgewählten Einzelfragen ermöglichen, (2) solche die den Einfluss des Dritten auf einen Teilbereich der Geschäftsführung erstrecken und schließlich (3) 5 Vgl. zu entsprechenden Vereinbarungen (Stimmrechtsabtretungen, Stimmrechtsbindungen, etc.) bei anderen Gesellschaftsformen z. B. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 229 ff., 277 ff. und 338 ff. 6 Vgl. dazu z. B. Köln. Komm. AktG/Dauner-Lieb3, § 8 AktG Rdn. 43 ff.; Münch. Komm. AktG/Heider3, § 8 AktG Rdn. 89 ff. 7 Einhellige Meinung, vgl. nur Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 51 f.; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 10; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 44; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 22 f.; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 35. 8 Vgl. auch Großkomm. AktG/Wiedemann4, § 179 AktG Rdn. 39; Köln. Komm. AktG/ Zöllner2, §179 AktG Rdn. 39. 9 So für das GmbH-Recht auch Ulmer, FS Werner, 911, 927 f.; ders., FS Wiedemann, S. 1297, 1302; Lutter/Hommelhoff/Bayer19, § 45 GmbHG Rdn. 10; Baumbach/Hueck/Fastrich20, § 3 GmbHG Rdn. 26; Münch. Komm. GmbHG/Wicke, § 3 GmbHG Rdn. 122.
B. Gegenstand und Reichweite der Vereinbarungen
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Vereinbarungen, die die Geschäftsführung vollumfänglich der Einflussnahme des Dritten unterwerfen. Die Unterscheidung zwischen den einzelnen Kategorien lässt sich freilich nicht immer völlig trennscharf ziehen. Die Übergänge sind fließend, nicht zuletzt deshalb, weil die vertraglichen Instrumente in manchen Fällen die gleichen sind. Die im Folgenden vorgenommene Kategorisierung beinhaltet daher keine Aussage über die Zulässigkeit der jeweiligen Abreden, sondern dient einzig dem Zweck, den Überblick über in Frage kommende Vertragsgestaltungen zu erleichtern.10
I. Punktuelle Vereinbarungen In die erste Kategorie fallen Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Dritten, die sich in der Regelung eines Einzelfalls erschöpfen, sei es, dass sie dem Dritten ein Mitspracherecht in Bezug auf eine bestimmte Entscheidung einräumen oder sei es, dass sich der Vorstand zur Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Maßnahme verpflichtet. Die Bandbreite der in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Ge- und Verbote ist immens, der Kreativität der Parteien sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Beispielhaft zu nennen ist die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten, die Verpflichtung eine bestimmte Geschäftsstrategie fortzusetzen oder zu beenden, die Abrede bestimmte Strukturmaßnahmen vorzunehmen oder zu unterlassen (z. B. Abreden über den Erwerb oder die Veräußerung eigener Aktien, die Ausübung der Ermächtigung zur Ausnutzung genehmigten Kapitals etc.), sowie die Vorgabe bestimmter Finanzkennzahlen, die die Gesellschaft einzuhalten hat. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang an Verpflichtungen einen bestimmten Beschlussvorschlag der Hauptversammlung vorzulegen oder eine Stellungnahme zu einem Übernahmeangebot nach § 27 WpÜG abzugeben sowie an Abreden betreffend die Besetzung des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu denken. Da den Aufsichtsrat betreffende Entsendungsrechte gemäß § 101 Abs. 2 AktG einer Grundlage in der Satzung der Gesellschaft bedürfen, beschränken sich Letztere allerdings auf die Verpflichtung des Vorstands, einen von dem Dritten ausgewählten Kandidaten im Rahmen des rechtlich Zumutbaren zu unterstützen.
II. Partielle Vereinbarungen Partielle Vereinbarungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie über die Regelung eines Einzelfalls hinaus bestimmte Bereiche der Geschäftsführung dem Einfluss des Dritten öffnen. Auch insoweit steht den Parteien ein weites Feld an vertraglichen Instrumenten zur Verfügung, mittels derer sie den Einfluss des Dritten festschreiben 10
Vgl. zu möglichen Vertragsgestaltungen auch die Nachweise in Fn. 5 bis 9.
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Teil 2: Tatsächliche und rechtliche Bestandsaufnahme
können. Angefangen bei Einsichts- und anderen Informationsrechten, die dem Dritten einen Einblick in den Entscheidungsprozess und die Entscheidungsgrundlagen ermöglichen, reichen die denkbaren Gestaltungsformen über Kontroll- und Überwachungsrechte bis hin zur Einräumung unmittelbarer Entscheidungsbefugnisse in Form von Zustimmungs- oder Weisungsrechten, die eine unmittelbare Einbindung des Dritten in die Geschäftsführung zur Folge haben.
III. Umfassende Vereinbarungen In die letzte Kategorie fallen Vereinbarungen, die einem Dritten umfassenden Einfluss auf die Geschäftsführung einräumen, so dass dieser an allen Geschäftsführungsentscheidungen des Vorstands zu beteiligen ist. Die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben wird also ganz auf den Dritten verlagert. In diese Kategorie fallen beispielsweise Abreden über die Einrichtung eines, mit Vertretern beider Parteien besetzten Gremiums (oftmals als Integrationsausschuss bezeichnet), das der Abstimmung in allgemeinen Fragen der Geschäftspolitik dient. Alternativ sind Vereinbarungen zu nennen, die eine Partei ermächtigen, einen Beauftragten in die Geschäftsführung der anderen Partei zu entsenden, wobei diesem ein umfassendes Auskunftsrecht eingeräumt wird und er über alle Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung zu unterrichten ist. Ebenfalls in diese Kategorie gehören Zustimmungs- oder Weisungsrechte in (bedeutenden) Geschäftsführungsangelegenheiten, soweit sie der zugrundeliegenden Absprache nach gegenständlich unbegrenzt sind.
Teil 3
Grundlagen Die hier unter dem Sammelbegriff der vertraglichen Einwirkungsrechte zusammengefassten Vereinbarungen haben gemeinsam, dass einem (gesellschaftsexternen) Dritten die Möglichkeit eröffnet wird, auf die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands im Allgemeinen sowie deren Kernbereich – die Leitungstätigkeit – im Besonderen Einfluss zu nehmen. Mittels financial covenants wird ein Kreditgeber in die Lage versetzt dem Vorstand detaillierte Vorgaben hinsichtlich seiner zukünftigen finanziellen Spielräume zu machen. Bei Abschluss einer Investorenvereinbarung oder eines business combination agreements wird regelmäßig vereinbart, dass eine grundlegende Veränderung der Geschäftsstrategie nur mit Zustimmung des Vertragspartners erfolgen darf. Dies wirft die Frage nach der Vereinbarkeit entsprechender Abreden mit der von § 76 Abs. 1 AktG geforderten eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand auf. Anders formuliert, bildet die Leitungsautonomie des Vorstands ein gesellschaftsrechtliches Hindernis für den Abschluss in den Leitungsbereich des Vorstands eingreifender Vereinbarungen? Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es in einem ersten Schritt der Konkretisierung der Leitungszuständigkeit des Vorstands. Grundlage dafür ist die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft, die die Vorschriften über das Handeln der Gesellschaft durch ihre Organe sowie die Willensbildung mittels Hauptversammlungsbeschluss umfasst und unter anderem die Strukturen der Leitung der Aktiengesellschaft festlegt. Der Fokus der Darstellung wird auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Strukturen von Unternehmensleitung einerseits und Unternehmenskontrolle andererseits gelegt. Eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem konkreten Inhalt der Leitungsaufgabe des Vorstands wird hingegen zunächst ausgespart1, um nicht den Blick auf das Zusammenspiel von Leitung und Überwachung in der Aktiengesellschaft zu verstellen.
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft Der Organisation der Aktiengesellschaft liegt das Modell der Gewaltenteilung zugrunde. Die Zuständigkeiten der drei notwendigen Gesellschaftsorgane – Vor1
Dazu ausführlich in Teil 3, B.
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Teil 3: Grundlagen
stand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – sind voneinander getrennt. Die zwingende Zuständigkeitsverteilung setzt dem Handeln der Organe Grenzen. Innerhalb des eigenen Kompetenzbereichs trifft jedes Organ seine Entscheidung autonom. Eingriffe in den Kompetenzbereich anderer Organe sind unzulässig.2 Die Trennung der Zuständigkeiten und Funktionen soll indes kein blindes Nebeneinander der Organe bewirken, sondern ein System der Gewaltenverzahnung und Gewaltenkontrolle installieren.3 Kennzeichnend ist eine vom Gesetzgeber gewollte und gesetzlich zwingend vorgeschriebene (§ 23 Abs. 5 AktG) Machtbalance zwischen den Organen der Gesellschaft in Form eines gleichberechtigten Mit- und Nebeneinander.4
I. Vorstand als Leitungsorgan Der Vorstand ist das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft (§§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 AktG). Der an der Spitze der Regelungen über die Organisationsverfassung stehende § 76 Abs. 1 AktG weist ihm die Aufgabe zu, die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Der Begriff der Leitung umschreibt einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands und bringt zum Ausdruck, dass dem Vorstand die unternehmerische Führungsfunktion in der Gesellschaft zukommt.5 Die ihm insoweit obliegenden Aufgaben lassen sich mit den Schlagworten Unternehmensplanung, -koordination, -kontrolle sowie Besetzung der Führungsstellen zusammenfassen.6 Ausgeübt wird die Leitung der Gesellschaft mittels sogenannter Führungsentscheidungen. Charakteristisch für diese sind ihr Wirkungsbereich sowie ihre Wirkungsdauer. Sie zeichnen sich durch einen hohen materiellen oder immateriellen Wert aus, so dass ihnen eine dauerhafte Gestaltungswirkung dergestalt zukommt, dass sie die künftige Entwicklung des Unternehmens in seiner Gesamtheit prägen.7 Das aktienrechtliche Schrifttum greift insoweit auf die Formel zurück, dass es sich um Festlegungen handelt, die die Entwicklung des Unternehmens mittel- oder
2
Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, Vor § 76 AktG Rdn. 1. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 28 V, S. 866 f. 4 Spindler/Stilz/Hoffmann2, § 118 AktG Rdn. 6; Hüffer10, § 118 AktG Rdn. 4. 5 Vgl. z. B. Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 7. 6 Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 8, Köln Komm AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 9; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 11; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 18 Rdn. 14. Ausführlich zum Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG unten Teil 3, B. 7 Ausführlich dazu Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 40 ff.; Thommen/Achleitner, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre7, S. 938 sowie unten Teil 3, B, II. 3
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft
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langfristig steuern und bedeutsamen Einfluss auf die Ertragslage, die Finanzlage oder die Belegschaft haben.8 Im Verhältnis der Organe der Aktiengesellschaft zueinander bewirkt § 76 Abs. 1 AktG eine Kompetenzzuweisung, die die Unternehmensleitung exklusiv in die Hände des Vorstands legt und gleichzeitig Aufsichtsrat und Hauptversammlung von ihr ausschließt.9 Alleiniges Leitungsorgan der Aktiengesellschaft ist der Vorstand. Die Formulierung „unter eigener Verantwortung“ bringt klar zum Ausdruck, dass weder der Aufsichtsrat noch die Hauptversammlung Leitungsaufgaben an sich ziehen dürfen oder durch Weisungen auf Leitungsentscheidungen Einfluss nehmen können. Abgesichert wird das Leitungsmonopol des Vorstands durch die Regelungen der §§ 111 Abs. 4 Satz 1, 119 Abs. 2 AktG, die sowohl den Aufsichtsrat als auch die Hauptversammlung von der Geschäftsführung – und damit auch von der Leitung – der Gesellschaft ausschließen. Die Verpflichtung, die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten, beansprucht nicht nur für das Innenverhältnis Geltung, sondern entfaltet insbesondere auch im Verhältnis zu außerhalb der Gesellschaft stehenden Dritten ihre Wirkung. Außerhalb des Konzernrechts unterliegt der Vorstand keinerlei Weisungsbefugnis Dritter.10 In der von § 76 Abs. 1 AktG angeordneten eigenverantwortlichen Leitung kommen drei Strukturmerkmale der aktienrechtlichen Leitungsverfassung zum Ausdruck: (1) Der Vorstand hat die Leitungsaufgaben selbst wahrzunehmen.11 (2) Der Vorstand unterliegt keinen Weisungen in Bezug auf die Leitung der Gesellschaft.12 (3) Der Vorstand trifft Leitungsentscheidungen nach eigenem, pflichtgemäßem Ermessen.13 Charakteristisch für die eigenverantwortliche Leitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG ist die Freiheit zum selbständigen und weisungsfreien Handeln nach eigenem Ermessen. Das Modell des Leitungsmonopols des Vorstands wird vom AktG allerdings nicht in Reinform umgesetzt. Eine Ausnahme besteht beispielsweise bezüglich Maßnahmen, die Rechtsbeziehungen des Vorstands zur Aktiengesellschaft betreffen. Insoweit ist der Aufsichtsrat zur Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber dem 8 Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 13; Veil, Unternehmensverträge, S. 71. Einzelheiten dazu in Teil 3, B., II. 9 Fleischer, ZIP 2003, 1. 10 KölnKomm AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 44; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 8; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 22 ff. 11 Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 19. Vgl. auch Fleischer ZIP 2003, 1, 2. 12 BGH v. 05. Mai 2008 – II ZR 105/07 = NZG 2008, 506, 507 Rdn. 13; Spindler/Stilz/ Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 57; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 10; Köln. Komm. AktG/Mertens/ Cahn3, § 76 AktG Rdn. 44; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 22 jeweils m.w.N. 13 BGH v. 21. April 1997 – II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244, 253; Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 59; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 12; Köln Komm AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 9 ff.; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 29 jeweils m.w.N.
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Teil 3: Grundlagen
Vorstand berufen (§ 112 AktG). Ausdrücklich zuständig ist dieser zudem für die Berufung und Abberufung der Vorstandmitglieder (§ 84 AktG), die Erteilung einer Befreiung vom Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) sowie die Entscheidung über die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (§ 89 AktG). Daneben sieht das AktG unter anderem Mitwirkungsrechte des Aufsichtsrats in Bezug auf die Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 58 Abs. 2, 172 AktG) und die Gewinnverwendung (§§ 171, 172 AktG) sowie bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals (§ 204 Abs. 1 Satz 2 AktG) vor.14 Zudem bedarf der Abschluss ausgewählter Verträge der Mitwirkung der Hauptversammlung. So erhebt das AktG die Zustimmung der Hauptversammlung beispielsweise im Falle des Abschlusses eines Nachgründungs- (§ 52 Abs. 1 AktG), Unternehmens- (§§ 293, 295 AktG), oder Verschmelzungsvertrags (§ 13 Abs. 1 UmwG), bei der Vereinbarung einer Vermögensübertragung (§§ 176 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 1 UmwG) sowie beim Verzicht oder Vergleich über ausgewählte Ersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Gründer der Gesellschaft (§§ 50, 53, 93 Abs. 4, 116, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG) zur Wirksamkeitsvoraussetzung der zugrundeliegenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung.15
II. Aufsichtsrat als Überwachungsorgan Als Gegengewicht zur Machtfülle des Vorstands stellt das AktG dem Vorstand den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan (§ 111 Abs. 1 AktG) zur Seite. Zwischen den beiden Organen herrscht eine strikte personelle (§ 105 Abs. 1 AktG) und im Wesentlichen auch sachliche (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG) Trennung. Ziel der Schaffung eines eigenständigen Überwachungsorgans ist die Gewährleistung einer effektiven, nicht nur repressiven Kontrolle der Geschäftsführung. Bereits die Existenz eines Kontrollgremiums soll reglementierende Wirkung entfalten und Fehlentwicklungen im Ansatz unterbinden. Der Aufsichtsrat kann und soll freilich nicht jedwede Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands kontrollieren. Die Überwachung hat sich auf bedeutsame Schwerpunkte der Vorstandstätigkeit zu beschränken.16 In erster Linie sind die unternehmerischen Leitungsentscheidungen des Vorstands ins Auge zu fassen. Zudem sind Einzelmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung, ungeachtet ihrer typologischen Zuordnung, in die Überwachung mit einzubeziehen.17
14
Ausführlich zu den Mitwirkungsrechten des Aufsichtsrats Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats5, § 8 Rdn. 481 ff. 15 Münch. Komm. AktG/Spindler3 § 82 AktG Rdn. 20. 16 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats5, § 3 Rdn. 65. 17 Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 20; Hüffer10, § 111 AktG Rdn. 3; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats5, § 3 Rdn. 63.
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft
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Die Tätigkeit des Aufsichtsrats ist dabei nicht auf die vergangenheitsbezogene Kontrolle des Vorstandshandelns beschränkt, sondern beinhaltet in Form der Beratung des Vorstands auch eine zukunftsorientierte Komponente.18 Der BGH betrachtet diese als Ausdruck einer in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands.19 Kraft der vorausschauenden Beratung des Vorstands soll der Aufsichtsrat auf künftige Entwicklungen Einfluss nehmen und Fehlentwicklungen bereits im Ansatz verhindern. Der Aufsichtsrat ist daher nicht nur bloßer Kontrolleur vergangener Sachverhalte, sondern zudem institutioneller Ratgeber und Gesprächspartner des Vorstands. Um seiner Überwachungsaufgabe nachzukommen, stellt das AktG dem Aufsichtsrat eine Reihe verschiedener Instrumente zur Verfügung.20 Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Informationsrechte des Aufsichtsrats, da die regelmäßige, rechtzeitige und vollständige Information über die Geschehnisse in der Gesellschaft unabdingbare Voraussetzung einer effektiven Überwachung der Geschäftsführungstätigkeit ist. Aus diesem Grund verpflichten § 90 Abs. 1 und 2 AktG den Vorstand zur regelmäßigen Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat hinsichtlich der beabsichtigten Geschäftspolitik und anderer grundsätzlicher Fragen der Unternehmensplanung, der Rentabilität, des Gangs der Geschäfte sowie Geschäften, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können. Zudem ist der Aufsichtsrat gemäß § 90 Abs. 3 AktG berechtigt, vom Vorstand jederzeit einen Bericht über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen. Ergänzt werden diese (gesetzlichen) Informationskanäle des Aufsichtsrats durch die Möglichkeit, nach § 111 Abs. 2 AktG eigene Ermittlungen anzustellen und sich so gegebenenfalls erforderliche Informationen selbst zu beschaffen. In der Summe steht dem Aufsichtsrat ein nahezu unbeschränktes Informationsrecht zu. Vereinfacht gesagt gilt, dass alles, was der Vorstand weiß, der Aufsichtsrat auch wissen darf.21 Neben diesen Informationsrechten verfügt der Aufsichtsrat über eine Reihe unterschiedlich intensiver Eingriffsbefugnisse. Das Arsenal der rechtlichen Instrumente umfasst neben dem Recht, eine Geschäftsordnung für die Arbeit des Vorstands aufzustellen oder eine bestehende Geschäftsordnung zu ändern (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 AktG) sowie der Möglichkeit, gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, die Vornahme bestimmter Geschäfte unter Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats zu stellen, insbesondere die Personalkompetenz. Die Befugnis, die Mitglieder des Vorstands zu berufen und gegebenenfalls auch wieder abzuberufen (§ 84 Abs. 1 und Abs. 3 AktG), entfaltet einen nicht zu unterschätzenden reglementierenden und kontrollierenden Einfluss auf die Geschäftsführung. Um der Abberufung durch den Aufsichtsrat zu 18
Hierzu Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats5, § 3 Rdn. 94 ff. BGH v. 25. März 1991 – II ZR 188/89 = BGHZ 114, 127, 130. 20 Ausführlich dazu Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking3, § 29 Rdn. 28 ff. sowie Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats5, § 3 Rdn. 100 ff. 21 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats5, § 6 Rdn. 191 ff. 19
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Teil 3: Grundlagen
entgehen wird der Vorstand bestrebt sein die grundlegende Geschäftsstrategie mit dem Aufsichtsrat abzustimmen und es vermeiden einen dauerhaften Konflikt mit dem Aufsichtsrat hinsichtlich Fragen der Art und Weise seiner Unternehmensleitung aufkommen zu lassen. Dementsprechend wird die Meinungsäußerung in Form der Stellungnahme im Anschluss an Berichte des Vorstands das häufigste Mittel der Einflussnahme des Aufsichtsrats bilden.22 Auf diesem Wege werden Vorstand und Aufsichtsrat ihre Ansichten in zentralen Fragen der Unternehmensleitung aufeinander abstimmen, um ein konstruktives Miteinander zu erreichen. Am Leitungsmonopol des Vorstands ändern die Eingriffsbefugnisse des Aufsichtsrats indes nichts. Ausweislich der Regelung des § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG, der die Übertragung von Geschäftsführungsaufgaben auf den Aufsichtsrat untersagt, liegt der aktienrechtlichen Organisationsverfassung eine klare Trennung der Tätigkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat zugrunde. Die Geschäftsführung und Leitung der Aktiengesellschaft obliegt allein dem Vorstand. Der Aufsichtsrat ist auf die repressive Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Aufgabenerfüllung des Vorstands beschränkt. Der Ausschluss des Aufsichtsrats von der Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft erfährt aber durch die Anordnung von Zustimmungsvorbehalten gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gewisse Einschränkungen. Insoweit wird der Aufsichtsrat partiell in die Geschäftsführung der Gesellschaft eingebunden und die Kompetenzen der beiden Organe werden miteinander verzahnt. Ungeachtet des dadurch begründeten Mitwirkungsrechts des Aufsichtsrats in Geschäftsführungsangelegenheiten der Gesellschaft wird dieser dennoch nicht zu einem gleichberechtigten Geschäftsführungsorgan neben dem Vorstand. Die Stellung des Vorstands als alleiniges Leitungsorgan der Aktiengesellschaft bleibt unangetastet. Unter Zustimmungsvorbehalt stehende Geschäftsführungsmaßnahmen kann der Aufsichtsrat weder selbst vornehmen noch den Vorstand zu deren Vornahme anweisen; er kann durch Verweigerung seiner Zustimmung lediglich eine vom Vorstand beabsichtigte Maßnahme verhindern.23 Ein die Leitungsautonomie des Vorstands beschränkendes Weisungsrecht, mit dem der Aufsichtsrat ausgesuchte Maßnahmen selbst positiv durchsetzen könnte, ergibt sich aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gerade nicht.24 Angesichts der zwingenden Kompetenzverteilung der § 76 ff. AktG ist es dem Aufsichtsrats vielmehr untersagt, seine Zustimmungsbefugnis (oder andere Eingriffsrechte) zu instrumentalisieren und faktisch die Stellung als Leitungs-/Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft an sich zu reißen. Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats darf nicht in Geschäftsführung seinerseits umschlagen. Trotz des Fehlens inhaltlicher Vorgaben für die Ausgestaltung des Katalogs der Zustim22
Münch Hdb. AG/Hoffmann-Becking3, § 29 Rdn. 38. Münch. Hdb. AG/Hoffmann-Becking3, § 29 Rdn. 39. 24 Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 97; Münch. Hdb. AG/HoffmannBecking3, § 29 Rdn. 39; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 11; Spindler/Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 62. 23
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft
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mungsvorbehalte darf dieser nicht in einer Art und Weise ausgestaltet und gehandhabt werden, dass alle oder nahezu alle Geschäftsführungsmaßnahmen von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängen und die Leitungs-/Geschäftsführungsautonomie des Vorstands aushöhlen.25 § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ist somit zwar Ausdruck einer gewissen Gewaltenverschränkung, aus den Mitwirkungsrechten lässt sich aber keine wie auch immer geartete Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats ableiten. Mit der auf Gewaltenteilung angelegten Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wäre es vielmehr unvereinbar, wenn der Aufsichtsrat ausführendes und kontrollierendes Organ zugleich wäre. Eine Korrektur des Prinzips Leitung und Geschäftsführung seitens des Vorstands, und dessen Überwachung durch den Aufsichtsrat ist – auch in Anbetracht möglicher Fehlentwicklungen der Geschäftsführung des Vorstands – nicht angezeigt. Die §§ 95 ff. AktG stellen dem Aufsichtsrat ein Instrumentarium zur Verfügung, das es ihm ermöglicht, den Vorstand zu rechtmäßigem Verhalten anzuleiten; genannt seien nur Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG einerseits, welche es ermöglichen, ausgewählte Maßnahmen zu verhindern26, sowie § 84 AktG andererseits, der den Aufsichtsrat in die Lage versetzt, erforderlichenfalls Vorstandsmitglieder abzuberufen.
III. Hauptversammlung als Willensbildungsorgan Die Hauptversammlung ist gemäß § 118 Abs. 1 AktG der Ort, an dem die Aktionäre ihre Mitgliedschaftsrechte ausüben. Sie dient der kollektiven Willensbildung der Aktionäre. Ihre Zuständigkeiten beschränken sich auf die im Gesetz und in der Satzung bestimmten Fälle (§ 119 Abs. 1 AktG). Andere als die ausdrücklich bestimmten Hauptversammlungszuständigkeiten sind nicht anzuerkennen. Insbesondere besteht weder eine subsidiäre Zuständigkeit der Hauptversammlung noch eine Kompetenz-Kompetenz im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftsorganen.27 Nur in eng umrissenen Ausnahmefällen, wenn eine Geschäftsführungsentscheidung des Vorstands tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreift, erkennt die Rechtsprechung ausnahmsweise eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung an und verpflichtet den Vorstand, die Zustimmung der Hauptversammlung zur Vornahme dieser Maß-
25 Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 106; Hölters/Hambloch-Gesinn/ Gesinn, § 111 AktG Rdn. 72; Spindler/Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 64. 26 Da der Aufsichtsrat berechtigt bzw. ggf. verpflichtet ist, auch eine Einzelmaßnahme adhoc einem Zustimmungsvorbehalte zu unterwerfen, ist es ihm jederzeit möglich „missliebige“ Geschäftsführungsmaßnahmen zu verhindern. Vgl. Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 115 m.w.N. 27 Münch. Komm. AktG/Kubis3, § 119 AktG Rdn. 9; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 119 AktG Rdn. 5.
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Teil 3: Grundlagen
nahme einzuholen.28 Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass der Hauptversammlung die Entscheidungen über Fragen von grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft obliegen. Von der Entscheidung über Fragen der Geschäftsführung hat der Gesetzgeber die Hauptversammlung bewusst ausgeschlossen (§ 119 Abs. 2 AktG).29 Das Recht und die Pflicht zur eigenverantwortlichen Geschäftsführung sind allein dem Vorstand zugewiesen, der insoweit unmittelbar nur der Überwachung durch den von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsrat unterliegt. Eine Mitwirkung an und die Einflussnahme auf Geschäftsführungsmaßnahmen ist der Hauptversammlung, von den gesetzlich geregelten Fällen abgesehen, grundsätzlich versagt. Dennoch ist die Hauptversammlung das „oberste“ Organ der Aktiengesellschaft.30 Ihre Aufgabe erschöpft sich nicht darin, die inneren Angelegenheiten der Aktiengesellschaft durch entsprechende Satzungsgestaltung zu regeln. Ungeachtet der Vorgabe des § 119 Abs. 2 AktG kommt der Hauptversammlung auch im Bereich der Geschäftsführung eine bestimmende Rolle zu. Die Satzungshoheit ermöglicht es ihr, durch Festlegung des Formalziels sowie des Gegenstands der Unternehmenstätigkeit (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) einen für den Vorstand verbindlichen Rahmen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft abzustecken. Damit ist die Hauptversammlung als einziges Gesellschaftsorgan in der Lage, Vorgaben für die Tätigkeit der übrigen Organe zu formulieren.31 Zudem hat der der Hauptversammlung (über die Besetzung des Aufsichtsrats32 zumindest mittelbar) zukommende Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Vorstands reglementierenden Charakter. Ungeachtet der von § 76 Abs. 1 AktG angeordneten eigenverantwortlichen Leitung wird der Vorstand die Gesellschaft regelmäßig nicht im Widerspruch zum mutmaßlichen 28 BGH v. 25. Februar 1982 – II ZR 174/80 = BGHZ 83, 122, 131; BGH v. 26. April 2004 – II ZR 155/02 = BGHZ 159, 30, LS b) und 41; BGH v. 20. November 2006 – II ZR 226/05 = ZIP 2007, 24. Zustimmend z. B. Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, Vor § 311 AktG Rdn. 33 ff.; Spindler/Stilz/Hoffmann2, § 119 AktG Rdn. 30; Hüffer10, § 119 AktG Rdn. 18; Münch. Hdb. AG/Semler3, § 34 Rdn. 34 ff.; Schmidt/Lutter/Spindler2, § 119 AktG Rdn. 29 ff. 29 Eine Darstellung der Gründe, die den Gesetzgeber des AktG 1937 dazu bewogen haben, die Hauptversammlung von der Geschäftsführung auszuschließen, findet sich bei Großkomm. AktG/Assmann4, Einl. Rdn. 133, 156 f., 164. 30 Flume, FS Coing, S. 97; Großkomm. AktG/Mülbert4, Vor § 118 – 147 AktG Rdn. 43; Leuschner, Konzernrecht, S. 35 f.; Münch. Hdb. AG/Semler3, § 34 Rdn. 4. A.A. Hüffer10, § 118 AktG Rdn. 4; Spindler/Stilz/Hoffmann2, § 118 AktG Rdn. 6; Münch. Komm. AktG/Kubis3, § 118 AktG Rdn. 10; Köln. Komm. AktG/Zöllner2, § 119 AktG Rdn. 2. 31 Großkomm. AktG/Mülbert4, Vor § 118 – 147 AktG Rdn. 43. 32 Grundsätzlich entscheidet die Hauptversammlung gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AktG über die Besetzung des gesamten Aufsichtsrats. Anders ist dies, wenn die Aktiengesellschaft den Regeln der „Mitbestimmung“ unterliegt. In diesem Fall wird ein Teil der Aufsichtsratsmitgliedern nicht von der Hauptversammlung, sondern von den Arbeitnehmern gewählt (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dank des „Stichentscheid-Rechts“ (§ 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG) des, der Anteilseignerseite zugehörigen, Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG) ist allerdings auch in paritätisch besetzten Aufsichtsräten gewährleistet, dass die sich die Vertreter der Anteilseigner letztendlich durchsetzen.
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Willen der (Mehrheit der) Aktionäre leiten.33 Eine den Vorstellungen der Hauptversammlung bzw. der Mehrheit der Aktionäre widersprechende Geschäftsführung seitens des Vorstands kann durch das in der Verweigerung der Entlastung (§ 120 Abs. 1 AktG) zum Ausdruck kommende Misstrauensvotum unterbunden werden, welches die Grundlage der Abberufung des Vorstands durch die gewählten Aufsichtsratsmitglieder bildet (§§ 101 Abs. 1, 84 Abs. 3 Satz 2 Alt. 3 AktG). Die herausgehobene Stellung der Hauptversammlung wird auch dadurch verdeutlicht, dass die Entscheidung über den Fortbestand der Gesellschaft in ihren Händen liegt. Sie kann sich jederzeit entschließen, die Gesellschaft aufzulösen (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Schließlich steht der Hauptversammlung bei Differenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ein Letztentscheidungsrecht zu (§§ 111 Abs. 4 Satz 3, 173 Abs. 1 AktG). Unmittelbare rechtliche Konsequenzen für das Verhältnis zu den anderen Organen der Aktiengesellschaft ergeben sich aus dieser Charakterisierung allerdings nicht. Insbesondere erwächst der Hauptversammlung aus ihrer Stellung im Organgefüge kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand. Eine Befassung der Hauptversammlung mit in den Bereich der Geschäftsführung und damit in die Kompetenz des Vorstands fallenden Fragen ist vielmehr gemäß § 119 Abs. 2 AktG ausdrücklich ausgeschlossen. Allerdings bestehen mittelbar durchaus gewisse Einflussmöglichkeiten. Insbesondere die drohende Abberufung im Konfliktfall vermag eine gewisse Disziplinierungswirkung zu entfalten und den Vorstand zu vorauseilendem Gehorsam anhalten. Eine gesicherte Verhaltenssteuerung ist so dennoch nicht zu erreichen. Das tatsächliche Einflusspotential eines einzelnen Aktionärs ist nicht nur von seiner Stimmrechtsmacht, sondern daneben noch von einer Reihe weiterer Umstände abhängig wie der Aktionärsstruktur, der Hauptversammlungspräsenz und nicht zuletzt der Persönlichkeit der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder. Es erreicht regelmäßig keine Ausmaße, die es erlauben, den Vorstand in Geschäftsführungsfragen zu lenken und im Zweifel den eigenen Willen durchzusetzen. Allein der Umstand, dass ein Großaktionär tatsächlich Einfluss auf den Kurs der Gesellschaft nehmen kann, weil der Vorstand seinem Willen aus Opportunitätsgründen Folge leisten wird, ändert an der Weisungsunabhängigkeit und der Leitungsautonomie des Vorstands nichts. Es fehlt an der rechtlich abgesicherten Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen auch in Konfliktfällen durchzusetzen.
IV. Statutarische Gestaltungsfreiheit Die Leitungskompetenz des Vorstands kann auch nicht durch eine anderweitige Gestaltung der Satzung beschnitten werden. Die Regelungen über die Organzuständigkeiten sind zwingend und damit der Gestaltungskompetenz der Hauptver-
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So auch Leuschner, Konzernrecht, S. 36.
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sammlung nach § 179 AktG entzogen (§ 23 Abs. 5 AktG).34 Dies schließt eine Verwischung der den einzelnen Gesellschaftsorganen übertragenen Kompetenzen aus und sichert die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gegenüber statutarischen Eingriffen seitens der Aktionäre. Unzulässig ist demzufolge sowohl die Übertragung von Kompetenzen des Vorstands auf Aufsichtsrat oder Hauptversammlung als auch die Bildung eines anderen Organs, welches Aufgaben und Kompetenzen des Vorstands ganz oder teilweise übernehmen soll.35 Eine Einschränkung ist allerdings insoweit zu machen, als der Vorstand gemäß § 82 Abs. 2 AktG im Rahmen seiner Leitungstätigkeit an die Satzung und den konkreten Unternehmensgegenstand gebunden ist. Die Befugnis, den Unternehmensgegenstand und damit das Tätigkeitsfeld der Aktiengesellschaft festzulegen (§§ 179, 23 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 1 AktG), eröffnet den Aktionären ein gewisses Maß an Einfluss auf die Tätigkeit des Vorstands, da der Unternehmensgegenstand die Grenzen absteckt, innerhalb dessen sich das Handeln des Vorstands zu bewegen hat. Der Vorstand darf den Unternehmensgegenstand weder überschreiten, also nichts substantiell anderes tun (Verbot der Satzungsüberschreitung)36, noch darf er ihn unterschreiten und zum Unternehmensgegenstand gehörende Aufgaben unterlassen oder aufgeben (Verbot der Satzungsunterschreitung)37. Mittels detaillierter Vorgaben für den Unternehmensgegenstand ist es den Aktionären folglich möglich, den Handlungsspielraum des Vorstands zu beschränken. Das darin liegende Spannungsverhältnis zwischen Leitungs- und Satzungsautonomie ist zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit der Aktionäre aufzulösen.38 Als Eigentümer der Aktiengesellschaft stellen die Aktionäre das für die wirtschaftliche Betätigung der Gesellschaft erforderliche Eigenkapital zur Verfügung und tragen das damit verbundene Verlustrisiko. Angesichts dessen ist es gerechtfertigt, dass die Aktionäre über das konkrete Tätigkeitsfeld der Gesellschaft und damit über die Frage, auf welchem Gebiet diese den wirtschaftlichen Erfolg suchen soll, entscheiden.39 Ihre Satzungsautonomie konkret ihre Befugnis den Unternehmensgegenstand zu definieren, verleiht ihnen einen weitgehenden Gestaltungsspielraum, der durch die Leitungsautonomie des Vorstands nicht beschränkt wird.40 Folglich können sie den Unternehmensgegenstand nach eigenen Vorstellungen bestimmen und auf diese Weise die Grenzen des Betätigungsfeldes des Vorstands abstecken. Plakativ 34
Hüffer10, § 23 AktG Rdn. 36; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 6 Rdn. 10. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510 ff.; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 14 f.; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 10; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 17. 36 Vgl. bspw. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 29. 37 Vgl. bspw. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 31. 38 Ausführlich zu dieser Problematik Priester, FS Hüffer, S. 777 ff. 39 Priester, FS Hüffer, S. 777, 783 f. 40 So auch Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 33; Großkomm. AktG/Habersack4, § 82 AktG Rdn. 26; Hüffer10, § 82 AktG Rdn. 10; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 82 AktG Rdn. 27; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 82 AktG Rdn. 35. 35
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formuliert: Die Aktionäre bestimmen, was geschehen soll, der Vorstand, wie dies geschehen soll. Die Bindung des Vorstands an den Unternehmensgegenstand gemäß § 82 Abs. 2 AktG ist Ausdruck dieser Steuerungsfunktion und stellt sicher, dass die wirtschaftliche Betätigung der Gesellschaft im Einklang mit den Interessen und Zielen der Aktionäre erfolgt. Die Satzungsautonomie der Aktionäre ändert indes nichts daran, dass im Rahmen des Unternehmensgegenstands ein autonomes Aktionsfelds des Vorstands besteht, in das die Aktionäre nicht hineinregieren können. Die Satzungsautonomie eröffnet die Möglichkeit, das autonome Aktionsfeld zu begrenzen, berechtigt die Aktionäre aber nicht, einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen festzulegen. Zwar sind die Aktionäre nicht daran gehindert, das Tätigkeitsfeld der Gesellschaft und damit den Handlungsspielraum des Vorstands mittels eines eng gefassten Unternehmensgegenstands einzuschränken.41 Solange der Vorstand nicht zum bloßen Befehlsempfänger ohne eigenen Handlungsspielraum herabsinkt, ist dies nicht als unzulässige Aushöhlung der Leitungsautonomie des Vorstands zu qualifizieren.42 Eine über die bloße Beschreibung des Tätigkeitsfelds der Gesellschaft hinausgehende, konkrete Handlungsanweisung an den Vorstand ist indes unzulässig.43
V. Besonderheiten in Konzernverhältnissen Während die Leitungsautonomie des Vorstands in der unabhängigen Aktiengesellschaft uneingeschränkte Geltung beansprucht, erfährt sie Einschränkungen, wenn die Aktiengesellschaft in einem Konzernverhältnis zu einem anderen Unternehmen steht. § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG umschreibt den Konzern als Zusammenfassung eines herrschenden und eines abhängigen Unternehmens unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens.44 Die darin anklingende konstitutive Konzernleitungsmacht des herrschenden Unternehmens steht in Widerspruch zu dem in § 76 Abs. 1 AktG verankerten Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Leitung. Der gesetzgeberischen Vorstellung nach geht die Konzernierung einer Aktiengesellschaft mit dem Verlust der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft einher. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Regelung des § 76 Abs. 1 AktG in Konzernverhältnissen durch ein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft und eine korrespondierende Folgepflicht der abhängigen Gesellschaft verdrängt wird. 41
Priester, FS Hüffer, S. 777, 785 f.; Großkomm. AktG/Röhricht4, § 23 AktG Rdn. 85. Köln. Komm. AktG/Arnold3, § 23 AktG Rdn. 73; Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 33; Priester, FS Hüffer, S. 777, 785 f.; Großkomm. AktG/Röhricht4, § 23 AktG Rdn. 85. 43 Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 82 AktG Rdn. 29. 44 Einheitliche Leitung wird verstanden als die Entwicklung einer auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichteten Zielkonzeption, deren Durchführung und die zugehörige Kontrolle. Vgl. Hüffer10, § 18 AktG Rdn. 11; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 18 AktG Rdn. 23. 42
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Zwar ist das Vorliegen „einheitlicher Leitung“ konstitutive Bedingung für das Vorliegen eines Konzerns, allerdings ist allgemein anerkannt, dass die Form, in der sich die einheitliche Leitung vollzieht, gleichgültig ist. Ein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens wird für entbehrlich gehalten. Ausreichen soll vielmehr jede Form der – auch rein tatsächlichen – Einflussnahme, soweit auch auf diesem Weg die Zielkonzeption des Konzerns durchgeführt werden kann.45 Allein aus dem Vorliegen eines Konzernverhältnisses kann folglich nicht auf eine Einschränkung des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit der Leitung geschlossen werden. Die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Regelung des § 76 Abs. 1 AktG im Konzern Geltung beansprucht, macht es erforderlich, die unterschiedlichen Ausprägungen des Konzerns näher zu beleuchten. Insoweit ist zwischen Vertragskonzernen einerseits und faktischen Konzernen andererseits zu unterscheiden. 1. Vertragskonzern a) Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AktG) Mit dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG unterstellt eine Aktiengesellschaft ihre Leitung einem anderen Unternehmen und schränkt die Leitungsautonomie des Vorstands ein. Der für einen Beherrschungsvertrag konstitutive Leitungstransfer wird durch das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nach § 308 Abs. 1 AktG sowie die Folgepflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft nach § 308 Abs. 2 AktG präzisiert. Gegenständlich erstreckt sich das Weisungsrecht über den Bereich der Leitung der abhängigen Gesellschaft hinaus auf den gesamten Bereich der Geschäftsführung und Vertretung durch den Vorstand. Es berechtigt insbesondere auch zur Anordnung für die abhängige Gesellschaft nachteiliger Maßnahmen (§ 308 Abs. 1 Satz 2 respektive Abs. 2 Satz 2 AktG).46 Die von § 76 Abs. 1 AktG geforderte eigenverantwortliche Leitung der abhängigen Gesellschaft wird durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags indes nicht aufgehoben, sondern nur insoweit suspendiert, als das herrschende Unternehmen von seiner Konzernleitungsmacht auch tatsächlich Gebrauch macht.47 Anderenfalls – eine Konzernleitungspflicht des herrschenden Unternehmens, verstanden als Pflicht zur Ausübung der Leitungsmacht, ist trotz anderslautender Stimmen
45 Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 18 AktG Rdn. 34; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 18 AktG Rdn. 16; Hüffer10, § 18 AktG Rdn. 12. 46 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 308 AktG Rdn. 45 ff. 47 Begr RegE zu § 147 AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 403; Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 308 AktG Rdn. 153; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 37; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 109; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 92.
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in der Literatur nicht anzuerkennen 48 – verbleibt es bei der Pflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft, diese eigenverantwortlich zu leiten. Strittig ist allerdings, ob sich der Vorstand der abhängigen Gesellschaft in diesem Fall allein am Interesse seiner Gesellschaft zu orientieren hat oder ob er auf das Konzerninteresse Rücksicht nehmen muss.49 Entsprechendes gilt infolge Weisungsrechts des anderen Vertragsteils (§ 323 Abs. 1 AktG) auch im Fall der Eingliederung einer Aktiengesellschaft gemäß § 319 ff. AktG. b) Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG) Weniger eindeutig ist die Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen der Bildung eines Gleichordnungskonzerns auf die Leitungsautonomie des Vorstands. § 18 Abs. 2 Hs. 1 AktG beschreibt einen Gleichordnungskonzern als Zusammenfassung rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung, ohne dass das eine von dem anderen abhängig ist. Die Voraussetzungen für die einheitliche Leitung der beteiligten Unternehmen können insbesondere50 durch Abschluss eines Art und Umfang der Konzernleitung regelnden Gleichordnungsvertrags (§ 292 Abs. 2 AktG) geschaffen werden.51 Dieser beinhaltet Festlegungen, welche Unternehmensbereiche der einheitlichen Leitung unterliegen und nach welchen Regeln die Beteiligten auf die Leitungsentscheidungen Einfluss nehmen.52 Die konkrete Umsetzung kann durch personelle Verflechtung im Wege der Personalunion in den Leitungsorganen der beteiligten Unternehmen, durch Schaffung eines gemeinsamen Leitungsgremiums oder Errichtung einer (von den beteiligten Unternehmen verschiedenen) Leitungsgesellschaft erfolgen.53 Anders als ein Beherrschungsvertrag begründet ein Gleichordnungsvertrag zwar kein Weisungsrecht des einen gegenüber dem anderen Vertragspartner, dennoch geht mit dem Abschluss des Vertrages ein Autonomieverlust des Leitungsorgans Vorstand einher. Die Leitung des Unternehmens erfolgt nicht mehr autonom, sondern im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner. Auch dann, wenn keiner der Beteiligten 48 Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 309 AktG Rdn. 52; Hüffer10, § 309 AktG Rdn. 10. A.A. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 165 ff., 178, 305 ff.; zustimmend bspw. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 31 II 4. c), S. 947. 49 Für ersteres bspw. Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 308 AktG Rdn. 153; Emmerich/ Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 308 AktG Rdn. 49; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 92. Letzteres vertreten hingegen bspw. Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 308 AktG Rdn. 71 sowie Hüffer10, § 308 AktG Rdn. 20. 50 Auch bei rein tatsächlicher einheitlicher Leitung, bspw. infolge personeller Verflechtungen der Leitungsorgane, besteht ein faktischer Gleichordnungskonzern. Vgl. dazu Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 18 AktG Rdn. 30. 51 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 73. 52 Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 68 Rdn. 81. 53 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 18 AktG Rdn. 30; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 211 f.
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Teil 3: Grundlagen
Leitungsentscheidungen gegen den Willen des/der anderen durchsetzen kann, ist dem Erfordernis einvernehmlicher Entscheidung eine Verringerung des unternehmerischen Handlungsspielraums im Vergleich zum Vorstand einer unverbundenen Aktiengesellschaft immanent. Eine eigenständige Leitung ihrer Gesellschaft ist den Vorständen der beteiligten Unternehmen nicht mehr möglich.54 Die h.M. folgert daraus zutreffend, dass § 76 Abs. 1 AktG durch die Spezialregelung des § 292 Abs. 2 AktG überlagert wird.55 Im Einklang mit der Rechtslage beim Unterordnungskonzern wird § 76 Abs. 1 AktG allerdings auch im Gleichordnungskonzern nur eingeschränkt, nicht aufgehoben. Soweit der Gleichordnungsvertrag dem Vorstand die Leitungskompetenz nicht entzogen hat, bleibt es beim Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft seitens des Vorstands.56 c) Sonstige Unternehmensverträge Mit Abschluss eines (isolierten) Gewinnabführungsvertrags (§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AktG) verpflichtet sich eine Aktiengesellschaft zur Abführung ihres gesamten Gewinns an ein anderes Unternehmen. Die Geschäftsführung erfolgt – aus Sicht der Gesellschaft – weiter auf eigene Rechnung, allerdings unter Abführung des Ergebnisses an den anderen Vertragsteil. Die Leitungsautonomie des Vorstands wird dadurch nicht tangiert.57 Rechtliche Leitungsmacht des Vertragspartners, insbesondere ein § 308 Abs. 1 AktG vergleichbares Weisungsrecht und die damit verbundene Möglichkeit der Einflussnahme auf das Handeln des Vorstands, wird durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags nicht begründet.58 Auswirkungen auf den Pflichtenkreis des Vorstands ergeben sich nur insoweit, als dieser bei Aus-
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Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 216. Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 230; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 103 und 109. A.A. Leuschner, Konzernrecht des Vereins, S. 21 f. Kritisch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit § 76 Abs. 1 AktG auch Spindler/Stilz/Veil2, § 291 AktG Rdn. 57 und Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 218. 56 Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 230. So auch Großkomm. AktG/ Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 218, demzufolge die Erteilung vorteilhafter und neutraler Weisungen und die Vereinbarung einer entsprechenden Folgepflicht möglich sei. Nachteilige Weisungen seien demgegenüber nur auf Grundlage eines Beherrschungsvertrags zulässig. 57 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 109; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 71 Rdn. 16; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 173. A.A. Leuschner, Konzernrecht des Vereins, S. 55 der eine Befreiung des Vorstands von der Leitungspflicht im Hinblick auf die Möglichkeit des unterjährigen Vermögenstransfers bejaht. Insoweit sei der Vorstand berechtigt, sich der Einflussnahme des anderen Teils zu öffnen. 58 Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 149; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 49; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 89; Schmidt/Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 60; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 172. A.A. Spindler/Stilz/Veil2, § 291 AktG Rdn. 39 demzufolge die vertragliche Begründung eines Weisungsrechts betreffend die Ausübung der Bilanzierungswahlrechte zulässig ist. 55
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übung der Bilanzierungswahlrechte verpflichtet ist, auf die legitimen Interessen des herrschenden Unternehmens Rücksicht zu nehmen.59 Die sich aus einem Geschäftsführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 Satz 2 AktG) ergebende Verpflichtung, die Geschäfte der Gesellschaft für die Rechnung des anderen Vertragsteils zu führen, lässt die Leitungsautonomie des Vorstands ebenfalls unangetastet. Ein für Geschäftsbesorgungsverhältnisse charakteristisches Weisungsrecht (§ 665 BGB) wird durch den Abschluss eines Geschäftsführungsvertrags nicht begründet.60 Mittels eines Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrags (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG) verpachtet oder überlässt eine Aktiengesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens einem Anderen. Charakteristisches Element derartiger Verträge ist, dass der Vertragspartner – sei es im eigenen oder im fremden Namen – den Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft übernimmt. Untrennbar damit verbunden ist der Übergang der Geschäftsführungskompetenz. Daher greifen beide Vertragsarten in die Leitungskompetenz des Vorstands ein, weil dem Vorstand die alleinige Kompetenz, in Bezug auf das Unternehmen zentrale Führungsentscheidungen zu treffen, entzogen wird.61 Die Begründung einer Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG) sowie ein Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) sind im Hinblick auf die Leitungsautonomie ohne Relevanz. 2. Faktischer Konzern Auch für faktische Konzernverhältnisse stellt sich die Frage nach den Auswirkungen des beherrschenden Einflusses des Aktionärs auf die Leitungsautonomie des Vorstands. Als faktischer Konzern wird die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung, ohne diese auf einen Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung zu stützen, bezeichnet.62 Gekennzeichnet ist die faktische Konzernierung einer Aktiengesellschaft durch die ein Abhängigkeitsverhältnis begründende, tatsächliche Möglichkeit der beherrschenden Einflussnahme eines an59 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 65. Wohl auch Schmidt/Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 60. A.A. Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 149. 60 Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 182; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 72; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 87 f; Spindler/Stilz/Veil2, § 291 AktG Rdn. 50. A.A. Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 184, demzufolge ein „Geschäftsführungsvertrag ein sich auf vorteilhafte und neutrale Weisungen beschränkendes Weisungsrecht des anderen Vertragsteils gegenüber der verpflichteten Gesellschaft nach § 665 BGB“ begründe. Allerdings sei der Vorstand verpflichtet, den „Gesellschaftszweck und den Pflichtenrahmen der §§ 71 Abs. 1, 93 AktG zu wahren“. 61 Spindler/Stilz/Veil2, § 292 AktG Rdn. 36. 62 Hüffer10, § 18 AktG Rdn. 3; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 69 Rdn. 22.
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deren Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft (§ 17 Abs. 1 AktG). Diese muss sich – anderenfalls liegt bloß „einfache“ Abhängigkeit vor – zu einer „einheitlichen Leitung“ der abhängigen Gesellschaft verdichten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 AktG). Eine Durchbrechung der Regelung des § 76 Abs. 1 AktG ist mit dem Bestehen eines faktischen Konzernverhältnisses nicht verbunden. Die Leitungsautonomie des Vorstands der abhängigen Gesellschaft wird durch die §§ 311 ff. AktG nicht aufgehoben, sondern lediglich modifiziert.63 Auch in faktischen Konzernverhältnissen bleibt der Vorstand zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft verpflichtet, die §§ 311 ff. AktG gestatten es ihm aber, sich in gewissem Maße dem Einfluss des herrschenden Unternehmens zu öffnen. Unter der Bedingung, dass die Maßnahme dem Nachteilsausgleich des § 311 Abs. 1 AktG in vollem Umfang zugänglich ist und mit der Ausgleichsgewährung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung auch gerechnet werden kann, erlauben sie es dem Vorstand, nachteiligen Weisungen des herrschenden Unternehmens Folge zu leisten, ohne seine Organpflichten gegenüber der Gesellschaft zu verletzen.64 Ein §§ 308 Abs. 1 AktG vergleichbares Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens respektive eine Folgepflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft gemäß § 308 Abs. 2 AktG sind damit nicht verbunden. Dem herrschenden Unternehmen stehen nur tatsächliche Einflussnahmemöglichkeiten zur Verfügung. Die § 311 ff. AktG schränken somit die Pflicht, nicht aber das Recht, die Gesellschaft zu leiten, ein. Der Vorstand kann den Vorstellungen des herrschenden Aktionärs Folge leisten, ohne seine Organpflichten zu verletzen. Er muss dies aber nicht tun.65 Dieser Befund darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das durch den Anteilsbesitz vermittelte Einflusspotential des herrschenden Unternehmens gewisse „erzieherische“ Wirkungen zu entfalten vermag. Der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft wird nicht dauerhaft eine den Vorstellungen des herrschenden Aktionärs widersprechende Geschäftspolitik betreiben. Notfalls wird der herrschende Aktionär über die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats auf die Berufung kooperativerer Vorstandsmitglieder hinwirken. Allein der Umstand, dass ein (herrschender) Aktionär kraft seines tatsächlichen Einflusses auf den Kurs der Gesellschaft Einfluss nehmen kann, weil der Vorstand seinem Willen aus Opportunitätsgründen Folge leisten wird, ändert allerdings an der Weisungsunabhängigkeit und der Leitungsautonomie des Vorstands nichts. Es fehlt an der rechtlich abgesicherten Möglichkeit auch in Konfliktfällen die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Eine solche lässt sich nur im Wege des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG) oder der Eingliederung (§ 319 AktG) der abhängigen 63 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 311 AktG Rdn. 160; Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, § 311 AktG Rdn. 78; Hüffer10, § 311 AktG Rdn. 48; Schmidt/Lutter/ Vetter2, § 311 AktG Rdn. 106. 64 Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, § 311 AktG Rdn. 78; Spindler/Stilz/ Müller2, § 311 AktG Rdn. 62; Schmidt/Lutter/Vetter2, § 311 AktG Rdn. 95. 65 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 311 AktG Rdn. 139.
A. Leitungsverfassung der Aktiengesellschaft
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Gesellschaft erreichen. Unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensleitung kommt den §§ 311 ff. AktG allein insoweit Bedeutung zu, als sie die Organpflichten des Vorstands der abhängigen Gesellschaft modifizieren.
VI. Fazit Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft baut auf einem dualistischen System der Trennung von Geschäftsführungs- und Überwachungsorgan auf. Innerhalb dieses Modells weist das AktG – ungeachtet gewisser Aufgabenverschränkungen zwischen den Organen – dem Vorstand die Rolle als alleiniges Leitungsorgan der Gesellschaft zu. Ausdruck des damit angesprochenen Leitungsmonopols des Vorstands ist, dass dieser bei der Wahrnehmung der Leitungsaufgaben unabhängig und frei von Weisungen anderer Organe sowie der Einflussnahme außenstehender Dritter agiert. Einschränkungen erfährt die Leitungskompetenz des Vorstands nur in eng umrissenen Ausnahmefällen. Zum einen muss sich der Vorstand stets im Rahmen des von der Hauptversammlung festgelegten Unternehmensgegenstands bewegen (§§ 82 Abs. 2, 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Zudem hat die Rechtsprechung ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten entwickelt, bei denen der Vorstand ausnahmsweise verpflichtet ist, die Zustimmung der Hauptversammlung zur Vornahme einer Geschäftsführungsmaßnahme einzuholen. Zudem sind bestimmte Maßnahmen des Vorstands an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), dem dadurch ein nicht unerhebliches Maß an Einfluss auf Leitungsentscheidungen des Vorstands eröffnet wird. Faktische Abhängigkeitsverhältnisse der Gesellschaft zu anderen Unternehmen bewirken keine signifikanten Veränderungen der Leitungsautonomie des Vorstands. Das Leitungsmonopol des Vorstands bleibt auch im faktischen Konzern im Wesentlichen unangetastet. Allerdings gestatten es die §§ 311 ff. AktG dem Vorstand, sich der Einflussnahme seitens des Dritten zu öffnen. Unter der Bedingung, dass etwaige Nachteile ausgeglichen werden, darf der Vorstand Weisungen des herrschenden Unternehmens Folge leisten. Außer Kraft gesetzt wird die Leitungsautonomie einzig durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags (sowie einer Eingliederung), der dem herrschenden Unternehmen ein auch Leitungsfragen umfassendes Weisungsrecht zugesteht. Soweit das herrschende Unternehmen von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht, besteht eine Folgepflicht des Vorstands, die auch bei nachteiligen Weisungen nicht außer Kraft tritt.
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Teil 3: Grundlagen
B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes Mit der Feststellung, dass der Vorstand alleiniges Leitungsorgan der Aktiengesellschaft ist, ist indes noch nicht viel für die Frage nach den Grenzen der Einflussnahme Dritter gewonnen. Vielmehr wirft diese Erkenntnis die Anschlussfrage auf, wie der Begriff der Leitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG zu verstehen ist und welche konkreten Tätigkeiten Gegenstand dieses unveräußerlichen Kernbereichs der Vorstandsaufgaben sind. Welche der vom Vorstand wahrzunehmenden Aufgaben sind Leitungsaufgaben? Worin unterscheiden sich diese von Geschäftsführungsaufgaben? Was sind deren charakteristische Elemente? Eine Antworten auf diese Fragen liefernde gesetzliche Definition des Leitungsbegriffes beinhaltet § 76 Abs. 1 AktG nicht. Auch in den sonstigen Vorschriften des AktG, die auf den Begriff der Leitung zurückgreifen – § 18 AktG, der das Vorliegen eines Konzerns an das Erfordernis einheitlicher Leitung knüpft, § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG, demzufolge ein Beherrschungsvertrag durch die Unterstellung der Leitung der Gesellschaft unter den anderen Vertragsteil gekennzeichnet ist sowie § 308 Abs. 1 AktG, wonach die herrschende Gesellschaft auf Grund eines Beherrschungsvertrags berechtigt ist, Weisungen hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft zu erteilen, – finden sich keine näheren Erläuterungen zum aktienrechtlichen Leitungsbegriff. Die Aufgabe, den Leitungsbegriff mit Leben zu füllen und für die Rechtspraxis handhabbar zu machen, hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft überlassen. Insoweit sind im Folgenden zwei Gesichtspunkte näher zu beleuchten. Zunächst ist das systematische Verhältnis der Begriffe Leitung, Geschäftsführung und Vertretung zueinander zu klären und diese voneinander abzugrenzen. (Teil 3, B., I.) Im Anschluss daran soll versucht werden den abstrakten Begriff der Leitung mit Inhalt zu füllen. (Teil 3, B., II.)
I. Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung Der Kompetenzbereich des Vorstands wird durch die Schlüsselbegriffe der Leitung (§ 76 Abs. 1 AktG), Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 AktG) und Vertretung (§ 78 Abs. 1 AktG) gekennzeichnet. 1. Identität von Leitung und Geschäftsführung Ursprünglich wurde der Begriff der Leitung als Oberbegriff der Kompetenzen des Vorstands verstanden, der die beiden Teilbereiche Geschäftsführung und Vertretung umfasse. Aus der Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 1 AktG und dem Wortlaut weiterer Vorschriften (§§ 82 Abs. 2, 84 Abs. 3 Satz 2, 93 Abs. 1 und 111 Abs. 1 AktG) wurde gefolgert, dass die Leitungsaufgabe des Vorstands sich sowohl auf das
B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes
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nach außen (Vertretung) als auch auf das nach innen (Geschäftsführung) wirkende Handeln des Vorstands erstrecke. Für das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung wurde daraus gefolgert, dass diese Begriffe, soweit sie das Innenverhältnis der Gesellschaft beträfen, deckungsgleich seien.66 Dem kann nicht gefolgt werden. Leitung und Geschäftsführung stehen zwar in einem engen inhaltlichen Zusammenhang und können nicht völlig losgelöst voneinander betrachtet werden, dies zwingt aber keineswegs zur Annahme einer weitgehenden inhaltlichen Identität der beiden Begriffe. Es darf nicht übersehen werden, dass das AktG begrifflich klar zwischen Leitung (§ 76 Abs. 1 AktG), Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 AktG) und Vertretung (§ 78 Abs. 1 AktG) unterscheidet.67 Die Annahme einer Teilidentität von Leitung und Geschäftsführung einerseits und Leitung und Vertretung andererseits würde sich über diese gesetzliche Ausdifferenzierung hinwegsetzen. Die vom AktG vorgenommene Dreiteilung würde überspielt und der Sache nach durch eine Zweiteilung in die das Innenverhältnis betreffende Geschäftsführung einerseits und die das Außenverhältnis betreffende Vertretung andererseits ersetzt. Seiner herausgehobenen systematischen Stellung widersprechend, wäre der Leitungsbegriff praktisch überflüssig. Die auf dem Wortlaut aufbauende Gleichsetzung von Leitung und Geschäftsführung muss sich zudem entgegenhalten lassen, dass eine Identität der beiden Begriff mit dem herkömmlichen Sprachverständnis nur schwerlich zu vereinbaren ist. Leitung wird üblicherweise im Sinne von Anführung, Anleitung oder Lenkung verstanden, während Geschäftsführung weitergehend als ein generelles Handeln im Sinne des weit gefassten Geschäftsführungsbegriffs des allgemeinen Zivilrechts verstanden wird.68 2. Leitung als herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung Im Einklang mit der heute herrschenden Ansicht ist Leitung demnach als ein herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung zu verstehen.69 Während die Geschäftsführung jedwedes rechtsgeschäftliche oder auch nur tatsächliche Handeln für die Gesellschaft umfasst, ist der Begriff der Leitung enger und bezeichnet die 66 So Geßler/Hefermehl/Hefermehl, § 76 AktG Rdn. 10; Lutter, AG 1991, 249, 251; Mielke, Die Leitung der unverbundenen Aktiengesellschaft, S. 37 m.w.N.; Schäfer/Missling, NZG 1998, 441, 442; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 6; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 139, Fn. 7. Wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 , § 24 III 2, S. 688, der in Bezug auf den Vorstand eines Vereins davon spricht, dass dieser als Leitungsorgan Geschäftsführung- und Vertretungsorgan des Vereins sei. 67 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 14. 68 Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 29. 69 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 14; Henze, BB 2000, 209; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 7; Konopatzki, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 24 f.; Großkomm. AktG/ Kort4,§ 76 AktG Rdn. 29; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 4; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 18; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 19 Rdn. 13.
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Teil 3: Grundlagen
„Führungsfunktion“ des Vorstands, verstanden als Festlegung der grundsätzlichen Unternehmenspolitik sowie der grundlegenden organisatorischen Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Politik.70 Ein entsprechendes Verständnis der Begriffe Leitung und Geschäftsführung fügt sich weitestgehend nahtlos in das aktienrechtliche Regelungsgefüge ein.71 Insbesondere die Regelungen in § 93 Abs. 1 AktG sowie § 111 Abs. 1 AktG zwingen nicht zu dem Schluss, dass Leitung und Geschäftsführung sich decken.72 Dass diese Normen nur die Geschäftsführung des Vorstands zum Gegenstand haben, bedeutet nicht, dass Leitungsentscheidungen insoweit ausgenommen sind. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn Leitung und Geschäftsführung zwei getrennte Aufgabenfelder bilden würden. Richtigerweise ist die Leitung als Teilbereich der Geschäftsführung von dieser umfasst und somit stets in den Anwendungsbereich der auf die Geschäftsführung des Vorstands abstellenden Regelungen einbezogen. Dass die Normen dennoch auf die Geschäftsführung abstellen, erklärt sich daraus, dass anderenfalls weite Teile der Vorstandstätigkeit – alle einfachen Geschäftsführungshandlungen, die nicht zur Leitung zu zählen sind – aus dem Anwendungsbereich fielen. Richtigerweise zeigen diese Normen vielmehr indirekt, dass die Leitung als ein Ausschnitt aus der umfassenderen Geschäftsführung zu begreifen ist. 3. Verhältnis von Leitung und Vertretung Die Begriffe Leitung und Vertretung sind ebenfalls nicht gleichzusetzen, da gegebenenfalls auch rein tatsächliches Handeln eine Leitungsaufgabe darstellen kann. Leitung und Vertretung bilden vielmehr zwei sich schneidende Kreise. Soweit diese sich überlagern, also dann, wenn die Leitung der Gesellschaft rechtsgeschäftliches 70
Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 14; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 7; ders. in: Aktienrecht im Wandel, Band II, Kapitel 7 Rdn. 20 und 27; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 29; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 4; Münch. Komm. AktG/ Spindler3, § 76 AktG Rdn. 17 f. 71 Zuzugeben ist allerdings, dass diese Begriffsbildung im Hinblick auf den Geschäftsführungsbegriff in § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht völlig widerspruchsfrei ist (Vgl. dazu auch Henze BB 2000, 209; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 8). § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG gestattet es, etwa zugunsten von Einzelgeschäftsführung vom Prinzip der Gesamtgeschäftsführung abzuweichen. Versteht man Leitung als einen Teilbereich der Geschäftsführung wäre es daher an sich nur folgerichtig, auch die Übertragung von Leitungsaufgaben auf einzelne Vorstandsmitglieder zulassen. Dies lehnt die h.M. indes ab, da ihrer Ansicht nach die Erfüllung der Leitungsaufgaben zwingend dem Gesamtvorstand obliegt. Einzelgeschäftsführung sei insoweit ausgeschlossen (z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 8 und 62; Großkomm. AktG/ Kort4, § 76 AktG Rdn. 34 und 49; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 15 und § 77 AktG Rdn. 63). Der Begriff der Geschäftsführung wird daher im Rahmen von § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG abweichend bestimmt und der Bereich der Leitungsaufgaben ausgeklammert. Die Gesamtleitung durch den Vorstand bildet insoweit eine immanente Schranke der Gesamtgeschäftsführung des Vorstands nach § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG (Wettich, Vorstandsorganisation, S. 8). 72 So aber Mielke, Die Leitung der unverbundenen Aktiengesellschaft, S. 35 f.
B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes
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Handeln erfordert, liegt darin zugleich eine Vertretungshandlung. Im Übrigen liegt entweder Leitung oder Vertretung vor.
II. Gegenstand der Leitungstätigkeit des Vorstands Das Verhältnis von Leitung und Geschäftsführung gewährt einen ersten Blick auf das, was das AktG unter Leitung versteht. Dem Ansatz, den Leitungsbegriff des Aktienrechts dadurch zu beschrieben, dass man die Geschäftsführungstätigkeit aus der Leitungstätigkeit heraus rechnet und die verbliebenen Tätigkeiten als Leitung begreift, ist angesichts des umfassenden Geschäftsführungsbegriffs des AktG allerdings kein Erfolg beschieden. Vielmehr ist es, nicht zuletzt auch angesichts der Unbestimmtheit des Geschäftsführungsbegriffs, unumgänglich, den Begriff der Leitung positiv zu bestimmen und aus sich heraus mit Inhalt zu füllen. Die Grundlage dafür ist im Aktienrecht selbst zu suchen. Obwohl sich das AktG zum Inhalt der Leitungsaufgabe des Vorstands weitgehend ausschweigt, besteht Einigkeit darüber, dass dem Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG eine spezifisch aktienrechtliche Färbung innewohnt, das AktG bestimmte Leitungsaufgaben des Vorstands positiv normiert, ohne diese allerdings ausdrücklich als solche zu bezeichnen.73 Der Inhalt der Leitungsaufgabe erschöpft sich freilich nicht in diesen geschriebenen Zuständigkeiten. Aufbauend auf betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen über die Unternehmensführung hat das Schrifttum eine Reihe von Kategorien aufgestellt, die den unbestimmten Rechtsbegriff der Leitung mit Inhalt füllen und so für die praktische Rechtsanwendung handhabbar machen. Der aktienrechtlichen Leitungsbegriff speist sich demnach aus zwei unterschiedlichen Quellen: (1) zwingenden gesetzlichen Zuständigkeiten sowie (2) ungeschriebenen, in der wissenschaftlichen Diskussion und der Unternehmenswirklichkeit entwickelten Zuständigkeiten. Fügt man die beiden Teile zusammen, ergibt sich die Gesamtheit der Leitungsaufgaben des Vorstands. Eine allgemeingültige Definition des Leitungsbegriffes gemäß § 76 Abs. 1 AktG hat sich im aktienrechtlichen Schrifttum allerdings nicht herausgebildet. Subsumtionsfähige Kriterien oder konkrete Maßstäbe, die es ermöglichen, aus der Vielzahl an Geschäftsführungstätigkeiten diejenigen Maßnahmen herauszufiltern, die der Leitungskompetenz des § 76 Abs. 1 AktG unterfallen, finden sich nicht. Das kann auch nicht weiter überraschen, wenn man sich bewusst macht, dass die Unternehmenswirklichkeit nicht von einer Vielzahl gleichförmiger Idealtypen der Aktiengesellschaft bevölkert wird, sondern jede Aktiengesellschaft ihr ureigenes Gepräge besitzt. Die Bandbreite reicht von Aktiengesellschaften mit einem aus einigen wenigen, in Deutschland lebenden Personen gebildeten Aktionärskreis, bis hin zu börsennotierten Gesellschaften, deren Aktionärszahl in die Zigtausende geht und deren Anteilseigner auf der gesamten Welt verteilt sind. Dass die Frage danach, 73
Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 508.
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Teil 3: Grundlagen
welche Aufgaben des Vorstands als Leitungsaufgaben zu qualifizieren sind, nicht für alle Aktiengesellschaften einheitlich beantwortet werden kann, ist zwangsläufige Folge dieser Vielgestaltigkeit. Was bei einer im Familienbesitz befindlichen Gesellschaft eine Leitungsaufgabe sein mag, kann für eine börsennotierte und international operierende Gesellschaft als gewöhnliche Geschäftsführungsaufgabe zu qualifizieren sein. Der Geltungsanspruch des Leitungsbegriffs für sämtliche Aktiengesellschaften ohne Ansehen der jeweiligen Besonderheiten auf der einen Seite und der Anspruch inhaltlich größtmöglicher Detailschärfe auf der anderen, sind nicht miteinander in Einklang zu bringen. Dieser Befund darf aber nicht dahin missverstanden werden, dass eine Präzisierung der ungeschriebenen Bestandteile des Leitungsbegriffes fruchtlos wäre. Die Problematik des Widerspruchs von Allgemeingültigkeit und inhaltlicher Präzision bedingt lediglich eine gedankliche Zweiteilung. In einem ersten Schritt sind zunächst abstrakt-generell Leitungsaufgaben für sämtliche Aktiengesellschaften zu bestimmen. Diese bezeichnen diejenigen Tätigkeitsgebiete, die – ohne Ansehen der Besonderheiten und Eigenarten einer Gesellschaft – der Leitungskompetenz des Vorstands einer Aktiengesellschaft unterfallen. Die dadurch bewirkte Kategorisierung stellt einen wesentlichen Schritt bei der Bestimmung des Inhalts der Leitungsbegriffs des § 76 Abs. 1 AktG dar, weil sie die Tätigkeitsfelder und Tätigkeitsinhalte des Leitungshandeln des Vorstands beschreibt und so die potentiell als Leitungsaufgaben zu qualifizierenden Tätigkeiten tatbestandlich umgrenzt. In einem zweiten Schritt ist die konkret zu leitende Gesellschaft mit in die Betrachtung einzubeziehen und zu untersuchen ob eine typologisch als Leitungsaufgabe zu kategorisierende Maßnahme auch im konkreten Fall, also bezogen auf das in Frage stehende Unternehmen, als Ausübung von Leitungsmacht anzusehen ist.74 In der Sache geht es darum, aus der Vielzahl der in einem Unternehmen anfallenden Planungs-, Organisations- und Kontroll- und Personalentscheidungen, die im konkreten Fall als Ausdruck der Leitungsaufgabe zu qualifizierenden Maßnahmen herauszufiltern. 1. Leitungsaufgaben kraft gesetzlicher Anordnung Die Leitungsaufgaben des Vorstands sind zunächst einmal anhand der positiven Normierungen des AktG zu bestimmen. Bestimmte im AktG geregelte Rechte und Pflichten des Vorstands sind Leitungsaufgaben, auch ohne ausdrücklich als solche gekennzeichnet zu sein. Teilweise ergibt sich dies daraus, dass das Gesetz explizit einen Vorstandsbeschluss fordert, wie dies beispielsweise bei der Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 AktG der Fall ist. Im Übrigen ist dies in Fällen anzunehmen, in denen das AktG Rechte und Pflichten ausdrücklich dem 74
Fleischer, ZIP 2003, 1, 5 f.; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 16 f.
B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes
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Vorstand als Kollegialorgan zuweist.75 Mit der in der gesetzlichen Aufgabenzuweisung zum Ausdruck kommenden Bedeutung der jeweiligen Aufgabe wäre es unvereinbar, wenn der Vorstand diese nicht selbst wahrnehmen, sondern deren Erfüllung auf nachgelagerte Stellen in der Gesellschaft oder gesellschaftsfremde Dritte verlagern würde. Die gesetzliche Normierung bringt zum Ausdruck, dass es sich insoweit um einen Teil des unveräußerlichen Kernbereichs der Vorstandstätigkeit handelt. Die angesprochenen Pflichten lassen in zwei Kategorien einteilen: Aufgaben, die das Verhältnis des Vorstands zu den anderen Organen der Gesellschaft betreffen, wie beispielsweise die Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 83 AktG), die Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90 AktG), die Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 2 AktG), sowie Aufgaben, die dem Vorstand im öffentlichen Interesse oder zur Sicherung von Gläubigerinteressen aufgegeben sind, wie zum Beispiel die Buchführung und die Einrichtung eines Überwachungssystems (§ 91 Abs. 1 und 2 AktG), die Verlustanzeige und die Stellung eines Insolvenzantrags (§ 92 AktG), die Abgabe der Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex (§ 161 AktG), die Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht (§ 170 AktG) sowie die Anfertigung eines Abhängigkeitsberichts und dessen Vorlage an den Aufsichtsrat (§§ 312 Abs. 1 und 314 Abs. 1 AktG).76 Dieser normativ geprägten Sicht des Leitungsbegriffs hat sich der BGH angeschlossen und die Aufgabe des Vorstands, der Hauptversammlung gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG zu jedem Gegenstand der Tagesordnung einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten, unter Verweis auf die Bedeutung für die Information der Aktionäre als Leitungsaufgabe im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG eingeordnet.77 2. Leitungsaufgaben kraft typologischer Zuordnung Die Leitungsaufgaben des Vorstands beschränken sich allerdings nicht auf die eben genannten gesetzlich niedergelegten Rechte und Pflichten des Vorstands. Das AktG trifft nur punktuelle Regelungen, die die volle Bandbreite der mit der unternehmerischen Führungsfunktion verbundenen Aufgaben nicht ausschöpfen. Unstreitig ist daher, dass über die Regelungen des AktG hinaus weitere originäre unternehmerische Führungsaufgaben existieren, die den materiellen Kern des Leitungsbegriffs des § 76 Abs. 1 AktG bilden.
75
Henze, BB 2000, 209, 210; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 8. Eine ausführliche Darstellung der normierten Leitungsaufgaben des Vorstands findet sich beispielsweise bei Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 35. 77 BGH v. 12. November 2001 – II ZR 225/99 = BGHZ 149, 158, 160. 76
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a) Ermittlung anhand betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse Der Charakter des Leitungsbegriffs als unbestimmter Rechtsbegriff bedingt, dass inhaltliche Schärfe nur mittels des Instruments der Auslegung gewonnen werden kann. Allerdings sind insoweit weder die historische noch die teleologische Auslegung besonders ergiebig. Weder der Gesetzgeber des AktG 1937 noch der des AktG 1965 hat Aussagen zum Inhalt des Leitungsbegriffs getroffen. Auch aus dem Gesetzeszweck lassen sich keine positiven Rückschlüsse ziehen. Da der Vorstand die Gesellschaft anerkanntermaßen nach betriebswirtschaftlichen Regeln zu leiten hat78, versucht das aktienrechtliche Schrifttum eine inhaltliche Präzisierung des Katalogs an Leitungsaufgaben durch den Rückgriff auf Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung zur Unternehmensführung zu gewinnen.79 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Indes darf die „Verrechtlichung“ betriebswirtschaftlicher Überlegungen nicht zum Ergebnis haben, dass der Inhalt der Leitungsaufgabe ausschließlich anhand betriebswirtschaftlicher Regeln bestimmt wird. Insbesondere bei der Berücksichtigung neuer betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, die sich noch in der Diskussion befinden, ist eine gewisse Zurückhaltung geboten. Diese Eins zu Eins in rechtlich verbindliche Verhaltensmaßstäbe für die Unternehmensleitung umzusetzen, ist mit dem, angesichts der gewichtigen Folgen für das Vorstandshandeln und die Binnenorganisation der Aktiengesellschaft erforderlichen, hohen Maß an Rechtssicherheit unvereinbar.80 Derartige Grundsätze weisen oftmals einen zu hohen Abstraktionsgrad auf oder lassen sich nicht auf alle Unternehmenssituationen übertragen, um sie als rechtlich verbindliche Leitlinien ansehen zu können.81 Betriebswirtschaftliche Erkenntnisse begründen folglich nicht per se Rechtspflichten, sie können aber bei der Ausfüllung des Leitungsbegriffs berücksichtigt werden. Der Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG ist mit ihrer Hilfe zu interpretieren. Voraussetzung einer Rezeption ist indes, dass die jeweiligen Erkenntnisse als gesichert gelten und sich in der Praxis bewährt haben.82
78
Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 83; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 88; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 25 Rdn. 7; differenzierend Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 50. 79 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 8; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 38; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Münch. Komm. AktG/ Spindler3, § 76 AktG Rdn. 16. 80 Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 38. Eingehend zu dieser Problematik Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 106 f. und Feddersen, ZGR 1993, 114, 114 f. 81 Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 37. 82 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 50.
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b) Diskussionsstand aa) Begriffsverständnis der herrschenden aktienrechtlichen Literatur Aufbauend auf betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen hat das aktienrechtliche Schrifttum eine typologische Beschreibung der Leitungsaufgaben des Vorstands entwickelt. Die den Kernbereich der unternehmerischen Führungsfunktionen bildenden Leitungsaufgaben werden in vier Kategorien unterteilt: Unternehmensplanung, Unternehmenskoordinierung, Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung der Führungsposten.83 Zunehmend wird auch die Entscheidung über Maßnahmen und Geschäfte von außergewöhnlicher Bedeutung und von ungewöhnlich hohem Risiko als eigenständige Kategorie der Leitungsaufgaben betrachtet.84 Hinter dem Begriff der Unternehmensplanung verbirgt sich die Aufgabe, die Unternehmensziele und die mittel- und langfristige Unternehmenspolitik festzulegen.85 Durch die Vorgabe der zu erreichenden Ziele und der auf diesem Weg einzuschlagenden Geschäftspolitik bestimmt der Vorstand die Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Die Unternehmensplanung bildet dabei das Instrument mittels dessen der Vorstand vorgibt, welche Maßnahmen zur Erreichung der von ihm gewählten Ziele vorzunehmen sind. Unternehmensplanung ist daher als ein „ständiges Vorausdenken und Vorbereiten zukünftigen Geschehens“, als Ausarbeiten einer Unternehmensstrategie zu verstehen.86 Als Unternehmenskoordinierung wird die Aufgabe des Vorstands bezeichnet, die mit Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche des Unternehmens zu organisieren und aufeinander abzustimmen.87 Die Unternehmensleitung ist verpflichtet, die Vielzahl der im Unternehmen waltenden Kräfte zu bündeln und gezielt einzusetzen.88 Die Führungsbereiche des Unternehmens sind aufeinander abzustimmen und auf das gemeinsame Unternehmensziel auszurichten, um eine Optimierung der Unternehmenskraft zu erreichen.89 Erforderlich ist die Festlegung von Grundsätzen für die Verteilung der Aufgaben auf nachgelagerte Führungsebenen innerhalb des Unter-
83 Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 8, Konopatzki, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 33; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3 § 76 AktG Rdn. 5; Hadding/Hopt/Schimansky/ Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 13; Schmidt/Lutter/Seibt 2, § 76 AktG Rdn. 9; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 11; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 17; Münch. Hdb. AG/Wiesner3,§ 18 Rdn. 14 sowie die in Fn. 84 Genannten. 84 Henze, BB 2000, 209, 210; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 36; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 10 sowie Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 85 Ausführlich sowohl zum Begriff der Unternehmensplanung als auch zu den weiteren Leitungsaufgaben Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 16 – 20 sowie Wettich, Vorstandsorganisation, S. 54 ff. Vgl. zudem die in Fn. 83 genannten Personen. 86 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 16. 87 Wettich, Vorstandsorganisation, S. 56. 88 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 17. 89 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 17.
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Teil 3: Grundlagen
nehmens, einschließlich der Regelung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.90 Der dritte Bereich der Leitungsaufgaben ist die Unternehmenskontrolle. Unter dieses Schlagwort fällt die laufende und nachträgliche Überwachung der Umsetzung und des Erfolgs der vom Vorstand verfolgten Geschäftspolitik. Da die Unternehmensplanung aufgrund der Ungewissheit zukünftiger Entwicklungen naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet ist, ist es Aufgabe des Vorstands zu überwachen, ob die von ihm gesetzten Ziele erreicht werden. Dabei hat er laufend den Fortschritt und Erfolg der geplanten Maßnahmen zu verfolgen und zu überprüfen, ob die tatsächliche Entwicklung mit den Planungen übereinstimmt. Abweichungen von den eigenen Planungen sind zu ermitteln und zu analysieren, wobei das Augenmerk insbesondere auf neue oder sich anbahnende Entwicklungen zu legen ist.91 Die Erkenntnis, dass das tatsächliche vom geplanten Geschehen abweicht oder sich neue Chancen eröffnen, zwingt den Vorstand, unverzüglich mit passenden Maßnahmen zu reagieren. Gegebenenfalls muss er die Unternehmensplanung und -strategie korrigieren und an die neuen Umstände anpassen.92 Die sich daraus ergebenden Impulse erhalten oder verstärken die Dynamik des Unternehmens. Mit der Aufgabe der Besetzung der Führungsposten ist die Personalkompetenz des Vorstands angesprochen. Diesem obliegt es, geeignete Personen für die Führungspositionen auszuwählen, diese aus- und fortzubilden und zu fördern sowie im Gegenzug ungeeignete Personen abzuberufen.93 bb) Alternativkonzept Fleischers In jüngerer Zeit wird die Kategorisierung der herrschenden Meinung zunehmend kritisch betrachtet. Namentlich Fleischer kritisiert diese als „etwas farblos und aus Sicht moderner Unternehmensführung zu vorsichtig“.94 Der von ihm entwickelte Gegenentwurf unterteilt die Leitungsaufgabe des Vorstands in vier Verantwortungsbereiche: Planungs- und Steuerungsverantwortung, Organisationsverantwortung, Finanzverantwortung und Informationsverantwortung.95 Ausdruck der Planungs- und Steuerungsverantwortung sei die Festlegung eines strategischen Rahmens. Der Vorstand habe die langfristigen Unternehmensziele vorzugeben, die wesentlichen Geschäftsfelder zu umreißen und über die wichtigsten Investitionsentscheidungen zu befinden. Zudem habe er bei Eintreten unvorhergesehener Störungen jederzeit einzugreifen. Teil der Organisationsverantwortung sei 90
Wettich, Vorstandsorganisation, S. 56. Wettich, Vorstandsorganisation, S. 57. 92 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 18. 93 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 20. 94 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. 95 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Ihm folgend Bürgers/Körber/Bürgers/Israel2, § 76 AktG Rdn. 10 sowie Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2201. 91
B. Leitungsbegriff des Aktiengesetzes
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es, ein strukturelles Gerüst für das Unternehmen zu schaffen und dieses in funktionsfähige Teileinheiten zu gliedern. Hinzu komme die Pflicht, diese Grundorganisation ständig an veränderte Verhältnisse anzupassen. Die Finanzverantwortung gebiete eine vorausschauende Finanzplanung und nachprüfenden Finanzkontrolle, die Informationsverantwortung verpflichte den Vorstand zur Sicherung des unternehmensinternen Informationsflusses. Letzterem komme angesichts der Tatsache, dass Informationen die Unternehmensressource schlechthin seien, besondere Bedeutung zu.96 c) Stellungnahme aa) Beibehaltung des klassischen Katalogs der ungeschriebenen Leitungsaufgaben des Vorstands Trotz der geäußerten Kritik ist am klassischen Katalog der Leitungsaufgaben festzuhalten. Der Inhalt des Kernbereichs der unternehmerischen Führungsfunktion wird durch die Aufgaben der Unternehmensplanung, Unternehmensorganisation97, Unternehmenskontrolle sowie der Personalführung respektive der Besetzung der Führungsposten charakterisiert.98 Zudem unterfallen Maßnahmen und Geschäfte, die für die Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind oder mit einem erheblichen Risiko für die Gesellschaft verbunden sind, der Leitungskompetenz des Vorstands.99 Die Terminologie der h.M. orientiert sich an den auf einer funktionalistischen Sichtweise der Unternehmensführung bzw. des Managements beruhenden klassi96
Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Im Einklang mit der modernen Unternehmensführungs-/Managementlehre sollte der Begriff der Unternehmenskoordination durch den der Unternehmensorganisation ersetzt werden. Koordination ist dem betriebswirtschaftlichen Verständnis nach nicht als eigene Funktion anzusehen. Koordination erfolgt vielmehr durch eine Vielzahl unterschiedlicher Unternehmehmensführungs-/Managementfunktionen, hat also funktionsübergreifende Wirkung. (Steinmann/Schreyögg, Management6, S. 10) Die Theorienvielfalt der Betriebswirtschaftslehre bedingt zwar eine mitunter uneinheitliche Verwendung des Organisationsbegriffes, dennoch bietet es sich an, Organisation als eine auf Spezialisierung beruhende zielgerichtete Strukturierung und Koordination von Personen, Sachmittel und Informationen zu Zwecke der Erreichung der Ziele des Unternehmens zu verstehen. (Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 467. Ausführlich zum Inhalt des Organisationsbegriffs dies., S. 462 ff.) Der so verstandene Begriff der Unternehmensorganisation dürfte zwar der Sache nach keine großen inhaltlichen Unterschiede zum (juristischen) Koordinationsbegriff der hM aufweisen (vgl. oben Teil 3, II, 2., b., (1)). Die angestrebte konsequente Umsetzung der Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre lässt es dennoch vorzugswürdig erscheinen, den Koordinations- durch den Organisationsbegriff zu ersetzen. 98 Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 8, Konopatzki, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 33; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Hadding/Hopt/Schimansky/ Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 13; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 9; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 11; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 18 Rdn. 14 sowie die in Fn. 99 Genannten. 99 Henze, BB 2000, 209, 210; Großkomm. AktG/Kort4 ,§ 76 AktG Rdn. 36; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 10 sowie Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 97
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Teil 3: Grundlagen
schen Unternehmensführungs- bzw. Managementfunktionen100 der Betriebswirtschaftslehre: Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle.101. Diese werden, ungeachtet der im Laufe der Zeit entstandenen Vielzahl an Theorien und Definitionen der Begriffe Management und Unternehmensführung102, weiterhin zur Beschreibung des Aufgabenbereichs des Managements bzw. der Führungskräfte eines Unternehmens genutzt und bilden das strukturgebende Gerüst eines Großteils der Literatur auf diesem Gebiet.103 Die angesprochenen Führungsfunktionen sind auch kein rein theoretisches Konstrukt. Ihre Existenz in der Unternehmenspraxis ist zwar nicht unumstritten. Dennoch haben empirische Studien, die die Tätigkeitsinhalte von Führungskräften untersucht haben, sie zumindest im Ansatz nachgewiesen. Es konnte belegt werden, dass Planungs-, Koordinations- und Kontrolltätigkeiten die drei wichtigsten Merkmale einer Tätigkeit als Führungskraft sind.104 Für die Beibehaltung der traditionellen Terminologie spricht, dass der Gesetzgeber diese im Zuge späterer Änderungen des AktG implizit gebilligt hat und sie in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 91 Abs. 2 AktG teilweise einen normativen Niederschlag gefunden haben.105 Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG hat der Vorstand dem Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung) zu berichten. Damit wird der Gedanke der Unternehmensplanung 100
Die Begriffe Organisation, Management und Unternehmensführung sind zwar nicht identisch, weisen aber starke Gemeinsamkeiten auf. Management einerseits und Unternehmensführung andererseits haben beide die Führung und Leitung einer Organisation (eines Sozialsystems) zum Gegenstand, mit dem Unterschied, dass sich Letztere allein auf die Aufgaben an der Hierarchiespitze konzentriert (Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung5, S. 48). Die vorliegend im Mittelpunkt des Interesses stehende Leitungsaufgabe des § 76 Abs. 1 AktG findet ihre Entsprechung demnach eigentlich im Begriff der Unternehmensführung. Angesichts der weitgehenden inhaltlichen Gemeinsamkeiten der Begriffe Management und Unternehmensführung sind die Erkenntnisse der Managementlehre dennoch nicht außer Betracht zu lassen. Erkenntnisse auf einem der beiden Forschungsgebiete sind vielmehr jeweils in gleicher Weise auch für den anderen Bereich relevant. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen (Unternehmens-)Führung und (Unternehmens-)Leitung in der Betriebswirtschaftslehre. Vgl. z. B. Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 38 f. 101 Vgl. bspw. Bea/Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre10, S. 24; Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre12, S. 163; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 204 f.; Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre17, S. 132; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre24, S. 47. 102 Einen Überblick bietet Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung5, insbesondere S. 45 ff. 103 Vgl. bspw. Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 204 ff.; Steinmann/Schreyögg, Management6, S. 10. 104 Nachweise dazu bei Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 204 f. und 619 ff. sowie Steinmann/Schreyögg, Management6, S. 14 ff. 105 Vgl. die Begr. RegE zum KonTraG, wonach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG „zugleich die Aufgabe des Vorstands, die auch die Unternehmensplanung umfasst“, umschreibt, in ZIP 1997, 2059, 2061.
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als Leitungsaufgabe aufgegriffen, da eine entsprechende Berichtspflicht voraussetzt, dass der Vorstand entsprechende Planungen vorgenommen hat.106 Auch für die Aufgabe der Unternehmenskontrolle findet sich ein gesetzlicher Anhaltspunkt in § 91 Abs. 2 AktG. Um die frühzeitige Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu gewährleisten, ist der Vorstand verpflichtet, ein Überwachungssystem einzurichten. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich dabei um „eine gesetzliche Hervorhebung der allgemeinen Leitungsaufgabe des Vorstands gemäß § 76 Abs. 1 AktG, zu der auch die Organisation gehört.“107 Der Kritik Fleischers ist zudem entgegenzuhalten, dass sein Konzept der Verantwortungsbereiche letztlich inhaltlich weitgehend deckungsgleich mit den herkömmlich zur Konturierung des Leitungsbegriffs verwendeten Begriffen ist.108 Zwar setzt Fleischer einen anderen Akzent, dadurch dass er die Leitungsaufgaben des Vorstands stärker von dessen Tätigkeiten her bestimmt, dennoch kommt er damit nicht zu anderen Ergebnissen als die herrschende Auffassung. Dies erkennt er implizit auch selbst an, wenn er zugesteht, dass die herrschende Meinung ebenfalls zu billigenswerten Ergebnissen kommt.109 Der Aspekt der Planungs- und Steuerungsverantwortung findet genauso wie die Finanzverantwortung seine Entsprechung in der Unternehmensplanung, die Organisationsverantwortung unterscheidet sich nicht wesentlich von der Aufgabe der Unternehmenskoordination. Soweit Fleischer in Bezug auf die Informationsverantwortung die Bedeutung der Information als „Unternehmensressource schlechthin“ sowie die Wichtigkeit des Informationsflusses betont, ist ihm darin zuzustimmen. Zu widersprechen ist allerdings der Aussage, dass diese bislang im aktienrechtlichen Schrifttum ein Schattendasein gefristet habe. Informationsverantwortung, verstanden als Sicherung des unternehmensinternen Informationsflusses, ist integraler Bestandteil der Unternehmenskontrolle. Mit der nach § 91 Abs. 2 AktG zwingenden Einrichtung eines Risikofrüherkennungs- und -überwachungssystems ist die Gewährleistung des unternehmensinternen Informationsflusses in einem Teilbereich sogar gesetzlich angeordnet. Im Übrigen lässt sich die Informationsverantwortung problemlos als Unterfall der Organisationsaufgabe der Unternehmensführung begreifen und in die traditionelle Terminologie einfügen. Zudem ist Fleischer seinerseits vorzuwerfen, dass er die Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre nicht konsequent umsetzt. Obwohl Personalführung nicht nur eine der klassischen Führungsfunktionen, sondern soweit ersichtlich allgemein als eine der Unternehmensführung/dem Management obliegende Aufgabe betrachtet
106
So auch Wettich, Vorstandsorganisation, S. 55. Begr. RegE KonTraG zu § 91 AktG in ZIP 1997, 2059, 2061. 108 Konopatzki, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 31; Köln. Komm. AktG/ Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 16; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 61 f. 109 Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. 107
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wird110, fehlt ein entsprechender Personalverantwortungsbereich in der von ihm vorgenommenen Kategorisierung. Dies ist angesichts der Bedeutung geeigneten und motivierten (Führungs)Personals für das Unternehmenswohl nicht nachvollziehbar. bb) Konkretisierung der ungeschriebenen Leitungsaufgaben (1) Problemaufriss Anders als bei den gesetzlich normierten Leitungsaufgaben ist im Bereich der ungeschriebenen Leitungsaufgaben nicht jedes Vorstandshandeln als Ausübung von Leitungsmacht im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG zu qualifizieren. Nicht jede Planungsentscheidung ist auch Teil der Unternehmensleitung. Eine Aufgabe, die sich bei einer kleinen, im Familienbesitz stehenden Aktiengesellschaft als Leitungsaufgabe darstellt, kann bei einer international operierenden Gesellschaft als einfache Geschäftsführungsaufgabe einzuordnen sein. Eine inhaltliche Präzisierung ist in Anbetracht der Prämisse der h.M., dass Leitungsaufgaben delegationsfeindlich sind, der Vorstand also als Gesamtorgan in allen Leitungsfragen die abschließende Entscheidung treffen muss, nötig. Angesichts der Vielzahl, der in einer Aktiengesellschaft anfallenden Planungs-, Organisations- und Kontrollaufgaben, wäre effektive Vorstandsarbeit anderenfalls kaum noch möglich. Das auch so schon stattliche Pflichtenprogramm eines Vorstands wäre nicht zu bewältigen, wenn der Vorstand gezwungen wäre, in Zweifelsfällen stets selbst eine Entscheidung zu treffen. Zudem ist es gerade Ausdruck der unternehmerischen Führungsfunktion des Vorstands, dass dieser nur wesentliche Aufgaben eigenhändig übernimmt und sich im Übrigen der Mitarbeit nachgelagerter Unternehmensebenen bedient. (2) Lösungsvorschläge der Literatur Berechtigterweise wird im Schrifttum daher eine die typologische Betrachtung ergänzende, einzelfallbezogene Bestimmung der Leitungsaufgaben gefordert, die den Besonderheiten des Unternehmens und der jeweiligen Situation Rechnung trägt.111 Zur Bestimmung, wann eine Leitungsaufgabe im Einzelfall vorliegt, wird im Schrifttum die gesetzliche Wertung des § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG herangezogen.112 Nur solche Geschäfte oder Maßnahmen, die für die Gesellschaft von erheblicher Be110 Vgl. bspw. Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre12, S. 215 ff.; Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 561 ff.; Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre17, S. 170 ff.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre24, S. 128 ff. 111 Vgl. nur Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 62. In diese Richtung auch Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 17 a.E.: maßgeblich sind die konkreten Gegebenheiten des Unternehmens. 112 Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 36; Martens FS Fleck, 191, 197 f.; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 62.
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deutung sind, seien als Leitungsaufgaben zu qualifizieren. Abzustellen sei insoweit auf die Erheblichkeit der zu treffenden Entscheidung für die mittel- bis langfristige Entwicklung des Unternehmens sowie die Ertrags-, Finanz- und Beschäftigungslage.113 Als weitere relevante Faktoren werden unter anderem die Größe des Unternehmens und die Branche, in der es tätig wird, herangezogen. Entscheidungen über die Unternehmensstruktur, insbesondere über das Investitions-, Produktions- und Lieferprogramm, die Finanzstruktur, die Absatzstruktur, die Produktionsstätten sowie über die juristische und betriebswirtschaftliche Organisation des Unternehmens seien der Leitungstätigkeit zuzurechnen. Demgegenüber seien ablaufbestimmende Entscheidungen und Entscheidungen, die im Rahmen des laufenden Geschäfts zu treffen sind – vorbehaltlich einer außergewöhnlichen Größenordnung und Tragweite –, durchweg nicht dem Bereich der Leitung zuzuordnen.114 Andere Stimmen stellen darauf ab, ob die Maßnahme oder das Geschäft für die Gesellschaft von besonderer bzw. außergewöhnlicher Bedeutung ist oder mit ihr ein außergewöhnliches bzw. ungewöhnlich hohes Risiko einhergeht.115 Mitunter wird auch eine einzelfallbezogene Konkretisierung der Leitungsaufgaben mittels eines Rückgriffs auf das aus dem Recht der Personengesellschaften bekannte „außergewöhnliche Geschäft“ des § 116 Abs. 2 HGB empfohlen.116 Inhaltliche Unterschiede sind damit allerdings trotz der verschiedenen Begrifflichkeiten im Regelfall nicht verbunden. (3) Maßnahmen von erheblicher Bedeutung als ungeschriebene Leitungsaufgaben Anknüpfend an die vom AktG in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 verwendete Terminologie empfiehlt es sich, zur Konkretisierung der Leitungsaufgaben den Begriff der Maßnahme bzw. des Geschäfts von erheblicher Bedeutung zu verwenden. Viel gewonnen ist damit allerdings zunächst noch nicht. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erheblichkeit bedarf vielmehr seinerseits der Konkretisierung, um seiner Aufgabe gerecht zu werden und den Inhalt der abstrakten Leitungsaufgaben zu erhellen. Zwar lässt sich insoweit eine die Grenzziehung zwischen Geschäftsführungs- und Leitungsgegenständen auf den Punkt bringende Formel nicht aufstellen. Eine weitergehende inhaltliche Präzisierung ist indes durch Rückgriff auf Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre erreichbar, der die Herausarbeitung einer Reihe abstrakter 113 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 13 sowie Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5; Konopatzki, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 32; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 10; Wettich, Vorstandsorganisation, S. 63. Ähnlich auch Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 38, der auf die Erheblichkeit der Maßnahme zur Verwirklichung der Unternehmensziele abstellt. 114 Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 5. 115 Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; ders., NZG 2003, 449, 450; Spindler/Stilz/ders.2, § 76 AktG Rdn. 18; Henze, BB 2000, 209, 210; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 36, Schiessl, ZGR 1992, 64, 68. 116 Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 41.
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Kriterien erlaubt, die bei der Beantwortung der Frage nach der Erheblichkeit der jeweiligen Aufgabe mit in die Betrachtung einzubeziehen sind und eine Abgrenzung des Inhalts der Leitungsaufgabe von bloßen Geschäftsführungsaufgaben ermöglichen. Die Betriebswirtschaftslehre bezeichnet die zwingend von der Unternehmensleitung zu treffenden Entscheidungen als sogenannte echte Führungsentscheidungen.117 Diese zeichnen sich durch eine Reihe konstitutiver Merkmale aus: Der Entscheidung kommt ein hoher materieller oder immaterieller Wert zu; die Entscheidung hat Grundsatzcharakter; die Entscheidung hat eine hohe Bindungswirkung bzw. ist irreversibel; die Entscheidung grenzt den Entscheidungsspielraum für Folgeentscheidungen ein; die Entscheidung betrifft die Gesellschaft als Ganzes oder aber die Struktur der Gesellschaft; es besteht eine hohe Dringlichkeit oder die Entscheidung erfordert die Bewältigung neuartiger Probleme.118 Diese Gedanken lassen sich auf die vorliegende Frage nach den Charakteristika von Leitungsaufgaben im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG übertragen und ermöglichen eine inhaltliche Präzisierung der selbigen.119 Abzustellen ist auf den Gegenstand der Aufgabe, deren Bedeutung für die Entwicklung und den Fortbestand der Gesellschaft, ihre Komplexität sowie den für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden Zeitraum. Die gebotene Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen an Leitungsaufgaben wirkt dabei sowohl zuständigkeitsbeschränkend als auch zuständigkeitsbegründend. Maßnahmen, die zwar ihrer Art nach einer der typologischen Leitungsaufgaben zuzuordnen sind, aber für den Bestand und die Entwicklung der Gesellschaft keine besondere Bedeutung haben, sind aus dem Zuständigkeitsbereich des Vorstands auszusondern. Demgegenüber sind auch solche Aufgaben dem Verantwortungsbereich des Vorstands zuzuordnen, die nicht in den Kreis der klassischen Unternehmensführungsfunktionen fallen, denen aber dennoch besondere Bedeutung für die Gesellschaft zukommt. Die Bewältigung derartiger Problemstellungen ist Ausdruck der herausgehobenen Stellung des Vorstands und der besonderen Verantwortung, die mit der unternehmerischen Führungsfunktion in der Gesellschaft einhergeht. Konsequenterweise stellen Teile der Literatur daher den klassischen Unternehmens117 Gutenberg, Unternehmensführung, S. 59 ff. Vgl. zum Modell der echten Führungsentscheidungen bspw. Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre17, S. 120 f. sowie Thommen/Achleitner, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre7, S. 938. Ebenfalls auf das Konzept der echten Führungsentscheidungen zur Bestimmung von Leitungsentscheidungen abstellend Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft2, Rdn. 13 f. Darauf verweisend auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 4. Ähnlich Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 18: Leitungsentscheidungen zeichnen sich sowohl durch die Beziehung zum Unternehmensganzen als auch durch die hohe Bindungswirkung aus. 118 Vgl. zum Ganzen Macharzina/Wolf, Unternehmensführung7, S. 42 f. sowie Thommen/ Achleitner, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre7, S. 938. 119 Vgl. zum Folgenden auch Seibt, FS K Schmidt, S. 1463, 1476 ff.; Schmidt/Lutter/ders.2, § 76 AktG Rdn. 8 sowie Wettich, Vorstandsorganisation, S. 64.
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führungsfunktionen eine weitere Kategorie von Leitungsaufgaben an die Seite und übertragen dem Vorstand die Zuständigkeit für Maßnahmen und Geschäfte, die für die Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind.120 Abzustellen ist daher zunächst auf die wirtschaftliche, finanzielle, strategische und wettbewerbliche Bedeutung der Aufgabe für die Gesellschaft. Umso größer die jeweilige Bedeutung der Aufgabe für die Gesellschaft ist, desto mehr spricht dafür, dass eine vom Vorstand zu erledigende Leitungsaufgabe vorliegt. Insbesondere bei Entscheidungen über Fragen von besonderer oder gar existenzieller Bedeutung ist es nur schwer vorstellbar, diese nicht als Leitungsaufgabe zu qualifizieren. Von einer besonderen Bedeutung einer Aufgabe ist unter anderem dann auszugehen, wenn diese einen hohen materiellen oder immateriellen Wert hat. Dementsprechend sind beispielsweise wichtige Investitionsentscheidungen eines Unternehmens, wie die Erweiterung oder der Neubau einer Produktionsstätte, Entscheidungen über die zukünftige Geschäftsstrategie, wie der Entschluss, einen neuen Absatzmarkt zu erschließen oder einen Teilbereich der bisherigen Unternehmenstätigkeit neu zu strukturieren, sowie Entscheidungen, deren Umsetzung mit einer hohen Außenwirkung in der Öffentlichkeit einhergehen, als Leitungsaufgaben zu qualifizieren. Das Gleiche gilt für Entscheidungen, denen Grundsatzcharakter zukommt, die also eine hohe Bindungs- bzw. Gestaltungswirkung für die Zukunft haben. Deren Umsetzung legt die zukünftige unternehmerische Tätigkeit fest und schließt andere Handlungsoptionen aus oder schränkt diese zumindest ein. Für das Vorliegen einer Leitungsaufgabe spricht zudem die Konfliktgeneigtheit der jeweiligen Entscheidung. Entscheidungen, die geeignet sind, erhebliche Konflikte und Streitigkeiten innerhalb oder außerhalb des Unternehmens auszulösen, sind wegen der damit verbundenen Folgen für die Gesellschaft regelmäßig vom Vorstand selbst zu treffen. Auch die Komplexität der Aufgabe ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Diese wird insbesondere durch den Umfang der von ihr betroffenen Interessen, die Größe der vorhandenen Prognosespielräume sowie die Zahl der zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen bestimmt. Dabei gilt die schlichte Formel: Je komplexer die Aufgabe ist, desto eher wird es sich um eine vom Vorstand zu treffende Leitungsaufgabe handeln. Zu beachten ist allerdings, dass der Grad der Komplexität einer Aufgabe zwar zu deren Einordnung als Leitungsaufgabe führen kann, es aber ausgeschlossen ist, eine für die Entwicklung der Gesellschaft außergewöhnlich bedeutende Aufgabe unter Verweis auf ihre geringe Komplexität als bloße Geschäftsführungsaufgabe zu deklarieren. Ein weiteres, wenn auch weniger gewichtiges Kriterium ist der für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehende Zeitrahmen. Die besondere Dringlichkeit der Aufgabe ist ein Indiz für deren Bedeutung. Die sich in einem großzügig 120 Henze, BB 2000, 209, 210; Großkomm. AktG/Kort4 ,§ 76 AktG Rdn. 36; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 10 sowie Fleischer, ZIP 2003, 1, 6.
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bemessenen Zeitrahmen äußernde mangelnde Eile einer Entscheidung spricht demgegenüber eher gegen eine erhebliche Bedeutung der Aufgabe und daher gegen deren Einordnung als Leitungsaufgabe. 3. Fazit Mit dem Begriff der Leitungsaufgaben sind diejenigen Angelegenheiten umschrieben, deren Wahrnehmung dem Vorstand in seiner Eigenschaft als Leitungsorgan obliegt. Abzugrenzen sind diese von den „bloßen“ Geschäftsführungsaufgaben. Die Leitungsaufgaben des § 76 Abs. 1 AktG setzen sich aus gesetzlich normierten Aufgaben des Vorstands auf der einen sowie weiteren ungeschriebenen Bestandteilen auf der anderen Seite zusammen. In die erste Gruppe fallen all jene Rechte und Pflichten des Vorstands, bei denen das AktG entweder explizit einen Vorstandsbeschluss fordert oder die ausdrücklich dem Vorstand als Gesamtorgan zugewiesen werden. Der Kreis der ungeschriebenen Leitungsaufgaben ist in Anlehnung an betriebswirtschaftliche Erkenntnisse der Unternehmensführungs- bzw. Managementlehre zu bestimmen. Darunter fallen die Unternehmensplanung, Unternehmensorganisation und Unternehmenskontrolle sowie die Personalführung respektive die Besetzung der Führungsstellen als ungeschriebene Leitungsaufgaben. Ebenfalls hierzu zu zählen sind Maßnahmen und Geschäfte, die für die Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind oder die mit einem erheblichen Risiko verbunden sind. Zur Konkretisierung der Leitungsaufgaben steht eine Reihe unterschiedlicher Kriterien zur Verfügung. Charakteristisch für Leitungsaufgaben ist ihre Bedeutung für die Entwicklung und den Fortbestand der Gesellschaft, ihre Komplexität sowie ihre Dringlichkeit. Diese Kriterien wirken nicht nur zuständigkeitsbeschränkend, sondern auch zuständigkeitsbegründend. Andererseits sind Aufgaben, denen keine besondere Bedeutung zukommt, nicht Bestandteil des Bereichs der Unternehmensleitung.
Teil 4
Rechtliche Rahmenbedingungen für die Gestattung von Fremdeinfluss im Rahmen der Unternehmensleitung A. Zulässigkeit und Grenzen vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter Die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehenden Vereinbarungen zeichnen sich durch zwei Merkmale aus: (1) Sie werden vom Vorstand abgeschlossen und (2) sie gewähren einem gesellschaftsfremden Dritten die Möglichkeit, unternehmerische Entscheidungen des Vorstands zu beeinflussen, sei es, dass der Vorstand eine Entscheidung in Absprache mit dem Dritten trifft, sich zur Vornahme einer bestimmten Entscheidung verpflichtet oder, dass dem Dritten das Recht eingeräumt wird, auf zukünftige Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Plastische Beispiele dafür sind die Schaffung eines mit Vertretern beider Vertragspartner besetzten Gremiums, das der Beratung und Koordinierung der Beteiligten in wichtigen Fragen der Geschäftsführung dient, wie es sich unter anderem in der Kooperationsvereinbarung zwischen der Mobilcom AG und der France Telecom S.A1 oder dem business combination agreement zwischen der WaveLight AG und der Alcon Inc.2 findet3, die in dem zwischen der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und der UniCredito Italiano S.p.A. geschlossenen business combination agreement anzutreffende Abrede, eine Reihe von Grundlagenentscheidungen im Rahmen der Unternehmensleitung an die Zustimmung der UniCredito Italiano S.p.A. zu knüpfen4 sowie die Vereinbarung im business combination agreement zwischen der W.E.T. Automotive Systems AG und der Amerigon Europe GmbH, dass der Vorstand W.E.T.s ohne Zustimmen seines Vertragspartners weder das genehmigte Kapital ausnutzen noch 1 Vgl. OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124, 125 f. sowie 126 f. Der vollständige Vertragsinhalt der Kooperationsvereinbarung ist im Tatbestand des Urteils des OLG Schleswig abgedruckt. Die den „Koordinationsauschuss“ betreffenden Regelungen finden sich in § 4 der Vereinbarung. 2 Vgl. LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HKO 4286/08 = AG 2010, 179 f. 3 Namentlich business combination agreements sehen regelmäßig die Bildung sog. Integrationsteams vor. Vgl. die Übersicht über die Corporate Governance Regelungen in Zusammenschlussvereinbarungen bei Seibt, Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 110 ff. 4 Vgl. LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HKO 19782/06 = ZIP 2008, 555, 560 f.
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eigene Aktien veräußern oder erwerben dürfe.5 Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang die sich aus financial covenants ergebende Festlegung der zukünftigen Finanzplanung des Kreditnehmers zu nennen. Finanzierungsverträge enthalten typischerweise sowohl negative covenants, die dem Kreditnehmer die Vornahme ausgewählter unternehmerischer Entscheidungen und Finanzierungsmaßnahmen untersagen, als auch sog. positive covenants, die den Kreditnehmer dazu verpflichten, bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen einzuhalten oder bestimmte operative Maßnahmen zu treffen.6 All diese Abreden haben miteinander gemein, dass der Vorstand über seine Leitungskompetenzen disponiert und in diesem Zuge seinen unternehmerischen Entscheidungsspielraum dem Einfluss seines Vertragspartners, einem gesellschaftsfremden Dritten, öffnet. Dass dies aus Sicht der Gesellschaft und ihrer Aktionäre mit einem gewissen Risiko verbunden ist, liegt auf der Hand. Schließlich wird die weitgehend unumschränkte Leitungsmacht des Vorstands durch dessen Einbindung in die Organisationsstruktur der Gesellschaft und die daraus resultierende Kontrolle durch den Aufsichtsrat einerseits und die in seiner Organstellung wurzelnde Ausrichtung auf das Gesellschaftsinteresse andererseits kompensiert. Es besteht ein Gleichlauf von Verantwortung und Verantwortlichkeit. Dieses auf Machtbalance ausgerichtete Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft, das die Individualinteressen der Aktionäre bündeln und auf die Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks ausrichten soll, wird gestört, wenn einem gesellschaftsfremden Dritten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen gewährt wird. Überschreitet der dem Dritten gewährte Einfluss ein gewisses Maß, droht die Fremdbestimmung der Gesellschaft, was manifeste Risiken für die Verwirklichung des Gesellschaftsinteresses birgt. Unterstellt man eigennütziges und rationales Verhalten des Dritten, so steht zu erwarten, dass dieser die Möglichkeit, außerhalb der Zuständigkeitsordnung auf die Unternehmensleitung einzuwirken, zur Verfolgung und Durchsetzung individueller Sonderinteressen nutzen wird.7 Es ist zu befürchten, dass der Dritte seinen Einfluss dazu nutzt, die Geschäftspolitik der Gesellschaft, unter Verdrängung des von den Aktionären bei ihrer Investitionsentscheidung unterstellten gemeinsamen Gewinninteresses, auf seine Partikularinteressen auszurichten. Das mit der Fremdbestimmung einhergehende Risiko opportunistischen Verhaltens kann sich auf mannigfaltige Weise realisieren. So lässt sich beispielsweise durch die Veranlassung überhöhter bzw. komplett ungerechtfertigter Leistungsentgelte oder durch die Verlagerung von Gewinnchancen auf einfachem Weg Vermögen der Gesellschaft in das eigene Vermögen transferieren. Es bedarf noch nicht einmal stets direkter – und damit einfach nachweisbarer und justitiabler – Einflussnahmen seitens des Dritten. Um persönliche Nachteile zu vermeiden, wird 5
Vgl. LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152 ff. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1601. 7 Vgl. zur ähnlich gelagerten Problematik des sog. Konzernkonflikts nur Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 15 AktG Rdn. 6 m.w.N. 6
A. Zulässigkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter
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der Vorstand der Gesellschaft unternehmerische Entscheidungen von sich aus an den Interessen des Dritten ausrichten. Die von Minderheitsaktionären angestoßenen und erbittert geführten Auseinandersetzungen über die Frage der Zulässigkeit und rechtlichen Behandlung von business combination agreements, Investorenvereinbarungen und Kooperationsvereinbarungen belegen das immense Konfliktpotential, das vertragliche Einwirkungsrechte in sich bergen.8 Weite Teile des aktienrechtlichen Schrifttums stehen dem Gedanken, dass der Vorstand Dritten durch Abschluss eines Vertrages Einfluss auf Leitungsentscheidungen gewährt, dementsprechend reserviert gegenüber. Ansatzpunkt der geäußerten Kritik ist der Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit der Leitungsausübung des Vorstands gemäß § 76 Abs. 1 AktG. Im Hinblick auf die daraus abzuleitende Weisungsfreiheit in Leitungsfragen wird betont, dass diese nicht nur für das Verhältnis zu den anderen Organen der Gesellschaft und den Aktionären Geltung beanspruche, sondern der Vorstand die Gesellschaft auch im Verhältnis zu Dritten weisungsfrei zu leiten habe.9 Das Gebot der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft untersage es dem Vorstand, sich seiner Leitungsmacht zu entäußern, und verbiete zudem Einschränkungen zukünftigen Leitungsermessens durch Vorwegbindungen. Diese beiden Prinzipien stellen den Maßstab dar, an dem die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Vereinbarungen, die einem Dritten Einfluss in Leitungsfragen gewähren, misst.10 Es besteht somit eine doppelte Hürde; weder darf die Einbindung des Dritten eine mit der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft unvereinbare Übertragung von Leitungsmacht bewirken, noch darf eine unzulässige Selbstbindung des Vorstands in Leitungsfragen erfolgen. Vereinbarungen, die gegen diese Vorgaben verstoßen, werden für nichtig erachtet. Dass der Vorstand nicht gezwungen ist, der Einflussnahme Dritter nachzugeben, versteht sich von selbst. Vielmehr ist es gerade Ausdruck seiner Leitungsaufgabe, 8 Vgl, hinsichtlich der genannten rechtlichen Auseinandersetzungen bspw. LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06 = ZIP 2008, 555 ff.; OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330 ff.; OLG München v. 03. September 2008 – 7 W 1432/08 = ZIP 2008, 2117 allesamt das business combination agreement zwischen der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und der UniCredito Italiano S.p.A. betreffend; LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HK O 4286/08 = AG 2010, 179 ff. betreffend das business combination agreement zwischen der WaveLight AG und der Alcon Inc.; OLG München v. 14. Dezember 2011 – 7 AktG 3/11 = NZG 2012, 261 ff.; LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152 ff.; OLG München v. 14. November 2012 – 7 AktG 2/12 = NZG 2013, 459 ff. betreffend das business combination agreement zwischen der W.E.T. Automotive Systems AG und der Amerigon Europe GmbH; sowie OLG Schleswig v. 08. Dezember 2005 – 5 U 57/04 = ZIP 2006, 421 ff. und OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124 ff. beide betreffend die Kooperationsvereinbarung zwischen der Mobilcom AG und der France Telecom S.A. Vgl. zudem OLG München v. 18. Juli 2012 – 7 AktG 1/12 = AG 2012, 802 ff. 9 Vgl. nur Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 10. 10 Vgl. nur LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1153 sowie Spindler/Stilz/Fleischer2 § 76 AktG Rdn. 9 und 68.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Einflussnahmen Dritter, die zwangsläufig aus der Vielzahl von Umweltbeziehungen der Gesellschaft resultieren, zu widerstehen. Allein der Verweis auf das Gebot der eigenverantwortlichen Leitung vermag noch nicht zu rechtfertigen, dass dem Vorstand jegliche Selbstbindung in Leitungsfragen untersagt ist und Vereinbarungen, die es einem Dritten erlauben, Einfluss auf die Unternehmensleitung zu nehmen, per se die Wirksamkeit abzusprechen sein soll. Schließlich kann in der Preisabgabe von Leitungsautonomie zugleich deren Ausübung zu sehen sein. Im Folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden, ob bereits die Tatsache, dass der Vorstand sein Verhalten der Einflussnahme eines gesellschaftsexternen Dritten öffnet, mit dem Gebot eigenverantwortlicher Leitung der Gesellschaft unvereinbar ist? In diesem Zusammenhang erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem, die äußeren Grenzen zulässiger Einflussnahme auf die Unternehmensleitung markierenden Grundsatz der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht (Teil 4, A. I.). Im Anschluss daran wird das von der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung postulierte Verbot der Vorwegbindung in Leitungsfragen beleuchtet, dass den – ohnehin engen – Regelungsspielraum für die Leitung der Aktiengesellschaft betreffende Vereinbarungen weiter einschränkt (Teil 4, A. II. 1.).
I. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht 1. Diskussionsstand Die Literatur steht nahezu uneingeschränkt auf dem Standpunkt, dass es dem Vorstand einer Aktiengesellschaft verboten sei, Leitungsentscheidungen aus der Hand zu geben.11 Eigenverantwortliche Leitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG erfordere es, dass der Vorstand die Gesellschaft selbst leite. Bei der Leitung der Aktiengesellschaft handele es sich um den „unveräußerlichen Kernbereich“ der Vorstandstätigkeit.12 Dementsprechend sei es weder zulässig, Leitungsentscheidungen gesellschaftsintern auf einzelne Vorstandsmitglieder oder nachgelagerte Führungsebenen in der Gesellschaft zu delegieren (Delegationsverbot) noch sie gesellschaftsexternen Dritten zu überlassen (Übertragungsverbot). Der gesetzliche
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Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 9; ders., FS Schwark, 137, 149; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 11; ders., FS Schwark, S. 185, 196; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 50 und 158; Lutter, FS Fleck, 169, 184; Mertens, AG 1982, 141, 150; Köln. Komm. AktG/Mertens/ Cahn3, § 76 AktG Rdn. 42 und 45; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 15 und 19; Heidel/Oltmanns3, § 76 AktG Rdn. 7; Semler, Leitung und Überwachung2, Rdn. 22 und 23; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 8 und 12. Im Ergebnis auch LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1153 sowie OLG München 14. November 2012 – 7 AktG 2/12 = NZG 2013, 459, 461. Weitergehend noch Otto, NZG 2013, 930, 934, der das Verbot der Selbstbindung auch auf Geschäftsführungsentscheidungen erstrecken will. A.A. Schmidt/ Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 8; ders., in: FS K. Schmidt, S. 1463 ff. 12 Vgl. nur Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 9.
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Leitungsauftrag des § 76 Abs. 1 AktG stehe prinzipiell nicht zur Disposition, auch nicht zur Disposition des Vorstands.13 Von den konzernrechtlichen Vorschriften der §§ 291 ff. AktG abgesehen lässt sich dem AktG auch an keiner Stelle ein Hinweis darauf entnehmen, dass der dem Vorstand in § 76 Abs. 1 AktG erteilte Leitungsauftrag zurückgenommen oder eingeschränkt werden kann und darf. Dass weder der Aufsichtsrat noch die Hauptversammlung rechtsverbindlich auf die Leitungskompetenz des Vorstands einwirken können, steht angesichts der klaren gesetzlichen Regelung in § 76 Abs. 1 AktG sowie des Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) außer Zweifel. Auf einem anderen Blatt steht indes die Frage, ob dies auch für den Vorstand selbst gilt. Genau dies allerdings ist die Konsequenz der von der h.M. propagierten Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht. Dem Vorstand wird die Befugnis abgesprochen, über seine Leitungskompetenzen zu disponieren und sich der Einflussnahme Dritter zu öffnen. Eine überzeugende Erklärung, weshalb ihm dies zu untersagen ist, findet sich regelmäßig nicht.14 Zumeist erschöpft sich die Begründung darin, dass der Vorstand sich durch die Übertragung von Leitungskompetenzen in unzulässiger Weise seiner Organfunktion entäußern würde.15 Der darin anklingende Hinweis auf die fehlende Kompetenz des Vorstands weist zwar in die richtige Richtung, die mit der freiwilligen Preisgabe von Leitungskompetenzen einhergehenden Probleme werden aber bestenfalls angedeutet, die eigentlichen Wertungsfragen bleiben verdeckt. Bei näherer Betrachtung liegt es nämlich keineswegs klar auf der Hand, dass der Leitungsauftrag auch der Disposition des Vorstands entzogen sein soll. Eigenverantwortliche Leitung, wie sie § 76 Abs. 1 AktG anordnet, ist nicht zwangsläufig auf die Berechtigung, Leitungsentscheidungen nach eigenem Ermessen und frei von Weisungen Dritter zu treffen, zu reduzieren. Vielmehr lässt sich darunter auch die umfassende Befugnis des Vorstands verstehen, über Art und Weise der Erfüllung seiner Leitungsaufgabe selbst zu befinden. Betrachtet man die Organisation der Leitungsstruktur als Bestandteil der Leitungsaufgabe, erscheint es auf den ersten Blick nur folgerichtig, dass man es dem Vorstand gestattet, die Erfüllung seiner Leitungsaufgabe zum Gegenstand rechtsgeschäftlicher Abreden zu machen, sofern und soweit dies im Gesellschaftsinteresse geboten ist. Davon wäre dann aber konsequenterweise auch die Möglichkeit umfasst, sich der Einflussnahme seitens eines Dritten zu öffnen. Denn auch die Preisgabe von (Leitungs-)Autonomie ist eine Variante der Wahrnehmung von (Leitungs-)Autonomie. Dieser Gedanke wird in der 13 Vgl. nur Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 42 und 45 sowie die Nachweise in Fußnote 11. 14 Vgl. Bürgers/Körber/Bürgers/Israel2, § 76 AktG Rdn. 21; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 11; Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 50 und 158; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 12 die ohne nähere Begründung von der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht ausgehen. 15 Z.B. Semler, Leitung und Überwachung2, Rdn. 22. Ähnlich Münch. Komm. AktG/ Spindler3, § 76 AktG Rdn. 15, der den Verzicht auf Ausübung der Leitungsmacht als (unzulässige) Selbstentmündigung des Vorstands bezeichnet.
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Literatur bislang meist nicht berücksichtigt und Leitungsautonomie allein als Unabhängigkeit der Willens- und Entscheidungsbildung von der Einflussnahme außenstehender Personen verstanden. Dabei gerät aber schnell der eigentliche Kernpunkt der Problematik aus den Augen. Zur Debatte steht nicht die Leitungsautonomie schlechthin, sondern die Frage nach Zulässigkeit und Grenzen der freiwilligen Preisgabe der eigenen souveränen Entscheidungsmacht durch eine ihrerseits autonome Entscheidung des Vorstands. Dass man dem Vorstand die Befugnis, eine seine Leitungskompetenzen beschneidende Entscheidung zu treffen, abspricht, ist nicht ausgeschlossen, zumindest aber begründungsbedürftig. 2. Begründungsansätze im Schrifttum Wie bereits erwähnt geht das aktienrechtliche Schrifttum in beinahe völliger Einstimmigkeit von der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht aus.16 Soweit eine eingehendere Beschäftigung mit dieser Frage erfolgt, lassen sich drei Argumentationsstränge unterscheiden: a) Autonomieverlust Ein auf Mertens zurückgehender Begründungsansatz stützt die These von der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht auf die Annahme, dass § 76 Abs. 1 AktG mit der Gewährleistung der Souveränität des Vorstands bei der Festlegung der Unternehmenspolitik zugleich auch die Autonomie der Aktiengesellschaft selbst sichere.17 Diese sei gefährdet, wenn der Vorstand die Leitung der Aktiengesellschaft aus den Händen gebe und Dritten überlasse. Da es dem Vorstand aber nicht gestattet sei, über die Autonomie der Aktiengesellschaft zu entscheiden, dürfe er die Leitung der Gesellschaft nicht aus der Hand geben. b) Kompetenzdefizit Hommelhoff verweist darauf, dass der gesetzliche Leitungsauftrag nicht zur Disposition des Vorstands stehen könne, da dieser anderenfalls den Inhalt seiner Leitungsaufgabe und somit seine Rechtspflichten selbst festlege und diese auch noch von Zeit zu Zeit frei abändern könne, ohne dass die modifizierte Aufgabenstellung für die anderen Organe erkennbar wäre und insbesondere auch der Hauptversammlung verborgen bliebe.18 Für ihn ist die Frage nach der Zulässigkeit der Veränderung oder Verkürzung des Leitungsauftrags des Vorstands demnach in erster Linie ein Problem der entsprechenden Kompetenz, die er dem Vorstand abspricht. 16
Vgl. oben Fn. 11. Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 47. Ihm folgend Spindler/Stilz/ Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 69; ders., FS Schwark, 137, 149; Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 58 ff. 18 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 263. 17
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Die Bestimmung der Unternehmensleitung sei ureigene Aufgabe des Aufsichtsrats (§ 84 Abs. 1 AktG), nicht des Vorstands. Der gesetzliche Leitungsaufrag stehe nicht nur nicht zur Disposition der übrigen Gesellschaftsorgane, sondern auch nicht zur Disposition des Vorstands selbst. c) Überwachungsdefizit und Haftungsdefizit Am intensivsten hat sich Veil mit dieser Problematik auseinandergesetzt und herausgearbeitet, dass der Grund für die Annahme der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht, in dem daraus resultierenden Überwachungs- und Kontrolldefizit zu sehen ist.19 Kernpunkt seiner Argumentation ist der Umstand, dass die Übertragung von Leitungskompetenzen die Grundfesten der auf Machtbalance ausgerichteten Binnenorganisation der Aktiengesellschaft erschüttert. Diese sehe als Gegengewicht zur eigenverantwortlichen Leitungsausübung seitens des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG), die Überwachung seitens des Aufsichtsrats vor (§ 111 Abs. 1 AktG) vor. Übertrage der Vorstand nun Teile seiner Leitungsaufgaben auf Dritte, beeinträchtige dies die Informations- und Kontrollrechte des Aufsichtsrats und entwerte so dessen Überwachungsmöglichkeit.20 Die als Gegengewicht zur Machtfülle des Vorstands gedachte Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats liefe weitgehend leer, da die Informations- und Kontrollrechte des Aufsichtsrats beeinträchtigt würden. Da der Vorstand nicht mehr aufgrund eigener Kenntnisse und gesicherter Informationskanäle über die Unternehmensführung unterrichtet wäre, sei er nicht mehr imstande, zuverlässig über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG) zu berichten. Die Übertragung von Leitungsaufgaben habe ein nicht hinnehmbares Informationsdefizit des Aufsichtsrats zur Folge.21 Die Erstattung der nach § 90 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 AktG erforderlichen Berichte sei zwar möglich, allerdings müsste der Vorstand die ihm vom dem Dritten zur Verfügung gestellten Angaben und Daten zu Grunde zu legen. Ob die gelieferten Informationen auf zutreffender Grundlage ermittelt wurden und ein zutreffendes Bild der Lage der Gesellschaft zeichnen, könne der Vorstand nicht erkennen. Gegen die Gefahr, geschönte oder unvollständige Informationen zu erhalten, könne er sich auch nur eingeschränkt vertraglich absichern, da der Dritte eine entsprechende Vereinbarung mutwillig unterlaufen könne und tatsächliche Kontrollmöglichkeiten dem Vorstand nur in sehr eingeschränktem Maße zur Verfügung stünden. Vergleichbare Defizite bestünden im Hinblick auf das eigenständige Informationsrecht des Aufsichtsrats nach § 90 Abs. 3 AktG, der sich die geforderten 19
Veil, Unternehmensverträge, S. 86 ff. Veil, Unternehmensverträge, S. 86 ff. In dieselbe Richtung zielt auch der Hinweis Hommelhoffs, Konzernleitungspflicht, S. 263, dass der Vorstand seinen Leitungsbereich abändern könne, ohne dass dies für die anderen Organe erkennbar sei. 21 Veil, Unternehmensverträge, S. 86. 20
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Informationen wiederum nur in Kooperation mit dem Dritten beschaffen könne, so dass eine ordnungsgemäße Information auch insoweit nicht gesichert sei. Unmittelbare Folge dieses Informationsdefizits sei ein Kontrolldefizit, da es zweifelhaft erscheine, ob der Aufsichtsrat noch in der Lage sei, seine Zustimmungsbefugnis nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ordnungsgemäß wahrzunehmen.22 Zudem entfalte die Befugnis, den Vorstand nach § 84 Abs. 3 AktG abberufen zu können, keine reglementierende Wirkung mehr, wenn nicht der Vorstand, sondern der Dritte die Leitungsentscheidungen treffe. Schließlich sei die Abberufung des Vorstands für dessen Rechtsposition ohne Belang. Ferner beklagt Veil, dass die Entäußerung von Leitungskompetenzen die organschaftliche Verantwortlichkeit des Vorstands für die ordnungsgemäße Erfüllung der Leitungsaufgaben nach § 93 Abs. 2 AktG beschränke.23 Grundlage der organschaftlichen Haftung des Vorstands sei eigenes Verschulden. Daran fehle es, wenn ein Dritter Leitungsentscheidungen an Stelle des Vorstands treffe. Da es sich zudem verbiete, dem Vorstand das Verschulden des Dritten zuzurechnen, könne dieser für Pflichtverletzungen des Dritten nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die (vertragliche) Haftung des Dritten bilde keinen gleichwertigen Ersatz, da dieser weder dem verschärften Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG unterläge noch die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 2 AktG greife. Zusammenfassend resümiert Veil, die Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht sei unvermeidliche Konsequenz der Einflussfreiheit des Vorstands.24 Da der Vorstand keinen Weisungen unterworfen sei und die Hauptversammlung über keine signifikanten Möglichkeiten verfüge, seinen Aufgabenkreis zu gestalten, könne er nicht befugt sein, sich seiner Leitungsaufgaben zu entäußern. Anderenfalls habe er eine Kompetenz-Kompetenz ohne gesetzliche Grundlage. Zudem würden tragende Strukturmerkmale der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft ihre Funktion verlieren. Das AktG sehe die Haftungsverantwortlichkeit des Vorstands einerseits und die Überwachung durch den Aufsichtsrat andererseits als Gegengewicht zur Machtfülle des Vorstands vor. Diese Funktion bleibe aber nur solange gewahrt, wie die Gesellschaft durch den Vorstand und nicht durch einen Dritten geleitet werde. 3. Kritik an den Begründungsansätzen des Schrifttums a) § 76 Abs. 1 AktG als Norm der Binnenorganisation Dem Ansatz, das Verbot der Entäußerung von Leitungsmacht auf § 76 Abs. 1 AktG zu stützen, kann nicht gefolgt werden. In dogmatischer Hinsicht setzt diese Ansicht voraus, dass der gesetzliche Leitungsauftrag nach § 76 Abs. 1 AktG eine doppelte Bedeutung hat: Erstens die zwingende Festlegung der gesellschaftsinternen 22 23 24
Veil, Unternehmensverträge, S. 86. Veil, Unternehmensverträge, S. 87 f. Veil, Unternehmensverträge, S. 88 f.
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Kompetenzverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen und zweitens die Gewährleistung der Autonomie der Gesellschaft in dem Sinne, dass der Vorstand – und nur der Vorstand – die Leitung der Gesellschaft selbständig wahrzunehmen hat und sich nicht dem Einfluss eines gesellschaftsfremden Dritten unterstellen darf. Ein solches Verständnis der Regelung des § 76 Abs. 1 AktG vermag indes nicht zu überzeugen.25 § 76 Abs. 1 AktG steht an der Spitze des Vorschriften über die Verfassung der Aktiengesellschaft. Der systematischen Stellung der Regelungen der §§ 76 ff. AktG – sowie ihrer amtlichen Überschrift – entsprechend, beziehen diese sich allein auf die Binnenorganisation der Aktiengesellschaft. Regelungsgegenstand ist die Abgrenzung der Kompetenzen der drei Gesellschaftsorgane zueinander.26 Ausweislich der Regierungsbegründung entsprach dies auch dem Verständnis des Gesetzgebers des AktG.27 Eine Ausdehnung des Regelungsbereichs des § 76 Abs. 1 AktG auf das Außenverhältnis der Gesellschaft zu Dritten ist auch unter dem Aspekt des drohenden Autonomieverlustes der Gesellschaft nicht zu rechtfertigen. Zwar ist ein Verlust an Autonomie durchaus Folge der Entäußerung von Leitungskompetenzen des Vorstands, davon ist aber die Gesellschaft als Ganzes und nicht lediglich die Rechtsstellung des Vorstands betroffen.28 Dementsprechend ist die Autonomie der Gesellschaft – so viel sei vorweggenommen – im Verbandszweck der normtypischen, unverbundenen Aktiengesellschaft als der für die Gesellschaftsorgane und Gesellschafter fundamentalen Leitlinie ihres Handelns zu verorten und nicht als Teil der allein für den Vorstand relevanten Vorschrift des § 76 Abs. 1 AktG anzusehen.29 Ein Grund, die Autonomie der Gesellschaft zusätzlich in § 76 Abs. 1 AktG zu verorten, ist nicht ersichtlich. Zutreffender erscheint dementsprechend die Annahme, dass § 76 Abs. 1 AktG allein die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung regelt und insoweit „lediglich“ die Leitungsautonomie des Vorstands im Verhältnis zu Hauptversammlung und Aufsichtsrat absichert.30 Bezugspunkt von das Verhältnis der Gesellschaft zu außenstehenden Personen betreffenden Fragen ist die im Verbandszweck zu verortende 25 Leuschner, Konzernrecht, S. 37, Fn. 93; Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 284; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 261; Tröger, Treupflicht, S. 105. 26 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 284. 27 Begr. RegE Vorbemerkung zu §§ 76 ff. AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 95. 28 Vgl. Begr. RegE zu § 293 AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 380. 29 Vgl. nur Leuschner, Konzernrecht, S. 34 ff.; Lutter, FS Barz, S. 199, 213; Martens, FS R. Fischer, S. 437, 454 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157 und 284; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 40; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 52; Tröger, Treupflicht, S. 109. A.A. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 334; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 105; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 143 f.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 266; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 259 ff.; WimmerLeonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 65 f. Ausführlich zur Diskussion um die Anerkennung der Verbandsautonomie als Bestandteil des Verbandszwecks unten Teil 4, A., I., 4., c), cc). 30 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 284.
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Autonomie der Gesellschaft, nicht die Leitungsautonomie des Vorstands. § 76 Abs. 1 AktG betrifft allein die Binnenorganisation der Aktiengesellschaft. Dies schließt es selbstverständlich nicht aus, dass die dem Vorstand eingeräumte Stellung als unabhängiges Leitungsorgan auch der Unabhängigkeit der Gesellschaft zugutekommt. Dabei handelt es sich jedoch um einen bloßen Schutzreflex31, auf den die These der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht nicht gestützt werden kann. b) Kompetenzdefizit Die Übertragung von Leitungsaufgaben hat eine Veränderung oder Verkürzung des Leitungsauftrags zur Folge. Daher liegt es nahe, die Kompetenz des Vorstands zur Vornahme entsprechender Maßnahme kritisch zu hinterfragen. Ungeachtet dessen greift es zu kurz, das Verbot der Entäußerung von Leitungsmacht auf eine bloße Kompetenzfrage zu reduzieren. Offen bleibt, aus welchem Grund dem Vorstand die Kompetenz abzusprechen ist, über Inhalt und Umfang seines Leitungsauftrages zu verfügen. Die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte, die es angezeigt erscheinen lassen, dem Vorstand die Befugnis abzusprechen, seine Leitungskompetenzen auf einen Dritten zu übertragen, bleiben verborgen. c) Nichtbestehen eines Haftungsdefizits Auf das beklagte Haftungsdefizit kann ein Verbot der Entäußerung von Leitungskompetenzen ebenfalls nicht gestützt werden.32 Denn die Prämisse, dass der Vorstand nicht für etwaige Pflichtverletzungen des Dritten einzustehen habe und sich folglich durch die Übertragung von Leitungskompetenzen seiner organschaftlichen Verantwortlichkeit entziehen könne, ist unzutreffend.33 Entgegen der h.M. ist dem Vorstand ein etwaiges Fehlverhalten des Dritten nach § 278 BGB zuzurechnen, so dass der Vorstand gemäß § 93 Abs. 2 AktG zur Verantwortung gezogen werden kann.34 Die h.M. im Schrifttum lehnt die Anwendung des § 278 BGB bei der gesellschaftsinternen Delegation von Leitungsaufgaben mit der Erwägung ab, dass der vom Vorstand zur Erfüllung der Leitungsaufgaben eingeschaltete gesellschaftsangehörige Dritte zur Erfüllung eigener Pflichten gegenüber der Gesellschaft und damit
31 So auch Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 262. Ähnlich Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 285. 32 A.A. Veil, Unternehmensverträge, S. 87 f. 33 Allein die Verantwortlichkeit des Dritten selbst – insoweit ist Veil zuzustimmen – böte angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen vertraglicher Haftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB und organschaftlicher nach § 93 Abs. 2 AktG keine ausreichende Kompensation für eine fehlende Verantwortlichkeit des Vorstands. 34 So auch BGH v. 31. März 1954 – II ZR 57/53 = BGHZ 13, 61, 66.
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im eigenen und nicht im fremden Pflichtenkreis tätig werde.35 Dies lässt sich indes nicht auf den Fall übertragen, dass der Vorstand gesellschaftsexterne Dritte mit der Erfüllung von Leitungsaufgaben betraut. Anderenfalls würde der Unterschied zwischen einer Übertragung von Leitungsaufgaben auf nachgeordnete Führungskräfte innerhalb der Gesellschaft und einer Übertragung auf außerhalb der Gesellschaft stehende Dritte verwischt. Kernstück des Tatbestandes des § 278 BGB ist die Einschaltung eines Dritten zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.36 Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB ist jede Person, die nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird.37 Notwendig ist die vom Schuldner gewollte und gebilligte Mitwirkung des Dritten bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeit.38 In welcher Beziehung der Dritte zum Gläubiger steht, ist nicht maßgeblich.39 Insbesondere ist es unerheblich, ob der Dritte zugleich eine eigene Verbindlichkeit erfüllen will.40 Betraut der Vorstand einen Dritten mit der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgabe, bedient er sich bewusst und gewollt dessen Person zur Erfüllung seiner Pflicht zur Leitung der Gesellschaft. Es liegt die typische Konstellation des § 278 BGB vor, der auf dem Gedanken aufbaut, dass der Schuldner seinen Geschäftskreis und damit seinen eigenen Risikobereich durch die Einschaltung einer solchen Hilfsperson erweitert.41 Nichts anderes tut der Vorstand, wenn er einen Dritten mit der Erfüllung von Leitungsaufgaben betraut. Anders als bei Mitarbeitern der Gesellschaft bestehen bei einem Gesellschaftsfremden auch keine dienstvertraglichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft, die der Anwendung des § 278 BGB richtigerweise aber ohnehin nicht im Wege stünden.
35 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 89; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 55; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 48. 36 Vgl. nur Münch. Komm. BGB/Grundmann6, § 278 BGB Rdn. 20. 37 St. Rspr. des BGH. Vgl. z. B. BGH v. 21. April 1954 – VI ZR 55/53 = BGHZ 13, 111, 113 f.; BGH v. 08. Februar 1974 – V ZR 21/72 = BGHZ 62, 119, 124; BGH v. 09. Oktober 1986 – I ZR 138/84 = BGHZ 98, 330, 334; BGH v. 04. März 1987 – IVa ZR 122/85 = BGHZ 100, 117, 122; BGH v. 14. November 2002 – III ZR 131/01 = BGHZ 152, 380, 383. 38 Jauernig/Stadler14, § 278 BGB Rdn. 6. 39 BGH v. 09. Oktober 1986 – I ZR 138/84 = BGHZ 98, 330, 334; Jauernig/Stadler14, § 278 BGB Rdn. 6. 40 BGH v. 21. April 1954 – VI ZR 55/53 = BGHZ 13, 113, 114; BGH v. 09. Oktober 1986 – I ZR 138/84 = BGHZ 98, 330, 334; Palandt/Grüneberg72, § 278 BGB Rdn. 7. 41 Vgl. nur BGH v. 14. November 2002 – III ZR 131/01 = BGHZ 152, 380, 383.
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4. Der Verbandszweck der Aktiengesellschaft als Grundlage der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht a) Problemaufriss Tragender Beweggrund, es dem Vorstand zu untersagen, sein Leitungsmonopol durch die Übertragung von Leitungsaufgaben preiszugeben, ist die Autonomie der Gesellschaft.42 Werden die unternehmerischen Entscheidungen von einem an die Stelle des Vorstands tretenden Dritten getroffen, verliert die Gesellschaft ihre Eigenständigkeit. Die Entscheidungsbefugnisse des Dritten bilden ein Einfallstor für außergesellschaftliche Einflüsse. Es besteht die Gefahr, dass der Dritte seine Befugnisse zur Verfolgung eigener, mit dem Gesellschaftsinteresse nicht in Einklang zu bringender Sonderinteressen nutzt. Allein der Verweis auf den drohenden Autonomieverlust und die Gefahren einer Fremdsteuerung der Gesellschaft liefert indes noch keine tragfähige Rechtsgrundlage für Einschränkungen der rechtlichen Gestaltungsfreiheit des Vorstands und ein Verbot des Abschlusses rechtsgeschäftlicher Abreden, soweit sie Leitungsfragen betreffen. b) Kein Rückgriff auf das Prinzip der Verbandssouveränität Bei dem Versuch einer normativen Fundierung des Autonomiegedankens rückt zunächst das Prinzip der Verbandssouveränität bzw. Verbandsautonomie43 in den Mittelpunkt der Überlegungen, verbietet dieses es doch, den Verband dem Einfluss eines außenstehenden Dritten zu unterwerfen.44 Namentlich die Zulässigkeit von Funktionsauslagerungen wird mitunter daran gemessen.45 aa) Inhalt des Prinzips der Verbandssouveränität Die Verbandssouveränität gehört zu den ungeschriebenen Prinzipien des Gesellschaftsrechts, die für alle Gesellschaftsformen gleichermaßen Geltung beanspruchen. Sie ist nach h.M notwendiger Bestandteil und zugleich schützende Grenze der Selbstbestimmung des Verbandes.46 Neben dem Recht eines jeden Verbandes, in freier Selbstbestimmung über Inhalt sowie Änderungen der eigenen Verfassung zu 42 So im Ergebnis zutreffend auch Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 47 sowie Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 9. 43 Im Folgenden wird nur noch der Begriff der Verbandssouveränität verwendet, da den beiden Begriffen in der Literatur soweit kein unterschiedlicher Inhalt beigemessen wird. 44 Eine ausführliche Darstellung der Entstehung und historischen Entwicklung der Verbandssouveränität findet sich bei Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften. 45 Hadding/Hopt/Schimansky/Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 19 ff. So auch Bergmann, Funktionsauslagerung, S. 93 ff. Kritisch dazu Konopatzki, Funktionsauslagerung, S. 61 ff. 46 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 5 I. 3. b), S. 84.
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befinden (Satzungsautonomie), beinhaltet die Verbandssouveränität zugleich eine zwingende, sogar der Disposition der Gesamtheit der Gesellschafter entzogene Grenze, die es ausschließt, dass die Gesellschafter den Verband einem übermäßigen Fremdeinfluss unterwerfen (Verbandsautonomie).47 Das Schicksal des Verbandes, so Karsten Schmidt, darf nicht in fremde Hände gelegt werden.48 Insbesondere im Bereich der Geschäftsführung soll Dritteinfluss nur dann zulässig sein, wenn der Dritte in die Organisationsverfassung der Gesellschaft eingebunden und auf deren Interessen ausgerichtet wird.49 bb) Unzulänglichkeit des Prinzips der Verbandssouveränität Gegen die Herleitung des Grundsatzes der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht aus dem Prinzip der Verbandssouveränität sprechen indes Bedenken sowohl inhaltlicher als auch prinzipieller Art. (1) Fehlende sachliche und personelle Reichweite Der Versuch, Vorgaben für das Handeln des Vorstands aus der Verbandssouveränität zu gewinnen, sieht sich zunächst mit dem Problem konfrontiert, dass nach soweit ersichtlich einhelliger Auffassung deren Adressaten allein die Gesellschafter, nicht aber die Organe der Gesellschaft sind.50 In der Diskussion um die Verbandssouveränität geht es regelmäßig um die Frage, inwieweit es den Gesellschaftern gestattet ist, den Verband durch die Begründung statutarischer Mitwirkungsrechte dem Einfluss eines Dritten zu unterwerfen.51 Typische Problemfelder sind die Schaffung eines (teilweise) mit außenstehenden Dritten besetzten Beirats, die Möglichkeit, einem Dritten das Recht einzuräumen, die Satzung des Verbands zu ändern oder die Abtretung von Mitgliedschaftsrechten an Dritte. Selbst wenn schuldrechtliche Vertragsgestaltungen mit in die Betrachtungen einbezogen werden, sind die Überlegungen allein auf die Frage gerichtet, in welchem 47 Z.B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 5 I. 3. b), S. 84; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 39 f.; Teubner, ZGR 1986, 565, 567; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 111 f.; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 52. 48 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 5 I. 3. b), S. 84. So auch Priester, FS W. Werner, S. 657, 663; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 111. 49 Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 485 f.; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess bei der GmbH, S. 137 und 141; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek19, § 37 GmbHG Rdn. 15 und 20; Hadding/Hopt/Schimansky/Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 27 f.; Großkomm. GmbHG/Paefgen, § 37 GmbHG Rdn. 17; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 5 I. 3. b), S. 87; Teubner, ZGR 1986, 565, 568 ff.; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 112 f. Kritisch Ulmer, FS W. Werner, S. 911, 923 wegen einer drohenden „uferlosen Ausweitung“ des Organbegriffs. 50 Vgl. bspw. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 275. 51 Vgl. dazu bspw. Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, Teil 1 S. 61 ff.; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss; Wolff, Der drittbestimmte Verein.
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Umfang es den Gesellschaftern gestattet werden kann, Mitwirkungsrechte des Dritten auf schuldrechtlicher Basis zu schaffen.52 Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht demgegenüber aber die Gestaltungsfreiheit des Vorstands, konkret die Frage, ob dieser Dritten Einfluss auf die von ihm zu fällenden Geschäftsführungsentscheidungen zubilligen darf. Dass es sich dabei um eine, der Verbandssouveränität unterfallende Fragestellung handelt, erscheint zudem nicht nur in personeller, sondern auch in sachlicher Hinsicht zumindest zweifelhaft. Ob der Bereich der Geschäftsführung überhaupt von der Verbandssouveränität erfasst wird, oder ob diese nicht vielmehr allein die Satzung des Verbandes vor Einflussnahmen außenstehender Dritter schützt, ist in der Literatur umstritten.53 Eine Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Problemen kann indes unterbleiben, ist die Anerkennung der Verbandssouveränität als eigenständiger Schranke der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht doch bereits als solche durchschlagenden Bedenken ausgesetzt54 und daher als Grundlage für Schranken der Gestaltungsfreiheit des Vorstands ungeeignet. (2) Fehlende Legitimation Obwohl das Prinzip der Verbandssouveränität weitgehende Anerkennung genießt und auch hinsichtlich seines Inhalts im Grundsatz Einigkeit besteht, hat sich ein einheitlicher Begründungsansatz bislang nicht herausgebildet. Soweit in Rechtsprechung und Literatur überhaupt eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Geltungsgrund des Prinzips der Verbandssouveränität erfolgt, existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Begründungsmuster, die rechtsdogmatisch mitunter weit auseinander liegen. Die Unterschiede sind dabei mehr als nur gradueller Art. Das angebotene Spektrum an Erklärungen reicht vom Verweis auf ein ominöses Wesen des Verbandes bis hin zum Verbot der Selbstentmündigung. Bei näherer Auseinandersetzung mit den verschiedenen Begründungsansätzen erkennt man, dass sie allesamt ein an die Gesellschafter gerichtetes Verbot, den Verband dem Einfluss eines außenstehenden Dritten zu unterwerfen, nicht zu rechtfertigen vermögen.55 Insbesondere in der Rechtsprechung beschränken sich die Erklärungsversuche oftmals auf den Hinweis, dass die Freiheit der Willensbestimmung und Willens52 Vgl. dazu bspw. Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, Teil 2, S. 161 ff. und Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 338 ff. 53 Bejahend bspw. Wiedemann, FS Schilling, S. 104, 113 f. Ablehnend bspw. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 5 I. 3. b), S. 85. 54 So auch Leuschner, Konzernrecht, S. 267 ff.; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 66; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 166. Kritisch zudem Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 363 f. Nr. 4. 55 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Begründungsansätzen der h.M. findet sich bei Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 114 ff.
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betätigung zum Wesen eines Verbandes gehöre.56 Dass dies nicht überzeugend ist, liegt auf der Hand und wird auch von den Befürwortern der Verbandssouveränität im Schrifttum nicht in Abrede gestellt.57 Das „Wesen“ eines Verbands wird durch dessen gesetzlich vorgegebenes Normalstatut geformt. Da die Verbandssouveränität aber gerade die Frage nach den Grenzen der möglichen Abweichung vom Normalstatut betrifft, ist der Verweis auf das „Wesen“ des Verbandes nicht geeignet, Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter zu rechtfertigen.58 Das Wesensargument vermag bestenfalls andere Argumente zu verdecken, einen überzeugenden Begründungsansatz liefert es nicht.59 Nichts anderes gilt im Hinblick auf den Versuch, die Verbandssouveränität aus der Gesamtheit der Vorschriften des BGB über die Vereinsverfassung herzuleiten.60 Auf diesem Weg werden dispositive Vorschriften in zwingende verwandelt. Das Normalstatut des Verbands wird ohne oder sogar gegen den Willen des Gesetzgebers, zur einzig möglichen Organisationsform erhoben, was die Befürworter vor das Problem stellt, das Typische einer jeden Gesellschaftsform festlegen zu müssen. Trennscharfe Abgrenzungen und Antworten auf Zweifelsfragen lassen sich auf diesem Weg nicht gewinnen. Letztlich werden wieder nur die eigentlich maßgeblichen Wertungsfragen verschleiert.61 Weite Verbreitung hat der Gedanke gefunden, dass die Verbandssouveränität auf dem, § 138 BGB zu entnehmenden, Verbot der Selbstentmündigung aufbaut. Genauso wie eine natürliche Person sich nicht durch Vereinbarungen mit Dritten ihrer Möglichkeit zur Selbstbestimmung begeben dürfe, sei es auch den Gesellschaftern untersagt, ihren Verband übermäßigem Fremdeinfluss zu unterwerfen und ihm damit die Möglichkeit zur Selbstbestimmung zu nehmen.62 Der Verband als solcher ist indes kein tauglicher Bezugspunkt des Verbots der Selbstentmündigung. Dieses ist 56 Vgl. bspw. KG v. 12. Oktober 1973 – 1 W 1332/71 = OLGZ 1974, 385, 387; BayObLG v. 23. August 1979 – BReg 2 Z 14/79 = NJW 1980, 1756, 1757; OLG Köln v. 20. September 1991 – 2 Wx 64/90 = NJW 1992, 1048. Referierend auch BVerfG v. 05. Februar 1991 – 2 BvR 263/86 = BVerfGE 83, 341, 359. 57 Das Wesensargument lehnen u. a. ab Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 470 f.; Leuschner, Konzernrecht, S. 268; Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 51; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, S. 37 f.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 151 f.; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 114 f. Grundsätzliche Kritik an der Kategorie des „Wesensarguments“ äußert bspw. Scheuerle AcP 163 (1964), 429 ff. 58 Leuschner, Konzernrecht, S. 268. 59 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 471; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 151; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 115. 60 So aber BVerfG v. 05. Februar 1991 – 2 BvR 263/86 = BVerfGE 83, 341, 358. 61 Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 117 f. Kritisch auch Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 50 und Weber, Privatautonomie und Dritteinfluss, S. 152 ff. 62 So mit Abweichungen in Detailfragen Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 473 ff.; Großkomm. GmbHG/Hüffer, § 45 GmbHG Rdn. 13; Scholz/K. Schmidt10, § 45 GmbHG Rdn. 10; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, S. 42 ff.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 212 ff.
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auf natürliche Personen zugeschnitten und lässt sich schon deshalb nicht auf Verbände übertragen, da diese nicht über ein von den gebündelten Interessen ihrer Mitglieder losgelöstes Eigeninteresse verfügen.63 Das bedeutet zwar nicht, dass die Vorschriften der §§ 134, 138 und 242 BGB nicht auch Verbände schützen. Für den daraus resultierenden Schutz im Außenverhältnis ist es aber ohne Belang, nach welchen Regeln die Willensbildung im Innenverhältnis erfolgt und ob diese von einem außenstehenden Dritten dominiert wird.64 Als Grundlage der Verbandssouveränität käme daher insoweit allein das Selbstbestimmungsrecht der hinter dem Verband stehenden Mitglieder in Betracht.65 Dies wäre aber allenfalls dann relevant, wenn den Mitgliedern des Verbands eine Fremdbestimmung erheblichen Ausmaßes drohen würde.66 Die aufgrund des Fremdeinflusses auf den Verband drohende Fremdbestimmung beschränkt sich aber auf einen – wenn auch mitunter wirtschaftlich oder ideell bedeutenden – Teilbereich des Lebens der Mitglieder des Verbands und erreicht damit kein Ausmaß, das an die im Rahmen von § 138 BGB anerkannten Freiheitsbeschränkungen heranreichen würde.67 Nicht nur, dass ein Übergreifen des Dritten auf Sphären außerhalb des Verbands ausgeschlossen ist – mit der Anerkennung des Verbands als eigene Rechtspersönlichkeit ist zwangsläufig eine strikte Trennung zwischen der Sphäre des Verbandes und der Privatsphäre des Verbandsmitglieds verbunden –, der Einzelne kann sich zudem durch den Austritt aus dem Verband dem Einfluss des Dritten entziehen.68 Insbesondere bei der Aktiengesellschaft wird dies dem Aktionär im Regelfall auch jederzeit problemlos möglich sein, ist doch gerade die leichte Veräußerbarkeit des Anteilseigentums prägend für diese Rechtsform.69 Dass auch der Gesetzgeber die Möglichkeit, sich durch die Veräußerung der Aktie übermäßigem Fremdeinfluss zu entziehen, als ausreichend ansieht, zeigen die Regelungen der §§ 305 AktG, 35 WpÜG und 39c WpÜG, die als Reaktion auf die Erlangung erheblichen Fremdeinflusses seitens eines Dritten allesamt ein Austrittsrecht des 63
Leuschner, Konzernrecht, S. 268; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, S. 48 ff.; Weber, Privatautonomie und Dritteinfluss, S. 211; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 126 ff und 149. Kritisch zur Übertragung des Selbstentmündigungsverbots auf Verbände auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 6 ff. A.A. Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 473 ff. („körperschaftliches Selbstbestimmungsrecht“); Teubner, ZGR 1986, 565, 568 („eigenständiges Organisationsinteresse“). 64 Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 151. 65 So Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, S. 46 ff.; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, S. 206 und 275. 66 Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 146 f. 67 Vgl. zu den im Rahmen von § 138 BGB anerkannten Fallgruppen unzulässiger Freiheitsbeschränkung Münch. Komm. BGB/Armbrüster6, § 138 BGB Rdn. 71 – 85. 68 Leuschner, Konzernrecht, S. 268; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 148. 69 Vgl. BVerfG v. 27. April 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG v. 23. August 2000 – 1 BvR 68/95 = NZG 2000, 1117, 1119; BGH v. 25. November 2002 – II ZR 133/01 = BGHZ 153, 47, 54 f., wonach die Verkehrsfähigkeit der Aktie dem Schutz durch Art. 14 GG unterfällt.
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Aktionärs vorsehen. Dass einmal begründeter Fremdeinfluss auch solche Gesellschafter trifft, die erst nachträglich in die Gesellschaft eingetreten sind, ist unschädlich, konnten diese doch in Kenntnis aller Umstände frei über ihren Eintritt entscheiden.70 Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der Gedanke, dass die Verbandssouveränität als ein Instrument des Selbstschutzes der Gesellschafter zu verstehen ist, das verhindern soll, dass diese sich durch die Delegation von Entscheidungsbefugnissen an außenstehende Dritte ihres notwendigen Interessenschutzes begeben.71 Diese Erklärung ist jedenfalls insoweit unzureichend, als sie nicht zu begründen vermag, weshalb autonomiebeschränkende Gestaltungen des Verbandsstatuts auch der Disposition der Gesamtheit der Gesellschafter entzogen sein sollen.72 Die Berufung auf den Selbstschutz der Gesellschafter hat zur Folge, dass man dem von ihnen unmissverständlich erklärten und frei gebildeten Willen die rechtliche Anerkennung verweigert. Eine derartige „Zwangsfürsorge“ ließe vom Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Gesellschafters im Einzelfall wenig übrig, versperrt es ihm doch die Möglichkeit, die eigenen Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich zu regeln. Für einen derartigen bevormundenden Schutz der Gesellschafter vor sich selbst besteht aber kein Anlass.73 Soweit daneben auf einen alle Verbände kennzeichnenden „Abschichtungseffekt“ verwiesen wird, wonach die Vereinheitlichung des Vermögens im gesellschaftsrechtlichen Sondervermögen eine Vereinheitlichung der Organisation der Entscheidungszuständigkeit bedinge, ist dies, wie auch das Abstellen auf das Wesen des Vereins, nicht mehr als eine unbelegte Behauptung, die nicht aus sich heraus tragfähig ist.74 Die These, dass kraft der Verbandssouveränität die Gewährung von Fremdeinfluss der Disposition auch der Gesamtheit der Gesellschafter entzogen ist, gerät zudem in Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen des Konzernrechts, namentlich der Möglichkeit eine Aktiengesellschaft durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG) dem Einfluss eines Dritten zu unterstellen.75 Ausweislich der Regelung des § 308 Abs. 1 S. 2 AktG gestattet ein Be-
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Schockenhoff, AcP 193 (1993), 35, 53. Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 114. Zustimmend Herfs, Einwirkungsrechte Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, S. 54 f.; Teubner, ZGR 1986, 565, 568; Priester, FS Werner, S. 657, 663; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht2, S. 112. 72 Leuschner, Konzernrecht, S. 268. 73 Weber, Privatautonomie und Dritteinfluss, S. 175; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 165 f. Vgl. auch Münch. Komm. HGB/Mülbert, Konzernrecht3 Rdn. 166 hinsichtlich der Zulässigkeit der vertraglichen Konzernierung einer Personengesellschaft. 74 Leuschner, Konzernrecht, S. 269. 75 Leuschner, Konzernrecht, S. 269; Schockenhoff, AcP 193 (1993), S. 35, 55 f.; Wolff, Der drittbestimmte Verein, S. 156 f. 71
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herrschungsvertrag einem gesellschaftsfremden Dritten76 sogar die Erteilung nachteiliger Weisungen. Eine stärkere Form des Fremdeinflusses als ein für die Geschäftsführung bindendes und vom Gesellschaftsinteresse losgelöstes Weisungsrecht ist aber kaum vorstellbar. Letztlich hat der Gesetzgeber damit im Grundsatz bestätigt, dass – jedenfalls im Aktienrecht – die Verbandssouveränität keinen zwingenden Satz des objektiven Rechts darstellt.77 Der Einwand, dass es sich bei den konzernrechtlichen Regelungen um Tatbestände mit Ausnahmecharakter handeln soll78, zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Er vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, da mittlerweile Satzungsgestaltungen für zulässig erachtet werden, kraft derer Verbände mit einem dienenden Verbandszweck versehen und damit auf die (Sonder-)Interessen eines Dritten ausgerichtet werden.79 Wenn es den Gesellschaftern aber gestattet ist, den Verband vollständig auf das Interesse eines Dritten auszurichten, muss es ihnen auch möglich sein, diesem partiell Einfluss zu gewähren.80 cc) Fazit Ein der Disposition der Gesamtheit der Gesellschafter eines Verbandes entzogenes Verbot, die Gesellschaft dem Einfluss eines Dritten zu unterwerfen, ist mithin nicht anzuerkennen.81 Daher ist es ausgeschlossen, die Verbandssouveränität als Grundlage des von der h.M. propagierten Verbots, Leitungsentscheidungen auf Dritte zu übertragen, in Stellung zu bringen. Vielmehr ist es angezeigt, eine eigenständige Antwort auf die Frage nach Zulässigkeit und Grenzen des Dritten kraft vertraglicher Vereinbarungen gewährten Einflusses auf Leitungsentscheidungen zu entwickeln. Die Lösung der mit dem Fremdeinfluss Dritter auf eine Gesellschaft verbundenen Probleme ist – so viel sei vorweggenommen – im Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft zu finden. Aus diesem lassen sich Vorgaben für das Handeln des Vorstands ableiten, die bei konsequenter Anwendung verhindern, dass der Vorstand
76 Die Aktionärseigenschaft ist keine Voraussetzung für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags. Vgl. nur Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 10 m.w.N. 77 Hadding/Hopt/Schimansky/Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 28. 78 Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, S. 52. 79 Vgl. Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, Anh § 317 AktG Rdn. 12; Leuschner, Konzernrecht, S. 269 f.; Münch. Komm. HGB/Mülbert3, Konzernrecht Rdn. 135; Baumbach/Hueck/Zöllner/Beurskens20, Schl.AnhKonzerR Rdn. 65. 80 So zutreffend Hadding/Hopt/Schimansky/Mülbert, Funktionsauslagerung, S. 3, 27 f.; Leuschner, Konzernrecht, S. 269 f. 81 Ausführlich zu dem, dem Verbandszweck zu entnehmenden Verbot der Abhängigkeitsbegründung Leuschner, Konzernrecht, S. 273 ff.
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die Aktiengesellschaft durch die Preisgabe seiner Leitungskompetenzen gegen den Willen ihrer Aktionäre dem Einfluss eines außenstehenden Dritten unterwirft.82 c) Verbandszweck der Aktiengesellschaft als maßgebliche Schranke der Disposition über Leitungskompetenzen Eine Aktiengesellschaft lässt sich – wie jeder andere Personenverband auch – als Zusammenschluss mehrerer Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks beschreiben. Für das Personengesellschaftsrecht bringen dies § 705 BGB sowie §§ 105 Abs. 1 und 161 Abs. 1 HGB unzweideutig dadurch zum Ausdruck, dass sie die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks durch die Gesellschafter ausdrücklich als konstitutives Merkmal der jeweiligen Gesellschaftsform benennen. Ungeachtet des Fehlens einer entsprechenden Regelung im AktG gilt für Aktiengesellschaften nichts anderes. Der gemeinsame Zweck ist allen Personenverbänden zu Eigen und kein exklusives Wesensmerkmal von Personengesellschaften.83 Bei der Aktiengesellschaft findet er seine Entsprechung in dem von den Gesellschaftern gesetzten Verbandszweck. Dieser bildet das konstituierende Element einer jeden Aktiengesellschaft, die nicht um ihrer selbst willen, sondern allein aufgrund ihrer Eigenschaft als Zweckverband rechtliche Anerkennung erfährt. Die rechtliche Existenz sowohl von Aktiengesellschaften als auch allgemein von Personenverbänden ist untrennbar mit deren jeweiligem Verbandszweck verknüpft.84 aa) Verbandszweck als überindividueller Zweck der Aktiengesellschaft Der Verbandszweck wird von den Gesellschaftern bei der Gründung etabliert und kann von diesen jederzeit abgeändert werden. Der Tatsache, dass es sich dabei um den Zweck der Aktiengesellschaft und nicht um den der Aktionäre handelt, tut dies freilich keinen Abbruch.85 Der Verbandszweck besteht unabhängig von den tatsächlichen Interessen des einzelnen Mitglieds, er ist überindividuell.86 Ob die von den Gesellschaftern verfolgten Zwecke und Interesse tatsächlich gleichgerichtet sind, ist daher unerheblich. Der Verbandszweck ist entindividualisiert bzw. verselbständigt. Sein Inhalt wird nicht durch die übereinstimmenden tatsächlichen Individualinteressen bestimmt. Maßgeblich ist allein das, was die Gesellschafter kraft 82
Ausführlich dazu sogleich Teil 4, A., I., 4., c). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 II. 1., S. 61 f. 84 Flume, Personengesellschaft, § 3 I., S. 38 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 I. 2. b), S. 60; Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 139; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) aa), S. 9. 85 Flume, Personengesellschaft, § 3 I., S. 38 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 I. 2. b), S. 60. 86 Allgemeine Meinung, z. B. Flume, Personengesellschaft, § 3 I., S. 38 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 139; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 I. 2. b), S. 60; Tröger, Treupflicht, S. 68 f. 83
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gesellschaftvertraglicher Vereinbarung zum überindividuellen Verbandszweck erhoben haben.87 Der Verbandszweck bildet also gerade nicht den gemeinsamen Nenner der tatsächlichen Interessen der einzelnen Gesellschafter.88 Diese werden in diesem Bereich zwar oftmals übereinstimmen, sicher ist dies aber nicht. Die Interessen können sich vielmehr in vielfältiger Weise voneinander unterscheiden und werden dies von Zeit zu Zeit auch tun. bb) Funktion des Verbandszwecks Mit der Festlegung des Verbandszwecks wird die mehrheitsfeste Geschäftsgrundlage für das Zusammenwirkens innerhalb des Verbands geschaffen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die entscheidende Funktion des Verbandszwecks ist dessen integrierende Wirkung gegenüber den divergierenden Individualinteressen der Aktionäre im Einzelfall.89 Bei Konflikten zwischen den tatsächlichen Interessen der einzelnen Verbandsmitglieder kommt dem Verbandszweck – wie Mülbert es plastisch ausdrückt – eine Schiedsrichterfunktion zu.90 Der Verbandszweck bildet die normative Leitlinie nicht nur für das Handeln des Verbandes, sondern auch für die verbandsbezogene Tätigkeit der Verbandsmitglieder.91 Die Bindung des Verbandes, genauer der Organe des Verbandes an den Verbandszweck ist zwangsläufige Folge ihrer Eigenschaft als Willensbildungs- bzw. Handlungsorgan der Gesellschaft. Als unselbständige Funktionseinheiten des Verbandes teilen sie dessen Zweckbestimmung. Ihre Kompetenzen sind ihnen zur Verwirklichung des Verbandszwecks und nicht zur Nutzung nach freiem Belieben zugewiesen.92 Der Verbandszweck entfaltet dabei in zweierlei Hinsicht verhaltenssteuernde Wirkung: Einerseits ist er eine positive Handlungsmaxime und formuliert
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Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 139; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 I. 2. b), S. 60; Tröger, Treupflicht, S. 69. 88 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 139. A.A. z. B. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) aa), S. 9 demzufolge beim Beitritt zu einem Verband zu vermuten sei, dass der Beitretende sich dessen Zweck zu eigen mache. 89 Tröger, Treupflicht, S. 69. 90 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 140. 91 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 139 f.; ders., ZGR 1997, 129, 141; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) bb), S. 10 f.; Köln. Komm. AktG/Zöllner1, § 243 AktG Rdn. 177. Ebenso Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 34; Sonnenberg, Änderung des Gesellschaftszwecks, S. 5 f.; Tröger, Treupflicht, S. 70. Vgl. auch die Begr. RegE zu § 311 AktG, bei Kropff, AktG 1965, S. 408: Das herrschende Unternehmen darf bei der Stimmrechtsausübung „[…] die durch das gemeinsame Interesse aller Aktionär gezogenen Grenzen nicht überschreiten.“ 92 Tröger, Treupflicht, S. 70 f.; H. Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 517, 531; Zöllner, Schranken, S. 344.
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ein Ziel, welches die Organe anzustreben haben93, andererseits begrenzt er ihren Handlungsspielraum.94 Die Organe der Gesellschaft sind verpflichtet bei der Ausübung ihrer organschaftlichen Befugnisse, diejenigen Maßnahmen vorzunehmen, die der Förderung des Verbandszwecks dienen und solche Maßnahmen zu unterlassen, die diesem zuwiderlaufen. Die Bindung an den Verbandszweck beschränkt sich dabei nicht auf die Organe, sondern erfasst auch das einzelne Mitglied bei der Ausübung seiner Mitgliedsrechte.95 Dies ist zwangsläufige Folge des Wesens der Gesellschaft als Zweckverband. Es würde das Konzept des gemeinsamen Zwecks ad absurdum führen, erklärte man den Verbandszweck zum, wenn auch überindividuellen, aber doch gemeinsamen Zweck der Mitglieder des Verbandes, ohne eine Bindung des einzelnen Mitglieds an diesen anzuerkennen.96 Dem Beitritt des einzelnen Mitglieds zum Verband ist dementsprechend der objektive Erklärungswert beizumessen, eine Bindung an die gemeinsame Verfolgung des Verbandszwecks zu akzeptieren. Mit seinem Beitritt zu einem Verband macht sich der Einzelne dessen Zweck zu Eigen und verpflichtet sich, diesen zu unterstützen.97 Seine formale Entsprechung findet dieser Befund in der auch für die Aktiengesellschaft Geltung beanspruchenden Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB, die die Änderung des Verbandszwecks von der Zustimmung der Gesamtheit aller Verbandsmitglieder abhängig macht. Dieses Einstimmigkeitserfordernis ist Ausdruck der Bindung jedes Einzelnen an den Verbandszweck. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Verbandszweck die fundamentale Leitlinie sowohl für das Handeln der Gesellschaftsorgane als auch für das der Gesellschafter darstellt. Umstritten ist allein das Maß der Bindung an die Vorgaben des Verbandszwecks: Ist diese absolut, oder besteht eine in Abhängigkeit vom Gegenstand der zu treffenden Entscheidung abnehmende Intensität der Bindung.98
93 Vgl. auch Reuter, ZGR 1987, 475, 483, der von einer Leitidee spricht oder Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) bb), S. 10 f., der den Verbandszweck als Lebensgesetz der Gesellschaft bezeichnet. 94 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 II. 3., S. 65; Tröger, Treupflicht, S. 71; H. Westermann, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 517, 531; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) bb), S. 11. 95 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 139 f. und 251; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 4 II. 3. a), S. 65; Tröger, Treupflicht, S. 72; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) bb), S. 11; Zöllner, Schranken, S. 318 ff.; Köln. Komm. AktG/ders.1, § 243 AktG Rdn. 177. 96 Zöllner, Schranken, S. 318; Köln. Komm. AktG/ders.1, § 243 AktG Rdn. 177. 97 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 1 I. 1. b) aa), S. 9; Köln. Komm. AktG/Zöllner1, Einl. Rdn. 169. 98 Für Ersteres Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 239 f.; für Letzteres Köln. Komm. AktG/ Zöllner1, § 243 AktG Rdn. 179 f.; ihm folgend Tröger, Treupflicht, S. 72.
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cc) Bestandteile des Verbandszwecks Der BGH hat im Hinblick auf den Inhalt des Verbandszwecks eines Vereins – für die Aktiengesellschaft gilt indes nichts anderes – zutreffend ausgeführt, dass dieser diejenigen Elemente umfasse, mit deren „Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann.“99 Welche Elemente dies sind, soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Eine inhaltliche Präzisierung bietet das von der Studienkommission des Deutschen Juristentages zur Reform des Konzernrechts eingeführte Begriffspaar des Eigeninteresses und des Eigenwillens.100 Treffen die Gesellschafter keine ausdrücklich oder konkludent abweichenden Bestimmungen, ist nach richtiger, aber nicht unumstrittener Ansicht davon auszugehen, dass der Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft diese zwei Elemente umfasst.101 Das materielle Element der Betätigung im Eigeninteresse wird ergänzt durch das formale Element der Betätigung kraft des von den Organen und Gesellschaftern gebildeten Eigenwillens. (1) Eigeninteresse Das Element des Eigeninteresses, das heißt die Betätigung im Interesse der Gesellschaft sowie der Gesellschafter, wird durch das Formalziel des Verbandes näher ausgestaltet.102 Bei der normtypischen Aktiengesellschaft ist dies, auch dann wenn keine ausdrückliche Regel in die Satzung aufgenommen wurde, mitgliedernützige Gewinnerzielung.103 An dieser abstrakten Zielsetzung kann angesichts der Konzeption der Aktiengesellschaft kein Zweifel bestehen, handelt es sich doch um einen auf die erwerbswirtschaftliche Teilnahme am Wirtschaftsleben ausgerichteten Unternehmensträger (§ 3 AktG), für den das Gesetz umfangreiche Regelungen über die Gewinnverwendung getroffen hat (§§ 57 ff und 150 ff. AktG). Es kann unterstellt werden, dass die Aktionäre sich mit dem Ziel, für eigene Rechnung Gewinne zu 99
BGH, Urteil v. 11. November 1985 – II ZB 5/85 = BGHZ 96, 245, 251. Studienkommission des DJT-Konzernrecht Rdn. 202. Obwohl die Studienkommission diese Begriffe als Merkmale der Eigenständigkeit einer Gesellschaft bezeichnet hat, ging es in der Sache um die Bestimmung des Inhalts des Verbandszwecks. Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157. 101 Vgl. Münch. Komm. HGB/Mülbert3, Konzernrecht, Rdn. 119. 102 Zum Formalziel, siehe Leuschner, Konzernrecht, S. 31; Mülbert, ZGR 1997, 129, 157 ff.; Münch. Komm. HGB/Mülbert3, Konzernrecht, Rdn. 119; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, S. 155 und S. 326 ff.; Zöllner, Schranken, S. 28. Mitunter wird anstatt vom Formalziel auch vom Gesellschafts- oder Verbandsziel gesprochen, ohne dass ein hiermit verbundener sachlicher Unterschied ersichtlich ist. Vgl. Münch. Komm. AktG/Pentz3, § 23 AktG Rdn 76; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 13 ff. m.w.N. 103 Vgl. bspw. Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 156 m.w.N. A.A. soweit ersichtlich allein Großmann, Unternehmensziele, passim, sowie ihm folgend i.E. auch Brinkmann, AG 1982, 122, 127 ff. denen zufolge, dass AktG keinen Verbandszweck, genauer kein Formalziel als inhaltliche Vorgabe für das Handeln der Gesellschaftsorgane kenne. 100
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erwirtschaften, zu einer Aktiengesellschaft zusammengeschlossen haben. Das Formalziel der normtypischen Aktiengesellschaft lässt sich demnach als Vorgabe, die unternehmerische Tätigkeit auf das Ziel der mitgliedernützigen Gewinnerzielung auszurichten, umschreiben. Einerseits legen die Aktionäre die Art der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft fest (Wertschöpfung), andererseits entscheiden sie über die Verteilung der geschaffenen Werte (Wertverteilung).104 Abzugrenzen ist das Formalziel der Gesellschaft von deren Unternehmensgegenstand, dem in der Satzung festzulegenden, konkreten Gegenstand der Unternehmenstätigkeit (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Diese beiden Begriffe stehen nach h.M. in einer Zweck-Mittel-Relation.105 Während das Formalziel den finalen Sinn des Zusammenschlusses bezeichnet, gibt der Unternehmensgegenstand das zur Erreichung des Formalziels eingesetzte Mittel an. Von Bedeutung ist die Abgrenzung der beiden Begriffe insofern, als der Unternehmensgegenstand, obwohl er sich terminologisch ohne weiteres unter den Begriff des Verbandszwecks fassen ließe, anders als das Formalziel nicht der mehrheitsfesten Geschäftsgrundlage im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB zugeordnet wird und daher im Wege der Satzungsänderung nach § 179 AktG mit Drei-Viertel-Mehrheit abgeändert werden kann.106 (2) Eigenwille (a) Autonomie als Bestandteil des Verbandszwecks Dass Gewinnerzielung Bestandteil des Verbandszwecks einer normtypischen (unverbundenen) Aktiengesellschaft ist, kann als gesicherte Erkenntnis des Aktienrechts bezeichnet werden. Anlass zu Kontroversen bietet hingegen die Frage, ob dem Verbandszweck weitere Elemente innewohnen. Dies wird in der Literatur zutreffenderweise bejaht. Das materielle Element des Eigeninteresses der Gesellschaft wird ergänzt durch das formale Element der Betätigung kraft des von den Organen und Gesellschaftern gebildeten Eigenwillens. Anders ausgedrückt, neben der Gewinnerzielung ist die Autonomie der Gesellschaft als weitere wesentliche Komponente des Verbandszwecks der normtypischen, unverbundenen Aktiengesellschaft anzusehen.107 Die Aktiengesellschaft ist mithin auf autonome Zielverwirklichung, 104 Leuschner, Konzernrecht, S. 31 ff. Die Frage, ob und inwieweit das Formalziel der Gewinnerzielung dadurch beschränkt wird, dass die Aktiengesellschaft auch Interessen der Allgemeinheit und ihrer Arbeitnehmer verpflichtet ist, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung und kann daher dahingestellt bleiben. Umfassend dazu Birke, Formalziel, S. 155 ff. 105 Ungeachtet zum Teil erheblicher terminologischer Unterschiede entspricht dies wohl der ganz h.M. Vgl. bspw. OLG Hamburg v. 18. September 1967 – 2 W 125/67 = BB 1968, 267; Köln. Komm. AktG/Arnold3, § 23 AktG Rdn. 75 f.; Hüffer10, § 23 AktG Rdn. 22; Leuschner, Konzernrecht, S. 34; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 23 AktG Rdn. 34. Eine ausführliche Darstellung der Diskussion findet sich bei Münch. Komm. AktG/Pentz3, § 23 AktG Rdn 70 ff. 106 Leuschner, Konzernrecht, S. 34. 107 Leuschner, Konzernrecht, S. 34 ff.; Lutter, FS Barz, S. 199, 213; Martens, FS R. Fischer, S. 437, 454 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 40;
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auf selbständige Gewinnerzielung und Gewinnverwendung angelegt108 bzw. auf die Verfolgung des Unternehmensgegenstands durch eigene freie Tätigkeit und für eigene Rechnung der Aktionäre.109 An dieser Einschätzung ist entgegen der im Schrifttum teilweise geäußerten Kritik festzuhalten. Zwar enthält das AktG keine ausdrücklich den Verbandszweck der Aktiengesellschaft betreffenden Regelungen. Allerdings lassen sowohl die Gesetzesmaterialien zum AktG110 als auch dessen Systematik – das Konzernrecht ist im 3. Buch des AktG als Sonderrecht geregelt – erkennen, dass dem Aktienrecht das Leitbild der unabhängigen und damit außerhalb eines Unternehmensverbundes stehenden Aktiengesellschaft zugrunde liegt. Für die Anerkennung der Autonomie als Bestandteil des Verbandszwecks der normtypischen Aktiengesellschaft sind daneben vor allem zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: (1) Das sich aus den Normen des AktG ergebende Normalstatut der Aktiengesellschaft und (2) die Interessenlage der (konkludent) den Verbandszweck bestimmenden Gründer/Gesellschafter der Aktiengesellschaft. (1) Die autonome Zielverfolgung wird vom AktG als Bestandteil des Normalstatuts der unverbundenen Aktiengesellschaft betrachtet. Davon ist angesichts des offenen Widerspruchs zentraler Rechtsfolgenormen der §§ 291 ff. AktG mit dem Leitbild der autonomen Aktiengesellschaft auszugehen.111 Mit Abschluss eines Beherrschungsvertrags verliert die Aktiengesellschaft ihre Selbständigkeit. An die Stelle der eigenverantwortlichen Leitung seitens des eigenen Vorstands tritt die mittels des Weisungsrechts aus § 308 Abs. 1 AktG rechtlich konsolidierte Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens. Das für die Geschicke der Gesellschaft maßgebliche Entscheidungszentrum wird von der Ebene der abhängigen Gesellschaft auf die des herrschenden Unternehmens verlagert. An die Stelle der Steuerung der Gesellschaft durch ihre eigenen Organe, tritt eine Fremdsteuerung durch das herrschende Unternehmen. Damit einher geht eine Veränderung des für das Handeln der Gesellschaftsorgane maßgeblichen Gesellschaftsinteresses (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG). An die Stelle des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft tritt das Konzerninteresse.112 Dementsprechend wird dem Beherrschungsvertrag im aktienrechtlichen Schrifttum zweckändernder Charakter zuerkannt.113 Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 52; Tröger, Treupflicht, S. 109. Im Ergebnis wohl auch Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 259 f. A.A. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 334; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 105; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 143 f.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 266; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 65 f. 108 Lutter, FS Barz, S. 199, 213. 109 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157 f. 110 Begr. RegE Vorbemerkung zum Dritten Buch des AktG, bei Kropff, AktG 1965, S. 373. 111 Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 52. 112 Hüffer10, § 308 AktG Rdn. 16. 113 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 163 f.; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, Vor § 291 AktG Rdn. 156; Leuschner, Konzernrecht, S. 46 f.; Spindler/Stilz/Veil2, Vor § 291 AktG
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Dass die autonome Zielverfolgung Bestandteil des Normalstatuts der Aktiengesellschaft ist, verdeutlichen auch die §§ 311 ff. AktG, denen ebenfalls Einfluss auf den Verbandszweck zuzuerkennen ist.114 § 311 Abs. 1 AktG gestattet es dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft, gegen entsprechende Ausgleichsleistung auch nachteiligen, das heißt dem Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft zuwiderlaufenden, Einflussnahmen Folge zu leisten. Der mit der Außerkraftsetzung des Verbots schädigender Einflussnahmen auf Seiten des herrschenden Unternehmens einhergehenden Privilegierung entspricht auf Seiten der abhängigen Gesellschaft eine punktuelle Überlagerung des eigenen durch einen fremden Willen.115 Die Bindung des Vorstands an das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft wird zu Gunsten der Verwirklichung des Konzerninteresses gelockert. Die von den Kritikern gegen das Autonomieziel ins Feld geführten systematischen Argumente vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Der Verweis auf § 291 Abs. 2 AktG ist nicht geeignet, einen Gegenschluss auf das Fehlen eines Autonomieziels zu ziehen.116 Dass der Abschluss eines Beherrschungsvertrags für die Autonomie der Gesellschaft – zurückhaltend formuliert – nicht folgenlos bleibt, wird wohl von niemandem ernsthaft bestritten. Misst man auch dem Abschluss eines Gleichordnungsvertrags einen Verlust an Autonomie bei, lässt sich zwar ein Widerspruch zwischen den Regelungen in § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG und § 292 Abs. 2 AktG konstruieren. Weshalb daraus nun zu folgern ist, dass Autonomie kein Bestandteil des Verbandszwecks sei, bleibt aber offen. Der Regelungsgehalt des § 291 Abs. 2 AktG erschöpft sich in der Anordnung, dass die Vereinbarung über die Begründung eines Gleichordnungskonzerns nicht als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren ist. Aus einem mit der Unterstellung unter einheitliche Leitung einhergehenden Autonomieverlust der beteiligten Unternehmen lässt sich nun aber nicht schließen, dass ein Autonomieziel nicht Bestandteil des Verbandszwecks ist. Vielmehr ist der (vermeintliche) Widerspruch durch eine Angleichung des für den Gleichordnungsvertrag geltenden Rechtsrahmens an den für Beherrschungsverträge geltenden und die Anwendung der Schutzkautelen der § 293 ff. AktG aufzulösen. Dementsprechend lässt eine im Vordringen befindliche Ansicht den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung nur mit Zustimmung der Hauptversammlung zu.117 Zweifelt man hingegen unter Verweis auf § 291 Abs. 2 AktG die Autonomie als Bestandteil des Verbandszwecks an, bleibt man die Antwort auf die Frage nach dem Rdn. 26. Nicht zu überzeugen vermag es hingegen, die Regeln des Beherrschungsvertragsrechts auf die Aussage zu reduzieren, dass eine Folgepflicht der abhängigen Gesellschaft mit deren regelmäßigem Verbandszweck nicht zu vereinbaren ist. So aber Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 263. 114 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 281, der von einer Modifizierung des Verbandszwecks spricht; Leuschner, Konzernrecht, S. 48. A.A. Tröger, Treupflicht, S. 208. 115 Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, § 311 AktG Rdn. 5. 116 So aber Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, Vor § 291 AktG Rdn. 105; Milde, Gleichordnungskonzern, S. 144. 117 Vgl. nur Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 18 AktG Rdn. 35 m.w.N.
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richtigen Verständnis der Figur des Beherrschungsvertrags und dem Geltungsgrund der §§ 291 Abs. 1 und 293 ff. AktG schuldig. Auch das Argument, dass die Anerkennung des Autonomieziels die Unzulässigkeit faktischer Konzerne zur Folge hätte, ist zurückzuweisen.118 Die §§ 311 ff. AktG bringen klar zum Ausdruck, dass auch die faktische Konzernierung gesetzeskonform ist.119 Der bloße Verweis auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB – Einstimmigkeitserfordernis bei Zweckänderung – vermag die Unzulässigkeit eines gesetzeskonformen Beherrschungsmittels nicht zu begründen. Zutreffend erscheint insoweit vielmehr das Gegenteil: Die § 311 ff. AktG bewirken eine Änderung des Verbandszwecks120 und sind unersetzliche Voraussetzung der Zulässigkeit des faktischen Konzerns. Das spricht aber – wie oben angeführt – gerade für und nicht gegen die Anerkennung der Autonomie als Bestandteil des Verbandszwecks der normtypischen, unverbundenen Aktiengesellschaft. (2) Hauptargument für die Anerkennung des Autonomieziels als Bestandteil des Verbandszwecks ist, dass dies der typischen Interessenlage der Aktionäre entspricht.121 Die Entscheidung eines Aktionärs, Kapital in eine Aktiengesellschaft zu investieren, wird regelmäßig zumindest unterbewusst mit der Erwartung verbunden sein, dass das eingesetzte Kapital nur für die Belange des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens eingesetzt wird und die damit erwirtschafteten Gewinne den Aktionären und nicht Dritten zu Gute kommen. Ein Autonomieverlust der Gesellschaft, beispielsweise durch die spätere Begründung umfassender Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung und die damit einhergehende Einschränkung der grundsätzlich unbeschränkten Leitungsmacht des Vorstands, stellt diese Annahme in Frage. Überschreitet der Einfluss ein gewisses Maß, droht die Fremdbestimmung der Gesellschaft, was manifeste Risiken für die Verwirklichung des aus dem Verbandszweck als einheitlichem Richtpunkt der überindividuellen Mitgliederinteressen abgeleiteten Gesellschaftsinteresses birgt. Unterstellt man eigennütziges und rationales Verhalten, so ist davon auszugehen, dass ein Dritter die Möglichkeit, außerhalb der Zuständigkeitsordnung auf die Un118 So aber Milde, Gleichordnungskonzern, S. 144; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 263 f. 119 Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, § 311 AktG Rdn. 8; Hüffer10, § 311 AktG Rdn. 6. 120 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 281, der von einer Modifizierung des Verbandszwecks spricht; Leuschner, Konzernrecht, S. 48; a.A. Tröger, Treupflicht, S. 208. 121 Tröger, Treupflicht, S. 107 f. a.A. Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 265 f. sowie Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 262 denen zufolge das typische Aktionärsinteresse gerade gegen die Festschreibung der Autonomie im Verbandszweck spreche. Anderenfalls sei angesichts des Einstimmigkeitsprinzips des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB eine ausreichende Anpassungsfähigkeit der Gesellschaft an unvorhergesehene Entwicklungen nicht sichergestellt. Insbesondere in Krisensituationen sei die Aufgabe der Unabhängigkeit aber mitunter zwingend erforderlich. Diese Argumentation vermag indes nicht zu überzeugen, da sie den Beleg für ihre Kernthese von der fehlenden Flexibilität der gesetzlichen Regelungen der §§ 291 ff. AktG schuldig bleibt.
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ternehmensleitung einzuwirken, zur Verfolgung und Durchsetzung verbandszweckwidriger Sonderinteressen nutzen wird.122 Der Autonomieverlust verändert daher nachträglich und grundlegend die Basis der Investitionsentscheidung der Aktionäre.123 Ihre ursprüngliche Bewertung der Risiken und Chancen der Investition ist hinfällig.124 Rationales Verhalten der Aktionäre unterstellt werden diese sich deshalb davor zu schützen versuchen, dass eine Verlagerung des unternehmerischen Entscheidungszentrums, eine Beeinträchtigung der eigenständigen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sowie eine Veränderung des für das Handeln der Gesellschaftsorgane entscheidenden Interessenmaßstabs ohne ihre Zustimmung erfolgen kann.125 Das ihnen insoweit zur Verfügung stehende Instrument ist der Verbandszweck, an dem die Gesellschaft sowie ihre Organe ihr Handeln auszurichten haben und der gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB ohne die Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs nicht abgeändert werden kann. Berücksichtigt man dies, ist anzunehmen, dass rational handelnde (Minderheits-)Aktionäre die Autonomie der Aktiengesellschaft zum Bestandteil des Verbandszwecks und damit zur unabänderlichen Geschäftsgrundlage der Aktiengesellschaft erheben, um die eigene Investition sowie ihre Gewinnerwartungen vor dem Einfluss Dritter zu schützen. Gegen die Anerkennung des Eigenwillens der Gesellschaft als Bestandteil des Verbandszwecks der normtypischen Aktiengesellschaft wird dennoch mitunter eingewandt, dass dieser entbehrlich sei und ihm keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Eigeninteresse der Gesellschaft zukomme. Die Unterordnung der Gesellschaftsorgane unter den Willen eines außerhalb der Gesellschaft stehenden Entscheidungszentrums sei bereits allein deshalb zu missbilligen, weil es die Verwirklichung des Eigeninteresses der Gesellschaft gefährde, wenn die Gesellschaftsorgane nur noch externe Vorgaben ohne eigene Prüfung vollzögen.126 Betrachtet man den Verbandszweck allein unter dem Aspekt, dass sich aus diesem das 122 Vgl. zur ähnlich gelagerten Problematik des sog. Konzernkonflikts nur Emmerich/ Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 15 AktG Rdn. 6. 123 Eine vergleichbare Problematik liegt den Vorschriften des § 305 AktG sowie der §§ 35 und 39c WpÜG zugrunde. Auf den Umstand, dass die Erlangung einer Kontrollmehrheit durch oder den Abschluss eines Beherrschungsvertrags zugunsten eines Dritten die Rahmenbedingungen für die Investition der Minderheitsaktionären in die Gesellschaft grundlegend verändert, reagiert der Gesetzgeber, indem er diesen eine Desinvestitionsmöglichkeit eröffnet und ihnen damit die Chance bietet, ihre Investmententscheidung zu überdenken und gegebenenfalls rückgängig zu machen. (Vgl. z. B. Hölters/Deilmann, § 305 AktG Rdn. 1; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 305 AktG Rdn. 1 zu § 305 AktG sowie Geibel/Süßmann/ Meyer2, § 35 WpÜG Rdn. 9; Münch. Komm. AktG/Schlitt/Ries3, § 35 WpÜG Rdn. 42 zu § 35 WpÜG.) 124 Ausführlich zur zentralen Bedeutung des Schutzes der Investitionsentscheidung gegen nachträgliche Veränderung der maßgeblichen Umstände Großkomm. AktG/Assmann4, Einl. Rdn. 377 und Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 116 ff. 125 Tröger, Treupflicht, S. 108. 126 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 261.
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Gesellschaftsinteresse ableitet, so trifft dies sicherlich zu. Im Hinblick auf die Definition des Verbandszwecks als mehrheitsfester Geschäftsgrundlage der Aktiengesellschaft greift dies allerdings zu kurz. Der Aktionär wird im Regelfall die berechtigte Erwartung hegen, erforderlichenfalls mittels seiner Mitgliedschaftsrechte auf die gesellschaftsinterne Willensbildung und den Kurs der Gesellschaft Einfluss nehmen zu können.127 Ausdruck dieser Erwartungshaltung ist das für die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft kennzeichnende Recht des einzelnen Aktionärs auf Teilhabe am Willensbildungsprozess der Aktiengesellschaft, welches im Regelfall durch die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts verwirklicht wird.128 Mit dem damit angesprochenen Recht auf Entscheidungsteilhabe ist es nicht zu vereinbaren, die unabänderliche Geschäftsgrundlage der Aktiengesellschaft auf die Einhaltung des Formalziels Gewinnerzielung zu beschränken, da dies den Willensbildungsprozess in der Aktiengesellschaft zur Disposition der Mehrheit stellen würde und das Recht auf Entscheidungsteilhabe gegen den Willen des Minderheitsaktionärs eingeschränkt oder aufgehoben werden könnte.129 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft aus zwei sich ergänzenden Bestandteilen besteht: dem Formalziel der Gewinnerzielung auf der einen und dem Autonomieziel auf der anderen Seite. (b) Konkretisierung des Autonomiebegriffs Die Anerkennung des Autonomieziels als Bestandteil des Verbandszwecks führt zu der Frage, was sich hinter dem Begriff der Autonomie inhaltlich verbirgt. Ausgangspunkt der gebotenen inhaltlichen Präzisierung ist der von der Studienkommission des Deutschen Juristentages zur Reform des Konzernrechts eingeführte Begriff des Eigenwillens.130 Gesetzestypisch betätigen sich Aktiengesellschaften kraft ihres von den Organen bzw. den Aktionären gebildeten Eigenwillens. (Formales) Wesensmerkmal einer autonomen Gesellschaft ist demnach die Bildung und der Vollzug eines eigenen Willens. Autonome Zielverfolgung bedeutet, dass die Gesellschaft kraft eines von ihr selbst gebildeten Willens unternehmerisch tätig wird. Dies wird gemeinhin als Gebot an die Gesellschaft verstanden, Entscheidungen über 127
Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob der Aktionär von seinen Teilhaberechten auch tatsächlich Gebrauch macht. Angesichts der geringen Hauptversammlungspräsenzen wird dies in einer Vielzahl von Fällen zu verneinen sein. Die Nichtausübung eines Rechts kann aber nicht mit Gleichgültigkeit oder einem Verzicht auf das Recht gleichgesetzt werden. 128 Ausführlich zum Recht des Aktionärs auf Entscheidungsteilhabe Habersack, Mitgliedschaft, S. 297 ff. 129 Leuschner, Konzernrecht, S. 37. Ausführlich zur Stellung des Aktionärs im Spannungsfeld zwischen Verbandsmitgliedschaft und Kapitalanlegerstellung Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 154 ff. 130 Studienkommission des DJT-Konzernrecht Rdn. 202. Vgl. dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157; Münch. Komm. HGB/ders.3, Konzernrecht, Rdn. 119.
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die Unternehmenspolitik und deren Umsetzung selbst zu treffen und insoweit nicht lediglich einen extern gebildeten Willen zu vollziehen.131. Mit der Anerkennung des Eigenwillens als Bestandteil des Verbandszwecks wird folglich der Prozess der internen Willensbildung in der Gesellschaft zu deren mehrheitsfester Geschäftsgrundlage erhoben. Externe Einflussnahmen auf den Vorstand sind nur unter der Voraussetzung einer Modifikation des Verbandszwecks zulässig.132 Im Grundsatz ist diesem Verständnis der Autonomie der Gesellschaft auch zuzustimmen. Für die Annahme, dass bestimmte Grundstrukturen der Willensbildung zur unabänderlichen Geschäftsgrundlage der Aktiengesellschaft gehören spricht, dass ein Aktionär im Regelfall weder damit rechnen und noch weniger damit einverstanden sein wird, dass die bislang selbständig agierende Aktiengesellschaft ohne seine Zustimmung zum bloßen Befehlsempfänger eines externen Dritten herabsinkt. Bei eingehender Betrachtung zeigt sich allerdings, dass der Begriff des Eigenwillens – soweit auf die Leitung der Gesellschaft durch eigene Organe als maßgebliches Wesensmerkmal abgestellt wird133 – nur unzureichend in der Lage ist die maßgeblichen Prinzipien der Willensbildung zu erfassen.134 Der Grund dafür ist, dass die mit dem Begriff des Eigenwillens in Bezug genommene, auf den ersten Blick trennscharfe Unterscheidung zwischen internen und externen Willensbildungsprozessen letztlich allein von der Einordnung bzw. Stellung der beteiligten Personen abhängt.135 Deutlich zu Tage tritt dies bei der Einflussnahme durch einen herrschenden Aktionär. Da dieser angesichts seiner Stellung als Verbandsmitglied nur schwerlich als Außenstehender bezeichnet werden kann, wären die Folgen seiner Einflussnahme eigentlich als Ergebnis eines internen Willensbildungsprozesses und daher als mit dem Eigenwillen der Gesellschaft vereinbar anzusehen. Ein Ergebnis, das angesichts der Regelung des § 17 Abs. 1 AktG sowie des soeben betonten Aspekts des Rechts auf Entscheidungsteilhabe des einzelnen Aktionärs, befremdlich anmutet.136 Diese Überlegung zeigt, dass nicht jede Form interner Willensbildung den an eine autonome Zielverfolgung der Gesellschaft zu stellenden Anforderungen gerecht wird, der Verbandszweck vielmehr auch gewisse Vorstellungen hinsichtlich der Art und Weise der internen Willensbildung beinhaltet.137 Namentlich geht es um die Rolle der Hauptversammlung als oberstes138 Willensbildungsorgan der Aktienge131 Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 28. Ähnlich auch Tröger, Treupflicht, S. 102, der auf den Gesichtspunkt der Leitung der Gesellschaft durch eigene Organe abstellt. 132 Leuschner, Konzernrecht, S. 35. 133 So bspw. Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 157; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 28; Tröger, Treupflicht, S. 102. 134 Leuschner, Konzernrecht, S. 35. 135 Leuschner, Konzernrecht, S. 35. 136 Leuschner, Konzernrecht, S. 35. 137 Leuschner, Konzernrecht, S. 35. 138 Ausführlich zur Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft oben Teil 3, A., III.
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sellschaft. Bestandteil des Verbandszwecks der normtypischen Aktiengesellschaft ist demnach nicht ein ominöser Eigenwille, sondern die, wenn auch eingeschränkte, Vorrangstellung der Hauptversammlung gegenüber den übrigen Gesellschaftsorganen.139 Anders formuliert, die vom Verbandszweck geschützte Autonomie der Gesellschaft findet ihre Ausprägung im Schutz der Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan. Geschützt wird folglich ein bestimmter Prozess der Willensbildung in der Gesellschaft.140 Abgesichert wird dies durch die Bindung an das im Formalziel gebündelte überindividuelle Interesse aller Aktionäre. dd) Die Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan als Maßstab vertraglicher Einwirkungsrechte Der Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaften ist auf autonome Gewinnerzielung gerichtet. Er setzt sich aus einem formalen und einem materiellen Element zusammen: Der Rolle der Hauptversammlung als oberstem Willensbildungsorgan auf der einen sowie dem Formalziel der mitgliedernützigen Gewinnerzielung auf der anderen Seite. Wesensmerkmal der autonomen Gesellschaft ist demnach die am Ziel der mitgliedernützigen Gewinnerzielung ausgerichtete unternehmerische Tätigkeit unter Wahrung der Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan. (1) Begründung von Fremdeinfluss ist nicht per se unzulässig Dem Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft lassen sich demnach zwei Maßgaben für das Handeln der Organe der Aktiengesellschaft entnehmen: (1) Ihr Handeln muss zur Verfolgung des Ziels der mitgliedernützigen Gewinnerzielung geeignet sein und darf (2) die Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan nicht beeinträchtigen.
139 Leuschner, Konzernrecht, S. 35 f. Im Ergebnis auch Zöllner, FS 100 Jahre GmbHG, S. 85, 119 f.; Baumbach/Hueck/ders.20, § 45 GmbHG Rdn. 7 sowie Lutter/Hommelhoff/ Bayer18, § 45 GmbHG Rdn. 11; Flume, Juristische Person, IV § 7 I. 1., S. 189; ders., FS Coing, S. 97, 100 und 102 f.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 565 ff. und Münch. Komm. GmbHG/ Wicke, § 3 GmbHG Rdn. 152, die die Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ auf die Verbandssouveränität stützen und daraus die Unzulässigkeit von Dritteinfluss auf grundlegende Gesellschaftsentscheidungen ableiten. Gleichsinnig ist auch der Hinweis auf die „Letztzuständigkeit der Gesellschafterversammlung“, vgl. z. B. Schockenhoff, AcP 193 (1993), S 35, 40. 140 Leuschner, Konzernrecht, S. 34 ff. Ein umfassender Schutz der Autonomie ist damit selbstverständlich nicht verbunden. Einem Autonomieverlust in Folge tatsächlicher Umstände kann mittels des Instruments des Verbandszwecks nicht entgegengewirkt werden. Zu denken ist hierbei an Fälle, in denen außerhalb der Gesellschaft liegende Entwicklungen, namentlich wirtschaftliche Zwänge, das Handeln der Gesellschaft und ihrer Organe determinieren und die Stellung der Hauptversammlung untergraben.
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Damit hat es indes sein Bewenden. Weitergehende Anforderungen lassen sich aus dem Verbandszweck nicht ableiten. Das Autonomieziel ist insbesondere nicht so zu verstehen, dass der Willensbildungsprozess innerhalb der Gesellschaft stets frei von jedweder äußeren Einflussnahme zu erfolgen hat.141 Die unverbundene Aktiengesellschaft ist auf autonome und nicht auf isolierte Zielverfolgung gerichtet. Die Regelung des § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG zeigt deutlich, dass das AktG unter Autonomie nicht versteht, dass der Vorstand seine Entscheidungen stets frei von jeglicher Einflussnahme seitens Dritter zu treffen hat. Die Fremdbestimmung des Verhaltens des Vorstands begründet trotz eines Schadens der Gesellschaft für sich genommen noch keine Schadensersatzpflicht. Hinzutreten muss stets, dass das beeinflusste Vorstandsmitglied seine Pflichten verletzt hat (vgl. § 117 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 AktG).142 Das AktG unterscheidet also zwischen fremdbestimmtem und pflichtwidrigem Handeln des Vorstands und gibt damit zu erkennen, dass Ersteres nicht per se unzulässig ist. Pflichtwidrig handelt der Vorstand auch insoweit nur dann, wenn die auf Drängen des Dritten vorgenommene Maßnahme nicht mit dem Gesellschaftsinteresse zu vereinbaren ist. (2) Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung muss gewahrt bleiben Schrankenlos zulässig ist die Begründung von Dritteinfluss indes nicht. Nur bei Wahrung der Stellung der Hauptversammlung ist es dem Vorstand gestattet, sich der Einflussnahme eines Dritten in Leitungsfragen zu öffnen. Die Vorrangstellung der Hauptversammlung bleibt nur solange gewahrt, wie sie zumindest mittelbar auf den der Verfolgung des Formalziels dienenden Bereich der Geschäftsführung Einfluss nehmen kann. Im Normalstatut der Aktiengesellschaft wird diese Vorgabe unter anderem dadurch verwirklicht, dass der Hauptversammlung die Personalentscheidungsgewalt in die Hände gelegt wird, wenn auch vermittelt über die Kontrollbefugnisse des Aufsichtsrats. Zwar ist es den Aktionären verwehrt, dem Vorstand Weisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten zu erteilen (§ 119 Abs. 2 AktG), dennoch wird der Vorstand nicht dauerhaft eine den Interessen der Aktionärsmehrheit widersprechende Geschäftspolitik betreiben, will er seiner Abberufung durch den von den Aktionären besetzten Aufsichtsrat entgehen. Das Recht, den Vorstand abzuberufen, entfaltet disziplinierende Wirkung. Die Bedeutung, die das AktG der Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung zumisst, zeigt sich exemplarisch im Recht des faktischen Konzerns. Aufbauend auf dem Gedanken, dass sich die Organe einer Aktiengesellschaft aus Furcht vor persönlichen Nachteilen den Wünschen des Mehrheitsaktionärs nicht widersetzen werden, knüpft § 17 Abs. 2 AktG an die Stimmenmehrheit eines Aktionärs die Vermutung der Abhängigkeit der Gesellschaft. Es besteht eine hohe 141 142
Tröger, Treupflicht, S. 102, Fn. 13; Voigt, Einfluss, S. 51. Voigt, Einfluss, S. 50 f.
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Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens des Vorstands.143 Mit dem Verlust der Stimmenmehrheit, endet das Abhängigkeitsverhältnis. Die Personalentscheidungsgewalt ist der maßgebliche Machtfaktor der Hauptversammlung. Geht sie dessen verlustig, büßt sie ihre Stellung als oberstes Willensbildungsorgan ein. Gibt der Vorstand indes die Leitung der Gesellschaft (partiell) aus der Hand und bedient sich zur Erledigung seiner Leitungsaufgaben Dritter, greift er eigenmächtig in das Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft und entzieht, bewusst oder unbewusst, Teile der Unternehmensleitung der Kontrolle des Aufsichtsrats. Anders als der Vorstand ist der Dritte bei der Erfüllung ihm übertragener Leitungsaufgaben weder an die Vorgaben der Satzung gebunden noch unterliegt sein Handeln der Überwachung und Kontrolle des Aufsichtsrats. Konsequenz dessen ist ein Überwachungs- und Kontrolldefizit.144 Die als Gegengewicht zur Machtfülle des Vorstands dienenden Eingriffsbefugnisse des Aufsichtsrats verlieren ihren Ansatzpunkt; die vom AktG sorgsam austarierte Machtbalance zwischen den Organen gerät ins Wanken. Es besteht die Gefahr, dass sich die Unternehmensleitung verselbständigt. Der reglementierende Effekt der Personalkompetenz des Aufsichtsrats wird ausgehebelt, da die Stellung des Dritten nicht mit der des Vorstands verknüpft ist. Die Übertragung von Leitungsaufgaben hat mithin ein Kontroll- und Überwachungsdefizit zur Folge, da die Leitung der Gesellschaft nicht mehr in unvermindertem Maße der Überwachung durch den Aufsichtsrat unterliegt. Die partielle Entmachtung des Aufsichtsrats untergräbt zugleich die Stellung der Hauptversammlung. Die Einflussmöglichkeiten der Hauptversammlung fußen auf ihrer Macht, den Aufsichtsrat zu besetzen, der wiederum den Vorstand abberufen kann. Wird die Macht des Aufsichtsrats beschnitten, büßt die Hauptversammlung ihre mittelbare Personalentscheidungsgewalt ein. Zudem nimmt die fehlende Bindung des Dritten an die Vorgaben der Satzung der Hauptversammlung die Möglichkeit, über die Festlegung des Unternehmensgegenstands steuernd in das Betätigungsfeld des „Leitungsorgans“ einzugreifen. Aus diesem Grund sind schuldrechtliche Vereinbarungen, kraft derer Leitungskompetenzen des Vorstands auf einen Dritten verlagert werden sollen, verbandszweckwidrig und daher grundsätzlich unzulässig.145 Der Abschluss entsprechender 143 OLG Düsseldorf v. 08. Juli 2003 – I-19 W 6/00 AktE = AG 2003, 688, 689; Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 18 AktG Rdn. 27; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 7; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 21; Münch. Hdb. AG/ Krieger3, § 68 Rdn. 38. 144 Ausführlich dazu oben Teil 4, A., I., 2., c). 145 So auch hinsichtlich der Rechtslage bei der GmbH Fleck, ZGR 1988, 104, 109; Herfs, Einwirkungsrechte Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, S. 251 f., der auf die fehlende Bindung des Dritten an das Gesellschaftsinteresse verweist; Scholz/Uwe H. Schneider, § 35 GmbHG Rdn. 41 sowie Weber, Privatautonomie und Dritteinfluss, S. 352 f., der schuldrechtliche Verpflichtungen der Gesellschaft mit kompetenzverlagernder Wirkung allerdings dann anerkennen will, wenn ein voraussetzungsloses, einseitiges Kündigungsrecht der Gesellschaft besteht.
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Verträge ist dem Vorstand verboten. Insoweit kann, in Übereinstimmung mit der Begriffsbildung der h.M., vom Grundsatz der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht des Vorstands gesprochen werden. Daher weist die Entscheidung des LG München betreffend das business combination agreement zwischen der W.E.T. Automotive Systems AG und der Amerigon Europe GmbH in die richtige Richtung. In seinem Urteil hat das LG die Vereinbarung für unzulässig erachtet, da diese gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung verstoße.146 Die für die Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen vertraglicher Bindungen in Leitungsfragen grundlegende Trennlinie wird durch die Entscheidungszuständigkeit markiert. Der Vorstand darf sich der Einflussnahme eines Dritten öffnen. Vereinbarungen, die dem Dritten die Einflussnahme auf die Geschäftspolitik einer Gesellschaft ermöglichen, sind zulässig, solange und soweit sie die Befugnis des Vorstands, die unternehmerischen Entscheidungen zu treffen, unangetastet lassen.147 Dem Vorstand ist es allerdings verwehrt, einem Dritten die Kompetenz, Leitungsentscheidungen zu treffen, zu übertragen. Die vertragliche Abrede darf mithin nicht dazu führen, dass ein außenstehender Dritter das Ergebnis des Prozesses der Entscheidungsfindung bestimmen kann, weil in diesem Fall der reglementierende Effekt der mittelbaren Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung unterminiert wird. Im Hinblick auf die im Mittelpunk der Untersuchung stehenden Vereinbarungen ist folglich zwischen der grundsätzlich unzulässigen Übertragung von Leitungsaufgaben auf den Dritten (dazu sogleich unter Teil 4, A. I. 5.) und zulässigen vertraglichen Gestaltungen, kraft derer einem Dritten Einfluss auf Leitungsentscheidungen des Vorstands gewährt wird (vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung148 – dazu sogleich unter Teil 4, A. II.), zu unterscheiden. 5. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht a) Keine Übertragung von Leitungsaufgaben auf Dritte Angesichts der Vorgabe, dass die Hauptversammlung das oberste Willensbildungsorgan der Gesellschaft bilden muss, ist die Unzulässigkeit der Übertragung von 146 LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1153. Zustimmend OLG München 14. November 2012 – 7 AktG 2/12 = NZG 2013, 459, 461. 147 Ähnlich auch Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 158; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 16, die schuldrechtliche Vereinbarungen, aus denen sich eine (langfristige) Bindung der Geschäftspolitik ergibt, solange für zulässig erachten, wie dem Dritten keine unmittelbare Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftspolitik eigeräumt wird. A.A. Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f., der Erklärungen des Vorstands, die den Leitungsauftrag des § 76 Abs. 1 AktG einschränken, als unzulässigen Eingriff in das Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft betrachtet und dem Vorstand die Befähigung zur Abgabe entsprechender Erklärungen abspricht. Dieser könne auf sein Leitungsrecht nicht verzichten. 148 Dies entspricht der Begriffsbildung bei Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 48; Otto NZG 2013, 930, 933.
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Leitungsaufgaben auf gesellschaftsexterne Dritte offensichtlich. Entsprechende Vereinbarungen unterminieren die mittelbare Personalhoheit der Hauptversammlung und sind mit der Stellung als oberstes Willensbildungsorgan nicht in Einklang zu bringen. b) Unzulässigkeit von Weisungsrechten Das Verbot der Übertragung von Leitungsaufgaben auf Dritte kann auch nicht durch geschickte Vertragsgestaltung umgangen werden. Vereinbarungen, die in ihrer Wirkung der Übertragung der Leitungsaufgaben gleichkommen, sind ebenfalls unzulässig.149 Sofern der Dritte kraft der ihm zur Verfügung stehenden Herrschaftsinstrumente in die Lage versetzt wird, Leitungsentscheidungen durchzusetzen, verstößt die zugrunde liegende Vereinbarung gegen die Vorgaben des Verbandszwecks und ist daher unzulässig. Dies gilt namentlich für schuldvertragliche Weisungsrechte eines Dritten gegenüber dem Vorstand einer Aktiengesellschaft in Leitungsfragen. Dass der Dritte die Leitungsentscheidung nicht anstelle des Vorstands trifft, sondern den Vorstand verbindlich zur Umsetzung der von ihm präferierten Entscheidung anweist, rechtfertigt keine unterschiedliche rechtliche Bewertung. Wollen die Beteiligten eine derartige Abrede treffen, sind sie gezwungen einen Beherrschungsvertrag zu schließen. In diesem Fall liefern die §§ 291 ff. AktG die für die Änderung des Verbandszwecks der betroffenen Gesellschaft notwendige Rechtsgrundlage.150 An die Stelle der nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich erforderlichen Zustimmung aller Aktionäre tritt die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit gemäß § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG. c) Keine prinzipielle Unzulässigkeit von Zustimmungsvorbehalten Auch die Begründung von Zustimmungsvorbehalten ist mit einer gewissen Skepsis zu betrachten.151 Zwar verschafft ein Zustimmungserfordernis dem Dritten kein Initiativrecht. Anders als bei der Übertragung von Leitungsaufgaben oder kraft eines Weisungsrechts kann ein Außenstehender also nicht initiativ-gestaltend Ein149
So auch Goslar, EWiR 2013, 193, 194. Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 25 f.; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, Vorb. § 291 AktG Rdn. 156 sowie ausführlich Leuschner, Konzernrecht, S. 46 f. und Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 162 ff. 151 Zur gleich gelagerten Problematik im Rahmen von Beherrschungsverträgen vgl. Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 308 AktG Rdn. 10 ff. Die h.M. setzt einen vertraglich eingeräumten Zustimmungsvorbehalt mit dem Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 AktG gleich und bejaht das Vorliegen eines (verdeckten) Beherrschungsvertrags (vgl. Münch. Komm. AktG/ Altmeppen3, § 308 AktG Rdn. 11 ff.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 308 AktG Rdn. 25; Spindler/Stilz/Veil2, § 308 AktG Rdn. 7) A.A. Hölters/Leuering/Goertz, § 308 AktG Rdn. 11; Hüffer10, § 308 AktG Rdn. 19; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner, § 291 AktG Rdn. 23; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 71. 150
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fluss nehmen.152 Er kann unternehmerische Entscheidungen weder selbst vornehmen noch den Vorstand zu ihrer Vornahme anweisen. Die Entscheidungsgewalt verbleibt beim Vorstand, dem es freisteht, eine dem Zustimmungsvorbehalt unterliegende Maßnahme einzuleiten oder nicht und der auch nach der Zustimmung des Dritten von der Umsetzung seiner Entscheidung absehen kann, wenn er dies für zweckmäßig erachtet. Die Unternehmensleitung unterliegt daher unvermindert der Kontrolle des Aufsichtsrats, der gegenüber Fehlentwicklungen einschreiten kann. Zustimmungsvorbehalte sind folglich nicht prinzipiell als mit dem Verbandszweck unvereinbar und daher unzulässig einzustufen.153 Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Zustimmungsvorbehalte dem Dritten Einfluss in Leitungsfragen verschaffen und die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Vorstands einschränken. Zustimmungsvorbehalte bilden durchaus ein probates Mittel zur Einflussnahme. Schließlich kann der Vorstand Leitungsentscheidungen nicht mehr allein treffen. Die Umsetzung einer positiven Entscheidung bedarf der Zustimmung des Dritten. Vereinbarungen, die die Vornahme von Leitungsentscheidungen an die Zustimmung eines außenstehenden Dritten knüpfen, sind daher nur insoweit als mit dem Verbandszweck vereinbar einzustufen, als sie auf Einzelfragen beschränkt bleiben. Andernfalls, wenn sich der Zustimmungsvorbehalt auf einen signifikanten Bereich der Unternehmensleitung erstreckt besteht die Gefahr, dass das dem Zustimmungsrecht des Dritten immanente Vetorecht in ein faktisches Entscheidungsrecht umschlägt, da dieser jede ihm missliebige Entscheidung verhindern kann.154 Der Zeitpunkt, ab dem das durch Zustimmungsvorbehalte vermittelte Maß an Einfluss nicht mehr hinnehmbar ist, lässt sich losgelöst vom Einzelfall allerdings nur schwer bestimmen. Die Grenze zur unzulässigen Leitungsübertragung ist aber jedenfalls dann überschritten, wenn ein Teilbereich der Leitungsaufgaben des Vorstands komplett oder in erheblichem Umfang der Zustimmung des Dritten unterworfen wird, da unternehmerische Entscheidungen dann nicht mehr ohne oder gegen den Willen des Dritten getroffen werden können. Unzulässig wäre es beispielsweise, die komplette Finanzplanung einer Gesellschaft dem Zustimmungsvorbehalt eines Dritten zu unterwerfen. Es bestünde die Gefahr, dass der Dritte seine Zustimmung zu einer im Gesellschaftsinteresse gebotenen Kapitalaufnahme verweigert, weil diese 152 Leuschner, Konzernrecht, S. 255 bezüglich der parallel gelagerten Problematik bei Vereinbarung statutarischer Mitwirkungsrechte. 153 So auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Goslar, EWiR 2013, 193, 194; Paschos, NZG 2012, 1142, 1443. A.A. LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1153 sowie König, NZG 2013, 452, 453. Die Unzulässigkeit von Zustimmungsvorbehalten wird auch bejaht von Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 25; Hölters/ Weber, § 76 AktG Rdn. 16. Für die Unzulässigkeit von financial covenants, soweit die Möglichkeit besteht, Leitungsentscheidungen kraft eines Veto- oder Zustimmungsrechts zu blockieren, sprechen sich Fleischer, ZIP 1998, 313, 320 f. und Weitnauer ZIP 2005, 1442, 1446 aus. A.A. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1601. 154 Leuschner, Konzernrecht, S. 255.
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seinen Interessen widerspricht und er eine Verwässerung seines Anteils vermeiden will. Nicht zu beanstanden ist es indes, wenn der Vorstand Einzelmaßnahmen von der Zustimmung eines Dritten abhängig macht.155 Der Sache nach liegt einem Zustimmungsvorbehalt, eine Entscheidung des Vorstands zugrunde, die in Frage stehende Maßnahme weder jetzt noch in Zukunft durchzuführen. Plastisches Beispiel ist der dem Urteil des LG München zugrunde liegende Sachverhalt. Der Vorstand der W.E.T. Automotive Systems AG verpflichtete sich, ohne Zustimmung des Dritten für einen Zeitraum von 18 Monaten weder das genehmigte Kapital auszunutzen noch Aktien zu erwerben oder zu veräußern oder Aktienoption oder ähnliche Instrumente auszugeben.156 Der Vorstand übte also sein Leitungsermessen dahin aus, auf entsprechende Kapitalmaßnahmen für einen absehbaren Zeitraum zu verzichten. Die Vereinbarung der Zustimmungsvorbehalte stellt sich – worauf Paschos zu Recht hinweist – lediglich als Umsetzung dieses bereits zuvor getroffenen Leitungsentscheidung dar.157 Die vertragliche Selbstbindung stellt sich demnach nicht als Preisgabe sondern als Resultat der Ausübung von Leitungsmacht dar. Unter dem Aspekt der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht ist die Entscheidung eine Maßnahme weder jetzt noch zukünftig vorzunehmen nicht zu beanstanden. Klammert man die seltenen Fälle aus, in denen sich das Leitungsermessen des Vorstands auf null reduziert, wird es dem Vorstand auch regelmäßig unbenommen sei, eine Leitungsmaßnahme nicht vorzunehmen. Es ist nicht einsichtig, warum der Vorstand eine Maßnahme unterlassen, das Unterlassen dann aber nicht gegenüber Dritten zusichern darf. Für die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts kann dann nichts anderes gelten. Die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts stellt sich vielmehr als milderes Mittel dar, das den Spielraum der Gesellschaft nicht beschränkt sondern ihn vergrößert. An die Stelle der Vereinbarung, die Maßnahme schlicht zu unterlassen, tritt die Möglichkeit die Maßnahme mit Zustimmung des Dritten doch vornehmen zu können, sollte dies erforderlich sein. Selbstverständlich sind entsprechende Selbstbindungen nicht grenzenlos zulässig. Die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts muss mit dem Gesellschafts155 So auch Goslar, EWiR 2013, 193, 194; Paschos, NZG 2012, 1142, 1443. A.A. LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1153 sowie König, NZG 2013, 452, 453. 156 Es erscheint zudem fraglich, ob die Ausnutzung genehmigten Kapitals, der Erwerb eigener Aktien oder die Ausgabe von Aktienoptionen tatsächlich als Leitungsaufgaben zu charakterisieren sind. Das LG München bejaht dies, ohne sich mit der Frage nach dem Inhalt des Leitungsbegriffs näher auseinanderzusetzen. Dies mit beachtlichen Argumenten in Zweifel ziehend König, NZG 2103, 452, 454. Ihr zustimmend Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. Der Grundsatz der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht erfasst aber lediglich Leitungsentscheidungen nicht bloße Geschäftsführungsmaßnahmen. Selbstbindungen im Bereich der Geschäftsführung sind grundsätzlich unproblematisch möglich. Aus diesem Grund ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob die in Frage stehende Vereinbarung tatsächlich den Leitungsbereich oder aber nur den Geschäftsführungsbereich betrifft. 157 Paschos, NZG 2012, 1142, 1143.
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interesse in Einklang stehen.158 Ein Verstoß liegt dann vor, wenn der Leitungsspielraum des Vorstands in Ansehung des Gesellschaftsinteresses in unvertretbarer Weise eingeschränkt wird.159 d) Vorgaben für die Bildung von Ausschüssen und Beiräten Die Schaffung eines neben den Vorstand tretenden und mit gesellschaftsexternen Personen besetzten Beirats, Ausschusses oder ähnlichen Gremiums ist ebenfalls kritisch zu sehen. Zwar ist die Bildung eines solchen Zusatzorgans ausweislich der Regelung des § 285 Nr. 9 HGB grundsätzlich zulässig, allerdings dürfen ihm weder Kompetenzen des Vorstands noch Befugnisse des Aufsichtsrats übertragen werden. Eine schuldrechtliche Vereinbarung, gemäß der die Aufgabe des zusätzlichen Gremiums über die bloße Unterstützung des Vorstands hinausgeht, ist im Aktienrecht unzulässig.160 Dies gilt namentlich für die in business combination agreements weit verbreiteten Integrationsausschüsse161, die mit Vertretern beider Vertragspartner besetzt sind und denen die Aufgabe zugewiesen ist, die Vorbereitung des Zusammenschlusses und die Einhaltung der Vorgaben der Zusammenschlussvereinbarung zu überwachen sowie im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss stehende Einzelfragen zu entscheiden, soweit diese von grundsätzlicher Bedeutung sind.162 Die Einrichtung entsprechender Gremien ist prinzipiell nicht zu beanstanden, mit der Wahrnehmung von Leitungsaufgaben dürfen sie allerdings nicht betraut werden. Anders als Informations- und Kontrollrechte, bewegt sich die Übertragung der Entscheidungskompetenz in Einzelfragen (etwa über die Durchführung bewertungsrelevanter Maßnahmen) indes in einem Grenzbereich. Insoweit ist im jeweiligen Einzelfall zunächst genau zu prüfen, ob die dem Gremium zur Entscheidung zugewiesene Frage dem Bereich der Geschäftsführung zuzuordnen ist oder ob diese tatsächlich dem Bereich der Unternehmensleitung unterfällt. Sollte Letzteres zu bejahen sein, ist die Ver158
Goslar, EWiR 2013, 193, 194; Paschos, NZG 2012, 1142, 1143. So bspw. Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 45; Schmidt/Lutter/ Seibt2, § 76 AktG Rdn. 10. Ausführlich dazu unten Teil 4, A., II. 2. 160 So im Ergebnis auch Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510 ff.; Großkomm. AktG/ Kort4, § 76 AktG Rdn. 14 f.; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 10; Hölters/ Weber, § 76 AktG Rdn. 17. 161 Vgl. die Übersicht bei Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 110 ff. 162 Ein Muster einer entsprechenden Vertragsklausel findet sich im Beck’schen Formularbuch Merger & Acquisitions/Seibt2, L.II.2 Anm. 11, S. 1551. Die Bildung eines Integrationsausschusses sehen u. a. die business combination agreements zwischen der Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG und UniCredito Italiana S.p.A. v. 12. Juni 2005, die Vereinbarung zwischen GPC Biotech AG und Agennix Inc. v. 18. Februar 2009, die Vereinbarung zwischen Wave Light AG und Alcon. Inc. v. 16. Juli 2007 sowie die Vereinbarung zwischen EPCOS AG und TDK Corp. V. 31. Juli 2008 vor, wobei Letztere die Bildung erst für die Zeit nach Vollzug der Transkation vorsahen. 159
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einbarkeit der Abrede mit dem Verbandszweck nur dann zu bejahen, wenn die Mehrheitsverhältnisse und Abstimmungsregeln innerhalb des Gremiums verhindern, dass der Dritte der Gesellschaft seinen Willen aufzwingen kann. Nur in diesem Fall bleibt die Entscheidungskompetenz des Vorstands in Fragen der Unternehmensleitung gewahrt. Eine diesen Anforderungen gerecht werdende Vereinbarung müsste demnach vorsehen, dass den Bereich der Unternehmensleitung betreffende Entscheidungen nur mit einfacher oder je nach Besetzung des Gremiums qualifizierter Mehrheit getroffen werden und, sollte diese Mehrheit verfehlt werden, dem an sich zuständigen Organ, sprich dem Vorstand der Gesellschaft, zur Entscheidung vorgelegt werden.163
II. Zulässigkeit der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte Dass der Vorstand sich in Leitungsfragen dem Einfluss eines Dritten öffnet, ist unter dem Gesichtspunkt des Verbandszwecks nicht zu beanstanden. Vertragliche Einwirkungsrechte, die dem Dritten die Einflussnahme auf die Geschäftspolitik einer Gesellschaft ermöglichen, sind zulässig, solange und soweit sie die Befugnis des Vorstands, die unternehmerischen Entscheidungen zu treffen, unangetastet lassen.164 Die vertragliche Abrede darf mithin nicht dazu führen, dass ein außenstehender Dritter das Ergebnis des Prozesses der Entscheidungsfindung bestimmen kann, weil in diesem Fall der reglementierende Effekt der mittelbaren Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung unterminiert wird. Der Einfluss eines Dritten darf nicht über die Mitwirkung im Rahmen der Entscheidungsfindung hinausgehen. Bei Beachtung dieser Vorgaben kommt es nicht zu dem bei der Übertragung von Leitungsaufgaben zu beklagenden Kontroll- und Überwachungsdefizit, da die Leitungstätigkeit des Vorstands in unvermindertem Maße der Überwachung durch den Aufsichtsrat unterliegt. Die tragende Säule der Einflussmöglichkeiten der Hauptversammlung bleibt mithin bestehen. 1. Kein Verbot der Vorwegbindung des Vorstandshandelns Die grundsätzliche Vereinbarkeit vertraglicher Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung mit dem Verbandszweck der Aktiengesellschaft darf indes nicht 163 Vgl. die sich im Beck’schen Formularbuch Merger & Acquisitions/Seibt2, L.II.2 Anm. 11, S. 1551 findende Musterklausel 4.4. 164 Ähnlich auch Großkomm. AktG/Kort4, § 76 AktG Rdn. 158; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 16, die schuldrechtliche Vereinbarungen, aus denen sich eine (langfristige) Bindung der Geschäftspolitik ergibt, solange für zulässig erachten, wie dem Dritten keine unmittelbare Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftspolitik eigeräumt wird. A.A. Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f., der Erklärungen des Vorstands, die den Leitungsauftrag des § 76 Abs. 1 AktG einschränken, als unzulässigen Eingriff in das Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft betrachtet und dem Vorstand die Befähigung zur Abgabe entsprechender Erklärungen abspricht. Dieser könne auf sein Leitungsrecht nicht verzichten.
A. Zulässigkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter
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als Freibrief für die schrankenlose Preisgabe der Leitungsmacht durch den Vorstand missverstanden werden. Da eine Gefährdung der Leitungsautonomie des Vorstands durch einen hohen Grad an Fremdbestimmung nicht von der Hand zu weisen ist, wecken auf rechtsgeschäftlicher Basis außerhalb des Unternehmensvertragsrechts gründende Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Unternehmensleitung Bedenken im Hinblick darauf, ob in diesem Fall noch von eigenverantwortlicher, weisungsfreier Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand gesprochen werden kann. Die Zulässigkeit von Absprachen, die das Leitungsermessen des Vorstands für die Zukunft binden und damit den unternehmerischen Handlungsspielraum einengen, wird von Teilen der Literatur in Zweifel gezogen. Aus dem damit angesprochenen Verbot der Vorwegbindung des Vorstandshandelns könnte sich eine neben den Verbandszweck tretende Schranke für die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte ergeben. a) Diskussionsstand Nach Ansicht eines Großteils der Literatur folgt aus dem Recht des Vorstands zur Ausübung eines weiten Geschäftsleiterermessens die Pflicht, sich dieses Ermessensspielraums nicht vorzeitig zu begeben.165 Aufbauend auf dem Gedanken, dass die Leitungsautonomie des Vorstands auch die Selbstbestimmung der Aktiengesellschaft im Außenverhältnis gewährleiste, wird § 76 Abs. 1 AktG ein die vertraglichen Bindungsmöglichkeiten der Aktiengesellschaft begrenzendes Verbot der Vorwegbindung des Vorstandshandelns entnommen, das es dem Vorstand untersagt, sich hinsichtlich seines zukünftigen Leitungsverhaltens festzulegen.166 Mit diesen Maßgaben geraten vertragliche Bindungen, die Einwirkungsrechte Dritter auf die Unternehmensleitung beinhalten, in Konflikt, weil diese naturgemäß den Leitungsspielraum des Vorstands einschränken. Nimmt man die Anerkennung des Verbots der Vorwegbindung ernst, so hätte dies deren Unzulässigkeit, genauer deren Unwirksamkeit, zur Folge.167 165
Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 60. So auch die in Fn. 164 Genannten. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 68; ders., ZIP 2003, 1, 11; ders., FS Schwark, 137, 149; Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 7 und 11 (der sogar die Festlegung einzelner wesentlicher Leitungsmaßnahmen für unzulässig erachtet); ders., FS Schwark, S. 185, 196; Heidel/Oltmanns3, § 76 AktG Rdn. 7; Otto, NZG 2013, 930, 934 f. (der das Verbot der Vorwegbindung auch auf Bindungen hinsichtlich Geschäftsführungsmaßnahmen erstreckt); Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 16. Ähnlich auch Kiem, AG 2009, 301, 308; Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f.; Mertens, AG 1982, 141, 150. Explizit a.A. Schmidt/Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 10; ders., FS K. Schmidt, S. 1463 ff. Kritisch auch Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 49 ff. 167 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 149 f.; Hüffer, FS Schwark, S. 185, 196; Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f. sprechen allgemein von der Unverbindlichkeit eines entsprechenden Rechtsgeschäfts. Strenger Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 46; sowie Ederle, AG 2010, 273, 276; Veelken, Betriebsführungsverträge, S. 229; Veil, Unternehmensverträge, S. 134 denen zufolge § 76 AktG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt, 166
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Zur Begründung des Verbots der Vorwegbindung168 wird mitunter schlicht darauf verwiesen, dass eine Bindung des Vorstands an den Einfluss Dritter mit dem Gebot eigenverantwortlicher Leitung nicht zu vereinbaren sei, da sich die zukünftigen Entwicklungen niemals vollständig überblicken ließen.169 Im Übrigen wird angeführt, dass in der Selbstbindung des Vorstands eine unzulässige Vorwegnahme der Leitungsentscheidung zu sehen sei. Diese müsse der Vorstand in seiner jeweils aktuellen Zusammensetzung treffen, ohne durch frühere Beschlüsse gebunden zu sein.170 Außerdem müsse er seine Entscheidungen mit dem Sorgfaltsstandard des § 93 Abs. 1 AktG überprüfen und gegebenenfalls korrigieren können.171 Zudem seien Vorwegbindungen nicht mit der treuhänderischen Struktur der Unternehmensleitung zu vereinbaren, die keine Unterwerfung unter den Willen Dritter dulde.172 b) Selbstbindung des Vorstands in Leitungsfragen nicht per se unzulässig Ein derartiges Verbot der Vorwegbindung ist nicht anzuerkennen.173 Bereits die zugrundeliegende Annahme, dass § 76 Abs. 1 AktG Außenwirkung entfalte und die Gesellschaft vor übermäßigem Außeneinfluss abschirme, ist unzutreffend. Der Regelungsgehalt des § 76 Abs. 1 AktG beschränkt sich auf die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung.174 Auch die weitere Argumentation der h.M. vermag ein derartiges Verbot nicht zu rechtfertigen. Als Hauptargument für die Beschränkung der Vertragsfreiheit wird ins Feld geführt, dass der Vorstand über Leitungsentscheidungen in seiner jeweils aktuellen Besetzung und anhand der aktuellen Beschlusslage zu entscheiden habe. Es sei Aufgabe von § 76 Abs. 1 AktG, den Vorstand von Zukunftsbindungen freizuhalten.175 Der Einwand, dass zukünftige Entwicklungen nie vollständige zu überblicken seien, zielt in die gleiche Richtung. Dies überzeugt aber schon deshalb nicht, weil die Beschränkung künftiger Ermessensspielräume die zwangsläufige Folge der weshalb mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbare Rechtsgeschäfte nichtig seien. In diese Richtung auch Otto, NZG 2013, 930, 935, Fn. 38. 168 Zusammenfassend Fleischer, ZIP 2003, 1, 10 f. 169 Mertens, AG 1982, 141, 150; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 25. 170 Hüffer, FS Schwark, S. 185, 196; Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f; Köln. Komm. AktG/ Mertens/Cahns3, § 76 AktG Rdn. 47; Hölters/Weber, § 76 AktG Rdn. 16. 171 Hüffer, FS Schwark, S. 185, 196. 172 Fleischer, ZIP 2003, 1, 10 f. 173 So Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 50 sowie Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Goslar, EWiR 2013, 193, 194; Paschos, NZG 2012, 1142, 1143; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 10. 174 Vgl. nur Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 284 sowie die Ausführungen oben Teil 4, A., I., 3., a). 175 Lutter, FS Fleck, S. 169, 184. Zustimmend Fleischer, FS Schwark, S. 137, 149; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 47.
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Ausübung von Ermessen ist. Ein pauschales Verbot der Vorwegbindung grenzt die unzulässige Ermessenseinschränkung nicht ausreichend von der zulässigen Ermessensausübung ab.176 Ungleich schwerer wiegt, dass der angestrebte Schutz der Ermessensfreiheit – konsequent zu Ende gedacht – an sich die Vornahme jedweder Leitungsentscheidung verbietet, da diese stets mit einer Vorwegbindung der Gesellschaft bzw. einer Verengung des zukünftigen Handlungsspielraums des Vorstands einhergehen. Leitungsentscheidungen zeichnen sich gerade durch ihren Grundsatzcharakter, eine hohe Bindungswirkung, insbesondere auch für Folgeentscheidungen sowie ihre Zukunftsgerichtetheit aus.177 Ein weitgehendes Verbot der Vorwegbindung künftigen Vorstandshandelns hätte einen kaum eingrenzbaren und außerordentlich verunsichernden Eingriff in die Vertragsfreiheit der Aktiengesellschaft zur Folge, der deren Fähigkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr in nicht hinnehmbarer Weise einschränken würde.178 Ihm wohnt die Tendenz inne, den Schutz der Autonomie der Gesellschaft um den Preis einer weitgehenden Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit zu erkaufen. Strategische Allianzen, die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, Bindungen aus Konsortialverträgen oder langfristige Kredit-, Projektoder Lieferverträge, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. All diese Verträge engen den zukünftigen unternehmerischen Handlungsspielraum des Vorstands ein und sind aus der Unternehmenspraxis nicht wegzudenken. Oftmals sind die damit verbundenden Selbstbindungen des Vorstands Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaft sich ihr bietende Geschäftschancen wahrnehmen kann.179 Ein Verbot rechtsgeschäftlicher Vorwegbindung zukünftigen Leitungsverhaltens würde ihre Wirksamkeit zumindest in Frage stellen. Schließlich sind Vereinbarungen, die die Leitungsautonomie einschränken, nach einer unzutreffenden, aber dennoch weit verbreiteten Ansicht unwirksam.180 Ein sachlich nicht gebotener absoluter Schutz der Gesellschaft vor der Einflussnahme Dritter, würde um den Preis des wirtschaftlichen Erfolgs der Gesellschaft erkauft. In den Kategorien des Verbandszwecks gesprochen, stellt das Verbot der Vorwegbindung den Aspekt der Autonomie über den Aspekt der Gewinnerzielung und zeitigt ein Ergebnis, das schwerlich mit dem mutmaßlichen Willen der Aktionäre in Einklang zu bringen ist. 176
So auch Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 69. Vgl. oben Teil 3, B., II., 2., d), bb). 178 So auch Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 53. 179 Paschos, NZG 2012, 1142, 1144. 180 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 149 f.; Hüffer, FS Schwark, S. 185, 196; Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f. sprechen allgemein von der Unverbindlichkeit eines entsprechenden Rechtsgeschäfts. Strenger LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1154 sowie Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 46; Veelken, Betriebsführungsverträge, S. 229; Veil, Unternehmensverträge, S. 134 denen zufolge § 76 AktG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB und mit § 76 Abs. 1 AktG unvereinbare Rechtsgeschäfte demnach nichtig seien. In diese Richtung auch OLG München v. 14. November 2012 – 7 AktG 2/12 = NZG 2013, 459, 461. A.A. Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1845. 177
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Dass eine derartige Beschneidung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft viel zu weit ginge, wird auch von den Befürwortern des Verbots der Vorwegbindung nicht in Abrede gestellt. Diese sehen sich daher zur Bildung von Ausnahmetatbeständen gezwungen, um die Zulässigkeit entsprechender schuldrechtlicher Dauerbindungen zu begründen.181 Zufriedenstellend ist dies nicht. Durch das Hantieren mit unklaren Ausnahmeregelungen verbleibt ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Nicht umsonst wird konstatiert, dass sich „eine verallgemeinerungsfähige Formel, wann der Grundsatz der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht in derartigen Fällen [Fallgestaltungen, in denen die Leitungsautonomie des Vorstands durch einen hohen Grad an Fremdbestimmung gefährdet ist] verletzt ist, […] mangels einschlägiger Spruchpraxis bis heute nicht herausgebildet“ hat.182 Mag man die Unsicherheit über die Wirksamkeit eines Vertrags beim Abschluss eines Geschäfts des täglichen Lebens, sei es der Not gehorchend oder mangels praktischer Relevanz, mitunter noch hinnehmen können. Im Kernbereich der Unternehmensführung einer Aktiengesellschaft ist dies nicht akzeptabel. Wenn es nicht möglich ist, einer die Kontrahierungs- und unternehmerische Handlungsfähigkeit der Aktiengesellschaft dermaßen beeinträchtigende Rechtsfigur handhabbare Konturen zu verleihen, so ist diese bereits aus diesem Grund und ungeachtet der vorliegend sonst noch gegen ihre Anerkennung sprechenden Argumente, aufzugeben. Insoweit lässt sich nicht einwenden, dass die Aufgabe bzw. Nichtanerkennung des Verbots der Vorwegbindung einen verminderten Schutz der Leitungsautonomie des Vorstands respektive der Autonomie der Aktiengesellschaft zur Folge hat. Einen absoluten Schutz der Willensbildungsautonomie des Vorstands fordert das AktG gerade nicht. Ausweislich § 117 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 unterscheidet das AktG zwischen fremdbestimmtem und pflichtwidrigem Handeln des Vorstands und gibt damit zu erkennen, dass die Fremdbestimmung des Verhaltens der Vorstandsmitglieder allein nicht als eine Sorgfaltspflichtverletzung zu begreifen ist.183 Das AktG gestattet es den Vorstandsmitgliedern folglich, sich der Einflussnahme seitens eines Dritten zu öffnen. Folglich ist auch der Abschluss rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen, die Dritten Einfluss auf die Unternehmensleitung eröffnen, zulässig. Ein Verbot lässt sich weder auf den Verbandszweck und erst recht nicht auf § 76 Abs. 1 AktG stützen.
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Begründet werden diese damit, dass schuldrechtliche Dauerbindungen nicht zu einer förmlichen, sondern nur zu einer faktischen Entäußerung von Leitungsbefugnissen führten; keine direkte, sondern nur eine indirekte Einflussnahme auf die längerfristige Unternehmenspolitik darstellen; nicht in die korporative, sondern in die außerkorporative Sphäre fallen; keine Einschränkung, sondern eine Ausübung des Leitungsermessens seien, welches gerade in strategischen Zielsetzungen sinnfällig zum Ausdruck komme. So Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 76 sowie ders., FS Schwark, S. 137, 150 ff. m.w.N. 182 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 68. So auch Hüffer10, § 76 AktG Rdn. 11; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 48. 183 Vgl. dazu auch Voigt, Einfluss, S. 51.
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Ein sog. Verbot der Vorwegbindung, das es dem Vorstand untersagt, seinen Spielraum für zukünftige Leitungsentscheidungen einzuengen, ist daher entgegen der h.M. nicht anzuerkennen. Stattdessen sind derartige Vereinbarungen einer inhaltlichen Kontrolle am Maßstab des Gesellschaftsinteresses zu unterwerfen.184 Der Vorstand ist – bei Ausrichtung seines Handelns am Gesellschaftsinteresse – frei, sich der Einflussnahme Dritter zu öffnen. An die Stelle des von der h.M. postulierten Verbots mit – unklarem – Erlaubnisvorbehalt, tritt eine „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“. Diese Lösung ist dank der Möglichkeit, die Umstände des Einzelfalls in die Betrachtung mit einzubeziehen, einem dem Alles-oder-Nichts-Prinzip verhafteten Verbot überlegen. Die organschaftliche Verantwortlichkeit des Vorstands gemäß § 93 Abs. 2 AktG bietet insoweit im ausreichenden Maße Gewähr dafür, dass der Vorstand weder in einem unzulässigen Maße Einwirkungsrechte Dritte begründet noch sich später dem Einfluss des Dritten beugt und dem Gesellschaftsinteresse zuwiderlaufende Leitungsentscheidungen trifft.185 Die Verantwortlichkeit des Vorstands wird durch eine mögliche Haftung des Vertragspartners für schädigende Einflussnahmen auf die Unternehmensleitung gemäß § 117 Abs. 1 AktG ergänzt.186 2. Gesellschaftsinteresse als Maßstab der Zulässigkeit vertraglicher Einwirkungsrechte Nach dem soeben Gesagten ist vertraglich begründeten Einwirkungsrechten auf die Unternehmensleitung weder angesichts des aus dem Verbandszweck abgeleiteten Grundsatzes der Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht noch unter dem Gesichtspunkt einer verbotenen Vorwegbindung des Vorstandshandelns die rechtliche Anerkennung zu versagen. a) Beurteilungsspielraum des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Dass der Vorstand berechtigt ist, sich der Einflussnahme des Dritten zu öffnen und dessen Vorstellungen im Rahmen seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, enthebt ihn nicht von der Pflicht, sein Handeln am Interesse der Gesellschaft auszurichten (§ 93 Abs. 1 AktG). Der Abschluss einer vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung begründenden Vereinbarung stellt eine unternehmerische (Leitungs-)Entscheidung des Vorstands nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dar, deren Zulässigkeit davon abhängig ist, ob die Gewährung des in Rede stehenden 184 So auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Goslar, EWiR 2013, 193, 194; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 45; Paschos, NZG 2012, 1142, 144; Spindler/Stilz/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 10. Dazu sogleich ausführlich unten Teil 4, A., II., 2. 185 In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen von Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 69 und 76; ders., FS Schwark, 137, 151, der sich im Ergebnis dennoch für die Beibehaltung des Verbots der Vorwegbindung ausspricht. 186 Ausführlich zur Haftung des Vorstandsmitglieder und des Dritten unten Teil 4, E.
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Einwirkungsrechts mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu vereinbaren ist. Maßstab ist das Gesellschaftsinteresse, als die für den konkreten Fall entwickelte Anwendung des auf autonome Gewinnerzielung ausgerichteten Verbandszwecks.187 Entscheidend ist demnach, ob ein pflichtbewusster Geschäftsleiter die mit der Begründung des Einwirkungsrechts einhergehende Beschränkung seines unternehmerischen Handlungsspielraums als im Gesellschaftsinteresse geboten ansehen darf.188 Zulässig ist das Eingehen einer solchen vertraglichen Bindung demnach dann, aber auch nur dann, wenn diese auf einer auf Grundlage angemessener Informationen getroffenen Ermessensentscheidung des Vorstands beruht und der Nachteil des zukünftig eingeschränkten Leitungsspielraums durch korrespondierende Vorteile für die Gesellschaft zumindest aufgewogen wird. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt dem Vorstand, wie bei jeder anderen unternehmerischen Entscheidung auch, ein nur eingeschränkt kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zu Gute.189 Der zulässige Umfang vertraglicher Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung, respektive das Maß zulässiger Beschränkung des Leitungsspielraums, ist dabei stets in Ansehung des konkreten Falls festzulegen. Die zeitlichen und sachlichen Grenzen der Selbstbindung des Vorstands sind anhand des mit ihr verfolgten Ziels zu bestimmen.190 Geboten ist eine sämtliche Umstände des Einzelfalls einbeziehende Beurteilung der in Frage stehenden Vereinbarung. Unzulässig ist die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte daher dann, wenn die dem Dritten gewährten Einflussrechte in einem unvertretbaren Missverhältnis zu den der Gesellschaft aus der Vereinbarung erwachsenden Vorteilen stehen.191 Ungeachtet dieses weiten Ermessensspielraums muss der Vorstand bei seiner Entscheidungsfindung aber gewisse Grundsätze beachten. Zu fordern ist vor allem 187 So Mülbert, ZGR 1997, 129, 141; Zöllner, Schranken, S. 23 f. sowie Köln. Komm. AktG/ders.1, Einl. Rdn. 107 und § 243 AktG Rdn. 178. Ebenso Birke, Formalziel, S. 144; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 147; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 254. 188 Ähnlich auch Schmidt/Lutter/Seibt2, § 76 AktG Rdn. 10; ders. in: Übernahme- und kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S 105, 125 f., der darauf abstellt, dass die (i) die Eingehung der Vereinbarung im Unternehmensinteresse liegt und (ii) eine Fiduciary-OutKlausel besteht. Im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot sei zudem (iii) zu fordern, dass die Regelung keinen unangemessenen Druck auf die Organe und Aktionäre der Zielgesellschaft bei der Bewertung des Angebots entfalte. Ebenfalls auf das Kriterium des Gesellschaftsinteresses zurückgreifend auch Schmidt/Lutter/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 77; Goslar, EWiR 2013, 193, 194; Paschos, NZG 2012, 1142, 1143; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 53; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 76 AktG Rdn. 25 a.E. 189 I. E. gleichsinnig Spindler/Stilz/Fleischer2, § 76 AktG Rdn. 65 sowie Seibt, FS K. Schmidt, S. 1463, 1476, allerdings zur Frage der Zulässigkeit der Aufgabenzuweisung an nachgelagerte Unternehmensebenen. 190 Goslar, EWiR 2013, 193, 194. 191 Fleischer, FS Schwark, S 137, 152.
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die Schaffung einer angemessenen Informationsgrundlage. Dies ist unabdingbare Voraussetzung einer ausgewogenen Entscheidungsfindung. Der Vorstand ist verpflichtet, sorgfältig die für und wider eine bestimmte Entscheidung sprechenden Aspekte zu ermitteln und dabei ein besonderes Augenmerk auf die mit Abschluss der Vereinbarung verbundenen Chancen und Risiken sowie mögliche Handlungsalternativen zu legen. Zu diesem Zweck sind alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen und eine der konkreten Entscheidungssituation in Anbetracht des zu Verfügung stehenden Zeitrahmens sowie der Kosten und des Nutzens weiterer Informationsgewinnung angemessene Tatsachenbasis zu schaffen.192 Auf Basis der so geschaffenen Tatsachengrundlage hat der Vorstand dann seine Entscheidung zu treffen. Die vom Vorstand getroffene Beurteilung ist hinzunehmen, wenn sie aus der ex-ante Perspektive der Entscheidungsfindung nachvollziehbar oder vernünftig erscheint.193 Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Abzustellen ist auf die Sichtweise eines vernünftig urteilenden Vorstandsmitglieds zum damaligen Zeitpunkt.194 Das die Einschätzung des Vorstands sich ex-post als falsch erwiesen hat, zu denken ist beispielsweise daran, dass dieser das Verhältnis von Vor- und Nachteilen der Vereinbarung falsch eingeschätzt hat, begründet für sich genommen keinen Sorgfaltsverstoß und ist für die Zulässigkeit der Vereinbarung ohne Belang. b) Keine starre sachliche Grenze zulässigen Dritteinflusses Dem Vorstand ist es untersagt, Leitungsaufgaben, namentlich die Entscheidungskompetenz in Leitungsfragen, auf Dritte zu verlagern. Weitergehende Vorgaben, lassen sich angesichts der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Vertragsgestaltungen, nicht aufstellen.195 Maßstab der Zulässigkeit entsprechender Vereinbarungen ist stets und ausschließlich das Gesellschaftsinteresse. Eine Blaupause für die Zulässigkeit vertraglicher Einwirkungsrechte existiert nicht. Die Zulässigkeit ist demnach stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Die konkrete Vereinbarung ist aktienrechtlich zulässig, wenn sie (1) die Leitungskompetenz des Vorstands unangetastet lässt und (2) die Beschränkung des Handlungsspielraums des Vorstands in Ansehung der damit verbundenen Vorteile dem Gesellschaftsinteresse entspricht. Im Rahmen seiner Entscheidung hat der Vorstand dabei insbesondere die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft in seine Überlegungen mit ein192 Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 33; Münch. Komm. AktG/ Spindler3 § 76 AktG Rdn. 47. 193 Vgl. bspw. Hüffer10, § 93 AktG Rdn. 4 h; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 23. 194 Vgl. bspw. Münch. Komm. AktG /Spindler3, § 93 AktG Rdn. 53. 195 In diese Richtung auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844, die verallgemeinernd vom Erfordernis zeitlicher und sachlicher Beschränkungen sprechen.
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zubeziehen. Bedenkenswert sind der Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft, die Bedingungen und Aussichten des Marktes, auf dem die Gesellschaft tätig wird, sowie die in diesem Zusammenhang bestehenden Geschäftschancen und Risiken. Bildet der Abschluss einer, vertragliche Einwirkungsrechte umfassenden Vereinbarung die Voraussetzung für die wirtschaftliche Expansion oder die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsposition eines Unternehmens, so steht die Tatsache, dass dem Vertragspartner umfangreiche Mitspracherechte gewährt werden, der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens nicht im Wege. Die Einräumung auch sehr weitgehender Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung lässt sich zudem mit dem Argument, dass dies zur Sicherung des Forstbestehens des Unternehmens erforderlich sei, rechtfertigen. Ein prägnantes Beispiel bilden Darlehensverträge. Befindet sich eine Gesellschaft in der Krise und ist ihre Existenz von der Gewährung eines Darlehens abhängig, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Vorstand umfangreiche Bedingungen und Verhaltenspflichten (sog. financial covenants) akzeptiert.196 Die damit verbundene Einschränkung seiner unternehmerischen Handlungsfähigkeit liegt im Gesellschaftsinteresse. Eine Grenze ist allerdings dann erreicht, wenn das Ausmaß der dem Dritten gewährten Einwirkungsrechte einer faktischen Übertragung von Leitungsaufgaben gleichkommt. Dementsprechend sind Weisungsrechte oder Bestellungsrechte zugunsten des Kapitalgebers unzulässig.197 Das Verbot der Übertragung der Leitungsmacht darf, auch zur Existenzsicherung, nicht mittels geschickter Vertragsgestaltung umgangen werden. Eine die Autonomie der Gesellschaft berührende Preisgabe von Leitungsbefugnissen ist ohne Änderung des Verbandszwecks unzulässig. Zu weit geht es daher, wenn unter Verweis auf die Sicherung des Überlebens der Gesellschaft ein die Autonomie der Gesellschaft in Frage stellendes Ausmaß an Einfluss auf die Unternehmensleitung für zulässig erachtet wird.198 Der Abschluss einer derartigen Vereinbarung ist verbandszweckwidrig und liegt unter keinen Umständen im Interesse der Gesellschaft. Sollte die Sicherung der Überlebens- bzw. Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft tatsächlich einmal vom dem Abschluss einer derartigen Vereinbarung abhängen, liegt es an den Aktionären, den Weg dazu durch Änderung des Verbandszwecks freizumachen.199 Diese Aufgabe kann und darf ihnen der Vorstand nicht abnehmen. Er ist weder berechtigt noch verpflichtet, den Fortbestand der von ihm geleiteten Aktiengesell196
Vgl. dazu Seibt, ZIP 2013, 1597, 1601. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1601. 198 A.A. Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 Rdn. 48, denen zufolge Bindungen, die die Möglichkeit des Vorstands, die Unternehmenspolitik an die Marktgegebenheiten anzupassen, aufheben oder die Unterordnung der Gesellschaft unter die Interessen des Vertragspartners bewirken, zulässig seien, wenn die Gesellschaft ohne diese nicht mehr existenzfähig sei. 199 Praktisch wird sich in derartigen Fällen sowieso stets der Abschluss eines Beherrschungsvertrags, unter Umständen kombiniert mit einem Gewinnabführungsvertrag, als einfacher zu realisierende Alternative anbieten. 197
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schaft um jeden Preis zu sichern. Die Entscheidung über den Fortbestand der Gesellschaft obliegt den Aktionären. Als Beispiele für zulässige vertragliche Einwirkungsrechte sind Berichtspflichten sowie Informations- und Konsultationsrechte des Dritten zu nennen, die ersichtlich nicht geeignet sind, die Stellung der Hauptversammlung zu beeinträchtigen. Ebenfalls nicht zu beanstanden sind partielle Kontroll- und Überwachungsbefugnisse, die dem Dritten die Möglichkeit gewähren, die ordnungsgemäße Vertragserfüllung seitens der Gesellschaft zu kontrollieren. Auch punktuelle Abreden, eine bestimmte unternehmerische Entscheidung zu treffen oder zu unterlassen, sind trotz der damit zwangsläufig einhergehenden Bindung in Leitungsfragen zulässig, da es an einer dauerhaften Kompetenzverlagerung fehlt. Entsprechende Vereinbarungen sind typisches Beispiel für die auch im Bereich des unternehmerischen Ermessens zulässige Selbstbindung des Vorstands. Dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Selbstbindungen des Vorstands das Gesellschaftsinteresse und damit der konkrete Einzelfall in den Blick zu nehmen ist, illustriert das Beispiel der Investorenvereinbarung. So finden sich in Investorenvereinbarungen oftmals Abreden, den Gesellschaftssitz nicht zu verlegen, die Börsennotierung der Gesellschaft aufrechtzuerhalten oder die bisherige Unternehmensstrategie nicht zu verändern.200 Insbesondere letzteres erweckt eine gewisse Skepsis, legt der Vorstand sich doch in einem, eindeutig dem Bereich der Unternehmensleitung zuzuordnenden, Aspekt, nämlich der Frage der Unternehmensplanung, fest und schränkt sein zukünftiges Leitungsermessen ein. Unter dem Blickwinkel des Verbots der Vorwegbindung in Fragen der Unternehmensleitung dürfte dies wohl als unzulässig einzustufen sein. Führt man sich allerdings vor Augen, dass Investorenvereinbarungen typischerweise in Übernahmesituationen geschlossen werden und die Zielgesellschaft darauf abzielt, den Einfluss des Dritten zu begrenzen und – wie Kiem es formuliert – „Spielregeln“ für dessen Ausübung der Gesellschafterrechte festzulegen201, wird deutlich, dass entsprechende Festlegungen durchaus im Gesellschaftsinteresse liegen. Da sie Geltung für die Zukunft beanspruchen und unabhängig von der konkreten personellen Zusammensetzung des Vorstands sind, kann der Vorstand auf diesem Weg sicherstellen, dass die Abreden auch dann noch Wirkung entfalten, sollte der Investor die Mitglieder des Vorstands austauschen und „eigene Vertreter“ in den Vorstand berufen. Die Selbstbindung 200 Vgl. die Übersicht über die in Investorenvereinbarungen zu findenden Corporate Governance Regelungen bei Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 110 ff. Die Beibehaltung der bisherigen Unternehmensstrategie wurde u. a. in den Investorenvereinbarungen zws. der D+S Europe AG und der Pyramus S.à.r.l. und der Continental AG und der Schaeffler KG vereinbart. In die gleiche Richtung zielt wohl auch die in der Investorenvereinbarung zwischen der Sunways AG und der LDK Holding Germany GmbH zu findende „Vereinbarung eines Business Plans“. 201 Kiem, AG 2009, S. 301, 302. Eine ausführliche Darstellung der aus Sicht der Beteiligten für den Abschluss einer Investorenvereinbarung sprechenden Gründe findet sich bspw. bei Steinert, Investorenvereinbarung, S. 63 ff.
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ermöglicht es dem Vorstand sicherzustellen, dass die bisherige Unternehmensstrategie auch nach dem Einstieg des Investors und einem eventuell damit verbundenen Kontrollwechsel fortgesetzt wird. Nichts anderes gilt im Hinblick auf Abreden, die die bisherige Finanzpolitik (insbesondere in Bezug auf die Dividendenpolitik und den Verschuldensgrad) festschreiben. Sofern zu erwartende Änderungen der Finanzplanung dem Gesellschaftsinteresse zuwiderliefen, stellt eine derartige Selbstbindung eine zulässige und oftmals wohl auch die einzige Möglichkeit dar, dieses zu wahren. c) Zeitliche Grenzen zulässigen Dritteinflusses Regelmäßig wird sich die Befugnis des Dritten, auf die Unternehmensleitung einzuwirken, nicht in der einmaligen Möglichkeit der Einflussnahme erschöpfen. In diesem Fall ist es, in Anlehnung an die von der Rechtsprechung für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen entwickelten und mittlerweile in § 314 BGB kodifizierten Grundsätze, zwingend erforderlich, dass die Vereinbarung zumindest ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund vorsieht.202 Unentziehbare vertragliche Einwirkungsrechte sind unzulässig. Der Vorstand überschreitet seinen Handlungsspielraum, wenn er die Aktiengesellschaft auf Gedeih und Verderb an einen Dritten bindet. Ein Verzicht auf jegliche Möglichkeit zur Kündigung eines „Dauerschuldverhältnisses“ ist in individualvertraglichen Vereinbarungen prinzipiell unzulässig.203 Eine andere Frage ist, inwiefern der Vorstand vertragliche Einwirkungsrechte nur dann begründen darf, wenn er berechtigt ist die Vereinbarung insgesamt oder zumindest bestimmte seine Leitungsmacht beschränkende Verpflichtungen einseitig zu beenden. Teile der Literatur bejahen dies und machen die Zulässigkeit von Selbstbindungen in Leitungsfragen vom Vorhandensein eines sogenannten fiduciary out abhängig.204 Dem ist zuzustimmen. Der Vorstand der Aktiengesellschaft ist Sachwalter fremder Interessen. Seine Kompetenzen sind ihm nicht zur Verfolgung eigener, sondern zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugewiesen. In seiner 202 Vgl. auch BGH v. 05. Oktober 1981 – II ZR 203/80 = NJW 1982, 1817, 1818 zur Frage der Zulässigkeit eines Betriebsführungsvertrags im Personengesellschaftsrecht. 203 Allgemein zum Erfordernis des Rechts zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund Münch. Komm. BGB/Gaier6, § 314 BGB Rdn. 4 m.w.N. 204 Paschos, NZG 2012, 1142, 1144; Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 126. Ebenso Steinert, Investorenvereinbarungen, S. 176 f. und S. 180 für no-talk-Klauseln und Verpflichtungen eine Empfehlung für die Annahme eines Übernahmeangebots abzugeben. A.A. Schall in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 75, 92. Siehe auch Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1845, die eine fiduciary-out-Klausel in Abgrenzung zur Entscheidung des LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152 ff. zwar für beachtenswert, nicht aber für zwingend erachten.
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Stellung als Vorstand handelt er nicht als Privatperson, sondern als Organ der Gesellschaft. Er hat sein Handeln am Gesellschaftsinteresse auszurichten und die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG). Mit dieser Vorgabe geraten Vereinbarungen in Konflikt, die den Vorstand zu einem Handeln oder Unterlassen verpflichten, dass seiner Sorgfaltspflicht widerspricht. Der Vorstand darf eine seine Pflichten verletzenden Handlung nicht nur nicht vornehmen, er darf sich auch nicht zur Vornahme einer solchen Handlung verpflichten. Bindet er sein Leitungsermessen ist der Vorstand folglich gehalten, sicherzustellen, dass er sich weder verpflichtet, eine dem Gesellschaftsinteresse widersprechende Maßnahme vorzunehmen, noch eine im Gesellschaftsinteresse liegende Maßnahme zu unterlassen.205 Selbstbindungen des Vorstands im Bereich seiner Organkompetenzen sind demnach stets mit der Einschränkung zu verbinden, dass diese nur insoweit gelten, als das geforderte Handeln bzw. Unterlassen nicht im Widerspruch zu den organschaftlichen Pflichten steht. 3. Legitimationswirkung eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses? § 119 Abs. 2 AktG eröffnet dem Vorstand die Möglichkeit, in Fragen der Geschäftsführung, eine Entscheidung der Hauptversammlung einzuholen. Unmittelbare Folge eines entsprechenden Beschlusses ist die Haftungsbefreiung gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 respektive § 117 Abs. 2 Satz 3 AktG. Die Rechtsfolgen eines zustimmenden Beschlusses der Hauptversammlung können jedoch über die Entlastung des Vorstands hinausgehen. Die von den Aktionären getroffene Entscheidung über den Beschlussgegenstand ist das Ergebnis des innergesellschaftlichen Willensbildungsprozesses und spiegelt den Willen der (Mehrheit der) Aktionäre wider. Der Zustimmung der Hauptversammlung ist zu entnehmen, dass die Einflussmöglichkeiten des Dritten aus ihrer Sicht nicht nur nicht zu beanstanden sind, sondern dass das Eingehen der entsprechenden Vereinbarung vielmehr sogar wünschenswert ist. Bei Vorliegen eines mit den Stimmen sämtlicher Aktionäre gefassten Beschlusses, ist der Abschluss der Vereinbarung legitimiert. Die in Frage stehende Vereinbarung ist zulässig, da die Aktionäre über das Gesellschaftsinteresse disponieren und dieses ändern und seinen Inhalt neu bestimmen können. Das Gesellschaftsinteresse stellt die für den konkreten Fall entwickelte Anwendung des Verbandszwecks dar, der gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB analog der Verfügungsgewalt der Aktionäre unterliegt. Wenn die Aktionäre aber in der Lage sind den Verbandszweck zu be-
205 Zu dem Gedanken, dass sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft seiner organschaftlichen Pflichten nicht mittels einer vertraglichen Abrede entledigen kann, vgl. Paramount Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 51 (Del 1993): „To the extent that a contract, or a provision thereof, purports to require a board to act or not act in such fashion as to limit the exercise of fiduciary duties, it is invalid and unenforceable.“ Sowie Omnicare Inc. v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914, 936 (Del 2002).
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stimmen, gilt nichts anderes für das Gesellschaftsinteresse, in dem dieser seine Ausprägung im Einzelfall findet.206 Eine um die Zustimmung zur Begründung eines vertraglichen Einwirkungsrechts ersuchende Vorlage an die Hauptversammlung ist daher insbesondere dann von Interesse, wenn die Vereinbarkeit einer vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung beinhaltenden Vereinbarung mit dem Gesellschaftsinteresse zweifelhaft erscheint. Die Zustimmung seitens der Aktionäre stellt klar, dass die Vereinbarung dem Gesellschaftsinteresse entspricht und beseitigt zukünftige Zweifel über ihre Zulässigkeit und Wirksamkeit. a) Voraussetzungen der Legitimationswirkung aa) Zustimmung aller Aktionäre Unerlässliche Voraussetzung der angesprochenen Legitimationswirkung eines Hauptversammlungsbeschluss ist, dass die Gesamtheit der Aktionäre der Gesellschaft ihre Zustimmung erteilt. Ein nur mit den Stimmen einer (qualifizierten) Mehrheit der Aktionäre gefasster Beschluss reicht nicht aus, um auf das Gesellschaftsinteresse einzuwirken und eine dazu in Widerspruch stehende Maßnahme zu legitimieren. Dies folgt aus der Ableitung des Gesellschaftsinteresses aus dem gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Mehrheitsprinzip entzogenen Verbandszweck.207 Mit dem Wesen des Gesellschaftsinteresses als Bündelung der überindividuellen Interessen der Gesamtheit der Aktionäre, ist es nicht in Einklang zu bringen, dass dessen Inhalt durch die Mehrheit der Aktionäre – sei sie auch noch so groß – bestimmt wird. bb) Keine Eintragung im Handelsregister In der (Um-)Definierung des Gesellschaftsinteresses liegt indes eine, punktuelle Änderung des Verbandszwecks. Materiell stellt sich ein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung daher zugleich als Änderung der Satzung der Gesellschaft dar. Die Wirksamkeit des Beschlusses wäre demnach an sich von der Eintragung im Handelsregister (vgl. § 181 Abs. 3 AktG) sowie der Einhaltung der sonstigen Formalia einer Satzungsänderung abhängig.208 206
So auch Köln. Komm. AktG/Zöllner1, Einl. Rdn. 109 sowie ähnlich Schmidt/Lutter/ Schwab2, § 243 AktG Rdn. 4, der einen gegen die Treuepflicht verstoßenden, aber einstimmig gefassten Beschluss für rechtmäßig erachtet. 207 Für das Einstimmigkeitserfordernis bei Änderung des Verbandszwecks auch Hüffer10, § 179 AktG Rdn. 33; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 179 AktG Rdn. 10; Münch. Komm. AktG/Stein3, § 179 AktG Rdn. 132; Köln. Komm. AktG/Zöllner2, § 179 AktG Rdn. 113. A.A. Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 31 ff.; Großkomm. AktG/Wiedemann4, § 179 AktG Rdn. 56. 208 Schmidt/Lutter/Seibt2, § 179 AktG Rdn. 10; Köln. Komm. AktG/Zöllner2, § 179 AktG Rdn. 111 sowie Münch. Komm. BGB/Reuter6, § 33 BGB Rdn. 12.
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Für sog. punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse wird allerdings eine Ausnahme vom Eintragungserfordernis erwogen. Darunter werden Hauptversammlungsbeschlüsse gefasst, die für eine konkrete Einzelsituation von materiellen Satzungsregelungen abweichen, ohne dass die Satzung generell und auf Dauer geändert werden soll.209 Diese fallen entgegen der h.M. bereits der Sache nach nicht in den Anwendungsbereich des Eintragungserfordernisses nach § 181 AktG, schließlich sollen sie gar keine Änderung der Satzung bewirken.210 Dieser Gedanke lässt sich auf Beschlüsse, die nur punktuell auf das Gesellschaftsinteresse einwirken und lediglich eine Einzelmaßnahme legitimieren sollen übertragen. Die Eintragung derartiger Beschlüsse ins Handelsregister ist für deren Wirksamkeit nicht erforderlich. Allerdings sind sie, wenn sie ohne die Zustimmung aller Aktionäre gefasst worden sind, wegen der Nichtbeachtung der Vorschriften der Satzung anfechtbar (§ 243 Abs. 1 Alt. 2 AktG).211 Das Unterbleiben der Eintragung ist daher nur dann folgenlos, wenn ein mit den Stimmen der Gesamtheit der Aktionäre gefasster Beschluss vorliegt. b) Rechtsfolge: Schwebende (Un-)Wirksamkeit aa) Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses Die Legitimationswirkung eines derartigen Hauptversammlungsbeschluss ist demnach von der Zustimmung aller Aktionäre abhängig. Verweigert sich auch nur einziger Aktionär, ist der Beschluss fehlerhaft. Die erforderliche Einstimmigkeit wird in der Praxis regelmäßig nicht zu erlangen sein. In Folge des breit gestreuten Aktienbesitzes ist bei Publikumsgesellschaften bereits die tatsächliche Anwesenheit aller Aktionäre auf der Hauptversammlung unrealistisch.212 Sollte diese Hürde dennoch genommen werden, wird im Regelfall kein einstimmiger Beschluss zustande kommen. Es ist davon auszugehen, dass sich gerade bei komplexen Fragen stets zumindest ein Aktionär findet, der die Ansicht seiner Mitaktionäre nicht teilen wird.
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Vgl. nur Schmidt/Lutter/Seibt2, § 179 AktG Rdn. 19. Ausführlich dazu Zöllner, FS Priester, S. 879, 884 und 891 f. sowie Tieves, ZIP 1994, 1341, 1345 f. Im Ergebnis entspricht dies wohl auch der h.M., die eine Ausnahme vom Eintragungserfordernis anerkennt, wenn die Verletzung der Satzung ungewollt ist, also eine Satzungsänderung nicht beabsichtigt wird. So z. B. Habersack, ZGR 1994, 354, 368; Spindler/ Stilz/Holzborn2, § 179 AktG Rdn. 53; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 179 AktG Rdn. 21; Großkomm. AktG/Wiedemann4, § 179 AktG Rdn. 95. A.A. Münch. Komm. AktG/Stein3, § 179 AktG Rdn. 42, die die Differenzierung zwischen bewusster und unbewusster Satzungsdurchbrechung ablehnt. 211 Zöllner, FS Priester, S. 879, 889 f. 212 2010 lagen die Hauptversammlungspräsenzen bei den im DAX notierten Werten im Durchschnitt bei 56,10 %, bei den im MDAX notierten Werten bei durchschnittlich 64,45 %, bei den Werten des SDAX bei durchschnittlich 61, 98 % und bei den Werten des TecDAX bei durchschnittlich 50,17 %. Vgl. den Bericht der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., HV-Saison 2010, S. 4. 210
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Welche Folgen dies hat, hängt davon ab, ob die Möglichkeit der Einflussnahme seitens des Dritten im konkreten Fall mit dem Gesellschaftsinteresse in Einklang stand oder nicht. Ist ersteres der Fall, ist das vertragliche Einwirkungsrecht trotzdem zulässig, allerdings verfehlt der Beschluss sein Ziel, etwaige Zweifel an diesem Umstand zu zerstreuen. Dennoch ist der Beschluss wirksam und der Vorstand verpflichtet die Vereinbarung zu schließen. Im Gegenzug kommt er in den Genuss der Haftungsbefreiung nach § 93 Abs. 4 Satz 1 respektive § 117 Abs. 2 Satz 3 AktG In der zweiten Konstellation, liegt hingegen ein Anfechtungsgrund nach § 243 Abs. 1 AktG vor, da der Beschluss gegen das Gesellschaftsinteresse verstößt. Die Aktionäre sind bei der Stimmausübung in der Hauptversammlung nicht völlig frei, ihr Entscheidungsspielraum wird durch das Gesellschaftsinteresse begrenzt. Dieses wird im Normalfall nicht durch Beschlüsse der Hauptversammlung definiert, sondern bildet vielmehr den Maßstab, an dem diese inhaltlich zu messen sind.213 Eine dem Gesellschaftsinteresse zuwiderlaufende Stimmabgabe ist daher rechtsfehlerhaft und unwirksam. Sie darf vom Versammlungsleiter bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht berücksichtigt werden.214 Werden die unter Verletzung der Bindung an das Gesellschaftsinteresse abgegebenen Stimmen dennoch mitgezählt, so ist der festgestellte Hauptversammlungsbeschluss allerdings nicht unwirksam, sondern lediglich anfechtbar.215 Ein weiterer Anfechtungsgrund ergibt sich in diesem Fall aus dem Fehlen der Eintragung ins Handelsregister.
213 Im Grundsatz entspricht dies der allgemeinen Meinung. Umstritten ist allein die dogmatische Begründung der materiellen Beschlusskontrolle. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur stützt sich auf die Figur der Treuepflicht, die den Aktionär bei der Ausübung seiner Aktionärsrechte zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft und die Interessen seiner Mitaktionäre verpflichte (vgl. zur materiellen Beschlusskontrolle z. B. BGH v. 01. Februar 1988 – II ZR 75/87 = BGHZ 103, 184 ff.; BGH v. 20. März 1995 – II ZR 205/94 = BGHZ 129, 136 ff.; BGH v. 05. Juli 1999 – II ZR 126/98 = BGHZ 142, 167 ff; sowie Hüffer10, § 243 AktG Rdn. 20 ff. und Großkomm. AktG/K. Schmidt4, § 243 AktG Rdn. 40 ff. Vgl. allgemein zur Treupflicht im Kapitalgesellschaftsrecht z. B. Großkomm. AktG/Henze/ Notz4, Anh § 53a AktG; Winter, Treuebindungen, passim). Andere Stimmen stellen auf den Charakter des Gesellschaftsinteresses als der für den konkreten Fall entwickelten Anwendung des Verbandszwecks ab, wobei entscheidend entweder auf die Bindung des einzelnen Aktionärs (so z. B. Zöllner, Schranken, S. 322 ff., 335; Köln. Komm. AktG/ders.1, § 243 AktG Rdn. 177 ff. und 193 ff.) oder die Stellung der Hauptversammlung als Organ der Aktiengesellschaft (so z. B. Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 232 ff.) abgehoben wird. 214 Vgl. nur Zöllner, Schranken, S. 366 ff. sowie Münch. Komm. AktG/Bungeroth3, Vor § 53a AktG Rdn. 42; Großkomm. AktG/Henze/Notz4 Anh § 53a AktG Rdn. 128; Hüffer10, § 53a AktG Rdn. 22. A.A. Koppensteiner, ZIP 1994, 1325 ff.; Schmidt/Lutter/Schwab2, §243 AktG Rdn. 5 die zwar die Stimmabgabe für wirksam, den Hauptversammlungsbeschluss aber gleichwohl für anfechtbar halten. 215 Vgl. nur BGH v. 01. Februar 1988 – II ZR 75/87 = BGHZ 103, 184 ff.; BGH v. 20. März 1995 – II ZR 205/94 = BGHZ 129, 136 ff.; BGH v. 05. Juli 1999 – II ZR 126/98 = BGHZ 142, 167 ff; sowie z. B. Hüffer10, § 243 AktG Rdn. 24; Spindler/Stilz/Würthwein2, § 243 AktG Rdn. 163.
A. Zulässigkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter
117
bb) Keine Bestandskraft des Hauptversammlungsbeschlusses Ein die Gewährung nicht im Gesellschaftsinteresse liegender Einwirkungsrechte befürwortender Hauptversammlungsbeschluss leidet somit an zwei seine Anfechtbarkeit begründenden Mängeln. Dies ändert aber nichts an seiner – wenn auch schwebenden – Wirksamkeit. Solange der Beschluss nicht mittels einer erfolgreichen Anfechtungsklage beseitigt wurde, gehen die gewünschten Folgen von ihm aus. Die die Einflussnahme auf den Vorstand ermöglichende Vereinbarung ist (vorläufig) zulässig. Erst die Gestaltungswirkung der gerichtlichen Nichtigerklärung beseitigt die Rechtswirkungen des mangelbehafteten Beschlusses (§§ 248 Abs. 1, 241 Nr. 5 AktG). Dies dann aber mit rückwirkender Kraft. Der Beschluss ist als von Anfang an nichtig anzusehen.216 Dies birgt aus Sicht der Aktionäre, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben, gewisse aus den Eigenarten des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts resultierende Tücken. Die (gewünschte) Folge ist, dass Aktionäre und andere zur Anfechtung berechtigte Personen (vgl. § 245 AktG) gezwungen sind, innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung (§ 246 Abs. 1 AktG) Anfechtungsklage zu erheben, wenn sie mit dem Inhalt eines Hauptversammlungsbeschlusses nicht einverstanden sind. Anderenfalls verlieren sie mit Ablauf der Anfechtungsfrist ihre Möglichkeit, den Beschluss zu vernichten. Dieser wird bestandskräftig. Er bleibt trotz seiner Mängel wirksam und entfaltet die von der Hauptversammlung gewollten Rechtswirkungen. Mit Eintritt der Bestandskraft würde die die Einflussnahme auf den Vorstand ermöglichende Vereinbarung endgültig zulässig. Im vorliegenden Kontext würde dies bedeuten, dass eine von der Mehrheit der Aktionäre gewünschte punktuelle Einwirkung auf das Gesellschaftsinteresse, ungeachtet der fehlenden Zustimmung aller Aktionäre, mit Ablauf der Anfechtungsfrist wirksam würde. Auf dieser Linie liegt die Entscheidung des BGH, dass eine Änderung des Vereinszwecks auch ohne die Zustimmung aller Mitglieder wirksam ist, falls alle Mitglieder die Zweckänderung trotz der Möglichkeit des Widerspruchs längere Zeit widerspruchslos hingenommen haben.217 Bei näherer Betrachtung ruft dies erhebliche Bedenken hervor. Die Anerkennung der Wirksamkeit des Beschlusses hätte zur Folge, dass ein Aktionär, über dessen fehlende Zustimmung sich die Hauptversammlung (womöglich sogar bewusst) hinweggesetzt hat, gezwungen wäre, innerhalb der Monatsfrist Anfechtungsklage zu erheben. Anderenfalls liefe das Erfordernis seiner Zustimmung leer. Nicht nur, dass ihm in diesem Fall, wie bei einem gewöhnlichen Mehrheitsbeschluss, die Last auferlegt würde, aktiv gegen den Beschluss vorzugehen. Er wird auch zur Teilnahme an der Hauptversammlung gezwungen, da er ansonsten den ohne seine Zustimmung geschlossenen Beschluss mangels Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 AktG) nicht mit der Anfechtungsklage 216
Ausführlich zu den Gestaltungswirkungen eines Anfechtungsurteils nach § 248 Abs. 1 AktG z. B. Münch. Komm. AktG/Hüffer10, § 248 AktG Rdn. 12 ff. 217 BGH v. 13. Januar 1955 – II ZR 249/53 = BGHZ 16, 143, 150; BGH v. 17. Januar 1957 – II ZR 239/55 = BGHZ 23, 122, 129.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
angreifen könnte. Soweit das Gesellschaftsinteresse, das als Kehrseite des Verbandszwecks Teil der mehrheitsfesten „Geschäftsgrundlage“ der Gesellschaft ist, Gegenstand der Beschlussfassung ist, darf der einzelne Aktionär aber berechtigterweise darauf vertrauen, dass das Gesellschaftsinteresse bzw. der Verbandszweck nicht ohne sein Mitwirken geändert wird bzw. überhaupt geändert werden kann. In Vertrauen darauf darf er auch der Hauptversammlung fernbleiben. Dass er durch die Tagesordnung über die beabsichtigte Änderung des Verbandszwecks informiert war, ändert daran nichts. Eine Obliegenheit, der Beschlussfassung aktiv entgegenzutreten, ist mit § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Einklang zu bringen. Eine nach Ablauf der Anfechtungsfrist erhobene und auf die Verbandszweckswidrigkeit des Beschlusses gestützte Anfechtungsklage darf also nicht als verfristet abgewiesen werden. Trotz Ablauf der Monatsfrist des § 246 AktG tritt keine Bestandskraft ein. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Aktionär auch noch nach jahrelanger Untätigkeit die Beseitigung des Beschlusses verlangen kann. Hat der Aktionär den Beschluss längere Zeit widerspruchslos akzeptiert, darin ist dem BGH zuzustimmen, muss er sich an dieser Entscheidung festhalten lassen. In diesem Fall ist es ihm zuzumuten die ohne seine Zustimmung erfolgte Einwirkung auf den Verbandszweck, die er bislang hingenommen hat, auch weiterhin hinzunehmen. Dieses Ergebnis ist aber richtigerweise nicht aus der kurzen Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG zu gewinnen, sondern auf die Grundsätze der Verwirkung zu stützen.218 Insoweit hat der Aspekt der Rechtssicherheit hinter dem Individualinteresse des Aktionärs an der Aufrechterhaltung des gemeinsamen Zwecks zurückzustehen. Bei Erhebung einer auf Beseitigung des interessewidrig gefassten Beschlusses gerichteten Anfechtungsklage nach Ablauf der Monatsfrist ist daher stets zu prüfen, ob der klagende Aktionär seinen Anspruch auf Beseitigung des verbandszweckswidrigen Zustands verwirkt hat. c) Fazit: Eingeschränkter praktischer Nutzen eines Zustimmungsbeschlusses Eine Vereinbarung, die einem Dritten die Möglichkeit eröffnet Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, kann durch einen zustimmenden Beschluss aller Aktionäre legitimiert werden. Wird keine Einstimmigkeit erzielt, ist der Beschluss indes schwebend unwirksam. Eine dauerhafte Legitimation einer dem Gesellschaftsinteresse widersprechenden Vereinbarung tritt in diesem Fall erst dann ein, wenn alle Beteiligten ihr Recht, den Beschluss anzufechten, verwirkt haben. Zu diesem Zeitpunkt wird aus einer schwebend (un)zulässigen eine dauerhaft zulässige Vereinbarung, was eine punktuelle Änderung des Gesellschaftsinteresses zur Folge hat. Da die Zustimmung aller Aktionäre in der Unternehmenswirklichkeit nicht zu erzielen sein wird, erscheint die Gangbarkeit dieses Weges und der damit verbundene
218
Ähnlich auch Münch. Komm. BGB/Reuter6, § 33 BGB Rdn. 12.
A. Zulässigkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter
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Nutzen jedoch gering zu sein.219 Zwar vermag auch ein nicht einstimmig gefasster Beschluss die Vereinbarung letztlich zu legitimieren. Etwaige Bedenken werden aber nicht unmittelbar und sofort beseitigt. Die Unsicherheit besteht vielmehr bis zum Eintritt der Verwirkung fort. 4. Aktionär als Vertragspartner Im Rahmen der bisherigen Ausführungen wurde das Augenmerk allgemein auf die Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen von Vereinbarungen gerichtet, kraft derer der Vorstand einem Dritten die Einflussnahme auf Fragen der Unternehmensleitung gestattet. Die Konstellation, dass ein Aktionär als Vertragspartner der Gesellschaft auftritt, blieb hingegen bislang ausgespart. Indes stellt die Begründung von vertraglichen Einwirkungsrechten zugunsten eines Aktionärs mitnichten einen Sonderfall dar, sondern wird vielmehr sowohl bei Investorenvereinbarungen als auch bei business combination agreements der Regelfall sein. Festzuhalten ist zunächst, dass die Aktionärseigenschaft des Vertragspartners nichts an der grundsätzlichen Zulässigkeit vertraglicher Einwirkungsrechte ändert. Der Vorstand ist nicht gehindert, entsprechende Vereinbarungen zugunsten eines Aktionärs zu begründen. Allerdings hat er die Tatsache und den Umfang des Aktienbesitzes im Rahmen seiner Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse in die Überlegungen mit einzubeziehen. Besonderes Augenmerk hat er dabei auf eine mögliche Wechselwirkung zwischen Aktionärsrechten auf der einen Seite und Einwirkungsrechten auf der anderen zu legen. Aus dem Zusammenspiel von vertraglichen und mitgliedschaftlichen Einflussmöglichkeiten kann sich eine nachhaltige Verstärkung der Machtposition des Aktionärs ergeben. Daher hat der Vorstand bei seiner Entscheidung, einem Aktionär eine entsprechende Rechtsposition einzuräumen, zu hinterfragen, ob die sich aus der Kombination mitgliedschaftlicher und vertraglicher Rechte ergebende Durchsetzungskraft noch hinnehmbar ist.220 Besondere Anforderungen könnten sich indes aus anderen Vorschriften des AktG ergeben. In erster Linie ist hierbei an § 53a AktG zu denken221, der das aktien219 A.A. anscheinend Beck’sches Formularbuch Merger & Acquisitions/Seibt2, L.II.2 Anm. 16, S. 1553, der empfiehlt etwaige Bedenken über die Wirksamkeit einer Vereinbarung durch Einholen eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses zu beseitigen. Vorzugswürdig sei es, wenn der Billigungsbeschluss mit einer Mehrheit von mindestens 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefasst werde. 220 So auch Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 48 a.E. 221 Die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 57 ff. AktG bleiben bei der nachfolgenden Betrachtung außen vor, weil es insoweit an einem speziellen Bezug zur Problematik der vertraglichen Einflussnahme auf Leitungsentscheidungen fehlt. Selbstverständlich befreien vertragliche Einwirkungsrechte den Aktionär nicht von der Pflicht zur Einhaltung der Vorschriften zum Schutz des Kapitals der Aktiengesellschaft. Nutzt er seine Einflussmöglichkeiten dazu eine Rückgewähr seiner Einlage durchzusetzen, haften sowohl der Aktionär als auch der Vorstand
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
rechtliche Gleichbehandlungsgebot kodifiziert und einen allgemeinen Maßstab beinhaltet, an dem die Aktiengesellschaft die Gestaltung aller das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Beziehungen zu ihren Aktionären auszurichten hat.222 Da vertragliche Einwirkungsrechte den Einfluss des einzelnen Aktionärs in Fragen der Geschäftsführung der Gesellschaft über das sich aus seinem Kapitalanteil ergebende Maß hinaus verstärken, ist eine Ungleichbehandlung jedenfalls im Verhältnis zu solchen Aktionären zu bejahen, die über eine Kapitalbeteiligung gleichen Umfangs verfügen, denen aber keine vergleichbaren Einflussmöglichkeiten zugestanden wurden. Indes fordert § 53a AktG keine unterschiedslose Gleichstellung aller Aktionäre, sondern stellt lediglich ein relatives Gleichbehandlungsgebot auf, das Raum für sachgerechte Differenzierungen lässt. Nur „unter gleichen Voraussetzungen“ sind die Aktionäre auch gleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung der Aktionäre kann durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Verboten ist nur die willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Zu fordern ist, dass die Ungleichbehandlung im Interesse der Gesellschaft liegt. Sonderinteressen einzelner Aktionäre, die Interessen Dritter oder das Gemeinwohl vermögen ein solches Vorgehen nicht zu tragen. Besteht ein anerkennenswertes sachliches Interesse der Gesellschaft an der Vornahme der Ungleichbehandlung, muss die in Frage stehende Maßnahme zudem verhältnismäßig sein, das heißt geeignet, erforderlich und angemessen, um die Zurücksetzung eines Teils der Aktionäre zu legitimieren.223 Im Hinblick auf den Abschluss einer vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung umfassenden Vereinbarung wird man dies regelmäßig bejahen können, schließlich ist dem Vorstand das Eingehen entsprechender Bindungen nur unter der Voraussetzung gestattet, dass die konkrete Abrede mit dem Gesellschaftsinteresse zu vereinbaren ist. Das Interesse der Gesellschaft am Abschluss des konkreten Vertrages zu den konkreten Bedingungen legitimiert die Sonderbehandlung des Aktionärs. Übertragen auf das Beispiel des Abschlusses einer Investorenvereinbarung bedeutet dies, dass das Interesse der Gesellschaft am Gewinn eines sog. Ankeraktionärs eine mit dem Abschluss der Vereinbarung etwaig verbundene Ungleichbehandlung anderer Aktionäre zu legitimieren vermag.224 Der Wunsch des gemäß § 62 Abs. 1 AktG resp. § 93 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 AktG für die verbotswidrige Zahlung. Indes ist es irrelevant, ob dem Ganzen das Ausnutzen vertraglicher Einwirkungsrechte zugrundelag oder nicht. 222 Münch. Komm. AktG/Bungeroth3, § 53a AktG Rdn. 4; Schmidt/Lutter/Fleischer2, § 53a AktG Rdn. 18; Großkomm. AktG/Henze/Notz4, § 53a AktG Rdn. 31. 223 Einhellige Meinung, vgl. z. B. Münch. Komm. AktG/Bungeroth3, § 53a AktG Rdn. 14 f.; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 53a AktG Rdn. 19; Köln. Komm. AktG/ Drygala3, § 53a AktG Rdn. 16 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer2, § 53a AktG Rdn. 34 f.; Großkomm. AktG/Henze/Notz4, § 53a AktG Rdn. 68 ff.; Hüffer10, § 53a AktG Rdn. 10; Hölters/ Solveen, § 53a AktG Rdn. 11. 224 Vgl. zum Einsatz von Investorenvereinbarungen als Instrument zur Einbindung sog. Ankeraktionäre Schiessl, AG 2009, 385, 391.
A. Zulässigkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten Dritter
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Investors, Transaktionssicherheit für die Aufstockung seiner Beteiligung zu gewinnen, reicht hingegen nicht aus.
III. Fazit Dem Vorstand ist es nicht untersagt vertragliche Bindungen einzugehen kraft derer er sich der Einflussnahme eines Dritten in Leitungsfragen öffnet. Der auf autonome Gewinnerzielung gerichtete Verbandszweck der Aktiengesellschaft setzt einem solchen Vorgehen allerdings gewisse Grenzen. Das Autonomieziel findet seinen Ausdruck in der Stellung der Hauptversammlung als oberstem Willensbildungsorgan der Gesellschaft. Maßnahmen, die geeignet sind die Position der Hauptversammlung zu beeinträchtigen, sind unzulässig. Die Trennlinie zwischen zulässigen und unzulässigen Vereinbarungen wird durch die Entscheidungszuständigkeit markiert. Der Vorstand darf Dritten die Möglichkeit eröffnen, auf Leitungsentscheidungen Einfluss zu nehmen. Allerdings ist es ihm verwehrt einem Dritten die Kompetenz, Leitungsentscheidungen zu treffen, zu übertragen. Der Vorstand darf sich seiner Leitungsaufgabe nicht durch vertragliche Absprachen mit Dritten entledigen (Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht). Die Übertragung von Leitungsaufgaben auf einen Dritten beeinträchtigt die Informations- und Kontrollrechte des Aufsichtsrats und unterminiert die Stellung der Hauptversammlung. Aus dem gleichen Grund ist auch Weisungsrechten und Zustimmungsvorbehalten, soweit sie gegenständlich unbegrenzt sind, die rechtliche Anerkennung zu verweigern. Nicht zu beanstanden ist es hingegen, wenn sich der Vorstand in Leitungsfragen der Einflussnahme eines Dritten öffnet und ihm Einwirkungsmöglichkeiten einräumt. Leitungsfragen betreffende Informations- und Kontrollrechte sind genauso zulässig, wie punktuelle Zustimmungsvorbehalte. Auch die in Abstimmung mit einem Dritten getroffene Festlegung zukünftiger Leitungsentscheidungen ist unbedenklich. Die Entscheidung eine entsprechende Vereinbarung zu treffen stellt eine unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dar, deren Zulässigkeit am Maßstab des Gesellschaftsinteresses, als der für den konkreten Fall entwickelten Anwendung des Verbandszwecks, zu messen ist. Entscheidend ist, ob ein pflichtbewusster Geschäftsleiter die mit der Begründung des Einwirkungsrechts einhergehende Beschränkung seines unternehmerischen Handlungsspielraums als im Gesellschaftsinteresse geboten ansehen darf. Unzulässig ist die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte daher dann, wenn die dem Dritten gewährten Einflussrechte in einem unvertretbaren Missverhältnis zu den der Gesellschaft aus der Vereinbarung erwachsenden Vorteilen stehen.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
B. Verhältnis zum Konzernrecht Die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehenden Vereinbarungen begründen eine auf längere Sicht angelegte rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen den beteiligten Unternehmen, deren Wirkung über die eines normalen Dauerschuldverhältnisses hinausgeht. Ihr Regelungsgehalt erschöpft sich nicht in der Begründung schuldrechtlicher Rechte und Pflichten. Vielmehr ermöglichen sie es, Einfluss auf die Unternehmenspolitik des anderen Vertragsteils zu nehmen und schränken die unternehmerischen Entscheidungsspielräume des Vorstands der Aktiengesellschaft ein. Das wirft die Frage nach einer möglichen konzernrechtlichen Relevanz derartiger Verträge auf. Werden die Vertragspartner aufgrund der zwischen ihnen geschaffenen rechtsgeschäftlichen Verbindung zu verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG? § 18 AktG definiert den Konzern als Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Von einer näheren Beschreibung des zentralen Merkmals der einheitlichen Leitung hat der Gesetzgeber indes bewusst abgesehen.225 Die Literatur versteht darunter die Entwicklung einer auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichteten Zielkonzeption sowie deren Durchführung und Kontrolle.226 In welcher Form sich die einheitliche Leitung vollzieht, wird für gleichgültig erachtet. Ausreichen soll jede Art der Einflussnahme.227 In Anbetracht des Rechts, auf die Unternehmensleitung des Vertragspartners steuernd Einfluss zu nehmen, könnten vertragliche Einwirkungsrechte ein derartiges Leitungsinstrument bilden und als Grundlage eines Konzernverhältnisses zwischen den Vertragsparteien anzusehen sein. Das AktG unterscheidet zwischen Unterordnungs- (§ 18 Abs. 1 AktG) und Gleichordnungskonzernen (§ 18 Abs. 2 AktG). Während im Unterordnungskonzern das eine vom anderen Konzernunternehmen abhängig ist, sind diese im Gleichordnungskonzern voneinander unabhängig. Da vertragliche Einwirkungsrechte typischerweise nur zugunsten einer Vertragspartei begründet werden, also nur eine einund nicht eine wechselseitige Einflussnahme ermöglichen, scheidet die Bildung eines Gleichordnungskonzerns aus. Eingehenderer Betrachtung bedarf indes die Frage, ob vertragliche Einwirkungsrechte als Instrument zur Leitung eines Unterordnungskonzerns anzusehen sind. Das Aktienkonzernrecht unterscheidet insoweit zwischen Konzernverbindungen, die auf einem besonderen Vertragsverhältnis – einem Beherrschungsvertrag – beruhen (Vertragskonzerne – §§ 291 ff. AktG) und solchen Konzernen, die lediglich kraft tatsächlicher Beherrschungsmacht geleitet werden (faktische Konzerne – §§ 311 ff. AktG). 225
Begr. RegE zu § 18 AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 33. Hüffer10, § 18 AktG Rdn. 11; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 18 AktG Rdn. 23; Adler/Düring/Schmaltz6, § 18 AktG Rdn. 17. 227 Vgl. nur Hüffer10, § 18 AktG Rdn. 12 m.w.N. 226
B. Verhältnis zum Konzernrecht
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Gemeinsam ist beiden das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den beteiligten Unternehmen. Während der Vertrags(unter)ordnungskonzern durch die auf dem Beherrschungsvertrag basierende, rechtliche Konzernleitungsmacht gekennzeichnet ist, besteht im faktischen (Unterordnungs-)Konzern lediglich eine auf der Abhängigkeit beruhende faktische Konzernleitung.
I. Vertragskonzern Ein Vertragskonzern wird durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags gebildet. Als Grundlage eines Vertragskonzerns kämen vertragliche Einwirkungsrechte oder eine Übertragung von Leitungsaufgaben folglich nur dann in Frage, wenn diese als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren sind. 1. Typischer Beherrschungsvertrag a) Leitungsunterstellung Gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG ist ein Beherrschungsvertrag eine Vereinbarung, kraft derer eine Gesellschaft ihre Leitung einem anderen Unternehmen unterstellt. Konstitutives Merkmal ist der Transfer der Leitungsmacht vom beherrschten auf das herrschende Unternehmen. Insoweit nimmt § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG auf den Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG Bezug.228 Die Befugnis zur eigenverantwortlichen Leitung des Unternehmens wird vom Vorstand der Untergesellschaft auf die Obergesellschaft übertragen.229 Die Kompetenzen der übrigen Organe der Gesellschaft bleiben unangetastet.230 Leitungsunterstellung bedeutet demnach, dass dem (herrschenden) Unternehmen jene Befugnisse eingeräumt werden, die bislang dem Vorstand der Untergesellschaft zustanden. Die Vereinbarung muss es dem herrschenden Unternehmen ermöglichen, die beherrschte Gesellschaft nach seinem Willen und seinen Vorstellungen zu leiten. Vertragliche Einwirkungsrechte sind somit nur dann als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren, wenn mit ihrem Abschluss ein derartiger Leitungstransfer einhergeht. Im Folgenden werden daher die für eine Leitungsunterstellung maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet und mit dem typischen Regelungsgegenstand vertraglicher Einwirkungsrecht verglichen.
228 Begr. RegE zu § 308 AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 403 sowie statt aller Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 76 m.w.N. Ausführlich zum Leitungsbegriff des § 76 Abs. 1 AktG oben Teil 3, B. A.A. Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 60, demzufolge der Leitungsbegriff des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG dem Geschäftsführungsbegriff des § 77 Abs. 1 entspreche. 229 Vgl. nur Schürnbrand ZHR 169 (2005), 35, 41 f. 230 Allgemeine Meinung, vgl. nur Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 62.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
aa) Qualitative Anforderungen Leitungsunterstellung im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG bedeutet, dass das herrschende Unternehmen durch die Vereinbarung in die Lage versetzt wird, in die Leitung der beherrschten Gesellschaft einzugreifen und seinen Willen auch im Konfliktfall gegenüber der abhängigen Gesellschaft durchzusetzen.231 Die dem herrschenden Unternehmen durch die Vereinbarung eröffnete Herrschaftsmacht muss es ihm ermöglichen, der abhängigen Gesellschaft seinen Willen aufzuzwingen. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem herrschenden Unternehmen eine rechtlich durchsetzbare Leitungsmöglichkeit eingeräumt wird.232 Der gesetzgeberischen Konzeption zufolge wird der Leitungstransfer durch das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber der Untergesellschaft (§ 308 Abs. 1 AktG) sichergestellt, dass eine im Grundsatz unbeschränkte Konzernleitungsmacht eröffnet. Ein derartiges Weisungsrecht ist unverzichtbares Wesensmerkmal eines jeden Beherrschungsvertrags.233 Einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien bedarf es nicht. Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens ist vielmehr gesetzliche Folge des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags.234 Faktische Einflussmöglichkeiten erfüllen die Anforderungen des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG hingegen nicht. Die Ausübung einheitlicher Leitung, gestützt auf die aus der Stellung als herrschender Aktionär erwachsenden tatsächlichen Einflussmöglichkeiten, ist kennzeichnend für einen faktischen Konzern, nicht für einen Vertragskonzern.235 Die Existenz rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Leitungsmacht unterscheidet Vertragskonzerne von faktischen Konzernen.
231
KG v. 30. Juni 2000 – 14 U 8337/98 = NZG 2000, 1223; OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124, 126; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 14; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 11; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 63; Veil, Unternehmensverträge, S. 4; Spindler/Stilz/ders.2, § 291 AktG Rdn. 12. 232 Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 96; ders., AG 2010, 273, 274; Emmerich/ Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 14; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 29; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 64. 233 OLG München v. 18. Juli 2012 – 7 AktG 1/12 = AG 2012, 802, 803; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 23; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 11; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 21 f.; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 70 Rdn. 6; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 71. A.A. Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 97 ff. 234 Vgl. nur Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 11. A.A. aber Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 64. 235 Vgl. nur Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 5 ff. m.w.N.
B. Verhältnis zum Konzernrecht
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bb) Quantitative Anforderungen Der gesetzlichen Konzeption nach unterstellt sich die abhängige Gesellschaft vollumfänglich der Leitung durch ihren Vertragspartner.236 Der Leitungstransfer umfasst den gesamten Bereich der Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft. Das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft erstreckt sich somit insbesondere auch auf die zentralen Leitungsfunktionen – Unternehmensplanung, -organisation und -kontrolle sowie die Besetzung der Führungsstellen – in der abhängigen Gesellschaft.237 Grenzen setzen der Konzernleitungsmacht allein die Satzung der beherrschten Gesellschaft sowie gesetzliche Vorschriften.238 Dies scheint auf den ersten Blick der h.M. im Konzernrecht zu widersprechen, die es für ausreichend erachtet, wenn die wesentlichen Leitungsbereiche der Leitung des herrschenden Unternehmens unterstellt werden, solange immer noch eine einheitliche Leitung der verbundenen Unternehmen möglich bleibt.239 Allerdings besteht insoweit nur scheinbar ein Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung. § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG erklärt Begrenzungen des Weisungsrechts ausdrücklich für unbedenklich. Den Parteien steht es frei, eine Begrenzung der Leitungsunterstellung zu vereinbaren, ohne die privilegierenden Wirkungen des Beherrschungsvertragsrechts zu verlieren. Derartige Teilbeherrschungsverträge sind zulässig.240 Allerdings entsprechen derartige Vereinbarungen nicht dem gesetzestypischen Idealbild des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG. Das Abweichen vom Leitbild der gegenständlich unbeschränkten Leitungsunterstellung bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG). Treffen die Parteien eine entsprechende Abrede, schließen sie einen atypischen – weil nicht dem gesetzlichen Leitbild entsprechenden – Beherrschungsvertrag. Zwar bleibt die Anwendbarkeit der §§ 293 ff. AktG davon unberührt, dennoch ist begrifflich strikt zwischen typischen Beherrschungsverträgen, die eine vollumfängliche Unterstellung aller Leitungsbereiche vorsehen und
236
So auch Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 103; ders., AG 2010, 273, 276; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 49. 237 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 308 AktG Rdn. 38; Hüffer10, § 308 AktG Rdn. 12; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 308 AktG Rdn. 27; Münch. Hdb. AG/ Krieger3, § 70 Rdn. 146; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 59; Spindler/Stilz/ Veil2, § 308 AktG Rdn. 20. 238 Vgl. nur Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 308 AktG Rdn. 55. 239 Z.B. Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 21; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 10; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 70 Rdn. 5; Schmidt/Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 23. Differenzierend Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 68. Weitergehend noch Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG demzufolge der Umfang des Weisungsrechts beliebig eingeschränkt werden kann sowie Spindler/Stilz/Veil2, § 291 AktG Rdn. 24. 240 Vgl. zur Figur des Teilbeherrschungsvertrags Grobecker, DStR 2002, 1953 ff. sowie die in Fn. 237 Genannten.
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atypischen Beherrschungsverträgen, bei denen eine gegenständliche beschränkte Leitungsunterstellung vereinbart wurde, zu unterscheiden.241 b) Änderung des Verbandszwecks Je nach Blickwinkel erscheinen Beherrschungsverträge eher als Organisationsverträge oder mehr als Schuldverträge. Aus der Perspektive des beherrschten Unternehmens sowie der außenstehenden Aktionäre stehen die Leistungspflichten des herrschenden Unternehmens im Vordergrund. Zu nennen sind insoweit in erster Linie die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens gemäß § 302 AktG sowie die Pflicht, den außenstehenden Aktionären eine jährliche Ausgleichszahlung (§ 304 AktG) oder eine Abfindung (§ 305 AktG) zu gewähren. Aus der Sicht des herrschenden Unternehmens stehen demgegenüber die Veränderungen der Organisations- und der Finanzverfassung der beherrschten Aktiengesellschaft im Vordergrund. Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmen (§ 308 Abs. 1 AktG) setzt das Leitungsmonopol des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) außer Kraft. Zudem erklärt § 291 Abs. 3 AktG die §§ 57, 58 und 60 AktG im Verhältnis der beherrschten Gesellschaft zum herrschenden Unternehmen für nicht anwendbar ein und lockert die für das Aktienrecht prägende strenge Bindung des Gesellschaftsvermögens. Ein Beherrschungsvertrag begründet demnach nicht nur subjektive Rechte und Pflichten der Beteiligten, sondern gestaltet die organisatorischen Grundlagen der beherrschten Aktiengesellschaft um. Grundlegende Prinzipien der Verfassung der selbständigen Aktiengesellschaft werden außer Kraft gesetzt und die gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den herrschenden Unternehmen und der beherrschten Gesellschaft sowie den außenstehenden Aktionären verändert. Angesichts dessen qualifiziert die h.M. Beherrschungsverträge als Organisationsverträge.242 Der Eingriff in die Struktur der beherrschten Aktiengesellschaft gibt dem Beherrschungsvertrag sein besonderes Gepräge, die schuldrechtlichen Leistungspflichten des herrschenden Unternehmens sind Kompensationen zur Sicherung der Gläubiger und außenstehenden Aktionäre. Bei näherer Betrachtung der Regelungen eines Beherrschungsvertrags zeigt sich, dass die Wirkungen des Eingriffs in die Organisationsverfassung der beherrschten Gesellschaft über eine „zeitliche begrenzte Satzungsänderung“243 hinausgehen. Durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags wird vielmehr der Verbands241 Dies entspricht auch dem Verständnis der h.M. im Konzernrecht. Vgl. nur Emmerich/ Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 19 ff. 242 Vgl. Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 28; Emmerich/Habersack/ Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 25; Schmidt/Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 18; Spindler/Stilz/Veil2, Vor § 291 AktG Rdn. 26. Ausführlich zur Frage der Rechtsnatur des Beherrschungsvertrags Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 21 ff. 243 Vgl. Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 26; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 19; Spindler/Stilz/Veil2, Vor § 291 AktG Rdn. 26. A.A. Münch. Komm. AktG/ Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 39.
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zweck der beherrschten Gesellschaft geändert.244 Auf der Hand liegt dies im Hinblick auf das Formalziel der Gewinnerzielung. Da das Weisungsrecht ausdrücklich auch die Erteilung von Weisungen ermöglicht, die für die beherrschte Gesellschaft nachteilig sind (§ 308 Abs. 1 Satz 2 AktG), kann das herrschende Unternehmen die Gesellschaft anweisen, das Ziel, eigene Gewinne zu erwirtschaften, hintanzustellen und beispielsweise auf die Nutzung eigener Geschäftschancen zu Gunsten des herrschenden Unternehmens zu verzichten. Zudem ermöglicht die Lockerung der Vermögensbindung dem herrschenden Unternehmen den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen. Betroffen ist der Verbandszweck der Aktiengesellschaft aber auch im Hinblick auf die Autonomie der Gesellschaft. Formal wird die Gesellschaft zwar weiterhin durch ihren Vorstand geleitet, das Weisungsrecht schränkt dessen Leitungskompetenz aber empfindlich ein. Dies entwertet die Personalkompetenz der Hauptversammlung. Eine Auswechslung der handelnden Person bleibt zwar weiterhin möglich, dies ändert aber nichts an der Weisungsunterworfenheit des Vorstands und der Einschränkung seiner Leitungsautonomie. c) Zwischenergebnis Charakteristisches Element eines Beherrschungsvertrags im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG ist die Leitungsunterstellung und die dadurch bewirkte Veränderung des Verbandszwecks. Angesichts dieses Befunds ist festzuhalten, dass es sich bei Verträgen, die vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung begründen, nicht um Beherrschungsverträge im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG handelt. Durch die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte unterstellt sich eine Gesellschaft nicht der Leitung eines anderen Unternehmens. Vertragliche Einwirkungsrechte schränken weder die Befugnis des Vorstands, Leitungsentscheidungen selbst zu treffen, ein noch bewirken sie eine Veränderung des Verbandszwecks.245 Der Dritte vermag zwar auf die Entscheidung des Vorstands Einfluss zu nehmen, die Entscheidungsbefugnis in Leitungsfragen verbleibt aber beim Vorstand der Gesellschaft. Dem Vorstand ist es unbenommen, sich über den Willen des Dritten hinwegzusetzen und eine andere als die von diesem angeregte Entscheidung zu treffen. Es werden weder Leitungsaufgaben unmittelbar auf den Dritten übertragen noch kann dieser Leitungsentscheidungen mittelbar kraft eines Weisungsrecht vorgeben.246 Da es dem Dritten nicht möglich ist der Gesellschaft seinen Willen aufzuzwingen, fehlt es vertraglichen Einwirkungsrechten an der für Beherrschungsverträge charakteristischen rechtlich durchsetzbaren Leitungsmög244 Ausführlich dazu Leuschner, Konzernrecht, S. 46 f., Mülbert, Aktiengesellschaft2, S. 163 ff; ders., ZHR 163 (1999), 1, 25 sowie Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, S. 42 ff.; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, Vor § 291 AktG Rdn. 156; Timm, Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 35. 245 Ausführlich zu diesen Aspekten oben Teil 4, A., I. 246 So ausdrücklich im Hinblick auf Investorenvereinbarungen OLG München v. 18. Juli 2012 – 7 AktG 1/12 = AG 2012, 802, 803.
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lichkeit. Angesichts der strukturellen Unterschiede zwischen dem Weisungsrecht des § 308 Abs. 1 AktG und vertraglichen Einwirkungsrechten begründen letztere keine rechtlich anerkannte Konzernleitungsmacht. Anders ist dies hingegen im Falle der (verbandszweckwidrigen) Übertragung von Leitungsaufgaben auf Dritte, die naturgemäß mit einem Transfer der Leitungsmacht vom Vorstand auf den Dritten verbunden ist. Hier zeigt sich abermals die grundlegende Unterscheidung zwischen der (zulässigen) rechtsgeschäftlichen Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung einerseits und der (unzulässigen) rechtsgeschäftlichen Übertragung von Leitungsaufgaben andererseits. Erstere kann der Vorstand durch einfache schuldrechtliche Vereinbarungen begründen, während Letzteres nur mittels des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags wirksam möglich ist.247 Der Grund dafür ist im Verbandszweck der Aktiengesellschaft zu finden. Während sich die Einräumung vertraglicher Einwirkungsrechte noch mit diesem in Einklang bringen lässt, ist die Übertragung von Leitungsaufgaben mit einem Eingriff in den Verbandszweck verbunden und bedarf daher der legitimierenden Wirkung des Beherrschungsvertrags. 2. Atypischer Beherrschungsvertrag Auch wenn vertragliche Einwirkungsrechte nicht als typischer Beherrschungsvertrag zu klassifizieren sind, ist damit nicht entschieden, dass sie sich nicht dennoch an den Anforderungen des Beherrschungsvertragsrechts messen lassen müssen. In der Praxis existieren unterschiedlichste Vertragsgestaltungen, die als atypische Beherrschungsverträge248 bezeichnet und den Vorschriften der §§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 293 ff. AktG unterworfen werden. Gemeinsames Merkmal dieser Verträge ist, dass eine Vertragspartei der anderen Einfluss auf ihre Unternehmensleitung gewährt, ohne dass eine umfassende Leitungsunterstellung im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG vereinbart wird. Vielmehr erfolgt eine Leitungsunterstellung in quantitativ und/oder qualitativ eingeschränktem Umfang.
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So im Ergebnis wohl auch Schall in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 75, 86 f. 248 Der Kritik von Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 41, der die Bezeichnung derartiger Verträge als atypische Beherrschungsverträge ablehnt, weil diese Verträge gerade das für einen Beherrschungsvertrag Typische aufweisen würden und deshalb den Regeln der §§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 293 ff. AktG zuzuordnen seien, kann nicht gefolgt werden. Dass diese Verträge beherrschungsvertragliche Element beinhalten, versteht sich von selbst. Anderenfalls wäre die Anwendung der §§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 293 ff. AktG nicht zu rechtfertigen. Der Begriff des atypischen Beherrschungsvertrags bringt vielmehr treffend zum Ausdruck, dass die Vereinbarung der Parteien vom Leitbild des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG abweicht und nur eine eingeschränkte Leitungsunterstellung vorsieht.
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a) Teilbeherrschungsvertrag Unter den Sammelbegriff atypischer Beherrschungsvertrag werden Vertragsgestaltungen gefasst, die eine quantitativ begrenzte Leitungsunterstellung vorsehen. Derartige Teilbeherrschungsverträge zeichnen sich dadurch aus, dass nur einzelne, wesentliche Führungsfunktionen der Leitung des herrschenden Unternehmens unterstellt werden.249 Im Mittelpunkt der Diskussion um die Zulässigkeit von Teilbeherrschungsverträgen steht die – angesichts der Regelung des § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG zu bejahende – Frage, ob es den Parteien kraft ihrer Vertragsfreiheit möglich ist, den Regelungsbereich eines Beherrschungsvertrags zu beschränken und trotzdem in den Genuss der privilegierenden Wirkungen eines Beherrschungsvertrags zu kommen. Die Parteien unterstellen ihre Vereinbarung also freiwillig den Regeln des Beherrschungsvertragsrechts. Vertragliche Einwirkungsrechte zählen nicht zu dieser Gruppe, da sie keine qualitativ vollumfängliche Leitungsmöglichkeit des herrschenden Unternehmens begründen. b) Verdeckter Beherrschungsvertrag aa) Begriff Unter umgekehrten Vorzeichen steht die Diskussion um die rechtliche Behandlung von sogenannten verdeckten Beherrschungsverträgen.250 Darunter versteht man Vereinbarungen, die, obgleich sie erhebliche Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des einen Vertragsteils auf die Unternehmensleitung des Anderen begründen, von den Beteiligten nicht dem Beherrschungsvertragsrecht unterstellt werden. Im Kern 249 Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 10 und 15; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 70 Rdn. 5; Schmidt/ Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 30. Weitergehend Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 88 ff. und 103 ff.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 20 sowie Spindler/Stilz/Veil2, § 291 AktG Rdn. 24, die es für ausreichend erachten, wenn einzelne Betriebe oder Betriebsteile der Leitung des herrschenden Unternehmens unterstellt werden. A.A. Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 45 und 49, der die Unterstellung aller Leitungsbereiche für erforderlich hält. So auch Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 96, 97, der Verträge, die eine Leitungsunterstellung nur hinsichtlich einzelner Leitungsfunktionen oder einzelner Betriebe vorsehen, nicht den Regeln des Beherrschungsvertragsrechts unterstellt. 250 Überwiegend verwenden Rechtsprechung und Literatur den Begriff des verdeckten Beherrschungsvertrags. Vgl. LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06 = ZIP 2008, 555, 559; OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330; 1331; OLG Schleswig, 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009,124, 129; OLG München v. 03. September 2008 – 7 W 1432/08 = ZIP 2008, 2117, 2122; OLG München v. 18. Juli 2012 – 7 AktG 1/ 12 = AG 2012, 802, 803; sowie Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, passim, ders., AG 2010, 273 ff.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 24; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 36. Mitunter werden auch die Begriff verschleierter (Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 70 Rdn. 12), faktischer (Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243 ff; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 14) oder atypischer Beherrschungsvertrag (Großkomm. AktG/ Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 116 f.) verwendet, ohne dass damit ein sachlicher Unterschied verbunden wäre.
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geht es um Vertragsgestaltungen, die zwar dem äußeren Anschein nach kein Beherrschungsvertrag sind, funktional gesehen aber vergleichbare Wirkungen entfalten.251 In den letzten Jahren ist das Phänomen der verdeckten Beherrschungsverträge in zunehmendem Maße in den Fokus der juristischen Diskussion gerückt. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang in mehreren Fällen Vertragsgestaltungen, die vertragliche Einwirkungsrechte umfassen, wegen der für diese charakteristischen Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftspolitik des Vertragspartners den Regeln des Beherrschungsvertragsrechts unterworfen. Unter Verweis auf die Möglichkeit einer Fremdsteuerung der Gesellschaft haben namentlich das LG München sowie das LG Nürnberg-Fürth business combination agreements als verdeckte Beherrschungsverträge klassifiziert und den Anforderungen der §§ 293 ff. AktG unterworfen.252 Das LG München stellte insoweit zwar fest, dass die einzelnen Bestandteile der Vereinbarung kein Weisungsrecht im Sinne des § 308 Abs. 1 AktG begründeten, dennoch läge ein verdeckter Beherrschungsvertrag vor, da eine Gesamtschau der Vielzahl von Einzelbestimmungen ergebe, dass der herrschende Vertragspartner in die Lage versetzt werde, eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und gegenüber dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft durchzusetzen.253 bb) Rechtliche Behandlung durch die herrschende Meinung In Rechtsprechung und Literatur hat die Figur des verdeckten Beherrschungsvertrags weitestgehend Anerkennung gefunden. Dabei steht anders als bei Teilbeherrschungsverträgen nicht die Frage im Mittelpunkt, ob man den Anwendungsbereich des Beherrschungsvertragsrechts im Einklang mit dem Willen der Parteien für eine von diesen getroffene Vereinbarung öffnen soll, sondern die Entscheidung, ob eine Vereinbarung entgegen dem erklärten Willen der Beteiligten dem Beherrschungsvertragsrecht zu unterwerfen ist. Der Anstoß zu entsprechenden Überlegungen wird regelmäßig nicht von den Vertragsparteien, sondern von außenstehenden Dritten – namentlich den Minderheitsaktionären des „beherrschten“ Vertragspartners – ausgehen, die die Anwendung der Regeln der §§ 300 ff. AktG fordern, da sie der Vereinbarung leitungsunterstellenden Charakter im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG beimessen.
251 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 36. Ähnlich auch Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 24. 252 LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06 = ZIP 2008, 555, 559; LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HK O 4286/08 = AG 2010, 179 ff. 253 LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06 = ZIP 2008, 555, LS. 4 sowie S. 561. Ablehnende Anmerkungen hierzu bei Decher, FS Hüffer, 145, 150 ff. und Goslar, DB 2008, 800, 801 ff.
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Über die grundsätzliche rechtliche Behandlung dieser Verträge herrscht Einigkeit: Anwendung der für den Beherrschungsvertrag geltenden Regelungen der §§ 293 ff. AktG.254 Ausschlaggebend dafür ist der Gedanke des Umgehungsschutzes. Es soll verhindert werden, dass sich Unternehmen durch geschickte Vertragsgestaltung eine dem § 308 Abs. 1 AktG vergleichbare Einflussmöglichkeit einräumen lassen, ohne im Gegenzug den Beschränkungen der §§ 300 ff. AktG zu unterliegen. Bei einem Vertrag, bei dem es sich materiell um einen Beherrschungsvertrag handelt, sollen die Vertragsparteien weder durch die Bezeichnung noch durch die ungewöhnliche Ausgestaltung die besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen und die Mechanismen zum Schutz der Minderheitsaktionäre und Gläubiger außer Kraft setzen können.255 Folge der von der h.M. einhellig befürworteten Anwendung des Beherrschungsvertragsrechts ist die Nichtigkeit verdeckter Beherrschungsverträge.256 Regelmäßig wird es bereits an der Einhaltung der formellen Wirksamkeitserfordernisse fehlen. Schließlich wollen die Vertragsparteien ihre Abrede gerade nicht den Beschränkungen des Beherrschungsvertragsrechts unterstellen. Die Einholung des nach § 293 Abs. 1 AktG erforderlichen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft wird genauso unterblieben sein wie die Eintragung des Vertrages im Handelsregister gemäß § 294 AktG. Sollte dies ausnahmsweise doch erfolgt sein, werden die materiellen Wirksamkeitsanforderungen nicht erfüllt sein und der „verdeckte Beherrschungsvertrag“ keine Ausgleichszahlung für die Minderheitsaktionäre vorsehen (§ 304 Abs. 3 Satz 1 AktG). Folglich müssten die Beteiligten beim Abschluss einer vertragliche Einwirkungsrechte umfassenden Vereinbarung, sollte man diese als verdeckten Beherrschungsvertrag klassifizieren, ebenfalls die Beschränkungen der §§ 293 ff. AktG einhalten. Andernfalls wäre die Vereinbarung nichtig. Ein Ergebnis, das angesichts der Regelungen der §§ 304 f. AktG bspw. beim Abschluss einer Investorenvereinbarung insbesondere aber bei der Gewährung eines Darlehens, befremdlich anmutet. Das dogmatische Fundament, auf welches die h.M. ihr Ergebnis stützen will, ist unklar. Vorgeschlagen wird, entsprechende Abreden in Beherrschungsverträge 254 OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330, 1331; OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124, 129; LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HKO 19782/06 = ZIP 2008, 555, 560; LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HKO 4286/08 = AG 2010, 179, 180; Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245 f.; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 14; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 70 Rdn. 12; Schmidt/Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 29; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 129; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 41. Wohl auch Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 24e. 255 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 36, 37. 256 Z.B. OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330, 1331; OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124, 128 f.; Hölters/Deilmann, § 291 AktG Rdn. 32; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 24c und 24 f; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 14; Schmidt/Lutter/Langenbucher2, § 291 AktG Rdn. 29; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 129.
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umzudeuten (§ 140 BGB) bzw. umzuqualifizieren und so den Vorschriften der §§ 293 ff. AktG zu unterstellen.257 Andere Stimmen stellen darauf ab, dass verdeckte Beherrschungsverträge in ihrer Wirkung den gesetzestypischen Beherrschungsverträgen „ähnelten“ und wenden die Regeln des Beherrschungsvertragsrechts analog an.258 Der überwiegende Teil der Literatur versucht eine sachgerechte Bewältigung des Phänomens verdeckter Beherrschungsverträge durch Auslegung der jeweiligen Parteiabrede gemäß §§ 133, 157 BGB zu erreichen.259 Kraft ihrer Privatautonomie könnten die Parteien zwar den Inhalt eines von ihnen geschlossenen Vertrages bestimmen, dessen rechtliche Qualifikation sei dem Parteiwillen aber entzogen, die Bewertung seitens der Parteien nicht mehr als ein unverbindlicher Vorschlag. Daher sei im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Einflussrechte der Vertrag dem einen Teil nach dem beiderseitigen Willen verschaffen solle. Beinhalte der Vertrag eine Leitungsunterstellung im Sinne des §291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG, sei er seinem tatsächlichen Inhalt nach zu behandeln. Es handele sich ungeachtet der gewählten Bezeichnung um einen Beherrschungsvertrag, auf den die Vorschriften der §§ 293 ff. AktG unmittelbare Anwendung fänden.260 cc) Stellungnahme: Der verdeckte Beherrschungsvertrag als eigene Rechtsfigur? Der h.M. ist darin zuzustimmen, dass für die Einordnung eines Vertrages als Beherrschungsvertrag allein dessen nach objektiven Kriterien zu ermittelnder Vertragsinhalt ausschlaggebend ist.261 Kommt die Auslegung eines Vertrages zu dem Ergebnis, dass dieser eine Leitungsunterstellung im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG bewirkt, handelt es sich um einen Beherrschungsvertrag. Subjektive Beweggründe der Parteien bleiben bei der Bewertung des Vertrages außen vor. Ob sich die Parteien der Wirkung ihrer Vereinbarung bewusst sind, ist daher ebenso unbeachtlich wie die Absicht, sich den Regelungen des Beherrschungsvertragsrechts
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Vgl. Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 25 sowie Münch. Hdb. AG/ Krieger3, § 70 Rdn. 12. 258 Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 41. Ähnlich auch Emmerich, FS Hüffer, 179, 185, der sich aus Gründen des Minderheiten- und Gläubigerschutzes für eine entsprechende Anwendung der §§ 302 – 305 AktG ausspricht. 259 Emmerich, FS Hüffer, S. 179, 181; Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245; Kort, NZG 2009, 364, 365; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 120; Heidel/Peres3, § 291 AktG Rdn. 52; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 36, 41. 260 Emmerich, FS Hüffer, S. 179, 181; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 14; Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245; Kort, NZG 2009, 364, 365; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 36, 41. 261 KG v. 30. Juni 2000 – 14 U 8337/98 = 1223, 1224; OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330, 1331; OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124, 126; Münch. Komm. AktG/Altmeppen3, § 291 AktG Rdn. 43 f.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 17; Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 13; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 291 AktG Rdn. 22.
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zu entziehen.262 Entscheidend ist, ob die als verdeckter Beherrschungsvertrag eingestufte Vertragsgestaltung die für einen Beherrschungsvertrag konstitutive Leitungsunterstellung bewirkt oder nicht.263 Die Einhaltung der sonstigen Wirksamkeitserfordernisse unterstellt, muss ein verdeckter Beherrschungsvertrag eine rechtlich durchsetzbare Leitungsmöglichkeit des herrschenden Unternehmens begründen, sollen die Vorschriften der §§ 293 ff. AktG Anwendung finden.264 Ist dies zu bejahen, liegt ein gesetzestypischer Beherrschungsvertrag vor. Bei Lichte betrachtet bilden verdeckte Beherrschungsverträge also keine eigene Kategorie von Beherrschungsverträgen.265 Die Bezeichnung solcher Verträge als verdeckte Beherrschungsverträge ist nur insoweit von Bedeutung, als sie verdeutlicht, dass die Parteien den Vertrag nicht den besonderen Wirksamkeitsanforderungen der §§ 293 ff. AktG unterstellen wollten. Die eigentliche Problematik liegt in der Identifikation der Vertragsgestaltungen, bei denen eine Leitungsunterstellung im Sinne der § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG zu bejahen ist.266 Die Diskussion um die Zulässigkeit und rechtliche Behandlung dreht sich im Kern um die Frage, in welchem Umfang und auf welchem Weg die Leitungsunterstellung zu erfolgen hat. c) Schlussfolgerung In Ansehung des soeben Gesagten sind schuldrechtliche Verträge, die vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung begründen, nicht den Regeln der §§ 293 ff. AktG zu unterwerfen, auch nicht nur teilweise.267 Vertragliche Einwirkungsrechte sind weder als typische noch als atypische bzw. verdeckte Beherrschungsverträge zu klassifizieren, weil sich der Vorstand durch das Eingehen entsprechender Verpflichtungen nicht der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt. Derartige Vereinbarungen versetzen den Begünstigten – wie oben bereits ausgeführt – nicht in die Lage der „beherrschten“ Gesellschaft seinen Willen auf-
262 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 291 AktG Rdn. 17; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 120. 263 Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 74. 264 Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 122. 265 So auch Ederle, AG 2010, 273, 278. Ähnlich Hüffer10, § 291 AktG Rdn. 14. 266 Eine ausführliche Darstellung möglicher Erscheinungsformen des verdeckten Beherrschungsvertrags findet sich bei Dette, Beherrschungsverträge, S. 29 ff und S. 132 ff. 267 So ausdrücklich für Investorenvereinbarungen OLG München v. 18. Juli 2012 – 7 AktG 1/12 = AG 2012, 802, 803 sowie Kiem, AG 2009, 301, 306; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 127; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200. Maßgeblich ist allerdings stets die konkrete Ausgestaltung des Vertragswerks. Darauf für business combination agreements zu recht hinweisend Großkomm. AktG/Mülbert4, § 291 AktG Rdn. 127. Verträge, die einen Leitungstransfer von der abhängigen zur herrschendem Unternehmen bewirken, sind Beherrschungsverträge ungeachtet ihres sonstigen Inhalts.
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zuzwingen.268 Mangels des konstitutiven Merkmals der Leitungsunterstellung fehlt es an einem Ansatzpunkt für die auf §§ 133, 157 BGB gestützte Anwendung des Beherrschungsvertragsrechts. Auch wenn sie die Souveränität der Gesellschaft berühren, als rein schuldrechtliche Vereinbarungen fehlt vertraglichen Einwirkungsrechten der organisationsrechtliche Charakter eines Beherrschungsvertrags, weshalb sie nicht dem für diesen geltenden Rechtsregime zu unterstellen sind. Vielmehr ist es sachgerecht vertragliche Einwirkungsrechte sowie die darauf basierenden Einflussnahmen seitens des Vertragspartners am Maßstab des allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrechts zu messen. Die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte stellt eine unternehmerische Entscheidung dar. Ihre Zulässigkeit ist allein am Maßstab des Gesellschaftsinteresses (§ 93 Abs. 1 AktG) zu messen. Anders stellt sich die Situation indes im Falle der Übertragung von Leitungsaufgaben auf einen Dritten dar. Entsprechende Abreden stellen (verdeckte) Beherrschungsverträge dar.269 Bei objektive Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB kommt man zu dem Ergebnis, dass die Parteien in diesen Fällen (bewusst oder unbewusst) eine Leitungsunterstellung im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG herbeigeführt haben. Die Übertragung von Leitungsaufgaben ist untrennbar mit dem Transfer von Leitungsmacht verbunden.270 Verständigen sich die Parteien beispielsweise darauf, ein mit Vertretern beider Seiten besetztes Gremium zu schaffen, dass der Abstimmung und Koordinierung der Geschäftspolitik des einen Teils in wichtigen Fragen dient, handelt es sich bei der zugrunde liegenden Abrede um einen Beherrschungsvertrag, soweit und sofern die Mehrheitsverhältnisse es einer Seite erlauben, der anderen ihren Willen aufzuzwingen.271 Die Wirksamkeit der
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So ausdrücklich OLG München v. 18. Juli 2012 – 7 AktG 1/12 = AG 2012, 802, 803: „Denn jedenfalls lässt sich den genannten Vereinbarungen nicht entnehmen, dass die Parteien der Investorenvereinbarung berechtigt sein sollen, dem Vorstand Weisungen zu erteilen. Vielmehr wird dort lediglich das geplante Stimmverhalten der Parteien der Vereinbarung hinsichtlich der zukünftigen Geschäftspolitik der Antragstellerin koordiniert, was weder direkt noch indirekt ein Weisungsrecht der Parteien der Vereinbarung gegenüber dem Vorstand der Antragsstellerin ergibt. Das Weisungsrecht des § 308 AktG wäre jedoch ein unverzichtbares Merkmal eines Beherrschungsvertrags.“ 269 Eine Einhaltung der Vorschriften des Beherrschungsvertragsrechts wird den Parteien aber regelmäßig nicht in den Sinn kommen und von ihnen auch nicht gewollt sein. 270 Eine Vereinbarung dem Dritten lediglich ein Teil der Leitungsaufgaben zu übertragen, ist ein Teilbeherrschungsvertrag. An der rechtlichen Beurteilung als Beherrschungsvertrag und der Anwendung der §§ 293 ff. AktG ändert sich in diesem Fall nichts. Die Parteien hätten einen atypischen Beherrschungsvertrag geschlossen, bei dem die Leitungsunterstellung in qualitativer und quantitativer Hinsicht modifiziert erfolgt. 271 So LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HKO 4286/08 = AG 2010, 179, 180 sowie Emmerich, FS Hüffer, S. 179, 183; i.E. wohl auch Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245 f.; Schall in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 75, 86 f. A.A. OLG Schleswig v. 27. August 2008 – 2 W 160/05 = ZIP 2009, 124, 126, das dieses Ergebnis auf seine Auslegung der Kompetenzen des „Leitungsgremiums“ stützt sowie Decher, FS Hüffer, 145, 152.
B. Verhältnis zum Konzernrecht
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Vereinbarung ist dann davon abhängig, dass die Erfordernisse der §§ 293 ff. AktG eingehalten wurden.
II. Faktischer Konzern Eine konzernrechtliche Dimension könnte vertraglichen Einwirkungsrechten auf die Unternehmensleitung aber im Hinblick auf das Bestehen eines faktischen Konzernverhältnisses beizumessen sein. Als faktischer (Unterordnungs-)Konzern wird die rein tatsächliche Zusammenfassung eines oder mehrerer abhängiger Unternehmen unter der Leitung eines herrschenden Unternehmens bezeichnet, wenn diese nicht auf einem Beherrschungsvertrag oder einer Eingliederung beruht.272 Kennzeichnend für faktische Konzernverhältnisse ist, dass, anders als bei Vertragskonzernen, keine rechtliche Konzernleitungsmacht besteht, sondern es allein infolge der Abhängigkeit der Untergesellschaft zu einer faktischen Leitung durch die Obergesellschaft kommt.273 Obwohl es demnach an einer rechtlich durchsetzbaren Leitungsmöglichkeit fehlt, vermutet das Gesetz in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, dass das herrschende Unternehmen von seinen faktischen Einflussmöglichkeiten Gebrauch macht und eine Zusammenfassung der Unternehmen unter einheitlicher Leitung erfolgt. Insofern erscheint es bedenkenswert, ob die aus vertraglichen Einwirkungsrechten erwachsende Möglichkeit, auf die Unternehmensleitung des anderen Vertragsteils Einfluss zu nehmen und dessen Unternehmenspolitik zu beeinflussen, als ein ein faktisches Konzernverhältnis begründendes Leitungsinstrument anzusehen ist. 1. Abhängigkeitsbegriff Zentrales Merkmal eines jeden faktischen Konzerns ist das zwischen den Konzernunternehmen bestehende Abhängigkeitsverhältnis. Ein solches ist zu bejahen, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen sich in einer Situation befindet, in der ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar herrschenden Einfluss ausüben kann (§ 17 Abs. 1 AktG). Die Frage nach dem Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses ist dabei aus der Perspektive des abhängigen, nicht aus der des herrschenden Unternehmens zu beantworten.274 Schließlich kann von Abhängigkeit respektive herrschendem Einfluss nur dann die Rede sein, wenn sich die Organe des abhängigen Unternehmens der Abhängigkeit bewusst sind und daher auf den Willen des herrschenden Unternehmens Rücksicht nehmen, um negative Konsequenzen zu vermeiden.275
272
Vgl. z. B. Hüffer10, § 18 AktG Rdn. 3; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 69 Rdn. 22. Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 18 AktG Rdn. 9. 274 Z.B. BGH v. 04. März 1974 – II ZR 89/72 = BGHZ 62, 193, 196 f.; BGH v. 17. März 1997 – II ZB 3/96 = BGHZ 135, 107, 114. 275 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 11. 273
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Darüber, welche Intensität der Einfluss haben muss, um als beherrschend eingestuft zu werden, schweigt sich das AktG aus. Abzulehnen ist die auf das Reichsgericht zurückgehende Auffassung, dass das herrschende Unternehmen über Mittel verfügen muss, die es ihm ermöglichen das abhängige Unternehmen seinem Willen zu unterwerfen und diesen bei ihm durchzusetzen.276 Dies ist nicht mit § 17 Abs. 2 AktG in Einklang zu bringen, der bereits an das Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung die unwiderlegliche Vermutung der Abhängigkeit knüpft. Der Mehrheitsaktionär verfügt nicht über eine dem Weisungsrecht des § 308 Abs. 1 AktG vergleichbare Möglichkeit zur Durchsetzung des eigenen Willens. Er kann die abhängige Gesellschaft zu nichts zwingen. Eine derartige Herrschaftsmacht ist nur bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags möglich. Der als Leitbild für die Auslegung des Abhängigkeitstatbestands heranzuziehende § 17 Abs. 2 AktG zeigt, dass jeder Einfluss, der seiner Art nach das durch eine Mehrheitsbeteiligung begründete Einwirkungspotential in sich birgt, als beherrschend anzusehen ist.277 Die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG baut auf der sich aus der Stimmenmehrheit ergebende Personalentscheidungsgewalt eines Mehrheitsaktionärs auf. Kraft seiner Stimmenmehrheit kann dieser über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und damit mittelbar auch die des Vorstands der abhängigen Gesellschaft entscheiden. Die Stellung der einzelnen Personen als Organmitglied hängt folglich vom Wohlwollen des über die Zusammensetzung der Gesellschaftsorgane bestimmenden Mehrheitsaktionärs ab. Infolgedessen spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Aufsichtsrat und Vorstand sich den Vorstellungen des Mehrheitsaktionärs nicht verschließen, da sie anderenfalls riskieren, nicht wiedergewählt oder vorzeitig abberufen zu werden. Der gesetzlichen Konzeption nach ist die Annahme, dass die Verwaltung der abhängigen Gesellschaft zur Vermeidung persönlicher Nachteile die von ihr betriebene Geschäftspolitik an den Interessen des herrschenden Unternehmens ausrichten wird, Anknüpfungspunkt des Abhängigkeitsbegriffs.278 Konsequenz dessen ist, dass die Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens gesicherter Natur sein müssen. Abhängigkeit bzw. beherrschender Einfluss liegt nicht vor, wenn sich das fragliche Unternehmen dem Einfluss jederzeit entziehen kann.279 Ein nur zufälliger oder von der freiwilligen Mitwirkung Dritter abhängiger Einfluss begründet folglich keine Abhängigkeit. Angesichts der wack276 Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 18 AktG Rdn. 25; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 8; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 68 Rdn. 37. A.A. z. B. RG v. 21. 4. 1941 = RGZ, 167, 40, 49 sowie Großkomm. AktG/Würdinger3, § 17 AktG Anm. 4. 277 Vgl. z. B. Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 18 AktG Rdn. 25; Emmerich/Habersack/ Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 5. 278 OLG Düsseldorf v. 08. Juli 2003 – I-19 W 6/00 AktE = AG 2003, 688, 689; Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 18 AktG Rdn. 27; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 7; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 21; Münch. Hdb. AG/ Krieger3, § 68 Rdn. 38. 279 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 20.
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ligen Machtbasis des Aktionärs besteht für die Organe der Gesellschaft kein Anlass, auf dessen Wünsche in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen, da sie bei abweichendem Verhalten keine Sanktionen fürchten müssen.280 Allerdings muss das herrschende Unternehmen seine Herrschaftsmacht nicht tatsächlich ausüben. Daran, dass Abhängigkeit bereits zu bejahen ist, wenn die Möglichkeit besteht, beherrschenden Einfluss auszuüben, kann angesichts der unmissverständlichen Formulierung des § 17 Abs. 1 AktG kein Zweifel bestehen.281 Die Einflussmöglichkeit muss jedoch beständig sein. Anders formuliert, die Herrschaftsmacht bedarf einer verlässlichen Grundlage für einen überschaubaren Zeitraum.282 Eine bestimmte Mindestdauer ist allerdings nicht erforderlich.283 Ist den Organen des fraglichen Unternehmens bekannt, dass die Einflussmöglichkeiten in absehbarer Zeit ersatzlos entfallen, fehlt es an der ein Abhängigkeitsverhältnis begründenden Motivationslage.284 Umstritten ist, ob der Einfluss des herrschenden Unternehmens umfassender Natur sein muss, das heißt den gesamten Tätigkeitsbereich des abhängigen Unternehmens erfassen muss, oder ob die Möglichkeit der Einflussnahme in einem der zentralen Unternehmensbereiche des abhängigen Unternehmens ausreicht.285 2. Beherrschungsmittel a) Gesetzliche Ausgangsposition Hinsichtlich der zur Begründung beherrschenden Einflusses in Frage kommenden Instrumente schweigt sich das AktG aus. Da die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG auch die reine Kapitalmehrheit erfasst286, geht das AktG offensichtlich davon aus, dass der Abhängigkeitstatbestand auch dann erfüllt sein kann, wenn das herrschende Unternehmen, die Führungsposten in der abhängigen Gesellschaft mangels Stimmenmehrheit nicht nach eigenem Gutdünken besetzen kann. Dass der herrschende Einfluss auf Stimmenmehrheit beruht, ist folglich der Normal-, nicht aber der einzig 280 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 12. Ähnlich auch Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 20, der das Vorliegen beherrschenden Einflusses ablehnt, wenn die Möglichkeit der Ausübung des Einfluss unsicher ist. 281 Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 11. 282 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 13. 283 Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 12 f.; Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 13; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 25; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 68 Rdn. 39; Schmidt/Lutter/J. Vetter2, § 17 AktG Rdn. 12. 284 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 25. 285 Für Ersteres z. B. BGH v. 17. März 1997 – II ZB 3/96 = BGHZ 135, 107, 114; OLG Karlsruhe v. 11. Dezember 2003 – 12 W 11/02 = NZG 2004, 334, 335 sowie Münch. Hdb. AG/ Krieger3, § 68 Rdn. 38; Großkomm. AktG/Windbichler4, § 17 AktG Rdn. 17. Mit Einschränkungen auch Spindler/Stilz/Schall2, § 17 AktG Rdn. 12 f. Für Letzteres hingegen z. B. Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 9; Hüffer10, § 17 AktG Rdn. 7; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 26 f. 286 Vgl. nur Hüffer10, § 17 AktG Rdn. 17.
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denkbare Fall. Beherrschender Einfluss ist vielmehr immer dann zu bejahen, wenn das Ausmaß an Einfluss eines Unternehmens auf eine Aktiengesellschaft der Herrschaftsmacht kraft Stimmenmehrheit gleichkommt und dem Vorstand der Aktiengesellschaft eine einflussunabhängige Unternehmensleitung so gut wie unmöglich ist.287 Zumindest theoretisch bilden vertragliche Einwirkungsrechte ein taugliches Beherrschungsmittel, wenn das durch sie begründete Einflusspotential der durch die Stimmrechtsmehrheit vermittelten Herrschaftsmacht in nichts nachsteht. b) Keine Abhängigkeit aufgrund ausschließlich externer Beherrschungsmittel Allerdings basiert der aus vertraglichen Einwirkungsrechten erwachsende Einfluss stets auf der zugrundliegenden schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Drittem. Vertragliche Einwirkungsrechte beschränken sich naturgemäß auf die Begründung schuldrechtlicher Rechte und Pflichten und können daher nur dann die Grundlage eines Abhängigkeitsverhältnisses bilden, wenn auch nichtgesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten beherrschenden Einfluss im Sinne des § 17 AktG eröffnen. Im Folgenden ist daher der Frage nachzugehen, ob auch ein auf Mitteln außerhalb des Gesellschaftsrechts aufbauender Einfluss die Grundlage einer faktischen Konzernverbindung zwischen zwei Unternehmen liefern kann. aa) Fremdsteuerung einer Aktiengesellschaft kraft externer Einflussmöglichkeiten Ob der Abhängigkeitstatbestand des § 17 AktG jede Art der internen oder externen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung erfasst oder ein Abhängigkeitsverhältnis nur bei Bestehen eines – zumindest auch – intern begründeten Einflusses bejaht werden kann, ist umstritten.288 Einen unterschiedlichen Grad an Einfluss seitens des herrschenden Unternehmens wird man als Unterscheidungskriterium insoweit nicht heranziehen können. Die Fremdsteuerung einer Gesellschaft kann gleichermaßen mittels gesellschaftsrechtlicher wie auch kraft nichtgesellschaftsrechtlicher Beherrschungsmittel erfolgen. Kennzeichen beherrschenden Einflusses ist, dass das herrschende Unternehmen die Geschäftspolitik der ab287
So Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 28; Hüffer10, § 17 AktG Rdn. 9. Als ausreichend betrachten externe Beherrschungsmittel z. B. Bayreuther, Wirtschaftlich-existenziell abhängige Unternehmen, S. 253 ff.; Dierdorf, Abhängigkeit, S. 152 ff.; Prühs, DB 1972, 2001, 2005; H. Werner, Abhängigkeitstatbestand, S. 140 ff. sowie mit Einschränkungen auch Spindler/Stilz/Schall2, § 17 AktG Rdn. 22. A.A. z. B. BGH v. 26. März 1984 – II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 395 ff.; OLG Karlsruhe v. 11. Dezember 2003 – 12 W 1102 = NZG 2004, 334, 335; sowie Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 16; Hüffer10, § 17 AktG Rdn. 8; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 59; ders., FS Stimpel, S. 811, 816 ff.; Oechsler, ZGR 1997, 464, 466 ff.; Tröger, Treupflicht, S. 19 ff.; Ulmer, ZGR 1978, 457, 465 ff.; Schmidt/Lutter/J. Vetter2, § 17 AktG Rdn. 15; Großkomm. AktG/Windbichler4, § 17 AktG Rdn. 40 f. 288
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hängigen Gesellschaft in seinem Interesse zu steuern vermag, so dass diese sich bei geschäftlichen Entscheidungen nicht mehr allein an ihren Interessen orientieren kann.289 Dieses Ergebnis lässt ist aber nicht nur durch gesellschaftsrechtliche Instrumente erzielen. Auch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen vermögen maßgeblichen Einfluss auf unternehmerische Leitungsentscheidungen zu begründen. Insofern erscheint es fraglich, ob allein die mangelnde gesellschaftsrechtliche Grundlage des Einflusses es rechtfertigt, das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses und damit auch die Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 311 ff. AktG, trotz des im Einzelfall vergleichbaren Einflusspotentials, abzulehnen. Als externe, nicht-gesellschaftsrechtliche Beherrschungsmittel werden in erster Linie aus wirtschaftlichen Beziehungen erwachsende Einflussmöglichkeiten in Betracht gezogen, die daraus resultieren, dass eine Gesellschaft von ihrem Vertragspartner wirtschaftlich abhängig ist. Diskutiert wird dies vor allem in Bezug auf umfangreiche Liefer- und Absatzbeziehungen sowie Lizenz-, Franchise- und Kreditverträge, wenn sie dem Vertragspartner entsprechende rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten verschaffen.290 Ausgangspunkt der entsprechenden Überlegungen ist, dass eine Gesellschaft, die im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit auf die Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen angewiesen ist, sich einem erheblichen wirtschaftlichen Druckpotential seitens ihres Vertragspartners ausgesetzt sieht. Wenn die Gesellschaft auf den Fortbestand der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen angewiesen ist, kann der Vertragspartner der Gesellschaft durch deren Beendigung die Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit entziehen. Der Vorstand der wirtschaftlich abhängigen Gesellschaft findet sich daher in einer Zwangslage wieder, die der bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung ähnelt. Um wirtschaftliche Nachteile für die Gesellschaft abzuwenden und den damit verbundenen persönlichen Nachteilen zu entgehen, wird er sich oftmals gezwungen sehen, den Forderungen seines Vertragspartners nachzugeben. Zudem ist die persönliche Stellung des Vorstands untrennbar mit dem unternehmerischen Erfolg der Gesellschaft verbunden, so dass er persönliche Nachteile fürchten muss, falls sich der Vertragspartner der Gesellschaft entschließt, seine wirtschaftliche Macht zum Nachteil der Gesellschaft einzusetzen, Nicht nur, dass wirtschaftlicher Misserfolg der Gesellschaft geeignet ist, die berufliche Reputation des Vorstands zu schädigen, er vermindert zudem die Höhe seiner an den Unternehmenserfolg gekoppelten variablen Vergütungsanteile und kann unter Umständen sogar eine Herabsetzung seiner Bezüge zur Folge haben (§ 87 Abs. 2 AktG). Sollte es zu einer länger anhaltenden Phase wirtschaftlicher Erfolglosigkeit der Gesellschaft kommen, wird dies regelmäßig die Abberufung als Vorstand auslösen. Es ist daher zu befürchten, dass sich der 289
OLG Stuttgart v. 03. Dezember 2008 – 20 W 12/08 = AG 2009, 204, 205; Emmerich/ Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 5; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 68 Rdn. 38; Spindler/Stilz/Schall2, § 17 AktG Rdn. 9. 290 Eine ausführliche Darstellung der als Grundlage „wirtschaftlicher Abhängigkeit“ in Betracht gezogenen Vertragsverhältnisse findet sich z. B. bei Bayreuther, Wirtschaftlichexistenziell abhängige Unternehmen, S. 338 ff.
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Vorstand einer Gesellschaft den Vorstellungen eines wirtschaftlichen übermächtigen Vertragspartners beugt, um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nicht zu gefährden und so persönliche Nachteile zu vermeiden.291 Auch im Rahmen wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht dementsprechend eine hohe Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens des Vorstands, allerdings basierend auf dem wirtschaftlichen Druckpotential des Gegenübers, nicht auf dessen Personalentscheidungsgewalt. (1) Mindermeinung in der Literatur Teile der Literatur wollen beherrschenden Einfluss im Sinne des § 17 AktG daher auch dann bejahen, wenn die Einwirkungsmöglichkeiten auf einer rein wirtschaftlichen, also nicht gesellschaftsrechtlich, sondern schuldrechtlich oder sogar nur tatsächlich vermittelten Machtstellung beruhen.292 Eine Stütze findet diese Auffassung in der Begründung des Regierungsentwurfs zum AktG, die zwar hinsichtlich der Frage, ob tatsächliche Verhältnisse zur Begründung beherrschenden Einflusses ausreichen können, eine gewisse Skepsis erkennen lässt, dies aber nicht als ausgeschlossen betrachtet.293 Maßgeblicher Beweggrund aus Sicht der Anhänger dieser Auffassung ist ein behauptetes Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre und Gläubiger der Gesellschaft. Diese seien den Gefahren einer schädlichen Fremdsteuerung mittels externer Einflussmöglichkeiten schutzlos ausgesetzt, was die Anwendung der §§ 311 ff. AktG erforderlich mache.294 In diesem Fall wären auch vertragliche Einwirkungsrechte potentiell geeignet ein Abhängigkeitsverhältnis zu begründen. So bejahen Teile der Literatur dies bspw. für Kreditverträge und verweisen zur Begründung auf den aus financial covenants erwachsenden Einfluss des Kreditgebers auf die unternehmerischen Entscheidungen, genauer auf die Finanzplanung, des Kreditnehmers.295 (2) Herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur Dem ist in Übereinstimmung mit dem BGH sowie dem überwiegenden Teil der Literatur zu widersprechen. Zwar sind wirtschaftliche Zwänge einer Gesellschaft ohne Zweifel geeignet, die (finanziellen) Interessen der Aktionäre und Gläubiger zu 291
So auch Dierdorf, Abhängigkeit S. 155 f.; Tröger, Treupflicht, S. 12. Bayreuther, Wirtschaftlich-existenziell abhängige Unternehmen, S. 253 ff.; Dierdorf, Abhängigkeit, S. 152 ff.; Prühs, DB 1972, 2001, 2005; H. Werner, Abhängigkeitstatbestand, S. 140 ff. Mit Einschränkungen auch Spindler/Stilz/Schall2, § 17 AktG Rdn. 22, der fordert, dass das herrschende Unternehmen der Gesellschaft seinen Willen aufzwingen und diesen tatsächlich durchsetzen kann. 293 Begr. RegE zu § 17 AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 31. 294 Vgl. Dierdorf, Abhängigkeit, S. 261 f., der allerdings allein auf den Gläubigerschutz abstellt sowie Prühs, DB 1972, 2001, 2005. 295 Vgl. die Nachweise bei Münch. Komm. AktG/Bayer3, §17 AktG Rdn. 21; Emmerich/ Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 15; Schmidt/Lutter/Vetter2, § 17 AktG Rdn. 15. 292
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gefährden. Die Gefahr, dass der Vorstand der „abhängigen“ Gesellschaft sich zur Vornahme von Maßnahmen gedrängt sieht, die – zumindest auf lange Sicht – den Vermögensinteressen der Gesellschaft zuwiderlaufen, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Ungeachtet dessen ist ein allein aus wirtschaftlicher Abhängigkeit resultierendes Druckpotential, zur Begründung von Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG nicht ausreichend. Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG muss – zumindest auch – auf einem internen, gesellschaftsrechtsrechtlich vermittelten Einfluss des herrschenden Unternehmens beruhen.296 Die Anwendung konzernrechtlicher Vorschriften auf das Verhältnis zweier Unternehmen, die in keinerlei gesellschaftsrechtlichem Verhältnis zueinander stehen, ist nicht zu rechtfertigen. Die Regelungsbedürftigkeit eines bestimmten Lebenssachverhalts allein ist nicht geeignet, die Anwendung einer bestimmten Normengruppe zu begründen. Die Aktiengesellschaft ist, wie jeder andere Personenverband auch, ein Zusammenschluss mehrerer Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Die primäre Aufgabe des AktG liegt dementsprechend darin, den Aktionären eine effiziente Organisation zur Verfolgung des Verbandszwecks zur Verfügung zu stellen. Gesellschaftsrecht allgemein und insbesondere auch Konzernrecht ist Organisationsrecht.297 Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft (§§ 76 – 149 AktG) beruht auf dem Leitbild der unabhängigen Aktiengesellschaft mit weit gestreutem Aktienbesitz.298 Kennzeichnend ist, dass die Aktionäre ungeachtet eines noch so großen Kapitalanteils weder direkten Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen (§ 76 Abs. 1 AktG), noch auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen können (§ 57 AktG). Im Falle der Abhängigkeit der Aktiengesellschaft von einem anderen Unternehmen droht dessen herrschender Einfluss, die auf Gewaltenverzahnung und Gewaltenkontrolle ausgerichtete innere Ordnung der Gesellschaft aus den Angeln zu heben. Dem herrschenden Aktionär ist es möglich, nicht nur durch Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte, sondern auch außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung bestimmenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen.299 Angesichts der dominierenden Stellung des herrschenden Aktionärs besteht die Gefahr, dass den Interessen der Minderheitsaktionäre und den Belangen der 296 Vgl. z. B. BGH v. 26. März 1984 – II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 395 ff.; OLG Karlsruhe v. 11. Dezember 2003 – 12 W 1102 = NZG 2004, 334, 335; sowie Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 16; Hüffer10, § 17 AktG Rdn. 8; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 59; ders., FS Stimpel, S. 811, 816 ff.; Oechsler, ZGR 1997, 464, 466 ff.; Tröger, Treupflicht, S. 19 ff.; Ulmer, ZGR 1978, 457, 465 ff.; Schmidt/ Lutter/J. Vetter2, § 17 AktG Rdn. 15; Großkomm. AktG/Windbichler4, § 17 AktG Rdn. 40 f. 297 Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht22, § 1, I. Rdn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 1, I., 1. a), S. 4; Schmidt/Lutter/J. Vetter2, § 15 AktG Rdn. 10 ff. Ausführlich zur Eigenschaft des Konzernrechts als Organisationsrecht, Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 ff. sowie ders., Aktiengesellschaft, S. 163 ff. und S. 280 ff. 298 Begr. RegE Vorbemerkung zum Dritten Buch des AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 373. 299 Vgl. Begr. RegE Vorbemerkung zum Dritten Buch des AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 373 f.
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Gläubiger nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird. Es steht zu befürchten, dass der herrschende Aktionär seinen Einfluss nutzt, um das Vermögen der Gesellschaft zu deren Nachteil sowie zum Nachteil ihrer Minderheitsaktionäre und Gläubiger für eigene Belange einzusetzen (Konzernkonflikt).300 Aus dieser Perspektive stellt sich das Konzernrecht als Reaktion auf die aus der Verschiebung der innergesellschaftlichen Machtbalance resultierenden Gefahren dar.301 Um den typischen Gefahren dieses machtbedingten Ungleichgewichts entgegenzuwirken, begründen die §§ 311 ff. AktG Verhaltenspflichten des herrschenden Aktionärs, die gewährleisten sollen, dass den Interessen der Minderheitsaktionäre und Gläubiger der abhängigen Gesellschaft in angemessener Weise Rechnung getragen wird. Vor diesem Hintergrund kann kein Zweifel daran bestehen, dass Abhängigkeit innergesellschaftliche, interne Einflussmöglichkeiten voraussetzt. Es besteht eine untrennbare Verknüpfung der gesellschaftsrechtlichen Regelung des Abhängigkeitsverhältnisses mit gesellschaftsrechtlichen Herrschaftsmitteln.302 Die §§ 311 ff. AktG sollen die Minderheitsaktionäre einer abhängigen Gesellschaft und deren Gesellschafter nur vor nachteiligen Einflussnahmen schützen, die sich aus der Ausnutzung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse ergeben und dementsprechend mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln zu bekämpfen sind.303 Es ist nicht Aufgabe des Konzernrechts die Gesellschaft sowie ihre Aktionäre und Gläubiger vor Gefahren zu schützen, die jedem Unternehmen im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit drohen. Die Einbeziehung der wirtschaftlichen Abhängigkeit in den Anwendungsbereich des § 17 AktG und die daraus folgende Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG widerspricht dem Normzweck dieser Bestimmungen.304 Im Falle wirtschaftlicher Abhängigkeit einer Gesellschaft fehlt es an einer spezifisch gesellschaftsrechtlichen Ursache des oben beschriebenen Abhängigkeitsrisikos. Sie ist vielmehr Folge eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner und unterscheidet sich daher qualitativ nicht von anderen aus der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft resultierenden Risiken. Die Gefährdung der Gesellschaft, ihrer Aktionäre und Gläubiger beruht gerade nicht auf einer innergesellschaftlichen Machtverschiebung, sondern auf einem Machtgefälle im Außenverhältnis. Die Aktionärsstruktur der fraglichen Gesellschaft ist für das Bestehen ökonomischer Zwänge unerheblich. Die Gefahr, durch die Ausübung fremder 300
Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, § 311 AktG Rdn. 1. Vgl. Begr. RegE Vorbemerkung zum Dritten Buch des AktG bei Kropff, AktG 1965, S. 373 ff. sowie Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 21; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, §17 AktG Rdn. 59; ders., FS. Stimpel, S. 811, 817 f.; Tröger, Treupflicht, S. 22 f.; Ulmer, ZGR 1978, 457; 468 f. Ähnlich auch Oechsler, ZGR 1997, 464, 481. 302 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 59 sowie Hüffer10, § 17 AktG Rdn. 8. 303 BGH v. 26. März 1984 – II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 395 ff. sowie Ulmer, ZGR 1978, 457, 469. 304 So ausdrücklich BGH v. 26. März 1984 – II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 395 ff. 301
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wirtschaftlicher Macht Nachteile zu erleiden, ist ein Risiko, dem jedes wirtschaftlich tätig werdende Unternehmen ausgesetzt ist.305 Die Erfassung und Bewältigung der mit einer wirtschaftlichen Betätigung verbundenen Risiken ist aber klassische Aufgabe des Zivil- und Wettbewerbsrechts sowie des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen.306 Mit den §§ 123, 134 und 138 BGB sowie den auch im unternehmerischen Verkehr Geltung beanspruchenden §§ 305 ff. BGB stellt das Zivilrecht ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung, um den aus Vertragsbeziehungen zu Dritten erwachsenden Konflikten und Gefährdungen zu begegnen und einen angemessenen Schutz der Gesellschaft vor übermäßiger Fremdsteuerung zu gewährleisten. Eine Schutzlücke zu Lasten von Minderheitsaktionären und Gläubigern, die Anlass dazu bieten könnte, den aktienrechtlichen Abhängigkeitstatbestand in systemwidriger Weise auf Fälle wirtschaftlicher, externer Abhängigkeiten auszudehnen, besteht dementsprechend gerade nicht.307 Die Anwendung des Konzernrechts im Allgemeinen sowie der Regelungen der §§ 311 ff. AktG im Speziellen ist daher in Fällen der wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht geboten. bb) Ungeeignetheit vertraglicher Einwirkungsrechte zur Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses Dem Regelungsgehalt des Konzernrechts entsprechend, erfasst der Abhängigkeitstatbestand des § 17 AktG nur gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten. Die Intensität einer möglichen Einflussnahme auf die Gesellschaft ist für das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht ausschlaggebend. Dementsprechend begründen vertragliche Einwirkungsrechte weder beherrschenden Einfluss noch ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG. Schließlich beruhen diese auf einer bloß schuldrechtlichen Vereinbarung und vermitteln keinerlei gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit. Es fehlt an einem die Anwendung der §§ 311 ff. AktG legitimierenden Versagen des aktienrechtlichen Organisationsgerüsts. Kraft eines vertraglichen Einwirkungsrechts ist die Gesellschaft lediglich vertraglichem Fremdeinfluss ausgesetzt. Es kommt nicht zu einer Verschiebung der innergesellschaftlichen Machtbalance. Es wird lediglich entweder externer Einfluss erstmalig begründet oder ohnehin schon bestehender externer Einfluss vertraglich abgesichert.308 305
Die Mindermeinung vermag auch deshalb nicht zu überzeugen, weil der durch die §§ 311 ff. AktG gebotene Schutz vor wirtschaftlicher Abhängigkeit allein Aktiengesellschaften zu Teil würde, andere Gesellschaftsformen hingegen außen vor blieben, ohne dass sich ein unterschiedliches Schutzniveau sachlich rechtfertigen ließe. Vgl. Koppensteiner, FS Stimpel, S. 811, 817; Ulmer, ZGR 1978, 457, 470. 306 BGH v. 26. März 1984 – II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 395 ff.; Emmerich/Habersack/ Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 15; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 59; Oechsler, ZGR 1997, 464, 479; Ulmer, ZGR 1978, 457, 470 f. 307 Vgl. Ulmer, ZGR 1978, 457, 470 f. 308 Gleichsinnig Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 61; Tröger, Treupflicht, S. 36.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Reichweite der kraft vertraglicher Einwirkungsrechte möglichen Einflussnahme auf die Geschäftspolitik ist unerheblich. Allein der Umstand, dass eine Möglichkeit zur Fremdsteuerung einer Gesellschaft besteht, rechtfertigt es nicht, konzernrechtliche Vorschriften zur Anwendung zu bringen. Dass eine Gesellschaft externem Einfluss ausgesetzt ist, ist vielmehr Teil des von den Aktionären und Gläubigern der Gesellschaft in Kauf zu nehmenden unternehmerischen Risikos. Vertragliche Einwirkungsrechte sind demnach für sich genommen kein taugliches Beherrschungsinstrument und begründen kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG. c) Abhängigkeit aufgrund der Kombination externer und interner Beherrschungsmittel Allerdings trägt auch die h.M. dem Umstand, dass eine Fremdsteuerung der Gesellschaft nicht nur mittels interner, sondern auch kraft externer Instrumente möglich ist, Rechnung, indem sie anerkennt, dass beherrschender Einfluss nicht ausschließlich auf einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage basieren muss. Rechtsprechung und Literatur gehen vielmehr übereinstimmend davon aus, dass ein Abhängigkeitsverhältnis auch dann zu bejahen ist, wenn ohnehin schon bestehender gesellschaftsrechtlicher Einfluss durch das Hinzutreten außergesellschaftsrechtlicher Druckmittel – rechtlicher oder tatsächlicher Art – zu einem beherrschenden Einfluss verstärkt wird.309 Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich, dass die Kombination eines untauglichen mit einem unzureichenden Beherrschungsmittel beherrschenden Einfluss vermittelt. Daran, dass ein Beherrschungsmittel seiner Art nach für den Abhängigkeitstatbestand ohne Bedeutung ist, ändert sich durch das Zusammentreffen mit einem gesellschaftsrechtlich begründeten, für sich genommen aber ebenfalls unzureichenden Instrument nichts. Namentlich Koppensteiner erkennt daher einen durch die Kombination verschiedener Beherrschungsmittel vermittelten Einfluss nur dann als beherrschend im Sinne des § 17 AktG an, wenn beide Instrumente ihrer Art nach geeignet sind, Abhängigkeit zu begründen.310 Externe Beherrschungsmittel wären demnach auch dann, wenn sie mit internen Beherrschungsmitteln zusammentreffen, für die Frage nach dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses ohne Relevanz. 309 Z.B. BGH v. 13. Oktober 1977 – II ZR 123/76 = BGHZ 69, 334, 347; BGH v. 26. März 1984 – II ZR 171/83 = BGHZ 90, 381, 397; BGH v. 17. März 1997 – II ZB 3/96 = BGHZ 135, 107, 114; BGH v. 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 = BGHZ 148, 123, 125 f. ; OLG Düsseldorf v. 22. Juli 1993 – 6 U 84/92 = AG 1994, 36, 37; OLG Düsseldorf v. 08. Juli 2003 – I-19 W 6/00 AktE = AG 2003, 688, 689; OLG Karlsruhe v. 11. Dezember 2003 – 12 W 11/02 = NZG 2004, 334, 335 sowie Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 31 f.; Emmerich/Habersack/ Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 16 sowie Rdn. 18 ff.; Spindler/Stilz/Schall2, § 17 AktG Rdn. 25; Schmidt/Lutter/J. Vetter2, § 17 AktG Rdn. 16. A.A. Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 68; ders., FS Stimpel, S. 811, 821 f. 310 Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 17 AktG Rdn. 68.
B. Verhältnis zum Konzernrecht
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Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht bei der kombinierten Beherrschung nicht darum, ein ungeeignetes in ein geeignetes Beherrschungsmittel zu verwandeln. Vielmehr ist umgekehrt zu fragen, ob interner, gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluss durch das Hinzutreten externer Einflussmöglichkeiten zu beherrschendem Einfluss aufgewertet wird.311 Dass ein Minderheitsgesellschafter über ein einer Mehrheitsbeteiligung vergleichbares Maß an Einflussmöglichkeiten verfügt, ist augenfälliger Ausdruck einer Verschiebung der innergesellschaftlichen Machtbalance. Die Herrschaftsmacht, über die der Minderheitsgesellschafter verfügt, kann im Einzelfall weit über das Maß an Einfluss hinausgehen, das ihm kraft seiner Stellung in der Gesellschaft zustehen sollte. Für das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses kann es aber keinen Unterschied machen, ob die dominierende Stellung des Minderheitsgesellschafters auf dem tatsächlichen Umstand niedriger Hauptversammlungspräsenzen beruht, was allgemein als ausreichend betrachtet wird312, oder auf externe Einflussmöglichkeiten zurückzuführen ist. Unerlässliche Voraussetzung ist insoweit allerdings das Bestehen eines gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusspotentials. Der beherrschende Einfluss muss also nicht ausschließlich, aber zumindest doch auch gesellschaftsrechtlich vermittelt sein.313 Eröffnet die Beteiligung aber bereits für sich genommen eine Einflussmöglichkeit, sind alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die dem herrschenden Unternehmen zusätzliches Einflusspotential verschaffen.314 Die Frage nach dem Bestehen herrschenden Einflusses ist dann im Wege einer Gesamtschau aller Einwirkungsmöglichkeiten, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist, zu beantworten.315 Zu berücksichtigen sind zunächst vor allem solche Umstände, die die Personalentscheidungsgewalt des (herrschenden) Unternehmens verstärken. Dabei ist in erster Linie an Instrumente wie Höchst- und Mehrstimmrechte oder Stimmrechtsvereinbarungen zu denken.316 Vertragliche Einwirkungsrechte sind insoweit irrelevant, da sich mittels dieser kein Einfluss auf die Besetzung der Führungsposten der Gesellschaft nehmen lässt. Für die Bestellung des Vorstands ist ausschließlich der 311
Ulmer, ZGR 1978, 457, 473 f. Vgl. nur BGH v. 13. Oktober 1977 – II ZR 123/76 = BGHZ 69, 334, 347; BGH v. 17. März 1997 – II ZB 3/96 = BGHZ 135, 107, 114; BGH v. 18. Juni 2001 – II ZR 212/99 = BGHZ 148, 123, 125 f. sowie Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 35 m.w.N. 313 Welches Maß an Einfluss bereits die Minderheitsbeteiligung vermitteln muss, um bei Hinzutreten sonstiger Umstände Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG zu begründen, ist in der Literatur noch nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass eine bloße Splitterbeteiligung nicht ausreicht. Vgl. zu dieser Frage Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 16a. 314 Emmerich/Habersack/Emmerich, Konzernrecht7, § 17 AktG Rdn. 16; Schmidt/Lutter/ J. Vetter2, § 17 AktG Rdn. 16. 315 Münch. Komm. AktG/Bayer3, § 17 AktG Rdn. 32; Schmidt/Lutter/J. Vetter2, § 17 AktG Rdn. 16. 316 Spindler/Stilz/Schall2, § 17 AktG Rdn. 26. 312
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Aufsichtsrat zuständig (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Abreden, die dessen Entschließungsfreiheit beeinträchtigen sind unwirksam. Daher kann einem Aktionär nicht das Recht eingeräumt werden, einen Vorstandsposten zu besetzen.317 Demgegenüber sind den Aufsichtsrat betreffende Entsenderechte zwar zugunsten von Aktionären zulässig, sie bedürfen aber einer Regelung in der Satzung (§ 101 Abs. 2 Satz 1 AktG). Der Regelungsgehalt vertraglicher Abreden über die Besetzung des Aufsichtsrats, wie sie insbesondere in Investorenvereinbarungen regelmäßig anzutreffen sind, erschöpft sich daher in der Verpflichtung der Gesellschaft zur Vornahme gesetzlich zulässiger und zumutbarer Unterstützungshandlungen bei der Inthronisierung der vom Vertragspartner gewünschten Kandidaten,318 Ein durchsetzbarer, einem Entsenderecht vergleichbarer Rechtsanspruch ist damit nicht verbunden. Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats obliegt der Hauptversammlung (§§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 101 Abs. 1 AktG), deren Wahlfreiheit durch entsprechende Vereinbarungen nicht eingeschränkt werden darf bzw. kann.319 Die auf einer Kombination von externen und internen Beherrschungsinstrumenten basierende Abhängigkeit kann indes auch aus der Verbindung einer Minderheitsbeteiligung mit Umständen tatsächlicher Art resultieren. Von besonderem Interesse ist dabei vorliegend der Fall der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Gesellschaft von ihrem Minderheitsaktionär. Das Zusammenspiel des aus der Minderheitsbeteiligung resultierenden Einflusses mit dem aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit resultierenden wirtschaftlichen Druckpotential ist geeignet, einen Minderheitsgesellschafter in eine Lage zu versetzen, die es ihm gestattet die Unternehmenspolitik der Gesellschaft zu bestimmen. Das einem über eine Sperrminorität verfügenden Aktionär, der zugleich auch der wichtigste Vertragspartner der Gesellschaft ist, so weitgehende Mitspracherechte zugestanden werden, dass dieser in Verbindung mit seinem gesellschaftsrechtlichen Mitteln den Kurs der Geschäftspolitik der Gesellschaft zu steuern vermag, erscheint nicht ausgeschlossen. Von konzernrechtlicher Relevanz sind vertragliche Einwirkungsrechte allerdings auch insoweit nur, als die der wirtschaftlichen Abhängigkeit zugrundliegenden Vertragsbeziehungen mitunter auch vertragliche Einwirkungsrechte umfassen werden – zu denken ist insbesondere an Direktions- und Kontrollrechte in Darlehensverträgen. Für sich genommen begründen vertragliche Einwirkungsrechte angesichts ihres wirtschaftlich neutralen Regelungsgehalts keine wirtschaftliche Abhängigkeit. Der auf vertraglichen Einwirkungsrechten beruhende Einfluss vermag in diesen Konstellationen die Abhängigkeit weiter vertiefen, begründen tut er sie nicht. Vielmehr wird es Ausdruck der beherrschenden Stellung des Vertragspartners sein, dass dieser in der Lage ist, derartige Klauseln erfolgreich einzufordern. Anders gewendet, die mit der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte verbundene Preisgabe eigener Souveränität seitens der Gesellschaft, ist ein Zeichen für ihre 317 318 319
Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 84 AktG Rdn. 15. Vgl. dazu Kiem, AG 2009, 301, 309 f.; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 204 f. Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 101 AktG Rdn. 10 f.
C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten
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Abhängigkeit. Die Vereinbarung vertraglicher Einwirkungsrechte im Rahmen eines Austauschvertrags hat folglich indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses und das Bestehen eines faktischen Konzerns. Für sich genommen begründen vertragliche Einwirkungsrechte auch in Kombination mit internen Einflussmöglichkeiten keinen beherrschenden Einfluss bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis.
III. Fazit Mit der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung schaffen die Vertragsparteien keinen Konzern. Eine vertragliche Einwirkungsrechte umfassende Vereinbarung ist weder als Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG zu qualifizieren noch vermittelt sie beherrschenden Einfluss im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG. Allerdings kommt vertraglichen Einwirkungsrechten indizieller Charakter für das Vorliegen einer anderweitig begründeten Abhängigkeit zu. Unterhält ein Minderheitsgesellschafter umfangreiche wirtschaftliche Beziehungen zu seiner Gesellschaft und lässt ich in diesem Zusammenhang vertragliche Einwirkungsrechte in nennenswertem Umfang einräumen, so liegt es nahe, dass der Minderheitsgesellschafter über beherrschenden Einfluss verfügt. Anders ist dies bei der Übertragung von Leitungsaufgaben auf Dritte. Derartige Vereinbarungen haben eine konzernrechtliche Dimension. Angesichts des dadurch bewirkten Transfers der Leitungsmacht auf den Dritten, sind derartige Abreden als (verdeckte) Beherrschungsverträge einzustufen und dem Regime des Beherrschungsvertragsrechts zu unterwerfen. Die Übertragung von Leitungsaufgaben ist daher nur dann wirksam, wenn die Hauptversammlung der Untergesellschaft dem zugestimmt hat (§ 293 Abs. 1 AktG), der Beschluss ins Handelsregister eingetragen wurde (§ 294 AktG) und Ausgleichsregeln gemäß §§ 304 f. AktG in den Vertrag aufgenommen wurden.
C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten I. Zuständigkeit des Vorstands Der Entschluss, einem Dritten Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung zuzugestehen, fällt als unternehmerische Entscheidung in den alleinigen Aufgabenbereich des Vorstands (vgl. §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 1, 119 Abs. 2 AktG). Auch der Abschluss der vertraglichen Einwirkungsrechten zugrundeliegenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung mit dem Dritten obliegt dem Vorstand, in seiner Eigenschaft als Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft. Ein Mitspracherecht des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung ist bei der Eingehung rechtsgeschäftlicher Bindungen grundsätzlich nicht vorgesehen.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Angesichts des mit der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte einhergehenden Eingriffes in die Gesellschaftsstruktur stellt sich aber die Frage, ob die anderen Organe der Gesellschaft nicht doch in den Prozess der Entscheidungsfindung respektive deren Umsetzung einzubinden sind. Dass der Vorstand im Außenverhältnis für den Abschluss entsprechender Vereinbarungen zuständig ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er dazu auch im Innenverhältnis ohne Zustimmung der Hauptversammlung und/oder des Aufsichtsrats befugt ist.
II. Keine verdrängende Zuständigkeit der Hauptversammlung Der Grund, weshalb die Einbeziehung der Hauptversammlung in den Prozess der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte zumindest in Betracht zu ziehen ist, liegt auf der Hand. Der Vorstand öffnet sich der Einflussnahme eines gesellschaftsfremden Dritten und gibt, auch wenn es dafür gute Gründe geben mag, ein Stück weit die unternehmerische Selbständigkeit der Gesellschaft preis, da der Dritte mittels vertraglicher Einwirkungsrechte Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft nehmen kann. Es besteht die Gefahr, dass der Dritte seinen Einfluss zum eigenen Vor- und zum Nachteil der Aktionäre ausnutzt. 1. Keine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung Daraus ist aber nicht zu folgern, dass der Vorstand grundsätzlich verpflichtet ist, die Hauptversammlung mit der Frage zu befassen, ob vertragliche Einwirkungsrechte zugunsten eines Dritten begründet werden sollen. § 119 Abs. 2 AktG schließt die Aktionäre bewusst von der Entscheidung in Fragen der Geschäftsführung aus. Das Eingehen rechtsgeschäftlicher Bindungen ist davon grundsätzlich mit erfasst. Zu einem anderen Ergebnis käme man allenfalls dann, wenn das AktG an anderer Stelle die Zustimmung der Hauptversammlung zur Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluss eines entsprechenden Vertrages erheben würde320, wie dies beispielsweise beim Abschluss eines Nachgründungs- (§ 52 Abs. 1 AktG), Unternehmens- (§§ 293, 295 AktG), oder Verschmelzungsvertrags (§ 13 Abs. 1 UmwG) der Fall ist oder wie es für die Vereinbarung einer Vermögensübertragung (§§ 176 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 1 UmwG) sowie den Verzicht oder den Vergleich über ausgewählte Ersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Gründer der Gesellschaft (§§ 50, 53, 93 Abs. 4, 116, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG) vorgeschrieben ist. Nur dann, wenn die in Frage stehende Vereinbarung eine entsprechende Abrede zum Gegenstand hat, besteht eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung.
320
Münch. Komm. AktG/Spindler3 § 82 AktG Rdn. 20.
C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten
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a) Keine geschriebene Hauptversammlungszuständigkeit Im Hinblick auf ein gesetzlich vorgeschriebenes Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung ist in erster Linie an die Vorschrift des § 293 AktG zu denken. Wären Vereinbarungen, die vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung begründen, als Unternehmensverträge, namentlich als Beherrschungsverträge, zu qualifizieren, hinge ihre Wirksamkeit in der Tat von der Zustimmung der Hauptversammlung der dem Einfluss des anderen Teils ausgesetzten Gesellschaft (§ 293 Abs. 1 AktG) ab und, wenn der andere Vertragsteil ebenfalls eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, auch von der Zustimmung der Hauptversammlung dieser Gesellschaft (§ 293 Abs. 2 AktG). Die Rechtsprechung hat in jüngster Zeit die Tendenz erkennen lassen, den Kreis der dem Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nach § 293 Abs. 1 AktG unterfallenden Verträge auszuweiten. Auslöser der Diskussion ist die für vertragliche Einwirkungsrechte charakteristische Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftspolitik des Vertragspartners. Namentlich business combination agreements sind unter Verweis auf die sich aus ihnen ergebenden Möglichkeiten der Fremdsteuerung der Gesellschaft seitens ihres Vertragspartners in zwei Fällen als verdeckte Beherrschungsverträge den Regelungen des Beherrschungsvertragsrechts unterworfen worden.321 Auch im Hinblick auf den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung wurde aufgrund ähnlicher Erwägungen über das Bestehen einer Zustimmungspflicht der Hauptversammlung gestritten.322 Vertragliche Einwirkungsrechte sind indes, wie weiter oben bereits dargelegt, weder als offene noch als verdeckte Beherrschungsverträge zu qualifizieren.323 Es fehlt an der konstitutiven Leitungsunterstellung im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG. Eine zwingende Befassung der Hauptversammlung mit einem vertragliche Einwirkungsrechte begründenden Vertrag lässt sich nicht auf § 293 AktG stützen. Etwas anderes gilt wiederum für die Übertragung von Leitungsaufgaben auf Dritte. Will der Vorstand einer Aktiengesellschaft einen Dritten bspw. mit der Aufgabe der Unternehmensplanung betrauen, lässt sich dieses Vorhaben nur mittels des Abschlusses eines, von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängigen
321
Einen verdeckten Beherrschungsvertrag und damit die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bejahend LG München v. 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06 = ZIP 2008, 555, 559 ff. sowie LG Nürnberg-Fürth v. 18. Dezember 2008 – 1 HK O 4286/08 = AG 2010, 179 ff. Ablehnende Anmerkungen hierzu finden sich bei Decher, FS Hüffer, S. 145 ff. und Goslar DB 2008, 800 ff. Das LG München v. 19. Oktober 2007 – 5 HK O 13298/07 = WM 2008, 30, 31 und nachfolgend das OLG München v. 24. Juni 2008 – 31 Wx 83/07 = ZIP 2008, 1330, 1331 haben diese Frage ausdrücklich offengelassen. 322 Eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bejahend OLG Schleswig v. 08. Dezember 2005 – 5 U 57/04 = ZIP 2006, 421, 426. 323 Vgl. oben Teil 4, B., I., 2., b).
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
(§ 293 Abs. 1 AktG), Beherrschungsvertrags realisieren.324 Andernfalls ist dieses Vorhaben nicht nur verbandszweckwidrig und damit unzulässig. Die Vereinbarung ist mangels Einhaltung der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 293 f. AktG auch unwirksam. b) Keine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit Eine andere gesetzliche Regelung als § 293 AktG, aus der sich ein vertraglich Einwirkungsrechte erfassendes Zustimmungserfordernis seitens der Hauptversammlung ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Allerdings ist, obwohl die Zuständigkeiten der Hauptversammlung gesetzlich abschließend geregelt sind, allgemein anerkannt, dass die Hauptversammlung neben den ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen über eine ungeschriebene Zuständigkeit für bestimmte Grundlagenentscheidungen verfügt. Grundlegende Entscheidungen des Vorstands, die tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, bedürfen trotz des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Regelung der Zustimmung der Hauptversammlung.325 Der BGH erkennt derartige ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse aber nur in eng umrissenen Ausnahmefällen an, nämlich dann, wenn die Maßnahme die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, berührt.326 Tragender Gesichtspunkt ist die mit derartigen Maßnahmen verbundene Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre.327 Ein entsprechender Mediatisierungseffekt ist vertraglichen Einwirkungsrechten aber nicht zu Eigen.328 Diese bewirken keine Verlagerung von bislang der Kontrolle und dem Einfluss der Aktionäre unterliegendem Vermögen der Gesellschaft und drohen nicht, mitgliedschaftliche Herrschaftsbefugnisse und Dividendenrechte in Mitleidenschaft zu ziehen. Ein den Einfluss der Aktionäre in der Hauptversammlung beschneidender Eingriff in die Struktur der Aktiengesellschaft
324
Vgl. oben Teil 4, A., I., 5., a) und Teil 4, B., I., 2., c). BGH v. 25. Februar 1982 – II ZR 174/80 = BGHZ 83, 122, 131 sowie BGH v. 26. April 2004 – II ZR 155/02 = BGHZ 159, 30, 41 und 45. Im Schrifttum stößt die Rechtsprechung des BGH mittlerweile weitestgehend auf Zustimmung. Vgl. z. B. Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, Vor § 311 AktG Rdn. 33 ff.; Spindler/Stilz/Hoffmann2, § 119 AktG Rdn. 30; Hüffer10, § 119 AktG Rdn. 18; Münch. Hdb. AG/Semler3, § 34 Rdn. 34 ff.; Schmidt/Lutter/ Spindler2, § 119 AktG Rdn. 29 ff. 326 BGH v. 26. April 2004 – II ZR 155/02 = BGHZ 159, 30, LS a) und 44. 327 So ausdrücklich BGH v. 26. April 2004 – II ZR 155/02 = BGHZ 159, 30, LS b) und 41; BGH v. 20. November 2006 – II ZR 226/05 = ZIP 2007, 24. Zustimmend z. B. Emmerich/ Habersack/Habersack, Konzernrecht7, Vor § 311 AktG Rdn. 34; Schmidt/Lutter/Spindler2, § 119 AktG Rdn. 30. 328 So auch, speziell für den Abschluss einer Investorenvereinbarung Kiem, AG 2009, 301, 307; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200. 325
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bleibt aus.329 Da der Vorstand weder eigene Entscheidungszuständigkeiten aufgibt noch die Kontroll- und Eingriffsbefugnisse des Aufsichtsrats angetastet werden, lässt sich der Vorwurf des Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte auch nicht auf den Aspekt der Untergrabung der Stellung der Hauptversammlung stützen. Eine Befassung der Hauptversammlung mit einem vertragliche Einwirkungsrechte einräumenden Vertragswerk ist demnach nicht notwendig. Der Vorstand ist berechtigt, entsprechende Vereinbarungen einzugehen, ohne die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen.330 2. Freiwillige Befassung der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 2 AktG Dem Vorstand steht es allerdings frei, die Hauptversammlung um ihre Zustimmung zu Fragen der Geschäftsführung zu ersuchen (§ 119 Abs. 2 AktG). Diese delegierte Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung eröffnet das Gesetz nicht nur im Hinblick auf einfache Geschäftsführungsmaßnahmen, sondern vielmehr gerade auch für Fragen der Unternehmensleitung, zu denen die Entscheidung über den Abschluss vertraglicher Einwirkungsrechte zu zählen ist.331 Unzulässig ist allein die standardmäßige Befassung der Hauptversammlung mit Geschäftsführungsfragen, da der Vorstand seine Geschäftsführungskompetenz nicht auf die Hauptversammlung verlagern darf.332 Insbesondere bei bedeutungsvollen und risikoreichen Strukturmaßnahmen, aber auch beim Erwerb oder der Veräußerung von Beteiligungen, kommt es daher in der Unternehmenspraxis durchaus vor, dass der Vorstand die Zustimmung der Hauptversammlung zu von ihm beabsichtigten unternehmerischen Entscheidung einholt. Hintergrund ist regelmäßig die Unsicherheit über das Bestehen einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit nach den sog. Holzmüller/GelatineGrundsätzen. Für ein solches Vorgehen spricht neben dem Gewinn an Rechts- und Transaktionssicherheit der Aspekt der zu erwartenden erhöhten Akzeptanz der
329 Vgl. insoweit die Ausführungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit vertraglicher Einwirkungsrechte mit dem Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft. Oben Teil 4, A., I., 4., c). 330 So auch Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 124. 331 Spindler/Stilz/Hoffmann2, § 119 AktG Rdn. 14; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 119 AktG Rdn. 40; Münch. Komm. AktG/Kubis3, § 119 AktG Rdn. 24; Schmidt/Lutter/Spindler2, § 119 AktG Rdn. 18. 332 Münch. Komm. AktG/Kubis3, § 119 AktG Rdn. 22; Großkomm. AktG/Mülbert4, § 119 AktG Rdn. 47; Schmidt/Lutter/Spindler2, § 119 AktG Rdn. 17.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Maßnahme seitens der Aktionäre sowie der Umstand, dass der Vorstand sich auf diesem Wege seines Haftungsrisikos entledigen kann (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG).333 Die tatsächlich zu erlangenden Vorteile relativieren sich aber bei näherem Hinsehen. In den Genuss einer Haftungsbefreiung kommt der Vorstand nur bei Vorliegen eines gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses.334 Eine Anrufung der Hauptversammlung erscheint aber dann besonders verlockend, wenn der Vorstand sich über die Zulässigkeit und Akzeptanz seines Vorgehens im Unklaren ist. Widerspricht die konkrete Vereinbarung dem Gesellschaftsinteresse, ändert allerdings auch ein zustimmender Beschluss der Hauptversammlung nichts an ihrer Unzulässigkeit. Der zustimmende Beschluss der Hauptversammlung verstößt vielmehr seinerseits gegen das Gesellschaftsinteresse und ist (schwebend) unwirksam.335Anders als im Falle der Unklarheit über das Bestehen einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit ergibt sich aus einer Beschlussvorlage an die Hauptversammlung bei Abschluss eines vertraglichen Einwirkungsrechts weder ein Gewinn an Rechtssicherheit noch kommt es, mangels gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses, zu einer Haftungsbefreiung zugunsten des Vorstands. Auch der Gesichtspunkt, dass durch eine Beschlussvorlage nach § 119 Abs. 2 AktG eine breite Zustimmungsbasis für die Vornahme der Maßnahme geschaffen werden kann, sollte nicht überschätzt werden. Eine nachhaltige Reduzierung des Risikos, dass Aktionäre zu Rechtsmitteln greifen, um die Vereinbarung auf juristischem Wege zu kippen, lässt sich nicht erreichen. Insbesondere bei Publikumsgesellschaften ist angesichts des breit gestreuten Aktionärskreises eine Zustimmung aller Aktionäre in kontroversen Fragen unrealistisch. Letztendlich reduziert sich der Vorteil einer entsprechenden Beschlussvorlage darauf, dass der Vorstand sich durch die Einbindung der Hauptversammlung das Wohlwollen einer breiten Basis seiner Aktionäre sichern kann und so mittelbar seine Stellung festigt. Demgegenüber werden bei vertragliche Einwirkungsrechte betreffenden Beschlussvorlagen regelmäßig die Nachteile überwiegen. Zwar ist die Hauptversammlung hinsichtlich der von ihr zu treffenden Entscheidung frei, sie kann sich auch auf die Abgabe bloßer Empfehlungen beschränken. Allerdings ist ein gefasster Beschluss gleich welchen Inhalts für den Vorstand bindend.336 Verweigert die Hauptversammlung ihre Zustimmung zum Abschluss der Vereinbarung, so hat diese auch dann zu unterbleiben, wenn dies den wirtschaftlichen oder strategischen Interessen der Aktiengesellschaft widerspricht. Der Vorstand ist daran gehindert eine 333
Dass die Beschlussvorlage allein durch den Wunsch nach der Befreiung vom Haftungsrisiko motiviert ist, steht ihrer Zulässigkeit zumindest nicht entgegen. Vgl. Schmidt/ Lutter/Spindler2, § 119 AktG Rdn. 17. 334 Einhellige Meinung, vgl. z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 268; Hüffer10, § 93 AktG Rdn. 25; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani2, § 93 AktG Rdn. 48; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 208. 335 Dazu ausführlich oben Teil 4, A., II., 2. 336 Spindler/Stilz/Hoffmann2, § 119 AktG Rdn. 19; Hüffer10, § 119 AktG Rdn. 15; Münch. Komm. AktG/Kubis3, § 119 AktG Rdn. 27; Schmidt/Lutter/Spindler2, § 119 AktG Rdn. 25.
C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten
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zulässige und von ihm befürwortete Abrede einzugehen. Missachtet der Vorstand den Beschluss der Hauptversammlung, verstößt er gegen die Legalitätspflicht und setzt sich möglichen Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft aus. Zudem stellt sein Verhalten einen wichtigen Grund für seine Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG dar. Der Vorstand schränkt seinen Handlungsspielraum also erheblich ein, ohne sicher sein zu können, dafür mit Rechtssicherheit und Haftungsbefreiung belohnt zu werden. Den zu erwartenden Risiken stehen daher nicht in ausreichendem Maß korrespondierende Chancen gegenüber. Zudem läuft der Vorstand Gefahr, den Anschein zu erwecken, in unternehmerischen Leitungsentscheidungen wenig entschluss- und risikofreudig zu sein. Anstatt sich das Wohlwollen seiner Aktionäre zu sichern, kann es auch passieren, dass der Vorstand seine Reputation nachhaltig schädigt.
III. Beteiligung des Aufsichtsrats 1. Überwachung durch den Aufsichtsrat Primäre Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, die Führung der Geschäfte durch den Vorstand zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Dabei unterliegt nicht nur die Recht-, sondern auch die Ordnungs- und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung seiner Kontrolle.337 Die Intensität der Überwachungstätigkeit ist an die konkrete Risikolage anzupassen.338 Angesichts der mit der Vereinbarung vertraglicher Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung verbundenen Risiken für die Souveränität der Gesellschaft, hat der Aufsichtsrat entsprechende Vorhaben des Vorstands einer intensiveren Kontrolle zu unterwerfen und kann sich nicht darauf beschränken, die entsprechenden Berichte des Vorstands zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Vielmehr wird er gehalten sein, im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit ein besonderes Augenmerk auf dieses Thema zu richten und bei einem Sorgfaltsverstoß des Vorstands aktiv einzugreifen. Die zu fordernde Kontrolldichte ist allerdings nach Art und Umfang des vertraglichen Einwirkungsrechts unterschiedlich. Allgemein gilt, dass der Aufsichtsrat im Vorfeld des Vertragsschlusses die Zulässigkeit der Vereinbarung, namentlich ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen und ggf. den Abschluss der Vereinbarung zu verhindern hat. Erschöpft sich die vertragliche Regelung in punktuellen Absprachen kann es dabei sein Bewenden haben. Wird dem Dritten hingegen ein fortdauerndes Einwirkungsrecht gewährt, hat der Aufsichtsrat die Nutzung dieses Rechts und die Auswirkungen der Vereinbarung auch nach Ver337
Schmidt/Lutter /Drygala2, § 111 AktG Rdn. 20 f.; Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 42; Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 111 AktG Rdn. 301 ff.; Hüffer10, § 111 AktG Rdn. 6; Spindler/Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 14. 338 Schmidt/Lutter /Drygala2, § 111 AktG Rdn. 22; Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 44 ff.; Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 111 AktG Rdn. 310; Hüffer10, § 111 AktG Rdn. 7; Spindler/Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 25.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
tragsschluss fortlaufend zu kontrollieren. Kommt er dabei zu dem Ergebnis, dass die Situation mit dem Gesellschaftsinteresse nicht mehr in Einklang zu bringen ist, weil beispielsweise die Autonomie der Gesellschaft gefährdet wird, hat er den Vorstand zur Kündigung der Vereinbarung anzuhalten. Erforderlichenfalls ist der Aufsichtsrat gehalten, den Einfluss des Dritten mittels der Begründung von Zustimmungsvorbehalten bezüglich der von dem Dritten beeinflussten Maßnahmen einzudämmen oder – als ultima ratio – den Vorstand abzuberufen. 2. Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats Die aus der Preisgabe souveräner Entscheidungsmacht resultierenden Risiken ändern allerdings nichts daran, dass die Rolle des Aufsichtsrats auf die Funktion als Kontrollorgan beschränkt bleibt. Eine grundsätzliche Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu unternehmerischen Entscheidungen ist dem AktG fremd und ließe sich auch nicht mit der Stellung des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan in Einklang bringen.339 a) Kein grundsätzlicher Zustimmungsvorbehalt Allerdings verlangt § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, dass ausgewählte Arten von Geschäften der Zustimmungspflicht seitens des Aufsichtsrats zu unterstellen sind. Inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung des Katalogs der zustimmungspflichtigen Geschäfte sind unterblieben, weil sich ein Katalog, der für alle Gesellschaften ungeachtet ihrer konkreten Verhältnisse sachgerecht ist, nicht aufstellen lässt.340 Vielmehr ist es, soweit die Satzung keine diesbezüglichen Regelungen trifft, Aufgabe des Aufsichtsrats, die zu erfassenden Geschäfte unternehmensbezogen zu konkretisieren und regelmäßig zu überprüfen, ob die sachgerechte Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe eine Änderung oder Erweiterung des Katalogs erforderlich macht.341 Bei der Festlegung der zustimmungspflichtigen Geschäfte steht dem Aufsichtsrat ein Ermessenspielraum zu. Der Vorstellung des Gesetzgebers nach soll der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) Anhaltspunkte für die Frage liefern, welche Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats zu unterstellen sind.342 Mit der Forderung, dass alle Geschäfte von grundlegender Bedeutung der Zustimmung des Aufsichtsrats zu unterstellen seien, nimmt Ziffer 3.3 DCGK allerdings nur eine allgemein gehaltene Bestimmung der zustimmungspflichten Geschäfte vor. Dazu sind gemäß Ziff. 3.3 DCGK alle Entscheidungen oder Maßnahmen zu rechnen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verän339
Ausführlich dazu oben Teil 3, A., II. RegBegr. TransPUG, BT-Drucks. 14/8769, S. 17. 341 Schmidt/Lutter/Drygala2, § 111 AktG Rdn. 53; Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 107; Hüffer10, § 111 AktG Rdn. 17. 342 RegBegr. TransPUG, BT-Drucks. 14/8769, S. 18. 340
C. Begründung vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten
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dern. Auch das aktienrechtliche Schrifttum liefert keine konkreten Vorgaben und beschränkt sich auf den Hinweis, dass der Aufsichtsrat die Geschäftsführungsautonomie des Vorstands nicht durch einen extensiven Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte unterminieren dürfe. Nur nach Inhalt, Umfang und Risiko besonders bedeutsame Geschäfte und Maßnahmen dürfen der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats unterworfen werden.343 Geschäfte und Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs müssen außen vor bleiben. Eine Klausel, die die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte pauschal der Zustimmung des Aufsichtsrats unterwirft, wäre demnach unzulässig. Nicht nur, dass die der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats unterfallenden Geschäfte nicht eindeutig bestimmbar und abgrenzbar wären, eine derartige Klausel also zu unbestimmt wäre344, die Klausel wäre zudem auch sachlich zu weitgehend, da sie ohne Ansehen der Bedeutung der Vereinbarung jedes Rechtsgeschäft, das dem Dritten einen auch noch so geringen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zubilligt, erfassen würde.345 Demnach wird sich ein speziell auf vertragliche Einwirkungsrechte bezugnehmender Tatbestand nicht in die Zustimmungskataloge nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG aufnehmen lassen. Eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats kann sich aber unter Umständen aus einem auf den Regelungsgegenstand der die vertraglichen Einwirkungsrechte beinhaltenden Vereinbarung Anwendung findenden Tatbestand des Zustimmungskatalogs ergeben.346 Löst bereits der Inhalt des Grundgeschäfts die Zustimmungsbedürftigkeit aus, kommt es auf das vertragliche Einwirkungsrecht nicht an. Im Regelfall wird beispielsweise der Abschluss eines Kreditvertrags ab einem gewissen Volumen stets der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Etwaig vorgesehene financial covenants sind insoweit ohne Belang. Deren konkrete Bedingungen sind dann allerdings vom Aufsichtsrat im Rahmen seiner Entscheidung, die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern, zu berücksichtigen.
343
Schmidt/Lutter/Drygala2, § 111 AktG Rdn. 54; Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 109; Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 111 AktG Rdn. 641; Lieder, DB 2004, 2251, 2252 f.; Spindler/Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 65. 344 Vgl. zu den Bestimmtheitsanforderungen Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 106; Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 111 AktG Rdn. 643; Spindler/Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 65. 345 A.A. Kiem, AG 2009, 301, 307; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200 sowie Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 124, die eine generell den Abschluss von Investorenvereinbarungen erfassende Zustimmungsklausel für zulässig erachten. Dies wäre aber nur dann richtig, wenn der Begriff der Investorenvereinbarung einen definierten Vertragstypus beschreiben würde. 346 So auch Kiem, AG 2009, 301, 307; Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200; Seibt in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 105, 124 für den Fall des Abschlusses einer Investorenvereinbarung.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
b) Pflicht zur Begründung eines Zustimmungsvorbehalts im Einzelfall Dem Aufsichtsrat ist es zudem nicht verwehrt, bestimmte, vom Zustimmungskatalog nicht erfasste (Einzel-)Geschäfte ad-hoc einem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen.347 Das auch insoweit bestehende Ermessen des Aufsichtsrats bei der Bestimmung der Zustimmungsvorbehalte verdichtet sich vielmehr sogar zu einer Pflicht, einen entsprechenden Beschluss zu fassen, wenn die Vornahme einer gesetzeswidrigen Geschäftsführungsmaßnahme durch den Vorstand zu befürchten steht und diese nur durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts zu verhindern ist.348 Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Vorstand seinen unternehmerischen Ermessenspielraum überschreitet und sein Handeln nicht mehr mit dem Gesellschaftsinteresse in Einklang zu bringen ist.349 Die Begründung des Ad-hocVorbehalts ist dabei nicht auf besonders bedeutsame Maßnahmen beschränkt, sondern kann und muss vom Aufsichtsrat auch in anderen Fällen als Druckmittel eingesetzt werden, um ein rechtswidriges Verhalten des Vorstands zu verhindern und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.350 Allein der Umstand, dass der Vorstand beabsichtigt, einem Dritten ein vertragliches Einwirkungsrecht zu gewähren, reicht für die Begründung eines Ad-hocZustimmungsvorbehalts indes nicht aus. Nur dann, wenn die beabsichtigte Begründung des vertraglichen Einwirkungsrechts unzulässig ist, darf der Aufsichtsrat dies mittels des Instruments des Zustimmungsvorbehalts verhindern. Anderenfalls missachtet der Aufsichtsrat den unternehmerischen Beurteilungsspielraum des Vorstands und verletzt das Verbot des § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG. 3. Information des Aufsichtsrats Unerlässliche Voraussetzung einer effektiven Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat ist eine zügige und umfangreiche Informationsversorgung. Diese stellt das AktG durch das Berichtssystem nach § 90 sicher. Eine Pflicht des Vorstands, vertragliche Einwirkungsrechte begründende Vereinbarungen dem 347 Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 115; Hüffer10, § 111 AktG Rdn. 18; Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 111 AktG Rdn. 651; Lieder, DB 2004, 2251, 2253; Spindler/ Stilz/Spindler2, § 111 AktG Rdn. 67. A.A. Großkomm. AktG/Kort4, Vor § 76 AktG Rdn. 12. 348 BGH v. 15. November 1993 – II ZR 235/92 = BGHZ 124, 111, 127; Schmidt/Lutter/ Drygala2, § 111 AktG Rdn. 54; Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 115; Hüffer10, § 111 AktG Rdn. 17. 349 Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 115; Großkomm. AktG/Hopt/ Roth4, § 111 AktG Rdn. 595; Lieder, DB 2004, 2251, 2253. Ähnlich auch Spindler/Stilz/ Spindler2, § 111 AktG Rdn. 67, der darauf abstellt, ob der Vorstand in evident unvertretbarer Weise Maßnahmen durchführen will. 350 Münch. Komm. AktG/Habersack3, § 111 AktG Rdn. 115; Großkomm. AktG/Hopt/ Roth4, § 111 AktG Rdn. 651; Lieder, DB 2004, 2251, 2253. A.A. Bergmann, Funktionsauslagerung, S. 453 f.
D. Wirksamkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten
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Aufsichtsrat zur Zustimmung vorzulegen, wie diese in der Literatur mitunter für ganz außergewöhnliche oder potentiell existenzgefährdende Geschäfte befürwortet wird351, ist angesichts dessen entbehrlich. Die Absicht, einem Dritten mittels vertraglicher Einwirkungsrechte Einfluss auf unternehmerische Leitungsentscheidungen zu gewähren, wird entweder aus den Berichten nach § 90 Abs. 1 AktG zu erkennen sein oder einen wichtigen Grund im Sinne des § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG darstellen, über den dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats unverzüglich und dem Gesamtaufsichtsrat spätestens in der nächsten Sitzung (§ 90 Abs. 5 Satz 3 AktG) zu berichten ist. Die zeitnahe Information des Aufsichtsrats ist somit sichergestellt, was diesem die ausführliche Befassung mit der konkreten Vereinbarung gestattet und ihm die Möglichkeit eröffnet, erforderlichenfalls einzugreifen und die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte zu verhindern, bspw. durch Aufstellung eines adhoc-Zustimmungsvorbehalts. Eine freiwillige Vorabinformation des Aufsichtsrats außerhalb der Berichtspflichten, die inhaltlich über diese hinausgeht, ist selbstverständlich zulässig und regelmäßig aus Sicht des Vorstands auch sinnvoll, um eine frühzeitige Abstimmung mit den Mitgliedern des Aufsichtsrats zu erreichen.352
D. Wirksamkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten I. Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands Der Vorstand verfügt über eine unbeschränkte (§ 78 Abs. 1 AktG) und gegenüber Dritten auch unbeschränkbare (§ 82 Abs. 1 AktG) Vertretungsmacht. Grenzen bestehen nur insoweit, als das AktG die Vertretungsaufgabe einem anderem Organ – namentlich dem Aufsichtsrat – zuweist (vgl. z. B. § 112 AktG) oder die Wirksamkeit des Handeln des Vorstands von der Zustimmung eines anderen Organs abhängig macht (vgl. z. B. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG oder § 293 Abs. 1 AktG). Zudem wird die Vertretungsmacht des Vorstands durch die Kompetenzbereiche der anderen Gesellschaftsorgane inhaltlich begrenzt. Es ist dem Vorstand verwehrt, vertragliche Bindungen einzugehen, die in den Kompetenzbereich eines anderen Organs eingreifen.353 Davon abgesehen verbleibt es bei der unbeschränkten Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis. Schranken für die Wirksamkeit vom Vorstand
351
Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 111 AktG Rdn. 625; Lange, DStR 2003, 376, 377. So für den Abschluss einer Investorenvereinbarung auch Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 200. 353 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 9; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 82 AktG Rdn. 8; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 82 AktG Rdn. 18 ff.; Hölters/Weber, § 82 AktG Rdn. 5. 352
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
geschlossener schuldrechtlicher Vereinbarungen ergeben sich allenfalls aus den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht.354 Die Wirksamkeit einer vom Vorstand geschlossenen Vereinbarung, die Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung begründet, steht daher an sich außer Zweifel. Sollte der Vorstand gegen seine Bindung an den Verbandszweck verstoßen und eine mit dem Gesellschaftsinteresse nicht zu vereinbarende Abrede treffen, ändert dies nichts an deren Wirksamkeit. Der Verbandszweck und dementsprechend auch das aus diesem abzuleitende Gesellschaftsinteresse beschränken allein die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands (§ 82 Abs. 2 AktG).355 Pflichtverletzungen im Innenverhältnis schlagen aber nicht auf das Außenverhältnis durch und lassen die Wirksamkeit pflichtwidrig abgeschlossener Verträge unberührt.356 Das pflichtwidrige Verhalten des Vorstandes bleibt aus Gründen des Verkehrsschutzes ohne Auswirkungen. Der Abschluss der interessewidrigen Vereinbarung kann durch die Heranziehung des Vorstands zum Ersatz eines etwaigen Schadens gemäß § 93 Abs. 2 AktG sowie den Widerruf der Bestellung des Vorstands (§ 84 Abs. 3 AktG) und die Kündigung des Dienstvertrags aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) sanktioniert werden.
II. Einschränkungen durch die Leitungsautonomie? Dessen ungeachtet betrachten die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums Vereinbarungen, die die Leitungsautonomie des Vorstands beschränken, als unwirksam.357 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es sich bei § 76 Abs. 1 AktG um eine aktienrechtliche Organisationsnorm mit zwingendem Charakter handele. Von Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG abgesehen, soll es dem Vorstand verwehrt sein, wirksame Vereinbarungen einzugehen, kraft derer er sich der Leitung eines Dritten unterwirft oder Geschäftsführungsscheidungen eines Dritten im Geschäftskreis der Gesellschaft aus seiner Oberaufsicht entlässt.358
354 Vgl. dazu Großkomm. AktG/Habersack4, § 82 AktG Rdn. 9 ff. sowie Münch. Komm. BGB/Schramm6, § 164 BGB Rdn. 106 ff. 355 Allgemeine Meinung vgl. z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 27; Großkomm. AktG/Habersack4, § 82 AktG Rdn. 22; Hüffer10, § 82 AktG Rdn. 9; Köln. Komm. AktG/ Mertens/Cahn3, § 82 AktG Rdn. 20; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 82 AktG Rdn. 12. 356 Allgemeine Meinung vgl. z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 37; Großkomm. AktG/Habersack4, § 82 AktG Rdn. 30; Hüffer10, § 82 AktG Rdn. 3; Köln. Komm. AktG/ Mertens/Cahn3, § 82 AktG Rdn. 5 f.; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 82 AktG Rdn. 19; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 82 AktG Rdn. 27. 357 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 149 f.; Hüffer, FS Schwark, S. 185, 196; Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f.; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 46; Veelken, Betriebsführungsverträge, S. 229; Veil, Unternehmensverträge, S. 134. 358 Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 46.
D. Wirksamkeit vertraglicher Einflussnahmemöglichkeiten
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Die Rechtsprechung sowie Teile der Literatur stützen dieses Ergebnis auf die Einstufung von § 76 Abs. 1 AktG als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB.359 Dem kann nicht gefolgt werden, da dieser Ansicht ein verfehltes Verständnis des Normcharakters von § 76 Abs. 1 AktG zugrunde liegt. § 76 Abs. 1 AktG betrifft allein die Binnenstruktur der Aktiengesellschaft und regelt nur das Verhältnis der Organe zueinander.360 Die Regelung entfaltet keinerlei Außenwirkung im Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten. Ihr Charakter als Norm der Binnenorganisation darf nicht dadurch umgangen werden, dass ihr mittels des Rückgriffs auf § 134 BGB Außenwirkung verliehen wird. Daher ist § 76 Abs. 1 AktG weder eine gesetzliche Schranke der Vertretungsmacht des Vorstands noch eine Grenze für die rechtsgeschäftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Gesellschaft zu entnehmen. Andere Stimmen unterstellen, dass der Abschluss einer die Leitungsautonomie beschränkenden Vereinbarung außerhalb der Kompetenz des Vorstands liege und deshalb per se unverbindlich sei.361 Dies verdient uneingeschränkte Zustimmung insoweit, als es der Gesellschaft respektive dem für sie tätig werdenden Vorstand nicht möglich ist, durch Vereinbarungen mit Dritten die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft abzuändern. Dass der Vorstand weder über die Kompetenzen des Aufsichtsrats noch über die der Hauptversammlung verfügen kann, liegt auf der Hand.362 Damit ist aber nicht gesagt, dass der Abschluss jeglicher, das Organ Vorstand bindender Vereinbarungen rechtlich ausgeschlossen ist. Solange die in Rede stehende Vereinbarung, die Organisationsverfassung unangetastet lässt, steht ihrer Wirksamkeit nichts entgegen, auch nicht eine etwaige Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstands. Folglich ist auch im vorliegenden Zusammenhang zwischen Vereinbarungen, die eine Übertragung der Leitungsaufgaben auf einen gesellschaftsfremden Dritten bewirken sollen, und solchen, die einem Dritten lediglich Mitspracherechte in Leitungsfragen einräumen, zu unterscheiden. Erstere beschneiden nicht nur den Kompetenzbereich des Vorstands, sondern beeinträchtigen auch die Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten sowie die
359 LG München v. 5. April 2012 – 5 HK O 20488/11 = NZG 2012, 1152, 1154; OLG München v. 14. November 2012 – 7 AktG 2/12 = NZG 2013, 459, 461 sowie Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 76 AktG Rdn. 46; Ederle, AG 2010, 273, 276 und 278; Steinert, Investorenvereinbarungen, S. 176; Veelken, Betriebsführungsverträge, S. 229; Veil, Unternehmensverträge, S. 134. A.A. Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1845. 360 Ausführlich dazu bereits oben Teil 4, A., I., 3., a). 361 Lutter, FS Fleck, S. 169, 184 f; ihm folgend Fleischer, FS Schwark, S. 137, 149 f.; Hüffer, FS Schwark, S. 185, 196; Otto, NZG 2013, 930, 935 sowie Fn. 38. 362 Die Zuständigkeiten der anderen Organe begrenzen bzw. definieren den sachlichen Umfang der Vertretungsbefugnis des Vorstands. Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 82 AktG Rdn. 9; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 82 AktG Rdn. 8; Münch. Komm. AktG/ Spindler3, § 82 AktG Rdn. 18 ff.; Schmidt/Lutter/Seibt2, § 82 Rdn. 4; Hölters/Weber, § 82 AktG Rdn. 5.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Stellung der Hauptversammlung363 und sind daher unwirksam. Entsprechende Vereinbarungen können nur im Gewand eines Beherrschungsvertrags, d. h. unter Zustimmung der Hauptversammlung, geschlossen werden. Vertragliche Einwirkungsrechte hingegen lassen die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft unangetastet und sind daher ohne Ansehung des konkreten Regelungsgegenstands wirksam. Ob der Vorstand beim Eingehen derartiger Verpflichtungen pflichtwidrig handelt, diese also mit dem Gesellschaftsinteresse zu vereinbaren sind oder nicht, ist unerheblich. Ihre Grenze findet die Wirksamkeit entsprechender Vereinbarungen daher erst in den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht.364 Dass vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung unabhängig davon, ob sie ihm Gesellschaftsinteresse liegen oder nicht, wirksam sind, ist nicht nur die zwangsläufige Folge der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands, sondern überzeugt auch wertungsmäßig. Dass die Vertretungsmacht des Vorstands nicht beschränkt werden kann (§ 82 Abs. 1 AktG), ist Ausdruck der Entscheidung des Gesetzgebers, dem Verkehrsschutz Vorrang vor dem Schutz der Aktiengesellschaft vor pflichtwidrigen Verhalten ihres Vorstands einzuräumen.365 Ein Dritter muss sich, wenn er mit einer Aktiengesellschaft einen Vertrag schließt, nicht um den sachlichen Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands und das Bestehen etwaiger interner Beschränkungen kümmern. Dies ist sachgerecht, da ein mögliches Fehlverhalten des Vorstands der Risikosphäre der Gesellschaft zuzuordnen ist und für den Dritten regelmäßig nicht zu erkennen sein wird.366 Anders als für die Aktiengesellschaft wird es für ihren Vertragspartner regelmäßig nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, zu ermitteln, ob eine bestimmte Vereinbarung dem Gesellschaftsinteresse entspricht oder nicht. Das Risiko pflichtwidrigen Verhaltens ihres Vorstands hat daher grundsätzlich die Aktiengesellschaft zu tragen. Eklatante Schutzlücken hat dies nicht zur Folge. Die Aktiengesellschaft erfährt ausreichenden Schutz durch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht, die insbesondere bei kollusivem Zusammenwirken von Vorstand und Vertragspartner eingreifen.367
363
Vgl. dazu Teil 4, A., I., 5., a). So auch Schall in: Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, S. 75, 93, 101. 365 Schmidt/Lutter/Seibt2, § 82 AktG Rdn. 2. 366 In seiner Besprechung des Urteils des LG München v. 5. April 2012 – HK O 20488/11 weist Goslar daher zurecht daraufhin, dass die Entscheidung zur Folge habe, dass dem Vertragspartner das Risiko einer Fehleinschätzung über die Reichweite der Vertretungskompetenz des Vorstands und den Umfang des unbestimmten Verbots der Vorwegbindung zugewiesen werde. Goslar, EWiR 2013, 193, 194. 367 Ausführlich zum Grundsatz des Missbrauchs der Vertretungsmacht z. B. Großkomm. AktG/Habersack4, § 82 AktG Rdn. 9 ff. sowie Münch. Komm. BGB/Schramm6, § 164 BGB Rdn. 106 ff. 364
E. Haftung für nachteilige Einflussnahmen auf vertraglicher Basis
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Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird zudem dadurch bestätigt, dass die Wirksamkeit von rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen in anderen Bereich nicht in Frage gestellt wird, wenn der Vorstand gegen interne Beschränkungen seiner Geschäftsführungsbefugnis verstößt. Beispielhaft sei hier nur die von BGH in seiner Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung entwickelte ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz genannt. Ein ohne die Zustimmung der Hauptversammlung geschlossener Vertrag, wird trotz der (bewussten) Missachtung der Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung allgemein für wirksam erachtet.368 Ein Grund, weshalb die Wirksamkeit eines das Gesellschaftsinteresse missachtenden Vertrags anders zu beurteilen sein sollte, ist nicht ersichtlich.
E. Haftung für nachteilige Einflussnahmen auf vertraglicher Basis Die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehenden Vereinbarungen ermöglichen es dem Dritten, auf unternehmerische Entscheidungen Einfluss zu nehmen oder diese gar selbst zu treffen. Wirkt sich die Einflussnahme nachteilig auf die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft aus, stellt sich die Frage, wer von der Gesellschaft zur Verantwortung gezogen werden kann. Haftet allein der Vorstand, der die konkrete Entscheidung getroffen hat oder besteht daneben oder stattdessen eine Verantwortlichkeit des Dritten?
I. Haftung der Vorstandsmitglieder Übertragen die Vorstandsmitglieder Leitungsaufgaben auf einen Dritten verstoßen sie gegen den Verbandszweck und haften gemäß § 93 Abs. 2 AktG für ihr sorgfaltswidriges Verhalten. Hinsichtlich der Haftung der Vorstandsmitglieder im Falle der Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte bestehen zwei denkbare Anknüpfungspunkte: Der Abschluss der zugrundeliegenden Vereinbarung und die vom Vorstand unter dem Einfluss des Dritten getroffene Entscheidung. 1. Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG Grundlage einer Haftung der Vorstandsmitglieder ist in beiden Fällen § 93 Abs. 2 AktG. Verletzen die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft ihre Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung (§ 93 Abs. 1 AktG), haben sie gegenüber der 368 BGH v. 25. Februar 1982 – II ZR 184/80 = BGHZ 83, 122, 132 (Holzmüller) sowie statt aller Schmidt/Lutter/Seibt2, § 82 AktG Rdn. 4 m.w.N.
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Gesellschaft für die aus ihrer Amtsführung resultierenden Schäden einzustehen. Dass ein Dritter auf die Entscheidung Einfluss genommen hat, entlastet den Vorstand nicht. Trotz des Bestehens eines vertraglichen Einwirkungsrechts hat der Vorstand die Geschäftsführungs- sowie die Leitungsentscheidungen nicht nur weiterhin selbst zu treffen, sondern auch unvermindert selbst zu verantworten. Seiner diesbezüglichen Verantwortung kann er sich nicht durch den Verweis auf die Beteiligung des Dritten an der Entscheidungsfindung entledigen. Unentbehrliche Voraussetzung einer Ersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 AktG ist, dass den Vorstandsmitgliedern eine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Der vom Vorstand im Rahmen seiner Amtsführung zu beachtende Pflichtenkanon lässt sich in drei größere Pflichtenkreise unterteilen: Die Legalitätspflicht, die Überwachungspflicht und die Sorgfaltspflicht im engeren Sinne.369 Von Interesse ist im vorliegenden Zusammenhang allein die Sorgfaltspflicht im engeren Sinne.370 Der Maßstab, der an unternehmerische Leitungsentscheidungen anzulegen ist, ergibt sich aus § 93 Abs. 1 AktG. Die Vorstandsmitglieder sind verpflichtet, die ihnen übertragene Unternehmensleitung umfänglich wahrzunehmen und ihr Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auszuüben.371 An dieser Vorgabe muss sich sowohl die Entscheidung, sich der Einflussnahme seitens eines Dritten zu öffnen und diesem ein vertragliches Einwirkungsrecht einzuräumen, als auch jede spätere, von dem Dritten beeinflusste unternehmerische Entscheidung messen lassen. a) Begründung eines vertraglichen Einwirkungsrechts als haftungsauslösendes Moment? Die Beantwortung der Frage nach der Sorgfaltswidrigkeit im Rahmen der Begründung eines vertraglichen Einwirkungsrechts bereitet dabei vergleichsweise wenig Schwierigkeiten. Der Vorstand darf sich der Einflussnahme seitens eines Dritten öffnen. Die Begründung eines vertraglichen Einwirkungsrechts ist nicht per se sorgfaltswidrig. Der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Dritten muss allerdings dem Gesellschaftsinteresse entsprechen.372 Ist dies der Fall, scheidet eine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG mangels Sorgfaltspflichtverletzung aus.
369
Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 12. Dass ein Vorstandsmitglied, das seinen Organpflichten nicht nachkommt und rechtswidrig handelt, oder seine Überwachungspflicht vernachlässigt, für die aus seinem Verhalten resultierenden Schäden haftet, bedarf keiner gesonderten Erläuterung. Ob die Pflichtverletzung auf die Einflussnahme eines Dritten zurückzuführen ist, oder nicht, ist dabei bedeutungslos. Ursachenforschung ist insoweit nicht zu betreiben. 371 Eine ausführlich Darstellung der an das Vorstandshandeln zu stellenden Anforderungen findet sich u. a. bei Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 41 ff. 372 Vgl. dazu oben Teil 4, A., II., 2. 370
E. Haftung für nachteilige Einflussnahmen auf vertraglicher Basis
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Anderenfalls – wenn die Begründung des vertraglichen Einwirkungsrechts mit dem Gesellschaftsinteresse nicht in Einklang zu bringen ist – sind die Vorstandsmitglieder zum Ersatz aller der Gesellschaft aus der Vereinbarung erwachsenden Nachteile verpflichtet, soweit ein den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen entsprechender Zurechnungszusammenhang besteht. b) Haftung für fremdbestimmtes Handeln Auch wenn die Begründung des vertraglichen Einwirkungsrechts als solche nicht zu beanstanden ist, kann die darauf gestützte Einflussnahme des Dritten dennoch eine Haftung der Vorstandsmitglieder auslösen, wenn die unter Fremdeinfluss getroffene Entscheidung nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu vereinbaren ist. Auf den Pflichtenmaßstab, an dem der Vorstand sein Handeln auszurichten hat, bleibt von der Begründung eines vertraglichen Einwirkungsrechts unberührt. Dass der Vorstand berechtigt ist, sich der Einflussnahme des Dritten zu öffnen und dessen Vorstellungen im Rahmen seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, enthebt ihn nicht von der Pflicht, sein Handeln am Interesse der Gesellschaft auszurichten (§ 93 Abs. 1 AktG). aa) Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen fremdbestimmten Verhaltens Allein die Tatsache, dass der Vorstand sich bei seinem Handeln von einem Dritten hat beeinflussen lassen, stellt allerdings noch keine Verletzung der Sorgfaltspflicht dar und ist nicht geeignet, einen Anspruch nach § 93 Abs. 2 AktG zu begründen. Die Regelung des § 117 AktG bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Fremdbestimmung des Verhaltens des Vorstands trotz eines kausalen Schadens für sich betrachtet keine Schadensersatzpflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft auslöst. Hinzutreten muss stets, dass die beeinflussten Vorstandsmitglieder ihre Organpflichten verletzt haben (vgl. § 117 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 AktG). Das AktG unterscheidet also zwischen fremdbestimmtem und pflichtwidrigem Handeln des Vorstands und gibt damit zu erkennen, dass Ersteres nicht per se pflichtwidrig ist. Die Vorstandsmitglieder sind mithin nicht verpflichtet, sich jeglicher Einflussnahme seitens Dritter zu widersetzen. Allein der Umstand, dass ein Dritter auf die Entscheidung Einfluss genommen hat, reicht folglich nicht aus, um das Verhalten eines Vorstandsmitglieds als pflichtwidrig einzustufen.373 Dafür, dass ein von Dritten beeinflusstes Handeln nicht pauschal als Pflichtverletzung zu bewerten ist, sprechen neben systematischen auch teleologische Erwägungen. Anderenfalls bestünde eine mit der Konzeption der Regelung des § 93 Abs. 2 AktG nicht zu vereinbarende Erfolgshaftung des Vorstands für die von ihm getroffenen Entscheidungen. Dies verdeutlicht folgende, aus dem Konzernrecht (vgl. 373
Voigt, Einfluss, S. 51.
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§ 317 Abs. 2 AktG) stammende Erwägung: Veranlasst ein Dritter den Vorstand zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei pflichtgemäßer Abwägung aller damit verbundenen Chancen und Risiken hätte vornehmen dürfen, verwirklicht sich, wenn das Geschäft fehlschlägt und die Gesellschaft einen Schaden erleidet, nur das allgemeine, jeder unternehmerischen Tätigkeit innewohnende Verlustrisiko, nicht aber die der Fremdbestimmung einer Gesellschaft innewohnende spezifische Gefahr der Schädigung der Gesellschaft.374 Das allgemeine unternehmerische Risiko ist aber von der Gesellschaft sowie ihren Aktionären und Gläubigern zu tragen, nicht vom Vorstand. Die Organhaftungsvorschriften haben nicht die Aufgabe, Erstere von diesem Risiko zu befreien. Nicht jede von einem Dritten veranlasste Maßnahme, die sich negativ auf die Ertrags- und/oder Vermögenslage der Gesellschaft auswirkt, rechtfertigt dementsprechend den Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung. In Bezug auf die Frage nach der Sorgfaltswidrigkeit fremdbestimmten Verhaltens ist entscheidend, dass sich in dem Schaden gerade das spezifische Risiko der Einflussnahme seitens des Dritten realisiert. Ein Schadensersatzanspruch besteht dementsprechend nur dann, wenn den Vorstandsmitgliedern eine, von der Einflussnahme seitens des Dritten unabhängige Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Pflichtwidrig handelt der Vorstand mithin, wenn er auf Drängen des Dritten eine Maßnahme vornimmt, die nicht mit dem Gesellschaftsinteresse zu vereinbaren ist, oder er im Zuge dessen andere gesetzliche Pflichten, zu denken ist hier insbesondere an die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, verletzt. Argumente, die der Dritte vorbringt, darf der Vorstand im Rahmen seiner Entscheidungsfindung aber nur dann berücksichtigen, wenn diese sachgerecht sind. Forderungen des Dritten darf er nur dann nachkommen, wenn dies mit dem Gesellschaftsinteresse zu vereinbaren ist. Nutzt der Dritte seinen Einfluss, um auf eine dem Gesellschaftsinteresse zuwiderlaufende Entscheidung hinzuwirken, ist der Vorstand verpflichtet, sich einem entsprechenden Drängen zu widersetzen. Nachteilige Einflussnahmen bzw. rechtswidrige Weisungen des Dritten hat er abzuwehren. bb) Unternehmerischer Beurteilungsspielraum bei fremdbestimmtem Verhalten Auch wenn fremdbestimmtes Verhalten des Vorstands nicht per se unzulässig ist, wirkt sich die Einflussnahme des Dritten womöglich dennoch haftungsverschärfend 374 BGH v. 01. März 1999 – II ZR 312/97 = BGHZ 141, 79, 88; BGH v. 03. März 2008 – II ZR 124/06 = BGHZ 175, 365 Rdn. 9 und 11; BGH v. 01. Dezember 2008 – II ZR 102/07 = BGHZ 179, 91 Rdn. 9 sowie Emmerich/Habersack/Habersack, Konzernrecht7, § 311 AktG Rdn. 40; Hüffer10,§ 311 AktG Rdn. 27; Köln. Komm. AktG/Koppensteiner3, § 311 AktG Rdn. 36; Münch. Hdb. AG/Krieger3, § 69 Rdn. 78; Hölters/Leuering/Goertz, § 311 AktG Rdn. 52; Spindler/Stilz/Müller2, § 311 AktG Rdn. 28; K. Schmidt/Lutter/J. Vetter2, § 311 AktG Rdn. 40.
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aus. Grundsätzlich billigt das AktG den Vorstandsmitgliedern bei unternehmerischen Entscheidungen einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage nach der Einhaltung der Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 AktG zu. Durften sie vernünftigerweise annehmen, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, liegt – unabhängig vom späteren Ausgang – keine Pflichtverletzung vor (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Eine Haftung der Vorstandsmitglieder ist demnach dann ausgeschlossen, wenn sich die von ihnen getroffene Entscheidung im Rahmen des durch das unternehmerische Ermessen gezogenen Beurteilungsspielraums bewegt. Grundlage der die Figur des Geschäftsleiterermessens kodifizierenden business judgement rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist die Erkenntnis, dass eine unternehmerische Tätigkeit ohne weiten Beurteilungsspielraum schlechterdings nicht denkbar ist.375 Womöglich hat die Einflussnahme des Dritten aber eine Verschärfung der an das Vorstandsverhalten zu stellenden Anforderungen dergestalt zur Folge, dass die Fremdbestimmung der Entscheidung eine Verengung des Handlungsspielraums der Mitglieder des Vorstands auslöst. Es erscheint fraglich, ob diese sich trotz des Fremdeinflusses des Dritten auf ihren unternehmerischen Beurteilungsspielraum nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen können, wenn die Gesellschaft durch die beeinflusste Leitungsentscheidung geschädigt wurde. Eine vom Vorstand unter Fremdeinfluss getroffene unternehmerische Entscheidung unterläge einer vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle. Die verschärfte Haftung des Vorstands wäre ein Korrektiv für die mit dem Dritteinfluss verbundenen Gefahren. Dass die Vorstandsmitglieder sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht von sachfremden Interessen leiten lassen, wird als unausgesprochene Voraussetzung der business judgement rule angesehen.376 Sie haben ihre Entscheidung unbeeinflusst von Interessenkonflikten sowie Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutzen zu treffen.377 Die Annahme, dass sie zum Wohle der Gesellschaft handeln, ist regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn die Vorstandsmitglieder sich frei von sachfremden Einflüssen und Sonderinteressen wissen. Dass die Vorstandsmitglieder keine von Fremdeinflüssen freie Entscheidung treffen, wenn der Dritte von seinem vertraglichen Einwirkungsrecht Gebrauch macht und auf den Prozess der Willensbildung Einfluss genommen hat, liegt auf der Hand. Daraus ist dennoch nicht zu folgern, dass das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bei Bestehen eines vertraglichen Einwirkungsrechts nicht zum Tragen kommt. Ein Automatismus dergestalt, dass der Einfluss Dritter eine an den Interessen der 375
Grundlegend BGH v. 21. April 1997 – II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244, 253. Vgl. z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 72; Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 93 Abs. 1 Satz 2 und 4 AktG n.F. Rdn. 38; Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 38; Hüffer10, § 93 AktG Rdn. 4 g; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 25; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 54. A.A. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani2, § 93 AktG Rdn. 15. 377 So ausdrücklich die Begr. RegE des UMAG zu § 93 AktG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 376
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Gesellschaft orientierte Entscheidung ausschließt, existiert nicht. Die Vorstandsmitglieder können trotz Einbeziehung der vom Dritten – zulässigerweise – vorgebrachten Argumente gutgläubig annehmen, zum Wohle der Gesellschaft handeln, soweit sie sachfremde Erwägungen des Dritten bei ihrer Entscheidungsfindung ausblenden. Mehr verlangt das Gesetz von ihnen auch nicht.378 Als Teilnehmer am Rechtsverkehr ist eine Aktiengesellschaft zudem ohnehin einer Vielzahl von Fremdeinflüssen ausgesetzt. Dass die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft eine Entscheidung unbeeinflusst von jeglichen Fremdeinflüssen treffen, ist angesichts dessen eine eher theoretische Vorstellung. Sie sind nur gehalten, die sachlichen von den sachfremden Erwägungen zu trennen und letztere bei ihrer Entscheidung außen vorzulassen. Den Vorstandsmitgliedern infolge der Einflussnahme eines Dritten den unternehmerischen Beurteilungsspielraum zu versagen, wäre zudem auch sachlich verfehlt. Die Konsequenz wäre, dass anstelle der Vorstandsmitglieder ein Gericht rückblickend darüber zu befinden hätte, wie die in dieser Situation „richtige“ unternehmerische Entscheidung ausgesehen hätte. Dies widerspräche der mit der Kodifizierung der business judgement rule verfolgten Intention des Gesetzgebers. Der unternehmerischen Handlungsspielraum wird den Vorstandsmitgliedern unter anderem zuerkannt, um der Gefahr zu begegnen, dass die Gerichte bei der Kontrolle einer Entscheidung, in Kenntnis nachträglich eingetretener Tatsachen, überzogene Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Vorstands stellen (hindsight bias) und die Vorstandshaftung im Ergebnis wie eine Erfolgshaftung handhaben.379 Diese Erwägung hat auch bei Vorliegen einer unter Fremdeinfluss getroffenen Entscheidung unvermindert Gültigkeit. Auch in Bezug auf eine fremdbestimmte Leitungsentscheidung können die Vorstandsmitglieder mithin den Ermessensspielraum des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für sich in Anspruch nehmen. Allerdings ist der Umstand, dass ein Dritter auf die Entscheidung Einfluss genommen hat, bei der Prüfung, ob die Vorstandsmitglieder ihren Beurteilungsspielraum überschritten haben oder nicht, in die Betrachtung mit einzubeziehen.380 Die Vorstandsmitglieder sind gehalten Maßnahmen, die auf Drängen eines Dritten vorgenommen werden, besonders sorgfältig auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse hin zu überprüfen.
378
Es ist nicht erforderlich, dass das Vorstandsmitglied objektiv frei von Sonderinteressen und ohne sachfremde Erwägungen handelt. Da ein Interessenkonflikt, dessen Existenz einem Vorstandsmitglied nicht bewusst ist, seine Entscheidung auch nicht beeinflussen kann reicht es aus, dass das Vorstandsmitglied gutgläubig annimmt, frei von Sonderinteressen zu entscheiden. Vgl. Hüffer10, § 93 AktG Rdn. 4e; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 27. A.A. Großkomm. AktG/Hopt/Roth4, § 93 Abs. 1 Satz 2 und 4 AktG n.F. Rdn. 41. 379 Vgl. z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 60; Köln. Komm. AktG/Mertens/ 3 Cahn , § 93 AktG Rdn. 13; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 35. 380 So auch Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani2, § 93 AktG Rdn. 15 im Hinblick auf die Beurteilung von Interessenkonflikten des Vorstands.
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Auch bei fremdbestimmtem Verhalten haften die Vorstandsmitglieder mithin nur dann für nachteilige Auswirkungen der von ihnen getroffenen unternehmerischen Entscheidungen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen pflichtwidrig ist.381 Eine bloße Fehlbeurteilung oder eine Fehleinschätzung des Vorstands löst trotz aktiver Einflussnahme des Dritten keine Haftung aus. 2. Haftung nach 117 Abs. 2 AktG Nutzt ein Dritter seinen Einfluss, um Leitungsentscheidungen des Vorstands in seinem Sinne zu beeinflussen, tritt im Falle einer Sorgfaltspflichtverletzung der Vorstandsmitglieder die Ersatzpflicht für etwaige Schäden aus § 117 Abs. 2 AktG neben die Haftung gemäß § 93 Abs. 2 AktG.382 Zwar bildet § 117 Abs. 2 AktG einen selbständigen Haftungsgrund, allerdings sind die für die Frage nach der Sorgfaltswidrigkeit des fremdbestimmten Verhaltens maßgeblichen Kriterien der Regelung des § 93 Abs. 1 AktG zu entnehmen. Letztlich entsprechen die Haftungsvoraussetzungen des § 117 Abs. 2 AktG damit denen des § 93 Abs. 2 AktG, so dass regelmäßig ein Gleichlauf von § 93 Abs. 2 AktG sowie § 117 Abs. 2 AktG und damit Anspruchskonkurrenz bestehen wird.383 Zudem wird die Relevanz der Haftung nach § 117 Abs. 2 AktG stark dadurch eingeschränkt, dass der Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 AktG nur bei vorsätzlichem Handeln des Dritten erfüllt ist. Dieser muss eine Schädigung der Gesellschaft zumindest billigend in Kauf genommen haben.384 Für die Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG sind subjektive Momente auf Seiten des Dritten ohne Belang. Ungeachtet der Motivation des Dritten haben diese schon bei einer leicht fahrlässigen Verletzung ihrer Organpflichten für ihr fremdbeeinflusstes Verhalten einzustehen. Eigenständige Bedeutung kommt der Haftung nach § 117 Abs. 2 AktG daher im Wesentlichen nur im Hinblick auf die in § 93 Abs. 2 AktG nicht vorgesehene unmittelbare Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären zu. Die 381 St. Rspr. des BGH zur Auslegung des § 93 Abs. 1 AktG, vgl. BGH v. 01. März 1999 – II ZR 312/97 = BGHZ 141, 79, 88; BGH v. 03. März 2008 – II ZR 124/06 = BGHZ 175, 365 Rdn. 11. 382 Zur Haftung des einflussnehmenden Dritten nach § 117 Abs. 1 AktG unten Teil 4., E, II., 3. 383 Hüffer10, § 117 AktG Rdn. 10; Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 192; Spindler/ Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 27; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 58. 384 Vgl. dazu unten Teil 4, E, II., 3., c).
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praktische Relevanz dieses Direktanspruchs ist vergleichsweise gering, da eine Haftung für sog. Reflexschäden der Aktionäre ausgeschlossen ist (vgl. § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG). Ein unmittelbarer Anspruch eines Aktionärs besteht nur für einen über den Schaden der Gesellschaft hinausgehenden oder ausschließlich beim Aktionär entstandenen Schaden.385
II. Haftung des Vertragspartners Entstehen der Gesellschaft durch eine Entscheidung, auf die der Dritte Einfluss genommen oder die er gar selbst getroffen hat, Nachteile, liegt es auf der Hand, dass den Dritten eine Mitverantwortung trifft. Es erscheint daher nur angemessen, wenn nicht nur der Vorstand, sondern auch der Dritte für Schäden der Gesellschaft einzustehen hat. 1. Keine Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB Auf die Verletzung vertraglicher Pflichten seitens des Dritten wird die Gesellschaft einen Anspruch auf Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB) dabei nicht stützen können. Dass der Dritte den Vorstand zur Vornahme einer dem Gesellschaftsinteresse widersprechenden Maßnahme drängt, stellt keine Verletzung seiner vertraglichen Pflichten dar. Schließlich sind vertragliche Einwirkungsrechte aus der Sicht des Dritten ein Instrument, das ihm die Durchsetzung eigener unternehmerischer Interessen ermöglichen bzw. erleichtern soll. Da diese nicht zwangsläufig mit dem Gesellschaftsinteresse übereinstimmen, ist es abwegig anzunehmen, dass der Dritte eine vertragliche Bindung an das Gesellschaftsinteresse hinnimmt. Folglich werden vertragliche Einwirkungsrechte nicht unter der Bedingung stehen, dass ihre Ausübung im Einklang mit dem Gesellschaftsinteresse zu erfolgen hat. Der Einsatz vertraglicher Einwirkungsrechte zur Verfolgung eigener Interessen stellt keine Pflichtverletzung dar. Schließlich ist deren Zweck darauf gerichtet, es dem Dritten zu ermöglichen sein Interessen zu wahren. Ihre Aufgabe ist es nicht, im Konfliktfall dem Interesse der Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Dies ist auch aus Sicht der Gesellschaft unproblematisch. Stehen sich die Interessen von Gesellschaft und Drittem unvereinbar gegenüber, ist der Vorstand dazu berufen, dem Gesellschaftsinteresse zum Durchbruch zu verhelfen, was ihm dank der bei ihm verbliebenen Entscheidungskompetenz auch ohne weiteres möglich und zur Vermeidung einer eigenen Haftung auch erforderlich ist. Zu einem anderen Ergebnis wird man allenfalls in Ausnahmefällen kommen, wenn der Dritte zugleich Aktionär der Gesellschaft ist und durch die Einflussnahme
385 Ausführlich zur Problematik des Reflexschadens Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 282 ff.
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auf die Entscheidungsfindung des Vorstands seine mitgliedschaftliche Treuepflicht verletzt hat. Sollte dies doch einmal anders sein und die Abrede getroffen sein, dass der Dritte die Rechte aus dem Vertrag im Einklang mit den Interessen der Gesellschaft auszuüben hat, stellt der Verstoß selbstverständlich eine Pflichtverletzung dar, für die der Dritte nach § 280 Abs. 1 BGB einzustehen hat. Denkbar wäre dies bspw. im Fall der (unzulässigen) treuhänderischen Übertragung von Leitungsaufgaben auf einen Dritten, dessen der Vorstand sich zur eigenen Entlastung bedient. Regelmäßig wird sich der Dritte auf eine derartige Bindung aber nicht einlassen. 2. Keine Haftung analog § 93 Abs. 2 AktG als faktisches Vorstandsmitglied Ein Verantwortungsbeitrag des Dritten lässt sich aber nicht in Abrede stellen, wenn die Gesellschaft in Folge einer vom Dritten beeinflussten oder getroffenen Entscheidung des Vorstands einen Schaden erleidet. Dass nicht nur ordnungsgemäß bestellte Organmitglieder, sondern auch solche Personen, die in einer einem Organmitglied vergleichbaren Art und Weise die Geschicke der Gesellschaft bestimmen, im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden sollen, hat im Grundsatz allgemeine Anerkennung gefunden. Möglicherweise haftet ein Dritter, dessen auf ein vertragliches Einwirkungsrecht gestützte Einflussnahme nachteilige Auswirkungen für die Gesellschaft mit sich bringt, daher als faktisches Organmitglied analog § 93 Abs. 2 AktG für sein Handeln. Obwohl sich Rechtsprechung und Literatur wiederholt mit dem Phänomen des faktischen Organs beschäftigt haben, hat sich allerdings bis heute keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs herausgebildet. Die Unterschiede sowohl in den gewählten Ansätzen als auch bei den gefundenen Lösungen erreichen ein Ausmaß, das Zöllner zu der Kritik veranlasst hat, dass die Figur des faktischen Organs mitunter leider „mythische Kraft als Quelle freier Rechtsfindung entfalte“.386 a) Fehlerhaft bestellte Organmitglieder Einigkeit besteht darüber, dass das Handeln einer Person jedenfalls dann an den organschaftlichen Sorgfaltspflichten zu messen ist, wenn ein Bestellungsakt zwar tatsächlich erfolgt, aber rechtlich fehlerhaft ist.387 Eine aufgrund eines unwirksamen Bestellungsakts als Organmitglied tätige Person übt Befugnisse und Tätigkeiten aus, die an sich nur einem ordnungsgemäß bestellten Organmitglied zustehen. Da die für 386
Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack20, § 43 GmbHG Rdn. 3. Vgl. z. B. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 181; Hüffer10, § 93 AktG Rdn. 12; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 44; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani2, § 93 AktG Rdn. 2; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 43; Münch. Komm. AktG/ Spindler3, § 93 AktG Rdn. 14; Stein, Das faktische Organ, S. 115 ff.; Voigt, Haftung, S. 198 f. 387
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die Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte trotz Unwirksamkeit des Bestellungsakts regelmäßig Wirksamkeit im Außenverhältnis erlangen werden – sei es gemäß § 15 Abs. 3 HGB oder aber nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht388 –, sind die Gesellschaft und mit ihr ihre Gesellschafter und Gläubiger beim Handeln eines fehlerhaft bestellten Organmitglieds den gleichen Gefahren ausgesetzt, wie im Falle des Handelns eines wirksam bestellten Organmitglieds. Entscheidender Unterschied ist, dass nur bei Letzteren die Haftungsnormen ein Gegengewicht zu der mit der Organstellung einhergehenden Machtfülle bieten und disziplinierende Wirkung zu entfalten vermögen. Der Schutz der Gesellschaft sowie ihrer Gesellschafter und Gläubiger gebietet es daher, auch dem auf Grundlage eines unwirksamen Bestellungsakts Handelnden sämtliche gesetzlichen Pflichten aufzuerlegen, die mit der Stellung als Organmitglied einhergehen.389 Weshalb die Bestellung unwirksam ist, ist bedeutungslos. Zu fordern ist nur, dass die betreffende Person die Organfunktion mit Wissen des für die Bestellung zuständigen Gesellschaftsorgans übernommen hat.390 Soweit das fehlerhaft bestellte Organmitglied sein Amt tatsächlich ausübt, ist sein Handeln an den organschaftlichen Sorgfaltspflichten zu messen. Ungeachtet der Unwirksamkeit ihrer Bestellung haftet ein fehlerhaft bestelltes Organmitglied daher entsprechend § 93 Abs. 2 AktG für etwaige Pflichtverletzungen im Rahmen seiner „Amtsführung“. Vertragliche Einwirkungsrechte beruhen auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung des Dritten mit der Gesellschaft. Eine Bestellung als Organ ist weder beabsichtigt noch fehlgeschlagen, so dass eine Charakterisierung des Dritten als fehlerhaft bestelltes Organmitglied von vorneherein ausscheidet. Bei der Ausnutzung der auf einem vertraglichen Einwirkungsrecht beruhenden Einflussnahmemöglichkeiten nimmt der Dritte keine organschaftlichen Befugnisse für sich in Anspruch, sondern übt lediglich die ihm zustehenden schuldrechtlichen Rechte aus. Nichts anderes gilt, wenn dem Dritten Leitungsaufgaben übertragen werden. Auch hier fehlt es an der Voraussetzung eines gescheiterten Bestellungsakts. b) Faktische Organmitglieder Dieser Befund ändert indes nichts an der Tatsache, dass der Dritte kraft eines vertraglichen Einwirkungsrechts, beispielsweise durch Informations- oder Beratungsrechte, Einfluss auf unternehmerische Entscheidung nimmt. Im stärkeren Maß noch gilt dies für den Fall, dass dem Dritten Leitungsaufgaben übertragen wurden 388
Stein, Das faktische Organ, S. 101; Voigt, Haftung, S. 199. Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 44; Stein, Das faktische Organ, S. 111; Voigt, Haftung, S. 199. 390 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek19, § 43 GmbHG Rdn. 3; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 14. Ausführlich zu den an den fehlerhaften Bestellungsakt zu stellenden Anforderungen Stein, Das faktische Organ, S. 121 f. 389
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oder wenn zugunsten des Dritten ein Weisungsrecht oder ein umfänglicher Zustimmungsvorbehalt begründet wurde. Die Frage nach der rechtlichen Behandlung solcher Personen, die die Aufgaben eines Organmitglieds faktisch wahrnehmen, ohne dass überhaupt jemals ein Bestellungsakt – und sei er auch unwirksam – erfolgt ist, ist Gegenstand einer tiefgreifenden Kontroverse. aa) Rechtsprechung Im Straf- und Insolvenzrecht bürdet die Rechtsprechung den ein Organmitglied treffenden Pflichtenkanon auch demjenigen auf, der, ohne zum Organ bestellt worden zu sein, organschaftliche Befugnisse ausübt. Strafgerichte verurteilen in ständiger Rechtsprechung Personen wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 InsO (respektive den Vorgängervorschriften der § 84 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 64a Abs. 1 GmbHG a.F. vor Inkrafttreten des MoMiG) sowie anderen mit der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer GmbH in Zusammenhang stehenden Delikten, die, ohne förmlich zum Geschäftsführer der GmbH bestellt worden zu sein, die Stellung als Geschäftsführer einer GmbH mit Einverständnis der Gesellschafter tatsächlich übernommen und ausgeübt haben.391 Einschränkend wird allerdings gefordert, dass sowohl betriebsintern als auch nach außen alle Dispositionen weitgehend von dem Betreffenden ausgehen und er auch im Übrigen auf sämtliche Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluss nehme. Zudem dürfe der Betreffende sich die Unternehmensführung nicht einseitig anmaßen, sondern müsse mit dem Einverständnis der Gesellschafter handeln. Diese Rechtsprechung hat der BGH auch auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit zur Stellung eines Insolvenzantrags übertragen und es insoweit für ausreichend erachtet, wenn die betreffende Person die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen habe und zwar nicht nur durch interne Einwirkung auf den satzungsmäßigen Geschäftsführer, sondern durch eigenes, nach außen hervortretendes und üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln.392 Die Frage nach einer möglichen Haftung des faktischen Organs analog § 43 GmbHG hat der BGH ausdrücklich offengelassen und sich damit begnügt, darauf hinzuweisen, dass jedenfalls zwei Voraussetzungen zu erfüllen seien: (1) Die betreffende 391 Vgl. z. B. BGH v. 24. Juni 1952 – 1 StR 153/52 = BGHSt 3, 32, 37; BGH v. 28. Juni 1966 – 1 StR 414/65 = BGHSt 21, 101, 103; BGH v. 22. September 1982 – 3 StR 287/82 = BGHSt 31, 118, 121 f.; BGH v. 10. Mai 2000 – 3 StR 101/00 = BGHSt 46, 62, 65 f. Teile der strafrechtlichen Literatur werfen dem BGH allerdings vor, dass er mit dieser Rechtsprechung die verfassungsrechtlichen Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verletze. Die Erstreckung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf faktische Organmitglieder sei weder mit dem strafrechtlichen Analogieverbot noch mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar. Vgl. statt aller Münch. Komm. StGB/Kiethe/Hohmann, § 15a InsO Rdn. 9 m.w.N. 392 Grundlegend BGH v. 21. März 1988 – II ZR 194/87 = BGHZ 104, 44, 47 f. Vgl. zur Figur des faktischen Organs auch BGH v. 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 = BGHZ 150, 61, 69 f. sowie BGH v. 27. Juni 2005 – II ZR 113/03 = NZG 2005, 755 und BGH v. 11. Juli 2005 – II ZR 235/03 = NZG 2005, 816.
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Person müsse die an einen Geschäftsführer zu stellenden persönlichen Anforderungen des § 6 Abs. 2 GmbHG erfüllen, was namentlich juristische Personen von der Haftung ausschließt, und (2) es müsse ein Handeln im Außenverhältnis vorliegen. Die bloß interne Einflussnahme auf die Geschäftsführung genüge nicht.393 bb) Schrifttum Teile der aktienrechtlichen Literatur lehnen die Figur des faktischen Organs hingegen rundweg ab, weil allein die faktische Tätigkeit als Organmitglied keine ausreichende Grundlage für eine entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG biete, wenn die betreffende Person noch nicht einmal tatsächlich zu einem Organmitglied bestellt worden sei. Die erforderliche rechtliche Sonderverbindung könne nicht durch bloß tatsächliche Umstände begründet werden.394 Die mittlerweile als herrschend zu bezeichnende Meinung erkennt die Figur des faktischen Organs im Grundsatz an. Umstritten ist allerdings, welche Merkmale die Stellung als faktisches Organmitglied charakterisieren. Verbreitete Zustimmung hat die These gefunden, dass faktisches Organ nur derjenige sein könne, der das gesetzliche Organ verdränge. Erforderlich sei, dass der Betreffende durch seine Tätigkeit das eigentliche Organ als Verantwortungsträger ausschalte und damit der Gesellschaft sowie ihren Gesellschaftern und Gläubigern sowohl den Schutz durch gesetzmäßige Pflichterfüllung seitens des Organs als auch den Schutz durch die Möglichkeit des Haftungszugriffs auf das Organ entziehe.395 Der Großteil der Literatur hält – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung – das Erfordernis einer völligen Verdrängung des eigentlichen Organs für entbehrlich. Es reiche aus, wenn der Betreffende mit Kenntnis und Billigung des für die Bestellung zuständigen Organs organschaftliche Befugnisse tatsächlich ausübe und in diesem Rahmen auch nach außen als Organ hervortrete.396 Mitunter wird der Anwendungsbereich der Figur
393
BGH v. 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 = BGHZ 150, 61, 69. Hüffer10, § 93 AktG Rdn. 12. Im Ergebnis ebenso Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 129 f.; Köln Komm AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 43; Reiner, Fremdsteuerung, S. 176 f. 395 Stein, Das faktische Organ, S. 185. Zustimmend Drygala, ZIP 2005, 423, 431; Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 80; Köln Komm AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 43. 396 Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 229; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 50; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek19, § 43 GmbHG Rdn. 3; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani2, § 93 AktG Rdn. 2; Großkomm. GmbHG/Paefgen, § 43 GmbHG Rdn. 12; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 17 f.; Voigt, Haftung, S. 204 f.; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 20 Rdn. 38; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack20, § 43 GmbHG Rdn. 3. Im Grundsatz auch Fleischer, AG 2004, 517, 524 f. sowie Spindler/Stilz/ders.2, § 93 AktG Rdn. 190, der allerdings kein Auftreten als Organ im Außenverhältnis fordert. 394
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des faktischen Organs noch weiter gefasst und es für ausreichend erachtet, dass eine Person dauerhaft auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt.397 cc) Stellungnahme In den letzten Jahren hat sich zu Recht die Erkenntnis durchgesetzt, dass faktische Organmitglieder nicht in allen Belangen ordnungsgemäß bestellten Organmitglieder gleichgestellt werden müssen. Der Begriff des faktischen Organs kennzeichnet vielmehr ein Problem der Normanwendung.398 Daher ist hinsichtlich jeder einzelnen Vorschrift gesondert zu prüfen, ob diese im Wege der Auslegung oder der Analogie auf faktische Organmitglieder anzuwenden ist.399 Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Frage, welche Anforderungen an die analoge Anwendung der Haftungsvorschrift des § 93 Abs. 2 AktG auf faktische Organverhältnisse zu stellen sind. (1) Grundsätzliche Anerkennung der Figur des faktischen Organs Das Argument der Mindermeinung, dass eine entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG mangels tatsächlichen Bestellungsakts am Fehlen einer für die Organstellung konstitutiven rechtlichen Sonderverbindung zur Gesellschaft scheitere, verfängt nicht. Zwar ist es richtig, dass die Organstellung durch eine rechtliche Sonderverbindung zwischen Organ und Gesellschaft gekennzeichnet ist, deren Grundlage der Bestellungsakt bildet400, daraus ist aber nicht zu schlussfolgern, dass ein (gescheiterter) Bestellungsversuch unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung der Organhaftungsvorschriften ist. Erfolgt die Übernahme der organschaftlichen Befugnisse durch den Betreffenden mit Billigung des für die Bestellung zuständigen Organs und macht dieser von seinen „organschaftlichen“ Befugnissen auch tatsächlich Gebrauch, lässt sich das Bestehen einer Sonderverbindung zwischen ihm und der Gesellschaft nur schwer in Abrede stellen.401 Schließlich knüpft das Zivilrecht in zahlreichen Fällen Haftungsfolgen an die tatsächliche Übernahme von
397
K. Schmidt, JZ 1978, 661, 666; Uwe H. Schneider, BB 1981, 249, 257; Scholz/ders.10, § 43 GmbHG Rdn. 22; Wiedemann, JZ 1976, 392, 393; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 399 f. 398 Schürnbrand, Organschaft, S. 299 m.w.N. 399 So bspw. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 14 III. 4a, S. 419; Schürnbrand, Organschaft, S. 299; Stein, ZHR 148 (1984) 207, 222. 400 Vgl. zur Rechtsnatur des Bestellungsakts als Grundlage der Organstellung Großkomm. AktG/Kort4, § 84 AktG Rdn. 16 f.; Spindler/Stilz/Fleischer2, § 84 AktG Rdn. 5; Schmidt/ Lutter/Seibt2, § 84 AktG Rdn. 6; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 84 AktG Rdn. 9. 401 Ausführlich dazu Krebs, Sonderverbindung, S. 118 f. und S. 166 f.
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Verantwortung.402 Man kann insoweit von einer Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung sprechen.403 Die entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG ist auch aus teleologischen Gesichtspunkten geboten. Die hohen Anforderungen, die das Gesetz an sorgfaltsgemäßes Organhandeln stellt, haben reglementierenden Charakter. Sie bilden ein – notwendiges – Gegengewicht zu den weitreichenden Befugnissen und Einwirkungsmöglichkeiten, die mit der Organstellung verbunden sind. Namentlich die Haftungsvorschrift des § 93 Abs. 2 AktG zielt nicht allein auf repressiven Schadensausgleich ab, sondern hat vielmehr auch präventiven Charakter. Die drohende Inanspruchnahme soll die Vorstandsmitglieder zu größtmöglicher Sorgfalt bei der Amtsführung anhalten und so bereits der Eintritt eines Schadens verhindert werden.404 § 93 Abs. 2 AktG dient daher sowohl dem Schutz des Gesellschaftsvermögens als auch mittelbar dem Schutz der Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft.405 Diese Intention der gesetzlichen Regelung hat unverminderte Gültigkeit, wenn einer Person die Organstellung nicht förmlich übertragen wurde, sondern diese die organschaftlichen Befugnisse lediglich tatsächlich ausübt. Der Schutz der Gesellschaft sowie ihrer Aktionäre und Gläubiger kann nicht von der – rein tatsächlichen – Vornahme eines Bestellungsakts abhängen, wenn tatsächlich identische Funktionen ausgeübt werden.406 Schließlich ist die Gefahrenneigung bzw. das Schädigungspotential dasselbe, egal ob die Ausübung organschaftlicher Befugnisse auf einer förmlichen Grundlage beruht oder einfach nur so erfolgt. Eine analoge Anwendung der Regelung des § 93 Abs. 2 AktG ist daher zwingend geboten, um den erforderlichen Gleichlauf von unternehmerischem Einfluss und Verantwortung herzustellen. Anderenfalls stünde die Einhaltung der organschaftlichen Sorgfaltspflichten letztlich im Belieben der handelnden Person. Es drohte eine nicht hinnehmbare Haftungslücke, insbesondere dann, wenn die Person trotz fehlenden Bestellungsakts faktisch die Aufgaben des Organs wahrnimmt und damit die wirksame Bestellung einer anderen Person verhindert.407 402
So bspw. im Rahmen der deliktsrechtlichen Übernahmehaftung. Vgl. dazu z. B. Larenz/ Canaris13, § 76 III 3 e), S. 411. sowie Münch. Komm. BGB/Wagner5, § 823 BGB Rdn. 296 f. und § 831 BGB Rdn. 50 f. m.w.N. 403 Fleischer, AG 2004, 517, 523 f.; Spindler/Stilz/ders.2, § 93 AktG Rdn. 187. Zustimmend Schürnbrand, Organschaft, S. 303, Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 17. 404 Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 2; Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 8; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 11; Köln. Komm. AktG/Mertens/Cahn3, § 93 AktG Rdn. 6. 405 Vgl. die in Fn. 401 Genannten. 406 Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 17. Ausführlich dazu Stein, Das faktische Organ, S. 111 f. 407 Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 229; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 49; Voigt, Haftung, S. 201. Stein, Das faktische Organ, S. 149 f. bezeichnet die mit der Verantwortungslücke einhergehende Lage der Gesellschaft als „prekär“, da der als Organ Tätige nicht den gesetzlichen Pflichten eines Organs unterliege und ausschließlich nach § 826 BGB zur Verantwortung gezogen werden könne.
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Eine aus Sicht der Betroffenen unzumutbare Härte stellt dies nicht dar. Wer sich trotz der fehlenden Bestellung die Befugnisse eines Organmitglieds anmaßt, kann sich nicht darauf berufen, für etwaiges Fehlverhalten mangels Bestellung nicht in Anspruch genommen werden zu können.408 Begreift man richtigerweise die Okkupierung der Organstellung als entscheidenden Gesichtspunkt für die entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG, so vermag die Ansicht des BGH, dass nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen als faktisches Organmitglied in Betracht kommen, nicht zu überzeugen.409 Die vom BGH zur Begründung dieses Ergebnisses angeführten Vorschriften über die Amtstauglichkeit (§§ 6 Abs. 2 GmbHG, 76 Abs. 3 AktG) sollen Gesellschaft und Allgemeinheit vor der Übernahme der Organstellung durch ungeeignete Personen schützen, nicht Letztere vor einer Haftung für deren Folgen. Der Ausgleich etwaiger Pflichtverletzungen ist nicht von der Amtstauglichkeit des Handelnden abhängig. (2) Konkretisierung des Haftungstatbestandes: Wahrnehmung organspezifischer Funktionen in organspezifischer Weise Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass derjenige, der die Stellung eines Organmitglieds einnimmt und tatsächlich organschaftliche Befugnisse ungeachtet eines erfolgten Bestellungsakts ausübt, für etwaige Schäden analog § 93 Abs. 2 AktG haftet. Die zu beantwortende Frage ist daher nicht, ob die Figur des faktischen Organs anzuerkennen ist, sondern welche Anforderungen an das Verhalten einer Person zu stellen sind, damit von einem faktischen Organmitglied die Rede sein kann. Die dauernde Einflussnahme auf den Vorstand der Aktiengesellschaft begründet für sich genommen noch keine faktische Organstellung. Genauso wenig wie jemand durch die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben zum Organ der Gesellschaft wird, wird er durch die Einflussnahme auf die Geschäftsführung zum Organ. Zu weit geht es aber, wenn Teile der Literatur fordern, dass von einem faktischen Organ nur dann die Rede sein könne, wenn ein gesetzlich ordnungsgemäß bestelltes Organ entweder überhaupt nicht bestellt oder durch eine andere Person verdrängt sei und diese ersatzweise und umfassend die Organaufgaben wahrzunehmen habe.410 Die Haftung als faktisches Organmitglied beruht auf der tatsächlichen Übernahme der Organbefugnisse und ist deshalb nicht ausgeschlossen, wenn der Betreffende neben dem gesetzlich bestellten Organ tätig wird.411 Sobald die Einflussnahme eine – 408
Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 4; Schürnbrand, Organschaft, S. 304. Spindler/Stilz/Fleischer2, § 93 AktG Rdn. 193, Schürnbrand, Organschaft, S. 304 f. A.A. BGH v. 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 = BGHZ 150, 61, 69 sowie Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 229; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 19. 410 So aber Stein, Das faktische Organ, S. 185. Zustimmend Köln. Komm. AktG/Mertens/ Cahn3, § 93 AktG Rdn. 43. 411 So ausdrücklich BGH v. 21. März 1988 – II ZR 194/87 = BGHZ 104, 44, 47 f.; BGH v. 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 = BGHZ 150, 61, 69 f. Zustimmend Spindler/Stilz/Fleischer2, 409
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hoch anzusetzende – Wesentlichkeitsschwelle übersteigt, kann es aus Gründen der wirksamen Verhaltenssteuerung nicht darauf ankommen, ob die betreffende Person neben oder anstelle des Organs tätig wird. Die organspezifische Gefährdungslage verlangt nach einem organspezifischen Verantwortlichkeitsregime.412 Die Existenz ordnungsgemäß bestellter Organmitglieder ändert nichts an dem Bedürfnis, auch denjenigen den Sorgfaltsanforderungen des § 93 AktG zu unterwerfen, der neben diesen organschaftliche Befugnisse ausübt, um auch auf diese Person im Vorfeld verhaltenssteuernd einzuwirken und im Nachhinein einen effektiven Schadensausgleich zu gewährleisten. Zur näheren Konkretisierung der an die faktische Organstellung zu stellenden tatbestandlichen Anforderungen, ist auf die von Fleischer geprägte Formel zurückgreifen, der zufolge eine Übernahme organspezifischer Funktionen und deren Ausübung in organspezifischer Weise erfolgen muss.413 Bei der Aktiengesellschaft lässt sich angesichts der klaren Aufgabenverteilung der Organe untereinander ohne größere Mühen feststellen, ob eine nicht dem Vorstand angehörige Person organtypische Aufgaben wahrnimmt. Schließlich beinhaltet § 76 AktG eine Beschreibung des Kernbereichs der Vorstandstätigkeit: Leitung der Aktiengesellschaft. Von einem faktischen Vorstandsmitglied kann somit nur dann die Rede sein, wenn die betreffende Person an der Leitung der Gesellschaft zumindest mitwirkt. Die Übernahme einfacher Geschäftsführungsaufgaben genügt demgegenüber nicht. Schließlich kann der Vorstand diese nach allgemeiner Meinung auf nachgelagerte Unternehmensebenen oder Dritte übertragen. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wann von einer Wahrnehmung der organtypischen Funktion der Leitung in organtypischer Weise zu sprechen ist. Von einem Handeln in organtypischer Stellung kann jedenfalls nur dann die Rede sein, wenn der Betreffende in die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur eindringt.414 Im Einklang mit dem BGH und der herrschenden Meinung in der Literatur ist zudem ein nach außen hervortretendes Verhalten zu fordern. Die bloß intern wirkende Einflussnahme auf die Willensbildung der ordnungsgemäß bestellten Organmitglieder reicht nicht aus.415 Für diese Sichtweise spricht zunächst, dass das Handeln als § 93 AktG Rdn. 190; Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 229; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 49; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 15 m.w.N. 412 Fleischer, AG 2004, 517, 524. 413 So auch Fleischer, AG 2004, 517, 524 sowie Spindler/Stilz/ders.2, § 93 AktG Rdn. 188; Schürnbrand, Organschaft, S. 311. 414 Schürnbrand, Organschaft, S. 313. 415 BGH v. 21. März 1988 – II ZR 194/87 = BGHZ 104, 44, 47 f.; BGH v. 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 = BGHZ 150, 61, 69 f ; Hölters/Hölters, § 93 AktG Rdn. 229; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 18 sowie Altmeppen/Roth/Altmeppen7, § 43 GmbHG Rdn. 101; Großkomm. GmbHG/Paefgen, § 43 GmbHG Rdn. 12; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack20, § 43 GmbHG Rdn. 3. A.A. Fleischer, AG 2004, 517, 525 und Spindler/Stilz/ders.2, § 93 AktG Rdn. 189; Schürnbrand, Organschaft, S. 308 sowie Lutter/Hommelhoff/Kleindiek19, § 43 GmbHG Rdn. 3.
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Geschäftsführungsorgan maßgeblich durch die Tätigkeit im Außenverhältnis geprägt wird.416 Zudem erfasst und sanktioniert bereits § 117 AktG den Fall der rein internen Einflussnahme auf den Vorstand einer Aktiengesellschaft, so dass es – zumindest im Aktienrecht – bereits an einer Regelungslücke fehlt, der Grundvoraussetzung einer jeden Analogie.417 Das von der Gegenansicht reklamierte Schutzbedürfnis besteht also nicht. Ob § 117 AktG dem Deliktsrecht zuzuordnen ist oder nicht spielt entgegen Schürnbrand keine Rolle.418 Besteht eine gesetzliche Regelung, ist kein Platz für eine Analogie. Insoweit geht es nicht darum, ob § 117 AktG eine Haftung aus einer Sonderverbindung verdrängen kann, sondern um die Frage, ob eine Sonderverbindung besteht. Und dies ist bei der rein internen Einwirkung auf den Vorstand nicht der Fall. Eine Duldung des oder die Kenntnisnahme vom Handeln des faktischen Organs seitens der Gesellschaft ist nicht erforderlich. Die entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG rechtfertigt sich aus der Anmaßung der Organstellung seitens eines Dritten. Es geht um den Schutz der Gesellschaft, ihrer Aktionäre und Gläubiger und nicht darum, ob die Gesellschaft sich das Verhalten des faktischen Organs im Außenverhältnis zurechnen lassen muss.419 (3) Schlussfolgerung Überträgt der Vorstand eine Leitungsaufgabe auf einen Dritten, wird der Dritte zu einem faktischen Vorstandsmitglied, sobald und soweit er im Zuge der Wahrnehmung der ihm übertragene(n) Leitungsaufgabe(n) nach außen in Erscheinung tritt. Dann nimmt er die organspezifische Funktion der Leitung in organspezifischer Weise war. In diesem Fall ist das Handeln des Dritten am Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG analog zu messen. Kraft seiner Stellung als faktisches Vorstandsmitglied haftet er analog § 93 Abs. 2 AktG für die von ihm getroffenen Leitungsentscheidungen. Eine andere rechtliche Beurteilung ist angezeigt, wenn die Einflussnahme des Dritten nicht nach außen hervortritt wie dies bspw. der Fall ist, wenn dem Dritten Weisungsrechte oder Zustimmungsvorbehalte zugestanden werden, deren Wirkung sich auf die Beeinflussung des Entscheidungsprozesses innerhalb der Gesellschaft beschränkt. Der Dritte übernimmt zwar eine organtypische Funktion. Dies erfolgt aber nicht in organtypischer Weise.
416
BGH v. 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 = BGHZ 150, 61, 69 f. Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 93 AktG Rdn. 18; Voigt, Haftung, S. 201 f. 418 Bejahend Schürnbrand, Organschaft, S. 307. A.A. Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 50. 419 So auch Schürnbrand, Organschaft, S. 307 sowie Stein, ZHR 148 (1984), 207, 216 unter Berufung auf BGH v. 22. September 1982 – 3 StR 287/82 = BGHSt 31, 118, 123. A.A. Hölters/ Hölters, § 93 AktG Rdn. 229; Großkomm. AktG/Hopt4, § 93 AktG Rdn. 50, die allerdings das Gewährenlassen der nicht bestellten Person als konkludente Billigung ansehen, so dass im Ergebnis kein großer Unterschied zu der hier vertretenen Auffassung vorliegen dürfte. 417
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Misst man vertragliche Einwirkungsrechte an diesen Vorgaben, kommt man ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG nicht gegeben sind. Weder kommt es zu einer Wahrnehmung organtypischer Funktionen noch erfolgt diese in organtypischer Weise. Für vertragliche Einwirkungsrechte ist es geradezu „typusprägend“, dass diese nicht zur Wahrnehmung von Leitungsaufgaben ermächtigen. Sie stehen nur dann mit dem Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft in Einklang, wenn die Leitungszuständigkeit beim Vorstand verbleibt. Zudem ermöglichen vertragliche Einwirkungsrechte „lediglich“ die interne Einwirkung auf den Willensbildungsprozess des Vorstands. Der Vertragspartner nimmt auf die Unternehmensleitung Einfluss, geriert er sich aber nicht im Außenverhältnis als Vorstandsmitglied. Demnach ist es ausgeschlossen eine kraft eines vertraglichen Einwirkungsrechts auf die Gesellschaft Einfluss nehmende Person als faktisches Vorstandsmitglied einzuordnen. Es fehlt an der Okkupierung der Organstellung des Vorstands. 3. Haftung gemäß § 117 AktG Dass eine kraft eines vertraglichen Einwirkungsrechts oder eines Weisungs- oder Zustimmungsrechts auf die Unternehmensleitung Einfluss nehmende Person nicht als faktisches Vorstandsmitglied zu qualifizieren ist, bedeutet indes nicht, dass nachteilige Einflussnahmen, die die Grenze der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung nicht erreichen, von der Gesellschaft sanktionslos hinzunehmen sind. Anknüpfungspunkt für die Haftung des Dritten ist die Regelung des § 117 AktG, die eine Schadensersatzpflicht desjenigen vorsieht, der unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft bestimmte Personen vorsätzlich dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln.420 a) Objektiver Tatbestand § 117 AktG ist als Generalklausel gegen Machtmissbrauch konzipiert und soll die Gesellschaft davor schützen, dass Dritte ihren Einfluss auf herausgehobene Mitglieder der Verwaltung der Gesellschaft zum Schaden der Gesellschaft ausnutzen.421 Dem klaren Wortlaut des § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG nach ist es nicht erforderlich, dass der Einflussnehmende Aktionär ist. Jedermann kann den Tatbestand realisieren. Entscheidend ist, dass die betreffende Person kraft ihres Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands zu einem für die Gesellschaft schädigenden Handeln veranlasst. Auf welcher Grundlage und in welcher Form sich die Ein420
Eine Ersatzpflicht des Dritten nach § 309 bzw. § 317 AktG kommt nicht in Betracht, da vertragliche Einwirkungsrechte weder (verdeckte) Beherrschungsverträge sind noch die Grundlage eines faktischen Konzernverhältnisses bilden. Vgl. dazu oben Teil 4, B. 421 Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 1 und 3. Ausführlich zu der umstrittenen Frage, ob § 117 AktG neben dem Vermögen der Gesellschaft auch die Autonomie der Willensbildung in der Aktiengesellschaft schützt Voigt, Einfluss, S. 37 ff.
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flussnahme durch den Dritten vollzieht, ist ohne Belang.422 Insbesondere muss der Einfluss, anders als im Rahmen der §§ 17, 311 ff. AktG, nicht gesellschaftsrechtlich begründet sein. Ausreichend sind vielmehr tatsächliche oder rechtliche Umstände jeglicher Art, die die betreffende Person in die Lage versetzen, die Vertreter der Gesellschaft zu einem schädigenden Verhalten zu bestimmen.423 Eine auf vertragliche Einwirkungsrechte gestützte Einflussnahme lässt sich folglich zwanglos unter § 117 AktG subsumieren. Den ihm kraft des vertraglichen Einwirkungsrechts oder eines (unzulässigen) Weisungs- oder Zustimmungsrechts zustehenden Einfluss, muss der Dritte dazu nutzen, ein Mitglied des Vorstands zu einem die Gesellschaft schädigenden Verhalten zu bestimmen. Erforderlich ist ein Kausalzusammenhang zwischen Einflussnahme und schädigender Handlung, wobei Mitursächlichkeit ausreicht.424 Wesentlich ist, dass der Dritte durch seine Einflussnahme bei den Mitgliedern des Vorstands den Entschluss zu einem bestimmten Handeln hervorruft.425 Treffen die Vorstandsmitglieder im Anschluss die vom Dritten angestrebte Entscheidung, ist der objektive Tatbestand des § 117 Abs. 1 AktG erfüllt, wenn diese in einem kausalen Schaden der Gesellschaft mündet. b) Rechtswidrigkeit Aufgrund des deliktsrechtlichen Charakters von § 117 Abs. 1 AktG tritt nach einhelliger Auffassung zu den geschriebenen Merkmalen des Tatbestandes die Voraussetzung hinzu, dass der Dritte seinen Einfluss in rechtswidriger Weise ausgenutzt hat.426 Wann von einer rechtswidrigen Einflussnahme zu sprechen ist, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Kern der Diskussion ist die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit des Handelns der beeinflussten Person und der Rechtswidrigkeit der Einflussnahme besteht. Nach einer Mindermeinung in der Literatur indiziert die Tatbestandsmäßigkeit der Einflussnahme deren Rechtswidrigkeit. Etwas anderes gelte aber für die Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen des Vorstands. Diese sei nur dann rechtswidrig, wenn sie auf ein objektiv pflichtwidriges Verhalten der beeinflussten Personen ziele.427 Wenn die vom Vorstand getroffene unternehmerische Entschei422
Hüffer10, § 117 AktG Rdn. 4. Hüffer10, § 117 AktG Rdn. 3; Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 114; Hölter/ Leuering/Goertz, § 117 AktG Rdn. 3; Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 15; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 16. 424 Schmidt/Lutter/Hommelhoff/Witt2, § 117 AktG Rdn. 7; Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 145; Hölter/Leuering/Goertz, § 117 AktG Rdn. 4; Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 17. 425 Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 23. 426 Hüffer10, § 117 AktG Rdn. 6. 427 Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 153; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 36. 423
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dung noch vom Beurteilungsspielraum des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gedeckt sei, sei die Einflussnahme auch dann nicht rechtswidrig, wenn das Geschäft wider Erwarten fehlschlägt.428 Die herrschende Meinung in der Literatur steht dem ablehnend gegenüber und fordert, dass die Rechtswidrigkeit der Einflussnahme jeweils im Rahmen einer gesonderten Interessenabwägung positiv festgestellt werden müsse, ohne dass es auf die Pflichtwidrigkeit des Handelns der beeinflussten Person ankomme.429 Der von der Mindermeinung im Hinblick auf die Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen konstruierte Zusammenhang von Pflichtwidrigkeit und Rechtswidrigkeit, vermag nicht zu überzeugen. Ausweislich der Regelung des § 117 Abs. 2 AktG unterscheidet das AktG zwischen der Rechtswidrigkeit der Einflussnahme und der Pflichtwidrigkeit des beeinflussten Verhaltens. Die Einflussnahme kann auch dann rechtswidrig sein und den Dritten die Haftung nach § 117 Abs. 1 AktG treffen, wenn dem Vorstand kein pflichtwidriges Verhalten zur Last gelegt werden kann und eine Haftung nach § 117 Abs. 2 AktG ausscheidet.430 Der Mindermeinung ist aber darin zuzustimmen, dass die Wertung des § 317 Abs. 2 AktG bei der Beurteilung der Einflussnahme des Dritten nicht übergangen werden darf. Die Einflussnahme auf ein Vorstandsmitglied ist daher im Regelfall nicht rechtswidrig, wenn die beeinflusste Entscheidung mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglieds zu vereinbaren ist.431 Dieser Aspekt darf bei der von der h.M. geforderten Interessenabwägung nicht außer Acht bleiben. Nimmt der Dritte kraft eines vertraglichen Einwirkungsrechts oder eines (unzulässigen) Weisungs- oder Zustimmungsrecht auf eine unternehmerische Leitungsentscheidung Einfluss, profitiert er somit grundsätzlich vom Beurteilungsspielraum des Vorstands. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann auch die Veranlassung einer noch vom Beurteilungsspielraum des Vorstands gedeckten Entscheidung als rechtswidrig einzustufen sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Dritte den Vorstand über die Tatsachengrundlagen täuscht.432
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Vgl. Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 153; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 36 f. 429 Hüffer10, § 117 AktG Rdn. 6; Schmidt/Lutter/Hommelhoff/Witt2, § 117 AktG Rdn. 10; Hölters/Leuering/Goertz, § 117 AktG Rdn. 6; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 27 Rdn. 5. I. E. auch Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 22 f. 430 Schmidt/Lutter/Hommelhoff/Witt2, § 117 AktG Rdn. 10. 431 So auch Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 24; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 27 Rdn. 5. 432 I. E. ganz h.M, vgl. z. B. Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 152; Spindler/Stilz/ Schall2, § 117 AktG Rdn. 24.
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c) Subjektiver Tatbestand § 117 Abs. 1 AktG erfasst ausschließlich die vorsätzliche Verwirklichung des objektiven Tatbestands, wobei nach einhelliger Auffassung Eventualvorsatz ausreicht.433 Der Vorsatz muss sich auf alle Elemente des objektiven Tatbestandes beziehen, namentlich den Einfluss auf die Gesellschaft, das Bestimmen eines Verwaltungsmitglieds und den die Gesellschaft schädigenden Charakter der veranlassten Maßnahme. Art und Höhe des Schadens müssen vom Vorsatz des einflussnehmenden Dritten nicht umfasst sein. Ihm muss aber die generelle Eignung der veranlassten Maßnahme, die Gesellschaft zu schädigen, bewusst sein.434 Insoweit reicht es aus, wenn der Dritte die Möglichkeit eines Schadenseintritts erkennt und diesen billigend in Kauf nimmt.435 Geht er hingegen ernstlich davon aus, dass es nicht zu einer Schädigung der Gesellschaft kommen werde, scheidet eine Haftung nach § 117 Abs. 1 AktG aus.436 Infolge der im Zivilrecht geltenden Vorsatztheorie muss an sich die Rechtswidrigkeit der Einflussnahme ebenfalls vom Vorsatz des Dritten umfasst sein. Konsequenz dessen wäre indes, dass die Einstandspflicht des Dritten davon abhängt, dass dieser die Bewertung seines Verhaltens durch die Rechtsordnung korrekt nachvollzogen hat.437 Damit wäre aber gerade derjenige von der Ersatzpflicht nach § 117 Abs. 1 AktG ausgenommen, der sich über jedweden Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns hinwegsetzt.438 Die damit verbundene Privilegierung desjenigen, der bewusst oder grob fahrlässig die Augen vor der Rechtswidrigkeit seines Handelns verschließt, ist mit der Intention von § 117 AktG, einen effektiven Schutz des Vermögens der Gesellschaft vor nachteiligen Einflussnahmen Dritter zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren. Eine Lösung bietet der Rückgriff auf die von der Rechtsprechung für die gleich gelagerte Problematik betreffend die Sittenwidrigkeit des Handelns im Rahmen des § 826 BGB entwickelten Grundsätze. In diesem Zusammenhang vertritt der BGH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich der Vorsatz des Schädigers nur auf die dem Sittenwidrigkeitsurteil zugrunde liegenden Tatsachen erstrecken müsse. Diese müssten dem Schädiger bekannt gewesen sein. Hingegen sei nicht erforderlich, dass dieser das Sittenwidrigkeitsurteil nachvollzogen habe.439 433
Hüffer10, § 117 AktG Rdn. 7. Ganz h.M. Schmidt/Lutter/Hommelhoff/Witt2, § 117 AktG Rdn. 11; Großkomm. AktG/ 4 Kort , § 117 AktG Rdn. 159; Köln. Komm. AktG/Mertens2, § 117 AktG Rdn. 23; Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 42; Münch. Hdb. AG/Wiesner3, § 27 Rdn. 6. 435 Münch. Komm. AktG/Spindler3, § 117 AktG Rdn. 42. 436 BGH v. 12. Juli 1982 – II ZR 175/81 = NJW 1982, 2823, 2827. A.A. Spindler/Stilz/ Schall2, § 117 AktG Rdn. 25. 437 Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 25. 438 So zutreffend zur gleich gelagerten Problematik im Rahmen des § 826 BGB z. B. Münch. Komm. BGB/Wagner5, § 826 BGB Rdn. 28. 439 Ständige Rspr. des BGH, vgl. zB. BGH v. 24. November 1952 – III ZR 164/51 = BGHZ 83, 87 f.; BGH v. 21. September 1961 – II ZR 86/60 = NJW 1961, 2302, 2303; BGH v. 26. März 434
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Teil 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Überträgt man diese Vorgaben auf die Ersatzpflicht nach § 117 Abs. 1 AktG, so ist der subjektive Tatbestand bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn dem Drittem die maßgeblichen Umstände, wegen derer seine Einflussnahme als rechtswidrig anzusehen ist, bekannt gewesen sind.440 Dass ihm die Rechtswidrigkeit der Einflussnahme auch bewusst ist, ist nicht zu fordern.Nimmt der Dritte (kraft eines vertraglichen Einwirkungsrechts oder anderweitig) Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen, muss ihm folglich nicht bewusst sein, dass die beeinflussten Vorstandsmitglieder ihren unternehmerischen Beurteilungsspielraum überschreiten. Ausreichend ist, wenn dem Dritten diejenigen Umstände bekannt sind, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Vorstands ergibt.441 Eine vorsätzliche Einflussnahme im Sinne des § 117 Abs. 1 AktG ist allerdings dann zu verneinen, wenn der einflussnehmende Dritte der redlichen Überzeugung war und dies auch sein durfte, dass sein Verhalten nicht zu beanstanden sei.442 Dabei entlastet den Dritten nicht jede irrtümliche Fehlbeurteilung seines Verhaltens, sondern nur die redliche auf einer vertretbaren Entscheidungsgrundlage gewonnene Überzeugung, in Verfolgung eines erlaubten Interesses zu handeln.443 4. Fazit Nutzt der Dritte den aus vertraglichen Einwirkungsrechten oder Weisungs- bzw. Zustimmungsrechten erwachsenden Einfluss, um auf die interne Willensbildung des Vorstands Einfluss zu nehmen, hat er gemäß § 117 Abs. 1 AktG für die aus der von ihm beeinflussten Entscheidung resultierenden Schäden einzustehen, wenn die Entscheidung des Vorstands, nicht mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglieds zu vereinbaren ist. Regelmäßig wird daneben auch eine Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder nach § 117 Abs. 2 sowie § 93 Abs. 2 AktG bestehen, so dass der einflussnehmende Dritte und die Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft als Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB haften. Die Lastenverteilung im Innenverhältnis hat sich, dem Rechtsgedanken des § 254 1962 – II ZR 151/60 = NJW 1962, 1099, 1100; BGH v. 19. Februar 1986 – IVb ZR 71/84 = NJW 1986, 1751, 1754; BGH v. 24. September 1987 – III ZR 187/86 = BGHZ 101, 380; 388; BGH v. 13. September 2004 – II ZR 276/02 = NJW 2004, 3706, 3710. Im Schrifttum hat diese Rechtsprechung weitestgehend Zustimmung gefunden, vgl. z. B. Bamberger/Roth/Spindler3, § 826 BGB Rdn. 10; Palandt/Sprau72, § 826 BGB Rdn. 8; Jauernig/Teichmann14, § 826 BGB Rdn. 5; im Ergebnis auch Münch. Komm. BGB/Wagner5, § 826 BGB Rdn. 26 ff. A.A. nunmehr Staudinger/Oechsler13 – 2009, § 826 BGB Rdn. 61 ff. 440 Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 25. 441 A.A. Großkomm. AktG/Kort4, § 117 AktG Rdn. 160, demzufolge der einflussnehmende Dritte wissen müsse, dass das Verhalten der beeinflussten Person objektiv pflichtwidrig sei. Dies überspannt aber die im Rahmen von § 117 Abs. 1 AktG zu stellenden Anforderungen, da es denjenigen von der Ersatzpflicht ausnimmt, der sich bewusst oder grob fahrlässig vor der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit seines Handelns verschließt. 442 Vgl. zu dieser Frage im Rahmen von § 826 BGB: BGH v. 19. Februar 1986 – IVb ZR 71/ 84 = NJW 1986, 1751, 1754; BGH v. 24. September 1987 – III ZR 187/86 = BGHZ 101, 380; 388. 443 Spindler/Stilz/Schall2, § 117 AktG Rdn. 25.
E. Haftung für nachteilige Einflussnahmen auf vertraglicher Basis
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BGB entsprechend, an dem Ausmaß des jeweiligen Verursachungsbeitrags zu orientieren. Da sowohl dem Vorstand als auch dem Dritten pflicht- bzw. rechtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, ist eine Quotelung des Schadens angezeigt. Werden den Dritten hingegen Leitungsaufgaben übertragen und tritt er bei deren Wahrnehmung nach außen in Erscheinung, haftet er als faktisches Vorstandsmitglied analog § 93 Abs. 2 AktG für etwaige Schäden. Er nimmt die organtypische Aufgabe der Leitung in organtypischer Weise wahr. Sollte sich das Handeln des Dritten hingegen auf die interne Einflussnahme beschränken, wie dies typischer bei Weisungsrechten und der Ausübung von Zustimmungsvorbehalten der Fall ist, lässt sich die Haftung des Dritten allein auf § 117 Abs. 1 AktG stützen.
Teil 5
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (1) In der Unternehmenspraxis treten in zunehmendem Maße Vertragsgestaltungen auf, kraft derer sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft der Einflussnahme seitens eines außenstehenden Dritten öffnet, sei es, dass die vertraglichen Abreden den Spielraum des Vorstands für die Entscheidung zukünftiger Fragen der Unternehmensleitung beschneiden oder sei es, dass dem Dritten unmittelbar Einfluss auf die zukünftige Leitungsentscheidungen eingeräumt wird. Prominente Beispiele bilden Investorenvereinbarungen, Zusammenschlussvereinbarungen (business combination agreements) und Kooperationsvereinbarungen, die in Kreditverträgen zu findenden financial covenants sowie die dem Veräußerer im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags auferlegten Verpflichtungen und Beschränkungen hinsichtlich der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Zielgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften. (2) Derartige Vereinbarungen geraten in Konflikt mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung, die in § 76 Abs. 1 AktG anordnet, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet. Die Stellung des Vorstands als alleiniges Leitungsorgan der Aktiengesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser die Gesellschaft sowohl im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftsorganen als auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten weisungsfrei leitet. Eigenverantwortliche Leitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG ist zu verstehen als die Freiheit zum selbständigen und weisungsfreien Handeln nach eigenem Ermessen. (3) Leitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG bezeichnet einen herausgehobenen Teil der Geschäftsführungsfunktion des Vorstands, dessen unternehmerische Führungsfunktion. Der Inhalt der Leitungsaufgabe setzt sich aus geschriebenen und ungeschriebenen Bestandteilen zusammen. In die erste Gruppe fallen all jene Rechte und Pflichten des Vorstands, bei denen das AktG entweder explizit einen Vorstandsbeschluss fordert oder die ausdrücklich dem Vorstand als Gesamtorgan zugewiesen werden. Der Kreis der ungeschriebenen Leitungsaufgaben ist in Anlehnung an betriebswirtschaftliche Erkenntnisse der Unternehmensführungs- bzw. Managementlehre zu bestimmen. Darunter fallen Unternehmensplanung, Unternehmensorganisation und Unternehmenskontrolle sowie die Personalführung respektive die Besetzung der Führungsstellen. Ebenfalls zu den ungeschriebenen Leitungsaufgaben zu zählen sind Maßnahmen und Geschäfte, die für die Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind oder mit einem erheblichen Risiko für die Gesellschaft verbunden sind. Zur Konkretisierung der Leitungsaufgaben steht eine
Teil 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
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Reihe unterschiedlicher Kriterien zur Verfügung. Charakteristisch für Leitungsaufgaben ist ihre Bedeutung für die Entwicklung und den Fortbestand der Gesellschaft, ihre Komplexität sowie ihre Dringlichkeit. Diese Kriterien wirken nicht nur zuständigkeitsbeschränkend, sondern auch zuständigkeitsbegründend. Aufgaben, denen keine besondere Bedeutung zukommt, sind nicht Bestandteil des Bereichs der Unternehmensleitung. (4) § 76 Abs. 1 AktG ist eine reine Norm der Binnenorganisation, aus der sich keine Vorgaben für die Zulässigkeit und Grenzen vertraglicher Abreden im Außenverhältnis ableiten lassen. Insoweit ist vielmehr auf den Verbandszweck der Aktiengesellschaft zurückzugreifen. Dieser bildet die normative Leitlinie sowohl für das Handeln der Organe der Gesellschaft als auch für das der Aktionäre und stellt Vorgaben auf, die der Vorstand zu beachten hat, wenn er einem Dritten die Möglichkeit eröffnen will, Einfluss auf Leitungsentscheidungen des Vorstands zu nehmen. (5) Der Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft umfasst neben dem Formalziel Gewinnerzielung als weitere Komponente die Autonomie der Gesellschaft. Die Aktiengesellschaft ist – typischerweise – auf autonome Gewinnerzielung angelegt. Rechtliche Ausprägung der Autonomie der Gesellschaft ist die Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan. (6) Aus der aus dem Verbandszweck der normtypischen Aktiengesellschaft abzuleitenden Maßgabe, dass die Stellung der Hauptversammlung als oberstes Willensbildungsorgan nicht in Mitleidenschaft gezogen werden darf, folgt, dass im Hinblick auf die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die einem Dritten die Möglichkeit der Einflussnahme in Leitungsfragen eröffnen, zwischen der unzulässigen Übertragung von Leitungsaufgaben und zulässigen vertraglichen Einwirkungsrechten zu unterscheiden ist. Die für die Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen vertraglicher Bindungen in Leitungsfragen grundlegende Trennlinie wird durch die Entscheidungszuständigkeit markiert. Der Vorstand darf sich der Einflussnahme eines Dritten öffnen. Allerdings ist es ihm verwehrt, einem Dritten die Kompetenz, Leitungsentscheidungen zu treffen, zu übertragen (Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht), weil dies die Informations- und Kontrollrechte des Aufsichtsrats beeinträchtigt und zugleich die darauf aufbauende Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung unterminiert. (7) Vertragliche Einwirkungsrechte, die dem Dritten die Einflussnahme auf Leitungsentscheidungen ermöglichen, ohne die Personalentscheidungsgewalt der Hauptversammlung zu beeinträchtigen, sind hingegen nicht zu beanstanden. Die Entscheidung, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen, stellt eine unternehmerische Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dar, deren Zulässigkeit am Maßstab des Gesellschaftsinteresses, als der für den konkreten Fall entwickelten Anwendung des Verbandszwecks, zu messen ist. Entscheidend ist, ob ein pflichtbewusster Geschäftsleiter die mit der Begründung des Einwirkungsrechts einhergehende Beschränkung seines unternehmerischen Handlungsspielraums als im
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Gesellschaftsinteresse geboten ansehen darf. Unzulässig ist die Begründung vertraglicher Einwirkungsrechte daher dann, wenn die dem Dritten gewährten Einflussrechte in einem unvertretbaren Missverhältnis zu den der Gesellschaft aus der Vereinbarung erwachsenden Vorteilen stehen. (8) Ein sog. Verbot der Vorwegbindung, das es dem Vorstand untersagt, seinen Spielraum für zukünftige Leitungsentscheidungen einzuengen, ist entgegen der h.M. nicht anzuerkennen. Der Vorstand ist – bei Ausrichtung seines Handelns am Gesellschaftsinteresse – frei, sich der Einflussnahme Dritter zu öffnen. (9) Vertraglichen Einwirkungsrechten auf die Unternehmensleitung wohnt keine konzernrechtliche Dimension inne. Entsprechende Vereinbarungen sind mangels Leitungstransfer weder als „normaler“ noch als „verdeckter“ Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG einzuordnen. Da das durch sie vermittelte Einflusspotential nicht gesellschaftsrechtlichen Ursprunges ist, begründen sie auch kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG. Nur im Falle der (unzulässigen) Übertragung von Leitungsaufgaben liegt ein „verdeckter“ und wegen Nichteinhaltung der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 293 f. AktG regelmäßig unwirksamer Beherrschungsvertrag vor. (10) Zuständig für den Abschluss einer vertragliche Einwirkungsrechte auf die Unternehmensleitung umfassenden Vereinbarung ist allein der Vorstand in seiner Eigenschaft als Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft. Insoweit besteht weder eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung noch eine Mitwirkungspflicht des Aufsichtsrats. (11) Die unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht des Vorstands nach § 78 AktG wird nicht durch die Regelung des § 76 Abs. 1 AktG eingeschränkt. Vereinbarungen, die einem Dritten ein nicht hinnehmbares Maß an Einfluss auf Leitungsentscheidungen zugestehen, sind zwar unzulässig, aber dennoch wirksam. Anders stellt sich die Lage wiederum in Bezug auf die Übertragung von Leitungsaufgaben dar. Da entsprechende Vereinbarungen an der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft rühren, sind sie nicht von der Vertretungsmacht des Vorstands gedeckt und – außerhalb des Beherrschungsvertragsrechts – unwirksam. (12) Hinsichtlich der Frage der Haftung des Dritten im Falle einer für die Gesellschaft nachteiligen Einflussnahme auf eine Leitungsentscheidung ist erneut zwischen der Übertragung von Leitungsaufgaben und vertraglichen Einwirkungsrechten zu unterscheiden. Dadurch, dass ihm eine Leitungsaufgabe übertragen wurde, wird der Dritte zum faktischen Vorstandsmitglied, wenn und soweit er im Zuge der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgabe in organtypischer Weise nach außen hervortritt. In diesem Fall haftet er für sein Verhalten analog § 93 Abs. 2 AktG. Im Übrigen, d. h. sowohl, wenn es an einem nach außen in Erscheinung tretenden Handeln fehlt, als auch in dem Fall, dass die Rechte des Dritten sich auf die Möglichkeit, Leitungsentscheidungen zu beeinflussen, beschränken, haftet der Dritte für die aus seiner Einflussnahme resultierenden Nachteile lediglich gemäß § 117 AktG.
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Stichwortverzeichnis Aufsichtsrat 34, 153 Ausschüsse und Beiräte Autonomie 92
100
Beherrschungsvertrag 42, 123 – Teilbeherrschungsvertrag 128 – Verdeckter Beherrschungsvertrag 129 Business combination agreement 31, 65, 67, 96, 101, 119, 129, 149, 183 Faktischer Konzern 45, 134 Faktisches Organ 169 Fiduciary out 112 Financial covenants 31, 66, 110, 140, 155, 183 Geschäftsführung 48 Gesellschaftsinteresse 107 Haftung 161 – Haftung des Vertragspartners – Haftung des Vorstands 161 Hauptversammlung 37, 148
168
Integrationsausschuss 30, 101 Investorenvereinbarungen 67, 111, 119, 145, 183 Kooperationsvereinbarung
67, 149, 183
Leitung 32, 49 Leitungsaufgaben 52 – Übertragung von Leitungsaufgaben 149 Satzung
97,
39
Überwachungsdefizit 71 Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht 68, 97 Unwirksamkeit 158 Verbandsautonomie, siehe Verbandssouveränität 76 Verbandssouveränität 76 Verbandszweck 83 Verbot der Vorwegbindung 102 Vertragliches Einwirkungsrecht 102, 127, 143, 150 Vertragskonzern 42, 122 Vorstand 32, 147 Weisungsrechte 97 Willensbildungsorgan, oberstes Zustimmungsvorbehalte
98
93, 94