Leidenschaftlich modern – Karl Schwanzer und seine Architektur / Passionately Modern – Karl Schwanzer and His Architecture: Eine Anthologie in Fotografien / An Anthology in Photographs 1947–75 9783035622645, 9783035622638

Illustrated chronology of his oeuvre Karl Schwanzer was on fire for architecture. He reformed Austrian architecture af

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German Pages 480 Year 2020

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis / Table of Contents
Vorwort / Foreword
About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75
Das Feuer weitertragen Persönliche Anmerkungen zum Nachlass von Karl Schwanzer / Carrying the Torch Personal Notes on Karl Schwanzer’s Estate
Bildteil
01 Orientierung und Auftakt / 1947–50 Orientation and Beginnings
02 Phantasmen und Vernetzung / 1951–58 Phantasm and Conjunction
03 Vielfalt und Verdichtung / 1959–64 Diversity and Densification
04 Spannweite und Neustart / 1965–68 Range and Reset
05 Höhepunkt und Überschreitung / 1969–75 Culmination and Transgression
Aufsätze / Essays
Auge, Form, Gestalt Karl Schwanzers ikonische Architektur / Eye, Form, Figure Karl Schwanzer’s Iconic Architecture
Die Bauten und ihre Bilder Karl Schwanzers Einsatz der Medien Fotografie und Film / The Buildings and Their Images Karl Schwanzer’s Use of Photography and Film
Der Durchbruch des Designs Karl Schwanzer und das Österreichische Institut für Formgebung / The Breakthrough of Design Karl Schwanzer and the Austrian Institute of Design
Gespräche mit Kollegen / Conversations with Colleagues
„Es war diese Öffnung zur Welt, zu Amerika“ / “It Was an Opening to the World, to America”
„ Wir nähern uns dem Ergebnis mit vielen Versuchen“ / “ After Many Tries, We’re Close to a Result”
„Ein Samurai der Architektur“ / “A Samurai of Architecture”
„Die Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt“ / “I Learned My Strategy for Getting Things Done from Schwanzer”
„Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“ / “The Highlight Was Schwanzer’s Ride on a Harley”
„Das Massaker der Arbeit“ / “The Massacre of the Workload”
Anhang / Appendix
Lebenslauf Karl Schwanzer / Karl Schwanzer Biography
Werkregister (Auswahl) / List of Works (Selection)
Biografien der Autor_innen / Author Biografies
Dank. Bildnachweis / Acknowledgement. Photo Credits
Impressum / Imprint
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Leidenschaftlich modern – Karl Schwanzer und seine Architektur / Passionately Modern – Karl Schwanzer and His Architecture: Eine Anthologie in Fotografien / An Anthology in Photographs 1947–75
 9783035622645, 9783035622638

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Leidenschaftlich modern Karl Schwanzer und seine Architektur Eine Anthologie in Fotografien 1947–75 Herausgegeben von Caroline Schwanzer und Mirko Pogoreutz Mit Beiträgen von Charlotte Blauensteiner Max Gruber Timo Huber Rudolf Kohoutek Rüdiger Lainer Ulrike Matzer Heinz Neumann Andreas Nierhaus Laurids Ortner Boris Podrecca Mirko Pogoreutz Wolf D. Prix Caroline Schwanzer Martin Schwanzer

Passionately Modern Karl Schwanzer and His Architecture An Anthology in Photographs 1947–75 Edited by Caroline Schwanzer and Mirko Pogoreutz With Contributions by Charlotte Blauensteiner Max Gruber Timo Huber Rudolf Kohoutek Rüdiger Lainer Ulrike Matzer Heinz Neumann Andreas Nierhaus Laurids Ortner Boris Podrecca Mirko Pogoreutz Wolf D. Prix Caroline Schwanzer Martin Schwanzer

Birkhäuser Basel

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 8 Caroline Schwanzer About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75 12 Rudolf Kohoutek, Martin Schwanzer Das Feuer weitertragen Persönliche Anmerkungen zum Nachlass von Karl Schwanzer 20 Mirko Pogoreutz

Bildteil 1947– 50 Orientierung und Auftakt 32 1951 – 58 Phantasmen und Vernetzung 56 1959– 64 Vielfalt und Verdichtung  74 1965 – 68 Spannweite und Neustart 228 1969 – 75 Höhepunkt und Überschreitung 282 Rudolf Kohoutek

Aufsätze

Gespräche mit Kollegen „Es war diese Öffnung zur Welt, zu Amerika“ 404 Laurids Ortner „Wir nähern uns dem Ergebnis mit vielen Versuchen“ 414 Heinz Neumann „Ein Samurai der Architektur“  424 Rüdiger Lainer „Die Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt“  436 Wolf D. Prix „Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“  444 Timo Huber „Das Massaker der Arbeit“  454 Boris Podrecca

Anhang

Auge, Form, Gestalt Karl Schwanzers ikonische Architektur 358 Lebenslauf Karl Schwanzer 466 Andreas Nierhaus Werkregister (Auswahl) 468 Biografien der Autor_innen 472 Die Bauten und ihre Bilder Dank 476 Karl Schwanzers Einsatz der Medien Bildnachweis 476 Fotografie und Film 370 Impressum 477 Ulrike Matzer Der Durchbruch des Designs Karl Schwanzer und das Österreichische Institut für Formgebung 390 Charlotte Blauensteiner

Table of Contents

Foreword 9 Caroline Schwanzer About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75 13 Rudolf Kohoutek, Martin Schwanzer Carrying the Torch Personal Notes on Karl Schwanzer’s Estate 21 Mirko Pogoreutz

Plates 1947– 50 Orientation and Beginnings 33 1951 – 58 Phantasm and Conjunction 57 1959– 64 Diversity and Densification 175 1965 – 68 Range and Reset 229 1969 – 75 Culmination and Transgression 283 Rudolf Kohoutek

Essays Eye, Form, Figure Karl Schwanzer’s Iconic Architecture 359 Andreas Nierhaus The Buildings and Their Images Karl Schwanzer’s Use of Photography and Film 371 Ulrike Matzer The Breakthrough of Design Karl Schwanzer and the Austrian Institute of Design 391 Charlotte Blauensteiner

Conversations with Colleagues “It Was an Opening to the World, to America” 405 Laurids Ortner “After Many Tries, We’re Close to a Result” 415 Heinz Neumann “ A Samurai of Architecture”  425 Rüdiger Lainer “I Learned My Strategy for Getting Things Done from Schwanzer”  437 Wolf D. Prix “The Highlight Was Schwanzer’s Ride on a Harley”  445 Timo Huber “The Massacre of the Workload”  455 Boris Podrecca

Appendix Karl Schwanzer Biography 467 List of Works (Selection) 469 Author Biographies 473 Acknowledgement 476 Photo Credits 476 Imprint 477

Vorwort Caroline Schwanzer

„ D as Archiv besteht aus lauter Streichholzschachteln, die das Feuer für Karl Schwanzer neu entzünden.“ — Martin Schwanzer

Die erste Begegnung mit dem Werk meines Großvaters Karl Schwanzer war eine unmittelbare, ganz persönliche und prägende: Ich wuchs in jenem Haus auf, das er 1962 für seine Familie in der Wiener Hawelgasse 23 gebaut hatte. Dieses Projekt war zunächst als ‚Lehrbau Neues Wohnen‘ geplant. Und es machte den Anspruch, neu zu sein gegenüber den unmittelbaren Nachbarbauten, selbstbewusst geltend: ein eigentlich zweigeschossiger, zum Garten hin aber einstöckiger, bungalowartiger Bau mit Flachdach, raumhohen Fenstern und teilweise flexibler Raumteilung. Das Haus hatte große Wohn- und Empfangsbereiche und eine Reihe von Schiebewänden, die die Räume trennten. Das Wohnzimmer schien direkt in den weitläufigen Garten überzugehen. Eine Terrasse über die gesamte Breite des Hauses bildete den Übergang – für mich und meine Freunde ein riesiger Spielplatz. Schon als kleines Kind faszinierte mich unser Haus. Seitdem verbinde ich Großzügigkeit, die Freude, viele unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, und Unangepasstheit (Nonkonformismus) mit meinem Großvater, der für mich seit meiner Kindheit eine imposante Gestalt darstellte. Leider konnte ich ihn nicht persönlich kennenlernen, da er einige Jahre vor meiner Geburt starb. Aber er wurde besonders in den Erzählungen meines Vaters Martin Schwanzer lebendig, in denen auch viel von jener Neugierde und Leidenschaft zu spüren war, die seine einzigartige Arbeitsund Lebensweise ausgezeichnet hat. Eine Leidenschaft, die immer auf der Suche nach der besten Lösung war. Karl Schwanzer hatte einen unerbittlich hohen Qualitätsanspruch, und dieser wurde an mich weitergegeben. Er entwarf mit nur 17 Jahren sein erstes Haus – ein kleines Schrebergartenhäuschen für die Familie. Dieses Haus wurde – dank dem Zuspruch und Vertrauen seines Vaters – sogar realisiert. Auch mein Vater prägte mir schon früh die Freude daran ein, das Beste aus einem Projekt herauszuholen. Diese Mischung aus Herausforderung und Unterstützung empfinde ich als wertvolles Erbe. Karl Schwanzer war immer international tätig. Sein Kontakt mit Kollegen ausländischer Büros und Hochschulen war intensiv. Er war ein Brückenbauer und suchte immer neue Verbindungen. Mit seiner Tätigkeit als Professor an der Technischen Hochschule in Wien formte er ab 1959 eine neue Generation bedeutender Architekten. Besonders seine Studienreise 1964 in die USA , bei der er mit auserwählten Studenten etwa die Büros von Philipp Johnson und Louis Kahn besuchte, war zu dieser Zeit ganz außergewöhnlich. 8

Foreword Caroline Schwanzer

“ T he archive is comprised of matchboxes, each one rekindling the fire for Karl Schwanzer.” — Martin Schwanzer

My first encounter with the work of Karl Schwanzer, my grandfather, was a very close, personal, and formative one: I grew up in the house that he had built for his family in 1962, at Hawelgasse 23 in Vienna. The project had initially been planned as the New Living Instructional Building, and the home confidently asserted its newness compared to the immediately neighboring buildings. A two-story structure, it had one story facing the garden, bungalow-like with a flat roof, with floor-to-ceiling windows and partially mobile room divisions. Our home had large living and reception areas, with a series of sliding walls to separate the rooms. The living room seemed to merge directly into the spacious garden out back. A terrace spanning the entire width of the house created a transition area—a giant playground for me and my friends. Even as a child, I was fascinated by our house. Ever since, when I think of my grandfather, who has been an imposing figure in my life since childhood, I think of generosity, the joy of bringing together people from all walks of life, and non-conformism. Sadly, I was never able to meet him personally, as he passed away just a few years before I was born. However, he was kept vividly alive for me in the stories of my father, Martin Schwanzer, who exuded so much of the curiosity and passion that distinguished his father’s unique way of working and living. It was a passion that always sought out the best solution. Karl Schwanzer had a fierce commitment to the highest standards, which has been passed down to me. He designed his first house, a small allotment garden cottage for the family, at the age of only 17—and this house was even built, thanks to the encouragement and trust of his father. My father, too, instilled in me at an early age the joy of striving for the very best with every project. I truly see this mixture of ambition and support as a valuable heritage. Karl Schwanzer was always internationally networked, maintaining intensive contact with colleagues in offices and universities around the world. He was a builder of bridges and always on the lookout for new connections. Starting in 1959, he mentored a new generation of groundbreaking architects in his position as professor at the Technical University in Vienna. His study trip to the USA in 1964, which took him, along with a select group of students, to many prominent architecture firms, including the offices of Philipp Johnson and Louis Kahn, was particularly extraordinary for the time. Although I personally did not study architecture, I have likewise learned to build international bridges. My father supported me when, at the age 9

Wenngleich ich nicht Architektur studierte, lernte ich ebenfalls internationale Brücken zu bauen. Mein Vater unterstützte mich dabei, schon mit 15 Jahren alleine für ein Jahr nach China zu gehen, um dort eine chinesische Schule zu besuchen: ein riesiger Vertrauensbeweis. Ich initiierte dort als Austauschschülerin ein Projekt für einen Kulturaustausch zwischen österreichischen und chinesischen Schüler_innen. Auch mein Vater förderte immer Weiterbildung, Kreativität und neue Ansätze. „Perfektion, Nachahmen, brav sein kann jeder – aber nur anders, nonkonformistisch und kritisch zu denken bringt einen vorwärts“, das haben mein Vater und Großvater mir weitergegeben. Karl Schwanzer liebte und lebte das permanente Lernen. Ich habe diese positive, produktive Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Lernenden, zwischen fordern und fördern, während meiner Studienzeit in Stanford erleben dürfen, weit über 40 Jahre nachdem Karl Schwanzer erstmals die Idee hatte, die Betrachtungsweise seiner Studenten herauszufordern und sie zu ermutigen, ja auch zu zwingen, den internationalen Kontext ihres Metiers zu sehen. Die schönste Charakterisierung meines Großvaters stammt wohl von Laurids Ortner: Karl Schwanzer war ein Tiger als Dirigent. Und das Atelier war sein Orchester, die Mitarbeiter seine Philharmoniker. Er hat durch seine Leidenschaft und Energie die Leute zusammengebracht, das Feuer in ihnen entfacht und sie so zusammen klingen lassen. Gemeinsam spielten sie ein grandioses Konzert. Anlässlich des 100. Geburtstages von Karl Schwanzer im Mai 2018 wurde sein Archiv von meinem Vater Martin Schwanzer und meinem Onkel Berthold Schwanzer an das Wien Museum übergeben, das nun die Bewahrung und weitere Aufarbeitung der vielfältigen Archivalien übernommen hat und für die nächsten Jahre eine große Ausstellung zu Karl Schwanzer plant. Dieses Buch möchte ich in tiefer Dankbarkeit meinem Vater Martin Schwanzer widmen, der sich bis zu seinem Ableben Anfang 2020 für das Andenken an seinen Vater engagierte. Ich habe nun die Aufgabe übernommen, die noch offenen Themen und Projekte abzuschließen. Dazu zählt auch dieses Buch. Die Arbeit daran brachte viele Erinnerungen zurück und gab mir die Möglichkeit, meinen Großvater und sein Werk besser und manchmal sogar neu kennenzulernen. Ich danke allen an diesem Buch Beteiligten sehr für ihren Einsatz, ihre Unterstützung und ihr Engagement meinem Vater und meinem Großvater gegenüber. Das Ziel meines Vaters war es, das Nachlassarchiv zum Leben zu erwecken. Der Nachlass ist eine Art Erfahrungs-Baukasten, der zum Experimentieren anregt und neue Ideen möglich macht. Das Archiv sollte lebendig sein; die vielen Alu-Kisten, in denen es jahrelang gelagert wurde, sind gleichsam Streichholzschachteln, durch die man das Feuer für Karl Schwanzer neu entzünden kann. 10

Vorwort

of only 15, I moved to China on my own for an entire year to attend a Chinese school: a tremendous vote of confidence. As a student there, I initiated a cultural exchange project between Austrian and Chinese students. My father, like my grandfather, always encouraged further education, creativity, and innovative approaches. They passed on to me this philosophy: “Anyone can be perfect, can imitate and be well-behaved—but the only thing that will move you forward is thinking differently, critically, and nonconformally.” Karl Schwanzer loved and lived the idea of lifelong learning. I first experienced this kind of positive and productive collaboration between teachers and students, both of challenging and of encouraging, during my time at Stanford. This was well over 40 years after Karl Schwanzer first had the idea to challenge the ways his students saw the world and encouraged, even forced them, to see the international context of their profession. The most beautiful characterization of my grandfather is probably by Laurids Ortner: Karl Schwanzer was a tiger-like conductor. And the Atelier was his orchestra, the employees his philharmonic musicians. He brought people together with his passion and energy, kindled a fire in them, and inspired them to create music. Together, they played a grand concerto. On the occasion of Karl Schwanzer’s 100th birthday in May 2018, my father, Martin Schwanzer, and my uncle, Berthold Schwanzer, entrusted his architectural archives to the Wien Museum, which is now responsible for preserving and further processing the plethora of materials that were gifted to the museum. A major exhibition on Karl Schwanzer is planned in the coming years. With the most profound gratitude, I would like to dedicate this book to my father, Martin Schwanzer, who remained deeply committed to the memory of his father until his death in early 2020. I have now taken on the task of completing any pending projects that survived him, including this book. Working on it has brought back a flood of memories and given me the opportunity to become more closely acquainted with my grandfather and his work, even making some new discoveries here and there. I am very grateful to everyone who has worked on this book for their dedication, support, and commitment to my father and grandfather. My father’s goal was to bring the archives back to life, and to that end, the estate is a sort of experience kit, designed to encourage experimentation and transformation of new ideas into reality. As my father once said, the many aluminum containers in which the documents were stored for so many years are like matchboxes, with which we can rekindle the fire for the work of Karl Schwanzer. The archives will now be brought to life.

Foreword

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About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75 Rudolf Kohoutek, Martin Schwanzer Die Arbeiten von Karl Schwanzer sind in einer dichten Übergangszeit zwischen 1950 und 1975 angesiedelt – architektonisch zwischen der Nachkriegsmoderne als Rekonfiguration der klassischen Moderne, der Körperhaftigkeit des New Brutalism und den Vorboten der Postmoderne. Den Einstieg stellten – neben Einfamilienhäusern und zwei Wohnhausanlagen – vor allem Geschäftslokale, Kinos und Ausstellungsgestaltungen dar, die zwar eine Wiener Linie von Josef Hoffmann und Oswald Haerdtl fortsetzten, aber sehr bald überschritten. Insbesondere die Ausstellungen erlaubten Karl Schwanzer eine wesentlich größere Gestaltungsfreiheit als der Wohnbau und legten den Grundstein seiner eigenständigen Formensprache. In der Wiener Gewerbeausstellung 1951 inszenierte Karl Schwanzer vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus ein Ambiente, in dem Handwerker als Akteure vor den Augen der Besucher_innen ihr Können vorführten, was unglaublichen Anklang fand und ihm breite Aufmerksamkeit und hohe Anerkennung sicherte. Der österreichische Staatsvertrag 1955 und der Abzug der Besatzungsmächte beendete formell die Nachkriegszeit. Für Karl Schwanzer kulminierten die 1950er-Jahre in den Wettbewerbserfolgen für zwei Pavillons der Weltausstellung in Brüssel 1958 und in der Berufung als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule Wien 1959. Von Anfang an dachte und agierte Karl Schwanzer international, verbunden mit dem kreativen Import und Export von Ideen und deren Transformation. Diese Ausrichtung prädestinierte ihn für die Gestaltung bedeutender Geschäfte und Firmensitze (Omega, Olivetti, Philips) und trug zur Modernisierung und ‚Aufhellung‘ von Wien und zum Re-Branding des Erscheinungsbildes von Österreich in der Welt bei. Ausdruck davon waren die Gestaltungen von über 100 Ausstellungen im In- und Ausland, sein Engagement in internationalen Organisationen (UIA – Union Internationale des Architectes, ICSID – International Council of Societies of Industrial Design u. a.), Gastprofessuren und zahlreiche Vorträge. Die eigentliche Positionierung als Architekt erfolgte in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre mit großen und paradigmatischen Bauten für Wien. Diese auch international relevante Reformulierung der architektonischen Moderne fiel in eine Phase tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels. Bezugspunkt war unter anderem die europäische Spielart des sogenannten Fordismus: Verbindung von industrieller Massenproduktion, Sozialpartnerschaft und tendenzieller Vollbeschäftigung mit neuen Konsumgütern und Lebensformen, einschließlich neuer Linien im Design. Das Auto als damaliges Leitobjekt und Phantasma von Freiheit war auch eines der wiederkehrenden Themen in Bauaufträgen an Karl Schwanzer. 12

About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75 Rudolf Kohoutek, Martin Schwanzer Karl Schwanzer’s works were focused within a dense period of transition from 1950 to 1975—architecturally somewhere between post-war Modernism as a reconfiguration of classic Modernism, the physicality of New Brutalism, and the harbingers of Postmodernism. In addition to single-family homes and two apartment complexes, his beginnings were rooted primarily in shops, cinemas, and exhibition design, continuing the Viennese line of Josef Hoffmann and Oswald Haerdtl and very soon surpassing it. Exhibitions in particular allowed Schwanzer much greater freedom of design than housing did, and laid the foundation of his distinctive design language. At the 1951 Vienna trade fair, against a background of post-war reconstruction, Schwanzer created an ambience in which craftsmen, like actors, demonstrated their skills for visitors in a live setting. The show was tremendously well received and brought him great attention and recognition. The Austrian State Treaty of 1955 and the withdrawal of occupying powers signaled a formal end to the post-war period. For Schwanzer, the 1950s culminated in a duo of successful competitions for two pavilions at the 1958 World Exhibition in Brussels as well as an appointment as a full professor at the Vienna Technical University in 1959. From the very beginning, Schwanzer thought and acted internationally, tied to the creative import and export of ideas and their transformation. This approach predestined him for the design of important shops and company headquarters (Omega, Olivetti, Philips) and contributed to the modernization and ‘brightening up’ of Vienna and the rebranding of Austria’s image around the world. This was reflected in his design of over 100 exhibitions in Austria and abroad, his involvement in numerous international organizations (UIA —Union Internationale des Architectes, ICSID —International Council of Societies of Industrial Design, and others), visiting professorships, and countless lectures. His actual positioning as an architect took place during the first half of the 1960s with several large and paradigmatic buildings in Vienna. This internationally relevant reformulation of architectural Modernism arrived at a time of profound social change. His point of reference was, among other things, the European variant of Fordism: The combination of industrial mass production, social partnership, and the trend towards full employment with new consumer goods and ways of life, including new paths in design. The automobile, leading object of the time and emblem of freedom, was also a recurring theme of the buildings Schwanzer was contracted to design. The 1960s ushered in well-known sociopolitical and cultural changes, culminating in the upheavals of ‘68, which are again particularly relevant 13

Die 1960er-Jahre brachten in der Folge die bekannten gesellschaftspolitischen und kulturellen Umschwünge und kulminierten in den – gerade heute wieder stark wahrgenommenen – Aufbrüchen von ’68: Jugend- und Protestbewegungen, neue Sounds, Moden und Verhaltensweisen, Politikformen sowie Impulse für Utopien und Reformen, die auch in Architektur und Urbanismus einflossen, nicht zuletzt in Projekte von Karl Schwanzer. In dieser äußerst dynamischen Entwicklung war Unvoreingenommenheit sein herausragendes Vermögen. Er spielte mit den Möglichkeiten neuer Entwurfsmethoden, Räume und Bilder. Ästhetisch und konzeptionell nahm Karl Schwanzer dabei frühzeitig eine ganze Reihe von Paradigmen vorweg, die im kulturellen und architektonischen Feld erst in den 1990er-Jahren zum Durchbruch kamen: Atmosphären, Inszenierungen, Performativität. Karl Schwanzer war zugleich Seismograf und Praktiker von Innovation. Die bekannten Gruppen der Wiener Architekturavantgarde (HausRucker-Co, Coop Himmelb(l)au, Missing Link, Zünd-Up), für die Schwanzer Inspiration und Katalysator war, formierten sich unmittelbar um sein Institut an der Technischen Hochschule Wien, an der er auch wesentliche Reformakzente in der Architekturausbildung setzte. Er betrieb eine entschiedene Öffnung der Architektur in Richtung interdisziplinärer Forschung und Zusammenarbeit, neuer Entwurfsmethoden und des kreativen Einsatzes der jeweils neuesten Medien, wobei er an der inhaltlichen Programmierung wesentlichen Anteil nahm. Dies betraf auch die Verwendung von Filmen für die Darstellung seiner Projekte in Wettbewerben und Präsentationen und den direkten Einsatz audiovisueller Installationen innerhalb von Objekten. Das futuristische Ambiente seiner Bauten und Räume diente sogar als Drehort für bekannte Filmproduktionen, etwa für den Film Rollerball (USA /GB  1975). Der Masterplan für die Universität Riad in Saudi-Arabien 1968–74 war Karl Schwanzers größtes Projekt im Städtebau. Ein Universitätscampus von neun Quadratkilometern wurde in seinen infrastrukturellen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Dimensionen als eigener Stadtteil entwickelt und später exakt nach seinem Konzept realisiert. Signifikant dabei war die Anwendung der ersten Computermodelle zur Entwicklung des akademischen Programms, der Raumaufteilungen, Kostenschätzungen und der Sicherung von Flexibilität und Erweiterungspotenzialen. Karl Schwanzer setzte in seinen Projekten Konstruktion und Material als selbsterklärende Zeichen ein: zwischen Motiven des Schwebens, fließenden Räumen, atmosphärischer Wirkung von Oberflächen und einer Ikonographie der Konstruktion. Eine ähnliche Doppelcodierung von Funktion und Form zeigt sich auch in den Möbeln und Details für zahlreiche seiner Projekte, verdichtet etwa in ‚Alltagsskulpturen‘ wie Türbeschlägen. Achtsamkeit für die Bauproduktion, die Wahrnehmung und Dokumentation der Baustellen ebenso wie der fertigen Räume mit ihren Benützer_innen (Arbeiter_innen, Büroangestellte, Schüler_innen u. a.): Dafür beschäftigte er durchgehend professionelle Fotograf_innen. Die Abbildung der von 14

About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75

today. Youth and protest movements; novel sounds, fashions, and behaviors; new political forms; and a push for utopias and reforms spread in a way that influenced architecture, urbanism, and—not least—Karl Schwanzer’s projects. In this extremely dynamic development, his unbiased impartiality was also his greatest talent. He played with the possibilities presented by new design methods, spaces, and images. Aesthetically and conceptually, Schwanzer anticipated an entire series of paradigms early on, elements which didn’t break through into culture and architecture until in the 1990s: atmosphere, staging, and performativity. Schwanzer was both a seismographer and a practitioner of innovation. The well-known groups of Vienna’s architectural avant-garde (Haus-RuckerCo, Coop Himmelb(l)au, Missing Link, Zünd-Up), for whom Schwanzer was both an inspiration and a catalyst, were formed in the direct milieu of his institute at the Vienna Technical University, where he also initiated essential points of reform in architectural education. He pursued the decisive expansion of architecture to include interdisciplinary research and collaboration, new design methods, and the creative use of the latest media, playing a major role in content programming. This also included the use of film to present his projects in competitions and presentations and the direct use of audiovisual installations within buildings. The futuristic atmospheres found in his buildings and spaces also served as filming locations in wellknown productions such as the movie Rollerball (USA /GB 1975). The 1968–74 master plan for the University of Riyadh in Saudi Arabia was Karl Schwanzer’s largest urban development project. A university campus with an area of nine square kilometers was developed as an autonomous district containing all infrastructural, economic, ecological, and cultural aspects and was later realized exactly according to the concept. A significant aspect of the project was the use of the very first computer models to not only develop the academic program, spatial layout, and cost estimates, but also to ensure flexibility and expansion potential. Karl Schwanzer used structure and materials as self-explanatory symbols in his projects, ranging from motifs of floating, flowing spaces, to the atmospheric effect of surfaces, to structural iconography. A similar dual coding of function and form can also be seen in the furnishings and details of many of his projects, condensed, for example, into ‘everyday sculptures’ such as door fittings. He valued mindfulness in building production, the experience and documentation of the construction sites as well as for the finished rooms and their users (laborers, office workers, students, etc.). For this, he always employed professional photographers. This depiction of rooms as lived in and used by people was in clear contrast to the common genre of deserted architectural photography. Schwanzer was intuitively resistant to the traditional temptation to articulate a consistent ‘personal style’ in his diverse projects. At the same About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75

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Menschen belebten und genutzten Räume stand dabei in deutlichem Gegensatz zur üblichen menschenleeren Architekturfotografie. Karl Schwanzer war intuitiv resistent gegen die traditionelle Versuchung, für die vielfältigen Projekte einen durchgängigen ‚persönlichen Stil‘ zu artikulieren. Zugleich führte sein Insistieren auf Qualität, auf die Prägnanz der Bilder, auf Intelligenz und Praxisbezug der Konzepte zu einer Singularität der einzelnen Projekte als persönliches Markenzeichen: zu einem Stil zweiter Ordnung, geprägt von Großzügigkeit und Benutzerfreundlichkeit der Formen und Räume. Ein wesentliches Moment aller Bauten ist auch ihre subtile Kontextualität, was stadträumliche Einbettung, Blickbeziehungen und Zeichenhaftigkeit betrifft: Qualitäten, die sich in Fotografien und Beschreibungen nur sehr eingeschränkt darstellen lassen. Solche differenzierten Entwurfsansätze ohne erkennbares durchgängiges Formprogramm erschwerten aber auch die Rezeption seiner Projekte innerhalb der scheinbar fortschrittlichen, aber dogmatischen und bereits überholten Architekturdiskurse, wie sie in Wien und anderswo noch weit über die 1970er-Jahre hinaus wirksam waren. Entscheidende Utopie und Vision waren für Karl Schwanzer nicht so sehr architektonische Formen, sondern Beiträge zu einem modernen, zivilisatorisch erleichterten Leben mit Unterstützung durch Forschung und Technologien und in hoher ästhetischer Qualität für alle, und nicht nur für wohlhabende Eliten. Der entschiedene Einsatz für Architektur – wie er sich in seinem Buch Architektur aus Leidenschaft 1973 artikuliert – führte in der dichten Abfolge der großen Projekte (Weltausstellung Montréal 1967, WIFI St. Pölten 1972, BMW München 1973) und angesichts eines für Architektur zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds zu Skepsis und Erschöpfung. Energiekrise und Terrorismus um 1972, erste Boten der dunklen Seiten der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, schienen die Aufbrüche der 1960er-Jahre und die Realisierbarkeit von ,Utopien‘ zu beenden. Seinen Ansprüchen an Perfektion, an ständig neue Ideen und seinem immer „bis zum Anschlag“ gehenden Einsatz in der Architekturproduktion, Arbeitsweise und Vermittlung setzte Karl Schwanzer 1975 selbst eine radikale Grenze. Ein wesentliches Vermächtnis von Karl Schwanzer sind die Bilder, die auch heute nichts von ihrer Prägnanz und Eleganz verloren haben. Was die Aktualität der von ihm gestalteten Räume und Objekte betrifft, können diese heute an das wiederkehrende Interesse für die ‚Moderne‘ ebenso anknüpfen wie an Momente der Nostalgie in Bezug auf Formen und Stile der 1950erbis 1970er-Jahre. Der inzwischen digital aufbereitete Nachlass von Karl Schwanzer erlaubt einen direkten und leicht vermittelbaren Einblick in seine nonkonformistische Vorgangsweise im Reagieren auf jeweils neue Anforderungen und Ungewissheiten. Die in seinen Arbeiten auch heute erkennbare Frische – sein approach aus Unvoreingenommenheit, Überraschung und Präzision – lässt sich als kritischer Kommentar zur aktuellen Architekturproduktion lesen und bietet in der Vertiefung vielfältige und noch ungehobene Impulse für architekturtheoretische, kultur- und zeitgeschichtliche Reflexion. 16

About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75

time, his insistence on quality, concise imagery, intelligence, and the practical relevance of concepts led to a singularity of individual projects that was a personal trademark: it was a secondary style, one characterized by the generosity and user-friendliness of form and space. An essential element of all of Schwanzer’s buildings was their subtle contextuality in terms of urban embedding, visual relationships, and symbolism—all qualities that can only be depicted to a very limited extent by photographs and descriptions. Such differentiated design approaches without a recognizable, consistent formal program also made the reception of his projects more difficult within the seemingly progressive yet dogmatic and already outdated architectural discourses that were still being held in Vienna and elsewhere well beyond the 1970s. The decisive utopia and vision were not so much architectural forms for Schwanzer, but contributions to a modern, civilized life, supported by research and technology and with a highly aesthetic quality for everyone, not only for wealthy elites. His decisive commitment to architecture—articulated in his 1973 book Architecture as a Passion—and a rapid succession of large projects (World Exhibition Montréal 1967, WIFI St. Pölten 1972, BMW Munich 1973), together with the increasingly difficult economic environment for architecture, eventually resulted in skepticism and exhaustion. The energy crisis and terrorism of 1972, harbingers of the dark direction of society as a whole, seemed to bring an end to the upturn of the 1960s and the feasibility of utopian ideals. In 1975, Schwanzer set himself radical limits on his incessant demand for perfection, constant new ideas, and tireless commitment to architectural production, working methods, and teaching. A significant legacy is the photographs, which have lost none of their conciseness and elegance even today. The current topicality of the spaces and buildings he designed can be linked to a recurring interest in Modernism and to moments of nostalgia for the shapes and styles of the 1950s to 1970s. Schwanzer’s legacy, now digitally preserved, allows a direct and easily understandable insight into his non-conformist approaches and reactions to new requirements and uncertainties. The freshness that can still be experienced in his work today—his unbiased, surprising, and precise approach—can be seen as a critical commentary on today’s architecture production, offering in its depth a variety of architectural impulses, some as of yet unexplored, for cultural and historical reflection. On 20 August 1975, Karl Schwanzer left his life behind. His choice for death was an expression of a crisis beyond conclusive explanation. It was only afterwards that people began to notice how his dynamic personality, charisma, and impressive success had caused his sensitivity and self-doubt to be overlooked. As an architect, he was also an artist, radical and endangered, like many others who choose to suddenly end their lives.

About Karl Schwanzer: How to Change Architecture 1950–75

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Am 20. August 1975 schied Karl Schwanzer aus dem Leben. Sein Freitod war Ausdruck einer Krise, die sich jeder schlüssigen Erklärung entzog. Wie sehr Schwanzers dynamische Persönlichkeit, sein Charisma und sein beeindruckender Erfolg seine Sensibilität und Selbstzweifel übersehen ließen, wurde erst im Nachhinein wahrgenommen. Als Architekt war er auch ein Künstler, radikal und gefährdet wie viele andere, die ihrem Leben ein plötzliches Ende setzten.

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Das Feuer weitertragen Persönliche Anmerkungen zum Nachlass von Karl Schwanzer Mirko Pogoreutz Über dieses Buch, über Karl Schwanzer und sein Archiv zu schreiben, ist für mich nicht möglich, ohne Martin Schwanzer (1952–2020) nachzudenken. Der jüngere der beiden Söhne von Karl Schwanzer, ein selbst an der Technischen Hochschule Wien (seit 1975 Technische Universität) ausgebildeter Architekt und später Immobilien-Projektentwickler in Wien, war über die letzten zehn Jahre mein Arbeitgeber, er ebnete mir den Zugang zu Karl Schwanzer und war letztlich auch der Filter, durch den ich das Schaffen seines Vaters betrachtet habe. Unsere erste Begegnung ereignete sich 2002, kurz nachdem ich nach Wien übersiedelt war. Damals wusste ich nicht, wessen Sohn er war, denn ich kannte Karl Schwanzer und sein Werk trotz meines eben abgeschlossenen Architekturstudiums nicht. Meine Ignoranz war wohl groß, und auch die allgemeinen Aufmerksamkeiten im Architekturdiskurs lagen woanders. Trotzdem kann ich mir nicht erklären, wie ich eine so faszinierende, kraftvolle, bisweilen auch verstörend intensive Persönlichkeit und ein so beeindruckendes Œuvre übersehen konnte. Denn Schwanzers Herangehensweise hätte genauso gut in die Architekturentwicklung der 1990er-Jahre gepasst wie seine „differenzierten Entwurfsansätze“.1 Inwieweit die eingeschränkte Zugänglichkeit des Nachlasses, der sich über 40 Jahre in privater Hand befand, oder „scheinbar fortschrittliche, aber dogmatische und bereits überholte Architekturdiskurse“ 2 wie sie Rudolf Kohoutek und Martin Schwanzer konstatieren, einer breiten Rezeption hinderlich waren, kann ich nicht beurteilen. Denn obwohl es damals seit 1978 3 weder eine umfassende Ausstellung gegeben hatte, noch ein monografisches Buch zu Karl Schwanzer vorlag, konnte er nicht übersehen werden. Sein Werk ist dafür insbesondere in Wien zu stark präsent: Einige seiner Gebäude sind zu Ikonen geworden, für viele Menschen bilden sie Objekte persönlicher Identifikation – in Wien gilt das vor allem für das Philips-Haus an der südlichen Stadteinfahrt und für das Museum des 20. Jahrhunderts (heute Belvedere 21). In München steht das BMW -Hochhaus schon längst für das Unternehmen, und sogar für die Stadt selbst ist es eines ihrer unverwechselbaren Wahrzeichen geworden. In den Jahren vor 2000 fielen nur gelegentlich Schlaglichter auf Karl Schwanzers Gebäude: So wurde etwa 1979 das Münchener BMW-Ensemble in der Ausstellung ‚Transfomations in modern architecture‘ im MoMA in New York gezeigt. Nach der Jahrtausendwende rückte die sogenannte Nachkriegsmoderne international stärker in den Fokus, auch Schwanzers Werk wurde im Zuge dessen thematisiert: So kuratierte Leonie Manhardt 2003 die Fotoausstellung ‚Karl Schwanzer – Drei Bauten‘, welche sich 20

Carrying the Torch Personal Notes on Karl Schwanzer’s Estate Mirko Pogoreutz It is impossible for me to write about this book, about Karl Schwanzer and his archive, without thinking of Martin Schwanzer (1952–2020). The younger of Karl Schwanzer’s two sons, he trained as an architect at the Vienna Technical University (TH Wien) and later became a real estate developer in Vienna. He has been my employer for the past ten years, paving my path to Karl Schwanzer and ultimately becoming the filter through which I look at his father’s work. Our first encounter was in 2002, shortly after I moved to Vienna. Back then I didn’t know whose son he was because I didn’t know Karl Schwanzer and his work, despite the fact that I had just finished studying architecture. My ignorance was admittedly great, and the general focus of attention in architectural discourse lay elsewhere. Nevertheless, I cannot explain how I could possibly have overlooked such a fascinating, powerful, sometimes disturbingly intense personality and such an impressive oeuvre. Schwanzer’s approach would have suited the architectural development of the 1990s just as well, as would have his “differentiated design approaches”.1 I cannot judge the extent to which restricted access to his estate, which has been in private ownership for over 40 years, or a “seemingly progressive but actually dogmatic and outdated architectural discourse”,2 as stated by Rudolf Kohoutek and Martin Schwanzer, hindered a broad reception. Because even though there had been neither a comprehensive exhibition nor a monograph on Karl Schwanzer since 1978,3 it was impossible to overlook him. His work has a particularly strong presence in Vienna: Several of his buildings have become icons, creating sites of personal identification for many people—in Vienna, this is true above all of the Philips-Haus at the southern entrance to the city and the Museum of the 20 th century (today Belvedere 21). In Munich, the BMW tower has long been a symbol of the company, and has even become a distinctive landmark of the city itself. Leading up to the year 2000, only occasionally were the spotlights focused on Schwanzer’s buildings: For example, in 1979, Munich’s BMW Ensemble was shown in the ‘Transfomations in Modern Architecture’ exhibition at the New York MoMA. After the turn of the millennium, so-called post-war Modernism came into greater focus internationally, and thus also Schwanzer’s oeuvre: In 2003, Leonie Manhardt curated a photo exhibition titled ‘Karl Schwanzer—Drei Bauten’ [Karl Schwanzer—Three Buildings], which took a closer look at the Hawelgasse 23 residence, the Austrian Embassy in Brasília, and the BMW complex in Munich through the photographs of Sigrid Neubert.4 This show was presented in an adapted form at the Wien Museum in 2018. ‘The Force Is in the Mind. The Making 21

über die Fotografien von Sigrid Neubert dem Wohnhaus Hawelgasse 23, der Österreichischen Botschaft in Brasília und dem BMW-Komplex in München näherte.4 Diese Schau wurde 2018 in adaptierter Form im Wien Museum präsentiert. ‚Architektur beginnt im Kopf. The making of Architecture‘ von Elke Krasny 2008 im Architekturzentrum Wien ausgerichtet, thematisierte den Entwurfsprozess verschiedener Architekt_innen; Karl Schwanzer war darin mit der Entwicklung des Modells für den Österreichischen Pavillon auf der Weltausstellung 1967 in Montréal vertreten. Auch die Schau ‚SOS Brutalismus‘, 2018 ebenfalls im Architekturzentrum Wien zu sehen, sei erwähnt. Neben zahlreichen internationalen Beispielen wurde auch Schwanzers Bau des WIFI St. Pölten gezeigt; dessen ‚brutalistischer‘ Internatsturm prangte sogar prominent am Ausstellungsplakat. Bei besagtem ersten Treffen mit Martin Schwanzer 2002 interviewte ich ihn allerdings nicht zu seinem Vater, sondern hinsichtlich seiner Immobilienprojektentwicklung im 18. Bezirk, wo er verschiedene temporäre Nutzungen wie freies Theater zugelassen hatte. Wir trafen uns im Café Prückel und zogen nach Stunden ins gegenüberliegende MAK-Café weiter. Wohl auch, weil er mir als Deutschem etwas Wiener Kultur vermitteln wollte. Rasch bekam ich eine Ahnung von seinem herausfordernden Geist: Er war aufmerksam, unkonventionell, unruhig, widersprüchlich, fordernd, zuweilen unerbittlich. Im Jahr darauf saß er am Podium des Symposions ‚tempo.rar –  Temporäre Nutzungen im Stadtraum‘, das ich mitorganisiert hatte. Gegen Ende desselben Jahres initiierte er mit ‚Rettet das 20er Haus‘ die Öffnung und Bespielung eines der Hauptwerke Karl Schwanzers. Das Museum des 20. Jahrhunderts stand damals schon einige Jahre ungenutzt leer und harrte nach einem Wettbewerb seines Umbaus. Offiziell als Besetzung tituliert, thematisierte die Ausstellung von Werken dutzender Künstler_innen die eigentliche Funktion des Hauses als offener Ausstellungsraum und damit die Abgrenzung zu einem Museum. Mir ermöglichte dieses Ereignis den erstund einmaligen Zugang zum originalen 20er Haus wie den ersten unmittelbaren Kontakt zu Karl Schwanzer. Um den angedachten Umbau vom „Sportwagen zum Familienauto“ zu hinterfragen, brachte Martin Schwanzer sogar den Kauf, den Abbau und die Versetzung des Baus an einen anderen Ort ins Spiel. Das Engagement für das Werk seines Vaters war groß. Als Karl Schwanzer 1975 völlig unvorhergesehen nach nur 28 Jahren selbstständiger Arbeit starb, war Martin Schwanzer erst 23 Jahre alt. Das Büro hatte zu jener Zeit über 100 Mitarbeiter an zwei Standorten – neben Wien auch in München – und volle Auftragsbücher. Der Chef der Entwurfsabteilung, Gerhard Krampf, und der Büroleiter Karl Fleischer traten die Nachfolge an, unterstützt nicht zuletzt durch die beiden Söhne von Karl Schwanzer, Berthold und Martin; alle begonnenen Aufträge konnten gehalten und umgesetzt werden. Die dafür nötige Ziviltechnikerbefugnis hatte Gerhard Krampf. Das Büro firmierte weiter als Atelier Schwanzer, blieb im Haus Seilergasse 16 im 1. Bezirk, und selbst die büroeigenen Werkberichte unter dem Titel modul wurden noch über Jahre weiter publiziert. Beim 22

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of Architecture’ by Elke Krasny at the Architekturzentrum Wien in 2008 focused on the design processes of various architects. Schwanzer was represented with his development of a model for the Austrian pavilion at the 1967 World’s Fair in Montréal. The 2018 show ‘SOS Brutalism’, also at the Architekturzentrum Wien, must likewise be mentioned. In addition to numerous international examples, Schwanzer’s WIFI St. Pölten building was shown, with its ‘brutalist’ boarding school tower even featured prominently on the exhibition poster. At the above-mentioned first meeting with Martin Schwanzer, in 2002, I did not interview him about his father, but about his real estate project in the 18th district, where he had allowed various temporary uses such as offtheater. We met at Café Prückel and, after several hours, moved on to the MAK café across the street, probably also because he wanted to impart to me, a German, a bit of Viennese culture. I quickly began to get an idea of how his challenging mind worked: He was attentive, unconventional, restless, contradictory, demanding, and sometimes relentless. The following year, he sat on the podium of the ‘tempo.rar—Temporary Uses in Urban Space’ symposium, of which I was co-organizer. Towards the end of the same year, he initiated the opening and revival of one of Karl Schwanzer’s key works with his push to ‘Save the Zwanziger Haus’. The Museum of the 20th Century had been standing empty for several years already, and waiting for a competition for its conversion to be held. Officially dubbed an ‘occupation’, the exhibition of works by dozens of artists focused on the actual function of the building as an open exhibition space and thus not a museum. This event gave me my first and only access to the original ‘Zwanziger Haus’, as well as my first direct contact with Karl Schwanzer’s works. In order to challenge the planned conversion of the building from “a sports car to a family car”, Martin Schwanzer even brought up the idea of purchasing, dismantling, and relocating it to a different site. His commitment to his father’s work was immense. When Karl Schwanzer died entirely unexpectedly in 1975, after only 28 years of independent work, Martin Schwanzer was just 23 years old. At that time, Schwanzer’s firm had over 100 employees at two locations—Vienna and Munich—and was booked up with building contracts. The head of the design department, Gerhard Krampf, and office manager Karl Fleischer took over, supported not least by Schwanzer’s two sons, Berthold and Martin; it was possible to keep and complete all contracts that had been started. Gerhard Krampf had the civil engineering license that was needed for this. The office continued to operate as the Atelier Schwanzer, remaining at Seilergasse 16 in the 1st district, and even the firm’s work reports continued to be published for years under the title modul. During the transition to the next office, extensive parts of the studio archive were saved, most recently in hundreds of aluminum boxes. Martin Schwanzer called the situation in which he unexpectedly found himself at the time a hurricane, and in 2002 wrote retrospectively about his father’s architectural legacy: Carrying the Torch

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Übergang in das Nachfolgebüro wurden umfangreiche Teile des Atelierarchives gesichert, zuletzt in hunderten Alu-Kisten. Martin Schwanzer nannte es einen Hurrikan, in dem er sich damals unverhofft wiederfand, und schrieb 2002 rückblickend über den baukünstlerischen Nachlass des Vaters: „Im Laufe der Jahre, beim Zusammenräumen, Ordnen und Platz machen für andere Zwecke fielen mir wahre Berge an – teils besser, teils auch schlechter sortierten – Unterlagen meines Vaters und seiner Arbeit in die Hände (Büros mit Schränken voller Unterlagen von über 100 Mitarbeitern auf 4 Etagen, die ich alle aufräumte, ein großer Keller auf 2 Etagen mit diversen Abteilen). Aus Neugierde begann ich diese zu sichten und zu archivieren. [ … ] Später mit der Idee der historischen Dokumentation (angeregt durch die inhaltliche Vollständigkeit und Geschlossenheit, den in den Unterlagen immer spürbaren Dokumentationsdrang des Vaters, die schiere Anzahl, Fülle und Vielfalt an Projekten und an Unterlagen in allen Varianten und Nuancen, der Hang zu ausgefeilten Schriften, Dokumenten und zu Schriftverkehr im Allgemeinen, der Liebe zu professionellen Fotos und zu Multimedia –  eben den Drang zu inhaltlicher Vollständigkeit, Perfektion und SelbstDokumentation).“ 5 Martin Schwanzer war wohl auf der Suche. Auch nach einem Weg, die vielfältigen Archivalien zu sichten und für die Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Es brauchte Zeit. Wie er selbst sagte, nutzte er sie, um seinen eigenen (beruflichen) Weg zu gehen und den Schatten des Vaters seitlich zu verlassen, „anstatt ihn der vollen Länge nach zu durchschreiten“.6 Mit der Arbeit am Nachlass seines Vaters wollte er dessen Position in der österreichischen Architekturgeschichte festigen und letztlich einen kongenialen Partner für die weitere Bewahrung, Aufarbeitung und Verbreitung finden. Dabei ging es ihm nach eigener Auskunft nicht so sehr darum, das Werk Karl Schwanzers, seine Person und sein Leben zu bewerten. Diese Aufgabe sah er bei anderen. Nun obliegt sie in erster Linie dem Wien Museum, das den Nachlass im Jahr 2018 übernommen hat. Allerdings wollte Martin Schwanzer seinen Vater und dessen Werk selbst neu sehen und kennenlernen. Die Postings etwa, die ich seit 2018 auf einem Instagram-Account zu Karl Schwanzer veröffentliche, betrachtete er als verspätet eintreffende Postkarten seines Vaters. Wien, Dezember 2008: Rudolf Kohoutek brachte mich neuerlich mit Martin Schwanzer zusammen. Wir trafen uns in einer leerstehenden Druckerei aus den 1970er Jahren. Die Immobilie wartete in einem toten Winkel der Stadt darauf, anderswie genutzt zu werden. Das um ein Stahlbetonskelett errichtete Gebäude mit seinen Fensterbändern und strukturierten Betonfertigteilen an der Fassade, einfach und solide gestaltet, groß und stabil, allerdings nicht von Karl Schwanzer entworfen und gebaut, aber irgendwie angemessen, ist heute längst durch einen Neubau ersetzt. Der Nachlass, bestehend aus Akten, Büchern, Plänen, Mikrofilmen, Möbeln, Modellen, Fotografien und Kunstgegenständen nahm rund ein Dutzend der nicht eben kleinen Räume im Dachgeschoß ein. Und dennoch umfasste das längst 24

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“Over the years, as I was arranging, organizing, and making room for other purposes, mountains of documents—sometimes better, sometimes rather poorly sorted—fell into my hands that were related to my father and his work (offices with cabinets full of the documents of over 100 employees on four floors, all of which I cleaned up, plus a large two-story cellar with various storage areas). Out of curiosity, I started to review and archive them. [...] Later, with the idea of historical documentation in mind (inspired by the completeness and unity of content, my father’s inner thirst for documentation, always palpable in the sheer number, abundance, and variety of projects and papers in all variants and nuances, his penchant for sophisticated fonts, documents, and correspondence in general, his love of professional photography and multimedia—put simply, his drive for completeness, perfection, and self-documentation).” 5 Martin Schwanzer was clearly searching. Searching for a way to present the great diversity of archived documents and to make them accessible to specialists. This took time. As he said himself, he used this time to follow his own (professional) path, to leave the shadow of his father by the wayside, “instead of walking through the full length of it.”6 By working on the estate, he wanted to solidify his father’s position in Austrian architectural history and ultimately find a strong partner for its further preservation, processing, and dissemination. According to him, the process was not really about evaluating Karl Schwanzer’s work, person, and life. He saw that task as being up to others. Now it is primarily the responsibility of the Wien Museum, which took on the estate in 2018. However, Martin Schwanzer did want to see and get to know his father and his work in new ways. For example, he saw the posts that I have been making on a Karl Schwanzer Instagram account since 2018 as late postcards from his father. Vienna, December 2008: Rudolf Kohoutek brought me together with Martin Schwanzer again. We met in an empty 1970s printing shop. The property was tucked away in a hidden corner of the city, awaiting a new use. The building, constructed on a reinforced concrete skeleton, with window strips and structured precast concrete façade elements, was simply and solidly designed, large and sturdy. Although it was not designed and built by Karl Schwanzer, it was somehow very fitting, but has since been replaced by a new building. The files, books, plans, microfilms, furniture, models, photographs, and pieces of art of the vast estate took up about a dozen not-exactly-small rooms on the top floor. And nonetheless, it no longer included everything that had ever been drawn, written, and planned at Atelier Schwanzer. To me, everything seemed mysterious and unmanageable. I was surprised and quickly became excited—yes, electrified. This was a reaction that I also noticed among many of the experts who would come to visit the archived estate over the following years. The archival material was, and is, full of energy and inspiration for me, with a multifaceted oeuvre to be discovered within. The sheer volume was Carrying the Torch

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nicht mehr alles, was je im Atelier Schwanzer gezeichnet, geschrieben und geplant worden war. Alles wirkte geheimnisvoll und unüberschaubar auf mich. Ich war überrascht und schnell begeistert, ja elektrisiert. Eine Reaktion, die ich auch bei vielen der Fachleute bemerkte, die das Nachlassarchiv in den folgenden Jahren besichtigen sollten. Die Archivalien waren und sind für mich voller Energie und Inspiration, ein vielschichtiges Werk ist in ihnen zu entdecken. Der Umfang war erstaunlich – rund 20 Kubikmeter und 10 Tonnen Material –, besonders wenn man die für einen Architekten relativ kurze Schaffenszeit von nur 28 Jahren bedenkt; Karl Schwanzer starb in einem Alter, in dem viele Kollegen ihre größten Auftragsvolumina noch vor sich haben. Karl Schwanzers Tod liegt nun 45 Jahre zurück. Sein Werk ist in diesen Jahren weiter gereift. Aus heutiger Perspektive treten Originalität und Kreativität noch deutlicher vor die enorme Schaffenskraft. Jetzige Betrachter_innen sind hoffentlich frei von den Befindlichkeiten einstiger Zeitgenossen.7 So wie Martin Schwanzer bin auch ich davon überzeugt, „dass Karl Schwanzer eine Figur ist, die in ihren Methoden, Intuitionen, ihrem Reagieren auf neue Anforderungen und Ungewissheiten heute mehr denn je wertvolle Impulse bietet. Seine immer grundsätzlich nonkonformistische Vorgangsweise ist gültig, aktuell und erfrischend.“ 8 Leidenschaftlich modern – Karl Schwanzer und seine Architektur bietet eine chronologische Darstellung dessen Werkes in Bildern – jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Unsere Auswahl der Motive macht Entwicklungen und Kontinuitäten sichtbar. Sie ist sowohl Architektur- und Zeitgeschichte als auch eine Hommage an die damalige (Wiener) Architekturfotografie. Karl Schwanzers Streben nach hochwertiger Dokumentation seiner Bauten und Projekte führte zur Beauftragung vieler renommierter Profi-Fotografinnen und -fotografen wie Lucca Chmel, Barbara Pflaum, Franz Hubmann oder Sigrid Neubert. Aber auch bislang wenig bekannte engagierte er teils über Jahre hinweg immer wieder. So ist etwa Maria Wölfl zu entdecken, von der ein knappes Fünftel der abgebildeten Aufnahmen stammt. Die vielen hochwertigen und ausdrucksstarken Fotografien aus dem Archiv bieten einen unmittelbaren Zugang zum Werk von Karl Schwanzer und waren der Anlass, dieses Buch zu publizieren. Sie sollen nicht allein Fachleute, sondern ein breites Publikum ansprechen. Dies war ein expliziter Wunsch von Martin Schwanzer, so wie das Buch selbst. Nicht zuletzt wollte der Birkhäuser Verlag eine Trilogie 9 zu Karl Schwanzer herausgeben, deren dritter Teil hiermit vorliegt. Konkreten Anlass für die Arbeit daran und an den ersten beiden Publikationen bot der 100. Geburtstag von Karl Schwanzer im Jahr 2018. Leidenschaftlich modern stellt eine Ergänzung zu dessen Architektur aus Leidenschaft dar. Bereits dieser 1973 von Schwanzer selbst herausgegebene Band war keine monografische Bestandsaufnahme, sondern eher ein persönliches Credo. Sein Blick war in die Zukunft gerichtet, und auf potenzielle Auftraggeber. Karl Schwanzer präsentierte darin Projekte, auf 26

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astonishing—around 20 cubic meters and 10 tons of material—particularly when you consider the relatively short duration during which he created architecture, only 28 years. Karl Schwanzer died at an age when many colleagues have not even reached their largest order volumes. Karl Schwanzer’s death was 45 years ago. His work has continued to mature in these years. From today’s perspective, his ingenuity and creativity stand out more clearly than his enormous productivity. Hopefully today’s viewers are free from the sensitivities of his former contemporaries.7 Like Martin Schwanzer, I am convinced that “Karl Schwanzer is a figure who, more than ever, offers valuable inspiration through his methods, intuition, and reactions to new requirements and unknowns. His approach, always fundamentally non-conformist, remains valid, relevant, and refreshing.” 8 Passionately Modern—Karl Schwanzer and his Architecture provides a chronological overview of his work in photographs—without, however, attempting to claim completeness. The selection of motifs in this volume makes developments and continuity visible. This is both architectural and contemporary history, as well as an homage to the (Viennese) architectural photography of the time. Karl Schwanzer’s quest for highquality documentation of his buildings and projects led him to commission many renowned professional photographers, including Lucca Chmel, Barbara Pflaum, Franz Hubmann, and Sigrid Neubert. But he also hired many, until now, less-well-known photographers, sometimes over the course of years. You can discover Maria Wölfl, for example, who took almost a fifth of the photos featured here. The numerous high-quality and expressive images from the archives proved a direct access to Schwanzer’s work, and were the reason this book is being published. They appeal not only to professionals, but also to a wide audience. This was Martin Schwanzer’s explicit request, as was the book itself. Last but not least, Birkhäuser Publishing wanted a trilogy 9 on Karl Schwanzer, the third part of which is herewith available. The specific occasion for this and the first two volumes was Karl Schwanzer’s 100 th birthday, which took place in 2018. Passionately Modern complements the book Architecture as a Passion, which was edited by Schwanzer himself in 1973, and was not a monographic inventory, but rather a personal credo.10 His eyes were focused on the future and on potential clients. Karl Schwanzer presented projects upon which he wanted to build. At the time, he created what was, to a certain extent, his own anthology, which—supplemented by texts, poems, and photos of nature—was also intended to stimulate emotion. However, our focus is on his earlier, lesser known, and often ephemeral works and projects. Projects that Schwanzer rarely or never showed in 1973 are to be illuminated here, without ignoring the better known buildings. An anthology  ? —It is our personal selection from the archives. The images are intended to inspire, excite, and encourage people to take a closer look Carrying the Torch

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denen er weiter aufbauen wollte. Er schuf damals gewissermaßen seine eigene Anthologie, die – um Texte, Gedichte, Naturfotos ergänzt – auch emotionalisieren sollte. Unser Fokus hingegen richtet sich auf frühe, eher unbekannte und meist ephemere Werke und Projekte. Von Karl Schwanzer 1973 kaum oder gar nicht gezeigte Vorhaben sollen hier in Erinnerung gerufen werden, ohne die bekannten Gebäude zu ignorieren. Eine Anthologie  ? – Es ist unsere persönliche Auswahl aus dem Archiv. Die Bilder sollen inspirieren, begeistern und zur Beschäftigung mit Karl Schwanzer anregen, bis in einigen Jahren das Wien Museum eine umfassende Schwanzer-Ausstellung ausrichten wird. Wir wollen das Feuer weitertragen und nicht die Asche beweinen, sagte Martin Schwanzer häufig. Ich würde mich freuen, sollte uns dies mit unserem Buch gelingen. 1 Rudolf Kohoutek, Martin Schwanzer, „How to Change Architecture“ (siehe S. 16). 2 Ebd. 3 Die vorläufig letzte Schau fand im Museum des 20. Jahrhunderts, Wien anlässlich der posthumen Verleihung des Großen Österreichischen Staatspreises an Karl Schwanzer 1975 statt. 4 Zwei Jahre später erschien davon ausgehend eine Publikation: Leonie Manhardt (Hg.), Drei Bauten von Karl Schwanzer. Fotografiert von Sigrid Neubert, Wien 2005. 5 Martin Schwanzer, Approach, Wien 2002, internes Manuskript. 6 Martin Schwanzer, „Das Feuer der Leidenschaft“, in: DOCOMOMO Austria (Hg.), Karl Schwanzer und die Verbindung zur internationalen Avantgarde, Innsbruck 2018, S. 117–130, hier S. 122. 7 Der Maler und Grafiker Ernst Fuchs (1930–2015), Mitbegründer der ‚Wiener Schule des Phantastischen Realismus‘, kreierte etwa in einem Interview das Wort ‚Schwanzerismus‘ zur generellen Abwertung moderner Architektur. Vgl. Gerfried Sperl, „Die Behörden verbittern ... Gespräch mit Ernst Fuchs“, in: Kleine Zeitung (Klagenfurt), 6. April 1968, S. 18. 8 Martin Schwanzer, „Das Feuer der Leidenschaft“, S. 130. 9 Die ersten beiden Teile sind die Graphic Novel von Benjamin Swiczinsky, Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft. Drei Jahrzehnte Architektur- und Zeitgeschichte, hg. von Martin Schwanzer, Text und dramaturgische Beratung von Max Gruber, Basel 2018, sowie der Bildband von Ulrike Matzer und Stefan Oláh (Hg.), Karl Schwanzer – Spuren. Eine Bestandsaufnahme / Traces – A Pictorial Inventory, Basel 2019.

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at Karl Schwanzer—tiding us over, through the few years, until the Wien Museum hosts a comprehensive Schwanzer exhibition. We want to carry the torch, not cry over the ashes, as Martin Schwanzer frequently said. I would be very happy if our book succeeds in this endeavor. 1 Rudolf Kohoutek, Martin Schwanzer, “How to Change Architecture”, (see p. 17 of this book). 2 Ibid. 3 At the time, the last show had taken place in 1978 at the Museum of the 20 th Century in Vienna, on the occasion of the posthumous awarding of the Grand Austrian State Prize to Schwanzer. 4 A publication appeared two years later based on this: Leonie Manhardt (ed.), Karl Schwanzer. Three Buildings. Photographed by Sigrid Neubert, Vienna 2005. 5 Martin Schwanzer, Aufarbeitung des Nachlasses – Vorbemerkung zu meinem Ansatz [Processing the Legacy— Preliminary Remarks on My Approach], Vienna 2002, internal manuscript. 6 Martin Schwanzer, “Das Feuer der Leidenschaft” [The Fire of Passion], in: DOCOMOMO Austria (ed.), Karl Schwanzer und die Verbindung zur internationalen Avantgarde, Innsbruck 2018, pp. 117–130, here p. 122. 7 In an interview, Ernst Fuchs, for example, created the word ‘Schwanzerism’ to indicate a general devaluation of modern architecture. Cf. Gerfried Sperl, “Die Behörden verbittern ... Gespräch mit Ernst Fuchs”, in: Kleine Zeitung (Klagenfurt), 6 April 1968, p. 18. 8 Martin Schwanzer, DOCOMOMO , p. 130. 9 The first two parts are Benjamin Swiczinsky’s graphic novel Schwanzer—Architect. Visionary. Maestro. Three Decades of Architectural and Contemporary History, edited by Martin Schwanzer, with text and dramatic advice by Max Gruber, Basel 2018; and the illustrated book Karl Schwanzer – Spuren. Eine Bestandsaufnahme / Traces— A Pictorial Inventory, by Ulrike Matzer and Stefan Oláh (editors), Basel 2019. 10 The English translation, contracted by Martin Schwanzer in 2005, can be viewed online on the Wien Museum website at: https://issuu.com/wienmuseum/docs/architect_ karl_schwanzer_leidenschaft_english (last accessed on 7 September 2020).

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Unmittelbar nach Kriegsende kommt Karl Schwanzer durch die Arbeit im Büro von Oswald Haerdtl und als Assistent an der Akademie für angewandte Kunst in Berührung mit der Wiener Moderne der Zwischenkriegszeit. Nachbilder eines Gesamtkunstwerks. Aufbruchstimmung in Richtung Architektur. In unglaublich kurzer Zeit eröffnet er 1947 ein eigenes Büro mit ersten Aufträgen in folgenden drei Feldern: Ausstellungen, Kinos und Shops. Vor allem mit der Gestaltung der Ausstellungen ging Karl Schwanzer direkt auf eine Architektur zu, die nicht akademisch besetzt war. Phantasievolle Konstruktionen: Rahmen, Regal, Raumgitter, Gestell. Eine temporäre Architektur der Objekte, Wege und Blicke. Überraschung als Funktion, nicht bloß als Effekt. Variation der Übergänge von Intimität und Öffentlichkeit. Wir sehen im Zeitraffer den Weg von der Wiener Tradition des Handwerks und Handels in eine tastende internationale Moderne der Industrie und Warenwelt. Blickrichtung USA . Es war dies mehr als die zufällige Auftragslage eines jungen Architekten jenseits des kleinen Wohnbaus: Freiheit in der Präsentation der neuen Produkt- und Warenwelt. Lust an Displays und Lichtwirkungen. Formale Neuerungen gegen alte Sehgewohnheiten. Glatter Sockel, geriffelte Wand. Leuchtkasten mit Kinoprogramm. Schmale weiße Streifen auf schwarzem Grund. Kleine Leinwand, abgerundete Ecken. Wandbild Traumlandschaft. Glasvitrinen. Dreidimensionale Kassettendecke. Dogmenfrei. Modehaus Elegance: drapierte Stoffe, freie Linie des Handlaufs der Stiege. Polster, Spiegel und neugierige Blicke in die Auslagen. Im Dreieck von Ausstellungen, Shops und Kinos konnten Details frei variiert werden. Dieser intensive Einsatz Karl Schwanzers in der Formfindung ist noch in den späteren großen Projekten wirksam. Spiegelbildlich zu den Innenräumen der Ausstellungen waren Shops und Kinos die ersten Interventionen einer Aufhellung der dunklen Stadt. Schrifttypen und Leuchtröhren: urbane Beschriftung. Rascher Sprung von Aufträgen in den Außenbezirken ins Zentrum: Kärntner Straße, Graben, Opernring. Parallel dazu führten ab 1950 erste Wege ins Ausland: Stockholm, Brüssel, Chicago; Studienreisen nach Venedig, Paris und in die Schweiz. Das Fenster öffnet sich. Die Autohupe antwortet. Ein Mann im Zweireiher steigt aus. Unglaubliches neues Lebensgefühl. Automobil und Architektur lassen Karl Schwanzer nicht mehr los: vom repräsentativen Autosalon Denzel 1956 über die erste mechanische Hochgarage am Neuen Markt 1959 bis zum fulminanten Höhepunkt des BMW-Ensembles 1973. Hier überlagern einander zwei Paradigmen, die in der Programmatik der Modernen keinen Stellenwert hatten: Inszenierungen und Atmosphären. Dabei beginnt Karl Schwanzer von Anfang an mit einer Doppelcodierung von Funktion und Form. In seinen Entwürfen operierte er intuitiv, wie ein Künstler. Die ästhetische Theorie bringt es auf den Punkt: eine „grundsätzliche Unbestimmtheit des ästhetischen Gegenstandes“, so Paul Valéry und Hans Blumenberg. Im Kunstwerk gibt es keine logische Ableitung einer gewählten Form. Mit diesem Spielraum über den Funktionalismus hinaus hat Karl Schwanzer in der Vielfalt seiner Entwürfe operiert. Leichtigkeit und Eleganz mit offenem Ausgang. RK 34

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Orientierung und Auftakt

Shortly after the end of the war, when working at Oswald Haerdtl’s firm and as an assistant at the Academy of Applied Arts (now a university), Karl Schwanzer came into contact with the Viennese Modernism of the interwar period. Afterimages of a Gesamtkunstwerk. A sense of euphoria for architecture. In a remarkably short period of time, he opened his own office in 1947, already with contracts in three fields: exhibitions, cinemas, and shops. Schwanzer headed straight for a type of architecture not taken over by academics, in particular with his design of exhibitions. Imaginative constructions: a frame, a shelf, a space grid, a base. A temporary architecture of objects, pathways, and viewpoints. Surprise as a function, not just an effect. Variation of the transitions from intimacy to public. In fast forward, Vienna’s tradition of craftsmanship and trade evolved into the tentative international modernity of industry and consumer goods. Looking towards the USA . This was about more than a young architect’s lucky first contracts beyond small homes: freedom in the presentation of a new world of products and goods. A zest for displays and lighting effects. Innovative forms instead of old ways of seeing. A smooth base, a corrugated wall. A lighted box with cinema program. Narrow white stripes on a black background. A small screen, rounded corners. A mural of a dream landscape. Glass showcases. A three-dimensional coffered ceiling. No dogma. The Elegance fashion boutique: draped fabric, the free line of a stairway handrail. Pillows, mirrors, and a curious peek into the window display. Details were varied freely within this triad of exhibitions, shops, and cinemas. Schwanzer’s intense dedication to design was still found in his later large projects. Mirroring the exhibition interiors, shops, and cinemas became the first steps towards brightening a dark city. Fresh fonts and neon signs: urbane lettering. A rapid leap from contracts in the outer districts to the city center: Kärntner Strasse, Graben, Opernring. At the same time, the first pathways abroad began opening in 1950: Stockholm, Brussels, Chicago. Study trips to Venice, Paris, and Switzerland. The window opens. The honk of a car horn answers. A man in a double-breasted suit steps out. An incredible new way of life. Automobile and architecture seized Schwanzer and didn’t let him go: from the prestigious Denzel car show in 1956 to the first mechanical high-rise garage on Neuer Markt in 1959 to the brilliant climax of the BMW ensemble in 1973. Here, two paradigms overlapped one another, ones which were of no importance to the modernist program: staging and atmosphere. From the very start, Schwanzer applied himself to the dual coding of function and form. He operated intuitively within his designs, like an artist. In aesthetic theory, Paul Valéry and Hans Blumenberg summed it up succinctly: “The basic indeterminacy of the aesthetic object.” In art, there is no logical deduction of a chosen form. Within the great diversity of his designs, Schwanzer operated with a scope that extended well beyond functionalism. An open-ended lightness and elegance. RK 1947–50

Orientation and Beginnings

35

Erstes Büro des Atelier Schwanzer ab 15. Juni 1947, Seilerstätte 16, Wien 1. Im Bild Sekretärin Theresia Fischer, Karl Schwanzer sowie seine Mitarbeiter Karl Fleischer und Roland Starzen. Den Berufseid hat Karl Schwanzer am 11. Juni 1948 abgelegt. Karl Fleischer war bis über Schwanzers Tod hinaus in dessen Atelier tätig. First Atelier Schwanzer office, opened on 15 June 1947, Seilerstätte 16, Vienna 1. (From left to right) Theresia Fischer (secretary), Karl Schwanzer, and employees Karl Fleischer and Roland Starzen. Schwanzer was sworn in as an architect on 11 June 1948. Karl Fleischer continued working at the Atelier even after Schwanzer’s death.

36

Anonym

ca. 1950

38

Maria Wölfl

Umbau Kino Metropol, Wien

Metropol cinema conversion, Vienna

1948

Lucca Chmel

Umbau Kino Metropol, Wien

Metropol cinema conversion, Vienna

1948

39

40

Lucca Chmel

Umbau Kino Metropol, Wien

Metropol cinema conversion, Vienna

1948

42

Maria Wölfl

Umbau Kino Metropol, Wien

Metropol cinema conversion, Vienna

1948

44

Bruno Reiffenstein

Wiederaufbau Haus Graben 30, Wien

Graben 30 reconstruction, Vienna

1949

Lucca Chmel

Lokalumbau Hans Porges, Wien

Hans Porges store conversion, Vienna

1949

45

46

Lucca Chmel Wiederherstellung Modehaus Elegance, Wien Elegance boutique remodel, Vienna 1949

47

Modehaus Elegance in Wien: Schaulustige bei einer Modepräsentation. Fashion boutique Elegance in Vienna: onlookers at a fashion show.

48

Franz Hubmann

1956

50

Lucca Chmel

Kunststoffausstellung, Wien

Plastics exhibition, Vienna

1950

52

Bruno Reiffenstein

Kunststoffausstellung, Wien

Plastics exhibition, Vienna

1950

54

Photo Oscar

Messe Chicago

Chicago Fair

1950

Anonym

Messe Brüssel

Brussels Fair

1950

55

02 Phantasmen und Vernetzung

56

1951–58 Phantasm and Conjunction

57

Entlang des Werks von Karl Schwanzer können wir einen Epochenwandel beobachten. Umbruch mit Zuschauern. Architektur aus jener Zeit ist nicht ohne Zeitgeschichte von Wahrnehmung und Erfahrung zu verstehen. 1950 brannten in beträchtlichen Teilen Wiens noch Gaslaternen auf den Straßen. 1950 gab es in Wien gut 50.000 PKW, 2017 waren es über 700.000. Wir sprechen von einer anderen Stadt. Die Spuren des Krieges waren noch nicht beseitigt. Projekte im dunklen Wien der Nachkriegszeit waren Katalysatoren für neue Stimmungen. Die unmittelbare Erfahrung von Modernität kann heute nur mehr erlebnisgeschichtlich rekonstruiert werden. „Die Erlebnisweise einer Ära ist nicht nur ihr entscheidender, sondern zugleich ihr vergänglichster Aspekt“ (Susan Sontag, „Notes on ,Camp‘ “, 1964). Heute lässt sich deutlicher erkennen, dass die Vielfalt in der Ästhetik damit zu tun hat, dass Karl Schwanzer gleichzeitig mehrere Linien verfolgte und es bei ihm keine klaren Entwicklungsphasen gab. Ein Prozess der Variation, Selektion und Verdichtung setzt ein: die Kunst der Fuge. Eine weitere Ausprägung erfolgt 1951 für Olivetti: ein Raumbild in Entsprechung zur Linie der damals führenden Marke für Büromaschinen mit höchstem Designanspruch. Reduziert und hell, mit einem Displaysystem aus dünnen weißen Stäben und kleinen Kugeln. Ein Kunstwerk für sich. Der Pavillon für das Kunststoffwerk Schmidberger auf der Wiener Messe 1953 ist das erste ‚autonome Gebäude‘ von Karl Schwanzer: eine transparente, strenge Box im rechtwinkeligen Raster: Flaschenpost der Moderne. Ein kleines, aber wichtiges Übergangsprojekt. 1954 folgt ein weiterer freistehender Messepavillon für Schmidwerke Metallbau mit differenzierten Baukörpern und Vordächern. Singulär wie alle Projekte. Parallel dazu verfolgt Karl Schwanzer eine scheinbar konträre Linie freierer Rauminstallationen auf den Messen in Paris 1953 und 1954: ‚Haus im Haus‘ mit Objekten, Bildtafeln und Schriften, eingebunden in eine großzügige runde Grundform. Verfeinerung, Detaillierung, Licht: Eigenwelt einer undogmatischen Spielart der Moderne. In der Wiener Gewerbeausstellung 1951 mit ‚lebenden Bildern‘ üben Handwerker jeweils ihr Gewerbe vor den Augen des Publikums aus: ein spektakulärer Erfolg. 1952 folgt die große Ausstellung ‚Dienst am Volk‘ im Künstlerhaus, zum Thema ‚Sieben Jahre Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft‘. Karl Schwanzer verkleidet die Front des Künstlerhauses mit einer freien Rauminstallation aus Vordächern und Schriften. Performativität, Inszenierung, Ausgreifen in den öffentlichen Raum – an diesem historisch dichten Standort. Den Höhepunkt der 1950er-Jahre stellen die beiden Projekte für die Weltausstellung Brüssel 1958 dar: der Österreichische Pavillon und der EuroparatPavillon (OECD). In völlig unerwarteten Formen konstituiert sich erstmals die Architektur von Karl Schwanzer in großem Maßstab. Die spielerische Vielfalt der Ausstellungen, Kinos und Shops des Frühwerks ist damit abgeschlossen, aber die gestalterischen Überraschungen wirken fort. Im ÖsterreichPavillon verbindet Karl Schwanzer die internationale Repräsentation eines modernen Österreich mit Wiener Färbung und Benutzerfreundlichkeit. RK 58

1951–58

Phantasmen und Vernetzung

Karl Schwanzer’s works capture the transformation of an era. Radical change with spectators. The architecture of the time cannot be understood without knowing the history of its impressions and experiences. In 1950, gas lanterns still burned on the streets in large parts of Vienna. In 1950, there were about 50,000 cars in the city; by 2017 more than 700,000. It was a different city. The ravages of war had not yet been scrubbed away. Projects realized in dark, post-war Vienna became catalysts for a new mood. The direct experience of modernity can now only be reconstructed through historical events. “The sensibility of an era is not only its most decisive, but also its most perishable, aspect,” writes Susan Sontag (“Notes on ‘Camp’ ”, 1964). Today, it is more clear that Schwanzer’s aesthetic diversity has to do with the fact that he pursued multiple design paths at the same time, meaning that there were no clear stages of development in his work. A process of variation, selection, and densification set in: the art of fugue. Another development took place in 1951, for Olivetti: a spatial image in perfect correspondence with the leading brand for office machines of the time with the highest of design standards. Reduced and bright, a display system made of thin white slats and little spheres. A work of art in and of itself. The pavilion for the Schmidberger plastics plant at the 1953 Vienna Trade Fair was Schwanzer’s first ‘autonomous building’: a transparent stringent box within a rectangular grid: A message of Modernism. A small but important transition project. Another free-standing exhibition pavilion for Schmidwerke Metallbau followed in 1954, with differentiated structures and canopies. As singular as all of his projects. At the same time, Schwanzer followed a seemingly contradictory line of more free-space installations at the trade fairs in Paris in 1953 and 1954: A house in a house, with sculptures, image plates, and writing, integrated into a generous round shape. Refinement, detailing, light: His own world of undogmatic Modernism. At the 1951 Vienna Industrial Exhibition, ‘living pictures’: craftsmen practiced their trade for public view. A spectacular success. 1952 followed with the large exhibition ‘Dienst am Volk’ [Service to the People] at the Künstlerhaus, exploring the topic ‘Seven Years of Rebuilding the Austrian Economy’. Schwanzer clad the entire front of the Künstlerhaus with a free-form spatial installation of canopies and writing. Performativity, staging, reaching into public space—in a location dense with history. The highlights of the 1950s were his two projects for the 1958 Brussels World’s Fair: the Austrian Pavilion and the Council of Europe Pavilion (OECD). Schwanzer’s architecture, on a large scale for the first time, with completely unexpected forms. The playful diversity of the exhibitions, cinemas, and shops of his early work was now complete, while the surprising designs continued. For the Austrian Pavilion, Schwanzer combined the international image of a modern Austria with a Viennese touch infused with user-friendliness. RK

1951–58

Phantasm and Conjunction

59

60

Lucca Chmel

Gewerbeausstellung, Wien

Trade Fair, Vienna

1951

62

Lucca Chmel

Gewerbeausstellung, Wien

Trade Fair, Vienna

1951

63

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Franz Hubmann

Gewerbeausstellung, Wien

Trade Fair, Vienna

1951

65

Bundeskanzler Leopold Figl (3. v. l.) besucht die Gewerbeausstellung am Messegelände des Wiener Prater (27. Mai bis 10. Juni 1951). Karl Schwanzer (4. v. l.) erläutert sein gestalterisches Konzept der Schau. rd from (3rd from left) left) Austrian Chancellor Leopold Figl (3 visits the Trade Fair at the Vienna Prater exhibition center (27 May to 10 June 1951). Karl Schwanzer (4th from left) left) (4 th from explains his design concept.

66

Franz Hubmann

1951

Lucca Chmel war ursprünglich in den Bereichen Porträt, Mode und Theater tätig. Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Krieg war jedoch Gebäudefotografie ein vielversprechender Berufszweig geworden, auf den sie sich spezialisierte. 1948 fotografierte sie erstmals für Oswald Haerdtl, womit ihre Karriere als Chronistin zeitgenössischer Architektur begann. Über Aufträge für namhafte Architekten wie Erich Boltenstern, Anton Potyka, Roland Rainer und Karl Schwanzer wurde sie in den 1950er- und 60er-Jahren zur damals führenden österreichischen Vertreterin auf diesem Gebiet. Chmels Aufnahmen sind von der handwerklichen und ästhetischen Tradition der 1930er-Jahre geprägt; neben ihrem gestalterischen Hang zu Stimmungswerten und inszenatorischem Lichteinsatz kennzeichnen stilistische Elemente des Neuen Sehens ihre Bilder. Geboren 1911 in Wien absolvierte Lucca Chmel 1931–33 an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt ihre Ausbildung zur Fotografin, nach der anschließenden Lehrzeit legte sie 1936 ihre Meisterprüfung ab und nahm Privatunterricht beim bekannten Kunstfotografen Rudolf Koppitz. 1937–39 war sie als eine der ersten Frauen als Assistentin für Fotografie an der ,Graphischen‘ tätig, 1939 gründete sie ihr eigenes Atelier, ‚Lichtbild Lucca Chmel‘. Während des Zweiten Weltkriegs erhielt sie als NSDAP -Mitglied von der Reichskulturkammer in Berlin Aufträge für Theateraufnahmen. 1945 wurde die ehemalige Nationalsozialistin vom Kulturamt der Stadt Wien zur Wiedergutmachung zu Aufräumarbeiten im Stephansdom beordert, wo sie die Kriegszerstörungen mit ihrer Kamera festhielt; die Aufnahmen erschienen 1947 im Bildband Der Wiener Stephansdom nach dem Brand im April 1945. Im Jahr 1972 übergab Lucca Chmel ihr Atelier an ihre Tochter, 1999 starb sie in Wien.

68

Lucca Chmel was originally active in portraiture, fashion, and theater. During reconstruction after the Second World War, architectural photography became a promising profession, one in which she proceeded to specialize. She took photos for Oswald Haerdtl for the first time in 1948, inaugurating her career as a chronicler of contemporary architecture. In the 1950s and 1960s, commissions for renowned architects such as Erich Boltenstern, Anton Potyka, Roland Rainer, and Karl Schwanzer made her into the leading Austrian representative of the field at the time. Chmel’s photographs are influenced by the craftsmanship and aesthetic traditions of the 1930s. Her creative inclination towards atmospheric values and the dramatic use of light is supplemented by the stylistic elements of New Vision that characterize her pictures. Born in Vienna in 1911, Chmel completed her photographic education at the Graphische Lehr- und Versuchsanstalt design school in 1931–33. After subsequently completing an apprenticeship, she passed her master’s examination in 1936 and took private lessons with well-known art photographer Rudolf Koppitz. From 1937–39 she became one of the first women to work as a photography assistant at the Graphische, and in 1939 she founded her own studio, Lichtbild Lucca Chmel. During the Second World War she was a member of the NSDAP , receiving commissions for theater photography from the Reich Chamber of Culture in Berlin. In 1945, as a former Nazi party member, she was ordered by the Cultural Department of the City of Vienna to assist in clean-up at St. Stephen’s Cathedral as restitution, where she used her camera to document the wartime destruction. These photographs were published in 1947 in a photo book titled Der Wiener Stephansdom nach dem Brand im April 1945 [The St. Stephen’s Cathedral in Vienna after the Fire of April 1945]. In 1972, Lucca Chmel passed her studio on to her daughter, and she died in Vienna in 1999.

Lucca Chmel

Lokalumbau Rositta, Wien

Rositta boutique remodel, Vienna

1951

69

70

Lucca Chmel

Lokalumbau Rositta, Wien

Rositta boutique remodel, Vienna

1951

Photo Meyer

Lokalumbau Rositta, Wien

Rositta boutique remodel, Vienna

1951

71

72

Maria Wölfl

Lokalumbau Olivetti, Wien

Olivetti store remodel, Vienna

1951

74

Maria Wölfl

Lokalumbau Olivetti, Wien

Olivetti store remodel, Vienna

1951

Anonym

Lokalumbau Olivetti, Wien

Olivetti store remodel, Vienna

1951

75

76

Maria Wölfl

Lokalumbau Olivetti, Wien

Olivetti store remodel, Vienna

1951

Photo Meyer

Ausstellung ‚Dienst am Volk‘, Wien  ‘Dienst am Volk’ exhibition, Vienna

1952

77

Photo Meyer

Ausstellung ‚Dienst am Volk‘, Wien  ‘Dienst am Volk’ exhibition, Vienna

1952

79

80

Photo Meyer

Ausstellung ‚Dienst am Volk‘, Wien  ‘Dienst am Volk’ exhibition, Vienna

1952

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82

Maria Wölfl

Ausstellung ‚Dienst am Volk‘, Wien  ‘Dienst am Volk’ exhibition, Vienna

1952

84

Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1952

86

Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1952

Photo Meyer

Umbau Kino Kolibri, Wien

Kolibri cinema conversion, Vienna

1952

87

88

Maria Wölfl

Wohnung Schwanzer, Wien

Schwanzer’s apartment, Vienna

1952

Maria Wölf

Atelier Schwanzer, Wien

Atelier Schwanzer, Vienna

ca. 1952

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Maria Wölf

Atelier Schwanzer, Wien

Atelier Schwanzer, Vienna

ca. 1952

Yoichi R. Okamoto, 1915 in den USA als Sohn japanischer Immigranten geboren, arbeitete ab 1939 als Pressefotograf und ging 1942 zur US -Armee. 1944 kam er als Kriegsberichterstatter nach Europa und wurde 1945 in Wien persönlicher Fotograf des US -Hochkommissars General Marc Clark, Oberkommandant der in Österreich stationierten Truppen. Nach Kriegsende hatte er ab 1948 die Leitung des USamerikanischen Bilderdienstes inne. Die Pictorial Section des United States Information Service (USIS ) galt als einflussreichster der alliierten Bilderdienste während der Besatzungszeit. Durch die kostenlose Bereitstellung von Fotografien für Printmedien sicherte sich die USIS -Bildsektion ihren Einflussbereich. Über die modern gestaltete ,Bilderbeilage‘ des Wiener Kurier sowie die Ausbildung von knapp 40 heimischen Fotografen übte Okamoto einen nachhaltigen Einfluss auf die österreichische Bildkultur aus. Als Art Director mit hohem Anspruch an das gedruckte Bild setzte er neue Maßstäbe in der Reportagefotografie. Daneben war er als Vermittler in der Wiener Kunstszene aktiv: In den frühen 1950er-Jahren fertigte er ausdrucksstarke Porträts österreichischer Kunstschaffender an, die regelmäßig im Rahmen der Plakatkampagne ‚Schöpferisches Österreich‘ zu sehen waren. Neben bildenden Künstlern wie Fritz Wotruba, Carry Hauser und Albert Paris Gütersloh bat er auch die Architekten Josef Hoffmann, Clemens Holzmeister und Oswald Haerdtl vor die Kamera. Die Porträtserie zu Karl Schwanzer entstand wohl 1952 in dessen Atelier. Nach seiner Abberufung 1954 war Yoichi R. Okamoto in Washington als Leiter der Fotoabteilung des Amerikanischen Informationsdienstes tätig. 1963 ernannte ihn der amtierende US-Präsident Lyndon B. Johnson zum ersten ‚White House Photographer‘. Nach Johnsons Amtsende 1969 baute Okamoto sein eigenes Studio auf und fotografierte für die renommierten amerikanischen Magazine Life, Look, Time und andere. Mit 69 Jahren, 1985, setzte er seinem Leben selbst ein Ende.

92

Yoichi R. Okamoto, born 1915 in the United States to Japanese immigrants, he started work as a press photographer in 1939 and joined the US Army in 1942. In 1944, he traveled to Europe as a war correspondent and in 1945 became the personal photographer of US High Commissioner General Marc Clark, Commander-in-Chief of the troops stationed in Vienna, Austria. After the war ended, he was put in charge of the US Image Service starting in 1948. The Pictorial Section of the United States Information Service ( USIS ) was considered the most influential of the Allied image services during the occupation, securing influence by providing photographs to the print media free of charge. Via the modernly designed ‘Bilderbeilage’ [Illustrated Supplement] of the Wiener Kurier—at the time the nation’s highest circulating daily newspaper—and by training almost 40 local photographers, Okamoto exerted a lasting influence on Austrian visual culture. An art director with high demands for printed images, he set new standards in journalistic photography. He was also an active purveyor of the Vienna art scene: He produced numerous expressive portraits of Austrian artists during the 1950s, which were regularly shown as part of the ‘Creative Austria’ poster campaign. In addition to visual artists such as Fritz Wotruba, Carry Hauser, and Albert Paris Gütersloh, he also invited architects Josef Hoffmann, Clemens Holzmeister, and Oswald Haerdtl to pose before his camera. The series of portraits of Karl Schwanzer was likely taken in his studio in 1952. After being removed from his post in 1954, Okamoto went on to work in Washington, DC as head of the photo department of the US Information Service. In 1963, President Lyndon B. Johnson appointed him the first White House photographer. After Johnson left office in 1969, Okamoto established his own studio, photographing for the renowned American magazines Life, Look, Time, and others. In 1985, at the age of 69, he ended his own life.

Yoichi Okamoto

Porträtserie, Wien

Portrait series, Vienna

ca. 1952

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Maria Wölfl

Messepavillon Schmidberger, Wien

Schmidberger exhibition pavilion, Vienna

1953

Photo Meyer

Messepavillon Schmidberger, Wien

Schmidberger exhibition pavilion, Vienna

1953

99

100

Chicago Architectural Photographing Company Old Vienna Café, Chicago 1953

Kaffeehaus Old Vienna, Chicago

„Die Kellnerinnen tragen getupfte Dirndl in farbenfreudigem Rot-Weiß, ähnlich jenen der Alt-Wiener Wäschermädel. Die Kleider wurden von Dr. Schwanzer entworfen und von Marcus Ruben ausgeführt.“ (Hotel Monthly, Jänner Monthly, Jänner 1954, S. 32) 1954, S. 32) (Hotel “Waitresses’ costumes are a colorful red and white polkadot dirndl and resemble those worn by the old-time Waschermadl’. The The costumes costumes were were designed designed ‘Vienna Waschermadl’. Dr. Schwanzer;[and] were made by Marcus Ruben.” Ruben.” by Dr. Schwanzer (Hotel Monthly, January Monthly, January 1954, 1954, p. 32) p. 32) (Hotel

102

Philip J. Weinstein

1953

Anonym

Kaffeehaus Old Vienna, Chicago

Old Vienna Café, Chicago

1953

103

104

Maria Wölfl Lokalumbau Österreichischer Wirtschaftsverlag, Wien Remodel of the Österreichischer Wirtschaftsverlag publishing house, Vienna

1953

106

Maria Wölfl Lokalumbau Österreichischer Wirtschaftsverlag, Wien remodel of the Österreichischer Wirtschaftsverlag publishing house, Vienna

1953

107

108

Maria Wölfl

Wanderausstellung Westafrika

Austrian Trade Exhibition West Africa

1953

Eröffnung der Schau in Monrovia, Liberia. Opening of the show in Monrovia, Liberia.

Anonym

1953

109

110

Maria Wölfl

Stoffgeschäft Yard, Wien

Yard fabric store, Vienna

1953

111

Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1953

113

114

Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1953

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116

Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1953

Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1954

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Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1954

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Leopoldine Weiniger

Reklamewagen Blumauer

Blumauer publicity vehicle

1954

Maria Wölfl

Messepavillon Schmidwerk, Wien

Schmidwerk factory exhibition pavilion, Vienna

1954

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Maria Wölfl

Messepavillon Schmidwerk, Wien

Schmidwerk factory exhibition pavilion, Vienna

1954

Vortrag des brasilianischen Architekten Olavo Redig de Campos im Atelier Schwanzer am 3. Februar 1954. Seit April 1952 war das Büro in der Seilergasse 16, Wien 1, angesiedelt. Im Bild u. a. Karl Schwanzer, Siegfried Theiss, Josef Hoffmann, Olavo Redig de Campos, Carl Auböck, Hilda Schwanzer.

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Maria Wölfl

1954

Lecture by Brazilian architect Olavo Redig de Campos at Atelier Schwanzer on 3 February 1954. The firm had been located at Seilergasse 16, Vienna 1 since April 1952. In the picture (among others) Karl Schwanzer, Siegfried Theiss, Josef Hoffmann, Olavo Redig de Campos, Carl Auböck, and Hilda Schwanzer.

125

Auf Einladung der Foreign Operations Administration unternahm Karl Schwanzer im Juni 1954 eine Studienreise zum Thema Industrial Design. Diese ‚Austrian Industrial Design Study Tour‘ führte ihn u. a. in die Büros der Gestalter Raymond Loewy und Peter Muller-Munk, in das IIT Institute of Design in Chicago und das Pratt Institute in New York. Zurück in Wien gestaltete Schwanzer dazu eine Schau im Atelier Seilergasse.

126

USIS

1954

At the invitation of the Foreign Operations Administration, Schwanzer took an industrial design study trip in June 1954. The Austrian Industrial Design Study Tour took him to the offices of designers Raymond Loewy and Peter Muller-Munk, to the IIT Institute of Design in Chicago, and the Pratt Institute in New York, among others. Once back in Vienna, Schwanzer arranged a show at the Seilergasse studio.

USIS / Riedmann

1954

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Photo Meyer

Energieausstellung Linz

Linz Energy Exhibition

1954

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Franz Hubmann

Modell Messe Paris

Paris Fair, model

1955

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Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1955

Maria Wölfl

Korbsessel Messe Paris

Wicker chair, Paris Fair

1955

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134

Maria Wölfl

Stapelsessel 263/264 für Thonet

Stacking chair No. 263/264 for Thonet

1953

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Photo Chevojon

Messe Paris

Paris Fair

1955

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Maria Wölfl

Autosalon Denzel, Wien

Denzel showroom, Vienna

1956

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Foto Novelli

Messe Mailand

Milan Fair

1956

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Maria Wölfl

Pelzhaus Giranek, Wien

Giranek furrier, Vienna

1956

Karl Schwanzer übernahm 1957 die Bauleitung für den Pavillon der USA auf der Messe Wien. Der Auftrag kam von der amerikanischen Botschaft, der Entwurf stammte von G. Thomas Walter Dorwin Teague. V. l. n. r.: G.  T homas Gardener, F. J. Riha, Karl Schwanzer.

144

USIS

1957

In 1957, Karl Schwanzer took on the construction supervision of the US pavilion at the Vienna Trade Fair. Contracted by the American embassy, the design was by Walter Dorwin Teague. From left to right: G. Thomas Gardener, F. J. Riha, Karl Schwanzer.

Maria Wölfl

Französisches Fremdenverkehrsbüro, Wien

French Office of Tourism, Vienna

1957

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Maria Wölfl

Französisches Fremdenverkehrsbüro, Wien

French Office of Tourism, Vienna

1957

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Karl Schwanzer vor seinen Wettbewerbsplänen für den österreichischen Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel sowie mit Clemens Holzmeister (Juryvorsitz), 4. Mai 1956. Karl Schwanzer in front of the competition plans for the Austrian pavilion at the 1958 World Expo in Brussels, with Clemens Holzmeister (chairman of the jury), 4 May 1956.

150

Otto Gibian

1956

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„Auf der Weltausstellung in Brüssel, in dem bewegten Wirrwarr des Pavillons, habe ich den kleinen und doch so grossen Pavillon Österreichs bewundert, geliebt und verehrt, wie man nur etwas verehren kann, von dem das Heil kommt. Dieser österreichische Pavillon zeugte mit seiner untadeligen Kunst, mit seiner Ästhetik, vom überlegenen Niveau der Kultur Wiens. So viele Pavillons waren vom Geist der Propaganda angesteckt: im Wiener Pavillon, der ruhig, vollendet und harmonisch war, in dem es neben einem Orchester auch einen Kindergarten gab, fand man diese erdrückende Propaganda nicht, sondern das rührende Apostolat der Kultur, was etwas ist.“ wesentlich anderes ist.“ Ponti in: in: Charakter Charakterund undKultur Kultur Giovanni (‚Gio‘) Ponti Europas – Zeitschriftder derFondation FondationEuropéenne Européenne dede la l Europas – Zeitschrift Culture, 1. Jg. 1960, Nr. 2/3, S. 56f.

152

Otto Beyer ca. 1958

“At the World Exposition in Brussels, among the turbulent tangle of pavilions, what I admired and loved was the small, and yet so large, Austrian pavilion, which I revered with the reverence that one can only have for things from which salvation comes. The Austrian pavilion, with its impeccable artistry, its aesthetics, is testimony to the superior level of Vienna’s culture. So many pavilions were infected with the spirit of propaganda: the Vienna pavilion, in contrast, was quiet, accomplished, and harmonious, with not only an orchestra, but also a kindergarten. One did not find oppressive propaganda, but the stirring apostolate of culture, which is indeed something substantially different.” Kultur Giovanni (‘Gio’) Ponti in: Charakter und Kultur Europas— Zeitschriftder derFondation FondationEuropéenne Européenne dede la l Europas—Zeitschrift Culture, Vol. 1, 1960, No. 2/3, p. 56f.

Das Richtfest für den österreichischen Pavillon fand am 29. Oktober 1957 statt. Karl Schwanzer auf der Baustelle (3. v. r.), im Hintergrund der Philips Pavillon von Le Corbusier und Iannis Xenakis.

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Sado ca. 1958

The topping-out ceremony for the Austrian pavilion was held on 29 October 1957. Karl Schwanzer at the construction site (3rd from right), right), in in the the background background the (3 rd from Philips Pavilion by Le Corbusier and Iannis Xenakis.

Karl Schwanzer vor dem österreichischen Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Diese Expo war die erste nach dem Zweiten Weltkrieg und lief unter dem Motto ,bilan du monde, pour un monde plus humain‘ [Bilanz – für eine humanere Welt]. Schwanzer verglich Österreichs geopolitische Funktion mit einer Brücke, auf dieser Metapher beruht auch sein Entwurf.

156

Gert Schlegel

1958

Karl Schwanzer in front of the Austrian pavilion at the World Expo, Brussels, 1958. This Expo was the first after the Second World War, under the motto ‘bilan du monde, pour un monde plus humain’ [evaluation of the world, for a more humane world]. Schwanzer compared Austria’s geopolitical role to that of a bridge, basing his design upon the metaphor.

Maria Wölfl war ab 1948 fast 20 Jahre für Karl Schwanzer tätig; sie zählt zu jenen, die er am häufigsten zur Dokumentation seiner Projekte engagierte, ein wesentlicher Teil der Aufnahmen in seinem Archiv stammt von ihr. Neben technisch hevorragenden Fotografien seiner wichtigsten Bauten sind auch frühe Porträts von ihm, seiner Frau und seinen Söhnen in privaten Alben überliefert. Geboren 1907 in Wien als Tochter eines Baupoliers trat Maria Wölfl 1923 die Lehre bei der renommierten Porträtfotografin Trude Fleischmann an, parallel dazu absolvierte sie an der ‚Graphischen‘ die verpflichtende Fortbildungsschule für Fotografen. Bis 1934 assistierte sie weiter in Fleischmanns Studio und eröffnete im selben Jahr ihr eigenes kleines Atelier. Nach abgelegter Meisterprüfung 1935 war sie als Porträtund Werbefotografin tätig, unter anderem für die Handelskammer, das Handelsministerium und das Österreichische Museum für Kunst und Industrie (heute MAK). In der Zeit nahm sie an ersten Ausstellungen teil, ihre Sach-, Architekturund Industrieaufnahmen erschienen in illustrierten Magazinen wie Die Bühne, Moderne Welt, Radio Wien. Im März 1939 ‚arisierte‘ sie mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle das Fotoatelier von Franz Löwy in der Mariahilferstraße, nachdem sie von der Fotografenzunft als ‚erste Anwärterin‘ dafür vorgemerkt worden war. Wölfl begründete die Übernahme mit der für sie vorteilhaften Standortverlegung in die gut frequentierte Einkaufsstraße, in Zeiten allgemein schlechter Wirtschaftslage. Rückwirkend erklärte sie sich zu einer Gegnerin des NS-Regimes, versuchte jedoch die ‚Arisierung‘ zu verschleiern, indem sie Löwys Atelier als Konkursfall beschrieb. 1948 stellte Franz Löwy beim Landesgericht Wien einen Rückstellungsantrag gegenüber Maria Wölfl (inzwischen verheiratete Borik), dieser endete in einem Vergleich und verpflichtete sie zur Zahlung einer Abgeltung und zur Rückgabe fotografischer Apparate. Nach dem Krieg spezialisierte sich Wölfl auf Architekturfotografie und betrieb bis Ende der 1960er-Jahre besagtes Atelier. Sie starb 1987 in Wien.

158

Maria Wölfl worked for Karl Schwanzer for almost 20 years, starting in 1948. She became one of the people he hired most frequently to document his projects, and she shot a significant number of the photographs in his archives. In addition to taking technically outstanding photographs of his most important buildings, she also made early portraits of Schwanzer, his wife, and his sons, all preserved in private albums. Born in Vienna in 1907, the daughter of a construction foreman, Maria Wölfl began apprenticing with renowned portrait photographer Trude Fleischmann in 1923, while at the same time completing her education at the ‘Graphische’ design school, obligatory for photographers at the time. She continued to assist Fleischmann until 1934, when she opened her own small photo studio. After passing her master’s examination in 1935, she worked as a portrait and advertising photographer for the Chamber of Commerce, the Ministry of Commerce, and the Austrian Museum of Art and Industry (today MAK), among others. During this time, she participated in her first exhibitions, and her photographs of objects, architecture, and industry appeared in illustrated magazines such as Die Bühne, Moderne Welt, and Radio Wien. In March 1939, she ‘Aryanized’ Franz Löwy’s Mariahilferstrasse photo studio with the permission of the Property Transactions Office, after the photographers’ guild marked her as the ‘primary candidate’ for it. Wölfl justified the takeover by holding that it was advantageous for her to relocate to a well-frequented shopping street in light of a generally weak economy. She retroactively declared her opposition to the Nazi regime, attempting to conceal the ‘Aryanization’ by describing the Löwy studio transfer as a bankruptcy case. In 1948, Franz Löwy filed an application for restitution with the Vienna Regional Court against Maria Wölfl (now with the married name Borik), a suit which ended in a settlement that obliged her to pay compensation and return photographic equipment. After the war, Wölfl specialized in architectural photography, continuing to operate said studio until the late 1960s. She died in Vienna in 1987.

Maria Wölfl Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel Austrian Pavilion at the Brussels World Expo 1958

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Maria Wölfl Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel Austrian Pavilion at the Brussels World Expo 1958

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Maria Wölfl Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel Austrian Pavilion at the Brussels World Expo 1958

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Maria Wölfl Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel Austrian Pavilion at the Brussels World Expo 1958

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Maria Wölfl Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel Austrian Pavilion at the Brussels World Expo 1958

168

Maria Wölfl Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel Austrian Pavilion at the Brussels World Expo 1958

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La Photographie Documentaire Pavillon OECD und Europarat, Weltausstellung Brüssel Pavilion OECD and Council of Europe, Brussels World Expo 1958

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Étienne Weill Pavillon OECD und Europarat, Weltausstellung Brüssel Pavilion OECD and Council of Europe, Brussels World Expo 1958

Publifoto Pavillon OECD und Europarat, Weltausstellung Brüssel Pavilion OECD and Council of Europe, Brussels World Expo 1958

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03 Vielfalt und Verdichtung

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1959–64 Diversity and Densification

175

Zusammen mit der Berufung als Professor an die Architekturfakultät der Technischen Hochschule Wien 1959 sind diese sechs Jahre von großen und für das Gesamtwerk entscheidenden Projekten geprägt. Bei aller durchgängigen Internationalität von Karl Schwanzer handelt es sich hier um die zentrale Wiener Schaffensperiode, mit zehn in lediglich sechs Jahren ausgeführten Bauten: glückliche, verdichtete Phase der Verwirklichung. Nur zwei Geschäftslokale sind noch ‚Nachzügler‘. Sechs Projekte lassen sich herausheben: dreimal die Zuspitzung einer radikalisierten Moderne, was die unkonventionelle Form betrifft: Autolift (1959), Kapuzinergruft (1961) und Wohnhaus Hawelgasse (1962). Und weitere drei Projekte als Ausprägung der Moderne in einer pragmatischen Gelassenheit: WIFI Wien (1963), Kirche Pötzleinsdorf (1963) und Service-Stützpunkt ÖAMTC (1964). Die beiden herausragenden Projekte dieser auf Wien zentrierten Schaffensperiode sind indessen das Museum des 20. Jahrhunderts (1962) und das Philips-Haus (1964). Das Museum – der adaptierte Österreichische Pavillon der Weltausstellung Brüssel 1958 – war von seiner Eröffnung an über drei Jahrzehnte hinweg nicht nur der am stärksten wahrgenommene Bau von Karl Schwanzer. Er war auch der erste und bis heute fast einzige ‚moderne‘ Innenraum in Wien. „Zwanzger-Haus“ wurde es liebevoll genannt. Hier fand die monatliche Vollversammlung der Wiener Kunst, Kultur und Avantgarde statt. Spektakulär war bereits der Transfer der Konstruktionselemente von Brüssel nach Wien und ihr (Wieder-)Aufbau im Schweizer Garten. Für eine noch viel breitere Öffentlichkeit sichtbar war und ist das Philips-Haus, das allerdings als Firmensitz zu keiner Zeit öffentlich zugänglich war. Das eigene Wohnhaus des Architekten in der Hawelgasse (1962) stellte so etwas wie einen Grundakkord oder genetischen Bauplan für ein Programm der Moderne dar, bevor Karl Schwanzer es weitgehend ‚dekonstruierte‘ und in neue Richtungen aufbrach. Das Haus eines Architekten als Visitenkarte / Manifest ist ein beinahe klassisches Phänomen der Architekturgeschichte. An den Wiener Bauten 1959 bis 1964 lässt sich auch eine weiter reichende Dimension der Architekturauffassung von Karl Schwanzer beobachten, die zumeist übersehen wird: die Kontextualität der Objekte / Gebäude im Stadtraum, ihr ästhetischer und symbolischer Bezug zwischen Einfügung und Provokation. Noch selten war bisher die Rede davon, dass die Projekte von Schwanzer Impulse nicht nur für die Architektur, sondern auch für das stadträumliche Denken waren: die frühe Öffnung der gründerzeitlichen Blockrandbebauung zu einer freien Konfiguration beim WIFI, an einer exponierten Lage am Währinger Gürtel, gegenüber der Stadtbahnstation von Otto Wagner. Am Philips-Haus zeigt sich die völlig neue Interpretation eines ‚Stadttors‘. Der Autolift am Neuen Markt mit seiner Funktion und Fassade als unmittelbarer Anrainer der Gruft der kaiserlichen Familie. Dass diese stadträumlichen, kontextuellen Bezüge bei Karl Schwanzer weitgehend unbeachtet blieben, hängt auch damit zusammen, dass sie sich fotografisch kaum abbilden lassen und nur vor Ort erfahren werden können. Damit bleiben formal starke Gebäude als isolierte Blöcke in den Köpfen. RK 176

1959–64

Vielfalt und Verdichtung

Together with his appointment as professor at the architecture faculty of the Vienna Technical University of in 1959, these six years were characterized by several large projects that were decisive for Karl Schwanzer’s oeuvre as a whole. Despite consistent international activity, this was a centrally Viennese creative period for Schwanzer, with ten buildings completed in just six years: a happy and dense phase of realization. Only two small shops were stragglers from an earlier era. Six projects stand out. Three were an escalation of a radicalized Modernism of unconventional form: Autolift (1959), Capuchin Crypt (1961), and the Hawelgasse Residence (1962). And another three projects expressed their Modernism with pragmatic serenity: WIFI Wien (1963), the Pötzleinsdorf Church (1963), and the ÖAMTC Service Center (1964). But the two most outstanding projects of this Vienna-centric period of creation were the Museum of the 20 th Century (1962) and the Philips-Haus (1964). The museum—the adapted Austrian pavilion for the 1958 Brussels World’s Fair—became, even before its opening, Schwanzer’s most highly recognized building for more than three decades. It was also the first and, to date, almost the only modernist interior in Vienna. In German, it is affectionately dubbed the “Zwanzger-Haus”. Each month, Vienna’s art, culture, and avant-garde scenes assembled here. The transfer of the structural elements from Brussels to Vienna and their reconstruction in the Schweizer Garten was spectacular. Today, the Philips-Haus remains visible to an even broader audience, although, as a company headquarters, it has never been open to the public. The architect’s own home on Hawelgasse (1962) acted as something like a basic chord or genetic blueprint for a modernist program, before Schwanzer largely ‘deconstructed’ it, sending it off in new directions. An architect’s house as a business card, a manifesto, is an almost classic phenomenon in the history of architecture. One can observe a more far-reaching dimension of Schwanzer’s architectural concepts in his Viennese buildings from 1959 to 1964, one mostly overlooked: the contextuality of the buildings in the urban space, the aesthetic and symbolic tension between blending in and provocation. Even more rare is that Schwanzer’s projects stimulated not only architecture, but also urban design thinking: the early breaking up of the ‘Gründerzeit’era perimeter block grid to create openness at the WIFI building, at an exposed location on Währinger Gürtel opposite the Otto Wagner urban railway station. The Philips-Haus: a completely new interpretation of the city gate. The car lift on Neuer Markt, its function and façade the direct neighbor of the imperial family tomb. The fact that Schwanzer’s contextual urban development references were largely ignored is also due to their virtual impossibility to photograph; they can only be experienced on site. As a result, these formally strong buildings remain in our heads as isolated blocks. RK

1959–64

Diversity and Densification

177

178

Maria Wölfl

Lokalumbau Franz Kugler, Wien

Franz Kugler shop remodel, Vienna

1959

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Ausstellung von Arbeiten der Studierenden in Karl Schwanzers Institut an der Technischen Hochschule Wien. 1959 wurde er dort zum ordentlichen Professor bestellt und übernahm die Lehrkanzel für Gebäudelehre 1 und Entwerfen 2, seine viel beachtete Antrittsvorlesung trug den Titel ‚Human planen, human bauen‘. Die Aufnahmen zeigen die Räumlichkeiten nach der von ihm durchgeführten Umgestaltung.

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Wilhelm Turba

1959

Exhibition of works by Karl Schwanzer’s students at the Vienna Technical University. In 1959, he was appointed full professor and assumed the chair of Building Theory 1 and Design 2. His highly regarded inaugural lecture was ‘Planning Human, Human BuildingBuilding’. The Human’. The photographs titled ‘Human Planning, show the premises after the redesign he carried out.

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Wilhelm Turba

1959

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Günther Hamm Erster Wiener Autolift, Hochgarage, Wien First Vienna Car Lift parking garage, Vienna 1959

Maria Wölfl Erster Wiener Autolift, Hochgarage, Wien First Vienna Car Lift parking garage, Vienna 1959

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Maria Wölfl Lokalumbau Neuzeughammer-Ambosswerk, Wien Neuzeughammer-Ambosswerk shop remodel, Vienna 1960

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Adalbert Komers-Lindenbach Neue Gruft (Erweiterung Kapuzinergruft), Wien New Crypt (extension of the Imperial Crypt), Vienna 1961

Maria Wölfl Neue Gruft (Erweiterung Kapuzinergruft), Wien New Crypt (extension of the Imperial Crypt), Vienna 1961

189

ICSID-Kongress ICSID -Kongress in Venedig 1961. Karl Schwanzer hielt seinen Vortrag zum Thema ‚The Function of the Industrial Designer in the Community‘. Der International Council of Societies of Industrial Design (ICSID) ( ICSID ) wurde 1957 gegründet. Industrielle Formgebung bzw. Industrial Design auch hierzulande professionell zu etablieren, war in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren eines von Schwanzers Hauptanliegen: 1958 wurde auf seine Initiative das Österreichische Institut für Formgebung (ÖIF) ( ÖIF ) gegründet, 1965 holte er den ICSID ICSID-Kongress -Kongress nach Wien. V. l. n. r.: Karl Schwanzer, Vorsitzender M. Provost (Belgien), Graf Sigvaard Bernadotte (Dänemark), M. Combet (Frankreich).

190

Cameraphoto

1961

ICSID Congress in Venice 1961. Karl Schwanzer gave a lecture on ‘The Function of the Industrial Designer in the Community’. The International Council of Societies of Industrial Design (ICSID) ( ICSID) was founded in 1957. One of Schwanzer’s main priorities in the 1950s and early 1960s was the professional establishment of industrial design in Austria. In 1958, the Austrian Institute of Design (ÖIF) ( ÖIF ) was founded at his initiative and, in 1965, he brought the ICSID Congress to Vienna. From left to right: Karl Schwanzer, Chairman M. Provost (Belgium), Count Sigvaard Bernadotte (Denmark), M. Combet (France).

192

Anonym

Haus Schwanzer, Wien

Schwanzer House, Vienna

1962

194

Adalbert Komers-Lindenbach

Haus Schwanzer, Wien

Schwanzer House, Vienna

1962

Wolfgang Zwietasch

Haus Schwanzer, Wien

Schwanzer House, Vienna

1962

195

196

Maria Wölfl

Haus Schwanzer, Wien

Schwanzer House, Vienna

1962

Mit dem Wiener Bildhauer Fritz Wotruba verband Karl Schwanzer eine langjährige Freundschaft; in seiner Sammlung finden sich auch einige Werke des Künstlers. Karl Schwanzer had an enduring friendship with Viennese sculptor Fritz Wotruba; his collection contains artits. several works by the artist.

Adalbert Komers-Lindenbach

1962

197

Absolventen der TH Wien bei ihrer Studienabschlussfeier im Garten von Karl Schwanzers Wohnhaus in der Hawelgasse 23, Wien 18

198

Anonym

1962

Graduates of the TH Wien at their graduation ceremony in the garden of Karl Schwanzer’s home at Hawelgasse 23, Vienna 18.

200

Paul Grünzweig

Museum des 20. Jahrhunderts, Wien

Museum of the 20th Century, Vienna

1962

202

Adalbert Komers-Lindenbach Museum des 20. Jahrhunderts, Wien Museum of the 20 th Century, Vienna 1962

203

204

Adalbert Komers-Lindenbach Museum des 20. Jahrhunderts, Wien Museum of the 20 th Century, Vienna 1962

Karl Schwanzer mit Gründungsdirektor Werner Hoffmann (2. v. l.) während der Ausstellung von Wilhelm Lehmbruck (11. Januar bis 10. Februar 10. Februar 1963), 1963), der der ersten ersten Personale Personale und insgesamt dritten Schau nach der Eröffnung des ‚20er Hauses‘ im Jahr 1962. Karl Schwanzer with founding director Werner Hoffmann (2 nd from (2nd fromleft) left)during duringthe theWilhelm WilhelmLehmbruck Lehmbruckexhibition exhibition (11 January to 10 February 1963), the first solo and third overall show after the Museum of the 20th Century 20 th  Century opened in 1962.

Adalbert Komers-Lindenbach

1962

205

Ausstellung ‚Haus-Rucker-Co-Live‘ (7. Februar bis 15. März 1970) im Museum des 20. Jahrhunderts. Das ‚Giant Billiard‘ der avantgardistischen Gruppe zeigt eine der zahlreichen Möglichkeiten, diese damals für Wien neuartige Kunsthalle zu nutzen. ‘Haus-Rucker-Co-Live’ exhibition (7 February to 15 March th  Century. The avant-garde 20th Century. The avant-garde 1970) at the Museum of the 20 group’s ‘Giant Billiard’ showed one of the numerous ways this art space, novel at the time for Vienna, could be used.

206

Peter Baum

1962

Paul Grünzweig

WIFI Wien

WIFI building, Vienna

1963

209

210

Paul Grünzweig

WIFI Wien

WIFI building, Vienna

1963

Anonym

WIFI Wien

WIFI building, Vienna

1963

211

Mutmaßliches Treffen der am Projekt beteiligten Professionisten und Konsulenten im großen Vortragssaal des WIFI Wien zur Baubesprechung oder Bauabnahme um den Fertigstellungstermin herum. Der Gruppe gegenüber saßen u. a. Karl Schwanzer und Günther Feuerstein, der für die Bauleitung verantwortlich war.

212

Paul Grünzweig

1963

Most likely a meeting of the professionals and consultants WIFI Vienna  Vienna lecture hall, involved in the project, in the large WIFI to discuss construction or to approve the building, sometime near its date of completion. Karl Schwanzer and Günther Feuerstein, heads of construction management, sat opposite the group.

Baustelle des Philips-Hauses, Betonierarbeiten am Fundament. Der frische Beton wird mit dem Rüttler verdichtet. Philips-Haus construction site, concrete work for the foundation. The freshly poured concrete is being compacted with a shaker.

214

Paul Grünzweig

1963

215

216

Paul Grünzweig

Philips Verwaltungsgebäude, Wien

Philips administrative building, Vienna

1964

Wolfgang Zwietasch

Philips Verwaltungsgebäude, Wien

Philips administrative building, Vienna

1964

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Paul Grünzweig

Philips Verwaltungsgebäude, Wien

Philips administrative building, Vienna

1964

Paul Grünzweig Christkönigskirche Pötzleinsdorf, Wien Church of Christ the King, Pötzleinsdorf, Vienna 1964

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Paul Grünzweig Christkönigskirche Pötzleinsdorf, Wien Church of Christ the King, Pötzleinsdorf, Vienna 1964

224

Paul Grünzweig Christkönigskirche Pötzleinsdorf, Wien Church of Christ the King, Pötzleinsdorf, Vienna 1964

225

ÖAMTC Wien, Blick in den Werkstatt- und Servicebereich. ÖAMTC Vienna, view into the workshop and service area.

226

Anonym 1964

Paul Grünzweig

ÖAMTC Servicestation, Wien

ÖAMTC Service Station, Vienna

1964

227

04 Spannweite und Neustart

228

1965–68 Range and Reset

229

Für diese kurzen – von der Substanz her jedoch langen – vier Jahre könnte man von einem neuerlichen Aufbruch von Karl Schwanzer sprechen, der zur Kreativität und Unruhe der 1960er-Jahre passte: ein neuer Sound gegenüber den vorausgegangenen Projekten. Die Werkphase 1965–68 wird von zwei entscheidenden, letztlich gewonnenen Wettbewerben eingerahmt: 1965 Österreichischer Pavillon für die Weltausstellung Montréal 1967 und 1968 BMW-Verwaltungsgebäude München. Beide Projekte werden auch beauftragt und ausgeführt. Parallel dazu findet eine letzte Aufführung der Nachkriegsmoderne statt, bevor die Züge in Richtung New Brutalism, Pop und Postmoderne fahren: Zubau zur Akademie für angewandte Kunst (heute Universität, gemeinsam mit Eugen Wörle) 1965; Firmensitz Stolllack in Guntramsdorf 1965 und Grill & Grossmann in Attnang-Puchheim 1966. Temporäre Rückkehr zum Basislager der Moderne, eine elegante Pragmatik mit hoher Qualität. Diese Linie wird wiederum von experimentellen Seitenwegen begleitet oder überlagert: Wettbewerbsbeitrag für die Weltausstellung Osaka 1967, Vindobona 2000 und City Center Wien (beide 1968). Es sind dies überwiegend selbst initiierte, ‚freie‘ Projekte, wie auch der geplante Wiener IBM-Firmensitz auf der Liegenschaft des Künstlerhauses am Karlsplatz 1966: Wien war damals noch nicht dazu bereit. Eine kontinuierliche Vergrößerung der Inszenierungen findet statt. Diese Projekte korrespondieren auch mit den wenigen global verstreuten Avantgarden sowie mit den seit 1968 in Wien gegründeten Gruppen im Umfeld seines Instituts für Gebäudelehre und Entwerfen an der Technischen Hochschule Wien: Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au, Zünd-Up, Missing Link. Hier handelt es sich nicht mehr um ‚Häuser‘, ja nicht einmal mehr um ‚Gebäude‘, sondern um diffizile Strukturen und neue Raumformen, insbesondere bei Osaka und Vindobona 2000. Deutlich in dieser Phase wird eine Intensivierung des Einsatzes neuer Medien: sowohl für die Kommunikation von Entwürfen wie auch innerhalb der ausgeführten Projekte. Der Montréal-Pavillon 1967 war weltweit eine der frühesten Manifestationen am Übergang von Objekten zu Medien, einschließlich des von Karl Schwanzer ko-kuratierten Contents. Die dichte Folge aller dieser Werke in nur vier Jahren – beeindruckende ‚Singularitäten‘, die aber auf einer Metaebene vielfältig verbunden waren – hinderte Karl Schwanzer nicht am kontinuierlichen Engagement im institutionellen Bereich. Weitere Reformen in der Architekturausbildung an der Technischen Hochschule Wien, Einsatz für die Agenda von Design, wie die Veranstaltung des ICSID -Kongresses 1965 in Wien: einer der Kulminationspunkte des durchgängigen Einsatzes Karl Schwanzers für Design. In diesen Aktivitäten zeigt sich besonders deutlich seine Rolle als sensibler und kreativer Seismograf zeitgenössischer kultureller, technologischer und ökonomischer Konstellationen, sowie seine Fähigkeit, ausgewählte Aspekte gebündelt in der eigenen Arbeit umzusetzen und gleichzeitig Impulse für andere zu geben. RK 230

1965–68

Spannweite und Neustart

During this four-year period—short in time, but long in substance—Karl Schwanzer experienced something of a new departure, one befitting the creativity and unrest of the 1960s: a new voice compared to previous projects. The work phase from 1965–68 was framed by two decisive, ultimately successful competitions: the 1965 Austrian pavilion for the Montréal World Exhibition in 1967 and the BMW Headquarters in Munich in 1968. Both projects were commissioned and completed. In parallel, there was a final output of post-war Modernism, before the trains to New Brutalism, Pop, and Postmodernism gained full steam: The 1965 extension to the Academy of Applied Arts (designed together with Eugen Wörle); the Stolllack company headquarters in Guntramsdorf, also in 1965; and Grill & Grossmann in Attnang-Puchheim in 1966. A temporary return to the base camp of Modernism, elegant pragmatism with a high standard of quality. This path was, in turn, accompanied by and superimposed upon experimental detours: a competition entry for the Osaka World’s Fair 1967, Vindobona 2000 (1968), and the Vienna City Center project (1968). These were mostly self-initiated, ‘freehand’ projects, as was the planned IBM headquarters on Vienna’s Künstlerhaus property on Karlsplatz: At the time—1966—Vienna was not yet ready. The stages continued to grow larger. The projects corresponded with the few globally dispersed avant-gardes and with the groups founded in Vienna after 1968 in conjunction with Schwanzer’s Institute for Building Theory and Design at the Vienna Technical University: Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au, Zünd-Up, Missing Link. This was no longer about ‘houses’— indeed, not even ‘buildings’—but about hybrid structures and new forms of space, particularly in Osaka and Vindobona 2000. An intensification in using new media became clear in this phase, both for communicating about designs as well as within the completed projects themselves. The 1967 Austria Pavilion in Montréal was one of the world’s earliest manifestations of the transition from buildings to multimedia, including the multimedia show ‘Austrovision’, which Schwanzer co-curated. The dense succession of all these works in only four years—each impressively singular, but nevertheless in many respects connected on a meta level—did not disrupt Schwanzer’s continued engagement in various institutions. Ongoing reforms in the architectural education program of the Vienna Technical University; commitment to an agenda for design, such as organizing the ICSID Congress in Vienna in 1965, which was an apex in Schwanzer’s consistent commitment to design. These activities clearly established his role as a sensitive and creative seismographer of contemporary cultural, technological, and economic constellations, as well as his ability to implement select aspects into his own work, while at the same time inspiring others. RK

1965–68

Range and Reset

231

232

Anonym

Laborgebäude Stolllack, Guntramsdorf

Stolllack laboratories, Guntramsdorf

1965

233

234

Anonym

Laborgebäude Stolllack, Guntramsdorf

Stolllack laboratories, Guntramsdorf

1965

Paul Grünzweig Zubau Akademie für angewandte Kunst, Wien Academy of Applied Arts addition, Vienna 1965

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236

Maria Wölfl Bürogebäude IBM / Künstlerhaus, Wien, Modell IBM office building / Künstlerhaus, Vienna, model 1966

Maria Wölfl Bürogebäude Grill & Grossmann (GIG), Attnang-Puchheim Grill & Grossmann ( GIG) office building, Attnang-Puchheim 1966

237

Barbara Pflaum hatte als ‚First Lady der Pressefotografie‘ zwei Jahrzehnte lang eine führende Position in ihrem Metier inne. Ihr Aufstieg war eng verbunden mit der bildpublizistisch innovativen Wochenpresse, die sie mit symbolkräftigen Einzelfotos belebte. Von 1955 an hielt sie mit ihrer Rolleiflex Politiker und Künstler auf spontane, gewitzte Art fest. Daneben porträtierte sie auch weniger prominente Personen des Wiener Alltagslebens. Ihre Motive stehen exemplarisch für eine neue Unmittelbarkeit und für die ‚Amerikanisierung‘ in der Bildkultur jener Zeit; als Fotografin prägte sie diesen dynamischen Aufbruch wesentlich mit. 1912 in Wien als Hansi Barbara Gebhardt geboren besuchte sie 1931–34 die Modeklasse der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Nach der Scheidung ihrer Ehe mit dem Unternehmer Peter Pflaum setzte sie ihr Studium 1948–52 in der Grafikklasse von Paul Kirnig an der nunmehrigen Hochschule für angewandte Kunst fort und begann sich Anfang der 1950er-Jahre als Gebrauchsgrafikerin zunehmend mit Fotografie auseinanderzusetzen. Yoichi R. Okamotos Begeisterung für ihre Motive ermutigten sie schließlich dazu, den Beruf der Pressefotografin zu ergreifen. 1955–77 war Barbara Pflaum fest angestellte Fotografin der Wochenpresse. Daneben lieferte sie unter anderem für Die Bühne und Theater heute ihre Bilder und brachte zahlreiche Fotobände, meist mit Wien-Bezug, heraus. 2002 starb sie 90-jährig in Wien.

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Barbara Pflaum, considered the ‘First Lady of press photography’, held a leading position in her profession for two decades. Her ascension was closely tied to the innovative publication of the weekly magazine Wochenpresse, which she brought to life with individual photos of powerful symbolism. From 1955 onwards, she used her Rolleiflex to capture spontaneous and witty images of politicians and artists, also portraying less prominent people going about their everyday life in Vienna. With motifs that exemplified a new type of directness and the ‘Americanization’ of the visual culture of the time, her photography had a significant influence on this dynamic era of change. Born 1912 in Vienna as Hansi Barbara Gebhardt, she studied fashion at the School of Arts and Crafts at the Austrian Museum of Art and Industry from 1931–34. After marrying and then divorcing entrepreneur Peter Pflaum, she continued her studies between 1948 and 1952 in Paul Kirnig’s graphic arts class at what had become the Academy of Applied Arts, increasingly working with photography as a commercial artist in the early 1950s. Yoichi R. Okamoto’s enthusiasm for her images finally encouraged Pflaum to become a press photographer. From 1955–77, she worked as a photographer for the Wochenpresse, also supplying pictures to Die Bühne and Theater heute, among other magazines, and publishing numerous photography books, mostly focused on Vienna. In 2002, she passed away in Vienna at the age of 90.

Barbara Pflaum

Porträtserie

Portrait series

1967

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243

244

Anonym ‚Athmospherium‘, Modell für den Deutschen Pavillon der Weltausstellung Osaka 1970 ‘Athmospherium’, model of the German Pavilion at the Osaka World Expo 1970 1967

Der japanische Architekt Kenzo Tange war für das Gesamtkonzept der Weltausstellung in Osaka 1970 verantwortlich, die Aufnahme zeigt ihn mit Karl Schwanzer vor einem Modell der Expo-Anlage. Ursprünglich sollte Karl Schwanzer die österreichische Beiteiligung organisatorisch vorbereiten; nachdem die Teilnahme jedoch abgesagt wurde, lieferte er einen Wettbewerbsentwurf für den deutschen Pavillon. Japanese architect Kenzo Tange was responsible for the overall concept of the 1970 Osaka World Expo. The photo shows him together with Karl Schwanzer in front of a model of the Expo facility. Karl Schwanzer was originally supposed to prepare the Austrian contribution; however, after Austria’s participation was cancelled, he submitted a competition design for the German pavilion.

246

Anonym

ca. 1968

Karl Schwanzer mit Regierungskommissär Manfred Mautner-Markhof jun. bei der Präsentation der Pläne für den österreichischen Pavillon der Expo in Montréal 1967.

248

Barbara Pflaum

1967

Karl Schwanzer with government commissioner Manfred Mautner-Markhof Jr. at the design presentation of the Austrian pavilion at the 1967 Expo in Montréal.

Maria Wölfl Modell Österreichischer Pavillon Weltausstellung Montréal Austrian Pavilion Montréal World Expo, model 1967

249

Das Areal der Weltausstellung vor dem Bau des österreichischen Pavillons. Der Bauplatz wurde bereits 1964 ausgewählt und danach erst der Wettbewerb durchgeführt, Auftraggeber war die Bundeskammer der Wirtschaft. Karl Schwanzers erfolgreiches Projekt wurde letztlich so stark überarbeitet, dass nur die Idee eines Raumtheaters erhalten blieb, das mit der Multimediashow ‚Austrovision‘ bespielt wurde.

250

Karl Schwanzer

1967

The World Expo site prior to construction of the Austrian Pavilion. The building site was selected as early as 1964 and only then was the competition held; the Austrian Chamber of Commerce was the client. In the end, Karl Schwanzer’s successful project was reworked so many times that only the idea of a spatial theater was retained, which was then used for the Austrovision multimedia show.

Mit den Montagearbeiten vor Ort wurde am 17. Mai 1966 begonnen. Am 21. April 1967 ist der Pavillon samt seiner Einrichtung fertiggestellt. Im Bild Karl Schwanzer (3. v. l.) und einige Projektbeteiligte während der Gleichenfeier (Richtfest).

252

Briston Films Limited

1967

On-site assembly began on 17 May 1966. The entire pavilion and interior were completed on 21 April 1967. Photo: rd from (3rd from left) left) and and several several project project members members Karl Schwanzer (3 during the topping-out ceremony.

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Anonym Österreichischer Pavillon Weltausstellung Montréal Austrian Pavilion Montréal World Expo 1967

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Photo Meyer Österreichischer Pavillon Weltausstellung Montréal Austrian Pavilion Montréal World Expo 1967

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Anonym Kindergarten der Gemeinde Wien, Weltausstellung Montréal Vienna Municipal Kindergarten, Montréal World Expo 1967

Photo Meyer Kindergarten der Gemeinde Wien, Weltausstellung Montréal Vienna Municipal Kindergarten, Montréal World Expo 1967

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Der Kindergarten der Stadt Wien wurde in deren Auftrag von Karl Schwanzer für die Weltausstellung in Montréal 1967 konzipiert. Karl Schwanzer designed the kindergarten on behalf of the City of Vienna for the 1967 World Expo in Montréal.

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Photo Meyer

1967

Franz Hubmann, geboren 1914 in Ebreichsdorf nahe Wien, hatte zunächst eine Laufbahn in der Textilindustrie eingeschlagen, bevor er nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss, sein Hobby zum Beruf zu machen. Als 32-jähriger Familienvater begann er 1946 an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien seine Ausbildung zum Fotografen, 1951 erlangte er seinen Gewerbeschein. 1949–54 war Hubmann Bildstellenleiter der Österreichischen Fremdenverkehrswerbung und Mitarbeiter der Zeitschrift Austria International. Mit deren Herausgeber Karl Pawek gründete er 1954 magnum – die Zeitschrift für das moderne Leben. Hubmanns dort erschienene Fotoserien – etwa jene über das Café Hawelka – bedeuteten seinen Durchbruch als Bildjournalist; bis zur Einstellung dieser Kulturzeitschrift im Jahr 1964 war er ihr leitender Fotograf. Als Vertreter einer humanistischen Fotografie im Sinne des Life-Magazins gehörte Hubmann auch der renommierten internationalen Agentur Magnum an. Im Lauf der Jahrzehnte publizierte er an die 80 Bildbände, insbesondere zu zeitgeschichtlichen und volkskundlichen Themen. In Fachkreisen galt Hubmann als Doyen der heimischen Fotografie, als ‚österreichischer Cartier-Bresson‘. Im Mittelpunkt seines Schaffens standen Künstlerporträts und Bildessays. Für Karl Schwanzer war er ab 1949 fast 25 Jahre lang immer wieder tätig. Franz Hubmann starb 2007 in Wien.

262

Franz Hubmann, born 1914 in Ebreichsdorf, near Vienna, initially pursued a career in the textile industry before deciding to turn his hobby into a profession after the Second World War. As a 32-year-old family man, he began his photography training in 1946 at the Graphische Lehrund Versuchsanstalt graphic design school in Vienna and obtained his state trade certificate in 1951. From 1949–54, Hubmann led the photo department of the Austrian Tourist Office and worked for Austria International magazine. In 1954, he founded magnum – die Zeitschrift für das moderne Leben [magnum – the journal for modern life] together with its editor Karl Pawek. The numerous photo series that Hubmann published there—one on Café Hawelka, for example—marked his breakthrough as a photojournalist. He remained the cultural magazine’s chief photographer until it closed down in 1964. An important proponent of human-interest photography, Hubmann was also a member of the renowned international agency Magnum. Over the decades, he published almost 80 photo books, many focused on contemporary history and folklore. In professional circles, Hubmann was considered the doyen of domestic photography, an ‘Austrian Cartier-Bresson’. His work was primarily focused on artist portraits and photo essays. Starting in 1949, he went on to work for Karl Schwanzer for almost 25 years. Franz Hubmann died in Vienna in 2007.

Franz Hubmann

Porträtserie

Portrait series

1968

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Photo Meyer Modell Ausstellungspavillon ‚Vindobona 2000‘, Wien ‘Vindobona 2000’ exhibition pavilion, model, Vienna 1968

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Modell des gerüstartigen Pavillons für die geplante Ausstellung ‚Vindobona 2000‘, einer Jubiläumsschau anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Bundeshauptstadt Wien. Karl Schwanzers Konzept sah eine temporäre Überbrückung des Donaukanals vor dem Schwedenplatz zwischen Marienund Schwedenbrücke vor. In einem Raum der Stadtbauamtsdirektion ließ er an diesem großmaßstäblichen Modell probeweise Film- und Diaprojektionen durchführen.

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Photo Meyer

1968

Model of the scaffold-like pavilion for the planned Vindobona 2000 exhibition, a special show honoring th anniversary 50th anniversary of of Vienna, Vienna, Austria’s Austria’s capital. capital. the 50 Karl Schwanzer’s concept would have temporarily bridged the Danube Canal in front of Schwedenplatz between the Marienbrücke and Schwedenbrücke bridges. At the municipal building department, he projected film and slides on the large-scale model.

272

Photo Meyer

1968

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274

Photo Meyer

Modell City Center, Wien

City Center model, Vienna

1968

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Karl Schwanzer wusste seine Projekte stets clever zu BMW-präsentieren. Um den Bauauftrag für das Münchner BMW Ensemble zu lukrieren, gelang ihm ein ‚filmreifer‘ Coup: Am 2. Dezember 1968 fand in den Bavaria-Filmstudios in Geiselgasteig eine sogenannte Funktionsvorführung BMW-Büro-Bürostatt, für die ein Viertelgeschoß des geplanten BMW turms als 1:1-Modell aufgebaut worden war. In performativer Abfolge wurden in diesem Modell drei verschiedene Raumvarianten demonstriert – vom Großraumbüro bis zur Direktionsetage. Anwesend waren der Vorstand, der AG.. Mit Mit Aufsichtsrat und die Großaktionäre der BMW AG diesem Modell konnte Karl Schwanzer sie alle überzeugen, sofort nach der Vorführung erging der Auftrag an ihn. Karl Schwanzer was always very clever about presenting his projects. To get the contract for the Munich BMW ensemble, he pulled off a showy coup: On 2 December 1968, a so-called functional demonstration was held at Bavaria Film Studios in Geiselgasteig, for which a quarter floor of the planned BMW office tower was constructed as a full-scale model. In a staged sequence, three different floor plans were demonstrated in the model—from open-plan to executive offices. The Management Board, the Supervisory Board, and the major shareholders of BMW AG AG were were all all present. With the help of this model, Schwanzer was able to successfully convince them of the power of his design, and a contract was issued to him immediately after the presentation.

276

Paul Filipp

1968

278

Paul Filipp

1:1 Modell für BMW, München

Full-scale model for BMW, Munich

1968

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UNIDO-Präsentation im Wiener Donauturm, 5. Juli 1968. Karl Schwanzer erläutert dem UNO UNO-Generalsekretär -Generalsekretär Sithu U Thant den Stand der Planungen für eine Stadt der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) ( UNIDO ) in Wien. Schwanzer war Teil jenes Ziviltechnikerteams, das die Planungsgrundlagen erarbeitet und den Wettbewerb organisatorisch betreut hat.

280

Votava

1968

UNIDO presentation in the Vienna Danube Tower, 5 July 1968. Karl Schwanzer updates UN Secretary General Sithu U Thant on the planning status of a city for the United UNIDO) Nations Industrial Development Organization ((UNIDO) in Vienna. Schwanzer was part of the civil engineering team that developed the planning parameters and managed the competition.

05 Höhepunkt und Überschreitung

282

1969–75 Culmination and Transgression

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Die letzte Werkphase zwischen 1969 und 1975 hat zunächst mit einer temporären Annäherung an den damals neuen ‚Stil‘ des sogenannten New Brutalism überrascht: Karl Schwanzers Entscheidung für Anklänge daran ausgerechnet beim Neubau einer Zementfabrik, Perlmooser 1969, ist eine direkte und fast ironische Bezugnahme: eine Funktionsskulptur in Beton für das Zementwerk. Grobes Material, feine Form. Auch der eleganteste Bau dieser Richtung steht nicht zufällig am Rande einer Kleinstadt, St. Pölten, wo ein stärkeres Zeichen angebracht war als in urbanen Kontexten: der Turm des WIFI 1972, leider später abgerissen. Quer über die Disziplinen hinweg hat sich damals erstmals die Faszination für Körperlichkeit, Materialität und Rauheit verbreitet, die ohne Zweifel mehr war als bloße Mode: Verschiebung von Aufmerksamkeiten und Wahrnehmungsformen, wie sie etwa im Text „Die Körnung / Rauheit der Stimme“ von Roland Barthes 1972 zum Ausdruck kommt, der zeitgleich zum Bau des WIFI St. Pölten erschien. Bei Karl Schwanzer gibt es in dieser letzten Phase noch viele andere Bezüge, die damals global und simultan auftauchten. Ein neues Spiel mit Rundungen, feinen Übergängen, mit einem neuen Einsatz von Materialien, Medien und Raumbildern, die im Programm der architektonischen Moderne nicht vorgesehen waren. Spezifisch bei Karl Schwanzer ist von Anfang an ein gestisches Moment in seinen Projekten, von den ersten Ausstellungen bis zu BMW. Eine großzügige und zugleich elegante ‚Geste‘ in den kleinen wie den großen Projekten. Man könnte Karl Schwanzer mit einem Regisseur vergleichen, der auch nicht immer dasselbe Stück aufführt, aber jedes Mal präzise bis an die möglichen Grenzen der Elaboration geht. Letztes Hauptwerk ist das BMW-Ensemble, das in magischer – und zugleich fast ‚architekturtheoretischer‘ – Weise drei konträre Paradigmen in eins setzt, die sich in einer unglaublichen Raumgeste verbinden: die Parkgarage, der Büroturm, der sich in die wenigen herausragenden Konzernsitze weltweit einreiht, und das BMW-Museum mit seiner einzigartigen Innen- und Außenform. Einen großen Raum nahmen in der Zeit zwischen 1968 und 1974 die Arbeiten für den Masterplan für die Universität Riad in Saudi-Arabien ein, der Karl Schwanzer sehr am Herzen lag und dem er sich neben den zahlreichen Projekten wie der Fertigstellung von BMW, WIFI St. Pölten und der Österreichischen Botschaft in Brasília (Eröffnung 1974) intensiv widmete. Der Masterplan für Riad bot zum ersten Mal die Möglichkeit, einen völlig neuen und vielversprechenden städtebaulichen Ansatz mit allen damals verfügbaren neuen Planungsmethoden zu entwickeln. Bei aller Vielfältigkeit der heterogen wirkenden Projekte wird mit der umfangreichen Aufarbeitung des Archivs die innere Konsistenz des Gesamtwerks immer deutlicher und reizvoller. Viele der bisher gerne als ‚Widersprüche‘ apostrophierten Aspekte im Werk von Karl Schwanzer lösen sich auf, wenn seine Konzepte und Formen einer genaueren Betrachtung und Analyse unterzogen werden und man sich Zeit für die Bilder und Kontexte nimmt. RK

284

1969–75 Höhepunkt und Überschreitung

The final phase, from 1969 to 1975, initially began with a surprising, temporary rapprochement to a new style called New Brutalism. Karl Schwanzer incorporated notes of it in—of all things—a cement factory, for Perlmooser in 1969. This was a direct and almost ironic reference: a functional concrete sculpture for a cement company. Rough material, delicate shape. It was not by chance that even the most elegant building in this style was located on the outskirts of a small town, St. Pölten. Here, a stronger symbol was more appropriate than in an urban context; the WIFI tower from 1972 was unfortunately later demolished. At that time, a fascination with physicality, materiality, and roughness was spreading through the various disciplines for the first time. Undoubtedly, it was more than mere fashion, reflecting shifting foci and means of perception, as expressed in, for example, Roland Barthes’ 1972 essay “The Grain of the Voice”, which was published at the same time as the WIFI St. Pölten was built. In this final phase, Schwanzer made references to many other things appearing simultaneously around the world at the time. A new game of curves, fine transitions, a novel use of materials, media, and spatial images that had not been included in the architectural program of Modernism. With Schwanzer in particular, there was a gestural moment in his projects right from the beginning, from the very first exhibitions and all the way through to BMW. A generous and elegant ‘gesture’ inherent to small and large projects alike. One could compare Schwanzer to a director who doesn’t always perform the same piece, but who always explores the utmost limits of elaboration with precision. The last major work was the BMW ensemble, which magically—and in an almost architecturally theoretical manner— placed three contradictory paradigms into one, joining them into an incredible spatial effect. These structures included the parking garage, the office tower—one of the few outstanding corporate headquarters in the world—and the BMW Museum, with its unique interior and exterior shape. Between 1968 and 1974, work on a master plan for the University of Riyadh in Saudi Arabia took on great importance. It was a project very dear to Schwanzer, and he dedicated himself to it with tremendous intensity. Numerous other projects inspired equal intensity: the completion of the BMW building, WIFI St. Pölten, and the Austrian Embassy in Brasília (opened in 1974). The master plan for Riyadh provided a first opportunity to develop a completely new and promising urban planning approach using all the contemporary planning methods available at the time. Despite the considerable diversity of the seemingly heterogeneous projects, extensive archival research made the internal consistency of Schwanzer’s Gesamtwerk increasingly clear and even more appealing. Many of the aspects of his work that have so often been referred to as contradictory become understandable through the closer examination and analysis of his concepts and forms and through taking time to comprehend the images and contexts. RK 1969–75

Culmination and Transgression

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Karl Schwanzer Zementfabrik Perlmooser, Mannersdorf Perlmooser cement factory, Mannersdorf 1969

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Kurt Gerlach

Zementfabrik Perlmooser, Mannersdorf

Perlmooser cement factory, Mannersdorf

1969

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Legendäre Präsentation des ‚Great Vienna Auto Expander‘, eines Studienprojekts der Gruppe Zünd-Up, in der Tiefgarage Am Hof, Wien 1. Legendary presentation of the ‘Great Vienna Auto Expander’, a student project by the Zünd-Up group, in the Am Hof underground parking garage, Vienna 1.

290

Gert Winkler

1969

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Erste Fotos mit der neuen Kamera: Karl Schwanzer in Ostia, auf der Durchreise nach Riad. First photos with a new camera: Karl Schwanzer in Ostia, on his way to Riyadh.

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Alfred Gindl

1970

Wilfried Anker

Modell ‚Zwiebelhaus‘, München  ‘Onion House’, model, Munich

1970

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Sigrid Neubert

BMW Parkhaus, München

BMW parking garage, Munich

1971

Eva Rokos

BMW Parkhaus, München

BMW parking garage, Munich

1971

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Eva Rokos

BMW Parkhaus, München

BMW parking garage, Munich

1971

297

Japan-Reise im November 1970, u. a. zwecks Besuch bei Kubota Ltd. in Osaka, dem Hersteller der AluminiumgussFassadenteile für den Münchner BMW BMW-Verwaltungsbau. -Verwaltungsbau. Karl Schwanzer in der Mitte sitzend, rechts vorne sein langjähriger Mitarbeiter und Büroleiter Karl Fleischer, und hinter ihm stehend als Zweiter von rechts sein Sohn Martin Schwanzer. Trip to Japan in November 1970, among other things to visit Kubota Ltd. in Osaka, the manufacturer of the cast aluminum façade elements of the BMW building in Munich. Karl Schwanzer (seated center), his longtime employee and office manager Karl Fleischer (front right), and standing behind him his son Martin Schwanzer (second from right).

298

Anonym

1970

Ab März 1970 wurde das Atelier in der Seilergasse 16 um Räumlichkeiten im fünften Stock des Hauses erweitert. Das Büro wurde auch für Veranstaltungen genutzt, u. a. für die am 24. Juni 1970 eröffnete Ausstellung ‚Le Corbusier – Le poème de l’angle droit‘ oder das Workshopgespräch (eigentlich ein offenes Atelier mit Werkpräsentation) am 29. und 30. Oktober 1970. Starting in March 1970, rooms were added to the Seilergasse 16 studio on the fifth floor of the building. The office was used for events too, e. g., for the exhibition ‘Le Corbusier—Le poème de l’angle droit’, which opened on 24 June 1970 and for a workshop discussion (actually an open studio with a presentation of works) on 29 and 30 October 1970.

300

Franz Hubmann

1971

Modeschau im Atelier Schwanzer am am 9. September 9. September 1971. 1971.

Anonym

1971

Fashion show at Atelier Schwanzer on 9 9 September September 1971. 1971.

301

Karl Schwanzer erklärt anhand eines Modells am künftigen Bauplatz in St. Pölten die Planungen für das WIFI ORF-Reportage, -Reportage, Niederösterreich. Dreharbeiten für eine ORF ausgestrahlt am 19. April 1968. Karl Schwanzer explains the WIFI Lower Austria design using a model of the future building site in St. Pölten. Filming for an ORF television report, broadcast 19 April 1968.

302

Edwin Bachmann

1972

304

Johann Penz

WIFI Niederösterreich, St. Pölten

Lower Austria WIFI, St. Pölten

1972

306

Johann Penz

WIFI Niederösterreich, St. Pölten

Lower Austria WIFI, St. Pölten

1972

Anonym

WIFI Niederösterreich, St. Pölten

Lower Austria WIFI, St. Pölten

1972

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Anonym

WIFI Niederösterreich, St. Pölten

Lower Austria WIFI, St. Pölten

1972

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Franz Hubmann

WIFI Niederösterreich, St. Pölten

Lower Austria WIFI, St. Pölten

1972

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Blick in die Lehrküche des WIFI WIFI.. View into the WIFI training kitchen.

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Johann Penz

1971

Aufnahme eines Kristalls, aus: Karl Schwanzer (Hg.), Architektur aus aus Leidenschaft, Leidenschaft,Wien/München Wien/München1973, S. 64 1973, S. 64 f. Architektur Dieses zu Lebzeiten erschienene Buch ist als Summa von Schwanzers Schaffen zu betrachten, es vermittelt sein Credo als Gestalter und Planer. Im Klappentext hielt er fest: „Ein Architekt legt sein Bekenntnis zur Architektur über fünfundzwanzig-jährige Arbeitsepoche ab. Das Bemühen um das Zusammenwirken von Mensch, Landschaft und Bauwerk als Anliegen der Gestaltung und Identifikation in der Architektur wird begeisternd vermittelt. [...] Dieses Buch soll neben der Darstellung eines vielfältigen kreativen Architekten allgemein Impulse geben, unsere Umwelt wieder gestaltungsreicher und lebensfreundlicher zu formen.“

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Anonym

1973

Photo of a crystal, from: Karl Schwanzer (ed.), Architecture Architecture Passion, Vienna/Munich Vienna/Munich 1973, 1973, pp. 64 pp. 64 f. This f. This book, book, as a Passion, published during Schwanzer’s lifetime, is to be regarded as the summa of his oeuvre, conveying his credo as a designer and planner. On the inside cover, he stated: “An architect tells of his commitment to architecture throughout twenty-five years of work. The endeavor to bring humans, landscape, and buildings into agreement through design and identification in architecture is communicated with inspiration. […] In addition to portraying a diverse and creative architect, this book is intended to act as a general catalyst for once again making our environment more creative and life-friendly.”

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Maria Wölfl Modell Pfarrzentrum Leopoldau mit Pfarrkirche Auferstehung Christi, Wien Leopoldau Parish Center with Church of Christ’s Resurrection, model, Vienna 1972

Anonym Pfarrzentrum Leopoldau mit Pfarrkirche Auferstehung Christi, Wien Leopoldau Parish Center with Church of Christ’s Resurrection, Vienna 1972

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Anonym Pfarrzentrum Leopoldau mit Pfarrkirche Auferstehung Christi, Wien Leopoldau Parish Center with Church of Christ’s Resurrection, Vienna 1972

Werner Vinek Pfarrzentrum Leopoldau mit Pfarrkirche Auferstehung Christi, Wien Leopoldau Parish Center with Church of Christ’s Resurrection, Vienna 1972

319

Sigrid Neubert, geboren 1927 in Tübingen, absolvierte nach dem Krieg ihre Ausbildung an der Bayrischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München, die sie 1954 mit der Meisterprüfung abschloss. Entsprechend firm war sie als Technikerin; bis in die 1970er-Jahre arbeitete sie mit ihrer Großformatkamera und mit Schwarz-Weiß-Glasplattennegativen, was eine extreme Schärfe und Brillanz der Abzüge garantierte. Neubert sah Architektur meist in kontrastreichem Schwarz-Weiß, harte Schatten und dunkle Himmel mit Wolkengebilden sind typisch für ihren Stil. Nach ersten Berufserfahrungen mit Werbeaufnahmen für die Glas- und Porzellanindustrie orientierte sie sich Richtung Architektur. Ihr intensiver Austausch mit den Architekten und ihre gute Intuition verhalfen ihr rasch zu einer Professionalisierung. Bald galt sie als renommierte Interpretin der Nachkriegsmoderne; vorwiegend war sie in Süddeutschland tätig, mitunter auch in Österreich. Im Auftrag der Zeitschrift Schöner Wohnen hielt sie 1962 Karl Schwanzers repräsentatives Wiener Wohnhaus fest; von 1970 bis 1973 dokumentierte sie auf dessen Wunsch die spektakuläre Errichtung des BMW Ensembles in München. Schwanzer nahm sich viel Zeit, um ihr das Konzept des Baus und die Details zu schildern, ließ ihr beim Fotografieren aber jegliche Freiheit. Auch die österreichische Botschaft in Brasília (1974) ließ Schwanzer von ihr fotografieren, darüber hinaus planten die beiden ein gemeinsames Buch zu Brasília, zu dem es durch Schwanzers Tod nicht mehr kam. Zu der Zeit arbeitete Neubert verstärkt mit farbigem Zelluloidfilm. Die 2005 von Leonie Manhardt herausgegebene Publikation Drei Bauten von Karl Schwanzer. Fotografiert von Sigrid Neubert dokumentiert deren kongeniale Zusammenarbeit. 2018 verstarb Neubert 91-jährig nahe Berlin.

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Sigrid Neubert, born 1927 in Tübingen, completed her education at the Bavarian State Institute for Photography in Munich after the war, culminating in her master’s examination in 1954. She was a highly adept technician, working with her large-format camera and black-and-white glass plate negatives into the 1970s, a technique which guaranteed extreme sharpness and brilliant prints. Neubert generally saw architecture in contrasting black and white; hard shadows and dark skies filled with clouds were typical of her style. After gaining early professional experience in advertising photography for the glass and porcelain industry, she turned towards architecture. Her intensive communication with the architects and her excellent intuition quickly helped her become professionally established. Neubert was soon regarded as a renowned portrayer of post-war Modernism and was active mainly in southern Germany and sometimes also in Austria. Commissioned by Schöner Wohnen magazine in 1962, she took pictures of Karl Schwanzer’s stately Vienna residence, and at Schwanzer’s request she documented the spectacular construction of the BMW Ensemble in Munich from 1970 to 1973. Schwanzer spent a great deal of time explaining the building concept and its details to her, but left her complete freedom for taking the actual pictures. Schwanzer also had her photograph the Austrian embassy in Brasília (1974), with the two of them planning a joint book on Brasília, which never came to fruition due to Schwanzer’s early demise. At that time, Neubert was increasingly working with colored celluloid film. Edited by Leonie Manhardt, the 2005 book Three Buildings. Photographed by Sigrid Neubert documents her congenial collaboration with Schwanzer. Neubert died near Berlin in 2018 at the age of 91.

Sigrid Neubert

BMW Verwaltungsgebäude, München

BMW administrative building, Munich

1973

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Sigrid Neubert

BMW Verwaltungsgebäude, München

BMW administrative building, Munich

1973

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Sigrid Neubert

BMW Verwaltungsgebäude, München

BMW administrative building, Munich

1973

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Sigrid Neubert

BMW Verwaltungsgebäude, München

BMW administrative building, Munich

1973

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Sigrid Neubert

BMW Verwaltungsgebäude, München

BMW administrative building, Munich

1973

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Das Hochhaus war als Hängehaus konstruiert. Im Bild: Arbeiten an einem der vier Hängesäulenköpfe. Die gefächerten Hängeeisen aus Gewindespannstahl sind gut zu sehen, sie bilden den Übergang zum Trägerkreuz. The tower was constructed as a suspended building. This photo shows work on one of the four suspension column heads. The fan-shaped threaded prestressed steel suspension irons are clearly visible where they form a transition to the beam cross.

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Anonym

1973

Arbeiten an den Armierungen einer Zugdecke. Reinforcing a suspended ceiling.

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Anonym

1973

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Sigrid Neubert

BMW Museum, München

BMW Museum, Munich

1973

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Sigrid Neubert

BMW Museum, München

BMW Museum, Munich

1973

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Die im Dachboden des Atelier Seilergasse 16 entstandene Aufnahme zeigt das Modell des Masterplans für den Universitätscampus Riad im Maßstab 1:1000, einschließlich der Geländehöhen. Taken in the attic of the Seilergasse 16 studio, the photo shows a model of the master plan for the Riyadh campus; the scale is 1:1000 and includes variations in terrain.

Anonym

ca. 1974

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340

Anonym

Modell Masterplan für die Universität Riad

University of Riyadh master plan, model

ca. 1974

Karl Schwanzer am Baugelände der künftigen Universität Riad in Saudi-Arabien, für die er ab 1968 einen umfangreichen Masterplan einschließlich eines detaillierten Nutzungskonzepts erarbeitet hat. Es war sein größtes städtebauliches Projekt – der Universitätscampus von neun Quadratkilometern wurde hinsichtlich seiner infrastrukturellen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Dimensionen als eigener Stadtteil entwickelt und posthum exakt nach Schwanzers Konzept realisiert. Für den Planungsprozess wesentlich war die Anwendung erster Computermodelle, um den Raumbedarf der Fakultäten zu simulieren und die Möglichkeit späterer Erweiterungen zu sichern.

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Anonym

ca. 1974

Karl Schwanzer at the University of Riyadh construction site in Saudi Arabia, for which he started designing a comprehensive master plan that included a detailed use concept in 1968. It was his biggest urban development project—nine square kilometers were developed into a university campus that functioned as an autonomous district with all the infrastructural, economic, ecological, and cultural details. The project was realized posthumously exactly according to Schwanzer’s plan. An essential part of the planning process was the use of early computer models to simulate the spatial requirements of each faculty and to ensure that later expansions were possible.

V. l. n. r.: Otto Kapfinger, Karl Schwanzer, Adolf Krischanitz, Angela Hareiter. Die drei Studierenden der TH Wien bildeten ab 1970 die Architekturgruppe Missing Link, 1974 produzierten sie den Film ,Die verstoßene Stadt‘, der ein Interview mit Karl Schwanzer über Wien als Weltstadt enthält. Otto Kapfinger und Angela Hareiter waren auch maßgeblich an der Produktion von Schwanzers Buch Architektur aus Leidenschaft Leidenschaft(1973) (1973)beteiligt. beteiligt. Architektur aus

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Gert Winkler

1974

From left to right: Otto Kapfinger, Karl Schwanzer, Adolf Krischanitz, Angela Hareiter. The three students of the TH Wien founded the Missing Link architecture group in 1970, producing the film ‘Die verstoßene Stadt’ [The Rejected City], which includes an interview with Karl Schwanzer about Vienna as a metropolis. Otto Kapfinger and Angela Hareiter were also instrumental in the production of Schwanzer’s as aaPassion Passion(1973). (1973). book Architecture Architecture as

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Sigrid Neubert

Österreichische Botschaft Brasília

Austrian Embassy in Brasília

1973

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Sigrid Neubert

Österreichische Botschaft Brasília

Austrian Embassy in Brasília

1973

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Sigrid Neubert

Österreichische Botschaft Brasília

Austrian Embassy in Brasília

1973

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Karl Schwanzer schied am 20. August 1975 aus dem Leben. In seinem Büro waren zu dem Zeitpunkt über hundert Leute beschäftigt, zahlreiche Aufträge waren in Planung. Eines jener Großprojekte, die unter Schwanzer begonnen, jedoch erst Jahre nach seinem Tod fertiggestellt werden konnten, war das Technische Zentrum der Creditanstalt einschließlich des Franz-Josefs-Bahnhof in Wien. Konzeption und Design dieses Baus sind noch stark von Karl Schwanzer bestimmt.

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Photo Meyer

1974

Karl Schwanzer left his life behind him on 20 August 1975. At that time, his office employed over a hundred people and numerous contracts were underway. One of the major projects that began under Schwanzer, but was not completed until years after his death, was the Creditanstalt Technical Center, which included the Franz-Josefs-Bahnhof in Vienna. The concept and design of the building were still strongly influenced by Karl Schwanzer.

Aufsätze

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Essays

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Auge, Form, Gestalt Karl Schwanzers ikonische Architektur Andreas Nierhaus Gleich zu Beginn des außergewöhnlichen Buches Architektur aus Leidenschaft (1973) kommt Karl Schwanzer auf die Voraussetzungen des Architektenberufs zu sprechen. Neben Eigenschaften wie Mut, Intuition, Genauigkeit und Bescheidenheit hebt er jenes zentrale Sinnesorgan hervor, ohne dem die Herstellung wie auch die Wahrnehmung von Architektur unmöglich ist: das Auge. Voller Ehrfurcht spricht Schwanzer von den Augen als „dem köstlichen Geschenk Gottes“, das uns ermöglicht, die Welt um uns wahrzunehmen und zugleich eine neue zu erschaffen – in der Faszination, die aus dem Erleben dieses Spannungsverhältnisses entsteht, liegt für ihn „die Grundlage kreativen Arbeitens“. Es ist kein Zufall, dass Karl Schwanzer gerade das menschliche Auge und damit den Akt des Sehens in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zur Architektur stellt – bezieht er sich doch im selben Text mehrfach direkt auf Gestaltung, Gestalt und nicht zuletzt auch die Gestalttheorie als „Formulierung der Form“. So habe er an den frühen Ausstellungsbauten, die heute zu seinen bemerkenswertesten Arbeiten zählen und in dem hier vorliegenden Bildband erstmals in ihrem ganzen Reichtum vorgestellt werden, „mit der Gestaltung, aber auch mit der Wahrnehmung als bedeutendes visuelles Ereignis experimentieren“ können. Gestaltung und Gestalt haben bei Schwanzer nicht nur den Wortstamm gemeinsam, es sind auch Begriffe, die für ihn in der Produktion und Rezeption von Architektur zentral sind. Erfolg ist für ihn die Befriedigung, „etwas geschaffen zu haben, das Gestalt hat“, das Ziel des Architekten aber muss die bauliche Realisierung sein, denn „Gedachtes allein kann auf die Dauer nicht befriedigen“. Der nüchternen Planungsarbeit setzt Schwanzer das „Gestalten aus Instinkt oder Trieb“, eben „Architektur aus Leidenschaft“ entgegen. Im Glossar des Buches, das Einblicke in Schwanzers Architekturbegriff vermittelt, wird unter dem Eintrag ,Gestaltpsychologie‘ auf die „Prägnanztendenz zu[r] reinen, ausgezeichneten und optimalen Gestalt“ und damit implizit auf einen der Begründer der Gestaltpsychologie und -theorie, Max Wertheimer, verwiesen. Die Suche nach der bestmöglichen Gestalt, die nicht allein die bloße Primärfunktion fassen, sondern alle Aspekte des Lebens in sich enthalten soll, kann als ein Schlüssel zum Verständnis von Karl Schwanzers Architektur dienen. Das Auge als jenes primäre Sinnesorgan, das die Gestalt der Architektur erfasst, spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Schwanzers Bauten sind gestaltete, aber eben auch visualisierte, für das Auge vorbereitete Form – und kommen vielleicht gerade aus diesem Grund der Repräsentation im Medium der Fotografie besonders entgegen, wie die von unterschiedlichen Fotografinnen und Fotografen stammenden Aufnahmen eindrücklich zeigen. Zugleich verstärkt die Fotografie die ikonische Wirkung der Architektur. 358

Eye, Form, Figure Karl Schwanzer’s Iconic Architecture Andreas Nierhaus At the very beginning of his extraordinary book Architecture as a Passion (1973), Karl Schwanzer discusses the prerequisites for becoming an architect. In addition to qualities such as courage, intuition, exactitude, and modesty, he emphasizes one of our central sensory organs, without which both the creation and perception of architecture is impossible: the eye. Full of awe, Schwanzer speaks of the eyes as “God’s most precious gift” that enable us to experience the world around us and, at the same time, create a new one. For him, the fascination that arises from experiencing this tension is “the very basis of creative work”. It is no coincidence that Karl Schwanzer puts the human eye—and thus the act of seeing—at the center of his reflections on architecture. After all, in the same text he refers several times directly to design, form, and not least of all to gestalt theory as an aid to “formulating” form. In his early exhibition buildings—which remain some of his most remarkable works and which are now presented for the first time, in all their richness, here in this illustrated volume—he was able “to experiment both in terms of design and in terms of perception as an essential visual experience”. For Schwanzer, design (Gestaltung) and form (Gestalt) not only share the same root in German, his mother tongue, they also signify concepts central to his production and perception of architecture. For him, success is the satisfaction of “having created out of nothing something that has both form and life”, and the architect’s goal must always be implementation, because “conceiving ideas alone fails to satisfy over time”. Schwanzer counters the sober work of planning with “designing instinctively or impulsively”—or, in other words, “architecture as a passion”. In the book’s glossary, which delivers great insight into Schwanzer’s understanding of architecture, the entry on gestalt psychology refers to the “Prägnanztendenz: a tendency towards a pure, excellent, and optimum gestalt” and thus implicitly to one of the founders of gestalt psychology and theory, Max Wertheimer. The search for the best possible form, which should not fulfill merely the primary function alone, but should rather contain all aspects of life, can serve as a key to understanding the architecture of Karl Schwanzer. The eye as the primary sensory organ for perceiving architectural form plays a central role in this context. Schwanzer’s buildings are designed forms, but also visualized, prepared for the eye—and are, perhaps for this very reason, particularly suited to representation through photography, as impressively captured in the images taken by many different photographers. At the same time, the photographs also reinforce the iconic impact of the architecture itself. 359

Bereits die frühen Geschäftseinrichtungen und Ausstellungsgestaltungen Karl Schwanzers lassen ein untrügliches Sensorium für visuelle Effekte erkennen, ohne dabei die genuin räumlichen Qualitäten zu vernachlässigen. Die Einrichtung war dabei niemals Selbstzweck, sondern stets auf die optimale Präsentation der Objekte ausgerichtet, ohne sich in Kleinteiligkeit zu verlieren. Schwanzer hatte nach dem Krieg zunächst als Assistent von Oswald Haerdtl gearbeitet, in dessen Werk eine spezifisch wienerische, auf Josef Hoffmann zurückgehende Kultur des Ausstellens und Präsentierens weiterwirkte. So erinnert etwa die zeltartige textile Decke für die Kunststoffausstellung in Wien 1950, die den vielen unterschiedlichen Objekten ein einheitliches ,Dach‘ verleiht, an den von Hoffmann ganz ähnlich gestalteten Mittelsaal der Werkbundausstellung 1930. Schwanzer ging jedoch bald weit über diese Vorbilder hinaus, so etwa mit den großmaßstäblichen, Bild und Text integrierenden Rauminszenierungen und konstruktivistischen Vitrinenbauten für die Gewerbeausstellung 1951, am eindrucksvollsten vielleicht bei der Ausstellung ,Dienst am Volk‘ 1952, wo dem Künstlerhaus ein groß dimensioniertes und zugleich zartes Bilder-Gerüst vorgesetzt wurde, das im Innenraum als begehbare Ausstellungslandschaft wiederkehrte. Karl Schwanzers konstruktiv elaborierte, formal unverwechselbare und räumlichvisuell eindrucksvolle Displays erscheinen heute nicht zuletzt auch als perfekte Maschinen zur Ankurbelung des Nachkriegskonsums und als Bühnen der Befriedigung der steigenden Nachfrage in der beginnenden Wirtschaftswunderzeit. Schwanzers große Erfahrung im Ausstellungsdesign kam ihm auch bei seinen späteren Großbauten zugute. Es sind bisweilen spektakuläre ,Inszenierungen‘ von Architektur, stets funktional begründet und konstruktiv ausformuliert. Der österreichische Pavillon für die Expo in Brüssel 1958 wurde zu einer gestalterisch ökonomischen, räumlich klaren und visuell starken Reflexion über das Tragen, Lasten und Schweben; der heute weniger bekannte, ebenfalls für die Brüsseler Ausstellung entworfene Pavillon von OECD und Europarat verknüpfte transparente Glaswände mit einer aufregenden, seitlich abgespannten (und damit nachvollziehbaren) Dachkonstruktion zur paradoxen Erscheinung einer modernen Arche Noah. Die unvoreingenommene Suche nach der markanten, unverwechselbaren Form zeigt sich bei der mit bemerkenswertem Selbstbewusstsein ins historische Stadtbild gestellten Rasterfassade des Autolifts am Neuen Markt ebenso wie an der massig-schweren und zugleich wie aus Papier gefaltet wirkenden Sichtbetondecke in der nahe gelegenen Kapuzinergruft, oder am PhilipsHaus, das mit seinen kühn auskragenden Geschoßen als weithin sichtbares Merkzeichen des ,Neuen Wien‘ auf die höchste Erhebung im Süden der Stadt gesetzt wurde. Von der Masse der Nachkriegsarchitektur in Österreich und der BRD , die nach der NS -Diktatur mehr oder weniger konsequent und inspiriert auf eine nüchterne, technoide Moderne westlicher Prägung einschwenkte, hoben sich Karl Schwanzers Bauten von Anfang an deutlich ab. Die spezifische Tradition 360

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Karl Schwanzer’s early shop interiors and exhibition designs reveal a distinctive sensorium for visual impact while at no time neglecting genuine spatial qualities. The interiors were never themselves the point, instead always aiming for the optimal presentation of the objects for sale within, without becoming lost in complexity. After the war, Schwanzer initially worked as an assistant to Oswald Haerdtl, whose work drew from and continued to impact a specifically Viennese culture of exhibiting and presenting that went back to Josef Hoffmann. The tent-like textile ceiling for the plastics exhibition in Vienna in 1950, for example, gave the many different objects beneath a uniform ‘roof’, and was reminiscent of the central hall of the 1930 Werkbund Exhibition, which Hoffmann had designed in a very similar way. However, Schwanzer soon went far beyond these precedents, for example with his large-scale spatial stagings that contained integrated text and images and his constructivist showcase buildings for Vienna’s 1951 trade fair. Another, perhaps most impressive, example was at the 1952 ‘Dienst am Volk’ (Service to the People) exhibition, where the Künstlerhaus was presented with a large yet delicate scaffolding of pictures that, from the inside, returned in the form of a walk-in exhibition landscape. Schwanzer’s structurally elaborate, formally distinctive, and spatially and visually impressive displays seem today to have been, at a minimum, perfect machines for boosting post-war consumption as well as stages for satisfying increasing demand in the early days of an era of economic miracle. Schwanzer’s considerable experience in exhibition design was also a boon to him in his later larger constructions. These were sometimes spectacular architectural stagings, always functionally justified and logically constructed. The Austrian pavilion for the 1958 Brussels Expo was an economically designed, spatially clear, and visually powerful reflection on supports, loads, and floating. The OECD and Council of Europe pavilion, less well-known today, was also designed for the Brussels exhibition, combining transparent glass walls with an exciting, laterally braced (and thus comprehensible) roof construction to create the paradoxical appearance of a modern Noah’s Ark. Schwanzer’s unprejudiced search for distinctive, unmistakable forms can be seen in the grid façade of the automobile lift on Neuer Markt, which is placed with remarkable selfconfidence into the historical cityscape. The same is true of the massive, heavy, exposed concrete ceiling of the nearby Imperial Crypt, which at the same time seems as if it were folded out of paper—or of the PhilipsHaus, with its boldly projecting floors placed at the highest elevation of the southern city, a symbolic landmark of ‘New Vienna’ visible from afar. From the very beginning, Schwanzer’s buildings stood out clearly from the mass of post-war architecture in Austria and the Federal Republic of Germany, which, after the Nazi dictatorship—with varying degrees of consistency and inspiration—turned to a sober, technoid Modernism with a strong Western touch. The specific tradition of Viennese Modernism was Eye, Form, Figure

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der Wiener Moderne war dafür wohl weniger verantwortlich als sein Anspruch, architektonische Lösungen ohne Rücksicht auf vorgefertigte Schablonen aus der konkreten Situation heraus zu entwickeln, ohne Scheu vor der großen, mitunter fast theatralischen Geste. Wenn er in dem eingangs erwähnten Buch von 1973 mit starker körperlicher Präsenz und weit ausgebreiteten Armen in der Wiese steht, entspricht dies ganz der großzügigen Wirkung seiner Bauten. Wer möchte, kann darin eine Analogie zur Architektur des Barock erkennen; und es wäre in der Tat eigenartig, hätten Bauwerke wie Fischer von Erlachs Karlskriche, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Technischen Hochschule, keine Wirkung auf den jungen Studenten ausgeübt. Will man das in seiner Zeit außergewöhnliche Sensorium für die ikonische und damit auch gesellschaftliche, aber ebenso die sinnlich-emotionale Wirkmächtigkeit von Architektur verorten, so kommen einem neben dem überragenden Vorbild Le Corbusier nicht zuletzt die ,rhetorischen‘, auf sinnliche Affekte abzielenden Bauten des (süddeutschösterreichischen) Barock in den Sinn. Darüber hinaus war der äußerst reisefreudige Schwanzer wie nur wenige andere Architekten im damaligen Österreich an internationalen Entwicklungen interessiert und nahm neue Tendenzen aufmerksam wahr – die vielfältigen Auswirkungen auf sein eigenes Werk sind evident, aber noch nicht einmal in Ansätzen untersucht. Karl Schwanzers unkonventioneller und undogmatischer Zugriff auf das Repertoire der Moderne, verbunden mit dem Mut zur klar artikulierten Form, führten ihn früh zu Lösungen, die einen Weg aus dem konformistischen Funktionalismus der Nachkriegszeit wiesen. Anstelle eines einheitlichen ,Stils‘ setzte er auf eine Vielzahl an formalen Ausdrucksmöglichkeiten, die zugleich der Vielfalt der Aufgabenstellungen im ständig wachsenden Atelier entsprach. Damit kommt aber auch ein konsequent modernes Verständnis von Architektur zum Tragen, bei dem Baukunst nicht mehr über stilistische Kriterien, sondern über die optimale und maßgeschneiderte gestalterische Lösung definiert wird. Trotz der weitgehenden Arbeitsteilung innerhalb des Großbüros mit vielen Mitarbeitern (und einigen Mitarbeiterinnen), die nicht selten an entscheidender Stelle in den Prozess der Formfindung involviert waren, konnte Schwanzer eine persönliche Handschrift etablieren, seinen Bauten die unverwechselbare Signatur verpassen. Nicht zuletzt kam es dank der Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule in Wien zur Auseinandersetzung mit den Ansichten und Wünschen der kommenden Architektengeneration. Schwanzers Assistent Günther Feuerstein hatte den Boden für eine architektonische Revolte bereitet. Die Energie der Jungen entlud sich in kritischen, verspielten, utopischen, immer aber: bildmächtigen Alternativen zum in die Jahre gekommenen spätmodernen Mainstream und stellte den herkömmlichen Architekturbegriff auf den Kopf. Schwanzer, damals um die 50, begleitete und unterstützte diese Experimente, auch mit einer spontanen Motorradfahrt im Rahmen des ,Great Vienna Auto Expander‘ der Gruppe Zünd-Up 1969. An der konservativen TH hielt Schwanzer einen kreativen Freiraum offen, und auch die Wirkung auf 362

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probably less responsible for this than his striving to develop architectural solutions from the specific situation without regard for prefabricated templates and without shying from grand, sometimes almost theatrical, gestures. When, as in the previously mentioned 1973 book, he is seen standing in a meadow with a strong physical presence and outstretched arms, this is entirely in alignment with the sense of generosity his buildings exude. It is possible to see in this an analogy to Baroque architecture and, indeed, it would be strange if buildings like the Karlskirche by Fischer von Erlach, so close to the Technical University, had not had an effect on the young student. For anyone seeking the roots of his sense of the iconic and thus also social as well as the sensual and emotional power of architecture, a sensibility which was exceptional for its time, then the outstanding examples of Le Corbusier and the ‘rhetorical’ buildings of (South German and Austrian) Baroque come to mind, aimed as they are at achieving a sensual impact. In addition to this, Schwanzer, who loved to travel, was more interested in international developments than other Austrian architects at the time, and attentively soaked up new trends. The manifold effects on his own work are evident, although study in this regard has barely even begun. Schwanzer’s unconventional and undogmatic approach to the repertoire of Modernism, combined with the courage to use clearly articulated forms, led him early on to solutions that showed a way out of the conformist functionalism of the post-war era. Instead of a uniform ‘style’, he relied on a multitude of means of formal expression, which also corresponded with the immense variety of tasks faced by the constantly growing firm. This reflected a consistently modern understanding of architecture, in which the art of building is defined not by stylistic criteria, but by optimal, custommade design solutions. Despite the extensive division of labor among the large firm’s many employees many of whom were often involved in critical points of the form-finding process, Schwanzer established a very personal signature that imbued his buildings with an unmistakable character. Last but not least, thanks to his teaching position at the Vienna Technical University he was able to engage with the views and wishes of an upcoming generation of architects. Günther Feuerstein, Schwanzer’s assistant, had paved the way for an architectural revolt. The energy of these young people was discharged in critical, playful, utopian, and always powerful visual alternatives to the aging late-modernist mainstream, turning the conventional concept of architecture on its head. Schwanzer, around 50 years old at that time, accompanied and supported these experiments, even taking a spontaneous motorcycle ride as part of the Great Vienna Auto Expander event put on by the Zünd-Up group in 1969. At the rather conservative Technical University, Schwanzer made an open space for creative freedom, something which impacted his own work as well. His spectacular designs for ‘Vindobona 2000’, Germany’s pavilion at the 1970 Osaka World’s Fair, and the City Center spanning the Danube Canal Eye, Form, Figure

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sein eigenes Schaffen blieb nicht aus. Die spektakulären Entwürfe für ,Vindobona 2000‘, den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung Osaka 1970 oder das City Center über dem Donaukanal waren ein willkommenes Kontrastprogramm zur Prosa der strikt pragmatischen, bewusst seriellen, aber stets mit größter Sorgfalt detaillierten Industrie- und Bürogebäude, die parallel dazu geplant – und auch gebaut wurden. Zu Beginn der 1970er-Jahre war das Atelier Schwanzer mit mehreren bedeutenden Großaufträgen beschäftigt. Beim WIFI Niederösterreich in St. Pölten wurde der von Karl Schwanzer bereits seit Jahren eingesetzte Sichtbeton in der Nachfolge des großen Vorbilds Le Corbusier zum gestaltgebenden Material erhoben, mit der ausdrucksstarken béton brut-Skulptur des (1999 bedauerlicherweise demolierten) Wohnturms als Gegengewicht zu den flachen und langgestreckten Werkstätten- und Veranstaltungstrakten und als weithin sichtbares Ausrufezeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs (der sich bald massiv einbremsen sollte). Ganz ähnlich verfuhr Schwanzer auch bei seinem wohl bekanntesten und bedeutendsten Bauauftrag, dem BMW-Headquarter in München. Der Gedanke eines vertikalen Signals für einen global agierenden Großkonzern in unmittelbarer Nachbarschaft zur Austragungsstätte der olympischen Sommerspiele von 1972 führte hier zu einem Bauwerk, das Peter Blake ein „einzigartiges Stück verwirklichter Pop-Architektur“ nannte und unter Anspielung auf einen der Begründer der Pop Art als „das größte und beste Claes-OldenburgMonument“ bezeichnete. Mit dem rund 100 Meter hohen ,Vierzylinder‘ gelang Schwanzer und seinen Mitarbeitern in der Tat ein Geniestreich, der eine kaum mehr zu steigernde visuelle Prägnanz mit einem Höchstmaß an konstruktiver und funktionaler Logik verband. Die Qualität des Bauwerks beschränkt sich nicht auf seine äußere Form, sie liegt vielmehr – um an dieser Stelle einen Begriff Karl Schwanzers aufzugreifen – in seiner Gesamt,Gestalt‘. Mehr als alle noch so eindrucksvollen Aufnahmen des Gebäudes beweist dies ein Blick auf den Grundriss eines der Regelgeschoße, der mit seiner ,klassischen‘ Vierpassform nicht nur ästhetisch überzeugt, sondern auch die Konstruktion des Baus mit den vom zentralen Stahlbeton-Kern abgehängten Bürogeschoßen und die für den Arbeitsalltag geforderte Übersichtlichkeit, Flexibilität und kommunikative Atmosphäre sichtbar macht. Dass Form, Funktion, Material und Konstruktion des Büroturms nicht voneinander zu trennen sind, unterscheidet Karl Schwanzers Hauptwerk klar von der Architektur der Postmoderne und ihrem freien Spiel der Zeichen, bei dem der Zusammenhang von äußerer Form und Inhalt grundsätzlich infrage gestellt, ja negiert wird. Es wäre interessant zu wissen, wie sich Karl Schwanzer zu diesem kurzlebigen, aber umso nachhaltiger wirksamen architekturhistorischen Phänomen verhalten hätte – sein allzu früher Tod hat eine Stellungnahme verhindert. Fest steht: Eine Auflösung der ,Gestalt‘ wäre Schwanzer bei aller Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen wohl kaum in den Sinn gekommen. Will man die Position Karl Schwanzers zu Beginn der 1970er-Jahre, kurz vor dem abrupten Ende seiner Karriere 364

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created a welcome contrast to the prose of the strictly pragmatic, deliberately serial, and always meticulously detailed industrial and office buildings that he planned and built in parallel. In the early 1970s, Atelier Schwanzer was busy with numerous contracts for major projects. For the WIFI Lower Austria project in St. Pölten, the exposed concrete that Schwanzer had already been using for years was elevated to the status of a design material, following in the footsteps of his great role model Le Corbusier. The expressive béton brut sculpture of the residential tower (which, unfortunately, was demolished in 1999) acted as a counterweight to the low, elongated workshop and event tracts, creating a widely visible exclamation mark for the economic upswing (which would soon begin to slow significantly). Schwanzer took a similar approach with what is probably his most famous and important construction contract, the BMW headquarters in Munich. The idea of creating a vertical signal for the globally active corporation right near the site of the 1972 Summer Olympics led to the erection of a building that Peter Blake described as “an absolutely marvellous piece of Pop Architecture” and, in allusion to one of the fathers of Pop Art, “simply the best and the biggest Claes Oldenburg monument ever built”. The about 100-meter-high ‘four-cylinder’ building was indeed a stroke of genius by Schwanzer and his employees, one that successfully combined a supreme visual conciseness with a maximum of structural and functional logic. The high quality of the building does not stop at its exterior form, but rather—to use one of Schwanzer’s favorite terms— lies in its overall Gestalt. A simple glance at the floor plan of one of the standard floors proves this statement better than all the impressive photographs of the building put together. The ‘classic’ quatrefoil design is not only aesthetically appealing, it also reveals how the building’s structure, with the office floors suspended from a central reinforced concrete core, provides the clarity, flexibility, and communicative atmosphere essential for a positive everyday working life. The fact that the form, function, material, and construction of the office tower cannot be separated from one another clearly distinguishes Schwanzer’s magnum opus from Postmodernist architecture with its open play of symbols that fundamentally questions or even negates the connection between exterior form and content. It would be interesting to know how Schwanzer would have reacted to this shortlived but all the more enduringly impactful architectural and historical phenomenon; sadly, his all-too-early death prevented a statement from ever being made. One thing is certain: Despite his openness to new developments, a dissolution of Gestalt could hardly have appealed to Schwanzer. If one wants a definition of Schwanzer’s position in the early 1970s, shortly before his career came to an abrupt halt, then Peter Blake’s assessment is still quite valid. In 1973, the year the BMW building was completed, he declared Schwanzer a “Supersculptor” who had already become what Archigram and the designers at NASA were still dreaming of, asking: “What, in God’s name, is he goingto do next  ? Take off into outer space  ?” Eye, Form, Figure

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bestimmen, so gilt nach wie vor die Einschätzung von Peter Blake, der im Jahr der Fertigstellung des BMW-Verwaltungsgebäudes 1973 Karl Schwanzer zum „Superbildhauer“ erklärte, der verwirklicht habe, wovon Archigram, aber auch die Konstrukteure von der NASA noch immer träumten, und am Ende fragte: „Was, um Himmels willen, wird er als nächstes tun  ? Weltraumflüge  ?“ Im Mai 2018, rechtzeitig zum 100. Geburtstag Karl Schwanzers, übergaben seine Söhne Berthold und Martin das umfangreiche Archiv ihres Vaters als Schenkung dem Wien Museum. Im Gegenzug verpflichtete sich das Museum zu einer umfassenden Aufarbeitung, Erforschung, Digitalisierung und Präsentation der reichhaltigen Bestände. Das ,Karl Schwanzer Archiv‘ ergänzt die Architektursammlung des Museums, die von den gotischen Planrissen von St. Stephan über die Zeichnungen aus dem Nachlass Otto Wagners bis in die Gegenwart reicht, um ein zentrales Kapitel der österreichischen Architekturgeschichte. Der materielle Wert des Karl Schwanzers Archiv ist hoch, der ideelle unschätzbar – handelt es sich doch um eine einzigartige Dokumentation zur Architektur-, Kultur- und Zeitgeschichte vom Kriegsende bis zur Mitte der 1970er-Jahre. Der beeindruckende Umfang lässt sich am Besten in Zahlen ausdrücken: rund 7.000 Pläne zu rund 170 Projekten, über 12.000 Fotografien, mehr als 6.000 Diapositive, 22 Filmdosen, 1.382 Akteneinheiten, rund 400 Bücher und Zeitschriften, 16.772 Mikrofilmkarten, zudem Modelle und nicht zuletzt eine ganze Reihe außergewöhnlicher Möbel aus allen Schaffensphasen des Architekten. Der Initiative von Martin Schwanzer und der intensiven langjährigen Arbeit von Mirko Pogoreutz ist es zu verdanken, dass das Karl Schwanzer Archiv vorbildlich geordnet in die Obhut des Museums gelangt. Mit der derzeit laufenden wissenschaftlichen Erschließung und Inventarisierung durch Christoph Freyer sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Karl Schwanzer Archiv in Zukunft der interessierten Öffentlichkeit zur Benützung zur Verfügung steht und das Schaffen Karl Schwanzers neue Strahlkraft entwickeln kann. Denn Martin Schwanzer, mit dem der Autor dieser Zeilen viele anregende Gespräche, aber auch harte Verhandlungen führen durfte, war es ein großes Anliegen, ein ,lebendiges‘ Archiv zu etablieren und damit der vielfältigen Bedeutung von Werk und Wirken seines Vaters gerecht zu werden. Diesen Anspruch wollen wir in den kommenden Jahren durch eine Reihe von Aktivitäten erfüllen, die von der Veröffentlichung der Bestände in der Online-Datenbank des Museums bis hin zur Erarbeitung eines Werkverzeichnisses und einer großen Ausstellung reichen. Dass Martin Schwanzer an diesen Früchten seiner intensiven Bemühungen um das Erbe seines Vaters nicht mehr teilhaben kann, stimmt uns traurig – umso größer ist die Verpflichtung, in seinem Sinne und nunmehr unterstützt durch seine Tochter Caroline Schwanzer die bereits vereinbarten Projekte zügig umzusetzen. Blickt man noch einmal auf die Bestandszahlen des Karl Schwanzer Archivs, so zeugt die schiere Menge an Fotografien einmal mehr von der 366

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In May 2018, just in time for Schwanzer’s 100 th birthday, his sons Berthold and Martin passed their father’s extensive archive to the Wien Museum (Museum of the City of Vienna) as a gift. In return, the museum committed itself to undertaking the comprehensive processing, researching, digitizing, and presenting of the rich wealth of items. The Karl Schwanzer Archive complements the museum’s architectural collection, which ranges from the Gothic plans of St. Stephen’s Cathedral to drawings from Otto Wagner’s estate and continues into the present day, presenting a central chapter in Austrian architectural history. The material value of the Karl Schwanzer Archive is great, the idealistic one invaluable; it is a unique documentation of architectural, cultural, and contemporary history that reaches from the end of the war to the mid-1970s. The impressive extent of the collection can best be expressed in figures: Around 7,000 plans for about 170 projects, more than 12,000 photographs, over 6,000 slides, 22 canisters of film, 1,382 file folders, approximately 400 books and magazines, 16,772 microfilm cards, numerous architectural models, and, last but not least, an entire range of exceptional furniture from every one of the architect’s creative phases. It is thanks to Martin Schwanzer’s initiative and the intensive work of Mirko Pogoreutz over the course of several years that the Karl Schwanzer Archive has been entrusted to the care of the museum in this exemplary manner. Art historian Christoph Freyer’s ongoing cataloguing and inventorying have made it possible for the Karl Schwanzer Archive to soon become available to the interested public and for Schwanzer’s work to develop a new visibility and appeal. For Martin Schwanzer, with whom I have had many stimulating conversations—and tough negotiations—the establishment of a ‘living’ archive that does justice to the manifold significance of his father’s work and activities was of great importance. In the coming years, we intend to fulfill this wish with a series of activities ranging from the publication of archival documents in the museum’s online database to the development of a catalogue raisonné and a major exhibition. We are saddened that Martin Schwanzer can no longer be part of, and enjoy the results of, these intensive efforts to preserve his father’s legacy. This increases our obligation to quickly implement the agreed-upon projects as he would have wanted them, an effort that is now supported by his daughter Caroline Schwanzer. If we look again at the number of photographs in the Karl Schwanzer Archive, the sheer volume once again testifies to the outstanding importance of photography for visually representing architecture in the 20 th century. However, historical photographs from precisely this period have a value today that neither their clients nor their creators could have possibly envisioned: To a considerable extent they document things that have already been lost. The modern architecture of the post-war period was, and still is, poorly esteemed in many places, and the general acceptance of its aesthetic qualities and cultural significance is not in sight. Some of Eye, Form, Figure

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überragenden Bedeutung des Mediums für die visuelle Repräsentation von Architektur im 20. Jahrhundert. Gerade in diesem Zeitraum besitzen historische Aufnahmen heute jedoch einen Wert, den wohl weder ihre Auftraggeber, noch ihre Urheber – im Fall Karl Schwanzers gleich mehrere Frauen – ermessen konnten: Sie dokumentieren zu einem beträchtlichen Teil bereits Verlorenes. Der modernen Architektur der Nachkriegszeit wurde – und wird noch immer – vielerorts übel mitgespielt, eine allgemeine Akzeptanz ihrer ästhetischen Qualitäten und kulturellen Bedeutung ist nicht in Sicht. Auch wichtige Bauten Karl Schwanzers wurden nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung zerstört oder durch Umbauten stark verändert. Es bedarf also heute der Fotografie, um Hauptwerke wie das WIFI Niederösterreich oder das ehemalige Museum des 20. Jahrhunderts in ihrem ursprünglichen Zustand erleben zu können – ,ikonische‘ Architektur, die nur mehr als Bild existiert. Das Archiv mit seiner Fülle an Dokumenten und Objekten wird damit zum wichtigsten Ausgangspunkt, um Schwanzers Schaffen in seiner ganzen Breite erfassen und ermessen zu können. Dieser Band gibt einen kräftigen Vorgeschmack auf das, was uns Karl Schwanzer noch zu bieten hat. Nicht nur der Vierzylinder ist startbereit.

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Schwanzer’s significant buildings were likewise destroyed or significantly altered only a few decades after their completion. Photography has thus become crucial today to being able to experience major works such as the WIFI Lower Austria or the former Museum of the 20 th Century in their original state—iconic architectures that now exist only as an image. The archive, with its wealth of documents and items, is thus the most important place to begin determining and evaluating Schwanzer’s oeuvre in its entirety. This volume provides a strong preview of what Karl Schwanzer still has to offer us; it’s not just the BMW  ‘four-cylinders’ that are ready to roar.

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Die Bauten und ihre Bilder Karl Schwanzers Einsatz der Medien Fotografie und Film Ulrike Matzer Markante Gebäude sind uns meist nur über Foto- oder Filmaufnahmen bekannt, das heißt über ihre Bilder. Auch im architektonischen Diskurs werden Bauten eher anhand von Fotografien beurteilt, als durch tatsächlichen Augenschein. Architektur umfasst genau genommen weit mehr als nur die Bauwerke selbst; ihre Produktion, ihre Darstellung und Rezeption verdankt sich verschiedensten Medien: Ideenskizze, Planzeichnung, Modell, Fotografie, Film, computergestützte Konstruktion, sprachliche Beschreibung etc. Unter den ‚Medien der Architektur‘ 1 spielt die Fotografie allerdings eine wesentliche Rolle: als Hilfe im Prozess der Planung, zur Kommunikation eines Entwurfs, als Illustration in Fachzeitschriften, Büchern und Broschüren sowie als Anschauungsmaterial in der Architekturausbildung.2 Mit dem in den letzten Jahrzehnten gewachsenen kulturhistorischen Interesse am Bild fanden ebenjene medialen Kontexte von Bauten stärkere Aufmerksamkeit.3 Diesem Verständnis nach ist auch Architektur selbst als Medium zu begreifen, oder genauer: als Teil eines komplexen medialen Verbunds, in dem Bilder und Texte, Skizzen und Modelle, Projektiertes und Realisiertes diskursiv ineinandergreifen und aufeinander verweisen.4 Fotografien als Archiv Auch Karl Schwanzer war seit jungen Jahren mit visuell vermittelter Architektur konfrontiert. Spätestens ab 1946, als Assistent und Mitarbeiter Oswald Haerdtls, konnte er Einblick in internationale Bau- und Designfachzeitschriften nehmen.5 Inmitten der von Bombenschäden gezeichneten Stadt Wien erhielt er so eine Vorstellung moderner Architekturströmungen weltweit. Haerdtl aktivierte als erster und beinahe einziger Wiener Architekt unmittelbar nach dem Krieg seine Kontakte zur progressiven internationalen Szene und verhalf auch Schwanzer zu eigenständigen Aufträgen. Das in Schwanzers Nachlass erhaltene, über 12.000 Abzüge umfassende Fotoarchiv zeugt davon, welche Rolle die fotografische Dokumentation seiner eigenen Bauvorhaben von Anfang an und über die Jahrzehnte spielte. Die seinerzeit besten Architekturfotografinnen und -fotografen hielten seine Bauten auf je eigene, subjektive Weise fest. So problematisch und vage der Begriff der ‚dokumentarischen Fotografie‘ medientheoretisch gesehen ist 6 – umfasst er doch ebensogut alles wie nichts –, so sehr sind diese Abzüge von unschätzbarem dokumentarischen Wert. In ihrer Gesamtheit erlauben sie die historisch-kritische Einordnung von Karl Schwanzers baukünstlerischem Schaffen. Dies umso mehr, als seine Vorhaben der ersten zehn Jahre – Geschäfts- und Kinoeinrichtungen sowie temporäre Ausstellungs- und Messebauten – nur mehr noch in Form fotografischer Bilder überliefert sind. 370

The Buildings and Their Images Karl Schwanzer’s Use of Photography and Film Ulrike Matzer We are usually familiar with striking buildings only through film and photographs—that is, through images of them. In architectural discourse as well, buildings are often judged based upon photographs rather than actual on-site visits. Strictly speaking, architecture encompasses much more than just buildings. The entire production, presentation, and reception of architecture implements a great variety of media: idea sketches, plan drawings, models, photography, film, computer-aided construction, written descriptions, and so on. However, among the ‘media of architecture’,1 photography plays a particularly essential role. It is an aid in planning processes, can communicate designs, and provides illustrations for magazines, books, brochures, and—of course—for teaching materials in architecture education.2 With the cultural and historical interest in imagery that has grown in recent decades, the media context of buildings has attracted increased attention.3 Looking at it this way, architecture itself can be understood as a medium, or, more precisely, as part of a complex media fabric in which images and texts, sketches and models, projected and realized projects are interwoven and refer to each other.4 Photography as an Archive Like many of us, Karl Schwanzer was confronted with visually conveyed architecture from a young age. As Oswald Haerdtl’s assistant and employee, he had access to international construction and design magazines starting, at the latest, in 1946.5 Living in the midst of bomb-damaged Vienna, he was thus nonetheless able to gain an idea of modern architectural trends throughout the world. Haerdtl was the first and almost only Viennese architect to activate his contacts with the progressive international scene immediately following the war, and also helped Schwanzer to obtain his own commissions. The photo archive preserved in Schwanzer’s estate contains over 12,000 prints, bearing witness to the role that the documentation of his own building projects through photography played from the very beginning, something which continued over the decades. The best architecture photographers of the era captured his buildings in their own individual ways. As problematic and vague as the concept of ‘documentary photography’ is in media theory 6 —encompassing just about everything as well as almost nothing—these prints are of inestimable documentary value. Their completeness makes the historical and critical classification of Karl Schwanzer’s architectural work possible. This is all the more true because his plans for the first ten years—shops, cinemas, and temporary exhibition and trade fair buildings—now exist only as photographic images. This overview—almost 371

Anhand dieser fast lückenlosen Übersicht lässt sich die konzeptionelle Vielfalt seines knapp 30 Jahre währenden selbstständigen Schaffens nachvollziehen. Im Zuge der Etablierung seines eigenen Ateliers 1947, noch während seiner Tätigkeit für Haerdtl, betrieb Schwanzer nicht nur äußerst intensiv Akquise.7 Von Anfang an ließ er auch alle seine Bauvorhaben, so klein und bescheiden sie waren, professionell fotografisch dokumentieren. Für einen jungen, in der unmittelbaren Nachkriegszeit tätigen Architekten war dies durchaus ungewöhnlich, herrschten doch rundum Armut und Mangel. Sichtlich war ihm klar, dass Fotografien in seinem Metier das Kommunikationsmedium schlechthin darstellen und für die Eigenwerbung unverzichtbar sind. Bei den Aufträgen der ersten Jahre handelte es sich großteils um Wiederaufbau- und Umbauprojekte, bei denen er den Objekten mit sparsamen Mitteln eine neue, zeitgemäße Erscheinung verlieh. Der 1948 erfolgte Umbau des Hauses am Graben Nr. 30, mitten im Zentrum Wiens, wurde von Bruno Reiffenstein (1869–1951) dokumentiert. Als Fotograf und Verleger hatte Reiffenstein über 50 Jahre hinweg ein umfangreiches Archiv zu Denkmälern und Bauten geschaffen, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur Rekonstruktion bombengeschädigter Gebäude als äußerst wertvoll erwies. Gegen 1950 hielt er einige der frühen Vorhaben Karl Schwanzers fest. Aufnahmen, die eine Fassade vor und nach dem Eingriff zeigen, sind für diese Jahre charakteristisch und finden sich häufig in Schwanzers Archiv. Jenes Bilderpaar etwa, das die entschiedene Umgestaltung eines Klagenfurter ‚Büromaschinenhauses‘ in eine schicke Olivetti-Filiale demonstriert, spricht für sich. A, B ‚Medienbauten‘ in Nachtaufnahmen Fotografien wie diese zeugen auch von Karl Schwanzers Fähigkeit zur Gestaltung mit Licht: Die von ihm umgebauten Ladenlokale und Boutiquen sollten als raffiniert ausgeleuchtete Räume in den abendlichen Straßen ihre Strahlkraft ausspielen. Diese Inszenierung mit Licht vermochte die damalige Grande Dame der heimischen Architekturfotografie, Lucca Chmel (1911–99), in ihren Bildern besonders gut herauszuheben und bei Innenaufnahmen mit zusätzlichen Leuchtkörpern zu akzentuieren.8 Die häufigen Nachtaufnahmen von Geschäftsfassaden aus der Zeit um 1950 demonstrieren, dass Karl Schwanzer sie bewusst als ‚Medienbauten‘ 9 konzipierte. Neben Stahl, Beton und Glas stellte Licht für ihn einen wesentlichen, wenngleich immateriellen Baustoff dar; der in Leuchtstoffröhren über der Auslage prangende Name des Geschäfts war stets integraler Teil des Entwurfs. Mit Absicht wurden solche Bauten meist in der Dunkelheit fotografiert. Auch bei der Umgestaltung mehrerer kleiner Kinos setzte Schwanzer auf den Effekt der Lichtreklame, wie er sie wohl 1950 bei seiner ersten Reise in die USA im Zuge der Messe in Chicago wahrnahm: Prägnante Lichtarchitektur hatte in den dortigen Großstädten eine ‚Moderne der Nacht‘ 10 entstehen lassen. Nachtaufnahmen gelten als Inbegriff des Urbanen; die Wirkung dieser 372

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A Hans Zuber, Büromaschinenhaus, Klagenfurt, 1954 Hans Zuber, ‘office machine building’, Klagenfurt, 1954

B Hans Zuber, Geschäftslokal Olivetti, Klagenfurt, 1954 Hans Zuber, Olivetti shop, Klagenfurt, 1954.

C, D Lucca Chmel, Geschäftslokal Hans Porges, Wien 1950 Lucca Chmel, Hans Porges store, Vienna, 1950

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leuchtenden Läden, Boutiquen und Kinofassaden im sinistren Nachkriegswien muss eindrucksvoll gewesen sein.C, D Das Konstruieren mit der Wirkung des Lichts und des Transluziden kommt wesentlich auch bei Schwanzers Messepavillons und Ausstellungsdesigns zum Tragen. Dass er die Ansicht bei Nacht beim Entwerfen jeweils mitbedachte, führen Fotografien des Modells für den österreichischen Pavillon auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 vor Augen: Per Knopfdruck ließ sich der Miniaturbau von innen beleuchten. Auch vom realisierten Expo-Pavillon liegen mehrere Nachtaufnahmen vor, die die Wiener Fotografin Maria Wölfl (1907–87) vor Ort für Karl Schwanzer angefertigt hat. Die Zusammenarbeit mit ihr hielt deutlich länger als jene mit Lucca Chmel; über fast 20 Jahre hinweg engagierte er sie immer wieder, ein Gutteil der Aufnahmen seiner bekanntesten Bauten stammt von ihr. Solche Nachtansichten wirkten wohl in einer Art Rückkopplung inspirierend für Schwanzers künftige Entwürfe. Daneben boten sich die Bilder als Werbemotive an: Der relativ nüchterne Bau des Wirtschaftsförderungsinstituts WIFI in Wien (1963) etwa avancierte von innen beleuchtet zum Covermotiv einer Fachzeitschrift. Bauen mit Bildern Eine ausgeklügelte Lichtregie kennzeichnet auch die Ausstellungs- und Messegestaltungen aus Schwanzers frühen Jahren. Was bei diesen filigranen Konstruktionen aus Gerüstbauelementen aber ebenso ins Auge sticht, sind die in die Architektur integrierten Paneele mit fotografischen Motiven. Diese von didaktischem Impetus getragenen Raumdesigns, die die Eigenschaften wirtschaftlich wichtiger Produkte visualisierten, entstanden häufig in Zusammenarbeit mit dem Grafiker und Bühnenbildner Georg Schmid (1928–98). Als Agenturen des Fortschritts zeigten solche Leistungsschauen die zeitgenössische Welt in lebendiger Weise, die Bedeutung dieser in den Nachkriegsjahren ausgerichteten Großausstellungen für das Selbstverständnis der jungen Zweiten Republik war immens. Nicht umsonst trug die spektakuläre Inszenierung der Wiener Gewerbeausstellung 1951, bei der Handwerker vor Ort ihr Können demonstrierten, Karl Schwanzer Anerkennung von höchster Stelle ein. Bei der im Jahr darauf vom Handelsministerium organisierten Schau über den Wiederaufbau der heimischen Wirtschaft, ‚Dienst am Volk‘ im Wiener Künstlerhaus blendete er der Fassade des Gründerzeitbaus eine ‚konstruktivistische‘ Bilderwand vor, die Reklame für jene Ausstellung machte, deren Teil sie zugleich war. Die in optischer Dynamik in die Gerüstwand gespannten Tafeln mit Fotomotiven führten Symbole heimischer Wirtschaftskraft vor; Fotografie war Teil des modernistischen Kommunikationsdesigns. Bei den im Ausland ausgerichteten Messen dagegen wurde der Akzent auf die Fremdenverkehrswerbung gelegt; stark vergrößerte Fotoposter, die positive Österreich-Bilder vermitteln, wurden von Schwanzer oft in seine Pavillongestaltungen integriert. Insbesondere die Teilnahmen an Weltausstellungen, allen voran jene 1958 in Brüssel, dienten der nationalen Selbstdarstellung; die Pavillonarchitekturen 374

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entirely without gaps—allows us to understand the conceptual diversity of his almost 30 years of independent work. In the course of establishing his own studio in 1947, while still working for Haerdtl, Schwanzer not only made intensive efforts to acquire clients,7 from the very beginning, he also arranged for each building project, no matter how small or modest, to be professionally documented in photographs. For a young architect working in the period immediately following the war, this was highly unusual, as poverty and shortages were rampant. It was apparently clear to him that photographs were the communication medium par excellence in his profession, and indispensable for self-promotion. In the first few years, most of his commissions were for reconstruction and conversion projects in which he found economical means to give the buildings a new, contemporary appearance. The 1948 conversion of the building at Graben No. 30, at the very center of Vienna, was documented by Bruno Reiffenstein (1869–1951). A photographer and publisher, Reiffenstein had created an extensive archive on monuments and buildings over a period of 50 years, which proved extremely valuable for the reconstruction of bomb-damaged buildings after the Second World War. Towards 1950, he documented some of Schwanzer’s early projects. Photographs showing a façade before and after being worked on are characteristic of these years, and often found in Schwanzer’s archives. One pair of pictures, for example, demonstrates the decisive transformation of the Klagenfurt ‘office machine building’ into a chic Olivetti branch, and speaks for itself.A, B ‘Media Buildings’ photographed at Night Photographs such as these accentuate Schwanzer’s ability to create using light: The shops and boutiques he converted were designed to radiate their cleverly illuminated spaces onto the evening streets. The grande dame of domestic architectural photography at the time, Lucca Chmel (1911–99), was particularly good at emphasizing this staging of light in her pictures, accentuating it with additional lighting for interior shots.8 The many nighttime photographs of shop façades from around 1950 demonstrate that Schwanzer deliberately conceived them to be ‘media buildings’.9 In addition to steel, concrete, and glass, light was an essential, albeit immaterial, building material for him. The name of the business, emblazoned in neon lights above the shop window, was always an integral part of the design. Generally, such buildings were intentionally photographed in the dark. Schwanzer also relied on the impact of illuminated advertising when redesigning several small cinemas, something he probably became aware of in 1950 during his first trip to the United States for the Chicago World’s Fair: Striking light architecture had enabled a ‘Modernism of the night’ 10 to emerge in the large cities there. Night shots are considered the epitome of urbanity; the effect of these brightly lit shops, boutiques, and cinema façades in the sinister atmosphere of post-war Vienna must have been impressive.C, D Constructing using the effects of light and translucency also plays an important role in The Buildings and Their Images

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wirkten imagebildend für eine neue Österreich-Identität nach der NS-Zeit und dem Krieg. Fotoaufnahmen waren bei diesen Großausstellungen nicht nur fixer Teil des Gebauten; über „Echte Photographien“ in Form von Bildpostkarten wurden auch deren Architekturen beworben, wie im Falle von ‚Dienst am Volk‘ und auf der Expo 1958 in Brüssel. Auch für begleitende Broschüren und die Berichterstattung wurden die Bauten umfassend fotografisch dokumentiert, teils im Auftrag Schwanzers, teils durch lokale Agenturen. Die Bildpolitik der amerikanischen Besatzer Prägend für Karl Schwanzer wie für die allgemeine gesellschaftspolitische Dynamik wirkte nach 1945 der Kulturtransfer der alliierten Besatzer.12 Insbesondere die Amerikaner bedienten sich eines umfassenden Organisationsapparats, um über Ausstellungen, Messeauftritte, Radio, Film und Printmedien ihre Werte zu vermitteln; der Historiker Reinhold Wagnleitner fasste diese ideologische Kulturmission treffend unter dem Schlagwort der ‚Coca-Colonisation‘.13 Wien wurde durch seine geopolitische Lage damals zum Brennpunkt des Kalten Krieges, die offensive Mediatisierung seitens der US -Besatzungsmacht sollte eine visuelle Gegenwelt zum Kommunismus etablieren. Wie groß die Affinität Karl Schwanzers zur transatlantischen Moderne war, zeigt etwa seine Teilnahme an der Tagung der Society of Industrial Designers im Juni 1954 in New York.14 Als Architekt, der für seine Bauten häufig die Möbel, Handläufe und Türgriffe entwarf, setzte er sich vehement für die Gründung des Österreichischen Instituts für Formgebung ein. Seine selbst designten Sessel und Türbeschläge ließ er zur Abbildung in Fachzeitschriften stets fotografisch dokumentieren.E Die professionelle Bildpolitik der Amerikaner, ihre Ambition in Sachen Layout und Gestaltung, blieb sicher nicht ohne Eindruck auf Karl Schwanzer. Die sogenannte Pictorial Section des Information Services Branch (ISB) produzierte für die österreichischen Zeitungen und Magazine kostenlos lokale Bilder; unter der Leitung von Yoichi R. Okamoto (1915–85) erfuhr die heimische Pressefotografie ab 1948 eine entschiedene Modernisierung.15 Okamoto war bis zu seiner Abberufung 1954 auch in der Wiener Kunstszene aktiv und fertigte eindringliche Porträts von Künstlern und Architekten an; Karl Schwanzer fotografierte er Anfang der 1950er-Jahre in dessen Atelier. In der vom Designer Carl Auböck (1900–57) organisierten Wechselausstellung ‚Schöpferisches Österreich‘ wurden diese Künstlerporträts zusammen mit Aufnahmen des jeweiligen Werks gezeigt, eine dieser Schaufensterpräsentationen war Karl Schwanzer gewidmet.F Porträts des Architekten Über die Jahre ließ sich Schwanzer wiederholt von renommierten Fotografinnen und Fotografen porträtieren – verlangt die Presse schließlich immer nach Bildern der Person hinter einem Bau. Franz Hubmann (1914–2007), damals versiertester Wiener Vertreter der Life-Reportagefotografie, lichtete 376

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Schwanzer’s trade show pavilions and exhibition designs. The fact that he always considered the nighttime view of his designs is demonstrated in photographs of the Austrian Pavilion model for the 1958 Brussels World’s Fair: The miniature building could be lit up from the inside with the push of a button. There are also several night shots of the Expo pavilion, taken by Viennese photographer Maria Wölfl (1907–87) on location for Schwanzer. The collaboration with Wölfl lasted much longer than with Chmel; he hired her repeatedly over the course of almost 20 years, and she took many of the photographs of his most famous buildings. These nighttime images probably initiated a kind of feedback loop, inspiring Schwanzer’s future designs. The images were also well suited for advertising: For example, the relatively austere WIFI institute building in Vienna (1963) became the cover photo for a trade magazine when illuminated from within.11 Building with Pictures Ingenious lighting design is also characteristic of the exhibition and trade show designs from Schwanzer’s early years. But what equally catches the eye in these filigree constructions made of scaffolding elements are panels with photographic motifs integrated into the architecture. These room designs, which were carried by an instructional impulse and visualized the characteristics of economically significant products, were often created in collaboration with graphic artist and stage designer Georg Schmid (1928–98). As agents of progress, such shows of achievement displayed the contemporary world in a lively way; these major post-war exhibitions had immense significance to the self-image of the young Second Republic. It was no accident that the spectacular staging of the 1951 Vienna Trade Fair, with craftsmen demonstrating their skills on site, earned Schwanzer recognition from the highest ranks. The following year, when the Ministry of Commerce organized a fair on the rebuilding of the Austrian economy called ‘Dienst am Volk’ [Service to the People] at the Vienna Künstlerhaus, he projected a ‘constructivist’ wall of pictures onto the façade of the Gründerzeit building, advertising the exhibition of which it was also a part. Panels with photographs were spanned into the scaffolding wall with a visually dynamic effect, showcasing symbols of domestic economic power; the photography functioned as part of the modernist communication design. At trade fairs abroad, on the other hand, emphasis was placed on tourism advertising, with Schwanzer often integrating large photo posters conveying positive images of Austria into his pavilion designs. Participation in world fairs in particular, and above all the one in Brussels in 1958, served the purpose of representing the nation’s self-image, with the pavilion architectures acting as an image-building factor in creating a new Austrian identity after the Nazi era and the war. Photographs were not only a fixed part of the structures at these large exhibitions: Their architecture was also advertised by “Real Photographs” on picture postcards, as in the case of the ‘Dienst am Volk’ exhibition and at the 1958 Expo in Brussels. The buildings were The Buildings and Their Images

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E Maria Wölfl, Türbeschläge, Wien, 1950er-Jahre Maria Wölfl, door fittings, Vienna, 1950s

F US Information Service, Pictorial Section, Ausstellungsansicht‚ ,Schöpferisches Österreich‘, Architekt Karl Schwanzer, Wien 1952 oder später US Information Service, Pictorial Section, ‘Creative Austria’ exhibition, Architect Karl Schwanzer, Vienna, 1952 or later

G Maria Wölfl, Porträt Karl und Hilda Schwanzer mit ihren Söhnen Berthold und Martin, Wien 1952 Maria Wölfl, portrait of Karl and Hilda Schwanzer with sons Berthold and Martin, Vienna, 1952

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also extensively documented in photographs for various accompanying brochures and news reports, sometimes on behalf of Schwanzer, sometimes by local agencies. The Image Policies of the American Occupiers The cultural transfer of the Allied occupying forces after 1945 had a formative influence on Karl Schwanzer as well as the overall socio-political dynamics of Austria.12 The Americans in particular made use of the comprehensive organizational apparatus to convey their values through exhibitions, trade fair appearances, radio, film, and print media. Historian Reinhold Wagnleitner aptly summed up this ideological cultural mission with the buzzword ‘coca-colonization’.13 Due to its geopolitical position, Vienna became the focal point of the Cold War at the time, and the US occupying power’s media offensive had the goal of establishing a visual counter-world to Communism. The extent of Schwanzer’s affinity with transatlantic Modernism is shown, for example, by his participation in the Society of Industrial Designers conference in New York in June 1954.14 As an architect who often also designed the furniture, handrails, and door handles of his buildings himself, he enthusiastically supported the founding of the Austrian Institute of Design. He consistently had his self-designed armchairs and door fittings documented in photographs for use in specialist magazines.E The professional image policies of the Americans, their ambition in terms of layout and design, certainly did not fail to make an impression on Schwanzer. The so-called Pictorial Section of the Information Services Branch (ISB) produced local images for Austrian newspapers and magazines free of charge. Led by Yoichi R. Okamoto (1915–85), this initiated a decisive modernization of domestic press photography from 1948 onwards.15 Up until his withdrawal in 1954, Okamoto was also active in the Viennese art scene, making vivid portraits of various artists and architects, as well as photographing Schwanzer in his studio in the early 1950s. In the temporary exhibition ‘Schöpferisches Österreich’ [Creative Austria] organized by designer Carl Auböck (1900–57), these artist portraits were shown together with photographs of their work; one shop window presentation was dedicated to Karl Schwanzer.F Portraits of the Architect Over the years, Schwanzer often had his portrait made by renowned photographers—after all, the press was always asking for pictures of the person behind the building. Franz Hubmann (1914–2007), at the time the most accomplished Viennese proponent of human-interest photography took pictures of him on site shortly after the Brussels Expo pavilion was converted into the Museum of the 20 th Century in 1962. Barbara Pflaum (1912–2002),16 a leading figure in her profession, came to his studio for a portrait session. The informal images typical of her style probably reveal The Buildings and Their Images

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ihn kurz nach der Adaptierung des Brüsseler Expo-Pavillons als Museum des 20. Jahrhunderts (1962) ebendort ab. Barbara Pflaum (1912–2002),16 einst führende Vertreterin ihres Metiers, kam für eine Porträtsession zu ihm ins Atelier. In den für sie typischen ungezwungenen Bildern blitzt Karl Schwanzers Wesen wohl am ehrlichsten durch. Solche Büroaufnahmen, teils auch mit Leuten aus Schwanzers Team, wurden zwecks Eigenwerbung in Prospekten publiziert. Viel mehr aber noch als das eigene Porträt vermitteln das Büro und das Wohnhaus eines Architekten etwas über diesen. Dementsprechend ließ Karl Schwanzer sein 1962 erbautes Domizil in der Hawelgasse mehrmals umfassend dokumentieren. Eine dieser Serien geht auf Maria Wölfl zurück; bereits 1952 hatte sie Schwanzers Atelier sowie seine erste, mit selbst entworfenen Möbeln bestückte Wohnung in der Hockegasse fotografiert. Bei dieser Gelegenheit entstanden auch sorgsam arrangierte private Porträts der jungen Familie.G Auch die renommierte deutsche Architekturfotografin Sigrid Neubert (1927–2018) 17 dokumentierte Schwanzers Privathaus im Auftrag der Zeitschrift Schöner Wohnen. Fotografien im Arbeitsprozess Doch auch aus ganz pragmatischen Gründen griff Karl Schwanzer auf das Medium Fotografie zurück: Frisch aufgeschlossene Parzellen wurden von ihm oder seinen Mitarbeitern ebenso abgelichtet wie der Fortgang des Baus; teils liegen auch monatliche Baudokumentationsfotos mit einbelichteter Datumsangabe vor. Manche Aufnahmen von Stahlkonstruktionen und Trägerelementen entfalten sogar eine eigene ästhetische Wirkung; aufgrund ihrer technischen Faszination wurden Baustellen- und Industriefotografien seit dem späten 19. Jahrhundert mit visueller Modernität assoziiert. Die spektakuläre Errichtung des Münchner Bürohochhauses für BMW verlangte geradezu nach einer professionellen Dokumentation: Über drei Jahre hinweg – vom Baubeginn 1970 bis zur Einweihung 1973 – begleitete Sigrid Neubert mit ihrer Kamera das rasante Wachsen des Verwaltungsbaus. Durch ein innovatives Hubverfahren wurden im Wochentakt die an den Trägerarmen des Hochhauskerns hängenden vorgefertigten Geschoße nach oben gezogen. Diesem bautechnischen Leuchtturmprojekt ist eine eigene Buchpublikation gewidmet; die beeindruckenden Bilder zeugen nicht zuletzt von Schwanzers Hang zur Inszenierung.18 Daneben diente die Fotografie im Architekturbüro damals noch zur Reproduktion von Zeichnungen und Plänen – massentaugliche Kopiergeräte kamen schließlich erst in den 1960er-Jahren auf.H Auch Modelle wurden für Wettbewerbe und für die Presse abgelichtet. In allen diesen Fällen gibt das fotografische Bild jeweils andere, für die Architektur konstitutive Medien wieder. In Modellaufnahmen unterschiedliche Beleuchtungen und Hintergründe durchzuspielen war häufig ein Teil des Arbeitsprozesses; mitunter weisen die Abzüge Beschnittmarken und Kommentare von Karl Schwanzer auf.I, J Zur Visualisierung mancher Vorhaben, wie des am Karlsplatz 380

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H Maria Wölfl, Reproduktion einer Zeichnung des OECD-Pavillons in Brüssel, 1956 Maria Wölfl, reproduction of a sketch of the OECD pavilion in Brussels, 1956

I, J Photo Meyer, Modell Einfamilienhaus Brasília, Wien 1969 Photo Meyer, model of a single-family home in Brasília, Vienna, 1969

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K Lucca Chmel, Gewerbeausstellung 1951, Rückseite mit Anmerkungen und Beschnittmarken, Wien 1951 Lucca Chmel, 1951 Trade Fair, back with notes and trim marks, Vienna, 1951

L Schautafel für den deutschen Pavillon auf der Expo in Osaka 1970 mit Fotografien und Filmrolle, 1967 Display board for the German pavilion at the Osaka Expo 1970 with photos and film reel, 1967

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Schwanzer’s character most candidly. Such office photos, some with members of Schwanzer’s team, were used in brochures for self-promotion. However, the home and office of an architect convey even more about them than their own portrait. Accordingly, Karl Schwanzer had his 1962 residence on Hawelgasse documented in detail multiple times. One of these series can be traced back to Maria Wölfl; she had photographed Schwanzer’s studio and first apartment on Hockegasse, furnished with furniture he had designed himself, as early as 1952. Carefully posed private portraits of the young family were also taken on this occasion.G Renowned German architectural photographer Sigrid Neubert (1927–2018) 17 documented Schwanzer’s private home for the magazine Schöner Wohnen. Photographs of the Work Process Karl Schwanzer also employed photography for several very pragmatic reasons: He and his employees photographed freshly developed lots, as well as construction progress. In some cases, monthly construction photos printed with the date are available. Some images of steel structures and support elements even developed their own aesthetic effect, with technical fascination leading to the association of construction site and industrial photos with the aesthetics of Modernism since the late nineteenth century. The spectacular construction of the Munich office tower for BMW almost screamed for professional documentation: Over the course of three years— from the start of construction in 1970 to the building’s inauguration in 1973 —Sigrid Neubert followed the rapid growth of the administrative building with her camera. Using an innovative lifting process, the prefabricated floors were hung each week from the support arms of the tower core and raised up into place. A separate book is dedicated to this beacon of structural technology, with the impressive images also serving as testimony to Schwanzer’s penchant for staging.18 In the architecture office, photography was also still used at that time to replicate drawings and plans—after all, copiers suitable for mass production did not appear until the 1960s.H Models were also photographed for competitions and for the press. In each of these cases, the photograph depicts a different type of media, all of which are constitutive for architecture. Running through different lighting and backgrounds in model shots was often part of the work process, and the prints sometimes include Schwanzer’s trim marks and comments.I, J To visualize some projects, such as the office building on Karlsplatz planned for IBM , he created simple montages using photographs of the Karlskirche and his own hand-drawn sketches. The backsides of many of the prints in Schwanzer’s archive testify to this practical use: Photo editor notes on trimming, image size, and rasterization of the motif are proof that a photograph has been published.K The company stamp and the additional hectographed notes affixed to the back after 1970 reveal the effort made to organize the constantly growing photo archive. The Buildings and Their Images

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geplanten Bürogebäudes für IBM, erstellte er aus fotografierten Ansichten der Karlskirche und eigenen Handskizzen einfache Montagen. Von solcherart handfestem Gebrauch zeugen auch die Rückseiten vieler der Abzüge in Schwanzers Archiv: Vermerke der Bildredaktion bezüglich Beschnitt, Abbildungsgröße und Rasterung des Motivs belegen, dass eine Fotografie publiziert worden ist.K Die Atelierstampiglie und die ab 1970 zusätzlich dazu rückseitig aufgeklebten hektografierten Zettel vermitteln das Bemühen um eine Ordnung dieses fortwährend wachsenden Fotoarchivs. Projizierte Fotografien und Film In den 1960er-Jahren zeigte sich international die Tendenz, Medienbauten zu konzipieren und Architektur mit Lichtbildern zu bespielen.19 Den vorläufigen Höhepunkt bildete die Expo 1967 in Montréal, für die Karl Schwanzer den österreichischen Pavillon entwarf. Hier zeichnete er als Architekt auch für den Inhalt der Schau verantwortlich, ein Teil des Inneren des kristallinen Baus wurde durch die von ihm erdachte Multimedia-Show ‚Austro-Vision‘ belebt.20 Diese Schau, die das Publikum in Tausende projizierte Dias tauchen ließ, in ein Panorama repräsentativer, großteils historischer ÖsterreichBilder,21 wurde in ihrer Wirkung zuvor an einem Modell simuliert; Farbfotografien davon dienten wohl zur Bewerbung dieses Events. Auch für das im Jahr darauf geplante Projekt ‚Vindobona 2000‘, eine Ausstellung über die Entwicklung der Stadt Wien in den vorangegangenen 50 Jahren, dachte Schwanzer ein „audiovisuelles Environment“22 an. Für diese Schau plante er eine temporäre Überbauung des Donaukanals nahe der Schwedenbrücke; im Inneren der Konstruktion sollten bewegliche Projektoren Filme auf sphärische, pneumatische Oberflächen werfen. In einem speziellen Versuchsraum wurden an einem relativ großen Modell Projektionen mit diversen Apparaten durchgeführt, um den für das Vorhaben engagierten Drehbuchautoren und Regisseuren eine Idee von der Vorführtechnik zu vermitteln.23 Diese Probeläufe wurden bildlich dokumentiert; ein Satz Farbfotografien zeigt die fast psychedelische Wirkung dieser medialen Architekturbespielung. Den Verantwortlichen der Stadt allerdings schien das Vorhaben letztlich doch zu gewagt – aus der Tageszeitung Die Presse musste Karl Schwanzer im Frühjahr 1968 erfahren, dass man sich für eine andere Form von Ausstellung entschieden und sein Projekt gecancelt hatte.24 Was dieses Beispiel zeigt, ist, dass Schwanzer bei temporären Architekturen immer aus dem Vollen schöpfte und Erlebnisräume konzipierte, die alle Sinne ansprachen. Die Konfrontation mit den kühnen Projekten seiner Studierenden an der TH war ihm dabei sicherlich ein kreatives Antriebsmittel. Als ein der Architektur dienendes Medium kann Film aber noch andere Funktionen übernehmen.25 Das Gesamtwerk von Karl Schwanzer demonstriert nicht zuletzt auch die Bandbreite der Begegnungsmöglichkeiten zwischen Architektur und Film. Nicht nur, dass er bereits in seine frühen Messebauten Kojen für Filmprojektionen integrierte und den Brüsseler Pavillon 1958 mit einem Kino versah. Mit Filmsequenzen leistete er auch Über384

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Projected Photos and Film In the 1960s, there was an international trend towards conceiving media buildings and staging light images on architecture.19 A preliminary highlight of this was the 1967 Expo in Montréal, for which Schwanzer designed the Austrian pavilion. Here, as the architect, he was also responsible for the content of the showpiece, and he devised the ‘Austro-Vision’ multimedia show to bring life to the interior of the crystalline building.20 The effect of this show, which immersed the audience in thousands of projected images, mostly historic pictures of Austria,21 was first simulated in a model, color photographs of which were likely also used to promote the event. The following year, Schwanzer also considered an ‘audiovisual environment’ for the ‘Vindobona 2000’ project, an exhibition on the development of the City of Vienna over the previous 50 years.22 He planned a temporary superstructure over the Danube Canal near the Schwedenbrücke bridge for the show. Within the construction, mobile projectors would cast movies onto spherical, pneumatic surfaces. Projections using various devices were carried out on a relatively large scale in a special test room in order to give the scriptwriters and directors involved in the project an idea of the projection technology needed.23 These test runs were also documented in images; a set of color photographs shows the almost psychedelic effect of the media architecture show. The project was, however, ultimately deemed too daring by city administrators—in the spring of 1968 Schwanzer discovered via the daily newspaper Die Presse that a different form of exhibition had been selected and his project thus canceled.24 This example demonstrates that, when designing temporary architecture, Schwanzer always drew from all available resources in order to conceive experiential spaces that appealed to all senses. Being confronted with the bold projects of his students at the TH was certainly a driving creative force for him. However, in the service of architecture, film is also able to take on other functions.25 Karl Schwanzer’s entire oeuvre demonstrates not least the wide range of possibilities for architecture and film to come together. Not only did he integrate film projection booths into his early trade fair buildings and include a cinema in the Brussels Pavilion as early as 1958, he also used film sequences to showcase his projects. His design for Germany’s Expo pavilion in Osaka in 1970 was presented as display panels showing photographs of the organically shaped model along with a 16-mm color film.26, L Karl Schwanzer clearly did not shy away from self-marketing; strategically clever, he was able to switch between presentation media in order to find the most convincing. He achieved a particular coup in the run-up to the construction of the BMW ensemble in Munich, when the invited competition did not result in a clear winner. In order to win the contract, he built—at his own expense—a 1:1 model of a quarter of a planned floor of the tower in the Bavaria Studios, complete with actors and extras simulating the atmosphere of the open-plan The Buildings and Their Images

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zeugungsarbeit für seine Projekte. Seinen Entwurf für den deutschen ExpoPavillon in Osaka 1970 gab er in Form von Schautafeln mit Fotografien des organoiden Modells und einem 16 mm-Farbtonfilm ab.26, L Eine Scheu vor Selbstvermarktung hatte Karl Schwanzer sichtlich nicht; strategisch clever konnte er zum jeweils überzeugendsten Medium der Darstellung wechseln. Ein besonderer Coup sollte ihm im Vorfeld der Errichtung des Münchner BMW-Ensembles gelingen: Um den Auftrag dafür letztlich zu lukrieren – aus dem geladenen Wettbewerb war kein klarer Sieger hervorgegangen –, ließ er auf eigene Kosten in den Bavaria-Studios das 1:1 Modell einer ViertelHochhausetage bauen und mit Schauspielerinnen und Statisten die Atmosphäre im Großraumbüro simulieren. Hatten sich die Entscheidungsträger sein Projekt eines Verwaltungsbaus mit runden Büroräumen nicht recht vorstellen können, so überzeugte sie die Funktionsvorführung im begehbaren Modell sofort vollends; noch am selben Tag wurde der Beschluss zur Auftragserteilung gefasst.27 Nach dieser ‚filmreifen‘ Präsentation wurde in dem Setting noch ein wenige Minuten langer Präsentationsclip 28 auf 35 mm produziert. Auch das reale Architekturensemble – längst eine Ikone – diente dann seinerseits als Kulisse, 1975 wurden im BMW-Hochhausturm und im avantgardistischen BMW Museum daneben Szenen des US -amerikanischen Science-Fiction-Films Rollerball gedreht. In ihrer Gesamtheit zeigen die Fotografien und Filmaufnahmen in Karl Schwanzers Archiv nicht nur, dass er selbst nolens volens eine Medienfigur war (Bilder von Vorträgen, Konferenzen und Events belegen seine gute lokale wie internationale Vernetzung). Die Analyse der visuellen Dokumente seines Schaffens demonstriert vor allem, dass er von Anfang an stets medienreflexiv an seine Sache ging und sich in seinem Tun zahlreicher ‚Medien der Architektur‘ geschickt bediente. 1 Wolfgang Sonne (Hg.), Die Medien der Architektur, München 2011. Dieser Tagungsband bietet eine profunde Übersicht über die zentralen Darstellungsweisen der Architektur und deren mitunter komplexe Überschneidung. 2 Vgl. Rolf Sachsse: Bild und Bau. Zur Nutzung technischer Medien beim Entwerfen von Architektur (Bauwelt Fundamente Bd. 113), Braunschweig, Wiesbaden 1997, S. 45–52. 3 Vgl. Hubert Locher, „Zur Einführung: Fotografie als Darstellungs-, Entwurfs- und Gestaltungsmedium der Architektur im 20. und 21. Jahrhundert“, in: Ders., Rolf Sachsse (Hg.), Architektur Fotografie. Darstellung – Verwendung – Gestaltung (Transformation des Visuellen, Bd. 3), Berlin, München 2016, S. 9–22. 4 Vgl. Andreas Nierhaus, „Moderne Architektur und Fotografie um 1900. Zum Beispiel Otto Wagner und Adolf Loos“, in: Hubert Locher, Rolf Sachsse, Architektur Fotografie, S. 112–130, hier S. 113.

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5 Einen anschaulichen Überblick über Karl Schwanzers Werdegang gibt der anlässlich seines 100. Geburtstags publizierte Comic: Benjamin Swiczinsky, Schwanzer – Architektur aus Leidenschaft. Drei Jahrzehnte Architekturund Zeitgeschichte, hg. von Martin Schwanzer, Text und dramaturgische Beratung von Max Gruber, Basel 2018. 6 Vgl. Abigail Solomon-Godeau, „Who Is Speaking Thus? Some Questions about Documentary Photography“, in: Dies., Photography at the Dock. Essays on Photographic History, Institutions, and Practices, Minneapolis, MN 1991, S. 169–183. 7 Vgl. Franz Gangelmayer, Karl Schwanzer. Die frühen Jahre des Architekten von Weltruf, Salzburg 2020. In dieser der Studien- und Militärzeit Karl Schwanzers während des NS-Regimes gewidmeten Untersuchung kommen auch seine ersten beruflichen Aktivitäten in den Nachkriegsjahren zur Sprache. 8 Vgl. Gabriele Hofer, Lucca Chmel. Architekturfotografie 1945–1972. Zur Repräsentation österreichischer Nachkriegsmoderne im fotografischen Bild (Angewandte Kulturwissenschaften Wien Bd. 4), Wien 2006.

office. If the decision-makers had not quite been able to envision his project of an administrative building with round offices, they were immediately wholly convinced by the functional demonstration of the walk-in model. They awarded him the contract that very same day.27 After this dramatic presentation, a 35-mm informational film was produced in the setting.28 The actual architectural ensemble — long an icon — was then also used as a movie backdrop. In 1975, scenes for the science fiction film Rollerball were shot in the BMW tower and the avant-garde BMW Museum right next to it. Taken in their entirety, the photographs and film footage found in Schwanzer’s archive not only show that he himself was, nolens volens, a media personality (pictures of lectures, conferences, and other events testify to his strong local and international networks). Above all, an analysis of the visual documentation of his oeuvre demonstrates that, from the very beginning, Karl Schwanzer consistently approached his work in a way that was reflective of various media and then skillfully implemented the numerous ‘media of architecture’ into his work. 1 Wolfgang Sonne (ed.), Die Medien der Architektur, Munich 2011. This conference transcript provides a profound overview of the primary means with which architecture is represented and the sometimes complex ways they overlap. 2 See Rolf Sachsse: Bild und Bau. Zur Nutzung technischer Medien beim Entwerfen von Architektur (Bauwelt Fundamente, Vol. 113), Braunschweig, Wiesbaden 1997, pp. 45–52. 3 See Hubert Locher, “Zur Einführung: Fotografie als Darstellungs-, Entwurfs- und Gestaltungsmedium der Architektur im 20. und 21. Jahrhundert”, in: Hubert Locher, Rolf Sachsse (eds.), Architektur Fotografie. Darstellung – Verwendung – Gestaltung (Transformation des Visuellen, Vol. 3), Berlin, Munich 2016, pp. 9–22. 4 See Andreas Nierhaus, “Moderne Architektur und Fotografie um 1900. Zum Beispiel Otto Wagner und Adolf Loos”, in: Hubert Locher, Rolf Sachsse, Architektur Fotografie, pp. 112–130, here p. 113. 5 A vivid overview of Karl Schwanzer’s career is presented in the comic strip published in honor of his 100 th birthday: Benjamin Swiczinsky, Schwanzer—Architect. Visionary. Maestro. Three Decades of Architectural and Contemporary History, edited by Martin Schwanzer, with text and dramatic advice by Max Gruber, Basel 2018. 6 See Abigail Solomon-Godeau, “Who Is Speaking Thus? Some Questions about Documentary Photography”, in: Id., Photography at the Dock. Essays on Photographic History, Institutions, and Practices, Minneapolis, MN 1991, pp. 169–183. 7 See Franz Gangelmayer, Karl Schwanzer. Die frühen Jahre des Architekten von Weltruf, Salzburg 2020. This research work is dedicated to Karl Schwanzer’s time as a student and in the military during the Nazi regime and also discusses his early professional activities during the post-war period. 8 See Gabriele Hofer, Lucca Chmel. Architekturfotografie 1945–1972. Zur Repräsentation österreichischer Nachkriegsmoderne im fotografischen Bild (Angewandte Kulturwissenschaften Wien, Vol. 4), Vienna, 2006.

The Buildings and Their Images

9 Rolf Sachsse, “moderne grüße — modern gegrüßt. Bildpostkarten als Multiplikatoren des Neuen Bauens”, in: Kirsten Baumann, Rolf Sachsse (eds.), moderne grüße. Fotografierte Architektur auf Ansichtskarten 1919–1939, Stuttgart 2004, pp. 183–211, here p. 203. 10 Dietrich Neumann, “Film und Licht. Neue Medien in der Architektur und die Architektur als Medium”, in: Wolfgang Sonne, Die Medien der Architektur, pp. 99–130, here p. 120. 11 Der Bau, Vol. 18, 1963, No. 4. In a later issue of the magazine, Karl Schwanzer remarked that the Philips company headquarters, built in 1964 at the southern entrance to Vienna: “is especially dramatic when fully lit up at night”, in: Der Bau, Vol. 20, 1965, No. 11, p. 35. 12 See Monika Platzer, Cold War and Architecture. The Competing Forces that Reshaped Austria After 1945, exhibition catalogue, Architekturzentrum Wien, Vienna 2019. This publication contextualizes, for the first time, the building activity and actors of post-war Austria in the Cold War discourse. 13 Reinhold Wagnleitner, Coca-Colonization and the Cold War: The Cultural Mission of the United States in Austria after the Second World War, Chapel Hill, London, 1994. 14 He undertook this two-week study trip, which he financed himself, as the “leading industrial designer of Austria”. See Monika Platzer, Cold War and Architecture, p. 165; Karl Schwanzer, “Entwerfen für die Produktion (industrial design)”, typescript, 6 July 1954, Karl Schwanzer Archive, Wien Museum. 15 See Marion Krammer, Margarethe Szeless, “‘Let’s hit the reorientation line every time we can!’ Amerikanische Bildpolitik in Österreich am Beispiel der Pictorial Section“, in: Medien & Zeit. Kommunikation in Vergangenheit und Gegenwart. Special issue: Alliierte Bildpolitik in Österreich 1945–1955, Vol. 32., 2017, No. 1, pp. 4–33.

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9 Rolf Sachsse, „moderne grüße – modern gegrüßt. Bildpostkarten als Multiplikatoren des Neuen Bauens“, in: Kirsten Baumann und ders. (Hg.), moderne grüße. Fotografierte Architektur auf Ansichtskarten 1919–1939, Stuttgart 2004, S. 183–211, hier S. 203. 10 Dietrich Neumann, „Film und Licht. Neue Medien in der Architektur und die Architektur als Medium“, in: Wolfgang Sonne, Die Medien der Architektur, S. 99–130, hier S. 120. 11 Der Bau, 18. Jg. 1963, Nr. 4. Auch über den 1964 errichteten Firmensitz von Philips an der südlichen Stadteinfahrt Wiens bemerkte Karl Schwanzer in einer anderen Nummer dieses Magazins: „In voller Beleuchtung wirkt der Bau bei Nacht besonders effektvoll“, in: Der Bau, 20. Jg. 1965, Nr. 11, S. 35. 12 Vgl. Monika Platzer, Kalter Krieg und Architektur. Beiträge zur Demokratisierung Österreichs nach 1945, Ausst.-Kat. Architekturzentrum Wien, Wien 2019. In dieser Publikation werden erstmals das Baugeschehen und die Akteur_innen im Nachkriegsösterreich im Diskurs des Kalten Krieges kontextualisiert. 13 Reinhold Wagnleitner, Coca-Colonisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik Bd. 52), Wien 1991. 14 Diese von ihm selbst finanzierte zweiwöchige Studienreise unternahm er als „leading industrial designer of Austria“, vgl. Monika Platzer, Kalter Krieg und Architektur, S. 165; Karl Schwanzer, „Entwerfen für die Produktion (industrial design)“, Typoskript, 6. Juli 1954, Karl Schwanzer Archiv, Wien Museum. 15 Vgl. Marion Krammer, Margarethe Szeless, „‚Let’s hit the reorientation line every time we can!‘ Amerikanische Bildpolitik in Österreich am Beispiel der Pictorial Section“, in: Medien & Zeit. Kommunikation in Vergangenheit und Gegenwart. Themenheft: Alliierte Bildpolitik in Österreich 1945–1955, 32. Jg. 2017, Nr. 1, S. 4–33. 16 Vgl. Wolfgang Kos (Hg.), Photo: Barbara Pflaum. Bildchronistin der Zweiten Republik, Ausst.-Kat. Wien Museum, Wien 2006. 17 Vgl. Frank Seehausen, Sigrid Neubert. Architekturfotografie der Nachkriegsmoderne, Ausst.-Kat. Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin (Hg. Ludger Derenthal), München 2018. 18 Karl Schwanzer (Hg.), Entscheidung zur Form. Monographie eines Baus, Wien, München 1973. 19 Auf der Expo 1967 in Montréal waren in fast allen Pavillons Kurzfilme zu sehen; auf mehrere Leinwände verteilte Projektionen galten als besondere Attraktion. Von ‚Ausstellungsmedien‘ war allgemein auch im Zuge der Weltausstellung 1970 in Osaka die Rede, wo teils avancierte Techniken der Bilderprojektion audiovisuelle Erlebnisräume schufen.  Vgl. Das Werk, 57. Jg. 1970, Nr. 11, S. 726. 20 Vgl. Ulrike Felber, Elke Krasny, Christian Rapp, „Austrovisionen. Österreich auf der Weltausstellung Montréal 1967“, in: Dies., Smart Exports. Österreich auf den Weltausstellungen 1851–2000, Wien 2000, S. 158–171, hier S. 167 f. 21 Die Bildauswahl basierte wesentlich auf dem 1963 erschienenen Band Imago Austriae von Otto Schulmeister und Johann Christoph Allmayer-Beck, der mit zahlreichen Fotografien von Erich Lessing ausgestattet ist. 22 Brief Karl Schwanzer an Helmut Krebs, Informationsdienst der Magistratsdirektion Wien, 27. Oktober 1967. Ich danke Mirko Pogoreutz für seinen Hinweis auf den Aktenlauf zu diesem Projekt.

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23 „Chronologischer Arbeitsablauf für die Bearbeitung des Entwurfes für die Ausstellung Vindobona 2000“, Typoskript, Oktober 1968, Karl Schwanzer Archiv, Wien Museum. 24 Brief Karl Schwanzer an Stadtrat Kurt Heller, 7. Mai 1968, Karl Schwanzer Archiv, Wien Museum. 25 Vgl. Dietrich Neumann, „Film und Licht“. 26 Martin Schwanzer wies mich im Zuge mehrerer Gespräche 2018/19 darauf hin, ihm sei an dieser Stelle für Vieles gedankt. 27 „Programm für die Besichtigung des Modells Prof.  Schwanzer im Bavaria-Filmstudio in München Geiselgasteig, Halle 4/5 am 2. 12. 1968“, 28. November 1968; „Niederschrift über die gemeinsame Sitzung von Aufsichtsrat, Beirat und Vorstand vom 2. Dezember 1968“, Typoskripte; „Bayerische Motorenwerke AG München Verwaltungsgebäude, Funktionsvorführung Geiselgasteig, 2. Dezember 1968“, Dossier, Karl Schwanzer Archiv, Wien Museum. Dank an Mirko Pogoreutz für die Übermittlung dieser Dokumente. Die Demonstration des Modells war als ‚performative‘ Inszenierung angelegt: Durch zweimaligen Umbau der Kulisse wurden drei verschiedene Raumvarianten im Rundbau mit geraden bzw. leicht gekrümmten Wänden vor Augen geführt. 28 Karl Schwanzer Archiv, Wien Museum.

16 See Wolfgang Kos (ed.), Photo: Barbara Pflaum. Bildchronistin der Zweiten Republik, exhibition catalogue, Wien Museum, Vienna 2006. 17 See Frank Seehausen, Sigrid Neubert. Architekturfotografie der Nachkriegsmoderne, exhibition catalogue, Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin (ed. Ludger Derenthal), Munich 2018. 18 Karl Schwanzer (ed.), Entscheidung zur Form. Monographie eines Baus, Vienna, Munich 1973. 19 At the 1967 Expo in Montréal, short films were shown in almost every pavilion, with projections distributed across several screens as a special attraction. “Exhibition media” was also a general topic of interest at the 1970 World Exhibition in Osaka, with advanced image projection techniques that created audiovisual experience spaces. See Das Werk, Vol. 57, 1970, No. 11, p. 726. 20 See Ulrike Felber, Elke Krasny, Christian Rapp, “Austrovisionen. Österreich auf der Weltausstellung Montréal 1967“, in: Id., Smart Exports. Österreich auf den Weltausstellungen 1851–2000, Vienna 2000, pp. 158–171, here p. 167 f. 21 The selected photos were primarily based on the 1963 book Imago Austriae by Otto Schulmeister and Johann Christoph Allmayer-Beck, which includes numerous photographs by Erich Lessing. 22 Letter from Karl Schwanzer to Helmut Krebs, Information Service of the City of Vienna Administration, 27 October 1967. I would like to thank Mirko Pogoreutz for pointing me towards the series of files on this project. 23 “Chronologischer Arbeitsablauf für die Bearbeitung des Entwurfes für die Ausstellung Vindobona 2000”, typescript, October 1968, Karl Schwanzer Archive, Wien Museum. 24 Letter from Karl Schwanzer to City Councilor Kurt Heller, 7 May 1968, Karl Schwanzer Archive, Wien Museum. 25 See Dietrich Neumann, “Film und Licht”. 26 In the course of several conversations in 2018/19, Martin Schwanzer pointed this out to me, and I would like to take this opportunity to thank him for all he has done. 27 “Programm für die Besichtigung des Modells Prof. Schwanzer im Bavaria-Filmstudio in München Geiselgasteig, Halle 4/5 am 2. 12. 1968”, 28 November 1968; “Niederschrift über die gemeinsame Sitzung von Aufsichtsrat, Beirat und Vorstand vom 2. Dezember 1968”, typescripts; “Bayerische Motorenwerke AG München Verwaltungsgebäude, Funktionsvorführung Geiselgasteig, 2. Dezember 1968”, dossier, Karl Schwanzer Archive, Wien Museum. (Thank you Mirko Pogoreutz for providing these documents.) The demonstration of the model was designed as a staged ‘performance’: By rebuilding the scenery twice, three different room variants in the round building, with straight and slightly curved walls, were presented. 28 Karl Schwanzer Archive, Wien Museum.

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Der Durchbruch des Designs Karl Schwanzer und das Österreichische Institut für Formgebung Charlotte Blauensteiner Karl Schwanzer hat für die Entwicklung des Designs – und des Designbewusstseins – in Österreich eine bedeutende Rolle gespielt. Um das Ausmaß seines Wirkens abschätzen zu können, muss man sich die allgemeine Situation vor 50 Jahren vergegenwärtigen. Unmittelbar nach Kriegsende bestand ein Bedarf nach den allernötigsten Gebrauchsgegenständen. Dieser Bedarf musste zunächst gedeckt werden, was oft unter unzulänglichen Produktionsbedingungen und mit mangelhaften Materialien geschah. Erst allmählich, mit einer gewissen Sättigung des Marktes und dem Aufkommen von Konkurrenz wurde der Gestaltung mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Der Begriff ‚Design‘ war damals unbekannt, bestenfalls ein Fremdwort. Manche kannten ihn aus Amerika, wo Design hauptsächlich als ein Mittel zur Absatzsteigerung gesehen wurde. In Europa gab es von Anfang an andere Tendenzen. Man definierte (Industrial) Design als sinnvolle Gestaltung von Serienprodukten, die nach funktionellen, ökonomischen und ästhetischen Gesichtspunkten befriedigende Lösungen bot; man wollte den Menschen also qualitätvolle und brauchbare Produkte in die Hand geben. Eine durch und durch idealistische Sicht, die zum Teil auf die Vorstellungen des Deutschen Werkbunds (gegründet 1907) und sein österreichisches Pendant (bestehend seit 1912) zurückging und den Entwerfern die Verantwortung für die Gestaltung der Umwelt übertragen wollte. In Deutschland wirkten dabei die Ideen des Bauhauses nach, jener 1919 von Walter Gropius gegründeten umfassenden Ausbildungsstätte mit höchsten Ansprüchen. Die Industrie und ihre führenden Akteure konnten allerdings nur mit Mühe zur Zusammenarbeit gewonnen werden, die Gewinnoptimierung blieb naturgemäß immer das oberste Ziel. Weder wurden damals vorausschauende Überlegungen über erschöpfbare Ressourcen noch über ökologische Faktoren angestellt. Aufgegriffen wurde das Thema Design oder – wie man damals noch sagte, die ,Formgebung‘ (ein steifes und lehrhaft anmutendes Wort) – zunächst von Architekten, die das Fehlen entsprechender Erzeugnisse feststellten und zum Teil selbst Entwürfe lieferten, wobei sie in Österreich mit den bestehenden Traditionen konfrontiert waren. Das war vor allem das Handwerk, offiziell vertreten durch Klein- und Mittelbetriebe unter der Bezeichnung ,Gewerbe‘. Hier kam es zum ersten entscheidenden Irrtum, nämlich dass man Anregungen fast nur auf dem Gebiet des Ästhetischen suchte und immer wieder das Vorbild der Wiener Werkstätte ansprach. Dabei wurde übersehen, dass gerade sie als Zusammenschluss von (Kunst-)Handwerksbetrieben eine abgehobene und schichtenspezifisch begrenzte Klientel bediente, die letztlich noch immer auf der Suche nach einem neuen ,Stil‘ war und nach 390

The Breakthrough of Design Karl Schwanzer and the Austrian Institute of Design Charlotte Blauensteiner Karl Schwanzer played a significant role in the development of design— and design awareness—in Austria. To understand the true extent of his influence, one must look at the overall situation in Austria 50 years ago. Immediately following the end of the war, there was a great need for the most basic of commodities. This demand was the first to be met, often under inadequate production conditions and using poor materials. Only gradually, as the market reached a certain level of saturation and competition emerged, was more attention paid to design. At the time, the word “design” was almost entirely unknown, an unfamiliar foreign word. Some people were familiar with it in the context of America, where design was seen primarily as a means of increasing sales, but the trends in Europe were different from the very beginning. Industrial design was defined as the meaningful creation of serially manufactured products that satisfied functional, economic, and aesthetic needs. In other words, the aim was to provide people with high-quality and useful products. This was a thoroughly idealistic point of view, based in part on the ideas of the Deutscher Werkbund (founded in 1907) and its Austrian counterpart, the Österreichischer Werkbund (established in 1912), both of which sought to give designers the responsibility of shaping the environment. In Germany, the ideas of the Bauhaus, the comprehensive educational institute with very high standards founded by Walter Gropius in 1919, had a lasting impact. However, industry and its leaders could be persuaded to cooperate only with great difficulty, as maximizing profits remained their top priority. At the time, no advance consideration was given to ecological impacts or the use of limited resources. The subject of design—or, as it was still called in German at the time, Formgebung (a stiff and bookish term)—was first adopted by architects, who, noticing a lack of adequate products, sometimes began creating designs themselves. In Austria, though, they were often confronted with the deep roots of established tradition particularly in the craft sector, officially called Gewerbe, or trade, and made up of small and medium-sized enterprises. This is where the first crucial error was made, as inspiration was sought almost exclusively in aesthetics and the model of the Wiener Werkstätte was repeatedly upheld. In doing so, the fact was overlooked that the Wiener Werkstätte, an association of artisanal and crafting enterprises, served a high-end, class-specific clientele, one ultimately still in search of a new ‘style’ and which disappeared after the First World War. This backwardlooking attitude resulted in a lack of attention to industrial development. Missteps of this sort were understandable, especially for the decision-makers, 391

dem Ersten Weltkrieg unterging. Diese rückwärtsgewandte Einstellung führte dazu, dass man der industriellen Entwicklung zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Derartige Irrtümer sind naturgemäß gerade bei Entscheidungsträgern verständlich, da einerseits ein gewisses kreatives Potenzial (auch bei den Herstellern) vorhanden war und man die Notwendigkeit und Möglichkeit für eine verbesserte Gestaltung vor allem auf dem Gebiet des Wohnens und Einrichtens sowie bei den Gegenständen das unmittelbaren Bedarfes sah. Was in der Zwischenkriegszeit – nicht zuletzt bedingt durch die triste wirtschaftliche Lage – praktisch aus dem Bewusstsein verschwunden war, wirkte also beim ,Neubeginn‘ nach 1945 immer noch nach, als man daranging, eine zeitgemäße Produktion ins Leben zu rufen. Dies war zugleich die Wurzel eines bis heute nicht völlig gelösten Konfliktes. Anregung aus den USA In dieser Situation kommt Karl Schwanzer ins Bild. Er hatte 1954 im Zuge eines Stipendienaufenthaltes in den USA die Designthematik kennengelernt und sofort erkannt, dass dieses Thema in Zukunft immer wichtiger werden würde, und ihm war klar, dass man sich in Österreich damit auseinandersetzen werde müssen. Er überlegte sogar eine Zeitlang, Design zum Thema einer Habilitationsschrift zu machen; dies allerdings wurde durch seine Berufung zum Ordentlichen Hochschulprofessor im Jahr 1959 überholt. Als Architekt kam er sehr früh mit der Problematik in Berührung, und zudem hatte er ein Gespür dafür, wo anzusetzen war. Als günstig erwies sich, dass sich Schwanzer in diesen Jahren einen Namen aus Ausstellungsgestalter machte, vor allem durch die Gewerbeausstellung 1951. Er hatte erfasst, dass die Gestaltung großer Schauen ein neues Medium der internationalen Selbstdarstellung war und damit zunehmend eine Rolle im wirtschaftlichen Wettbewerb spielte. Die Hervorhebung qualitätvoller Produkte war in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor, und dafür mussten zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden – denn allzu viele Firmen gab es nicht, die derartige Vorstellungen teilten. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit Schwanzers Beauftragung für den Bau des österreichischen Pavillons für die Weltausstellung in Brüssel 1958. Diese Ausstellung war ein Signal: Die Präsentation wirtschaftlicher Potenz war mit der Visualisierung kultureller Leistungen verknüpft. Ziel war es, das jeweilige Land zu repräsentieren, ja es wurde geradezu eine Welle nationaler Präsentationen ausgelöst, deren Durchführung bis in die 1970er-Jahre in den Händen von Gestaltern lag, dann allerdings zunehmend in den Wirkungsbereich der Werbung wechselte. Dabei ging es nicht nur um den Bau eines Pavillons, sondern auch um die Einrichtung und die Auswahl der Exponate, die – zumindest bei der Weltausstellung 1958 – stark zeichenhaft war (eine riesige Magnesitkugel stand für den Bergbau etc.). Hier wiederum hatten sich die Erfahrungen von den Triennalen in Mailand, ursprünglich stark auf Architektur und Kunsthandwerk ausgerichtete internationale Veranstaltungen, niedergeschlagen; auch dort wurde immer mehr Industrie392

Der Durchbruch des Designs

in light of the creative potential that was there, among manufacturers as well. At the same time, there was a clear need for improved design in furnishings and everyday conveniences, especially in the domestic realm. Things that had practically disappeared from consciousness during the inter-war period—not least due to the dismal economic situation— nonetheless continued to influence the ‘new beginning’ of 1945, when contemporary production methods were being established. This became the root of a conflict that has not been entirely resolved to this day. Inspiration from the USA This was where Karl Schwanzer came into the picture. He had become acquainted with the subject of design in 1954 while briefly studying in the USA on a scholarship and immediately realized that the topic would only grow in importance as the years passed. It was clear to him that Austria would likewise have to address the issue. For a time, he considered writing a postdoctoral thesis on design, but his appointment as a full university professor in 1959 sidelined this goal. As an architect, he encountered the topic quite early, and he also had a feel for finding a good starting point. The fact that Schwanzer had made a name for himself as an exhibition designer over the years, particularly with the 1951 trade fair, proved beneficial. He understood that designing large shows was the new medium of international self-expression, one that also played an increasing role in economic competition. The highlighting of quality products was an important factor in this, although the groundwork first had to be laid, for relatively few companies shared such ideas. This development reached its peak when Schwanzer was commissioned to build the Austrian pavilion for the 1958 World’s Fair in Brussels. The exhibition was a signal: The demonstration of economic potency was tied to a visualization of cultural achievements. The aim was for each individual country to represent itself, triggering a wave of national presentations. Implementing these plans remained in designers’ hands into the 1970s, after which it was increasingly shifted into the advertising realm. However, it was not just about constructing a pavilion, it was also about furnishing it and selecting its exhibits, which—at least for the 1958 World Expo—were highly symbolic (a huge magnesite sphere, for example, represented the mining industry). In this way, the experience gained at the Milan Triennials, which were originally international events with a strong focus on architecture and the crafts, had a great impact; there, too, industrial design was increasingly integrated. Schwanzer came into direct contact with the manufacturing industry through his choice of products, in which the government commissioner gave him free rein. However, he felt compelled to design many of the products, such as the pavilion’s furnishings, himself. A later opportunity to further expand his design activities presented itself in the 1967 World Expo in Montréal, where Schwanzer again built the pavilion for Austria. By then, Austrian product design was being highlighted, The Breakthrough of Design

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design integriert. Schwanzer kam also durch die Auswahl der Produkte (bei der ihm der verantwortliche Regierungskommissär freie Hand ließ) unmittelbar in Beziehung zur produzierenden Wirtschaft; andererseits sah er sich veranlasst, einiges selbst zu entwerfen, wie die Bestuhlung des Pavillons. Ein späterer Anlass, die Designaktivitäten weiter zu entwickeln, war die Weltausstellung 1967 in Montréal, wo Schwanzer erneut für Österreich baute. Dort wurden die österreichischen Erzeugnisse bereits bewusst durch ihr Design hervorgehoben, das zunehmende Interesse der Wirtschaft an der Werbewirkung war eklatant, wodurch die Auswahl stark erweitert wurde, gelegentlich jedoch das Niveau gedrückt. Die Gründung des Instituts Parallel zu den im Zuge der Architekturaufträge anfallenden Aktivitäten verfolgte Schwanzer in Hinblick auf Design aber noch einen zweiten Weg: die Institutionalisierung. In einigen Ländern Europas entstanden in den frühen 1950er-Jahren Vereinigungen, die sich mit Design befassten: In England wählte der Council of Industrial Design einen sehr pragmatischen Weg auf breiter Basis und fand starke Resonanz seitens der Industrie. In Deutschland – und das war das unmittelbare Vorbild für Schwanzer – war es der Rat für Formgebung, eine Institution, die in starker Bindung an und Förderung durch die Industrie rasch an Beachtung gewann. Damals waren es noch die Stahlmagnaten wie Krupp, die das Thema aufgriffen; allerdings blieb dort später der Einfluss der Industrie mitunter zu groß. Die Geschäftsführerin des Rats für Formgebung war die legendäre Mia Seeger, und hinter ihr stand ein Freundeskreis mit Beziehungen zu Mies van der Rohe, Max Bill und anderen. Charakteristikum der dort geförderten ,Industieformgestaltung‘ war Reduktion, Nüchternheit, Strenge – und diese Tendenzen wurden durch die 1955 gegründete Hochschule für Gestaltung in Ulm maßgeblich verstärkt; sie prägte für die nächsten Jahrzehnte die Vorstellung vom ,typisch deutschen Design‘, von Präzision und Funktionalität. Schwanzer erkannte, dass die Konzentration auf die industrielle Produktion besonders wichtig war: Hier lagen die großen Chancen für eine Entwicklung. Dabei hatte er weniger die Steigerung des Absatzes vor Augen als jene der Qualität – was trotz gegenteiliger Behauptungen nicht immer identisch ist. Jedenfalls wurde durch diese Zielvorstellung auch die Figur des Designers, genauer: des Industrial Designers interessant – als Experte, der durch seine Planung und Beratung den (nach dem Prototyp-Stadium nicht mehr entscheidend veränderbaren) Prozess der Serienfertigung bestimmte. Das Ziel auch hier: Produkte, die durch Funktion, Aussehen und ökonomische Planung höchsten Ansprüchen sowohl der Hersteller als auch der Konsumierenden genügten. Schwanzer bemühte sich nun einerseits, staatliche Institutionen in Österreich für das Thema zu interessieren, das heißt, den Kontakt mit Ministerien und Kammern aufzunehmen, aber auch die Wirtschaft direkt einzubinden. Der Weg war mühsam, doch es gab Fortschritte, wenngleich 394

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thanks to the business community’s increasing interest in the impact of advertising. This greatly expanded the available selection, but the level of quality sometimes suffered in return. Founding the Institute Parallel to everything that arose from his architectural commissions, Schwanzer also pursued a second path with regard to design: institutionalization. In the early 1950s, design associations emerged in several European countries. In England, for instance, the Council of Industrial Design chose a highly pragmatic, broad approach, which was met with a strong response from industry. In Germany, which was Schwanzer’s direct model, the Rat für Formgebung [German Design Council], an institution with strong ties to the industrial sector supportive of its goals, quickly gained recognition. At that time, it was the steel magnates like Krupp who picked up on the topic, establishing an industry influence that in some cases remained too great. The managing director of the German Design Council was the legendary Mia Seeger, whose circle of friends had connections to Mies van der Rohe, Max Bill, and others. The industrial design promoted there was characterized by reduction, sobriety, and precision— tendencies significantly reinforced by the Ulm School of Design, founded in 1955. In the decades to come, this shaped the idea that ‘typical German design’ was precise and functional. Schwanzer recognized that this focus on industrial production was particularly important, representing the greatest opportunities for development. In this, he envisioned not so much an increase in sales as an increase in quality—two things which are not always related. In any case, such an objective also made the role of designer—or, more precisely, industrial designer—more interesting: that of an expert who, by providing planning and advice, would establish serial production processes (something which cannot be fundamentally changed after the prototype stage). The goal here was the same: Products that would meet the manufacturer and the consumer’s highest standards in function, appearance, and economic planning. Schwanzer then tried to interest Austrian governmental institutions in the topic; he attempted to establish contact with ministries and chambers of commerce and to involve the business community directly. Though the road was arduous, he did make progress, although it soon became apparent that the industry and trade sectors had very different ideas. Strangely enough, the aforementioned nostalgia for the Wiener Werkstätte dominated in the industry sphere, where it really had no counterpart. In any case, the first industrial representatives that Schwanzer won over were all fixated on this line of thought, and not a single speech was made in which the Wiener Werkstätte, Adolf Loos, and Josef Hoffmann were not lumped together like peas and carrots. Just as entrenched was the desire for ‘typically Austrian’ design. Nevertheless, the basic idea was met with interest, and Schwanzer set about finding a form for it. The Breakthrough of Design

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sich die unterschiedlichen Vorstellungen von Industrie und Gewerbe sehr bald abzeichneten. Merkwürdigerweise dominierte die erwähnte nostalgische Rückbesinnung auf die Wiener Werkstätte gerade in der Industrie, wo sie nun wirklich keine Entsprechung fand. Die ersten Vertreter der Industrie, die Schwanzer gewann, waren jedenfalls alle auf diese Denkrichtung fixiert, und es gab keine Rede, in der nicht die Wiener Werkstätte, Adolf Loos und Josef Hoffmann wie Kraut und Rüben in einen Topf geworfen wurden. Ebenso unausrottbar war der Wunsch nach einem ,typisch österreichischen‘ Design. Dennoch, in ihren Grundzügen stieß die Idee auf Interesse, und Schwanzer machte sich daran, eine Form dafür zu finden. Als rechtliche Konstruktion bot sich ein Verein an, damals die beste Möglichkeit, in den Genuss von staatlichen Subventionen zu kommen, ohne Steuer zu zahlen. Nach einigen Versuchen Mitte der 50er-Jahre, die nicht genug Unterstützung fanden, kam mit Schwanzers Auftritt auf der Weltausstellung in Brüssel der Durchbruch. Er wurde als Autorität anerkannt, seine Tun verhalf ihm zu den nötigen Kontakten. Noch im selben Jahr, 1958, hatte das Proponentenkomitee die Gründung beschlossen, die Anmeldung bei der Vereinsbehörde war erfolgt, und somit konnte die konstituierende Sitzung für das Österreichische Institut für Formgebung (ÖIF ) stattfinden. Die Bezeichnung ,Design‘ hatte man bewusst vermieden, da sie niemandem etwas sagte. Vereinszweck war die Information der Öffentlichkeit, die Zusammenarbeit mit der produzierenden Wirtschaft, die Förderung der Ausbildung von Designern und deren Vermittlung an die Betriebe sowie die Durchführung entsprechender Veranstaltungen wie Ausstellungen, Diskussionen, Exkursionen und Wettbewerbe. Mitglieder waren sowohl Firmen wie Designer. Die Subventionsgeber – das Handelsministerium, die Wirtschaftskammern und die Industriellenvereinigung – waren in den Lenkungsgremien vertreten. Die Anfänge waren bescheiden. Zunächst gab es nur eine Geschäftsführerin, die im Atelier Schwanzer einen kleinen Tisch besetzte. Nach einigen Monaten zog das Institut in das sogenannte Gewerbehaus um, Schwanzer bezahlte drei Monate hindurch die Miete aus eigener Tasche, bis die entsprechenden Abmachungen erledigt waren. Er selbst wurde zum Präsidenten gewählt, blieb es aber nur etwa ein Jahr. Als er diese Funktion zurücklegte, tat er es unfreiwillig, auf Betreiben der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. Dort hatte man Interesse daran, dass die Leitung in Händen eines „Mannes der Wirtschaft“ lag – eine Maßnahme, die einen Konfliktstoff bot, der die Geschichte des Institutes bis zu seiner Auflösung 1998 beeinflussen sollte. Sicherlich ging dabei manches verloren, das Schwanzer noch hätte errreichen können, doch er dachte in größeren Kategorien. Er stand dem Institut weiter zur Verfügung, konzentrierte seine Bemühungen aber auf bestimmte Aspekte. Es ging ihm nicht um Prestige, und auch Verwaltungsaufgaben interessierten ihn wenig. Zu den größeren Zielen zählte vielmehr die Ausbildung der Designer. Als Ordentlicher Professor an der TH Wien hatte er die Möglichkeit, das auch in Fachkreisen noch immer vernachlässigte 396

Der Durchbruch des Designs

At the time, establishing the legal structure of a registered society was the best way to benefit from state subsidies without having to pay taxes. After a few attempts in the mid-1950s that failed to gather sufficient support, Schwanzer’s appearance at the World’s Fair in Brussels provided the breakthrough he needed. After that, he was recognized as an authority, and his activities helped him establish contacts. That same year, 1958, the Proponents Committee decided to found an association, official registration was completed, and the inaugural meeting of the Austrian Institute of Design (ÖIF ) was held. The word design had been deliberately avoided, as nobody quite knew what it meant. The purpose of the association was to inform the public, collaborate with the manufacturing industry, promote the training of designers and help place them with companies, and organize events such as exhibitions, discussions, excursions, and competitions. Members included companies and designers alike. The subsidy providers— the Ministry of Commerce, the Chambers of Commerce, and the Federation of Austrian Industries were represented on the steering committees. The beginnings were modest. At first, there was only a single general manager, who had a small desk at Atelier Schwanzer. After a few months, the institute moved into what was called the House of Commerce, with Schwanzer paying the lease out of his own pocket for three months before it was possible to make other arrangements. Schwanzer himself was elected president, but remained in the position for only about a year. He resigned from the position not voluntarily, but at the request of the Federal Chamber of Commerce. At the Chamber, they favored management by  “a man of business”—a measure that provided a steady source of conflict that continued to influence the institute until it was dissolved in 1998. Some things that Schwanzer could have achieved were certainly lost due to the change, but he was thinking bigger. Although he remained at the institute’s disposal, he began to focus his efforts more narrowly. He was not concerned with prestige, and administrative tasks likewise held little interest for him. Rather, training designers was one of his greater goals. As a full professor at the Vienna Technical University, he had the opportunity to focus on the topic of design, something still neglected today even in expert circles, and to correct erroneous ideas. The international contacts mentioned above led to the ÖIF ’s membership in the International Council of Societies of Industrial Design (ICSID), where Schwanzer long served as a board member in various positions. The Vienna ICSID Congress Almost single-handedly, Schwanzer succeeded in inviting the 4th biannual ICSID Congress to take place in Vienna in 1965, a tremendous feather in Austria’s cap; it was only decades later that Germany managed to do the same. Not least because of this, the international reputation of Austrian design grew far greater abroad than in Austria itself. It took considerable effort and personal commitment to raise additional funding and to The Breakthrough of Design

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Thema Design zur Sprache zu bringen und unrichtige Vorstellungen zu korrigieren. Die schon erwähnten internationalen Kontakte führten dazu, dass das ÖIF Mitglied bei der internationalen Vereinigung der Designverbände wurde, dem International Council of Societies of Industrial Design (ICSID), wo Schwanzer längere Zeit in verschiedenen Positionen als Board Member fungierte. Der Wiener ICSID-Kongress Im Alleingang gewissermaßen gelang es ihm, 1965 den 4. ICSID Kongress – die Kongresse fanden im Zweijahresrhythmus statt – nach Wien einzuladen, ein großer Prestigegewinn für Österreich (Deutschland gelang dies erst Jahrzehnte später). Man kann ruhig behaupten, dass nicht zuletzt dadurch das internationale Ansehen des österreichischen Designs im Ausland weitaus höher war als in Österreich selbst. Es bedurfte einiger Anstrengung und großen persönlichen Einsatzes, um die zusätzlichen Mittel aufzubringen sowie wichtige Persönlichkeiten zur Teilnahme zu gewinnen. Die Liste der Vortragenden vereinigte alle, die damals im Design eine Rolle spielten – nicht zuletzt deswegen, da sie sich persönlich dafür eingesetzt hatten: Sir Paul Reilly, Josine des Cressonnières, Misha Black und Graf S. Bernadotte, der Bruder des schwedischen Königs, um nur einige zu nennen. Es war gemessen an späteren Veranstaltungen ein ,kleiner‘ Kongress mit etwa 600 Teilnehmern, aber doch eine Gelegenheit, die Vorzüge Wiens als Kongressstadt gebührend herauszustellen Dabei war die Organisationsbasis bescheiden: Tagungsort waren das WIFI in Wien sowie das Palais Liechtenstein, im dortigen Garten wurde das Österreichische Design Center mit einer Ausstellung eröffnet (in einer eigens von Carl Auböck gebauten temporären Halle). Dieser Ort war auf Betreiben der geldgebenden Behörden gewählt worden, weil hier das Bauzentrum seinen Sitz hatte. Die Zusammenarbeit erwies sich in der Folge nicht eben als glücklich, da völlig unterschiedliche Ziele auf einen Nenner gebracht werden sollten. Schwanzer gab diesem Kongress ein ,Gesicht‘, ein sehr österreichisches zumal: Mit Würstelessen auf der Eingangsstiege im WIFI und einem Besuch beim Heurigen vermied er eine allzu hochgestochene Atmosphäre. Bedeutende Vertreter des Kultur- und Wirtschaftslebens vermochte er dazu zu bringen, Kongressteilnehmer in ihre Wohnungen einzuladen. Sein wesentlicher Beitrag war, die gesamte Vorbereitungszeit hindurch unermüdlich als treibender Motor zu wirken. Das war auch nötig, denn personell standen für diese Arbeit nur die beiden Angestellten des ÖIF zu Verfügung, in der akuten Phase unterstützt von einigen Hostessen. Allerdings schaltete Schwanzer, wenn nötig, auch sein eigenes Büro ein. Karl Schwanzer als Designer In all diesen Jahren wurde Schwanzer auch immer wieder selbst als Designer tätig, natürlich in jenem Bereich, der ihm aus seiner Berufspraxis zugänglich war. Er entwarf Sitzmöbel für den Expo-Pavillon in Brüssel, Türklinken für 398

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attract the participation of important personalities. The list of lecturers united everybody who played a role in design at the time, particularly those who were personally committed to it: Sir Paul Reilly, Josine des Cressonnières, Misha Black, and Count Sigvard Bernadotte, brother of the king of Sweden, to name a few. Compared to later events, the conference was small, with about 600 participants, but it provided an opportunity to highlight Vienna’s significant advantages as a congress location. Nonetheless, the organizational infrastructure was modest: The conference venues included the WIFI in Vienna and the Palais Liechtenstein, where an exhibition by the Austrian Design Center was held in the gardens, in a temporary venue specially designed by Carl Auböck. This location was chosen at the request of the funding authorities because the building center was located there. As a result, the collaboration proved to be not particularly happy, as completely different goals had to be reduced to a common denominator. Schwanzer gave this congress a very Austrian ‘face’: By creating an atmosphere in which participants could dine on sausages on the WIFI’s entrance stairs and visit a local wine tavern, he kept things from becoming overly pretentious. He was able to persuade important representatives of Austria’s cultural and economic life to invite congress participants to their private homes. Above all, his most significant contribution was his tireless work throughout the preparations, which was as much a driving engine as it was essential; only two ÖIF employees were available for all the work, supported by a few helpers during the active phase. When necessary, Schwanzer also called on his own employees. Karl Schwanzer as Designer Over the years, Schwanzer himself was also active as a designer, naturally in the field of his professional practice. He designed seating for the Expo pavilion in Brussels, door handles for various buildings, and similar items— often inspired by his need for something that was unavailable on the market. He had the same uncomplicated relationship to design as the designers of the first hour. Much of what was much later complicated by the delays of scientific research and careful examination was, at the time, not a problem— one just did it. Of course, these architect-designers were not designing for mass production and were also unaware of mass production’s economic constraints. In the years that followed, Schwanzer’s time and energy were increasingly devoted to his major architectural projects, culminating in the Munich headquarters for BMW. However, he never completely lost sight of design. When, on occasion, he attended the institute’s meetings, his judgment was unbiased, sometimes unreservedly honest, and spot on. He was no longer interested in holding a formal position. He had set something in motion, and that was enough; other tasks were waiting for him now. Nonetheless, the very fact that the concept of design had been introduced and was being discussed in Austria was undoubtedly thanks to him. The Breakthrough of Design

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verschiedene Bauten und dergleichen – immer dann, wenn er etwas brauchte und es am Markt nicht fand. Es war dies jenes unkomplizierte Verhältnis der Designer der ersten Stunde zum Entwerfen. Vieles, was später wissenschaftlich untersucht und durchleuchtet wurde, war damals noch kein Problem, man machte es einfach. Natürlich aber muss man bedenken, dass diese Architekten-Designer nicht für die Massenproduktion arbeiteten und wirtschaftliche Zwänge der großen Serie nicht kannten. Schwanzers Zeit und Arbeitskraft wurde in den darauffolgenden Jahren immer stärker durch seine großen Architekturprojekte in Anspruch genommen, gipfelnd in der Münchner Unternehmenszentrale für BMW. Aber er verlor das Thema Design nie völlig aus den Augen. Selten nahm er an den Sitzungen teil, doch wenn er es tat, war sein Urteil unvoreingenommen, manchmal rückhaltlos aufrichtig und treffend. An Vereinsfunktionen war ihm nicht mehr gelegen. Er hatte etwas in Bewegung gesetzt, das war genug, andere Aufgaben warteten auf ihn. Dass jedoch der Begriff Design in Österreich eingeführt und diskutiert wurde, war zweifellos sein Verdienst. Heute ist das Verständnis von Design ein grundlegend anderes, Lifestyle und Werbung sind dafür die treibenden Kräfte. Eine Auseinandersetzung aus historischer Sicht muss der Bedeutung Karl Schwanzers gerecht werden – hat er doch, jenseits von Moden und Abhängigkeiten, einem wichtigen Bereich schöpferischer Gestaltung zum Durchbruch verholfen. Bislang unveröffentlichter Text aus dem Jahr 2006. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Familie Blauensteiner.

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Today, the general understanding of design is fundamentally different, primarily driven by the forces of lifestyle and advertising. Nonetheless, a historical perspective must do justice to Karl Schwanzer’s significance in this regard—after all, he helped an important field of creative design to emerge in Austria that goes far beyond fashions or allegiances. This piece, written in 2006, appears in print here for the first time with the kind permission of the Blauensteiner family.

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Gespräche mit Kollegen Eines der Vorhaben, die Martin Schwanzer initiierte, war die Produktion eines Films über seinen Vater. Für diesen Film zu Karl Schwanzer hat der Autor und Regisseur Max Gruber über 15 Interviews geführt, unter anderem mit den Architekten Rüdiger Lainer, Heinz Neumann, Laurids Ortner, Boris Podrecca und Wolf D. Prix. Auszüge daraus sind im Folgenden wiedergegeben. Das zusätzliche, eigens für dieses Buch aufgezeichnete Gespräch mit Timo Huber hat Mirko Pogoreutz moderiert. Neben den Genannten waren noch einige andere Personen aus dem Arbeitsumfeld Karl Schwanzers angefragt, aus verschiedenen Gründen kamen diese Interviews jedoch nicht zustande.

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Conversations with Colleagues One of the projects Martin Schwanzer initiated was the production of a film about his father, for which author and director Max Gruber conducted more than 15 interviews with such architects as Rüdiger Lainer, Heinz Neumann, Laurids Ortner, Boris Podrecca, and Wolf D. Prix, among others. Excerpts from these conversations have been selected here. Further, an interview with Timo Huber, moderated by Mirko Pogoreutz, was recorded especially for this book. Several other people from Karl Schwanzer’s working milieu were contacted but, for various reasons, these interviews did not materialize.

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„Es war diese Öffnung zur Welt, zu Amerika“ Laurids Ortner im Gespräch

Wenn Sie den Namen Karl Schwanzer hören: Was sind Ihre ersten Gedanken oder Empfindungen   ? Max Gruber

Ganz persönliche, und zwar: seine imposante Gestalt, er war ja wirklich massig von seiner Figur her, aber dabei hatte er etwas Tänzerisches, eine Form von Beweglichkeit, die einen oft eingeschüchtert hat. Es war ganz eigenartig. Auch in seinem Verhalten war er so, sein Sprechen war zum Teil sehr reduziert und fast sarkastisch, aber immer kam dabei eine Form von Witz oder Bösartigkeit durch, die – im positiven Sinn – etwas von Helmut Qualtinger hatte. Diese Mischung war für ihn charakteristisch.

Laurids Ortner

In Ihrem Beitrag in Architektur aus Leidenschaft, „Der Tiger als Dirigent“,  haben Sie genau das in sehr schönen Sprachbildern beschrieben, diese unglaubliche Kraft, die er besessen haben muss. Das war auch das Markante an der ganzen Figur Schwanzer und am Ambiente, das er um sich geschaffen hat. Seine Lehrkanzel stand für einen komplett anderen Blick, von der Gestaltung und vom gesamten Zugang her, von der Sicht auf die Welt und vom Umgang mit ihr. Das war völlig anders als das, was in der ganzen Hochschule passierte. Aber auch außerhalb von ihr. Was war das Besondere, das seinen Ansatz ausgezeichnet hat  ? Für mich war es diese Öffnung nach außen – man hatte das Gefühl, jemand macht hier die Fenster und Türen auf und es kommt die große Welt herein. Damals in den Sechziger Jahren war die Musik, die hier zu hören war, heimatlich eingedampft, man kam aus dieser somnambulen Stimmung kaum heraus. Bei Schwanzer schwang immer so eine akustische Atmosphäre mit – nicht, dass es im Büro Musik gegeben hätte, – so ein glamouröses Rauschen. Es war diese Öffnung zur Welt, nicht zuletzt zu Amerika. Das war diametral entgegengesetzt zu dem gesättigt grauen Farbton des damaligen Wien. Schwanzer war ja auch sehr darauf bedacht, gut gekleidet zu sein; seinen Stil finde ich ehrlich gesagt toll.

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“It Was an Opening to the World, to America” Laurids Ortner in Conversation

When you hear the name Karl Schwanzer, what are your first thoughts or feelings  ? Max Gruber

Quite personal ones. His imposing shape, for example. He was really massive in terms of his size, yet he had a dancer-like quality about him, a form of agility that often intimidated you. It was quite peculiar. His behavior was like that, too. His speech was sometimes very minimal and almost sarcastic, but always bore a form of humor or even malice that—in a positive sense—was almost like that of Helmut Qualtinger. This combination of attributes was very characteristic of him.

Laurids Ortner

In your contribution to Architecture as a Passion, “A tiger-cum-conductor”  you described exactly that in very beautiful, descriptive terms. On the one hand, the incredible strength that he must have had. That was the striking thing about Schwanzer’s entire persona and the atmosphere that he created at the TH Vienna Technical University. His department represented a completely different viewpoint, in terms of design and overall approach, as well as on perspectives about the world, and on how to interact with it. It was completely different from what was happening anywhere in the university, or even outside of it. What was so special; what distinguished his approach  ? For me, it was the openness to the outside—you had the feeling that someone was opening the windows and doors and a great big world was coming in. Back then, in the 1960s, things were very different, the music we heard here was steeped in Austrian tradition, it was impossible to escape from this somnambulistic mood. When you got out into the world, especially to America, the first thing you noticed was the new music, and the acoustic atmosphere as a whole. And that was something that one could always sense resonating in Schwanzer—a glamorous tonality. Not that there was music playing in the office, but the feeling of opening up to the world. It was diametrically opposed to the saturated gray hues that existed in Vienna at that time. Schwanzer was also very careful about dressing well. Honestly, I think he had great style. 405

Ich kann mich an einen Pepita-Anzug erinnern, den er damals trug – das war ziemlich gewagt. Es war zwar nicht exotisch, aber es hatte einen gewissen Pfiff, es war ein anderer Ton, eine andere Luft, ein anderes Klima, was auch über seine Kleidung mit hereingekommen ist. Im Jahr 1964 eine Amerikareise für Studenten zu organisieren muss sehr außergewöhnlich gewesen sein. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit  ? Das war fulminant – ein Erlebnis, nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen, die davon gehört haben. Es war eigentlich unglaublich. Ich erinnere mich, dass man als Student 14.000 Schilling aufbringen musste, also über 1.000 Euro, damals nicht wenig Geld. Die Reise hat 30.000 oder 35.000 Schilling gekostet, den Großteil hat Schwanzer über Sponsoren eingebracht. Auch vom Finanziellen her war es großartig, wie dieses Unternehmen angegangen wurde. Und perfekt organisiert. Günther Feuerstein ist schon 14 Tage vorher die ganze Route abgefahren und hat die Reisegruppe dann abgeholt. Der Anteil der Studenten hat maximal die Hälfte ausgemacht, die andere Hälfte waren Assistenten und Lehrkräfte, jeder hat sich um einen Platz gerissen. Als Student musste man schon die erste Staatsprüfung abgelegt haben. Ich hatte sie nicht. Aber ich hatte an Schwanzers Gebäudelehre-Institut einen ersten Entwurf abzugeben. Für einen Flughafen in Graz. An die 50 Leute hatten in dem großen Hörsaal ihre Mappen auf Tischreihen hingelegt, und dann kam Schwanzer mit seinen Assistenten im Gefolge, um die Projekte zu beurteilen. Mein Projekt war inspiriert von dem damals revolutionären TWA-Flughafen von Eero Saarinen in New York. Eine organische Form, die selbst zum Flug abzuheben scheint. Unkorrekt fertigte ich für meinen Entwurf ein Modell im Maßstab 1:100 statt der geforderten 1:200. Da stand dann unter 50 kleineren Klötzen ein Riesenflieger. Auf meine Mappe schrieb Schwanzer flott ausladend mit blauer Ölkreide: „Sehr gut. So muss man vorgehen.“ Das war mein Ticket für die Amerikareise. Nachträglich kaufte Schwanzer noch drei kleine Federskizzen, Studien von Vogelknochen zu meinem Flughafen. Die hingen dann im Besprechungszimmer. Damals alles unglaublich, das Verhältnis zwischen Professoren und Studenten war noch sehr autoritär abgestuft und Schwanzer hatte einen natürlichen Instinkt für Macht. Diese Art von Macht hat er einen auch spüren lassen. Wenn er das Büro in der Seilergasse betrat, sind dort alle aufrecht gesessen. Er besaß offenbar eine sehr starke Autorität, die er aber mit einer unglaublichen Offenheit einzusetzen verstand. Ich habe bei Ihnen gelesen, dass er nicht so manisch und egozentrisch war wie andere Architekten, und dass er diese Offenheit sowohl in der Lehre wie auch in der Tätigkeit im Atelier an den Tag gelegt hat.

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Absolutely. I remember a Pepita suit he wore back then—actually quite daring. It wasn’t necessarily exotic, but it had a certain flair, a different tone, a different air, a different climate, which also came in through his style. Organizing a trip to America for his students in 1964 must have been an extraordinary event. What memories do you have of it  ? It was, of course, brilliant—an experience not only for us, but also for everyone else who even heard about it. It was actually incredible. I can still remember how, as a student, you had to come up with 14,000 shillings, now over 1,000 euros, which was quite a sum of money at the time. The trip cost 30,000 or 35,000 shillings per person, and Schwanzer funded a large part of it by finding and bringing in sponsors. From a financial perspective, it was phenomenal how the whole undertaking was approached. And perfectly organized. Günther Feuerstein drove the entire route 14 days ahead of time, and then picked us up. There were also several assistants and teachers in the group, students only made up half at most, everyone fought for a spot. I can still remember that I hadn’t actually fulfilled the qualifications for going; you had to have passed your first state examination. But I had already submitted a first draft in Schwanzer’s class—I think it was called Building Theory—for an airport in Graz. Around 50 people had set their portfolios down in a large lecture hall, and then Schwanzer would go through and evaluate them all with his assistants. I had thought long and hard about what to do in order to stand out from the crowd. My project was inspired by the TWA airport by Eero Saarinen in New York, a revolutionary concept and organic shape that, itself, seemed ready for take-off. We were supposed to submit a 1:200 scale model, but I made mine 1:100. In the midst of 50 small blocks stood my colossal model. Schwanzer went through and wrote, in big blue chalk, on my portfolio: “Very good. This is how to approach it.” This was my ticket for the America trip with his students. Afterwards, Schwanzer bought three small feather sketches, all studies of bird bones for my airport. He hung them in his office conference room. The approach was revolutionary at the time, the relationship between professors and students was still very authoritarian and professional, but of course Schwanzer had a natural instinct for power. He did indeed make you feel his power. When he came to the Seilergasse office, everyone up on the second floor would sit up straight. He obviously had very strong authority, but he knew how to use it with incredible openness. I read in your essay that he was not as manic and self-centered as other architects, that he showed this special openness both in his teaching and his studio work. He had a really great grasp of how to handle people. With some he was tougher than with others. I was lucky; he seemed to like me. From the very beginning, we had a certain mutual affection. He wrote me a surprisingly “It Was an Opening to the World, to America”

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Er hatte ein geniales Gespür dafür, wie er die Leute anpacken musste. Mit manchen war er schon härter. Ich hatte Glück, er mochte mich offenbar in irgendeiner Form. Von Anfang an war da eine gewisse gegenseitige Zuneigung. Als ich mit Haus-Rucker-Co nach Düsseldorf ging, schrieb er mir einen überraschend freundlichen Brief, wir waren dann per Du. Eine Auszeichnung, die er selten vergeben hatte. Sie schreiben in Ihrem Porträt auch, dass er zwei Gesichter hatte. Einerseits gab es diese unglaubliche Eleganz und Leichtigkeit, dann wieder war er der stürmende Bulle. Einmal der Solotänzer, dann wieder der Leadsänger. Naja, das hatte er alles drauf. Er hatte eine schauspielerische Ader, die er kultivierte. Plötzlich konnte er perfekt in einen anderen Ton fallen, um jemanden zu imitieren. Insgesamt war dieses Repertoire natürlich ein exzellentes Instrument, um die Leute am Zügel zu halten. Wie ein Dirigent, der den Einsatz gibt: Es muss jetzt fest getrommelt werden! Er war absolut besessen davon, dass sich hier etwas entwickelt, dass über den normalen Rand hinaus geht, und da war er auch sehr dahinter. Das zu spüren war im Grunde fantastisch. Gleichzeitig war das aber auch ein sehr professionell geführter Laden, bei aller Experimentierfreudigkeit. Mit dieser Professionalität war sein Büro ohne Frage das beste in Wien – und weit darüber hinaus. Was haben Sie aus dieser Zeit für sich persönlich mitgenommen und gewonnen  ? Auf jeden Fall diese Art der Offenheit, dieses Herangehen an Themen. Zu hören, was draußen passiert, das Aufnehmen und Miteinbeziehen des Trivialen. Nicht alles muss heroisch sein. Wichtiger ist zu fragen, wie das Leben draußen ausschaut, was dort eigentlich gebraucht wird und wie man darauf professionell, intelligent und kreativ antworten kann. Diese offene Arbeitsweise haben sie ‚diskursive Architektur‘ genannt. Karl Schwanzer hat den Leuten im Büro offenbar große Freiheiten in der Arbeit eingeräumt, gemeinsam wurden dann Ideen geknetet und man ist lange beisammen gesessen, hat lange gesprochen. War das auch der Alltag, den Sie erlebt haben  ? Ich war nur relativ kurz im Büro. Ursprünglich hatte ich ja gefragt, ob ich Assistent werden könnte. „Das ist nichts, an der Uni wird nur mit Platzpatronen geschossen“, so er. „Wenn man was machen will, muss man ins Büro.“ Ich war dann in der Zeit dort, als der Wettbewerb für BMW am Laufen war. Eine kleine Truppe für den Entwurf. Und tatsächlich zeichnete ich dann dieses Kleeblatt auf, das charakteristisch ist für den BMW-Büroturm. Alle Skizzen wurden aufgepinnt, und am Abend kam Schwanzer und hat geschaut: „Ist das wirklich schon ein Vierzylinder, und ist das nicht ein 408

„Es war diese Öffnung zur Welt, zu Amerika“

friendly letter when I went to Düsseldorf with Haus-Rucker-Co, and after that we were on a first-name basis. An honor that he rarely gave out. You also wrote in your portrait of him that he had two faces. On the one hand, there was this incredible elegance and lightness, but on the other, he was a raging bull. One time a solo dancer, and then the lead singer. Well, he had it all. He had an affinity for theater, and he cultivated it, it was a great quality of his. He could also fall perfectly into a different tone in order to imitate someone. All in all, of course, the repertoire was an excellent tool to keep people in check. Like a conductor who gives the signal: Now is the time to drum hard! He was absolutely obsessed with developing things that go beyond the normal limits, and he put a lot of effort into that. Experiencing this was absolutely fantastic. At the same time, his firm was also very professionally run, but with a great deal of willingness to experiment. This professionalism made his office, without question, the best architecture firm in Vienna—and far beyond. What did you personally take with you and gain from that time  ? Definitely the openness, his way of approaching topics. To listen to what’s happening outside, soaking everything up and including even the trivial details. Not everything has to be heroic. It’s more important to ask what life outside looks like on the outside, what is actually needed, and how you can respond to it professionally, intelligently, and creatively. They called this open method of working “discursive architecture”. Karl Schwanzer obviously gave the people in his office great freedom to do their work, then they would come together to mull over and massage the idea, sitting together for a long time, discussing for a long time. Is this how you experienced everyday operations  ? I actually only worked at the firm for a short time. I had originally asked him if I could be his teaching assistant. “That’s nothing,” he said, “at the university they only shoot blanks. If you want to do anything, you have to come to the office.” I was there when the competition for BMW was being designed. It was a small team for the design and proposal. And then I actually did find myself drawing this sort of four-leaf clover, characteristic of the BMW tower. We pinned all the sketches up, and in the evening Schwanzer came and looked: Is it really four cylinders, and isn’t that a bit heavy-handed  ? But, somehow, the solution stuck. Not that we had solved this design problem. But that was the way of working, and the actual machinery was then set in motion by Schwanzer. In order to convince the board of directors at BMW of his design, he had one floor of the tower built at Geiselgasteig film studios, at his own expense, with secretaries “It Was an Opening to the World, to America”

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bisschen platt  ?“ Aber die Lösung hat sich dann doch so festgesetzt. Also, nicht dass ich jetzt damit diese Entwurfsaufgabe gelöst hätte. Aber das war die Arbeitsweise, und die eigentliche Maschinerie wurde dann durch Schwanzer in Gang gesetzt. Um den Vorstand vom Entwurf zu überzeugen, ließ er ein Geschoß dann in Geiselgasteig aufbauen, auf eigene Kosten, mit Statisten und Sekretärinnen, die tippen mussten. Man konnte von dort durch die Fenster quasi auf München schauen. Kommen wir nochmals auf die Amerikareise zurück. Sie haben ja Notizen davon, und daneben gab es auch eine andere Studienreise, für die Karl Schwanzer die Kosten übernommen hat und bei der der Auftrag war, verschiedene Verwaltungsgebäude anzusehen. Außer dieser Amerikareise war ich nie mit Schwanzer unterwegs. Diese Amerikareise war eine Schleife von Chicago über Philadelphia und New York, eine Bandbreite von Gebäuden und Personen. Louis Kahn, Frederick Kiesler, Philipp Johnson, um nur drei herauszugreifen. Im Grunde genommen habe ich damals mehr gesehen, als in all den Jahren danach. Die Reise wurde im Nachhinein dokumentiert. Es gab ein spezielles Heft über Amerika, und jeder musste sich ein Spezialthema vorknöpfen. Ich hatte das Glück, dass ich aphoristisch einige Impressionen herauspicken konnte. Ein wenig an Hemingway angelehnte Kurzgeschichten. Insgesamt gab das eine sehr gute Mischung, und das war wieder typisch Schwanzer. Womit wir beim eingangs erwähnten Thema wären. Mit der Offenheit von Schwanzer geht für mich einher, dass er undogmatisch war. Haben Sie das auch so erlebt  ? Ja. Es gab keinen Stil, auch keine Formel, die er auf die momentanen Probleme, Wettbewerbe oder Bauprojekte anzuwenden versuchte. Die Grundidee war, vollkommen unbeeinflusst an das Thema heranzugehen, um zu schauen, wie die Lösung sich selbst herausformt. Von dieser Art der Herangehensweise war einiges zu lernen. Aus meiner jetzigen Sicht und nach vielen Jahren Praxis ist das für mich die einzige Möglichkeit. Es ist das Vertrauen in die Grundidee, vielleicht sogar in einen Gedankenblitz, der eben zündet. Das ist die erste Phase. Dann geht es an das Durchkneten, das Ganze immer wieder auseinander ziehen und wieder zu verdichten. Es formt sich zurecht. Was für mich in dieser Arbeitsweise auch zum Ausdruck kommt ist die Suche, der Zweifel und das Bewusstsein, dass man nie perfekt sein wird. Schwanzer selbst hat gesagt, Vollendung ist Arroganz und daher unmenschlich.

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„Es war diese Öffnung zur Welt, zu Amerika“

typing, extras running around, and from there you could see Munich through the windows. Let’s get back to the America trip. You have notes about it, and there was also another student trip that Schwanzer paid for, where the assignment was to look at various administrative buildings. Apart from the one trip I attended, I never travelled with Schwanzer. The America trip was a loop from Chicago to Philadelphia and New York, a range of buildings and people. Louis Kahn, Frederick Kiesler, Philipp Johnson to pick just three. Basically, I saw more during that time than in all the years when I was traveling on my own. The trip was documented after it was over, in the legendary ring binders that Schwanzer had selected to use for annual reports. There was a special one on America, and each person had to report on a specific topic. I was lucky enough to pick a few aphoristic impressions. They were little short stories, a bit of a spin off of Hemingway. All in all, there was a very good mix, which was again typical of Schwanzer. For me, Schwanzer’s openness goes hand-in-hand with the fact that he was undogmatic. He always looked for the right solution for each project; he never showed up with a prefabricated concept. Did you experience that as well  ? Yes. That was also characteristic of his way of working. There was no style or formula that he tried to apply to the problems, competitions, or construction projects at hand. The underlying idea was to approach the topic completely unbiased, to see if the solution was already there in the project, to see how the solution shapes itself—and there was a lot to learn from this type of approach. From my current perspective as well, after many years of practice, this remains the only option for me. It is an inherent trust in the fundamental idea, perhaps even in a flash of inspiration and insight, something that just ignites. This is the first phase. Then it comes to working, really kneading, and pulling the whole thing apart again and again and compressing it again. It then takes shape. Another thing that I see expressed by this way of working is the searching, the doubting, and the awareness that you will never be perfect. Schwanzer said that himself, that perfection is arrogance and therefore inhuman. Schwanzer was indeed also a big doubter, one has to admit that, but it was in a very positive sense. Nothing was finished unless it was given a chance to become a little sharper, a little better. He didn’t care how expensive it might end up being. His employees would sit at their desks late into the night, and he just wouldn’t let it go. It still meant having a spontaneous image in mind, but at the same time also a permanent question: is this really the very last, and best, thing you are able to squeeze out  ? “It Was an Opening to the World, to America”

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Schwanzer war auch ein großer Zweifler, das muss man schon sagen, aber in einem durchaus positiven Sinn. Es war nichts fertig, wenn nicht die Chance bestand, es nochmal einen Zacken schärfer zu machen. Da war ihm auch vollkommen egal, wie kostspielig es letztlich wurde. Die Mitarbeiter saßen bis tief in die Nacht, und er ließ einfach nicht locker. Das bedingt ein spontanes Bild im Kopf, gleichzeitig aber auch die permanente Frage: Ist das jetzt wirklich das Letzte, was man da rausquetschen kann? Jenseits der prägenden Persönlichkeit Karl Schwanzers: Wie schätzen Sie seine Rezeption ein, seinen Rang als Architekt  ? Darüber habe ich auch mit Martin Schwanzer einige Male gesprochen. Es ist verblüffend, dass der große Einfluss Schwanzers auf eine Generation recht erfolgreicher Architekten sich nie in entsprechender Würdigung niedergeschlagen hat. Das Meisterklassenprinzip der Akademien hat immer „Schüler von …“ hervorgebracht, die mit getreuem Blick zurück auch die Eigenheiten dieser Ausbildung hervorhoben. Schwanzer selbst war auf das Kommende, auf den Blick nach vorne gerichtet. Eine Unbeschwertheit, die instinktiv hinter sich lässt, was sich nicht neu entdecken lässt. Der Faden, aus dem die Geschichte der Architekten gestrickt wird, ist damals gerissen. 50 Jahre später sind wir nun wieder daran, einiges von damals, von der Architekturhistorie insgesamt aufzugreifen, neu zu verweben. Und je länger wir über Schwanzer reden, umso mehr treten Aspekte hervor, die mir als selbstverständlich gewachsen schienen, aber auf Schwanzer’schen Vorbildern wurzeln.

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And going beyond Schwanzer’s striking personality: What do you think about his reception, his status as an architect  ? That’s something I have talked about with his son Martin Schwanzer several times. It is astonishing that the great influence Schwanzer had on a generation of incredibly successful architects never generated the appropriate amount of appreciation. The master class principle of the academies has always produced “students taught by”, who, with a faithful look back at their alma mater, also emphasized the peculiarities and unique aspects of their education. Schwanzer himself was focused on what was to come, always looking ahead. A light-heartedness that instinctively leaves behind what cannot be rediscovered. The thread from which the history of architects is knitted was torn back then. Fifty years later, we are now back to weaving some of the history of architecture anew. And the longer we talk about Schwanzer, the more aspects emerge that seemed perfectly natural to me, and are rooted in Schwanzer’s role model.

“It Was an Opening to the World, to America”

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„Wir nähern uns dem Ergebnis mit vielen Versuchen“ Heinz Neumann im Gespräch

Max Gruber

Wie ist der Wunsch Architekt zu werden, bei Ihnen entstanden  ?

Mein Vater ist mit Roland Rainer in die Schule gegangen und wir sind in einem Rainer-Haus aufgewachsen, bei uns haben Architekten, Malermeister, Künstler verkehrt, da war das natürlich ein tägliches Thema.

Heinz Neumann

Wie kam es zur ersten Begegnung mit Karl Schwanzer  ? Seinen Namen bekam ich zuhause vermittelt. Professor Schwanzer hat auf der TH Wien seine Antrittsvorlesung gehalten, und nachher kamen Roland Rainer und seine Frau zu uns nach Hause und haben begeistert von diesem faszinierenden Vortrag berichtet. „Das ist der neue Lehrer!“, meinten sie. Der Rainer war ja auch ein Technik-Absolvent. Das war mein erster, verbal vermittelter Kontakt. Daraufhin hab’ ich mein Architekturstudium möglichst schnell absolviert, und weil ich gesehen habe, dass es in Österreich eigentlich ganz schön ist, hab’ ich mich einfach vorgestellt im Büro Schwanzer. Ich wurde von einem Herrn ‚verhört‘, und nach zwei, drei Tagen habe ich einen Anruf bekommen, ich solle beginnen. Das heißt, Schwanzer haben Sie gar nicht persönlich kennengelernt bei der Einstellung  ? Nein, das hat jemand anderer gemacht. Es gab einen Majordomus, der diese Einstellungsgespräche durchgeführt und dann dem Herrn Professor berichtet hat. Und ich hab’ zu den Auserwählten gehört und habe eine Riesenfreude gehabt. Wie war dann die erste Begegnung mit ihm? Es war ja offenbar ein sehr ungewöhnliches, großes Architekturbüro für die damalige Zeit, oder  ? Ja. Hin und wieder ist er ganz kurz durch den Zeichensaal geschwirrt und hat sich irgendetwas angeschaut, da gab es wenig Kontaktaufnahme. Aber wenn er einen gerufen hat und ein persönliches Gespräch führen wollte, war das immer ein schönes Erlebnis. Lag das an seiner besonderen Herangehensweise an die Architektur  ? War es diese Mischung aus überbordendem Ideenreichtum und nicht-locker-Lassen, bis man die richtige Lösung hat  ? 414

“After Many Tries, We’re Close to a Result” Heinz Neumann in Conversation

Max Gruber

What inspired your desire to become an architect  ?

My father went to school with Roland Rainer, and we lived in a house he designed. Architects, painters, and other artists came and went in our household, so of course it was a daily topic of conversation.

Heinz Neumann

How did your first meeting with Karl Schwanzer come about  ? I learned about him at home. Professor Schwanzer had just given his inaugural lecture at the TH (Technical University), after which Roland Rainer and his wife came over to our place and enthusiastically told us about his fascinating talk. “What a new teacher!” they said. Roland Rainer was also a graduate of the TH . This was my first, albeit only second-hand, contact. So after I wrapped up my architecture studies as quickly as possible, and since I had come to notice that Austria is actually quite a nice place, I just went ahead and applied to the Schwanzer office. I was ‘interrogated’ by a gentleman, and two or three days later I got the call that I should start. So you mean that you never met Schwanzer personally during hiring  ? No, that was someone else’s job. There was a majordomo who conducted the interviews and then reported back to the professor. And I was one of the chosen ones, which made me immensely happy. What was meeting him for the first time like? It was an unusually large architectural firm for back then, right  ? Yes. Every now and then he would buzz around the drawing room for a little while and look at something, but there wasn’t a lot of contact. But when he called you up and wanted to have a personal conversation, it was always a nice experience. Was that because of his special approach to architecture? Was it his mixture of exuberant inventiveness and not-letting-go until the solution was found?

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Durchaus. Wenn uns Eleven etwas als in Ordnung schien und man der Meinung war, jetzt lege ich was vor, juhu!, dann war dem nicht so. Es war immer noch eine Idee bei ihm im Kopf – sollte man nicht das auch noch probieren? Und dann hat man die Sachen eben noch einmal aufgewärmt, und meistens ist dabei noch irgendein interessantes feature entstanden. Was haben Sie sich für ihre Arbeitsweise mitgenommen von Schwanzer  ? Seine Haltung war nicht: Ich bin der Meister und ich gebe irgendeine Form vor, sondern: Wir nähern uns dem Ergebnis mit vielen Versuchen. Und das war etwas Wichtiges für mich, das ich auch weitergeführt habe. Jede Situation, jeder Bauplatz, jeder Bauherr braucht eine eigene Antwort. Er hat nie gesagt: Wir machen rund, wir machen eckig, wir machen hoch, wir machen breit. Sondern er hat ausprobiert, was dort hinpasst und wie er dem Bauherrn mit der richtigen Architektur Freude und Zufriedenheit liefern könnte. Retrospektiv ist das in seinem Werk gut erkennbar. Es gibt ja Architekten, die machen überall auf der Welt dasselbe, ohne Variation. Karl Schwanzer dagegen kam nie mit einer Formel. Auch für bescheidene Bauaufgaben hat er die richtige Antwort gesucht. Natürlich, wenn eine Konzernzentrale zu entwickeln war, hat er schon richtig in den Topf gegriffen. Das BMW -Haus hat Charakter und ist weltberühmt geworden. Wie nahbar war Karl Schwanzer denn  ? Er hat ja seine Studenten stark eingebunden und war offen für das, was sie eingebracht haben. Kam man persönlich an ihn heran  ? Schwanzer war sehr viel unterwegs und sehr beschäftigt. Wenn er einmal Zeit hatte, hat man diese Minuten oder vielleicht auch Stunden genossen. Er war offen für jede neue Idee, das war sein Naturell. Er meinte, man muss probieren, und hat uns größtmöglichen Spielraum gelassen. Es gibt ja diese lustige Geschichte mit den Zünd-Ups, auch eine dieser Gruppen, die zu der Zeit viel Krawall gemacht haben, so wie Coop Himmelb(l)au und Haus-Rucker-Co. Die haben ihn eingeladen, mit ihm Harley Davidson zu fahren. Der Herr Professor kam und hat sich wirklich auf eine Harley draufgesetzt und es ausprobiert – er konnte mit der Jugend mitleben. Auch bei BMW hatte er eine so unglaubliche Modernität in der Herangehensweise, er musste ja unbedingt den Termin der Fertigstellung einhalten. Allein wie er das Projekt akquiriert hat war eine inszenatorische Meisterleistung. Sie wissen mehr über die Genese des BMW -Plans  ? Wir haben damals probiert, probiert, probiert, die Papierkörbe haben sich gefüllt, und eines Tages – ich weiß sogar noch, wer aller in der Entwurfsabteilung gesessen ist – haben wir dieses Kleeblatt aufgezeichnet, aus Jux und Tollerei, und haben es dann verworfen. Zerknüllt ist dieses Aquafix 416

„Wir nähern uns dem Ergebnis mit vielen Versuchen“

Absolutely. When something seemed to us to be good and we thought it was time to show it to him—yippee!—well, then it was all different. There were always still ideas in his head—shouldn’t we try this too  ? And then you just got cooking on it again, and most of the time another interesting feature was the result. What did you learn from Schwanzer that you now use in your work  ? His attitude was not: I am the master and I’ll give you the shape. It was more like: After many tries, we’re close to a result. That’s definitely something important to me, something I continue to do. Every situation, every building site, every client needs its own answer. He never said: We make things round, we make things square, we make things high, we make things wide. Instead, he would try things out to find what would fit in there and how he could give the client joy and satisfaction through the right architecture. In retrospect, this is clearly visible in his work. Some architects do the same thing all over the world, never varying. Karl Schwanzer, on the other hand, never just came up with a formula. Even for the smallest of building tasks, he would search for the right answer. Of course, if a corporate headquarters was being designed, he would have already reached really deep into the cookie jar. The BMW Tower has personality and has become world-famous. How approachable was Karl Schwanzer  ? After all, he involved his students quite a bit and was open to what they brought in. Could you approach him personally  ? Schwanzer traveled a lot and was very busy. When he had the time, you could enjoy minutes or maybe even hours with him. He was open to new ideas; that was his nature. He told us that you have to try, and he gave us the greatest possible leeway to do so. There’s the funny story with the Zünd-Ups, another one of those groups making a lot of noise at the time, like Coop Himmelb(l)au and Haus-Rucker-Co. They invited him to go on a Harley Davidson ride with them. The professor actually came and sat on a Harley and tried it out; he could really connect with young people. With BMW, as well, his approach was so unbelievably modern, he absolutely had to meet the deadline. Even the way he got the project was a masterpiece of staging. Do you know anything else about the genesis of the BMW plans? We tried, and tried, and tried, and tried, the wastebaskets filled to the brims, and one day—I can even remember exactly who was sitting there in the drafting department—we drew a cloverleaf, just for our own amusement, and then threw it away. That Aquafix sketch was just wadded up in the wastebasket. Schwanzer was a workaholic and would still be walking around the office at night, looking at the plans, checking everyone’s progress. Then “After Many Tries, We’re Close to a Result”

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im Papierkorb gelandet. Schwanzer war ein Workaholic und ging in der Nacht noch durchs Büro, hat sich die Pläne angeschaut, den Planfortschritt kontrolliert. Er hat auch in einen Papierkorb gegriffen – und in diesem lag das zerknitterte Aquafix. Das hat er glattgestrichten, hat sich diesen Vierzylinder – der nickname ist erst nachher entstanden – angeschaut, hat einen Prismenmaßstab quer darübergelegt und hat geschrieben: „So weitermachen. Schwanzer.“ Wir haben so weitergemacht, und das Projekt hat bei der Familie Quandt Anerkennung gefunden. Aber da auch ein anderes Vorhaben zur Wahl stand, hatte Schwanzer die Königsidee: Um zu überzeugen werden wir so ein Kleeblatt 1:1 aufbauen! Wir haben in den Bavaria Studios in Geiselgasteig wirklich so ein Viertel-Kleeblatt – wir haben es ‚Ohrwaschel‘ genannt – aufgebaut, mit allen nötigen ‚Innereien‘, Schreibtische, Möblierung und natürlich auch Sekretärinnen an KugelkopfSchreibmaschinen, dem damals modernsten Modell von IBM . Und die Familie Quandt kam und hat sich das angeschaut und gesagt: Dieses Projekt machen wir. Das war überzeugend. Und das Schöne war, zu Weihnachten – wir haben immer sehr schöne Weihnachtsfeiern gehabt – standen am Tisch vier Kerzen, die den Baukörper des BMW-Hauses dargestellt haben. Bei diesem Kerzenlicht haben wir gefeiert. Man hat das Gefühl, dass Schwanzer einfach ein wahnsinnig gutes Gespür für Leute gehabt hat, dass er sich einfach die Richtigen ausgesucht hat. Ich glaube, es ist Aufgabe des Managements, so etwas zu können. Nur wenn man sich mit den richtigen Generälen umgibt, gewinnt man einen Krieg. Und Schwanzer war ein Menschenkenner. Er hat einen durchschaut – aber nicht im negativen Sinn. Er hat sofort erkannt, wo deine Fähigkeiten liegen und wie du einzusetzen bist. Und er selbst war immer bestens vorbereitet, für jedes Gespräch, für alles. Und obendrein war er ein großes Verkaufstalent. Sie haben mir erzählt, dass er unglaublich schnell zwischen ‚internationaler Diplomat‘ und Wienerliedsänger umschalten konnte, je nach Bedarf. Ja. Er hatte zwei Gesichter – bitte das nicht falsch zu verstehen. Auf der einen Seite konnte man mit ihm einen ausgefuchsten akademischen Dialog führen, was immer spannend war, weil er jedes Mal neue Aspekte eingebracht hat. Aber er war auch ein Ur-Wiener und konnte richtig wienerisch singen. Er hat uns einmal, eine Gruppe aus zehn Leuten, zum Heurigen eingeladen und wir haben über Architektur diskutiert. Und auf einmal sagt er: „Jetzt singe ich euch was!“ und hat ‚I führ’ zwa harbe Rappen‘ herausgeschmettert, ein Alt-Wiener Fiakerlied, wunderschön gesungen.

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he reached into a trash bin … and there lay the crumpled-up sketch. He smoothed it out, took a look at the four-cylinders—the nickname happened later—put a scale ruler across the top of it, and wrote: “Keep this up. Schwanzer.” So that’s exactly what we did, and the project was accepted by the Quandt family. But since another project was up for consideration as well, Schwanzer had the ultimate idea: We will build a full-scale model of the cloverleaf! So, at the Bavaria Studios in Geiselgasteig, we actually built a quarter floor of the cloverleaf—we called it the ‘earlobe’—with all the ‘insides’: desks, furniture, and of course secretaries at Selectric typewriters, IBM’s most modern model at the time. And the Quandt family came and looked and said: We are going to build this project. It was truly convincing. And the nice thing was, at Christmas—we always had really nice Christmas parties—there were four candles on the table, each cylinder representing the structure of the BMW building. We celebrated by the candlelight. You get the feeling that Schwanzer had an unbelievably good sense of people, that he just picked the right ones. I believe it is management’s job to be able to do things like that. Only if you surround yourself with the right generals, you will win the war. And Schwanzer was a good judge of character. He had you figured out—but not in a negative way. He could see right away where your abilities were and how he could put them to use. And he himself was always well prepared, for every conversation, for everything. And on top of all that, he was a great salesman. You told me that he could switch incredibly quickly between the role of ‘international diplomat’  and ‘Viennese folk singer’ if necessary. Yes. He had two faces—but please don’t misunderstand me. On the one hand, you could have a sophisticated academic dialogue with him, which was always exciting because he brought in new facets every time. But he was also a true Viennese and could sing a great Viennese folk tune. He once invited us all, a group of ten people, to a traditional wine tavern, and there we were, talking about architecture when all of a sudden he said: “Now I’m going to sing you a song!” and started belting out an old Viennese carriage-driver song, beautifully sung. As an architectural layman, I think an essential part of how Karl Schwanzer is seen is the fact that he produced a highly significant generation of architects. Is this a historical coincidence or due to his merits as a teacher  ? I believe that Schwanzer was capable of generating real enthusiasm for architecture, and that’s why so many of the students who had the chance to work for him and with him became real whizz-bangers. “After Many Tries, We’re Close to a Result”

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Als architektonischer Laie denke ich mir, dass es für die Rezeption der Person Karl Schwanzer wesentlich ist, dass er eine sehr bedeutende Architektengeneration hervorgebracht hat. Ist das ein historischer Zufall oder sein Verdienst als Lehrer  ? Ich glaube, dass Schwanzer echte Begeisterung für Architektur hervorrufen konnte, und daher sind sehr viele Studenten, die für ihn und mit ihm arbeiten durften, richtige Kapazunder geworden. Schwanzer hat einmal gesagt: „Gewinnen ist leicht, bauen aber viel schwerer.“ „Einen Wettbewerb kann jeder gewinnen, ein Auftrag müssen S’ z’sammenbringen“, hat er gesagt, O-Ton. Laurids Ortner hat einmal gemeint, er bewegt sich im Niemandsland zwischen Architektur und Kunst. Das fand ich eine schöne Beschreibung. Als Architekt muss ich die künstlerische, die kreative Seite beherrschen, aber du musst einen Auftrag erst einmal kriegen, du musst akquirieren und musst das Ganze ausführen. Ist das auch etwas, was man von Schwanzer mitbekommen hat, dass man beides braucht  ? Er hat es abgewogen. Er meinte, große Projekte kann man nur mit einer gewissen Mannschaft machen, und dazwischen gibt es eben auch Beschäftigung. Ich kann nicht aus jedem Haus ein Kunstwerk machen. Sehr einfache Aufgaben hat er in einer sehr einfachen Form gelöst. Wie sehen Sie es, dass manche Schwanzer-Bauten heute nicht so gepflegt werden, wie sie gepflegt werden sollen  ? Zum Beispiel das Philips-Haus – die ehemalige Firmenzentrale wurde kürzlich in ein Gästehaus mit Full-ServiceApartments umgebaut. Schwanzer hätte wahrscheinlich gesagt, ein Bauwerk muss weiterhin leben können, eine Adaptierung ist ganz natürlich. Ein Bauwerk ist kein Bild, das ich an die Wand hänge; ein Bauwerk ist zweckbestimmt. In wunderbare gotische Kirchen hat man ja auch ohne Wimpernzucken einen pompösen Barockaltar hineingestellt. Daraus jetzt ein Museum zu machen mit einem alten gotischen Altar, das hat keinen Sinn. Ich finde mehrfach überarbeitete Bauwerke schön, jede Epoche hat ihren eigenen künstlerischen Stil. Ein Gebäude soll leben. Wie war denn die Stimmung, wie war die Atmosphäre in seinem Atelier  ? Es war ja für österreichische Verhältnisse und für die damalige Zeit untypisch groß. 420

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Schwanzer once said: “Winning a competition is easy, it’s the building that’s hard.” What he actually said was: “Anyone can win a competition, it’s the contract you have to get.” Laurids Ortner once said that he moves in the no-man’s-land between architecture and art. It’s a nice description. As an architect, you have to master the artistic, the creative side, but you still have to get a commission, you have to get clients and make the whole thing come together. Is that something you learned from Schwanzer, that both things are necessary? He weighed the options. He said that large projects can only be done with a certain kind of team, and in between there is just employment. I can’t turn every building into a work of art. He solved very simple tasks in very simple ways. What do you think about the way that some of Schwanzer’s buildings aren’t being cared for today the way they should be  ? For example the Philips-Haus: the old company headquarters was recently turned into lodgings with full-service apartments. Schwanzer probably would have said that a building must be able to go on living, that adaptation is natural. A building is not a picture to hang on the wall; a building is built for a purpose. Pompous baroque altars have been added to wonderful gothic churches without batting an eye. Turning it into a museum now, with an old gothic altar—that wouldn’t make any sense. I think buildings that have been reworked multiple times are beautiful. Each era has its own artistic style. A building should be alive. What was the mood, the atmosphere like in his studio  ? It was unusually large by Austrian standards and for the times. The atmosphere had everything, the crackling of tension when the professor was going off on something, as well as being incredibly relaxed when something went smoothly and things were good; at those times he was very friendly. Schwanzer was quite temperamental. One time he went into a room really fast, into the blueprint room, and someone had forgotten to close a cupboard in the hallway and he bumped his head on it. The roar was indescribable … I think the whole street probably heard him, he was so angry. He started by yelling “Fleischer!”—that was the company manager, a very elegant gentleman. Karl Fleischer had to go straight to him: “Why is that cupboard up there open  ?” He could be very mean … But also very good-natured, for example when he asked you to his office for a private moment. These were mostly exciting and pleasant conversations. “After Many Tries, We’re Close to a Result”

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Atmosphärisch gab es alles, das Knistern vor lauter Spannung, wenn der Herr Professor getobt hat, aber auch eine ungemein gelöste Stimmung, wenn etwas gelungen und schön war, dann war er sehr kollegial. Schwanzer war ziemlich temperamentvoll. Einmal ist er schnell in einen Raum hinein, in die Lichtpauserei, dort hat jemand vergessen, ein Kastl im Gang zu schließen, und er ist mit dem Kopf dagegengelaufen. Das Getöse war unbeschreiblich ... Ich glaube, man hat ihn in der ganzen Gasse gehört, so wütend war er. Beginnend mit dem Wort „Fleischer  !“, das war der Atelierchef, ein sehr eleganter Herr. Karl Fleischer musste sofort zum Rapport: „Warum is’ das Kastl da oben offen  ?“ Da konnte er sehr böse sein … Aber auch sehr leutselig, wenn er einen zu einem Privatissimum in sein Büro gebeten hat. Das waren meistens spannende, angenehme Gespräche. Und er hat sich solche Querköpfe gehalten wie den Günther Feuerstein. Haben Sie den erlebt  ? Der Feuerstein war so etwas wie die Seele der Lehrkanzel, denn er konnte Schwanzer gedanklich folgen und hat das zu den Studenten weitergetragen und dort begleitet. Feuerstein war wirklich ein Querdenker, das ist sehr gut ausgedrückt. Er hat die Realität, die er zu vertreten hatte, absolut verstanden, denn an der Lehrkanzel hatte er eine hohe Position inne, quasi die Führung. Aber er hat trotzdem immer auch probiert, alles zu morphen – und das war natürlich ein interessantes Spannungsfeld.

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And he also kept mavericks like Günther Feuerstein around. Did you ever meet him  ? Feuerstein was like the soul of the teaching department, because he could follow Schwanzer’s way of thinking and bring that to the students, help them along. Feuerstein really was a maverick, an unconventional thinker. He fully understood the reality that he had to represent, because he held a top position at the department, the head of sorts. But he always tried to morph everything anyway—which of course generated an interesting sort of tension.

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„Ein Samurai der Architektur“ Rüdiger Lainer im Gespräch

Haben Sie eine Erinnerung an die erste Begegnung mit Karl Schwanzer, einen ersten Eindruck, der geblieben ist  ? Max Gruber

Meine erste Begegnung mit ihm war relativ früh, im Rahmen eines Einführungsseminars an der TH, in dem man ein Projekt vorlegen musste, das von allen Professoren beurteilt wird. Ich hatte damals keine Ahnung von Architektur, hatte erst anderes studiert, bin dann aber zur Architektur gekommen. Es wurde mir angeraten, sozusagen als Synthese von Pragmatik und Poesie. Dieser Gegensatz schien mir ideal. An der Hochschule habe ich dann irgendwie dieses Projekt gemacht, sehr ungewöhnlich und zusammengebastelt und chaotisch, aber mit einem inneren Impetus. Von vier Professoren wurde es abgelehnt und von einem nicht; der hat gemeint, das ist exzellent. Das war Karl Schwanzer. Rüdiger Lainer

Wie ist es dann weitergegangen  ? Nach diesem ersten Projekt bin ich kurz ausgestiegen, wurde aber von einem Assistenten zurückgeholt, der gemeint hat: „Gib’ deswegen nicht auf, sieh’ es als Herausforderung.“ Das war der Moment, wo ich wirklich das Gefühl hatte, dass bei einer Kritik, bei einer Diskussion eine Auseinandersetzung mit dem Wesen der Architektur stattfindet. Es ging also nicht nur darum, brav zu zeichnen, sondern es ging um die Essenz, um die Frage: Was ist das Leben von Architektur  ? Diese Suche nach dem Pulsierenden, nach dem Intensiven und immer auch nach dem Sozialen, also die Frage, was Architektur für die, die darin leben, bedeutet, für die, die sie nutzen, die sie betrachten: Das hat Schwanzer wirklich sehr gut vermittelt. Oft auch mit zynischen, aggressiven Kommentaren – viele waren abgeschreckt, weil er sehr radikal vorgegangen ist in seiner Argumentation. Aber für mich war er der Einzige, von dem ich etwas gelernt habe, und primär gelernt habe ich, einfach zu kämpfen. Das heißt, wenn du eine Idee hast, dann musst du für sie kämpfen, egal, wie groß die Widerstände sind. Und nicht nur in eine Richtung zu gehen, sondern viele Richtungen auszuloten und damit auch Irrtümer zu begehen und aus ihnen zu lernen. Das Prinzip des Falsifizierens und Verifizierens habe ich mir auch von ihm abgeschaut. Das, was ich jetzt mache und was ich jetzt bin, kommt aus dieser Zeit. Genau das war wohl prägend für Karl Schwanzer, der suchende Geist, die offene Denkweise. Er war als Lehrer fördernd und fordernd zugleich, sehe ich das richtig  ? 424

“A Samurai of Architecture” Rüdiger Lainer in Conversation

Do you have a memory of your first meeting with Karl Schwanzer, a first impression that stuck with you  ? Max Gruber

My first encounter with him was quite early at university, as part of an introductory seminar at the TH (Vienna Technical University). The seminar’s final project would be presented to and assessed by the entire faculty. At the time, architecture wasn’t on my radar. I began studying other subjects, but eventually ended up majoring in architecture. At an early stage of my career I received some very good advice that architecture is a synthesis of pragmatism and poetry. This contrast seemed fitting to me. In any case, early in university, I found myself in a seminar, working on a design project. What I submitted was very unusual—cobbled together, chaotic, but with an inherent momentum. It was rejected by four professors. Only one of them said it was excellent work. That was Karl Schwanzer.

Rüdiger Lainer

What happened after that  ? After that first project, I moved on from architecture briefly, but was brought back by one of the teaching assistants who told me: “Don’t give up yet; this is a challenge for you  !” That was the first moment I truly felt that a critique, a discussion, could be the basis for a discourse on the nature of architecture. So it wasn’t simply about drawing well, it was about the essence, the inherent question: What is the soul of architecture  ? This search was a search for the pulse of a project, for its intensity, and always for the social connection. So the question naturally arose: What does architecture mean for those who live in it  ? Who use it  ? Who view it  ? That was something Karl Schwanzer conveyed very well. Occasionally he had cynical, somehow aggressive comments; many students were put off, because his arguments were very radical. But for me, he was the only professor that I learned anything from. And what I learned, primarily, was to fight. That meant, if you have an idea, you have to fight for it, no matter how great the resistance is. I learned to not follow a single direction, but to explore many different paths and also to make mistakes and to learn from those mistakes. I also learned the core principle of “falsifying and verifying” from him. What I do now and who I am now comes entirely from this very formative time.

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Ja, aber er war es auf eine sehr brutale Art. Nach der ersten Korrektur hat er gemeint: „Das ist ein verlorener Ansatz, völliger Blödsinn, das kann man nicht machen.“ Aber das hat mich so aufgeregt und auch ermutigt, dass ich dann wirklich ein Jahr lang an dem Projekt gearbeitet habe. Ein Krankenhaus in Mödling mit völlig neuen ‚Landschaften‘ innen, ohne Zimmer. Und nach diesem Jahr gab es die Schlusspräsentation. Zwischendurch hat er immer wieder einmal gefragt: „Machen Sie eh weiter an dem  ?“ Also, irgendwie war das ein Widerspruch. Später habe ich geahnt, dass da eine didaktische Absicht dahinter steckt. Bei der Präsentation des Projekts habe ich erst gedacht, das wird jetzt ein Massaker, aber er meinte: „Ein exzellenter, kluger Ansatz! Das freut mich, dass jetzt das daraus geworden ist.“ Also, hinter dieser provokanten Ablehnung am Anfang stand wirklich eine Absicht, eine Stimulanz, die dich fordert. Und insofern war das für mich ein persönlich prägendes Ereignis. Es war eine Art Holzhammer-Pädagogik, aber mit einer präzisen Setzung, wie eine japanische Schlagtechnik; es war kein wildes Draufhauen. Sein Interesse für Japan, für japanische Architektur und Kultur hat sich, glaube ich, auch in seiner Didaktik widergespiegelt. Für mich war Schwanzer immer ein Samurai der Architektur, der diese Technik und diese Denkweise auch weitergegeben hat. Ein schönes Bild! Was mir an den Schriften von Karl Schwanzer aufgefallen ist, ist die sinnliche Seite. Architektur war für ihn ein Instrument, Menschen glücklich zu machen. Im Herbeiführen dieses Glücks war er aber offenbar sehr unerbittlich und hat viele Studenten unglücklich gemacht. Einige sind daran wohl zerbrochen. Seine Tendenz war, extreme, neue, komplexe Ansätze zu fördern. Die anderen, die nicht Überdurchschnittlichen, hat er toleriert, aber sicher nicht gefördert. Was er wirklich geschafft hat, ist der Aufbruch der Technischen Hochschule, die damals ja ein pragmatischer Kasten war. Mit Coop Himmelb(l)au, Missing Link, Adolf Krischanitz, Otto Kapfinger, Laurids Ortner und wie sie alle heißen, eine ganze Generation von Architekten hervorzubringen: Das ist wirklich seiner Präsenz zu verdanken. Das hat die Architektur in Österreich deutlich verändert. Es kann ja kein Zufall sein, dass jemand wie er eine derart starke Generation von Architekten hervorbringt. Kaum Architektinnen allerdings – aber es war damals wohl noch nicht die Zeit für Frauen in technischen Fächern. Als Hochschullehrer muss Schwanzer schon sehr fähig gewesen sein. Er war eine Koryphäe, in meinen Augen, weil er nicht der typische Professor war, der sein Programm abspult und wartet, was passiert. Er hat mit seinen Aktionen immer einen gewissen Schwung hineingebracht, eine Dynamik. Er war eine Art Katalysator. Und das ist sicher einzigartig und macht die Größe seiner Persönlichkeit aus. Und diese Vielfalt, der unkonventionelle Ansatz, 426

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That’s exactly what shaped Karl Schwanzer: An ever-searching spirit, an open mind. As a teacher, he was both encouraging and demanding, wasn’t he  ? Yes, but he could be ruthless about it. After the first review, he said: “This is a wasted time, complete nonsense, you can’t do that.” That both unsettled and encouraged me. So much so that I relentlessly worked on that same project for a whole year. It was a hospital in Mödling with a completely new ‘landscape’ inside, an open concept without specifically assigned rooms. At the end of the year there was a final presentation. Occasionally he would ask: “You are going to continue with this, aren’t you  ?” Well, somehow this seemed like a provocation. Later I suspected that there was a didactic intention behind it. When I presented the project, I thought it was going to be a bloodbath, but he said: “An excellent approach, smart! I’m glad that this is what you came up with.” Well, behind his initial provocation was an intention, a motivation to challenge. For me it was a very personal and formative moment. It was a rough kind of what I would call ‘teaching with a hammer’, but very nuanced and precise, like a Japanese striking technique. It wasn’t a wild, uncontrolled blow. I believe that his interest in Japan, in Japanese architecture and culture, was also reflected in his teaching and communication. For me, Schwanzer was a samurai of architecture who passed on this technique and this way of thinking. A beautiful visual! What I notice in Karl Schwanzer’s writings is his sensuous side. Architecture was an instrument for him, a way to bring joy to people. But in bringing out this happiness, he was evidently merciless and brought many students to the point of despair. Some of them broke because of it. He wanted to encourage intense, new, complex approaches. He tolerated the others, the ones that were just average, but certainly didn’t encourage or try to develop them. What he achieved was a sort of awakening at the TH , which was really just a big box of pragmatism at the time. His presence fostered a whole generation of architects: Coop Himmelb(l)au, Missing Link, Adolf Krischanitz, Otto Kapfinger, Laurids Ortner, and many others. This changed architecture in Austria significantly. It can’t be mere coincidence that he developed such a strong generation of architects. Unfortunately, there were few female architects—but back then, I assume, the time had probably not yet arrived for women in technical subjects. As a university professor, Schwanzer must have been a very capable man. Schwanzer was a luminary; in my eyes, he wasn’t a typical professor who reeled offs his lecture notes and waited to see what happens next. He brought a certain dynamism, a sense of momentum. He was a catalyst. And that was certainly unique, something that defined the strength of his “A Samurai of Architecture”

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das ist es auch, was sich in seiner Architektur widerspiegelt. Jedes Projekt ist bei ihm von Grund auf ein gänzlich anderes, er hat es immer geschafft, neue Territorien zu erkunden. Was er zu vermitteln versucht hat, war, an jedes Projekt, an jede Aufgabe neu heranzugehen, und damit auch einen anderen Blick für die Projektentwicklung zu bekommen. Diese präzise Suche zu entwickeln war die Haupttendenz in seiner Lehre, und dann natürlich der Versuch, es in der Architektur umzusetzen. Das konnte er hervorragend, aus den Leuten herauskitzeln, was sie selbst noch gar nicht entdeckt hatten. Das hat ihn wirklich ausgezeichnet. Was mich an Karl Schwanzer so fasziniert, ist einerseits seine unglaubliche Schaffenskraft. Er selbst hat ja gemeint, Realisierung muss das Ziel des Architekten sein; er wollte sichtlich Leute hervorbringen, die ihren Beruf ausüben, und nicht nur theoretisch etwas entwerfen, was nie gebaut wird. Er war ein finisher, sein Zug aufs Tor, wie man so sagt, war ja atemberaubend. Andererseits kommt gerade in seinem Buch Architektur aus Leidenschaft auch eine suchende, hochsensible Künstlerseele hervor, in einer für mich stupenden Einzigartigkeit verbunden mit großartigem unternehmerischen Talent. Ein guter Architekt braucht ja wohl beides. Ich glaube, architektonisches Talent und eine gewisse Brüchigkeit in seiner Persönlichkeit aufgrund dieser permanenten Suche, aber trotzdem eine effiziente künstlerische Potenz: Das war ein Amalgam, das in ihm immer gebrodelt hat und das er auch hervorragend ausleben konnte. Er konnte große Einladungen geben, bei denen alle Honoratioren der Wirtschaftskammer und der Stadtpolitik dabei waren, und konnte dort als wirklich souveräner Gesellschaftstiger parlieren – und sich danach wieder in sein Kammerl zurückziehen um dort zu brüten und unnahbar zu sein. Das haben wir auch erlebt, wenn er manchmal gesagt hat: „Naa, mag i jetzt net. Geh’ jetzt.“ Da hat man gemerkt, er war gerade in einer anderen Welt. Immer in der Lage zu sein, neue Konzepte zu suchen, war natürlich ungeheuer anstrengend. Aber diese widersprüchlichen Intensitäten haben ihn einfach ausgezeichnet und einzigartig gemacht. Man merkt das auch an den Texten, die er verfasst hat. Er war ja offenbar unglaublich sozial kompetent, kannte Gott und die Welt. Allein, wie er den BMW -Auftrag akquiriert hat, verdankt sich vor allem seiner sozialen Intelligenz, wie man es heute nennen würde. In Architektur aus Leidenschaft sind aber eher Sätze drin, die hinabtauchen in die eigene Tiefe. Sätze, die durchblicken lassen, dass man als „Architekt, der keiner Clique angehört“  oft allein mit seiner Meinung ist. Eigentlich erstaunlich für jemanden, der so gut vernetzt war. Ich glaube, die Konzentration oder die Einsamkeit entsprach seiner inneren Persönlichkeit. Die Vernetzung war das Vehikel dafür, das in der Einsamkeit 428

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personality. And this diversity, this unconventional approach, is also reflected in his architecture. Each of his projects is completely different and unique. He was always able to explore new territories, new realms. What he tried to convey was the idea of approaching each project from a new perspective, developing a new point of view for each individual design. This focused inquiry was the main motivation in his teaching. Then, of course, there was the attempt to translate this notion into architecture. He was excellent in teasing out certain qualities of people, characteristics they hadn’t yet discovered for themselves. That was what made him stand out. What’s fascinating about Karl Schwanzer is, on the one hand, his creative power. He himself stated that realization must be the architect’s ultimate goal; he undoubtedly wanted to develop people who implemented their profession, and not simply designed something theoretical—something that would never be built. He was a finisher; his push towards the finish line, as they say, was astounding. On the other hand, to me his book Architecture as a Passion reveals a searching, sensitive artist’s soul, one with a brilliant sort of uniqueness, combined with great entrepreneurial talent. A good architect ostensibly needs both qualities. I think architectural talent and a certain fragility come together in his personality, brought about by his permanent searching, but still very efficient and with artistic potency. It was a blend that always simmered within him, and one that he could also deeply enjoy. He could also be an extraordinary host, throwing lavish parties for all the dignitaries of the Chamber of Commerce, Vienna’s most important politicians, and he could be incredibly compelling, a true social butterfly who could engage anyone in lively conversation. The next thing you knew, he would retreat to his office, thinking, brooding, seemingly aloof. There were also times when he would say, in Viennese dialect, “No, I don’t want to talk, please go now.” And you’d realize that he was suddenly in an entirely different world. Obviously, it must have been exhausting to always be innovating, thinking of new concepts and ideas. But it was these conflicting forces that just made him excellent in what he did, and also incredibly unique. You can also tell that from his writings. He was incredibly social, knew God and the world, as we say in Austria. Specifically, the way he won the bid for the BMW Headquarters in Munich was thanks to his innate social intelligence, or EQ , as we’d say today. But his work Architecture as a Passion also dives into a deeper intensity. Some sentences reveal his belief that  “An architect who is not a member of a clique finds himself standing on the sidelines.” Astonishing for someone who was so well liked, so well connected. I think that sense of concentration, or maybe solitude, resembled his innermost personality. Networking was the vehicle to implement what he “A Samurai of Architecture”

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Konzipierte zu ermöglichen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er es so genossen hat, als Gesellschaftsmensch mit allen zu kommunizieren. Er wusste einfach, dass er das braucht, um das, was er sich mit sich erkämpft hat, auch umzusetzen. Die Suche nach dem Kern war seine Essenz. Die paar Male, wo ich ihn als Kritiker erlebt habe, war das ganz klar. Er wollte nie diese glatten Oberflächen haben, sondern wollte immer wissen, wo die Spalten sind, die kleinen Zwischenräume, die eigentlich wesentlich sind und die deine Persönlichkeit prägen. Für mich war er gleichzeitig ein ungeheuer kompetenter Sozialpsychologe, der sehr sensibel auf andere eingehen konnte – auch wenn er autoritär und egozentrisch erschien. Wie sehen Sie seine Bewertung als Architekt durch die Nachwelt  ? In der Fachwelt ist sein Rang ja unbestritten; wäre er heute in dieser Form unterwegs, wäre er der ‚Stararchitekt‘. Aber die Wahrnehmung seiner Person und seiner Bauten in der Öffentlichkeit entspricht nicht dem Rang, der ihm gebührt. Ich glaube, das hat auch mit dem Zeitpunkt zu tun, zu dem er gestorben ist. Die damals einsetzende Postmoderne hat mit ihrer starken Dogmatik versucht, Überraschungen und Widersprüche auszuschließen. In diesem Kontext war der komplexe, vielfältige Zugang von Karl Schwanzer einfach nicht aktuell. Wenn ich mir aber heute Herzog & de Meuron anschaue, die auch bei jeder Aufgabe etwas Neues entwickeln, denke ich mir: Da ist vieles von dem drin, was auch Karl Schwanzer hatte. Dieser Wechsel von Leichtigkeit, Transparenz, von filigranen Lösungen zu wieder ganz massiven, fast monumentalen Ansätzen: Da gibt es schon sehr viele Parallelen im methodisch-konzeptuellen Vorgehen. Daher glaube ich, dass man für die jetzigen Architekturgrößen einen Vorläufer benennen kann, der das alles schon früher ermöglicht hat, der es überhaupt ermöglicht hat, nichtlinear zu denken, sondern in der Art eines Myzels an verschiedenen Stellen aufzutauchen, mit unterschiedlichen Erscheinungsformen, unterschiedlichen Möglichkeiten. Diese konzeptuelle Intensität, die es vorher nicht gab, hat Schwanzer meiner Meinung nach angezündet. Das heißt, er war auch seiner Zeit voraus  ? Er war sicher seiner Zeit weit voraus – aber gerade das hat dazu geführt, dass nach seinem Ableben viele nichts damit anfangen konnten, weil der Sinn für Pluralismus in der Architektur einfach noch nicht da war. Wie haben Sie es empfunden, dass er seinem Leben selbst ein Ende bereitet hat  ? Man hatte das ja überhaupt nicht geahnt. Ich habe oft mit Martin Schwanzer darüber gesprochen, für mich war das immer ein sehr tragisches, berührendes, rätselhaftes Kapitel, und ein – wie man es oft nannte – unerklärlicher Schritt. Martin meinte immer, er hätte gesagt, seine Batterien 430

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dreamed up in isolation. I didn’t get the feeling that he fully enjoyed being such a social person, leisurely chatting with everyone. He just knew that he needed to do it in order to carry out what he fought for so intently. The search for the fundamental core—that was his essence. This became very clear the couple of times that I experienced him as a critic. He never wanted smooth surfaces; instead, he wanted to know where the cracks were, the little gaps in between, the essential spaces that shaped your personality. For me, he was an incredibly competent social psychologist who was also incredibly sensitive to others—even if he appeared authoritarian and self-centered. How do you think posterity has judged him as an architect  ? In the professional world his rank is undisputed; if he were around today, he would be a star. But public perception, both of his buildings and him as a person, simply does not give him his due. I think that also has to do with the era in which he died. The postmodern world that started then was strongly dogmatic, tried to rule out both surprises and contradictions. In this context there wasn’t a complex, diverse understanding of Karl Schwanzer. But when I look at Herzog & de Meuron today, who also try to develop something new with every design, I think to myself: There is a lot in that approach that Karl Schwanzer embodied. This shift from lightness, transparency, from filigree solutions, to massive, almost monumental approaches: There are a many parallels in his methodical and conceptual approach. This is why I believe Schwanzer is the clear forefather of today’s architectural greats, who made all this possible much sooner than anyone else. He made it possible to think in a non-linear fashion, instead emerging like a microorganism, in different places, with different appearances, with different possibilities. This conceptual intensity, which did not exist before, is what Schwanzer ignited. You mean he was also ahead of his time  ? He was way ahead of his time. But that was precisely why, after his death, many people weren’t able to process everything he left behind—because the understanding of pluralism in architecture simply hadn’t evolved yet. How did you feel about the fact that he put an end to his life? No one could have suspected such a thing. I talked to his son, Martin Schwanzer, about it often; for me personally it was always a tragic, moving, enigmatic chapter, and—people often said—a mystifying choice. Martin always reiterated that his father said his batteries were empty. The reservoir from which he drew was apparently no longer available to him. How did you learn about his death  ?

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wären leer. Dieses Reservoir, aus dem er geschöpft hat, stand ihm offenbar nicht mehr zur Verfügung. Wie haben Sie das miterlebt  ? Ich habe zu der Zeit, in den Sommerferien, im Atelier Schwanzer gearbeitet, und es war völlig unverständlich, ein Schock. Wobei nach einiger Zeit auch irgendwie klar wurde, dass diese Persönlichkeit, die einfach von zwei Seiten brennt und ständig Feuerwerke produziert, irgendwann ausgebrannt sein muss. Da geht es, glaube ich, gar nicht darum, dass Projekte nicht realisiert wurden oder Ähnliches. Dieses Scheitern hat er ja oft genug erlebt. Daher sind sämtliche diesbezügliche Interpretationen einfach falsch. Ich denke, dass diese Intensität der Gegensätze, der innerlich Suchende – und das inkludiert immer auch die Enttäuschung über das nicht Gefundene – und der nach außen hin Strahlende, eine Persönlichkeit irgendwann überfordert. Angesichts dieses Konflikts war es fast ein konsequenter Schritt, der signalisiert hat: Es ist einfach zu viel. Und tragischerweise war in diesem Moment niemand da, der das für ihn relativieren konnte. Denn trotz seiner Abgeschlossenheit war er schon sehr offen seiner Umwelt gegenüber. Gerade der Martin war immer sein Bezugsfeld zur Zärtlichkeit, um es so zu sagen. Wie haben Sie Martin Schwanzer kennengelernt  ? Beim Architekturstudium, im ersten Programm, bei Projekten im Entwurfsseminar, wo wir zufällig beisammen gesessen sind und gemerkt haben, dass wir miteinander reden konnten, im Suchen nach einer Lösung. Ohne zu wissen, dass er der Sohn von Karl Schwanzer ist, war er für mich einer der wenigen, bei dem ich das Gefühl gehabt habe, dass er einfach interessiert war und nicht nur autonom vor sich hingearbeitet hat wie die anderen. Einer, der bereit war, zu reden und eine Suche mitzutragen, auch die Suche der anderen. An diesem Punkt haben wir uns von Anfang an sehr gut verstanden, und irgendwie, auch in den Mühen der Prüfungen, sind wir uns immer näher gekommen. Dadurch, dass ich vorher schon Technische Physik studiert hatte und auch in Mathematik und Ähnlichem sehr gut war, haben wir uns immer abgewechselt. Ich habe ihm die Mathematik und die Statik zu vermitteln versucht, und er mir die poetischen, literarischen Ebenen. Dabei haben wir gegenseitig etwas gelernt, und irgendwie hat sich auch eine gewisse Symbiose entwickelt. Eines Ihrer ersten gemeinsamen Projekte war der Dachausbau in der Seilergasse. Dieses Penthouse wurde 1995 mit dem Excellence in Design Award des American Institute of Architects ausgezeichnet. Inwiefern war dieses Projekt für Sie auch emotional eine besondere Situation  ? Es war ja immerhin jenes Haus, in dem früher das Atelier Schwanzer war. Hat das in Ihren Überlegungen eine Rolle gespielt  ?

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During our summer vacation that year, I was working at Atelier Schwanzer and it was a completel shock to hear about his death. After a while, though, it somehow became clear that this person who simply burned the candle at both ends, and constantly produced magnificent fireworks, must have burned out at some point. I don’t think it’s about the fact that some projects hadn’t yet been implemented or anything like that. He had experienced this type of defeat often enough. All of the interpretations blaming that are simply wrong. I think that the intense clash of opposites, this inner seeker— and that always included the disappointment about what is not found—and the outwardly radiant personality becomes overwhelming at some point. So, in light of this conflict, it was almost an understandable step, one that said: It is simply too much. And it’s tragic that, in that moment, there was no one who could help him put things into perspective. Despite his isolation, he was also very open to his outside environment. Martin, in particular, was always his connection to tenderness, so to speak. How did you get to know Martin Schwanzer  ? I got to know him at university, studying architecture. It was during a project in our first course, the design seminar, where we happened to sit next to one another and noticed that we had a connection, that we could work together to come up with ideas. Without knowing that he was Karl Schwanzer’s son, I got the feeling that he was one of the few people really interested in the subject and not just chugging along blindly, like the other students. Someone who was prepared to talk and to help search, even when the search was not his own. We got along very well from the start, and somehow, even during the exam season, we became close friends. Because I had previously studied technical physics and was also very good at mathematics, we always took turns; I taught him mathematics and structural engineering, and he taught me the more poetic, literary layers and approaches. We learned something from each other, and somehow a certain partnership developed. One of your first joint projects was the roof conversion in Seilergasse. In 1995, it was awarded the Excellence in Design Award by the American Institute of Architects. Was this particular award special for you, emotional  ? After all, Karl Schwanzer’s office, Atelier Schwanzer, used to be located in this building. Did that play a role in your choices  ? Yes, that was absolutely critical: I knew the project had to be something extraordinary. This conversion, this roof addition was not only special because it was located in the city center, with a view of St. Stephen’s Cathedral. It also, quite literally, built on the legendary Atelier Schwanzer. Building on Karl Schwanzer’s legacy was the driving force. We wanted to try our best and would rather fail with an epic project than triumph with a “A Samurai of Architecture”

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Ja, das war schon wesentlich, es musste dort einfach etwas Außergewöhnliches sein. Dieser Umbau, dieser Dachausbau war nicht nur deswegen besonders, weil er in der Innenstadt liegt, mit Blick auf den Stephansdom. Er baut auch direkt auf dem Atelier Schwanzer auf. Damit auch ideell auf Karl Schwanzer aufzubauen war ein wesentlicher Motor. Wir wollten es damit versuchen und lieber heroisch scheitern, als durchschnittlich zu reüssieren. Das war damals unser Leitspruch, mit diesem Ansatz sind wir den ganzen Behördenweg gegangen – schlussendlich erfolgreich. Gibt es etwas, was Sie in Ihrer jetzigen Arbeit sowohl mit Karl als auch mit Martin Schwanzer verbindet  ? In der Arbeit ist es einfach das Denken, auch das Kommunizieren. Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Mit Martin konnte ich nicht nur über unsere gemeinsamen Projekte reden, sondern auch über die von anderen, das waren immer sehr spannende Auseinandersetzungen mit fruchtbarer Kritik. Es gab eine gemeinsame Denkhaltung, die von gegenseitigem Respekt geprägt war. Und was ich noch erwähnen möchte: Es gibt ein paar Ansätze, in denen sich Karl und Martin Schwanzer sehr ähneln. Beide haben versucht, fördernd tätig zu sein, in dem Sinn, dass sie versucht haben, Leute zu motivieren, zu animieren, eine Persönlichkeit zu entwickeln, die einzigartig ist. Das hat Martin immer gemacht, auch zuletzt im Laufe der Aufarbeitung des Nachlasses seines Vaters, nämlich immer Leute zu suchen, die an dieser Aufgabe wachsen können.

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design that was merely average. That was our mantra at the time as we pounded the pavement back and forth to every public office to secure our permits—and we were ultimately successful. Is there anything in your current work that you connect with both Karl and Martin Schwanzer  ? In my work, I notice it not just in the way I think, but also in the way I communicate. I need someone I can talk to. With Martin I was able to talk about not only our joint projects, but also about other people’s work, which was always very engaging and led to fruitful discussions and criticisms. It was a shared mindset that was very much characterized by mutual respect. And, something else I’d like to mention: Karl and Martin Schwanzer were very similar in a few ways. Both tried to be supportive in the sense that they wanted to motivate people, to energize them, to encourage them to develop a unique personality and perspective in their work. Martin always did this, more so in these past couple of years of studying and processing his father’s architectural legacy, particularly in the way he always gravitated towards people able to grow along with the challenges they face.

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„Die Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt“ Wolf D. Prix im Gespräch Max Gruber

Was hat Sie dazu bewogen, bei Karl Schwanzer zu studieren  ?

Wolf D. Prix Man hat nicht bei Karl Schwanzer studiert, sondern man hat an der ‚Technik‘ studiert. Mein Vater war Architekt und viele meiner Vorfahren, meine Großväter zum Beispiel, waren im Baugeschäft tätig oder waren Handwerker. Schon mit zehn Jahren bin ich im Architekturbüro meines Vaters herumgeschlichen, das hat mich eben interessiert. Warum an der TH  ? Karl Schwanzer war einfach der stärkste Architekt seiner Generation in Österreich – und nicht nur da. Er hat ja für BMW in München gebaut, ein wirklich innovatives Ensemble. Gemeinsam mit dem Philips-Haus in Wien war das eine starke Ansage. Karl Schwanzer habe ich persönlich in einer eher unangenehmen Situation an der Hochschule kennengelernt. Bei einem Studentenwettbewerb habe ich mit meinem Entwurf gewonnen, und ich wurde ausgewählt, unsere Schule bei einem Kongress in Prag zu vertreten. Wie damals üblich war mein Konzept ein wildes Gebäude, wo man in Plastikzellen gewohnt hat. Ich musste – wie vorgeschrieben – meine Sache anhand von Fotos präsentieren, und nachdem meine Plastikzelle runde Ecken hatte, wie man so schön sagt, habe ich bei allen Bildern solche runden Ecken geschnitten und sie so auf die Tafel geklebt. Der Assistent, der das betreut hat, ist wegen dieser runden Ecken unruhig geworden und hat offensichtlich Schwanzer angerufen. Der war damals eine mächtige und starke Figur – und ist um Mitternacht an der Lehrkanzel erschienen, wo wir gerade gebastelt haben. Ich glaube, er kam sogar mit seinem Sohn, Martin, der war damals noch ein ganz junger Bursche, und er hat begonnen, herumzuschreien: was ich mir erlaube, runde Ecken zu machen, wo doch heutzutage alle Fotos eckig ausgearbeitet werden, so irgendwie, also: „Sie geben nicht ab.“ Der Helmut Swiczinsky und Freunde, die mir geholfen haben, wir sind nur dagestanden und haben dann alles schnell eingepackt und sind verschwunden. Drei Monate später habe ich einen Ausstellungsbeitrag von Karl Schwanzer gesehen, bei dem er seine Bilder mit runden Ecken versehen hatte ... Das war natürlich eine Stärke von ihm, dass er sich sehr dafür interessiert hat, was die Studenten, vor allem die talentierten, machen. Später haben wir ihn noch einmal bei Projektabgaben getroffen. Man muss sich das vorstellen, was wir damals gemacht haben, für Gebäudelehre, wo man zur Prüfung normalerweise Spitäler oder Schulen oder Tankstellen entwerfen musste. Wir haben einen Helm entworfen, der einen Geruchsanschluss gehabt hat und Kopfhörer und kombiniert war mit einer pneumatischen Weste. Auf den Helm haben wir zwei Filme projiziert, einen porno-

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“I Learned My Strategy for Getting Things Done from Schwanzer” Wolf D. Prix in Conversation Max Gruber

What made you decide to study under Karl Schwanzer  ?

You didn’t study under Karl Schwanzer, you studied at the ‘Technik’ (Technical University—TH). My father was an architect, and many of my ancestors—my grandfathers, for example—were in construction or were craftsmen. I started sneaking around in my father’s architecture office when I was ten years old; that’s what interested me. Why the TH  ? Karl Schwanzer was simply the best architect of his generation in Austria—and not just in Austria. I mean, he built a truly innovative ensemble for BMW in Munich. Taken together with the Philips-Haus in Vienna, it was a very strong statement. I first met Schwanzer personally in a rather unpleasant situation at university. My design won a student competition and I was chosen to represent our school at a conference in Prague. As usual for me in those times, my concept was a wild building, with residents living in plastic cells. I had to present my project using photos, and since my plastic cell had rounded corners, I also cut the pictures so they had rounded corners and then glued them to the board like that. The rounded corners apparently made the assistant who was supervising everything nervous, and he must have called Schwanzer. He was a powerful and strong figure back then— and around midnight he walked into the department where we were working away like mad. I think he even brought his son, Martin, who was still a very young boy, and he started shouting: Who was I to think I could just make all the corners round, when nowadays all the photos are developed with square ones, or something like that. And then he said, “You are not turning the assignment in.” Helmut Swiczinsky and some friends helping me, we just stood there and then quickly packed everything up and left. Three months later, I saw an exhibition piece by Schwanzer, and he had rounded all the corners of his pictures … That was, of course, one of his strengths, that he was very interested in what the students were doing—especially the talented ones. We met him again later at a project submission. You have to try to imagine what we did back then: For our building theory course, wherefore the exam you usually had to design a hospital or a school or a gas station, we designed a helmet with an odor vaporizer and headphones that was combined with a pneumatic vest. We projected two films onto the helmet, one that was pornographic and the other that was a video of a car accident, and when the porn was playing we released perfume into the helmet. Karl Schwanzer sat in a—I think—Mies van der Rohe armchair, was wearing the vest and the Wolf D. Prix

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grafischen und einen mit einem Autounfall, und beim Porno wurde Parfum in den Helm geblasen. Karl Schwanzer ist in einem – glaube ich – Mies van der Rohe Sessel gesessen, hat die Weste angehabt und den Helm auf, und wir haben Parfum hineingetan, dazu Gestöhne im Kopfhörer, heute wäre das unmöglich. Er hat sich das aber richtig gegeben, hat die Weste gestreichelt, hat beim Autounfall Blut gerochen (eine Blutkonserve), hat Krach gehört, und die Weste sollte drücken. Sie war schon ziemlich eng, und wie er eingeatmet hat, ist sie geplatzt ... Aber wir haben ein ‚Sehr gut‘ bekommen, ich kann mich noch erinnern. Und später war er selbst ja auch sehr innovativ an der Schule. Die frühen Zeiten, wo er mit den Studenten herumgefahren ist und Fußball gespielt hat, habe ich zwar nicht miterlebt. Aber wir haben an der TH pneumatische Konstruktionen errichtet, wo eine aufblasbare Kugel mit drehbarem Bett und Projektionen ausgestattet war, das war sogar im Museum für angewandte Kunst ausgestellt – und das hat er sich angeschaut und war irgendwie beeindruckt, auch da haben wir ein ‚Sehr gut‘ bekommen. Und auch die Zünd-Ups, eine der anderen Gruppen neben Haus-Rucker-Co und unserer, die hatten eine Präsentation in der Tiefgarage, da ist Schwanzer auf einem Motorradl hinten drauf gesessen ... Also, das war schon toll, dass er offen war für diese Dinge, das hat ihn wahnsinnig interessiert. Eine seiner Großtaten war, dass er den Feuerstein an die Schule geholt hat – da könnten sich viele junge Professoren heute was davon abschauen. Er hat sich mit ihm nämlich eine Persönlichkeit geholt, die zwar auf seiner Linie war, aber nicht so direkt. Schwanzer war ja mehr der Pragmatiker, und der Feuerstein war der, der uns gezeigt hat, was es außer der Pragmatik noch gibt. Die Architekten, die von der TH abgegangen sind, waren im Grunde Schüler von Schwanzer und von Feuerstein. Die Erinnerung an Karl Schwanzer wird ewig wach bleiben – wir haben ja direkt neben seinem BMW-Ensemble später ein riesiges Gebäude errichtet. Ich erinnere mich noch daran, es war knapp vor Weihnachten, da ist er im weißen Mantel im Vorlesungssaal fast angeschwebt gekommen und hat gemeint: „Kolleginnen und Kollegen, ab heute glaube ich an den Weihnachtsmann. Ich hab’ nämlich den Wettbewerb für BMW gewonnen.“ Jahre später, ich war da selbst schon Professor an der Angewandten, kriege auch ich knapp vor Weihnachten einen Anruf: „Herr Prix, Sie haben BMW gewonnen.“ Damals als Student hätte ich mir bei aller Fantasie nie vorstellen können, dass ich neben dem Professor einmal etwas bauen werde. Also, auch deswegen gibt es eine Beziehung zu ihm. Was hat man als Student von Schwanzer mitgenommen  ? Inwieweit hat er Ihr Verständnis vom Architektenberuf geprägt  ? Na Gott sei Dank hat er das nicht! Das sind ja gerade die schlechten Lehrer, die den jungen Studenten ihre Meinung aufdrücken. Seine Vorlesungen zur Gebäudelehre hat man damals eben absolviert, das war schon wichtig, heute lernt man das ja nicht mehr so intensiv. Aber ich glaube, vom Feuerstein, der ja auch Seminare machen durfte, habe ich aus der Zeit mehr mitgenommen. 438

„Die Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt“

helmet, there was moaning through the headphones, and we pumped in the perfume. None of it would even be possible today. But he did it right, he stroked over the vest, and during the car accident simulation he smelled blood (from a blood bag), heard a loud noise, and then the vest was supposed to compress his chest. It was already pretty tight, and when he inhaled it just burst open … But we still got a ‘very good’ on our grade, as I remember. And he himself was also quite innovative at the school in later years. I wasn’t there in the early days, when he would drive around with students and play football. But we built pneumatic structures at the TH . One, with an inflatable sphere outfitted with a rotating bed and video projections, was even exhibited in the Museum of Applied Arts; he took a look at it and was impressed. We got a ‘very good’ on that one too. And the Zünd-Ups, one of the other groups besides Haus-Rucker-Co and ours—they had a presentation in an underground garage. During that one, Schwanzer rode on the back of a motorcycle … I mean, it was great that he was open to all these things. They interested him tremendously. One of his greatest deeds was getting Feuerstein at the school—many young professors today could learn something from that. Because with Feuerstein, he brought someone on board who was on the same wavelength, but still, somehow, not directly. Schwanzer was more of a pragmatist, and Feuerstein showed us what else existed besides pragmatism. The architects who graduated from the TH were basically students of Schwanzer and Feuerstein. Memories of Karl Schwanzer will stay with us forever. After all, we later put up a huge building right next to his BMW ensemble. Once, I remember it was just before Christmas, he seemed to float up to the lecture hall in his white coat and announced: “Dear colleagues, as of today, I believe in Santa Claus. I just won the BMW competition.” Years later, when I myself had become a professor at the Angewandte, I too got a call right before Christmas: “Mr. Prix, you won BMW.” When I was a student, I never would have imagined, not in my wildest dreams, that I would one day be building right next to the professor. I mean, that’s one more reason I feel so connected to him. What did you learn from Schwanzer when you were a student  ? To what extent did he shape your understanding of the architectural profession  ? Thank heavens he didn’t! Those are the worst teachers, the ones who impose their opinions on young students. Back then, you just got through your building theory course. It was important, but these days you don’t study that as intensely anymore. But I think I got more out of Feuerstein, who was also allowed to teach, from that time period. The truly great thing is that a professor or someone who runs an architecture firm encourages people to do something different, something new. That’s what he was really interested in. “I Learned My Strategy for Getting Things Done from Schwanzer”

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Das eigentlich Tolle ist ja, dass ein Professor oder einer, der ein Architekturbüro führt, die Leute ermuntert, etwas anderes zu machen, etwas Neues. Daran war er interessiert. Schwanzer ist nicht ersetzbar in der österreichischen Architekturgeschichte. Was mir natürlich leid tut, ist, dass die indolence, die Gleichgültigkeit unseres Landes ihm den Stellenwert, den er verdient, nicht zukommen lässt. Das hat etwas mit Respekt zu tun, und unser Land kennt keinen Respekt. Schwanzers Kampf gegen das Mittelmaß war toll, auch seine Bücher. Sein Interesse für Architektur und für Planung hat man mitbekommen, wenn er erzählt hat über den BMW -Turm. Oder bei unserem Besuch im Philips-Haus: Er war ganz begeistert von sich selbst, von der vorgespannten tragenden Konstruktion ... Das ist etwas, an das ich mich erinnere. Feste habe ich mit ihm aber nie gefeiert. Was ich bei ihm sehe, ist die ganz seltene Kombination eines künstlerisch hochbegabten Architekten mit einem wirklich guten – wie er es ja selbst nannte – Unternehmer oder Manager. Ja, das war er. Ich erinnere mich an eine Szene, wo er gesagt hat: „Kollegen, es ist einfach, einen Wettbewerb zu gewinnen.“ Da hat er natürlich übertrieben, denn so einfach war das auch damals nicht. „Aber bauen!“ – das war etwas anderes, und das hat er uns mitgegeben. Auch aus meiner Familientradition habe ich klarerweise mitbekommen, dass etwas erst gebaut werden muss, um Architektur zu werden. Realisieren muss das Ziel des Architekten sein, meinte er. Ja, das steht auch bei mir außer Zweifel. Ich meine, er hat ein großes Büro gehabt, das musste erhalten werden. Dass er dabei gewisse Dinge gemacht hat, die neu waren, etwa in der Konstruktion, das war schon eine Leistung, die wir selbst als junge, kritische Architekten geschätzt haben. Persönlich habe ich zwar keinen Kontakt zu ihm gehabt, aber als ich zum Beispiel meinen ersten Vortrag über Coop Himmelb(l)au gehalten habe, hat er sich das angeschaut. Er war interessiert an den Dingen, die von jungen Leuten kamen, die den Mund aufgemacht haben. Da war er tolerant und offen – aber er war, wie gesagt, auch schreiend autoritär. Ich denke schon, dass man zuerst ein Konzept haben muss, bevor man den Entwurf machen kann. Karl Schwanzer war ein großer Gestalter, der etwas von Form verstanden hat. Schwanzer hat gemeint, Architektur dürfe sich nicht davon entfernen, auch Kunstwerk zu sein. Sehen Sie das auch so  ? Ja, genauso. Bei mir heißt es allerdings: Ich lass’ mir die Kunst aus der Architektur nicht vertreiben  ! Gerade in Zeiten wie diesen, wo Optimierung und Effizienz im Vordergrund stehen, ist gleich: Das Bauwerk muss billig sein, damit ich mehr verdiene. Gerade da sind für mich die Ansprüche, 440

„Die Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt“

Schwanzer is an irreplaceable part of Austrian architectural history. What pains me the most is that the indolence, the indifference, of our country meant that he was never given the status he deserves. It has to do with respect, and our nation has no respect. Schwanzer’s battle against mediocrity was tremendous, and so were his books. You could see his great interest in architecture and planning when he talked about the BMW tower. Or when we visited the Philips-Haus—he was really excited about his own work, about the pre-stressed bearing structure … That’s something I remember. I was never at any parties with him, though. What I see in him is a very rare combination of an artistically highly talented architect together with a really good—as he himself said—entrepreneur or manager. Yes, he really was. I remember one time when he said: “Fellas, it’s easy to win a contest.” Of course, he was exaggerating, because it wasn’t that easy back then either. But building the project after you win! That’s what it’s all about! That’s what he gave us. From my family tradition, as well, it was very clear to me that something must first be built before it can be considered architecture. He always said that realization must be the architect’s goal. Yes, and there is no doubt in my mind about that either. I mean, he had a large firm that had to be maintained. The fact that he did certain things that were new, for instance in construction, was something that even us young and critical architects were very appreciative of. I didn’t have any contact with him personally, but he came and listened to my first lecture on Coop Himmelb(l)au, for example. He was interested in the things that emerged when young people opened their mouths. In that, he was tolerant and open. However, as I said before, he was also a screaming authoritarian. I do think that you have to have a concept before you can create a design. Karl Schwanzer was a great designer who really understood something about form. Schwanzer said that architecture should not allow itself to shift away from being a work of art. Is that how you see it, too  ? Yes, exactly like that. But for me, it’s more like: We will not allow art to be exiled from architecture  ! Especially in times like these, where optimization and efficiency are the main focus, it’s always the same thing: The building has to be cheap so that the client can make more money. For me, that’s precisely the point—that the demands, which I tend to call form and content, are essential, the convergence of program and form. And you can see that in Schwanzer. The search for a new means of expressing is expression. “I Learned My Strategy for Getting Things Done from Schwanzer”

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die ich eher mit Form und Inhalt tituliere, das Wesentliche, das Zusammenkommen von Programm und Form. Und das sieht man bei Schwanzer. Die Suche nach einer neuen Art von Ausdruck ist Expression. Das PhilipsGebäude – mein Lieber! – das hat sich damals in Österreich niemand getraut zu bauen. Die Power, die Schwanzer gehabt hat und auch sein Großbüro: Das hat er wirklich dazu genutzt, gewisse Ideen durchzusetzen. Ich weiß nicht, ob er reich war. Es gibt wohlhabende Architekten, aber reiche  ? Also, die gibt es in der Architektur sicher nicht. Schwanzer hat es sich geleistet, Entwürfe zu machen – so wie das Projekt für Osaka –, die nie eine Chance auf Realisierung gehabt haben. Na, das ist fast so wie bei uns ... Das zeigt sich ja auch darin, wie er den BMW-Turm akquiriert hat. Er hat um ein Vermögen in den Studios in Geiselgasteig ein ganzes Geschoßteil als Filmkulisse nachbauen lassen. Weil Herr Quandt, einer der BMW- Hauptaktionäre sich angesichts der Pläne einfach nichts vorstellen konnte. Ja, er hat erzählt, runde Büros konnte sich niemand vorstellen. Dazu muss ich auch etwas erzählen. Seine Strategie war uns ein großes Vorbild bei unserem Wettbewerb für die BMW-Welt. Natürlich hatte sich das in Windeseile herumgesprochen, dass Schwanzer angeblich ein 1:1 Modell von einem Bürogeschoß mit IBM-Maschinen und Sekretärinnen hat aufbauen lassen. Und wir haben unseren Wettbewerb auch gewonnen. Aber: Gewinnen einfach, Bauen sehr schwer! Es hat letztlich sehr lang gedauert, unter anderem, weil sich der Vorstand die Größe des Gebäudes nicht vorstellen konnte. Wir haben uns gesagt: Das müssen wir jetzt zeigen. Wir konnten kein 1:1 Modell bauen, aber wir haben eines gebaut, das viel größer war als ... dieser Raum hier, und wir haben eine amerikanische Movie-Firma, die digital arbeitet, geholt. Die sind mit 30 Leuten gekommen, einem Catering Service, haben Lampen aufgebaut, und ein Kameramann ist einen Tag lang am Computer gesessen – und dann: „Achtung, Aufnahme!“ Die Kamera ist gekommen, Pause. Catering, essen, feiern, aus. Am nächsten Tag hat der wieder den ganzen Tag programmiert, und die Kamera ist entsprechend eingefahren. Und der Trick war der, dass wir die Materialien, die ja aus Karton waren, digital zu ‚richtigem‘ Material machen konnten. Wir haben eine 20 Meter hohe Fabrikhalle gemietet und dort eine Riesenleinwand aufspannen lassen, um das ungefähre Größengefühl wiederzugeben. Den Film, der sauteuer war, haben wir dem Vorstand vorgespielt – und ich muss Ihnen sagen, so ungefähr konnte man die Größe unseres Vorhabens ahnen. Darauf hat es geheißen: „Okay, wir bauen es.“ Sie können sich nicht vorstellen, wie groß der Stein war, der von meinen Schultern gefallen ist, denn dieser Film wäre finanziell unser Ruin gewesen. Ich wäre jetzt noch nicht frei von den Schulden, die wir damals gemacht haben ... Also, diese Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt. Anders zwar, aber das Prinzip ist dasselbe. Nämlich, dass man Atmosphäre erzeugen muss und den Klienten, die ja keinen Plan lesen können, ungefähr zeigen kann, was sie erwartet. 442

„Die Strategie, etwas durchzusetzen, habe ich von Schwanzer gelernt“

The Philips building—oh my word!—nobody dared to build anything like that in Austria back then. The power that Schwanzer and his large firm had! He really used it to push through some very specific ideas. I don’t know if he was rich. There are wealthy architects, but rich ones  ? That’s certainly not a thing in architecture. Schwanzer allowed himself to create designs—such as the Osaka project—that never even had a chance of being realized. Well, almost like us, actually … This is reflected in the way he got the BMW tower. He had an entire floor of the design built like a film backdrop at Geiselgasteig studios. It cost him a fortune. And all because Mr. Quandt, one of the principal shareholders of BMW, was simply not able to envision anything from looking at the plans. Yes, he said that nobody could imagine round offices. I have something to tell you about that, too. His strategy was a tremendous example for us in our competition entry for BMW World. Of course, word got around in no time that Schwanzer had allegedly built a full-scale model of an office floor, complete with IBM machines and secretaries. And we won our competition, as well. But: Winning is easy, and building quite hard! In the end, it took a really long time, partly because the board of directors were not able to imagine the size of the building. We said to each other, we have to show them somehow. We couldn’t build a full-scale model, but we built one much larger than … this room here, and we brought in an American movie company (Imaginary Forces) to create digital imagery. They came with 30 people and a catering service, set up spotlights, and a cameraman sat at the computer for a day—and then: “Attention, rolling.” The camera came, and they took a break. Catering, eating, celebrating, done. The next day, he programmed all day again, and the camera was brought in again. And the trick was then digitally turning the material into ‘real’ material. We rented a 20-meter-high factory hall and put up a giant screen to illustrate and give a sense of the approximate size. We showed the film, which had been really pricey, to the board of directors and then that was it: “Okay, we’ll build.” You can’t imagine the size of the boulder that fell from my shoulders, because making the movie would have been our financial ruin. I still wouldn’t have recovered from the debt we racked up … So I learned my strategy for getting things done from Schwanzer. A different way, but the principle is the same— namely that you have to create an atmosphere that shows clients, who often can’t read a plan, roughly what to expect.

“I Learned My Strategy for Getting Things Done from Schwanzer”

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„Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“ Timo Huber im Gespräch Timo, Du kommst ursprünglich aus Linz, bist mit deinen Eltern nach Düsseldorf gezogen und hast dort das Abitur gemacht. Warum bist du danach nach Wien gegangen, um hier Architektur zu studieren  ?

Mirko Pogoreutz

In den letzten Schuljahren habe ich mich sehr für Kunst interessiert und diesbezügliche Experimente begonnen. Daraus entstand dann mein Wunsch, Kunst zu studieren. Da aber mein Vater, ein Stahlbautechniker mit künstlerischen Ambitionen, besorgt um meine Zukunft und total dagegen war und mich im Fall eines Kunststudiums nicht mehr unterstützt hätte, fiel meine Entscheidung zugunsten der Architektur aus. Mein Vater hatte einen Freund in der Planungsabteilung der Stadt Wien und meinte, dass ich dort neben dem Studium arbeiten könnte, um in Wien besser leben zu können. Gearbeitet habe ich dort allerdings nie, sondern in Architekturbüros, aber über besagten Freund lernte ich einen TH -Studenten kennen, der eine Wohnung hatte und einen Mitbewohner suchte.

Timo Huber

Du hast 1964 angefangen, Architektur zu studieren. Warum auf der ‚Technik‘  ? In erster Linie, weil mich mein Vermieter und Mitbewohner über das Studium an der TH informiert und mich dort eingeführt hat. Über die Möglichkeiten, an der Angewandten oder an der Akademie zu studieren, wusste ich zu wenig. Welche Lehrer waren prägend für Dich  ? Ich nehme an, vor allem Karl Schwanzer, nachdem ihr ihn ‚Karl den Großen‘ genannt habt ... Schwanzer war sicher der Wichtigste, eine wirklich imposante Persönlichkeit mit Visionen. Viele andere Lehrende waren eher Feindbilder; das Gute an ihnen war jedoch, dass man mit eigenen Ideen und Entwürfen gegen sie agieren konnte. Das war ein Ansporn! Einer von ihnen war Professor Wurzer an der Lehrkanzel für Städtebau, bei dem es uns gelungen ist, unter Kämpfen und gegen Widerstände zu erreichen, dass eine Gruppenarbeit angenommen und benotet wurde; davor wurde sowas dort nicht akzeptiert. Auch an anderen Professoren konnten wir uns erfolgreich reiben. Das klingt nicht einfach. Wie und wann geschah dann der Aufbruch in Richtung Zünd-Up?

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“The Highlight Was Schwanzer’s Ride on a Harley” Timo Huber in Conversation

Timo, you grew up in Linz, then moved to Düsseldorf with your parents, where you graduated from high school. What inspired you to then move to Vienna to study architecture  ?

Mirko Pogoreutz

In my later years of high school, I discovered and began to explore art, which gave rise to my desire to study art at university. My father, however, was a steel and construction technician and very concerned about my future. He was absolutely opposed to any artistic ambitions I had. If I had decided to pursue a degree in the arts, he never would have supported me, and so I decided to go for architecture instead. He had a friend in the City of Vienna’s Urban Planning Department and suggested that I work there to support myself while studying in Vienna. I decided not to take the opportunity, working for architecture firms instead, but I did meet a student at the TH through this friend of his, who, as luck would have it, had an apartment in the city and was looking for a roommate.

Timo Huber

You began studying architecture in 1964. Why at the TH  ? Primarily because my landlord and roommate told me about the TH, introduced me to it. At the time, I simply wasn’t aware of the opportunities available to students studying at the University of Applied Arts or the Academy of Fine Arts. Which professors were most influential in your development  ? I assume Karl Schwanzer, especially since you nicknamed him ‘Karl the Great’ ... Schwanzer was certainly the most important; he was a really impressive individual with vision. Many of the other teachers were more like adversaries. The good thing about them, however, was that you could use your ideas and designs to oppose them. It was an incentive  ! Prof. Wurzer, head of the Department of Urban Development, was one of these. We did succeed, after many struggles and immense resistance, to have our project accepted and graded as a group. Group projects had never been accepted before we undertook the battle. We clashed with the professors, and often came out on top. That doesn’t sound easy. How and when did you start Zünd-Up  ?

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Die Idee, eine Gruppe zu gründen – eben Zünd-Up –, entstand 1969 durch das intensive gemeinsame Arbeiten an Studienprojekten, sicher auch beflügelt durch den Zeitgeist und durch Popgruppen. Wir haben neben der Arbeit an Projektplänen und Montagen viele Texte geschrieben, politische und architekturkritische, aber auch aggressive Texte, die andere Gruppen der Zeit nicht unbedingt in dieser Weise formuliert haben. Wann bist Du im Studium Karl Schwanzer begegnet? Zum ersten Mal habe ich Schwanzer erlebt, als er ein Projekt von Coop Himmelb(l)au präsentiert bekam – ich denke, es war ‚Villa Rosa‘, eine pneumatische Wohneinheit. Sein Enthusiasmus und seine Neugierde haben mich damals sehr fasziniert. Ein anderer Anlass war eine Korrektur im Zeichensaal, wo wir Zünd-Ups erst sehen wollten, wie Schwanzer dabei agiert, bevor wir unser Projekt präsentieren sollten. Ich kann mich erinnern, dass er sachlich auf die Entwürfe eingegangen ist, aber auch ziemlich kritische Fragen gestellt hat. Was uns damals sehr gestört hat, war die Anwesenheit seiner beiden Söhne, die an den Studentenarbeiten herumgemäkelt haben – was ihnen gar nicht zustand. Ich habe an Schwanzers Lehrkanzel nur das eine legendäre Studienprojekt – den ‚Great Vienna Auto-Expander‘ – mit meinen Zünd-Up-Freunden realisiert. Bei der Gelegenheit sind wir auch Schwanzers damaligem Assistenten Günther Feuerstein begegnet, der an diesem Institut eine ganz außerordentliche Rolle eingenommen hat. Er hat internationale Vortragende aus diversen Bereichen in seine Vorlesung geladen und uns Studenten damit an unterschiedlichste Disziplinen und Themen herangeführt. In diesem Zusammenhang haben wir etwa Viktor Gruen kennengelernt, aber auch Künstler wie Walter Pichler und Otto Muehl. War das an der Technik selbst, oder im berühmten Klubseminar von Feuerstein  ? Das war an der Technik, im mittlerweile legendären ‚Feuerstein-Hörsaal‘. Seine Lehrveranstaltung hieß ‚Tendenzen der Gegenwartsarchitektur‘. Wir waren besonders von Otto Muehl und seinen Aktionen fasziniert, die er anhand von Film- und Fotoprojektionen präsentiert hat. Bei diesem Anlass und nach angeregtem Austausch hat Muehl uns Zünd-Ups gefragt, ob wir Interesse hätten, an einer seiner Aktionen teilzunehmen, und wir haben sofort erwartungsvoll zugesagt und waren letztlich bei mehreren Aktionen und Filmen dabei. Mit Otto Muehl schien uns die Möglichkeit eröffnet, gegen die Eltern, gegen den latenten Nationalsozialismus in der Gesellschaft, gegen die Dominanz der katholischen Kirche, die veraltete Studienordnung mit ihrem autoritären System, gegen das graue Wien aufzubegehren.

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„Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“

The idea of founding the Zünd-Up team took hold in 1969. The idea arose through our intensive and focused collaboration on student projects, and was definitely influenced by pop music and the overall Zeitgeist at the time. Aside from our work on projects and montages, we also worked on many documents—political writings and architectural reviews on one hand, but also rather aggressive writings that other groups during this time would not necessarily have phrased as confrontationally as we did. At what point during your university studies did you meet Karl Schwanzer  ? I first encountered Schwanzer when Coop Himmelb(l)au presented a project to him—I think it was Villa Rosa, a pneumatic residential unit. I was fascinated by his enthusiasm and curiosity. Another occasion was a drafting room review, where everyone at Zünd-Up wanted to see how Schwanzer would respond before presenting our final project. I remember that he reacted to our draft quite matter-of-factly, but also asked fairly critical questions. Something that bothered me quite a bit back then was the presence of his two young sons, who participated in the critique of our project—which was not their place. I only completed one project during my time as Prof. Schwanzer’s student: The legendary Great Vienna AutoExpander project by our group Zünd-Up. We met Schwanzer's assistant Günther Feuerstein first, who played a crucial role at the department. He invited international speakers from various fields to his classes, thus introducing all of us students to a wide variety of new disciplines and topics. We had the honor of meeting Viktor Gruen, for example, in this context, as well as artists like Walter Pichler and Otto Muehl. Did this take place at the TH or at Feuerstein’s famous Seminar Club  ? All of this took place at the TH , in the now legendary Feuerstein Lecture Hall. His course was called ‘Trends in Contemporary Architecture’. We were especially intrigued by Otto Muehl and his work, which he presented using film and photography projections. After a lively exchange on one of these occasions, Muehl asked us if Zünd-Up would be interested in collaborating on one of his actionist ventures. We immediately accepted, full of anticipation, and ended up taking part in several of his presentations and films. By working with Otto Muehl, it seemed that we finally had the chance to revolt against our parents, against the latent National Socialism in society, against the dominance of the Catholic Church, against the regulations of the university’s outdated and authoritarian system, against the gray of Vienna.

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Zurück zum Studienprojekt bei Karl Schwanzer, der Planung einer Parkgarage unter dem Karlsplatz. Günter Zamp Kelp von der Gruppe Haus-Rucker-Co war damals euer Assistent, oder  ? Ja, Zamp Kelp musste Professor Schwanzer, glaube ich, erst davon überzeugen, dass er unser Projekt akzeptiert, da es den Vorgaben nicht entsprach und von uns weit über den Rahmen herkömmlicher Architekturprojekte hinaus konzipiert und dargestellt wurde. Aber zumindest Gruppenarbeiten waren bei Schwanzer längst zugelassen. Auch das war der große Unterschied zu anderen Instituten. An Schwanzers Lehrkanzel herrschte eben eine andere Atmosphäre. Nicht zuletzt durch seinen Umbau und seine Neumöblierung des Instituts manifestierte sich eine neue Offenheit, die in starkem Widerspruch zum ‚Mief‘ der restlichen Technischen Hochschule stand. Sensationeller Weise war es für uns sogar möglich, dort Flugblätter in kleiner Auflage zu drucken, was für die Zünd-Up-Mission von großer Bedeutung war. Die Freiheit am Institut hatte mit Karl Schwanzer zu tun? Auf jeden Fall! Aber auch durch Günther Feuerstein wurde das Institut ein Kristallisationspunkt für neue Möglichkeiten und visionäre Ideen. Wie wurde euer Projekt ‚Great Vienna Auto-Expander‘ letztlich von Schwanzer benotet  ? Positiv  ! Schwanzer war nicht nur offen für neue Ideen, sondern er war auch sehr interessiert an den Details der Entwicklung und hat von uns bei einer Zwischenpräsentation noch weitere Pläne zur tiefergehenden Erläuterung einzelner Aspekte gefordert. Daraufhin haben wir mehrere visionäre Konzepte gezeichnet, sie durch Fotomontagen erweitert und ein großes Modell gebaut. Er hat jedenfalls intensiv mit uns über das Projekt, das Planungskonzept und den städtebaulichen Kontext diskutiert. Dabei ging es ihm nicht nur darum, uns sein Verständnis zu vermitteln; er wollte auch in die Köpfe der Projektanten hineinschauen. Das tollste und aufregendste Erlebnis mit Karl Schwanzer war aber dann die Endpräsentation des ‚Great Vienna Auto-Expander‘, die wir als multimediale Show in der Tiefgarage Am Hof im 1. Bezirk organisiert haben. Erstmals wurde ein universitäres Projekt öffentlich präsentiert, mit dem Ansatz, ein Übungsprogramm der Hochschule als gesellschaftskritische Auseinandersetzung dem urbanen Raum gegenüberzustellen: quasi der Exodus aus der Schule. Zahlreiche geladene Gäste waren dabei – die Wichtigen, die Wertvollen, die Freunde und Freundinnen, die Helfer und Helferinnen, die Erstaunten, die Begeisterten, die Kritischen. Zur Verstärkung der Ideen, die anhand von Plänen, Projektionen, Schaubildern und dem großen schwarzen Modell in den Waschboxen der Tiefgarage 448

„Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“

Let’s get back to your student project during your time as Karl Schwanzer’s student. The course was about planning an underground parking garage at Karlsplatz. Günther Zamp Kelp, a member of Haus-Rucker-Co, was the assistant who advised you during the planning stages of the project, correct  ? Yes. I believe Zamp Kelp first had to convince Prof. Schwanzer to accept our project, as it didn’t meet the requirements, and its design and presentation were far beyond the scope of conventional architectural projects at the time. Thankfully, though, Prof. Schwanzer had already accepted group work in the past, which was not the case with professors in other departments. Schwanzer’s department just had a different atmosphere—in part because of the renovations and refurnishing he undertook at the institute. This attitude created a new openness that became evident right away, in stark contrast to the staleness of the rest of the university. What was extraordinary was that we were able to print up a small number of leaflets there, which was very important for the Zünd-Up mission. Did that sense of freedom at the institute have something to do with Karl Schwanzer  ? Absolutely  ! Although Günther Feuerstein also made the institute a hub for new possibilities and visionary ideas. How was your Great Vienna Auto-Expander project ultimately evaluated and graded by Schwanzer  ? We passed  ! Schwanzer was not only open to new ideas, he was also very interested in their development, including what some would consider technicalities and minutiae. During an interim presentation, he asked us to explain individual aspects in greater detail. So then we drew up even more visionary designs, expanded on them with photo montages, and built a large-scale model. Prof. Schwanzer went into great detail with our team, discussing the project, the planning stages, and concept, as well as the urban development context. It wasn’t just about conveying his knowledge to us; he also wanted to look into, and understand, the minds of the designers. The greatest and most exciting experience with Karl Schwanzer was the final presentation of our Great Vienna Auto-Expander, a multimedia show we put on in Vienna’s first district, at the Am Hof underground parking garage. It was the first time a university project had been presented to the public. The idea was to use a teaching workshop at the university as a socially critical examination of urban space: an exodus from school, so to speak. Numerous guests attended—VIP s, friends, collaborators, people who were amazed, enthusiastic, and critical. We presented our concepts using designs, projections, diagrams, and a large black model in the carwash box. To drive our ideas home, we invited 40 members of the Harley Davidson and Norton “The Highlight Was Schwanzer’s Ride on a Harley”

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gezeigt wurden, waren 40 Mitglieder der beiden Motorradclubs ‚Harley Davidson‘ und ‚Norton‘ mit ihren chromglänzenden Maschinen eingeladen, um die Faszination für Motor und Fahrzeug, aber auch das ambivalente Verhältnis dazu vor Augen zu führen. Die Zünd-Up-Crew war voller Stolz, dass ihr verehrter Zampano, Professor Karl Schwanzer, die Show als Präsentationsform anerkannt hat. Mit Anzug und Stecktuch führte er die Diskussion, und wir standen ihm – besessen von unserem Thema – in unseren mit Zünd-Up-Logo bedruckten T-Shirts gegenüber. Der Höhepunkt der Präsentation war Schwanzers begeisterte Zustimmung zu einem ‚Ritt‘ auf einer der schweren Maschinen rund um den Platz Am Hof. Was genau war die Aufgabe des Studienprojekts  ? Im Rahmen einer Übung am Institut für Gebäudelehre und Entwerfen hatten wir die Aufgabe, eine Parkgarage am Karlsplatz nach diversen technischen Vorgaben zu entwerfen. Unser Zünd-Up-Konzept ging jedoch von ganz anderen, selbst definierten Zielsetzungen aus. Im Gegensatz zum herkömmlichen Hochschulkorsett der Einzelarbeit haben wir die vitale Form der exzessiven Gruppenarbeit gewählt. Das Ganze wurde in gesellschafts- und architekturkritische Zusammenhänge gestellt, in allen seinen Facetten analysiert und als work in progress entwickelt. Besondere Bedeutung hatte die Form der Vermittlung und die Auseinandersetzung mit den Themen Fetisch Auto, Kultur/Hochkultur, Konsumdesign, neue Existenzformen und herkömmliche Architektur. Der ‚Great Vienna Auto-Expander‘ wurde als monumentales Objekt in Form eines Flippers, eines Kugelspielautomaten, konzipiert, in dem der Benutzer dynamische Phantasiewelten erleben konnte: In einer Doppelröhre konnte man – vom ‚Röhren des Jahrhunderts‘ überwältigt – über die Kärntnerstraße in das Dach des Stephansdoms jagen und letztlich das ‚Fahrzeug‘ – in einem ‚play and destroy game‘ zum Blechpaket gepresst – mit nach Hause nehmen und im Garten vergraben. Wann genau war die Präsentation des Projekts in der Garage  ? Die Präsentation des ‚Great Vienna Auto-Expander‘ fand am 28. Juni 1969 statt. Sie wurde detailliert vorbereitet und durch Plakate mit der Headline ‚WHAZZAT ‘ an der Architekturfakultät angekündigt. Warum hat die Präsentation in der Tiefgarage Am Hof stattgefunden und nicht am Karlsplatz  ? Der Garagenraum dort war riesig, die glatten Fliesenwände für die Präsentation wunderbar geeignet, und irgendjemand hat dort einen Tankwart gekannt. Wir wollten ursprünglich auch Rennautos ausstellen, das ist uns aber leider nicht gelungen. Letztlich waren auch die Motorradclubs mit ihren schweren Maschinen raumfüllend, laut und beeindruckend genug. 450

„Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“

motorcycle clubs, who showed up on shiny chrome motorbikes. This showcased not only our fascination with engines and vehicles perfectly, but also society’s ambivalent relationship to them. The Zünd-Up crew was incredibly proud that our beloved professor, a bigshot in his own right, recognized this show as a formidable medium for presenting our work. Prof. Schwanzer stood there, guiding the discussion, dressed imposingly in a three-piece suit and matching pocket square, and we stood across from him in our T-shirts printed with the Zünd-Up logo. The highlight of the presentation was the moment when Schwanzer happily accepted a ride on one of the heavy bikes and took a quick spin around the Am Hof square. What exactly was the nature of the assignment for this project  ? It was an exercise for the Institute of Building Theory and Design. We were asked to design a parking garage on Karlsplatz according to a number of technical specifications. But we based our Zünd-Up concept on very different objectives and goals, which we identified and defined for ourselves. In contrast to the traditional, rigid university framework of individual work and assessment, we chose the polar opposite—collaboration, to an almost excessive degree. This place the entire project in a context critical of society and architecture, analyzed all its facets, and further developed it as a true ‘work in progress’. The mode of communication and discussion of the topics automotive fetish, culture vs. high culture, consumer design, new forms of existence and conventional architecture, was of particular importance. The Great Vienna Auto-Expander was designed as an enormous building in the shape of a pinball machine, where users could experience a dynamic fantasy world. Through a double chute, you could—overwhelmed by the ‘Roaring of the Century’—shoot a car across Kärntnerstraße onto the roof of St. Stephen’s Cathedral, and then take the ‘vehicle’—compressed into a tiny metal clump—home to bury in your yard, as if in a ‘search and destroy’ game. When exactly did you present the project  ? The presentation of the Great Vienna Auto-Expander took place on 28 June 1969. We made detailed plans and announced it to the architecture department on flyers headlined ‘WHAZZAT ’. Why did the presentation take place at Am Hof and not at Karlsplatz  ? The garage space there was huge, and the smooth tiled walls were perfectly suited for the presentation. Also, conveniently, someone knew a gas station attendant there. We originally wanted to have race cars, too, but unfortunately weren’t able to. Ultimately, the heavy hogs of the motorcycle clubs were noisy and impressive enough. “The Highlight Was Schwanzer’s Ride on a Harley”

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Wie ist Karl Schwanzer mit dem Thema Autorenschaft bei dieser Gruppenarbeit umgegangen  ? Er hat tatsächlich danach gefragt, aber wir haben ihm verständlich machen können, dass wir alles gemeinsam konzipiert und ausgeführt haben, und er hat es letztlich auch akzeptiert. Was hat das Projekt wie generell das Studium bei Karl Schwanzer für dich und deine weitere Entwicklung bedeutet  ? Karl Schwanzer war als Lehrender, als Vermittler einer zukunftsweisenden Architekturauffassung offen für neue Ideen und Experimente, und als Gestalter des Kosmos’ seines Instituts, das visionäre Ideen förderte, ein immens wichtiger Impulsgeber meiner Entwicklung. In diesem Zusammenhang war für mich die Möglichkeit, dieses Zünd-Up-Projekt zu erarbeiten, ein Schlüsselerlebnis; letztlich war es Ausgangspunkt meiner weiteren Zielsetzungen. Auch durch die Impulse Günther Feuersteins, der diese Gruppen in der Folge international als ‚Österreichs visionäre Architektur‘ bekannt machte, sind wir in eine neue Form, eine neue Dimension der Auseinandersetzung mit Architektur eingestiegen. Das letztlich auf die Begegnung am Institut zurückzuführende Aktionismus-Erlebnis mit Otto Muehl hatte intensiven Einfluss auf die Aktionen und Filme (‚Metro‘ und ‚Schöner Wohnen‘), die wir als Aktionsgruppe Salz der Erde – die sich aus der Gruppe Zünd-Up herausgebildet hatte – realisiert haben. Bei den Projekten meines Architekturbüros haben wir versucht, speziell bei Sanierungsvorhaben offen und partizipativ der Aufgabenstellung gerecht zu werden; besonders die Planungen für den öffentlichen Raum setzten sich mit der multifunktionalen Bedeutung und Funktion von Freiflächen im städtischen Bereich kritisch auseinander. Letztlich ist auch der einstige Ansatz des Widerstands, der Systemkritik, in meinen künstlerischen Arbeiten und Ausstellungen bis heute erkennbar.

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„Der Höhepunkt war Schwanzers Ritt auf einer Harley Davidson“

How did Karl Schwanzer deal with the concept of authorship in this type of group work  ? He actually asked us about it directly. We were able to explain to him that we designed and implemented everything together and, in the end, he accepted that response. What did the project, and your studies with Schwanzer in general, mean for you and your further development  ? Karl Schwanzer was an incredible teacher, an agent of a future-oriented notion of architecture, and an immensely important driver of my development. He was open to new ideas and experiments, a true architect of the universe of his department, which was known to promote visionary new ideas. In this context, the opportunity to work with Zünd-Up was a pivotal experience for me. Basically, it was the starting point for developing my career and achieving my objectives. At one point, Günther Feuerstein proclaimed our work to be ‘Austria’s visionary architecture’—something he said internationally. Thanks to his input and encouragement, we entered a new mode, a new dimension in how we thought about architecture. The experience with Otto Muehl’s Actionism, which can ultimately also be traced back to my encounters and experiences at the institute, had a lasting effect on our work, especially the designs and films ‘Metro’ and ‘Schöner Wohnen’. These were projects ultimately realized by the team known as Salt of the Earth—which emerged from Zünd-Up. In the projects that we worked on at my architecture office, we tried to approach each task openly and collaboratively, especially when working on renovation projects. Specifically, our public space design tackled the multifunctional significance and use of open space in urban areas. In the end, my old approach of resisting and critiquing existing systems can still be seen in my artistic work and exhibitions to this day.

“The Highlight Was Schwanzer’s Ride on a Harley”

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„Das Massaker der Arbeit“ Boris Podrecca im Gespräch

Max Gruber

Sie waren nicht Student bei Karl Schwanzer  ?

Boris Podrecca Damals gab es in Wien zwei Schulen für Architektur: die Meisterklasse von Roland Rainer an der Akademie der bildenden Künste – hier ging es ziemlich elitär zu, von 50, 60 Bewerbern wurden höchstens sechs bis sieben aufgenommen –, und daneben die Technische Hochschule als große Anstalt mit mehreren guten Professoren an verschiedenen Instituten. Da war Karl Schwanzer der Moderne, quasi der Fahnenträger. Bei Roland Rainer habe ich viel darüber erfahren, was Stadt ist. Rainer war im Innersten ein Städtebauer, das Detail stand nicht im Vordergrund – ganz im Gegensatz zu Karl Schwanzer. Er hat das ziselierte Objekt geliebt. Stadt war für ihn eine Collage, ein Plural von durchdachten Objekten. Ich habe beide gehört und dann bei Hans Hollein am berühmten Kerzengeschäft Retti am Kohlmarkt gearbeitet. Dort war ich ganz allein im Atelier, habe einiges gelernt und bekam dann Lust nach Großem – und so ging ich zu Schwanzer. Sein Projektmanager war Herr Fleischer, sehr nett und elegant. Mit ihm hatte ich ein Gespräch und wurde aufgenommen. Was Karl Schwanzer betrifft: Ich kenne kaum einen Architekten, der so viel in Qualität investiert hat. Er war keiner, der mit Skizzen daherkam oder mit einem in seiner Struktur fertigen Projekt. Ohne bereits ein konkretes Bild vor sich zu haben, hat er uns durch seine Anregungen vorangetrieben. Er hat unglaublich viel Geduld und Zeit für diesen Prozess aufgewendet. Zugleich war er auch typisch wienerisch, abtastend und vorsichtig, um mit seiner Moderne nach vorne zu preschen. Immer wieder meinte er: „Ja, ist okay, aber pass’ auf: Was du machst, muss sich irgendwo bewährt haben, ich riskiere nichts. Du musst es nur anders bekleiden, das Vorhaben muss eine andere Imago bekommen.“ Diese beiden Eigenschaften, die Dichotomie von Vorpreschen und manchmal auch einer gewissen Angst vorm Risiko – das war das Hamlet’sche an ihm.

Er hatte wohl ein vorwärtsstürmendes Temperament und konnte andere sehr fordern. Aber vor Widerstand hat er sich nicht gefürchtet, oder    ? Er war sicher eine Person, die von der Begeisterung bis zur Depression alles kannte. Sein Sinusoid im Leben war sehr bewegt. Aber seine Passion für Architektur stand an oberster Stelle. Ich denke, Anekdoten sagen mehr über eine Persönlichkeit als die lineare Beschreibung. Eine vielsagende fällt mir im Zusammenhang mit dem Bau der österreichischen Botschaft in Brasília ein. Anfangs hat er mir im 454

“The Massacre of the Workload” Boris Podrecca in Conversation

Max Gruber

You weren’t one of Karl Schwanzer’s students  ?

Boris Podrecca There were two schools of architecture in Vienna back then: Roland Rainer’s master class at the Academy of Fine Arts—where things were quite elitist, with a maximum of six to seven being accepted out of 50 or 60 applicants—and the Technical University, a large institution with several good professors in various institutes. There, Karl Schwanzer was the modern one, the standard-bearer, so to speak. With Roland Rainer I learned a lot about what constitutes a city. Rainer was an urban planner at heart, and details were not his focus—in contrast to Karl Schwanzer, who loved a finely chiseled building. For him, a city was a collage, a profusion of carefully planned buildings. I listened to both of them and then went to work with Hans Hollein on the famous Retti candle shop on Kohlmarkt. I was all alone in the studio there, learned a few things … and then the desire for something bigger grew in me and so I headed over to Schwanzer. His project manager was Mr. Fleischer, very nice, very elegant. I had an interview with him and was hired. As for Karl Schwanzer: I know hardly any other architect who put so much effort into quality. He wasn’t someone who came in with sketches or a structurally complete project. He would propel us forward with his suggestions, without having a set concrete image in front of him. He invested an incredible amount of patience and time in this process. At the same time, he was also typically Viennese, feeling his way forward and cautious about pushing his Modernism. He often said: “Yeah, it’s okay, but be careful. Stick to things that have already been proven somewhere else. I’m not taking any risks. You just have to dress it up differently, to give the plan another idea.” These two personality traits, the dichotomy of rushing ahead and sometimes also having a certain fear of risk—that was the Hamlet in him.

He apparently had a temperament of moving forward that could challenge others quite a bit. But he wasn’t afraid of opposition, was he? He was certainly someone who was acquainted with everything from enthusiasm to depression. The ups and downs in his life were a bit like an active sine wave. But his passion for architecture was his top priority. I think an anecdote can say more about a person than just a linear description. One that comes to mind in connection with the construction of the Austrian Embassy in Brasília is very telling. At first he would just 455

Zeichensaal nur über die Schulter geschaut, hat nichts gesagt und war schon wieder weg. Aber dann sollte ich die Botschaft allein weiterentwerfen, nur im Gespräch mit ihm. Er war sehr viel weg damals, ist viel gereist, daher war das meistens am Abend. Und dann wurde man konfrontiert mit seiner latenten Unzufriedenheit: „Noch besser, noch mehr    !“ Ich glaube, ich habe insgesamt 400 Fassaden für diese Botschaft gezeichnet ... In der vordigitalen Zeit hat man von einer fertig gezeichneten Fassade mit einem Stanleymesser die Kontur geschnitten, und dann hat man mit diesem Papier gepaust. In der fertigen Kopie war der Vordergrund der Fassade etwas heller und der Himmel dunkel. Dieses Chiaroscuro hat sehr gut ausgeschaut – aber es musste noch etwas mehr sein ... So hat Schwanzer mich immer wieder zum Belvedere geschickt und nach Schönbrunn, um die Wiener Barockarchitektur als Inspiration für unsere österreichische Botschaft zu studieren. Die Taxichauffeure vor der Kapuzinerkirche, nahe dem Atelier, haben mich schon gekannt, es hieß immer: „Herr Architekt, wohin heute  ? Schönbrunn oder Belvedere    ?“ Es war ein langer Prozess, bis seine Vorstellung befriedigt war. Selten habe ich einen Architekten gefunden, der die Zitrone so sehr ausgepresst hat, bis zum letzten Tropfen, damit ein Bau gut wird. Er hatte schon eine Art Fanatismus. Die zweite Geschichte gibt es zur BMW-Zentrale in München, meiner ersten Großbaustelle. Sie bestand aus dem Büroturm, einem Automobilmuseum und einer Parkgarage. Jedes Teil für sich mit einer gewissen Aussage, einer eigenen Poetik, unabhängig von den anderen. Ich hatte mich in Wien mehr mit dem Museum beschäftigt, wieder mit hunderten Fassaden … An diesem für sein Renommee so wichtigen Bau zeigt sich seine typische wienerische Architekturhaltung, nämlich die konservative Innovation –  modern sein, aber ja nichts neu erfinden, sondern Bewährtes in anderer Form realisieren. Zylinderförmige Bauten wie den BMW -Turm gab es freilich schon, aber was ihn fasziniert hat, war ein Gebäude, das quasi von oben nach unten entsteht, statt von unten nach oben zu wachsen. Durch ein hydraulisches System wurden fertige Stockwerke nach oben gehievt. Diese Idee entstand aus dem Zeitdruck, den wir hatten. Das BMW-Emblem auf der Dachfläche des Büroturms, dieses brand, wie man heute sagen würde, musste nämlich am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele in München aufscheinen. Es gab große Nervosität und Angst, diesen Termin nicht zu schaffen, aber irgendwie ging es doch gut aus. Hier war Schwanzer – ich will nicht sagen: konservativ, aber hier konnte er freilich nicht so kühn sein wie mit seinen Studenten und Assistenten auf der Technik. Dort hat er die theatralische Welt von morgen inszeniert, aber in seiner Realisierung ging er sehr behutsam vor. Ich sollte anfangs die Bauleitung koordinieren, wofür er mir seine Münchner Wohnung vorübergehend zur Verfügung gestellt hat, eine Garçonnière mit einem Wasserbett, damals etwas ganz Neues. Ich bin in diesem Bett mit einer Zigarette eingeschlafen ... Und plötzlich in der Früh’ ein Krach, eine offene Tür: Schwanzer stand da mit einem Polizisten, der ganz erstaunt auf Bayrisch 456

„Das Massaker der Arbeit“

look over my shoulder in the drafting room, say nothing, and leave. But then when I had to continue designing the embassy all on my own, we would just talk. He was away a lot back then, traveled a great deal, so we mostly spoke in the evenings. That’s when you were confronted with his latent dissatisfaction. He’d say: “Do better, do more  !” I think I must have drawn 400 façades for that embassy … This was pre-digital times, so the contours of a finished façade drawing were cut with a stanley knife, and then the paper was used for tracing. In the finished copy, the foreground of the façade was somewhat brighter and the sky darker. This chiaroscuro looked really good— but he wanted even more … So Schwanzer would send me to the Belvedere and to Schönbrunn over and over again to study Viennese Baroque architecture as an inspiration for our Austrian embassy. The taxi drivers in front of the Capuchin Church near the studio already knew me. “Hey, Mr. Architect,” they’d say, “where are you headed today  ? Schönbrunn or Belvedere  ?” The process of satisfying his expectations was a long one. Rarely have I met an architect who squeezed the lemon so hard, right down to the very last drop, in order to make a building good. He could be kind of a fanatic. The second story is about the BMW headquarters in Munich, my first major construction site. It consisted of the office tower, the automobile museum, and a parking garage. Each part conveyed a certain message of its own, had its own poetry, independent of the others. In Vienna, I had been more involved with the museum, again with hundreds of façades … The building, so important for his reputation, showcases his typically Viennese architectural approach, namely that of conservative innovation—being modern, but not inventing anything new, instead realizing the tried and true in another form. Cylindrical buildings like the BMW Tower had already been built, of course, but what fascinated him was a building that was built from top to bottom instead of growing from the bottom to the top. There was a hydraulic system that hoisted the pre-finished floors to the top. The idea was born from the time pressure we were under. The BMW emblem on the roof of the office tower, the brand, had to be visible on the opening day of the Olympic Games in Munich. There was a great deal of nervousness and fear about being able to meet the deadline, but somehow it all worked out well. Here was Schwanzer—I don’t want to say he was conservative, but in this case he certainly wouldn’t be able to be as bold as he was with his students and assistants at the Technical University. There, he staged a theatrical world of tomorrow, but in actual project realization he proceeded very carefully. At first I was supposed to coordinate the construction management, for which he temporarily gave me his Munich apartment to live in, a garçonnière with a waterbed, something completely new at the time. I fell asleep in bed with a cigarette … And suddenly in the morning there was a loud noise, the door wide open: Schwanzer was standing there with a policeman who said in Bavarian, quite astonished: “He’s still alive!” Water was pooling in the apartment … Of course, Schwanzer exploded, threatened to fire me … “The Massacre of the Workload”

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meinte: „Der lebt ja no!“ In der Wohnung stand das Wasser ... Natürlich ist Schwanzer explodiert, drohte mit Kündigung … Diese zwei Anekdoten zeigen die Bandbreite seiner Persönlichkeit. Es hatte etwas Tragisches, aber auch etwas Komisches. Wie bei Nestroy. Diese spezifische Wiener Attitüde, das zu erleben war für mich sehr interessant. Ich kam ja aus Triest und kannte solche Mentalitäten nicht. Aber diese Erfahrungen auf der Baustelle waren für mich prägend. Aus meiner Beschäftigung mit Karl Schwanzer habe ich den Eindruck, dass er eine ganz außergewöhnliche Kombination von Eigenschaften besaß. Einerseits eine ausgeprägte Künstlerpersönlichkeit – und vielleicht ist das auch der Grund für diese Sinuskurven, wie Sie meinten –, andererseits ein unglaubliches Talent, als ‚Architektur-Unternehmer‘ erfolgreich zu sein. Natürlich. Auch sehr viele Architekten, die aus seiner Schule stammten, haben kaufmännisch agiert. Sein Credo war: Nur auf einer perfekten Organisation kann Qualität entstehen: Das hat Schwanzer sehr gut beherrscht. Er war kein Husch-Pfusch-Architekt. Man empfindet Karl Schwanzer als extrem kraftvoll und extrem energisch, auch in der Anzahl der Projekte, die er realisiert hat. Er war in der Kultur- wie in der Architekturszene ebenso gut vernetzt wie im Bereich der Auftraggeber, er hatte offenbar eine hohe soziale Intelligenz. Zugleich hat er sich selbst als einen Architekten bezeichnet, der keiner Clique angehört, also letztlich immer alleine steht. In meinen Augen hat er damit die Grundeinsamkeit des Künstlers beschrieben. Ja, und er hatte auch viel Selbstmitleid. Ich kann mich erinnern, wie wir bis tief in die Nacht den BMW-Grundriss als Modell im Maßstab 1:50 gebastelt haben. Irgendetwas hat nicht gehalten, man musste korrigieren ... Schwanzer war natürlich total nervös und ist mit diesem notdürftig gepickten Modell nach München zu Herbert Quandt gefahren. Der damalige Hauptaktionär von BMW war fast blind und nur durch Abtasten war es ihm möglich, das Projekt halbwegs zu verstehen. Dies hatten wir erst am Tag zuvor durch Zufall erfahren. Wir haben gewartet, was passiert; vielleicht wieder eine Katastrophe. Stattdessen hat er das Modell präsentiert, Quandt hat nur ein paar Fragen gestellt und es folgte: „Herr Professor, danke, machen wir es so, auf Wiedersehen  !“ Fünf Minuten. Nach seiner Rückkehr am nächsten Tag: „Ich, der kleine Architekt aus Wien zwischen Sekretärinnen mit solchen Beinen und solchen Absätzen, kein Mensch hat mich angeschaut, ich saß dort mit dem halb kaputten Modell ...“ Seine Selbstbemitleidung verdeckte jegliche Erfolgseuphorie. Eine Affinität zwischen Ihrer Biografie und jener von Karl Schwanzer sehe ich in dessen künstlerischem Anspruch. Und er war wie Sie ein ganz früher 458

„Das Massaker der Arbeit“

These two anecdotes show the broad range of his personality. It had a tragic note, but was also funny. Like Nestroy. It was very interesting for me to experience such a specifically Viennese attitude. I was from Trieste and wasn’t familiar with the mentality. But these experiences on the construction site were formative for me. My studies of Karl Schwanzer give me the impression that he had a quite extraordinary combination of personal qualities. On the one hand, a distinctly artistic personality—perhaps also the reason for the sine waves, as you called them—and on the other hand, an incredible talent for success as an ‘architectural entrepreneur’. Of course. Many architects of the same school as him were also business oriented. His credo was: Quality can only be achieved on a foundation of perfect organization. Which was something Schwanzer mastered very well. He wasn’t a rush-rush quick-and-dirty architect. One feels that Karl Schwanzer was extremely powerful and extremely energetic, in the number of projects he realized as well. He was just as well-connected in the cultural and architectural scene as he was in the world of his clients; he was obviously very socially intelligent. At the same time, he described himself as an architect who didn’t belong to a clique, in the end always standing alone. The way I see it, he was describing the fundamental loneliness of the artist. Yeah, and he also felt a great deal of self-pity. I can remember how we worked late into the night to mock up the BMW floor plan as a 1:50 scale model. Something didn’t hold, and we had to fix it … Schwanzer was totally nervous, of course, and took the makeshift glued-together model to Herbert Quandt in Munich, the main shareholder of BMW at the time. Quandt was almost blind, and he was only able to kind of understand the project by feeling his way along a model. We had just found this out by chance the day before. We waited to see what would happen; maybe another disaster. Instead, Schwanzer presented the model, Quandt asked a few simple questions, and then he said: “Professor, thank you. Let’s do it this way. See you later  !” Five minutes. Schwanzer came back the next day: “Me, the little architect from Vienna, between secretaries with legs like this and heels like that. Nobody even looked at me. I was just sitting there with my half-broken model …” His self-pity negated any euphoria he might have had about the success. I see similarities between your story and Karl Schwanzer’s in that you both have high artistic demands. And, like you, he was an early cosmopolitan. You, however, were cosmopolitan right from the cradle. You were an international member of Schwanzer’s team. Everybody who witnessed it “The Massacre of the Workload”

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Kosmopolit. Ihnen wurde das Kosmopolitische allerdings in die Wiege gelegt. Sie waren ein internationaler Mitarbeiter in Schwanzers Team, alle Zeitzeugen sind sich einig, dass er frische Luft in die TH hineingelassen hat, plötzlich gab es internationale Magazine, er flog mit den Studenten nach Amerika. Schwanzer steht vor allem auch für Offenheit, für das, was Sie als kontextuelle Architektur bezeichnen. Er war sicher kein eindimensionaler Architekt. Diese Polyphonie und Polychromie im Werk, aber auch im Charakter lag mitunter in der Kulturgeografie von Wien begründet, Wien war 1910 mit über zwei Millionen Einwohnern die fünftgrößte Stadt der Welt. Die große habsburgische Diagonale ging damals von Mailand bis Czernowitz, und Wien hat deren allgemeines Narrativ vollends absorbiert. Natürlich war Schwanzer jemand, der dementsprechend in die Welt geschaut hat, um vielschichtig bauen zu können. In seinem Buch Architektur aus Leidenschaft schimmert in den Kommentaren der Weggefährten durchaus auch die leichte Seite durch. Er selbst dagegen zeichnet sich in dieser Selbstdarstellung als suchende Künstlerseele. Er hat ja auch viele Künstler gekannt. Und bei den Großausstellungen, die Österreich repräsentieren sollten, wurde unweigerlich – etwa mit Arbeiten von Fritz Wotruba – auch auf Kunst gepocht. Schwanzer hat in dieser Kunstwelt gelebt – viel mehr, als das Architekten heute tun. Auch bei Rainer waren immer Künstler dabei. Man saß abends stundenlang beisammen, man hat eben im Plural gedacht, das ist heute verschwunden. Schwanzer hat diesen Austausch vehement praktiziert, dieses gegenseitige Befruchten. Er kam nie mit einer fertigen Zeichnung. Er hat dieses Crescendo gebraucht, diesen Prozess des Wachsens. Seine Stärke war, den Entwurfsprozess aus der Nähe zu begleiten. Darin war er beinahe väterlich oder gar mütterlich, immer wieder hat er gut analysiert und viel geholfen. Oft stand er nur hinter mir, seine Hand auf meiner Schulter, und hat inspirierend kommentiert. Andererseits war er aber auch einer, der immer provoziert hat, solange deine Ideogramme nicht richtig zum Tragen kamen. Das führte oft zu Krisen. Wie gesagt, diese verdammte Botschaft in Brasília, 400 Fassaden und ständig im Taxi ... Nein, er will die Eleganz des Wienerischen dort, die Eleganz von Hildebrandt, schau’ dir die Proportionen, die kleinen Fenster unter dem Dach an, gehören sie zum Gesims oder zu den opulenten Fenstern des Piano Nobile  ? – Also, er konnte einen schon bis zum Überdruss provozieren. Das war nicht immer ein Prozess mit Happy End. Meine Erfahrung mit Schwanzer war eben dieses ständige in-der-Krise-Sein, es war der Zwang zum erfolgreichen Suchen. Als Perfektionist wollte er unbedingt ein elegantes Atelier vorweisen können, ein Herzeigebüro. Wenn Gäste kamen – wie Buchwald, der letzte Atelierchef von Walter Gropius, ein nach Amerika emigrierter Wiener, – dann gab es die Visite. Die Tür ging auf, Schwanzer kam gut gekleidet wie immer, 460

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at the time agrees that he breathed fresh life into the TH . Suddenly there were international magazines laying around, he flew to the US with the students. Above all, Schwanzer stood for openness, for what you call contextual architecture. He was certainly not a one-dimensional architect. The polyphony and polychromy in his work—and in his character—was partially based on the cultural geography of Vienna. In 1910, Vienna was the fifth largest city in the world and had over two million inhabitants. The great Habsburg diagonal ran from Milan to Czernowitz at that time, and Vienna completely embodied this general narrative. Of course, Schwanzer was someone who looked at the world accordingly, and was able to build with multiple layers. In his book Architecture as a Passion, his lighter side definitely shines through in the comments made by his friends. But on the other hand, he portrays himself as a soul-searching artist. He also knew a great many artists. And at major exhibitions, aiming to represent Austria, the emphasis was inevitably on art, works by Fritz Wotruba, for example. Schwanzer lived in this art world—way more than architects do today. With Rainer, too, there were always artists around. People sat together for hours in the evening, thinking in pluralities, something that has disappeared today. Schwanzer practiced this kind of exchange, this cross-fertilization, with intensity. He never just came in with a finished drawing. He needed the crescendo, the growth of a creation. His strength was accompanying the design process from very close up. In doing so, he was almost paternal or even maternal. He was always very good at analysis and helped a great deal. He often just stood behind me, his hand on my shoulder, and made inspiring comments. On the other hand, he was also always very provocative, as long as your ideals did not really come into play. That often caused a crisis. Like I said, that damn embassy in Brasília, 400 façades and always in the taxi … No, he wants Viennese elegance there, the elegance of Hildebrandt, look at the proportions, the little windows under the roof—are they part of the cornice or do they belong to the opulent windows of the piano nobile  ? He could push and provoke ad nauseam. The process didn’t always have a happy ending. My experience with Schwanzer was one of constantly being in a state of crisis; there was a compulsion for a successful search. As a perfectionist, he was determined to have an elegant studio to show off, a representative office. When guests came—like Buchwald, Walter Gropius’s last studio head, who was from Vienna and emigrated to America—there was a real production. The door would open, Schwanzer would emerge well-dressed as always, and we were kept neutral by our long white work coats. Then you had to get up and stand next to your desk. If the guest saw something interesting on your desk, he would ask: “What’s “The Massacre of the Workload”

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aber wir waren durch unsere langen, weißen Arbeitsmäntel neutralisiert. Dann musste man aufstehen und sich neben den Arbeitstisch stellen. Wenn der Gast etwas Interessantes am Tisch gesehen hat, hat er gefragt: „What’s the point  ?“ oder so. Ein bisschen Unterhaltung, wie sie Königin Elisabeth von England aus Höflichkeit mit jemandem führt und weitergeht. Darauf hat Schwanzer sehr gepocht, auf diese ästhetische Ordnung, trotz dem Massaker der Arbeit und sämtlicher Krisen. Heute natürlich entspricht die formale Enthaltung, ein poor style auch einer gewissen Ästhetik, underdressed gilt mittlerweile mehr als overdressed. Bei Schwanzer war es eher overdressed. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Karl Schwanzer nicht die Wertschätzung erfahren hat, die ihm zustehen würde  ? Ist er einfach viel zu früh gestorben mit 57 Jahren, oder war er mit seiner Art von Architektur seiner Zeit so weit voraus, sodass man ihn erst jetzt langsam zu verstehen beginnt  ? Ich glaube, das ist relativ normal. Die Nachfolgegeneration, also meine, die ist zu nahe dran. Die dritte Generation hat den nötigen Abstand und kann gewissermaßen aus einer Cinemascope-Sicht Vergleiche ziehen. Heute bauen Architekten postmodern, dekonstruktivistisch, minimalistisch ... Alles geht. Hauptsache, es ist von guter Qualität. Wir leben in einer pluralen, zerfransten Zeit. Schwanzer war in der noch stärker eingegrenzten Periode des Post-Bauhaus tätig. Was haben Sie aus den vier Jahren bei Karl Schwanzer für sich bewahrt  ? Schwanzer lässt sich schwer durch einen Begriff subsummieren. Seine Sprache ist vielfältig, die Einflüsse kommen aus verschiedenen Gegenden und Zeiten. Dass man immer wieder Objekte am Tablett serviert bekommt, bei denen das Aroma aus dem Spezifischen der Orte suggeriert wird, egal ob dialogisch oder kontrastierend, das hat mir an seiner Architektur gefallen.

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„Das Massaker der Arbeit“

the point  ?” or something like that. A bit of conversation, like Queen Elizabeth exchanges a few words with someone out of politeness before moving on. Schwanzer insisted on it, on the aesthetic order, despite the massacre of the workload and all the crises. Today, of course, abstaining from formality, poor style, also corresponds to a certain aesthetic. Underdressed is now more the norm than overdressed. Schwanzer was more overdressed. Why do you think that Karl Schwanzer has never gotten the regard he deserves  ? Did he simply die much too early, at just 57, or was he so far ahead of his time with his architecture that people are only now beginning to understand him  ? I think it’s relatively normal. The next generation, my generation, is too close. The third generation has the necessary distance and can view things from a wide, cinematic perspective, so to speak. Today, architects build postmodern, deconstructivist, minimalist … Anything goes. The main thing is that the quality is high. We live in a pluralistic, sprawling age. Schwanzer was active in the more limited period of post-Bauhaus. What remains with you from your four years with Karl Schwanzer  ? Schwanzer is difficult to summarize in a single concept. His language is diverse, his influences are from many different areas and eras. What I like about his architecture is that you are continually presented with buildings that have a sense of the specificity of the place—they’re both in dialogue with, and in contrast to.

“The Massacre of the Workload”

463

Anhang

464

Appendix

465

Lebenslauf Karl Schwanzer

• Geboren am 21. Mai in Wien 1918 1937–41 • Architekturstudium an der Technischen Hochschule Wien • Graduierung zum Dipl.-Ing. 1940 • Promotion zum Dr. techn. 1941 1946–50 • Assistent von Oswald Haerdtl an der Akademie für angewandte Kunst, Wien 1947–75 • freischaffender Architekt in Wien • Josef-Hoffmann-Ehrung der Wiener Secession 1954 • Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste 1958 um die Republik Österreich • Grand Prix für Architektur auf der Weltausstellung in Brüssel • Chevalier de l’Ordre de Léopold, Belgien 1959 • Preis der Stadt Wien für Architektur • Berufung als ordentlicher Professor an die Technische Hochschule Wien, Vorstand des Institutes für Gebäudelehre und Entwerfen 1963 • Honorary Corresponding Member of the RIBA (Royal Institute of British Architects) 1964–65 • Gastprofessor an der Technischen Hochschule Darmstadt • Officier du Mérite Touristique, Frankreich 1965 1965–66 • Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur an der Technischen Hochschule Wien • Gastprofessor an der Technischen Hochschule 1967 Budapest • Gründung eines weiteren Ateliers in München • Honorary Fellow of the AIA (American Institute of Architects) • Korrespondierendes Ehrenmitglied des BDA 1969 (Bund Deutscher Architekten) • Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich • Gastvorlesungen an der Universität Riad, 1972 Saudi-Arabien • Gastvorlesungen an den Hochschulen 1973 in Darmstadt und Budapest • BDA Preis Bayern • Architekturpreis Beton des Bundesverbandes 1975 der Deutschen Zementindustrie • Verstorben am 20. August in Wien • Großer Österreichischer Staatspreis (posthum verliehen) Publikationen • Karl Schwanzer (Hg.), Modul. Werkbericht Atelier Architekt Professor Karl Schwanzer, Wien – München: Modul Verlag, 1970–84 (ab 1975 hg. von Gerhard Krampf) • Karl Schwanzer (Hg.), Architektur aus Leidenschaft, Wien – München: Modul Verlag 1973 • Karl Schwanzer (Hg.), Entscheidung zur Form. Monographie eines Baus, Wien – München: Modul Verlag 1973

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Karl Schwanzer Biography

• Born 21 May in Vienna, Austria. 1918 1937–41 • Studied at the Vienna Technical University (TH  Wien) • Graduated with a Dipl.-Ing. degree 1940 • Graduated with a doctoral degree 1941 1946–50 • Assistant to Oswald Haerdtl at the Academy of Applied Arts, Vienna 1947–75 • Freelance architect in Vienna • Josef Hoffmann Award of the Wiener Secession 1954 • Silver Decoration of Honour for Services 1958 to the Republic of Austria • Grand Prix for Architecture at the World Fair in Brussels • Chevalier de l’Ordre de Léopold, Belgium 1959 • City of Vienna Architecture Award • Professorship at the TH  Wien, Vienna, Head of the Institute for Building Theory and Design • Honorary Corresponding Member of the 1963 Royal Institute of British Architects 1964–65 • Visiting professor at the Technical University in Darmstadt, Germany • Officier du Mérite Touristique, France 1965 1965–66 • Dean of the Faculty of Civil Engineering and Architecture, TH Wien, Vienna • Visiting professor at the Technical University 1967 in Budapest, Hungary • Honorary Fellow of the American Institute of Architects • Set up a branch firm in Munich, Germany • Honorary Member of the Association of German 1969 Architects (Bund Deutscher Architekten) • Grand Decoration of Honour for Services to the Republic of Austria 1972 • Guest lecturer at the University of Riyadh, Saudi Arabia 1973 • Guest lecturer at the Technical University in Darmstadt, Germany and Budapest, Hungary • Award of the Association of German Architects, Bavaria 1975 • Concrete Architecture Award of the German Cement Industry Association • Died in Vienna on 20 August • Grand Austrian State Prize (awarded posthumously) Publications • Karl Schwanzer (ed.), Modul. Werkbericht Atelier Architekt Professor Karl Schwanzer, Vienna / Munich: Modul Verlag, 1970–84 (from 1975 on ed. by Gerhard Krampf). • Karl Schwanzer (ed.), Architektur aus Leidenschaft, Vienna / Munich: Modul Verlag 1973. • Karl Schwanzer (ed.), Entscheidung zur Form. Monographie eines Baus, Vienna / Munich: Modul Verlag 1973.

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Werkregister (Auswahl)

1947 Atelier Schwanzer, Seilerstätte 16, Wien 1 • 36 1948 Umbau Kino Metropol, Matzleinsdorfer Platz 2, Wien 4 (nicht erhalten) • 38–42 1949 Wiederaufbau Haus Graben 30, Wien 1 (teilweise erhalten) • 44 1949 Lokalumbau Hans Porges, Graben 30, Wien 1 (nicht erhalten) • 45 1949 Wiederherstellung des Modehauses Elegance, Kärntner Straße 32, Wien 1, (nicht erhalten) • 46–48 1950 Kunststoffausstellung Wiener Messe, Messepalast, Wien 7 (temporär) • 50–52 1950 Österreichische Beteiligung an der First United States International Trade Fair, Chicago (temporär) • 54

1952 1954 Messestand österreichische Beteiligung Reklamewagen Ferdinand Blumauer Messe Paris (temporär) • 84–86 Hotel- und Großkücheneinrichtungen • 120 1952 Umbau Kino Kolibri, Nussdorfer1954 straße 84, Wien 9 (nicht erhalten) • 87 Messepavillon Metallbau Wilhelm Schmid ‚Schmidwerk‘, Messe Wien 1952 (nicht erhalten) • 121, 122 Wohnung Schwanzer, Hockegasse 95, Wien 18 (nicht erhalten) • 88 1954 Energieausstellung Linz (temporär) 1952 • 128, 129 Atelier Schwanzer, Seilergasse 16, Wien 1 (nicht erhalten) 1955 • 89, 90, 93–97, 300 Messestand österreichische Beteiligung Messe Paris (temporär) 1953 • 130–133, 136–137 Messepavillon Österreichisches Kunststoffpresswerk Heinrich 1956 Schmidberger, Messe Wien, Wien 2 Autosalon Denzel, Am Hof, Wien 1 (temporär) • 98, 99 (nicht erhalten) • 138 1953 Kaffeehaus Old Vienna, Bismarck Hotel, Chicago (nicht erhalten) • 100–103

1956 Messestand österreichische Beteiligung Messe Mailand (temporär) • 140, 141

1953 Lokalumbau Österreichischer Wirtschaftsverlag, Stubenring 12, Wien 1 (nicht erhalten) • 104–107

1956 Geschäfts- und Lokalumbau Pelzhaus Giranek, Tuchlauben 7a, Wien 1 (nicht erhalten) • 142

1950 1953 Messestand österreichische Beteiligung Wanderausstellung Westafrika Messe Brüssel (temporär) • 55 (temporär) • 108, 109 1951 Gewerbeausstellung, Messe Wien, Wien 2 (temporär) • 60–65

1953 Stoffgeschäft Yard, Opernring 15, Wien 1 (nicht erhalten) • 110, 111

1951 Lokalumbau Rositta, Kärntner Straße 17, Wien 1 (nicht erhalten, Verkaufspult in Sammlungen des Wien Museums) • 69–71

1953 Stapelsessel 263 und 264 für Thonet • 134, 135

1951 Lokalumbau Olivetti (mit Emiliano Bernasconi), Kärntner Straße 21–23, Wien 1 (nicht erhalten) • 72–76 1952 Ausstellung ‚Dienst am Volk‘, Künstlerhaus, Karlsplatz 5, Wien 1 (temporär) • 77, 79–82

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1957 Lokalgestaltung Französisches Fremdenverkehrsbüro, Opernringhof, Wien 1 (nicht erhalten) • 147–149 1958 Österreichischer Pavillon Weltausstellung Brüssel (Wettbewerb 1956, 1. Preis; nicht erhalten, als Museum des 20. Jahrhunderts in Wien in adaptierter Form wiedererrichtet) • 150–156, 159–168

1953 Messestand österreichische Beteiligung 1958 Messe Paris (temporär) • 113–116 Gemeinsamer Pavillon von OECD und Europarat, Weltausstellung Brüssel (Wettbewerb 1956; Innenraum1954 Messestand österreichische Beteiligung gestaltung von Carlo de Carli, Mailand; nicht erhalten) • 170–173 Messe Paris (temporär) • 117, 118 1959 Lokalumbau Franz Kugler, Kärntner Straße 29–31, Wien 1 (nicht erhalten) • 178, 179

List of Works (Selection)

1947 Atelier Schwanzer, Seilerstätte 16, Vienna 1 • 36 1948 Metropol cinema conversion, Matzleinsdorfer Platz 2, Vienna 4 (not preserved) • 38–42 1949 Reconstruction at Graben 30, Vienna 1 (partially preserved) • 44 1949 Hans Porges store conversion, Graben 30, Vienna 1 (not preserved) • 45 1949 Restoration of the Elegance fashion boutique, Kärntner Straße 32, Vienna 1 (not preserved) • 46–48 1950 Vienna Fair plastics exhibition, Messepalast, Vienna 7 (temporary) • 50–52 1950 Austrian participation at the First United States International Trade Fair, Chicago (temporary) • 54 1950 Austrian exhibition stand, Brussels Fair (temporary) • 55 1951 Trade Fair, Messe Wien, Vienna 2 (temporary) • 60–65 1951 Rositta boutique remodel, Kärntner Straße 17, Vienna 1 (not preserved, sales counter now part of the Wien Museum collection) • 69–71 1951 Olivetti store remodel (with Emiliano Bernasconi), Kärntner Straße 21–23, Vienna 1 (not preserved) • 72–76

1952 ‘Dienst am Volk’ exhibition, Künstlerhaus, Karlsplatz 5, Vienna 1 (temporary) • 77, 79–82 1952 Austrian exhibition stand, Paris Fair (temporary) • 84–86

1954 Ferdinand Blumauer hotel and kitchen equipment publicity car • 120 1954 Wilhelm Schmid ‘Schmidwerk’ metal factory exhibition pavilion, Messe Wien (not preserved) • 121, 122

1952 Kolibri cinema conversion, Nussdorferstraße 84, Vienna 9 (not preserved) • 87

1954 Linz Energy Exhibition (temporary) • 128, 129

1953 Yard fabric store, Opernring 15, Vienna 1 (not preserved) • 110, 111

1958 Joint pavilion OECD and Council of Europe, Brussels World Expo (competition 1956; interior design by Carlo de Carli, Milan; not preserved) • 170–173

1955 Austrian exhibition stand, Paris Fair 1952 Schwanzer’s apartment, Hockegasse 95, (temporary) • 130–133, 136–137 Vienna 18 (not preserved) • 88 1956 1952 Denzel showroom, Am Hof, Vienna 1 Atelier Schwanzer, Seilergasse 16, (not preserved) • 138 Vienna 1 (not preserved) • 89, 90, 93–97, 300 1956 Austrian exhibition stand, Paris Fair, 1953 (temporary) • 140, 141 Heinrich Schmidberger Austrian plastics exhibition pavilion, Messe Wien, 1956 Vienna 2 (temporary) • 98, 99 Giranek Pelzhaus shop and office conversion, Tuchlauben 7a, Vienna 1 1953 (not preserved) • 142 Old Vienna Café, Bismarck Hotel, Chicago (not preserved) • 100–103 1957 French Office of Tourism design, 1953 Opernringhof, Vienna 1 (not preserved) Österreichischer Wirtschaftsverlag • 147–149 publishing house remodel, Stubenring 12, Vienna 1 (not preserved) 1958 • 104–107 Austrian Pavilion Brussels World Expo (competition 1956, 1st place; not preserved, rebuilt in adapted form as the 1953 Museum of the 20th Century in Vienna) Austrian Trade Exhibition West Africa • 150–156, 159–168 (temporary) • 108, 109

1953 Stacking chairs No. 263 and No. 264 for Thonet • 134, 135 1953 Austrian exhibition stand, Paris Fair (temporary) • 113–116

1959 Franz Kugler shop remodel, Kärntner Straße 29–31, Vienna 1 (not preserved) • 178, 179

1954 Austrian exhibition stand, Paris Fair (temporary) • 117, 118

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1959 Neugestaltung der Räume der Lehrkanzel an der Technischen Hochschule Wien, Hauptgebäude TH Wien, Karlsplatz 13, Wien 4 (nicht erhalten) • 180–182 1959 Erster Wiener Autolift, Hochgarage, Neuer Markt 8a, Wien 1 (nicht erhalten) • 184, 185 1960 Lokalumbau NeuzeughammerAmbosswerk, Rudolfsplatz 2, Wien 1 (nicht erhalten) • 186, 187 1961 Neue Gruft, Erweiterung der Kapuzinergruft, Tegetthoffstraße 2, Wien 1 (unter Denkmalschutz) • 188, 189 1962 Haus Schwanzer, Hawelgasse 23, Wien 18 (nicht erhalten) • 192–198 1962 Museum des 20. Jahrhunderts, ‚Zwanz’ger Haus‘, Schweizergarten, Wien 3 (unter Denkmalschutz, nach Sanierung und Umbau durch Adolf Krischanitz 2011 wiedereröffnet als Belvedere 21) • 200–206, 266, 267 1963 Neubau WIFI  – Wirtschaftsförderungsinstitut Wien, Währinger Gürtel 97–99, Wien 18 (stark verändert) • 209–211 1964 Philips Verwaltungsgebäude, ‚Philips-Haus‘, Triester Straße 64–66, Wien 10 (unter Denkmalschutz, nach Sanierung und Umbau durch Josef Weichenberger 2018 wiedereröffnet als PhilsPlace – Full Service Apartments Vienna) • 214–218 1964 Christkönigskirche Pötzleinsdorf mit Kindergarten, Schafberggasse 2, Wien 18 (Wettbewerb 1958, 1. Preis; unter Denkmalschutz) • 221–225

1965 Laborgebäude Stolllack, Mödlinger Straße 15, Guntramsdorf (stark verändert) • 232–234 1965 Zubau Akademie für angewandte Kunst, ‚Schwanzer-Wörle Trakt‘ (gemeinsam mit Eugen Wörle), OskarKokoschka-Platz 2, Wien 1 (unter Denkmalschutz, nach Sanierung und Umbau durch Riepl Kaufmann Bammer 2018 wiedereröffnet) • 235 1966 Bürogebäude IBM / Künstlerhaus, Karlsplatz 5, Wien 1 (Projekt) • 236 1966 Bürogebäude Grill & Grossmann (GIG), Attnang-Puchheim (teilweise erhalten) • 237

1973 BMW  Verwaltungsgebäude, Petuelring, München (Wettbewerb 1968, 2. Preis; unter Denkmalschutz) • 321–332 1973 BMW Museum, Petuelring, München, (Wettbewerb 1968, 2. Preis; unter Denkmalschutz) • 334–337

1967 Österreichischer Pavillon Weltausstellung Montréal (Wettbewerb 1965; temporär) • 248–257

1974 Österreichische Botschaft in Brasilien, Brasília (Wettbewerb 1967, 1. Preis) • 346–351

1967 Kindergarten der Gemeinde Wien, Weltausstellung Montréal (temporär) • 258–260

1974 Technisches Zentrum der Creditanstalt, Julius-Tandler-Platz 3, Wien 9 (Fertigstellung 1981, derzeit in Umbau) • 352

1968 Ausstellungspavillon ‚Vindobona 2000‘, temporäre Überbauung des Donaukanals im Bereich Schwedenplatz zwischen Marienbrücke und Schwedenbrücke, Wien 1 (Projekt) • 268–272 1968 City Center, Vorschlag für die Überbauung des Donaukanals im Bereich Schwedenplatz zwischen Marienbrücke und Schwedenbrücke Wien (Projekt) • 274, 275 1969 Zementfabrik Perlmooser Zementwerke AG , Mannersdorf • 287–289

1971 BMW Parkhaus, Petuelring, München, 1971 (unter Denkmalschutz, Fassade erhalten) • 294–297 Werkregister (Auswahl)

1972 Pfarrzentrum Leopoldau mit Pfarrkirche Auferstehung Christi, Saikogasse 8, Wien 22 (unter Denkmalschutz) • 316–319

1967 ‚Athmospherium‘, Vorschlag für den Deutschen Pavillon der Weltausstellung 1968–74 Osaka 1970 (Wettbewerb, Anerkennung; Masterplan für die Universität Riad • 339–342 Projekt) • 244

1964 Verwaltungsgebäude und Technische 1970 Untersuchungsstation ÖAMTC , Schanzstraße 44–50, Wien 15 (teilweise ‚Zwiebelhaus‘, Vorschlag für Bebauung erhalten) • 226, 227 am Alten Botanischen Garten, München (Projekt) • 293

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1972 WIFI – Wirtschaftsförderungsinstitut Niederösterreich, Lehr- und Werkstättengebäude mit Internatsturm, St. Pölten (Wettbewerb 1966, 1. Preis; unter Denkmalschutz, Internatsturm 1999 abgebrochen) • 302–307, 309–312

1959 Redesign of the teaching department, TH Wien main building, Karlsplatz 13, Vienna 4 (not preserved) • 180–182 1959 First Vienna Car Lift parking garage, Neuer Markt 8a, Vienna 1 (not preserved) • 184, 185 1960 Neuzeughammer-Ambosswerk shop remodel, Rudolfsplatz 2, Vienna 1 (not preserved) • 186, 187 1961 New Crypt, addition to the Imperial Crypt, Tegetthoffstraße 2, Vienna 1 (listed building) • 188, 189 1962 Schwanzer House, Hawelgasse 23, Vienna 18 (not preserved) • 192–198 1962 Museum of the 20 th Century, ‘20er Haus’, Schweizergarten, Vienna 3 (under monument protection, reopened in 2011 as the Belvedere 21 following renovation and conversion by Adolf Krischanitz) • 200–206, 266, 267 1963 WIFI – Wirtschaftsförderungsinstitut Wien building, Währinger Gürtel 97–99, Vienna 18 (highly modified) • 209–211 1964 Philips administrative building, ‘Philips-Haus’, Triester Straße 64–66, Vienna 10 (listed building, reopened in 2018 as PhilsPlace–Full Service Apartments Vienna following renovation and conversion by Josef Weichenberger) • 214–218

1965 Addition to the Academy of Applied Arts, Schwanzer–Wörle Tract (together with Eugen Wörle), Oskar-KokoschkaPlatz 2, Vienna 1 (listed building, reopened in 2018 after renovation and conversion by Riepl Kaufmann Bammer 2018) • 235

1972 WIFI – Wirtschaftsförderungsinstitut Niederösterreich, teaching and workshop building with boarding school, St. Pölten (competition 1966, 1st place; listed building, boarding school demolished in 1999) • 302–307, 309–312

1966 IBM office building / Künstlerhaus, Karlsplatz 5, Vienna 1 (project) • 236

1972 Leopoldau Parish Center with Church of Christ’s Resurrection, Saikogasse 8, Vienna 22, (listed building) • 316–319

1966 Grill & Grossmann (GIG ) office building, Attnang-Puchheim (partially preserved) • 237

1973 BMW  administrative building, Petuelring, Munich (competition 1968, 2 nd place; listed building • 321–332

1967 ‘Athmospherium’, proposal for the German Pavilion at the Osaka World Expo 1970 (competition, recognition award; project) • 244

1973 BMW Museum, Petuelring, Munich (competition 1968, 2nd place; listed building) • 334–337

1967 Austrian Pavilion Montréal World Expo (1965 competition; temporary) • 248–257

1968–74 Master plan for the University of Riyadh • 339–342

1967 Vienna Municipal Kindergarten, Montréal World Expo temporary) • 258–260

1974 Austrian Embassy in Brazil, Brasília (competition 1967, 1 st place) • 346–351

1968 Vindobona 2000 exhibition pavilion, temporary superstructure over the Danube Canal near Schwedenplatz between the Marienbrücke and Schwedenbrücke bridges, Vienna 1 (design) • 268–272

1974 Creditanstalt Technical Center, Julius-Tandler-Platz 3, Vienna 9 (completed 1981, currently under renovation) • 352

1968 City Center, proposal to build a superstructure over the Danube Canal near Schwedenplatz between the Marienbrücke and Schwedenbrücke bridges, Vienna (project) • 274, 275

1964 Christ Our King Church Pötzleinsdorf with kindergarten (competition, 1st place; 1969 listed building), Schafberggasse 2, Perlmooser Zementwerke AG cement Vienna 18 • 221–225 factory, Mannersdorf • 287–289 1964 ÖAMTC offices and technical research station, Schanzstraße 44-50, Vienna 15 (partially preserved) • 226, 227

1970 ‘Onion House’, proposal for a building in the Old Botanical Garden, Munich (project) • 293

1965 Stolllack Laboratories, Mödlinger Straße 15, Guntramsdorf (highly modified) • 232–234

1971 BMW parking garage, Petuelring, Munich (listed building, façade preserved) • 294–297

List of Works (Selection)

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Biografien der Autor_innen

Charlotte Blauensteiner, geboren 1927 in Wien, Dr. phil. Studium der Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft an der Universität Wien, Promotion 1949. 1958–84 Geschäftsführerin am Österreichischen Institut für Formgebung (ÖIF), Wien; 1986–92 Dozentin an der Akademie für Gestaltung der Handwerkskammer München. Während dieser Zeit entstanden zahlreiche Bücher, Artikel und Übersetzungen zu den Themen Design, Gestaltung und Architektur. 1966 erhielt Charlotte Blauensteiner das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich. Auch im Ruhestand war sie noch als Fachjournalistin tätig, 2008 verstarb sie 81-jährig in Wien. Max Gruber, promovierter Jurist und Absolvent der INSEAD Business School. Regie- Autoren- und Schauspielausbildung in Los Angeles. Seither international ausgezeichneter Autor und Regisseur für Film, Fernsehen und Bühne, daneben Texter, Mastermind und Frontman des Ensembles ‚Des Ano‘. Für den 2019 erschienenen Comic Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft verfasste Max Gruber die Texte. Sein Theatermonolog Karl Schwanzer – Er flog voraus bildet die Grundlage für den 2021 erscheinenden Film über Karl Schwanzer, mit Nicholas Ofczarek in der Rolle des Architekten. Timo Huber, geboren 1944 in Freistadt, Dipl.-Ing. 1964–74 Studium der Architektur an der TH Wien, 1967 Mitwirkung bei Aktionen und Filmen der Wiener Aktionisten, Gründungsmitglied der Architekturgruppe Zünd-Up (1969) sowie der Aktionsgruppe Salz der Erde (1970), die beide eine radikale Architekturauffassung propagierten. 1977 Lehrauftrag an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, 1982–2017 Leiter bzw. Auftragnehmer diverser Stadterneuerungsprojekte der Stadt Wien, eigenes Architekturbüro 1988–2019. Seit 1971 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, 2015 Goldenes Ehrenzeichen der Stadt Wien. Huber lebt und arbeitet als Architekt und Künstler in Wien. Rudolf Kohoutek, geboren 1941 in Wien, Studium der Architektur an der TH  Wien sowie der Geografie an der Universität Wien. 1963–69 tätig in den Architekturbüros von Max Bill, Ottokar Uhl, Hans Hollein u. a. 1970–71 Chefredakteur der Wiener Architekturzeitschrift Bau. Seit 1972 freiberufliche Forschung und Beratung für öffentliche und private Institutionen, zu den Bereichen Architektur, Alltagsleben, Kultur, Avantgarde, Wohnen, Stadtentwicklung, Instrumente der Planung, Evaluierung. Vortrags-, Lehr- und Beiratstätigkeit, Autor der Publikation Wiener Grund. Vermessung einer Liebe zur Stadt (2017).

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Rüdiger Lainer, geboren 1949 in Kaprun, Dipl.-Ing. 1968–71 Studium der Physik, Soziologie und Malerei in Wien und Paris sowie 1970–78 der Architektur an der TH Wien. Seit 1985 tätig als freischaffender Architekt in Wien. 1995–2006 Professur für Architektur an der Akademie der bildenden Künste, Wien. Mitglied des Grundstückbeirats in Wien (1999–2002) sowie Vorsitzender der Gestaltungsbeiräte in Krems, Salzburg und Graz. 1991–2009 Vizepräsident der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, 2001–17 Vorstandsmitglied von Europan Österreich, 2006–17 Vorsitzender des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung in Wien und seit 2019 Mitglied des Sounding Board Welterbe Wien. Ulrike Matzer, geboren 1972 in Steyr, Mag. Dr. phil. Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Archäologie in Salzburg sowie der Kunst- und Kulturwissenschaften in Wien. Freiberuflich tätig als Fotohistorikerin, Autorin, Kuratorin, Kritikerin und Lektorin. Lehrtätigkeit an der Kunstuniversität Linz und an der Akademie der bildenden Künste, Wien. Mitarbeit an mehreren Forschungsprojekten zur Geschichte der Fotografie in Österreich, zuletzt an der Albertina und am Photoinstitut Bonartes, Wien; Herausgeberin einschlägiger Publikationen, u. a. Marianne Strobl, „Industrie-Photograph“ 1894–1914 (2017) sowie gemeinsam mit Stefan Oláh Karl Schwanzer – Spuren. Eine Bestandsaufnahme (2019). Heinz Neumann, geboren 1941 in Wien, Dipl.-Ing. 1960–67 Architekturstudium an der TH Wien, Praxis u. a. bei Alvar Aalto und Erko Virkkunen in Finnland und ab 1968 bei Karl Schwanzer. Seit 1973 tätig als freischaffender Architekt in Wien. Wichtige Projekte: UNIQA  Tower, Ares Tower, Euro Plaza, Saturn Tower und Druckerei für die Zeitschrift Die ganze Woche in Wien; Finanzlandesdirektion Salzburg. Seit 1999 Lehrauftrag an der TU Wien. 2002 Verleihung des Berufstitels ‚Professor‘, zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Staatspreis für gewerbliche und industrielle Bauten, Adolf-Loos-Architekturpreis für Bürobauten, Otto-WagnerStädtebaupreis. Andreas Nierhaus, geboren 1978 in Graz, Mag. Dr. phil. Studium der Kunstgeschichte und Geschichte in Wien, 2004–05 Assistent am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien, 2005–08 Mitarbeiter der Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, seit 2008 Kurator der Architektursammlung des Wien Museums, 2019 Vertretungsprofessur für Kunstgeschichte an der Universität Frankfurt am Main. Foschungsschwerpunkte: Architektur und bildende Kunst vom 19. bis zum 21. Jh., Architekturzeichnungen, Architekturfotografie. Ausstellungen und Publikationen u. a. über die Wiener Werkbundsiedlung (2012), die Ringstraße (2015), Otto Wagner (2018) und die Kalifornische Moderne (2020).

Author Biografies

Charlotte Blauensteiner, born 1927 in Vienna, earned her PhD in art history and theater arts from the University of Vienna in 1949. From 1958–84 she served as executive manager at the Austrian Institute of Design (ÖIF ) in Vienna, and from 1986–92 was a lecturer at the Academy of Design at the Munich Chamber of Trades. During this time, Blauensteiner wrote numerous books, articles, and translations on the subjects of design, creation, and architecture. In 1966, she received the Golden Order of Merit of the Republic of Austria. She continued to work as a specialized journalist even into her retirement; in 2008 she passed away in Vienna at the age of 81. Max Gruber, doctor of law and graduate of the INSEAD Business School, studied directing, writing, and acting in Los Angeles. Gruber is now an internationally acclaimed director and writer for film, television, and stage, as well as the lyricist, mastermind, and front man of the ‘Des Ano’ ensemble. Gruber contributed to the writing of the text for the 2019 comic book Schwanzer—Architect. Visionary. Maestro. His theater monologue Karl Schwanzer—Er flog voraus [Karl Schwanzer—He Flew Ahead] became the basis for the 2021 film about Schwanzer, starring Nicholas Ofczarek in the role of the architect.

Rüdiger Lainer, born 1949 in Kaprun, studied physics, sociology, and painting in Vienna and Paris between 1968–71. From 1970–78 he studied architecture at the TH Wien, graduating with a Dipl.-Ing. degree. He has worked as an independent architect in Vienna since 1985. From 1995–2006 he was professor of architecture at the Vienna Academy of Fine Arts, and he has served as a member of the Vienna Property Advisory Board (1999–2002) and chairman of the Design Advisory Boards in Krems, Salzburg, and Graz. Further service roles include: vice president of the Austrian Architecture Association (1991–2009), member of the Board of European Austria (2001–17), chairman of the Advisory Board for Urban Planning and Urban Design in Vienna (2006–17), and member of Sounding Board World Heritage Vienna (2019–present).

Ulrike Matzer, born 1972 in Steyr, studied art history, German language and literature, and archaeology in Salzburg, and earned a PhD in art and cultural studies in Vienna. She is a freelance photo historian, author, curator, critic, and editor, and has taught at the University of Art in Linz and the Academy of Fine Arts Vienna. She has collaborated on several research projects on the history of photography in Austria, most recently for the Albertina and the Bonartes Institute of Photography in Vienna. In Timo Huber, born 1944 in Freistadt, studied architecture at addition, she has served as editor of numerous specialized the TH Wien from 1964–74, graduating with a Dipl.-Ing. publications, including Marianne Strobl—“Industriedegree. In 1967 he participated in the actions and films of the Photograph” 1894–1914 (2017) and, together with Stefan Vienna Actionists. He was a founding member of the Oláh, Karl Schwanzer—Traces. A Pictorial Inventory (2019). Zünd-Up architecture group (1969) and the Salz der Erde action group (1970), both of which propagated a radical Heinz Neumann, born 1941 in Vienna, studied architecture approach to architecture. In 1977 Huber secured a teaching at the TH Wien from 1960–67 and graduated with a Dipl.-Ing position at the University of Art and Industrial Design in degree. He worked with Alvar Aalto and Erko Virkkunen, Linz. From 1982–2017 he was a supervisor and contractor of among others, in Finland, and with Karl Schwanzer from various urban renewal projects for the City of Vienna, and 1968. As an independent architect in Vienna since 1973, from 1988–2019 he helmed his own architecture firm. Since his most outstanding projects include: UNIQA Tower, Ares Tower, Euro Plaza, Saturn Tower, and Die ganze Woche 1971 he has held numerous solo and group exhibitions in magazine printing factory in Vienna, and the Regional Austria and abroad, and in 2015 he received the Golden Financial Directorate in Salzburg. He has held a teaching Badge of Honor of the City of Vienna. Huber now lives and position at the TU Wien since 1999 and was awarded the title works as an architect and artist in Vienna. of professor in 2002. Neumann has received numerous awards, including the National Award for Commercial and Rudolf Kohoutek, born 1941 in Vienna, studied architecture Industrial Buildings, the Adolf Loos Architecture Award at the TH Wien and geography at the University of Vienna. for Office Buildings, and the Otto Wagner Urban Development From 1963–69 he worked in the architecture offices of Max Bill, Ottokar Uhl, Hans Hollein, and others, and from 1970–71 Award. he was editor-in-chief of the Viennese architectural journal Bau. Since 1972 Kohoutek has performed freelance research and consulting for public and private institutions in the fields of architecture, daily life, culture, the avant-garde housing, urban development, instruments of planning, and evaluation. He lectures, teaches, serves on advisory boards, and is author of the book Wiener Grund. Vermessung einer Liebe zur Stadt [The Grounds of Vienna. Measuring Love for the City] (2017).

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Laurids Ortner, geboren 1941 in Linz, Dipl.-Ing. 1959–65 Studium der Architektur an der TH Wien, 1967 Mitbegründer der Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co in Wien, 1970–87 Atelier Haus-Rucker-Co in Düsseldorf, gemeinsam mit Günter Zamp Kelp und Manfred Ortner. 1976–87 Professor an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, 1987–2011 Professor für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Seit 1990 Ortner & Ortner Baukunst in Wien, seit 1994 in Berlin und seit 2006 in Köln; ab 2011 O&O Baukunst mit den Partnern Roland Duda, Christian Heuchel, Florian Matzker, Markus Penell. Gemeinsam mit seinem Bruder Manfred Ortner Gestaltung des 2001 eröffneten MuseumsQuartier in Wien, eines der größten Kulturzentren Europas. Boris Podrecca, geboren 1940 in Belgrad, em. Univ.-Prof. Mag. arch. Architekturstudium in Wien bei Roland Rainer, Abschluss 1968. Ateliers in Wien und Venedig, zahlreiche Gastprofessuren, u. a. in Lausanne, Paris, London, Venedig und an der Harvard University in Boston; 1988–2006 Institutsdirektor und Ordinarius für Raumgestalten und Entwerfen an der Universität Stuttgart. Bedeutende Bauten: Millennium Tower, Vienna Biocenter, Austria Campus und Dom Museum in Wien; Medizinische Fakultät Maribor; Museum Moderner Kunst Venedig; Keramikmuseum Limoges; Kirche Pentecoste in Mailand, Metrostation San Pasquale in Neapel. Zahlreiche Wohnbauten und Hotels sowie rund 30 Platzgestaltungen in acht europäischen Ländern. Mirko Pogoreutz, geboren 1972 in Leipzig, Dipl.-Ing. (FH ). Kaufmännische Berufsausbildung, 1995–2000 Studium der Architektur und des Städtebaus an der Fachhochschule Potsdam. Lebt und arbeitet seit 2002 in Wien, zunächst tätig bei Florian Haydn, später gemeinsame Projekte mit Georg Böhm und Florian Haydn – 000y0 Architekten und Agentur für Urbanismus, u. a. Gewinner des Architektur- und Städtebauwettbewerbs Europan 8 (2006). Seit Ende 2008 Hauptverantwortlicher des privat finanzierten Forschungsprojekts zu Karl Schwanzer, 2011–20 Angestellter des Atelier Schwanzer, dort u. a. verantwortlich für Immobilien-Projektentwicklung und Immobilienverwaltung. 2018 Produktionsleiter der Graphic Novel Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft. Wolf D. Prix, geboren 1942 in Wien, Dipl.-Ing. Studium an der TH Wien, der Architectural Association in London und am Southern California Institute of Architecture in Los Angeles. 1968 Mitbegründer der Architektengruppe Coop Himmelb(l)au, seither tätig in den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Design und Kunst. Nach Ausscheiden seiner ehemaligen Gründungspartner steht Wolf D. Prix dem Büro nun als Design Principal und CEO vor. Er gilt als wesentlicher Vertreter des Dekonstruktivismus. Zu den bekanntesten Projekten des Büros zählen der Dachausbau Falkestraße in Wien, die Europäische Zentralbank ( EZB ) in Frankfurt am Main, das Musée des Confluences in Lyon und das MOCAPE Museum of Contemporary Art & Planning Exhibition in Shenzhen, China. Als Vorstand des Instituts für Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien (2003–12) und Professor des Studio Prix (1990–2011) setzte er internationale Standards in der Architekt_innenausbildung.

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Biografien der Autor_innen

Caroline Schwanzer, geboren 1989 in Wien, ist die Tochter Martin Schwanzers und die Enkelin Karl Schwanzers. Studium an der Stanford University, BA in International Relations (Economics) und Chinesisch, MPhil in Management an der Cambridge University und MBA an der Harvard Business School. Seither tätig in den USA, Arbeit als Beraterin in Los Angeles und San Francisco, Investor Relations für Asien (Asia Pacific) und Office of the CEO bei einer USamerikanischen Private Equity Firma im Bereich Technologie. Caroline Schwanzer hat Anfang 2020 die noch offenen Projekte ihres Vaters in Wien übernommen, u. a. die Herausgabe des vorliegenden Buches und die Produktion des Films über Karl Schwanzer. Martin Schwanzer, geboren 1952 in Wien, 2020 ebendort verstorben. Er war Karl Schwanzers jüngerer Sohn. 1970–78 Architekturstudium an der TH Wien, Dipl.-Ing. Bereits als Student Mitarbeit im Atelier seines Vaters, daneben Durchführung eigener Architekturvorhaben, u.a. des Projekts ‚Planquadrat‘ in Wien 4 (1972–74), Entwicklung des sog. Planquadrat-Spiels in Zusammenarbeit mit Elisabeth Guggenberger, Helmut Voitl und Barbara Langroth. Ab 1975 Partner im Nachfolgebüro seines Vaters, Ausführung und Fertigstellung der Projekte Technisches Zentrum TZ-CA in Wien, Biologisches Institut der Universität Wien und Unfallkrankenhaus Graz. 1978 Gestaltung der Retrospektive ‚Karl Schwanzer‘ im Museum des 20. Jahrhunderts, Wien. Ab 1984 selbständiger Architekt, und ab 1988 Projektentwickler in Wien: u. a. Penthouse in der Seilergasse 16, Wien 1, mit Rüdiger Lainer und Helmut Locher (ausgezeichnet mit dem Auslandsarchitekturpreis des AIA American Institute of Architects), Geschäftshaus Schottenring 19, Wien 1.

Andreas Nierhaus, born 1978 in Graz, earned a PhD in art history and history in Vienna. From 2004–05 he was a teaching assistant at the University of Vienna Institute of Art History and from 2005–08 served as a member of the Art History Commission of the Austrian Academy of Sciences. He has been a curator of the Wien Museum architectural collection since 2008. In 2019 he held a substitute professorship for art history at the University of Frankfurt am Main. His research fields include the architecture and visual arts of the 19 th to 21st centuries, architectural drawings, and architectural photography. He has produced exhibitions and publications on the Wiener Werkbundsiedlung (2012), the Ringstrasse (2015), Otto Wagner (2018), and Californian Modernism (2020), among others. Laurids Ortner, born 1941 in Linz, studied architecture at the TH Wien from 1959–65, graduating with a Dipl.-Ing.  degree. In 1967 he co-founded the architect and artist group Haus-Rucker-Co in Vienna. In 1970, together with Günter Zamp Kelp and Manfred Ortner, he founded Atelier HausRucker-Co in Düsseldorf and remained with the firm until 1987. From 1976–87 he was a professor at the University of Art and Industrial Design in Linz and from 1987–2011 a professor of architecture at the National Academy of Art in Düsseldorf. He founded Ortner & Ortner Baukunst in Vienna in 1990, in Berlin in 1994, and in Cologne in 2006. O&O Baukunst continued in 2011 with partners Roland Duda, Christian Heuchel, Florian Matzker, and Markus Penell. Together with his brother Manfred, Ortner designed the MuseumsQuartier, which opened in 2001 in Vienna, and is one of the largest cultural centers in Europe. Boris Podrecca, born 1940 in Belgrade, now an emeritus professor, studied architecture in Vienna in the masterclass of Roland Rainer, graduating in 1968. He has studios in Vienna and Venice and has been awarded numerous guest professorships, among others in Lausanne, Paris, London, Venice, and at Harvard University in Boston. From 1988–2006 he was institute director and full professor of spatial design and drafting at the University of Stuttgart. Some of Podrecca’s most outstanding buildings include: the Millennium Tower, Vienna Biocenter, Austria Campus, and the Dom Museum in Vienna; the Medical Faculty in Maribor; the Museum of Modern Art in Venice; the Museum of Ceramics in Limoges; the Pentecostal Church in Milan; and the San Pasquale Metro Station in Naples. He has designed numerous residential buildings and hotels and planned around 30 plazas in eight European countries. Mirko Pogoreutz, born 1972 in Leipzig, studied business at vocational school. From 1995–2000 he studied architecture and urban planning at the Potsdam University of Applied Sciences, graduating with a Dipl.-Ing. degree. He has lived and worked in Vienna since 2002, first for Florian Haydn and then undertaking joint projects with Georg Böhm and Florian Haydn under the name 000y0 Architects and Urbanism Agency, with whom he won the Europan 8 Architecture and Urban Design Competition (2006). Since 2008, Mirko Pogoreutz has overseen the privately financed Karl Schwanzer research project. From 2011–20, he was employed by Atelier Schwanzer, where he worked on real estate project development and management. In 2018, he oversaw the production of the graphic novel Schwanzer—Architect. Visonary. Maestro.

Author Biographies

Wolf D. Prix, born 1942 in Vienna, studied at the TH Wien, the Architectural Association in London, and the Southern California Institute of Architecture in Los Angeles, graduating with a Dipl.-Ing. degree. In 1968 he co-founded the Coop Himmelb(l)au architecture group, and remains active in the fields of architecture, urban planning, design, and art. As his former founding partners have departed, Prix now heads the office as design principal and CEO. He is considered an important proponent of deconstructivism. Among the firm’s best-known projects are the Falkestrasse loft conversion in Vienna, the European Central Bank (ECB ) in Frankfurt am Main, the Musée des Confluences in Lyon, and the MOCAPE Museum of Contemporary Art & Planning Exhibition in Shenzhen, China. As dean of the Institute of Architecture at the University of Applied Arts in Vienna (2003–12) and head professor of Studio Prix (1990–2011), he set international standards in architectural education. Caroline Schwanzer, born 1989 in Vienna, is the daughter of Martin Schwanzer and granddaughter of Karl Schwanzer. She graduated with a BA in international relations (economics) and Chinese from Stanford University, subsequently earning an MPhil in management from Cambridge University and an MBA from Harvard Business School. Since then she has lived in the USA , working as a consultant in Los Angeles and San Francisco, in investor relations focused on Asia Pacific, as well as in the office of the CEO at a private equity firm in the technology sector. In early 2020, she assumed responsibility for several of her father’s unfinished projects in Vienna, including publication of this book and production of a film on Karl Schwanzer. Martin Schwanzer, born 1952 in Vienna, was Karl Schwanzer’s younger son. From 1970–78 he studied architecture at the TH Wien, graduating with a Dipl.-Ing. degree. Already as a student, he began working for his father, carrying out his own architectural projects on the side, including the Planquadrat project in Vienna (1972–74), development of the Planquadrat Game in collaboration with Elisabeth Guggenberger, Helmut Voitl, and Barbara Langroth. As of 1975, he became a partner at Atelier Schwanzer, where he worked on the execution and completion of the TZ–CA Technical Center in Vienna, the University of Vienna Institute of Biology, and the Emergency Hospital in Graz. In 1978 he designed the Karl Schwanzer retrospective at the Museum of the 20th Century, Vienna. In 1984 he began working as an independent architect and in 1988 as a real estate developer. Among other projects, he developed the penthouse at Seilergasse 16 in Vienna 1, together with Rüdiger Lainer and Helmut Locher (which was awarded the Foreign Architecture Prize of the AIA American Institute of Architects), and the Schottenring 19 office building in Vienna 1. He passed away in Vienna in 2020.

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Dank Bildnachweis

Acknowledgement Photo Credits

Unser ausdrücklicher Dank gilt Martin Schwanzer, der die langjährige Aufbereitung des Archivs und die Produktion dieses Bandes in generöser Weise gefördert hat.

We express our sincere gratitude to Martin Schwanzer, who generously supported the longstanding processing of the archive and the production of this book.

Die Bildvorlagen stammen alle aus dem Fotoarchiv im Karl Schwanzer Nachlass, mit Ausnahme der Fotografien auf S. 62, 64, 65, 69, 126, 144: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien (Lucca Chmel, Franz Hubmann, USIS); Titelbild, S. 48, 239–243, 280: Imagno / APA PictureDesk, Wien (Franz Hubmann, Barbara Pflaum, Votava); S. 290, 291: Privatarchiv Timo Huber, Wien (Gert Winkler) sowie S. 1, 2, 3, 30, 354, 478, 480: Mirko Pogoreutz. Für die entgeltliche Bereitstellung weiterer Negativscans danken wir dem Bildarchiv derÖsterreichischen Nationalbibliothek und Imagno / APA -PictureDesk. Die Herausgeber_innen und der Verlag bedanken sich bei den Verantwortlichen der Institutionen und bei jenen Privatpersonen, die den Abdruck der Bilder ermöglicht haben, insbesondere bei: Anker Photostudio GmbH: S. 293; Peter Baum: S. 206; Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek: S. 39, 40, 44–47, 50, 60–70, 93–97, 126, 127, 144, 373 (B), 378 (E); Bildrecht GmbH: S. 288, 289; Bernard Chevojon: S. 84, 86, 113–118, 132, 136, 137; Alfred Gindl: S. 292; Günther Hamm: S. 184; Timo Huber: S. 290, 291; Axel Hubmann und Imagno / APA -PictureDesk: S. 48, 130, 263–267, 300, 310, 311; Intesa Sanpaolo S. 173; Imagno / APA -PictureDesk: Titelbild, S. 239–243, 248, 280; Sigrid Neubert (†): S. 294, 321–329, 334–337, 346–351; Vittorio Pavan: S. 190; Mirko Pogoreutz: S. 1, 2, 3, 30, 354, 478, 480; Eva Rokos: S. 295–297; Werner Vinek: S. 319; Laure Weill: S. 172; Stephen J. Weinstein: S. 102 und Hendrik Zwietasch: S. 195, 217. Die Aufnahmen aus dem Archiv Karl Schwanzer wurden seinerzeit im Auftrag des Büros Karl Schwanzer hergestellt. Die Verwendung der Bilder war im Kontext der Bauten bzw. des Architekten gestattet. Ungeachtet dessen haben wir uns bemüht, potenzielle Rechteinhaber_innen ausfindig zu machen. Leider war es trotz intensiver Recherche nicht möglich, alle zu eruieren. Sollten sich berechtigte Ansprüche ergeben (die nicht durch die dem Büro Karl Schwanzer eingeräumten Rechte abgedeckt sind), so sind wir gerne bereit, diese im Rahmen der für Fachpublikationen üblichen Kosten abzugelten. Für entsprechende Hinweise und Anfragen: [email protected]

All images are from the photo archives of Karl Schwanzer’s estate, with the exception of the following: p. 62, 64, 65, 69, 126, 144 from the Picture Archives of the Austrian National Library in Vienna (Lucca Chmel, Franz Hubmann, USIS ); cover, p. 48, 239–243, 280 from Imagno / APA -PictureDesk in Vienna (Franz Hubmann, Barbara Pflaum, Votava); p. 290, 291: from the private archives of Timo Huber in Vienna (Gert Winkler) and p. 1, 2, 3, 30, 354, 478, 480: Mirko Pogoreutz. We would like to thank the Picture Archives of the Austrian National Library and Imagno / APA -PictureDesk for providing scans of additional negatives for a fee. The editors and the publisher would like to thank all those at the institutions and the private individuals who made it possible to print the pictures, in particular: Anker Photostudio GmbH: p. 293; Peter Baum: p. 206; Picture Archives of the Austrian National Library: p. 39, 40, 44–47, 50, 60–70, 93–97, 126, 127, 144, 373 (B), 378 (E); Bildrecht GmbH: p. 288, 289; Bernard Chevojon: p. 84, 86, 113–118, 132, 136, 137; Alfred Gindl: p. 292; Günther Hamm: p. 184; Timo Huber: p. 290, 291; Axel Hubmann and Imagno / APA-PictureDesk: p. 48, 130, 263–267, 300, 310, 311; Intesa Sanpaolo: p. 173; Imagno / APA -PictureDesk: cover, p. 239–243, 248, 280; Sigrid Neubert (†): p. 294, 321–329, 334–337, 346–351; Vittorio Pavan: p. 154; Mirko Pogoreutz: p. 1, 2, 3, 30, 354, 478, 480; Eva Rokos: p. 295–297; Werner Vinek: p. 319; Laure Weill: p. 172; Stephen J. Weinstein: p. 102 and Hendrik Zwietasch: p. 195, 217. The images from Karl Schwanzer’s archives were commissioned by his office at the time they were made and their use was permitted in context with the buildings or architects. Nevertheless, we have made every effort to identify potential copyright holders. Unfortunately, despite extensive research, it was not possible to find all of them. In the case that a justified claim arises (not covered by the copyrights granted to Karl Schwanzer’s firm), we will be happy to settle it within the framework of the usual costs for publication. For related information and queries, please contact: [email protected]

Der Nachlass Karl Schwanzers wurde im Frühjahr 2018 an das Wien Museum übergeben, dem seither die wissenschaftliche Aufarbeitung und Betreuung des Archivs obliegt: https://wienmuseum.at/de/sammlungen/kunst/architektur/ karl-schwanzer-archiv

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In the spring of 2018, Karl Schwanzer’s estate was transferred to the Wien Museum, which has been processing and caring for the archives since: https://wienmuseum.at/ en/collections/art/architecture/karl-schwanzer-archive

Impressum Imprint

Herausgegeben von Edited by Caroline Schwanzer, Mirko Pogoreutz

Litho Lithography Pixelstorm

Idee und Konzept Idea and concept Mirko Pogoreutz, Martin Schwanzer

Druck und Bindung Printing and binding Holzhausen, die Buchmarke der Gerin Druck GmbH, Wolkersdorf

Redaktion Editorial supervision Ulrike Matzer, Mirko Pogoreutz Textbeiträge Written by Charlotte Blauensteiner, Rudolf Kohoutek, Ulrike Matzer, Andreas Nierhaus, Mirko Pogoreutz, Caroline Schwanzer, Martin Schwanzer Moderation der Gespräche Interviewers Max Gruber, Mirko Pogoreutz Gesprächspartner Interviewees Timo Huber, Rüdiger Lainer, Heinz Neumann, Laurids Ortner, Boris Podrecca, Wolf D. Prix Biografien Fotograf_innen Photographer biographies Ulrike Matzer Acquisitions Editor David Marold, Birkhäuser Verlag, Wien Content & Production Editor Angelika Gaal, Birkhäuser Verlag, Wien Grafikdesign Graphic Design Willi Schmid Übersetzung Translation Ada St. Laurent

Schrift Font F Grotesk (www.radimpesko.com) Einbandmaterial Cover material Peydur, Neuleinen, 270 g Papier Paper Sora Matt Plus, 115 g Library of Congress Control Number 2020948921 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Bibliographic information published by the German National Library: The German National Library lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the Internet at http://dnb.dnb.de.

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Lektorat Proofreading Ulrike Matzer Recherche Bildrechte Copyright research Mirko Pogoreutz, Margarethe Szeless

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