229 109 305MB
German Pages 870 [1096] Year 1923
VICTOR MEYER UND PAUL JACOBSON, LEHRBUCH DER
ORGANISCHEN CHEMIE. HERAUSGEGEBEN VON
PAUL JACOBSON. ZWEITER
BAND.
CYCLISCHE VERBINDUNGEN. — NATURSTOFFE.
ERSTER TEIL. EINKERNIGE
ISOCYCLISCHE
VERBINDUNGEN.
DIE GRUPPE D E R H Y D R O A R O M A T I S C H E N
VERBINDUNGEN
IST IN GEMEINSCHAFT M I T P. J A C O B S O N B E A R B E I T E T VON
CARL
HABRIES.
UNVERÄNDERTER
NEUDRUCK.
B E R L I N UND L E I P Z I G 1923. WALTER DE GRUYTER.& CO. VORMALS G. J. GflSCHEN'SCHE V E R L A G S H A N D L U N G :: J. G U T T E N T A G . VERLAGSBUCHHANDLUNG :: GEORG R E I M E R :: K A R L J. T R Ü B N E R :: V E I T & COMP.
Tabellenverzeichniss. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71.
Glieder der Pentamethylengruppe Glieder der Heptamethylengruppe Benzolkohlenwasserstoffe . Bromderivate der Benzolkohlenwasserstoffe Sulfosüuren der Benzolkohlenwasserstoffe Nitroderivate der Benzolkohlenwasserstoffe Substitutionsprodukte des Anilins Homologe des Anilins Derivate der Toluidine Azokohlenwasserstoffe Einwerthige Phenole Substitutionsprodukte des Phenols Chinone und ihre Derivate Aromatische Aldehyde Fettaromatische Ketone Methylhomologe der Benzoesäure Benzogsäure-Derivate Substituirte Benzoesäuren Derivate und Homologe der Zimmtsäure . . . Derivate und Homologe der Salicylsäure DioxybenzoSsäuren . . . Cyclohexan-Kohlenwasserstoffe. . Kohlenwasserstoffe der Cyclohexen- und Cyclohexadien-Reilie . . . Einwerthige, gesättigte Alkohole der Hexamethylengruppe . . . . Gesättigte Monoketoue der Hexamethylengruppe Ungesättigte Monoketone der Hexamethylengruppe Zusammenhang der Hydroterephtalsäuren
Selto
30 39 102 120 135 154 207 223 226 2.r>7 36S 382 445 484 493 539 548 566 608 633 640 787 801 804 814 830 874
Verzeichniss der für die Literaturnachweise benutzten Abkürzungen. Am. ehem. Journ.: Ann.: Ann. eh.: Arch. f. Pharm.: Ber.: Berz. J b . :
American chemical Journal. Annalen der Chemie. Annales de chimie et de physique. Archiv der Pharmacie. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. Jahresbericht über die Fortschritte der physischen Wissenschaften (später „über die Fortschritte der Chemie und MineJUSTUS L I E B I O ' S
r a l o g i e " ) v o n JACOB BERZELIUS.
Bull.: Clicm. Centralbl.: Chem. Ind.: Chem. News: Cöthener Chem. Ztg. : Compt. rend.: F B I E D L A ENDER:
Bulletin de la société chimique de Paris. Chemisches Centraiblatt. Die chemische Industrie. Chemical News. Chemiker-Zeitung, Cüthen. Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'académie des sciences. Paris. FRIEDLARNDER'S Fortschritte der Theerfarbenfabrikation ( B e r l i n , SPRINGER),
Gazzetta chimica italiana. Journal für praktische Chemie. Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter Theile anderer Wissensehaften. Journ. amer. Soc.: Journal of the American chemical Society. Journ. Soc.: Journal of the chemical Society. London. Monatsh. : Monatshefte f ü r Chemie und verwandte Theile anderer Wissenschaften. Wien. POGGENDORFP'S Annalen der Physik und Chemie. Pogg.: Recueil des travaux chimiques des Pays-Bas. Ree. trav. cliiin.: Zeitschrift für Chemie (seit 1871 nicht mehr erscheinend). Ztschr. Chem. : Zeitschrift f ü r analytische Chemie. Ztschr. f. anal. Chem.: Ztschr. f. angew. Chem. : Zeitschrift für angewandte Chemie. Ztschr. f physik. Chem. : Zeitschrift für physikalische Chemie, Stöcliioinetrie und Verwandtschaftslehre. Ztschr. f.physiol.Chem : Zeitschrift für physiologische Chemie.
Gazz. chim.: J . pr.: Jb.:
Vorwort. Seit ich in Gemeinschaft mit meinem Lehrer VICTOR M E Y E R dem ersten Bande des Lehrbuchs, zu dessen Herausgabe wir uns 1889 vereinigt hatten, durch einige Bemerkungen über die bei seiner Abfassung verfolgten Absichten das Geleit gab, ist eine längere unerwünschte Pause eingetreten, bis wiederum ein abgeschlossener Theil dem Leserkreise übergeben werden konnte. Im August 1 8 9 7 schied V I C T O R M E Y E R — kaum 4 9 Jahre alt — aus dem Leben. Es ist hier nicht der Ort, von den weittragenden Erfolgen seiner rastlosen Foracherarbeit zu sprechen. Doch sei dem überlebenden Schüler an dieser Stelle erlaubt, der unauslöschlichen Dankbarkeit für die stete Förderung Ausdruck zu geben, die der so früh dahingeschiedene Lehrer in seinen aus reicher Erfahrung fliessenden Rathschlägen dem gemeinsamen Unternehmen widmete. Ein Jahr vor jenem Schicksalsschlage, welcher der vereinten Arbeit 1 ein jähes Ende setzte, hatte ich mich bereits örtlich von meinem lieben Lehrer trennen müssen, da mir von der Deutschen chemischen Gesellschaft Aufgaben übertragen wurden, welche meine Uebersiedelung von Heidelberg nach Berlin erforderten. Die hiermit übernommenen amtlichen Verpflichtungen beanspruchten während der letzten Jahre meine Arbeitskraft so sehr, dass leider nur ein geringer Bruchtheil für die Fortführung des Lehrbuchs übrig blieb. Um so freudiger begrüsste ich es, als befreundete Collegen der Aufforderung folgten, grössere Abtheilungen des gewaltigen Stoffes, den die heutige organische Chemie darbietet, zur Bearbeitung zu übernehmen. Herr Prof. Dr. C A R L H A R R I E S (Berlin) widmete sich der Schilderung der einkernigen hydroaromatischen Verbindungen einschliesslich der Terpenkörper; der von ihm bearbeitete Theil — ein in den letzten Jahren besonders bevorzugtes und geklärtes Arbeitsgebiet behandelnd — bildet die Gruppe C im vorliegenden e r s t e n Theile des zweiten Bandes (S. 7 4 0 — 1 0 4 4 ) . Herr Regierungsrath Prof. Dr. A R N O L D R E I S S E R T (Berlin) übernahm die Gruppe der mehrkernigen isocyclischen Verbindungen, welche den z w e i t e n Theil des zweiten Bandes bildet; die erste Hälfte dieses Theiles — die Kohlenwasserstoffe Diphenyl, Diphenylmethan, Triphenylmethan, Diphenyläthan u. s. w. mit ihren Abkömmlingen umfassend — erschien bereits im vorigen Jahre, während die zweite Hälfte — die Chemie der condensirten Ringsysteme (Naphtalin, Anthracen u. s. w.) — im Manuscripte vollendet ist und alsbald zur Drucklegung gelangen soll. Durch die Hingebung, mit welcher die hülfsbereiten Collegen ihre Aufgaben durchführten, wurde die Fortsetzung dieses Lehrbuchs, dessen 1
Das bis zum Tode VICTOR MEYEE'S bearbeitete Manuscript umfasste die ersten
35 Kapitel des vorliegenden Theiles.
IV
Vorwort.
Ab8chluss dem Herausgeber und der Verlagsbuchhandlung ebenso am Herzen liegt, ermöglicht; zugleich im Namen der Verlagsbuchhandlung spreche ich meinen treuen Mitarbeitern hier wärmsten Dank aus. Damit der zweite Band durch seinen Umfang für die Benutzung nicht unhandlich wird, ist eine Eintheilung in drei gesondert zu bindende und mit besonderen Inhaltsverzeichnissen versehene Theile getroffen. Der e r s t e T h e i l , der heute abgeschlossen vorliegt, umfasst die eink e r n i g e n i s o c y c l i s c h e n V e r b i n d ü n g e n (Kohlenstoffringe); der z w e i t e — wie oben bereits bemerkt, theilweise schon erschienen und im Manuscript vollendet — behandelt die m e h r k e r n i g e n i s o c y c l i s c h e n V e r b i n d u n g e n ; im d r i t t e n , welcher den Abschluss des gesammten Werkes bilden soll, werden die h e t e r o c y c l i s c h e n V e r b i n d u n g e n und diejenigen Gruppen von N a t u r s t o f f e n , deren Constitutions-Erkenntniss zu einer Einreihung in das System noch nicht genügt, geschildert. Die Gesichtspunkte, welche für die Behandlung und Auswahl des Stoffes maassgebend sind, wurden im Vorwort zum ersten Bande dargelegt. Sie konnten um so mehr auch für die Fortsetzung beibehalten werden, als die Verfasser die Freude hatten, aus zahlreichen mündlichen und schriftlichen Aeusserungen zu entnehmen, dass eine ausführliche Darstellung der organischen Chemie in einer für die fortlaufende Leetüre geeigneten Form als ein Bedürfniss empfunden wurde, dem in der sonstigen chemischen Literatur noch nicht entsprochen ist. Die Zeitschriften-Literatur ist wiederum nach Möglichkeit bis zur Drucklegung, deren Datum man auf der ersten Seite eines jeden Druckbogens rechts unten neben der Bogen-Signatur verzeichnet findet, berücksichtigt. Auch bei der Abfassung des zweiten Bandes sind häufig Fachgenossen aus Wissenschaft und Industrie um Auskünfte und Controlle einzelner Abschnitte gebeten worden. Der Liste von freundlichen Rathgebern, die schon im Vorwort des ersten Bandes gegeben ist, habe ich die folgenden Namen von Collegen und Firmen unter Abstattung besten Dankes für ihre bereitwillige Unterstützung hinzuzufügen: Badische Anilin- und Soda-Fabrik (Ludwigshafen a/Rh.), Chemische Fabrik auf Actien vorm. E. S C H E R I N G (Berlin), C. F A H L B E R G (Salbke-Westerhüsen), E M I L F I S C H E R (Berlin), R . G O T T L I E B (Heidelberg) , P. JANNASCH (Heidelberg), G . K R A E M E R (Berlin), JACOB M E T E R (Berlin), C. L I E B E R M A N N (Berlin), 0. L I E B R E I C H (Berlin), F. R A S C H I G (Ludwigshafen a/Rh.). SCHIMMEL & C O . (Leipzig), A. S P I L KER (Erkner), F. T I E M A N N f (Berlin), H. T I G G E S (Holzminden), C. W E Y L & Co. (Lindenhof-Mannheim). Endlich sage ich meinem Assistenten Herrn Dr. F. HÖNIGSBERGER Dank für die Hülfe, welche er beim Lesen der Correctur und der Zusammenstellung des alphabetischen Registers geleistet hat. B e r l i n , im September 1902. r
. _
.
Paul Jacobson.
I n h a l t .
Specieller Teil.
Zweites Buch. Die isocyclischen Verbindungen (Chemie der Kohlenstoffringe). Seite
Erstes
Kapitel. Allgemeines Uber Gliederzahl der Kohlenstoffrillg-e, Nomenclatur und Eintheilung 1 der isocyclischen Verbindungen. Erfahrungen über Gliederzahl von Kohlenstoffringen und stereochemische Deutung derselben Nomenclatur der isocyclischen Verbindungen Charakter „ ,, ., Eintheilung „ „ „ . .1
3 8 9 4
A. Die Abkömmlinge der KohlenstofEringe mit Ausschluss des Sechskohlenstoffrings. Z w e i t e s K a p i t e l . Die Gruppen des Trimethylens und Tetramethylens. Trimethylen- oder Cyclopropan-Gruppe .16 Trimethylen 16. — Dichlortrimethylen 17. — Trimethylencarbonsäuren 17. — Acetyltrimethylen 22. Tetramethylen- oder Cyclobutan-Gruppe 22 Tetramethylen 23. — Metliyltetramethylen 23. — Hexabromtetramethylen 23. — Tetramethylencarbonsäuren 24. — Tetramethylenaldehyd-25. — Acetyltetramethylen 25. — Tetramethylenmethylamin 25. Drittes Kapitel.
Die Pentamethylen- oder Cyclopentan-Gruppe. (Tabelle: S. 30—31.)
Bildungsweisen Einzelne Glieder Ketopentamethylen 28. — Mcthylcyclopentenon 28. — Pentamethylen 23. — Methylpentamethylen 29. — Pentamethylendicarbonsäure 29. — Halogenhaltige Pentamethylenderivate 32. — Krokonsäure und Leukonsäure 35. — Pentaminocyclopentadien 37. Viertes Kapitel.
25 28
Die Heptamethylen- oder Cycloheptan-Gruppe. (Tabelle: S. 39.)
Suberon Verbindungen mit mehr als siebengliedrigem Kohlenstoflring
37 38
Inhalt.
VI
B. Die einkernigen Benzolkohlenwasserstoffe und ihre Substitutionsderivate. F ü n f t e s K a p i t e l . Der aromatische Charakter u. die Constitution desBenzols. Der aromatische Charakter Die Constitution des Benzols Versuche zur Stereochemie des Benzolkerns S e c h s t e s K a p i t e l . Die Isomerle bei den Substitutionsprodukten desBenzols. Die Isomeriegesetze des Benzols und ihr Beweis Die Ortsbestimmung Die Nomenclatur der Substitutionsprodukte des Benzols Regelmässigkeiten beim Eintritt von Substituenten S i e b e n t e s K a p i t e l . Die genetischen Beziehungen zwischen Benzolderivaten und Verbindungen anderer Klassen. Synthetische Bildung von Benzolkörpera ans Fettkörpern Bildung von Fettkörpern durch Spaltung des Benzolkerns Beziehungen zwischen aromatischen and alicyclischen Abkömmlingen des SechskohlenstofiTings A c h t e s K a p i t e l . Der Steinkohlentheer als wichtigste Quelle der aromatischen Verbindungen. Bildung des Steinkohlentheers Die Bestandtheile des Steinkohlentheers Die Verarbeitung des Steinkohlentheers N e u n t e s K a p i t e l . Benzol und seine Homologen. (Tabelle: S. 102.) Vorkommen und Bildungsweisen FiTTio'sche Synthese 95. — FRiEDEL-CBAPTs'sche Reaction 97. — BAEYEs'sche Zinkstaubreaction 100. Isomeriefälle und Nomenclatur Allgemeine Charakteristik Einzelne Glieder Benzol 108. — Toluol, Xylole 109. — Aethylbenzol, Trimethylbenzole, Cymole 110. Z e h n t e s K a p i t e l . Benzolkohlenwasserstoffe mit ungesättigten Seitenketten. Styrol Phenylacetylen Halogenderivate der Benzolkohlenwasserstoffe. (Tabelle für Bromderivate: S. 120.) I. Chlor- und Brom-Derivate Bildung 115. — Charakteristik 117. — Chlorbenzol, Pentachlorbenzol, Hexachlorbenzol 118. — Benzylchlorid 119. — Benzalchlorid, Benzotrichlorid 122. — Brombenzol 123. — Dibrombenzol 124. — Bromderivate des Styrols 124. II. Jodderivate Jodbenzol, Dijodbenzol, Jodtolnole, Benzyljodid 125. — Jodidchloride, Jodosoverbindungen 126. — JodokohlenWasserstoffe, Jodoniumverbindungen 127. III. Fluorderivate
Seite
41 46 63 65 68 74 76
79 82 84
86 88 90
94 100 101 108
111 112
Elftes Kapitel.
115
124
130
Inhalt. Zwölftes Kapitel.
vn
SehwefelsSure-, Schwefligsäure- und Thioschwefel-
säure-Derivate der Benzolkohlenwasserstoffe.
(Tabelle für Sulfosäuren: S. 135.) I. Sulfoeäuren Benzolsulfosäure 137. — Benzylsulfosäure 139. II. Sulfinsäuren III. Thiosulfosäuren Benzolthiosulfosäure 142. — Benzoldisulfoxyd 143. IV. Sulfone Rein aromatische Snlfone 143. — Fettaromatische Sulfone 145.
Seite 130 139 142 143
Dreizehntes Kapitel. SalpetrigsSure- und Salpetersäure-Derivate der Benzolkohlenwasserstoffe. (Tabelle für Nitroderivate: S. 154.) I. Nitrosoverbindungen II. Nitroverbindungen, deren Nitrogruppen im Kern gebunden sind . . . Nitrobenzol, Dinitrobenzol 156. — Nitrotoluole, Nitroxylol, Trinitrobutyltoluol 157. III. Nitroverbindungen, deren Nitrogruppen in Seitenketten gebunden sind . Phenylnitromethan, Phenylnitro&than, Phenylnitroäthylen 160. — Phenylnitropropylen 161. IV. Halogennitroverbindungen Chlornitrobenzole, Nitrobenzylchloride 162. — Bromnitrobenzole 163. V. Nitrosulfonsäuren V i e r z e h n t e s K a p i t e l . Das Anilin und seine Derivate. (Tabelle für Substitutionsprodukte: S. 207.) Bildungsweisen und Darstellung des Anilins Geschichte, Eigenschaften und Verhalten des Anilins I. Anilinderivate, entstanden durch Einfuhrung von einwerthigen Kohlenwasserstoffresten in die Amidgmppe Alkylaniline 172. — Quaternäre Ammoniumjodide 176. — Diphenylamin 177. — Triphenylamin 178. II. Aldehydderivate des Anilins Anhydroformaldehydanilin 179. — Aethylidenanilin 179. — Methylendiphenyldiimid 180. III. Säurederivate des Anilins Anilide der unorganischen Säuren (Thionylanilin, Phenylsulfaminsäure, Phenylnitrosamin oder Isodiazobenzol, Phenylnitramin oder Diazobenzolsäure, Phosphazobenzolchlorid, Silicotetraphenylamid) 181—185. — Anilide der aliphatischen Säuren (Formanilid etc., Oxanilsäure, Oxanilid etc., Methylacetanilid etc., Diacetanilid, Nitrosoanilide, Chlorylacetanilid, Acetanilidchlorid, Acetanilidimidchlorid,Thioanjlide, phenylirte Amidine, Cyananilin, Anilidoxime) 186—194. — Phenylderivate der Cyanverbindungen und Anilide der Kohlensäure (Phenylisocyanid, Phenylisocyanat, PhenylsenfÖl, Phenylcyanamid, Carbodiphenylimid, Triphenylnieiamine, Phenvlharnstoff etc., Phenylurethan etc., Phenylthioharnstoff etc., Phcnylthiosemicarbazid, Plienyldithiobiuret, phenylirte Thiocarbaminchloride, Phenylthiourethan, Phenyldithiocarbaminsäure, phenylirte Guanidine) 194—204. — Anilidoderivate der aliphatischen Säuren (Anilidoessigsäure etc.) 204—205.
146 148
159
161 163
164 168 172
178 180
vin
Inhalt. Seite
IV. Subetitutionsprodukte des Anilins, entstanden durch Eintritt von Halogenatomen, Nitroso-, Nitro- oder Sulfo-G-ruppen in den Benzolkern, sowie Alkyl- und Säure-Derivate derselben 205 Halogenderivate 208. — Anilinsulfosäuren 210. — Nitrosoderivate des Anilins und der Alkylaniline 212. — Nftroderivate des Anilins, des Acetanilids und der Alkylaniline 214. F ü n f z e h n t e s K a p i t e l . Die Homologen des Anilins. (Tabelle: S. 223; Tabelle über Toluidin-Derivate: S. 226.) 218 Darstellungs weisen Allgemeine Charakteristik 220 Einzelne Glieder 222 Toluidine 224. — Xylidine 226. — Pseudocumidin 227. S e c h z e h n t e s K a p i t e l . Mehrwerthlge Amine, deren Amidgruppen aromatisch gebunden sind. I. Zweiwerthige Amine mit zwei primären Amidgruppen oder zweifach primäre Diamine Orthodiamine (o-Phenylendiamin, m'-p-Toluylendiamin) 229—282. — Meta- und Para-Diamine 232—234. II. Zweiwerthige Amine mit secundären und tertiären Stickstoffatomen . . Amidodimethylanilin 235. — Amidodiphenylamine (Semidine) 235. — Diamidodiphenylamin, Triamidotriphenylamin 239. III. Drei-, vier- und funfwerthige Amine Triamidobenzole 239. — Tetraamidobenzole, Pentaamidobenzol, Pentaamidotoluol 240.
228 234 239
S i e b z e h n t e s K a p i t e l . Aromatische Amine mit aliphatisch gebundenen Amidgruppen (Benzylamlnbasen). Benzylamin, Dibenzylamin, Tribenzylamin Benzylanilin, Dibenzylanilin Amidobenzylamine
243 243 243
A c h t z e h n t e s K a p i t e l . Hydroxylamlnderivate der elnwerthlgen matischen Kohlenwasserstoffreste. Phenylhydroxylamin Benzylderivate des Hydroxylamina
245 246
aro-
N e u n z e h n t e s K a p i t e l . Azoxy-, Azo- und Hydrazo-Yerblndungen. (Tabelle über Azokohlenwasserstoffe: S. 257.) I. Azoxyverbindungen Azoxybenzol 251. — Azoxytoluole 252. II. Azorerbindungen Azobenzol 255. — Benzol-disazo-beozol 256. — Amidoazoverbindungen (Azofarbstoffe und ihre Bildung durch Kuppelung. Anilingelb, Buttergelb, Säuregelb oder Echtgelb, Helianthin, Diphenylaminorange, Metanilgelb, Chryso'idin. Azyline. Bismarckbraun) 258—267. — Allgemeines über organische Farbstoffe 267. III. Hydrazoverbindungen Diphenyl- and Semidin-Umlagerung 273. — Hydrazobenzol 275. — Acetylamidohydrazobenzol 276 Diamidohydrazobenzol 276. Zwanzigstes Kapitel. kömmlinge. I. Diazokörper
DiazokSrper und Hydrazine, sowie ihre
250 252
271
Ab277
Inhalt.
IX Seite
Diazotirung 278. — Mineralsäuresalze des Diazobenzols 282. — Metallsalze des Diazobenzols 284. — Diazoester 285. — Benzoldiazosulfosäure 286. — p-Diazobenzolsulfosäure 287. — Diazoverbindungen aus Amidoazoverbindungeii 288. — Diazoreactionen 288. — Isodiazoverbindungen 297. — Constitution der Diazoverbindungen 299. II. Hydrazine 303 Bildung 304. — Eigenschaften und Verhalten 306. — Phenylhydrazin 308. — Tolylhydrazine, Diphenylhydrazin 309. — Alkylderivate 309. — Säurederivate 312. — Kernsubstituirte Hydrazine 319. — Constitution der Hydrazine 320. III. Fettaromatische AzoVerbindungen, Hydrazone und FormazylVerbindungen 321 Methan-azo-benzol, Aethan-azo-benzol 321. — Propylen-azo-benzol 322. — Benzol-azo-nitrotoluol 322. — Benzol-azo-ameisensäure 323. — Hydrazone der einfachen Aldehyde, Ketone, Aldehyd- und KetenSSuren 323. — Hydrazone der mehrwerthigen Aldehyde und Ketone, Ketoaldehyde, Diketosäuren, Ketodicarbonsäuren etc. (Osazone, Ketohydrazone, Hydrazoxime) 326—334. — Formazylverbindungen 334. Einundzwanzigstes Kapitel.
Verbindungen, deren Molecllle mehr als
zwei Stickstoffatome in directer Bindung' miteinander enthalten. 1. Diazoamido-Verbindungen Diazoamidobenzol, Diazoamidotoluol 342. — Alkyl- und Säure-Derivate des Diazoamidobenzols 343. — Diazobenzoldimethylamid 345. — Benzol-diazo-benzolsulfamid 345. — Constitution der Diazoamidoverbindungen 346. II. Diazoïmide (Azoïmide oder Triazoverbindungen) Diazobenzolimid 348. — Hexazobenzol 349. III. Verbindungeû, deren Molecüle vier bis fünf Stickstofiatome aneinander gebunden enthalten Hydrotetrazone 349. — Tetrazone 349. — Buzylender.vate 350. — Bisdiazoamidoverbindungen 350.
337
347 349
Z w e i u n d z w a n z i g s t e s K a p i t e l . Verbindungen der aromatischen Kohlen-
wasserstoff-Radicale mit den an Stickstoff sieh anschliessenden Elementen (Phosphor, Arsen, Antimon, Wismuth), ferner Bor, Silicium und Zinn, sowie mit den Metallen. I. Verbindungen mit Phosphor, Arsen, Antimon und Wismuth Phosphorverbindungen 352. — Arsenverbindungen 354. — Antimonverbindungen 355. — Wismuthvcrbindungen 355. II. Verbindungen mit Bor, Silicium und Zinn III. Verbindungen mit den Metallen Magnesiumverbindungen 357. — Quecksilberverbindungen 357. — Bleiverbindungen 358. Dreiundzwanzigstes Kapitel.
351 356 357
Die einwerthigen Phenole, welche sich
vom Benzol und seinen Homologen ableiten.
(Tabelle: S. 368—369.) Bildungsweisen Allgemeine Charakteristik Phenolate 361. — Phenoläther 362. — Säureester363. — Austausch der Hydroxylgruppe 365. — Substitution im Kern 365. — Farbenreactionen 366. — Oxydation 366. — Réduction 367.
359 361
Inhall.
X
Seite
Einzelne Glieder 367 Phenol (CarbolsSure) 370. — Phenol-Aether und -Ester (Anisol, Phenetol, Diphenyläther, PhenylachwefelBtture etc.) 373—374. — Kresole 374. — Caryacrol und Thymol 376. Vierundzwanzigstes Kapitel.
Phenole.
A. B. C. D. E. F. G.
H. I. K.
Substitutionsprodukte der einwerthigren
(Tabelle über Substitutionsprodukte des Phenols: 8. 382—383.) Halogenderivate der Phenole Phenolsulfosäuren Nitrosophenole Nitrophenole Mononitrophenole 388. — Pikrinsäure 389. — Dinitrokresole 391. — Halogennitrophenole 391. Ainidophenole Amidophenole 393. — Anisidine, Phenetidine etc. 394. — Phenacetin, Phenocoll etc. 395. Azoxyphenole Azoderivate der Phenole (Oxyazoverbindungen) Bildungsweisen 396. — Unterschiede von Ortho- und Para-Oxyazoverbindungen 399. — Azophenoläther 400. — Constitution der Oxyazokörper 401. Hydrazoderivate der Phenole Diazoderivate der Phenole Hydrazinphenole
378 385 386 386 392 396 396
403 406 407
F ü n f u n d z w a n z i g s t e s K a p i t e l . Mehrwerthige Phenole. I. Zweiwerthige Phenole 409 Orthodioxybenzole (Brenzkatechin, Tetrachlorbrenzkatechin, Guajakol, Veratrol, Homobrenzkatechin, Kreosol) 410—413. — Metadioxybenzole (Resorcin, Styphninsäure, Benzolazoresorcin, Resorcindisazobenzole ; Orcin, Orceïn, Kresorcin; Xylorcin) 413—420. — Paradioxybenzole oder Hydrochinone (Hydrochinon, Toluhydrocliinon) 420—423. II. Dreiwerthige Phenole 423 Pyrogallol 423. — Oxyhydrochinon 424. — Phloroglucin 425. III. Vier- und sechswerthige Phenole 428 Tetraoxybenzole 428. — Hexaoxybenzol 429. Sechsundzwanzig8te8
ketten.
Kapitel..
Phenole mit
ungesättigten
Seiten-
Propenyl-oxybenzene Chavicol und Esdragol 432. — Anol und Anethol 432. Propenyl-dioxybenzene Eugenol 433. — Chavibetol 434. — Methyleugenol 434. — Isoeugenol 434. — Safrol und Isosafrol 435. Asaron und Myristicin Apiole und Isoapiole S i e b e n u n d z w a n z i - g s t e s K a p i t e l . Chinone. (Tabelle: S. 445.) Constitution der Chinone I. Einfache Parachinone Darstellung 440. — Eigenschaften und Verhalten 441. — Chinhydrone 443. — Gewöhnliches Chinon 444. — Thymochinon 446.
432 433 436 437
438 440
Inhalt.
II. Substitationsprodukte der einfachen Paracliinone, welche durch Austausch der Kernwasserstoffatome entstehen Halogenderivate (Chloranil etc.) 447—449. — Nitroderivate 449—450. — Amidoderivate 450—451. — Oxyderivate (Oxybenzochinon; Dioxybenzochinone, Chloranilsäure, Nitranilsäure; Tetraoxybenzochinon) 451—454. III. Substitutionsprodukte von einfachen Orthochinonen der Benzolkohlenwasserstoffe IV. Abkömmlinge von Chinonimiden und Chinondiimiden Chinonchlorimide 455. — Chinonoxime (Nitrosophenole) 456—459. — Chinonanile (Chinonmonanilid und Chinondianilid, Dianilidochinonanil, Azophenine, Dianilidochinondianilid; Indophenole und Indamine; Anilinschwarz) 459—462. — Chinonhydrazone 462. V. Polychinone und ihre Abkömmlinge Rhodizonsäure (Dioxydichinoyl) 463. — Dinitrosoresorcin (Dichinoyldioxim) und Dichinoyltetroxim 464. — Trichinoyl 464. — Trinitrosophloroglucin (Trichinoyltrioxim) 465.
XI Seite
447
454 454
462
A c h t u n d z w a n z i g s t e s K a p i t e l . Aromatische Alkohole und PhenolAlkohole. Alkohole 465 Benzylalkohol 466. — Methylphenylcarbinol 467. — Phenyläthylenglykol 467. — Zimmtalkohol 468. Phenolalkohole 468 Oxybenzylalkohole 468. — Coniferylalkohol, Cubebin, Syringenin 469. N e u n u n d z w a n z i g s t e s K a p i t e l . Aromatische Derivate des Schwefelwasserstoffs. I. Einwerthige Thiophenole und Mercaptane Thiophenol 471. — Thiokresole 471. — Phenylrhodanid 471. — Benzylmercaptan 472. — Phenyläthylmercaptan 472. II. Sulfide Phenylsulfid 472. — Benzylsulfid 473. — Sulfoxyde 473. III. Disulfide Phenyldisulfid 473. — Benzyldisulfid 474. IV. Substitutionsprodukte der Thiopheuole, Sulfide und Disulfide . . . . Mercaptursäuren 474. — Amidothiophenole, Thioanilin etc. 475. V. SchwefelVerbindungen, welche den zweiwerthigen Phenolen entsprechen Thiobrenzkatechin, Thioresorcin, Thiohydrochinon 477. VI. Selen- und Tellur-Verbindungen D v e i s s i g s t e s K a p i t e l . Aromatische Carbonylverbindungen und ihre Derivate. (Tabelle über Aldehyde: S. 484, über Ketone: S. 493.) I. Aromatische Aldehyde Einwerthige Aldehyde (Benzaldehyd, Cuminaldehyd) 481—485. — Substitutionsprodukte der einwerthigen Aldehyde 485—487. — Mehrwerthige Aldehyde (Terephtalaldehyd) 487. — Ungesättigte Aldehyde (Zimmtalkohol) 487—488. II. Aromatische Ketone Einfache Ketone (Acetophenon, Phenacylverbindungen; Propiophenon etc.) 488—494. — Diketone, Triketone, Kctoaldehyde (Acetylbenzoyl,
470 472 473 474 477 478
478
488
XII
Inhalt. Seite
Benzoylaceton, Acetophenonaceton, Diacetylbenzol; Triacetylbenzol; Benzoylformaldehyd, Benzoyl&cetaldehyd) 494—496. — KetoDe mit ungesättigter Seitenkette (Phenylvinylketon, Benzylidenaceton, Aethylidenacetophenon, Benzyüdenacetylaceton) 497. III. Aromatische Thioaldehyde und fett-aromatische Thioketone 497 Thiobenzaldehyde 498. — Thioacetophenon 499. IV. Die Condensationsprodukte der aromatischen Aldehyde und Ketone mit primären Ammoniakderivaten H,N-B (Oxime, Anile, Hydrazone etc.) 500 Stereochemie des dreiwerthigen Stickstoffe 501—509. — Oxime (Benzaldoxime, Bisnitrosylbenzyl, Zimmtaldoxim, Acetophenonoxim) 509 bis 513.— Hydrazone (Benzalhydrazin, Benzalazin; Phenylmethylmethylenhydrazin, Bismethylphenylazimethylen; Benzalsemicarbazid; Benzalphenylhydrazon, Phenylmethylmethylenphenylhydrazon) 513—514. — Anile (Benzylidenanilin) 515. G i n u n d d r e i s s i g s t e s K a p i t e l . Verbindungen, welche zugleich CarbonylgTuppen und Hydroxylgruppen enthalten. I. Oxyaldehyde 516 Oxybenzaldehyde (Salicylaldehyd etc., Anisaldehyd) 518—520. — Dioxybenzaldehyde (Protocatechualdehyd, Vanillin, Piperonal) 520—524. — Piperonylakrole'fn, Piperinsäurealdehyd 524. — Asarylaldehyd, Apiolaldehyd 524. II. Oxyketone 524 Oxyacetophenone 526. — Dioxyacetophenone (Acetobrenzkatecbin, Acetovanillon, Acetopiperon; Resacetophenon, Paeonol; Chinacetophenon) 526—527. — Gallacetophenon 527—528. III. Aldehydalkohole und Ketonalkohole 528 Phenylmilchsäurealdehyd 528. — Phenyltetrose 528. — Benzoylcarbinol 528. — Fisetol 529. Z w e i u n d d r e i a s i g s t e s K a p i t e l . Einbasische KerncarbonsSuren. Tabellen über Benzoesäure-Homologe S. 539, BenzoSsäure-Derivate S. 548, substituirte Benzoesäuren: S. 566.) I. Bildungsweisen II. Allgemeine Charakteristik III. Einzelne Glieder Benzoesäure 536. — Toluylsäuren 540. — Cuminsäure 541. IV. Säurederivate, welche durch Umformung der Carboxylgruppe entstehen . Benzoylchlorid 545—546. — Benzoesäure-Anhydrid, -Superoxyd und -Ester 547. — Thiobenzogsänren 547, 549. — Ammoniakderivate der Benzoesäure und Thiobenzoesäure (Benzonitril, Kyaphenin; Benzamid, Dibenzamid, Tribenzamid, Benzanilid, Hippursäure, Ornith ursäure; Benzimidoäther; Thiobenzamid und Thiobenzanilid; Benzenylamidin) 550—558. — Hydroxylaminderivate (Benzhydroxamsäure, Dibenzhydroxamsäure, Tribenzhydroxylamin; Benzhydroximsäurechlorid, Benzenyläthoximchlorid; Benzenylamidoxim) 558—563. — Diamidderivate (Benzhydrazid, Dibenzoylhydrazin; Benzoylphenylhydrazin; Formazylbenzol) 563—564. — Stickstoffwasserstoffderivat (Benzazid) 564—565. V. Derivate, welche durch Eintritt von Substituenten in den Benzolkern entstehen Halogen-Derivate (Chlorbenzoösäuren, Jodoso- und Jodo-Benzo£säuren)
530 535 536 542
565
Inhalt. 568—570. — Sulfo-Derivate (Sufobenzoesäuren, Saccharin) 570—573. — Nitroso- undNitro-Derivate 573—574. — Amido-Derivate (Anthranilsäure etc.) 574—576. — Azoxy-, Azo- und Hydrazo-Derivate 576. — Diazobenzoesäuren, Hydrazinbenzoesäuren and Diazoamidobenzoesäuren 576—577. — Azido-Derivate 577. — Quecksilberderivate 577. D r e i u n d d r e i s s i g s t e s K a p i t e l . Hehrbasische Kcrncarbonsttnren. I. Dicarbonsäuren Phtalsäure (Phtalylchlorid, Phtalsäureanhydrid, Phtalimid, Phtalonitril; Tetrachlorphtalsäure) 581—587. — Isophtalsäure 587—588. — Terephtalsäure 588. — Uvitinsäure 588 — 589. II. Säuren mit drei oder mehr Carboxylgruppen Benzoltricarbonsäuren (Hemimellitbsäure, Triuiellithsäure, Trimesinefiure) 590—591. — Benzoltetracarbonsäuren (Prcbnitsäure, Mellophansäure, Pyromellithsäure) 591. — Benzolpentacarbonsfiure 592. — Mellitbsäure 592—593.
XIII Seite
578
589
V i e r u n d d r e i s s i g s t e s K a p i t e l . Säuren, deren Carboxylgrnppen i t m m t lieh oder theilweise In gesättigten Seitenketten gebunden sind. I. Einbasische Phenylfettsäuren 594 Bildungsweisen 594. — Umwandlungen 595. — Phenylessigs&ure (Chlorid, Phenacetursäure, Benzylcyanid) 596—598. —' Hydratropasäure und Hydrozimmtsäure (Zimmtsäure-Dibromid und -Allodibromid, Phenylalanin) 598—600. — Phenylbuttersäure u. Phenylvaleriansäure 600. II. Mehrbasische Phenylfettsäuren 600 Phenylmalonsäure und Phenylbernsteinsäure 601—602. — Phenylendiessigsäuren und Phenylenessigpropionsäure 602. — Phenylessigcarbonsäure 602—603. — Xylylendimalonsäuren 603—604. F ü n f u n d d r e i s s i g s t c s K a p i t e l . Sttnren, deren Carboxylgrnppen sUmmtlleh oder theilweise in nngesttttlgten Seltenketten gebunden sind. (Tabelle über Zimmtsäure-Derivate und Homologe: S. 608.) I. Einbasische Säuren mit einer Doppelbindung Atropasäure (Isatropasäuren) 604—605. — Zimmtsäure, Allo- und Iso-Zimmtsäure(Styracin, Bromzimmtsäuren, Nitrozimmtsfiaren, Amido zimmtsäuren, Traxillsäuren) 605—614. — Zimmtsäure-Homologe 614—615. — Benzylidenpropionsäure 615. II. Einbasische Säuren mit dreifachen Bindungen oder mehreren Doppelbindungen Phenylpropiolsäure (Nitrophenylpropiolsfture) 615—617. — Cinnamenylakrylsäure 617—618. III. Zweibasische Säuren Dicarbonsäuren, welche beide Carboxylgruppen in einer und derselben Seitenkette enthalten (Benzalmalonsäure; Phenylmalei'nsäure und Phenylfumarsäurej Phenylitaconsfiure, Phenylcitraconsäure, Phenylmesaconsäure und Phenylaticonsäure; Methylphenylitaconsäure und Methylenphenylbrenzweinsäure) 618—620. — Dicarbonsäuren, welche jede der beiden Carboxylgruppen in einer anderen Seitenkette enthalten (Phenylendiakrylsäuren) 620. — Dicarbonsäuren, welche nur eine Carboxylgruppe in der Seitenkette, die andere direct im Kern gebunden enthalten (Zimmtcarbonsäuren) 621.
604
615 618
InhaU.
XIV
S e c h s u n d d r e i s g i g s t e s K a p i t e l . Pbenolcarbonsäuren. (Tabelle über Salicylaäurederivate und Homosalicylsäuren: S. 633, Dioxybenzoesäuren: S. 640.) Allgemeines über Phenolcarbonsäuren I. Monooxyderivate der einbasischen Kerncarbonsäuren Salicylsäure (Salicylid, Salol, Salacetol, Aspirin, Thiosalicylsäure) 627—634. — Meta- und Para-Oxybenzoesäure (Anissäure, Amidooxybenzoesäuren) 634 — 637. — Oxytoluylsäuren oder Kresotinsäuren (Nitrococcussäure) 637—639. II. Polyoxyderivate der einbasischen Kerncarbonsäuren Dioxybenzoesäuren (Protokatechusäure, Vanillinsäuren, Veratrumsäure, Piperonylsäure) 639—644. — Orsellinsäure (Lecanorsäure, Gyrophorsäure, Erythrin; Evernsäure, Ramalsäure und Everninsäure) 644—646. — (J-Orcincarbonsäure(Physcianin, Rbizonsäure und Rhizoninsäure)646. — Chinoncarbonsäuren 646. — Trioxybenzoesäuren (Gallussäure und Tannin, Pyrogallolcarbonsäure, Pbloroglucincarbonsäure, Oxyhydrochinoucarbonsäure) 646—652. — Tetraoxybenzoesäure (Apiolsäuren) 652—653. III. Oxyderivate der mehrbasischen Kerncarbonsäuren Oxyphtalsäuren 653—655. — Oxyuvitinsäure und (?-Coccinsäure 655 bis 656. — Dioxydicarbonsäuren (Hemipinsäuren und Hydrastsäure; Dioxyterephtalsäure, Dihalogenchinondicarbonsäuren) 656—659. — Tetraoxyterephtalsäure und Dioxychinondicarbonsäure 659. — Monooxytricarbonsäuren (Oxytrimesinsäure, Cochenillesäure) 660—661. — Dioxytrimesinsäure 661. — Phloroglucintricarbonsäure 661. — Dioxypyromellithsäure und Chinontetracarbonsäure 661—663. IV. Oxyderivate der Carbonsäuren, welche Carboxygruppen in gesättigten Seitenketten enthalten Oxyphenylessigsäuren 663—664. — Hydrocumarsäuren (Melilotsäure, Tyrosin) 664—667. — Homogentisinsäure 668. — Hydrokaffeesäure 668. — Iridinsäure 669. V. Oxyderivate der Carbonsäuren, welche Carboxylgruppen in ungesättigten Seitenketten enthalten Cumarin (Cumarinsäure und o-Cumarsäure, Thiocumarin) 672—676. — m- und p-Cumarsäure 676—677. — Dioxyzimmtsäuren (Kaffeesäure, Ferulasäure, Hesperitinsäure; Umbelliferon und Herniarin) 677—679. — Trioxyzimmtsäuren (Sinapinsäure; Daphnetin; Aesculetin, Chrysatropasäure) 679—681. — Piperinsäuren und Hydropiperinsäuren
Seite 622 627
639
653
663
670
682—686.
Siebenunddreissigstes Kapitel. AlkoholsSuren u n d Phenolalkoholsäuren. I. Alkoholsäuren, deren Hydroxyl- und Carboxyl- Gruppen einer und derselben Seitenkette angehören Mandelsäure (Mandelsäurenitril, Mandelsäureamid) 687—691. — Trimethylmandelsäure 691—692. — Phenylmilchsäuren (Tropasäure und Atrolactinsäure; Nitrophenylmilchsäuren) 692—695. — Phenyl-Oxybuttersäure und Phenylbutyrolacton 695. — Atroglycerinsäure und Phenylglycerinsäure (Phenylglycidsäure, Nitrophenylglycidsiiure) 695 bis 697. — Phenylitamalsäure und Phenylparaconsäure 697—698. Sulfhydrylzimmtsäure und Sulfhydrylthiozimmtsiiure 698. — Benzyliden-o-Oxypropionsäure 698— 699.
687
Inhalt. II. Alkoholsäuren, deren Hydroxyl- und Carboxyl-Gruppen verschiedenen Seitenketten angehören Oxymethylbenzoesäuren (Phtalid, Phtalimidin und Pseudophtalimidin; Thiophtalid, Thiopseudophtalimidin, Dithiophtalid) 699—704. — Dimethylphtalid, Oxvisopropylbenzoesäuren 704. — C(C02H)2 + HBr = " CHC0 | CHj-CH 2 —COO/ CH,—CH/ geworden, da das Ketopentamethylen in den Untersuchungen von J. WISLICENUS, HENTZSCHEL U. GÄETNEB als Ausgangspunkt zur Gewinnung der
einfachsten typischen Verbindungen des Fünfrings (vgl. S. 29) benutzt wurde. Der letzteren Reaction ähnlich ist die Bildung eines Keto-
27
Pentamethylenderivaten.
pentamethylencarbonsäureesters Adipinsäureester (DIECKMANN):
durch
Einwirkung
von Natrium
auf
/CH 2 —CO-O-CjHS /CH a —CO CH S < = C 2 H 6 -OH + CH 2 < | X CH„ - C H , • CO • 0 • C 2 H 5 \ C H 2 — C H • CO • 0 • C a H s
und die Bildung einer Ketopentamethylendicarbonsäure, die neben Butantetracarbonsäure (vgl. Bd. I, S. 707—708) bei der Condensation von Aconitsäureester mit Natriummalonsäureester in alkoholischer Lösung entsteht (AUWERS) und wahrscheinlich einer weiteren Condensation des Butantetracarbonsäureesters entstammt: C02H-CH-CH2-C02H
COjH-CH-CH.J
I
i
CO,H • CH • CH„ • CO,H
N c o + COä + H 2 0.
CO.H-CH-CH.
Ferner ist eine erhebliche Anzahl von Pentamethylenderivaten — und zwar stets halogenhaltigen — durch eigentümliche Reactionen a u s d e n E i n w i r k u n g s p r o d u k t e n von H a l o g e n e n auf g e w i s s e B e n z o l d e r i v a t e erhalten worden. Bei diesen von ZINCKE und von HANTZSCH in Gemeinschaft mit ihren Schülern eingehend studirten Vorgängen wird mithin der Sechskohlenstoffring in den Fünfkohlenstoffring verwandelt; so liefert z. B. die Chloranilsäure durch Einwirkung von Chlor ein Tetrachlortetraketohexamethylen, welches beim Lösen in verdünnter Natronlange in Tetrachlordiketopentamethylenoxycarbonsäure übergeht: CO-OH yCOx
/CO. "b-ci ¡1
OH-C
;i
Cl-C
!
CO
C-OH
\ x > / Chloranilsäure
^
CC12
I
|
CClj
cci a
CO
j
\ c o / Tetrachlortetraketohexamethylen
ccu |
CO CO Tetrachlordiketopentamethylenoxycarbonsäure.
Man wird sich diese überraschenden Processe durch vorübergehende Oeffnung des Sechsrings zur offenen Kette und darauf wieder folgenden Ringschluss: / C CO CC12
0
\
/C CO
CC12 I CO
^••co/
+ HsO =
0
-
CO OH
0 H
| CC12
^ C O ^
CHC!, CO
C-
CC1,
I CC12
CO
^CO-^
zu erklären haben (vgl. S. 32, 34, ferner Bd. I, S. 976). Die Constitutionsauffassung der Verbindungen, welche in der letzterwähnten Gruppe von Reactionen entstehen, gründet sich auf das eingehende Studium der Processe einerseits, durch welche sie aus Sechsring-Abkömmlingen entstehen, und andererseits der Processe, durch welche sie in einfachere Verbindungen der Fettreihe gespalten werden (vgl. Bd. I , S. 867—868, 976 u. 980). Wenn auch keineswegs ein Zweifel an der Berechtigung jener Formeln, welche die fraglichen Verbindungen als
28
Ketopentamethylen
und
Pcntamethylenabkömmlinge erscheinen lassen, ausgesprochen werden soll, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass bislang keine derselben in eine Verbindung umgewandelt wurde, welche durch l e i c h t ü b e r s e h b a r e Bildungsprocesse und Spaltungsreactionen mit Sicherheit als Fünfring-Abkömmling cliarakterisirt ist — Neuerdings werden auch einige Verbindungen, welche aus Pyridinderivaten — also aus Abkömmlingen des stickstoffhaltigen Sechsrings — entstehen, als Pentamethylenderivate aufgefasst
Einzelne Glieder der Gruppe. Y C H
2
— C H
2
Das Ketopentamethylen C0
:e "Si £ s s s £
« «s>
I
"O •es 8 o S
e
S S
"
to < D b o a
«
-
TS S
_ fO OJ
•C
£LHT io •« ®
§
P.M ö ^ .3 cg
40
Die Frage nach der Existenzfähigkeit glifderreicherer Kohlenstoffringe.
allein diese Reaction, welche beim Adipinsäureester (vgl. S. 27) und Pimelinsäureester in glatter Weise, beim Korksäureester in weniger glatter Weise Ringbildung bewirkt, bleibt beim Sebacinsäureester ganz aus 1 . Derartige Erfahrungen deuten an, dass entsprechend den stereochemischen Folgerungen (vgl. S. 4—5) gegen die Bildung von Ringen mit acht und neun Gliedern ein Widerstand besteht. Es erscheint von hervorragendem Interesse, weitere Erfahrungen in dieser Richtung zu sammeln und namentlich auch die Versuche auf die Frage auszudehnen, ob bei weiter wachsender Gliederzahl der Widerstand gegen den Ringschluss vielleicht wieder kleiner wird; denn gewisse stereochemische Anschauungen lassen vorhersehen 2 , „dass die Erscheinung des Ringschliessens eine p e r i o d i s c h e Function der Kettenlänge sei" (vgl. Bd. I, S. 628—629.) 1
DIECKMANN,
Vgl. 27 (1894). s
Ber.
27,
965 (1894). Ber. 2 5 , 2252 (1892). —
PHOOKAN U. K B A F P T ,
MICHAEL,
J.
pr. [2]
49,
B. Die einkernigen Benzolkohlenwasserstoffe und ihre Suhstitutionsderivate. F ü n f t e s Kapitel.
Der aromatische Charakter und die Constitution des Benzols. Der aromatische
Charakter.
Eine grosse Zahl der Verbindungen, in deren Mo'ecülen wir cyclische Complexe annehmen, ist, wie schon S. 12—13 kurz erläutert wurde, durch besondere Eigentümlichkeiten des chemischen Charakters ausgezeichnet, derart, dass sie in gewissen Eeactionen ein wesentlich anderes Verhalten zeigen als „aliphatische" oder „alicyclische" Verbindungen. Da man für diese Substanzen den ursprünglich aus zufälligen Gründen (vgl. S. 18) gewählten Namen „aromatische Verbindungen" beibehalten hat,so hat man sich auch gewöhnt, jene ihnen zukommenden Eigentümlichkeiten in der Bezeichnung „aromatischer Charakter" zusammenzufassen. Der „ a r o m a t i s c h e C h a r a k t e r " sei hier nun zunächst in den Hauptzügen, welche das e x p e r i m e n t e l l e Studium der aromatischen Verbindungen hervortreten lässt, dargestellt, bevor die für die specielle Besprechung der einzelnen aromatischen Verbindungen nothwendigen t h e o r e t i s c h e n Grundlagen entwickelt werden. Die wesentlichen Unterschiede der Verbindungen von aromatischem und aliphatischem Charakter sind dreierlei Art; sie beziehen sich 1. auf die S u b s t i t u i r b a r k e i t durch gewisse Eadicale, 2. auf das c h e m i s c h e V e r h a l t e n der e i n g e t r e t e n e n S u b stituenten, 3. auf die A e u s s e r u n g des S ä t t i g u n g s z u s t a n d e s ; sie seien nun — in diese drei Rubriken eingeteilt — im Folgenden erläutert. 1. Unterschiede in der Substituirbarkeit. Es ist schon S. 12 hervorgehoben, dass die aromatischen Kohlenwasserstoffe und ihre Derivate mit grösster Leichtigkeit bei der Behandlung mit starker Salpetersäure in N i t r o - S u b s t i t u t i o n s d e r i v a t e übergehen (vgl. 13. Kapitel),
42
Die leichte Substituirbarkeit
der aromatischen
Verbindungen.
deren Nitrogruppe vermittelst des Stickstoffatoms an Kohlenstoff gekettet ist: C„H6 + 0 H - N 0 2 = H2O + C 6 H 5 -N0 2 .
•
Das Gleiche gilt für den Eintritt der Sulfogruppe; bei Behandlung mit starker Schwefelsäure, werden Wasserstoffatome durch die Sulfogruppe ersetzt (vgl. 12. Kapitel); es entstehen S u l f o s ä u r e n , welche Schwefel in directer Bindung mit Kohlenstoff enthalten: C 6 H 6 Br + SO-
C.HA
v
C6H4(OH)2.
Ein fundamentaler Unterschied giebt sich in dem V e r h a l t e n d e r aliphatischen und a r o m a t i s c h e n A m i d o v e r b i n d u n g e n gegen s a l p e t r i g e S ä u r e zu erkennen. Die aromatischen Amine besitzen ganz allgemein die Fähigkeit, in D i a z o v e r b k i d u n g e n überzugehen, während man- bei Fettkörpern für die an Kohlenstoff gebundenen Amidogruppen diese Fähigkeit bisher lediglich an den Estern von Amidosäuren beobachtet hat (vgl. Bd. I, S. 841). Aber auch von den so entstehenden aliphatischen Diazoestern unterscheiden sich die eigentlichen aromatischen Diazokörper noch wesentlich, da sie mit Mineralsäuren zu durchaus salzartigen Verbindungen, wie C 6 H 6 -N:N-C1, C c H 6 -N:N-N0 3 etc., zusammentreten und auf Phenole in alkalischer Lösung sehr glatt unter Bildung von intensiv gefärbten Azokörpem reagiren: C6H6 • N : N • C1 + C„H6-OH = C6H6-N:N-C6H4-OH + HCl. Solche A z o k ö r p e r , welche die Gruppe —N 2 — beiderseits an Kohlenstoff gebunden enthalten, entstehen ferner direct aus Nitroverbindungen durch Eeduction: 2C„H5.N02 - 40 = C6H5-N:N-C6H5 — eine ebenfalls die a r o m a t i s c h e n Nitroverbindungen von den aliphatischen unterscheidende Reaction.
3. Unterschiede in der Aeusserung des Sättiguugszustandes. Ein Vergleich der empirischen Formel aromatischer Kohlenwasserstoffe (z. B . C C H 6 ,
C7HS,
C10H8,
C14Hi0
etc.),
mit
der
allgemeinen
Formel
cyclischer G r e n z kohlen Wasserstoffe C n H 2 n lehrt, dass bis zur Sättigung sämmtlicher Kohlenstoffvalenzen, die nicht nothwendigerweise für den Zusammenhalt des Kohlenstoffrings beansprucht werden, müssen, noch m i n d e s t e n s sechs Wasserstoffatome in das Molecül aufgenommen werden könnten. Man wäre daher zu der Erwartung berechtigt, dass die aromatischen Verbindungen in hohem Grade den Charakter „ u n g e s ä t t i g t e r " Verbindungen zeigen, wie man ihn bei ähnlich wasserstoffarmen Verbindungen der Fettreihe kennt (vgl. Bd. I, S. 441 ff.). Diese Erwartung aber, wird, wie schon S. 12-bemerkt wurde, durchaus nicht
Beständigkeit der aromatischen Verbindungen.
45
bestätigt. Vielmehr erweisen sich die aromatischen Verbindungen, sofern ihre Molecüle nicht etwa ungesättigte Seitenketten enthalten, gegenüber einer Anzahl von Reagentien, welche bei wahren „ungesättigten" Verbindungen mit grosser Leichtigkeit Additionsreactionen veranlassen, als indifferent. Während z. B. die eigentlichen ungesättigten Verbindungen sehr leicht H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n — namentlich Bromwasserstoff — addiren, vereinigen sich die aromatischen Substanzen n i c h t mit Bromwasserstoff. Auch in dem Verhalten gegen f r e i e H a l o g e n e besteht ein erheblicher Unterschied. Wenn man auch in einzelnen Fällen eine directe Addition von Chlor oder Brom an aromatische Verbindungen beobachtet hat, so hat sich doch andererseits unverkennbar herausgestellt, dass die überaus leichte Aufnahmefähigkeit für Brom, welche die ungesättigten aliphatischen Verbindungen mit wenigen Ausnahme^ zeigen, keineswegs eine allgemeine Eigenschaft der aromatischen Substanzen ist. Besonders frappirend aber ist die U n e m p f i n d l i c h k e i t der a r o m a t i s c h e n S u b s t a n z e n g e g e n O x y d a t i o n s m i t t e l , welche sich am deutlichsten in dem Verhalten der Carbonsäuren gegen Kaliumpermanganat zu erkennen giebt. Während die ungesättigten Säuren der Fettreihe in alkalischer Lösung Kaliumpermanganat rasch entfärben (vgl. Bd. I, S. 493), wirken die aromatischen Carbonsäuren wie C0H6 • COaH, C8H4(C02H)2 etc. auf dieses Reagens n i c h t ein, obwohl doch der mit der Carboxylgruppe verbundene „aromatische Kern" bei rechnerischer Berücksichtigung des Atomverhältnisses zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff als ungesättigt erscheinen muss. Aber im Gegensatz zu der sonst bei ungesättigten Complexen hervortretenden Neigung, an den Stellen mehrfacher Kohlenstoffbindung zu zerfallen, zeigen diese „aromatischen Kerne" überhaupt eine gewissermassen „unüberwindliche Neigung, sich zu erhalten" 1 . Wenn man das Aethylbenzol C 6 H 5 -C 2 H 5 — eine Verbindung also, deren Moleciil einen aromatischen Rest mit einem gesättigten aliphatischen Rest verbunden enthält, — mit Chromsäuregemisch oxydirt, so entsteht daraus Benzoesäure C ß H 6 -C0 2 H; die aliphatische „Seitenkette" also wird durch das kräftige Oxydationsmittel zerstört, der aromatische „Kern" bleibt unverändert. Selbst noch weit energischeren Agentien leisten die aromatischen Kerne Widerstand: kann man doch zahlreiche aromatische Substanzen m i t A l k a l i e n s c h m e l z e n und dadurch eingreifende Veränderungen der Substituenten und Seitenketten bewirken, ohne das Gefüge des aromatischen „Kerns" zu erschüttern. Die im Vorstehenden gegebene Zusammenstellung der wichtigsten Unterschiede des „aliphatischen" und „aromatischen" Charakters wird deutlich genug erkennen lassen, dass in den „aromatischen" Substanzen 1
V . MEYER, B e r . 2 3 , 5 8 0 ( 1 8 9 0 ) .
46
Die Constitution
des Benzols
als
Grundlage
in der That ganz eigenartige Verbindungen vorliegen, für welche wir Analoga unter den von Kohlenwasserstoffen mit offener Kette sich ableitenden Verbindungen nicht finden. Als „aromatische Verbindungen im weiteren Sinne" bezeichnet man alle Substanzen, an deren Verhalten man die Besonderheiten des aromatischen Charakters wahrnimmt; nach dieser Definition gehören dazu auch die Abkömmlinge mancher heterocyclischer Systeme, wie Pyridin-, Thiophenderivate etc. (vgl. S. 13). Als „aromatische Verbindungen im engeren Sinne" fasst man jene grosse Gruppe von Substanzen zusammen, an denen man zuerst den aromatischen Charakter beobachtete und eingehend studirte, — die Gruppe der Benzolderivate. Als die Stammsubstanz dieser „aromatischen Verbindungen im engeren Sinne" erscheint der „Benzol" genannte Kohlenwasserstoff C 6 H 6 , da sich die einzelnen Verbindungen als Substitutionsprodukte desselben auffassen lassen und theils synthetisch aus Benzol gewonnen oder durch Abbauprocesse auf das Benzol zurückgeführt werden können. Unserer Kenntniss nach ist das Benzol die einfachste isocyclische Verbindung von aromatischem Charakter (vgl. S. 13). Die Erörterung seiner Constitution ist daher für die T h e o r i e d e r a r o m a t i s c h e n V e r b i n d u n g e n von grundlegender Bedeutung. Die Constitution des Benzols1. Kaum irgend eine andere Constitutionsfrage hat die Chemiker in gleichem Maass beschäftigt, wie die Frage nach der Constitution des Benzols, welche seit fast 30 Jahren unausgesetzt den Gegenstand von Experimentaluntersuchungen und theoretischen Discussionen bildet. Die G e s c h i c h t e der Theorie von den aromatischen Verbindungen beginnt mit dem Jahre 1865, in welchem die erste „Structurformel" des Benzols: H
I H—C
C - H
II—0
X |
2 a.
HC
cx
HC
!H
und
Es ist
> l> >
HC. I
-C' X
1
Vgl.
KNORR
in der S. 47 citirten Abhandlung.
auf die Existenz von drei isomeren Disubstitutionsprodukten.
53
erscheint beim ersten Anblick zwar als neu, bei näherer Betrachtung der Structuryerhältnisse aber als identisch mit den Formeln 1. und l a . Die beiden Kohlenstoffatome, welche die Substituenten X tragen, sind ja in allen drei Formeln einerseits direct mit einander verbunden und stehen ausserdem noch auf vier anderen Wegen, deren jeder über zwei zwischengelagerte Kohlenstoffatome führt, mit einander in Beziehung. Die Verschiedenheit der Formeln 1 und l a einerseits und 3 andererseits erscheint demnach nur durch die zufällig gewählte g r a p h i s c h e D a r s t e l l u n g der Bindüngsverhältnisse bedingt, verschwindet aber, wenn man die Bindungsverhältnisse an sich berücksichtigt. Um die Formel 3 als structurverschieden von den Formeln 1 und 1 a erscheinen zu lassen, ist die Annahme nothwendig, dass die Bindungsart zwischen den mit X verbundenen C-Atomen der Formel 3, welche in der Sechseck-Formel durch eine Diagonale dargestellt ist, sich in irgendwelcher Weise von der durch eine Seite des Sechsecks wiedergegebenen Bindungsart der in den Formeln 1 und 1 a mit den Substituenten X verbundenen C-Atome unterscheidet. Erst wenn man die Diagonalformel in dieser Weise „auslegt" und demnach einen Unterschied zwischen „ p e r i p h e r i s c h e r " und „diagonaler" oder „ c e n t r a l e r " Bindung stipulirt (vgl. S. 59—60), erscheint sie geeignet, die Existenz von drei isomeren Disubstitutiosnprodukten zu erklären. Es erübrigt noch die Discussion der Prismenformel in Bezug auf das zweite Isomeiiegesetz (S. 49). Man erkennt leicht, dass die Formeln: l. H C ^CX 2. HC^ ^CX und HC
'OH
HO-
CH CX wesentlich von einander verschieden sind, dass die Formeln: CX la. XC CX 2 a. HC CH und CH
CH CH XC CH bezw. mit 1 und 2 identisch sind. Die noch übrig bleibende Combination: 3. CH
erscheint zwar zunächst mit 1 und l a darin übereinstimmend, dass auch in ihr die mit X verbundenen C-Atome mit einander in directer
54
Vorzüge und Nachtheih
der Prismenformel;
ihre
definitive
Bindung stehen. Aber bei näherer Betrachtung erweist sie sich als wesentlich verschieden; denn die beiden Substituententräger in Formel 1 und l a stehen mit einander ausserdem noch durch Vermittelung eines Kohlenstoffatoms in i n d i r e c t e r Bindung, während in Formel 3 der kürzeste indirecte Weg von einer Gruppe CX zur zweiten über zwei zwischenliegende Kohlenstoffatome führt. Die Prismenformel lässt demnach durch die in ihr ausgedrückteil Bindungsverhältnisse vollkommen deutlich die Existenzmöglichkeit von drei und nur drei structurisomeren Diderivaten erkennen. Sie erweist sich darin der KEKULi'schen Formel und der CLAüs'schen Diagonalformel, welche beide erst gewisser Interpretationen bedürfen, um mit dem zweiten Isomeriegesetz in Einklang gebracht zu werden, als entschieden überlegen. Man sollte demgemäss denken, dass zu jener Zeit, als man von der Benzolformel in erster Linie die Erklärung der Substitutionsprodukte verlangte, die Prismenformel, deren Ueberlegenheit in dieser Beziehung von LADENBUHG wiederholt in überzeugender Weise dargelegt wurde, auch allgemein von den Erforschern der Benzolgruppe zur Darstellung ihrer Untersuchungen vor den beiden anderen Formeln bevorzugt wäre. Allein in den Abhandlungen jener Zeit, soweit sie sich nicht unmittelbar. auf die Frage nach der Constitution des Benzols beziehen, finden wir kaum jemals die Prismenformel benutzt. Auch die Diagonalformel wurde von den zahlreichen Bearbeitern der Benzolsubstitutionsprodukte kaum berücksichtigt; man konnte sich mit jener für die Erklärung der drei Reihen von Derivaten nothwendigen Interpretation, welche eine gewisse r ä u m l i c h e Deutung der Structurformel bedingte, nicht befreunden, wie man in jener Zeit überhaupt allen Speculationen über den räumlichen Bau der Molecüle noch abgeneigt war. Die KEKULfi'sche Formel dagegen, obwohl ihr B i l d zu der falschen Folgerung von vier isomeren Disubstitutionsprodukten verleiten konnte, behauptete sich trotzdem als Alleinherrscherin. Es lag dies hauptsächlich daran, dass man zu gleicher Zeit bereits vielfach die „Verbindungen mit condensirten Benzolkernen" studirte und daher auch die Erfüllung der zweiten Forderung (S. 48) zum Kriterium bei der Beurtheilung der Benzolformeln machte. Die Aneinanderlagerung zweier Benzolkerne lässt sich nämlich mit Hülfe der KEKULic'schen Formel sehr leicht und elegant formuliren, wie die aus der KEKULE'schen Formel sich ergebende Naphtalinformel: HC
C
CH
HC
I!
CH
Ausschliessung durch Baey er's Untersuchungen über hydroaromat. Verbindgn.
55
zeigt; auf Grund derartiger Formeln fanden auch die Isomerieverhältnisse der mehrkernigen Kohlenwasserstoffe eine durchaus befriedigende und leicht verständliche Deutung. Dagegen erwies sich die Prismenformel, bei deren Anwendung man beispielsweise die Bindungsverhältnisse des Naphtalinmolecüls durch das Schema:
als unbequem und führte zu weniger leicht übersehbaren Formeln. Die hierbei in Betracht kommenden Verhältnisse, ferner die Frage, wie sich die Diagonalformel in diesem Punkte bewährt, werden bei Besprechung der mehrkernigen Verbindungen (Gruppe D des zweiten Buchs) noch näher zu discutiren sein. In eine neue Phase ist das Benzolproblem getreten, seit A. v. BAEYEK die Hydroderivate der Benzolkörper speciell mit Eiicksicht auf die Constitution des Benzols zu untersuchen begann (1886). Die Erfüllung der d r i t t e n Forderung (S. 48), welche bis dahin wenig beachtet zu werden brauchte, wurde nunmehr von entscheidender Bedeutung. Das Studium jener Hydroderivate konnte in zwei Richtungen für Schlüsse auf die Constitution des Benzols verwerthet werden. Einmal handelte es sich um die Frage, welche gegenseitige S t e l l u n g die ursprünglichen S u b s t i t u e n t e n des Benzolkerns zu einander einnehmen, nachdem der Benzolkern durch Aufnahme von sechs einwerthigen Addenden in den Hexamethylenring: CH2
CH„
! CHO
I " CHO
übergeführt ist. In dieser Beziehung führen die Formeln von K E K Ü L £ und CLAUS einerseits, diejenige von LADENBUEG andererseits zu wesentlich verschiedenen Folgerungen, die indess an dieser Stelle noch nicht in verständlicher Weise dargelegt werden können. Ihre Discussion an der Hand des Beobachtungsmaterials mag daher bis zur specieilen Besprechung der hydroaromatischen Verbindungen (Gruppe C des zweiten Buchs) verschoben werden. Doch muss hier schon das Ergebniss derselben mitgetheilt werden: es h a t s i c h g e z e i g t , d a s s d i e LADENBUEG' s e h e P r i s m e n f o r m e l n i c h t im S t a n d e i s t , die b e o b a c h t e t e n U e b e r g ä n g e von B e n z o l d e r i v a t e n in H e x a m e t h y l e n d e r i v a t e zu
56
Das Verhältniss der Benxolderivate
e r k l ä r e n . D i e P r i s m e n f o r m e l k a n n d a n a c h als a u s g e s c h l o s s e n gelten. Andererseits trat bei diesen Untersuchungen erst der c h e m i s c h e C h a r a k t e r der A d d i t i o n s p r o d u k t e in s e i n e r V e r s c h i e d e n h e i t von dem C h a r a k t e r der e i g e n t l i c h e n a r o m a t i s c h e n V e r b i n d u n g e n mit voller Deutlichkeit zu Tage: ein Umstand, dem für die ßeurtheilung des Benzolproblems eine sehr grosse Bedeutung beigelegt werden muss, wie an dem besonders eingehend von BAEYKR untersuchten Beispiel der Hydroterephtalsäuren gleich deutlich werden wird. Die Terephtalsäure — ein Dicarboxylsubstitutionsprodukt des Benzols: C6H4(COaH)3 — kann durch Eeductionsprocesse unter successiver Aulhahme von je zwei Wasserstoffatomen in wasserstoffreichere Säuren verwandelt werden. Diese wasserstoffreicheren Säuren existiren in isomeren Formen, worauf einzugehen indessen an dieser Stelle noch nicht nöthig ist; es genügt zunächst, die empirische Zusammensetzung der Terephtalsäure und ihrer Reductionsprodukte zu vergleichen: C 6 H,(CO,H) 3 Terephtalsäure
C c H 6 (C0 2 H), • Dihydroterephtals.
C 6 H s (C0 2 H) 2 Tetrahydroterephtals.
C 6 H 10 (CO 2 H) s . Hexahydroterephtals
Im Sinne der KEKULi:'sehen Formulirung des Benzols würde das Verhältniss dieser Säuren zu einander durch die Formeln: CO;H
i . HC
I
HC
•
CO 2 H
:
I
H2C
CH
.
: COJH Terephtalsäure
]
HC
CH
•
1
Y CJ.H V
^/CHV CH
CO,H
!
CH
I COJH Dihydrosäuren
H„C
"
H.,C
^/CEL. CH
I
CH
I C02H Tetraliydrosäuren
HOC H2C
CH2
I I
CH2
¡' COJH Hexahydrosäuren
in welchen die S t e l l u n g der Doppelbindungen einstweilen willkürlich angenommen ist, auszudrücken sein. Diesen Formeln entspricht nun allerdings das Verhalten der h y d r i r t e n Säuren vollkommen. Die sechsfach.hydrirten Säuren zeigen die Beständigkeit gesättigter Verbindungen, die vierfach und zweifach hydrirten Säuren die Unbeständigkeit der ungesättigten Säuren; von Kaliumpermanganat werden die letzteren schon in der Kälte momentan oxydirt. Die Gegenwart e i n e r Doppelbindung im Mölecül der Tetrahydrosäuren giebt sich durch die Fähigkeit, 1 Mol. Brom bezw. Bromwasserstoff zu addiren zu erkennen, während die Dihydrosäuren 2 Mol. Brom bezw. Bromwasserstoff zu fixiren vermögen und hierdurch als Verbindungen mit zwei Doppelbindungen charakterisirt werden. Gehen wir demnach von den Hexahydrosäuren über die Tetraliydrosäuren zu den Dihydrosäuren zurück, so beobachten wir jedesmal als Folge des
xu den hydroaromatischen Verbindungen.
57
Austritts von j e zwei Wasserstoffatomen das Auftreten einer Doppelbindung. Die KEKUiii'sche F o r m e l d e r T e r e p h t a l s ä u r e s e l b s t lässt nun vermuthen, dass diese Säure sich als eine ungesättigte Verbindung mit d r e i Doppelbindungen erweisen wird. Der Uebergang von den Dihydrosäuren zur Terephtalsäure erscheint in den obigen Formelbildern nur als letzte, aber durchaus gleichwerthige Phase bei der schrittweisen Rückverwandlung der höchsten Hydrirungsstufe in das entsprechende Benzolderivat. Dem entsprechen aber die Thatsac-hen in keiner Weise. Die Terephtalsäure ist eine höchst beständige Substanz, welche durchaus nicht den Charakter einer ungesättigten Säure besitzt; sie zeigt nicht mehr die leichte Oxydirbarkeit durch Kaliumpermanganat, nicht mehr die Aufnahmefähigkeit für Brom und Bromwasserstoff. Während wir demnach sehen, dass bei der Wasserstoffentziehung aus den Hexahydrosäuren die successive Entfernung des ersten und zweiten Wasserstoffatompaars eine s c h r i t t w e i s e Aenderung der Eigenschaften bedingt, wird durch die Entziehung des dritten Wasserstoffatompaars eine s p r u n g h a f t e Aenderung der Eigenschaften veranlasst: es stellt sich jetzt eben der „aromatische" Charakter ein, der das echte Benzolderivat von seinen Hydroderivaten scharf unterscheidet. Die Terephtalsäure ist zu dieser Erörterung nur als das bestuntersuchte Beispiel gewählt. Was für sie gilt, gilt für die Benzolderivate überhaupt, soweit sie eben aromatischen Charakter zeigen. Die Benzolsubstitutionsprodukte selbst verhalten sich nicht wie Verbindungen mit doppelten Kohlenstoffbindungen, ihre Hydroderivate dagegen besitzen das für ungesättigte Verbindungen charakteristische Additionsvermögen. Die Berücksichtigung dieser Verhältnisse zwingt uns zu dem Urtheil, dass d i e KEKULi:'sehen F o r m e l — als Structurformel im gewöhnlichen Sinne betrachtet — das V . e r h ä l t n i s s d e r B e n z o l d e r i v a t e zu i h r e n H y d r o d e r i v a t e n n i c h t in e i n e r den T h a t s a c h e n e n t s p r e c h e n d e n W e i s e zur A n s c h a u u n g b r i n g t . Denn es ist kaum ein Grund einzusehen, warum die Bildung der dritten Doppelbindung eine so wesentlich andere Wirkung ausüben soll, wie die Bildung der ersten und zweiten Doppelbindung. Man könnte daran denken, die symmetrische Lage der drei Doppelbindungen als Ursache für die Veränderung ihrer Eigenschaften heranzuzieheu; aber wir kennen unter den isomeren Dihydroterephtalsäuren solche von ebenfalls symmetrischer Structur: COoH
HC
CH
l'
HC'
CH
I .
COjH
58
Die „centrische"
Auffassung
die trotzdem durchaus den Charakter der u n g e s ä t t i g t e n Säuren tragen. Dass gerade durch die Gegenwart von d r e i symmetrisch vertheilten Doppelbindungen der Charakter so wesentlich modificirt werden sollte, dürfte wenig plausibel erscheinen. Allein es ist oben schon darauf hingewiesen (S. 51—52), dass nach der KEKüLi'sehen Auffassung im Benzolkern eigentlich gar nicht D o p p e l b i n d u n g e n im g e w ö h n l i c h e n Sinne anzunehmen sind. Das Symbol der KEKULFC'schen Auffassung freilich weist drei Doppelbindungen auf, aber nur deshalb, weil ihr Grundgedanke durch unsere gewöhnlichen Structurformeln, bei denen wir eine p a a r w e i s e Sättigung aller Valenzen zu verlangen gewöhnt sind, nicht zum Ausdruck gebracht werden kann. Ihr gedanklicher Inhalt dagegen besteht in der Annahme, dass j e d e s K o h l e n s t o f f a t o m des K e r n s d u r c h d r e i Valenzen m i t zwei a n d e r e n K o h l e n s t o f f a t o m e n des K e r n s in d i r e c t e r und f ü r b e i d e d u r c h a u s g l e i c h a r t i g e r B e z i e h u n g s t e h t . Wenn man die Formel K E K U L S ' S derart auffasst, so erkennt man, dass diese eigenthümliche Bindungsart der Kohlenstoffatome eben nur im Benzolkern selbst, nicht aber im hydrirten Benzolkern existiren kann. Denn sie ist ja abhängig von der bei den Hydroderivaten nicht mehr erfüllten Bedingung, dass jedes Kohlenstoffatom des Kerns n u r eine V a l e n z a u s s e r h a l b des K e r n s absättigt. Durch die Aufnahme der additioneilen Wasserstoffatome wird dieser Zustand zunächst bei zwei, dann bei vier Kohlenstoffatomen gestört; und die übrig bleibenden, von der Hydrirung noch nicht betroffenen Kohlenstoffatome lassen ihre Valenzen nun paarweise — d. h. also zu eigentlichen Doppelbindungen — zusammentreten. Durch eine solche Betrachtung gelangt man also auf Grund der KEKUI/fc'schen Auffassung zu einem Verständniss der merkwürdigen Unterschiede zwischen eigentlichen Benzolderivaten und ihren Hydroverbindungen. Die neuen Gesichtspunkte, welche durch jene BAEYER'schen Experimentalarbeiten eröffnet wurden, führten indess B A E Y E R 1 zunächst zur Entwickelung einer neuen Auffassung von der Constitution des Benzols, die als die „centrische" Auffassung bezeichnet werden kann und durch die sogenannte „ c e n t r i s c h e " F o r m e l des Benzols: H •C-
H 1
Die centrische Formel hatte bereits ARMSTRONG kurz vor BAEYER vorgeschlagen. Fast zu derselben Zeit gab auch CLAÜS seiner Diagonalformel die auf S. 59—60 wiedergegebene Interpretation, durch welche dieselbe mit der centrischen Formel fast gleichbedeutend wird.
59
des Benzols.
graphisch dargestellt wird. Es wird angenommen, dass j e eine Valenz von jedem Kohlenstoffatom nach dem Inneren des Ringes gerichtet ist, nnd dass diese sechs Valenzen infolge der völlig symmetrischen L a g e ihrer Angriffspunkte sich gegenseitig derart paralysiren, dass sie für gewöhnlich nicht zur Geltung kommen. Bei der Addition wird ein Theil dieser Valenzen zur Bindung von Addenden ausserhalb des Kerns verwendet, der Gleichgewichtszustand der übrig bleibenden, nach innen gerichteten Valenzen wird dadurch gestört, und sie sättigen sich daher gegenseitig in der gewöhnlichen Form der Doppelbindung. Die D i a g o n a l f o r m e l des Benzols enthält überhaupt keine Doppelbindungen. Wollte man sie als Structurformel im gewöhnlichen Sinne ansehen, so käme man dazu, das Verhältniss der Benzolderivate zu ihren Hydroverbindungen durch Formeln folgender A r t auszudrücken: X
na
X
HO" C ^ I X
H
CH
HC
H
HC
X
X
>
^ C ^ / \ H X
H
CH
HC
CH
H2C
X
X
-
/ \ H X
H
•
CH2
H,C
CH
HjC
X
X
•
CII.,
( ^ C ^ x \ H X
— Formeln, welche dem Verhalten der Dihydro- und Tetrahydroderivate nicht gerecht werden. Allein dieser Widerspruch verschwindet ebenfalls, wenn man die Diagonalformel nicht nur nach ihrer Form beurtheilt, sondern über die Verhältnisse, welche durch die „centralen" Bindungen bedingt werden können, näher nachdenkt. Die drei Bindungen, welche in dem Sechseckschema durch Diagonalen dargestellt werden, treffen sich in einem gemeinschaftlichen Mittelpunkt. Hierdurch kann gewissermassen e i n e Verschmelzung dieser drei Anziehungsausgleichungen bewirkt w e r d e n , d e r a r t , dass nun j e d e s K o h l e n s t o f f a t o m z u g l e i c h m i t a l l e n f ü n f a n d e r e n K o h l e n s t o f f a t o m e n des B e n z o l k e r n s in d i r e c t e V e r b i n d u n g g e t r e t e n ist. Wenn von diesen centralen Valenzen nun zwei zur Addition verwendet werden, wie dies .durch die punktirten Linien des folgenden Schemas:
angedeutet wird, so wird dem von der centralen Bindung benen Rest das Gleichgewicht entzogen, und die vier noch
verblieübrigen
60
Die eigenthümliche Bindungsart im aromatischen Kern:
Valenzen können paarweise unter Bildung von Doppelbindungen zusammentreten:
Auch die Diagonalformel fuhrt somit — in dieser Weise „centrisch" aufgefasst — zu einem Verständniss der Erscheinung, dass sich im Gegensatz zu den eigentlichen Benzolderivaten die Dihydro- und Tetrahydroderivate wie ungesättigte Verbindungen verhalten. Aber ihr Symbol lässt ebenso wie das KEKUi/fc'sche Symbol diese Beziehungen nicht unmittelbar ablesen; es bedarf dazu erst einer Interpretation des Begriffs der centralen Valenzen. So ist durch die Untersuchungen über die Isomerie der Substitutionsprodukte des Benzols und schliesslich durch die Erkenntniss der Beziehungen zwischen aromatischen und hydroaromatischen Verbindungen, deren Förderung vor Allem A. v. B A E Y E R ZU danken ist, eine Auffassung von der Constitution des Benzols gezeitigt, welche man in den folgenden Worten aussprechen kann: Das Molecül des Benzols besteht aus sechs CH-Gruppen, welche völlig gleichartig durch die von jeder einzelnen Gruppe ausgehenden drei Kohlenstoffvalenzen — in Summa demnach achtzehn — zu einem Ringsystem vereinigt werden. Da zum Zusammenhalt der sechs Gruppen die Aufwendung von zwölf Valenzen genügen würde, so ist ein Ueberschuss von sechs Valenzen vorhanden, welcher eine dichtere Bindung der sechs einzelnen Ringglieder in e i n e r a n d e r e n als d e r g e w ö h n l i c h e n B i n d u n g s f o r m bewirkt. Wenn bei Additionsvorgängen diese sechs überschüssigen Valenzen — in drei Paaren von je zwei — für die Bindung von an den Kern sich anlagernden Gruppen nutzbar gemacht werden, so werclen hierdurch die inneren Bindungsverhältnisse des Kerns derart geändert, dass sich die einzelnen Valenzen in der gewöhnlichen Form der Doppelbindung bezw. einfachen Bindung paarweise absättigen. Diese Auffassung findet ihren deutlichsten Ausdruck in der „ c e n t r i s c h e n " Formel von ARMSTRONG und B A E Y E R : H HCV I /CH I I H ü / , ^CH H
die ,,potentielle"
61
Bindung.
die demnach wohl als das zur Zeit zweckmässigste Benzolsymbol zu bezeichnen ist. Allein auch die KEKULi'sche Oscillationsformel und die CLAUs'sche Diagonalformel: H
I
AX H-C
C—H
h-o
C-H
H—0
Lh
H-0
C-H
!
-C-
A
erscheinen anwendbar, wenn man aus diesen Symbolen nicht die Annahme von drei gewöhnlichen Doppelbindungen bezw. neun gleichwerthigen einfachen Bindungen herausliest, sondern sie im Sinne der oben gegebenen Interpretationen (S. 58—60) benutzt. Worauf jene eigenartige Bindungsform beruht, ob im Sinne der KEKüuS'schen Formel jedes Kohlenstoffatom nur mit seinen beiden Nachbarn in eigentümlicher Bindung steht, ob im Sinne der centrischen Auffassung jede3 Kohlenstoffatom durch einen Theil seiner Anziehungskraft mit allen fünf Kohlenstoffatomen desselben Kerns in directer Beziehung steht, — zur Beurtheilung derartiger Fragen besitzen wir einstweilen keine genügenden Anhaltspunkte. Auch erscheint es keineswegs nothwendig, dass die Bindungsverhältnisse innerhalb des Benzolkerns stets die gleichen sind; vielmehr ist es denkbar, dass in verschiedenen Substitutionsprodukten des Benzols die Bindungsverhältnisse des Kerns bis zu einem gewissen Grade verschieden sein können. Den eigenthümlichen Zustand jener sechs Valenzen, welche nach der centrischen Auffassung des Benzolkerns nicht in der gewöhnlichen Bindungsform zur Geltung kommen, n¿nnt Bambebger den Zustand „ p o t e n t i e l l e r " Bindung und unterscheidet ihn durch diese Bezeichnung von der „ a c t u e l l e n " Bindung, bei welcher sich die Valenzen in gewöhnlicher Art paarweise ausgleichen. Nachdem wir eine Anschauung von der Constitution des Benzols gewonnen haben, welche eine Anzahl von Valenzen in dem Zustand der „potentiellen" Bindung erscheinen lässt, können wir, da dieser Zustand den aliphatischen und alicyclischen Verbindungen fremd ist, auch die vierte, an die Benzolformel gestellte Anforderung (S. 48): dass sie für die Eigentümlichkeit des aromatischen Charakters eine Ursache erkennen lasse, als erfüllt ansehen. "Warum aber tritt dieser Zustand der potentiellen Bindung nur im Sechs kohlenstoffring ein (Forderung 5 auf S. 48)? Die Betrachtung der centrischen Formel giebt darüber keinen Aufschluss; denn wir
62
Physikalische Untersuchungen zur Constitution des Benzols.
können analoge Formeln für jeden beliebigen anderen Kohlenstoffring aufstellen: II
H
H
CK
yC
CH
etc. H
H
Es bleibt uns demnach nur die A n n a h m e übrig, dass für die potentielle Bindung die Gegenwart von s e c h s centrischen Valenzen nothwendige Bedingung sei. Diese Annahme ist natürlich keine Erklärung, sondern nur ein Ausdruck für unsere Erfahrung. Doch führt, wie BAMBEBGEE1 gezeigt hat, die Verfolgung des Gedankens, dass nur ein „hexacentrisches" System Träger aromatischer Functionen sein kann, zu sehr bemerkenswerthen Consequenzen für die Deutung jener heterocyclischen Verbindungen, welche — den Benzolderivaten ähnlich — „aromatischen" Charakter zeigen; Näheres hierüber vgl. im dritten Buch. D e r V e r s u c h , aus den p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n des B e n z o l s bezw. seiner D e r i v a t e auf die Structur des aromatischen Kerns zu s e h H e s s e n 2 , ist unter Benutzung des specifischen Volums, des specifischen Lichtbrechungsvermögens und der Verbrennungswärme gemacht worden. Es ergab sich z. B., dass der beobachtete Werth des specifischen Lichtbrechungsvermögens mit derjenigen Zahl übereinstimmt, welche man unter Berücksichtigung von gewissen, an aliphatischen Verbindungen festgestellten Gesetzmässigkeiten (vgl. Anhang) unter der Annahme von drei einfachen Bindungen und drei Doppelbindungen im Benzolmoleciil berechnen kann; die Zahl dagegen, welche sich unter der Annahme von neun einfachen Bindungen berechnet, erwies sich als erheblich abweichend von dem beobachteten Werth. Diesen Nachweis kann man wohl als ein Argument für die KEKULÜ'sche Formel betrachten, braucht aber die Diagonalformel oder centrisclie Formel deswegen keineswegs als widerlegt anzusehen; denn die letzteren Formeln setzen eben eine e i g e n t ü m l i c h e Art der Valenzausgleichung voraus, die bei aliphatischen Verbindungen nicht angenommen wird, und deren Einfluss auf physikalische Constanten daher aus einem der aliphatischen Gruppe angehörigen Beobachtungsmaterial nicht ermittelt werden kann. Derartige Schlüsse haben daher bisher die Ansichten über die Constitution des Benzols nicht wesentlich zu beeinflussen vermocht; auch führte die Anwendung verschiedener physikalischer Methoden nicht zu übereinstimmenden Ergebnissen. Neuerdings hat sich auch die physikalisch-chemische Forschung dem für die Beurtheilung der Benzolconstitution so wichtigen Gebiete der hydroaromatischen Verbindungen zugewandt. STOHMANN studirte den Einfluss, welchen die stufenweise Hydrirung auf die thermischen Constanten ausübt, BRÜHL studirte ihren Einfluss auf 1
Vgl. Ber. 2 4 , 1758 (1891).
S
BRÜHL, A n n . 2 0 0 , 2 2 8 ( 1 8 7 9 ) .
[ 2 ] 4=9, 2 0 1 , 5 0 3 (1894).
Ztschr. f. p h y s i k . C h e m . 1, 3 4 3 ( 1 8 8 7 ) .
B e r . 2 7 , 1065 (1894).
—
J . pr.
THOMSEN, B e r . 1 3 , 1 8 0 8 (1880).
Ztschr. f. p h y s i k . C h e m , 7 , 5 9 ( 1 8 9 1 ) . — R . SCHIFF, A n n . 2 2 0 , 3 0 3 ( 1 8 8 3 ) . — LOSSEN, u . ZANDER, A n n . 2 2 5 ,
1 1 9 ( 1 8 8 4 ) . — HORSTMANN, B e r . 2 1 , 2 2 1 1 ( 1 8 8 8 ) . — DIEFFEN-
BACH, Ztschr. f. p h y s i k . C h e m . 5 , 5 7 3 (1890).- — STOHMANN U.KLEBER, J . pr. [2] 4 3 , 1. 5 3 8 ( 1 8 9 1 ) . — STOHMANN U. LANGBEIN, J . pr. [2] 4 8 , 4 4 7 ( 1 8 9 3 )
Versuche zur Stereochemie des Benzolkerns.
63
die optischen Constanten und auf die Dichte. Bei der Discussion des gesammten, heute vorliegenden Materials, kommt B R Ü H L ZU dem Resultat, dass unter den S t r u c t u r f o r m e l n des Benzols die KEKDFC'sche Formel allein mit den.Beobachtungen zu vereinen ist; bei ihrer Annahme hat man sich indess zu vergegenwärtigen, dass die drei Doppelbindungen im Benzolkern einen anderen Festigkeitswerth als die Doppelbindungen aliphatischer Verbindungen besitzen (vgl. hierzu S. 58 u. 64). Näheres über die Einzelheiten dieser physikalisch-chemischen Untersuchungen vgl. im Anhang zu Bd. II.
Versuche zur S t e r e o c h e m i e des Benzolkerns1. Wie in dem vorigen Abschnitt dargelegt ist, haben die Bemühungen, eine Structurformel für das Benzol aufzustellen, das Resultat ergeben, dass es nicht möglich ist, unter Beibehaltung der Annahme von paarweise bestimmter Ausgleichung der Valenzen, welche für die Deutung der aliphatischen Verbindungen in keinem Falle versagt, einen durchaus befriedigenden Ausdruck für die Constitution des Benzols aufzufinden. Eine b e s o n d e r e Bindungsform, die durch die Bezeichnung „potentielle Bindung" von der gewöhnlichen „actuellen" unterschieden wurde, nahm man schliesslich an, um dem Verhalten der aromatischen Körper gerecht zu werden. Die Frage nach der Constitution des Benzols ist damit natürlich keineswegs gelöst, sondern nur gewissermassen aus dem Bereich der „Structurchemie" ausgewiesen worden. Man könnte hoffen, dass die Erörterung der r ä u m l i c h e n Verhältnisse des Benzolmolecüls uns zu einer präciseren Vorstellung über die Natur der „potentiellen" Bindung verhelfen wird. Von den Bemühungen, ein „ B e n z o l m o d e l l " zu construiren, seien einige hier ganz kurz angedeutet. Da das Benzolmolecül notwendigerweise aus sechs vollständig symmetrisch angeordneten CH-Gruppen bestehen muss, so liegt es nahe, es in Beziehung zu derjenigen geometrischen Figur zu bringen, welche eine völlig regelmässige räumliche Anordnung von sechs Punkten darstellt, — zum regulären Octaeder. So haben denn J . T H O M S E N und F . H E E J R M A N N die Annahme discutirt, dass die sechs Kohlenstoffatome des Benzolkerns in den E c k eil eines regulären Octaeders orientirt sind. In wesentlich anderer Weise bringt H. S A C H S E das Octaeder in Beziehung zur Configuration des Benzolmolecüls. Man entferne an einem Octaedermodell (aus Carton) zwei parallel liegende Dreiecke und befestige auf jedem der sechs übrigen Dreiecke ein reguläres Tetraeder so, dass die ersteren die Grundflächen der aufsitzenden Tetraeder bilden. 1 THOMSEN, Ber. 1 9 , 2944 (1886). — L E B E L , Bull. 3 8 , 98 (1882). — HERMANN, Ber. 2 1 , 1949 (1888); 2 3 , 2062 (1890). — SACHSE, Ber. 2 1 , 2630 (1880). Ztschr. f. physik. Chem. 1 1 , 214 (1893). — B A E Y E R , Ann. 2 4 5 , 121 (1888). — MARSH, Philosophical Magazine 2 6 , 429 (1888). — LEWKOWITSCH, Journ. Soc. 5 3 , 781 (1888). — LOSCHMIDT, Monatsh. 1 1 , 28 (1890). — VAUBEL, J. pr. [2] 4 4 , 137, 572 (1891); 4 9 , 309; 5 0 , 58 (1894). — D I A M A N D , Cöthener Chem.-Ztg. 1 8 , 155 (1894). — V A N ' T H O F F , Lagerung d. Atome im Räume (2. Aufl., Braunschweig 1894), S. 92.
64
Das
Sachse'sohe
Bmxolmodeil.
In den Centren der aufsitzenden Tetraeder denkt sich SACHSE die Schwerpunkte der sechs Kohlenstoffatome, welche demnach zu je dreien in zwei parallelen Ebenen liegen; die Ecken der Tetraeder stellen die Affinitätspunkte dar. Man erkennt, dass jedes Tetraeder eine Ecke zur Bindung von einwerthigety Atomen oder Gruppen, frei hat. Man erkennt ferner, dass je drei Ecken eines jeden Tetraeders von den beiden NachbarTetraedern, die sich an zwei Kanten anlagern, in Anspruch genommen werden; so gelangt der Grundgedanke der KÜKDIJFI'schen Auffassung, dass jedes Kohlenstoffatom drei Valenzen in durchaus gleichartiger Weise zur Bindung zweier Nachbaratome verwendet, zu einer anschaulichen Darstellung. In jeder Ecke des octaedrischen Hohlraums sieht man drei Tetraederecken zusammenstossen; so bietet sich eine Anschauung für den Unterschied von potentieller und actueller Bindung: bei der actuellen Bindung berühren sich die Affinitätspunkte verschiedener Atome nur paarweise, bei der potentiellen Bindung treffen sich drei Affinitätspunkte von je drei Atomen in einem Punkt. Das SACHSE'sche Benzolmodell entspricht nach Erfahrungen (vgl. S. 62—63).
BBÜHL
auch den physikalischen
Indem hier nur auf jene Anschauungen verwiesen ist, welche das Benzolmodell in Beziehung zum Octaeder bringen, sollen übrigens andere Annahmen — z. B. diejenige, dass die Centren aller sechs Kohlenstoffatome in einer Ebene, also den üblichen Benzolsymbolen entsprechend in den Ecken eines regulären Sechsecks, gelagert sind, — weder als ausgeschlossen noch auch als unwahrscheinlich bezeichnet werden. Nur liegt für ein Lehrbuch einstweilen überhaupt nicht Veranlassung vor, auf diese Betrachtungen näher als mit einem einfachen Hinweis einzugehen, da sich für die B e a r b e i t u n g der aromatischen Verbindungen bisher noch keine jener Hypothesen als förderlich erwiesen hat. Eine e x p e r i m e n t e l l e B a s i s für die Stereocheinie des Benzolkems besitzen wir nicht; denn wir kennen unter den Substitutionsprodukten des Benzöls noch keinen einzigen Fall von Stereoisomerie — abgesehen von solchen Beispielen, bei denen Stereoisomerie durch die Structur der Seitenketten möglich wird. Wenn etwa die Configuration des Benzolkerns bei Substitution gewisser Wasserstoffatome verschiedene räumliche Anordnungen ermöglicht, die zu einander im Verhältniss der Enantiomorphie stehen, so können wir freilich bei den synthetisch gewonnenen Produkten, die in diesem Fall „racemische" Modificationen wären, deshalb noch nicht erwarten, die Isomerie direct zu beobachten. Aber die synthetischen Produkte sollten dann in optisch active Modificationen gespalten werden können. Die Versuche1, die in 1 Vgl. die S. 63 citirten Abhandlungen von L E B E L und LEWKOWITSCH. — Neuere, unveröffentliche Versuche sind ferner von V. MEYER mit L Ü H N und SCDBOROUGH ati den beiden folgenden Säuren angestellt:
und
Nitrotliymotinsäure (Schmelzpunkt: 175°)
Forinylthymotiiisäure (Schmelzpunkt: 190°)
Die Isomeriegesetze
des
Benzols.
65
dieser Sichtung angestellt worden sind, verliefen indess bislang ergebnisslos; freilich sind sie vielleicht noch zu wenig zahlreich und nicht systematisch genug verfolgt, als dass man zu der Ansicht berechtigt wäre, die Configuration des Benzolkerns ermögliche überhaupt nicht das Auftreten activer Modificationen bei Substitutionsprodukten. Für diese Ansicht fällt der Umstand mehr in's Gewicht, dass bei den zahlreichen Benzolderivaten, die man entweder direct in der Natur vorkommend gefunden oder aus complicirteren (und häufig aus activen) Naturprodukten abgespalten hat, die Erscheinung der optischen Activität niemals — ausser in den Fällen, wo die Seitenketten asymmetrische Kohlenstoffatome enthielten, — constatirt ist.
Sechstes
Kapitel.
Die Isomerie bei den Substitutionsprodukten des Benzols. (Die Isomeriegesetze des Benzols und ihr Beweis. — Die Ortsbestimmung. — Nomenclatur der Substitutionsprodukte. — Regelmässigkeiten für den Eintritt der Substituenten und ihre wechselseitige Wirkung.) Die Isomeriegesetze
des B e n z o l s und ihr
Beweis.
Schon im vorigen Kapitel wurden die beiden wichtigsten „Isomeriegesetze", welche das Studium der Benzolsubstitutionsprodukte ergeben hat, erwähnt: I. Monosubätitutionsprodukte existiren nur in e i n e r Form; II. Disubstitutionsprodukte existiren in d r e i isomeren Formen. F ü r diese beiden Sätze konnte ein exacter B e w e i s 1 geliefert werden, der im Folgenden nun mitzutheilen ist. Zum Verständniss gewisser Bezeichnungen sei vorangeschickt, dass man die drei Reihen isomerer Diderivate als Ortho-, Meta- und Paraverbindungen von einander zu unterscheiden pflegt. Zunächst konnte LADENBURG den Nachweis führen, dass 1. i m B e n z o l m o l e c ü l v i e r g l e i c h w e r t h i g e W a s s e r s t o f f atome existiren, die mit a, b, c und d bezeichnet werden mögen. E s lässt sich nämlich das gewöhnliche Phenol C 6 H 5 (OH) durch Einwirkung von Bromphosphor Sie wurden durch die Erwägung veranlasst, dass vielleicht ein Benzolkern, bei welchem jede einzelne der nach aussen gerichteten Valenzen in verschiedenartiger Weise beansprucht ist, ähnliche Verhältnisse zeigen möchte, wie ein Kohlenstoffatom, das durch seine vier Valenzen mit vier verschiedenen Gruppen verbunden ist. Es ergab sich, dass bei der fractionirten Krystallisation der Cinchonin-, Codei'n- und Strychninsalze eine Zerlegung in active Modificationen nicht gelang. Auch durch Pilzculturen — mittelst Penicillium glaucum — in Gegenwart von Nährsalzfin konnte Activität nicht hervorgebracht werden, wobei indess zu bemerken ist, dass wegen der Giftigkeit der Säuren die Lösungen ausserordentlich verdünnt angewendet werden mussten. L A D E K B T O Q , Theorie der aromatischen Verbindungen (Braunschweig 1876); vgl. daselbst und in der S. 46 citirten Bearbeitung R. M E Y E R ' S (S. "6 ff) auch die Literaturangaben. 1
V. MEYER U. JACOBSON, org. Chi.ni.
II.
Ó
(August
94.)
66
Experimentelle Beweise für
in Brombenzol, uncl letzteres durch Einwirkung von Natrium und Kohlensäure in Benzoesäure C 6 H 6 -C0 2 H überführen; die Hydroxylgruppe des Phenols und die Carboxylgruppe der Benzoesäure vertreten demnach dasselbe Wasserstoffatom a des Benzols. Nun existiren drei isomere Oxybenzoesäuren C e H 4 (0H)(C0 2 H), welche alle wieder in Benzoesäure zurückgeführt werden können; ihre Carboxylgruppe darf demnach als Substituent iür den Wasserstoff a angesehen werden, während die Hydroxylgruppe in jeder von den drei verschiedenen Säuren ein anderes Wasserstoffatom — b, c oder d — ersetzt haben muss. Aus diesen drei Oxybenzoesäuren aber kann andererseits leicht durch Abspaltung von Kohlensäure Phenol C 6 H 6 (OH) erzeugt werden, und man erhält durch diese ßeaction also Hydroxylderivate des Benzols, welche die O H - G r u p p e an Stelle der Wasserstoffatome b, c und d enthalten. D a sich nun die P r ä p a r a t e in allen drei Fällen als identisch mit dem gewöhnlichen Phenol erweisen, so ergiebt Sich die Folgerung als nothwendig, dass die vier Wasserstofifatome a, b, o und d g l e i c h w e r t i g sind. Sodann lässt sich der Beweis erbringen, dass: 2. z u e i n e m W a s s e r s t o f f a t o m a d e s B e n z o l k e r n s z w e i P a a r e von j e zwei s y m m e t r i s c h g e s t e l l t e n a n d e r e n Wasserstoffatomen existiren. Die Existenz e i n e s solchen Wasserstoffatompaares kann nach Hübneb u. P e t e r h a u n aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die durch Bromiren von Benzoesäure erhältliche Metabrombenzoesäure C f l Hj(C0 2 H)(Br) beim Nitriren zwei isomere Nitrobrombenzoesäuren C 0 H 3 (CO 2 H)(BrXNO 2 ) entstehen lässt, deren jede bei der Beduction die gleiche Amidobenzoesäure C 6 H 3 (C0 2 H)(NH 2 XH) liefert. Denn nehmen wir die Carboxylgruppe als Substituent für das Wasserstoffatom a, das Bromatom f ü r c an, so müssen wegen der Verschiedenheit der beiden Nitrobrombenzoesäuren C 6 H 3 (C0 2 HyBr)(N0 2 ) die Nitrogruppen in jeder Säure ein anderes Wasserstoffatom — z. B. b und f — vertreten. Nun gehen diese beiden isomeren Säuren bei der Beduction in eine und dieselbe (Ortho-)Amidobenzoesäure C 6 H 3 (C0 2 H)(H)(NH 2 ) über; in dieser Amidobenzoesäure muss in einem Fall demnach die Amidogruppe das Wasserstoffatom b, im anderen Falle ein anderes Wasserstoffatom f vertreten; aus der Identität der auf den beiden verschiedenen Wegen gewonnenen Säuren folgt mithin, dass die Wasserstoffatome b und f durchaus symmetrisch zu dem Wasserstoffatom a gestellt sind. Dass nun ferner noch ein von b, f und c verschiedenes Wasserstoffatom exretirt, welches zu a die gleiche Stellung wie c einnimmt, lässt sich nach W b o b l e w s k t durch folgende Uebergänge zeigen. Die oben erwähnte Orthoamidobenzoesäure liefert durch Austausch der Amidgruppe gegen Brom die Orthobrömbenzoesäure, welche von der Metabrombenzoesäure, deren Carboxylgruppe oben in o, deren Bromatom in o befindlich angenommen wurde, verschieden ist. Daraus folgt zunächst, dass die Wasserstoffatome b und f zu a anders stehen, als
die Isomeriegesetze
des
67
Benzols.
das Wasserstoffatom c. Nun giebt es ein Bromtoluol C 6 H 4 (CH 3 )Br, welches bei der Oxydation die Metabrombenzoesäure liefert, dessen Methylgruppe daher in o, dessen Bromatom in c angenommen werden darf. Dieses Metabromtoluol entsteht einerseits, wenn man Paraacettoluidid C 6 H 4 (CH 8 XNH-C a HjO) bromirt und in dem so entstehenden Bromacettoluidid C 6 H 3 (CH 3 )(Br)(NH-C 2 H 3 0) die Gruppe NH(C 2 H 3 0) durch Wasserstoff ersetzt; daher darf man in dem letzterwähnten Bromacettoluidid die Methylgruppe in a, das Bromatom in c annehmen; die Stellung der NH-C 2 H 3 0-Gruppe ist für unseren Zweck unwesentlich, sie mag in d angenommen werden: ~
(
a
l CH3
b
c
d
e
f \
H
Br
NH(C 2 H s O)
H
H J'
Wenn man nun in dieses Bromacettoluidid eine Nitrogruppe einführt: p
f a l CH3
b H
c Br
d e NIi(C 2 H 3 0) N0 2
f \ Hl'
die Gruppe NH(C 2 H 3 0) durch Wasser^Loff ersetzt, die Nitrogruppe zur Amidgruppe reducirt und darauf auch das Bromatom durch Wasserstoff substituirt, so gelangt man zu einem Toluidin: p , f a 1 CH3
b H
c H
d H
e NH,
f \ H P
und dieses Toluidin liefert, nachdem man seine Amidgruppe gegen Brom ausgetauscht hat, wieder Metabromtoluol; es ist also die Verbindung: C6
I CH
b H
c H
C6
{ CH3
b H
c Br
d H
e Br
f \ Hl
H
f 1 Hl'
identisch mit: d H
e
Aus diesen Uebergängen ist ersichtlich, dass wir die in das Bromacettoluidid eintretende Nitrogruppe nicht an die Stelle b oder f setzen durften; es hätte dann das schliesslich resultirende Bromtoluol die Stellung a:b oder a:f erhalten, was wegen seines Uebergangs in M e t a brombenzoesäure durch Oxydation nicht möglich ist. Es ist somit nachgewiesen, dass unter den Disubstitutionsprodukten des Benzols: ab = af a c = ae ist; es bleibt nur noch die Combination: a d übrig. D. h.: es können sich von dem Benzol nicht mehr als drei Disubstitutionsprodukte ableiten. Der Erfahrungssatz, dass sich zahlreiche
68
Beweis
für die Oleichwerthigkeit
aller sechs
Benxolwasserstoffatome.
Disubstitutionsprodukte in drei isomeren Formen, aber keines in mehr Formen darstellen lässt, hat damit eine durchaus sichere Basis erhalten. Aus dem eben geführten Nachweis, dass zu dem Wasserstoffatom a zwei Paare von je zwei Wasserstoffatomen symmetrisch gestellt sind, und dem vorher erbrachten Beweis, dass die Wasserstoffatome l, c und d, welche in den drei isomeren Oxybenzoesäuren durch Hydroxyl vertreten sind, unter einander und mit a gleichwertig sind, folgt nun weiter 3. d i e G l e i c h w e r t i g k e i t a l l e r s e c h s B e n z o l w a s s e r s t o f f atome. Denn unter jenen drei Wasserstoffatomen b, e und d kann kein gegen a symmetrisches Atompaar vorkommen, da sonst die drei Oxybenzoesäuren nicht verschieden von einander sein könnten. Demnach müssen die übrig bleibenden Wasserstoffatome e und f gegen a ebenso gestellt sein, wie zwei von den Wasserstoffatomen b, c und d. Die Oxybenzoesäuren: G 6 H 4 (C0 2 H) (OH)
und
C6H< (COaH) (OH)
müssen also identisch sein mit zwei der bekannten Oxybenzoesäuren, und somit müssen auch die bei der Kohlensäureabspaltung aus ihnen entstehenden Phenole: «
C 0 H 6 (OH)
und
f
C 6 H 5 (OH)
mit dem gewöhnlichen Phenol identisch sein. Dadurch ist nachgewiesen, dass ein und dfeselbe Verbindung entsteht, welches von den sechs Wasserstoffatomen a, b, c, d, e, f des Benzolkerns ruch durch Hydroxyl substituirt werden möge. Die O r t s b e s t i m m u n g bei den S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e n Benzols1.
des
Da sämmtliche Wasserstoffatome des Benzolkerns als gleichwerthig erkannt sind, so fallt für M o n o s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e die Frage nach dem Platze des eingetretenen Substituenten fort. Dagegen ist die Frage nach der gegenseitigen Substituentenstellung in den D i s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e n von allergrösster Bedeutung für die Bearbeitung der Benzolderivate. Nachdem sie während des ersten Jahrzehnts nach Aufstellung der KEKULE'schen Formel Gegenstand zahlreicher Discussionen, welche zum Theil zu einander widersprechenden Ergebnissen führten, gewesen war, kann sie seit Mitte der siebziger Jahre als in exacter Weise gelöst gelten. In erster Linie haben dazu neben Untersuchungen von Ghiess, Ladenburg, Y. M e t e r , Petersen, Salkowsky, Wubster, die Arbeiten Körner's (1875) beigetragen. 1
Ausführlichere Darstellung, sowie Literaturangaben vgl. in Ladenburq's Theorie d. aromat. Verbindungen. S. 28 ff. (Braunschweig 1876) und in der S. 46 citirten Bearbeitung E. Meter's (S. 38 ff.).
Die Ortsbestimmung.
69
Dass die Disubstitutionsprodukte des Benzols in drei Modificationen existiren, die man als Ortho-, Meta- und Paraverbindungen unterscheidet, ist schon mehrfach erwähnt; ebenso ist schon gezeigt worden, wie die Existenz dieser drei Reihen sich aus den einzelnen Benzolformeln erklärt (S. 51 ff.). Es handelt sich nun um die Aufgabe, den Substituenten in den einzelnen Disubstitutionsprodukten ihre Plätze anzuweisen. Wir wollen uns dabei zunächst lediglich der KEKüLfi'schen Formel bedienen, die für diesen Zweck gewöhnlich zu dem Schema: l
4
vereinfacht wird. Man nennt die Stellung 1.2 die Orthostellung, 1.3 die Metastellung und 1.4 die Parastellung; es leuchtet ein, dass 1.2 =
1.6
1.3 = 1.5 ist, dass dagegen die Stellung des Wasserstoffatoms 4 zum Wasserstoffatom 1 „vereinzelt" ist, sich nicht wiederholt. Daraus ergiebt sich schon, dass den S. 66—67 bei dem Nachweis der Existenz symmetrisch gestellter Wasserstoffatompaare benutzten Verbindungen: Anthranilsäure, Metabrombenzoesäure, Metabromtoluol die Stellung 1.4 nicht zukommen kann. Eine exacte Grundlage für die Ortsbestimmung hat K ö b n e e den Beziehungen entnommen, welche zwischen Diderivaten und Triderivaten bestehen. Man denke sich die Diderivate CflH4X.2 in Triderivate CgHjXjY, wo Y gleich X oder verschieden von X sein kann, übergehen oder aus denselben entstehen. Es leuchtet dann ein, dass dem Orthoderivat (1.2) zwei Triderivate entstprechen:
dem Metaderivat (1.3) dagegen drei: X
X
X
X
Y
70
Körner s
Ortsbestimmung.
dem Paraderivat (1.4) endlich nur eines: X
X
X
X
Nun hat KÖRNER gezeigt, dass das flüssige, bei 2 2 0 ° siedende D i b r o m b e n z o l drei Nitrodibrombenzolen und drei Tribrombenzolen entspricht; dieses Dibrombenzol muss demnach die M e t a v e r b i n d u n g sein. Ein damit isomeres Dibrombenzol (Schmelzpunkt: —1", Siedepunkt: 2 2 4 ° ) giebt zwei Nitroderivate und zwei Tribrombenzole, ist somit die Orthoverbindung. Das dritte, bei gewöhnlicher Temperatur f e s t e Dibrombenzol muss sonach die P a r a v e r b i n d u n g sein und entspricht thatsächlich nur e i n e m Nitroderivat und e i n e m Tribrombenzol. In analoger Weise ermittelte GRIESS fast gleichzeitig mit KÖRNER die Constitution der drei isomeren D i a m i d o b e n z o l e oder P h e n y l e n d i a m i n e C ß H 4 (NH 3 ) 2 aus ihren Beziehungen zu den sechs isomeren Diamidobenzoesäuren C 0 H 3 (NiI 2 ) 2 (CO 2 H). Es entsteht durch Kohlensäureabspaltung : das bei G2° schmelzende Phenylendiamin aus drei Diamidobenzoesäuren, ,, „ 102° „ „ „ zwei ,, ., 140° ,, „ ,, einer Diamidobenzoesäure. Demnach liegt in der bei 62° schmelzenden Substanz die Metaverbindung vor, die bei 102° schmelzende ist Ortho-, die bei 140° schmelzende ist Para-Phenylendiamin. Auf derselben Grundlage konnte später von NÖLTING 1 ein Beweis für die Stellung der drei isomeren Dimethylbenzole [Xylole CGH4(CH3)a] erbracht werden, da sich von einem Xylol drei isomere Nitroxylole, von einem zweiten zwei und vom dritten ein Nitroxylol ableiten. Da diese Xylole leicht zu den entsprechenden Dicarbonsäuren C 6 H 4 (C0 2 H) 2 (Phtalsäuren) oxydirt werden können, so ist hiermit auch die Constitution der drei isomeren Phtalsäuren sicher gestellt. Unter den übrigen Constitutionsbeweisen für einzelne Substitutionsprodukte sei hier noch LADENBCBQ'S Nachweis dafür mitgetheilt, dass in dem Mesitylen, einem Trimethylbenzol C 6 H 3 (CH 3 ) 3 , die drei nicht substituirten Wasserstoffatome — sie mögen mit a, b und c bezeichnet werden — vollkommen g l e i c h w e r t i g sind, dass demnach dem Mesitylen nur die symmetrische Formel:
CH 3
1
Ber. 18, 2GS7 (1885).
H
Ladenburg's
Beweis
für die Constitution
des
Mesitylens.
71
zukommen kann. In dem durch Nitrirung entstehenden Dinitromesitylen mögen die beiden Nitrogruppen in a und b angenommen werden. Keducirt man eine derselben zur Amidgruppe — es sei die in b stehende' Nitrogruppe — C9(CH3)3 (N0 2 ) (NH 2 ) (H) und acetylirt die Amidgruppe dieses Nitromesidins, so lässt sich noch eine weitere Nitrogruppe durch Nitrirung einführen. Wenn man nun in dem so entstandenen Dinitroacetmesidin: b e a C 0 (CH S \ (NO,,) (NII-C 2 H 3 0) (XO,), die Gruppe —NH•CjH.iO durch H ersetzt, so gelangt man zu einein Dinitromesitylen: Cg(CH9)3 (NOa) (II) (NO,), das sich als identisch mit dem Ausgangsprodukt: a b c C6(CH9)3 (NO„) .(NO,) (H) erweist; dadurch ist die Oleichwerthigkeit der Wasserstoffatorae b und c erwiesen. Wenn man ferner in dem oben erwähnten Nitromesidin: Co(CH313 (N0 2 ) (NHj,) (Ii) die Amidgruppe durch Wasserstoff ersetzt, darauf die Nitrogruppe zur Amidgruppe reducirt, letztere acetylirt und in das so entstandene Acetmesidin: a b c. C6(CH3)3 NH(C,H 3 0) (H) (H) eine Nitrogruppe einführt, so muss dieselbe entweder das Wasserstoffatom u oder c vertreten: a b c a b c C„(CH3)3 NH(C 2 H 3 0) (N0 2 ) (II) oder C 0 (CH^ 3 NH(C 2 H 3 0) (H) (NO,); diese beiden Formeln aber sind wegen der schon bewiesenen Gleichwertigkeit. von b und c identisch. Spaltet man nun aus dem derart dargestellten Nitroacetmesidin die Acetylgruppe ab, so erhält man das Nitromesidin: a b e C6(CH3)3 (NH,) (XO,) (H), welches sich als identisch erweist mit dem als Ausgangspunkt benutzten Nitromesidin: C 6 (CH 3 ) 3 (NO s ) (NH,) (II); daraus ergiebt sieh, dass auch das Wasserstoffatom a mit .b und c gleichwertig ist. N a c h d e m nunmehr für die drei isomeren D i b r o m b e n z o l e , für die drei D i a m i d o b e n z o l e , die drei D i m e t h y l b e n z o l e und die drei Dicarbonsäuren die S t e l l u n g der Substituenten festgestellt i s t , reducirt sich das P r o b l e m der Constitutionsbestimmung für ein beliebiges anderes D i d e r i v a t auf die A u f g a b e , es durch m ö g l i c h s t glatt verlaufende R e a c t i o n e n mit einem D i d e r i v a t bekannter Constitution zu verknüpfen. W e n n beispielsweise die Constitution eines Bromnitrobenzols C ß H j B r ( N 0 2 ) zu ermitteln ist, so wird m a n dasselbe durch R e d u c t i o n in Bromanilin C ß H 4 Br(NH 2 ) ver-
72
Verwendbarkeit der einzelnen Reactionen für Ortsbestimmungen.
wandeln, in letzterer Verbindung die Amidgruppe durch Brom ersetzen und das nun entstandene Dibrombenzol C 6 H 4 Br a mit dem Ortho-, Metaoder Paradibrombenzol identificiren. Für Triderivate wird man in den meisten Fällen durch Untersuchung ihrer Beziehungen zu Diderivaten die Substituentenstellung ermitteln können; wenn z. B. ein Chlornitroanilin C6H3C1(N02)(NH2) einerseits durch Nitrirung von Metachloranilin entsteht, andererseits nach Ersatz der Amidgruppe durch Wasserstoff Parachlornitrobenzol liefert, so muss ihm offenbar die Formel: C1
zukommen. Bei derartigen Schlüssen macht man die Voraussetzung, dass während der benutzten Reactionen keine Umlagerungen eintreten, dass die von der Reaction nicht betroffenen Substituenten an ihrem Platz verharren, und dass beim Austausch eines Substituenten gegen einen anderen letzterer an die Stelle des erstere.i tritt. Man muss daher Reactionen wählen, welche möglichst glatt verlaufen und nicht gar zu hohe Temperaturen erfordern. Gewisse Reactionen haben sich im Laufe der Zeit als unbenutzbar für Constitutionsbestimmungen erwiesen, so namentlich der Ersatz von Sulfogruppen gegen Hydroxylgruppen in der Kalischmelze (S. 133—134); durch die früher vielfach erfolgte Benutzung dieser Reaction zur Entscheidung von Stellungsfragen sind schwere Irrthümer begangen worden, welche in das Gebiet der Benzolderivate für einige Zeit Verwirrung brachten. Dagegen haben sich die D i a z o r e a c t i o n e n , welche für die Synthese aromatischer Substitutionsprodukte überhaupt von der allergrössten Bedeutung sind, auch für die Constitutionsbestimmungen höchst nützlich erwiesen; durch diese Reactionen (vgl. Kap. 20) wird man in den Stand gesetzt, die Amidgruppe — daher mittelbar auch die Nitrogruppe — gegen Wasserstoff, Halogen, Hydroxyl, Cyan (also auch Carboxyl) etc. bei gewöhnlicher Temperatur oder höchstens bei 100° auszutauschen, und Umlagerungen sind bei solchen Reactionen niemals beobachtet. Bei der Entwickelung der „Grundlagen der Ortsbestimmung" wurde oben das einfache Sechseckschema: l 2
4
benutzt.
Es leuchtet aber sofort ein, dass das gewonnene Resultat
Bezifferung der einzelnen Benzolformen.
73
direct auf die KEKULfi'sche Formel, die CLAUs'sche Formel und die centrische Formel übertragen werden darf: 1 1 1 ^CHv ,-CHs ,CHs 6 CH
i
5 OH
1H 3
^ C H / '
GR-^
5CH/,
X!H3 4
denn in allen diesen Formeln haben die Ziffern die gleiche Bedeutung; das 1.2-Derivat entspricht zwei Triderivaten und gehört also zur Orthoreihe, das 1.3-Derivat gehört zur Metareihe, da es drei Triderivate liefern kann, das 1.4-Derivat entspricht hur einem Triderivat und gehört demnach der Parareihe an. Dagegen erfordert die Frage, wie die isomeren Diderivate bei Annahme der Prismenformel zu formuliren sind, eingehendere Ueberlegung. Man erkennt, dass man die Ziffern in folgender Weise vertheilen muss: 5^-
wenn sie die gleiche Bedeutung wie in den obigen Formeln behalten sollen. Denn offenbar stehen diejenigen Kohlenstoffatome zu einander in der Parastellung — der „vereinzelten" Stellung — , welche an den Enden einer in obiger Figur a u f r e c h t stehenden Prismenkante sich befinden. Kohlenstoffatome, welche die Enden einer in obiger Figur w a g r e c h t stehenden Kante besetzen, — z. B. 1 und 3 — haben die Metastellung zu einander inne; denn unter den vier Combinationen von je drei 'Kohlenstoffatomen, welche die Stellung 1.3 enthalten, — 1.3.5, 1.3.2, 1.3.6 und 1.3.4 — sind nur die beiden letztgenannten identisch; d. h. ein Diderivat 1 . 3 entspricht drei verschiedenen Triderivaten. Endlich stehen Kohlenstoffatome, welche sich in den gegenüberliegenden Ecken einer der vier rechteckigen Seitenflächen befinden, — z. B. 1 und 2 — in der Orthostellung zu einander; denn unter den vier Combinationen 1.2.3, 1.2.4, 1.2.5 und 1.2.6 ist offenbar 1.2.3 = 1.2.6 und 1.2.4 = 1.2.5; es können also nur zwei Triderivate aus dem Diderivat 1.2 entstehen. Man sieht demnach, dass die LADENBUEG'sche Formel zu einer wesentlich anderen Auffassung der drei Stellungen führt, wie die übrigen Formeln. Nach der KEKULID'sehen Formel, der Diagonalformel und der centrischen Formel sind z. B. Ortliokohlenstoffatome direct mit einander verbunden, nach der LADENBUBG'sehen Formel stehen Orthokohlenstoffatome nicht in directer Bindung. Auf diese Unterschiede wird später noch ausführlicher zurückzukommen sein, wenn die Thatsachen, welche
74
Die Bezeichnungen für Di- und
Tri-Substitutionsprodukte.
die LADENBUBG'sche Formel ausschliessen (vgl. S. 55—56), näher besprochen werden; mit Rücksicht auf das Verständniss dieser später zu behandelnden Verhältnisse mussten die Stellungsbeziehungen der Prismenformel hier eingehender dargelegt werden, wenn auch diese Formel selbst heute als endgültig widerlegt betrachtet werden darf. Will man bei jenen Symbolen der LADENBDRO'schen Auffassung, nach welchen die Kohlenstoffatome in den Ecken eines regulären Sechsecks geschrieben werden (vgl. S. 50), die Kohlenstoffatome derart bezeichnen, dass 1.2 die Orthostellung, 1.3 die Metastellung, 1.4 die Parastellung bedeutet, so muss man in folgender Weise numeriren:
oder
bei der letzteren Schreibweise erhalten also die Ecken die gleichen Ziffern, wie in dem gewöhnlichen Sechseckschema.
Die N o m e n c l a t u r der S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e des Benzols. Dass die isomeren D i s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e des Benzols als O r t h o - , M e t a - und Paraderivate unterschieden werden, ist schon mehrfach erwähnt; man benutzt für diese Bezeichnungen die Abk ü r z u n g e n : o-, m-, p-. Beispiele: Br OII COjH J—NO. o-Dibrombenzol
m-Xitrophenol
p-Amidobenzoßsäurc.
Für T r i d e r i v a t e — sie können bei Gleichheit aller Substituenten in drei, bei Gleichheit zweier Substituenten in 6, bei Ungleichheit aller drei Substituenten in iO isomeren Formen auftreten — hat man die Stellungen: 1.
X
X
X
X
i
X
von einander zu unterscheiden. Man bezeichnet häufig die Stellung Nr. 1 als „ b e n a c h b a r t " (vicinal, abgekürzt „ v " ) , Nr. 2 als „ a s y m m e t r i s c h " (abgekürzt „ a " ) , Nr. 3 als „ s y m m e t r i s c h " (abgekürzt „S"). Nach den Beschlüssen des Genfer Nomenclatur-Congresses 1 (vgl. Bd. I , S. 1091) sind die Stellungen der substituirenden Gruppen, wie 1
V g l . a u c h TIEMANN, B e r . 2 6 , 1 6 2 3 (1893).
Genfer Beschlüsse über die Nomenclatur der Substitutionsprodukte.
75
dies auch früher schon vielfach geschehen ist, durch Ziffern anzugeben, wobei man das gewöhnliche Sechseckschema:
zu Grunde legt. Bezüglich des Anfangspunktes der Numerirung bei Polysubstitutionsprodukten, sowie bezüglich der Reihenfolge, in welcher die einzelnen Substituenten ausgesprochen werden sollen, sind die folgenden Regeln aufgestellt: 1. Man ertheilt den Index 1 derjenigen substituirenden Gruppe, in welcher das direct an den Kern gebundene Atom das niedrigste Atomgewicht besitzt. Beispiele: NH, CH. C02H JBr
OH
NH„ 2. Nachdem der Anfangspunkt der Numerirung festgesetzt ist, führt man die einzelnen Substituenten in einer Reihenfolge an, welche durch das Anwachsen der Atomgewichte ihrer direct mit dem Benzolkern verbundenen Elemente bestimmt wird. Wenn in mehreren Seitengruppen dasselbe Element direct mit dem Benzolkern verbunden ist, so richtet sich der Anfang der Numerirung bezw. die Reihenfolge in der Aufführung der substituirenden Gruppen nach der steigenden Summe der Atomgewichte der übrigen Elemente, welche in den betreffenden Seitengruppen sich vorfinden. Man hat hiernach für die häufiger vorkommenden Substituenten die folgende Reihenfolge: SH CH2(OH) CH, C02H • NHa NO., • OH O-CH. SO,H • C1 Br • J. 3. Wenn zwei oder mehrere gleich zusammengesetzte* Gruppen am Benzolkern haften und zufolge den aufgestellten Regeln eine derselben mit 1 zu bezeichnen ist, so hat die Numerirung derart zu geschehen, dass die anderen gleichartigen Gruppen möglichst kleine Indices erhalten. Beispiele: CH3 NH2 CH3 1 NO-CH, OH Methyl-l-nitro3-benxen
Amino-l-oxy-5-methoxy2-benxen
CO,H Methyl-l-carboxyl-öchlör-2-benxen
76
Bedeutung der Bezeichnungen „Phenyl" und „Phenylen". CH„ CH«
OC,H5 CHs(OH)
H
Dimethyl-1.2-oxy4-benxen
Trim ethyl-1.3.5-oxy2-benxen
Methyl-l-methylol-3-nitroG-oxy-4-äthoxy-2-ben~en
In diesen Beispielen ist für den Stammkohlenwasserstoff C S H 6 der in Deutschland bisher allein übliche Name „ B e n z o l " nicht beibehalten worden, sondern durch den Namen „Benxen" ersetzt; vgl. hierüber S. 101. E s ist ferner entsprechend den Beschlüssen des Genfer Congresses die Gruppe NH, nicht wie bisher als „ A m i d o - " , sondern als „Amino-" Gruppe bezeichnet.
In den folgenden Kapiteln dieses Lehrbuchs sollen die nach diesen Principien gebildeten Namen — soweit möglich — neben den bisher üblichen Namen in Cursivsehrift mitgetheilt werden. Um für die Verbindungen Namen zu bilden, welche mehrere Benzolkerne durch Mittelgruppen vereinigt enthalten, wendet man für das einwerthige Radical C 6 H 6 —, welches aus einem Benzolmolecül durch Fortnalime eines Wasserstoffatoms entsteht, seit längerer Zeit schon die auch vom Genfer Congress beibehaltene Bezeichnung „ P h e n y l " an. Allgemein bezeichnet man die einwerthigen aromatischen Kohlenwasserstoffreste nach einem Vorschlag von BAMBERGER1 als „Alphyl-Radicale". Um die Stellung in mehrkernigen Verbindungen bezeichnen zu können, versieht man die Indices des einen Benzolkerns mit AccentenJ z. B . : Diphenylamin:
O— N H —
Die zweiwerthigen Radicale C 0 H 4 < nennt man „ P h e n y l e n " ; erklären sich Namen, wie: NH 2
NH,
so
NH 2
.NH, Orthophenjlendiamin
Metaphenylendiamin
NH, Paraphenylendiamiu.
R e g e l m ä s s i g k e i t e n , w e l c h e f ü r den E i n t r i t t der S u b s t i t u e n t e n und i h r e w e c h s e l s e i t i g e W i r k u n g b e s t e h e n . Wenn in ein Substitutionsprodukt des Benzols weitere Substituenten eingeführt werden, so wird der von dem neuen Substituens aufgesuchte Ort durch die Natur der schon vorhandenen Substituenten bestimmt. F ü r den einfachsten F a l l — die B i l d u n g e i n e s D i d e r i v a t s a u s e i n e m M o n o d e r i v a t — haben sich gewisse Regelmässigkeiten herausgestellt. 1
Privatmittheilung.
Die Metastellung in ihrer Verschiedenheit von der Ortho- und Para- Stellung 77 E n t w e d e r der neu e i n t r e t e n d e S u b s t i t u e n t b e s e t z t gleichz e i t i g die O r t h o - und P a r a s t e l l u n g , w ä h r e n d die M e t a s t e l l u n g f r e i b l e i b t . So entstehen beim Nitriren von Phenol C 6 H 5 OH neben einander die Ortho- und Paranitroderivate, dagegen keine Spur des Metaderivats; ebenso bilden sich beim Bromiren und Sulfuriren von Phenol, beim Nitriren von Toluol C 6 H 5 -CH 3 , beim Bromiren und Nitriren von Brombenzol, beim Nitriren von Benzylchlorid C8HS-CH2C1 etc. etc. Ortho- und Paraderivate neben einander, während Metaverbindungen nicht — oder nur in verschwindender Menge — entstehen. Oder der neu e i n t r e t e n d e S u b s t i t u e n t b e s e t z t der H a u p t r e a c t i o n n a c h die M e t a s t e l l u n g , l ä s s t d a g e g e n die O r t h o - und P a r a s t e l l u n g frei. So bilden sich beim Nitriren von Nitrobenzol, Benzaldehyd C6H6< CHO und Benzoesäure C6H6 • COaH grosse Mengen der Metaverbindung, dagegen nur sehr kleine Mengen Ortho- oder Paraverbindung; Nitrobenzol liefert beim Chloriren m-Chlornitrobenzol; beim Sulfuriren von Benzolsulfosäure C 0 H 6 -SO 3 H oder Benzoesäure C 6 H 6 -C0 2 H entstehen Metabenzoldisulfosäure C8H4(S03H)2 bezw. Metasulfobenzoesäure C0H4(CO2H)(SO3H) als Hauptprodukte etc. etc. Man erkennt an dieser sehr allgemeinen Erscheinung 1 bereits, d a s s e i n e r s e i t s zwischen O r t h o - und P a r a s t e l l u n g eine gewisse V e r w a n d t s c h a f t b e s t e h t , w ä h r e n d a n d e r e r s e i t s die M e t a s t e l l u n g sich zu i h n e n g e w i s s e r m a s s e n g e g e n s ä t z l i c h v e r h ä l t . Der gleiche Schluss drängt sich nun auch auf, wenn man das V e r h a l t e n d e r D i d e r i v a t e in gewissen Punkten betrachtet. Es zeigt sich z. B., dass das im Benzolkern befindliche Bromatom „beweglich" wird, wenn entweder die Ortho- oder die Parastellung durch die Nitrogruppe besetzt ist; so werden das Ortho- und das Parabromnitrobenzol C6H4Br(N02) durch Ammoniak in die entsprechenden Nitroaniline C6H4(NH2)(N02) verwandelt, während Metabromnitrobenzol ebenso wie Brombenzol selbst mit Ammoniak nicht reagirt. In analoger Weise unterscheiden sich Ortho- und Paranitroanisol C„H4(0 • CH3)(N02), welche von Ammoniak in Nitroaniline übergeführt werden, vom Metanitroanisol und dem Anisol C0H6(O-CH3) selbst, da letztere Verbindungen sich dieser Umwandlung nicht fähig erweisen. Ortho- und Paranitroanilin C8H4(NH2)(N02) liefern beim Kochen mit Alkalien die entsprechenden Nitrophenole C c H 4 (0H)(N0 2 ), Metanitroanilin und Anilin selbst bleiben beim Kochen mit Alkalien unverändert. Ortho- und Para-Nitroacetanilid C 6 H 4 (NH-C0-CH 3 )(N0 2 ) lösen sich leicht in wässerigem Alkali, Metanitroacetanilid löst sich ebenso wie Acetanilid nicht darin auf. Man ersieht aus diesen Beispielen 2 , deren Zahl leicht erheblich vermehrt werden könnte, dass ein Substituent des Benzolkerns in seinem 1
579. — 2
Vgl. auch
ABMSTBONG,
CRUM B R O W N
Vgl. auch
U.
Journ. Soc. 5 1 , 258, 583 (1887). — Journ. Soe. 6 1 . 367 (1892). Ber. 1 7 , 2719 (1884).
GIBSON,
LELLMANN,
MORLEY,
ebenda,
78
Gmidmsationen
der
Seitenketten.
Verhalten wesentlich verändert werden kann, wenn gewisse andere Substituenten zu ihm in der Ortho- oder Parastellung sich befinden, dass aber dieser modificirende Einfluss von den gleichen Substituenten nicht ausgeübt wird, wenn sie von der Metastellung aus wirken. Diese auffallende Erscheinung steht wohl sicherlich im Zusammenhang mit der Constitution des Benzolkerns; man wäre daher berechtigt, den an eine wahrscheinliche Benzolformel zu stellenden Anforderungen (S. 47—48) diejenige noch hinzuzufügen, dass sie für diese allgemeine Erscheinung einen Grund erkennen lässt 1 . Es sei darauf hingewiesen, dass sich bei dem SACHSE'schen Benzolmodelle (vgl. S. 63—64) die Affinitätspunkte, welche die Substituenten 1, 3 und 5 tragen, in einer Ebene befinden, die Affinitätspunkte 2, 4 und 6 dagegen in einer anderen, zur ersten parallelen Ebene. Ein Metadiderivat enthält demnach die beiden Substituenten in einer und derselben Hauptebene, Ortho- und Paraderivate dagegen enthalten sie auf die beiden Hauptebenen vertheilt.
Eine gleichzeitige Substitution mehrerer Benzolwasserstoffatome durch e i n mehrwerthiges Atom ist bisher niemals beobachtet. Verbindungen, wie C 6 H 4 0 , C 0 H 4 =--S, C 6 H , : N H , C 6 H 3 i N , C 6 H 4 : C H 2 , scheinen nicht existenzfähig zu sein. Schon in der ersten Zeit der Entwickelung der Benzolchemie hat KiiKULi:2 das Auftreten derartig constituirter Verbindungen als „der Theorie nach nicht möglich" bezeichnet; die Erfahrung hat diese kühne Prognose bestätigt. Dagegen können mehrwerthige Substituenten noch ausserhalb des Benzolkerns mit einander in Verbindung treten, so dass Verbindungen entstehen, welche man sich durch Vertretung zweier Benzolwasserstoffatome durch ein mehrwerthiges Radical zu Stande gekommen denken kann, z. B . : —NH V ^N
-CHo-CH» --
C6Hj(CH3)2 ;
Compt. rend. 84, 1392 (1877). Ausführliche Behandlung vgl. bei E L B S , Synthetische Darstellungsmethoden der Kohlenstoffverbindungen (Leipzig 1891), Bd. II, S. 128 ff. V. MEYKR u. JACOBSON, org. Chem. II. 7 (August 9 4 . ) 2
98
Anomalieen
bei der Friedet-Drafts'sehen
Reaction.
es findet mithin eine TJebertragung der Seitenketten statt. Durch das gleichzeitige Verlaufen derartiger P r o c e s s e 1 werden die Reactionsgemische in vielen F ä l l e n sehr complicirt und schwer zu entwirren; als Grundlage für Constitutionsbestimmungen von Benzolhomologen wird die Reaction dadurch unbrauchbar. U m den Abbau und die TJebertragung der Seitenketten möglichst einzuschränken, empfiehlt es sich, die Reaction bei niederer Temperatur — nicht über 5 0 — 6 0 ° — sich abspielen zu lassen. — Complicationen der Reaction können ferner durch die umlagernde 2 (eventuell auch spaltende 3 ) Wirkung hervorgerufen werden, die das Aluminiumchlorid auf manche Halogenalkyle ausübt (vgl. Bd. I, S. 1 8 6 — 1 8 7 ) . Zur Erklärung 4 der höchst merkwürdigen Wirkungen des Aluminiumchlorids nimmt man die Bildung von Verbindungen des Aluminiumchlorids mit den aromatischen Kohlenwasserstoffen an. Erwähnt sei auch, dass Aethylen beim Durchleiten durch ein erwärmtes Gemisch von Benzol und Aluminiumchlorid äthylirte Benzole liefert 6 . Zur D a r s t e l l u n g v o n A l u m i n i u m c h l o r i d 6 für die F R I E D E L - C N A F T s ' e c h e Reaction erhitzt man jetzt zweckmässig Schnitzel von metallischem Aluminium, die sich in einer schwer schmelzbaren Glasröhre befinden, auf dem Verbrennungsofen in einem sehr lebhaften, trockenen Salzsäurestrom; man fängt das übergehende Chlorid in einem weithalsigen, möglichst dicht an das Ofenende gebrachten Pulverglase auf, das mit einem doppelt durchbohrten und durch Asbest vor Verkohlung geschützten Kork versehen ist; durch die eine Bohrung tritt das Ende des Verbrennungsrohres ein, während die zweite ein nicht zu enges Ableitungsrohr trägt. D a r s t e l l u n g v o n A e t h y l b e n z o l n a c h der FRIEDEL-CRAFTS ' s e h e n R e a c t i o n ' : Man bringt ein Gemisch von 10 Thln. Bromäthyl und 100 Thln. Benzol in einen Kolben mit Rückflusskühler, dessen Ende durch ein Ableitungsrohr mit einer tarirten, Wasser enthaltenden Vorlage verbunden ist, fügt etwa 0 • 2 Thle. Aluminiumchlorid hinzu und erwärmt auf dem Wasserbade. Wenn die Reaction sich verlangsamt, trägt man wieder etwa 0-2 Thle. Aluminiumchlorid ein und so fort, bis die Gewichtszunahme der Vorlage der theoretisch zu entwickelnden Bromwasserstoffsäure (berechnet auf die angewandte Menge Bromäthyl) entspricht; man braucht hierfür höchstens 2 Thle. Aluminiumchlorid. Hierauf giesst man das Reactionsgemisch in Wasser ein, trocknet die abgehobene Oelschicht mit Chlorcalcium und scheidet aus derselben durch Fraetionirung in einem Colonnenapparat die bei 133—135° siedende Fraction ab. 1 Vgl. FRIEDEL U. CRAFTS, Journ. Soc. 4 1 , 115 (1882). Bull. 3 9 , 306 (1883). Compt. rend. 1 0 0 , 692 (1885). — 0 . JACOBSEN, Ber. 1 8 , 338 (1885). — ANSCHÜTZ u. IMMENDORF, Ber. 1 8 , 657 (1885). Ann. 2 3 5 , 177 (1886). — H E I S E U. T Ö H L , Ann. 2 7 0 , 155 (1891). — B A U B , Ber. 2 7 , 1606 (1894). S G O S S I N , Bull. 4 1 , 446 (1884). — S I L V A , Bull. 4 3 , 317 (1885). — SCHRAMM, Monatsh. 9 , 624 (1888). — SENKOWSKI, Ber. 2 3 , 2412 (1890). — GENVRESSE, Bull. [3] 9 , 608 (1893). — TISSIER, Ann. ch. [6] 2 9 , 360 (1893). — B A Ü R , Ber. 2 7 , 1610 (1894). 3 NOELTING, Cöthener Chem.-Ztg. 1 7 , 170 (1893). 4 GUSTAVSON, Ber. 1 1 , 215 (1878); 1 6 , 784 (1883); 2 3 c, 767 (1890). — FRIEDEL u. CRAFTS, Ann. eh. [6] 1 4 , 457 (1888). 6 BALSOHN, Bull. 3 1 , 539 (1879). 6 STOCKHAUSEN U. GATTERMANN, Ber. 2 5 , 3521 (1892). 7 Vgl. SEMPOTOWSKI, Ber. 22, 2662 (1889). — BÉHAL U. C H O A T , Bull. [3] 11, 207 (1894).
Rückführung von Substitutionsprodukten auf die Kohlenwasserstoffe.
99
Endlich lässt sich die Alkylirung des Benzols auch bewirken, indem man Benzol mit Alkoholen und Chlorzink auf 260—300° erhitzt 1 , z. B.: C6H8 + CJI6(OH) = H 2 0 + CaH5 • C4H9 ;
diese Reaction verläuft indess mit den niederen Alkoholen sehr wenig glatt und hat keine präparative Bedeutung erlangt. Auch beim Erhitzen von Benzol mit aliphatischen Alkoholen und Schwefelsäure erfolgt Alkylirung 2. In ziemlich glatter Reaction ist secundäres Hexylbenzol /CH3 C6H5-CH/ durch Schütteln von Benzol mit Hexylen CH 2 :0H-C 4 H 9 C
4H9
und concentrirter Schwefelsäure erhalten 3 . Die FITTIG'sclie Synthese und die F E I E D E L - C i t A F T s ' s c h e Reaction sind die wichtigsten synthetischen Hülfsmittel für die präparative Darstellung der Benzolkohlenwasserstoffe. Die Bedeutung der im Folgenden zu besprechenden R e a c t i o n e n , w e l c h e von S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e n der K o h l e n w a s s e r s t o f f e d u r c h E n t f e r n u n g der S u b s t i t u e n t e n zu d e n K o h l e n w a s s e r s t o f f e n s e l b s t f ü h r e n , liegt mehr auf analytischem Gebiet; man benutzt sie haupsächlich bei Constitutionsbestimmungen aromatischer Verbindungen, wenn es sich darum handelt, den zu Grunde liegenden Kohlenwasserstoff zu ermitteln; doch können sie in einzelnen Fällen auch als Darstellungsmethoden dienen. Aus C a r b o n s ä u r e n kann man die Carboxylgruppen durch Destillation mit gebranntem Kalk oder mit Natronkalk eliminiren: C6H3(CH3l2(CO;,H) -
CO, = C6H4(CH3V
In den A m i d o v e r b i n d u n g e n kann man die Amidgruppe nach Umwandlung in Diazoverbindungen durch passend geleitete Zersetzung der letzteren (vgl. Kap. 20) gegen Wasserstoff auswechseln. Von präparativer Bedeutung ist häufig die R ü c k f ü h r u n g von S u l f o s ä u r e n in K o h l e n w a s s e r s t o f f e , da man zur Trennung von Kohlenwasserstoffgemischen zuweilen zunächst eine Sulfurirung vornimmt, die Sulfosäuren durch Krystallisation trennt und darauf aus den einzelnen Sulfosäuren wieder die Kohlenwasserstoffe zu regeneriren hat (vgl. S. 109 bis 110). Die Abspaltung der Sulfogruppe 4 kann durch Einleiten von Dampf in das auf passende Temperatur erhitzte Gemisch der Sulfosäuren bezw. ihrer Salze mit Schwefelsäure oder Phosphorsäure bewerkstelligt werden; wendet man überhitzten Dampf an, so kann der Zusatz von Schwefelsäure bezw. Phosphorsäure bei Anwendung der trockenen freien 1
H . GOLDSCHMIJVT, Ber. 1 5 , 1066, 1425 (1882). BBOCHET U. BIULENGER, C o m p t . rend. 1 1 7 , 235 (1893). ' BROCHET. Compt. rend. 1 1 7 , 115 (1893). B u l l . [3] 9 , 687 (1893). * V g l . FREUND, A n n . 1 2 0 , 80 (1861). — BEILSTEIN U. WAHLFORSS, A n n . 1 3 3 , 36, 4 0 (1864). — ARMSTRONG U. MILLER, Journ. Soc. 4 5 , 148 (1884). — KELBE, Ber. 1 9 , 9 2 (1886). — FRIEDEL U. CRAFTS, Compt. rend. 1 0 9 , 9 5 (1889). — FOÜRNIER, B u l l . [3] 7, 652 (1892). 1
7*
100
Baeyer'sche
Zinkstaubreacticm.
Sulfosäuren unterbleiben. In vielen Fällen lässt sich durch trockene Destillation der Ammoniumsalze 1 aus Sulfosäuren bequem die Stammsubstanz gewinnen (CAKO). Manche Sulfosäuren zerfallen so leicht, dass man sie nur mit kalter concentrirter Schwefelsäure zu schütteln braucht, um den Kohlenwasserstoff abzuspalten 2 . Auch die für die Constitutionserforschung von grösster Wichtigkeit gewordene BAEYEß'sche Z i n k s t a u b r e a c t i o n muss hier genannt werden, wenn sie auch für die Abscheidung gerade der Benzolhomologen aus ihren Derivaten nur selten verwendet worden ist. Wie B A E Y E K zeigte, lassen sich aus sauerstoffhaltigen aromatischen Verbindungen die Muttersubstanzen in sehr einfacher Weise herstellen, indem man sie mit Zinkstaub destillirt. Diese Methode benutzte BAEYER 3 zuerst bei Abkömmlingen des Indigos und kam mit ihrer Hülfe zu der Erkenntniss, dass das Indol die Stammsubstanz des Indigos ist; auf dem Gebiete der Farbstoffchemie verdankt man ihr ferner die folgenreiche Entdeckung, dass das Alizarin sich vom Anthracen ableitet. Um durch ein einfaches Beispiel ihre Wirkungsweise zu erläutern, sei angeführt, dass man aus Phenol C6H6(OH) durch Destillation mit Zinkstaub Benzol C0H8 erhält. I s o m e r i e f ä l l e und N o m e n c l a t u r . Wie bei allen Benzolderivaten kann Isomerie der Benzolhomologen erstens durch verschiedene gegenseitige Stellung der substituirenden Seitenketten bewirkt werden: CH3
CH„
I I
CH,
JCH.
Ortho-
Meta-
Para-Dimethylbenzol.
Ein zweiter Grund kann durch verschiedene Vertlieilung der Kohlenstoffatome auf die einzelnen Seitenketten .geboten werden: /CH3 Aethylbenzol
XCH3 Dimethylbenzol
Endlich kann bei gleich kohlenstoffreichen Seitenketten ihre Structur sich ändern: C0H6 • CH2 • CH2 • CH3 06H5 • CH(CH3)2 Propylbenzol
Isopropylbenzol.
Der einfachste aromatische Kohlenwasserstoff C 0 H 0 hat durch L I E B I G 4 den Namen „Benzol" erhalten, nachdem er von M I T S C H E B L I C H und von 1
V g l . V . MEYER, B e r . 1 6 , 1 4 6 8 ( 1 8 8 3 ) . — EGM, B e r . 1 8 , 5 7 5 ( 1 8 8 5 ) .
2
V g l . JACOBSEN, B e r . 1 9 , 1 2 1 0 ( 1 8 8 6 ) ; 2 0 , 9 0 0 (1887).
3
Ann. 140, 295 (1866).
4
Ann. 9, 43 Anm. (1834).
Nomenclatur
der BenzolkoMenwasserstoffe.
101
PfiLiGOT aus der Benzoesäure gewonnen war. Seine Homologen kann man durch Angabe der Seitenketten als Methylbenzol, Dimethylbenzol, Me.thyl-isopropylbenzol etc. bezeichnen. Doch benutzt man sehr häufig Namen, welche an andere zufällige Beziehungen anknüpfen. So wird das Methylbenzol stets „Toluol" genannt, weil es gelegentlich aus Tolubalsam gewonnen wurde. Dimethylbenzole wurden aus Holzölen isolirt 1 und haben daher auch heute noch, obgleich diese Herkunft jetzt ganz bedeutungslos für sie geworden ist, den Namen „Xylole" behalten. Weil unter den isomeren Kohlenwi iserstoffen CBH12 einer zur Cuminsäure in naher Beziehung steht, so bezeichnet man dieselben häufig als „Cumole". Die bei den niederen Homologen seltene Eigenschaft, bei gewöhnlicher Temperatur fest zu sein, hat einem Tetramethylbenzol zu dem Namen „ D u r o l " verholfen etc. etc. Derartig gebildete Namen sind in der Columne 2 der Tabelle Nr. 47 auf S. 102—103 verzeichnet. Wie man sieht, ist allen diesen Namen die Endung ,,ol" gemeinsam — ein Umstand, welcher die Reformbedürftigkeit dieser Nomenclatur deutlich erkennen lässt. Denn diese Endung ist. neuerdings von dem Genfer Congress den aliphatischen Alkoholen zuertheilt worden (vgl. Bd. I , S. 1095); sie ist ferner seit langer Zeit für die aromatischen Hydroxylderivate gebräuchlich, wie aus den Namen „Phenol, Kresol, Naphtol" etc. ersichtlich ist. Es muss daher als Uebelstand empfunden werden, wenn die Namen von Kohlenwasserstoffen und von Hydroxylderivaten durch die gleiche Endung charakterisirt werden. Aus diesem Grunde hat man in England bereits seit längerer Zeit statt der Endung „ol" für die aromatischen Kohlenwasserstoffe die Endung ,,en" benutzt (Benzen, T^luen etc.). Der Genfer Congress hat über diese Frage noch keinen Bcschluss gefasst. Im Folgenden sollen die in der deutschen Literatur noch allgemein gebräuchlichen Namen Benzol, Toluol, Xylol etc. beibehalten werden. Daneben soll indess in den nach der Genfer Nomenclatur gebildeten Bezeichnungen von Derivaten des Stammkohlenwasserstoffs C 0 H e dieser Kohlenwasserstoff „Benzen" genannt werden; derart sind z. B. in der Tabelle Nr. 47 auf S. 102—103 die Namen der dritten Verticalcolumne gebildet. Allgemeine
Charakteristik.
Die Benzolkohlenwasserstoffe sind farblose Verbindungen von eigenthümlichem Geruch, in Wasser unlöslich, unzersetzt destillirbar. Die Kohlenwasserstoffe C 8 H 6 bis C g H 12 sind bei gewöhnlicher Temperatur flüssig, erstarren aber zum Theil schon durch massige Abkühlung zu Krystallmassen; unter den höheren Homologen findet man viele, welche bereits bei gewöhnlicher Temperatur fest sind (vgl. oben Durol). Benzolkohlenwasserstoffe brennen mit stark russender Flamme. In 1
CAHOÜRS, A n n . 7 6 , 2 8 6 ( 1 8 5 0 ) .
192°
175»
+ 80°
flüssig
)J
1.2.4.5.
1.3.
1.4.
175°
195" flüssig 1.2.3.5.
0-856(20°)
0-862(20°) 204» -4»
0-866 (16°) 1.
1.2.3.4.
0-867(14°) 159°
153°
1.
flüssig 1.
0-865(14")
0-883(0°) 136°
+ 13° 1.4.
165»
0-880(0°) 138°
-53° 1.3.
1.3.5.
0-881(0°) 139°
-28° 1.2.
0-895(0°)
0-893(0°) 142°
169-5°
0-869(16°) 110° flüssig 1.
o— JS » SC .2 .3 Eo
1.2.3.
0-874 (20°/4°) + 80-4° + 5-4°
. ¿ 4 Ö
Zusammenstellung
1.2.4.
Specifisches Gewicht Gebräuchliche Bezeichnung
Eationelle Bezeichnung
Stellung Schmelzder punkt Seitenketton
Siedepunkt
Tabellarische
175°
102
§ *
• * § « § y -§ S J4> ^ ^ ¿ s ,7S C O ™
-
.
.
.
•
• • 4? • 2
s
. f i3 a
^ Ö • S S S s s s
*
^
* * S S I «
§ S g § -S g "s. •§>
2
g> § • -3 s
i £
.2 e Iß ^ ^ s
$ Jü ^
^ ö i 1 s s2 s
¡2 "5 ? ml tE i S -3 •
3
g
"si
•
¡3 CJ s* O W E -
s > A d*
104
Litterahirstellen
Alkohol und Aether sind die niederen Glieder leicht löslich; Hexamethylbenzol indess braucht bei 0° bereits 500 Thle. 95-procent. Alkohols zur Lösung. Sie lösen ihrerseits viele organische Verbindungen in erheblicher Menge auf; man bedient sich daher der leicht zugänglichen TheerkohlenWasserstoffe — Benzol, Toluol, Xylole, Cumole — häufig als Krystallisationsmittel. Das Lösungsyermögen der aromatischen Kohlenwasserstoffe ist gegenüber sehr vielen Substanzen viel erheblicher, als dasjenige der Petroleumkohlenwasserstoffe-, man kann daher aus Benzollösung viele Verbindungen durch Zusatz von Petroleumäther oder Ligro'in wieder abscheiden — ein Verfahren, welches häufig zur Krystallieation organischer Verbindungen sehr zweckmässig ist.
Die Tabelle Nr. 47 auf S. 102—103 enthält eine Anzahl von Benzolkohlenwasserstoffen zusammengestellt. Man findet in der zweiten Verticalcolumne die gebräuchlichen Bezeichnungen, in der dritten diejenigen, welche die Art und Zahl der Seitenketten angeben, in der vierten die Stellung der Seitenketten. In der dritten Yerticalcolumne sind ferner die im Steinkohlentheer nachgewiesenen Kohlenwasserstoffe durch ein Sternchen bezeichnet. C i t a t e z u d e r T a b e l l e N r . 47 a u f S. 102—103: N u r solche Abhandlungen sind angeführt, welche sich auf Vorkommen (vgl. auch die Citate Nr. 2—5 auf S. 94), Bildung (vgl. auch die Citate Nr. 6 auf S. 94, Nr. 3 u. 4 auf S. 95) und,physikalische Eigenschaften der einzelnen Kohlenwasserstoffe beziehen. 1 MITSCHERLICH, Ann. 9 , 39 4 ( 1 8 3 4 ) . — 2 MARIGNAC. Ann. 4 2 , 217 (1842). — 3 W Ö H L E R , Ann. 5 1 , 147 (1844).— BER5 6 THELOT, Compt. rend. 6 3 , 479 (1866). — VINCENT, Bull. [3] 4 , 6 (1890). — NEUBECK, Ztschr. f. physik. Chem. 1 , 654 (1887). — 7 Y O U N Q , Journ. Soc. 5 5 , 486 (1889). — 8
PISATI u . PATERNÖ, J b . 1 8 7 4 , 3 6 8 . —
25
Ber.
0
RAMSAY U. YOUNO, J b . 1 8 8 7 ,
109. —
10
LACHO-
2206 (1888). — 1 1 ADBIEENZ, Ber. 6, 441 (1873). — 1 2 R . SCHIFF, Ann. 2 2 0 , 9 1 ; 2 2 3 , 66 (1883). — 1 3 DEVILLE, Ann. ch. [3] 3 , 168 (1841). — 1 4 GLSNARD U. B O U DEAULT, Compt. rend. 1 9 , 505 (1844). — 1 5 PELLETIER U. W A L T E R , Ann. oh. [2] 6 7 , 278 (1838). — 1 6 TOLLENS U. FITTIO, Ann. 1 3 1 , 304 (1864). — 1 7 FRIEDEL U. CRAFTS. Ann. ch. [6] 1 , 454 (1884). — 1 8 W E I D E L U. CIAMICIAN, Ber. 1 3 , 70 (1880). — 1 9 K E L B E , Ann. 2 1 0 , 1 (1881). — 2 0 NACCARI U. PAGLIANI, J b 1 8 8 2 , 63. — 2 1 LANDOLT U. J A H N , Ztschr. f. physik. Chem. 1 0 , 299 (1892). — 2 2 F I T T I G , Ann. 1 5 3 , 265 (1869). — 2 3 FITTIG U. BIEBER, Ann. 1 5 6 , 231 (1870). — 2 4 JANNASCH U. H Ü B N E R , Ann. 1 7 0 , 117 (1873). — WICZ,
21,
RETMANN, J b .
Ann.
1876,
391.
—
26
COLSON, A n n .
ch.
[6]
6,
1 2 8 ( 1 8 8 5)
—
27
PINETTF.,
50 (1888). — 2 8 0 . JACOBSEN, Ber. 1 0 , 1009 (1877); 1 4 , 2624 (1881). — 28 0 . JACOBSEN, Ber. 1 9 , 2517 (1886). — 3 0 ADOR U. RILLIET, Ber. 1 1 , 1627 (1878). — 81 PICCARD, Ber. 1 2 , 580 (1879). — 3 2 LEVINSTEIN, Ber. 1 7 , 444 (1884). — F 3 CRAFTS, Compt. rend. 1 1 4 , 1 1 1 0 (1892). — 3 4 WROBLEWSKT, Ann. 1 9 2 , 200 (1878). — 3 3 FITTIO U. VELGUTH, Ann. 1 4 8 , 1 (1868). — 3 9 BRÜHL, A n n . 2 3 5 , 1 (1886). J . pr. [2] 5 0 , 1 4 0 — 1 4 3 (1894). — 37 FITTIG U. G L I N Z E R , Ann. 1 3 6 , 303 (1865). — 3 8 JANNASCH, Ann. 1 7 1 , 79 (1873). — 39 JANNASCH, Ber. 1 0 , 1354 (1877). — 4 0 V . MEYER, Ber. 3 , 753 (1870). — 4 1 PAWLEWSKI, Ber. 1 8 , 1915 (1885). — 4 2 REISSERT, Ber. 2 3 , 2242 (1890). — 4 3 RENNIE, J o u r n . Soc. 4 1 , 33 (1882). — 4 4 BALSOHN, Bull. 3 1 , 540 (1879); 3 2 , 617 (1879). — 4 5 F R I E D E L u. CBAFTS, Bull. 3 9 , 195 (1883). — 4 6 ANSCHÜTZ, Ann. 2 3 5 , 331 (1886). — 4 7 FITTIG u. KÖNIG, Ann. 1 4 4 , 277 (1867). — 4 8 W E G E R , Ann. 2 2 1 , 67 (1883). — 1 9 SEMPOTOWSKI, Ber. • 2 2 , 2 6 6 2 {1889). — 6 0 NÖLTING U. PALMAR, Ber. 2 4 , 1955 (1891). — 6 1 0 . JACOBSEN, Ber. 1 5 , 1 8 5 3 (1882). — 52 0 . JACOBSEN, Ber. 1 9 , 2511 (1886). — 53 0 . JACOBSEN U. D E I K E , Ber. 2 0 , 903 (1887). — 6 4 BEILSTEIN U. K Ö G L E B , Ann. 1 3 7 , 317 (1866). — E5 FITTIG U. EBNST, Ann. 1 3 9 , 186 (1866). — S S FITTIG U. JANNASCU, Ann. 1 5 1 , 283 (1869). 243,
für die Chemie der Benzolkohlmwassersioffe.
105
— 5 7 FITTIQ U. LAUBINOER, A n n . 1 5 1 , 2 5 7 (1869). — 6 8 JANNASCH, A n n . 1 7 6 , 2 8 6 (1875). — 5 0 WABBEN, J b . 1 8 6 5 , 514. — 6 0 0 . JACOBSEN, B e r . 1 0 , 8 5 6 (1877). — 6 1 0 . JACOBSEN, A n n . 1 8 4 , 1 7 9 (1876). — 6 2 ARMSTRONG, B e r . 1 1 , 1 6 9 7 (1878). — 6 3 FITTIQ U.WACKENRODER,
Ann. 151, 292 (1869). — 1 0 6 (18 50). —
63
01
Vgl. die Citate unter Nr. 4 auf S. 95. — 8 5 CAHOURS, Ann. 7 4 ,
BRÜHL, Ann. 2 0 0 , 190 (1880). —
67
— es p ITTIQ u_ SciiROne, Ber.
ADOR U. RILLIET, B e r . 1 2 , 3 2 9 (1879).
8 , 17 (1875). — 3 9 FITTIQ, SCHÄFFER U. KÖNIG, Ann. 1 4 9 , 3 24 (18 6 8). — 7 0 SILVA, B u l l . 4 3 , 3 1 7 (1885). — 7 1 HEISE, B e r . 2 4 , 7 6 8 (1891). — 7 2 PATERNÖ u. SPICA, B e r . 1 0 , 2 9 4 (1877). — 7 3 WISPEK U. ZUBER, A n n . 2 1 8 , 3 7 4 (1883). —
71
GERHARDT U. CAHOURS, A n n . 3 8 , 88 (1841). —
389. — — 80 82 84 86
76
0 . JACOBSEN, Ber. 8, 1260 (1875). —
77
75
PISATI U. PATERNÖ, J b .
1874,
0 . JACOBSEN, Ber. 12, 429 (1879).
7 8 LIEBMANN, B e r . 1 3 , 4 6 (1880). — 7 9 GUSTAVSON, B e r . 1 1 , 1 2 5 1 (1878). — WIDMAN, B e r . 2 4 , 4 3 9 (1891). — 8 1 f t . MEYER U. BONER, A n n . 2 2 0 , 27 (1883). — 0 . JACOBSEN, B e r . 1 9 , 1 2 0 9 (1886). — 8 3 0 . JACOBSEN, B e r . 2 0 , 8 9 6 (1887). — 0 . JACOBSEN, B e r . 2 1 , 2 8 2 1 (1888). — 8 5 KELBE U. PATHE, B e r . 1 9 , 1 5 5 1 (1886). — CLAUS U. FOECKING, B e r . 2 0 . 3 0 9 7 (1887). — 8 7 BIELEFELD!, A n n . 1 9 8 , 3 8 1 (1879).
—
88
—
90
—
92
ARMSTRONG U..MILLER, Ber. 16, 2255 (1883). —
IC. E. SCHULZE, Ber. 20, 409 (1887). —
91
JANNASCH, Ber. 8, 355(1875).
89
BEAUBEPAIRE, Bull. 5 0 , 676 (1888).
GERHARDT U. CAHOURS, A n n . 3 8 , 71, 101, 3 4 5 (1841). —
93
JANNASCH U. FITTIQ,
Ztsclir. Chem. 1870, 161. — 94 JANNASCH U. GISSMANN, Ann. 216, 200 (1882). — 95 JANNASCH, Ber. 7, 692 (1874); 10, 1354 (1877). — 90 K. E. SCHULZE, Ber. 18, 3032
(188 5). — 9 7 EEDTER, Ber. 11, 29 (1878). — 93 BENARD, Ann. eh. [6] 1, 247 (1884). — 9 3 WALLACH, Ann. 2 7 5 , 157 (1893). — 1 0 0 KELBE U. WARTH, Ann. 2 2 1 , 158.(1883). — 101 TRAPP, Ann. 1 0 8 , 386 (1858). — 102 LALLEMAND, Ann. 1 0 2 , 119 (1857). — 1 0 3 KEKUL£
u. POTT, Ber. 2, 121 (1869). — 103
(1873). —
(1871). —
107
BOUCHARDAT, Compt. rend. 90, 1560 (1890). —
109
106
BEILSTEIN U. KUPFFER, Ann. 1 7 0 , 282
WRIQHT, J b . 1 8 7 3 , 3 6 6 ; 1 8 7 6 , 395. —
108
BRU£RE, Compt. rend. 9 0 , 1428 (1880). —
1 8 7 6 , 397. — — —
104
RENARD, Compt. rend. 9 0 , 531 (1880). —
111
KRAUT, Ann. 1 9 2 , 222 (1878). —
112
CARSTANJEN, J . pr. [2] 3 , 63 110
BECKET U. WRIQHT, Jb.
FITTICA, Ann. 1 7 2 , 303 (1874).
" 3 NAUDIN, B u l l . 3 7 , 110 (1882). — 1 1 4 PATERNÖ U. PISATI, J b . 1 8 7 4 , 3 9 5 , 396. BRÜHL, B e r . 2 5 , 1 4 9 , 171 (1892). — 1 1 0 H . MÜLLER, B e r . 2 , 130 (1869). — 1 1 7 LANDOLPH, B e r . 6 , 937 (1873). — 1 1 8 KELBE, B e r . 1 9 , 1 9 6 9 (1886). — 1 1 9 FAUST u. HOMEYER, B e r . 7 , 63, 1427, 1429 (1874). — 1 2 0 R . MEYER, B e r . 2 4 , 9 7 0 (1891). — 1 2 1 OPPENHEIM, B e r . 5 , 94, 628 (1872). — 1 2 2 BARBIER, B e r . 5 , 2 1 5 (1872). — 1 2 3 KEKUL£ u. BRUYLANTS, B e r . 6 , 437 (1873). — 1 2 1 RICHTER U. ORLOWSKY, B e r . 6 , 1257 (1873). — 1 2 5 RADZISZEWSKI, B e r . 9 , 260 (1876). — 1 2 0 BALBIANO, B e r . 1 0 , 2 9 6 (18 7 7). — 1 2 7 SCHRAMM, Monatsb. 9 , 6 1 3 (1888). — 1 2 8 RIESS, B e r . 3 , 779 (1870). — 1 2 9 KÖHLER U. AROXHEIM, B e r . .8, 5 0 9 (1875). — 1 3 0 H . GOLDSCHMIDT, B e r . 1 5 , 1 0 6 6 , 1 4 2 5 (1882). — 1 S 1 KELBE u. PFEIFFER, B e r . 1 9 , 1728 (1886). — 1 3 2 WREDEN U. SNATOWICZ, B e r . 9 , 1606 (1876). LLÄ
— 1 3 3 GOSSIN, B u l l . 4 1 , 4 4 6 (1884). — 1 3 4 SENKOWSKI, B e r . 2 3 , 2 4 1 2 (1890). — 1 3 5 0 . JACOBSEN, B e r . 2 0 , 8 9 6 (1887). — 1 3 8 SCHRAMM, A n n . 2 1 8 , 3 8 3 (1883). — 1 3 7 CLAUS, J . pr. [ 2 j 4 6 , 4 9 0 (1892). — 1 3 8 L E BEL U. GREENE, Compt. rend. 8 7 , 2 6 1 (1878). — 1 3 9 GREENE, Compt. rend. 8 7 , 9 3 1 (1878). — 1 4 0 ALMEDINGEN, B e r . 1 4 , 2 0 7 3 (1881). — 1 4 1 A . W . HOFMANN, B e r . 1 3 , 1 7 2 9 (1880). — 1 4 2 AUGER, B u l l . 4 7 , 48 (1887). — 1 4 3 KRAFFT, B e r . 1 9 , 2 9 8 2 (1886). — 1 4 4 AHRENS, B e r . 1 9 , 2717 (1886). — 1 4 5 SCHWEINITZ, B e r . 1 9 , 6 4 0 (1886). — 1 4 6 0 . JACOBSEN-, B e r . 2 1 , : 2 8 1 4 (1888). — 1 4 7 ALBRIGHT, MORGAN, WOOLWORTH, Compt. rend. 8 6 , 887 ( 1 8 7 8 ) . — 1 4 8 GALLE, B e r . 1 6 , 1 7 4 7 (1883). — 1 4 9 IVRAFFT u. GÖTTIG, B e r . 2 1 , 3 1 8 0 (1888). — 1 5 0 REUTER, B e r . 1 7 , 2 0 2 8 .(1884). — 1 5 1 NÖLTING u. FOREL, B e r . 1 8 , 2 6 7 4 (1885). — 1 5 2 SEMMLER, B e r . 2 4 , 2 0 4 (1891). — 1 5 8 BHOCHET u . BOULENGER, Compt. rend. 1 1 7 , 2 3 5 (1893). — 1 5 4 FITTIQ, KÖBRICH u. JILKE, A n n . 1 4 5 , 141 (1867). — 1 5 5 GENVBESSE, B u l l . [3] 9 , 5 0 8 (1893). — 1 5 8 OBNDORFF U. YOUNQ,
Cöthener Chem.-Ztg. 1893, Repert. 142. — (189 3). —
158
BAUR, B e r . 2 7 , 1610 ( 1 8 9 4 ) .
157
EIJKMAN, Ree. trav. cliim. 12, 174
106
Verhalten der Benxolkohlenwasserstoffe.
Dass das c h e m i s c h e V e r h a l t e n der Benzolkohlenwasserstoffe ganz eigenartig ist und von dem Verhalten sowohl der gesättigten wie auch der ungesättigten aliphatischen Kohlenwasserstoffe wesentlich abweicht, ist schon S . 41 ff. (vgl. auch S. 12) bei der Schilderung des „aromatischen Charakters" hervorgehoben. Durch Einwirkung von starker Salpetersäure können sie „ n i t r i r t " werden; Näheres vgl. S. 1 4 8 — 1 4 9 . Durch Behandlung mit concentrirter oder rauchender Schwefelsäure werden sie „ s u l f u r i r t " ; Näheres vgl. S. 131. D a bei diesen Reactionen nur die Wasserstoffatome d e s B e n z o l k e r n s gegen die Nitro- bezw. Sulfogruppe ausgetauscht werden, so müssen sie natürlich versagen, wenn alle sechs Wasserstoffatome durch Seitenketten vertreten sind. Das Hexamethylbenzol giebt demgemäss kein Nitroderivat und keine Sulfosäure. Bei den Benzolhomologen mit vielen Seitenketten ist indess, abgesehen von der Sulfurirung, noch eine andere höchst eigenthümliche Wirkungsweise'"der Schwefelsäure von 0 . JACOBSEN1 beobachtet worden, die als „ U e b e r t r a g u n g d e r S e i t e n k e t t e n " bezeichnet werden kann. Wenn man z. B . Pentamethylbenzol mit der drei- bis vierfachen Menge gewöhnlicher Schwefelsäure unter häufigem Uraschütteln bei Zimmertemperatur 3 6 — 4 8 Stunden stehen lässt, so ist es in Hexamethylbenzol und die Sulfosäure eines Tetramethylbenzols — des Prehnitols —• verwandelt. Die Eeaction erinnert an die ähnlichen Wirkungen des Aluminiumchlorids (vgl. S'. 97). S u l f u r y l c h l o r i d 2 S 0 2 C 1 2 wirkt für sich auf Benzolkohlenwasserstoffe meist chlorirend; bei Gegenwart von Aluminiumchlorid aber kann es auch sulfurirend wirken, es entstehen dann neben den Sulfochloriden die Sulfone: C„H 9 + S 0 2 C l s
=
HCl + C 6 H ä - S 0 2 - C l
2C 4 H„ + S0 2 C1,
=
2 HCl 4- C 9 H S - S 0 2 - C 8 H 6 .
Die H a l o g e n e können j e nach den Bedingungen ihrer Einwirkung Addition oder Substitution — letztere im Kern oder in den Seitenketten — veranlassen; Näheres vgl. S. 115 —116, 124. Sehr wichtig — namentlich für Constitutionsbestimmungen — ist das Verhalten der Benzolkohlenwasserstoffe bei der O x y d a t i o n . Auf die grosse Beständigkeit des Benzolkerns ist schon S. 45 hingewiesen worden. Demgemäss leistet das Benzol selbst auch Oxydationsmitteln grossen Widerstand 3 und hat sich einer glatten Veränderung durch Oxydation überhaupt nicht fähig gezeigt. Dagegen besitzen die Benzolhomologen in ihren Seitenketten Angriffspunkte, welche der Wirkung von Oxydationsmitteln — man wendet gewöhnlich verdünnte Salpetersäure oder Chromsäuregemisch in der Wärme oder Kaliumpermanganat Ber. 19, 1209 (1886); 2 0 , 900 (1887); 21, 2814 (1888). TÖHL und EBERHARD, Ber. 2 6 , 2940 (1893). * Vgl. NORTON, B e r . 1 8 o, 620 (1885). 1
A
Oxydation der Benzolkohlenwasserstoffe. an — leicht anheimfallen. Es gelingt meist durch passende Wahl der Oxydationsbedingungen, eine vollkommene „Aboxydation" auch längerer Seitenketten zu bewirken, derart, dass von der Seitenkette lediglich das unmittelbar am Benzolkern haftende Kohlenstoffatom in Gestalt der Carboxylgruppe zurückbleibt. Aus diesem Verhalten ergiebt sich daher ein einfaches Mittel, um die Anzahl der Seitenketten zu ermitteln. Wenn z. B. ein Kohlenwasserstoff 0 9 H i a bei der vollständigen Oxydation Benzoesäure C e H 6 -C0 2 H liefert, so kann er nur e i n e Seitenkette enthalten und ist demnach als Propyl- oder Isopropylbenzol C 6 H 6 (C 3 H 7 ) aufzufassen; liefert er dagegen eine Benzoldicarbonsäure C6H4(COaH)2 —• eine Phtalsäure — , so enthält er zwei Seitenketten und ist daher ein Methyl-äthyl-benzol C6H4(CH3)(C2H6), dessen Substituentenstellung sich nun ergiebt, wenn man das Oxydationsprodukt mit der Ortho-, Metaoder Paradicarbonsäure identificirt; liefert er endlich eine Tricarbonsäure C0H3(COaH)3, so ist er zweifellos ein Trimethylbenzol C8H3(CH3)3. Bei Kohlenwasserstoffen mit mehreren Seitenketten bewirkt S a l p e t e r s ä u r e nur eine partielle Oxydation der Seitenketten; so liefern z. B. ound p-Xylole C6H4(CH3)a die entsprechenden Toluylsäuren (Methylbenzoesäuren) C6H4(CH3)(COaH), Mesitylen C6H3(CH3)3 eine Dimethylbenzoesäure C 6 H 3 (CH 3 ) 2 (C0 2 H) und eine Methyldicarbonsäure C (i H 3 (CH 3 )(C0 2 H) 2 , Hexamethylbenzol C6(CH3)6 eine Prehnitoldicarbonsäure C0(CH3)4(COaH)a etc. Unterscheiden sich die Seitenketten durch ihre Länge, so bleibt in gewissen Fällen die kürzere, in anderen die längere der Oxydation entzogen; so erhält man aus dem m- und p-Cymol CflH4(CH3)(C3H?) (Methylisopropylbenzol) die entsprechenden Toluylsäuren C 6 H 4 (CH 3 )(C0 2 H), dagegen aus m- und p-Isobutyltoluol 1 C8H4(CH3)(C4H9) die entsprechenden Isobutylbenzoesäuren C 6 H 4 (C0 2 H)(C 4 H 9 ). C h r o m s ä u r e g e m i s c h bewirkt meist eine gleichzeitige Oxydation der verschiedenen Seitenketten, oxydirt also z. B. m- und p-Xylol zu den entsprechenden Dicarbonsäuren; dagegen gelingt die Oxydation von o-Xylol zu Phtalsäure C 6 H 4 (CO a H) 2 mit Chromsäuregemisch n i c h t ; vielmehr wird das o-Xylol durch Chromsäure vollständig verbrannt. Wohl aber kann man o-Xylol mit K a l i u m p e r m a n g a n a t zu Phtalsäure oxydiren; auch werden Penta- und Hexamethylbenzol durch Kaliumpermanganat in Benzol-penta- bezw. -hexacarbonsäure verwandelt. In dem C h r o m y l c h l o r i d 2 CR02Cl2 besitzt man ein Mittel, um Benzolhomologe zu Carbonylverbindungen — Aldehyden bezw. Ketonen — zu oxydiren (i>TAW>'sche R e a c t i o n ) . Es vereinigt sich mit den Kohlenwasserstoffen zu Verbindungen, wie C 0 H 5 -CH s .2CrO 2 Cl 2 , welche nun bei der Zersetzung mit Wasser Oxydationsprodukte dt'r Kohlenwasserstoffe liefern. So erhält man aus Toluol C 6 H 5 • CH, den Benzaldehyd C 0 H 5 C H O , aus den Xylolen C 6 H 4 (CH 3 ) 2 die Methylbenzaldehyde C„H 4 (CH 3 )(CHO), 1
Vgl.
W . KELBI
U. PFEIFFER, B e r .
19,
1723
(1886).
Ber. 2 , 632 (1869). — £ T A R D , Ann. ch. [5] 2 2 , 218 (1881). — PATERNÖ U. SCICHILONE, Ber. 1 4 , 525 (1881). — KEI.BE, Ann. 2 1 0 , 57 (1881). — BORNEMANN, Ber. 1 7 , 1462 (1884). — v. RICHTER U. SCHÜCHNER, Ber. 1 7 , 1931 (1884). — v. MILLER U. ROHDE, Ber. 2 3 , 1070 (1890). — ERRERA, Ber. 2 3 o, 58 (1890). 2
CARSTANJEN,
108
Benzol.
aus Aethylbenzol den Phenyl-acetaldehyd C 6 H 5 • CH 2 • CHO und Acetophenon C e H 5 • CO • CH„, aus Propylbenzol das Benzylmethylketon C 6 H 6 • CH 2 • CO • CH 3 etc.
Gegen R e d u c t i o n s m i t t e l 1 sind die Benzolkohlenwi iserstoffe ausserordentlich beständig. Es bedarf äusserst energischer Agentien, um ihnen Wasserstoff zuzuführen. So wird Benzol selbst beim Erhitzen mit Jodphosphonium auf 350° nicht reducirt, dagegen gelingt es, dasselbe durch Erhitzen mit Jodwasserstoffsäure auf 260—280° — wobei wahrscheinlich gleichzeitig Jod als Reductionsmittel wirkt, da ein Gemisch von Jodwasserstoffsäure und Phosphor nicht die gleiche Wirkung ausübt, — zu Hexahydrobenzol C0H12 (Hexamethylen) und vielleicht auch zu Hexan C 6 H 14 zu reduciren. Leichter reducirbar sind Homologe des Benzols; so wird Mesitylen durch Jodphosplionium bei 250—280° in Hexahydromesitylen C 9 H 18 verwandelt. Einzelne Glieder. Die technische Bedeutung der im Theer vorkommenden Benzolkohlenwasserstoffe und ihre Abscheidung aus dem Theer ist bereits im achten Kapitel (S. 92—93) geschildert. Die physikalischen Constanten vgl. in der Tabelle Nr. 47 auf S. 102—103. Benzol C 0 H 6 (Benzen) wurde 1825 von FARADAY 2 in einer durch Compression von Oelgas erhaltenen Flüssigkeit entdeckt. Sein Vorkommen im Steinkohlentheer wurde 1845 von A. W. HOFMANN 3 sicher gestellt 4 ; HOFMANN'S Schüler CHARLES MANSFIELD 6 stellte die ersten Versuche zur fabrikmässigen Erzeugung des Benzols aus Theer an, bei denen er bereits das Princip der Dephlegmation zur Trennung der einzelnen Kohlenwasserstoffe anwandte; in Folge eines Brandes büsste er bei diesen Versuchen 1856 das Leben ein. Von der Benzolmenge, welche bei der trockenen Destillation der Steinkohle entsteht bleibt übrigens ein verhältnissmässig nur geringer Theil im Theer zurück; weit grössere Mengen gehen dampfförmig in das Steinkohlengas über; 1 cbm Leuchtgas enthält etwa 30 g Benzol und 9 g Toluol; der Gehalt des Gases an Benzol ist von wesentlicher Bedeutung für seine Leuchtkraft; wollte man daher behufs Erhöhung der Benzolproduktion dem Leuchtgas seinen Benzolgehalt entziehen®, so würde man seine Leuchtkraft erheblich beeinträchtigen und wäre demnach genöthigt, das Benzol durch andere Stoffe zu ersetzen, welche die Leuchtkraft wieder erhöhen. Anders liegen Bull. 9, 16, 91, 100, 281 (1868); 1 0 , 4 3 5 (1868); 2 8 , 497 (1877).— Ber. 1, 127 (1868); 2, 21 (1869). Ann. 155, 266 (1870); 2 7 8 , 88 (1893). — WHEDEN,Ber.lO, 713(1877). A n n . 1 8 7 , 1 5 3 (1877). — K O N O W A L O W , Ber.20c,570(1887).— K I S H N E R , Ber. 2 4 c , 559 (1891); 2 6 c , 9 6 (1893). — TscHiTSCHmABiN,Ber.27Bef.,310(1894). 3 2 P O Q Q . 5 , 306 (1825). Ann. 5 5 , 204 (1845). 4 Vgl. über die Geschichte des Benzols auch ROSCOE-SCHOBLEMHEB'S ausf. Lehrb. d. Chemie Bd. IV, S. 58 (Braunschweig 1886). 5 Ann. 6 9 , 162 (1849). 0 Ueber Methoden hierzu vgl. L U N G E , Industrie des Steinkohlentheers (Braunschweig 1888), S. 28. 1
BEETHELOT,
BAEYER,
Toluol, Xylole.
109
indess die Verhältnisse bei den Cokereigasen, die man lediglich für Heizzwecke verwenden will, denen man daher ohne Schädigung ihrer "Verwendbarkeit das Benzol entziehen kann. In der That geschieht dies in den deutschen Cokereien, die mit Gewinnung der Nebenprodukte arbeiten (vgl. S. 88), bereits in grossem. Massstab 1 ; die jährliche Production an Benzol aus Gokesgasen beträgt zur Zeit in Schlesien und an der Ruhr zusammen ca. 4 5 0 0 tons und deckt demnach schon einen grossen Theil des deutschen Bedarfs 2 . Das so gewonnene Benzol wird — abgesehen von seiner Verwendung in der Farbentechnik — voraussichtlich grosse Bedeutung als billiges Carburirungsmittel zur Aufbesserung von minderwerthigem Leuchtgas erlangen 3 . Dem aus Steinkohlen gewonnenen Benzol 4 ist in geringer Menge eine sehr ähnliche schwefelhaltige, lange Zeit hindurch unbemerkt gebliebene Verbindung — das Thiophen C 4 H 4 S (vgl. dort) — beigemengt 5 , welche bei gewissen Farbenreactionen sich leicht zu erkennen giebt; so giebt thiophenhaltiges Benzol beim Schütteln mit concentrirter Schwefelsäure und einer kleinen Menge Isatin eine intensive Blaufärbung („Indopheninreaction"), während reines Benzol — wie man es durch Destillation von Benzoesäure C 6 H 6 -CO a H mit Kalk erhält — diese Reaction nicht liefert. Durch wiederholtes Schütteln mit concentrirter Schwefelsäure kann man das Benzol von Thiophen befreien. Die Benzolpräparate, welche gegenwärtig als rein in den Handel gebracht werden, sind faststets völlig thiophenfrei. Toluol C 7 H 8 (Methylbenzen, vgl. S. 76, 101) wurde 1 8 3 7 von PELLETIER und WALTER in Condensationsprodukten, welche bei der Leuchtgasbereitung aus Harz abfielen, entdeckt. Die Trennung der drei isomeren X y l o l e C 8 H 10 (Dimethylhenxene), welche im Steinkohlentheer zusammen vorkommen, von ihren höheren und niederen Homologen kann man wohl durch fractionirte Destillation bewirken; doch bedarf man zur Isolirung einheitlicher Verbindungen aus dem so erhaltenen Kohlenwasserstoffgeir isch, das als Hauptbestandteil Metaxylol, daneben Ortho- und Paraxylol und eventuell noch gewisse Mengen von Aethylbenzol und von Paraffinkohlenwasserstoffen enthält, besonderer Methoden 0 . Verhältnissmässig leicht kann man das Metaxylol aus Röhxylol in reinem Zustand isoliren, da es beim Kochen mit verdünnter Salpetersäure weniger leicht als seine Isomeren oxydirt wird. Zur Abscheidung des Paraxylols kann man den Umstand benutzen, dass es schwerer durch gewöhnliche concentrirte Schwefelsäure sul1 2 3
Vgl. CARO, Ber. 2 5 q, 972 (1892). Nach gefälliger Mittheilung der Direction d. ehem. Fabrik Lindenhof, C.Weyl & Co. V g l . : BÜNTE, C ö t h e n e r Chem.-Ztg. 1 8 Repert.,"S. 47 (1894). — FERGUSSON-BELL,
ebenda 167'. — SCHILLING, Cöthener Chem.-Ztg. 18, 1006 (1894). 4 Ueber Werthbestimmung der Handelsprodukte vgl. G. SCHULTZ, Steinkohlentheer (Braunschweig 1886), Bd. I, S. 167. 6
V g l . V . MEYER, B e r . 1 6 , 1465 (1883).
0
Vgl. Nr. 28, 32, 33, 150, 151 unter den Citaten auf S. 104—105.
110
Trimethylbenxole, Gymole.
furirt wird, als Ortho- und Metaxylol; die beiden letzteren Kohlenwasserstoffe werden schon durch Schütteln mit gewöhnlicher Schwefelsäure sulfurirt; dampft man die Lösung der Natriumsalze ihrer Sulfosäuren ein, so scheidet sich das Salz der Orthoxylolsulfosäure zuerst ab. Um Paraxylol chemisch rein herzustellen, benutzt man indess besser nach JANNASCH die Firna'sche Synthese, indem man von p-Bromtoluol oder p-Dibrombenzol ausgeht (vgl. die Vorschrift auf S. 96—97). Ueber einen Oonstitutionsbeweis für die drei Xylole vgl. S. 70. A e t h y l b e n z o ! C 6 H 6 -C 2 H 6 kann leicht synthetisch gewonnen werden-, vgl. S. 98.
Von den drei T r i m e t h y l b e n z o l e n C 6 H 3 (CH 3 ) 3 (Trimethylbenzene) ist das M e s i t y l e n (1.3.5) — 1838 von KANE entdeckt — durch seine synthetische Bildung aus Aceton (vgl. S. 95) leicht zugänglich; über den Nachweis seiner symmetrischen Constitution vgl. S.70—71. — D a s P s e u d o c u m o l (1.2.4) kann aus Theerölen abgeschieden werden, indem man seine Sulfosäure bezw. das Amid derselben durch Krystallisation in reinem Zustand darstellt und daraus dann den Kohlenwasserstoff wieder abspaltet; da es von JANNASCH aus Brom-p-Xylol vermittelst der F I T T I G ' schen Reaction gewonnen wurde, müssen seine Methylgruppen die Stellung 1 . 2 . 4 inne haben. — F ü r das von 0 . JACOBSEN aufgefundene H e m e l l i t h o l bleibt demnach nur die Stellung 1 . 2 . 3 übrig. Unter den KohlenwasserstoffenC 1 0 H 1 4 sind zwei M e t h y l - i s o p r o p y l b e n z o l e (Meihyl-Methoäthyl-benxene) — gewöhnlich C y m o l e genannt — von besonderem Interesse. Während das M e t a c y m o l von K E L B E 1881 unter den Produkten der trockenen Destillation des Colophoniums — in der „Harzessenz" — aufgefunden worden ist, war das P a r a c y m o l oder das g e w ö h n l i c h e C y m o l schon etwa 40 J a h r e früher von DUMAS, PISLIGOT, GERHAHD, CAHOUES U. A. häufig in Naturprodukten constatirt bezw. durch Umwandlung natürlicher Stoffe erhalten worden. Paracymol findet sich in vielen ätherischen Oelen, so im römischen Kümmelöl, im Thymianöl, im Eucalyptusöl; es steht ferner zu den Terpenen C 10 H 1(1 — einer in der Natur sehr verbreiteten Gruppe von Kohlenwasserstoffen — in enger Beziehung und kann aus denselben durch Wasserstoffentziehung gewonnen werden; auch bildet es sich bei der Einwirkung von Phosphorpentoxyd auf Campher, ferner durch Wasserabspaltung aus dem Geranial (Bd. I, S. 486). Die Kenntniss der Constitution dieses Kohlenwasserstoffs ist daher für die Chemie der ätherischen Oele von grösster Bedeutung. Als diparasubstituirtes Benzol wird er daran erkannt, dass er "bei der Oxydation mit Chromsäure Terephtalsäure, mit Salpetersäure p-Toluylsäure C 6 H 4 (GH 3 )(C0 2 H) liefert; aus letzterem Befund folgt auch, dass die eine Seitenkette Methyl ist, die andere demnach drei Kohlenstoffatome enthalten muss. Nachdem man in Folge älterer unrichtiger Beobachtungen die zweite Seitenkette während eines langen Zeitraums als normal constituirt angesehen hatte, ist endlich 1891 durch WIDMAN das Cymol definitiv als p - M e t h y l - i s o p r o p y l - b e n z o l erkannt; WIDMAN stellte aus p-Brom-Isopropylbenzol durch Einwirkung von Jodmethyl und Natrium das p-Methyl-isopropyl-benzol synthetisch dar und fand es vollkommen übereinstimmend mit dem natürlichen Cymol.
Ill
Styrol.
Unter den höheren Gliedern (vgl. die Tabelle Nr. 47 auf S. 102—103) findet man nicht mehr einzelne Verbindungen, welche besonderer Hervorhebung bedürfen (über Butyltoluol vgl. S. 157—158). Die vielfach substituirten Homologen — wie Penta- und Hexamethylbenzol — sind nach der F E I E D E L - C H A R T S ' s e h e n Eeaction, die einfach substituirten — wie Octylbenzol etc. — grösstentheils nach der FITTIO'schen Eeaction gewonnen worden.
Zehntes
Kapitel.
Benzolkohlenwasserstoffe mit ungesättigten Seitenketten. Die Benzolkohlenwasserstoffe mit ungesättigten Seitenketten kann man entweder als Produkte der Substitution von Wasserstoffatomen des Benzolkerns durch ungesättigte aliphatische Kohlenwasserstoffreste oder als Phenylderivate der aliphatischen ungesättigten Kohlenwasserstoffe betrachten, z. B.: C 6 H 6 - C H : C H 2 : Yinylbenzol oder Phenyläthylen. Nur wenige Kohlenwasserstoffe dieser A r t sind sorgfältig studirt; Derivate derselben findet man häufig in der Natur, z. B.: nii pir. /-ITT CH2 • CH: CH2 C 0 U S -CH:CII-CO,H
Zimmtsäure
C6H4 K f V t /
Anethol
2
C6H8 0 - C H s 0 H
etc.
Eugenol
styrol1
C8H8 = C 6 H £ - C H : C H 2 ( V i n y l b e n z o l , P h e n y l ä t h y l e n , Aetltenylbenxen) ist der einfachste hierher gehörige Kohlenwasserstoff. Das Styrol wurde zuerst durch Destillation des flüssigen „Storax" (vgl. Zimmtsäure) mit Wasser gewonnen. Es findet sich im Steinkohlentheer und bildet sich beim Durchleiten eines Gemenges von Benzol und Aethylen durch ein rothglühendes Rohr. Man stellt es am besten durch langsame Destillation der Zimmtsäure dar: C0H6 • CH: CH • C02H = C02 + C 6 H 6 -CH:CH 2 ; 1 BONASTRE, Geiger's Magazin für Pharmacie, 3 6 , 90 (1831). — SIMON, Ann. 3 1 . 267 (1839). — GERHARDT U. C A H O U R S , Ann. 3 8 , 96 (1841). — B L Y T H U. A . W . H O F MANN, Ann. 5 3 , 289 (1845). — G L É N A R D U. BOUDEAULT, Ann. 5 3 , 325 (1845). — HBMPEL, Ann. 5 9 , 318. (1846). — H O W A R D , Jb. 1 8 8 0 , 303. — BERTHELOT. Ann. Suppl. 5 , 368 (1867); 141, 181, 378 (1866); 142, 257, 259 (1866). Bull. 6, 294, 296 (1866); 7, 112, 274, 306 (1867); 9, 272, 457 (1868); 10, 343, 348 (1868). — THORPE, Ztschr. Chem. 1 8 7 1 , 130. — ERQLER U. L E I S T , Ber. 6 , 255 (1873). — RADZISZEWSKI, Ber. 6 , 493 (1873). — VAN'T H O P P , Ber. 9 , 5, 1339 (1876). — v. M I L L E R , Ann. 1 8 9 , 338 (1877). — BÖTSCH, Jb. 1 8 8 0 , 1082. — FITTIO u. B I N D E R , Ann. 1 9 5 , 135 (1879). — H A T T O N u. HADOKINSON, Journ. Soe. 3 9 , 319 (1881). — SCHIPP, Ann. 2 2 0 , 92 (1883). — W E D E R , Ann. 2 2 1 , 68 (1883). — H A N R I O T U. GUILBERT, Compt. rend. 9 8 , 525 (1884). — A N SCHÖTZ, Ann. 2 3 5 , 331 (1886). — B R Ü H L , Ann. 2 3 5 , 13 (1886). — V A R E T U . V I E N N E , Bull. 4 7 , 918 (1887). — K R A E M E R , SPILKER U. EBERHARDT, Ber. 2 3 , 3269 (1890). — K R A E M E R U. SPILKER, Ber. 2 3 , 3282 (1890). — SCHRAMM, Ber. 2 6 , 1709 (1893).
112
Phenylacetylm.
auch entsteht es reichlich beim Erhitzen des Phenylbromäthyls C 6 H 5 CHBr-CHg, das man durch Einwirkung von Brom auf siedendes Aethylbenzol erhält: C 6 H 5 CHBr • CH 3 = HBr + C 9 H 5 -CH:CH 2 . Styrol ist flüssig, siedet bei 1 4 0 ° und besitzt bei 2 0 ° das specifische Gewicht 0 - 9 0 7 . E s lagert Halogen Wasserstoffe derart an, dass das H a l o g e n atom an das dem Benzolkern nächststehende Kohlenstoffatom tritt: C 6 H5-CH:CH 2 4- HCl = C a H 5 -CHCl-CH,, und condensirt sich in Gegenwart von Schwefelsäure leicht mit Homologen des Benzols zu mehrkernigen Kohlenwasserstoffen:
den
C6H5 • CH -f- CH 3 • C a H 4 • CHg = CÖH. • CH • CH 2 • C6H4 • CH 3 II I ch2 ch3 Polymerisationsprodukte des Slyrols 1 : Wenn man Styrol in einer Lösung von 1 Vol. reiner Schwefelsäure und 9 Vol. Eisessig längere Zeit stehen lässt, so entsteht in reichlicher Menge D i s t y r o l C16H16 — ein flössiger Kohlenwasserstoff, welcher sich auch beim Kochen von Zimmtsäure mit etwa 50-procentiger Schwefelsäure bildet, blau fluorescirt, bei 0° das spec. Gew. 1-027 zeigt, bei 310—312° siedet, bei längerem Sieden aber eine Zersetzung unter Bildung von Toluol, Styrol und wahrscheinlich auch Isopropylbenzol erleidet; er besitzt vielleicht die Constitution eines /CH 3 Methyl-diphenyl-propylens C 6 II 5 • CH^CH—CH © o o * t n * © • • o • o a a i t o H f l i H o i i f l M i o - f l i t - o : n c o ( M : 3 C C >
t I I
A
^ SS
c\i S o
s
s?
s
8 K
Co
I.VJ s
-d •o CM C r j
g
1
"S
CO
pq
w
PS CO
C
SS
5 O
"
W W p a Ä W W ö W f f i E E i E W t c ö E n f f l t n
W «• o
ps
s
s ft o Ci
1
s Q
s Cl
s Ci
g
1
I
s e
.SS • I Q
»
Ci
' äS ä
cfl§ ! z
S l
n ®
dl I
CÖ
o u. PS
2
O o 2 N a S G> CO a 2 •2
CJ I u o 5
s g ? ^ S i Ä
i "
O
o
§
3
a 2
1 I
^ i
n
5
0 01 ü 8 «
I
»
I a
- s
2
3
"ß Ei
-2 S
B
p
00 ^ a « £>
«
•
S
TJ ' ö
S
3
3
. I i C3 «
I I £
I~
„S
¡ • S
a
c3 ¿ 3
l Xi
o
s 2
e
K
'S§ -s
B
3
-S
po w
PH. V
PS 03 W o
o
'o
•fï
*ra Mî
05 c\i
10
ta
pa
c lO
o
S pa
C\j"
O iO i—t CO ca.
o CO O «a
W
O
CNJ
B
I é
PQ o
ë
te
*
ü
S
1
§> 8
§>
S
® g § S •?» " O Js CS
« S
g •3 •e •s s cd £ 3 & < o C E £ SS, tn > ¿3 O o C «2
O CO
136
Litteraturstellen für Sulfosäuren der Benzolkohlenwasserstoffe.
Stoffe erhalten werden, und giebt die Stellung ihrer Sulfogruppen, sowie die Schmelzpunkte ihrer Chloride und Amide an. Bei der Verarbeitung des Benzols auf Disulfosäuren durch Einwirkung von rauchender Schwefelsäure bildet sich als Hauptprodukt die Meta-Säure, die Para-Säure daneben nur in geringem Betrage. Die Benzoltrisulfosäure kann durch Erhitzen von m-benzoldisulfosaurem Kalium mit concentrirter Schwefelsäure gewonnen werden, wobei die Bildung von saurem Kaliumsulfat die Sulfurirung unterstützt. — Toluol liefert bei der Sulfurirung mit rauchender Schwefelsäure die Ortho- und die Para-Sulfosäure, Brombenzol die Para-Brombenzolsulfosäure. Citate zu der T a b e l l e Nr. 49 auf S. 135. — 4
2
HEINZELMANN, A n n . 188, 157 (1877). —
BARTH U. SENIIOFER, B e r . 8 ,
(1875). — —
8
9
1477 (1875). —
EQLI, Ber. 8, 817 (1875). —
16
Ztschr. C h e m . 1 8 7 0 , 321. —
21
CLAESSON WOLKOW,
23
CHRUSTSCHOW, B e r . 7 , 1165 (1874). —
( 1 8 7 6). —
FITTIQ U. GLINZER, A n n . 1 3 6 ,
—
33
— 38
35
32
20
KELBE U. PATHE,
Ber. 19,
1546 (1886).
41
B e r . 19, 1209 (18 8 6). —
45 47
39
43
0 . JACOBSEN, B e r . 1 0 ,
JACOBSEN, A n n . 1 8 4 ,
179
SEMPOTOWSKI, B e r .
22,
30
JACOBSEN, B e r . 1 9 , 2517 (1886).
—
37
REUTER, B e r . 1 1 , 29 (1878).
2 2 0 , 7 (1883). —
39
40
44
—
HOLTMEYER, 42
CLAUS
v . D. BECKE,
BIEI.EFELDT U. JANNASCH, A n n . 1 9 8 , 381 ¡ 1 8 7 9 ) . —
COBSEN, B e r . 11, 10 5 9 (18 7 8). — 17
FITTIG u. ERNST,
SPICA, B e r . 1 2 , 2367 (1879). —
49
55
53
51
CLAUS U. CRATZ, B e r . 1 3 , 901 (1880). —
BERGER, B e r . 1 0 , 976 (1877). —
—
61
REUSEN U. DAY, Ber. 16, 2511 (1883). —
—
03
WIDMAN, B e r . 2 4 , 451 11891). — 66
SIEVEKING, A n n . 1 0 6 ,
KRAUT, A n n . 1 9 2 , 225 (1878). —
CLAUS, B e r . 1 4 , 2139 (1881). —
Ztsehr. Chem. 1865, 221. —
MAR-
48
JACOBSEN ü. SCHNAPAUFF, B e r . 1 8 , 2841 (18S5).
PATERNO, J b . 1 8 7 8 , 856. —
B e r . 1 4 , 652 (1881). —
34
JACOBSEN, A n n . 1 4 6 , 85 (1867). —
BEILSTEIN U. IVÜPFFER, A n n . 1 7 0 , 287 (1878). — 52
REMSEN,
R . MEYER U. BAUR, A n n . 2 1 9 , 299 (1883). — V O . JACOBSEN,
KOWNIKOW, A n n . 2 3 4 , 99 (1886). — (185 8). —
KRAFFT
24
GERHARD U. CAHOURS, Ann. 38, 92 (1841). —
u. TONN, B e r . 1 8 , 12 3 9 (18 8 51. — B e r . 2 3 , 3194 (1890). —
22
LOEB U. NERNST, Ztschr. f. p h y s i k . C h e m . 2 , 957 (1888).
RADLOFF, B e r . 11, 32 (1878). —
50
28
OSTWALD, Z t s c h r . f. p h y s i k . C h e m . 1 , 77, 8 2 , 86 (1887). —
Ztschr. Chem. 1867, 686. —
—
—
305 ( 1 8 6 5 ) . —
JACOBSEN, B e r . 1 5 , 18 5 3 (18 8 2). — 3"
PITTIG U. RAMSAY,
14
MÜLLER, B e r . 1 2 , 1348 (1879). —
0 . JACOBSEN, B e r . 11, 17 ( 1 8 7 8).
A n n . 1 3 9 , 188 (1866). —
TERRY,
18
—
31
SEN-
10
12
20
VALLIN, B e r . 1 9 , 2953 (1886). —
25
672
LANGE, B e r . 2 5 c, 57 (1892). —
17 19
1009 (1877).
2662 (1889). —
ZENANI, B e r . 2 3 c , 155 (1890). —
9
FAHLBERG U. LIST, B e r . 21, 242 (1888). —
u. K o o s , B e r . 2 5 , 2259 (1892). —
29
V . MEYER U. MICHLER, B e r . 8 ,
ENGELHARD U. LATSCHINOW, Ztschr. C h e m . 1 8 6 9 , 617. —
15
u. W A L L I N , B e r . 1 2 , 1848 (1879): —
27
5
JACKSON U. W I N G , B e r . 1 9 , 898 (1886). —
11
FAHLBERG, B e r . 1 2 , 1048 (1879). —
B e r . 8 . 1412 (1875). —
Vgl. die Gitate auf S. 137—138.
JENSSEN, A n n . 1 7 2 , . 236 (1874). —
13
A n n . 1 6 8 , 245 (1873). —
1
PAZSCHKE, J. pr. [2] 2, 418 (1870). —
KOERNER U. MONSELISE, Ber. 9, 583 (1876).
7
GARRICK, Ztschr. C h e m . 1 8 6 9 , 550. —
HOFER, A n n . 1 7 4 , 243 (1874). — A n n . 1 6 9 , 27 (1871). —
3
64
6?
00
68
54
260
0 . JA-
56
R . MEYER U. BAUR,
SPICA, Ann.
KELBE, B e r . 1 9 , 1969 (1886).
0 . JACOBSEN, Ber. 2 0 , 896 (1887).
ROSE,' A n n . 1 6 4 , 53 (1872). —
65
JAWOUSKY,
MOODY, Ber. 27 Ref., 591 (1894).
In solchen Fällen, wo durch Sulfurirung neben einander isomere Sulfosäuren entstehen, beobachtet man häufig, dass das Mengenverhältniss der Isomeren von den Sulfurirungsbedingungen sehr abhängig ist, dass z. B. die eine Säure vorwiegend bei niederer Temperatur, die andere bei höherer Temperatur gebildet wird 1 . Auch lässt sich zuweilen con1
V g l . z. B . CLAUS, B e r . 14, 2142 (1881). —
CLAUS U. TONN, B e r . 18, 1239 ( 1 8 8 5 ) .
137
Benzolsulfosciure.
statiren, dass gewisse Sulfosäuren durch Digestion mit Schwefelsäure — also unter den Bedingungen, die bei der Sulfurirung herrschen, •— in isomere Sulfosäure übergehen1. Näheres über solche Verhältnisse vgl. bei Phenolsulfosäuren und Naphtalinsulfosäuren. Sulfosäuren von solcher Substituentenstellung, welche durch directe Sulfurirung der Kohlenwasserstoffe nicht oder nur in kleiner Menge gebildet werden, stellt man auf Umwegen dar. So erhält man z. B. die Metatoluolsulfosäure, indem man von einem Para-Substitutionsprodukt des Toluols — dem Toluidin — ausgeht, dieses sulfurirt, wobei nun die Sulfogruppe die sonst mit Vorliebe aufgesuchte Parastellung zur Methylgruppe nicht mehr besetzen kann, und in der so entstandenen Toluidinsulfosäure die Amidgruppe vermittelst der Diazoreaction endlich eliminirt: CH 3
CH 3
CH s
Benzolsulfosüure 2 C 6 H 3 - S 0 3 H krystallisirt aus der concentrirten wässerigen Lösung über Schwefelsäure in farblosen, grossen, wasserhaltigen Tafeln, ist sehr zerfliesslich und schmilzt wasserfrei bei 50—51°. Ihr B a r i u m s a l z (C6H5• S 0 8 ) 2 B a + H 2 0 bildet perlmutterglänzende Blättchen und ist in Alkohol wenig löslich. — Der Aetliylester 3 C 6 H 5 - S 0 2 - 0 - C 2 H ä ist eine farblose, nahezu geruchlose Flüssigkeit, siedet unter 15mm Druck bei 156°, besitzt bei 0° das spec. Gew. 1-235 und ist in Wasser nur sehr wenig löslich. — Das Chlorid 4 - 5 .C 9 II 5 -S0 2 -C1 ist eine ölige, penetrant riechende Flüssigkeit, erstarrt in der Kälte zu grossen compacten Krystallen, schmilzt dann erst bei + 1 4 - 5 " , siedet unter 10 mm Druck bei 120° und besitzt bei 23" das spec. Gew. 1-378. Es ist in Wasser nicht löslich und wird kaum davon angegriffen; mit Alkoholen reagirt es in der Kälte allmählich unter Esterbildung, mit Ammoniak (bezw. Aminen) dagegen sehr leicht unter Bildung von Amiden. — Das Amid 6 ' 6 C61I- • S 0 2 -NH 2 krystallisirt aus hcisser.-i Wasser in farblosen Blättchen, 1
Vgl. auch MOODY, Ber. 2 7 R e f . , 591 (1894).
2
MITSCHEKLICH, P o g g . 3 1 , 2 8 3 ,
STENHOUSE, A n n . 1 4 0 , 585 (1877). —
285 (1866);
634 (1834). — 149,
FREUND, A n n . 1 2 0 , 8 0 ( 1 8 6 1 ) .
247 (1868). —
MICHAEL u . A D A I R , B e r .
HÜHNER, A n n . 2 2 3 , 2 4 0 ( 1 8 8 4 ) . — EOLI, B e r . 1 8 , 5 7 5 ( 1 8 8 5 ) . —
u . WESTENHOPF, B e r . 2 1 c ,
519
(1888).
—
NORTON U. SCHMIDT, e b e n d a ,
— 10,
NORTON
520. —
OST-
WALD, Ztschr. f. physik. Chem. 1, 76, 82, 84, 86 (1887). — WALDEN, ebenda, 531. — LOEB U. NERNST, Z t s c h r . f. p h y s i k . 3
SCHILLER U. OTTO, B e r . 9 ,
KRAFFT U. ROOS, B e r .
25,
2255
Chem. 2, 957 1638 (1876). -
(1888). HÜBNER, A n n .
223,
235 (1884).
* OTTO, Z t s c h r . C h e m . 1 8 6 6 , 1 0 6 .
Ann. 1 3 6 , 1 5 7 (1865); 1 4 5 , 321 (1867).
Ber. 2 6 ,
2 0 5 1 ( 1 8 9 3 ) . — WALLACH, A n n . 2 1 4 , 2 1 9 ( 1 8 8 2 ) . — KRAFFT U. ROOS, B e r . 2 5 , 2 2 5 7 5
—
(1892).
GERHARD U. CHANCEL, C o m p l . r e n d . 3 5 ,
690
(1892).
(1852).
" GERHARD U. CIIIOZZA, A n n . 8 7 , 2 9 9 ( 1 8 5 3 ) . — STENHOUSE, A n n . 1 4 0 , 2 9 4 ( 1 8 6 6 ) . —
OTTO n . OSTROP, A n n . 1 4 1 , 3 7 4 ( 1 8 6 6 ) . —
—
LIMPRICHT U. HYDBENETH,
trav. chim. L E V Y , Ber.
6,
3 7 3
26,
( 1 8 8 7 ) . 2 1 4 8
—
( 1 8 9 3 ) .
Ann.
221,
2 0 6
ADOR U. V . MEYER, A n n . 1 5 9 , 1 1 ( 1 8 7 1 ) . ( 1 8 8 3 ) .
SCHOTTEN U. SCIILÖSIANN, —
HIXSKF.WI,
Ber.
27,
— HOOGEWERF U. VAN DORP,
Ber.
24,
5 9 8
f - 1 8 9 4 ) .
3 6 9 4
( 1 8 9 1 ) .
—
Ree.
MAGNUS-
138
Derivate der
Benzolsulfosäure.
schmilzt bei 150° und ist leicht löslich in Alkohol und Aether; 100 Thle. Wasser von 16° lösen 0-43 Theile. — Das Nitroamid 1 C 6 H 5 -S0 2 -NH-N0 2 entsteht aus dem Amid durch Behandlung mit Salpeterschwefelsäure in der Kälte, krystallisirt aus Alkohol in grossen farblosen Tafeln, ist in Wasser, Alkohol und Aether äusserst leicht löslich, wird aus der wässerigen Lösung durch starke Mineralsäuren als krystallinische Masse gefällt und schmeckt stark ,% ^ B i t — S — a sauer; durch Erhitzen zersetzt es sich schon bei etwa 100° unter stürmischer Entwickelung von Stickoxydul und Hinterlassung von Benzolsulfosäure; es besitzt stark saure Eigenschaften und liefert demgemäss beim Neutralisiren mit Kalilauge ein K a l i u m salz C0H5 • S0 2 • NK • N0 2 , welches aus heissem Wasser in weissen Prismen krystallisirt, in kaltem Wasser sehr schwer löslich ist und bis zu seinem Schmelzpunkt, 275°, ohne Veränderung erhitzt werden kann; durch vorsichtige Eeduction mit Zinkstaub und Eisessig kann es in Benzolsulfonhydrazid GuHj • S0 2 • NH • NH2 verwandelt werden. D a r s t e l l u n g von b e n z o l m o n o s u l f o s a u r e n S a l z e n : Behufs Sulfurirung giebt man 40 g Benzol allmählich und unter häufigem Umschütteln zu 150 g rauchender Schwefelsäure von 5—10 °/n Anhydridgehalt, indem mau mit dem erneuten Zusatz jedesmal so lange wartet, bis sich die letzte Portion gelöst hat, und durch zeitweilige Kühlung dafür sorgt, dass die Temperatur nicht über ca. 50g steigt. Will man nun das C a l c i u m s a l z darstellen, so giesst man das erkaltete Sulfurirungsgemisch in etwa 2 Liter Wasser, neutralisirt die wässerige Lösung in der Wärme mit Calciumcarbonat, filtrirt vom Gyps ab und dampft das Filtrat zur Krystallisation ein. Zur Filtration der grossen Gypsmengen wendet man hier und in ähnlichen Fällen vortheilhaft die in Fig. 58 abgebildete HEMPEL'sche F i l t e r p r e s s e f ü r L a b o r a t o r i e n ® an; a ist ein Trichter zum Aufgiessen der zu filtrirenden Flüssigkeit, b eine Leitung von 2—3 m Länge, durch welche die Flüssigkeit entweder zugleich in die beiden Filtrirkammern c oder nur in eine derselben gelangt; diese Filtrirkammern bestehen aus zwei durchlochten Porcellanplatten, die durch einen GumrniFig. 58. HEMPEL'schc Filterpressu. ring von einander getrennt sind und durch 1
HINSBERO, Ber. 25, 1092 (1892); 27, 600 (1894).
* Ber. 18, 1434 (1885).
Benzylsulfosäure.
139
Schrauben auf denselben festgepresst werden, nachdem man auf jede Platte zuerst ein Stück Leinwand, dann ein Stück Fliesspapier gelegt hat; durch eine Oefihung des Gummirings wird das Zuleitungsrohr g. so weit hineingesteckt, dass es etwas über die Mitte der Kammer hineinragt. Bei der Filtration gelangt nun die filtrirte Flüssigkeit zunächst auf die Glasplatten d, dann in die Rinne e und fliesst aus letzterer — anfänglich in continuirlichem Strahle, später langsamer, — in das untergestellte Becherglas f ab, während in der Filtrirkammer ein mehr oder weniger dichter Kuchen des Niederschlags zurückbleibt; letzteren kann man, nachdem man das Zuleitungsrohr g etwas zurückgezogen und auf den Trichter a die Waschflüssigkeit aufgegossen hat, auswaschen. Will man das N a t r i u m s a l z darstellen, so kann man das Calciumsalz mit Soda umsetzen; bequemer aber gelangt man zu einem annähernd reinen Präparat, indem man das, wie oben, erhaltene Sulfurirungsgemisch tropfenweise unter öfterem Umschütteln und unter Kühlung mit kaltem Wasser in das dreifache Volum gesättigter Kochsalzlösung einträgt; das Natriumsalz, zu dessen Abscheidung nöthigenfalls noch etwas mehr Kochsalzlösung zugefügt wird, saugt man darauf ab, wäscht es mit concentrirter Kochsalzlösung und trocknet es auf einem Thonteller. Behufs D a r s t e l l u n g v o n B e n z o l s u l f o c h l o r i d extrahirt man das so gewonnene Natriumsalz zur Entfernung einer kleinen Menge Sulfobenzid mit etwas Aetlier, trocknet darauf 20 g desselben eine halbe Stunde bei 120° und mischt diese Menge mit 35 g Phosphorpentachlorid; die beim Umschütteln lebhaft eintretende Eeaction beendigt man, indem man noch einige Minuten gelinde erwärmt; man lässt darauf das verflüssigte Eeactionsgemisch erkalten und giesst es unter Abkühlung in 250 ccm kaltes Wasser. Unter öfterem Umrühren lässt man nun 3 Stunden stehen, trennt darauf das Oel, trocknet es mit Chlorcalcium und destillirt im Vacuum. D i e im Vorstehenden besprochenen, durch directe Sulfurirung « r hältlichen Sulfosäuren enthalten sämmtlich die Sulfogruppe im Kern gebunden. Sulfosäuren, deren Sulfogruppe in der Seitenkette befindlich ist, können analog den Alkylsulfosäuren (Bd. I, S. 222) gewonnen werden. A l s einfachste Säure dieser Art sei die B e n z y l s u l f o s ä u r e 1 C 0 H 6 • CH„ • S 0 3 H (Schmelzpunkt des Chlorids: 9 2 ° , des A m i d s : 102°) erwähnt, welche durch Umsetzung von Benzylchlorid mit Natriumsulfit gewonnen werden kann.
II. Sulfinsäuren. D i e aromatischen Sulfinsäuren (über Alkylsulfinsäuren vgl. Bd. I, S. 225) — eine namentlich von R. OTTO eingehend untersuchte Klasse von Verbindungen, deren erster Repräsentant, die Benzolsulfinsäure, von K A L L E 1 8 6 0 entdeckt wurde, — entstehen aus den Sulfosäuren, von denen sie sich durch den Mindergehalt eines A t o m s Sauerstoff unterscheiden, durch Reduction ihrer Chloride. So kann man die Zinksalze der Sulfinsäuren leicht aus den Sulfochloriden durch Behandlung mit Zinkstaub unter W a s s e r 2 erhalten: 2C 6 H 5 -S0 2 C1 + 2Zn = (C0H5 • S0 2 ) 2 Zn + ZnCl s ; B Ö H L E R , Ann. 1 5 4 , 50 (1869). — B A R H A O L I A , Ber. 5 , 270, 687 (1872). — L I M u. v. P E C H M A N N , Ber. 6 , 534 (1873). — OTTO U . L U D E R S , Ber. 1 3 , 1283 (1880). M O H R , Ann. 2 2 1 , 215 (1883). — K R E K E L E R , Ber. 1 9 , 2625 (1886). - Vgl. K. O T T O , Ber. 26, 2051 (1893). 1
PRICHT —
140
Sulfinsäuren.
durch Einwirkung von Benzolsulfochlorid auf Phenylhydrazin erhält man Benzolsulfazid: CSH5-SO,.CI
+ N,H3-C„H5 = C6H5-SOsN»H2C6Hs + HCl,
welches sich beim Erhitzen mit verdünnter .Natronlauge unter StickstoffentAvickelung in benzolsulfinsaures Natrium und Benzol zersetzt: CjHa-SOs-NÄ-CsHj + NaOH = C6H5-SOaNa + N, + C6He + H,0; auf Thiophenolsalze reagiren Sulfochloride unter Bildung von sulfinsauren Salzen und Disulfiden: g Qg C6H5-S0,C1 + 2NaS-C„H5 = NaCl + C6H6-SOsNa + | ° '. S-C 6 H 5 Benzolsulfinsäure ist a.uch durch Einwirkung von Schwefligsäureanhydrid auf Benzol in Gegenwart von Aluminiumchlorid erhalten worden. .Die freien Sulfinsauren sind farblose, gut krystallisirende Substanzen, in kaltem Wasser schwer, in heissem Wasser leicht löslich, stark sauer reagirend. Ihre wässerige Lösung röthet anfangs Lakmuspapier und bleicht es dann; sie nimmt an der Luft allmählich Sauerstoff unter Oxydation zur entsprechenden Sulfosäure auf. Durch Einwirkung von Chlor werden Sulfinsäuren in Sulfosäurechloride verwandelt. In verdünnter wässriger oder alkoholischer Lösung werden sie von Schwefelwasserstoff zu Polysulfiden, wie (C0H6)^SX, reducirt. Eine sehr eigent ü m l i c h e Zersetzung erleiden sie beim Erhitzen mit Wasser auf 130°; während nämlich ein Theil zur Sulfosäure oxydirt wird, geht ein anderer Theil in Disulfoxyde (s. unten) über: 3CGII5-SO,H
=
C 6 H Ä - S O S H + C 6 H 6 - S O J - S - C 6 H 5 + HJO;
diese Zersetzung geht auch schon bei gewöhnlicher Temperatur — namentlich bei Gegenwart geringer Mengen Salzsäure — vor sich; ihr entspricht ferner die ßeaction, welche sich zwischen Benzolsulfinsäure und Phenylhydrazin in stark salzsaurer Lösung abspielt: 3C6H.,-S02H + CaH5 • N2H3 = C6H5-S02-N2H2-C6H5 + C0H5-SO2-S-C0H5 + 211,0. Von erheblichem Interesse sind die Vorgänge bei der Esterbildung aus den Sulfinsäuren. Man erhält durch Umsetzung der sulfinsauren Salze mit Halogenalkylen, z. B.: C6H6-S02-Na + Br-C2H5 = NaBr + C6H5 • S02 • C,H5, Verbindungen, welche sich durch ihre Eigenschaften und anderweitige Bildungsweisen — z. B.: CQH5 • S • C , H 5
02
=
C 6 H 5 • SOO • C 2 H 5 —
als Sulfone erweisen, d. h. die beiden Kohlenwasserstoffreste direct an Schwefel gebunden enthalten: vi C6H5—S—C2H3
Benxolsulfinsäure.
141
Dieser Reactionsverlauf macht für die Sulfinsäuren selbst Constitutionsformeln wie: vi C 6 H 5 —S—H Y \
O
0
,
wahrscheinlich. Wenn man dagegen die sulfinsäuren Salze mit Chlorkohlensäureester in ßeaction bringt, so entstehen unter Kohlensäureabspaltung isomere Alkylderivate, z. B . : C „ H 5 - S 0 2 - N a + C1-C0 2 -C 2 H 5 = C 0 2 + NaCl + C 6 H 5 - S 0 2 - C 2 H 5 ,
welche sich von den Sulfonen namentlich dadurch wesentlich unterscheiden, dass sie schon durch Wasser leicht verseift und durch Oxydationsmittel in Sulfosäureester verwandelt werden können. Diesem Verhalten zufolge sind diese Alkylderivate als eigentliche Sulfinsäureester, deren Alkylrest durch Vermittelung von Sauerstoff an Schwefel gebunden ist, wie: IV
C6Hr—S0-0-C2Hs,
aufzufassen; dementsprechend könnten die Sulfinsäuren selbst auch als. Hydroxylverbindungen: IV
-C6H6—SO-OII
formulirt werden. So begegnen wir in den Sulfinsäuren wieder einem Falle von Desmotropie (vgl. Bd. I , S. 1023—1025) und zwar einem solchen, welcher an das Beispiel des Acetessigesters erinnert. Liefert doch auch der Natriumacetessigester bei der Umsetzung mit Halogenalkylen Verbindungen einer anderen Körperklasse, wie bei der Reaction mit Chlorkohlensäureester (vgl. Bd. I, S. 963). Benzolsulfinsäure 1 C 8 H 5 . S 0 2 H krystallisirt in grossen Prismen, schmilzt bei 88—84° und ist in Alkohol und Aether leicht löslich. Das Z i n k s a l z (C 0 H 5 -SO.,) 2 Zri + 2 H 2 0 bildet feine, glänzende Nadeln, ist in kaltem Wasser kaum löslich und wird bei 130—140° wasserfrei. Der A e t h y l e s t e r C„H 5 —SO—0 • C2IT-, ist eine wasserhelle, ziemlich dünnflüssige Flüssigkeit, besitzt bei 20" das spec. Gew. 1-141, ist in Wasser unlöslich, mit Alkohol und Aether mischbar, schmeckt scharf, riecht aromatisch und zersetzt sich bei der Destillation.
1 KALLE, A n n . 1 1 9 , 1 5 3 ( 1 8 6 1 ) . — OTTO u. OSTRUP, A n n . 1 4 1 , 3 6 5 ( 1 8 6 6 ) . — E . OTTO, A n n . 1 4 5 , 3 1 7 ( 1 8 6 7 ) . J . pr. [2] 3 0 , 177 Anm. (1884); 3 7 , 207 ( 1 8 8 8 ) ; 4 9 , 3 8 5 (1894). B e r . 2 4 , 7 1 3 ( 1 8 9 1 ) ; 2 6 , 3 0 8 ( 1 8 9 3 ) . — SCHILLER U. OTTO, B e r . 9 , 1 5 8 4 ( 1 8 7 6 ) . — PAULY U. OTTO, B e r . 1 0 , 2 1 8 ( 1 8 7 7 ) . — ESCALES, B e r . 1 8 , 8 9 3 ( 1 8 8 5 ) . — FBIEDEL U. CRAFTS, A n n . eh. [6J 1 4 , 4 4 3 ( 1 8 8 8 ) . — OTTO u. RÖSSING, B e r . 1 8 , 2 4 9 3 ( 1 8 8 5 ) ; 1 9 , 1 2 2 4 ( 1 8 8 6 ) ; 2 0 , 2 2 7 5 ( 1 8 8 7 ) . J . pr. [2] 4 7 , 1 5 2 (.1893). — R . u. W . OTTO, B e r . 2 1 , 1 6 9 1 ( 1 8 8 8 ) . — OTTO U. TROEOER, B e r , 2 4 , 4 7 8 , 4 8 8 ( 1 8 9 1 ) . — OTTO U. ZUSCHLAO, 15er. 2 6 , 4 3 0 (1893). — KRAFFT U. VORSTKR, ebenda, 2 8 2 1 .
142
Thiosulfosäuren.
III. Thiosulfosäuren. In analoger Weise, wie die Salze der aliphatischen Thiosulfosäuren (vgl. Bd. I, S. 224), erhält man die Salze a r o m a t i s c h e r T h i o s u l f o s ä u r e n aus den Sulfochloriden durch Umsetzung mit Schwefelalkalien 1 ; auch bilden sie sich durch Erhitzen von Schwefel mit Lösungen von sulfinsauren Salzen: C6H5 • SOaNa + S = C6H6 • S02 • SNa und durch Einwirkung von Jod auf Gemenge äquimolecularer Mengen von sulfinsauren Natriumsalzen und Schwefelnatrium: Na2S + J2 = 2NaJ + S, C7H7 • S02Na + S = C7H7-S02-SNa. Durch Umsetzung der Alkalisalze mit Halogenalkylen erhält man Alkylester der Thiosulfonsäuren, wie C 6 H 6 -S0 2 -S-C 2 H 6 , — ölige Flüssigkeiten, welche durch Zink und Schwefelsäure in alkoholischer Lösung in ein Mercaptan und ein Thiophenol — z. B. C 2 H 5 -SH und C 6 H 6 -SH — gespalten werden. Die Entstehung von P h e n o l e s t e r n der Thiosulfonsäuren, wie C6H6S0 2 -S-C 6 H 6 , aus Sulfinsäuren ist schon S. 140 erörtert. Diese Verbindungen, welche auch „ D i s u l f o x y d e " genannt werden, bilden sich ferner bei der Oxydation von Thiophenolen mit verdünnter Salpetersäure; sie werden durch Schwefelwasserstoff in verdünnter alkoholischer Lösung in Sulfinsäuren und Thiophenole zerlegt: C6H5 • S02 • S • C6H5 + H2S = 06H5 • S02 • H + C6H5-SH + S, in analoger Weise durch Zinkstaub in alkoholischer Lösung gespalten; bei der Yerseifung mit wässerigen Alkalien liefern sie sulfinsaure Salze neben Disulfiden: 3C6H5-S02-S-C6H5 + 2H20 = 4C6H5-S02-H + (C6H6)2S2. Durch Einwirkung von Jod auf die Alkalisalze der Thiosulfonsäuren entstehen Verbindungen, welche zu der Trithionsäure, Tetra- und Pentathionsäure in analoger Beziehung stehen, wie die Sulfosäuren zu der Schwefelsäure, z. B.: C6H5-S02X >S C 6 H 5 -SO/
C6H5-SO2-S | 0 6 li 5 • S02—s
C 6 H 5 -S0 2 -S v >S. C 6 H-.SO 2 -S/
Benzolthiosulfousäure 2 C0H5-SO2-SH. — Das Kaliumsalz CeH5• S02• SK + 2H20 bildet farblose, monokline Krystalle und ist in Wasser sehr leicht löslich. 1
BLOMSTRAND, B e r . 3 , 9 6 3 ( 1 8 7 0 ) . SPRING, B e r . 7 , 1 1 5 7 ( 1 8 7 4 ) . — OTTO, B e r . 1 5 , 1 2 7 ( 1 8 8 2 ) . — OTTO, CASANOVA u . RÖSSING, B e r . 2 0 , 2 0 7 9 ( 1 8 8 7 ) . — OTTO U. TROEGER, B e r . 2 4 , 4 9 1 . 1 1 3 3 ( 1 8 9 1 ) . — OTTO U. RÖSSING, ebenda, 1 1 4 7 , 3 8 7 4 . — OTTO U. HEYDECKE, Ber. 2 5 , 1 4 7 7 ( 1 8 9 2 ) . 2
143
Sulfone.
— Der A e t h y l c s t e r C 6 H ä -S0 2 -S-C 2 H 5 ist ein schwach riechendes Oel, mit Wasserdämpfen kaum flüchtig, für sich nicht ohne Zersetzung destillirbar, schwerer als Wasser. Benzoldisulfoxyd 1 CcH5 • S0 2 • S • C6H6 ( B e n z o l t h i o s u l f o n s ä u r e p h e n y l e s t e r ) krystallisirt aus Weingeist in wasserhellen, glasglänzenden, monoklinen Tafeln, schmilzt bei 45°, ist unlöslich in Wasser und Alkalien, leicht löslich in Aether und heissem Alkohol. Das Thioanhydrid der Benzoltliiosulfonsäure 2 C 6 H s -SO 2 -S-SO,-C 0 H 5 (Trit h i o n v e r b i n d u n g ) bildet farblose, halb durchsichtige Krystalle vom Schmelzpunkt 133 bis 134°. Die entsprechende Tetrathionverbindung 2 C6H6 • S0 2 • S • S • SO, • C6H5 schmilzt bei 76—77° und zersetzt sich beim Umkrystallisiren aus Eisessig theilweise unter Bildung eines Gemisches der Trithionverbindung mit der PeiitathionverlHiHlung' 2 CCH5 • S0 2 • S • S • S • S0 2 • C6 H 5 (Schmelzpunkt 1 OL — 102
IY. Sulfone. Unter den Sulfonen der aromatischen Reihe hat man zwei Gruppen zu unterscheiden. Die eine umfasst solche Sulfone, welche beiderseits aromatische Radicale an das Sulfurylradical gekettet enthalten, z. B. C 6 H ä —S0 2 —C 6 H 6 , und daher als r e i n a r o m a t i s c h e S u l f o n e bezeichnet werden können. Die Sulfone der zweiten Gruppe dagegen enthalten ein aromatisches und ein aliphatisches Radical vermittelst des Sulfurylrestes mit einander verknüpft, z. B. C R H 5 -S0 2 -CH 3 ; man kann sie daher f e t t a r o m a t i s c h e Sulfone nennen. A.
Rein aromatische
Sulfone.
Sie entstehen als Nebenprodukte, wenn man aromatische Kohlenwasserstoffe mit concentrirter oder rauchender 3 Schwefelsäure sulfurirt, in etwas grösserer Menge bei der Sulfurirung mittelst Schwefelsäurechlorhydrin 4 . Während nach dieser Bildungsweise nur Sulfone mit zwei gleichen Radicalen erhältlich sind, kann man zu Sulfonen mit ungleichen Radicalen gelangen, indem man Sulfosäuren in Gegenwart von Phosphorpentoxyd 6 oder Sulfochloride in Gegenwart von Aluminiumchlorid 8 auf Kohlenwasserstoffe bezw. Derivate derselben wirken lässt, z. B.: C 6 H 5 -S0 2 -C1 + C6H5C1 = HCl -I- C 6 H 5 - S 0 2 - C 6 H 4 C 1 .
Mit Hülfe der letzterwähnten Reactionen ist gezeigt worden, dass man ein und dasselbe Phenyltolylsulfon erhält, gleichgültig, ob man 'von der Benzolsulfosäure oder von der Toluolsulfosäure ausgeht 7 : 1 OTTO, A n n . 1 4 5 , 3 1 8 ( 1 8 6 7 ) . J . pr. [2] 4 9 , 3 8 4 ( 1 8 9 4 ) . — PAULY u. OTTO, B e r . 9 , 1 6 3 9 ( 1 8 7 6 ) ; 1 0 , 2 1 8 3 ( 1 8 7 7 ) ; 1 1 , 2 0 7 0 ( 1 8 7 8 ) . — ESCALES, B e r . 1 8 , 8 9 3 ( 1 8 8 5 ) . — OTTO U. RÖSSING, B e r . 1 9 , 1 2 3 5 ( 1 8 8 6 ) ; . 2 0 , ' 2 0 9 0 ( 1 8 8 7 ) . 2
OTTO U. TROEQER, B e r . 2 4 , 1 1 2 5 ( 1 8 9 1 ) .
4
KNAPP, Ztschr. C h e m . 1 8 6 9 , 4 1 . — BECKUMS U. OTTO, B e r . 11, 2 0 6 1 ( 1 8 7 8 ) . —
3
V g l . BERTHELOT, B e r . 9 , 3 4 9 ( 1 8 7 6 ) .
0 . JACOBSEN U. SCHNAPAUPF, B e r . 1 8 , 2 8 4 1 ( 1 8 8 5 ) . — 0 . JACOBSEN, B e r . 2 0 , 8 9 7 (1887). 5 MICHAEL U. ADAIR, B e r . 1 0 , 5 8 3 ( 1 8 7 7 ) . 6
BECKDRTS U. OTTO, B e r . 1 1 , 2 0 6 6 ( 1 8 7 8 ) .
7
MICHAEL U. ADAIR, B e r . 11, 1 1 6 (1878).
Rein aromatische
144
Sulfone.
C 6 H 6 - S 0 2 - 0 H + C 7 H 8 = H 2 0 + C a H s -S0.,-C J H J C 7 H 7 -SO s -OH + C 6 H 0 = H 2 0 + C 7 H j . S 0 2 - C 6 H 5 .
E s geht daraus hervor, dass die beiden Kohlenwasserstoffradicale durchaus gleichartig an den Sulfurylrest gebunden sein müssen. Die glatte Bildungsweise der Sülfone durch Oxydation von Sulfiden: C6H5-S-C6H5 + 20
= CcHä • S 0 2 • C6H5
zeigt, dass "beide Kohlenwasserstoffreste direct am Schwefelatom haften müssen. Diese Reactionen sind auch für die Beurtheilung der Constitution der Schwefelsäure selbst von Wichtigkeit. Indem man die Schwefelsäure in eine Sulfosäure, die Sulfosäure darauf in ein Sulfon verwandelt, ersetzt man die beiden Hydroxylgruppen des Schwefelsäureinolecüls successive durch zwei aromatische Reste. Diese Hydroxylgruppen müssen daher an den zweiwerthigen Rest —SO»— in gleicher Weise gebunden sein, wie die KohlenwasserstofiFreste in den Sulfonen, d. h. beide gleichartig und direct an das Schwefelatom: OH—S—OH
Formeln, wie etwa O H — 0 — S — 0 — O H , für das Schwefelsäurehydrat werden dadurch ausgeschlossen.
Die Sulfone sind färb- und geruchlose, krystallisirbare Verbindungen von ausserordentlich grosser Beständigkeit, in kaltem Wasser unlöslich, in Alkohol und Aetlier mehr oder weniger leicht löslich, bei hohen Temperaturen unzersetzt destillirbar. Von wässerigen Alkalien werden sie weder gelöst, noch werden sie beim Kochen damit verändert (Ausnahmen bei fett-aromatischen Sulfonen vgl. S. 145); beim Schmelzen mit Kali 1 zerfallen sie unter Bildung von schwefligsaurem Alkali, Phenolen und Kohlenwasserstoffen, wie Diphenyl. Beim Erwärmen mit concentrirter Schwefelsäure werden sie unter Bildung von Sulfosäuren — z. B. Benzolsulfosäure aus Sulfobenzid (C,.H 5 ) 2 S0 2 — gespalten. Die Sulfone der hochmethylirten Benzolkohlenwasserstoffe werden beim Erhitzen mit concentrirter Salzsäure unter Druck in Schwefelsäure und den Kohlenwasserstoff gespalten 2 — z. B. Sulfodurid {(CH 3 ) 4 C G H) 2 S0 2 in Schwefelsäure und Durol. Von nascirendem Wasserstoff sowohl, wie von anderen, weit energischer wirkenden Beductionsmitteln (vgl. Diphenylsulfon, S. 145) werden die Sulfone nicht verändert. Phosphorpentachlorid wirkt in höherer Temperatur unter Spaltung, z. B.: C 0 H 5 ;SO 2 -C 6 H 5 + PC15 = C 6 H 5 -S0 2 -C1 + C1-C 6 H 5 + PC13. D i p h e n y l s u l f o n 3 C 6 H 5 • S 0 2 • Cr,H5 ( S u l f o b e n z i d ) krystallisirt in weissen, durchsichtigen Blättchen, schmilzt bei 128", siedet unter 1 8 m m Druck bei 232-5" 1
OTTO, B e r . 1 9 , 2 4 2 5
2
V g l . JACOBSEN u. SCHNAPAUFF, Bei'. 1 8 , 2 8 4 3 ( 1 8 8 5 ) . — JACOIISEN, B e r . 2 0 , 9 0 0 ( 1 8 8 7 ) .
(1886).
3 MITSCHERLICH, P o g g . 3 1 , 6 2 8 ( 1 8 3 4 ) . — FREUND, A n n . 1 2 0 , 8 1 ( 1 8 6 1 ) . — OTTO, A n n . 1 3 6 , 1 5 4 ( 1 8 6 5 ) ; 1 4 1 , 9 3 ( 1 8 6 6 ) ; 1 4 5 , 28 ( 1 8 6 8 ) . B e r . 1 8 , 2 4 8 ( 1 8 8 5 ) . — STENHOUSE, A n n . 1 4 0 , 2 8 9 (1866). — KEKUL£, Ztschr. O h e m . 1 8 6 7 , 195. — KRAFFT u . VORSTER, B e r . 2 6 , 2 8 1 3 ( 1 8 9 3 ) .
Fett-aromatische
Sulfone.
145
und ist in kaltem Alkohol ziemlich schwer, in heissem Alkohol leicht löslich. Während es durch Erhitzen mit Schwefel (bezw. Selen) leicht in Diphenylsulfid C 6 H 5 -S-C 6 H 5 (bezw. Diphenylselenid) übergeführt wird, kann man es mit gelbem Phosphor auf 250° erhitzen, ohne dass ihm der Sauerstoff entzogen würde; ebenso destillirt es aus seinem Gemenge mit Zinkstaub unverändert ab. Kocht man es in Xylollösung mit metallischem Natrium, so wird es in benzolsulfinsaures Natrium und Diphenyl zerlegt: 2 C 0 H 5 • S0 2 • C 0 H 5 + 2 Na = 2C e H 5 -SO,Na 4- C 0 H 5 -C 0 H 5 . — Di-p-tolylsulfon 1 CH3• C!6H4• S0 2 • C„H4• CH3 ( p - S u l f o t o l u i d ) schmilzt bei 158° und siedet unzersetzt bei 405°.
B.
Fettaromatische
Sulfone.
Die fettaromatischen Sulfone kann man gewinnen, indem man fettaromatische Sulfide (Alkyläther von Thiophenolen) mit Kaliumpermanganat oxydirt: C 6 H ä -S-C ä H 5 + Oa =
C 6 II,-S0 2 -C 2 H 5 ,
oder indem man auf sulfinsaure Salze Halogenalkyle einwirken lässt 2 : ( V V S O a - N a + Br - C 2 H 5 = C„H 5 -S0 2 -C 2 H 5 + NaBr;
in dieser Weise sind auch Disulfone etc. gewinnbar, z. B.: 2C 6 H 5 -S0 2 -Na +
Br-CH 2 C 0 II 5 -SO 2 -CII, i = + 2 NaBr. Br-CH a O0Hr, • SO, • CH 2
Bei dem Studium solcher Disulfone (vgl. Bd. I, S. 572—574, 575) hat sich herausgestellt, dass diejenigen Disulfone, welche die beiden Sulfurylreste an benachbarte Kohlenstoffatome gebunden enthalten, wie das Aethyleridiphenyldisulfon C 6 H 5 - S 0 2 - C H 2 - C H 2 - S 0 2 - C 6 H ä , sich von den übrigen Sulfonen durch ihre ausserordentlich leichte Verseifbarkeit 3 wesentlich unterscheiden; schon durch Erwärmen mit sehr verdünnten wässerigen Alkalien werden sie zerlegt, indem eine Sulfogruppe als Sulfinsäure abgespalten wird: C 3 H 5 -SO,-CH 2 | + KOH = C 6 H 5 -S0 2 -K + 0H-CII 2 -CH 2 -S0 2 -C 6 H ; . C 0 Ii 5 -SO 2 CH 2
Im Gegensatz dazu bleibt z. B. das Trimethylendiphenylsulfon C 6 H ä -S0 2 CH 2 -CH 2 -CH 2 -S0 2 -C;,H 5 , dessen Sulfurylradicale weiter von einander getrennt sind, unter diesen Bedingungen unverändert, erleidet aber eine analoge Spaltung, wenn man es mit alkoholischem Kali auf 115—120° erhitzt. 1
OTTO U. GRUBER, A n n . 1 5 4 ,
2
OTTO, Ber. 13, 1272 (1880).
3
V g l . : OTTO U. DAMKÖHMK, J . p r . [ 2 ] 3 0 ,
193 (1869). —
B e r . 2 0 , 1 8 5 ( 1 8 8 7 ) . — STÜFFER, B e r . 2 3 , (1891). 1124
—
BAUMANN,
ebenda,
2272.
—
OTTO, B e r . 1 2 , 1 1 7 5
(1870).
185, 3 2 1 ( 1 8 8 4 ) . — OTTO U. KÜSSINO,
1408, 3 2 2 6 (1890). —
OTTO, B e r . 2 4 , 1 8 3 2
V g l . a u c h BAUMANN u n d WALTER, B e r .
28,
(1893).
M E T E R U. J A C O B S O N ,
org. Chem. n.
10. (November 94.)
146
Nitrosoverbindungen.
P h e i i y l m e t h y l s u l f o i i 1 C 6 H 5 • SO., > CH 3 schmilzt bei 88", löst sich sehr leicht in kaltem Benzol und Alkohol, nicht in kaltem Wasser, kann aber aus siedendem Wasser umkrystallisirt werden. — P h e n y l i i t h y l s u l f o i i 2 C 6 H S • S 0 2 • C.,II 5 schmilzt bei 42° und siedet unzersetzt oberhalb 300°. — A e t h y l e u d i p l i e u y l d i s u l f o n 3 " C 6 H 5 • S 0 2 • CH 2 • CH„ • SO, • C 6 H 6 schmilzt bei 180°, löst sich sehr wenig in heissem Wasser, sehr reichlich in siedendem Eisessig und setzt sich mit Cyankalium unter Bildung von Benzolaulfinsäure und Aethylcncyanid um (Spaltung durch Alkalien vgl. S. 145). Plieiiylsulfonessigrsäure 4 C 6 H 5 • SO* • CH 2 • CO..H bildet farblose Nadeln, schmilzt bei 111°, ist in W a s s e r ziemlich leicht löslich und wird durch warme wässerige Kalilauge sehr leicht in Phenylmethylsulfon und Kohlensäure gespalten (vgl. Bd. I, S. 745); ihr A e t h y l e s t e r schmilzt bei 41—42°. — | ? - P l i e n y l s u l f o i i - p r o p i o u s ä u r e 6 C 6 H 6 SO s • CH 2 • CH.,• C 0 2 H bildet glasglänzende T a f e l n , schmilzt bei 123—124° und wird durch Erhitzen mit überschüssigem Kali nicht verändert. P k e n y l s u l f o u a c e t o n 6 C 6 H 5 • S 0 8 • C H , • CO • C H , bildet kleine glänzende Blättchen, schmilzt bei 57—58° und wird von alkoholischer Kalilauge in Methylphenylsulfon und Essigsäure gespalten.
Dreizehntes
Kapitel.
Salpetrigsäure- und Salpetersäurederivate der Benzolkohlenwasserstoffe. (Nitrosoverbindungen. — Nitroverbindungen. — Halogennitroderivate. — Nitrosulfosäuren.)
I. Nitrosoverbindungen. 7
Das Mtrosobenzol C6H5-NO. erhielt zuerst BAEYER 1 8 7 4 in gelöster Form durch Einwirkung von Nitrosylbromid NOBr auf Quecksilberdiphenyl Hg(C6H6)2 in Benzollösung. Die Isolirung der interessanten Substanz in reinem Zustand gelang erst kürzlich BAMBERGER, STORCH und LANDSTEINER, und zwar zunächst aus den Produkten, welche sich bei der Oxydation von Diazobenzol in alkalischer Lösung mit Kaliumferrieyanid oder Kaliumpermanganat bilden. Das Nitrosobenzol bildet 1
OTTO, B e r . 1 8 , 1 5 6 ( 1 8 8 5 ) . — MICHAEL U. PALMEB, B e r . 1 8 o, 6 5 ( 1 8 8 5 ) .
2
BECKMANN, J . p r . [ 2 ] 1 7 , 4 5 7 ( 1 8 7 8 ) . — OTTO, B e r . 1 3 , 1 2 7 4 ( 1 8 8 0 ) .
3
EWEBLÖF, B e r . 4 , 7 1 7 ( 1 8 7 1 ) . —
— OTTO U. DAMKÖHLEB, J . p r . [ 2 ] 3 0 ,
OTTO, B e r . 1 3 , 1 2 7 9 ( 1 8 8 0 ) ; 2 7 , 1 7 4 , 321 (1884). — R . u. W .
3055 (1894).
OTTO, B e r .
21,
1 6 9 3 ( 1 8 8 8 ) . — OTTO U. TROEGEK, B e r . 2 6 , 9 4 4 ( 1 8 9 3 ) . 4
CLAESSON, B e r . 8 , 1 2 2 ( 1 8 7 5 ) . —
GOMEY, B e r . 1 6 , 2 3 0 0 ( 1 8 8 3 ) . — MICHAEL U. PALMEB, B e r . 1 8 c , 3138 (1886). —
GABRIEL, B e r . 1 4 , 8 3 3 ( 1 8 8 1 ) . — MICHAEL U.
OTTO U. DAMKÖHLEB, J . p r . [ 2 ] 3 0 ,
3 8 0 ( 1 8 8 5 ) . — OTTO, B e r . 1 8 ,
OTTO U. RÖSSING, B e r . 2 2 ,
1447, 1 4 5 3 (1889);
23,
MICHAEL, B e r . 2 3 , 6 6 9 (.1890). — EÖSSING, J . p r . [2] 4 1 , 3 6 9 ( 1 8 9 0 ) . 5
R . OTTO, B e r . 2 1 , 9 5 ( 1 8 8 8 ) .
6
OTTO, B e r . 1 9 , 1 6 4 1 ( 1 8 8 6 ) . —
OTTO U. RÖSSING, B e r . 2 3 , 7
752
339
154 (1885);
R . u . W . OTTO, J . p r . [ 2 ] 3 6 ,
(1884). 10,
—
1641,
1 6 4 7 (1890).
—
— 401 (1887).
—
(1890).
BAEYER, B e r . 7 , 1 6 3 8 ( 1 8 7 4 ) . —
ABONHEIH, B e r . 1 2 , 5 1 0 ( 1 8 7 9 ) . — BAMBEBQER
u . STOBCH, B e r . 2 6 , 4 7 2 ( 1 8 9 3 ) . — BAMBEBGEB U. LANDSTEINER, e b e n d a , 4 8 2 . — BAMBEBOER. B e r . 2 7 , 1 1 8 2 , 1 2 7 3 , 1 3 4 7 , 1 5 5 5
(1894).
147
Nitrosobenxol.
sich indess bei dieser Reaction und ähnlichen Umwandlungen von Diazoverbindungen nur in geringer Menge; dagegen kann es heute verhältnissmässig leicht aus dem seither entdeckten Phenylhydroxylamin C 6 H 6 -NH(0H) (vgl. S. 245) durch Oxydation mit kaltem Chromsäuregemisch erhalten werden. Nitrosobenzol bildet f a r b l o s e , wasserhelle, glasglänzende Krystalle, welche bei 67-5 — 68° zu einer s m a r a g d g r ü n e n Flüssigkeit schmelzen und ebenfalls in Lösungsmitteln — Aether, Ligrom etc. — sich mit g r ü n e r F a r b e auflösen; beim Erstarren der geschmolzenen Substanz oder bei der Krystallisation aus den grünen Lösungen erhält man wieder farblose Krystalle (vgl. ähnliche Farbenerscheinungen bei den Pseudonitrolen, Bd. I, S. 259). Nitrosobenzol besitzt einen äusserst intensiven, stechenden Geruch, der dem Geruch der Senfole und der Cyansäure ähnlich ist, und ist ausserordentlich leicht flüchtig — selbst mit den Dämpfen von Aether. Es liefert bei der Reduction Anilin und condensirt sich mit Anilin in essigsaurer Lösung zu Azobenzol: C 6 H,-NO + NH a • C8H5 = II 2 0 + C a H s • N : N - C 9 H 5 .
F ü r das Nitrosobenzol könnte ausser der Formel C fl H s —NO, welche es als wahre Nitrosoverbindung (vgl. Bd. I , S. 259) erscheinen lässt, allenfalls noch die Formel: N
I!
CH
CH
CH
CH
0
H
in Betracht kommen. Durch Oxydation von Chinondioximen sind Verbindungen erhalten worden, welche als Para-Dinitrosoderivate der Kohlenwasserstoffe oder als Hyperoxyde der Chinondioxime angesehen werden können 1 , z. B. : NO
N
i
CH X
I es/
1
/CH
/ I
NO
' ÖH
0
CH
CH
'CH
I
bezw.
L
N-
-0
d a die letztere Auffassung die wahrscheinlichere ist, so sollen sie erst bei den Hydroxylaminderivaten der Ohinone besprochen werden. 1 Vorläufige Mittheilung über Orthodinitroaoderivate vgl. Noeltinq u. Kohn, Cöthener Chem.-Ztg. 18, 1095 (1894).
10*
148
Nünning.
II. Nitroverbindungen, (leren Nitrogruppen im Kern gebunden sind. Diejenige Methode, welche zur Entdeckung der aliphatischen Nitroverbindungen (vgl. Bd. I, S. 253) führte, — die Umsetzung von Halogenverbindungen mit Silbernitrit — ist zur Gewinnung von aromatischen, im Kern nitrirten Verbindungen wegen der Reactionsträgheit der aromatisch gebundenen Halogenatome (vgl. S. 113—114) nicht anwendbar. Allein es ist schon häufig erwähnt worden, dass in der aromatischen Reihe ganz allgemein die Einführung der Nitrogruppe weit einfacher gelingt, dass es ein specifisches Kennzeichen der aromatischen Verbindungen ist, bei der d i r e c t e n B e h a n d l u n g m i t S a l p e t e r s ä u r e an Stelle von Wasserstoffatomen des Kerns Nitrogruppen eintreten zu lassen. D a nun die Nitrogruppen wiederum der mannigfachsten Metamorphosen sich fähig erweisen, wie weiter unten gezeigt werden soll, so h a t die N i t r i r b a r k e i t für den Ausbau der aromatischen Gruppe ähnliche, aber noch grössere Bedeutung erlangt, wie die S u l f u r i r b a r k e i t , deren Wichtigkeit im vorhergehenden Kapitel hervorgehoben wurde (vgl. S. 132— 134). Auf dem Wege, den der synthetisch arbeitende Chemiker einschlägt, um von einer aromatischen Stammsubstanz zu irgend einem beliebigen Derivat zu gelangen, finden wir in weitaus den meisten Fällen als erste Station eine Sulfosäure oder eine Nitroverbindung. Dementsprechend steht denn auch unter den Fabrikationsmethoden, deren sich die Technik zur Herstellung von Zwischenprodukten für die Theerfarbenindustrie bedient, die Nitrirung in erster Reihe; in den Fabriken werden täglich Kohlenwasserstoffe, Sulfosäuren, Phenole, Amine etc. in allergrösstem Massstab der Nitrirung unterworfen. Die Methode der d i r e c t e n N i t r i r u n g wandte MITSCHEKLICH 1 1834 auf ihr einfachstes Beispiel an, indem er Benzol in Nitrobenzol durch Einwirkung von rauchender Salpetersäure überführte. Zur Nitrirung 2 der Benzolkolilenwasserstoffe bedient man sich heute — im Laboratorium sowohl wie in der Technik — meist eines Gemisches von concentrirter bezw. rauchender Salpetersäure mit concentrirter Schwefelsäure. Durch den Zusatz der Schwefelsäure verhindert man die abschwächende Wirkung, welche das bei der Nitrirung sich bildende W a s s e r : C0H0 + 0 H - N 0 2
=
08H5-N02 +
H20
auf den Verlauf der Nitrirung bei alleiniger Verwendung der Salpetersäure ausüben würde, und nutzt daher die Salpetersäure weit vollständiger aus. Von der Stärke der angewendeten Säuren, der Temperatur während der Nitrirung und der Natur des Ausgangsmaterials hängt es 1 Berz. Jb. 1 5 , 429. - A l l g e m e i n e s über Nitrirungen vgl. in LASSAR-COHN'S Arbeitsmethoden für organisch-chemische Laboratorien (2. Aufl., H a m b . u. L e i p z i g 1893), S. 326 ff.
Constitution
und Eigenschaften
der
149
Nitrokih-per.
ab, ob e i n e Nitrogruppe oder mehrere von jedem Benzolkern aufgenommen werden (vgl. als Beispiele S. 158 die Darstellungsvorschriften). F ü r sehr energische Nitrirungen — z. B. die Herstellung von Trinitrobenzol aus Benzol 1 — wendet man ein Gemisch von rauchender Salpetersäure mit stark anhydridhaltiger Schwefelsäure (Pyroschwefelsäure) bei höherer Temperatur an. Auch bei der Nitrirung zeigt es sich, dass die Homologen des Benzols leichter substituirt werden, als das Benzol selbst (vgl. S. 116); so lässt sich das Mesitylen "durch Salpeterschwefelsäure schon in der Kälte zu Trinitromesitylen nitriren. Untersuchungen über den zeitlichen Verlauf der Nitrirung, die Abhängigkeit des NitrirungaVerlaufs von der Siiureconcentration etc. vgl. im Original 2 .
Neben der directen Nitrirung haben a n d e r e B i l d u n g s w e i s e n von N i t r o v e r b i n d u n g e n kaum irgendwelche praktische Bedeutung. Als theoretisch interessant sei indess erwähnt, dass man vermittelst der Diazoreaction die Amidgruppe gegen die Nitrogruppe auswechseln kann (vgl. Kap. 20), und dass man aus Anilin C c H ä (NH 2 ) auch durch Einwirkung von Oxydationsmitteln 3 Nitrobenzol erhalten hat. Von Chinonen kann man zu den entsprechenden Para-Dinitroverbindungen — z. B. vom Benzochinon C ( .H 4 0 2 zum Para-Dinitrobenzol C(.H4(N02)„ — durch Oxydation der Cliinondioxime gelangen: eine Reaction, welche für manche Para-Dinitroverbindungen auch als Darstellnngsmethode empfehlenswerth ist. Die durch directe Einführung der Gruppe —NO., an Stelle von Wasserstoff entstehenden aromatischen Nitroverbindungen sind nicht etwa als Salpetrigester, wie O c H 6 —O-NO, sondern als wahre Nitrokörper, wie C,.H-—N0 2 , aufzufassen, deren Nitrogruppe vermittelst ihres Stickstoflatoms direct an ein Kohlenstoffatom des Benzolkerns geknüpft ist. Es ergiebt sich das zunächst aus ihrer Unverseifbarkeit ; so kann man Nitrobenzol mit Wasser längere Zeit auf 200° erhitzen, ohne dass das Wasser eine saux-e Reaction annimmt 4 . Vor Allem aber zeigt die Reducirbarkeit jener Nitroverbindungen zu Amidoverbindungen: C0H5NO,
C„H ä -KH,,
dass ihr Stickstoffatom in directer Bindung mit dem Benzolkern steht. Die Mononitroderivate der niederen Benzolkohlenwasserstotfe sind tlieils Flüssigkeiten, tlieils krystallinische Verbindungen von starkem, bittermandelölartigem Geruch, in Wasser wenig oder nicht löslich, in Alkohol und Aetlier leicht löslich; sie sind mit Wasperdämpfen flüchtig 1
IIEPP, Ann. 2 1 5 , 345 (1882). Ann. 2 2 4 , 2 8 3 ( 1 8 8 4 ) . — f. physik. Chem. 2, 676 (1888). 3 PRUDHOMME, Bull. [ 3 ] 7 , 6 2 1 ( 1 S 9 2 ) . 2
(1893). 4
SPINDLER,
—
0.
Vgl.
FISCHER SPINDI.ER,
u.
TROST,
Ber.
26,
GIERSBACH,
—
308S
A n n . 2 2 4 , 297 (1884).
KESSLER
BAMBE^EI: (1S931.
u.
U.
L . MEYER,
MEIMBERG.
Ber.
Ztschr. 26,
496
150
Umivandlungen
der
Niirokörper.
und sieden auch für sich grösstentheils unzersetzt. Verbindungen mit mehreren Nitrogruppen sind in der Regel unter gewöhnlichem Druck nicht unzersetzt destilliibar, sondern zersetzen sich in höherer Temperatur unter mehr oder weniger heftiger Verpuffung. Die Nitroderivate der Kohlenwasserstoffe sind meist farblos oder schwach gelb gefärbt. Verbindungen mit mehreren Nitrogruppen haben häufig die Eigenschaft, mit Theerkohlenwasserstoffeu, wie Benzol, Naphtalin, Anthracen etc., zu gut krystallisirbaren Additionsprodukten zusammenzutreten 1 , welche wieder leicht in ihre Componenten zerfallen; so bildet Paradinitrobenzol mit Naphtalin die Verbindung C 6 H 4 (N0 2 ) 2 . C 1 0 H e , 1.3.5-Trinitrobenzol mit Benzol das Additionsprodukt C 6 H s (N0 2 ) 3 .C 6 H 6 etc.; symmetrische Trinitroderivate bilden auch mit aromatischen Basen krystallisirte Doppel Verbindungen 2 , wie C 6 H 3 (N0 2 ) 3 . C e H 6 (NH 2 ). Vgl. auch unter Pikrinsäure. Trinitrobenzol giebt m i t A l k a l i e n e i n e i n t e n s i v r o t h e F ä r b u n g 3 , welche unzweifelhaft auf Salzbildung beruht.
Unter den U m w a n d l u n g e n der N i t r o k ö r p e r sind von besonderer Wichtigkeit die mannigfachen Veränderungen, welche sie unter der E i n w i r k u n g von R e d u c t i o n s m i t t e l n erleiden können. Schon durch Kochen mit alkoholischen Alkalien tritt Reduction ein; unter theilweiser Entziehung des Sauerstoffs treten zwei Molecüle zusammen, und es entstehen aus den Mononitroderivaten der Kohlenwasserstoffe die einfachen Azoxyverbindungen, wie Azoxybenzol C 6 H.—N—N—C 6 H. aus
\ /
Nitrobenzol C 0 H 6 -N0 2 .
°
Bei der Behandlung von p-Nitrotöluol 4 — und anderen Nitroverbindungen, deren Nitrogruppe zu einer Methylgruppe sich in Parastellung befindet 5 , — mit alkoholischem Alkali wird der für Reductionsprocesse verwendete Wasserstoff theilweise den Methylgruppen entnommen; man erhält Nitro- bezw. Nitroso- oder Azoxyderivate des Dibenzyls C 6 H 6 • CH 2 • CH 2 • C 6 H 6 und Stilbens C„H6 • C H = C H • C 6 H 6 .
Stärker wirkende a l k a l i s c h e Reductionsmittel, wieNatriumamalgam oder alkoholische Alkalien mit Zinkstaub, entziehen den Sauerstoff vollständig oder führen eventuell noch Wasserstoff zu; so entstehen Azoverbindungen und Hydrazoverbindungen, z. B. aus Nitrotoluol CH3-C0H4N0 2 das Azotoluol CHS• C e R 4 • N = N • C0H4• CH3 und Hydrazotoluol CH3C 6 H 4 -NH-NH-C 6 H 4 -CH 3 . Während also bei der Reduction mit alkalischen Mitteln unter Sauerstoffentziehung Zusammentritt von zwei Molecülen der Nitroverbindung erfolgt, wirken energische, s a u r e reducirende Agentien — Gemische von Zinnchlorür oder Zinn mit Salzsäure, Eisen mit Essigsäure, Eisen mit Salzsäure, Zink mit Essigsäure etc. — in einfacherer Weise, nämlich derart, dass sie in meist heftig verlaufender Reaction die Nitrogruppe in die 1
Vgl. H E P P , Ann. 216, 375 (1882). Vgl. H E P P , Ann. 2 1 6 , 356, 365, 372 (1882). — B A U E , Ber. 2 4 , 2838 (1891). 8 Vgl. V. MEYER; Ber. 2 7 , 3157 (1894). — Ueber Salzbildung von Polynitroverbindungen vgl. Nitroderivate der Benzoesäure. 4 Vgl. 0 . FISCHER u. H E P P , Ber. 2 6 , 2231 (1893). 6 Vgl. NOELTING U. STRICKER, Ber. 21, 3144 (1888). 8
Reduction
der
151
Nitrokörper.
Amidgruppe verwandeln; so geht Nitrobenzol C 6 H 5 (N0 2 ) in Anilin CGH5 (NH2), Dinitrobenzol C G H 4 (NO,) 2 in Phenylendiamin C G H 4 (NH 2 ) über. Auch durch Schwefelammonium können Nitrogruppen in Amidgruppen übergeführt werden. Näheres über Wirkungsweise und Anwendung dieser Reductionsmittel vgl. im folgenden Kapitel (S. 164—167). Auch von Diamid NIT2 • NIL wird Nitrobenzol in alkoholischer Lösung zu Anilin reducirt1.
Diesen längst bekannten und vielfach ausgebeuteten Reductionsprocessen haben neuere Untersuchungen die Kenntniss eines höchst interessanten Reductionsverlaufs zugesellt, bei welchem die Nitrogruppe — N 0 2 in den Hydroxylaminrest —NH(OH) verwandelt wird 2 . So wird Nitrobenzol in Phenylhydroxylamin (S. 2 4 5 ) umgewandelt ( B A M B E R G E R , WOHL): 06HS-N02 + 4H
=
C0HJ • NH(OH) + HSO ,
wenn man dasselbe mit Zinkstaub und Wasser oder verdünntem Alkohol erhitzt; das Zink wird dabei in Zinkhydroxyd verwandelt, und die Reaction wird wesentlich durch den Zusatz solcher, annähernd neutraler Salze (Chlorcalcium, Chlormagnesium, Chlorzink) befördert, die sich mit dem Zinkhydroxyd zu unlöslichen basischen Doppelsalzen vereinigen. Die Bildung des Phenylhydroxylamins ist wahrscheinlich auch bei anderen Reductionsvorgängen anzunehmen, entzieht sich aber meist der directen Beobachtung, da Phenylhydroxylamin weder gegen Säuren noch Alkalien beständig ist. Durch eine weitere Veränderung des primär gebildeten Phenylhydroxylamins erklärt sich der eigenthümliche Reductionsverlauf, welcher neuerdings für die elektrolytische Réduction der Nitrokörper in schwefelsaurer Lösung festgestellt wurde 3 . Wenn man z. B. eine Lösung von Nitrobenzol in concentrirter Schwefelsäure durch ein Diaphragma von concentrirter Schwefelsäure abtrennt, in die Nitrobenzollösung die Katode, in die Schwefelsäure die Anode steckt, so bildet sich während der Elektrolyse an der Katode schwefelsaures Para-Amidophenol C 6 H 4 (OH)(NH 2 ) ( G A T T E R M A N N U. KOPPERT), bezw. bei Anwendung stärkerer Schwefelsäure Amidophenolsulfosäure C 0 H 3 (OH)(NH 2 )(SO 3 H) ( N O T E S u. C L É M E N T ) . Die Reaction beruht darauf, dass sich als intermediäres Produkt der Réduction Phenylhydroxylamin C 0 H 6 -NH(OH) bildet, welches sich in saurer Lösung zu Amidophenol umlagert (vgl. S. 244): H-C 6 H 4 -NH(OH)
OH-C c H 4 XH 2 .
Noch sonderbarer verläuft die elektrolytische Reduction bei dem P a r a 1
v. ROTHENBUHO, Ber. 26, 2060 (1893).
2
BAMBERGER, B e r . 2 7 ,
3
GATTERMANN U. KOPPEKT, Cothener Chem.-Ztg. 1 8 9 3 , 210.
1 8 4 8 , 1 5 4 8 ( 1 8 9 4 ) . — WOHL, e b e n d a ,
( 1 8 9 3 ) . — NOYE8,U. CIXMENT, B e r . 2 6 , 9 9 0 ( 1 8 9 3 ) . — (1893); 2 7 , 1927 (1894).
1432.
Ber. 2 6 , 2810
GATTERMANN, B e r . 2 6 ,
1844
152 JSIitrotoluol (GATTERMANN U. KOPPEHT); indem sich das wohl zunächst gebildete p-Tolylhydroxylamin CH 3 -C c H 4 -NH(OH) zu Amidobenzylalkohol CH2(OH)• C 0 H 4 • NH 2 umlagert, letzterer aber unter der Einwirkung der cnncentrirten Schwefelsäure sich mit noch unverändertem Nitrotoluol condensirt: NH 2 • C6H< • CHJ(OH) + C 6 H 4 (CH 3 XN0 2 ) = H 2 0 + NH 4 • C 6 H 4 • CH 2 • C 6 H 3 (CH 3 XNO,),
entsteht ein Nitroamidobenzyltoluol. Da auf einfachem Wege ganz allgemein durch die S. 150—151 erwähnten Reductionsmittel die Verwandlung von Nitrogruppen in Amidgruppen möglich ist, da ferner, die Amidogruppen vermittelst der später zu besprechenden Diazoreactionen (Kap. 20) gegen alle möglichen anderen Substituenten ausgewechselt werden können, so wird es begreiflich, in welcher Weise die aromatischen Nitrokörper ihre grosse Bedeutung für die Verwandlung der aromatischen Kohlenwasserstoffe in Abkömmlinge der verschiedensten Art erlangen. Eine d i r e c t e A u s w e c h s e l u n g der Nitrogruppen gegen andere Gruppen gelingt dagegen in den meisten Fällen — und besonders bei Mononitroverbindungen — nicht. — Unter den Verbindungen mit mehreren Nitrogruppen haben die O r t h o - und P a r a - D i n i t r o v e r b i n d u n g e n die Eigentümlichkeit 1 , e i n e ihrer zwei Nitrogruppen unter Abspaltung von salpetriger Säure beim Kochen mit Natronlauge gegen Hydroxyl: -NO., —NOj
+ NaOH
-OH + NaNOj, -NO,
bei der Einwirkung von alkoholischen Alkalien gegen Alkoxyl und bei der Einwirkung von Ammoniak bezw. Anilin gegen den Amid- bezw. Anilinrest auszutauschen: ^ ) - N O s + NH 2 -C 6 H 5 = C l — / ^-XO,
^>-N02
+ HNO,,
\NH-C6II5
Bei Gegenwart von mehr als zwei Nitrogruppen ist der Eintritt derartiger Ecactionen auch möglich, ohne dass Nitrogruppen in Ortho- oder Para-Stellung zu einander sich befinden; so geht symmetrisches Trinitrobenzol ( 1 . 3 . 5 ) schon bei gewöhnlicher Temperatur durch Einwirkung von Natriummethylat in methylalkoholischer Lösung allmählich in Dinitroanisol C 6 H 3 (N0 2 ) 2 (0• CH 3 ) über 2 . Bei der Einwirkung von Halogenen mit oder ohne Halogenüberträger auf Nitroverbindungen sind mehrfach Verdrängungen der Nitrogruppen durch Halogenatome — eventuell unter gleichzeitiger weiterer Substitution von Wasserstoffatomen durch 1 LAUBENHEIMER, Bor. 9, 1826 (1876); 11, 1155 (1878); 15, 597 (1882).— HEPP, Ann. 215, 874 (1882). — LOBRY DE BRUYN, Ree. trav. chim. 9, 210 (1890); 13, 118 (1894). 2 LOBRY DE BRUYN, Ree. trav. chim. 9, 208 (1890); 13, 118 (1894).
hiiteratwstellen für Nitroderivate der Benzolkohlenwasserstoffe.
158
Halogen — b e o b a c h t e t S o kann man aus den drei isomeren Dinitrobenzolen durch Erhitzen mit Brom die correspondirenden Bromnitrobenzole, aus Dinitrobenzol durch Erhitzen mit Brom und Eisenchlorid das Perbrombenzol erhalten, etc.
In manchen Fällen beobachtet man, dass die Gegenwart von Nitrogruppen auf andere Theile des Molecüls aromatischer Verbindungen einen wesentlich modificirenden Einfluss ausübt; die Beeinflussung von aromatisch gebundenen Halogenatomen ist S. 1-61 noch eingehender zu besprechen. Hier sei erwähnt, dass Wasserstoffatome des Benzolkerns in manchen Fällen durch die Gegenwart von Nitrogruppen zu Hydroxylgruppen oxydirbar werden 2 . So kann 1. 3.5-Trinitrobenzol C 6 H 3 (N0 2 ) 3 durch Kaliumferricyanid glatt zu Trinitrophenol C 0 H 2 (OHXNO 2 ) 3 (Pikrinsäure) oxydirt werden. Die Tabelle Nr. 50 auf S. 154 enthält eine grössere Anzahl von Nitroderivaten der Benzolkohlenwasserstoffe zusammengestellt. Von den Xylolderivaten an aufwärts sind wieder hur die durch directe Nitrirung entstehenden Verbindungen aufgeführt. C i t a t c zu d e r T a b e l l e Nr. 50 a u f S. 154. (1835). 1,
—
BRÜHL, A n n .
2
6 5 5 ff. ( 1 8 8 7 ) .
(1881).
—
KOPP, A n n .
19,
2900 (1886)
—
KÖRNE«, J b . 1 8 7 5 , 3 3 0 . —
9
(1892). 266
4
188
—
HOPMANN,
98,
369
—
DEVILLE, A n n .
13
Ann.
57,
8
MITSCHERLICH, Berz. J b . 15, 429
1
NEUBECK, Z t s c l i r . f. p h y s i k .
(1856). —
Journ.
Soc.
ETARD, A n n .
6
57,
253
(1890).
Chem.
ch. [5] 2 2 ,
—.
272
CIAMICIAN
7
u.
STOCKHAUSEN u . GATTERMANN, B e r . 2 5 , 3 5 2 2 ( 1 8 9 2 ) .
10
LOBRY DE BRUYN, Ztsclir. f. p h y s i k . C h e m . 1 0 , 784 7,
ch.
2 1 4 (1846).
—
8
RINNE U. ZINCKE, B e r .
L:
(1893).
(1880).
HENDERSON u . CAMPBELL,
6
SILBER, B e r .
—
—
200,
1372
[3] 3 ,
—
(1874). 177,
—
L O B R Y DE B R U Y N , B e r .
12
187 (1841).
—
14
B E I L S T E I N U. K U R B A T O W ,
15
26,
MUSI-RATT U. A .
Ann. 176,
43
W.
(1874).
— 16 LOBRY DE BRUYN, Ree. trav. cliim. 2 , 205 (1883). — 17 REISSERT, Ber. 2 3 , 2243 (1890). — 18 V. MEYER U. STADLER, Ber. 17, 2649 Anm. (1884). — 19 RUDNEW, Ztsclir. Chem. 1871,
203.
(1891).
—
—
MANN, B e r .
7,
SCHIFF, A n n .
416
KEHRMANN, B e r . —
LOBRY
27
( 1 8 8 2).
—
32
(1874).
20,
29
—
615
DE B R U Y N ,
Ber.
223,
Ree.
155,
25,
608
259,
(1892).
261,
—
—
trav.
—
1 (1870).
—
chim. 31
STRENG, B e r . 2 4 , 1 9 8 7 ( 1 8 9 1 ) . —
R E V E R D I N U. NOELTINQ, B e r . 1 2 ,
869
9,
trav.
184 (1890). chim.
9,
—
208
(1874). —
(1890).
—
30
—
85
NOELTINO U. W I T T ,
972
GRUHEN-
NIETZKI U.
25
21,
430
(1888).
215,
344
BEILSTEIN 50,
v . RICHTER, B e r . 1 9 , 1 0 6 0 ( 1 8 8 6 ) . —
4 4 3 (1879).
24 ,
HEPP, A n n .
28
R E V E R D I N U. DE LA H A R P E , B u l l . 33
Ber.
W U R S T E R U.
23
NIETZKI U. GUITERMANN, B e r .
26
Ree.
JANOWSKY,
21
264 (1884).
R I N N E U. ZINCKE, B e r . 7 ,
24
(1887).
L O B R Y DE B R U Y N ,
KUIILBERQ, A n n . —
WII.LQEHODT,
20
R.
22
44
MONNET,
84
Ber.
U.
(1888).
18,
1336
(1885). — 3 6 BUCHKA, Ber. 2 2 , 829 (1889). — 37 JAWORSKY, Ztschr. Chem. 1 8 6 5 , 223. — 3 8 SALKOWSKY, Ann. 1 7 4 , 267, 274, 282 (1874). — 3 9 MILLS, Philosophical Magazine [5] 1 4 ,
1
(1882).
—
40
0.
B e r . 1 8 , 2 6 6 8 (1885). — B e r . 1 7 , 2 4 2 2 (1884). — 176,
55 (1874).
148,
4 (1868).
— —
42
JACOBSEN,
160 (1884).
46
LUHHANN, A n n .
48
BUSSENIÜS U. EISENSTÜCK, A n n .
J o u r n . Soc. 4 5 , 416 (1884). —
1
Ber. 17,
KEKÜL£, A n n .
137,
41
NOELTING
U. F O R E L ,
TAWILDAROW, Ztschr. C h e m . 1 8 * 7 0 , 4 1 8 . — 4 3 GREWINOK, 4 4 HARMSEN, B e r . 1 3 , 1 5 5 8 (Ls8 8 0). — 4 5 JANNASCH, A n n .
50
1 4 4 , 274 (1867).
—
113,
47
F I T T I G U. VELQUTH,
156
(1860).
FITTIG, A n n . 1 4 1 , 1 3 2 ( 1 8 6 7 ) . —
169 (1866).
—
ADOR U. R I L L I E T , J b .
51
—
49
Ann.
TILDEN,
FITTIO U. STORER,
1 8 7 6 , 370.
—
PAGE,
A n n . 2 2 5 , 2 0 8 ( 1 8 8 4 ) . — MAC KERROW U. L . MEYER, B e r . 2 4 , 2 9 3 9 (1891). — LOBRY
DE BRUYN, Ber. 2 4 , 3749 (1891). Ree. trav. chim. 13, 135 (1894). ' HEPP, Ann. 2 1 5 , 352—356 (1882).
154
Tabellar. Zusammetistellung
P
P •e K « 53
to
| © 1
p «
K
p
n* l-H
to
0
\cox
liefert durch Einwirkung von
1 V g l . BRUNNEB, B e r . 6 , 9 6 5 ( 1 8 7 3 ) ; 9 , 1 7 4 4 ( 1 8 7 6 ) . — VAN RENESSE, B e r . 1454 (1876).
9,
160
Phenylnitromethan,
Phenylnitroäthan,
Phenylnilroäthylen. C(NO2)-CH(NO2)-C0H5
salpetriger S ä u r e eine Dinitroverbindung
>
aus w e l c h e r ein S a l p e t e r s ä u r e r e s t durch N a t r o n l a u g e a b g e s p a l t e n wird; das dabei e n t s t e h e n d e N a t r i u m s a l z wird nun durch verdünnte Säuren in P h t a l s ä u r e a n h y d r i d und P h e n y l n i t r o m e t h a n z e r l e g t : /C(0 Na)—CNa(NO a ) • C 6 H 5 C„H/ x
^>0 c o /
+ 2HC1 = C 8 H /
N
> 0 + CH,(NO a ) • C6H6 + 2NaCI. co/
N e u e r d i n g s ist auch für g e s ä t t i g t e Seitenketten der N a c h w e i s ihrer Nitrirbarkeit unter p a s s e n d e n B e d i n g u n g e n erbracht worden. S o erhält m a n aus A e t h y l b e n z o l durch E r h i t z e n mit s c h w a c h e r Salpetersäure (spec. Gew. 1 - 0 7 6 ) auf 1 0 5 — 1 0 8 ° im g e s c h l o s s e n e n R o h r reichliche M e n g e n des P h e n y l n i t r o ä t h a n s C 0 H 5 - C H ( N O 2 ) - C H 3 . A n d e r e r s e i t s konnten a u s den N i t r o v e r b i n d u n g e n der F e t t r e i h e , ind e m m a n sie mit B e n z a l d e h y d C G H 6 - C H 0 in G e g e n w a r t von Chlorzink condensirte, synthetisch Nitroverbindungen der B e n z o l k o h l e n w a s s e r s t o f f e m i t aliphatisch g e b u n d e n e r Nitrogruppe erhalten werden: C9Hä-CH0 + CH3-N02 = C6H5-CH:CH-N02 + H20 C 0 H 5 -CHO + CH 3 • CH 2 -N0 2 = C u H 6 - C H : C - N 0 2 -f- H.,0. CHS P h e n y l i i i t r o m e t h a u 1 C G H 6 -CH 2 -NO., ( v i e r t e s N i t r o t o l u o l , Nitromelhylbenxen) ist eine Flüssigkeit, welche in der Kälte schwach, in der Wärme stechend riecht, auf der Zunge brennt, mit Wasserdämpfen flüchtig ist und bei 225—227° unter geringer Zersetzung siedet; durch Réduction mit Zinn und Salzsäure liefert es Benzylamin., durch Erhitzen mit rauchender Salzsäure auf 150° Benzoesäure und Hydroxylamin. ajfj'-PheiiylnitroUthau 2 C 0 II 5 -CH(N0 2 )-C1I, (iNitro-ll-Aethylbenx.cn) — durch Nitriren von Aethylbenzol (vgl. oben) erhältlich — siedet unter 25 mm Druck bei etwa 135° und besitzt bei 25° das spec. Gew. 1-114, liefert krystallinische Iialiumund Natriumverbindungen und wird durch Réduction mit Zinkstaub in alkalischer Lösung in Phenyläthylamin C 6 H 5 • CH(NH S )-CH 4 verwandelt. PhenylnitroUtliylen 3 C 0 II 5 -CH:CH(NO 2 ) ( N i t r o s t y r o l , Nitro - P-Aethenylbenxen) krystallisirt aus heissem Petroleumäther in gelben Nadeln, besitzt einen durchdringenden Zimmtgeruch, greift die Sehleimhäute des Auges und der Nase heftig an, schmilzt bei 58°, ist mit Wasserdämpfen flüchtig, ;iedet unter starker Zersetzung bei 250—260°, ist. in heissem Wasser wenig löslich, leicht in Aether und Alkohol. Es löst sieh in Alkalien auf, erleidet aber in der alkalischen Lösung bald Zersetzung unter Abspaltung von Benzaldehyd; von starker Schwefelsäure wird es in Benzaldehyd, 1 G A B R I E L , Ber. 1 8 , 1254 (1885); 2 7 , 2738 (1894). — G A B B I E L U. K O P P E , Ber. 1 9 , 1145 (1886). — G. COHN, Ber. 24, 3867 (1891). 2 K O N O W A L O W , Ber. 27 Ref., 194 (1894); vgl. auch ebenda, S . 468. 5 SIMON, Ann. 3 1 , 269 (1839). — B L Y T H u. A. W. H O F M A N N , Ann. 5 3 , 297 (1845). — P R I E B S , Ann. 2 2 5 , 319 (1884). — H . E R D M A N N , Ber. 1 7 , .412 (1884); 2 4 , . 2 7 7 1 (1891). — G A B R I E L , Ber. 1 8 , 2438 (1885). — F R I E D L X N D E R U. M X H L Y , Ann. 2 2 9 , 224 (1885). — F R I E D L Ä N D E R U. L A Z A R U S , ebenda, °33.
Halogennitröverbindungen.
161
Hydroxylamin und Kohlenoxyd, von rauchender Salzsäure in Phenylchloressigsäure C0Ii5 • CHC1 • C0 2 H und Hydroxylamin gespalten, von ChromBäuremischung zu Benzogsäure oxydirt; mit Brom und Chlor vereinigt es sich zu Dihalogeniden, wie C6H5CHBr • CHBrN0 2 ; durch längeres Biegen im Licht wird es polymerisirt. Phenyluitropropylen 1 C6H6 • CH:C(N02) • CHS (Niiro-P-Propenyl-benxen) schmilzt bei 68°. riecht nach Muskatmiss.
IV.
Halogennitröyerbindungen.
Verbindungen, welche zugleich Halogenatome und Nitrogruppen in die Molecüle aromatischer Kohlenwasserstoffe eingeführt enthalten, kann man gewinnen, indem man entweder die Halogenderivate nitrirt, oder umgekehrt Nitroderivate in Gegenwart von Halogenüberträgern 2 chlorirt bezw. bromirt. Es ist sehr bemerkenswert!^ dass diese beiden Bildungsweisen zu stellungsisomeren Verbindungen führen: während man durch Nitriren von Chlorbenzol und Brombenzol ein Gemisch von Ortho- und Para-Halogennitrobenzol erhält, entsteht durch Chloriren bezw. Bromiren von Nitrobenzol Metachlor- bezw. Metabromnitrobenzol. Eigentümlich ist der Einfluss, welchen die Nitrogruppen auf das Verhalten der im gleichen Benzolkern befindlichen Halogenatome ausüben: gegenüber den nicht nitrirten Verbindungen erscheint die Bindung derselben bei gewisser Stellung der Nitrogruppen gelockert (vgl. S. 113—114). Die Halogenatome erlangen die aromatisch gebundenen Halogenatomen sonst nicht zukommende Fähigkeit, gegen andere Gruppen sich in manchen Reactionen leicht und glatt auswechseln zu lassen; so kann man sie durch Kochen mit Alkalien gegen Hydroxyl, mit Ammoniak gegen Amid, mit Anilin gegen den Anilinrest —NH-C c H fi austauschen 3 : C 6 H 4 (N0 2 )-Br + KOH = C 6 H 4 (N0 2 )-0H + KBr + NH3
= C 6 H 4 (N0 2 )-NH 2 + HBr etc.
D i e s e r E i n f l u s s w i r d a b e r von den N i t r o g r u p p e n n u r d a n n a u s g e ü b t , w e n n sie in O r t h o - o d e r P a r a s t e l l u n g z u m H a l o g e n a t o m s t e h e n ; in d e n M e t a v e r - b i n d u n g e n e r w e i s e n sich die H a l o g e n a t o m e n i c h t a l s b e w e g l i c h 4 (vgl. S. 77). 1
PKIEBS, A n n . 2 2 5 , 353 (1884). — H . ERDMANN, B e r . 2 4 , 2 7 7 3 (1891). V g l . : LAUBENHEIMER, B e r . 7 , 1765 (1874). — VARNHOLT, J . pr. [2] 3 6 , 25 (1887). — SCHEUFFELEN, A n n . 2 3 1 , 158 (1885). — F . SCHIFF, Monatsh. 11, 331 (1890). 3 V g l . z. B . : CLEMM, J. pr. [2] 1, 145 (1870). — v . RICHTER, B e r . 4 , 4 6 0 (1871). — WALKER U. ZINCKE, Ber. 5 , 114 (1872). — LEYMAN, B e r . 1 5 , 1233 (1882). — JACKSON U. BANCROFT, Ber. 2 2 , 6 0 4 (1889); 2 3 c, 4 5 8 (1890). — BENTLEY U. WARREN, B e r . 2 3 c , 346 (1890). — F . SCHIFF, Monatsh. 1 1 , 347 (1890). — SCHÖPFF, Ber. 2 3 , 1839 (1890). — LOBRY DE BRUYN, R e e . trav. chim. 9 , 197 (1890). — LELLMANN U. JUST, Ber. 2 4 , 2101 (1891). — NIETZKI U. REHE, B e r . . 2 5 , 3006 (1892). — JACKSON U. BENTLEY, Ber. 2 6 B e f . , 12 (1893). — P . JACOBSON, FERTSCH U. FISCHER, B e r . 2 6 , 682, 6 8 4 (1893). — SCHRAUBE U. ROMIG, e b e n d a , 580. 1
4
V g l . KÖRNER, J b . 1 8 7 5 ,
V . M E Y E K U. J A C O B S O N ,
org. Chem.
365. II.
11 (November 94.)
162
Ghlornitroderivate.
Halogennitroverbindungen mit mehreren Nitrogruppen, wie Bromdiiiitrobenz.il (1.2.4), Tribromdinitrobenzol etc., konnten auch mit Natriummalonsäureester und Natracetessigester in Reaction gebracht werden'. Entgegen der oben aufgestellten Regel hat sich auffallender Weise das CI1I01-atom des Dinitrochlor-pseudocumols: CH„
CH, durch Erhitzen mit Ammoniak oder Anilin nicht austauschen lassen2. Manche Halogennitroverbindungen werden durch Erhitzen mit alkoholischer Cyankaliumlösung derart verändert, ilass die Nitrogruppe austritt, und eine Carboxylgruppe eintritt 3 ; die Carboxylgruppe besetzt aber nicht die vorher von der Nitrogruppe eingenommene Stellung; andere Halogennitroderivate erweisen sich als unfähig zu dieser Reaction. So erhält man aus Parabromnitrobenzol die Metabrombenzoesäure C,jH4Br • CO,H, aus Metabromnitrobenzol die Orthobrombenzoesäure, während endlich Orthobromnitrobenzol nicht mit Cyankaliuin- reagirt (V. v. RICHTER). Metachlornitrobenzol 4 C8H4(N0.,)C1 (Nitro-1-Chlor-3-benxen) — leicht aus Nitrobenzol durch Cblorirung in Gegenwart von Eisenchlorid oder aus Metanitroanilin durch die Diazoreaction erhältlich — bildet rhombische Prismen, riecht stark bittermandelartig, sublimirt leicht, schmilzt bei 44-4°, siedet bei 236° und ist in Benzol leicht, in kaltem Alkohol weniger leicht löslich. — Durch weitere Nitrirung mit Salpeterschwefelsäure entsteht daraus das Chlordinitrobenzol 5 C e H a 01(N0,) 2 f Diniiro-1.2-Chlor-4-ben%en)\ dasselbe bildet drei verschiedene krystallisirte Modificationen, die sich im Schmelzpunkt sehr nahe stehen (36-3°, 37-1° und 38-8°); beim Kochen mit Natronlauge liefert es Chlornitrophenol, bei der Einwirkung von Anilin Chlornitrodiphenylamin (vgl. S. 152). — Clilortriuitrobenzol 6 C6H.,C1(N0,)8 ( P i k r y l c h l o r i d , Trinitro-1.3.5- Chlor-2-benzen) wird aus Pikrinsäure C6H,(OHXNOs), durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid gewonnen, krystallisirt aus Alkohol in fast farblosen Nadeln, schmilzt bei 83°, ist in kochendem Alkohol leicht, in Aether schwer löslich und bildet mit Kohlenwasserstoffen Doppel Verbindungen (vgl. S. 150); beim Kochen mit Soda liefert es wieder Pikrinsäure. Durch Nitriren von Benzylchlorid7 erhält man neben einander Ortho- und Paranitrobenzylchlorid C„H4(N02)(CH,C1); jede der beiden Verbindungen kann 1 HECKMANN, Ann. 2 2 0 , 128 (1883). — v. RICHTER, Ber. 21, 2470 (1888). — C. L. JACKSON U. ROBINSON, Ber. 21, 2034 (1888). — JACKSON u. MOORE, Ber. 22, 990 (1889). — JACKSON, Ber. 2 3 o, 460 (1890).
'
NDTTZKI u . SCHNEIDER, B e r . 2 7 ,
1428
4
v.
7,
4
GBIESS, J b . 1 8 6 3 ,
RICHTER,
Ber.
4,
461 (1871); 424; 1886,
(1894).
1145 (1874);
457. —
u . KUBBATOW, A n n . 1 7 6 ,
44 (1875); 1 8 2 ,
(1875); 9,
VABNHOLT, J . p r . [ 2 ] 3 8 ,
6
766 (1876). —
LAUBENHEIMEB,
• PISANI, A n n . 9 2 , 3 2 6 ( 1 8 5 4 ) . — 7
25
1875,
317. —
BEILSTEIN
LAUBENHEIMEB, B e r . 8 , 1 6 2 1
(1887).
CLEMM, J . p r . [ 2 ] 1 ,
MEBTENS, B e r . 1 1 , 8 4 4
145 (1870).
—
LIEBER-
(1878).
u. GEITNEB, Ann. 139, 337 (1866). — STBAKOSCH, Ber. 6, 1056 (1873). Ber. 17, 385 (1884). — K U M F F F , Ann. 224, 101 (1884).
BEILSTEIN
NOELTINO,
102 (1876). —
1418 (1875).
Ber. 8, 1623 (1875); 9, 760, 768 (1876).
MANN u . PALM, B e r . 8 , 3 7 7 ( 1 8 7 5 ) . — —
8,
KÖBNEB, J b .
Bromnitroderivate.
Nitrosulfonsäuren.
163
auch aus Ortho- bezw. Paranitrotoluol d,urch Chloriren 1 hergestellt werden. O r t h o n i t r o b e n z y l c h l o r i d 2 (Chloromethyl-l-Xitro-2-benzen) bildet rhombische Krystalle, schmilzt bei 49", ist leicht löslich in kaltem Benzol und heissem Alkohol; P a r a n i t r o b e n z y l c h l o r i d (Chlorometkyl-l-Xitro-4 benxen) bildet blätterige Krystalle, schmilzt bei 71° und wird durch Digestion mit einer alkalischen Zinnoxydullösung sehr glatt in Dinitrodibenzyl N0 2 • C 6 H 4 • CII 2 • CI12 • C 6 II 4 • N0 2 übergeführt 3 . Beide Verbindungen erregen auf der Haut ein brennendes Gefühl; durch Einwirkung von alkoholischem Kali liefern sie ausserordentlich leicht Dinitrostilbene 1 : 2NOj• C 6 H 4 • CHSC1 -
2HCl =
N02-C6H4.CH:CHC8H4N0,.
Orthobromuitrobenzol 5 - 6 C 6 H 4 Br(N0 2 ) (Nitro-l-Brom-2-boiKen) entsteht neben Parabromnitrobenzol durch Nitrirung von Brombenzol, bildet spiessige Krystalle, schmilzt bei 41", siedet bei 261" und löst sieh in dem gleichen Gewicht rauchender Schwefelsäure augenblicklich mit orangerother Färbung auf. — Parabromnitrobenzol 5 ' 7 ( Nitro-l-Brom-4-benxen) bildet lange Nadeln, schmilzt bei 126—127", siedet bei 255—256", ist in rauchender Schwefelsäure fast unlöslich und lässt die Säure daher farblos. Tribromtrinitrobenzol 8 C s Br 3 (X0 2 ) 3 (Trinitro-1.3.5-tribrom-2.4.6-benxen) kann durch fortgesetzte Nitrirung von symmetrischem Tribrombenzol erhalten werden, schmilzt bei 285° und ist in heissem Alkohol nur wenig löslich. Mit alkoholischem Ammoniak liefert es Triamidotrinitrobenzol; beim Kochen mit Sodalösung liefert es einerseits durch Austausch der drei Bromatome Trinitrophloroglucin C 6 (0H) 3 (N0 2 ) 3 , andererseits durch Austausch einer Nitrogruppe Tribromdinitrophenol C 9 Br 3 (N0 2 ) 2 (0H I; ähnlich verhält es sich gegenüber Natriumalkoholaten.
V. Nitrosulfonsäuren. Sowohl beim Sulfuriren von Nitrobenzol, wie beim Nitriren von Benzolsulfosäure, entsteht als Hauptprodukt die Metanitrobeuzolsulfosiiure 9 C,H 4 (N0 2 )(S0 3 H) (Nitro-l-benxensulfosäure-3)\ ihr C h l o r i d schmilzt bei 60-5", ihr A m i d bei 161°. 1 WACHENDORFF, A n n . 1 8 5 , 271 (1876). — HÄUSSERMANN U. BECK, B e r . 2 5 , 2445 (1892). 2 V g l . a u c h : GABRIEL U. BORGMANN, B e r . 1 6 , 2 0 6 6 (1883). — GEIOY U. KÖNIGS, B e r . 1 8 , 2 4 0 2 (1885). ' ROSER, A n n . 2 3 8 , 236 (1887). * STRAKOSCH, B e r . 6 , 3 2 8 (1873). — BISCHOFF, B e r . 2 1 , 2072 (1888). — WAI.DEN U. KERNBAUM, B e r . 2 3 , 1958 (1890). — V g l . a u c h 0 . WITT, B e r . 2 5 , 77 (1892). 5 HÜBNER U. ASBERO, A n n . 1 5 6 , 311 (1870). — v. RICHTER, B e r . 4 , 459 (1871). — FITTIG U. MAGER, B e r . 7 1175 (1874). — KÖRNER, J b . 1 8 7 5 , 302, 321 A n m . 6 JEDUCKA, J . p r . [ 2 | 4 8 , 195 (1893). 7 GRIESS, J b . 1 8 6 3 , 4 2 3 ; 1 8 6 6 , 457. — KEKUI.fi, A n n . 1 3 7 , 166 (1866). — WURSTER, B e r . 6 , 1542 (1873). — F . SCHIFF, M o n a t s h . 11, 3 3 1 (1890). 8 JACKSON U. WING, B e r . 2 1 R e f . , 892 (1888). — JACKSON U. WARREN, B e r . 2 4 R e f . , 3 6 1 (1891); 2 7 R e f . , 200, 265 (1894). 9 LAURENT, C o m p t r e n d . 3 1 , 538 (1850). — SCHMITT, A n n . 1 2 0 , 164 (1861). — GLUTZ U. SCHRANK, J . p r . [2] 2 , 2 2 3 (1870). — ROSE, Z t s c h r . C h e m . 1 8 7 1 , 234. — V . MEYER U. STÜBER, A n n . 1 6 5 , 164 (1872). — LIMPRICHT, A n n . 1 7 7 , 60 (1875); 2 2 1 , 2 0 3 (1883); 2 7 8 , 239 (1894). B e r . 2 0 , 1240 (1887); 2 5 , 75, 3477 (1892). — OSTWALD,
Ztschr. f. physik. Chem. 1, 77, 82, 84, 86 (1887).
11*
164
Bedeutung
der aromatischen
Amine.
Vierzehntes Kapitel.
Das Anilin und seine Derivate. (Reduction von aromatischen Nitroverbindungen zu Aminen. — Das Anilin selbst. — Seine Alkyl-, Aldehyd- und Säurederivate. — Die im Kern substituirten Aniline.)
Von den Nitrokörpern, deren einfachste aromatische Vertreter den Gegenstand des vorhergehenden Kapitels bildeten, gelangt man durch Einwirkung passender Reductionsmittel zu den entsprechenden Amidoverbindungen: C 6 H 5 -N0 2 + 6H = C 0 H 5 -NH, + 2 H 2 0 .
Infolge der Leichtigkeit, mit welcher die Nitrokörper einerseits direct aus den Kohlenwasserstoffen entstehen, andererseits dem eben erwähnten Reductionsprocess unterliegen, werden die a r o m a t i s c h e n Amine viel leichter zugänglich, als die analogen Verbindungen der Fettreihe (vgl. Bd. I, S. 236). Dementsprechend sind sie auch in weit grösserer Zahl bekannt und weit eingehender in ihrem Verhalten untersucht; kaum dürfte es irgend eine andere Körperklasse geben, auf deren Studium so viel Fleiss mit so grossem Erfolg verwendet wurde. Einen mächtigen Antrieb erhielt die Forschung auf diesem Gebiete insbesondere, als es sich zeigte, dass die aromatischen Amine durch mannigfaltige Processe in intensiv gefärbte Produkte umgewandelt werden können, und als die Industrie daher ihre Fabrikation in grösstem Massstabe unternahm. Mehrere aromatische Amine gehören heute zu den wichtigsten Zwischenprodukten der Theerfarbenindustrie. Das einfachste aromatische Amin — P h e n y l a m i n , A m i d o b e n z o l oder Aminobenzen C 6 H 5 -NH 2 , gewöhnlich aber Anilin genannt — ist zugleich auch das wichtigste. Zu Tausenden von Kilos wird es täglich in den Fabriken erzeugt; der Chemiker der Industrie wie des Laboratoriums hat es jederzeit zur Hand; zahllose Derivate hat man aus dem Anilin dargestellt. Die typischen Bildungsweisen und Eigenschaften der aromatischen Amine werden daher am zweckmässigsten zunächst am Beispiel des Anilins erläutert.. B i l d u n g s w e i s e n und D a r s t e l l u n g des Anilins. Für das Anilin selbst, wie für die überwiegende Mehrzahl der aro-
matischen Amine bietet die Reduction der entsprechenden Nitroverbindungen den einfachsten Weg zur Darstellung. Die Mittel, welche mah zur Ausführung der Reaction: X - N 0 2 + 6H = X-NH 2 + 2HjO
zur Verfügung hat, seien daher zunächst besprochen.
Reduction von Nitrogruppen zu Amidgrnppen.
165
war der Erste, dem die Reduction der Nitrogruppe zur Amidogruppe gelang; er bediente sich des S c h w e f e l a m m o n i u m s in alkoholischer Lösung: ZININ1
C„H5-N02 + 31L.S = C61I5-NIIS + 2 II, O + 3S.
Man führt diese Methode in der Regel derart aus, dass man in eine mit Ammoniak versetzte alkoholische Lösung des Nitrokörpers Schwefelwasserstoff einleitet (vgl. d. Vorschrift zur Darstellung von Metanitranilin, S. 217); für die Darstellung des Anilins und anderer einfacher aromatischer Amine wird sie indess heute kaum mehr benutzt; dagegen verwendet man sie noch für die Reduction von Polynitroverbindungen, wenn es sich darum handelt, die Nitrogruppen nur theihveise zu reduciren, theilweise aber unverändert zu lassen (vgl. S. 215); so kann man sehr bequem aus Metadinitrobenzol C 6 H 4 (N0 2 ) 2 das Metanitranilin C U H 4 (N0 2 )(NH 2 ) darstellen.
Die Industrie 2 hat sich einer von BJCCHAMP 3 aufgefundenen Reductionsmethode bemächtigt, welche in der Anwendung von f e i n v e r t h e i l t e m E i s e n ( E i s e n f e i l e , g e m a h l e n e n G u s s s p ä h n e n ) in G e g e n w a r t e i n e r S ä u r e auf Nitroverbindungen beruht; BKCHAMI> benutzte E s s i g s ä u r e , in der Technik verwendet man die billigere S a l z s ä u r e . Der Process kann für das Beispiel des Nitrobenzols durch die Gleichung: C G H 5 - N O , + 3 F e + GHC1 =
C0H6-NII2 + 2 H . 0 + 3FeCl2
ausgedrückt werden; allein man braucht eine viel geringere Säuremenge, als dieser Gleichung entspricht; es erklärt sich dies wahrscheinlich dadurch, dass bei Gegenwart eines Chlorids — in diesem Falle des anfangs gebildeten Eisenchlorürs — Nitrobenzol von fein vertheiltem Eisen und Wasser leicht und glatt entsprechend der Gleichung: C 6 H 6 -N0 2 + 2 Fe + 4 HjO = C6H5-NH2 + 2Fc(OH)3 4
reducirt wird . Technische D a r s t e l l u n g von Anilin 5 : In gusseiserne Cylinder, wclehc mit Rührwerk, Einfüllöffiiungen und einem Rückflusskühler versehen sind, bringt man gemahlene Gusseisenspähne und verdünnte Salzsäure und lässt darauf das Nitrobenzol zufliessen; man leitet die Reaction durch Erwärmen mit Dampf ein und unterhält sie durch allmählichen Zusatz von Eisenspähnen. Nach Beendigung der Reaction neutralisirt man mit Kalk und treibt das Anilin mit Wasserdampf ab; das übergehende Destillat besteht aus ölig abgeschiedenem Anilin und einer wässerigen Anilinlösung; es wird durch Absitzen getrennt; das Anilin wird durch Destillation aus eisernen Blasen gereinigt, das „Anilinwasser" wieder zum Speisen der Kessel, welche den zum Abtreiben des Anilins dienenden Wasserdampf liefern, benutzt. 1
Ann. 44, 286 (1842).
» V g l . CABO, B e r . 2 5 , 988 (1892). 4 WOHL, B e r . 2 7 , 1436, 1 8 1 5 ( 1 8 9 4 ) . 5
s
A n n . ch. [3] 4 2 , 186 (1854).
Näheres vgl. in SCHULTZ' Chemie des Steinkohlentheers Bd. I (Braunschweig
1886), S. 291. — HAHMSEN, D i e F a b r i k a t i o n d. T h e e r f a r b s t o f f e u. ihrer R o h m a t e r i a l i e n ( B e r l i n 1889), S. 59 ff.
166
Reduction
mit
Zinn
oder
Zinnchlorür
und
Salzsäure.
F ü r L a b o r a t o r i u m p r o c e s s e i s t in der R e g e l a m z w e c k m ä s s i g s t e n die v o n R O D S S I N 1 z u e r s t a n g e w e n d e t e , m e i s t s e h r g l a t t v e r l a u f e n d e Reduction mit Z i n n o d e r Z i n n c h l o r ü r in G e g e n w a r t v o n s t a r k e r S a l z s ä u r e 2 ; die R e a c t i o n kann d u r c h G l e i c h u n g e n , w i e : C„H5-NO, + 3Sn
oder:
+ 6 HCl
=
C8H6-NHJ + 2HSO +
3SnCl,
C 6 H 6 -NO, + 3SnCl, + 6 HCl = C 3 H 6 - N H 2 + 2 I I 2 0 + 3 S n C l 4 ,
a u s g e d r ü c k t w e r d e n ; s i e i s t s e h r a l l g e m e i n v e r w e n d b a r , für die T e c h n i k a b e r zu k o s t s p i e l i g . B e i ' s c h w e r a n g r e i f b a r e n N i t r o k ö r p e r n kann m a n die R e d u c t i o n d u r c h Z u s a t z von A l k o h o l e r l e i c h t e r n . Bei Verwendung d e r b e r e c h n e t e n M e n g e Z i n n c h l o r ü r in m i t S a l z s ä u r e g e s ä t t i g t e m A l k o h o l l a s s e n sich P o l y n i t r o v e r b i n d u n g e n a u c h t h e i l w e i s e r e d u c i r e n 3 , z. B. D i n i t r o b e n z o l in N i t r a n i l i n ü b e r f ü h r e n . B e n u t z t m a n e i n e titrirte Z i n n c h l o r ü r l ö s u n g im U e b e r s c h u s s , so k a n n m a n n a c h B e e n d i g u n g d e r Reduction das unverbrauchte Zinnchlorür durch Titration ermitteln und derart eine „ q u a n t i t a t i v e B e s t i m m u n g d e r N i t r o g r u p p e n - ' a u s f ü h r e n 4 . D a r s t e l l u n g v o n A n i l i n im L a b o r a t o r i u m : Man bringt 9 0 g granulirtes Zinn und 50 g Nitrobenzol in einem geräumigen Kolben zusammen und fügt nun in kleinen Portionen starke Salzsäure zu, indem man durch zeitweilige Kühlung d a f ü r sorgt, dass die Reaction nicht gar zu heftig wird. Nachdem die Reaction beendigt ist — man erkennt das Ende an dem Versehwinden des Nitrobenzolgeruchs und daran, dasa beim Verdünnen einer Probe des Reactionsgemisehes mit Wasser keine Oeltröpfchen mehr zu sehen sind, —, fügt man Wasser hinzu, um das krystallinisch abgeschiedene Zinndoppelsalz des Anilins zu lösen, giesst die saure Lösung vom unverbrauchten Zinn ab, versetzt sie darauf mit einem Ueberschuss von concentrirter Natronlauge, wobei zunächst Zinnoxyd bezw. Zinnoxydul ausgefällt, dann aber grösstentheils wieder gelöst wird, und treibt das in Freiheit gesetzte Anilin nun mit Wasserdampf über. Das Destillat sättigt man mit Kochsalz — um die Löslichkeit des Aniliijs in der wässerigen Schicht zu vermindern — und führt das Anilin durch Schütteln mit einer geringen Menge Aether in ätherische Lösung über. Man trocknet letztere mit festem Kali oder Kaliumcarbonat — zum Trocknen von Basen darf man niemals Chlorcalcium verwenden, da sich dasselbe ebenso wie mit Ammoniak auch mit Aminbascn verbindet, —, giesst nach etwa 12 Stunden vom Trockenmittel a b . verjagt darauf den Aether (vgl. Bd. I , S. 196) und destillirt das rückständige Anilin für sich. Dieses Verfahren ist für das Laboratorium in allen solchen Fällen das bequemste, wo die darzustellende Aminbase mit Wasserdämpfen flüchtig ist. W e n n diese Bedingung nicht erfüllt ist, so muss man die Abscheidung der Base aus dem Reactionsgemisch auf andere Weise bewirken. Man kann z, B., nachdem man durch Natronlauge alkalisch gemacht und die Zinnoxyde durch weiteren.Zusatz von Natronlauge grösstentheils wieder gelöst hat, die Base direct durch mehrmaliges Ausschütteln mit Aether in ätherische Lösung überführen. — W e n n sich bei der Reduction reichlich ein Zinndoppelsalz ausscheidet, so zieht man es aber in der Regel vor, dieses zu1
C o m p t . r e n d . 5 2 , 7 9 7 ( 1 8 6 1 ; . — V g l . f e r n e r BEILSTEIN, A n n . 1 3 0 , 2 4 2 ( 1 8 6 4 ) .
2
Näheres über ihre Ausführung vgl. in LASSAR-COHN'S Arbeitsmethoden für organisch-chemische Laboratorien (2. Aufl., Hamburg u. Leipzig 1893), S. 452 ff. 3
KEKCLÉ, Z t s c h r . C h e m . 1 8 6 6 , 6 9 5 . — ANSCIIÜTZ U. HEUSLER, B e r . 1 0 , 2 1 6 1 ( 1 8 8 6 ) .
4
LIMI'RICHT, B e r . 11, 3 5 , 4 0 ( 1 8 7 8 ) . — SPINDLER, A n n . 2 2 4 , 2 8 8 ( 1 8 8 4 ) .
Bildung von Anilin aus Brombenzol, Phenol etc.
167
nächst durch Absangen von der stark salzsauren Mutterlauge zu trennen, es darauf in viel heissem Wasser zu lösen und die Lösung durch längeres Einleiten von Schwefelwasserstoff bei Wasserbadwärme zu entzinnen; filtrirt man nun in der Hitze vom Schwefelzinn ab und dampft die zinnfreie Lösung ein — was bei leicht oxydirbaren Basen im Kolben und unter Durchleiten eines schwachen Stroms von Schwefelwasserstoff oder Kohlensäure zu geschehen hat —, so krystallisirt bei genügender Conccntration das Chlorhydrat der Base meist in sehr reiner Form aus; in vielen Fällen kann man seine Abscheidung noch durch Zusatz von Salzsäure vervollstänständigen, da viele Chlorhydrate in Wasser viel leichter als in Salzsäure löslich sind.
Nur selten führt man die Reduction von Nitrokörpern mit Z i n k ( Z i n k s t a u b oder Z i n k s p ä h n e n ) und S a l z s ä u r e 1 aus; das Verfahren hat den grossen Uebelstand, dass man eigenthümlicher Weise in vielen Fällen chlorhaltige Reductionsprodukte erhält 2 . Ausser der Reduction des Nitrobenzols hat man noch mehrere Bildungsweisen des Anilins kennen gelernt, die aber lediglich theoretisches Interesse besitzen. So kann man aus Brombenzol 3 Anilin in geringer Ausbeute erhalten, wenn man es mit Chlorcalciumammoniak und überschüssigem Natronkalk auf 360—370° erhitzt. Aus Benzolsulfosäure erhält man Anilin, wenn man ihr Kaliumsalz mit Natriumamid erhitzt 4 . Die Verwandlung von Phenol C0H5(OH) in Anilin C 0 H 6 -NH 2 gelingt recht glatt durch Erhitzen mit Chlorzinkammoniak und Salmiak 6 auf etwa 330°. Die Herstellung von Aminen aus den entsprechenden Phenolen — hier nur theoretisch interessant — hat in manchen anderen Fällen auch erhebliche praktische Bedeutung 6 (vgl. /9-Naphtylamin). Auch der A u s t a u s c h von C a r b o x y l g e g e n Amid lässt sich auf Umwegen bewirken, wie durch den folgenden Uebergang' von Benzoesäure C0H5 -00,11 in Anilin gezeigt wird; Benzoesäureester C6H6• CO• 0• C2H6 liefert durch Einwirkung von Ilydrazinhydrat N„H 4 .H 2 0 das Benzoylhydrazin C„H6 • CO • NH • NH 2 , das durch sal-
/N petrige Säure in Benzoylazid C8H5-CO-NR. 2 3 , 2587
(1890).
190
Nilrosoanilide,
Chlorylacelanüid.
sich als gemischte Anilide auffassen lassen, insofern ein Wasserstoffatom der Amidgruppe durch ein anorganisches, das zweite durch ein organisches Säureradical vertreten ist. M t r o s o a n i l i d e 1 entstehen aus Aniliden durch Einwirkung von salpetriger Säure: C 6 H 5 • NH • CO • CH a + OII-NO = C 6 H 5 -N(NO)-CO-CH 3 + H 2 0 ,
andererseits aus Diazoverbindungen in alkalischer Lösung (vgl. TJmlagerung in Nitrosamine, S. 181—182) durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid: C 6 H 6 -N(Na)N0 + (CH 3 -C0) 2 0 = C 6 II 5 • N(CO • CH3>NO + CH a -CO-ONa.
Sie sind ausserordentlich unbeständig lassen sich selbst über Schwefelsäure nicht längere Zeit aufbewahren, spalten schon in alkoholischer Lösung mit Zinkstaub behandelt die Nitrosogruppe ab, um in Anilide überzugehen, verlieren dagegen umgekehrt beim Verreiben mit Alkalien die Acetylgruppe, um sich in Diazoverbindungen zu verwandeln; bei letzterer Reaction, wie auch bei manchen anderen ßeactionen, verhalten sie sich gewissermassen, als ob sie D i a z o a c e t a t e — z. B. C 6 H 6 -N:N-0CO• CH3 — wären. N i t r o s o a c e t a n i l i d C6H6-N(NO)-CO-CH3 krystallisirt aus Petroläther in schwach gelblichweissen, glänzenden Nadelbüscheln und schmilzt bei 50-5—51°. Chlorylacetanilid 2 C 6 H 5 -NCl(CO-CH 3 ), das durch Einwirkung von Chlorkalklösung auf eine wässerige, essigsaure Lösung von Acetanilid erhalten wird, kann als Unterchlorigsäurederivat des Aeetanilids betrachtet werden. Es schmilzt unzersetzt bei 91°, bildet farblose Nädelchen, ist in kaltem Wassfer kaum löslich, gegen kochendes Wasser einige Zeit beständig; durch verschiedene Einflüsse — z. B. Erhitzen für sich auf 172°, Erwärmen mit absolutem Alkohol auf dem Wasserbade, Einwirkung von kalter concentrirter Salzsäure — wird es in heftiger, zuweilen von Explosion begleiteter Reaction in p-Chloracetanilid: N(C1) • CO • CH 3
NPI(CO • CH 3 )
H umgelagert (vgl. S. 183).
Wie sich an die Säureamide A m i d c h l o r i d e , I m i d c h l o r i d e , I m i d o ä t h e r , T h i o a m i d e , A m i d i n e , A m i d o x i m e (vgl. Bd. I, S. 373—379) anschliessen, so reihen sich den Säureaniliden die Phenylderivate der genannten Körpergruppen an. Acetanilidchlorid CBH- • N H • CCL • CH S entsteht durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid 8 auf Acetanilid, ist sehr unbeständig und geht schon bei gewöhn1
0 . FISCHER, B e r . 9 , 4 6 3 ( 1 8 7 6 ) ; 1 0 , 9 5 9 ( 1 8 7 7 ) . —
B e r . 2 7 , 6 5 1 ( 1 8 9 4 ) . — BAMBERGER, e b e n d a ,
v . PKCHMANN u . FROBENIUS,
915.
2
BENDER, B e r . 1 9 , 2 2 7 2
3
WALLACH U. M . HOFFMAKK, B e r . 8 , 3 1 5 , 1 5 6 7 ( 1 8 7 5 ) . — WALLACH, A n n .
(1886).
86 ( 1 8 7 7 ) . — V g l . f e r n e r AVALLACH, A n n . 2 1 4 ,
193 (1882).
184,
191
Anilidchloride.
iclier Temperatur unter Verlust von Chlorwasserstoff in Aoetaiiilidimidchlorid CuHj-NrCCl-CHj über; letzteres bildet durchsichtige Nadeln, reagirt mit Wasser heftig unter Rückbildung von Acetanilid, mit Anilin unter Bildung von Diphenyläthenylamidin C 6 H 5 -N:C(NH-C 6 H 5 )-CH 3 , schmilzt unterhalb 50° und verwandelt sich bei wenig höherer Temperatur in das salz3aure Salz einer Base C16H15C1N2: 2CbH8NC1 = C16H15C1N2.HC1. Ueber Bildung eines p h e n y l i r t e n Imidoäthers aus Formanilid vgl. S. 187.
Die e i n f a c h e n Thioanilide 1 ( p h e n y l i r t e T h i o a m i d e ) werden am besten durch kurzes Schmelzen der entsprechenden Anilide mit Phosphorpentasulfid gewonnen (A.W. HOFMANN, BEBNTHSEN); die Schmelze, die man zweckmässig nur in kleinen Portionen bereitet, wird mit verdünntem Alkali ausgezogen, aus der alkalischen Lösung das Thioanilid mit Kohlensäure (vgl. unten) ausgefällt. Thioanilide bilden sich ferner durch Umsetzung von Imidcliloriden mit Schwefelwasserstoff ( L E O ) : .Gl OH, • C< + H„S >N-C„H 6 '
/SH HCl = CH S -C< >N-C 0 Ii 5
bezw.
.S CH3 • C f \NH-CJ-I,
und aus Amidinen durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff oder Schwefelkohlenstoff in der Wärme (BEBNTHSEN): C 6 IVC0,
C9H5 • N(C2H5) • e s '
dtirch Umsetzung mit Alkoholaten die Thiourethane der Alkylaniline: C 6 H 5 .N(C s H 5 )-CSCl + NaO-C2H5 = NaCl + C 6 H 5 -N(C 2 H 5 )-CS-0-C 2 H 5 . 1
Vgl. WILL, B e r . 1 4 , 1 4 8 9
S
BILLETER U. STROHL, B e r . 2 0 , 1 6 3 1 ( 1 8 8 7 ) ; 2 1 , 1 0 2 ( 1 8 8 8 ) .
(1891).
S
BERNTHSEN U. FRIESE, B e r . 1 5 , 1 5 3 0 ( 1 8 8 2 ) . — BEROREEN, B e r . 2 1 , 3 4 0 ( 1 8 8 8 ) .
—
BILLETER U. STROHL, B e r . 2 1 , 1 0 3 ( 1 8 8 8 ) .
—
VOLTMER, B e r . 2 4 ,
1
E . FISCHER U. V. D. KALLE, B e r . 2 2 , 1 9 3 4 ( 1 8 8 9 ) . — TIEMANN, ebenda,
1939.
3 7 8 (1891).
S
PCLVERMACHER, B e r . 2 6 , 2 8 1 2 ( 1 8 9 3 ) ; 2 7 ,
8
GLUTZ, A n n . 1 5 4 , 4 4 (1870). — WUNDERLICH, B e r . 1 9 , 4 5 2 ( 1 8 8 6 ) . — HECHT,
B e r . 2 5 , 7 5 6 ( 1 8 9 2 ) . — FROMM, B e r . 2 5 , 7
BILLETER, B e r . 2 0 ,
613 (1894).
1277 (1892).
Ann. 2 7 5 , 2 0 (1893).
1 6 2 9 ( 1 8 8 7 ) . — BILLETER U. STBOHL, B e r . 2 1 , 1 0 2 ( 1 8 8 8 ) .
203
PhenyltMourethan.
PhenyltMourethan 1 ( P h e n y l s u l f u r e t h a n , P h e n y l x a n t h o g e n amid), C6H6• NH• CS• 0• CaH6 bezw. C a H fi -N:C(SH)-0-C 2 H 5 wird ausserordentlich leicht durch mehrstündiges Kochen von Phenylsenföl mit dem vierfachen Gewicht absoluten Alkohol erhalten (vgl. S. 196), krystallisirt in prächtigen, triklinen Säulen, schmilzt bei 71—72°, löst sich in verdünnten Alkalien und wird aus dieser Lösung durch Säuren unverändert ausgefallt. Die Alkalisalze des Phenylthiourethans sowie das Silbersalz enthalten das Metallatom an Schwefel gebunden (vgl. S. 191—192); denn sie liefern durch Umsetzung mit Halogenalkylen Ester der Phenylimido/SH carbonthiolsäure G 6 H 6 -N:C\ , welche durch Erhitzen mit verdünnter \OH Schwefelsäure in Anilin (nicht Alkylanilin!) und neutrale Ester der Thiolkohlensäure (Bd. I, S. 1049) gespalten werden, z. B.: /SK C„H6-N:C
g § ®*T® ¿ £ 5 8 .8 .s îSi i? ci. è, Se ,e S "T "V & SCl o o o o í» S S *< gJù S S NBr
und
Br Stüdeb, Ann. 2 1 1 , 2 3 4 ( 1 8 8 1 ) . Lodis, Ber. 1 6 , 1 0 5 ( 1 8 8 3 ) . ' Vgl. indess Effront, Ber. 1 7 , 1
1646. —
— —
Calm, Ber. 1 5 , 1 6 4 2 ( 1 8 8 2 ) . - Benz, ebenda, Bebau, Ber. 1 8 , 131 ( 1 8 8 5 ) .
2317
(1884).
Oxydation von
Anilinhomologen.
221
beim Nitriren von Paraacettoluidid tritt die Nitrogruppe in die O r t h o stellung zur Amidgruppe (vgl. S. 155, 2 1 4 — 2 1 5 ) :
NH-CO-CH 3
CH3 etc. etc. — Durch die Gegenwart der Seitenketten können manche Substitutionsreactionen auch ganz verhindert werden. So lässt sich das Dimethylparatoluidin durch salpetrige Säure nicht nitrosir n; es erscheint-dies begreiflich, da das Dimethylanilin bei der Nitrosirung das Parawasserstoffatom austreten lässt (vgl. S. 174, 213), dieses aber hier schon durch Methyl substituirt ist. In der That kann nun das Dimethylmetatoluidin, dessen Methylgruppe nicht die Substitution in der Parastelle versperrt, leicht nitrosirt werden 1 . Dagegen erscheint es sehr auffallend, dass wieder das Dimethylorthotoluidin: N(CH3)2
der Nitrosirung unzugänglich ist und überhaupt in vielen Reactionen — Combination mit DiazoVerbindungen, Condensation mit Aldehyden etc. —, welche mit dem Dimethylanilin sehr leicht eintreten (vgl. S. 174), sein Parawasserstoffatom nicht austauscht J. Entsprechend der Bildung von Chinon aus Anilin (S. 171) können Homologe des Chinons durch O x y d a t i o n v o n A n i l i n h o m o l o g e n entstehen; zuweilen beobachtet man sogar, dass zur Ermöglichung dieses Reactions Verlaufs eine zur Amidgruppe paraständige Methylgruppe eliminirt wird; so entsteht sehr leicht durch Oxydation des Mesidins das m-Xylochinon: NH, I CH„-C ^ H—
1
^ C—CHS
A/.nA
—H
CH8-C H -
l
C—CH,
iL
I CH, Durch Oxydation von Paratoluidin mit Chromsäuregemisch 3 wird (neben Paraazotoluol und anderen Produkten) Amidotoluchinon-di-p-tolylimid: 1 2 8
WÜHSTER u . RIEDEL, B e r . 1 2 , 1 7 9 6 (1879). V g l . WEINBERG!, B e r . 2 5 , 1 6 1 0 (1892). GBEEN, B e r . 2 6 , 2 7 7 2 (1893).
Litteraturstellm für
222
Anilinhomologe.
NC,H4CH5
JK i I
NH,C
CH
HC
CCH,
'I n-c9h4-ch8
gebildet. Die O x y d a t i o n d e r S e i t e n k e t t e n unter Wahrung der Amidgruppen 1 gelingt, wenn man die Amidgruppe durch Acylirung schützt. So können die Acettoluidide CH 3 • C 6 H 4 • NH • CO • CH 3 durch Oxydation mit Kaliumpermanganat in Acetylamidobenzoesäuren C 0 2 H C e H 4 -NHCO-CHg verwandelt werden. Einzelne
Glieder.
Ueber die physikalischen Constanten einer grösseren Zahl von Anilinhomologen, sowie über die Schmelzpunkte ihrer häufig zur Charakterisirung benutzten Acetylverbindungen (vgl. S. 220) giebt die Tabelle Nr. 52 auf S. 223 eine Uebersicht. C i t a t e zu der T a b e l l e Nr. 52 auf S. 223: 1 B E I L S T E I N U. K U H L B E R G , Ann. 66 (1870). — 2 N E U B E C K , Ztschr. f. physik. Chem. 1 , 657 (1887). — 8 BRÜHL, Ann. 2 0 0 , 189 (1888). — 4 ROSENSTIEHL, Compt. rend. 6 7 , 45, 398 (1868). Bull. 1 0 , 192 (1868); 1 7 , 4 (1872). Ann. oh. f4] 2 6 , 189 (1872). Jb. 1 8 7 6 , 700. — 5 LORENZ, Ann. 1 7 2 , 177 (1874). — 8 N I E T Z K I , Ber. I O , 1158 (1877). — 7 A L T , Ann. 2 5 2 , 319 (1889). — 8 VIENNE U. S T E I N E R , Bull. 3 5 , 428 (1881). — 9 W I D M A N , Ber. 1 3 , 676 (1880). Bull. 3 6 , 216 (1881). — 1 0 EHRLICH, Ber. 1 5 , 2009 (1882). — 1 1 H A R Z , Ber. 1 8 , 3397 (1885). — 1 2 BUCHKA U. SCHACHTEBECK, Ber. 2 2 , 840 (1889). — 1 8 SCHRAUBE u. BOMIG, Ber. 2 6 , 579 (1893). — 1 4 BARSYLOWSKY, Ber. 1 1 , 2155 (1878). — 15 MusPRATT U. A. W . HOPMANN, Ann. 5 4 , 1 (1845). — 1 6 R U D O L F , J b . 1 8 8 5 , 2082. — 156,
17
H . MÜLLER, J b . 1 8 6 4 , 4 2 3 . —
Ber. 21
—
NOELTING U. F O R E L , B e r .
23
(1888).
—
JACOBSEN, B e r .
26
27
SCHMITZ,
26
DEUMELANDT, A n n .
Ann.
HOFMANN, B e r . 83
R.
— 41
— 8,
193,
9,
U. F O K E L ,
1292
Ber.
MICHAEL, B e r . A.
89
W.
Ber.
24, 1
—
45
—
179
(1878).
28
—
2 7 3 (1867). —
(1876).
18,
Ber.
—
32
2664
Ber.
22,
179,
80
—
47
L . LEWY,
19
HOFMANN, B e r .
GREVINGS,
Ber.
21,
17,
643 2430
Ber.
20,
871
8 4
TÖHL, B e r . 1 8 , 3 5 9 ( 1 8 8 5 ) . —
—
38
SCHAUMANN,
Ber.
11,
86
1537
3150
(1888).
—
(1884).
—
81
A. W .
(1887).
—
NOELTING, (1878).
—
BEILSTEIN U. KUHLBERG, A n n . 1 5 6 , 2 0 8 ( 1 8 7 0 ) .
83
526 (1874). — 1849 (1889). — 4 2
171 (1875).
1299
Ber.
LIMPACH, B e r . 2 1 , 6 4 0 ( 1 8 8 8 ) . —
7,
9,
NOELTING U. P I C K , B e r . 2 1 ,
LIMPACH,
LIMPACH U. B I R U K O F F ,
(1885).
SCHAPER,
21
26
—
44
BIEDERMANN U. L E D O D X , B e r .
3546 (1891).
A. W .
2668 (1885). —
160 (1884).
2 6 , 39 (1893). —
LADENBURG, A n n .
61 (1875).
18,
17,
2 0 7 , 91 (1880). —
HOFMANN,
PICTET U. B U N Z L , 43
177,
144,
WROBLEWSKY, A n n .
WITT 87
STAEDELER U. ARNDT, J b . 1 8 6 4 , 4 2 5 . —
18
2728 (1886). — 2 0 M I L L S , Philosophical Magazine [5] 1 4 , 19 (1882). — F E I T L E R , Ztschr. f. physik. Chem. 4 , 76 (1889). — 2 2 T Ö H L , Ber. 1 8 , 2562 (1885). 19,
40
A. 8,
Ztschr. Chem. (1876).
BENZ,
PAUKSCH, W.
Ber. Ber.
15, 17,
1646 (1882). — 767, 2800 (1884).
HOFMANN, B e r .
58 (1875). 1867,
—
13. —
46 48
5, 715
(1872);
F E I T H U. D A V I E S , A . W . HOFMANN,
Tabellarische Zusammenstellung von Anilinhomologen. 223 4 2 « IM O CO rt tH 1-H ^H C H
^
© © © iC lO I ß cq «
©
©
©
^ N ©
Oi 0 0 9» O) C i Cb
I
1
00 04 O iA y * t - CO t — 0) O) O)
©
©
O
I
I
I
© (N
1-H CD OS t o rH
I
©
I
I
I
!
I g
I
I
I
i
I
I
OS o
O
_ _ _©©©©©©©©©©©©©©
© O CO W
c o a s o s o o e c c D i O i o c c i r t ^ c n ^ i O c D O i Q o o o i o a J N N H H N ^ H e o a s i i H © ^ I -H 1—I r - l M W N f M N W N W N W i M l N l N
© O CO N
© © 00 O t - «O W IM
bß s
J» 9 ^ O ©
•o
„
S . S . «
. .8©8 >r •
1
8
8
«« QN
S
^
I
§
.
S
1
^
^
.
«
i ^ ^ - r t Oq" ^
'§ ig
^
Ǥ
"r
CO
J
1
•
• S
1
•
x
i
M
2
I
o •I
1
2
s
s u ?
«
t TS T S » S
1
' S
I
I
2
. 5
» V S
s . S £
I
1
g
^
I
•S-S
i ^ H5 ^
g
Co Co ^ ^ ^ f-i» » i »>«-» •v» I I I 1*1» ? 1—i '—< 1—I »> 9 ) ¿s J - i - 4 -J> ; g ; g
£
•
s s s & U g M £ * s ** • s g 8 1 u CA 0 Q «•> «C • o - f - c S
S"
""? «
w «
S
5 Oq « i 8 o 51 8
o
^
o »
o 2
S 3
J3
O
XI % -O 5
1
s
O
s C3 .3
S
o
s
§
s
s
s
w
i f a ^ Ä ^ c c O i S H S
S - S ' O S
Es
I
S
- 3
g s a - g - S n ^ S h ° pl, a , o ein &
t d o
5
'S
B J3 Eh
£ä
o
ä s 3s
§ o M T3
O
o E
s
o TS
OS rt ä PL,
s ' 1 ' 1
i
€
•2 ^ ü
o
-CH 2 -CO-NH a . Durch solche Reactionen sind Basen dieser Gruppe, die man unter Bezugnahme auf ihren einfachsten Vertreter — das Benzylamin C 6 H 5 CH 2 -NH 2 — als „ B e n z y l a n i i n b a s e n " zusammenfassen kann, in erheblicher Zahl gewonnen worden. Doch sei betont, dass auch hier wie bei den rein aliphatischen Aminen die Gewinnung grösserer Mengen eine Aufgabe ist, deren Lösung viel Mühe beansprucht; in Bezug auf leichte Zugänglichkeit stehen daher die Benzylaniinbasen weit hinter den Anilinbasen zurück (vgl. S. 164). Da die Schilderung ihres chemischen Verhaltens im Wesentlichen auf eine Wiederholung des für die aliphatischen Amine Gesagten (vgl. Bd. I, S. 236) hinauslaufen würde, da ferner diese Gruppe Glieder von erheblicher, praktischer Bedeutung einstweilen nicht enthält, so genüge zur Charakteristik die Anführung derjenigen Basen, welche ihrer Constitution nach als die einfachsten Vertreter erscheinen. 1
Vgl.: 51 (1888). * H.
(1893).
—
A. W .
HOFMANN,
GOLDSCHMIDT, BISCIILER
U.
Ber.
Ber. 19.
102 (1868). —
X,
3232
(1886).
—
BISCHI.ER,
ebenda, 1905. —
XAPIERALSKI,
BAMBEROER
U.
LODTER,
Ber. 2 6 ,
KANN
U.
1892,
TAFEL,
Ber.
Ber.
21,
1896,
1899
27,
2306
(1894).
26,
3 T A F E L , Ber. 2160 (1893). — 4
UEBEL, 5
O.
FISCHER,
ebenda, A.
W .
19,
1928 (1886);
KANN Ann.
U.
TAFEL,
22,
Ber.
1856 (1889). — A. 2 7 , 2306 '1894).
241,
328
(1887).
—
ZAUNSCIIIRM,
Ber.
18,
2738 (1885). —
MICHAELIS
Ann.
2 4 5 ,
U. J A C O B I ,
279
Ber.
(1888).
—
289. HOFMANN,
trav. chim. 5, 252 (1886).
HOOGEWERF
U.
VAN
DORP,
Ree.
243 Beiizylamin 1 , 2 C G H 5 • C I L • N H . , (Aminomethyl-benxen) ist eine farblose alkalische Flüssigkeit von schwachem, aminartigem Geruch, die sich am Licht nicht färbt; es siedet bei 185°, ist mit Wasserdämpfen flüchtig, besitzt bei 19° das spec. Gew. 0-983, mischt sich mit Wasser in jedem Verhältniss und wird durch Alkalien aus der wässerigen Lösung abgeschieden; aus der Untersuchung seiner elektrischen Leitfähigkeit — K = 0-0024 — ergiebt sich, dass es an Basicität dem Ammoniak (K = 0 0023) fast gleich steht, dagegen beträchtlich hinter dem Methylamin (K = 0-050) zurückbleibt. — Dibenzylamin® 3 ^ H s - C H ^ N H ist flüssig, siedet — rasch deetillirt — oberhalb 300°, zersetzt sich bei langsamer Destillation, besitzt bei 14° das spec. Gew. 1-033, ist in Wasser nicht löslich und zieht an der L u f t nicht Kohlensäure an. — Tribenzylaniin 4 - 5 (O s li--CH 2 | 3 N kann in guter Ausbeute durch Erhitzen von Benzaldehyd mit Ammoniumformiat gewonnen werden, krystallisirt aus heissem Alkohol in blendend weissen, prächtigen Blättchcn, schmilzt bei 91-3° und ist in kaltem Alkohol schwer löslich; mit Jodmethyl tritt es langsam bei gewöhnlicher Temperatur zu Tribenzyl-methyl-anmioniumjodid zusammen, mit Benzylchlorid vereinigt es sich beim Erhitzen bis 100° nicht. Benzylanilin 5 - 6 C 6 H--CH 2 -NH-C,;H 5 ( P h e n y l b c n z y l a m i n ) schmilzt bei 4-33° und siedet bei 29s —300°. — D i b e n z y l a n i l i n 7 (C„Ii 5 CH 2 | 2 N-C 6 H 5 bildet farblose nadeiförmige Krystalle, schmilzt bei 0>7". siedet über 300° unter theilweiser Zersetzung, ist in Wasser nicht, in kaltem Alkohol wenig, in heissem Alkohol und in Aether sehr löslich; seine Salze werden schon von Wasser zersetzt. M e h r w e r t h i g e Amine können die Amidgruppen theils aromatisch, theils aliphatisch gebunden enthalten. Die einfachsten Vertreter derartiger Basen sind die drei isomeren Ainidobeuzylaiiiiiic 8 C„H 4 (NH 2 )-CH„ NH., (Aminomethyl-amino-benxene) — theils kristallinische, theils flüssige ¡Substanzen, welche in Wasser leicht löslich sind, alkalisch reagiren und an der L u f t Kohlensäure anziehen; ihre primären Chlorhydrate C,H,. 1 (KH,U.HC1 reagiren neutral, während die secundflren Chlorhydrate C;H 6 (NH 2 ), .21IC1 Lakmus röthen. Ann. 1 2 1 , 144 (1861). — CANNIZZARO, Ann. 1 3 4 , 128 (1864). Ann. 24 (1865). — LIMPRICHT, Ann. 1 4 4 , 318 (1867). — R U D O L P H , Ber. 1 2 , 1297 TIEMANN- u. F R I E D L Ä N D E R , Ber. 1 4 , 1969 (1881). — H O O O E W E R F U. VAN D O R P , chim. 5 . 253 (1886). — 0 . F I S C H E R , Ber. 1 9 , 748 (1886). — W A L L A C H , Ann. 307 (1890). — A. MICHAELIS U. STORBECK, Ann. 2 7 4 , 197 (1893). — EYKMAN, chim. 1 2 , 186 (1893). — B K E D I G , Ztsehr. f. physik. Chern. 1 3 , 306 (1894). H E N R Y , Bull, de l'acad. royale des sciences de Belgique [ 3 ] 2 7 , 4 6 6 ( 1 8 9 4 ) . 2 B E R G , Compt. rend. 1 1 6 , 328 (1893). — MASON, Journ. Soc. 6 3 , 1311 (1893). 8 L I M P R I C H T , Ann. 1 4 4 , 313 (1867). — B R U N N E R , Ann. 1 5 1 , 133 (1869). — 1
MEXUII-S.
Supp). 4 . (1879). — Ree. trav. 2 5 9 , 304, Ree. trav. —
L E U C K A R T U. BACH, B e r . 0 . FISCHER, A n n .
241,
19,
2128. (1886). —
3 2 8 (1887). —
WALDEN,
BECKMANN
Ber.
19,
3287,
U. IVOESTER, A n n .
3 2 9 3 (1886).
274,
40
—
(1893).
J b . 1 8 5 6 , 581. — L I M P R I C H T , Ann. 1 4 4 , 307 (1867). — B R Ü N N E R , 133 (1869). — L A U T H , Ber. 6 , 678 (1873). — P A N E B I A N C O , J b . 1 8 7 8 , 4 7 6 . — L E U C K A R T , Ber. 1 8 , 2341 (1885). — JACKSON U. W I N G , Ber. 1 9 , 900 (1886). — L E U C K A R T U. B A C H , Ber. 1 9 , 2128 (1886). — M A R Q U A R D T , Ber. 1 9 , 1027 (1886). — 6 M A S O N , Journ. Soc. 6 3 , 1311 (1893). W A L L A C H , Ann. 2 5 9 , 300 (1859). 6 F L E I S C H E R , Ann. 1 3 8 , 225 (1866). — BERNTHSEN U. T R O M P E T T E R , Ber. 1 1 , 1760 (1878). — 0 . F I S C H E R , Ann. 2 4 1 , 330 (1887). 4
Ann.
CANNIZZARO,
151,
7
MATZUDAIRA,
8
A M S E L U. A . W .
Ber.
20,
1611
HOFMANN,
(1887). Ber.
19,
1284 (1886).
—
GABRIEL, B e r .
20,
(1887).
—
G A B R I E L U. H E N D E R S , B e r . 2 0 . 2 8 7 0 ( 1 8 8 7 ) . — H . SALKOWSKI, B e r . 2 2 ,
(1889).
—
BISCHLER,
(1892).
—
LELLMANN U. H A A S , B e r .
Ber.
26,
1892 (1893). 26,
— Vgl. auch
2583
WIDMAN, J .
pr.
(1893).
16*
[2] 4 7 ,
2229 2142 343
Phenylhydroxylamin.
244
Achtzehntes
Kapitel.
Hydroxylaminderivate der einwerthigen aromatischen Eohlenwasserstofireste. E i n f a c h e Abkömmlinge des Hydroxylamins, welche e i n e n H y d r o x y l a m i n r e s t in d i r e c t e r B i n d u n g m i t e i n e m a r o m a t i s c h e n K e r n enthalten, sind erst in allerletzter Zeit bekannt geworden, nachdem zuerst im J a h r e 1 8 8 7 0 . FISCHER U. H E P P für zwei Verbindungen, die sie durch Umwandlungen des Nitrosophenylglycins (vgl. S. 205) erhielten, die Formeln: C U
/ 4
/NH(OH)
C6H4-NH(OH)
\N:NC1
C0H4-NH(OH) 1
sehr wahrscheinlich gemacht hatten . Man wurde dann in letzter Zeit mehrfach darauf aufmerksam, dass bei gewissen Processen, die wohl zur Bildung des Phenylhydroxylamins C 6 H 5 -NH(OH) führen konnten, das damit isomere Paraamidophenol C e H 4 (NH 2 )(OH) erhalten wurde 2 ; so sah man das letztere beim Kochen von Diazobenzolimid mit Schwefelsäure unter Stickstoffentwickelung entstehen, während die Zersetzung des Diazoimids in der Gleichung: /N ' H C 6 H 6 - N < ,i + ; MST OH
XH
=
C0HÄ-N
-
CJVNH-NO
C6H6N~N-OH.
D a r S t e l l u n g e i n e r D i a z o b e n z o l c h l o r i d l ö s u n g : 9-3 g Anilin (VI0 GrammAequivalent) werden in ca. 100 ccm einer verdünnten Salzsäure gelöst, welche 9-2 g Chlorwasserstoff enthält; zu dieser durch schwimmendes Eis auf 5—10° gehaltenen Lösung lässt man eine concentrirte wässerige Lösung von 1 • 2 g käuflichem Natriumnitrit unter gutem Umrühren zufliessen. D a r s t e l l u n g von f e s t e m D i a z o b e n z o l n i t r a t n a c h G R I E S S : Salpetersaures Anilin (nicht mehr als etwa 5 g) wird mit wenig Wasser zu einem dünnen Brei zerrieben, in welchen man nun unter sorgfältiger äusserer Eiskühlung salpetrige Dämpfe — aus arseniger Säure und Salpetersäure entwickelt — in langsamem Strom einleitet, bis klare Lösung erfolgt ist; die so entstandene Lösung giesst man in das dreifache Volum absoluten Alkohol und bewirkt darauf durch Zusatz von Aether die Abscheidung des krystallisirten salpetersauren Diazobenzols, das abgesogen, mit Aether gewaschen und vor dem Trockenwerden wieder zum Zweck irgend welcher Benutzung in Wasser gelöst wird. G r ö s s e r e M e n g e n , a l s e t w a 0-1—0-2 g, d a r f man d e r a u s s e r o r d e n t l i c h e n E x p l o s i v i t ä t w e g e n n i c h t t r o c k e n werden lassen. D a r s t e l l u n g von f e s t e m D i a z o b e n z o l c h l o r i d n a c h K N O E V E N A G E L : Eine kalt gesättigte, alkoholische Lösung von salzsaurem Anilin, welche durch Hinzufügen von wenig Tropfen concentrirter Salzsäure angesäuert ist, wird auf + 5 ° abgekühlt und mit der berechneten Menge Amylnitrit portionsweise unter fortwährender Kühlung versetzt. Nach kurzer Zeit scheidet sich das Diazochlorid krystallinisch aus; man saugt es ab und wäscht mit wenig Alkohol, dann mit Aether aus. A u c h das D i a z o b e n z o l c h l o r i d ist in t r o c k e n e m Z u s t a n d n u r mit g r ö s s t e r Vors i c h t zu h a n d h a b e n . D i a z o t i r u n g von A m i d o a z o b e n z o l : Man verreibt freies Amidoazobenzol mit Wasser zu einem dünnen Brei, in den man die äquivalente Menge Natriumnitrit einrührt und kühlt durch Zusatz von wenig Eis etwas ab; fügt man nun auf einmal eine 21/2 Mol. HCl enthaltende Menge wässeriger Salzsäure hinzu, so erhält man eine klare Lösung des Benzolazo-diazobenzolchlorids C 6 H 5 -N—N-C 6 H 4 -N—N-Cl.
Andere Bildungsweisen der Diazokörper ausser der directen Diazotirung haben nur ein theoretisches Interesse. Erwähnt sei, dass sich Diazobenzolnitrat durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Diazoamidobenzol in ätherischer Lösung bildet2, und dass Hydrazine unter gewissen Bedingungen (vgl. auch S. 307) eine Oxydation zu Diazokörpern 1
Ber. 27, 1948 (1894). Ann. 1 3 7 , 42 (1866); vgl. auch ebenda S. 4^.-49.
* GRIESS,
282
Besondere Bildimgsweisen von Diazokörpern.
erleiden1, z. B. bei der Einwirkung von Brom in stark salzsaurer Lösung neben den Bromderivaten der Hydrazine solche der entsprechenden Diazokörper liefern (es entsteht z. B. B r C 6 H 4 N ~ N - C l aus C6H5 NHNH2.HC1). Die Bildung von Diazokörpern durch Verseifung von Nitrosaniliden ist schon S. 190 erwähnt, gleichfalls S. 182 die Umlagerung von Nitrosaminen zu Diazokörpern durch Mineralsäuren. Der letztere Vorgang hat für den Fall des p-Nitrophenylnitrosamins (S. 216) auch praktische Bedeutung; das in den Handel gelangende p-Nitrophenylnitiosaminnatrium („Nitrosaminsalz") wird für Färbereizwecke durch Lösen in Wasser und Ansäuern in eine p-Nitrodiazobenzollösung verwandelt, welche nun zur Erzeugung von Azofarbstoffen auf der Faser verwendet wird 2 (vgl. S. 269). E i g e n s c h a f t e n der D i a z o k ö r p e r . Es ist schon mehrfach im vorigen Abschnitt darauf hingewiesen, dass man nur in seltenen Fällen genöthigt ist, Diazokörper als solche zu isoliren, meist dagegen mit der Herstellung von Diazolösungen auskommt. So erklärt es sich, dass über die Eigenschaften der einzelnen Diazokörper nur verhältnissmässig wenige Angaben in der Literatur sich finden, trotzdem wohl fast jedes aromatische Amin, das überhaupt einmal beschrieben worden ist, gelegentlich auch diazotirt wurde. Gleichwohl besitzen wir in den hauptsächlich von Gurtss herrührenden, von späteren Autoren gelegentlich ergänzten Angaben über die e i n f a c h s t e n Diazokörper — die durch Diazotirung des Anilins gewinnbaren Diazobenzol-Verbindungen — ein Material, welches uns von den Eigenschaften dieser interessanten Körpergruppe ein scharfes Bild entwirft. Die Verbindungen lassen sich am einfachsten formuliren, wenn man in ihren Molecülen den ein werthigen Benzolazorest: C,,H-—N - N —
(bezw. analoge Reste CH 3 -C ( .H 4 —N- X— etc.) an Radicale verschiedener Art gebunden annimmt. Die Berechtigung dieser Auffassung wird weiter unten dargethan werden (S. 299 ff.). Man erhält die Mineralsäuresalze des Diazobenzols 3 , in deren Molecülen jener Rest an Säureradieale gebunden angenommen wird: C0H5—M-N-Cl,
C 6 H 5 -N— N - N O , etc.,
1 E. F I S C H E R , Ann. 1 9 0 , 97 (1877). — L. M I C H A E L I S , Ber. 2 6 , 2190 (1893). — Vgl. auch: A. M I C H A E L I S , Ber. 2 2 , 2229 (1889). — K L I E E I S E N , Ber. 2 7 , 2549 (1894). — V A U B E L , J . pr. [2] 4 9 , 541 (1894). 2 Vgl.: E R D M A N X , Chem. Industrie 1 7 , 2 9 1 ( 1 8 9 4 ) . — F R I E D L Ä N D E R , Cöthener Chem. Ztg. 1 8 , 1 1 8 6 ( 1 8 9 4 ) . 3 P. G R I E S S , Ann. 1 3 7 , 41 ff. (1866). — G R I E S S U. C A R O , J b . 1 8 6 7 , 915. — K N O E V E N A O E L , Ber. 2 3 , 2994 (1890).
Mineralsäuresalze des Diazobenzols.
283
direct durch die Einwirkung von salpetriger Säure auf die entsprechenden Salze des Anilins (vgl. S. 278—281). E s sind dies f a r b l o s e , gut krystallisircnde Verbindungen von durchaus s a l z a r t i g e m Charakter, in Wasser sehr leicht löslich, in Alkohol schwerer, in Aether fast unlöslich; ihre wässerige Lösung reagirt n e u t r a l 1 . In festem trockenen Zustand explodiren sie beim Erhitzen, theilweise auch durch Schlag äusserst heftig; namentlich das Diazobenzolnitrat ist durch eine ganz enorme Explosivität ausgezeichnet, es verpufft schon bei gelindem E r hitzen weit heftiger, als selbst Knallquecksilber oder Jodstickstoff; viel weniger explosiv ist das Diazobenzolsulfat. Analysirt sind von diesen Salzen das C h l o r i d C 6 H 5 -N 2 -C1, B r o m i d C 8 H 5 - N 2 . B r , N i t r a t C 6 H 5 N 2 • NOg (durch Bestimmung des beim Kochen mit Wasser entwickelten „Diazo"-Stickstoffs, vgl. unten) und S u l f a t C 0 H 5 -N 2 -SO 4 H. Der salzartige Charakter dieser Diazokörper kommt auch in dem kryoskopischen Verhalten 2 ihrer verdünnten wässerigen Lösungen zum Ausdruck; berechnet man aus der Gefrierpunktserniedrigung das Moleculargewicht (vgl. Bd. I , S. 33 ff.), so findet man beim Diazobenzolchlorid z. B . etwa die Hälfte des der Formel C 6 H 6 -N 2 -C1 entsprechenden Werthes; dieser Umstand deutet auf eine nahezu vollständige elektrolytische Dissociation in +
—
Ionen C 6 H 6 — N a — und C1—, wie sie heute in analoger Weise für die anorganischen Salze, Chlornatrium etc., angenommen wird. I m Verein mit der Neutralität der Salze zeigt dieses Verhalten, dass der Benzolazorest C 6 H 5 — N = N — im salzartig gebundenen Zustand sehr stark basischen Charakter besitzt. — Beim Durchschütteln einer wässerigen Diazobenzolchloridlösung mit Benzol, Nitrobenzol, Chloroform etc. wird von diesen Lösungsmitteln keine Spur Diazobenzol aufgenommen, dagegen wird das Diazobenzol leicht durch Phenol 3 ausgeschüttelt, wobei sich das Phenol intensiv braun — vielleicht unter Bildung des Diazobenzolphenylesters C,.H 5 —N-—N—0-C 6 H 5 — färbt. Die wässerigen Lösungen der Diazosalze sind meist nur in der Kälte einige Zeit beständig 4 , beim Erwärmen zersetzen sie sich unter Stickstoffentwickelung, z. B . : C„H5—N—N-Cl + H 2 0 = C 6 H 5 OH + HCl + N, — eine Reaction, welche auch zur quantitativen Bestimmung des „Diazostickstoffs" benutzt werden kann. 1 Die entgegenstehende Angabe von GRIESS (Ann. 1 3 7 , 49), dass Diazosalze stark sauer reagiren, ist nach gefl. Privatmittheilung von BAMBERGER unrichtig. Selbst Diazonitrate, welche im Kerne negative Substituenten enthalten, wie B r - C 0 H 4 - N : N ' 8 , reagiren nach BAMBERGER'S Beobachtungen neutral. s H. GOLDSCHMIDT, Ber. 2 3 , 3220 (1890). 8 R. HIRSCH, Ber. 2 3 , 3707 (1890). 4 Vgl. R. HIRSCH, Ber. 2 4 , 324 (1891). — Eine weit grössere Beständigkeit, als die Diazobenzolsalze, besitzen die durch stark negative Radicale substituirten Diazosalze, wie N O , - C 8 H 4 - N : N - C l (Privatmittheilung von BAMBERGER).
284
Mctallsalze des
Diazobenzols.
Durch Eingiessen der Lösung eines Diazobenzolsalzes in Cyankaliumlösung erhält man ein krystallinisches, leicht zersetzliches C y a n i d 1 C a H 5 • N—N • CN + HCN. Erwfihnenswerth sind ferner einige gut charakterisirte Doppelsalze® des Diazobenzols — das in Waaser sehr schwer lösliche P l a t i n d o p p e l c h l o r i d (C6H5Nj-Cl) s PtCl 4 (gelbe Prismen), das aus warmem Alkohol in goldglänzenden Blättchen krystallisirende G o l d d o p p e l o h l o r i d C 6 H 5 • N,• C1.AuCl, und das Z i n n d o p p e l c h l o r i d (C„H5 • N, • Cl),SnCl4 (weisse, undeutliche Blättchen). Leicht in fester Form erhältlich und ihrer Krystallisationsfähigkeit wegen zur Charakterisirung der Diazokörper wichtig sind die Diazo-perbromide 3 ; man erhält z. B. das D i a z o b e n z o l p e r b r o m i d C 6 H 5 -N 2 Br.Br ä , wenn man die Lösung eines Diazobenzolsalzes mit einer Lösung von Brom in BromwasserstofFsäure oder Bromkalium versetzt; es krystallisirt in grossen gelben Blättern, schmilzt bei 63-5°, verpufft bei weiterem Erhitzen ohne besondere Heftigkeit, ist in Wasser und Aether unlöslich, in kaltem Alkohol ziemlich schwer löslich; mit wässerigem Ammoniak liefert es Diazobenzolimid: C6H6 - Nj-Br.Br, + NH S = 3HBr + C 9 H 6 -N 8 , mit wässeriger Natronlauge Phenylnitramin neben Nitrosobenzol, Phenylnitrosohydroxylamin, Azobenzol, Chinon etc. (vgl. S. 184).
Wenn in den eben angeführten Verbindungen der Benzol-azorest die Rolle eines basischen Eadicals spielt, so ist er andererseits auch im Stande, als schwaches Säureradical zu fungiren und so die Bildung von Metallsalzen des Diazobenzols4 zu ermöglichen. Trägt man eine gesättigte wässerige Lösung von Diazobenzolchlorid in v i e l ü b e r s c h ü s s i g e , ä u s s e r s t c o n c e n t r i r t e K a l i l a u g e ein, so scheidet sich das D i a z o b e n z o l k a l i u m C 6 H 6 -N a -OK aus; dasselbe bildet weisse, perlmutterglänzende Blättchen, ist sehr leicht in Wasser und Alkohol löslich, in Aether unlöslich, zeigt stark alkalische Reaction, zieht im feuchten Zustand begierig Kohlensäure an, verpufft im trockenen Zustand erst oberhalb 130° schwach und liefert beim Ansäuern mit Salzsäure wieder Diazobenzolchlorid zurück; über seine Umlagerung zu Phenylnitrosaminkalium vgl. S. 182, 298. Das sehr explosive S i l b e r s a l z C 6 H 6 -N 2 -OAg ist ein amorpher Niederschlag. Der Zusammensetzung der Säuresalze und Metallsalze entsprechend könnte man das freie Diazobenzol als Hydroxyd des Benzol-azo-restes C 6 H 6 • N—N—OH formuliren. Die Versuche zur Darstellung des freien Diazobenzols 6 haben indess noch nicht zur Gewinnung eines analysenlahigen Präparats geführt. Versetzt man die wässerige Lösung des Diazobenzolkaliums mit der äquivalenten Menge Essigsäure, so scheidet sich ein aromatisch riechendes, dickes, gelbes Oel aus, welches schon 1 S
GABRIEL, Ber. 12, 1637 (1879). — Vgl. auch GRIEBS, ebenda, 2119." GRIESS, Ann. 137, 52 (1866). Ber. 18, 965 (1885)
" GRIESS, A n n . 1 3 7 , 5 0 (1866). B e r . 1 7 , 6 0 5 (1884). — A . MICHAELIS, B e r . 2 2 , 2 2 3 0 (1889). — SAUNDERS, B e r . 2 5 o, 279 (1892). — L . MICHAELIS, B e r . 2 6 , 2 1 9 0 ( 1 8 9 3 ) . — BAMBERGER, B e r . 2 7 , 1273, 1 5 5 4 (1894). 4
GRIESS, A n n . 1 3 7 , 53 ff. (1866). — CURTIÜS, B e r . 2 3 , 3 0 3 5 (1890). — WOHL, B e r . 2 5 , 3 6 3 3 (1892). — SCHRAUBE U. SCHMIDT, B e r . 2 7 , 5 2 0 (1894). — BAMBERGER U. KÖTSCHET, B e r . 2 7 , 6 8 3 (1894). 5 GRIESS, A n n . 1 3 7 , 5 8 (1866). — CURTIUS, B e r 2 3 , 3 0 3 3 (1890).
285
Diazoester.
nach einigen Augenblicken Stickgas zu entwickeln beginnt und dabei in eine zähe, braunrothe Substanz umgewandelt wird. 1 Dagegen ist es neuerdings gelungen, einen Diazoester in analysirbarem Zustand herzustellen, den p - N i t r o d i a z o b e n z o l - m e t h y l e s t e r N 0 2 C g H 4 -N—N—O CH 3 , welcher durch Einwirkung von Jodmethyl sowohl auf das p-Nitrodiazobenzolsilber, wie auf das Iso-p-nitrodiazobenzolsilber (Silbersalz des p-Nitrophenylnitrosamins, vgl. S. 216—217) entsteht. Er krystallisirt aus Aether in fast farblosen Nädelchen, schmilzt bei 83°, ist in den organischen Lösungsmitteln leicht, in Wasser nicht löslich. Als echte Diazoverbindung charakterisirt er sich dadurch, dass er beim Kochen mit verdünnten Säuren unter Stickstoffentwickelung p-Nitrophenol liefert, mit Anilin unter Bildung von p-Nitrodiazoamidobenzol NO a -C 6 H 4 -N:N-NH-C e H 6 , mit Phenol unter Bildung von p-Nitrobenzol-azo-phenol N0 2 -C 6 H 4 -N:N C 6 H 4 -0H reagirt. Durch sehr geringe Mengen Essigsäure wird er in alkoholischer Lösung äusserst rasch in Nitrodiazobenzolacetat verwandelt. Den D i a z o e s t e r n a n a l o g e S c h w e f e l V e r b i n d u n g e n 1 entstehen durch Einwirkung von Diazoverbindungen auf aliphatische Mercaptane. Analysirt ist das Natriumsalz der Verbindung, welche nach der Gleichung: ,N=N C6H4
n «-Verbindung
C6H5-NH—C—SH ¡1 N T!T c6h5 ß-Verbindung
beilegt. Eine derartige Formulirung erklärt insbesondere das verschiedene Verhalten der Isomeren gegen Phosgen sehr gut; während nämlich die ^-Verbindung beim Eintragen in überschüssige Phosgenlösung glatt das Phenylanilidothiobiazolon (vgl. auch S. 314) liefert: C6H5-NH—C—SH II N nIh - c 6 h 5
C6Hä-NH—C—S II \ + COCl, = N >CO + 2 HCl, " nI //c 0 h 5
giebt die a-Verbindung zwar auch gewisse Mengen dieser Veibindung, da sie durch die bei der Reaction frei werdende Salzsäure theilweise zur ß-Verbindung umgelagert wird, daneben aber beträchtliche Mengen eines anderen Produkts, das als Diplienylimidobiazolonylmercaptan aufzufassen ist: CeH6NH—C—SH II COCl, + N I CeH6—HN
CaH5-N—C—SH / II COC N + 2 HCl. C6H6-K
Symmetrisch constituirte H y d r a z i d o s ä u r e n sind durch Reduction der Hydrazone von Aldehydsäuren bezw. Ketonsäuren: C6H5 • N H • N : C H • C O a H + 2 H = C6H6 • N H • N H • CHj • C02H,
und in Form ihrer Nilrile, welche sich zu deß Säuren verseifen lassen, durch Umsetzung von Hydrazinen mit Cyanhydrinen: CHsCH
x C6HS-N:>K
v. PECHMAim, Ber. 21, 2751 (1888). v. PECHMANN u. WEHSABO, Ber. 21, 2994 (1888).
>CH-CHS,
328
Constitution
der Combinationsprodukte
aus
wurde die Berechtigung dieser Deutung später durch die eigenthiimliche Beobachtung R. M E Y E R ' S zweifelhaft, dass die Combination von Diazobenzolchlorid mit Malonsäureester und darauf folgende Verseifung des Combinationsprodukts die gleiche Substanz ergiebt. wie die Einwirkung von Phenylhydrazin auf Mesoxälsäure: = HCl + C6H,• X:N• C H ( C O • C,,H6>,, C 6 H 5 • X : X • G'H(CO.>• COH- ]2 + 2II 2 0 = 2 C . , H , - O H + CJf,-N:N-CH(C02H),\ idenC Ö H - • N H • N H , + CO( C0 2 HI, = H20 + C\ H:, -NH-N-. C(CO, H\J tisch. CeHj-N:N-C1
-r CH,(CO,•
C,H5)2
s
Während die Condensation eines nach K E K U L E V Schema constituirten Diazokörpers mit einer Methylenverbindung normaler Weise den Complex: R-X: X - C H ^ \
die Condensation einer Carbonylverbindung mit einem Hydrazin normaler Weise den davon verschiedenen Complex R-XH-X entstehen lassen sollt«?, war im obigen Beispiel, dem sich bald andere anreihten, auf beiden Wegen eine und dieselbe Verbindung entstanden. Die Constitution der auf zweierlei Wegen herstellbaren Verbindungen musste demnach nunmehr als strittig betrachtet werden. Die Discussion über diese Constitutionsfrage 1 , an welcher sich C L A I S E N , J A P P U . K L I X G E M A N N , V. M E Y E R , V. P E C I I M A N X U. A . betheiligten, und für welche namentlich J A P P U . K L I X G E M A X N werthvolles experimentelles Material beibrachten, hat dazu geführt, die d e r a r t g e b i l d e t e n V e r b i n d u n g e n im g e r a d e n G e g e n s a t z zu d e r u r s p r ü n g l i c h e n F o r m u l i r u n g als H y d r a z o n e a u f z u f a s s e n . Zu Gunsten dieser Aenderung sind mehrere Punkte bestimmend gewesen. Für das ,.Benzol-azo-aceton" z. B., bei dem die Wahl zwischen den beiden Formeln: 1)
CH3 CO-CH.,-X:X-CÖH5
und
2) C H 3 - C O - C H :
N-XH-C6H5
zu treffen war, ist nachgewiesen, dass das aus demselben durch Einwirkung von Natriumäthylat und Chloressigester entstehende Produkt die Constitution /CH,-C02-C2H,, CH3 • CO • CH : X • X"/ x c6H5 besitzt, da es bei der Reduction Anilidoessigsäure C 0 H 5 -NH-CH 2 -CO 2 -H liefert. Durch diesen Nachweis kann nun heute freilich die Formel Nr. 1 1
R . MEVER, B e r . 2 1 , 118 ( 1 8 8 8 ) ; 2 4 , 1 2 4 1 ( 1 8 9 1 ) . — J A P P U. IVLINGEMANN, B e r .
2 0 , 3 3 9 8 (1887).
A n n . 2 4 7 , 1 9 0 ( 1 8 8 S ) . — V . MEYER, B e r . 2 1 , 11 (1888). — HALLER,
Compt. rend. 106,
1 1 7 3 ( 1 8 8 8 ) . — BEYER U. CLAISEN,
Ber. 21,
1 6 9 7 ( 1 8 8 8 ) . — CLAISEN,
B e r . 2 5 , 7 4 6 ( 1 8 9 2 ) . — v . PECHMANN, B e r . 2 5 , 3 1 9 0 (1892). — BAMBERGER U. WHEELWRIGHT, B e r . 2 5 , 3 2 0 1 ( 1 8 9 2 ) . — BAMBERGER. B e r . 2 7 , 2 5 9 1 A n m .
(1894).
Dia;okurpem
und aliphatischen
Verbindungen.
329
nicht als ganz ausgeschlossen gelten, da derartige Atomverschiebungen, wie sie die Annahme der Formel 1 hiernach für den Alkylirungsprocess nothwendig machen würde, in manchen anderen Fällen (vgl. z. B. S. 187, 191—192) zugelassen werden. Entscheidender ist das Verhalten des Methj'lacetessigesters gegen Diazobenzol. Wenn dem Combinationsprodukt aus Acetessigester und Diazobenzol nämlich die Azo-Formel: CO-CH 3 C6H5-NVN-CH/ \co,-COH5
zukäme, so müsste man die Bildung eines analogen Produkts aus Methylacetessigester erwarten: .CO-CH,
Mit dem Methylacetessigester verläuft aber die Reaction ganz anders: unter Abspaltung der Acetylgruppe des Acetessigesters wird der Ester einer Säure gebildet, die mit dem Phenylhydrazon der Brenztraubensäure C0H5.NH-X
C(CH 3 )-C0 2 H
identisch ist. Diese Verdrängung der Acetylgruppe wird nur dann verständlich, wenn man annimmt, dass der Diazorest in der z w e i w e r t h i g e n Hydrazonform C ß H 5 -NH-NCH-CO CH3 + N O - O H C2H5-CO/
=
CH3N > C : N - O H 4-OH CO.CH 3 C2H5-CO/
CHsN CHsN >CH • CO • CHj + OH • N2 • C6H5 = >C:N • NH • C6H6 + OH.CO • CH,. C„H5- CO/ C,H 5 -CO/
Die Pormulirung der Vorgänge, durch welche Hydrazone auB Diazoverbindungen entstehen, ist abhängig von den Anschauungen über die Constitution der Diazohydrate. Denn da jene Kuppelunga-Eeactionen meist in neutraler, schwach essigsaurer oder verdünnt alkalischer Lösung ausgeführt werden, so werden die Diazokörper im Moment der Keaction in der Form der Hydrate zugegen sein. Pormulirt man nun die Diazohydrate nach KEKUL£, SO kann man annehmen, dass anfänglich durch einfache Wasserabspaltung ein Azokörper entsteht, der sich dann in ein Hydrazon umlagert: C 8 H , - N = N - O H + C H 2 / - H20 = C 6 H 5 - N = N — C H / ,
\
X
I \
= C 6 H 6 -NH-N=CHg
, welche durch Ein-
\C6H1-N(CH3)2(OH)
Wirkung von Schwefelnatrium das eben angeführte p-Quecksilberdimethylanilin liefert.
C. B l e i - V e r b i n d u n g e n . Die Verbindungen des Bleis mit den aromatischen Kohlenwasserstofftesten sind von POLIS 5 entdeckt und untersucht. Man erhält Bleitetraphenyl Pb(C6H5)4 durch Einwirkung von Brombenzol auf Bleinatriumlegirung; es bildet kleine farblose Nadeln des tetragonalen Systems, schmilzt bei 224—225°, zersetzt sich um 300° unter Bleiausscheidung und spaltet leicht zwei Phenylreste ab; so geht es z. B. beim Einleiten von Chlor in seine Schwefelkohlenstotf-Lösung in B l e i d i p h e n y l c h l o r i d Pb C0H6)2C12, bei längerem Sieden mit Eisessig in B l e i d i p h e n y l a c e t a t Pb(C0H5), (O• CO• CH3)q -f 2H 2 0, durch Eintragen in kochende Salpetersäure in B l e i d i p h e n y l n i t r a t Pb(C6H5)2(0 • NO.,)2 + 2H.20 über. 1
DREHER U. OTTO, A n n . 1 5 4 , 93 (1869). — LADENBURG, A n n . 1 7 3 , 151 (1874).
— ARONHEIM, Ann. 194, 148 (1878). — OTTO, J. pr. [2] 1, 179 (1870); 29, 136 (1884). B e r . 1 8 , 247 (1885). — HEUMANN U. KÖCHLIN, B e r . 1 6 , 1626 (1883). — MICHAELIS U. LOESNER, B e r . 2 7 , 2 6 4 A n m . (1894). — KRAFFT U. LYONS, e b e n d a , 1768. A DREHER U. OTTO, A n n . 1 5 4 , 1 7 1 (1870). — OTTO, J . p r . [2| 1, 185 (1870). — LADENBURQ, A n n . 1 7 3 , 162 (1874). — A . MICHAELIS U. GENZKEN, A n n . 2 4 2 , 180, 1 8 5 (1887). — A . MICHAELIS U. BERGHEQQER, B e r . 2 8 , 588 (1895). — ZEISER, e b e n d a , 1670. 3 A . SCHENK U. A . MICHAELIS, B e r . 2 1 , 1 5 0 1 (1888). — A . MICHAELIS U. RABINERSON,
Ber. 2 3 , 2342 (1890). * PESCI, B e r . 2 6 R e f . , 6 0 1 ( 1 8 9 3 ) ; 2 7 R e f , 1 2 8 ( 1 8 9 4 ) ; 2 8 R e f . , 112 (1895). — PICCININI, B e r . 2 7 R e f . , 128 ( 1 8 9 4 ) ; 2 8 R e f . , 1 1 3 (1895). — EUSPAQGIARI, B e r . 2 7 R e f . , 1 2 9 (1894). — PIQORINI, B e r . 2 8 R e f . , 114 (1895). 5
B e r . 2 0 , 716, 3 3 3 1 (1887); 2 1 , 3 4 2 4 (1888).
Einwerthige Phenole.
359
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Die einwerthigen Phenole, welche sich vom Benzol und seinen Homologen ableiten. Wenn in das Molecül eines aromatischen Kohlenwasserstoffs die Hydroxylgruppe —OH an Stelle von Wasserstoff eintritt, so kann die Substitution wieder entweder im aromatischen Kern oder in der Seitenkette erfolgen: C 0 H 4 (OH)-CH,
C 0 H ä -CH 2 (OH).
Im letzteren Falle entstehen Verbindungen, die den aliphatischen Alkoholen ganz analog sind; sie werden später (S. 465 ff.) besprochen werden. Zunächst seien die Verbindungen geschildert, welche durch Einführung der Hydroxylgruppe in d e n a r o m a t i s c h e n K e r n entstehen. Sie bilden eine der wichtigsten und ausführlichst untersuchten, aromatischen Körperklassen, deren Vertreter ein eigenartiges, bei aliphatischen Hydroxyl-Verbindungen nicht beobachtetes Verhalten zeigen (vgl. S. 43, 114) und daher auch durch einen besonderen Gruppennamen zusammengefasst werden. Da der einfachste, hierher gehörige Körper: C 0 H ä —OH
den Namen „Phenol" (vgl. S. 370) erhalten hat, so nennt man allgemein die Verbindungen mit „aromatisch gebundener" Hydroxylgruppe „ P h e n o l e " ; die einzelnen Verbindungen werden meist durch die Endung „ol" charakterisirt, welche an den Stamm des zugehörigen Kohlenwasserstoff-Namens oder auch an andere Vorsilben angehängt wird, z. B. : CHj-CeH^OH: (CH 3 ),C 6 H 2 (OH):
Kresol
(CH3)2CuH3(OH):
Xylenol
Mesitol bezw. Pseudocumenol etc.
Die Klasse der Phenole enthält viele, praktisch sehr wichtige und leicht zugängliche Körper (vgl. S. 370 ff.). J e nach der Anzahl der Hydroxylgruppen unterscheidet man „einwerthige", „zweiwerthige" Phenole etc. In diesem Kapitel werden, zunächst die e i n w e r t h i g e n P h e n o l e behandelt, welche sich von den Benzolkohlenwasserstoffen ableiten; sie besitzen die allgemeine Zusammensetzung: C n H 2 n _ 7 (OH) =
CnH,n_60.
Bildungsweisen. Die Phenole — namentlich die ersten Glieder der Eeihe: Phenol selbst und die Kresole — entstehen häufig bei der Zersetzung sauerstoffhaltiger organischer Körper in hohen Hitzegraden und treten daher
360
Bildungsweisen
der
Phenole.
als Produkte der „trockenen Destillationsprocesse" auf. Derart gebildet 1 findet man sie vor Allem im Steinkohlentheer (vgl. S. 89, 93) und im Braunkohlentheer 3 (vgl. Bd. I, S. 138).' Eine synthetische Bildungsweise der Phenole, aus aliphatischen Verbindungen 3 , welche die Kondensation von Acetessigester mit Aldehyden zum Ausgangspunkt nimmt, wurde schon S. 81—82 erläutert. Praktisch von grösster Wichtigkeit ist einerseits die B i l d u n g der P h e n o l e aus S u l f o s ä u r e n durch Schmelzen mit Kali bezw. Natron 4 (vgl. S. 133—134; als Beispiel der praktischen Ausführung vgl. die Darstellungsvorschrift für /9-Naphtol), andererseits ihre Bildung d u r c h Z e r s e t z u n g der D i a z o v e r b i n d u n g e n (vgl\ S. 289—290). Diese beiden ßeactionen sind auf zwei häufig betretenen Wegen zur Ueberführung eines Kohlenwasserstoffs in das zugehörige Phenol die Endoperationen, z. B.: C0H0 C„H0
>- C0H6(SO,H) »- C 6 H 5 (0H) »- C6H5(N02) >- C0H5fNH2) --—.->- C0H5 • N, - OH — — C 0 H , ( O H ) . -
Die d i r e c t e U e b e r f ü h r u n g der K o h l e n w a s s e r s t o f f e in P h e n o l e durch Oxydation lässt sich nachweisen, wenn man bei Siedehitze Sauerstoff in Gegenwart von Aluminiumchlorid auf sie einwirken lässt; doch erhält man bei dieser Reaction 5 und anderen ähnlichen Eeactionen 6 so geringe Ausbeute, dass sie praktisch bedeutungslos sind. Dagegen sind in manchen Fällen Reactionen auch als Dar'stellungsmethoden vortheilhaft, welche die Möglichkeit bieten, von e i n f a c h e r e n P h e n o l e n d u r c h E i n f ü h r u n g von S e i t e n k e t t e n zu H o m o l o g e n zu g e l a n g e n . Es gelingt dies durch Condensation von Phenolen mit Alkoholen 7 in Gegenwart von Chlorzink oder mit Alkylenen 8 in Gegenwart eines Gemisches von 1 Vol. concentrirter Schwefelsäure und 9 Vol. Eisessig, z. B.: 1
C4H9(OH) + C 0 H 5 - O H
=
HOO +
C5H10
=
C5HA.C0H4-OH.
+ C0H5-OH
C4H9.C6H4-OH
1
V g l . : WILLIAMSON u. FAIRLIE, A n n . 9 2 , 319 (1854). — DUCLOS, A n n . 1 0 9 , 135 (1859). — MAIIASSE, A n n . 1 5 2 , 59 (1869). — TIEMANN U. MENDELSOHN, Ber. 1 0 , 57
(1877). — PFRENGER, Arch. f. Pharm. 228, 713 (1890). — BEHAL U. CHOAY, Bull. [3] 11, 698 (1894). 2 Vgl. v. BOYEN, Ztschr. f. angew. Chem. 1892, 675. 3 E. KNOEVENAQEL, Ber. 2 6 , 1951 (1893); 27, 2347 (1894). Ann. 2 8 8 , 339, 346 (1895). 4 Vgl. hierzu: LASSAR-COHN, Arbeitsmethoden für organisch-chemische Laboratorien, S. 271 ff. (Hamburg u. Leipzig, 1893). 6 6 7
FRIEDEL U. CRAPPTS, A n n . ch. [6] 1 4 , 4 3 5 (1888). HOPPE, Ber. 1 2 , 1 5 5 2 (1879). — LEEDS, B e r . 1 4 , 9 7 5 (1881). LIEBMANN, Ber. 1 4 , 1 8 4 2 (1881); 1 5 , 150 (1882). — AUER, Ber. 1 7 , 669 (1884).
— Vgl. auch DENNSTEDT, Ber. 23, 2569 (1890). — SENKOWSKI, Ber. 24, 2974 (1891). — BAUR, B e r . 2 7 , 1 6 1 4 (1894). —ANSCHÜTZ U. BECKERHOFF, Ber. 2 8 , 4 0 7 (1895). 8 KOENIGS, B e r . 2 3 , 3145 (1890). — KOENIGS U. CARL, B e r . 2 4 , 3889 (1891).
Allgemeine Charakteristik der Phenole.
361
Erwähnt sei endlich die Bildung von Phenolen aus aromatischen Oxy säuren durch Abspaltung von Kohlendioxyd, z. B . : C 6 H 4 (0HXC0 2 H) = C6H5(OH) + CO,,
die in manchen Fällen praktische Bedeutung gewinnt. Ueber den Austausch aromatisch gebundener Halogenatome gegen die Hydroxylgruppe vgl. S. 114, 161.
Allgemeine
Charakteristik.
Die Phenole sind meist gut krystallisirbare, mehr oder weniger leicht schmelzbare, zum geringen Theil auch schon bei gewöhnlicher Temperatur flüssige Verbindungen, welche für sich unzersetzt destillirt werden können und auch mit Wasserdämpfen meist leicht flüchtig sind. Sie sind farblos, besitzen aber intensiven, charakteristischen Geruch und häufig stark antiseptische Wirkung. In Wasser sind nur die ersten Glieder aus der Reihe der einwerthigen Phenole einigermassen löslich, mit steigendem Moleculargewicht nimmt die Löslichkeit in Wasser sehr rasch ab (vgl. Thymol, S. 377). In Alkohol und Aether sind sie meist sehr leicht löslich. Bestimmt man das Moleculargewicht auf kryoskopiscliem Wege in Benzoloder Naphtalinlösung1, so findet man bei manchen Phenolen, dass die sich ergebenden Werthe, wie auch bei anderen hydroxylhaltigen Verbindungen (vgl. Bd. I, S. 35), nur in sehr verdünnter Lösung der Erwartung entsprechen, bei wachsender Coneentration dagegen sehr rasch ansteigen. Bei anderen Phenolen dagegen beobachtet man, wie bei hydröxylfreien Verbindungen, annähernde Proportionalität zwischen Gefrierpunkta-Depression und Coneentration. Diese Erscheinungen werden in gesetzmässiger Weise durch die Stellung und die Natur der ausser der Hydroxylgruppe vorhandenen Substituenten beeinflusst. Orthosubstituirte Phenole verhalten sich kryoskopisch normal, parasubstituirte anormal, Metaderivate stehen in der Mitte, nähern sich jedoch meist mehr den Para-Derivaten. Einen besonders starken Einfluss — in der Orthosteilung normalisirend, in der Parastellung anormalisirend — übt die Methylalgruppe —CHO aus (vgl. S. 518); es folgt die Carboxalkylgruppe —COoK, darauf die Nitrogruppe- N0 2 ; schwächer wirken Halogene, am schwächsten Alkyle. Näheres vgl. in der Original-Literatur1.
Den Alkoholen gleichen die Phenole zunächst darin, dass das Hydroxyl-Wasserstoffatom durch Metallatome vertreten werden kann (vgl. Bd. I , S. 151 u. 160). Aber die so entstehenden „ P h e n o l a t e " , wie C 6 H 5 -ONa, unterscheiden sich sehr wesentlich von den Alkoholaten dadurch, dass sie gegen Wasser weit beständiger 2 sind, demnach mehr salzartigen Charakter, besitzen. Daher lösen sich alle Phenole leicht in verdünnten wässrigen Alkalien unter Bildung ihrer in Wasser leicht löslichen Alkalisalze auf, wenn sie auch an sich in Wasser nicht löslich sind; Alkohole dagegen, die in Wasser nicht löslich sind, — z. B . Amyl1
AUWERS,
Ztschr. f. physik. Chem.'l2,
689 (1893);
18,
595 (1895).
Ü878 ( 1 8 9 5 ) . 2
Ber. 28,
„Kryoskopisehe Versuche mit Phenolsalzen" zur Frage ihrer hydrolytischen
S p a l t u n g v g l . b e i H . GOLDSCHMIDT u . GIRABD, B e r . 2 9 , 1 2 2 4 ( 1 8 9 6 ) .
362
Phmolsabce und Phenoläther.
alkohol — lösen sich auch in wässrigen Alkalien nicht, weil ihre Alkoholate in Gegenwart von Wasser nicht existenzfähig sind. Infolge des elektronegativen Charakters der aromatischen Radicale (vgl. S. 43) besitzen eben die Phenole einen schwach säureartigen Charakter; defmirt man Säuren als Verbindungen, in deren Molecülen Wasserstoffatome durch Metallatome bei Behandlung mit feuchten Metalloxyden vertreten werden, so sind die Phenole als „Säuren" zu bezeichnen. Freilich sind sie nur sehr schwache Säuren1, deren Salze in der Kälte schon von Kohlensäure mit grösster Leichtigkeit zerlegt werden; ihre Alkalisalze reagiren daher natürlich auch auf Lakmus und ähnliche Indicator'en alkalisch; dagegen röthen sie Anilinblau 2 nicht und geben auch mit symmetrischem Trinitrobenzol nicht, wie freie Alkalien, eine blutrothe Färbung 3 . Bei Siedehitze können Phenole übrigens aus kohlensauren Alkalien Kohlensäure austreiben4. Wenn man auf die Alkalisalze wirken lässt, z. B.:
der Phenole Halogenalkyle
ein-
C„H 6 -ONa + J-CH, = NaJ + C a H 5 • 0 • CH 3 ,
so entstehen A l k y l d e r i v a t e der Phenole oder Phenoläther, welche man häufig auch mit besonders gewählten Namen — z. B.: Anisol C 6 H 6 .0-CH 3 , Phenetol C 6 H 6 -0-C 2 H 5 — bezeichnet; solche Phenoläther entstehen auch durch Einwirkung der kürzlich entdeckten aliphatischen Diazokohlenwasserstoffe, wie CH 2 N 2 , auf Phenole 6 ; über ihre Bildung aus aromatischen Diazoverbindungen 6 vgl. S. 290. — Die Phenoläther können durch Kochen mit Alkalien nicht verseift werden, wohl aber durch Erhitzen mit Halogenwasserstoffsäuren, namentlich ziemlich leicht durch Jodwasserstoff 7 ; mit grosser Leichtigkeit werden sie durch Aluminiumchlorid verseift 8 , z. B.: 3 CEHS • 0 •CH3 +
A1C1S
=
(C6H6-0)3A1 +
3CH3C1,
— eine ßeaction, bei welcher als Nebenprodukte in geringer Menge auch Homologe der Phenole (durch weitere Einwirkung des abgespaltenen Halogenalkyls in Gegenwart des Aluminiumchlorids) gebildet werden (vgl. S. 97). Auch beim Erhitzen der Phenoläther für sich im geschlossenen Rohr auf 300—400° tritt Abspaltung des Alkylrestes in Form von Kohlenwasserstoffen der Alkylenreihe ein9, z. B.: C 6 H 5 .O.C 2 H 6 = C e H 5 - O H + 0,11,. 1
Vgl. BADER, Ztschr. f. physik. Chem. 6, 289 (1890).
2
V g l . ENGEL, A n n . ch. [6] 8, 568 (1886).
3
Vgl. BADER, Ztschr. f. analyt. Cliem. 31, 58 (1891). 5 v. P E C H M A N N , Ber. B A D M A N N , Ber. 1 0 , 686 (1877). Vgl. auch L E U C K A R T , J. pr. [ 2 ] 41, 312 ( 1 8 9 0 ) .
4
6 7
GRAEBE, A n n . 139, 149 (1866).
8
HARTMANN
U. GATTERMANN
, Ber.
968 (1893). 9
BAMBERQER,
Ber.
19,
1818 (1886).
25,
3531 (1892).
28,
857 (1895).
Vgl. auch Ber.
26
Ref.,
368
Säureester der Phenole.
Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid 1 dagegen erfolgt nicht Abspaltung der Alkylgruppe, sondern Chlorirung im aromatischen Kern. Abkömmlinge von Phenol-Methyläthern — d. h. also Verbindungen, welche an irgend einer Stelle ihres Molecüls die Methoxylgruppe — 0 - C H a in aromatische Kerne eingreifend enthalten, — findet man außerordentlich häufig in der Natur (vgl. z. B. Anethol, Vanillin, VeratrumsSure, Eugenol etc.). Für die Untersuchungen über die Constitution von natürlichen Stoffen ist daher häufig die M e t h o d e ZEISEL'S2 z u r q u a n t i t a t i v e n M e t h o x y l b e s t i m m u n g von Nutzeu gewesen; sie beruht darauf, dass durch Jodwasserstoffsäure eine Spaltung der — 0 • CH S -Gruppen bewirkt, und das abgespaltene Jodmethyl durch Einleiten in eine alkoholische Silbernitratlösung in Jodsilber übergeführt, darauf in dieser Form gewogen wird.
Weniger leicht als die Alkyläther der Phenole sind die Verbindungen zugänglich, welche zwei a r o m a t i s c h e Reste durch ein Sauerstoffatom verkettet enthalten und daher als r e i n a r o m a t i s c h e P h e n o l ä t h e r bezeichnet werden können, wie z. B. C G H 6 —0—C 6 H 6 im einfachsten Fall. Durch directe Wasser-Entziehung — mittelst Chlorzink oder Aluminiumchlorid — können diese bisher wenig untersuchten Verbindungen zwar aus den Phenolen gewonnen werden, doch verläuft diese Reaction 3 durchaus nicht glatt; Weiteres vgl. S. 373 unter Diphenyläther. Durch Einführung von Säureradicalen in die Hydroxylgruppe entstehen die leicht verseif baren Säureester der Phenole; doch erfolgt die Esterificirung im Allgemeinen nicht so leicht wie bei den Alkoholen. Die Salpetersäure und Schwefelsäure, die auf alkoholische Hydroxylgruppen mit so ausserordentlicher Leichtigkeit esterificirend wirken (vgl. Bd. I, S. 202 u. 207), vorändern zwar auch die Phenole sehr leicht — aber derart, dass sie die für aromatische Verbindungen typische Wirkung (vgl. S. 41—42) auf den K e r n ausüben, d. h. Nitro- oder Sulfosubstitutions-Produkte wie C 6 H 4 (N0 2 )(0H) und C 6 H 4 (S0 3 H)(0H) erzeugen, die Hydroxylgruppen selbst dagegen intact lassen. Die den Aetherschwefelsäuren entsprechenden P l i e n o l s c h w e f e l s ä u r e n 4 , wie C0H6 0 - S 0 2 - 0 H , kann man indess in Form ihrer Kaliumsalze gewinnen, wenn man Kaliumpyrosulfat auf die sehr concentrirte Lösung der Kaliumphenolate in gelinder Wärme einwirken lässt: K,SÄO, + C6H5-OK
=
KASO< +
CEH5-0-S0,-0K;
erhitzt man diese Salze in trockenem Zustand, so lagern sie sich in Salze von Sulfosäuren um: G 1
A
H5—0-S0
A
-0K
>-
OK-SOJ-CEH,—OH.
AUTENHIKTH, Arch. f. Pharm. 2 3 3 , 26 (LB3O)
-
Na • C02—CaH4—OH.
In diesen letzterwähnten Umlagerungsprocessen, bei denen ein in die Hydroxylgruppe eingeführter Complex mit einem Kernwasserstoffatom — und zwar einem ortho- oder para-ständigen — seinen Platz tauscht, erkennt man ohne Weiteres Gegenstücke zu jenen zahlreichen Vorgängen, welche durch Wanderung eines Substituenten der Amidgruppe in den Kern zu Stande kommen (vgl. S. 183, 184, 185, 190, 219, 236—237, 341—342). In die Gruppe derartiger Umlagerungen gehören vielleicht auch die Erscheinungen, welche bei den Nitroderivaten des Pseudo-Cumenols (CH,)3CoH2(OH) beobachtet sind; dieses Cumenol liefert nämlich durch Nitrirung auffallender Weise ein in A l k a l i e n u n l ö s l i c h e s Dinitroderivat, welches vielleicht als Mononitro-cumenolsalpetersäureester (CHJ)3C6H(N0J)(0 • N0 2 ) aufzufassen ist und durch concentrirtes alkoholisches Ammoniak in alkalilösliches Dinitropseudocumenol (CH,)sC6(N0j)j(0H) verwandelt wird2. Analog dem Kohlendioxyd wird auch Schwefeldioxyd3 von Phenolaten leicht aufgenommen: C6H5-ONa + S0 2 = C 6 H 5 —0—S0 2 Na; die so entstehender. Natriumsalze von sauren P h e n o l s c h w e f l i g s ä u r e e s t e r n reagiren mit Halogenalkylen unter Bildung theils von Alkylsulfonsäurephenylestern, theils von Phenoläthern: C 6 H 6 - 0 - S 0 2 - N a + CH3-J = C 6 H 6 —0-S0 2 -CH 3 + NaJ + „ = C 0 H 5 -O-CH a + SO, + NaJ.
Die P h e n o l e s t e r d e r o r g a n i s c h e n S ä u r e n erhält man meistens recht glatt, indem man zu einem gelinde erwärmten Gemisch von 3 Mol.Gew. Phenol und 3 Mol.-Gew. Säurehydrat allmählich 1 Mol.-Gew. Phosphoroxychlorid zugiebt 4 . In vielen Fällen hat sich zur Acetylirung aromatisch gebundener Hydroxylgruppen die Einwirkung von Essigsäureanhydrid in Gegenwart von entwässertem Natriumacetat als besonders praktisch erwiesen 5 ( A c e t y l i r u n g s m e t h o d e von L I E B E B M A N N U. H Ö R MANN).
Vgl. SCHMITT, J . pr. [2] 3 1 , 397 (1885). AÜWERS, Ber. 17, 2979, 2981 (1884); 29, 1105 (1896). » SCHALL U. K . KOPP, J . pr. [2] 4 8 , 241 (1893). — SCHALL 1875 (1892). 4 NENCKI, J . pr. [2] 2 5 , 282 (1882). — RASINSKY, J . pr. [2] SEIFERT, J. pr. [2] 3 1 , 467 (1885). 1 2
6
LIEBERMANN U. HÖRMANN, B e r . 11, 1619 (1878).
U. UHL, 26,
Ber.
25,
62 (1882). —
Austausch der
365
Hydroxylgruppe.
Bei einer Untersuchung über die Geschwindigkeit der Esterbildung 1 durch directe Wirkung von Essigsäure auf Phenole bei 155° hat sich herausgestellt, dass die Phenole mit ähnlicher Langsamkeit wie die tertiären Alkohole esterificirt werden (vgl. Bd. I, S. 355—356). Eine Parallele zwischen Phenolen und tertiären Alkoholen erscheint überhaupt — besonders augenfällig bei Benutzung der diagonalen Benzolformel — naheliegend: nxr CH |
„ C(OH) j
3
\ ^(OH)
CH
CH
3
a
bei näherer Verfolgung aber durch das thatsächliche Material nicht begründet. So sind z. B. die Phenole jener Art der Wasserabspaltung, welche bei den tertiären Alkoholen so besonders leicht (vgl. Bd. I, S. 152) erfolgt: CHa\ CH,-)C-OH -
Cll/
H20 =
CH s X >C=CHL,, CH/
durchaus unzugänglich.
Eine Anzahl von Reactionen der Phenole, durch welche ein Austausch der Hydroxylgruppe erfolgt, ist früher schon gelegentlich erwähnt. Ein Ersatz der Hydroxylgruppe durch W a s s e r s t o f f erfolgt bei der Destillation mit Zinkstaub 2 (vgl. S. 100), auch beim Erhitzen mit Phosphortrisulfid 3 . Gegen H a l o g e n a t o m e 4 können die Hydroxylgruppen durch Einwirkung von Phosphorpenta-chlorid bezw. bromid (vgl. S. 117), gegen A m i d g r u p p e n 6 durch Erhitzen mit ChlorzinkAmmoniak, Chlorcalcium - Ammoniak etc. (vgl. S. 218) ausgewechselt werden. Destillirt man die neutralen Phosphorsäureester der Phenole, welche aus den Phenolen durch Einwirkung von Phosphoroxychlorid entstehen, mit Cyankalium, so erhält man die den Phenolen entsprechenden Nitrile 0 , z. B. C 4 H 9 -C 6 H 4 -CN aus C4H0 • C6H4 • OH. Ausserordentlich zugänglich sind die Phenole der Substitution im Kern, namentlich der Einführung von Halogenatomen, Nitroso- und Nitro-Gruppen, Sulfogruppen, Azogruppen etc. Die hierher gehörigen Erscheinungen werden S. 378 ff. im Zusammenhang mit den Substitutionsprodukten besprochen. Die Aufnahmefähigkeit der Phenole für Jod kann zur q u a n t i t a t i v e n , m a s s a n a l y t i s c h e n B e s t i m m u n g d e r P h e n o l e benutzt werden 7 . 1
MENSCHUTKIN, A n n . 1 9 7 , 2 2 0 ( 1 8 7 8 ) .
2
V g l . z. B . MARASSE, A n n . 1 5 2 , 6 4 ( 1 8 6 9 ) .
3
KEKUL£ u . FLEISCHER, B e r . 6 , 1 0 8 8 ( 1 8 7 3 ) . —
G-EUTHER, A n n . 2 2 1 , 5 5 ( 1 8 8 3 ) .
* V g l . z. B . KEKUL6 U. FLEISCHER, B e r . 6 , 1 0 8 9 — 1 0 9 0 6
MERZ U. WEITH, B e r . 1 3 , 1 2 9 8 ( 1 8 8 0 ) .
6
KREYSLER, B e r . 1 8 , 1 7 0 6
7
MESSINOER U. VORTMANN, B e r . 2 3 , 2 7 5 3 ( 1 8 9 0 ) . —
(1873).
(1885). KOSSLER U. PENNY,
Ztschr.
f. physiol. Chem. 17, 121 (1892). — FRERICHS, Chem. Centralbl. 1 8 9 6 I I , 214.
Farbenreaktionen der Phenole.
366
Die Phenole sind zu einer Reihe von Farbenreactlonen befähigt, die zum Theil auch auf der leichten Beweglichkeit der Kernwasserstoffatome beruhen. Mit E i s e n c h l o r i d geben sie meist blaue, grüne oder rothe Färbungen 1 . Mit s a l p e t r i g s ä u r e h a l t i g e r S c h w e f e l s ä u r e 3 liefern viele Phenole Farbstoffe (vgl. S. 457). Mit P h t a l s ä u r e a n h y d r i d in Gegenwart von wasserentziehenden Mitteln erhitzt, geben sie die Phtalelne (s. dort), die sich in Alkalien mit intensiver Farbe lösen, mit D i a z o v e r b i n d u n g e n die intensiv gefärbten Oxyazokörper (s. S. 396), etc. Die Einwirkung von Oxydationsmitteln auf Phenole kann einen sehr verschiedenartigen Verlauf nehmen. Die schon Bd. I , S. 814 erwähnte Bildung der Antiweinsäure (neben Oxalsäure 3 ) durch Oxydation des Phenols mit Kaliumpermanganat bietet ein Beispiel für die Sprengbarkeit des Benzolkerns 4 durch Oxydation. Zuweilen findet durch Oxydation eine Verkettung zweier Benzolkerne statt 5 ; so liefert z. B. Thymol durch Oxydation mit Eisenoxydsalzen Dithymol: (CH»K 2
(CHA
>CAH,OH + O = (C8H7)/
H20 +
/ O H >CAH/ (CSH7)/
OH\ C
8
, (CH.) H/ \C,H7)
Auch können aus einwerthigen Phenolen, wie CeH6(OH), durch Oxydation mit Wasserstoffsuperoxyd oder Persulfaten zwei werthige Phenole, wie C8H4(OH2), erhalten werden 6 ; durch Schmelzen mit Natronhydrat 7 (nicht Kalihydrat!) entsteht aus Phenol neben zweiwerthigen Phenolen (Brenzkatechin und ßesorcin) sogar ein Trihydroxybenzol C6H3(OH)3 — das Phloroglucin. Vgl. auch S. 408. — Die Homologen des Phenols kann man derart oxydiren, dass die Seitenketten zum Angriffspunkt werden, mithin Oxycarbonsäuren entstehen: .OH C„H4
-
C
6
H/
\C0 2 H
;
in diesem Sinne 8 verläuft die Oxydation besonders glatt, wenn man die Phenole in Form ihrer sauren Schwefelsäure- oder Phosphorsäure-Ester mit alkalischer Permanganat-Lösung behandelt. 1 V g l . : SCHIFF, A n n . 1 5 9 , 164 (1871). — HESSE, A n n . 1 8 2 , 161 A n m . (1876). — W . WISLICENÜS, Ber. 2 8 , 796 (1895). A n n . 2 9 1 , 174 (1896). 2 C . LIEBERMANN, B e r . 7 , 247, 806, 1098 (1874). — C . LIEBERMANN U. KOSTANECKI,
Ber. 17, 885 (1884). — C. KRAEMER, Ber. 17, 1877 (1884). 8 Vgl. auch HENRIQDES, Ber. 21, 1619 (1888). 4 Vgl. auch DRECHSEL, J. pr. [2] 2 9 , 243 (1884); 38, 65 (1888). — SIEGFRIED, J . pr. [2J 31, 542 (1885). 5
BARTH U. SCHREDER, B e r . 11, 1332 (1878). — DIANIN, B e r . 1 5 , 1194 (1882); 2 5 R e f . , 3 3 5 (1892). — AÜWERS, B e r . 1 7 , 2 9 8 2 ( 1 8 8 4 ) ; 1 8 , 2 6 6 0 (1885); 2 9 , 1 1 0 4 ( 1 8 9 6 ) . 6
MARTINON, Bull. 4 3 , 156 (1885). — PIERRE, MICHEL ALFRAISE, Franz. P a t e n t
Nr. 215 360 vom 6. Aug. 1891. — Chem. Fabrik vorm. E. SCHERINI;, D. R. Pat. Nr. 81 068 und 81 298, vgl. Ber. 2 8 Ref., 666, 693 (1895). 7 8
BARTH u . SCHREDER, B e r . 1 2 , 417 (1879). HEYMANN U. KOENIUS, B e r . 1 9 , 704, 3304 (1886).
Oxydation und Reduction.
367
Phenol-Homologe mit längeren Seitenketten werden häufig beim Erhitzen mit Phosphorpentoxyd (oder auch schon mit Schwefelsäure) derart verändert, dass die Seitenkette als Alkylen abgespalten wird1: (CH,)(C,H7AHS(OH)
=
C»H,+
CH,C,H4OH.
(C(HE)C,H4(OH)
=
C4H8 +
C,H60H.
Dagegen sind glatte Veränderungen der einwerthigen Phenole der Benzolreihe durch R e d u c t i o n 2 — wie etwa die Ueberführung in hydrirte Phenole durch Wasserstoff-Anlagerung — nicht beobachtet worden. Uebergänge von den Phenolen zu Körpern der hydroaromatischen Gruppe erfolgen indess bei fortgesetzter Einwirkung der Halogene; Näheres s. S. 380. Einzelne
Glieder.
Die Tabelle Nr. 5 5 auf S. 3 6 8 — 3 6 9 enthält die Eigenschaften mehrerer einwerthiger Phenole zusammengestellt. Citate zu der T a b e l l e Nr. 55 a u f S . 3 6 8 — 3 6 9 . 1 HAMBERG, B e r . 4 , 751 (1871). — 2 LADENBURG, B e r . 7 , 1687 (1874). — » ADRIEENZ, B e r . 6 , 4 4 2 (1873). — 4 EYKMAN, R e e . trav. chim. 1 2 , 177 (1893). — 6 WÖHLEB, A n n . 6 7 , 3 6 0 (1848). — 8 HUNT, J b . 1 8 4 9 , 3 9 1 . — 7 DEGENER, J . pr. [2] 1 7 , 3 9 4 (1878). — 8 BRIEGER, J . pr. [2] 1 7 , 134
(1878). —
9
H. MÜLLER, Ztschr. Chem. 1865, 270. —
10
CALVERT, Ztschr. Chem. 1865,
530. — 1 1 BÉHAL U. CHOAY, B u l l . [3] 11, 206, 602, 6 9 8 (1894). — 1 3 KOPP, A n n . 9 5 , 3 1 1 (1855). — 1 3 PINETTE, A n n . 2 4 3 , 32 (1886). — 1 4 KRÄMERS, A n n . 1 8 9 , 129 (1877). — 1 6 DRECHSEL, J . pr. [2] 2 9 , 234 (1884). — 1 8 V g l . d. Citate a u f S. 3 7 0 — 3 7 3 . — 1 7 BAUMANN, Ztschr. f. physiol. Chem. 4 , 3 1 3 (1880). — 1 8 SCHOTTEN u. TIEMANN, B e r . 11, 767, 783 (1878). — 1 9 ENGELHARDT U. LATSCHINOFF, Ztschr. Chem. 1 8 6 9 , 6 1 5 . — 2 0 OPPENHEIM U. PFAFF, B e r . 8 , 8 8 6 (1875). — 8 1 RIEHM, B e r . 2 4 R e f . , 103 (1891). — 2 2 V g l . auch die Citate a u f S . 3 7 5 — 3 7 6 . — 8 8 KEKULÉ, B e r . 7 , 1006 (1874). — 24
PREUSSE, Ztschr. f. physiol. Chem. 5 , 57 (1881). —
16
KNOEVENAGEL, Ann. 2 8 1 , 98,
121 (1894). — 2 8 STAEDEL, B e r . . 1 8 , 3 4 4 3 (1885). — 2 7 FRIEDEL U. CRAFTS, A n n . ch. [6] 1 4 , 4 3 6 (1888). — 2 9 OUDEMANS, A n n . 1 7 0 , 2 5 9 (1873). — 2 9 GRIEBS, J b . 1 8 6 6 , 4 5 8 . — 3 0 KÖRNER, Ztschr. Chem. 1 8 6 8 , 326. — 3 1 WURTZ, Ann. 1 4 4 . 122 ( 1 8 6 7 ) ; 1 5 6 , 2 5 8 (1870). — 8 2 BARTH, A n n . 1 5 4 , 3 5 6 (1870). — 8 8 BAUMANN U. HERTEB,
Ztschr. f. physiol. Chem. 1, 247 (1877). —
84
BAUMANN, ebenda, 3, 251 (1879). —
TÖHL, B e r . 1 8 , 362, 2 5 6 2 (1885). — 8 6 NÖLTINQ U. FOREL, ebenda, 2 6 7 3 , 2 6 7 9 . — 3 7 O. JACOBSEN, B e r . 1 1 , 23, 374, 5 7 0 , 2 0 5 3 ( 1 8 7 8 ) ; 1 2 , 4 3 4 ( 1 8 7 9 ) ; 1 7 , 161 ( 1 8 8 4 ) ; 1 8 , 3 4 6 3 (1885). — 8 8 K . E . SCHULIE, B e r . 2 0 , 4 1 0 (1887). — 3 9 0 . JACOBSEN U. NÖLTING, B e r . 2 1 , 2 8 2 8 (1888). — 4 0 GERHARDT, A n n . 4 5 , 25 (1843). — 4 ' STAEDEL U. HÖLZ, B e r . 1 8 , 2921 (1885). — 4 2 HARMSEN, B e r . 1 3 , 1558 (1880). — 4 3 PFREJTOEB, 35
Arch. f. Pharm. 2 2 8 , 713 (1890). —
44
HODGKINSON U. LIMPACH, Journ. Soc. 6 3 ,
104 (1893). — 4 5 WURTZ, A n n . 1 4 7 , 3 7 4 (1868). — 4 8 NÖLTINQ, WITT U. FOREL, B e r . 1 8 , 2 6 6 5 (1885). — 4 7 HLASIWETZ, A n n . 1 0 2 , 166 (1857). — 4 8 OLIVERI, Gazz. chim. 1 3 , 2 6 3 (1883). — 4 9 SUIDA U. PLOHN, J b . 1 8 8 0 , 6 5 9 . — 6U CIAMICIAN, B e r . 1 2 , 1 6 6 1 (1879). — 5 1 ALEXANDER, B e r . 2 5 , 2 4 1 0 (1892). — 5 2 BEILSTEIN U. KUHLBERG, A n n . 1 5 6 , 211 (1870). — 5 8 SEMFOTOWSKI, B e r . 2 2 , 2 6 6 2 (1889). — 5 4 BÉHAL U. CHOAT, Compt. rend. 1 1 8 , 4 2 2 , 1211 (1894). — 6 5 FITTIG U. KIESOW, A n n . 1 5 6 , 251 (1870). — 1 Vgl.: ENGELHARD U. LATSCHINOFF, Ztschr. C h e m . 1 8 6 9 , 6 1 6 . B e r . 1 4 , 1844 (1881). — STUDER, A n n . 2 1 1 , 247 (1882). 2 V g l . BAMBERGER U. BERLÉ, B e r . 2 4 , 3 2 0 8 (1891).
—
LIEBMANN,
368
Tabellarische Zusammenstellung
I 8. 02
I
von
a o
I
o
Ö
3 &
N
5> O
-O E
g
_B
TQ
=
J3 N, a. O
SS S
X
CL,
I
-A A. a , 2
S. ¿2 -
C3 Ck
«O
c
. ~
.
2
C C3
P. O
A
^
S
o
s
CD S CL
Q
O
A,
OH
B O
a
O
a o K
5 © 3 4) n -i 'S. _a ^ ws
o
a o
6
6
a «4 8 ¥
o
o
S
w,
t l
o"
d
W W o o
=
o
o
ö
W o
W o
^ K
s i
5 , S o " K
S
g
o ' d d o
•s
£ n a •
N a «
| c« V»
P
•
CH
^
I
C—OH FL
CH2
^
CH '
CO
BEZW.
CH
I
CHÜ
^ C O - ^
\ C O
'
CH, /
'
I OH kenntlich machen. Diese Tendenz ist in hervorragendem Grade bei dem Phloroglucin, welches d r e i Hydroxylgruppen in der Metastellung zu einander enthält, vorhanden, wie S. 425—427 näher besprochen wird. Beim Resorcin ist sie indess immerhin noch nicht derart ausgeprägt, um dasselbe gegenüber dem typischen Reagens auf Carbonylgruppen — dem Hydroxylamin — reactionsfähig zu machen 1 . Mit dieser Tendenz steht es aber wohl auch im Zusammenhange, dass im Gegensatz zu einwerthigen Phenolen das Resorcin die Fähigkeit besitzt, schon bei Behandlung seiner siedenden wässerigen Lösung mit Natriumamalgam Wasserstoff aufzunehmen und in Dihydroresorcin: ^^CHjv^ ÖH,
C—OH
k L
überzugehen 2 (MERLING). 1
BAEYER, Ber. 1 9 , 163 (1886).
2
Ann. 2 7 8 , 20 (1893).
^^CHjs.
be
CH»
™- A
IH,
CO c:
416
Resorcin.
R e s o r c i n 1 C 6 H 4 (OH) a ( M e t a d i o x y b e n z o l , 1.3-Dioxybmwn) wurde zuerst von HLASIWBTZ U. B A B T H 2 durch Schmelzen von Harzen (Galbanumharz etc.) mit Kali genommen; wegen seiner Aehnlichkeit mit dem schon vorher bekannten Orcin (vgl. S. 418) und seiner Entstehung aus Harzen erhielt es seinen Namen. Es entsteht durch die Kalischmelze 3 aus Benzoldisulfosäuren, Halogenbenzolsulfosäuren und Halogenphenolen, häufig unter Umlagerung (vgl. S. 134, 379). F ü r die technische Gewinnung 4 schmilzt man benzol-metadisulfosaures Natrium (vgl. S. 136) mit Aetznatron, löst die Schmelze im Wasser, säuert mit Salzsäure an, entzieht der Lösung das Resorcin durch Ausschütteln mit Aether, Benzol oder Amylalkohol und reinigt es schliesslich durch Destillation. Erwähnt sei endlich die Bildung von Resorcin durch Diazotiren von MetaAmidophenol 5 . Resorcin krystallisirt aus Benzol in grossen, farblosen Nadeln, schmilzt 6 bei 119°, siedet bei 276-5°, ist mit Wasserdämpfen etwas flüchtig und schmeckt kratzend süsslich; 100 Thle. Wasser von 12-5° lösen 147-3 Thle. Resorcin. Die wässerige Lösung giebt mit Eisenchlorid eine dunkel violette Färbung, welche auf Zusatz von Natriumacetat 7 verschwindet, und wird durch Bleizucker nicht gefällt (Unterschiede von Brenzkatechin, vgl. S. 411); mit Bromwasser giebt sie einen dicken Niederschlag von Tribromresorcin; in der Wärme reducirt sie ammoniakalische Silberlösung und FEHLiNG'sche Lösung. Beim Schmelzen von Resorcin mit einem grossen Ueberschuss von Aetznatron 8 entsteht neben Brenzkatechin und Diresorcin sehr reichlich Phloroglucin. 1
Vgl. ausser den im Folgenden citirten Abhandlungen noch: MALIN, Ann. 138,
76 (1866). — WESELSKY, A n n . 1 6 2 , 2 7 3 (1872). — KOPP, Ber. 6 , 447 (1873). — BIKDSCHEDLEB, Monatsh. 5 , 168 (1894). — SCHIFF, A n n . 2 2 3 , 264 (1884). — BAEYEB U. KoraENDOERFEB, Ber. 2 2 , 2 1 9 4 (1889). — BOBNTBAEGEB, Ztschr. f. analyt. Chem. 2 9 , 5 7 3 (1890). — REUTHEB, e b e n d a , 3 0 , 718 (1891). — NIETZKI, DIETZE U. MXCKI.EE, Ber. 2 2 , 3 0 2 0 (1889); 2 3 , 718 (1890); 2 4 , 3366 (1891). — DE FOBCRAND, A n n . ch. [6] 3 0 , 65 (1893). — CAUSSE, A n n . ch. [7] 1, 90 (1894). — KNAUEB, Ber. 2 7 , 2566 (1894). — AUWERS U. HAYMAN, e b e n d a , 2804. — BEHBENS, A n l e i t u n g z. m i k r o c h e m .
Analyse (Hamburg u. Leipzig, 1 8 9 5 ) , S. 20. — HESSE, Ann. 2 8 9 , 61 (1895). — J . TRAUBE, A n n . 2 9 0 , 58 (1895). — GBIHAUX, Compt. rend. 1 2 1 , 88 (1895). — SNAPE, Journ. Soc. 6 9 , 99 (1896). — H . GOLDSCTMIDT U. GIRABD, B e r . 2 9 , 1237 (1896). — BERTRAND, Compt. rend. 1 2 2 , 1133 (1896). — SECRETANT, B u l l . [3] 1 5 , 363 (1896). 2
Ann. 130, 354 (1864); 138, 61 (1866); 139, 77 (1866). KÖBNER, Ztschr. Chem. 1868, 322. — GARRICK, Ztschr. Chem. 1869, 549. — OPPENHEIM u. VOGT, Ann. Suppl. 6, 376 (1868). — WOELZ, Ann. 168, 90 (1873). — 3
FRRNO u. MAOER, B e r . 7 , 1175 (1874); 8 , 362 (1875). — BARTH U. SENHOFEB, B e r . 8 ,
1483 (1875). — DEGENER, J. pr. [2] 20, 309 (1879). 4
V g l . : BINDSCHEDLER U. BUSCH, J b . 1 8 7 8 , 1137. — MÜHLHXUSEB, D i n g l . poly-
techn. Journ. 263, 154 (1887). 5 6 7 8
BANTLIN, B e r . 11, 2 1 0 1 (1878). CALDERON, B u l l . 2 9 , 2 3 4 (1878). W . WISLICENUS, A n n . 2 9 1 , 174 (1896). BARTH u. SCHREDEB, B e r . 1 2 , 503 (1879).
417
Resorcinderivate.
Durch C h l o r i r - i n g 1 giebt Resorcin als Endprodukt der Substitution T r i c h l o r r e s o r c i n , darauf Additionsprodukte ( P e n t a c h l o r - u. H e p t a c l i l o r - R e s o r c i n , vgl. auch S. 83), welche durch Zinnchlorür wieder in Trichlorresorcin zurückverwandelt werden: OH
H—Cv
1
H-C/
,
OH I
yC-ft x
Gl— C ^
C-OH
H-C/
H
^C-Cl x
,
C—OH
C1 /CO.
/CO.
C1C
CC1,
HC
CO
CljC HCl
CCl
A L
Unter den Substitutionsprodukten des Resorcins sei ferner die der Pikrinsäure ähnliche und als Sprengstoff verwendbare S t y p h n i u s i i u r e ' C 6 H(0H) Ä (N0 2 )3 ( T r i n i t r o r e s o r c i n , 1.3.5-Trinilro-2.4-dioxy-benzen) — Schmelzpunkt 175-5°— erwähnt, welche durch Nitrirung von Resorcin bezw. Resorcinaulfosäure (vgl. auch S. 464), aber auch durch Behandlung von manchen Harzen, Farbholzextracten etc. mit Salpetersäure erhalten wird. Bei der C o m b i n a t i o n d e s R e s o r c i n s m i t D i a z o b e n z o l 8 entsteht zunächst Bcnzol-azo-resorciu ( S u d a n G, zum Färben von Spirituslacken, Kerzen etc. verwendet): C 6 H s —N—N—(
)—OH OH
— zwei Modificationen vom Schmelzpunkt 161° und 170° bildend, die in einander 1
ZINCKE u. RABINOWITSCH, B e r . 2 3 , 3766 (1890); 2 4 , 912 (1891). BÖTTOER U. "WILL, A n n . 5 8 , 269 (1846). — ERDMANN, A n n . 6 0 , 245 (1846). — BOTHE, A n n . 7 2 , 311 (1849). — STENHOUSE, A n n . 14=1, 224 (1866). J b . 1 8 7 1 , 477. — SCHEEDEB, A n n . 1 5 8 , 244 (1871). — GORUP, A n n . 1 8 3 , 336 (1876). — GBIESS, B e r . 7 , 1 2 2 3 (1874). — BANTLIN, B e r . 11, 2101, 2 1 0 5 , 2107 (1878). — MEBZ U. ZETTER, B e r . 1 2 , 6 8 1 , 2035 (1879). — BENEDIKT U. V. HÜBL, M o n a t s h . 2 , 326 (1881). — HENRIQUES, A n n . 2 1 5 , 3 4 3 (1882). — NÖLTINO U. COLLIN, B e r . 1 7 , 259 (1884). — v . KOSTANECKI U. FEINSTEIN, B e r . 2 1 , 3119 (1888). — v . ROMBURQH, R e e . t r a v . c h i m . 7 , 6 (1888). 2
— WENDER, B e r . 2 2 K e f . , 690 (1889). — HAUFF, B e r . 2 7 R e f . , 952 (1894); 2 8 B e f . , 215 (1895). — TSCHIBCH U. LÜZ, A r c h . f. P h a r m . 2 3 3 , 5 6 1 (1895). 3 BAEYEB U. JÄGER, B e r . 8 , 1 5 1 (1875). — TYPKE, B e r . 1 0 , 1 5 7 6 (1877). — WALLACH u . B . FISCHER, B e r . 1 5 , 2 2 , 2814 (1882). — C . LIEBF.BHANN U. V. KOSTANECKI, B e r . 1 7 , 8 8 0 (1884). — WILL U. PUKALL, B e r . 2 0 , 1 1 2 1 (1887). — PUKALL, e b e n d a , 1145. — HEUMANN U. OECONOHIDES, e b e n d a , 905. — B . FISCHER U. WIMMER, e b e n d a , 1577. — v . KOSTANECKI, B e r . 2 1 , 3 1 1 4 (1888). — JACOBSON U. SCHENKE, B e r . 2 2 , (1889). — H . GOLDSCHMIDT U. POLLAK, B e r . 2.5, 1340 (1892). V.
MEYER U. JACOBSON,
org. Chem. II.
27
3239
(August 96.)
418
Verwendung des Resorcins.
übergeführt werden können, alkalilöslich; vielleicht bildet sich daneben in kleiner Menge die Orthoverbindung:
O Ojj
0 x
H
•
n=n-c6h5
Durch Eintritt eines zweiten Benzol-azo-restes entsteht entweder
/N ä -C e H 5 C0HS-Nj-^
^—OH
C6H5-N2—^
oder
OH
^>-OH N
OH
symm. Resorcindisazobenzol Schmelzpunkt: 213—215°, alkalilöslich
2' c » H 5
beiiachb. Resorcindisazobenzol Schmelzpunkt: 220—222°, nur in stärkerem Alkali löslich,
jenachdem bei der Reaction überschüssiges kaustisches oder kohlensaures Alkali zugegen ist.
Resorcin findet praktische Anwendung in der Farbstoff-Industrie als Ausgangsmaterial zur Darstellung von Fluoresceln, Eosin und anderen Phtaleinfarbstoffen; als Componente zur Herstellung von Azofarbstoffen hat es keine erhebliche Bedeutung. In beschränktem Mass findet es pharmaceutische Verwendung als antiseptisches Mittel. Durch seine technisch-synthetische Darstellung ist es zur Zeit sehr leicht zugänglich, während es früher nur mühsam zu erhalten war. Die drei Homologen ( D i o x y t o l u o l e ) , welche sich durch Einführung einer Methylgruppe von dem Resorcin ableiten lassen: OH I.
OH
OH
II. chJ^^OH
III. o
\ / ch 3
h
\
X CHs
|
\ /
o
.
h
sind sämmtlich bekannt. Unter ihnen ist die Verbindung von der Formel I — das O r e i l i 1 C 0 H 3 (CH 3 )(OH) 2 (Methyl-l-dioxy-3.5-benxen) — die wichtigste, weil sie zu 1 ROBICIUET, A n n . ch. 4 2 , 2 3 6 (1829). — DUMAS, A n n . 2 7 , 1 4 0 (1838). — SCHUNCK, A n n . 5 4 , 269 (1845). — STENHOUSE, A n n . 6 8 , 99 (1848); 1 4 9 , 290 (1868). — HESSE, A n n . 1 1 7 , 3 2 3 (1860). — LUYNES, A n n . ch. [4] 6 , 184 (1865). — HLASIWETZ U. BARTH, A n n . 1 3 4 , 288 (1865). — LAMPARTEB, A n n . 1 3 4 , 256 (1865). — LUYNES, J b . 1 8 7 1 , 480. — VOGT U. HENNINGER, A n n . 1 6 5 , 3 6 2 (1873). — REYMAN, Ber. 8 , 790 (1875). — H . SCHWARZ, Ber. 1 3 , 5 4 3 (1880). — TIEMANN U. STRENG, B e r . 1 4 , 1999 (1881). — NEVILLE U. WINTHER, B e r . 1 5 , 2 9 8 4 (1882). — BARTH U. SCHREDER, Monatsli. 3 , 645 (1882). •— CORNELIUS U. V. PECHMANN, B e r . 1 9 , 1446 (1886). — NIETZKI U. MAEOKLER, B e r . 2 3 , 7 1 8 (1890). — SEYEWETZ, C o m p t . rend. 1 1 3 , 265 (1891). — ZINCKE U. V. D. LINDE, B e r . 2 6 , 3 1 1 (1893). — COLLIE U. MYERS, J o u r n . s o c . 6 3 , 122 (1893). — DE FORCRAND, A n n . ch. [7] 4 , 2 7 5 (1895).
419
Orein.
gewissen Naturstoffen, die auch praktische Bedeutung (vgl. S. 420) haben, in naher Beziehung steht. Das Orcin, welches ROBIQUET 1829 bei der Untersuchung einer früher „Liehen orcina" genannten Flechte entdeckte, entsteht nämlich durch Spaltungsprocesse aus verschiedenen Substanzen — Lecanorsäure, Erythrin etc. —, welche sich in Flechtenarten (Roccella, Lecanora, Variolari:i) finden; so geht es z. B. aus dem Erythrin (vgl. Bd. I, S. 603—604) hervor, indem dieses sich in Erythrit und Orsellinsäure spaltet, und letztere unter Kohlensäureverlust in Orcin übergeht: C8H2(OH3)(OH)2 • CO»H —C02 = C9H3(CH3XOH)2. Auf mehreren synthetischen Wegen ist es aus Toluolderivaten erhalten. Interessant ist seine Synthese aus einem aliphatischen Körper — dem Acetondicarbonsäureester (vgl. Bd. I, S. 989); durch Erhitzen desselben mit Natrium erhält man zunächst die Natriumverbindung eines Dioxyphenylessigdicarbonsiäureesters — ein Vorgang, den man etwa folgendermassen forinuliren kann: C,H5-0-C0-CH.,
CO j
C0-CH2—C0-0-C2Hs + |
CH 2
C2H.-O-CO—C CO
C2H5-O-CO-C c—CH2-CO-O-C2H5
I
CH„ CO
— H 2 0-C 2 H 5 -0H
CH„—CO-O-C 2 H.
i
CH-C0-0-C.H,
OH-C
=
C—CH,-CO-O-C. 2 H
I
H-C
"
I
'
C—C0-0-C,H5
C-OH
durch Verseifung dieses Esters entsteht nun unter gleichzeitiger Abspaltung zweier Carboxylgruppen die Dioxyphenylessigsäure, welche bei der trockenen Destillation ihres Silbersalzes unter Abspaltung von Kohlensäure Orcin liefert: OH,^\-CH2-CO„H
—CO- =
OH OH
Orcin krystallisirt in wasserhaltigen Prismen, beginnt im wasserhaltigen Zustand bei ca. 56° zu schmelzen, schmilzt wasserfrei bei 106-5—108°, giebt mit Eisenchlorid eine violettschwarze Färbung und liefert mit Phtalsäureanhydrid die Fluoresceln-Reaction nicht. Beim Erwärmen seiner Lösung mit Aetzalkalien und Chloroform giebt es eine purpurr o t e , dann feuerrothe Flüssigkeit, die beim Verdünnen sehr stark grüngelb fluorescirt (sogenannte „Homofluoresceln-Reaction"). 27*
420
Isomere
und Homologe
des
Orcins.
Aus den oben erwähnten Flechten — namentlich Lecanora tinctoria und ßoccella tinctoria — bereitet man, indem man sie in zerkleinertem Zustand mit verdünntem Ammoniak, (früher faulem Harn) zusammenbringt und der oxydirenden Wirkung'der Luft aussetzt, den „ O r s e i l l e F a r b s t o f f " , welcher zur Erzeugung von blaustichig rothen Färbungen auch heute noch zur Zeit der künstlichen Farbstoffe für die Wollfärberei viel benutzt wird; das wirksame Princip desselben ist das Orcein. 1 — ein stickstoffhaltiger, rother Farbkörper, welcher neben anderen Produkten bei der Einwirkung von Ammoniak und Luft auf Orcin entsteht. Aus denselben Farbflechten erhält man durch längere Gährung bei Gegenwart von Kalk, Pottasche und.Ammoniak den L a k m u s Farbstoff. Kresorcin* C0H3(CHa)(OH)2 {Methyl-1-dioxy-2,4-benxen, vgl. Pormol II auf S. 418) schmilzt bei bei 102—104°, siedet bei 267—270° und giebt die Fluorescei'nReaction. — Methyl-1-dioxy-2.6-benzenz (Formel III auf S. 4181 schmilzt bei 63—66° und zeigt gleichfalls die Fluorescei'n-Reaction. p-Xylorcili 4 C6H2(GH3).,(OH)., (jS-Orcin, Dirnethyl-1.4-dioxy-H.:> -henzeri) entsteht durch Spaltung aus der Barbatinsäure, welche in gewissen Flechten sicli findet, schmilzt bei 163° und siedet bei 277—280°.
C.' P a r a - D i o x y b e n z o l e oder H y d r o c h i n o n e . Die Para - Dioxyderivate der Benzolkohlenwasserstoffe haben die Eigenschaft, bei der Einwirkung von Oxydationsmitteln unter Verlust der beiden Hydroxyl-Wasserstoffatome in Verbindungen überzugehen, welche der eigenartigen Klasse der Chinone angehören, z. B.: OH
H—C.
Y
I ; ; H—C /
, \
C—H
j
CH
CH
+ o = H2O + |l
C—H
CH
(vgl,
s. 439);
CH
OH
aus diesen S. 438 ff. näher besprochenen Chinonen, welche durch Färbung, Flüchtigkeit und Geruch ausgezeichnet sind, entstehen sie wieder 1
ROBIQUET, A n n . 1 5 , 2 8 9 ( 1 8 3 5 ) . — KANE, A n n . 3 9 , 2 5 ( 1 8 4 1 ) . — C . LIKBEIOIANN,
B e r . 7 , 2 4 7 ( 1 8 7 4 ) ; 8 , 1 6 4 9 ( 1 8 7 5 ) . — ZDLKOWSKY u . PETERS, M o n a t s h . 11', 2 2 7 ( 1 8 9 0 ) . 2
BI.OMSTRAND U. HAKANSSON, B e r . 5 , 1 0 8 7 ( 1 8 7 2 ) .
( 1 8 8 2 ) . — WALLACH, B e r . 1 5 , 2 8 3 5 ( 1 8 8 2 ) . —
—
KNECHT,
Ann. 2 1 5 ,
92
NEVILLE U. WINTIIEK, e b e n d a , 2 9 8 1 . —
v . KOSTAXECKI, B e r . 1 8 , 3 2 0 3 ( 1 8 8 5 ) . — NÜLTING, B e r . 1 9 , 1 3 6 (188C 8
ULLMAXN, B e r . 1 7 , 1 9 6 3 ( 1 8 8 4 ) .
* STEXHOUSE, A n n . 6 8 ,
104
(1848).
LAMPARTER, A n n . 1 3 4 , 2 4 8 ( 1 8 6 5 ) . — v . KOSTANECKI, B e r . 1 9 , 2 3 1 8
(1886).
—
MENSCHUTKIN, B u l l . 2 ,
428
(1864).
—
STEXHOUSE U. GROVES, A n n . 2 0 3 , 2 8 5 ( 1 8 8 0 ) . —
Hydrochinone.
421
sehr leicht unter der E i n w i r k u n g von gelinden R e d u c t i o n s m i t t e l n , z. B. schwefliger Säure. D i e s e r B e z i e h u n g e n w e g e n n e n n t m a n sie „ H y d r o chinone". D a die Chinone direct aus M o n a m i n e n durch Oxydation mit k a l t e m Chromsäuregemisch gewonnen w e r d e n k ö n n e n (vgl. S. 171, 2 2 1 , 440), so bildet die Oxydation der M o n a m i n e m i t daran a n s c h l i e s s e n d e r R e d u c t i o n der Chinone eine allgemeine D a r s t e l l u n g s m e t h o d e der H y d r o c h i n o n e 1 ; die I s o l i r u n g der Chinone ist hierfür nicht n o t h w e n d i g . B e i s p i e l : D a r s t e l l u n g v o n H y d r o c h i n o n a u s A n i l i n . Man löst 25 g Anilin in einer Mischung von 200 g reiner concentrirter Schwefelsäure und 600 ccm Wasser, kühlt die Lösung auf ca. 5° ab und lässt unter fortdauerndem Umrühren eine Lösung von 25 g Natriumbichromat in 100 g Wasser hinzufliessen, wobei man durch gute Kühlung dafür sorgt, dass die Temperatur nicht über 10" steigt. Nachdem das Gemisch bis zum nächsten Morgen an einem kühlen Ort gestanden hat, giebt man — wiederum unter Rühren und Kühlung — eine Lösung von 50 g Natriumbichromat in 200 g Wasser zu und lässt dann etwa 4—5 Stunden stehen. Nun leitet man so lange schweflige Säure ein, bis die Flüssigkeit intensiv danach riecht und auch na.cli einigem Stehen den Geruch beibehält, lässt 1—2 Stunden stehen und schüttelt; dann mehrmals mit Aether aus. Beim Verdampfen der ätherischen Lösung hintterbleibt nun das Hydrochinon, das nach dem Abpressen auf Thon durch Krystallisation aus wenig Wasser unter Zusatz von etwas Thierkohle gereinigt wird. D e r einfachste hierher g e h ö r i g e K ö r p e r , dessen g e w ö h n l i c h e D a r 2 s t e l l u n g s m e t h o d e soeben a n g e g e b e n wurde, ist das Para-Dioxybenzol CgH^OH^ (1.4-Dioxybenzen); es wird m e i s t s c h l e c h t w e g Hydrochinon genannt u n d ist zuerst von C A V E N T O U U . P E L L E T I E R durch trockene D e s t i l l a t i o n der Chinasäure e r h a l t e n , von W Ö H L E S 3 näher untersucht. N a t ü r l i c h g e b i l d e t findet sich das H y d r o c h i n o n i m „ Z u c k e r b u s c h " , e i n e m in Südafrika weit verbreiteten Strauch, — und zwar in einer M e n g e von 2 — 5 °/ 0 in den verschiedenen T h e i l e n d e s s e l b e n 4 . E s kann aus P h e n o l durch O x y d a t i o n m i t alkalischer K a l i u m p e r s u l f a t - L ö s u n g 5 , aus p - J o d 1 2
NIETZKI, Ber. IO, 1934 (1877); 19, 1467 (18S6Ì. Ann. 215, 125 (.1082). Vgl. ausser den im Folgenden citirten Abhandlungen noch: HESSE, Ann. 114,
2 9 7 ( 1 8 G 0 ) ; 2 0 0 , 2 4 1 (1S80). — WÖLZ, A n n . 1 6 8 , 91 ( l ö 7 3 ) . — HLASIWETZ U. HABKUMAXX, A n n . 1 7 5 , 67 (18741. — EKSTHAND, B e r . 1 1 , 7 1 3 (1S79). — BAOIAXX U. PKEI-SSE,
Ztsclir. f. physiol. Chem. 3 , 156 (1879). — BAUMAXX, ebenda, 6 , 190 (1882). — SEYEWETZ, Compt. rend. 113, 264 (1881). — KXAUEH, Ber. 27, 256S (1S94). — BEIIKEXS, Anleitung z. mikrochem. Analyse (Hamburg u. Leipzig, 1895), S. 20. — J. TRAUBE, Ann. 290,
5 7 (1895). — PERATOXER U. GEOCO, B e r . 2 8 R e f . , 7 2 (1S95). — H . GOLD-
SCHMIDT u .
GIIIAHD,
Ber. 2 9 ,
1 2 3 7 (1S96). —
LIEBMAXX, C h e i n .
Centralbl.
18961,
804. — BERTRAND, Compt. rend. 120, 267 (1895); 122, 1133 (1896). Bull. 13] 13, 362 (1895). — SXAPE, Joum. Soc. 69, 99 (1896). — ASTRE, Compt. rend. 121', 328 (1896). — SECRETAXT, Bull. [31 15, 361 (1896). 3 Ann. 51, 145 (1844). 4
HESSE, A n n . 2 9 0 , 3 1 9
5
Chem. Fabrik (vorm. E. SOHERIXO), D. R. Pat. Nr. 81 068, Ber. 2 8 Hef., 666
(1895).
(1896).
422
Hydrochinon.
phenol 1 durch Schmelzen mit Kali, aus p-Diazophenolsulfat 2 durch Kochen mit wässeriger Schwefelsäure erhalten werden. Von Interesse ist auch seine Bildung durch Hydrolyse des natürlich vorkommenden Glucosids „Arbutin" 3 (vgl. dort) und durch elektrolytische Oxydation des Benzols 4 (in alkoholisch-schwefelsaurer Lösung). Der Dioxyterephtalsäureester, dessen Synthese aus Bernsteinsäure S. 81 erläutert wurde, ist ein Hydrochinondicarbonsäureester und kann durch Abspaltung der Carboxäthylgruppen in Hydrochinon übergeführt werden; auch bei der trockenen Destillation von bernsteinsauren Salzen entstehen kleine Mengen von Hydrochinon 5 . Hydrochinon krystallisirt aus Wasser in farblosen Prismen, schmilzt bei 169—170°, siedet unzersetzt und schmeckt schwach süsslich; 100 Thle. einer bei 15° gesättigten wässerigen Lösung enthalten 5-85 Thle. Hydrochinon. Durch Eisenchlorid wird es zu Chinhydron und Chinon oxydirt. Die wässerige Lösung giebt mit Bleiacetat keinen Niederschlag (Unterschiede von Brenzkatechin und Resorcin). In alkalischer Lösung bräunt es sich an der Luft; es reducirt FEHLING'sehe Lösung, sowie ammoniakalisches Silbernitrat. Seines Reductionsvermögens wegen wird es als photographischer Entwickeier verwendet. Einige S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e des Hydiochinons seien wegen ihrer eigentümlichen Bildungsweisen erwähnt. C h l o r h y d r o c h i n o n bildet sich durch Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Chinon (Näheres vgl. S. 442): Cr.HjO, + HCl = C0H3C1(OH)2. Beim längeren Stehen des „Hydrochinon-Entwickelers" (5 g Hydrochinon und 25 g Na 2 S0 3 in 300 cem Wasser) an der Luft entsteht eine H y d r o e h i n o n d i s u l f o säure6:
C6H4(OH)2 + 2Na2S03 + 0 2 = C6H2(0H).(S03Na)., + 2 NaOH.
Trägt man Chinon in eine wässerige Lösung von Benzolsulfinsäure, so entsteht Phenyl-dioxyphenyl-sulfon7:
C . H A + C6H5-S02H = C6H3(SO,-C6H6XOH)2. Durch Oxydation von Ortho-Nitroplienol mit überschwefelsaurem Ammon entsteht N i t r o h y d r o c h i n o n 3 C 6 H 3 (N0 2 )(0H), (Schmelzpunkt 133—134°).
Die Homologen des Hydrochinons werden meist mit Namen belegt, die an den zu Grunde liegenden Kohlenwasserstoff anklingen, z. B. Toluhydrochinon C0H3(CH3)(OH)2, Xylohydrochinon C6H2(CH3)2(OH)2 etc. Ztsclir. Chem. 1866, Ber. 9 ,
1
KÖRNER,
2
W E S E L S K Y U. SCHÜLER,
7, 1010 8
662,
731.
1159
(1876).
— Vgl. auch
H . SALKOWSKY,
, 358 (1852). — STRECKER, Ann. Ann. 1 7 7 , 334 (1875). GRATTERMANN u. PRIEDRICHS, Ber. 27, 1942 (1894). RICHTER, J. pr. [2] 20, 206 (1879).
KAWALIER,
Ann.
8 4
107,
228 (1858). —
HLASIWETZ U. HABERMANN, * 5
Ber.
(1874).
6
STOECH, B e r .
7
HINSBERG,
8
ELBS, J . pr. [2] 4 8 , 179 (1893).
27 Ref.
Ber.
27,
74
(1894).
3259 (1894); vgl. auch Ber.
28,
1315 (1895).
423
Pyrogallol.
Sie sind zugleich mit den entsprechenden Chinonen in der Tabelle Nr. 57 auf S. 445 zusammengestellt. Hervorgehoben sei die Bildung des Toluhydrochinons C6H3(CH3)(OH)2 (Methyl-l-dioxy-2.5-benzen) in Folge einer sehr merkwürdigen Atomverschiebung aus p-Tolylhydroxylamin CH3C 0 H 4 -NH-OH durch Einwirkung heisser verdünnter Schwefelsäure 1 .
II. Dreiwerthige Phenole. Die drei der Theorie nach möglichen T r i o x y b e n z o l e sind sämmtlich bekannt: OH
OH
OH
OH OH'. OH Oxyhydvochinon
JOH
Phloroglucin
2
Pyrogallol C6H3(OH)3 ( P y r o g a l l u s s ä u r e , 1.2.3-Trioxybenxen) wurde zuerst 1 7 8 6 von SCHEELE durch Destillation der Gallussäure erhalten; diese auf einer Kohlensäure-Abspaltung beruhende Bildung 3,4 : C6Hs(OH)3-CO,H
-
C0 2 = C6H3(OH)3
dient auch heute am zweckmässigsten zur Gewinnung des Pyrogallols, welche fabrikmässig betrieben wird. Pyrogallol stellt leichte, weisse Blättchen oder Nadeln dar, schmilzt 4 bei 132°, löst sich in ca. 2 Thln. Wasser von mittlerer Temperatur und ist giftig 6 . Seine wichtigste Eigenschaft ist seine Sauerstoffgier; alkalische Lösungen von Pyrogallol absorbieren rasch freien Sauerstoff, indem sie sich stark bräunen, und werden daher in der Gasanalyse zur Sauerstoffbestimmung benutzt; die Absorption 6 beruht auf einem Oxydationsprocess des Pyrogallols, bei dem sich unter 1
BAMBERGER, Ber. 28, 246 (1895). Vgl. ausser den im Folgenden citirten Abhandlungen noch: RÖSING, Compt. rend. 4 4 , 1149 (1857). — SCHÖNBEIN, Ztschr. f. analyt. Cliem. 1, 319 (1862). — PETERSEN u. BAEHR-PREDARI, Ann. 157, 136 (1871). — JACQUEMIN, Compt. rena. 77, 593 (1873); 7 8 , 1155 (1874). — BARTII, Monatsli. 5 , 596 Anm. (1884). — NASSE, Ber. 17, 1166 2
(1884).
—
CAZENEUVE
U. LINOSSIER,
Bull. 4 4 ,
110 (1885).
—
HERZIG
U.
ZEISEL,
Monatsli. 1 0 , 150 (1889). — BERTRAND, Compt. rend. 1 2 0 , 267 (1895); 122, 1133 (1896). — GODEFFROY, Cöthener Chem.-Ztg. Repert, 1895, 154. — J. TRADBE, Ann. 2 9 0 , 59 (1895). — BEHRENS, Anleitung z. mikrochem. Analyse organ. Verbindungen (Hamburg u. Leipzig, 1895J, S. 24. 3
BRACONNOT, A n n . 1, 2 6 (1832). — PELOUZE, A n n . 1 0 , 1 5 6 , 1 5 9 , 1 6 5 ( 1 8 3 4 ) .
—
LIEBIQ, A n n . 1 0 1 , 4 8 ( 1 8 5 7 ) . — LDYNES u. ESPERANDIEU, Z t s c h r . C l i e m . 1 8 6 5 , 7 0 2 . — THORPE, J b . 1 8 8 1 ,
558.
* CAZENEUVE, C o m p t . r e n d . 1 1 4 , 1 4 8 5 ( 1 8 9 2 ) . 5
PERSONNE, C o m p t . r e n d . 6 9 , 7 4 9 ( 1 8 6 9 ) . — V g l . : BAUMANN U. HERTER, Z t s c h r . f.
p h y s i o l . C h e m . 1 , 2 4 9 ( 1 8 7 7 ) . — V g l . a u c h GIBBS U. REICHERT, B e r . 2 7 R e f . , 8 0 2 ( 1 8 9 4 ) . 6
Vgl.:
CALVERT, CLOEZ U. BOUSSINOAULT; A n n . 1 3 0 ,
ZETTLER, A n n . 2 0 5 ,
2 4 8 (1Ö64).
2 5 5 ( 1 8 8 0 ) . — "WEYL U. GOTH, B e r . 1 4 , 2 6 5 9
—
(1881).
W E Y I U.
Oxyhydrochinon.
424
anderen P r o d u k t e n K o h l e n s ä u r e , E s s i g s ä u r e , auch etwas K o h l e n o x y d b i l d e t , welch' letzteres bei der Grasanalyse z u berücksichtigen ist. Die Sauerstoffgier b e d i n g t natürlich a u c h stark reducirende E i g e n s c h a f t e n : Gold-, Silber- und Q u e c k s i l b e r o x y d u l - L ö s u n g e n werden von P y r o g a l l o l reducirt. D i e s e n reducirenden W i r k u n g e n verdankt das Pyrogallol seine A n w e n d u n g als photographischer E n t w i c k e i e r sowie als Heilmittel in der Dermotherapie. A u c h wird es in der Farbstoffindustrie b e n u t z t , dient z. B . zur H e r s t e l l u n g des Galleins u n d Coerulelns. Der D i m e t h y l ä t h e r d e s P y r o g a l l o l s C0H3(OHXO • CHS)2 — Schmelzpunkt 51—52°, Siedepunkt 253° — sowie die Dimethyläther eines M e t h y l p y r o g a l l o l s CH a • C6H2(OHXO• CH s ) a (Methyl-l-oxy-4-dimethoxy-3.5-benxen) und eines P r o p y l p y r o g a l l o l s oder Isopropylpyrogallols C 3 H 7 • C ß H a (0H)(0• CH 3 \ (Propyl- [bezw. Methoäthyl-] l-oxy-4-dimethoxy-3.5-benxen) finden sich nach den Untersuchungen von A . W . HOFMANN 1 im Buchenholztheer; auch der M o n o m e t h y l ä t h e r d e s P r o p y l p y r o g a l l o l s C 3 H 7 • C e H 2 (0H),• 0 • CH 3 ist im Buchentheer und Birkenrindentheer constatirt 2 . Ein Methylpyrogalloldimethyläther, welcher mit dem im Buchenholztheer vorkommenden isomer ist, wurde ferner bei dem Abbau des Glucosids der Veilchenwurzel (Iridin) erhalten und daher I r i d o l 3 ( Mcthyl-l-oxy-3-dimcthoxy-4.5benxenj genannt. Von Interesse ist das Verhalten dieser Verbindungen bei der Oxydation; aus dem Pyrogalloldimethyläther entsteht ein Diphenylderivat — das Coerulignon (s. dort): ,'OH O.H.FKJ.CH, X O-CH3
/O-CH, CJi^O-CH, \0 | /O C6H„^O-CH3 ' NO-CH3
aus dem Dimethyläther des Propylpyrogallols das Dimethoxychinon (vgl. S. 452): C 3 H,
CH.-O— 1
0
-O-CH, OH
L .
CH.-O-
CH«
0
Oxyhydrochinon4 C 0 H 3 (OH) 3
(1.3.4-Trioxybenzen) ist durch S c h m e l z e n von Hydrochinon m i t A e t z n a t r o n erhalten u n d bisher verhältnissmässig w e n i g untersucht. E s krystallisirt a u s A e t h e r in mikroskopischen Täfelc h e n , schmilzt b e i 1 4 0 - 5 ° u n d ist in w ä s s e r i g e r L ö s u n g äusserst empfindlich. 1 Ber. 8 , 6 6 ( 1 8 7 5 ) ; 1 1 ) 3 2 9 ( 1 8 7 8 ) ; 1 2 , 1 3 7 1 (1879). — Vgl. auch: EEICHENBACH, Ann. 8 , 2 2 4 ( 1 8 3 3 ) . — NIEDEBIST, Monatsh. 4 , 4 8 7 (1883). — WILL, Ber. 2 1 , 2 0 2 0
( 1 8 8 8 ) . — v . GOEDIKE, B e r . 2 6 , 3 0 4 5 (1893). 2 3
PASTBOVICH,
Monatsh. 4 , 1 8 2 (1883). Ber. 2 6 , 2 0 1 8 ( 1 8 9 3 ) . — NICKEL, Cöthener Chem.-Ztg.
DE LAIRE U. TIEMANN, 1 8 , 5 3 1 (1894). * BARTH U. SCHREDER,
Monatsh. 9, 149 (1888).
Monatsh. 4 , 176 (1883); 5 , 589 (1884). — HERZIG U. ZEISEL,
Phlorogludn.
425
Das P h l o r o g l u c i n 1 C 6 H 3 (OH) 3 (1.3.5-Trioxijbenzen) dagegen ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen, Es wurde zuerst aus Phloretin durch Schmelzen mit Kali hergestellt und erhielt dieser Herkunft und seines süssen Geschmacks wegen den Namen. Man ist ihm sehr häufig bei der Zersetzung von Pflanzenstoffen begegnet 2 ; für seine Gewinnung 3 benutzt man wohl am besten seine reichliche Bildung beim Schmelzen von Resorcin mit Aetznatron (vgl. S. 366, 416). Man erhält es ferner aus Benzoltrisulfosäure (vgl. S. 135 u. 136), sowie aus symmetr. Dibromphenol durch die Kalischmelze 4 . Eine von aliphatischen Verbindungen ausgehende Synthese wird durch den Phloroglucintricarbonsäureester vermittelt, welcher einerseits aus Malonsäureester entsteht (vgl. Bd. I, S. 653), andererseits durch Schmelzen mit Kali unter Abspaltung der Carboxäthylgruppen in Phloroglucin übergeht 6 . Das Phloroglucin krystallisirt aus Wasser in farblosen Tafeln, welche 2 Mol. Krystallwasser enthalten und das Krystallwasser bei 100° verlieren; wasserfrei schmilzt 6 es bei raschem Erhitzen zwischen 217° und 219°. In concentrirter Lösung giebt es mit Eisenchlorid eine blauviolette Färbung; es reducirt FEHLiNG'sche Lösung und absorbirt in alkalischer Lösung freien Sauerstoff 7 . Verdünnte Phloroglucin-Lösungen färben einen mit Salzsäure befeuchteten Fichtenspahn roth — ein Verhalten, welches als Reaction auf Holzsubstanz (vgl. Bd. I, S. 934) benutzt werden kann 8 ! Im Gegensatz zu Pyrogallol ist Phloroglucin nicht giftig 0 . Das Phloroglucin bildet das classische Beispiel für die interessante Erscheinung der Desmotropie bei Phenolen (vgl. S. 84, 415). Die Fähig1
Vgl. ausser den im Folgenden citirten Abhandlungen noch: HLASIWETZ, Ann. 119, 199 (1861). — WESELSKY, Ber. 8, 967 (1875); 9, 216 (1876). — BARTH, Monatsh. 5, 596 Anm. (1884). — LINPT, Ztschr. f. analyt. Chem. 2 6 , 260 (1887). — CAZENEUVE u. HUQOUNENCQ, Bull. 4 9 , 339 (1888). — COMBES, Compt. rend. 118, 1339 (1894). Bull. [3] 11, 716 (1894). — HERZIG u. POLT.AK, Monatsh. 15, 700 (1894). — BERTRAND, Compt. rend. 122, 1133 (1896). — BEHRENS, Anleitung z. mikrochem. Analyse organ. Verbindungen (Hamburg u. Leipzig, 1895), S. 24. — J. TRAUBE, Ann. 2 9 0 , 59 (1895). — COUNCLER, Cöthener Chem. Ztg. 20, 585, 599 (1896). 2
HLASIWETZ ( m i t BARTH U. PFAUNDLER), A n n . 9 6 , 1 2 0 ( 1 8 5 5 ) ;
1 2 7 , 357 (1863);
1 3 4 , 118, 283 (1865);
BENEDIKT, A n n . 1 8 5 , 1 1 4 ( 1 8 7 7 ) .
—
1 3 8 , 69, 190 (1866);
1 1 2 , 98 (1859);
1 4 3 , 296 (1867).
—
BARTH U. SCHREDEU, M o n a t s h . 3 , 6 4 9 ( 1 8 8 2 ) .
—
WILL, B e r . 1 8 , 1 3 2 2 ( 1 8 8 5 ) . — A . G . PERKIN, J o u r n . S o e . 6 9 , 8 0 1 ( 1 8 9 6 ) . — HERZIO, B e r . 2 9 , 1013 (1896). 3
BARTH U. SCHREDER, B e r . 1 2 , 5 0 3 ( 1 8 7 9 ) .
—
TIEMANN U. WILL, B e r . 1 4 ,
953
(1881). — HERZIG U. ZEISEL, Monatsh. 9 , 882 (188Ö); 1 0 , 7 6 7 (1889). — SKRAUP, Monatsh. 10, 723 (1889). 1
8 7
BARTH U ; SCHREDER, B e r . 1 2 , 4 2 2 ( 1 8 7 9 ) . — BLAU, M o n a t s h . 7 , 6 3 2 ( 1 8 8 6 ) .
8 BAEYER, Ber. 18, 3458 (1885). BAEYER, Ber. 19, 2186 (1886). WEYL U. GOTH, Ber. 14, 2673 (1881).
8
V g l . DINGLER'S p o l y t e c h n . J o u r n a l 2 2 7 , 3 9 7 , 5 8 4 ; 2 2 8 , 1 7 3 ( 1 8 7 8 ) .
9
ANDEER, B e r . 1 7 R e f . , 3 3 4 ( 1 8 8 4 ) . — V g l . a u c h GIBBS U. REICHERT, B e r . 2 7 R e f . ,
8 0 2 (1894).
426
Desmotropie
des
Phlorogluzins.
keit des Phloroglucins, bei gewissen Vorgängen, nicht wie ein aromatisches Phenol, sondern wie ein hydroaromatisches Keton zu reagiren: H
I
OH-C
C—OH
CO
CO
C—H
CH2
CHj
L
A
H—C
I
OH
wurde von B A E Y E B zuerst bei der Untersuchung seines Verhältens gegen Hydroxylamin aufgefunden und ist dann durch mehrere Untersuchungen noch illustrirt worden. Dass das Phloroglucin in der Phenolform reagiren kann, ergiebt sich daraus, dass es beim Erhitzen mit Phenylisocyanat (vgl. S. 195) in Benzollösung ein Tricarbanilidoderivat C 6 H 3 (0-C0-NH.0 6 H 6 ) 3 liefert 1 und bei der Alkylirung unter geeigneten Bedingungen in Trialkyläther 2 C6Hg(0-R)3 übergeht, welche die Alkylgruppen an Sauerstoff gebunden enthalten. Allein andererseits erweist es sich als ein Triketon, indem es mit H y d r o x y l a m i n unter Bildung eines T r i o x i m s (Trioxim des Oyclohexanlrions) — sandiges, farbloses Krystallpulver, das bei 140° sich schwarz färbt und bei 155° ziemlich heftig mit rother Flamme explodirt, — reagirt 3 : ^ C H ^ OH • N: C
C: N • O H
CH2
CH2
N-OH
Mit P h e n y l h y d r a z i n tritt Phloroglucin zunächst zu einer salzartigen Verbindung zusammen, die bei längerem Stehen unter Alkohol aber in das S. 403 beschriebene Phenoldishydrazobenzol übergeht 4 ; auch diese Reaction ist wohl im Sinne der daselbst gegebenen Gleichung derart zu erklären, dass das Phloroglucin zunächst in der Ketonform reagirt, und darauf das als primäres Reactionsprodukt gebildete Hydrazon einen Bindungswechsel erfährt. Auch die Leichtigkeit, mit welcher 1 2
H . G-OLDSCHMIDT u . MEISSLEB, B e r . 2 3 , 2 6 9 (1890). BENEDIKT, A n n . 1 7 8 , 9 7 (1875). — WILL U. ALBBECHT, B e r . 1 7 , 2 1 0 7 ( 1 8 8 4 ) ;
2 1 , 6 0 3 ( 1 8 8 8 ) . — HERZIG U. ZEISEL,
Monatsh.
9 , 218
Anm.
( 1 8 8 8 ) . — CIAMICIAN U.
SILBER, B e r . 2 5 , 1 1 2 3 ( 1 8 9 2 ) . — HESSE, A n n . 2 7 6 , 3 2 8 (1893). 8
BAJEYEB, B e r . 1 8 , 1 5 9 (1886).
* BAEYER U. KOCHENDOERFER, B e r . 2 2 , 2 1 8 9 ( 1 8 8 9 ) .
Älkylirung
und Reduotion
des
Phloroglucins.
427
concentrirtes wässeriges Ammoniak auf Phloroglucin reagirt 1 , — schon beim Stehen in der Kälte entsteht A m i d o r e s o r c i n C6H3(OH)2(NH2) ( P h l o r a m i n , Amino-l-dioxy-3.5-benzen), bei längerem Stehen D i a m i d o phenol C6H3(OH)(NH2)2 (Diamino-1,3-oxy-5-benzen) — erscheint für ein Keton verständlicher als für ein Phenol. Besonders schlagend beweist das Verhalten des Phloroglucins bei der Älkylirung 2 mit Jodalkylen in Gegenwart von alkoholischem Alkali die Neigung zum Uebergang in die Ketonform. Es entstehen tetra-, penta- und hexa-alkylirte Produkte, deren Alkylgruppen nicht durch Kochen mit Jodwasserstoff wieder abgespalten werden können und demnach nicht an Sauerstoff, sondern an Kohlenstoff gebunden sind. Die dem Hexamethylphloroglucin z. B. hiernach zukommende Formel: C(CH3)2 CO
CO
(CH3).2C
C(CH3)2
wird ferner dadurch bestätigt, dass es beim Erhitzen mit rauchender Salzsäure auf 190° in Kohlensäure, Diisopropylketon und Isobuttersäure gespalten wird: CO—CH(CH 3 ) 2 CO-OH CO — C(CH 5 } 2 - - C O I + 2HJO = | + CO, + I C ( C H 3 ) 2 — C O - —C(CH3)J CH(CH 3 ) 2 CH(CH S ) 2
Dass Phloroglucin bei der Behandlung mit Natriumamalgam schon in kalter, wässeriger, neutral gehaltener Lösung sechs Wasserstoffatome aufnimmt, um in P h l o r o g l u c i t (Oyclohexantriol): CH(OH)
I I
CH(OH)
CH 2
H(OH) . überzugehen 3 , wird man gleichfalls als Aeusserung seiner Ketonfunktion betrachten dürfen. lieber die Einwirkung von Halogen 4 vgl. Bd. I, S. 868. Monatsh.
1 4 , 401 ( 1 8 9 3 ) . Monatsh. 9 , 217, 882 (1888); 1 0 , 735 (1889); 1 4 , 376(1893). — MAEODLXES, Monatsh. 9 , 1045 (1888); 1 0 , 459 (1889). — S P I T Z E R , Monatsh. 1 1 , 104, 287 (1890). — U L R I C H , Monatsh. 1 3 , 245 (1892). • W . WISLICENTJB, Ber. 27, 357 (1894). * Z I N C K E u. K E G E L , Ber. 2 2 , 1467 (1889); 2 3 , 230, 1706 (1890). 1
POLLAK,
8
H E R Z I G U. Z E I S E L ,
428
Tetraoxybenzole.
III. Yier- und seclis-werthige Phenole Die drei der Theorie nach möglichen Tetraoxybenzole: OH
.OH ^OH sind tlieils als solche, theils in Form von Derivaten bekannt; sie beanspruchen namentlich wegen ihrer Beziehungen zu Naturprodukten Interesse. Das 1.2.3.4-Tetraoxybenzenl (Apionol) ist die Stammsubstanz der Apiole (vgl. S. 437).
Ein D i m e t h y l - m e t h y l e n ä t h e r
C 8 H 2 (0• CH3)JCH2 (Apion)
entsteht aus dem Oxydationsprodukt des Petersilien-Apiols — der Apiolsäure — durch Kohlensäure-Abspaltung beim Erhitzen mit Schwefelsäure; er bildet farblose, mit Wasserdämpfen flüchtige Nadeln vom Schmelzpunkt 79 Die Orthosteilung der nicht substituirten Wasserstoffatome ergiebt sich daraus, dass das Dinitroapion bei der Reduktion ein Diamidoapion liefert, welches die Eeactionen eines Orthodiamins (vgl. S. 229 ff.) zeigt. Das 1.2.3.S-Tetraoxybenzen2 ( O x y p h l o r o g l u c i n ) ist aus dem Reductionsprodukt der Pikrinsäure — dem Triamidophenol C6H2(OH)(NH2)3 (vgl. S. 383) — durch Auswechselung der Amidgruppen gegen Hydroxylgruppen erhalten; die Reaction gelingt durch längeres Kochen des salzsauren Salzes mit Wasser, wobei zunächst salzsaures Trioxyamidobenzol C6H2(OH,)-NH2 entsteht, das bei weiterem Erhitzen mit Wasser auf 150° auch die letzte Amidgruppe austreten lässt. Das 1.2.3.5-Tetraoxybenzen bildet haarfeine Nadeln vom Schmelzpunkt 165°, wird durch Eisenchlorid vorübergehend zwiebelroth gefärbt und ist sehr zersetzlich. — Sein Monome t h y l ä t h e r C0H2(O • CH3)(OH)3 (Trioxy-1.3.5-methoxy-2-benxen) entsteht durch Spaltung des in der Veilchenwurzel enthaltenen G-lucosids Iridin und ist daher I r e t o l ge nannt. Er bildet weisse, bei 186° schmelzende Nadeln und ist in Wasser leicht löslich. Die Constitution des Iretols folgt daraus, dass es bei der Reduction mit Natriumapialgam in wässeriger Lösung Phloroglucin liefert; dem Phloroglucin ähnlich verhält, es sich auch bei der Alkylirung (vgl. S. 427). Durch Einwirkung von Brom bei' Gegenwart von Wasser liefert es Hexabromaceton. Das 1.2.4.5-Tetraoxybenzen' ist aus Resorcin auf einem Wege gewonnen, der durch die folgende Zusammenstellung erläutert wird: OH
OH
OH C6H6.N;
(vgl. S. 418)
1
CIAMICIAN u . SILBER, B e r . 2 1 , 1 6 3 0 , 2 1 2 9 ( 1 8 8 8 ) ;
2288 (1890); 2 9 , 3
2 2 , 119, 2481 (1889);
23,
1806 (1896).
W I L L , B e r . 2 1 , 6 0 9 , 2 0 2 0 ( 1 8 8 8 ) . — DE LAIBE u . TIEMANN, B e r . 2 6 , 2 0 1 5 , 2 0 2 4
( 1 8 9 3 ) . — NICKEL, 3
OH NH,
Ber. 27 Ref.,
515 (1894). —
OETTINQEK,
Monatsh. 16,
248 (1895).
NIETZKI u . F K . SCHMIDT, B e r . 2 1 , 2 3 7 5 ( 1 8 8 8 ) . — NIETZKI U. RECHBEBO, B e r .
2 3 , 1214 (1890).
429
. Hexaoxybenzol. OH O H r ^ OH
OH
0 Dioxychinon (S. 452) (das Diamidoresorcin liefert durch Oxydation zunächst sogenanntes „Diimidoresorcin" C 6 H 6 NJ0 2 , welches durch Behandlung mit Natronlauge in Dioxychinon übergeht; letzteres wird von saurer Zinnchlorürlösung in Tetraoxybenzen verwandelt). Es bildet silberglänzende Blättchen, schmilzt unscharf zwischen 215° und 220°, färbt sich an der Luft in wässeriger Lösung rasch braun und wird von Eisenchlorid sofort zu Dioxychinon oxydirt. Das P e n t a o x y b e n z o l C6H(OH)6 ist weder als solches noch in Form von Derivaten bekannt 1 .
Das Hexaoxybenzol C 6 ( O H ) 6 (Hexaoxybenxeri) konnten NIETZKI U. synthetisch erhalten, indem sie vom Hydrochinon ausgingen, das Diacetylderivat des letzteren durch Behandlung mit Salpetersäure und Schwefelsäure in die sogenannte Nitranilsäure (vgl. S. 453) überführten, die Nitranilsäure zu Diamidotetraoxybenzol reducirten: BENCKISEB 2
OH
0-CSH30
OH NH. 0 Nitranilsäure
endlich das Diamidotetraoxybenzol durch Oxydation mit Salpetersäure in Trichinoyl (vgl. S. 464) verwandelten, welch' letzteres nun bei der Réduction mit saurer Zinnchlorürlösung das Hexaoxybenzol liefert: OH I / C CO
0
I
CO
\
CO
I
CO
OH—C ^ OH—I /
1
^
C—OH
,\
C-OH
i OH
Das Hexaoxybenzol bildet lange Nadeln, welche nicht völlig farblos erhalten werden konnten, färbt sich bei etwa 200° dunkelgrau, ohne zu schmelzen, löst sich schwer in kaltem, etwas leichter in heissem Wasser, 1
Vergebliche Versuche zur Darstellung vgl.: WILL, Ber. 21, 6X0 (1888). — Ber. 2 2 , 1661 (1889). — Vgl. auch SCHIFFER, Ber. 2 5 , 721
N I E T Z K I U. F K . SCHMIDT,
(1892). 2
Ber. 18, 499, 1883 (1885).
430
Kohlenoxydkalium.
nur wenig in Alkohol, Aether und Benzol; die Lösungen nehmen an der Luft schnell rothviolette Farbe an. Silbernitrat wird schon in der Kälte augenblicklich reducirt. Von concentrirter Salpetersäure wird es zu Trichinoyl, durch den Luftsauerstoff bei Gegenwart von Soda zu Tetraoxychinon oxydirt, beim Eindampfen mit verdünntem Kali in flacher Schale geht es in krokonsaures Kalium (vgl. S. 35) über. 'Durch Kochen mit Essigsäureanhydrid in Gegenwart von Natriumacetat wird es in das H e x a a c e t y l d e r i v a t 1 C 6 (0-C0-CH 3 ) c — Schmelzpunkt 203° — verwandelt. — Besonders wichtig ist die Entdeckung von N I E T Z K I u. B E N C K I S E E , dass das Hexaoxybenzol identisch ist mit einer Substanz, welche schon früher L E B C H 2 durch Zersetzung des sogenannten „ K o l i l e n o x y d k a l i u m s " 3 mit verdünnter Salzsäure bei Luftabschluss erhalten hatte. Das Kohlenoxydkalium, welches durch Einwirkung von trockenem Kohlenoxydgas auf geschmolzenes Kalium entsteht, ist demnach nichts anderes als das Kaliumsalz des Hexaoxybenzols; bei seiner Bildung erfolgt die Synthese eines Benzolkerns aus sechs vorher isolirten Kohlenstoffatomen (vgl. S. 80). Diese interessante Substanz stellt eine graue krystallinische Masse dar, ist — frisch bereitet — durchaus ungefährlich, nimmt aber beim Liegen an der Luft unter noch nicht näher erkannten Bedingungen höchst explosive Eigenschaften an; sie ist der wesentlichste Bestandtheil der „schwarzen Masse", welche früher bei der Darstellung des metallischen Kaliums als Nebenprodukt auftrat und unter Umständen zu heftigen Explosionen Anlass gab, während ihre Bildung jetzt gänzlich vermieden werden kann.
Sechsundzwanzigstes
Kapitel.
Phenole mit ungesättigten Seitenketten. Unter den Phenolen, welche sich von Benzolkohlenwasserstoffen mit ungesättigter Seitenkette ableiten, beanspruchen einige ein besonderes Interesse, weil sie im Pflanzenreich natürlich gebildet vorkommen oder zu pflanzlichen Produkten in naher constitutioneller Beziehung stehen (vgl. S. 111). In den ätherischen Oelen begegnet man häufig Phenolen oder Phenoläthern, deren Molecül die ungesättigte Gruppe C 3 H 5 — in den Benzolkern eingefügt enthält; zum Stammkohlenwasserstoff haben diese Verbindungen demnach eines der beiden Propenylbenzene (vgl. S. 112): I.
CaH6-CH2-CH=CH2
oder
II.
C0H6-CH=CH-CH3.
1
Vgl. auch MAQUENNE, Bull. 4 8 , 64 (1887). Ann. 124, 20 (1862). 8 GMELIN, Pogg. 4 , 35 (1825). — LIEBIG, Ann. 2 (1837). — ' BBODIE, Ann. 1 1 3 , 358 (1860). 2
24,
11,
182 (1834). —
HEILER,
Ann.
Verschiebung der Doppelbindung in der Propenylgruppe.
431
Die Kenntniss dieser theilweise auch praktisch wichtigen, ungesättigten Phenole und Phenoläther ist namentlich in den letzten Jahren durch Untersuchungen von CIAMICIAN U . S I L B E R , E Y K M A N , T I E M A N N U. A . wesentlich gefördert worden. Bei diesen neueren Untersuchungen hat man vielfach die Beobachtung gemacht, dass Verbindungen, welche die Gruppe C3H5— enthalten, durch Erhitzen mit alkoholischem Kali 1 oder mit trockenem Natriumäthylat 2 in isomere Verbindungen übergehen. Man deutet diese Erscheinung als bedingt durch einen Platzwechsel der in der Seitenkette befindlichen Doppelbindung, indem man annimmt, dass die Verbindung, welche sich von dem Kohlenwasserstoff I (vgl. oben) ableitet, in das entsprechende Derivat des Kohlenwasserstoffs I I übergeht; die Doppelbindung verschiebt sich hiernach um ein Glied, um sich dem Benzolkern zu nähern. Diese Auffassung ist namentlich für die Beziehungen des Eugenols zum Isoeugenol und des Safrols zum Isosafrol gut begründet (vgl. S. 434—436) und darf daher wohl auch auf andere Verbindungspaare, welche analoge Uebergänge zeigen, ausgedehnt werden. Im Sinne derselben bilden diese Isomerisations-Erscheinungen ein Gegenstück zu den Beobachtungen an ungesättigten Carbonsäuren, die eine Beweglichkeit der Doppelbindungen unter dem Einfluss von Alkalien darthun (vgl. Bd. I , S. 494—495, 508, 696); die gleiche Wirkung, die in dem einen Falle von der Carboxylgruppe ausgeht, wird im anderen Falle von dem Benzolkern ausgeübt. Die Isomerisation ist von einer A e n d e r u n g der physikalischen Eigenschaften in dem Sinne begleitet, dass das unter dem Einfluss von Alkalien entstehende, demnach stabilere Isomere einen um etwa 16° höheren Siedepunkt zeigt. Die beiden Isomeren zeigen ferner wesentliche und f ü r die einzelnen P a a r e gleichartige Differenzen ihrer optischen Constanten (Refraction und namentlich Dispersion). Die physikalische Untersuchung kann daher vielfach Anhaltspunkte zur Beurtlieilung der Constitution liefern 3 . D u r c h thermische Bestimmungen ist nachgewiesen 4 , dass die labilen K ö r p e r unter Energieverlust in die stabilen Formen übergehen. Mit salpetriger S ä u r e 6 treten die Verbindungen, welche die G r u p p e •—CH_-CH— CH 3 enthalten, leicht in Reaction; es entstehen krystallinische P r o d u k t e , welche wahrscheinlich als Dioxim-Hyperoxyde aufzufassen sind: —CII—CH—CH3 +
N A = I I 2 0 + —C P N I O-
C-CHS !! N -0
1
V g l . EYKMAN, B e r . 2 3 , 8 5 9 ( 1 8 9 0 ) . — TIEMANN, B e r . 2 4 , 2 8 7 1
3
ANGELI, B e r . 2 6 R e f . , 5 9 7 (1893).
(1891).
3
Vgl. EYKMAN, Ber. 2 2 , 2747 (1889); 2 3 , 855 (1890).
4
STOIIMANN u . LANGBEIN, J . p r . [2] 4 6 , 5 3 0 (1892).
5
ANGELI, B e r . 2 4 , 3 9 9 4 ( 1 8 9 1 ) ; 2 5 , 1 9 5 6 ( 1 8 9 2 ) ; 2 6 R e f . , 1 9 5 , 5 9 7 , 8 8 6 , 8 9 1 — MALAQNINI, B e r . 2 7 R e f . , 7 9 5 ( 1 8 9 5 ) . — V g l . a u c h TILDEN u . FORSTES,
(1893).
J o u r n . Soc. 6 5 , 334 (1894). — Vgl. auch FABINYI, Ztschr. f. pliysik. Chem. 12, 580 ( 1 8 9 3 ) . — ANGELI U. RIMINI, B e r . 2 8 R e f . , 1 0 0 4 ( 1 8 9 5 ) .
C h e m . Centralbl. 1 8 9 6 1 , 918.
432
Ghavicol,
Vgl. auch S. 525—526.
Die Gruppe —CH2—CH—CH2 scheint dagegen in
Estragol,
Anol,
Anethol.
—CH2—C—CH2-N02
II
N-OH
verwandelt zu werden.
Als Repräsentanten der e i n w e r t h i g e n ungesättigten Phenole sind zunächst die Propenyl-l-oxy-4-ben%ene: OH • C 6 H, • CEL, • CH—CH2 Chavicol
und
OH.C e H 4 -CH=CH—CH 3 Anol
mit ihren Methyläthern: CH 8 .0-C 6 H 4 -CH 2 -CH—CH S Estragol
und
CH3 • 0 • C3H4 • CHirCH—CH 3 Anethol
zu nennen. Chayicol 1 findet sich im ätherischen Oel der Betelblätter, welche in Ostindien von den Eingebornen mit etwas Kalk und Catechu gekaut werden; es bildet eine farblose Flüssigkeit, krystallisirt bis —25° nicht, siedet bei 237° und besitzt bei 12-4° das specifische Gewicht 1-023. — Sein M e t h y l ä t h e r 2 ist identisch mit dem Estragol 3 — dem Hauptbestandteil des Estragonöls — und scheint das Anethol (s. unten) im Anisöl und Sternanisöl zu begleiten; das Estragol ist flüssig, siedet bei 215—216°, besitzt bei 15° das specifische Gewicht 0-932 und geht durch Erhitzen mit alkoholischem Kali in Anethol über. Anol 1 ist aus seinem Methyläther — dem Anethol — durch längeres Erhitzen mit Kali auf 200—230 0 erhalten, bildet Blättchen und schmilzt bei 93°. Das Anethol 5 bildet den Hauptbestandteil des Anisöls (aus dem Samen von Pimpinella Anisum), findet sich ferner im Sternanisöl, Fenchelöl und anderen Oelen; synthetisch ist es aus Anisaldehyd (S. 520) 1
EYKMAN, B e r . 2 2 , 2 7 3 6 ( 1 8 8 9 ) .
2
EYKMAN, B e r . 2 2 ,
Ree. trav. c h i m . 1 4 , 189 (1895).
2743 (1889); 2 3 , 859 (1890).
—
SCHIMMEL u. CO.,
Bericht
vom October 1895. 3 SCHIMMEL U. CO., Bericht vom April 1892, S. 17, 41 ; Bericht vom April 1894, S . 28. — GRIMAUX, C o m p t . r e n d . 1 1 7 , 1 0 8 9 ( 1 8 9 3 ) .
B u l l . [ 3 ] 11, 3 4 ( 1 8 9 4 ) . — HELL
n. GAAB, B e r . 2 9 , 3 4 4 ( 1 8 9 6 ) . — BOUCHARDAT U. TARDY, C o m p t . r e n d . 1 2 2 , 6 2 5 ( 1 8 9 6 ) . * LADENBURII, A n n . S u p p l . 8 , 8 8 ( 1 8 7 2 ) . 5
CAIIOURS, A n n . 4 1 , 5 6 ( 1 8 4 2 ) . — SCHLUN U. KRAUT, J b . 1 8 6 3 , 5 5 1 . — LADEN-
BURG u. LF.VERKDS, A n n . 1 4 1 , 2 6 0 ( 1 8 6 6 ) . — LANDOLPH, B e r . 9 , 7 2 5 ( 1 S 7 6 ) . 517 (1878).
—
PERKIN, J b . 1 8 7 7 , 3 8 2 .
—
Bull. 3 0 ,
SCHIFF, A n n . 2 2 3 , 2 6 1 ( 1 8 8 4 ) . —
GLAD-
STONE, Joul-n. Soc. 4 9 , 623 (1886). — LAJÌDOLT, Ztschr. f. physik. Chem. 4, 357 (1889). —
GARELLI, B e r . 2 4 K e f . , 1 5 4 ( 1 8 9 1 ) . — AMPOLA, B e r . 2 7 Ref.-, 4 0 5 ( 1 8 9 4 ) . — HELL,
J . pr. [2] 5 1 , 4 2 2 (1895); 2714 (1895).
—
Ber. 2 8 ,
2837
(1895).
—
HELL U. V. GÜNTHERT, J . p r . [ 2 ] 5 2 ,
WALLACH U. POND, 1 9 3 (1895). —
Ber.
28,
BOUCHARDAT U.
TARDY, C o m p t . r e n d . 1 2 2 , 6 2 5 ( 1 8 9 6 ) . — GRIMAUX, B u l l . [ 3 ] 1 5 , 7 7 8 ( 1 8 9 6 ) . — SCHIMMEL
u. Co., Pharm. Centrali)., 37, 236 (1896).
433
Eugenol.
unter Benutzung der PERKiN'schen Reaction (vgl. Bd. I , S. 489) gewonnen: /CH3 CH S • 0 • C 6 H 4 • CHO + CHj-CHo-CO-O-Na = H 2 0 + CH 3 • 0 • C 6 H 4 • CH=C< x C0-0-Na 3 CH. • 0 • C„H4 • C H — C ^ X C02H
,
- C O , = CH3 • 0 • CAH4 • C H = C H • CH3;
diese Synthese ist beweisend für seine Constitution. Anethol bildet Blättchen, schmilzt bei +22-3°—22-5°, siedet bei 233° und besitzt bei 21-6° das specifische Gewicht 0-986. Bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat liefert es Anissäure CH 3 -0-C 6 H 4 -C0 2 H und p-Methoxyphenylglyoxylsäure CH3 • 0- C8H4 • CO • C0 2 H. Durch Belichtung, Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure oder Chlorzink und andere Einflüsse geht es in Polymere 1 über. Wichtig sind ferner einige Aether der in freiem Zustand noch nicht bekannten Propenyl-l-dioxy-3.4-benzene C3H6-C6H3(OH)2: OH—/
CH S —CH~ CHJ
CHS-0-CH4 CH, • 0 -
>CH„ CH,.0-/
0/
I
C.H. / O
CH..O-
C
H
Ä
\ 0
-OCH,
I c,H 5 in Frage kommen. — Ein mit dem Petersiliencampher isomeres Apiol-findet sich im D i l l öl, stellt eine dicke, ölige, nahezu geruchlose Flüssigkeit dar, siedet bei 285° und wird durch Erhitzen mit Natriumäthylat in ein bei 44° schmelzendes, bei 296° siedendes I s o a p i o l verwandelt. Es leitet sich gleichfalls von dem 1.2,0.4Tetraoxybenzen (S. 428) ab. 1
Ann. 0, 301 (1833). — v. GERICHTEN, Ber. 9, 1477 (1876). u. SILBER, Ber. 21, 913, 1621 (1888); 23, 2283 (1890); 29, 1799 (1896). GINSBEBQ, Ber. 21, 1192 (1888). — PATEBNÒ U. NASINI, Ber. 22 Ref., 644 (1889). — EYKMAN, Ber. 23, 857 (1890). — BABTOLOTTI," Ber. 25 Ref., 908 (1892). — HEFFTEK, Chem. Centralbl. 1896 I, 122. — —
BIANCHET U. SELL,
CIAMICIAN
438
Chinone.
Siebeiiundzwanzigstes
Kapitel.
Chinone. Als C h i n o n e bezeichnet man Verbindungen, welche sich von aromatischen Stammsubstanzen derart ableiten, dass zwei Wasserstoffatome eines und desselben Kernes durch zwei Sauerstoffatome ersetzt sind. Alle Verbindungen dieser eigenartigen Körperklasse sind dadurch charak. terisirt, dass sie gefärbt sind und durch Reductionsmittel leicht in farblose Hydrochinone — Dihydroxylderivate der zu Grunde liegenden Kohlenwasserstoffe (vgl. S. 420) — übergeführt werden, daher ihrerseits als Oxydationsmittel wirken können. Beispiele: C„H,
C6H402
Benzol
Benzochinon
C10H8 Naphtalin
Naphtochinon
CioH602
Bei den e i n k e r n i g e n Benzolkohlenwasserstoffen, derön Derivate hier zunächst zur Besprechung stehen, h a t man bisher nur solche e i n f a c h e n und n i c h t s u b s t i t u i r t e n (vgl. S. 454) Chinone kennen gelernt, welche die beiden Sauerstoffatome in der Parastellung zu einander enthalten, — P a r a c h i n o n e . Unter den Derivaten der mehrkex - nigen Benzolkohlenwasserstoffe kennt man indess auch eine beträchtliche Zahl von O r t h o c h i n o n e n . Dagegen ist noch niemals ein Chinon beobachtet worden, dessen beide Sauerstoffatome die Metastellung zu einander inne haben; die Existenzfähigkeit von Metachinonen ist daher zur Zeit nicht wahrscheinlich. Der einfachste und zuerst bekannt gewordene Repräsentant der Chinongruppe — das Benzochinon C g H . ^ — wurde 1838 von WOSKEE¡SENSKY 1 im Laboratorium L I E B I G ' S entdeckt; da die Verbindung zuerst durch Oxydation der Chinasäure gewonnen war, erhielt sie den Namen 2 „Chinon" (zunächst „Chinoyl"), welcher bis heute der ganzen Körpergruppe geblieben ist. F ü r die C o n s t i t u t i o n 3 der Chinone gab zuerst G-RAEBE 1867 eine 1
Ann. 27, 268 (1838). Vgl. W Ö H L E R , Ann. 51, 145 Anm. (1844). 3 Vgl.: G R A E B E , Ztschr. Chem. 1 8 6 7 , 39. Ann. 1 4 6 , 1 (1867); 2 6 3 , 16 (1891). Ber. 7 , 785 (1874). — F I T T I G , Ber. 6 , 168 (1873). — H . S A L K O W S K I , .Ber. 7 , 1008 (1874). — S A R A U W , Ann. 2 0 9 , 94 (1881). — SCHEIDT, Ann. 2 1 8 , 195 (1883). — N I E T Z K I , Ber. 1 6 , 2095 (1883). — H E S S E , Ann. 2 2 0 , 365 (1883). — C L A U S , J . pr. [2] 3 7 , 461 (1888). — N E F , J . pr. [2] 4 2 , 161 (1890). — KEHRJIANN, J . pr. [2] 4 3 , 108 (1891). — B A B B A L , Bull. [3] 1 3 , 423 (1895). s
Constitution der Chinone.
439
plausible Interpretation, indem er sie als die Superoxyde der Hydrochinone auffasste: /OH ,0 C6H4
o o ü* tfl d
_ . iCä o— % o 'S a 2Q O Ü 8° bei 15 mm — erwähnt; man erhält dasselbe, wenn man das durch Condensation von Benzaldehyd mit Acetylaceton und Chlorwasserstoff entstehende Condensationsprodukt C 6 H 6 CHC1 • CH(CO • CH,), im Vacuum erhitzt.
III. Aromatische Tliioaldehyde und fett-aromatische Tliioketone. M o n o m o l e c u l a r e a r o m a t i s c h e T l i i o a l d e h y d e sind bisher n i c h t bekannt. D o c h g e l i n g t es l e i c h t , die a r o m a t i s c h e n s a u e r s t o f f h a l t i g e n A l d e h y d e in e n t s p r e c h e n d z u s a m m e n g e s e t z t e Schwefelverbindungen überzuführen, die 6 a l s polymere Tliioaldehyde (vgl. B d . ' I , S. 420ff.) aufzufassen sind. 1
MOUHED, B u l l . [3] 9 , 5 6 8 ( 1 8 9 3 ) .
1
ENOLER U. L E I S T ,
Ber. 6 ,
254,
2 5 7 ( 1 8 7 3 ) . — J . G . SCHMIDT, B e r . 1 4 ,
1460
( 1 8 8 1 ) . — CLAISEN U. CLAPABÈDE, e b e n d a , 2 4 6 0 . — CJ.AISEN, e b e n d a , 2 4 7 0 . — A . BAEYER u . BECKER, B e r . 1 0 , 1 9 6 9 ( 1 8 8 3 ) . — CLAISENU. PONDER, A n n . 2 2 3 , 1 3 8 ( 1 8 8 4 ) . — E . F I S C H E R , B e r . 1 7 , 5 7 6 (1884). —
KNORR, B e r . 2 0 ,
CLAISEN u . MANASSE, B e r . 2 2 ,
HABRIES 11. ESCHENBACH, B e r . 2 9 , 3 8 0 3
1099 (1887). —
529 (1889). —
ZELINSKY, e b e n d a ,
922.
—
C . GOLDSCHMIDT, B e r . 2 8 , 8 1 8 ( 1 8 9 5 ) . —
(1896).
KOENIGS, B e r . 2 5 , 7 9 7 ( J 8 9 2 ) . — J . WISLICENUS u . SATTLEB, B e r . 2 6 , 9 1 1 ( 1 8 9 3 ) .
4
KNOEVENAOEL, A n n . 2 8 1 ,
6
ROCHLEDER, A n n . 3 7 , 3 4 8 ( 1 8 4 1 ) . — LAURENT, A n n . 3 8 , 3 2 0 ( 1 8 4 1 ) . — CAHOÜRS,
79
(1894).
Compt. rend. 26, 457 (1847). — KLINQER, Ber. 9, 1895 (1876); IO, 1877 (1877); 15, 8 6 3 (1882). —
P . JACOBSON, B e r . 1 9 ,
1068 (1886).
—
BAUMANN U. FROMM, B e r .
22,
2603 (1889); 2 4 , 1431, 144 1(1891). — BABBAQLIA U. MARQÜABDT, Ber. 24, 1882(1891). — BADMANN U. KLETT, ebenda, 3309. — WÖBNEB, Ber. 29, 139 (.1896). V. MKYER ii. JACOBSON, org. Chew. II.
32
(September
96.)
498
Tli
iobenxaldehyde.
Leitet man Schwefelwasserstoff in alkoholische Lösungen der Aldehyde ein, so scheiden sich nach einiger Zeit — vermuthlich durch Condensation von anfänglich gebildeten Anlagerungsprodukten des Schwefelwasserstoffs an die Aldehyde — amorphe Substanzen ab, welche die procentische Zusammensetzung von Thioaldehyden zeigen, aber den kryoskopischen Moleculargewichtsbestimmungen zufolge sich als hochmoleculare Polymere erweisen. Weit glatter verläuft die Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf alkoholische Aldehydlösungen in Gegenwart von Condensationsmitteln wie Chlorwasserstoff; es entstehen die gut krystallisirbaren, völlig geruchlosen T r i t h i o a l d e h y d e , welche den analog entstehenden aliphatischen Verbindungen entsprechen, indess nicht so leicht zu Sulfonen oxydirt werden und aus den Bd. I, S. 421 — 423 erörterten Gründen in je zwei stereoisomeren Formen auftreten können. In der That hat man, vom Benzaldehyd und seinen Homologen oder seinen Halogensubstitutionsprodukten ausgehend, je zwei stereoisomere Trithioaldehyde erhalten; dagegen ergab sich bei der Untersuchung solcher Derivate des Benzaldehyds, welche stark negative Substituenten (NOa, OH vgl. S. 518) enthalten, der interessante Befund, dass hier nur ein Trithioderivat gebildet wird. Der polymere Thlobenzaldehyd (C7JIeS)x — a u s alkoholischer Benzaldehydlösung und Schwefelwasserstoff ohne Gegenwart von Chlorwasserstoff — bildet ein furbloses, amorphes Pulver und ist vielleicht nicht eine einheitliche Verbindung; zwischen 80 — 90° sintert er erst und schmilzt dann; er ist in Benzol und Chloroform leicht, in Alkohol nicht löslich. Erhitzt man ihn bis auf ca. 190°, so zerfallt er in Schwefel und Stilben C 6 H 5 -CH:CH»C 9 H 6 ; bei höherem Erhitzen tritt in Folge der Einwirkung von Schwefel auf Stilben Entwickelung von Schwefelwasserstoff und Bildung von Tetraphenylthiophen (Thionessal): C,H 5 • C
C • C6Hs
•s-
ein. Beim Erhitzen mit alkoholischem Kaliumsulfhydrat liefert er reichlich Benzyldisulfid (vgl. S. 474). In Benzollösung mit geringen Mengen Jod zusammengebracht, wandelt er sich rasch in 0-Trithiobenzaldehyd um. a-Trithiobenzaldehyd — wahrscheinlich: H
krystallisirt aus Benzol, worin er ziemlich leicht löslich ist, benzolfrei in kleinen spitzen Nadeln vom Schmelzpunkt 166—167° und wird in Benzollösung durch Einwirkung geringer Mengen von Jod in (?-Trithiobenzaldehyd umgewandelt.
Thioacetophenon.
499
j ? - T r l t h i o b e n z a l d e h y d , die stabilste Modification der Thiobenzaldehyde, wahrscheinlicli: c6H6
0„H, zu formuliren — bildet prächtige, l a n g e N a d e l n , schiesst aus Benzol in Krystallen von der Zusammensetzung (C ; H 8 S)ä + C 6 H , a n , die bei 1 3 0 — 1 4 0 1 das Benzol abgeben, schmilzt bei 225° und ist in Benzol, Alkohol, Eisessig und Chloroform schwer löslich. Beim Destilliren mit Kupferpulver g e h t er sehr glatt in Stilben über; durch K o c h e n m i t alkoholischem Kaliumsulfhydrat wird er fast gar nicht verändert; beim Erhitzen mit Anilin auf 210—220° liefert er Thiobenzanilid C „ H 5 - C S N H • C„HS neben Stilben und anderen Produkten.
A c e t o p h e n o n wird von Schwefelwasserstoff nur in Gegenwart von Condensationsmitteln verändert; bei Gegenwart von Salzsäure entstehen nach neuen Versuchen von B A U M A N N U. F R O M M 1 neben und nacli einander monomoleculares Thioacetophenon C 8 H 8 S, Trithioacetophenon C 24 H 24 S 3 , Anhydrotriacetophenondisultid(C 24 H 22 S 2 ) und eine grün gefärbte, sauerstoffhaltige und schwefelhaltige, harzige Substanz. Von besonderem Interesse ist durch seine Eigenschaften das monomoleculare Thioacetophenon C e H 6 -CS-CH 3 . ES ist im Gegensatz zu dem farblosen Acetophenon ein Oel von intensiv b l a u e r Farbe; die Thiocarbonylgruppe —CS— erweist sich mithin als eine chromophore Gruppe; fast gleichzeitig mit der Entdeckung des Thioacetophenons wurde die gleiche Beobachtung an Derivaten des Thiobenzophenons C 6 H 8 -GS-C 6 H 6 (vgl. dort) von G A T T E R M A N N 'l gemacht. Das monomoleculare Thioacetophenon ist indess sehr leicht zersetzlich und daher kaum in reinem Zustand darzustellen; annähernd rein erhält man es, wenn man das Trithioacetophenon möglichst rasch durch Destillation zersetzt; es besitzt einen unangenehm lauchartigen Geruch, verliert schon beim Liegen an der Luft unter Abgabe von Schwefelwasserstoff seine blaue Farbe, wird beim Erhitzen mit Wasser glatt in Schwefelwasserstoff und Acetophenon gespalten, durch alkoholische Salzsäure bei niederer Temperatur in Trithioacetophenon umgewandelt und zersetzt sich bei der Destillation theilweise unter Bildung von Styrol, Aethylbenzol und zwei Diphenylthiophenen: CeHj-CS-CH,
=
Ogl^CHiCH^
S,
2C„H5.CH:CH, + 3S =
C . H j - C Ä S - C , ^ + 2H,S,
C 6 H 5 - C H : C H , 4- H , S =
C j H . - G H j CHa + S.
1 Ber. 2 8 , 895 (1895). * Ber. 2 8 , 2870, 2876, 2877 (1895).
500
Trithioacetophenon.
Das Trithioacetophenon: CH,—C—S—C— CH,
krystallieirt aus Alkohol in Nadeln, ist völlig geruchlos und schmilzt bei 122° zu einer f a r b l o s e n Flüssigkeit, welche sich bei weiterem Erhitzen zunächst grün, dann indigoblau (vgl. S. 499) färbt und bei ca. 185° unter gleichzeitiger Schwefelwasserstoffentwickelung einen blauvioletten Dampf giebt. Es wird von kochender alkoholischer Kalilauge nicht verändert und giebt bei der Oxydation mit Permanganat reichlich Schwefelsäure, ohne dass ein Sulfon auftritt. Auf keine Weise ist es gelungen, ein stereoisomeres Trithioacetophenon aufzufinden.
IY.
Die Condensationsprodukte der aromatischen Aldehyde und Ketone mit primären Ammoniakderiyaten H„N-R (Oxime, Anilc, Hydrazone etc.).
Es ist schon S. 480 darauf hingewiesen worden, dass das Studium der Verbindungen, welche aus aromatischen Carbonylverbindungen durch Condensation mit primären Ammoniakderivaten nach dem Schema: X—CO-Y + NH.-R - X—C(:N.R)—Y + H,0 entstehen, zur Auffindung von Isomerieersciieinungen geführt hat, die in der Structurtheorie keine Deutung finden konnten. Vielmehr hat die eingehende experimentelle Prüfung dieser Iaotneriefälle zu dem Urtheil geführt, dass sie auf verschiedene r ä u m l i c h e Anordnung der Molecüle bei gleicher Struktur zurückzuführen sind. Die lebhafte Discussion, welche durch die Auffindung dieser Isomerieen veranlasst wurde, hatte schliesslich das Ergebniss, dass eine Erklärungsweiee zu fast allgemeiner Annahme gelangte, welche den Grund jener Erscheinungen in der Natur des dreiwerthig fungirenden S t i c k s t o f f a t o m s sucht. So hat sich eine S t e r e o c h e m i e d e r V e r b i n d u n g e n d e s d r e i w e r t h i g e n S t i c k s t o f f s entwickelt, deren Grundzüge im Folgenden zunächst dargelegt werden müssen, bevor die Oxime, Hydrazope etc. der aromatischen Carbonylverbindungen im Einzelnen besprochen werden. In historischer Beziehung sei vorausgeschickt, dass das Gebiet 1888 eröffnet wurde durch Untersuchungen von A U W E B S U. VICTOR M E Y E R über die Oxime des Benzils (vgl. dort), welche den Nachweis der Existenz von structuridentischen und doch wesentlich verschiedenen Oximen erbrachte. Kurz vorher hatte B E C K M A N N ein Isomeres dos gewöhnlichen Benzaldöxims entdeckt, welches indess zunächst von ihm als strueturisomer mit dem schon bekannten Benzaldoxim aufgefasst wurde. H. GOLDBCHMIDT sprach zuerst auf Grund von experimentellen Studien die Ansicht aus, dass die Iaomerie der Benzald^xime und der Benzil-
Stereochemie
des
501
Stickstoffs.
oxime auf die gleiche Ursache z u r ü c k z u f ü h r e n sei. HANTZSCH U. W E H N E B entwickelten dann 1890 die u n t e n dargelegte T h e o r i e der „räumlichen A n o r d n u n g in stickstoffhaltige» Molecülen", welche eine befriedigende und einheitliche D e u t u n g der beobachteten E r s c h e i n u n g e n ermöglichte; in den folgenden J a h r e n h a t d a n n n a m e n t l i c h HANTZSCH die Theorie zur G r u n d l a g e zahlreicher E x p e r i n i e n t a l - U n t e r s u c h u n g e n gemacht, welche ihre F r u c h t b a r k e i t und Nützlichkeit d a r t h a t e n . Stereochemie
der V e r b i n d u n g e n Stickstoffs1.
des
dreiwerthigen
F ü r d a s A m m o n i a k und a n d e r e S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n , bei denen j e d e der d r e i Stickstoffvalenzen m i t einem a n d e r e n A t o m verbunden ist, wird man es für wahrscheinlich h a l t e n , dass die Angriffspunkte der drei Valenzeinheiten (a, b, c) in einer E b e n e m i t dem S c h w e r p u n k t des Stickstotfiitonis liegen. E i n e solche A n o r d n u n g :
b ist d u r c h die d e n k b a r grösste S y m m e t r i e ausgezeichnet u n d lässt r ä u m liche I s o m e r i e bei V e r b i n d u n g e n N a k n i c h t z u ; in der T h a t sind Isomeriefalle solcher A r t nicht b e o b a c h t e t 2 . ' Vgl. die Citate unter Nr. 1 in Bd. I, S. 88. — Vgl. ferner: HANTZSCH, Ber. 23'. -2:522 (1890); 2 4 , 13, 31, 1192, 3 4 7 9 , 4 0 1 8 (1891), 2 5 , 2 1 6 4 (1892); 2 6 , 9, 9 3 1 0 393). — HANTZSCH U. WERNER, B e r . 2 3 , 2 7 6 4 (1890). — ADYVERS U. V . MEYER, B e r . 2 3 , 2 4 0 5 ( 1 8 9 0 ) ; 2 4 , 4 2 2 5 (1891). — V . MEYER, B e r . 2 3 , 6 0 0 (1890); 2 6 , 16 (1893).
— WILLOERODT, Abtheilungs-Sitzungen der Bremer Naturforscher-Versammlung 1890, S . 6«. — HANTZSCH U. KRAFFT, B e r . 2 4 , 3 5 1 1 ( 1 8 9 1 ) . . — BEHREND U. KÖNIG, A n n . 2 6 3 , 175 (1891). — BEHREND U. NISSEN, A n n . 2 6 9 , 3 9 0 (1892). — MINUNNI, B e r . 2 4 R e f . , 561, 8 3 3 (1891); 2 6 R e f . , 53 (1893). — DOLLFUS, B e r . 2 6 , 1908 (1892); 2 6 , 1970 (1893). — HANTZSCH U. MIOLATI, Z t s c l i r . f. p h y s i k . O h e m . 1 0 , 1 (1892); 11, 7 3 7 (1893). — v. MILLER U. PLÖCHL, B e r . 2 5 , 2022, 2 0 2 4 (1892); 2 7 , 1281, 1296 (1894); 2 9 , 1402, 1733 (1896). — BISCHOFF U. HAUSDÖRFER, B e r . 2 5 , 3 2 7 0 (1892). — CLAUS, J . p r . [2] 4 5 , 5 5 6 ; 4 6 , 3 4 , 546 (1892); 4 7 , 139, 267 ( 1 8 9 3 ) ; 4 9 , 4 4 5 ; 5 0 , 5 6 7 (1894). — LADENBURO, B e r . 2 6 , 862 (1893). — PICKERING, J o u r n . S o c . 6 3 , 1069 (1893). — SIMON, B u l l - [ 3 ] 1 3 , 3 3 4 (1895). — WOI.FFENSTEIN, B e r . 2 9 , 1957 (1896). — MINUNNI
u. VASSALLO, Chem. Centralbl. 1896 II, 38. — Zusammenfassende Darstellungen vgl. in den folgenden Werken: VAN T'HOFF, Lagerung der Atome im Räume, 2. Aufl. (Braunschweig 1894), S. 127 ff. — HANTZSCH, G-rundriss der Stereochemie (Breslau 1893), S. 106 ff. — BISCHOFF u. WALDEN, H a n d b . d. Stereochemie ( F r a n k f u r t 1894), S. 99 ff.
* Neuerdings glauben v. MILLER u. PLÖCHL (Ber. 29, 1462) zwei Bterepisomere Verbindungen der gleichen Structur: NfGAlCH,}, \CH(CH s ).CH s .CHO aufgefunden zu haben (vgl. auch ebenda, S. 1733). Der Fall bedarf indess noch einer eingehenderen Untersuchung.
502
Hypothese
von
Hantxsch
und
Werner.
Aus dem Umstand aber, dass es zahlreiche StickstoftVerbindungen giebt, in deren Molecülen ein Stickstoffatom vollkommen ähnlich wie \
eine -^;CH-Gruppe (Methenylgruppe) fungirt, lässt sich mit Wahrscheinlichkeit folgern, dass die Valenzen unter Umständen aus jener Normallage abgelenkt werden können. Wenn man z. B. die Structurformel des Acetylens mit derjenigen der Blausäure und des elementaren Stickstoffs selbst vergleicht:
CII
C
CH
N
H
N N '
wenn man namentlich berücksichtigt, dass in den aromatischen Ringsystemen CH-Gruppen durch Stickstoffatome ohne erhebliche Veränderung der Stabilität des cyclischen Complexes ersetzt werden können:
C H ^ ,C H j f Benzol' j C H / \ C I - I "" -CH-/
C H X y C b . j S | C H / J \ C H ^ N
(Pyridin).
so wird man zu der Ansicht geführt, dass in derart constituirten Molecülen die räumlichen Verhältnisse eines Stickstoffatomes ähnlich sein mögen, wie diejenigen einer Methenylgruppe. Diese Hypothese formuliren H A N T Z S C H U. W E R N E R in dem Satze: „Die drei Valenzen des Stickstofl'atoms sind bei gewissen Verbindungen n a c h den Ecken eines (jedenfalls nicht regulären) Tetraeders hin gerichtet, dessen vierte Ecke vom Stickstoffatom selbst eingenommen wird." Denkt man sich den Schwerpunkt des Stickstoffatoms als Mittelpunkt eines sphärischen Gebildes, so würden mithin die Angriffspunkte der drei Valenzeinheiten- in solchen Fällen nicht auf dem Aequator, sondern auf einem Parallelkreise angeordnet sein:
Fig. 59.
Um am Modell die Consequenzen dieser Anschauung zu versinnlichen, kann man sich daher der gewöhnlichen Kohlenstcffmodelle (vgl. Bd. I, S. 666—667) bedienen, indem man einfach eine Valenz unbenutzt lässt.
Nomenclátor
der
503
Stickstoff-Stereoisomeren.
Macht man nun die weitere Annahme, dass eine derartige Vertheilung der Stickstoffvalenzen auch bei solchen Verbindungen eintreten kann, welche das Stickstoffatom als Glied einer offenen Kette nicht dreifach, sondern zweifach an ein Kohlenstoffatom gebunden enthalten, dann übersieht man am Modell sofort, dass alle Verbindungen von der Formel
X
\ _>C—N-Z, _
y / wo X verschieden von Y ist, in zwei verschiedenen Gonfigurationen existiren können; man kann dieselben tetraédrisch durch die folgenden Schemata:
y Fig. 60.
Fig. 61.
in abgekürzter Weise durch die Raumformeln: X—C—Y N—Z
und
X—C—Y ¡i
Z-Ñ
darstellen. Die beiden Configurationen unterscheiden sich von einander in ähnlicher Weise, wie die eis- und trans-Contiguration bei stereoisomeren Aethylenderivaten: a-C—b
a-C—b
o-l;—b
b— Ä-a '
Bei der einen Configaration befindet sich das an Stickstoff gebundene Radical Z in grösserer Nähe gegenüber dem Radical Y, bei der anderen gegenüber dem Radical X. Um die beiden Isomeren in der Nomenclatur zu unterscheiden, benutzt H A N T Z S C H die Präfixe „ S y n " und „ A n t i " ; bei ihrer Auawahl wird der Grundsatz befolgt, dass das Präfix die räumliche Stellung des an Stickstoff gebundenen Rädicals Z zu demjenigen der Radicale X und Y angiebt, welches unmittelbar nach dem Präfix genannt wird, z. B.: C6H5—C—C8H4 • CHS OH—N Syn-Phenyltolylketoxim oder Anti-Tolylphenylketoxim
und
CaH6—C—C,H6 • CH3 N-OH Anti-Phenyltolylketoxim oder Syn-Tolylphenylketoxim
Wenn nun eines der beiden Radicale X nnd Y mit Z intramolecular zu reagiren vermag — wie z. B. bei den Aldoximen das Wasserstoffatom.
504
Isomerie
der
Oxime.
mit der Hydroxylgruppe unter Wasserabspaltung —, so trifft man unter den beiden hiernach möglichen Bezeichnungsweisen die Auswahl derart, dass dasjenige Isomere, welches die intramolecular reagirenden ßadicale in Nachbarstellung enthält, die Bezeichnung „Syn" erhält, z. B.: C„H5—C—H II
CaHfi—C—H II
N—OH Henzsynaldoxim (nicht Antibeuzaldoximl
OH—N Bcnzantialdoxim (nicht Synbenzaldoxim)
Wie leicht ersichtlich, können symmetrische D i o x i m e der Theorie zufolge iu d r e i stereoisomeren Modificationen auftreten. Man bezeichnet hier mit „ S y n " diejenige Configuration, welche die beiden Oximhydroxyle einander zugewandt enthält, init , , A n t i " die Configuratiou mit abgewandter, mit „ A m p h i " die Configuration mit unsymmetrischer Stellung der Hydroxyle: -G
II
C -
II
N—OH OH—N Syn-
-C
C—
II
—C
II
OH—N
N—OH Anti-
C—
II
II
N—OH N-OH Amphi-
Isomeriefälle, welche in solchen Speculationen ihre Deutung finden können, beobachtet man nun bei vielen Oximen. Das Benzaldoxim Näheres vgl. S. 511 ff.) z. B. existirt in zwei Formen, welche in einander überführbar sind; man discutirte für diese beiden Verbindungen zunächst die beiden Structurformeln (vgl. Bd. I, S. 390): /NH C 8 H 5 .CIi-- N - O H
und
C 4 H 5 -CH
Später aber machte man die Erfahrung, dass auch gewisse durch Ersatz des „beweglichen'^ Wasserstoffatoms entstehende D e r i v a t e der Oxime in zwei isomeren Formen bestehen, welche ihrem Verhalten nach beide das eingeführte Radical entsprechend der Formel C 6 H . - C H : N - O - ß an S a u e r s t o f f gebunden enthalten, mithin nicht als Structurisomere aufg e f a ß t werden konnten. Da für diese Derivate sonach räumliche Isomerie anzunehmen ist, so dürfte auch der Rückschluss auf die Stammsubstanzen berechtigt erscheinen; der Umstand, dass letztere bei der Alkylirung auch Derivate von verschiedener Structur liefern können, widerspricht diesem Schlüsse nicht, sondern kann als Desmotropieerscheinung gedeutet werden. So liefern die isomeren aromatischen Aldoxime je zwei Acetylester (vgl. S. 512), welche durch Natron oder Ammoniak sehr leicht wieder
Configurationsbestimmung
bei Aldoximen.
505
zu den ursprünglichen Oximen verseift werden. Wenn schon durch diese gleichartige Verseif barkeit verschiedenartige Structurformeln wie: C,H,-CH:N-0-C0-CH,
/N-CO-CH, C8H5.CH< !
und
sehr unwahrscheinlich werden, so werden sie dadurch fast ausgeschlossen, dass die Acetylverbindungen der einen Reihe schon durch Spuren von gasförmiger Salzsäure, Acetylchlorid etc. bei gewöhnlicher Temperatur in die Acetylderivate der anderen Reihe umgewandelt werden 1 . Eine Wanderung des Acetylrestes vom Stickstoff zum Sauerstoff unter solchen Versuchsbedingungen anzunehmen, ist kaum zulässig; die Annahme einer Veränderung der räumlichen Lage: I.
C9H6—C—H ||
II.
N-O-CO-CH,
C„H6—C—H ||
CH a -C!0-0-N
entspricht dagegen der Deutung, die uns zur Interpretation der wechselseitigen Uebergänge von Fumarsäure und Maleinsäure etc. dient, welche unter ähnlichen Bedingungen verlaufen. Das Verhalten jener Acetylderivate bietet nun aber auch Anhalts-, punkte zur A u s w a h l der Configurationsformeln. Es zerfällt nämlich das eine Acetylderivat bei der Einwirkung von k o h l e n s a u r e n Alkalien — sehr rasch bei ganz gelindem Erwärmen — glatt in Essigsäure und ein Nitril 2 , während das isomere Acetylderivat unter denselben Bedingungen kein Nitril liefert, sondern, lediglich zum freien Oxim verseift wird. Man wird daher schliessen dürfen, dass das leicht in Nitril übergehende Acetylderivat die Configurationsformel I besitzt, welche offenbar der Nitrilbildung besonders günstig ist: C„H5-C-H II
N—O-CO-CHJ
=
C„H 6 -C H III + I N O-CO-CIL,
und in analoger Weise das entsprechende freie Oxim als Syn-Modification ansprechen. Die Methode zur Configurationsbestimmung, wie sie soeben an einem Beispiel erläutert wurde, ist nur bei Aldoximen anwendbar. Für die Bestimmung der Configuration bei stereoisomeren Ketoximen hat sich in ihrem Verhalten bei der BECKMANN'sehen Umlagerung (vgl. Bd. I, S. 391) ein Mittel ergeben. Dieser eigenthümliche, meist sehr glatt schon bei niederer Temperatur unter der Einwirkung von Säurechloriden — namentlich Phosphorpentachlorid — verlaufende Process 3 führt von 1 Ueber die Geschwindigkeit des Processea vgl. LEY, Ztachr. f. physik. Chem. 18, 388 (1895). ' Ueber die Geschwindigkeit des Processes vgl.: HANTZSCH, Ztschr. f. physik. Chem. 13, 509 (1894). — LEY, ebenda, 18, 376 (1895). 3 Vgl. BECKMANN, Ber.,27, 300 (1894).
506
Configurationsbestimmung
bei
Ketoximen.
den Ketoximen zu suhstituirten Säureamiden. Er kann am einfachsten — ohne Rücksichtnahme auf vermuthlich sich bildende Zwischenprodukte — formulirt werden als gegenseitiger Platzaustauach zwischen dem Hydroxylrest der Oximgruppe und einem der an die Ketoxiragruppe gebundenen Radicale und darauffolgender Bindungswechsel: ,.N-OH X - C CS = X
^N-X X-Co
>C~NOH
oder
/NH-X Y-C
-
C 6 H 3 Br,-K,,Cl
>-
C 0 H 3 Br 2 -CN
>- C 6 H 3 Br, • C0 2 H.
Eine Anzahl von substituirten Benzoesäuren ist mit den zugehörigen Amiden in der Tabelle Nr. 62 auf S. 566 zusammengestellt. Ueber das Verhalten der Carboxylgruppe in den substituirten Benzoesäuren vgl. auch S. 542 ff. C i t a t e zu d e r T a b e l l e Nr. 62 a u f S. 566:
1
CIUOZZA, Ann. 83, 317 (1852).
KOLUE U. LAUTEMANN, Ann. 1 1 5 , 183, 194 (1860). — S REICHENBACH U. BEILSTEIN, — A n n . 1 3 2 , 311, 314, 316 (1864). — * HÜBNEII U. BIEDERMANN, A n n . 1 4 7 , 257 (1868). 3
—
6
KEKULÉ, Ann. 117, 145 (1860). —
6
OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 255 £
(1889). — 7 LIMPRICHT U. V. USLAR, A n n . 1 0 2 , 2 5 9 , 2 6 4 (1857). — 9 BEILSTEIN, A n n . 1 7 9 , 2 8 8 A n m . (1875). — 9 HÜBNER U. UPMANN, Z t s c h r . C h e m . 1 8 7 0 , 293. — 10 HÜBNER, WILSENS U. RÄCH, A n n . 2 2 2 , 192 (1883). — 11 v . RICHTER, B e r . 4 , 4 5 9 (1871). — 12 GRAEBE, A n n . 2 7 6 , 54 (1893). — 13 V . MEYER, B e r . 3 , 363-{1870). — " STENHOUSE, A n n . 5 5 , 1 (1845). — 15 FIELD, A n n . 6 5 , 54 (1848). — 16 OTTO, A n n . 1 2 2 , 143, 157 (1861). — 17 WROBLEWSKI, A n n . 1 6 8 , 156, 2 0 0 (1873). — 18 DEHBEY, A n n . 1 4 8 , 222 (1868). — 18 BEILSTEIN U. SCHLÜN, A n n . 1 3 3 , 239 (1864). — 2 0 HÜBXER u . WEISS, B e r . 6 , 175 (1873). — 2 1 HÜBNER, A n n . 2 2 2 , 72, 92, 100?, 111 (1883). — " GMESS, A n n . 1 1 7 , 14, 22, 25 (1861); 1 3 5 , 123 (1865). — 5 3 BEILSTEIN u . GEITNF.R, A n n . 1 3 9 , 3 3 5 (1866). — 2 4 PAAL, B e r . 2 4 , 3059 (1891). — 2 5 EMMEHLINQ, B e r . 8 , 1
V g l . NOYES, B e r . 1 6 , 52 (1883). V g l . : SANDMEYER, B e r . 1 8 , 1492 (1885). — V . MEYER U. SÜDBOROUGH, B e r . 2 7 , 1 5 8 4 (1894). 2
566
Tabellarische a
ö! ke W »9
0>
€ Q O k9 H
? ?r
¡2!
SS
Q
O
W
Q e» *w -
®
¿f
a
B o
o
B
o t« £
N O _ c» ' "
I? tr
la £
s
3-
ffg
feo
fr
• M ? ? £ I m ^ r !»©••* s " ?
Z ©
?s
o
Q" O
O
o
o
w
s
o
w
S 9 DS g O2 . I I * pgr 6Er" w CD
o
3
CD B N „ O 3 CD: CO
o*
_
~
*L«
a
w ^ ;
:i
& er
Ii.
c
w
f S r ?
„ - p8 ffi N C ( 2 *CD !c CD: ED
Q
w
g O T ! CD 3 . g
g.® EIÖ
CD ^ B N O
©o
Q
W
g O H CD a . B. g - B* ö S.S.-?
1
•:
Benzoesäuren.
K
Q O
w
SÄ
£ I ' «
O"
o - •
.Pop
& te
o" CD c N ^ O w^3 CD: tn p:
Q
** «0
o
O
substituirter
Q © O ©O ©
•figo hjgOhd E ® l g
&B c
-
©O e-s
Zusammenstellung
5 i-
a
£ I S a> ® 2 «o 1 ® ^ M « ^ ^ l a s w is w ~ N-Na + 2 H „ 0 (leicht lösliche, grosse, rhom-
\so/
bische Tafeln), aus welchem durch Einwirkung von Aethyljodid der durch Salzsäure in Aethylarain und o-Sulfobenzoesäure spaltbare A e t h y l -
/
ä t h e r C 0 H,
N-C,H
\so/
5
— Schmelzpunkt 93—94° — entsteht; das
Natriumsalz in wasserfreiem Zustand, durch Neutralisation von Saccharin, mit Natriumbicarbonat und Verdampfung erhalten, bildet den wesentlichen Bestandtheil des im Handel als „ l e i c h t l ö s l i c h e s S a c c h a r i n " vorkommenden Präparats. Beim anhaltenden Kochen oder beim Eindampfen des Sulfinids mit kaustischen Alkalilaugen aber entstehen die Salze der o-Sulfaminbenzoesäure, wie C 0 H 4 (SO 2 -NH 2 )-CO-OK, beim Erhitzen des Sulfinids mit Salzsäure entsteht unter Ammoniak-Abspaltung o-Sulfobenzoesäure. Die Ortho-Sulfobenzoesiiure a C0H4(SO3HXCO2H), deren Entstehung eben erwähnt wurde, bildet wasserhaltige Krystalle, ist in 2 Theilen kalten Wassers löslich 1
Ueber die verschiedenen Handelsprodukte vgl. die unter „Analytisches" S. 571
c i t i r t e n A b h a n d l u n g e n v o n HEFELMANN, ECKENROTH u n d LANGBEIN. S
FAHLBERO U. REMBEN, B e r . 1 2 , 4 7 2 ( 1 8 7 9 ) .
FAHLBERG U. LIST, B e r . 2 1 , 2 4 2 ( 1 8 8 8 ) .
—
—
WIESINGER, e b e n d a , 1 3 4 9 .
BRACKETT U. HAYES, B e r . 2 1 R e f . ,
— 100
( 1 8 8 8 ) . — FAHLBERO U. BARGE, B e r . 2 2 , 7 5 4 ( 1 8 8 9 ) . — REUSEN U. LINN, B e r . 2 2 R e f . , 4 9 9 ( 1 8 8 9 ) . — REMSEN U. DOHME, e b e n d a , 6 6 2 . — JESURON, B e r . 2 6 , 2 2 8 9 ( 1 8 9 3 ) . SHIELDS, e b e n d a , 3 0 2 7 . — JONES, B e r . 2 7 R e f . , 7 9 0 ( 1 8 9 4 ) .
—
573
Nitrosobenzoesäure.
und liefert durch Wasserentziehung das in kaltem Wasser unlösliche A n h y d r i d
/SCU
C6HX
; 0 — grosse, bei 128° schmelzende Tafeln. — Meta-Sulfobenzoesäure 1
\co/
entsteht als Hauptprodukt bei der Sulfurirung von Benzoesäure mit rauchender Schwefelsäure neben wenig Para-Säure. Pai'a-Sulfobenzoesiiure 2 wird durch Oxydation yon p-Toluolsulfosäure gewonnen.
C. N i t r o s o - u n d
Nitro-Derivate.
3
O r t h o - N i t r o s o b e n z o e s ä u r e C 6 H 4 (N0)(C0 2 H) ist (neben Benzoesäure und Benzoylanthranilsäure) aus einem Indolderivat, das aus Benzol'noxim C 6 H 5 -C(:NOH)-CH(OH)-C 6 H 5 durch Wasserabspaltung entsteht und wohl eine der beiden folgenden Formeln: C6H,-C—-C-OH
1
I
XH— CöH4
oder
C 6 H ä -C=—-CH
|
OH-N
|
C6H4
besitzt, durch Oxydation mit Kaliumpermanganat erhalten worden. Sie bildet ziemlich derbe und nahezu farblose Krystalle, giebt aber mit Alkohol und Eisessig, sowie mit Ammoniak grün gefärbte Lösungen (vgl. Nitrosobenzol S. 147). In Aether und Benzol löst sie sich ausserordentlich schwer. Im Capillarrohr rasch erhitzt, färbt sie sich über 180° dunkel und schmilzt dann ganz unscharf gegen 210" unter totaler Zersetzung. Durch Reduction mit Schwefelammonium liefert sie Anthranilsäure (S. 574—575). Bßi der Nitrirung der Benzoesäure entsteht als Hauptprodukt die Meta-Nitrobenzoesiiure CeII4(NO)a • C0 2 H — löslich in ca. 300 Thln. Wasser von 20°, in 10 Thln. Wasser von 100° —, die daher sehr leicht zugänglich ist. Daneben bilden sich etwa 20°/ 0 Ortho- und etwa 2°/ 0 Para-Nitrobcnzoc'säurc; die beiden letzteren Säuren gewinnt man bequemer durch Oxydation der entsprechenden Nitrotoluole (S. 157) oder Nitrobenzylchloride (S. 162—163) mit Kaliumpermanganat. Während m- oder p-Nitrobenzoesäure, wie fast alle aromatischen Nitroverbindungen intensiv bitter schmecken, besitzt die Orthonitrobenzoesäure einen intensiv süssen, zuckerartigen Geschmack. D a r s t e l l u n g von m - N i t r o b e n z o e s ä u r e . Zu einem innigen Gemiach von 100 g durch Schmelzen entwässerter Benzoesäure und 200. g Kaliumnitrat fügt man nach und nach unter fortwährendem Umrühren 300 g 100 procentige Schwefelsäure; 1 MITSCHERLICH, POQO. 3 2 , 227 (1834). — FEHLING, A n n . KÄMMERER U. CARIDS, A n n . 1 3 1 , 155 (1864). — BARTH, A n n . OPPENHEIM, B e r . 3 , 7 3 6 (1870). — ADOR u. OPPENHEIM, ebenda, B e r . 4 , 2 1 9 (1871). — WIESINGER u. VOLLBRECHT, B e r . 1 0 , 1715 MANN, Ber. 2 4 , 2121 (1891). — OPFERMANN, A n n . 2 8 0 , 5 (1894).
2 7 , 322 (1838). — 1 4 8 , 33 (1868). — 7 3 8 . — KÄMMERER, (1877). — GATTER-
S RUDNEW, A n n . 1 7 3 , 16 (1874). — REMSEN, A n n . 1 7 8 , 2 7 9 (1875). — WIESINQER U. VOLLBRECHT, Ber. 1 0 , 1715 (1877). — REMSEN U. MÜCKENFÜSS, C h e m .
Centralbl. 1896 XI, 33. 8
E . FISCHER B e r . 2 9 , 2 0 6 2 (1896).
574
Nitrobenzoesäuren.
man beendigt die Reaction durch vorsichtiges, gelindes Erhitzen, das man so lange fortsetzt, bis die Nitrosäuren sich als ölige Schicht, über dem Kaliumbisulfat abgeschieden haben. Nach dem Erkalten trennt man diese kristallinisch erstarrte Schicht der Nitrosäuren von der Salzmasse. Nachdem man das Gemisch der Nitrosäuren zunächst durch zweimaliges Schmelzen mit etwas Wasser gereinigt hat, löst man es in dem 20-fachen Gewicht siedenden Wassers auf und neutralisirt es mit heissem concentrirten Barytwasser; hierdurch fällt das Bariumsalz der Meta-Säure aus, während die Bariumsalze der Ortho- und Para-Säure in Lösung bleiben. Nach dem Abfiltriren und Auswaschen zerlegt man das noch durch Bariumsulfat verunreinigte Bariumsalz der Meta-Säure durch Salzsäure, löst .die so erhaltene freie Metanitrobenzoesäure in Sodalösung, filtrirt vom ungelöst gebliebenen Bariumsulfat und fällt sie aus dem Filtrat wieder durch Salzsäure.
Durch weitere Nitrirung der m-Nitrobenzoesäure entsteht die 3.5DinitrobenzoSsäure C 6 H 3 (N0 2 ) 2 -C0 2 H. Durch Oxydation des 2.4.6Trinitrotoluols mit Salpeterschwefelsäure bei 150—200° erhält man die 2.4.6-Trinitrobenzoösiiui e, welche beim Schmelzen oder beim Erhitzen mit Wasser Kohlendioxyd abspaltet und in Trinitrobenzol übergeht; sie wird seit kurzer Zeit technisch gewonnen. Diese Säuren zeigen eigenthümliche Farbenerscheinungen beim Zusammenbringen mit Alkali; so giebt die 3.5-Dinitrobenzoesäure mit 1 Aequivalent Alkali eine farblose, mit mehr verdünntem Alkali eine gelbrothe, mit sehr viel concentrirtem Alkali aber eine tief violette Lösung, welch' letztere beim kurzen Stehenlassen wieder farblos wird; alle diese Lösungen geben beim Ansäuern wieder die unveränderte Säure; die gefärbten Lösungen enthalten also wohl basische Salze, bei deren Bildung vielleicht die von negativen Gruppen eingeschlossenen Wasserstoffatome des Benzolkerns gegen Metall ausgetauscht werden (vgl. auch Trinitrobenzol S. 150). Die Schmelzpunkte der Nitrobenzoesäuren und ihrer Amide, sowie die Literatur vgl. in der Tabelle Nr. 62 auf S. 566. D. A m i d o - D e r i v a t e . Die AmidobenzoKsäuren C 6 H 4 (NH a )-C0 2 H können durch Eeduction der Nitrobenzoesäuren gewonnen werden; für die Darstellung der M e t a A m i d o b e n z o e s ä u r e ist dieser Weg sehr bequem, da die m-Nitrobenzoesäure (vgl. S. 573) leicht zugänglich ist. Die P a r a - A m i d o b e n z o e s ä u r e gewinnt man besser, indem man p-Acettoluidid mit •Kaliumpermanganat oxydirt (vgl. S. 222) und die entstehende p-Acetylamidobenzoesäure durch Kochen mit Salzsäure verseift: CH,• CeH«• NH• CO• CH, —>- C0 2 H.C 6 H,-NH-C0-CH 3
—»-
C0 2 H-C a H 4 -NH s .
Namentlich ihrer Beziehungen zum Indigblau wegen hat die O r t h o A m i d o b e n z o e s ä u r e vielfach Interesse erregt. Sie ist zuerst durch Kochen von Indigo mit Kali 1 gewonnen worden und erhielt in den älteren Untersuchungen, als ihre Beziehungen zur Benzoesäure noch 1
FBITZSCHE, A n n . 8 9 , 8 8 (1841) — LIEBIQ, e b e n d a , 91.
Anthranilsäure.
575
nicht bekannt waren, den auch heute noch gebräuchlichen Namen „Anthranilsäure". Neuerdings ist es auch gelungen, von der Anthranilsäure aus wieder synthetisch zum Indigo zurückzugelangen (vgl. unter Indigblau). Eine bequeme Methode zur Darstellung der Anthranilsäure bietet die Einwirkung von Chlor oder Brom auf Phtalimid bei Gegenwart von Alkali 1 — eine Anwendung der HOFMANN'sehen Reaction (vgl. Bd. I, S. 235, 371): /CO x x NH 2 C0H4< >NH + 3NaOH + NaOCl = C6H4< x
^CCK
CO-ONa
+ Na2COs + NaCl + H 2 0.
Anthranilsäure krystallisirt in Blättchen und löst sich in etwa 300 Thln. Wasser von 12°; bei vorsichtigem Erhitzen ist sie sublimirbar; bei der Destillation zerfällt sie in Anilin und Kohlensäure. Ihr H y d r o c h l o r a t schmilzt bei 193—194° unter Zersetzung. Bei der Reduction mit Natrium 2 in siedender amylalkoholischer Lösung liefert sie Hexahydroanthranilsäure neben Pimelinsäure und Hexahydrobenzoesäure. — Anthranilsäure wird neuerdings technisch zur Darstellung von Indoxylsäure (vgl. dort) benutzt 3 , welche als ,.Indophor" zum Indigodruck in den Handel gebracht wird. A l p h y l - A n t h r a n i l s ä u r e n 4 , wie P h e n y l a n t h r a n i l s ä u r e C 6 H 4 (NH-C 6 H 5 )COjH, erhält man, indem man die Anthranilsäure durch die Diazoreaction in oChlorbenzoesäure verwandelt (vgl. S. 568), diese nitrirt, in der Chlornitrobenzoesäure das Chloratom durch- Erhitzen mit Anilin (oder anderen aromatischen Basen) auswechselt, dann die Nitrogruppe zur Amidgruppe reducirt und letztere durch Diazo.tiren gegen Wasserstoff austauscht: /C02H CCH4< X NH,
—N0
8
.C
6
H,
-
/COSH NNH-C 6 H 6
/CO,H C6H4< V -CL "
- —>-
/COJH NO 2 .C 6 H S < X C1
/COSH NH2-CEH,< \NH-C A H 6
— C
A
H
4
/COJH < X NH.CA:
SIE GEHEN DURCH ERWÄRMEN MIT CONCENTRIRTER SCHWEFELSÄURE IN ACRIDONE ÜBER: /COSH C.H/
—H S O = C 8 H 4
C,HNH über. NH/
G.
Azido-Derivate.
Derivate der aromatischen Carbonsäuren, welche zur Gruppe der Diazoimidc N (vgl. S. 347) gehören, also Kemwasserstoffatome durch das Radical -Ni/ || der Stick-
stoffwasserstoffsäure — nach BAMBERGER'S Vorschlag 3 als Azido-Radical zu bezeichnen — enthalten, kann man aus den Amidosäuren (bezw. ihren Estern) durch Umwandlung in die Diäzoperbromide und Einwirkung von Ammoniak auf die letzteren erhalten * (vgl. S. 347). — Die o-Azidobenzoeslinre N 3 -C 6 H 4 -CO s H bildet fast weisse Nadeln vom Schmelzp. 144—145°. Die M e t h y l e s t e r der ALzidobenzoesäuren besitzen einen süsslichen, an Obst und Anis erinnernden Geruch.
H.
Quecksilber-Derivate.
Durch Zusammenschmelzen von Benzoesäure mit Quecksilbeiracetat erhält man /Hg\ das o-Oxymerciiriobenzo3säureanhydrid 6 C 6 H 4 i _>0, welches auch aus phtalsaurem Natrium durch Kochen mit Quecksilberacetat in schwach essigsaurer Lösung unter Abspaltung von Kohlendioxyd entsteht und in Salze der o-Oxymercuriobenzoesäure überführbar ist, deren Zusammensetzung durch die Beispiele: OH • Hg • C6H4 • CO, • NH 4 ,
ClHg • C6H4 • CO,H,
ClHg • C6H4 • C0 2 Na
erläutert sei. 1
GRIESS,
Ann.
BRAND, A n n . 1 2 8 ,
117,
Ztschr. Chem.
1 (1861).
269 (1863).
—
MANN U. OECONOMIDES, B e r . 2 0 , 9 0 6 ( 1 8 8 7 ) . — W . 2
(1880). 251,
GRIESS, B e r . 9 , Ann. 212,
166 (1888). —
1657 (1876).
462. —
Ann. 135,
BEILSTEIN
u.
107 (1865). —
SCHULZE, A n n . 2 5 1 ,
162
E . FISCHER, B e r . 1 0 , 1 3 3 5 ( 1 8 7 7 ) ; 164 1886). —
WILHEU-
(1888). 13,
680
W . SCHULZE, A n n .
KLIEEISEN, B e r . 2 7 , 2 5 5 4 ( 1 8 9 4 ) .
BAMBERGER, B e r . 3 4 ,
4
GRIESS,
1310 A n m .
Ztschr. Chem.
1867," 165.
( 1 9 0 0 ) . — BAMBERQER, B e r . 3 4 , PESCI,
—
3 3 3 ( 1 8 8 2 ) . — RODER, A n n . 2 3 ß ,
3
5
1884,
CUNZE U. H Ü B N E E ,
Chem. Centralbl.
V . M E Y E R U. J A C O B S O N ,
(1901). —
1314, 1320,
RUFE 1337
U. V. M A J E W S H ,
1 9 0 0 I, 1097; 1 9 0 1 II,
org. Cheiu.
II.
Ber.
33,
3404
(1901). 108.
3T (Februar 02.)
578
Benzoldicarbonsäuren.
Dreiunddreissigstes Kapitel.
Mehrbasische Kerncarbonsäuren. (Phtalsäuren bis Mellithsäure.) I . Dlcarbonsäuren. Die drei denkbar einfachsten stellungsisomeren Dicarbonsäuren der Benzolgruppe — C6H4(C02H)2 — führen den Namen „ P h t a l s ä u r e n " und werden von einander durch die folgenden Bezeichnungen: COaH
CO.H
-COsH -CO,H Or thoph taleäure oder gewöhnliche Phtalsäure
—COOH
Isophtalsäurc
CO,H Terephtalsiiure
unterschieden. Der Name „Phtalsäuren" rührt daher, dass L A U B E N T 1 die zuerst bekannt gewordene Ortho-Säure bei der Oxydation eines Na^ÄtaZin-Derivats auffand. Da die drei Säuren in charakteristischer, leicht erkennbarer Weise von einander in ihren Eigenschaften abweichen (vgl. S. 582, 587, 588) und durch eine grosse Zahl von Reactionen mit anderen Diderivaten des Benzols genetisch verknüpft werden können, so haben sie in den Untersuchungen zur „Ortsbestimmung" eine wichtige Rolle gespielt (vgl. S. 70). Zur G e w i n n u n g der P h t a l s ä u r e n , i h r e r H o m o l o g e n und S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e aus anderen Benzolderivaten können die S. 532—535 (sub B u. C) zusammengestellten Bildungsweisen einbasischer Carbonsäuren nach passender Modification dienen, z. B.: C,H4Br, + 2C1-C2 + NaHSO„; CeH4(COjH)-NHj —>- C8H4(COjH)-NsCl —>- C0H4(CO2H)-CN —>- CaH4(C02H)2. Von präparativer Wichtigkeit ist namentlich die Bildung durch Oxydation von Benzolhomologen2 mit mehreren Seitenketten bezw. ihren Derivaten (vgl. S. 107), z. B.: CBH4(CH,), — v
CÄCCOjH),; CeHJ(CHs)1 CaHs(CH3)„(C02H),, C,H3J(CHa)s —>- C6H3J(CO,H)a etc.
1
A n n . 1 8 , 3 8 (1886).
8
V g l . z. B . :
CLAUS n . BURSTERT, J . p r . [2] 4 1 , 5 5 8 , 5 6 1 ( 1 8 9 0 ) . — HAMMEEICH,
B e r . 3 3 , 1 6 3 5 (1890). —
PLANCHER, B e r . 2 0 H e f . , 8 8 9 ( 1 8 9 3 ) . —
1 8 2 A n m . ( 1 8 9 4 ) . — RUPP, B e r . 2 9 , 1 6 2 5 , 1 6 2 8 ( 1 8 9 6 ) .
LOSSEN, A n n .
281,
Bildungsweisen
der
579
Benzoldicarbansäuren.
Anstatt direct zu oxydiren, ist es zuweilen zweckmässig 1 , zunächst in die Seitenketten Brom einzuführen (S. 116), dieses durch Kochen mit Alkali oder Alkaliacetat in alkoholischer Lösung auszutauschen und darauf den so entstandenen Aether bezw. Ester eines zweiwerthigen Alkohols zu oxydiren, z. B.: C6H4(CH3), - V C8H4(CH2Br), — C Ü H ^ C E L • 0 • CO• OH3)2
C 0 H 4 (C0 2 H),.
Auch die Oxydation von Benzoesäurehomologen zu Dicarbonsäuren 2 , z. B.: CH 3 -C 6 II,.C0 2 H
C0 2 H • CeH4 • C0 2 H ,
bietet häufig einen vorteilhaften Darstellungsweg; vgl. z. B. S. 588 die Vorschrift zur Gewinnung von Terephtalsäure. Ausser diesen allgemeinen Methoden sind aber zwei specielle Bildungsreactionen wichtig, welche —• in mannigfacher Weise variirbar — zu verschiedenen Derivaten der Orthophtalsäure oder der I s o phtalsäure führen. Die O r t h o p h t a l s ä u r e bezw. ihre Substitutionsprodukte entstehen nämlich allgemein durch Oxydation von mehrkernigen Verbindungen, deren Molecül an einen Benzolkern ein zweites ringförmiges System durch Vermittelung zweier Ortho-Kolilenstoffatome des Benzolkerns angefügt enthält. Am frühesten und am häufigsten ist diese Bildung bei der Oxydation von Naphtalinderivaten (S. 578, 582) beobachtet, z. B.: CHC1 -CHC1
-C0 2 H
,CHC1
-CO,H '
-COjH -CO.H'
CHC1
I
NO,
aber sie erfolgt auch bei der Oxydation von Derivaten des Anthracens, Indens 3 , Isochinolins 4 etc.: CH
1 i CH3
!
C0
•-. JcH, CH,
-CO2H
-CH
- CO.H '
J.\
CO2H
J — C O , H '
CH3
Das Gemeinsame dieser Prozesse besteht darin, dass durch die Oxydation 1
BAEYER, A n n . 2 4 5 ,
1 3 8 ( 1 8 8 8 ) . — KIPPINO, B e r . 2 1 ,
4 6 (1888). —
VILLIGER,
A n n . 2 7 6 . 256 (1893). * V g l . z. B . :
WEITH, B e r . 7 , 1 0 5 7 ( 1 8 7 4 ) . — PICCARD, B e r . 1 2 , 5 7 9 ( 1 8 7 9 ) . —
ABBES, B e r . 2 6 , 2 9 5 1 ( 1 8 9 3 ) . — 3
Vgl.
z. B . :
YOÜNQ,
Ber.
HXÜSSERMANN U. MARTS, e b e n d a 25,
REVIS U. KIPPINO, J o u r n . S o c . 7 1 , 2 4 2 * V g l . z. B . :
2106
(1892).
—
2982.
MIERSCH, e b e n d a , 2 1 1 3 .
(1897).
EDINGER, J . p r . [ 2 ] 5 3 , 3 7 5 (1896). 37*
—
580
Acidität
der
Benzoldicarbonsäuren.
der an den einen Benzolkern angekettete Ring aufgespalten wird, die beiden direct in den Benzolkern eingreifenden C-Atome des aufgespaltenen Ringes aber — zur Carboxylgruppe oxydirt — daran haften bleiben (vgl. in obigen Formeln die punktirten Striche). Wenn diese Processe sonach einen Abbau complicirterer Verbindungen darstellen, BO können umgekehrt allgemein Homologe der Isophtalsäure von der Stellung 1.3.5 durch synthetischen Aufbau aus Fettkörpern gebildet werden; sie entstehen nämlich nach DOEBNER 1 neben Oxalsäure durch Einwirkung von Barytwasser auf eine Mischung von Brenztraubensäure mit einem beliebigen aliphatischen Aldehyd, vielleicht den folgenden Gleichungen entsprechend in zwei Phasen: CH» I CHO CHS I COjH—CO
CH, I CH3 I CO—COjH
CH, I CO-CO.H
-
C 6 H 5 -CH 2 -CN
—C0H5-CH2-CO2H.
Eine praktische Anwendung dieser Reaction, welche der Synthese der Fettsäuren selbst (vgl. Bd. I, S. 291—292, 296—297, 306) vollständig entspricht, vgl. S. 597 in den Darstellungsvorschriften für Benzylcyanid und Phenylessigsäure. 2. Anwendung der Halogenverbindungen vom Typus des Benzylchlorids zu Malonsäureester- bezw. Acetessigester-Synthesen 1 (vgl. Bd. I, S. 307—309), z. B.: C 6 H ä -CH 2 Cl+NaCH(CO a -C 2 H 5 ) 2 = NaCl + C a H 5 -CH 2 -CH(C0 2 -C 2 H 5 ) 2 0 6 H 5 • CH, • CH(C0 2 H) 2 — C0 2
= C 6 H 5 • CH, • CH2 • C0 2 H .
3. Wasserstoffzufuhr zu ungesättigten Säuren 2 , z. B.: C 6 H 6 C H : C H - C 0 2 H + 2H =
C e H 5 -CH 2 -CH 2 -C0 2 H;
man benutzt hierfür als Reductionsmittel in der Regel das Natriumamalgam (vgl. S. 599 die Darstellungsvorschrift für Hydrozimmtsäure), seltener Jodwasserstoffsäure. 4. Umlagerung der fett-aromatischen Ketone in Säureamide nach W I L L G E R O D T durch Erhitzen mit gelbem Schwefelammonium (vgl. S. 4 9 0 ) . . 5. Reduction von Ketonsäuren (vgl. S. 719—721) mit Jodwasserstoff 3 , z. B.: (CHJ^CJHJ • CO • COJH + 4 H J = (CH 3 )3C 6 H 2 .CH 2 -C0 2 H + H 2 0 + 4 J . G. Einwirkung von Bromfettsäuren auf aromatische Kohlenwasserstoffe in Gegenwart von Aluminiumbromid 4 , z. B.: C 6 H 6 + Br • C(CH,)ä • C0 2 H = HBr + C 6 H 5 -C(CH 3 ) 2 -C0 2 H . 1
V g l . z. B . :
CONRAD U. BISCHOPF, A n n .
204,
174, 177 (1880). —
POPI-E,
Ber.
23, 111 (1890). — REISSERT, Ber. 2 9 , 635 (1896). 2
V g l . z. B . :
BAEYER U. J A C K S O N ,
Ber.
13,
122
(1880).
—
FITTIQ
U.
JAYNE,
Ann. 2 1 6 , 107 (1882). — KRÖBER, Ber. 2 3 , 1026 (1890). — MIERSCH, Ber. 2 3 , (1890); 2 5 , 2111 (1892). — FITTIQ U. TH. HOFFMANN, Ann. 2 8 3 , 314 (1894). s V g l . z. B . : CLAUS, J. pr. [21 4 1 , 487 (1890). 4
WALLACH, Chem. Centralbl. 1899X1, 1047.
1890
595
Einbasische Phenylfettsäuren.
Besonders hervorzuheben ist die von E. u. H. S A L K O W S K I 1 entdeckte Bildung zweier Säuren dieser Reihe — nämlich der Phenylessigsäure und /S-Phenylpropionsäure (Hydrozimmtsäure) — bei der Spaltung von Eiweisskörpern durch Fäulnissprocesse. Die S t ä r k e d e r S ä u r e n nimmt — wenigstens bei den ersten Gliedern — mit wachsender Entfernung der Phenylgruppe von der Carboxylgruppe ab, wie sich aus den folgenden Dissociationsconstanten 2 (vgl. auch S. 535, 568, 580) ergiebt: Benzoesäure C 6 H 6 -CO s H : K = 0-00600, Phenylessigsäure C j H s - C H ^ C O , ! ! : „ = 0-00556, Hydrozimmtsäure C e H s - C H t - C H , - C O s H : „ = 0-00227.
Die U m w a n d l u n g e n der C a r b o x y l g r u p p e vollziehen sich bei diesen Säuren, deren Carboxylgruppe ja „aliphatisch gebunden" ist, meist in ganz analoger Weise, wie bei den aliphatischen Säuren selbst. Ein Vergleich in Bezug auf die Reactionsfähigkeit der direct und der nicht direct an den Benzolkern gebundenen Carboxylgruppe wurde durch das Studium der Esterificirungsge3chwindigkeit der Phenylessigsäure 3 ermöglicht. Es ergab sich, dass die Phenylessigsäure ganz unvergleichlich leichter esterificirbar als die Benzoesäure ist. Schliesst man sich den S. 543 — 545 mitgetheilten stereochemischen Erwägungen an, so kann man aus diesem Befund die Folgerung ziehen, dass die beiden orthoständigen Benzolwasserstoffatome dem Carboxyl der Benzoesäure räumlich näher stehen (und daher seiner Reactionsfähigkeit hinderlicher sind) als die beiden Methylenwasserstoffatome dem Carboxyl der Phenylessigsäure: H C02H
Hv.
I
v.
I JH. — ... H\ /C. ^C-^
CO, II
II
S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e können sich von den Phenylfettsäuren theils durch Austausch von Wasserstoffatomen der Seitenkette oder von solchen des Benzolkerns ableiten: C„H6-CHC1-C02H oder Cl-C6H4-CH2-COsH. Unter den Substitutionsprodukten der ersteren Art sind diejenigen Dihalogenderivate, welche durch Halogenaddition an ungesättigte Säuren entstehen: C6H5-CH:CH-C02H + Brs = C6H5-CHBr-CHBr-COsH, 1
Ztschr. f. physiol. Chem. 2, 424 (1878); 9, 491 (1885); Ber. 12, 107, 648
(1879). Ztschr. f. physik. Chem. 3, 270 (1889). Ber. 2 8 , 3197 (1895). — S H D K O F F , ebenda, 3201. — H. GOLDSCHMIDT, Bcr. 2 8 , 3224 (1895); 2 9 , 2208 (1896). — Vgl. auch: E. F I S C H E R U. S P E I E « , Ber. 2 8 , 3254 (1895). — M E N S C H U T K I N , Ber. 3 1 , ,1429 (1898). — E. F I S C H E R U . D I L T H E Y , Ber. 35, 846, 855 (1902). 38* 2
OSTWALD,
3
V.
MEYER,
596
Phenylessigsäure.
von stereochemischem Interesse; Näheres vgl. S. 600 unter Phenyldibrompropionsäuren. — Von den Kernsubstitutionsprodukten sind die O r t h o a m i d o d e r i v a t e hervorzuheben; enthalten sie die Amidogruppe zu der Carboxylgruppe in der y- oder ¿'-Stellung, so sind sie in freiem Zustand nicht beständig, sondern spalten Wasser ab (vgl. auch Bd. I, S. 830, 836) und gehen in heterocyclische Verbindungen derlndol- bezw. Chinolingruppe über:
NH 2
NU
Näheres über die so entstehenden „inneren Anhydride" (Lactame) vgl. im dritten Buch unter Oxindol und Hydrocarbostyril. Phenylessigsäure 1 C 6 H 6 -CH 2 -C0 2 H (a-Toluylsäure) wird am bequemsten durch Verseifung ihres Nitrils, des BenzylCyanids, gewonnen (vgl. unten); in wenig glatter Eeaction bildet sich ihr Aethylester durch Erhitzen von Brombenzol mit Chloressigester und Kupfer auf 180—200°: C6H5 Br + Cl- CHj • C0 2 • C2H5
>-
C6H3 • CHS • CO. • C 2 H 6 .
Sie stellt breite, glänzende Blättchen dar, schmilzt bei 76°, destillirt unzersetzt bei 265-5 0 (corr.) und ist in kaltem Wasser schwer, in heissem leichter löslich. Ueber ihre Acidität und ihre Esterificirung s. S. 595. Beim Erhitzen unter Druck auf 375° spaltet sie sich grösstentheils in Toluol und Kohlendioxyd, während daneben kleinere Mengen von Dibenzylketon (C6H5-0112)200 und Kohlenoxyd entstehen. Im Organismus geht sie in Phenacetursäure C 6 H 6 -CHg-CO-NH-CHj-COjH (S. 597) über. Durch Oxydation kann sie in Benzoesäure verwandelt werden. 1
CANNIZZARO, A n n . 9 6 , 2 4 7 ( 1 8 5 5 ) . —
— MÖLLER U. STRECKER, A n n . 1 1 3 , ZINCKE, B e r . 2 , 7 3 8 ( 1 8 6 9 ) . 847 (1877).
—
—
20,
SLAWIK, B e r . 7 ,
KRAUT, A n n . 1 4 8 , 1051 (1874).
E . u . H . SALKOWSKI, B e r . 1 2 , 6 5 3 ( 1 8 7 9 ) .
( 1 8 8 1 ) . — MANN, e b e n d a , 1 6 4 5 . Ann. 2 2 3 ,
CRUSI BROWN, Z t s c h r . C h e m . 1 8 6 5 ,
64 (1860). —
2 6 0 (1884). —
—
—
CLAISEN, B e r .
10,
SPIEGEL, B e r . 1 4 ,
239
—
— MI SCHROEDER, A n n . 2 2 1 , 4 6 ( 1 8 8 3 ) . —
STAEDEL, B e r . 1 9 ,
1 3 9 0 ( 1 8 8 7 ) . — ZIEOLER, B e r . 2 3 ,
443.
242 (1868).
R . SCHIFF,
1 9 4 9 ( 1 8 8 6 ) . — ANSCHÜTZ U. BERNS, B e r .
2 4 7 2 ( 1 8 9 0 ) . — ENQLER U. LOW, B e r . 2 6 ,
1437
( 1 8 9 3 ) . — EYKMAN, R e e . t r a v . c l i i m . 1 2 , 1 8 4 ( 1 8 9 3 ) . — W . WISLICENUS, B e r . 2 7 ,
1094
(1894).
A n n . 2 9 6 , 3 6 1 ( 1 8 9 7 ) . — HODQKINSON U. COATE, B o r . 2 7 B e i . , 5 9 2 ( 1 8 9 4 ) . —
HOLLEMAN, Ree. trav. cliim. 1 4 , 122 (1895). — PETERSEN, Chem. Centralbl. 5 2 0 . — W . TRAUBE, A n n . 3 0 0 , 1 2 4 ( 1 8 9 8 ) . — u . BOETZELEN, J . p r . [2] 6 4 , 3 1 4 ( 1 9 0 1 ) .
NEF, A n n . 3 0 8 , 3 1 8 ( 1 8 9 9 ) . —
1897X1, CURTIUS
Benzylcyanid.
597
D a r s t e l l u n g v o n P h e n y l e s s i g s ä u r e : Man giesst zu einer erwärmten Lösung von 60 g 99°/0igen Kaliumcyanid in 55 ccm Wasser allmählich eine Lösung von 100 g Benzylchlorid (S. 119) in 100 g Alkohol und erhitzt 3—4 Stunden unter Rückfluss zum gelinden Sieden. Nach dem Erkalten trennt man die oben schwimmende alkoholische Schicht von der unten befindlichen wässerigen Salzlösung und isolirt aus der ersteren durch zweimalige Fractiopirung den bei 200—235° siedenden Anteil, welcher rohes B e n z y l c y a n i d C 0 H 5 • CH 2 • CN darstellt. Man bringt nun 5 0 g des Benzylcyanids mit einer kalten Mischung von 110 g conc Schwefelsäure und 40 ccm Wasser in einen geräumigen Kolben, erhitzt über freiem Feuer so lange, bis sich Dampfbläschen zeigen, entfernt dann die Flamme,, bis die nunmehr mit grösster Heftigkeit eintretende Reaction sich beruhigt, und erwärmt schliesslich noch 2 Minuten; (um die während der absichtlich stürmisch geleiteten Reaction entweichenden Dämpfe zu verdichten, hat man ein weites Abzugsrohr in den einen Tubus einer zweihalsigen, mit kaltem Wasser beschickten Flasche so eingeführt, dass dieses Rohr nicht in das Wasser reicht, während durch den zweiten Tubus der Flasche ein unten in das Wasser eintauchender, mit langem Rohr versehener, oben mit einer Schale bedeckter Trichter eingesetzt ist). Nach dem Erkalten saugt man die krystallinisch abgeschiedene P h e n y l e s s i g s ä u r e ab, wäscht sie mit Wasser und befreit sie von etwas beigemengtem P h e n y l a c e t a m i d C 6 H 5 • CH 2 • CO• NH 2 (s. unten) durch Auflösen in Sodalösung, aus der sie dann durch Schwefelsäure wieder gefällt wird. Derivate der Plienylessigsiiure: P h e n y l a c e t y l c h l o r i d C 6 H 5 • CH2 • CO • C1 ist eine farblose, unter 17 mm bei 102-5" siedende Flüssigkeit; d = 1-168. — P h e n y l a c e t a m i d 2 C6H5 • CH2 • CO • NH 2 bildet sich reichlich, wenn man die Verseifung des Benzylcyanids durch Schwefelsäure nicht heftig verlaufen lässt (vgl. oben die Darstellung der Phenylessigsäure), stellt silberglänzende Blätteben dar, schmilzt bei 155°, siedet unter theilweiser Zersetzung bei 280—290° und löst sich leicht in heissem, schwer in kaltem Wasser. — Di(j der Hippursäure (S. 555) analoge P h e n a c e t u r s ä u r e 3 C 6 H 5 -CH 2 -C0-NH-CH 2 -C0 2 H, deren Bildung aus Phenylessigsäure durch Synthese im Thierkörper S. 596 erwähnt wurde, findet sich auch normal in nicht unbeträchtlicher Menge im Pferdeharn; Schmelzpunkt 143°. Benzylcyanid 4 C A H 5 -CH 2 -CN ( P l i e n y l e s s i g s ä u r e n i t r i l ) , dessen Bereitung aus Benzylchlorid oben geschildert wurde, entsteht auch aus Benzaldehydcyanhydrin 1
MÖLLER U. STRECKER, A n n . 1 1 3 , 68 (1860).
—
ANSMIÜTZ U. BERNS, B e r .
20,
1389 (1887). — HOTTER, J. pr. [2] 38, 99 (1888). — HINSBERG, Ber. 23, 2962 (1890). — VANINO U. THIELE, B e r . 2 9 , 1727 (1896).
—
SCHOTT, e b e n d a ,
1985. — METZNER,
Ann. 298, 375 (1897). — WEDEKIND, Ber. 34, 2075 (1901). 1
WEDDIOE, J . pr. [2] 7, 100 (1873). — BERNTHSEN, Ann. 1 8 4 , 317 (1877). — REIMER, Ber. 13, 741 (1880). — HOOGEWERF U. VAN DORP, Ree. trav. chim. 5, 252
Anm. (1886). — PÜRGOTTI, Gazz. chim..20, 172, 593 (1890). — DEINERT, J . pr. [2] 52, 431 (1895) 8 E . u . H . SALKOWSKI, B e r . 1 2 , 6 5 4 (1879); 1 7 , 3010 (1884). Z t s e h r . f. p h y s i o l . C h e m . 7 , 162 (1882); 9 , 5 0 4 (1885). — HOTTER, J . p r . [2] 3 8 , 97 (1888). * CANNIZZARO, A n n . 9 6 , 247 (1855). — RADZISCEWSKI, B e r . 3 , 198 (1870). — A . W . HOFMANN, B e r . 7 , 518, 1 2 9 3 (1874). — REIMER, B e r . 1 4 , 1797 (1881). — ANSCHÜTZ U. BERNS, B e r . 2 0 , 1390 (1887). — ' V . METER, A n n . 2 5 0 , 1 1 8 ff. (1888). — ROSSOLYMO, B e r . 2 2 , 1 2 3 3 (1889). — PATEIN, C o m p t . r e n d . 1 1 3 , 86 (1891). — THIESING, J . p r . [2] 4 4 , 5 7 1 (1891). — FLEISCHHAUER, J . p r . [2] 4 7 , 3 9 0 (1892). — CHALANAY U. KNOEVENAGEL, B e r . 2 5 , 2 8 5 (1892). — BILTZ, e b e n d a , 2543. — EYKMAN, R e e . t r a v . c h i m . 1 2 , 185 (1893). — W . TRAUBE, B e r . 2 8 , 1797 (1895). — PURGOTTI, G a z z . c h i m . 2 6 , 1 , 1 1 7 (1895). — HERFELDT, J . p r . [2] 5 3 , 246 (1895). — RIEDEL, J . p r . [2] 5 4 , 5 4 5 (1896).- — v . SCHNEIDER, Z t s e h r . f. p h y s i k . C h e m . 2 2 , 2 3 3 (1897). — WALTHER
598
Hydratropasäure,.
C,H s -CH(OH)-CN (S. 691) durch Reduction mittels Diamidhydrat. Es ist eine wasserhelle Flüssigkeit, erstarrt in der Kälte, schmilzt bei —24-6° (corr.), siedet bei 232° (corr.) und besitzt bei 17-5° das spec. Gew. 1017. Besonderes Interesse erlangt das Benzylcyanid durch die Beweglichkeit der beiden Wasserstoffatome, welche an das von der Phenylgruppe einerseits und von der Cyangruppe andererseits umgebene Kohlenstoffatom gebunden sind; in Gegenwart von Natriumäthylat condensirt es sich äusserst leicht mit Aldehyden und mit Amylnitrit im Sinne folgender Gleichungen.: C„H5-CHO + CH,(C,H6)-CN
=
C 8 H 6 - C H . C(CEH6)-CN + H , Ö
C 6 H „ - 0 - N 0 + CH,(C6H5)-CN +
N°.O-C,H6
= C s H u O H + NaO-N : C(C6H5)-CN + C 8 H 5 OH; lässt man Alkylhalogene in Gegenwart von Natriumäthylat (oder besser von festem Aetznatron) darauf einwirken, so wird eines jener Wasserstoffatome ohne Schwierigkeit durch Alkyl substituirt; auch die Substitution des zweiten Wasserstoffatoms gelingt, wenn das zuerst eingeführte Radical nicht ein zu hohes Moleculargewicht besitzt. Diese Reactionen, welche an diejenigen des Malonsäureesters, Acetessigesters, Acetylacetons etc. erinnern, zeigen, dass die Phenylgruppe im Verein mit der Cyangruppe einen ähnlichen Einfluss ausübt, wie zwei die Methylengruppe umgebende Carboxyäthyl- bezw. Acetyl-Gruppen 1 (vgl. hierzu auch Desoxybenzo'in, Bd. II, Th. II, S. 215). Die beiden, theoretisch möglichen C,H, • CH(CH,) • COJH
a-Phenylpropionsäure
Fhcnylpropionsäaren: CAH5 • C H , • C H , • C O , H
ß- Pheny lpropionsäure
werden gewöhnlich wegen ihrer Beziehungen zu den ungesättigten Säuren: C,H 6 • C (: CHS) • CO, II Atropasäure
C e H ä • CH: CH • CO,H Zimmtsäure
als H y d r a t r o p a s ä u r e und H y d r o z i m m t s ä u r e bezeichnet. H y d r a t r o p a s ä u r e 2 C e H fi • C H ( C H 3 ) - C 0 2 H (Phenylmethylessigs ä u r e ) wird am bequemsten aus Acetophenon (S. 4 9 0 — 4 9 1 ) durch Anlagerung von Cyanwasserstoff und Behandlung des so entstandenen Cyanhydrins mit Jodwasserstoff und Phosphor gewonnen: .0 /OH /OH /H C 6 H 6 -C< — ^ C 6 H 5 - C ^ C N — > - C6H5 C(-CO.OH —>- C 6 H 5 C^-CO-OH. X CH, \CH, M)H, \CHa Sie stellt eine farblose, bewegliche Flüssigkeit von eigenthümlichem Geu. SCHICKLEB, J . pr. [2] 6 5 , 305 (1897). — NEF, Ann. 2 9 8 , 266 (1897). — W . TRAUBE,
Ann. 300, 127 (1898). — GADAMER, Arch. f. Pharm. 237, 111 (1899); Ber. 32, 2335 (1899). — EHELICH, F. SACHS, Ber. 32, 2341 (1899). 1 Eine zusammenfassende Darstellung der Beobachtungen über Vertretbarkeit der an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatome vgl. bei HENRICH: „Ueber die negative Natur ungesättigter Radicale" (Habilitationsschrift, Erlangen 1900). — Vgl. auch: VORLÄNDER, Ann. 320, 108ff. (1902). » KRAUT, A n n . 1 4 8 , 2 4 4 (1868). — FITTIG U. WURSTER, A n n . 1 9 5 , 164 (1879).
— V. MEYER, Ann. 2 6 0 , 124 (1888). — JANSSEN, ebenda, 135. — NEURE, ebenda, 151. — OLIVERI, Gazz. chim. 18, 572 (1888). — OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 271 (1889).
Hydrozimmtsäure.
599
ruch dar, erstarrt nicht bei - 2 0 ° und siedet bei 2 6 6 — 2 6 7 ° . K = 0 - 0 0 4 2 5 (vgl. S. 595). H y d r o z i m m t s ä u r e 1 C 6 H 5 • CH 2 • C H 2 - C 0 2 H (Benzylessigsäure) wird leicht durch Reduction der Zimmtsäure erhalten (vgl. unten die Vorschrift). Ihre Entstehung aus Eiweisskörpern wurde schon S. 595 erwähnt. Sie bildet lange Nadeln, schmilzt bei 48 • 7 siedet bei 280" (corr.), besitzt flüssig bei 48 •7" das spec. Gew. 1-071 (auf Wasser von 0 ° bezogen) und ist leicht mit Wasserdämpfen flüchtig. Im Gegensatz zur Phenylessigsäure, welche im Organismus nicht oxydirt, sondern in Phenacetursäure verwandelt wird (S. 596), geht Hydrozimmtsäure im Organismus vollständig in Benzoesäure über und erscheint als Hippursäure im Harn. Im Verein mit der Bildung der Hydrozimmtsäure durch Eiweissspaltung ist dieses Verhalten für die Erklärung der normalen Hippursäurebildung im Thierkörper wichtig (vgl. S. 556). D a r s t e l l u n g von H y d r o z i m m t s ä u r e : Man schlämmt 10g Zimmtsäure (S.606) mit 75 g Wasser an und fügt eine solche Menge (nicht mehr!) verdünnte Natronlauge hinzu, dass sie gerade zur Lösung der Zimmtsäure und Hervorrufung schwach alkalischer Reaction genügt. Dann versetzt man allmählich mit 200 g 2° /0 igem Nntriumamalgam und erwärmt nach dessen Verflüssigung noch kurze Zeit gelinde, scheidet darauf aus der vom Quecksilber abgegossenen Lösung die Hydrozimmtsäure durch Salzsäure ab und krystallisirt sie nach dem Erstarren und Abpressen auf Thon aus Wasser um. Gewisse Homologe und Substitutionsprodukte der Hydrozimmtsäure werden durch Erwärmen mit conc. Schwefelsäure leicht zu Hydrindonen condensirt a , z. B.: C e H 6 • CHo • CH(CHJ)
-H20 ' I CO OH
= C
Substitutionsprodukte der Hydrozimmtsäure. Die « / ? - D i h a l o g e n d e r i v a t e 3 , wie C 6 H s -CHBr-CHBr-C0 2 H, welche durch Addition von Halogen an die 1 A L E X E J E W U. E R L E N M E Y E R , Ann. 1 2 1 , 375 (1862). — P O P O W , Ztschr. Cliem. 1 8 6 5 , 111. — E R L E N M E Y E R , Ann. 1 3 7 , 327 (1866). — F I T T I Q U. K I E S O W , Ann. 1 5 6 , 245 (1870). — SESEMANN, Ber. 6 , 1086 (1873); 1 0 , 758 (1877). — CONRAD U. HODGKINSON, Ann. 1 9 3 , 300 (1878). — E . u. H . S A L K O W S K I , Ber. 1 2 , 653 (1879); 1 8 , 321 (1885). Ztschr. f. physiol. Chem. 7 , 168 (1882). Chem. Centralbl. 1 8 9 7 I , 325. — B A R T H U. SCHREDER, Ber. 1 2 , 1257 (1879). — G A B R I E L u. ZIMMERMANN, Ber. 1 3 , 1680 (1880). — STÖCKLY, J. pr. [2] 2 4 , 17 (1881). — W E G E R , Ann. 2 2 1 , 76 (1883). — T A P P E I N E R , Jb. 1 8 8 6 , 1852. — H U G H E S , Ber. 2 5 Kef., 747 (1892). — EYKWAN, Ree. trav. cliim. 1 2 , 184 (1893). — E N Q L E R U. L O W , Ber. 2 6 , 1439 (1893). — D O I . L F Ü S , ebenda, 1971. — K I P P I N G , ebenda, Ref., 607. — B R D N E R , Ztschr. f. physik. Chem. 2 3 , 542 (1897). — CURTIUS U. JORDAN, J. pr. [2] 6 4 , 297 (1901). — M I C H A E L , Ber. 3 4 , 3657 (1901). 2
v . M I L L E R U. R H O D E , B e r .
23,
1887
( 1 8 9 0 ) . — YOUNG, B e r . 2 5 ,
2102 (1892).
—
ebenda, 2 1 0 9 . 9 SCHMITT, Ann. 1 2 7 , 319 (1863). — G L A S E R , Ann. 1 4 7 , 91 (1868). — F I T T I Q U. B I N D E R , Ann. 1 9 5 , 140 (1879). — E R L E N M E Y E R , Ber. 1 4 , 1867 (1881). Ann. 2 8 9 , 259 (1895). — L . M E Y E R , jun., Ber. 2 5 , 3121 (1892). — LIEBERMANN (mit F I N K E N BEINER u. H A R T M A N N ) , Ber. 2 6 , 245, 829. 833, 1662, 1664 (1893); 2 7 , 2037 (1894-); 28, 2235 (1895). — ERLENMEYER jun., Ber. 2 6 , 1659 (1893). — STAVENHAÖEN U . MIERSCH,
600
Phenylalanin, Phenylbuttersäure,
Phenylvaleriansäure.
isomeren, aber structuridentischen Zimmtsäuren (S. 605 ff.) entstehen (vgl. S. 595), bieten vom Standpunkt der stereochemischen Theorie aus genau denselben, Bd. I, S. 722 ff. ausführlich erörterten Fall dar, wie die Halogenadditionsprodukte der Crotonsäure und Isocrotonsäure, Angelicasäure und Tiglinsäure, Erucasäure und Brassidinsäure etc. Sie können der Theorie zufolge also in vier isomeren optisch activen und zwei isomeren inactiven racemischen Modificationen auftreten. Die Existenz dieser Isomeren ist in der That durch Untersuchungen von C. L I E B E R M A N N und -seinen Schülern dargethan worden. Man erhält aus Zimmtsäure und aus Allozimmtsäure durch Addition von Brom in Schwefelkohlenstofflösung Gemische zweier isomerer P h e n y l d i b r o m p r o p i o n s ä u r e n C 6 H 5 - C H B r - C H B r - C 0 2 H , deren Mischungsverhältniss je nach den Beactionsbedingungen wechselt, nämlich eine bei 201° schmelzende, in Schwefelkohlenstoff und Benzol fast unlösliche Säure ( Z i m m t s ä u r e - D i b r o m i d ) und eine chemisch sich gleich verhaltende Säure ( Z i m m t s ä u r e - A l l o d i b r o m i d ) , welche bei 91 — 93° schmilzt und sehr leicht schon in kaltem Schwefelkohlenstoff und Benzol löslich ist. Diese beiden Säuren sind racemische Verbindungen; denn sie lassen sich durch Kristallisation ihrer Salze mit optisch activen Alkaloiden in optisch active Modificationen spalten; aus jeder einzelnen der beiden inactiven Säuren entstehen hierbei aber verschiedene active Säuren, so dass mithin in diesem Fall die Existenz der theoretisch denkbaren vier activen und zwei inactiven Modificationen einer Verbindung mit zwei ungleichartig asymmetrischen Kohlenstoffatomen erwiesen ist. Weiteres vgl. S. 613 bei Bromzimmtsäuren. ¡ 9 - P h e n y l - a - A m i d o p r o p i o n s ä u r e 1 C 6 H 5 -CH 2 -CH(NH 2 )-CO-OH (Phenylalanin) begleitet in Form einer optisch activen Modification das Asparagin (vgl. Bd. I, S. 838) in etiolirten Keimlingen und tritt bei der hydrolytischen Spaltung des „Fibro'ins" der Seide auf. Normale /-Phenylbuttersäure2 C 6 I I 5 • C H , • C H 2 • C H 2 • C O A H ( Ö - B e n z y l p r o p i o n s ä u r e ) schmilzt bei 517° und siedet unzersetzt bei ca. 290°. — N o r m a l e Ö-PhenylvaleriausHure 3 C A H 6 • C H 2 - C H J - C H 2 - C H 2 - C 0 2 H ( j ' - B e n z y l b u t t e r s ä u r e ) schmilzt bei 58—59°.
II.
Mehrbasisclic P h e n y l f e t t s ä n r e n .
Unter den hierher gehörigen D i c a r b o n s ä u r e n kann man drei Gruppen unterscheiden: a) Beide Carboxylgruppen haften an einer und derselben Seitenkette. Ber. 2 7 , 456 (1894). — R. H I K S C H , ebenda, 883. — F I N K E N B E I N E R , ebenda, 889. — L E I G H T O N , Am. Journ. 2 0 , 136 (1898). — M I C H A E L , Ber. 3 4 , 3643— 3645, 3660—3666 (1901). FINKENBEINER,
1 E R L E N M E Y E R U. L I P P , Ann. 2 1 9 , 186 (1883). — E . SCHULZE u. B A R B I E R I , J . pr. [2] 2 7 , 342 (1883). Ber. 1 6 , 1711 (1883). — B A U M A N N , Ztschr. f. physiol. Chem. 7 , 284 (1883). — P L Ö C H L , Ber. 1 7 , 1623 (1884). — E . SCHULZE U . N A E O E L I , Ztschr. f. physiol. Chem. 1 1 , 201 (1886). — E . S C H U L T Z E , ebenda 1 7 , 209 (1892). — E R L E N METER jun., Ann. 2 7 1 169 (1892); 2 7 5 , 17 (1893). Ber. 3 0 , 2976 (1897). — E . F I S C H E R u. M O U N E Y R A T , Ber. 3 3 , 2383 (1900). — E . F I S C H E R , Ber. 3 4 , 450 (1901). — E . F I S C H E R u. S K I T A , Ztschr. f. physiol. Chem. 3 3 , 188 (1901). 3 B U R C K E R , Ann. ch. [5] 2 6 , 459 (1882). — F I T T I G u. J A Y N E , Ann. 2 1 6 , 107 (1883). — PULVERMACHER, Ber. 2 6 , 464 (1883). — F I T T I G U . S H I E L D S , Ann. 2 8 8 , 204 (1895). — F I T T I G , Ann. 2 9 9 , 28 (1897). — K I P P I N G U . H I L L , Journ. Soc. 7 5 , 146 (1899). 8 B A E Y E R U . JACKSON, Ber. 1 3 , 122 (1880). — F I T T I G U. T H . H O F F M A N N , Ann. 2 8 3 , 314 (1894). — L E B E N , Ber. 2 9 , 1675 (1896). — F I C H T E R U. B A U E R , Ber. 3 1 , 2003 (1898).
Phenylmalonsäure,
601
Phenylbernsteinsäure.
b) Jede der beiden Carboxylgruppen haftet an einer anderen Seitenkette. c) Eine Carboxylgruppe ist in einer Seitenkette (aliphatisch), die zweite direct im Kern (aromatisch) gebunden. Repräsentanten der e r s t e n Gruppe sind die: Phenylmalonsäure:
/C02H CaHs.CH< \CO„H
Phenylbernsteinsäure:
und
C6H5.CH-C02H I
ch2-co2h"
Phenylmalonsäure 1 entsteht in Form ihres Aethylesters bei der Destillation des Phenyloxalessigesters, der durch Condensation von Phenylessigester mit Oxalester in Gegenwart von Natriumäthylat erhalten wird, im Vacuum unter Abspaltung von Kohlenoxyd:
Sie krystallisirt aus Wasser, in welchem sie leicht löslich ist, in glänzenden Prismen und schmilzt bei 152—153°, indem sie unter Kohlensäureentwickelung in Phenylessigsäure (S. 596) übergeht. Wegen der Reactionsträgheit der aromatisch gebundenen Bromatome (vgl. S. 113—114) lässt sich ihr Ester nicht aus Brombenzol durch Umsetzung mit Natriummalonsäureester gewinnen. Wohl aber gestattet die Beweglichkeit der Halogenatome in Halogennitro-Verbindungen (vgl. S. 161) die Bildung von Nitrod e r i v a t e n des P h e n y l m a l o n s ä u r e e s t e r s 2 nach der allgemeinen Malonsäureester-Synthese (Bd. I, S. 655), z. B.: (N0 2 ) 2 C 6 H,-Br + NaClT(C02 • CaH0)2 = NaBr + (N0 2 ) 2 C 6 H 8 • CH(CO, • C 2 H 5 ) 2 .
Dinitrophenylmalonsäureester (N02)2C8H3• CH(COj• CaH6)3 schmilzt bei 51°, Trinitropbenylmalonsäureester (N02)3C,,H2• CH(C02• C2H5)2 bei 64° (bezw. in einer labilen Modification bei 59°); beide lösen sich in Alkalien mit rother Farbe. Phenylbernsteinsäure 8 ist auf mehreren Wegen gewonnen, z . B . durch die nachstehende Reactionsfolge: C6H6-CHO + CH2(C02• C2Hb)2 = H , 0 + C 6 H 5 -CH : C(C0 2 -C 2 H 6 ) 2 ,
/C0.2 • C2H6 C6Hs • CH: C< + KCN + 2 H 2 0 XX)2-C2H6 C6H5 • CH—CHj I I + KHCOj + CjH6 • OH , CM C02-C2Hs 28,
1 W. WISLTCENUS, B e r . 2 7 , 1 0 9 1 ( 1 8 9 4 ) . — W . WISLICENUS u . GOLDSTEIN, B e r . 815 (1895); 2 9 , 2599 (1896). A
JACKSON U. ROBINSON, B e r . 2 1 , 2 0 3 4 ( 1 8 8 8 ) . A m . c h e m . J o u r n . 1 1 , 9 3 , 5 4 1 ( 1 8 8 9 ) . —
v. RICHTEB, B e r . 2 1 , 2 4 7 2 ( 1 8 8 8 ) . — JACKSON U. MOORE, A m . c h e m . J o u r n . 1 2 , 7 ( 1 8 9 0 ) . — JACKSON u. BANCROFT, e b e n d a , 1 2 , 2 9 6 ( 1 8 9 0 ) . — JACKSON, e b e n d a , 1 2 , 3 0 7 ( 1 8 9 0 ) . — JACKSON U. BENTLEY, e b e n d a , 1 4 , 3 3 1 ( 1 8 9 2 ) . — JACKSON u. PHINNEY, B e r . 2 8 , (1895).
Am.
chem. Journ. 2 1 , 418
(1899).
—
1 8 , 1 3 3 ( 1 8 9 6 ) . — JACKSON U. LAMAR, e b e n d a , 1 8 , 6 7 5 8
3066
JACKSON U. SOCH, A m . c h e m . J o u r n . (1896).
RCQHEIMER, B e r . 1 4 , 4 2 8 ( 1 8 8 1 ) . — SPIEGEL, A n n . 2 1 9 , 3 0 ( 1 8 8 3 ) . — ALEXANDER,
Ann. 2 5 8 ,
74 (1890).
—
KALLEN, A n n . 2 9 3 , 3 4 8
VOLHARD U. HENTZE, A n n , 2 8 2 , (1896).
83 (1894).
—
BBEDT U.
602
Phenylendiessigsäure,
Phenylencssigpropionsäure.
C,H6-CH-CH, C 8 H s -CH I | + 2KOFI + HjO = | CN C0 2 -C.,H 5 COJv
CH2 + NIF, + CjH 5 -OH ; | CO s K
sie schmilzt bei 167°, ihr Anhydrid bei 53—54°. Repräsentanten der z w e i t e n G r u p p e sind die drei stellungsisomeren Plieuj'lendiessigsttureu 1 C9H-
C6H4(CH2Br)2
—>-
C a H 4 (CH s • CN^
—>-
C f .H,(CH,,-CO,H),.
Die O r t h o s ä u r e (K = 0-011) schmilzt bei 148-5—149°, die M e t a s ä u r e bei 170°, die P a r a s ä u r e bei 240—241". Destillirt man das Calciumaalz der Orthosäure, so entsteht 0-Hydrindon: xir2S .CH» -COO CO + CaC0 3 /Ca = i .CO- 0
/
CH.
die Reaction entspricht der Bildung von Ketopentamethylen (vgl. Bd. I, S. 675) aus der Adipinsäure, welche der Orthophenylendiessigsäure in Bezug auf die Stellung der Carboxylgruppen analog ist. — In dieser Beziehung entspricht der Pimelinsäure (Bd. I, S. 677) die Ortho-Phenylenessigpropionsüure 2 CO„H-CH 2 -C a H 4 -CH,CH2 • C0 2 H — Schmelzpunkt: 139° —, welche durch Reduction der (9-Oxynaphto6säure, also in analoger Reaction wie Pimelinsäure aus Salicylsäure (vgl. S. 84) erhalten worden ist: nw -CH C-OH ^C—OH + 2H + H 2 0 = + H.O 0 • COOH
C—CO,H
CO-OH CH,-COOH
Zu den denkbar einfachsten Säuren der d r i t t e n G r u p p e gehört die Phenylessig-o-Carbonsilure 8 C0 2 H-C 6 H 4 -CH,-C0 2 H ( H o m o - o - P h t a l s ä u r e , I s o u v i t i n 1
BIEDERHANN, B e r . 5 , 7 0 3 ( 1 8 7 2 ) . —
— BAEYER U. P A P E , B e r . 1 7 , 4 4 7 ( 1 8 8 4 ) . BERGER
u.
LODTER,
Ber.
2 3 , I I , 336 (1893). —
2 6 , 1S35 (1893). J.
EINHORN U. LUMSDEN, A n n .
3
IILASIWETZ W.
2363 (1886);
U. BARTH,
20,
2492.
—
ebenda,
u . ESCHENBACH, B e r .
Ann. 268
Ber. 21,
2 8 8 , 76 (1895). —
68 (1866).
—
104 (1886). — —
42
ODDO,
351
1766
(1888). (1893).
SCHREDER,
GABRIEL U. OTTO, B e r . 2 0 ,
Ber.
Monatsh.
GABRIEL, B e r . 1 9 , 2 2 , 2 9 7 3 (1889).
6,
1654,
BAMBERGER U. LODTER, 28
168 2354,
2 2 2 4 (1887). —
—
GABRIEL U. (1893).
GABRIEL U. POSNER, B e r . 2 7 , 8 2 7 , 2 4 9 2 ( 1 8 9 4 ) . —
3 1 , 1528 (1898). —
HEUSLER U. SCHIEFFER, Bei-. 3 2 ,
BAM-
Gazz. chim.
( 1 8 9 2 ) . — J . WISLICENÜS U. BENEDIKT, A n n . 2 7 5 , 3 5 4
2232. —
(1876).
—
(1895).
EICHELBAUM,
ZINCKE, A n n . 2 7 8 , 1 9 8 ( 1 8 9 3 ) . —
DAMEROW,
138,
233,
1198, 2500 (1887).
ebenda,
NEDMANN, B e r . 2 5 , 3 5 6 3 —
286,
Ann.
WISLICENUS, A n n .
POLVERMACHF.R,
KIPPING,
WISLICENDS U. BENEDIKT, A n n . 2 7 5 ,
2
(1885). —
ZINCKE U. KLIPFERT, B e r . 9 , —
Ann.
2 8 8 , 79 (1895). —
GABRIEL
GRAEBE U. TRÜMPV, B e r . 3 1 , S 7 5 ( 1 8 9 8 ) .
(1899).
—
Phenylessigcarbonsäure,
Xylylendimalonsäuren.
603
s ä u r e ) ; man erhSlt sie durch Verseifung ihres Halbnitvils ( B e n z y l c y a n i d - o - C a r b o n s ä u r e ) , welches aus Phtalid (S. 699—701) durch Erhitzen mit Cyankalium entsteht: /CHIV
C6H4< >0 \ C 0 /
- -V
/CH.-CN
/CHJ-COJH
C6H/ " MX). OK
C6H4< x C02H
besonders leicht aber durch Oxydation des Indens mit Kaliumpermanganat: ,CH v C9H/ >CH \CH/ Inden
/GH(OHK C,H 4 < >CH(OH) -CH„ /
—v
.CO a H C 6 li 4 < \CH2-C02H
oder durch Reduction der Phtalonsäure C 0 2 H - C , H 4 - C 0 - C 0 a H (Kap. 38, Abschnitt V) mit Jodwasserstoff. Sie schmilzt bei 175°, indem sie in ihr A n h y d r i d (Schmelzpunkt: 140-5—1414) übergeht. Bemerkenswerth ist die Reactionsföhigkeit, welche die CH2Gruppe in einigen ihrer Derivate — Dinitril und Imid — zeigt. Das D i n i t r i l CN-C 8 H 4 -CH,-CN ( o - C y a n b e n z y l c y a n i d ) , welches aus o-Tolunitril durch Chloriren in der Seitenkette und Austausch des Chlors gegen Cyan gewonnen wird: ,CH, C6H4< X CN
—^
/CH.-Cl C6H4< n CN
— >-
/CHj-CN C0H4< NDN
und bei 81° schmilzt, lfisst sich durch Einwirkung von Methyljodid in alkoholischalkalischer Lösung in das Methyl-Homologe CN-C 6 H 4 -CH(CH a )-CN überführen (vgl. /CHj-CO. S. 598 bei Benzylcyanid). Ebenso kann das H o m o p h t a l i m i d C6H4-
CN
CO,H
COJH
I
I
I
CAH6-C—OH
I
— >•
C6H5.C-OH
I
CHS
CHS
— >-
C6H6.C
II
CHS
Atrolactinsäure
Sie bildet farblose Blätter oder Nadeln, schmilzt bei 108—107°, destillirt unter gewöhnlichem Druck nicht unzersetzt bei 267°, ist mit Wasserdämpfen flüchtig und löst sich in 692>5 Thln. Wasser von 19-1 K = 0-0143. — Durch längeres Erhitzen auf 140° oder durch anhaltendes Kochen mit Wasser wird sie polyinerisirt, indem zwei isomere (vermuthlich raumisomere) dimoleculare Säuren C 1 8 H l c 0 4 — u- und ß-Isntropasäurc 1 (Schmelzpunkt 2 3 7 - 2 3 7 - 5 ° bezw. 206°) — entstehen, die bei der Oxydation Anthrachinon und o-Benzoylbenzoesäure liefern und in einander übergeführt werden können. Sehr -viel eingehender ist die / 9 - P h e n y l a k r y l s ä u r e C 6 H 5 -CH:CHC0 2 H untersucht worden, welche man heute in drei verschiedenen Formen — g e w ö h n l i c h e Z i m m t s ä u r e , A l l o z i m m t s ä u r e und I s o z i m m t s ä u r e — kennt. Seit langer Zeit bekannt — ursprünglich mit Benzoesäure verwechselt — ist die g e w ö h n l i c h e Zimmtsäure, welche mit Benzoesäure, Orthophtalsäure und Salicylsäure in Bezug auf leichte Zugänglichkeit und wissenschaftliche Durcharbeitung unter den aromatischen Säuren in erster Reihe steht. Man findet sie — theils frei, theils in Form von Estern an Beuzylalkohol, Phenylpropylalkohol, Zimmtalkohol, Harzalkohole gebunden — in manchen Balsamen und Harzen 2 (Storax, Tolubalsam, Perubalsam, Sumatrabenzoéharz), ferner in den Blättern 3 von Globularia alypum und G. vulgaris, sowie von Enkianthus japonicus, im Kraut und in den Wurzeln von Scrophularia nodosa 4 . Synthetisch 6 1 LOSSEN, A n n . 1 3 8 , 2 3 7 (1866). — KRAUT, A n n . 1 4 8 , 2 4 3 , 2 4 6 (1868). — FITTIQ u . WURSTER, A n n . 1 9 6 , 1 4 8 (1879). — FITTIQ, A n n . 2 0 6 , 3 4 ( 1 8 8 1 ) . — C. LIEBERMANN, B e r . 2 1 , 234!) ( 1 8 8 1 ) ; 2 8 , 137 ( 1 8 9 5 ) . — MICHAEL U. BUCHER, A m . e h e m . J o u r n . 2 0 , 1 1 7 (1898).
- FB£MY, A n n . 3 0 , 3 2 4 (1839). — A n n . 4 4 , 3 0 4 (1842). — E . KOPP, A n n .
SIMON, A n n . 3 1 , 2 6 6 (1839). — DEVILLE, 6 0 , 2 6 9 (1846). — KOLBE U. LAUTEMANN,
Ann. 119, 136 (1861). — ASCHOFF, Jb. 1 8 6 1 , 400. — DELAFONTAINE, Ztschr. Cliem. 1 8 6 9 , 156. — KRAUT, B e r . 2 , 1 8 1 ( 1 8 6 9 ) . — BUSSE, B e r . 9 , 8 3 1 (1876). — TSCHIRCH,
Arch. f. Pharm. 231, 43 (1893); 2 3 2 , 70, 559 (1894); 2 3 4 , 698 (1896); 2 3 6 , 200 (1898). 3
HECKEL,
ScHLAQnENHAUFEN, A n n . e h . [ 5 ] 2 8 , 6 9 , 79 (1883). — EYKMAN, R e e .
trav. chim. 5, 297 (1886). * F. KOCH, Arch. f. Pharm. 2 3 3 , 81 (1895). 6
BERTAONINI, A n n . 1 0 0 , 1 2 5 ( 1 8 5 6 ) . — H . SCHIFF,-Ber. 3 , 4 1 2 (1870). — PERKIN, J o u r n . S o c . 3 1 , 3 8 9 (1877). — TIEMANN U. HERZFELD, B e r . 1 0 , 68 (1877). — MICHAEL, A m . e h e m . J o u r n . 5 , 2 0 5 (1883). — CLAISEN, B e r . 2 3 , 9 7 7 ( 1 8 9 0 ) ; v g l . MICHAEL, B e r . 3 3 , 3 7 6 5 ( 1 9 0 0 ) . — FIQUET, B u l l . [ 3 ] 7 , 12 (1892). — KNOEVENAOEL, B e r . 3 1 , 2 5 9 6
606
Bildungsweisen
der
Zimmtsäure.
gewinnt man sie mit Hülfe der „PEBKiN'schen Reaction" (vgl. Bd. I, S. 489) durch Condensation von Benzaldehyd (oder Benzalchlorid) mit essigsaurem Natrium unter der Einwirkung des Essigsäureanhydrids 1 (vgl. unten die Vorschrift): C9H6 CHO + CH s C0 2 Na = H s O + C,H 5 -CH : CHCO a Na
Aus Malonsäure wird sie in reichlicher Menge beim Erhitzen mit Benzaldehyd in Gegenwart von Ammoniak, Anilin oder anderen Aminen auf Wasserbadtemperatur — in Folge von Kohlensäureabspaltung aus der primär gebildeten Benzalmalonsäure (S. 618) — erhalten ( K N O E V E N A G E L ) . Ihr Ester entsteht sehr glatt durch Condensation von Benzaldehyd mit Essigester bei Gegenwart von' Natrium in der Kälte (CLAISEN). Die PERKIN'sehe Reaction oder die Abscheidung aus Storax 2 wird praktisch zur Darstellung benutzt. Theoretisch bemerkenswerth ist noch die Bildung von gewöhnlicher Zimmtsäure bei der Reduction von Phenylpropiolsäure 3 , welche als Argument — freilich als wenig sicheres Argument (vgl. Btl. I, S. 727—728) — dafür benutzt werden kann, dass der Zimmtsäure die cis-Raumformel zukommt: c.h 6 I C II
C
I
C6H5 —C—H
+ 2 H
II
COjH—C—H
CO,H S y n t h e t i s c h e D a r s t e l l u n g von Z i m m t s ä u r e ( B e i s p i e l d e r PERKIN'sehen R e a c t i o n ) : Man digerirt 20 g Benzaldehyd (S. 481) und 80g Essigsäureanhydrid mit 10 g pulverisirtem, entwässertem Natrinmacetat am Steigrohr 8 Stunden in einem auf 180° erhitzten Oelbade, spült das Reactionsgemisch dann mit heissem Wasser in einen grösseren Kolben und treibt mit Wasserdampf den überschüssigen Benzaldehyd ab. Man sorgt dafür, dass nach Beendigung der Destillation die Reactionsmasse bis auf eine geringe Menge einer öligen Verunreinigung in Lösung gegangen ist, oder fügt nöthigenfalls noch heisses Wasser hinzu, kocht dann kurze Zeit mit Thierkohle und filtrirt heiss, worauf beim Abkühlen die Zimmtsäure auskrystallisirt.
Die Zimmtsäure krystallisirt aus heissem Wasser in glänzenden Blättchen, schmilzt bei 133° und destillirt — rasch erhitzt — unzersetzt bei 300 während sie bei langsamer Destillation in Styrol und Kohlendioxyd zerfällt 4 (vgl. S. 111). Sie löst sich 5 in 3500 Th. Wasser von (1898). — P a t e n t l i t t e r a t u r v g l . in FRIEDLÄNDER'S F o r t s c h r . d . T h e e r f a r b e n f a b r i k a t i o n ( B e r l i n ) 1 8 7 7 — 1 8 8 7 , 2 6 , 2 8 ; 1 8 8 7 — 1 8 9 0 , 15. — V g l . a u c h BRUNCK, B e r . 3 3 ,
Sonderheft, S. LXXIV (1900). 1 Zur Theorie der PERKIU'schen Reaction vgl.: NEF, Ann. 298, 309 (1897). — MICHAEL, B e r . 3 4 , 918 (1901). 2 BEILSTEIN U. KUHLBERO, A n n . 1 6 3 , 123 (1872). — RUDNEW, A n n . 1 7 3 , 10 (1874). — v. MILLER, A n n . 1 8 8 , 196 (1877). 9 ABONSTEIN U. HOLLEMAN, B e r . 2 2 , 1 1 8 1 (1889). 4 5 HOWARD, J b 1 8 6 0 , 3 0 3 . KRAUT, A n n . 1 3 3 , 9 3 — 9 4 .(1863).
Umwandlungen
der
607
Zimmtsäure.
17°, reichlich in kochendem Wasser, sehr leicht in Alkohol und Aether. K = 0-00355. Ihre Alkalisalze sind in Wasser (bei Abwesenheit von überschüssigem Alkali) leicht löslich; ihr C a l c i u i n s a l z (C9H702)2Ca + 3 H 2 0 löst sich bei 19° in 370 Th. Wasser 1 . Die Umwandlungen der Zimmtsäure sind durch die Gegenwart des Benzolrestes, der Doppelbindung und der Carboxylgruppe bestimmt. Der Benzolrest bedingt Substituirbarkeit (vgl. S. 613 Nitrozimmtsäure), die Doppelbindung Additionsfähigkeit, welche sich z. B. in der Bildung von Hydrozimmtsäure C6H6 • CH2 • CH2 • C0 2 H bei der Reduction mit Natriumamalgam (vgl. S. 599) und in der Bildung von Dihalogenderivaten der Hydrozimmtsäure (C8H6-CHC1-CHC1-C02H) bei der Einwirkung von Halogenen äussert. Die Doppelbindung bildet auch den Angriffspunkt für Oxydationsmittel, die bei milder Wirkung Phenylglycerinsäure C0H6CH(OH)-CH(OH)-COaH, bei stärkerer Wirkung durch Spaltung Benzaldehyd bezw. Benzoesäure erzeugen. Die Carboxylgruppe endlich befähigt zur Bildung von Säurederivaten, welche das „ C i n n a m o y l R a d i c a l " C 6 H 6 -CH : CH• CO— oder das „ C i n n a m e n y l - ß a d i c a l " C6H6 CH: CH-C^ in verschiedenartigster Bindung enthalten 2 ; eine Anzahl solcher Derivate ist in der Tabelle Nr. 63 S. 608 zusammengestellt. In der Technik findet Zimmtsäure keine erhebliche Verwendung. C i t a t e zu der T a b e l l e Nr. 63 auf S. 608: 1 Vgl. die Citate auf S. 605—607. Ann. f47, 107 (1868). — 8 OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3 , 276 (1889). — 1 CHIOZZA, Ann. 8 6 , 264 (1853). — 6 STENHOUSE, Ann. 5 5 , 1 (1845). — • ERDMANN, MARCHAND, Ann. 4 4 , 344 (1842). — 7 E . K O P P , Jb. 1 8 6 1 , 418. — 8 SCHROEDER, Ann. 2 2 1 , 49 (1883). — 9 W E G E R , ebenda, 7 3 . — 1 0 BARTH U. SCHREDEB, Ber. 1 2 , 1257 (1879). — 1 1 BAUMANN U. FROMM, Ber. 2 8 , 890 (1895). — 12 J . TRAUBE, Ann. 2 9 0 , 68 (1896). — 1 3 ROSTOCKI, Ann. 1 7 8 , 214 (1875). — 1 4 CLAISEN U. A N T WEILER, Ber. 1 3 , 2124 (1880). — 1 5 C . LIEBERMANN, Ber. 2 1 , 3372 (1888). — 1 6 G E R HARDT, Ann. 8 7 , 76 (1853). — 1 7 C . LIEBERMANN, Ber. 2 7 , 284 (1894). — 1 8 A N SCHÜTZ u. KINNICUTT, Ber. 1 1 , 1220 (1878). — 1 9 K O P P , Ann. 9 5 , 318 (1855). — 81 20 BARTOLI, Gazz. chim. 2 4 , II, 164 (1894). — v. MILLER, Ann. 1 8 8 , 184 (1877). — 23 " CLAISEN, Ber. 2 3 , 977 (1890). — BAUMANN U. FROMM, Ber. 3 0 , 110 (1897). — 24 E . FISCHER U. S P E I E R , Ber. 2 8 , 3254 (1895). — 2 6 ANSCHÜTZ, Ber. 1 8 , 1945, 1948 —
2
KRAUT,
LIEBERMANN, Ber. 2 2 , 125 (1889). In der Litteratur werden die vom Stamme „Cinnam" abgeleiteten Bezeichnungen von Radicalen vielfach in sehr unrationeller Weise verwendet. Das AcylRadical der Zimmtsäure C 6 H 6 C H : C H C O - wird häufig „ C i n n a m y l " benannt, obwohl diese Bezeichnung für das Radical ^ H j - C H i C H - C R j . des Zimmtalkohols (S. 467) reservirt bleiben sollte. Mit dem Namen „ C i n n a m e n y l " belegt man vielfach den Rest C 8 H 6 -CH:CH-, der besser „ S t y r y l " zu nennen ist. Es würde sich empfehlen, die Bezeichnungen ausschliesslich im folgenden Sinne: 1
2
C6HSCH:CHCH2Cinnamyl
C„H 6 .CH:CH.CH0 + H 2 0. \ H + C:C—COsH C : C-CCK C9H5 C6H6 Weit interessanter als die Phenylpropiolsäure selbst ist ihr O r t h o N i t r o - D e r i v a t — die O r t h o - M t r o p h e n y l p r o p i o l s ä u r e 1 N0 2 -C 6 H 4 C: C-COjH. Man gewinnt sie in analoger Weise aus der o-Nitrozimmtsäure, indem man Brom addirt und darauf Bromwasserstoff abspaltet; die Bromwasserstoffabspaltung erfolgt bei der o-Nitrophenyldibrompropionsäure viel leichter, als bei der nicht nitrirten Phenyldibrompropionsäure — schon durch Einwirkung von wässeriger Natronlauge in der Kälte. Die Ortho-Nitrophenylpropiolsäure bildet farblose Nadeln, färbt sich beim Erhitzen- dunkel und zersetzt sich plötzlich bei 155—156°; beim Kochen mit Wasser zerfällt sie in Kohlensäure und o-Nitrophenylacetylen. K = 1-06. Sie zeigt einige sehr merkwürdige Umwandlungen, durch welche sie in Verbindungen der Indigogruppe übergeht. Diese Reactionen sind von B A E Y E E entdeckt und beruhen darauf, dass die Sauerstoffatome der Nitrogruppe sehr leicht auf die ungesättigte orthoständige Seitenkette übertragen werden. So wird der Ester durch conc. Schwefelsäure schon in der Kälte in den isomeren Isatogensäureester verwandelt: ,0-0-CO,-CA c„h/ \no,
>-
,C0> c6h4/ \c-co2.c2h5, \N 6
MANN, B e r . 2 5 , 3 5 8 7 ( 1 8 9 2 ) . — MICHAEL U. BUCHEB, B e r . 2 8 , 2 5 1 2 (1895). — BADCKE,
Ree. trav. chim. 15, 123 (1896). — MICHAEL U. BÜCHER, Am. ehem. Journ. 2 0 , 89 (1898). — RUHEMANN U. CUNNINGTON, J o u r n . S o c . 7 5 , 9 5 4 ( 1 8 9 9 ) . — RÜHEMANN U. STAPLETON,
Jonrn. Soc. 7 7 , 239 (1900). — RÜHEMANN U. BADDOW, Journ. Soc. 77, 984 (1900). — MICHAEL, B e r . 3 4 , 1
3647(1901).
BAEYBB, Ber. 13, 2258 (1880); 14, 1741 (1881). — C. L. MÜLLER, Ann. 212, 140 (1882). — OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 280 (1889). — Patentlitteratur vgl. in FRIEDLÄNDEE'S Fortschritten der Theerfarbenfabrikation 1877—1887, S. 126 bis 137.
617
Ginnammylakrylsäure.
durch Schwefelammonium zu Indoxylsäureester: /C(OHV °
6 H 4
\ N H
/
C
"
C
°
2
"
C S H 6
reducirt. Kocht man eine Lösung der freien Säure in Alkalien oder alkalischen Erden, so entsteht fast glatt Isatin:
bewirkt man aber die Zersetzung in alkalischer Lösung bei Gegenwart eines Reductionsmittels, z. B. Traubenzucker oder Milchzucker, so entsteht sehr reichlich Indigoblau: CO
•CO
Unter diesen Reactionen besitzt namentlich die letztgenannte ein historisches Interesse, weil mit ihrer Hülfe B A E T E R zum ersten Mal eine g l a t t e Synthese des Indigos ausführen konnte. Die Hoffnung, ein technisches Verfahren der künstlichen Indigodarstellung auf sie zu gründen, scheiterte freilich, da sich die Herstellungskosten zu gross erwiesen1. Ortho-Nitrophenylpropiolsäure wird daher nur in bescheidenem Massstabe technisch gewonnen; man bedient sich ihrer zuweilen beim Kattundruck, um bequem auf der Faser Indigoblau entstehen zu lassen, indem man nitrophenylpropiolsaures Natrium mit xanthogensauren Salzen, einem schwachen Alkali und einem Yerdickungsmittel aufdruckt und den Farbstoff nun sich beim Trocknen entwickeln lässt. Als Beispiel einer Säure mit mehreren Doppelbindungen sei die Cinnamcnylakrylsäure 4 C6H6• CH:CH• CH:CH• C0 2 H (richtiger als ( ? - S t y r y l a k r y l s ä u r e oder C i n n a m y l i d e n e s s i g s ä u r e zu bezeichnen; vgl. S. 607 Anm.) genannt. Sie wird aus Zimmtaldehyd (S. 487) nach allgemeinen Reactionen gewonnen; man kann z. B. Zimmtaldehyd mit Essigsäureanhydrid und Natriumacetat erhitzen (PERKIN'sche Reaction) oder Zimmtaldehyd mit Aceton zunächst zu Cinnamylidenaceton C6H5 • CH : CH • CH: CH-CO'CH a condensiren und dieses Keton dann mit Natriumhypochlorit zersetzen: CeH6 • CH : CH-CH: CH-CO• CHa + 3 ClOH = C 6 H 6 -CH: CH-CH : CH-CO-OH + CHC1S + 2 H , 0 ; oder man kann durch Erhitzen von Zimmtaldehyd mit Malonsäure (Bd. I, S. 649) und Eisessig zunächst Cinnamylidenmalonsäure gewinnen: CaH6 • CH : CH • CHO + C H ^ C O ^ = H 2 0 + C6H5 • CH: CH • CH : C(COsH), 1
Vgl. BBÜNCK, Ber. 33, Sonderheft, LXXIV (1900). Journ. Soc. 3 1 , 4 0 3 ( 1 8 7 7 ) . — DIEHL u. EINHORN, Ber. 1 8 , 2 3 2 3 (1885). STUART, Journ. Soc. 4 9 , 3 6 6 (1886). — DOEBNEB, Ber. 2 3 , 2 3 7 2 ( 1 8 9 0 ) . — FIQUET, 2
—
PERKIN,
A n n . c h . [6] 2 9 , 4 9 7 ( 1 8 9 3 ) . — C . LIEBEBMANN, B e r . 2 8 , 1 4 3 8 , 1 4 4 6 ( 1 8 9 5 ) ; 3 1 , (1898). — BRÜHL, B e r . 2 9 ,
2 9 0 7 ( 1 8 9 6 ) . — KNOEVENAGEL, B e r . 3 1 ,
LIEBERMANN U. RIJBEB, B e r . 3 3 , 2 4 0 0 ( 1 9 0 0 ) .
2098
2616 (1898). —
Benzalmaionsäure.
618
und diese dann zur Abspaltung von Kohlensäure erhitzen. Führt man im letzteren F a l l e die Kohlensäureabspaltung in Chinolinlösung bei 160—170° laus, so erhält man zwei stereoisomere Säuren — O i n n a m y l i d e n e s s i g s ä u r e (Schmelzpunkt 165°) und A l l o c i n n a m y l i d e n e s s i g s ä u r e (Schmelzpunkt 138°) — neben einander (vgl. S. 611 die analoge Bildung von Zimmtsäure und Allozimmtsäure aus Benzalmalonsäure). Die Allocinnamylidenessigsäure wird rasch und quantitativ in die höher schmelzende und schwerer lösliche, gewöhnliche Cinnamylidenessigsäure umgelagert, wenn man ihre Benzollösung mit etwas J o d versetzt und starkem Sonnenlichte aussetzt.
III. Zweibasische Säuren. Entsprechend der S. 600—601 aufgestellten Eintheilung für die gesättigten Dicarbonsäuren mögen auch hier drei Gruppen unterschieden werden.
A.
D i c a r b o n s ä u r e n , welche beide C a r b o x y l g r u p p e n und d e r s e l b e n S e i t e n k e t t e e n t h a l t e n .
D i e denk. formeln:
einfachsten Säuren dieser Gruppe werden durch C 6 H 5 • CH : C(COjH),
und
in die
einer Structur-
C6Ii6 • C—C03H II CH-COsH
dargestellt; es sind die Phenylderivate der Methylenmalonsäure (Bd. I, S. 679) und der Fumarsäure bezw. Maleinsäure (Bd. I . S. 680 ff,). , Die erste dieser Säuren — C 6 H 5 • C H : C(CO.,H)3 — wird B e n z a l m a l o n s ä u r e 1 ( B e n z y l i d e n m a l o n s ä u r e ) genannt, ist sehr leicht zugänglich und vielfach untersucht. Sie wird durch Erwärmen von Benzaldehyd mit Malonsäure (Bd. I , S. 649) in Gegenwart von Eisessig auf dem Wasserbade oder in Gegenwart von alkoholischem Ammoniak auf 5 5 — 6 5 ° gewonnen; auch kann ihr D i ä t h y l e s t e r (Schmelzpunkt 27—29°, Siedepunkt unter 60 mm Druck 210—215°) aus Malonsäurediäthylester, ihr H a l b n i t r i l C 0 H 5 - C : C ( C N ) - C 0 2 ä aus Cyanessigsäure (Bd. I, S. 654), ihr A m i d aus Malonamid durch Condensation mit B.enzaldehyd erhalten werden. Benzalmalonsäure bildet farblose Prismen, schmilzt bei 195—196° unter starkem Aufschäumen und ist in kaltem Wasser schwer, in heissem sehr leicht löslich; K = 0 • 408. Dass sie durch Kohlensäureabspaltung neben Zimmtsäure auch Allozimmtsäure liefert, ist schon S. 611 besprochen. Bemerkenswerth ist die Leichtigkeit, mit welcher sie an der Stelle der Doppelbindung gespalten wird; schon bei andauerndem Kochen mit W a s s e r zerfällt sie der Hauptmenge nach in Benzaldehyd und Malonsäure. Anderen Agentien gegenüber vermittelt die Doppelbindung Additionsreactionen, welche mit auffallender Leichtigkeit eintreten; so fällt beim Vermischen einer ätherischen Lösung von Benzalmalonsäureester mit Natriumalkoholatlösung sofort Aethoxybenzyl-Natriummalonsäureester ganz glatt aus: C„H 5 • C H : C(CO, • C 2 H 6 )J + NaO • C 2 H 6 = 1
CLAISEN
u.
CRISMER,
Ann.
218,
C3H5 • C H ( 0 • C2H5) • C N a ( C 0 2 • C 2 H 6 ) J ;
129 (1883). —
STUART, J o u r n .
Soc.
43,
405
(1883); 4 9 , 358 (1886). — OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3 , 369 (1889). — CARBICK, J . pr. [2] 4 5 , 500 (1891). — FIQÜET, Bull. [3] 7 , 11 (1892). Ann. ch. [6] 2 9 , 442 (1893). — C. LIEBERMANN, Ber. 2 6 , 1571, 1877 (1893); 2 7 , 283, 289 (1894); 2 8 , 1 4 3 (1895). — W . WISLICENUS, A n n . 2 7 9 , 25 (1894). — BLANK, B e r . 2 8 , 1 4 5 (1895). — GOLDSTEIN, e b e n d a 1 4 5 0 . — HEUCK, e b e n d a 2 2 5 1 . — DRUDE, B e r . 3 0 , 9 5 9 (1897). — AVERT u. BOÜTON, A m . c h e m . J o u r n . 2 0 , 5 1 0 (1898). — KNOEVENAQEL, B e r .
31, 2605 (1898).
Piienylmaleinsäure,
Pfienylitaconsaure
u. s. w.
619
ebenso wird schon bei gewöhnlicher Temperatur Anilin addirt: CeHj-CHrCCCOj-CHä), + NH s .C 6 H 6 =
C 0 H 5 -CH(NH-C 6 H 5 )-CH(CO 2 -CH 3 > 2 .
Im Gegensatz zu diesen so äusserst leicht verlaufenden Additionsreactionen steht das Verhalten gegen Brom; die Säure wird nur sehr langsam von Brom angegriffen und liefert nicht das zu erwartende Dibromid, sondern unter Abspaltung von Kohlensäure und Halogenwasserstoff bromsubstituirte Zimmtsäuren; der Ester dagegen kann in das Dibromid C 6 H 5 -CHBr-CBr(C0 2 -R) 2 verwandelt werden. Diese Erscheinungen erklären sich wohl dadurch, dass ein Widerstand gegen die Anhäufung stark elektronegativer Gruppen an e i n e m Kohlenstoffatomen besteht, und dass der negative Charakter der Carboxylgruppe durch Esterificirung erheblich abgeschwächt wird. Phenylmale'insBure 1 C 6 H 5 -C(C0 2 H): C H - C 0 2 H ist durch Einwirkung von Brom auf Phenylbernsteinsäure (S. 601) erhalten worden. Sie bildet Prismen, ist in kaltem Wasser leicht löslich und verflüssigt sich schon unterhalb 100° theilweise, indem sie Wasser abgiebt und in ihr A n h y d r i d — Schmelzpunkt 119—119-5° — übergeht. — P h e n y l f u m a r s ä u r e J ist noch nicht mit Sicherheit bekannt. Dagegen kennt man sowohl für Citraconsäure, wie auch für Mepaconsäure und Itaconsäure (vgl. Bd. I, S. 689—690) die entsprechenden Phenylderivate 8 . Den Ausgangspunkt zu ihrer Gewinnung bildet die Phenylitaconsüure C„H6C H : C(C0 2 H)-CHJ-C0JH. Man erhält sie (neben anderen Säuren) bei der Condensation von Benzaldehyd mit Bernsteinsäurediäthylester in Gegenwart von Natriumäthylat: C e H 6 • CHO + CH 2 -CO s -C 2 H s C a H 5 • C H : C • C0 2 • C a H 6 I = H20 + | ; ch2-co2-c2h5 ch2-co2-c2h5 sie ist in kaltem Wasser schwer, in heissem Wasser leicht löslich, schmilzt bei 180—190° und geht beim Schmelzen bezw. bei wenig erhöhter Temperatur in ihr A n h y d r i d — Schmelzpunkt 164 —166° — über. Dieses Anhydrid verwandelt sich beim jedesmaligen Schmelzen ->zum geringen Theil in das schon bei 60—61° schmelzende A n h y d r i d d e r P h e n y l c i t r a c o n s ä u r e , welches seinerseits beim Erhitzen auf 160—165° sich augenblicklich wieder fast vollständig in das Pbenylitaconsäureanhydrid umlagert. Mit warmem Wasser liefert das Phenylcitraconsäureanbydrid die in Wasser sehr leicht lösliche, mit Wasserdämpfen flüchtige Phenylcitracons'aure (Schmelzpunkt 105—108°), welche, in Chloroformlösung bei Gegenwart von etwas Brom dem Lichte ausgesetzt, fast quantitativ in Phenylmesaconsünre (Schmelzpunkt 212°), beim Kochen mit Wasser theilweise in Phenylitaconsäure übergeht. Der Analogie mit den nicht phenylirten Säuren zufolge sind der PhenylcitraconBäure und Phenylmesaconsäure die gleiche Structurformel C 6 H 5 • CfJ 2 • C(C0 2 H): CH-COjH und die Raumformeln: C„H6 • C H , -
CO.H
CO.H-
H-CO.H Phenylcitraconsäure
-CH^ • C,H B
H—CO,H Phenylmesaconsäure
1
ALEXANDER, A n n . 2 6 8 , 76 (1890).
2
V g l . : BABISCH, J . pr. [2] 2 0 ,
1 8 6 ( 1 8 7 9 ) . — CLAISEN u . CBISMER, A n n .
218,
129 (1883). 8
FITTICI U. LEONI,
Ann. 2 5 6 , 65 (1889). —. FITTI« u. ROEDERS, ebenda 87. —
FITTIQ, B e r . 2 0 , 45, 2082 (1893). — STOBBE U. KLOEPPEL, Ber. 2 7 , 2405 (1894). — FITTIO U. BBOOKE, A n n . 3 0 5 ,
19 ( 1 8 9 9 ) . — FICHTEB U. DBEYPBS, B e r . 3 3 , 1 4 5 3 (1900).
620
Phenylaticonsäure,
Phenylendiakrylsäuren.
zu ertheilen. Kocht man die Phenylitaconsäure mit Natronlauge, so bleibt sie zwar im Wesentlichen unverändert, giebt aber kleine Mengen von Phenylmesaconsäure und der ebenfalls isomeren, in Wasser viel leichter löslichen, mit Wasserdampf nicht flüchtigen P h e n y l a t i c o n s ä u r e 1 (Schmelzpunkt 149 —151°), welche durch Wirkung des Sonnenlichtes in Chloroformlösung bei Gegenwart von etwas Brom wieder so gut wie vollständig in Phenylitaconsäure zurückverwandelt wird; die Phenylaticonsäure ist vielleicht der Phenylitaconsäure raumisomer; eine Auswahl zwischen den beiden möglichen Baumformeln: C.H, 'i u s" CÖ.H-
-H -CH,-CO,H ¡11
C.H,
COoH UVj
CO.H-CH, UÜJU'^OJ
lässt sich indess zur Zeit nicht treffen. Sämmtliche vier isomeren Säuren liefern bei der Eeduction mit Natriumamalgam eine und dieselbe Benzylbernsteinsäure. Die Condensation von Acetophenon mit Bernsteinsäurediäthylester2 in Gegenwart von Natriumäthylat führt zur gleichzeitigen Bildung der Methylphenylitaconsiture in zwei raumisomeren Modificationen (Schmelzpunkt 171° und 183—185°): CH.s GHJ • CO, • C2H 2H a\ CHj-COJ-C CHs . 55 >>CO C 0 ++ II = H30 + >C:C-C0 a -C 2 H 6 C„H/ CH, r , T T•. .CO, n o . .•nCjH .H. 6 nC. eH H6. -/ i > CO- • C«H5 sowie der y-Methylen-j'-Phe'nylbrenzweinsäure (Schmelzpunkt: 152—154°): CHSX
CH2 • C0 2 • C s H 5
~>CO + | = H,0 + CflH6 CH2 - CO, • Coli.,
CH 2 : C
|
CgH6
CH • C0 2 • C2H5
|
CHj • CO, • C2H5
B. D i c a r b o n s ä u r e n , w e l c h e j e d e der b e i d e n C a r b o x y l g r u p p e n in e i n e r a n d e r e n S e i t e n k e t t e e n t h a l t e n . Das einfachste Beispiel dieses Typus bilden für den Fall, dass b e i d e Seitenketten ungesättigt sind, die stellungsisomeren Phenylendiakrylsäuren C 8 H 4 (CH : CHCO s H)j. Die O r t h o - S ä u r e 3 ist aus dem o-Xylylenbischlormalonsäureester, welcher durch Einwirkung von Xylylenbromid auf Natriumchlormalonsäureester: C6H4(CH2Br)2 + Na-CCl(COä-C2H5)2 = 2NaBr + C6H4[CHS • CC1(C02 • C2H5)2]2 entsteht, durch Erhitzen mit alkoholischem Kali erhalten worden: C„H4[CH2 • CC1(C08 • C2H6)2]2 + 6 K 0 H
= C8H4(CH: CH-C02K)j + 2 KCl + 4CjH5-OH + 2KHCO„. — Zur Gewinnung der P a r a - S ä u r e * unterwirft man den Terephtalaldehyd (S. 487) d e r PEEKIN'schen
Reaction:
C6H4(CHO)j + 2CH9-C02Na = 2HsO + C,H4(CH: CH • C02Na)8 . Beide Säuren schmelzen nicht bis 800 0 und sind in den gebräuchlichen Lösungsmitteln nahezu unlöslich. 1
Aehnliche Isomerisationen sind auch bei den aliphatischen Itaconsäuren seit dem Druck des von ihnen handelnden Abschnittes (Bd. I,. S. 689 ff.) festgestellt. »-STOBBE, Ann. 2 8 2 , 280 (1894); 3 0 8 , 67, 114 (1899). Ber. 30, 95 (1897). 3 PEEKIN, Journ. Soc. 63, 15 (1888). * Low, Ann. 231, 377 (1885). — KIPPING, Journ. Soc. 53, 41 (1888). — EPHRAIM, Ber. 34, 2784 (1901).
Zimmtcarbonsäuren.
621
C. Dicarbonsäuren, welche nur eine Carboxylgruppe in der S e i t e n k e t t e , die andere direct im Kern gebunden enthalten. Auch hier genüge die Anführung der einfachsten Beispiele — der Zimmtcarbonsäureu COsH • C6H4 • CH : CH • CO,H. Zur O r t h o - S ä u r e 1 gelangt man synthetisch, indem man Phtalsäureanhydrid mit Natriumacetat und Essigsäureanhydrid erhitzt: C6H4
COX / C ^ = C H • C0 2 Na >0 + CH 8 -C0 2 Na = HjO 4- C3H4< >0 \co' CO/
die dadurch entstandene „Phtalylesßigsäure" (Kap. 38, Abschnitt V) mit Natrium/CH. CHa • COjH amalgam zu „Phtalidessigsäure" C6H40 reducirt, welche sich nun \co/ beim Eindampfen mit Alkalien in Ortho-Zimmtcarbonsäure umlagert: /CHc -CH2 • C02H C
-
H
/CH(OH) • CHj • COjH n
°
COoH
CH:CHC0,H -> c , h 4 / \co< H
Andererseits entsteht sie bei der Oxydation von ^-Naphtol mit alkalischer Kaliumpermanganatlösung durch Sprengung einer Benzolhälfte des Napthalinmolecüls: .CH \ C H -CO.H
i
0,H
Sie schmilzt bei 183—184°, indem sie sich dabei in die isomere Phtalidessigsäure (s. oben) verwandelt, und zeigt dalier bei erneutem Erhitzen den Schmelzpunkt der letzteren (147—150°); bei der Oxydation liefert sie Phtalaldehydsäure C6H4(C0HXC03H) (vgl. S. 713—716). — Die P a r a - S ä u r e 2 erhält man — vom Terephtalaldehyd (S. 487) ausgehend —, indem man ihn zunächst durch gemässigte Oxydation in Tereplitalaldehydsäure verwandelt und den Ester der letzteren der PERKIN'schen Réaction unterwirft: CHO CHO
C0 2 H c8H4/ NCHO
- CaH4(NOj)-OH -->- C6H4(NH2)-OH — C,,Ht(N2-CI)-OH — >• CaH4(CN)-OH >- C0H4(COjH)-OII .
Bildungsweisen
(Kolbe'sehe
623
Beaction).
Die Aluminiuinchloridreactionen (vgl. S. 531) sind auf die Phenole selbst nicht direct anwendbar, weil die ßeactionsfahigkeit der freien Hydroxylgruppe stört-; dagegen können die Alkyläther der Phenole mit ihrer Hülfe sehr glatt in Phenoläthercarbonsäuren verwandelt werden1, z. B. C6H5-0-CHs + Cl-CONHj = NHa-C0-C„H4.0-CHs + HCl. Von ganz besonderer Wichtigkeit aber ist die Möglichkeit, Carboxylgruppen durch Einwirkung der Kohlensäure selbst direct in die Phenole einführen zu können. Es gelingt dies, wie Kolbe2 fand, in äusserst glatter ßeaction durch Erhitzen der trockenen Alkaliphenolate im Kohlensäurestrom: 2C6H6-ONa + C02 = C„H4(ONaXCOsNa) + C8H5-0H . Später zeigte ß. S C H M I T T 3 , dass die ßeaction in zwei Phasen zerlegt werden kann; leitet man nämlich bei gewöhnlicher Temperatur trockene Kohlensäure über trockenes Natriumphenolat, so entsteht phenylkohlensaures Natrium G0H5-O-CO2Na, welches sich beim Erhitzen unter Druck auf 120 —130° in o-oxybenzoesaures Natrium C0H4(CO2Na)-OH umlagert (vgl. S. 364). Die KoLBE'sche Synthese — in der ursprünglichen Form oder in der nach S C H M I T T modificirten Form — führt bei Anwendung der Natriumphenolate zu Ortho-Oxysäuren und dient zur technischen Herstellung der Salicylsäure und einiger anderer Ortho-Oxysäuren. Wendet man Kaliumphenolate an, so gelingt mit ihrer Hülfe zuweilen auch die Gewinnung von Para-Oxysäuren (vgl. S. 635—636). Dagegen ist der Eintritt der Carboxylgruppe in Meta-Stellung zur Hydroxylgruppe niemals beobachtet. Ein Beispiel der Einführung m e h r e r e r Carboxylgruppen s. S. 660. Noch leichter erfolgt der Eintritt der Carboxylgruppe in mehrwerthige Phenole. S E N H O F E R und B I U J N N E B zeigten, dass hier Erhitzen der Phenole mit einer wässerigen Lösung von Ammoniumcarbonat oder anderen Alkalihydrocarbonaten ausreicht, z. B.: 4
'CeH^OH), + NH«-OCOOH = C8H8(OH)j• CO• 0• NH« + H20 . Bei Phenolen, welche zwei Hydroxylgruppen in Meta Stellung enthalten, genügt schon Erwärmung im offenen Gefäss6, während sonst Erhitzen unter Druck auf 120—140° nothwendig ist (vgl. S. 414). 1
Ber. 1 8 , 2339 (1885). — Ber. 3 2 , 1120 (1899).
L E D C K A R T U. SCHMIDT,
Gl (1888). —
GATTERMANN,
* K O L B E U. LAUTEMANN, A n n . [2] 1 0 ,
95
(1871).
—
HAHTMANN,
113, J.
pr.
GATTERMANN U. H E S S ,
126 (1859); 115, [2] 1 6 ,
36
Ann.
244,
2 0 1 ( 1 8 6 0 ) . — KOLBE, J .
(1877).
— Vgl. auch
ODÜO
pr. U.
Chem. Centralbl. 1 9 0 1 H , 1 1 5 6 ; 1 9 0 2 1 , 3 1 2 . 3 J . pr. [2] 31, 397 (1885). — Vgl. auch H E N T S C H E L , J . pr. [2] 2 7 , 39 (1883). * Sitzungsber. d. Wiener k. Acad. d. Wissenschaften II. Abth. 8 0 , 504 (1879). Monatah. 1, 236, 468 (1880); 2, 448, 458 (1881). 5 v. KOSTANECKI, Ber. 1 8 , 3 2 0 2 (1885). MANUELT,
624
Basieität und Aädität
der Fhenolcarbonsüuren.
Die REiuEE-TiEiiANN'ache Beaction (vgl. S. 516) kann für die Gewinnung von Oxyaäuren benutzt werden 1 , wenn man statt, dea Chloroforms T e t r a c h l o r k o h l e n s t o f f anwendet, z. B.: C„H 5 -OK 4- CC14 + 5 K 0 H = C 6 H 4 (0KXC0 2 K) + 4 KCl + 3 1 ^ 0 ; sie führt vorwiegend zur Bildung von Para-Oxysäuren.
C. Von P h e n o l e n m i t k o h l e n s t o f f h a l t i g e n S e i t e n k e t t e n zu P h e n o l c a r b o n s ä u r e n d u r c h U m w a n d l u n g d e r S e i t e n k e t t e n . Hier ist zunächst an die Oxydation von Homologen des Phenols zu Phenolcarbonsäuren (vgl. S. 366), welche früher häufig durch Schmelzen mit überschüssigem Kali 2 , heute besser durch Behandlung der Schwefelsäureoder Phosphorsäure-Ester mit alkalischer Permanganatlösung ausgeführt wird, zu erinnern. Ferner gehören hierher die Anwendung der P E R K I N ' schen Reaction auf die Oxyaldehyde, z. B.: CHS • 0 • C 0 H 4 • CHO + CHa • COjNa = CHS • 0 • C 8 H 4 • CH : CH• CO.Na + H , 0 ,
und andere ähnliche ßeactionen. Die Phenolcarbonsäuren sind farblose, meist gut krystallisirende Körper. Mit Wasserdämpfen sind nur die Ortho-Oxysäuren flüchtig. Ihre Basicität ist durch die Anzahl der Carboxylgruppen bestimmt. Doch betheiligen sich, wie von vorn herein zu erwarten ist, auch die Phenolhydroxylgruppen an der Salzbildung, sobald die Säuren nicht mit kohlensauren, sondern mit kaustischen Alkalien gesättigt werden; die so entstehenden, alkalisch reagirenden Salze, wie CGH4(0Na)-C02Na, bezeichnet man zuweilen als b a s i s c h e Salze im Gegensatz zu den neutral reagirenden Salzen wie C 6 H 4 (0H)-C0 2 Na, welche nur die Carboxylwasserstoflatome durch Metall vertreten enthalten. In sehr auffälliger Weise beeinflusst die Phenolhydroxylgruppe den Aciditätsgrad der Säuren 3 . Die folgende Zusammenstellung von Dissociationsconstanten: Benzoesäure Ortho-Oxybenzoesäure Meta„ Para„ 2 • 6-Dioxybenzoesäure
K K K IC K
= = = = =
0-00600 0-102 0-00867 0-00286 5-0
zeigt, dass die Hydroxylgruppe in der Ortho-Stellung eine ganz enorm verstärkende, in der Meta-Stellung nur eine wenig verstärkende, in der Para-Stellung aber eine schwächende Wirkung ausübt. Analoge Verhältnisse wie bei der Salzbildung walten natürlich bei der Ester- bezw. Aether-Bildung ob; man hat drei Klassen: 1
REIMES U. TIEMANN, B e r . 9 , 1 2 8 5 (1876). —
2
V g l . z. B . 0 . JACOBSEN, B e r . 11, 3 7 4 , 5 7 3 ( 1 8 7 8 ) .
3
OSTWALD, J . pr. [2] 3 2 ,
3 4 4 (1885).
— KOBAI,, J . pr. [2] 3 4 , 1 0 9 ( 1 8 8 6 ) .
HASSE, B e r . 1 0 , 2 1 8 5
(1877).
Z t s c h r . f. p l i y s i k . C h e m . 3 , 2 4 7 ( 1 8 8 9 ) .
Verhalten der Phenolcarbonsäuren. C8H4/
625
COOCH 3
/CO-OH
/CO-OCHj
OH Ester
x
x
\ 00- •CCH, H, Aethersäure
XO-CHj M AetheraSnre-Ester
zu unterscheiden. Die in der Carboxylgruppe gebundenen Alkylreste werden durch Verseifung mit Alkalien leicht abgespalten, die in der Phenolhydroxylgruppe gebundenen dagegen widerstehen diesem Verseifungs-Agens. Bemerkenswerth ist der Umstand, dass manche OrthoOxycarbonsäuren bei der Esterificirung durch Alkohol und Salzsäure in der Kälte weit langsamer esterificirt werden 1 , als einfach orthosubstituirte Carbonsäuren, welche an Stelle der Hydroxylgruppe einen anderen OrthoSubstituenten enthalten. Gegenüber dem Verhalten der einfachen Carbonsäuren, welche unter der Einwirkung des Phosphorpentachlorids in ihre Chloride übergehen, wird die entsprechende Reaction 2 bei den Phenolcarbonsäuren durch die ßeactionsfähigkeit der Phenolhydroxylgruppe complicirt. Das bei der Chloridbildung entstehende Phosphoroxychlorid wirkt nämlich sogleich auf die Phenolhydroxylgruppe ein, so dass ein Ester des Orthophosphorsäure-Dichlorids entsteht, z. B.: .CO OH /CO-Cl C6H4< +PC16 = C6H4h V m OH OH C1 .CO-Cl / .CO-Cl C.HZ + POC1, = C , H / + HCl. \OH Xl-POCl, Eine interessante Ausnahme von dieser Regel bilden diejenigen OrthoOxysäuren, bei denen auch die zweite Ortho-Stellung zur Hydroxylgruppe substituirt ist: CO,H I OH ; .—X sie liefern die normalen Carbonsäurechloride C 6 H a (C0Cl)(0H)-X. Vermuthlich ist hier die ßeactionsfähigkeit der Hydroxylgruppe durch die gleichen Ursachen verringert, welche die Esterificirung der diorthosubstituirten Carbonsäuren erschweren (vgl. S. 542 ff.). Einige Reactionen 3 werden in augenfälliger Weise durch die g e g e n s e i t i g e S t e l l u n g von H y d r o x y l g r u p p e u n d C a r b o x y l g r u p p e be1
V . METER U. SUDBOBOUQH, B e r . 2 7 ,
1 5 8 1 ( 1 8 9 4 ) . — V . METER, B e r . 2 8 ,
188,
1256 (1895). — Vgl. auch HERZIG, Ber. 28, 2119 (1895). — PETERSEN, Ztschr. f. physik. Chem. 16, 404 (1895). 2 ANSCHÜTZ, Ann. 2 2 8 , 308 (1885); 2 3 9 , 314, 333 (1887). Ber. 3 0 , 221 (1897). 3
Ausser den im Folgenden gegebenen Citaten vgl. auch:
JEANRENAUD,
Ber.
22,
1275 (1889). — WEHMBB, Cöthener Chem. Ztg. 2 1 , 73 (1897). — NOELTIKQ, Ber. 3 0 , 2589 (1897). — FBITBCH, Ann. 2 8 6 , 344 (1897). V. MEYBR U. JACOBSON, org. Chem. n . 40 (März 02.)
626
Unterschiede stoischen o-, in- und p-Oxysäuren.
einflusst. Als charakteristisch fiir Ortho-Oxysäuren ist zunächst die intensive violette oder blaue Farbenreaction hervorzuheben, welche sie in sehr verdünnter wässeriger Lösung mit Eisenchlorid liefern. Beim Erhitzen der Phenolcarbonsäuren für sich oder in Gegenwart von aromatischen Basen oder mit conc. Salzsäure zeigt sich 1 , dass die Meta-Säuren ihre Carboxylgruppe sehr fest gebunden enthalten, während die Ortho- und Para-Säuren verhältnissmässig leicht Kohlensäure abspalten und in Phenole übergehen. Mit dieser grösseren Beständigkeit bei höheren Hitzegraden hängt wohl die den M e t a - S ä u r e n eigentümliche Keaction 2 zusammen, beim Erwärmen mit conc. Schwefelsäure schön rothe oder gelbbraune Färbungen zu liefern. Diese Färbungen beruhen nämlich auf der Bildung von Oxyanthracbinonen, z. B.: /COsH /CO x 2C6H,< = 2 HsO • OH C6H3< >C6H3-OH, X M)H CCK einem Vorgang-, welcher nicht mehr eintreten kann, wenn schon unterhalb der für ihn nöthigen Temperatur die Carboxylgruppen abgespalten sind. Eine weitere Verschiedenheit zwischen Ortho- und Meta-Oxysäuren hat sich bei der Reduction mit Natrium in alkoholischer Lösung 3 herausgestellt. Während diß Meta-Säuren mit besonderer Leichtigkeit unter Aufnahme von 6 Wasserstoffatomen in Oxyhexametbylencarbonsäuren übergehen: CH I CH
CCO,H I + CH
OH, CH-00,11 = | T CH, CH, \CH(OH)/
ÖH liefern die Ortho-Säuren zweibasische Säuren der Pimelinsäurereihe. Diese sehr merkwürdige Reaction ist wahrscheinlich durch die Annahme zu erklären; dass durch Umlagerung der zunächst entstehenden Tetrahydrosäure eine 1 • 3-Ketonsäure entsteht, welche dann hydrolytisch (analog der Säurespaltung des Acetessigesters) gespalten wird:
1
CH
C-CO,H
CH,
OCO,H
CH
C-OH
CH,
C-OH
Vgl.: Graebe, Ann. 139, 1 4 3 ( 1 8 6 6 ) . — Limpricht, Ber. 22, 2 9 0 7 ( 1 8 8 9 ) . — Gkaebe u. Eichengbüx, Ann. 289, 3 2 5 ( 1 8 9 2 ) . — Cazenedve, Bull. [ 3 ] 15, 75 ( 1 8 9 6 ) . — Vaubfl, J. pr. [ 2 ] 53, 5 5 6 ( 1 8 9 6 ) . * C. Liebermann u. v. Kostanecki, Ber. 18, 2142 (1885). 3 Einhobn, Ann. 286, 257 (1895); 291, 2S7 (1896); 295, 173 (1897).
Lactonbildung bei Phenolcarbon säuren. ch2
CHj
chco2h
CH,
_ C0 2 H
A H2
^
CO
^CH,
627
CO-OH
-CH,
Für die Ortho-Oxysäuren kann zur Erklärung einiger Eigentümlichkeiten — auch in den physikalischen Eigenschaften — die Möglichkeit in Betracht gezogen w e r d e n d a s s sie als Ketonsäuren des Dihydrobenzols aufzufassen sind, die Salicylsäure z. B. den Formeln:
.CH,
XH
CH
CH
I
CH
bezw.
CC02H
I
CH
CH-CO.H
^CH
•CH< entsprechen könnte.
Man könnte ferner die Frage aufwerfen, ob bei bestimmter Stellung durch innere Wasserabspaltung zwischen Hydroxyl- und Carboxyl-Gruppe die Phenolcarbonsäuren analog den aliphatischen Oxysäuren in Lactone übergehen können. Eine Lactonbildung der Phenolcarbonsäuren ist niemals beobachtet worden, wenn die Carboxylgruppe direct im Benzolkern haftet. Wohl aber entstehen y- und r?-Lactone aus solchen Ortho-Oxysäuren, welche die Carboxylgruppe in der Seitenkette in geeigneter Stellung enthalten, z. B.: CH2—CH
-CH» >C0 , - 0 -
- 0
CH=CH
I
I •
CO
-0—CO
Ueber Bildung von lactidähnlichen Anhydriden vgl. S. 631 „Disalicylid". I.
Monoxydcriyatc d e r e i n b a s i s c h e n
Kcrncarbonsäurcn.
Die denkbar einfachste Ortho-Phenolcarbonsäure — die OrtliooxybcnzocsHurc C6H4(OHXCOaH) oder Salicylsiiure:
— ist zugleich das am leichtesten zugängliche und am ausführlichsten untersuchte Glied der ganzen Gruppe. Sie wurde 1838 von P i r i a 2 entdeckt, welcher sie durch Einwirkung von Kali auf Salicylaldehyd (S. 518) erhielt und ihr daher den auch heute noch allgemein gebräuchlichen Namen „Salicylsäure" gab. K o l b e und Lautemann 3 erkannten sie als 1
2
V g l . J . TRAUBE, Ber. 31, 1566 (1898).
Ann. 3 0 , 165 (1839).
3
Ann. 115, 157 (1860). 40*
Salicylsäure.
628
Oxysäure. Als freie Säure findet sie sich 1 in der Senegawurzel. I h r Methylester bildet, wie CAHOUES 1843 feststellte, den wesentlichen Bestandtheil des Gaultheriaöles 2 (Wintergriinöl); auch in vielen anderen ätherischen Oelen 3 ist er enthalten; in den Pflanzentheilen, aus welchen er gewonnen werden kann, findet er sich höchstwahrscheinlich in Form eines Glucosids, das durch ein gleichzeitig vorkommendes Ferment (Gaultherase, Betulase) gespalten wird i . Auch an Harzalkohole gebunden, ist die Salicylsäure in Pflanzenprodukten gefunden 6 . Das Gaultheriaöl war in früheren Zeiten der Ausgangspunkt für die Darstellung der Salicylsäure im Laboratorium. Seit 1874 aber wird Salicylsäure industriell hergestellt". Diese von K O L B E hervorgerufene, heute in zahlreichen Betriebsstätten ausgeführte Fabrikation gründet sich auf die S. 623 besprochene Umwandlung des Natriumphenolats durch Kohlensäure. I n einigen Fabriken benutzt man das ursprüngliche KoLBE'sche Verfahren, welches den Gegenstand eines der ersten (1877) und demzufolge schon seit mehreren J a h r e n (1893) abgelaufenen deutschen Reichspatente bildete; bei diesem Verfahren (Darstellung im Laboratorium vgl. S. 629) wird der Gleichung: 2 C0H5 • 0 • Na + C0 2 = C6H4(ONa)-COjNa + C„H5-OH
zufolge nur die Hälfte des angewendeten Phenols in Salicylsäure verwandelt, die zweite Hälfte zurückgewonnen (vgl. S. 636). In anderen Fabriken arbeitet man nach dem ScHMiTT'schen Verfahren: C a Hj • ONa
>- C8H6 • 0 • CO,Na
>- C6H4(OH)-COsNa ,
welches die Nutzbarmachung der gesammten angewendeten Phenolmenge in e i n e r Operation gestattet, Nach einem neueren Verfahren von MÄRASSE umgeht man die Herstellung des trockenen Natriumphenolats 7 , indem man ein inniges Gemenge von Phenol und überschüssiger Potasche mit Kohlensäure im geschlossenen Geläss erhitzt. Schwierig ist namentlich 1 SCHNEEOANS, C h e m . C e n t r a l b l . 1 8 9 6 I , 117. V g l . a u c h : LÖWIG u . WEIDMANN, P o g g . 4 6 , 8 3 (1839). S CAHOTOS, A n n . 4 8 , 60 (1843). — KÖHLER, B e r . 1 2 , 246 (1879). 3 BEOUGHTON, J b . 1 8 7 6 , 588. — ROMBORQH, R e e . t r a v . c h i m . 1 3 , 421, 425 (1894).
— BOÜRQUELOT, Compt. rend. 119, 802 (1894). — SCHIHHEL & Co., Bericht vom April 1898, S. 53; October 1899, S. 51; April 1900, S. 47. — Vgl. auch KREMERS U. JAMES, Chem. Centralbl. 1898 I, 991. — SCHIMMEL & Co., Pharm. Centralhalle 36, 626 (1895). * BOÜBQDELOT, Compt. rend. 122, 1002 (1896). — BEIJERINCK, Chem. Centralbl. 1 8 9 9 H , 259. 6
Vgl. TSCHIRCH U. LUX, Arch. f. Pharm. 233, 572 (1895). Die Patentliteratur vgl. in FEIEDLÄNDEH'S Fortschritten der Theefarben"Tabrikation (Berlin) I , S. 227—234; III, 821. — Vgl. ferner: Actiengesellsch. f. Anilinfabr. D. R.-Pat. Nr. 76441; Ber. 2 7 Ref., 954 (1894). — MARASSE, D. R.-Pat. Nr. 78708; Ber. 2 8 Bef., 309 (1895). 7 Vgl. übrigens auch DRECHBEL, Ztschr. Chem. 1865, 580. 8
Darstellung und Eigenschaften der
Salicylsäure.
629
die Herstellung eines vollkommen farblosen Präparats aus der röthlich gefärbten Rohsäure 1 . D a r s t e l r u n g v o n S a l i c y l s ä u r e im L a b o r a t o r i u m ( B e i s p i e l derKoLBE's c h e n R e a c t i o n ) . Man versetzt eine Lösung von 12-5 g reinem Aetznatron in 20 ccm Wasser unter Umrühren allmählich mit 30 g krystallisirtem Phenol, vertreibt darauf unter fortdauerndem Umrühren in einer Nickelschale durch Erhitzen den grössten Theil des Wassers und setzt unter zeitweisem Zerdrücken der trockener werdenden Masse das Erhitzen vorsichtig fort, bis die Masse pulvevisirbar geworden ist. Dann pulvert man fein, erhitzt weiter bis zur staubigen Trockenheit und füllt unter Vermeidung von Peuchtigkeitsanziehung in eine tubulirte Retorte, welche im Oelbade erhitzt wird. Wenn die Temperatur von 110° erreicht ist, beginnt man trockene Kohlensäure überzuleiten, hält 1 Stunde bei 110° und lässt dann den Kohlensäurestrom, indem man von Zeit zu Zeit mit einem Glasstabe umrührt, 4 Stunden unter allmählicher Steigerung der Temperatur auf 190°, schliesslich noch 1— 2 Stunden bei 200° wirken, wobei allmählich Phenol abdestillirt. Nach dem Erkalten schüttet man das in der Retorte befindliche Pulver (basisch salicylsaures Natrium) in Wasser und fällt die rohe Salicylsäure durch Salzsäure auB.
Von sonstigen Bildungsweisen der Salicylsäure seien nur diejenigen erwähnt, welche sie in glatter Weise mit anderen Ortho-Diderivaten des Benzols verknüpfen: sie entsteht aus o-Kresol durch Oxydation 2 , aus o-Amidobenzoesäure durch die Diazoreaction 3 , aus o-Brombenzoesäure durch Erhitzen mit wässerigem Alkali'4 auf 170°. Salicylsäure krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, seideglänzenden Nadeln, aus Alkohol in monoklinen Prismen. Sie schmeckt schwach zusammenziehend, schmilzt 6 bei 159°, sublimirt bei vorsichtigem Erhitzen unzersetzt, im Vacuum des Kathodenlichts 6 rasch und völlig unzersetzt bei 75—76°. Sie löst sich 7 in ca. 1000 Th. Wasser von 0°, ca. 500 Th. von 23° und ca. 13 Th. von 100°, sehr leicht in Alkohol, leicht auch in Chloroform. Mit Wasserdämpfen ist sie flüchtig. Bei raschem Destilliren 8 zerfällt Salicylsäure theilweise in Phenol und Kohlensäure; erhitzt man längere Zeit auf 200—220°, so geht die Säure grösstenteils in Salol (vgl. S. 631—632) über 9 , indem sich das durch
1 V o r s c h l ä g e h i e r z u v g l . : RAUTEBT, B e r . 8 , D . R . - P a t N r . 6 5 1 3 1 ; B e r . 2 6 R e f . , 70 (1893).
537 (1875). — P . W .
HOPMANN,
1
HEYMANN U. KÖNIGS, B e r . 1 9 , 706~(1886). GEBLAND, A n n . 8 6 , 147 (1853). * HEIDENBEICH U. V . MEYEB, B e r . 2 6 , 2 1 8 9 (1892). 6 HÜBNEB, A n n . 1 6 2 , 74 (1872). — REISSEBT, B e r . 2 3 , 2 2 4 4 (1890). 8 KBAFFT U. WEILAND, B e r . 2 9 , 2 2 4 1 (1896). 7 KOLBE U. LAUTEMANN, A n n . 1 1 5 , 1 9 4 (1860). — OST, J . p r . [2] 1 7 , 2 3 2 (1878). — BOUBQOIN, B u l l . 2 9 , 2 4 7 ( 1 8 7 8 ) ; 3 1 , 5 3 (1879). — ALEXEJEW, J . p r . [2] 2 5 , 5 1 8 (1882). BOSE U. TOUSSAINT, J b . 1 8 7 6 , 571. — VULPIUS, J b . 1 8 7 8 , 7 5 8 . — WALKER U. WOOD, J o u r n . S o c , 7 3 , 619 (1898). 3
8
KLEPL, J . p r . [2] 2 8 , 217 (1883). GBAEBE U. EICHENQBÜN, A n n . 2 6 9 , 3 2 3 (1892). — EBNERT, D . R . - P a t . N r . 6 2 2 7 6 ; B e r . 2 5 B e f . , 526 (1892). 9
630
Verwendung der Salicyls&ure.
Kohlensäureabspaltung entstehende Phenol mit noch unveränderter Säure yerestert: 2C 4 H 4 (OH) CO,H = C 6 H 4 (0H) • CO • 0 • C a H e + C0 2 + H a O ;
einer weiteren Zersetzung des Salols ist es zuzuschreiben, dass sich beim Destilliren der Salicylsäure auch Xanthon bildet (vgl. S. 632). Zum N a c h w e i s 1 der Salicylsäure eignet sich die äusserst empfindliche violette Farbenreaction, welche sie in wässeriger Lösung mit Eisenchlorid giebt (vgl. S. 626); diese Reaction kann aber durch Gegenwart freier Säuren verhindert werden. Die für die Praxis wichtigste Eigenschaft der Salicylsäure ist ihre stark antiseptische, fäulniss- und gährungswidrige Wirkung 2 , welche übrigens ihren Stellungsisomeren — m- und p-Oxybenzoesäure — nicht zukommt. Dieser Eigenschaft wegen wird Salicylsäure für Verbandwässer und Verbandstoffe, als Zusatz zu Zahnpulvern, als conservirendes Mittel beim Einmachen der Früchte und für ähnliche Zwecke verwendet. In der Pharmacie werden ferner einige Salze und Derivate (vgl. unten) der Salicylsäure gebraucht (vgl. auch Salipyrin im 3. Buch). F ü r die innere Darreichung als Mittel gegen Neuralgieen und Gelenkrheumatismus eignet sich namentlich das Natriumsalz. Salicylsäure findet aber auch für die Farbentechnik als Componente zur Gewinnung von Azofarbstoffen, welche den Vortheil besitzen auf Beizen zu ziehen, nicht unerhebliche Verwendung 3 . So werden z. B. die Combinationen von diazotirtem m- und p-Nitranilin mit Salicylsäure unter der Bezeichnung „ A l i z a r i n g e l b " viel gebraucht. Auch Amidosalicylsäure (C0 2 H: 1, OH: 2, N H 3 : 5) — durch Nitriren und Reduciren aus Salicylsäure hergestellt — wird auf Azofarbstoffe verarbeitet; so wird das „ D i a m a n t s c h w a r z " durch Combination von diazotirter Amidosalicylsäure mit a-Naphtylamin, nochmalige Diazotirung des so gewonnenen 1
Vgl.: PAGLIATO, Ber. 1 2 , 385 (1879). — Yvoic, Ztschr. f. analyt. Chem. 1 8 , 617 (1879). — W E I G E R T , ebenda 1 9 , 45 (1880). — B L A S U . A U B R Y , ebenda 1 9 , 105 (1880). — P O R T E L E , ebenda 2 0 , 462 (1881). — G I R A R D , ebenda 2 2 , 277 (1883). — R É M O S T , ebenda 2 3 , 253 (1884). — M A L E N F E N T , ebenda 2 4 , 284 (1885J. — R Ö S E , ebenda 2 5 , 591 (1886). — CDBTMANN, ebenda 2 6 , 641 (1887). — S P I C A , Gazz. chim. 2 6 I , 207 (1892). — HAHTZSCH U . S I N G E R , Ber. 3 0 , 318 (1897). — H E F E L M A N N , Chem. Centralbl. 1897 N , 229. Anwendung der Salicylsäure-Eisenreaction für Acidimetrie: s. W O L F F , Ann. ch. [7] 21, 419 (1900). Ueber q u a n t i t a t i v e B e s t i m m u n g : vgl. R É X O N T , Ztschr. f. analyt. Chem. 2 3 , 2 5 3 ( 1 8 8 4 ) . — F A J A K B , ebenda 3 3 , 8 9 ( 1 8 9 4 ) . — E L I O K , Ree. trav. chim. 7 , 2 1 1 ( 1 8 8 8 ) . — MESSINGER U . V O R T J I A N N , Ber. 2 3 , 2755 (1890). — B A R T H S , Bull. [3] 1 1 , 516 (1894). — F R E Y B H , Cöthener Chem. Ztg. 2 0 , 820 (1896), — M E S S I N G E R , J. pr. [?] 6 1 , 237 (1900). J K O L B E , X pr. [2] 1 0 , 1 0 7 ( 1 8 7 4 ) ; 1 1 , 9 ( 1 8 7 4 ) . — W B H M E R , Cöthener Chem. Ztg. -21,
73
(1897).
* Vgl. F B I E D L Ä N D E R ' S Fortschr. d. Theerfarbenfabrikation (Berlin) II, S. III, 638—644, 6 5 2 — 6 5 9 . — Vgl ferner N I E T Z K I , Chem. Ind. 1895, 7 9 .
323—329
Salze und Anhydride der Salicylsäure.
631
Amidoazokörpers und Combination mit 1.4-Naphtolsulfosäure oder anderen Naphtolsulfosäuren erhalten. Von den S a l z e n der S a l i c y l s ä u r e 1 (Salicylaten) werden das neutrale Natriumsalz C 6 H 4 (0H)C0 2 Na — sehr leicht lösliche Blättchen — und Lithiumsalz C 6 H 4 (0H)C0 2 Li + V a ^ O — gleichfalls leicht löslich — und das hasische Wismuthsalz (weisser, mikrokrystallinischer Niederschlag) als Arzneimittel verwendet; vgl. auch Bd. I, S. 1087: Diuretin. Einige D e r i v a t e d e r S a l i c y l s ä u r e sind in der Tabelle No. 64 auf S. 633 zusammengestellt. A n h y d r i d e d e r S a l i c y l s ä u r e * entstehen z. B. durch Einwirkung von Phosphoroxychlorid auf Salicylsäure in Toluol- oder Xylol-Lösung. Man erhält ein Gemenge von zwei Substanzen, welche sich durch Chloroform trennen lassen. Die im Chloroform lösliche Substanz — das Salicylid ( T e t r a s a l i c y l i d ) — besitzt, wie die kryoskopische Moleculargewichtsbestimmung in Phenollösung zeigt, die Molecularformel
IC j H ^ /
C
°-\
; es schmilzt bei 260—261
wird von kochendem Wasser nicht
angegriffen, von concentrirter kochender Sodalösung langsam in Salicylsäure verwandelt und erst durch mehrstündiges Erhitzen mit Methylalkohol auf 290—340° völlig in Salicylsäuremethylester übergeführt. Aus Chloroformlösung scheidet es sich in prächtigen oktagdrischen Krystallen mit Krystallcliloroform ab; dieses „ S a l i c y l i d C h l o r o f o r m " (C 7 H 4 0,) 4 + 2CHC1S, welches das Chloroform leicht wieder abgiebt, ist als Hülfsmittel zur technischen Chloroformreinigung vorgeschlagen. — Das in Chloroform unlösliche Anhydrid — das Polysalieylid (C7 H j t y , — krystallisirt aus siedendem Nitrobenzol oder Phenol in Nädelehen, schmilzt bei 322—325° und verhält sich gegen kochendes Wasser und Sodalösung wie das Tetrasalicylid. — Ein einfacheres Anhydrid — Disalieylid: ,0-C0x C H H
- -- '
— wird durch Einwirkung von Chlorkohlenoxyd (Bd. I , S. 1039) auf Salicylsäure in Pyridinlösung erhalten; es bildet Nadeln, schmilzt bei 200—201°, destülirt unzersetzt und wird von kalter verdünnter Sodalösung und Natronlauge bei nicht zu langer Berührung nicht angegriffen. Von den E s t e r n der Salicylsäure (vgl. die Tabelle) ist der M e t h y l e s t e r seines natürlichen Vorkommens wegen schon S. 628 erwähnt Wichtig ist ferner der P h e n y l e s t e r C , H 4 ( 0 H ) C 0 - 0 C , H s — gewöhnlich Salol genannt —, welcher als Arzneimittel — für Mundwässer, als Mittel gegen Rheumatismus sowie als Darmdesinficiens — vielfach gebraucht wird. Seine Bildung durch 1
Vgl.: CAHODRS, Ann. 5 2 , 3 3 5 ( 1 8 8 4 ) . — PIRLA, Jb. 1 8 5 5 , 4 8 5 . — MILONE, Gazz. chim. 1 5 , 2 1 9 ( 1 » 8 5 ) . — LAJOUX U. GRANDVAL, Compt. rend. 1 1 7 , 4 4 ( 1 8 9 3 ) — ADAM, Bull. [3] 1 1 , 2 0 4 ( 1 8 9 4 ) . — B. FISCHER U. GRÖTZNER, Arch. f. Pharm. 2 3 1 , 6 8 0 ( 1 8 9 3 ) . — ATHENSTAEDT D. R.-Pat Nr. 7 8 « 0 3 ; Ber. 2 8 Kef., 3 6 2 ( 1 8 9 5 ) . — MERCK, D. R.-Pat Nr. 8 4 9 8 7 ; Chem. Centralbl. 1 8 9 6 I , 6 7 8 . — ROMIJN, Chem. Centralbl. 1 8 9 6 I , 1 0 6 2 . — THIBAHLT, Chem. Centralbl. 19011, 413. * SCHIFF, Ann. 163, 2 2 0 ( 1 8 7 2 ) . — GOLDSCHMIEDT, Monatsh. 4, 1 2 1 ( 1 8 8 3 ) . — ANSCHÜTZ, Ann. 2 7 3 , 7 3 , 9 4 ( 1 8 9 3 ) . — ANSCHÜTZ U. SCHROETER, ebenda 9 7 . — Actiengesellsch. f. Anilinfabr. D. R.-Pat Nr. 6 8 9 6 0 , 6 9 7 0 8 ; Ber. 2 6 Kef., 6 5 1 , 9 1 2 (1893)
— EINHORN U. PFEIFFER, B e r . 3 4 , 2 9 5 1 ( 1 9 0 1 ) .
632
Salicylsäure-Ester,
Thiosalicylsäure.
Erhitzen der Salicylsäure für sich ist schon S. 629—630 erläutert; man gewinnt ihn ferner durch Erhitzen von Salicylsäure mit Phenol (frei oder als Natriumsalze) in Gegenwart von Phosphoroxychlorid, Phosgen oder anderen CondenBationsmitteln. Durch mehrstündiges Kochen für sich erleidet das Salol eine Zersetzung, bei welcher Kohlen-
Salols lagert sich in der Hitze zum Natriumsalz der P h e n y l ä t h e r s a l i c y l s ä u r e um: YCOO-CEH, CO-ONa 'N)-Na welche durch Einwirkung von conc. Schwefelsäure schon in der Kälte fast quantitativ unter Wasserabspaltung in Xanthon übergeht. Auch der - A c e t o l e s t e r d e r S a l i c y l s ä u r e 1 C6H4(OH)• CO • 0• CH,• CO• CH, (F. 71°) — S a l a c e t o l genannt, aus Natriumsalicylat und Chloraceton (Bd. I, S. 868) erhältlich — ist, wie auch noch mehrere andere Salicylsäurederivate 2 , als Arzneimittel vorgeschlagen. Vielfach verwendet wird neuerdings an Stelle der Salicylsäure selbst die durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid auf Salicylsäure erhältliche A c e t y l s a l i c y l s ä u r e 8 ( A s p i r i n ) CH 3 -CO-O-C 0 H 4 .CO-OH(Nädelchen vom Schmelzpunkt 135°) — eine Substanz, welche den Magen unzersetzt passiren, erst im Darm eine allmähliche Zerlegung erleiden und daher gewisse unangenehme Nebenwirkungen der Salicylsäure (Reizerscheinungen, Ohrensausen) nicht hervorrufen soll. ThlosalicylsUure' C 6 H 4 (SH)-C0 3 H, welche die Hydroxylgruppe der Salicylsäure durch die Sulfhydrylgruppe vertreten enthält, kann einerseits durch Eeduction von o-SulfobenzoSsäurechlorid (S. 583 Anm.), andererseits aus Anthranilsäure (S. 575) durch Ueberführung in o-Diazobenzoßsäure und Umwandlungen der letzteren gewonnen werden. C i t a t e zu d e r T a b e l l e Nr. 64 a u f S. 633. 1 Vgl. die Citate auf S. 627—631. —
1
GEBHARDT, A n n . 4 6 , 21 (1843); 87, 159 (1853). —
(1843). —
4
8
DELALANDE, A n n . 4 5 , 336
VOGT u . HENNINQER, A n n . 1 6 5 , 369 (1873). —
5
ETTLING, A n n . 5 3 , 77
(1845). — 6 SMITH, Am. ehem. Journ. 2, 338 (1880). — 7 GOLDSCHMIEDT U. HERZIG, Monatsh. 3 , 133 (1882). — 8 OST, J. pr. [2] 11, 24 (1874). — 9 HENTSCHEL, J. pr. [2] 2 7 , 4 1 (1882). —
10
R . SCHMITT, J . p r . [2] 3 1 , 407 (1885). —
Ztschr. Chem. 1868, 6. — 18
12
GBAEBE, A n n . 1 3 9 , 1341 (1866). —
[2] 15, 151 (1877). —
16
11
WILM U. WISCHIN,
OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 247 (1889). — 14
KRAUT, A n n . 1 5 0 , 1 (1868). —
16
VELDEN, J . p r .
CABSWELL, Chem. News 68, 195 (1894). — 17 WOLKOW, Ztschr.
C h e m . 1 8 7 0 , 326. — 18 M. SCHBEDEB, A n n . 2 2 1 , 38 (1883). — 18 REIMER U. TIEMANN, B e r . 9 , 1285 (1876). — SO WEITH, B e r . 9 , 342 (1876). — " BIRNBACH U. REINHEBZ, B e r . 1 5 , 4 5 8 (1882). — 2 8 BABTH U. SCHREDEB, B e r . 1 2 , 1257 (1879). — 28 HASSE, B e r . 1 0 , 2186 (1877). — 84 VOGT, B e r . 2 , 284 (1869). — SS MESSINGES U. VORTMANN,
Ber. 2 2 , 2321 (1889). — " RUSSANOW, Ber. 2 5 , 3300 (1892). —
27
SCHÜNCK U. MABCH-
1
V g l . EBITSCH, D . R . - P a t . N r . 7 0 0 5 4 , B e r . 2 6 B e f . , 9 1 4 (1893).
2
Vgl. z. B . : GALLINmc u. CODBANT, D. R.-Pat. Nr. 94097; Chem. Centralbl.
1 8 9 8 I, 227. — LIMBACH, D. R.-Pat. Nr. 93110; Chem. Centralbl. 1897 II, 1016. — KOLLO, Cöthener Chem. Ztg. Rep. 1895, S. 80. 8 Vgl. WOHLGEMUTH, Chem. Centralbl. 1899 I, 1294. 4 DELISLE, B e r . 2 2 , 2206 (1889). — JONES, A m . c h e m . J o u r n . 1 6 , 366 (1894). — GRAEBE, D . R . - P a t . N r . 6 9 0 7 3 ; FRIEDLÄNDER I I I , S. 903. — C h e m . F a b r . BINDSCHEDLEB, D . R . - P a t . N r _ 8 0 7 1 3 ; B e r . 2 8 H e f . , 583 (1895). — LIST U. STEIN, B e r . 3 1 , 1666 (1898). — HENDERSON, A m . c h e m . J o u r n . 2 1 , 208 (1899). — GATTERMANN, B e r . 3 2 , 1149 (1899).
Salieylsaure uni ikre Derivate.
633 co co co CO C,H.-0-(XK
+
CO I
+ H20
CHj ^CO-CO-O-C.H. .CH,
CO -
I
.CH,
CO I
CH / CH ^ > C ( 0 H ) ' \ C 0 • CO • 0 • C2H5
+ C,H5 • OH,
OH-CO welche beim Erwärme» mit überschüssigem Barytwasser Oxalsäure und symmetrische Oxytoluylsäure liefert: .CH.
.CH,
/
CO
CO
OH-C
CH,
CH
H-C
ch
V /
.CH C
3
H,0
+ \ c ( O H K ^ \ c O • CO • 0 • C2H5 OH-CO-C
OH-CO'
CH
OH • CO • CO • 0 • C»Hj
Andererseits kann man von dieser Oxytoluylsäure aus durch Einwirkung von con1
JACOBSEN, Ber. 14, 2357 (1881). — v. KOSTANECKI U. NIEMENTOWSKI, Ber. 18, 255 (1885). — CLAISEN, Ber. 22, 3271 (1889). — C. LIEBERMANN U. VOSWINKEL, Ber. 30, 1731 (1897).
Symmetrische
Oxytoluylsäure.
639
centrirter Schwefelsäure in glatter Reaction (vgl. S. 626) Dimethyldioxyanthrachinon gewinnen: 2(0HXCH3)C6H,
C02H
=
(OHXCII3)C6H /
>C6H2(CH,)(0H) +
2H20,
\co/
durch ihre Vermittelung mithin aus einfachen aliphatischen Verbindungen (Aceton und Oxalester) ein dreikerniges Ringsystem aufbauen. Endlich erlangt die symmetrische Oxytoluylsäure dadurch Wichtigkeit, dass sie zu den Abbauprodukten des Cochenillefarbstoffes gehört; die bei der Oxydation dieses Farbstoffes mit Kaliumpersulfat entstehende „Cochenillesäure" C, 0 H 8 O 7 (vgl. S. 660) geht durch 2—3 ständiges Erhitzen mit Wasser auf 200—210° unter Kohlensäureabspaltung in die symmetrische Oxytoluylsäure über: CH,
—H
COJH-
H —2C0.2
CO.H-
=
OH
CO.H—
CO,II
Durch Kochen von Cochenille mit Salpetersäure aber erhält man direet T r i n i t r o o x y t o l u y l s ä u r e 1 C 8 (N0 2 )s(0HXCH3)(C0 2 H) ( N i t r o c o c c u s s ä u r e ) , welche auch aus der symmetrischen Oxytoluylsäure durch Nitrirung entsteht und beim Erhitzen mit Wasser auf 180° wie beim Kochen mit Wasser und Silberoxyd sich in Kohlensäure und Trinitro-m-Kresol spaltet.
II. Polyoxyderivate der einbasischen Kerncarbonsiiurcn. Die D i o x y b e n z o e s ä u r e n C 6 H 3 { O H ) 2 - C O a H kann man sich entweder von der Benzoesäure durch Einführung zweier Hydroxylgruppen oder von den drei isomeren Dioxybenzolen durch Einführung einer Carboxylgruppe ableiten. Man erkennt im letzteren F a l l e leicht, dass sich vom Brenzkatechin zwei isomere, vom ß e s o r c i n drei isomere, vom Hydrochinon dagegen nur eine Dioxybenzoesäure ableitet; im ganzen giebt es also sechs Isomere, welche sämmtlich bekannt und in der Tabelle Nr. 6 5 auf S. 6 4 0 zusammengestellt sind. C i t a t e zu d e r T a b e l l e Nr. 6 5 a u f Chem. 3 , 2 4 8 ( 1 8 8 9 ) . — 2 MILLER, Ann. 2 2 0 , Ann. 1 4 2 , (1866). —
Ann.
246 (1866);
HESSE, A n n . 1 1 2 ,
5
1 6 8 , 99 (1873). —
SCHREDER, B e r . 1 2 , Ann. 2 8 0 , B e r . 11,
18 (1894). —
Monatsh. 1
163,
17
5,
7
364 (1870). —
11 13
4
OSTWALD,
HLASIWETZ,
Bull.
DEMOLE, B e r .
37
6
BARTH u . V. SCHMIDT, B e r . 1 2 ,
395 (1882). —
BARTH,
14
96
BARTH
8
MATSMOTO,
12
v . LIPPMANN, B e r . ASCHER,
u.
OFFERMANN,
10
1264 (1879). —
Vgl. ferner die Citate auf S . 6 4 1 — 6 4 2 . — 1 6 FAHLBERQ, Am. chem. Journ. 2 , 1 9 6 ( 1 8 8 0 ) . — 1 8 1 7 0 ( 1 8 8 4 ) . — 1 9 TIEMANN U. PARRISIOS, Ber. 1 3 , 2 3 5 8
WARREN DE LA R U E , A n n . 6 4 , 2 3 ( 1 8 4 8 ) . —
3
FITTIO u . MACALPINE,
7 , 1439 (1874). —
SCHIFF, B e r . 1 5 , 2 5 8 8 ( 1 8 8 2 ) . —
15
100 (1872). —
Ztschr. f. physik.
GRABOWS«, A n n . 1 3 9
221 (1862). —
NÖLTINQ U. BOURCART, 9
1
116, 117, 124, 126 (1882). —
52 (1859); 1 2 2 ,
1258 (1879). —
122 (1878). —
3061 (1893). — (1871). —
154,
S. 640:
Ann.
26,
161,
11
BENEDIKT U. IIAZURA, (1880). —
20
SENHOFER
C . LIEIIERMANN U. VAN DORP,
v . KOSTANECKI U. NIEMENTOWSKI, B e r . 1 8 , 2 5 0
(1885).
Ann.
640
Dioxybenzoësœiiren.
641
Protokatechusäure.
ii. BRUNNER, Sitzungsberichte der Wiener Akademie II. Abth. 8 0 , 504 (1879). — - 1 BISTRZYCKI U. v. KOSTANECKI, Ber. 1 8 ,
1984 (1885). — " GREGOR, Monatsh. 1 6 ,
881 (1895); 17-, 225 (1896). — " A. G. PERKIN, Journ. Soc. 6 7 , 990 (1895). — 24
BABLICH U. A. G. PERKIN, J o u r n .
TAMBOR, Ber. 28, 2308 (1895). —
W
Soc. 6 9 ,
HOFER, Ann. 159, 222 (1871); 164, 109 (1872)..— —
20
793 (1896). — " v. KOSTANECKI U.
KAHL, Ber. 31, 150 (1898). — " BARTH U. SEN-
ZINCKB u. FUCHS, Ber. 2 5 , 2680 (1892). —
89
80
(1893). —
31
LAUTEMANN, Ann. 120, 311 (1861). —
(18 7 0). —
33
GOLDBERQ, J. pr. [2] 1 9 ,
371
Ann. 175, 66 (1875); 180, 347 (1875). — (1881). —
36
BÖTTINGER, Ber. 8 , 374 (1875). HOPFQARTNER, Monatsh. 14, 685 32
(1879). —
85
LIECHTI, Ann. Suppl. 4, 144 34
HLASIWETZ U. HABERMANN,
SENHOFER u. SARLAY, Monatsh. 2, 448
v. RAKOWSKI U. LEPPERT, B e r . 8 , 7 8 8 (1875). —
37
TIEMANN U. M. MÜLLER,
Ber. 14, 1985 (1881). — 38 NEF, Ber. 18, 3499 (1885). — 39 v. KOSTANECKI U. TAMBOR, Monatsh. 16, 919 (1895). — 40 LIKIIATSCHEFF, Ztschr. f. physiol. Chem. 21, -422 (1895).
— 4 1 THIELE U. MEISENHEIMER, Ber. 3 3 , 676 (1900). — " H . MEYER, Monatsh. 2 2 , 4 3 1 (1901). — 4 3 C h e m . F a b r i k SCHERING, D . R . - P a t . Nr. 8 1 2 9 7 . FRIEDLÄNDER I V , 127. — 4 4 IHBERT, B u l l . [3] 2 3 , 8 3 2 (1900).
Alle diese Säuren sind synthetisch gewinnbar. So entsteht beim Erhitzen von Brenzkatechin mit Ammoniumcarbonat und Wasser (vgl. S. 023) die Protokatechusäure (Nr. 2) neben geringen Mengen der Brenzkatechin-o-Carbonsäure (Nr. 1); aus Resorcin entsteht durch die gleiche Reaction /9-Resorcylsäure (Nr. 3) neben 2.6-DioxybenzoesäurB (Nr. 5), aus Hydrochinon die Gentismsäure (Nr. 6). Die a-Resorcylsäure (Nr. 4) endlich gewinnt man, indem man aus Benzoesäure durch Sulfurirung mit rauchender Schwefelsäure bei Gegenwart von Phosphorpentoxyd 3.5-Disulfobenzoesäure C6H3(C02H)(S03H)2 bereitet und letztere mit Kali schmilzt. Andererseits ist man Dioxybenzoesäuren häufig beim Abbau von Naturprodukten begegnet. So hat man /S-Resorcylsäure aus Umbelliferon (s. S. 678) und' aus dem Gerbstoff Morüi durch Schmelzen mit Kali, Hydrochinoncarbonsäure aus dem Enzianwurzelbestandtheil Gentisin erhalten und letztere Säure daher Gentisinsäure genannnt. Wegen ihrer Beziehungen zu zahlreichen Naturprodukten ist weitaus die wichtigste dieser Säuren die Protokatechusäure. Sie ist namentlich sehr häufig durch Schmelzen mit Kali aus vegetabilischen Produkten erhalten w o r d e n s o aus Katechin, Maclurin und vielen Harzen; neben ihr treten als Abbauprodukte oft p-Oxybenzoesäure und Phloroglucin auf. Frei kommt sie in den Früchten von Illicium religiosum vor 2 . Zur Darstellung 3 schmilzt man ostindisches Kino mit Aetznatron. Protokatechusäure krystallisirt in flachen Nadeln und Blättern mit 1 Mol. Krystall wasser, wird bei 100° wasserfrei, löst sich bei 14° in 53—55, bei 75—80° in 3-5—3-7 Th. Wasser 4 , ist in kochendem Benzol fast 1 STRECKER, A n n . 1 1 8 , 281 (1860). — KRAUT U. DELDEN, A n n . 1 2 8 , 293 (1863). — HLASIWETZ U. PFAUNDLER, A n n . 1 2 7 , 357 (1863). — BARTH U. HLASIWETZ, A n n . 1 3 0 , 346 (1864); 1 3 4 , 277 (1865); 1 3 9 , 78, 90 (1866). — MALIN, A n n . 1 3 4 , 118 (1865). — BECKETT U. WRIGHT, J b . 1 8 7 6 , 808. — HERZIQ, Monatsh. 1 2 , 1 8 2 (1891). — A . G. PERKIN, J o u r n . S o c . 6 9 , 801 (1896). S 8 EYKMAN, R e e . trav. chim. 4 , 47 (1885). STENHOUSE, A n n . 1 7 7 , 188 (1875). 4 TIEMANN U. NAGAI, Ber. JO, 211 (1877).
V. MEYER U. JACOIISÜN, org. Chem. II.
41
(März 02.)
642
Constitution der Protokatechusäure.
unlöslich und giebt in wässeriger Löstmg mit Bleiacetat einen weissen, flockigen Niederschlag. Die Ueberfuhrbarkeit in Protokatechusäure wurde und wird noch heute häufig bei Untersuchungen über die Constitution von Naturprodukten zu Constitutionsschlüssen benutzt (vgl. z. B. S. 523). Daher ist es wichtig, sich zu vergewissern, dass die Formel der Protokatechusäure selbst mit genügender Sicherheit festgestellt ist E s ergiebt sich zweifellos durch die schon erwähnte Bildung der Säure aus Brenzkatechin wie durch ihre bei der Destillation eintretende Spaltung in Brenzkatechin und Kohlensäure, dass die beiden Hydroxylgruppen benachbart sind. Da ferner die Säure aus verschiedenen Derivaten der Para-Oxybenzoesäure (Sulfoanissäure, Bromanissäure, Jod- und Sulfo-p-Oxybenzoesäure) durch die Kalischmelze entsteht 1 , so muss eine Hydroxylgruppe zur Carboxylgruppe in Para-Stellung stehen. Diesen beiden Forderungen aber genügt nur die Formel der 3.4-Dioxybenzoesäure, welche noch dadurch bestätigt wird, daas auch aus Meta-Oxybenzoesäure durch Sulfuriren und darauf folgende Kalischmelze Protokatechusäure erhalten wird 2 . Sehr bemerkenswerth ist das Verhalten einer Bromprotokatechusäure, welche durch directe Bromirnng erhalten wird, bei der Oxydation'; ans der ¡freien Säure entsteht neben Kohlensäure und Oxalsäure eine Dibrom-/?-Naphtochinoncarbonsäure durch Zusammentritt zweier Molecüle: OH
0
dagegen wird der Methylester in normaler Weise zu dem Brom-o-benzochinon-carbonsfiureester: 0
oxydirt (vgl. S. 454).
Die Protokatechusäure gehört zu denjenigen Derivaten des Brenzkatechins, welche in der Para-Stellung zum einen, in der Meta-Stellung zum anderen Hydroxyl eine Kohlenstoffseitenkette enthalten. Dass diese Gruppirung am Benzolkern von der Natur häufig hervorgebracht wird, ist schon bei der Besprechung früherer Körpergruppen mehrfach hervorgetreten (vgl. Eugenol und ähnliche Körper S. 433, Coniferylalkohol 1
8
MALIN, A n n . 1 6 2 , 109 (1869). — BABTH, A n n . 1 5 0 , 2 3 2 (1871).
BABTH, Ann. 148, 38 (1868); 160, 232 (1871). — Vgl. auch MERCK, D. R.-Pat.
N r . 7 1 2 6 0 ; FBIEDLÄNDEB, I I I , 849. 3 ZINUKE u. FBANKE, A n n . 2 0 3 , 120, 175 (1896).
643
Vanillinsäure, VercUrumsäure.
S. 469, Vanillin und Piperonal S. 521). E s ist daher leicht verständlich, dass die Protokatechusäure — als diejenige Verbindung dieser Substituentenstellung, welche die Kohlenstoffseitenkette in der höchsten Oxydationsform enthält, — so oft beim Abbau von Naturstoffen mit Agentien von spaltender und oxydirender Wirkung erhalten wird. Jene Naturprodukte enthalten aber die Hydroxylgruppen meist nicht frei, sondern durch Methyl- oder Methylen-Gruppen ätherificirt (vgl. S. 412). Dementsprechend stehen die Methyl- und M e t h y l e n - A e t h e r der P r o t o katechusäure: O H - /
\ - C Q
2
H
C H
3
. Q - /
C H J O /
OH'
Vanillinsäure CH
A
CO,H
-0-(
)-C0
Isovanillinsäure
8
H
0
(
.-0>
\—COSH
CH,Piperonylsäure
Veratrumsäure
zu den natürlichen Stoffen in näherer Beziehung als die Protokatechusäure selbst Durch Erhitzen mit Salzsäure bezw. Jodwasserstoffsäure können diese Säuren sämmtlich in Protokatechusäure verwandelt werden. Yanilllnslinre12 gehörigen Aldehyd — gegen aus Coniferin schwach nach Vanille
(Schmelzpunkt 205—206°, K = 0-00298) wird aus dem zudem Vanillin — nur in sehr schlechter Ausbeute, leicht daund Aceteugenol d u r c h O x y d a t i o n erhalten. Sie riecht und giebt mit Eisenchlorid keine Färbung.
IsoyanllllnsUure 2 - 8 (Schmelzpunkt 250°, K = 0-00318) entsteht aus Acetchavibetol (vgl. S. 434) durch Oxydation, aus Hemipinsäure (CHS• O^CeHjiCOjH), (s. S. 656—657) durch Erhitzen mit SalzB&ure, aus Protokatechusäure durch partielle Methylirung, aus Veratrumsäure neben Vanillinsäure durch partielle Entmethylirung beim Erhitzen mit Salzsäure. Sie giebt mit Eieenchlorid eine Gelbfärbung. V e r a t r u m s ä u r e s , < (Schmelzpunkt 179°, K = 0-00361) wurde im Samen von Sabadilla veratrum entdeckt und erhielt daher ihren Namen. Sie kann aus der 1
TIEMANN, B e r . 8 , 5 1 1 , 1 1 2 3 ( 1 8 7 5 ) ; 9 , 5 3 ( 1 8 7 6 ) . — TIEHANN U. REIMEB, B e r . 8 ,
516 (1875).
—
TIEHANN
U. MENDELSSOHN, B e r . 9 ,
1278 (1876);
10,
59 (1877).
—
A . G . PERKIN U. MARTIN, J o u r n . S o c . 7 1 , 8 2 0 ( 1 8 9 7 ) .
* OsTWALD, Ztschr. f. physik Chem. 3, 266 (1889). * FOSTER U. MATTHIESSEN, A n n . S u p p l . 2 , 3 7 8 ( 1 8 6 2 ) . — BECKETT U. WEIGHT, J b . 1876,
8 1 0 . — MATSMOTO, B e r . 1 1 , 1 2 5 ( 1 8 7 8 ) . —
BERTRAM U. GILDEHEIBTEB, J .
pr.
[2] 3 9 , 3 5 2 ( 1 8 8 2 ) . — WEQSCHEIDER, M o n a t a h . 1 8 , 1 2 5 ( 1 8 9 5 ) . 4
MERCK, A n n . 2 9 , 1 8 8 ( 1 8 3 9 ) . — GRAEBE U. BOROMANN, A n n . 1 5 8 , 2 8 2 ( 1 8 7 1 ) .
— KOLLE, A n n . 1 6 9 , 2 4 1 ( 1 8 7 1 ) . — TIEHANN U. MENDELSSOHN, B e r . 8 , 1 1 3 8 ( 1 8 7 5 ) . — KORNER, B e r . 9 ,
582 (1876).
—
TIEMANN U. MATSMOTO, e b e n d a
B e r . 1 1 , 1 2 3 ( 1 8 7 8 ) . — WRK.TT U. LUFF, J o u r n . S o c . 3 3 , Monatah.
5,
83 (1884);
12,
187 ( 1 8 9 1 ) .
—
937.
—
MATSMOTO,
160, 353 (1878). —
HEBZIQ,
GOLDSCHMIEDT, M o n a t s h . 8 , 3 7 8 ( 1 8 8 5 ) ;
7 , 4 9 3 ( 1 8 9 6 ) . — GATTEBMAHN, A n n . 2 4 4 , 7 1 (1888). — CIAMICIAN U. SILBEB, B e r . 41*
23,
644
Piperonylsäure,
Orsellinsäure.
Protokatechusäure durch Methylirung, aus Veratrol (s. S. 413) vermittelst der Carbaminsäurechloridsyntliese (S. 531, 623) erhalten werden und entsteht durch Oxydation aus Methyleugenol (S. 434), sowie aus Papaverin, durch Einwirkung von alkoholischem Kali aus Pseudoaconitin, Quercetinmetliyläther etc. Mit Eisenchloi-id giebt sie eine Gelbfärbung. PlperonylsUure1 (Schmelzpunkt 228°) istrdas Oxydationsprodukt des Piperonals (S. 523), Safrols und Isosafrols (S. 435), Cubebins (S. 469) und der Piperinsäure (S. 682) und findet sich.in der Paracoto-Rinde. Aus Protokatechusäure kann sie durch Behandlung mit Alkali und Methylenjodid erhalten werden. In Protokatechusäure geht sie über beim Schmelzen mit Kali oder beim Erhitzen mit Wasser bezw. verdünnter Salzsäure im Rohr; im letzteren Fall wird daneben Kohlenstoff abgeschieden* (vgl. S. 524).
Unter den Dioxyderivaten der B.enzoesäurehomologen verdienen einige Säuren als die Muttersubstanzen von Stoffen Interesse, welche in den Flechten sehr verbreitet sind und deren Kenntniss namentlich durch Untersuchungen von SCHUNCK, STEKHOUSE und von H E S S E gefördert worden ist. Es sind dies Säuren, welche durch Kohlensäureabspaltung Orcin (S. 418) oder /9-Orcin (Xylorcin, S. 420) liefern und daher als Orcincarbonsäuren bezw. /9-Orcincarbonsäure bezeichnet werden können. Eine Orcincarbonsäure ist die Orsellinsäure. Vom Orcin kann eine Dioxy-o-toluylsäure (Formel I) und eine Dioxy-p-toluylsäure (Formel II) abgeleitet werden: CO,H —OH
CHa—^—OH II.
—CO,H
OH
Von der natürlichen Orsellinsäure verschieden ist nun die synthetisch aus Orcin erhältliche Paraorsellinsäure 3 , welche eine ungewöhnlich hohe Dissociationsconstante (K = 4*1) zeigt und daher wahrscheinlich der Formel II entsprechend beide Hydroxylgruppen benachbart zum Carboxyl enthält (vgl. S. 624 und die Tabelle auf S. 640). Der Orsellin1165 (1890). — HEINISCH, M o n a t s h . 1 4 , 4 5 5 (1893). — KÜHN, B e r . 2 8 , 8 1 1 (1895). —
WEGSCHEIDER, Monatsh. 1 6 , 98 ff. (1895). — MODREU, Compt. r e n d . 1 2 2 , 479 (1896). — H . MEYER, M o n a t s h . 2 2 , 4 2 8 (1901). 1 FITTIG U. MIELCK, A n n . 1 5 2 , 40 (1869). — FITTIG u . REMSEN, A n n . 1 5 9 , 139 ( 1 8 7 1 ) ; 1 6 8 , 94 (1873). — HESSE U. JOBST, A n n . 1 9 9 , 6 3 (1879). — EYKMAN, R e e .
trav. chim. 4 , 40 (1885). — POLECK, Ber. 19, 1096 (1886). — POMERANZ, M o n a t s h . 8 , 4 6 8 (1887); 1 0 , 7 8 8 (1889). — CIAMICIAN U. SILBER, B e r . 2 3 , 1160 (1890); 2 5 , 1127 (1892). — RUFE U. MAJEWSKI, B e r . 3 3 , 3 4 0 3 (1900). 2 V g l . a u c h EINHORN, A n n . 3 0 0 , 140 (1898). 8 SENHOFER u . BRÜNNER, M o n a t s h . 1 , 236 (1880). — SCHWARZ, B e r . 1 3 , 1 6 4 3 (1880). — BISTRZYCKI U. v. ICOSTANECKI, B e r . 1 8 , 1986 (1885). — OSTWALD, Z t s c h r . f.
physik. Chem. 3, 254 (1889).
Lecanorsäure, Oyrophorsäure, Erythrin.
645
säure wäre hiernach die Formel I zu ertheilen; sie könnte rationell als l-Methyl-3.5-dioxybenxencarbonsäure (2) bezeichnet werden. Die Orsellinsäure 1 C 8 H 8 0 4 — krystallwasserhaltige Nadeln, welche sich schon beim Kochen der wässerigen Lösung in Kohlensäure und Orcin spalten, bei 176° unter Zerfall in dieselben Produkte schmelzen und in wässeriger Lösung mit Eisenchlorid eine purpurviolette F ä r bung liefern, — findet sich in zahlreichen Flechten (namentlich Roccella-, Leconara- und Variolaria-Arten, vgl. S. 419, 420) theils in Form zweier isomerer dimolecularer Anhydride ( D i o r s e l l i n s ä u r e n ) C 10 H 14 O 7 = 2C 8 H 8 0 4 —H a O) — Lecanorsäure und Gyröpliorsäure — theils in Form eines Erythritäthers — des Erythrins C 20 H 22 O 10 ( = 2C 8 H 8 0 4 + C 4 H 10 O 4 —2H 2 0). Die L e c a n o r s ä u r e 2 bildet weisse krystallwasserhaltige Nadeln f schmilzt bei 166°, giebt in alkoholischer Lösung mit wenig Chlorkalklösung eine blutrothe Färbung und wird durch Kochen mit Eisessig in Orsellinsäure gespalten, während beim Kochen mit Alkoholen die entsprechenden Ester der Orsellinsäure entstehen. Die G y r o p h o r s ä u r e 3 — Nadeln vom Schmelzpunkt 200—202° — verhält sich beim Kochen mit Eisessig oder Alkohol, sowie gegen Chlorkalklösung ebenso. Das E r y t h r i n 4 krystallisirt in wasserhaltigen Nadeln, schmilzt wasserfrei bei 148° und zerfällt heim Kochen mit Alkohol in Orsellinsäureester und „ P i k r o e r y t h r i n " C 12 H 10 O 7 , welch' letzterer beim Kochen mit Baryt in Erythrit und Orsellinsäure gespalten wird; beide Verbindungen besitzen Säurecharakter. Dieses Verhalten findet in den folgenden Formeln für Erythrin und Pikroerythrin seine einfache Deutung:
Erythrin
Pikroerythrin = 1
Erythritätherorsellinsäure.
STENHODSE, A n n . 6 8 , 6 1 ( 1 8 4 8 ) . — LAMPARTER, A n n . 1 3 4 , 2 4 6 ( 1 8 6 5 ) . — HESSE,
A n n . 1 1 7 , 311 ( 1 8 6 1 ) ; 1 3 9 , 35 (1866).
J . p r . [ 2 ] 5 7 , 2 6 8 ( 1 8 9 8 ) . — ZOPF, A n n . 3 0 0 ,
3 3 4 (1898). 2
48,
SCHÜNCK, A n n . 4 1 ,
2 (1843).
—
1 5 8 ( 1 8 4 2 ) ; 5 4 , 2 6 1 ( 1 8 4 5 ) . — ROCHLEDER U. HELDT, A n n .
STENHOUSE,
Ann.
J . pr. [2] 5 7 , 264, 4 1 1 ( 1 8 9 8 ) ,
68,
5 8 , 473,
59
(1Ö48). — HESSE, A n n . 1 3 9 ,
501 (1898);
6 2 , 45 (1900);
24 (1866).
6 3 , 540 (1901).
— ZOPF, A n n . 3 0 6 , 3 0 4 , 3 1 6 ( 1 8 9 9 ) ; 3 1 3 , 3 3 2 ( 1 9 0 0 ) ; 3 1 7 , 1 2 3 ( 1 9 0 1 ) . 3
STENHOUSE, A n n .
462 (1900); 129, 141 4
70,
6 3 , 544 (1901). —
218 (1849). —
HESSE, J . pr. [2] 5 8 ,
ZOPF, A n n . 3 0 0 ,
475 (1898);
332 (1898); 3 1 3 , 323 (1900);
62, 317,
(1901).
SCHÜNCK, A n n . 6 1 ,
64 (1847). —
STENHOUSE,
A n n . 6 8 , 72 (1848);
149,
290
(1869). — HESSE, Ann. 117, 304 (1861); 1 3 9 , 29 (1866). J. pr. [2] 57, 257, 269 (1898); 6 2 , 471 (1900). — LAMPARTER, Ann. 134, 250 (1865).
646
Flechtensäuren, Gkinoncarbonsäuren.
A l s gemischte Anhydride der Orsellinsäure und einer Methylätherorsellinsäure sind wahrscheinlich die Evernsäure und Ramalsliure 1 C„H1607
=
(CH,X0HXCHs.0)C6Hj.C0
0.CsHj(CH,)(0H)-C0jH
aufzufassen. E v e r n s ä u r e (Schmelzpunkt 168—169°) findet sich in Evernia prunastri und wird in Ramalia pollinaria von R a m a l s ä u r e (Schmelzpunkt 179—180°) begleitet. Beide Säuren werden beim Kochen mit Baryt in Kohlensäure, Orcin und EverainsUure (CH,XOHXCH a • OK^H,• CO,H ( M e t h y l ä t h e r o r s e l l i n s ä u r e ) gespalten, welch' letztere bei der Behandlung mit Jodwasserstoff Orcin liefert. ß-Orclncarbonsiiuremethylester * ( C H ^ O H ^ C a H - C 0 2 • CH S (Physcianin, A t r a r s ä u r e , C e r a t o p h y l l i n ) entsteht durch Spaltung aus den Plechtenstoffen Physcion und Atranorin; er krystallisirt in farblosen Prismen, schmilzt bei 143°, sublimirt unzersetzt und färbt sich in alkoholischer Lösung mit etwas Eisenchlorid blauviolett, mit wenig Chlorkalklösung blutroth; durch Behandlung mit Jodwasserstoff liefert er (9-Orcin. — Homolog mit der Evernsäure und Ramalsäure ist die Rhizonsüure 3 C l9 H. i0 O 7 (Schmelzpunkt 185 er), welche in Rhizocarpon geographicum neben anderen Stoffen vorkommt und durch Baryt in Kohlensäure, (9-Orcin und (Methyläther-f?- OrcincarbonRhizonlnsiiure (CH a \(OHXCH s • 0)C a H• CO,H s ä u r e , homolog der Everninsäure) gespalten wird.
Man sollte erwarten, dass diejenigen Dioxysäuren, welche die Hydroxyle in der Para-Stellung enthalten, zu Chinoncarbonsiiuren 4 oxydirt werden können. Der Versuch ist aber bei der Hydrochinoncarbonsäure nicht gelungen, da diese schon beim Erwärmen mit Eisenchlorid Kohlensäure abspaltet und Chinon liefert. Doch hat man die Pseudocumocliinoncarbonsäure ( D u r y l s ä u r e c h i n o n ) 0 -CH8
CH,CH S —
Y
-CO2H
— tief goldgelbe Nadeln von deutlichem Chinongeruch, leicht zum entsprechenden Hydrochinon (Dioxydurylsäure) reducirbar — isoliren können.
Unter den T r i o x y b e n z o e s ä u r e n C 6 H 2 (OH) 3 -C0 2 H = C 7 H e 0 6 finden wir wiederum eine durch natürliches Vorkommen ausgezeichnete
1
(1861).
STENHOUSE, A n n . Ber.
30,
364
68,
(1897).
83 ( 1 8 4 8 ) ; J.
pr.
[2]
155,
55 (1870). —
57,
247 ff. (1898).
HESSE, A n n . 1 1 7 , 298 —
ZOPF, A n n .
297,
300 ff. (1898). 1
HESSE, A n n . 119, 365 ( 1 8 6 1 ) ;
2 8 4 , 188 (1895).
J . p r . [ 2 ] 5 7 , 284, 287, 4 2 2
11898). — PATERNÖ, Gazz. chim. 12, 257 (1882). 3
HESSE, B e r . 3 1 , 664 (1898).
J . p r . [ 2 ] 5 8 , 527 (1898).
NEF, Ber. 18, 3496 (1885). Ann. 2 3 7 , 1 (1886). — Ueber Benzochinondioximearbonsäureester vgl. JEANBENAUD, Ber. 22, 1283 (1889). 4
647
OaUussäure. Säure, die G t a l l u s s ä u r e I h r bmxencarbonsäure (1):
wird die Formel einer
3.4.5-Trioxy-
CO.H
OH—-.
—OH
zugeschrieben, weil sie sowohl aus Bromprotokatechusäure wie aus Brom3-5-dioxybenzoesäure durch Schmelzen mit Kali 2 erhalten werden kann, demnach wahrscheinlich zwei Hydroxyle in der Meta-Stellung und eines in der Para-Stellung zur Carboxylgruppe enthält. Wenn dieser Schluss auch vielleicht nicht ganz zwingend erscheint, weil er sich auf die Kalischmelze (vgl. S. 72, 379) stützt, so ist man doch bei den weiter daraus gezogenen Folgerungen (auch die Stellung der Hydroxyle im Pyrogallol ist daraus abgeleitet) nicht auf Widersprüche gestossen. Gallussäure ist im Sumach, im chinesischen Thee und manchen anderen Pflanzen frei vorkommend gefunden 3 . Ihre besondere Wichtigkeit erlangt sie indess durch das natürliche Auftreten und die gewerbliche Bedeutung ihres Anhydrids (bezw. Anhydrid-Glucosids?) — des unten besprochenen T a n n i n s , aus welchem 3ie leicht durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure oder durch Schimmeln der wässerigen Lösung dargestellt 4 werden kann; auf diesem Wege wurde sie zuerst von S C H E E L E 1786 gewonnen. Sie krystallisirt mit einem Molecül Krystallwasser in glänzenden Nadeln, wird bei 120° wasserfrei und schmilzt 6 oberhalb 220° 1
Ausser den im Folgenden citirten Abhandlungen vgl. noch die folgenden Stellen: PELOUZE, Ann. 10, 1 5 5 ( 1 8 3 4 ) . — STENHOÜSE, Ann. 177, 1 8 9 ( 1 8 7 5 ) . — BARTH u. SCHREDER, Ber. 1 2 , 1 2 5 9 ( 1 8 7 9 ) . Monatsh. 3 , 6 4 9 ( 1 8 8 2 ) . — Y O D N Q , Ztschr. f. anal. Chem. 2 3 , 2 2 7 ( 1 8 8 4 ) . — W I L L U. ALBRECHT, Ber. 1 7 , 2 0 9 8 ( 1 8 8 4 ) . — W I L L , Ber. 21, 2 0 2 2 ( 1 8 8 8 ) . — BÖTTINGER, Ann. 2 5 7 , 2 4 8 ( 1 8 9 0 ) ; 2 6 0 , 3 3 7 ( 1 8 9 0 ) . Cöthener Chem. Ztg. 2 0 , 894 (1896).
Ber. 2 6 , 2327 (1893).
GUIGNET, C o m p t . r e n d . 1 1 3 ,
200 (1891). —
241 (1893); 1 5 ,
783,
904 (1896).
Ztschr. f. physiol. Chem. 2 4 , u . HOLLANDT, A n n .
301,
—
Chem. Centralbl. 1 8 9 7 I, 42. —
BI£TRIX, B u l l . [ 3 ] 7 , 4 1 1 ,
H . SCHIFF, A n n .
115 (1898).
—
KAHL,
1 0 7 ( 1 8 9 8 ) . — CADSSE, A n n .
272,
234 (1892).
Ber. 31,
623 (1892); —
150 (1898). —
ch. [7] 1 4 ,
9,
HARNACK, EINHORN
560 (1898). —
HAM-
Monatsh. 1 9 , 5 9 3 ( 1 8 9 8 ) . — G R I P P I , Chem. Centralbl. 1 8 9 9 I , 4 5 4 . — J E A N , Chem. Centralbl. 1 9 0 0 1, 1 1 0 7 . — H . M A Y E R , Monatsh. 2 2 , 4 3 2 ( 1 9 0 1 ) . — P O W E R u. SHEDDEN, Chem. Centralbl. 1 9 0 1 II, 585. — MAZZARA, Chem. Centralbl. 1 9 0 1 II, 1 0 0 2 ; 1 9 0 2 I, 3 8 . BURG,
2
BARTH
U.
BARTH, A n n . 1 4 ? ,
SENHOPER,
Ber.
247 (1866). —
8,
1484
Anm.
(1875).
MATSHOTO, B e r . 1 1 , 1 4 0
Ann.
164,
118 (1872).
—
(1878).
3 Vgl.: STENHOÜSE, Ann. 4 6 , 9 (1843). — KAWALIEB, Jb. 1 8 5 2 , 683. — SIMMLER, Jb. 1 8 6 1 , 923. — HLASIWETZ U. M A L I N , Ztschr. Chem. 1 8 6 7 , 271; — GRÜTTNER, Aren. f. Pharm. 2 3 6 , 293 (1898). — EASTERFIELD U. ASTON, Journ. Soc. 7 9 , 122 (1901). 4 W I T T S T E I N , Jb. 1 8 5 3 , 4 3 5 . — S T E E R , Jb. 1 8 5 6 , 4 8 2 . — T I E Q H E M , Ztschr. Chem. 1 8 6 8 , 222. 5
ETTI, B e r . 11, 1 8 8 2
(1878).
648
Gallussäure.
unter Zersetzung; sie löst 1 sich in 3 Th. siedendem Wasser, 130 Th. Wasser von 12.5°, 10 Th. abs. Alkohol von 15°, ca. 150 Th. Aether von 15°; Dissociationsconstante 2 K = 0.0040. Bei der trockenen Destillation — auch schon beim Erhitzen mit Anilin 3 auf 120° — zerfällt sie in Kohlensäure und Pyrogallol. Gleich dem Pyrogallol (S. 423) wird sie in alkalischer Lösung schon durch den Luftsauerstoff leicht oxydirt und wirkt auf die Lösungen dei edlen Metalle und FßHLiNG'sche Lösung reducirend. Mit Eisenchlorid 4 - 6 giebt sie je nach der Concentration eine blauschwarze oder mehr grünliche F ä r b u n g (bezw. Niederschlag). Mit Jodlösung giebt sie bei Gegenwart von Salzen eine vorübergehende, schön rothe F ä r b u n g 6 . Fällt man Gallussäurelösung mit Bleiacetat und setzt Kali zu, so entsteht durch Luftoxydation ein carminrother Niederschlag, der mit der überschüssigen Kalilauge eine himbeerrotlie Lösung bildet 7 . Von Leimlösung wird Gallussäure nicht gefällt (Unterschied von Tannin). Beim Erhitzen mit conc. Schwefelsäure giebt sie die „Rufigallussäure" — ein Hexaoxyanthraehinon (vgl. S. 62(3). — Unter den S a l z e n 8 der Gallussäure ist das b a s i s c h e W i s m u t h s a l z 0 (schwefelgelbes Pulver) hervorzuheben, welches unter dem Namen „ D e r m a t o l " als Jodoformersatz seit einigen J a h r e n vielfache arzneiliche Anwendung findet. Ebenfalls als Antisepticum wird basisch gallussaures Wismuthoxyjodid ( „ A i r o l " ) empfohlen 1 , U 1 . Die Gallussäure findet ferner gewerbliche Verwerthung als photographischer Entwickeier, zur Darstellung des Pyrogallols und zur Bereitung mehrerer werthvoller Farbstoffe: des G a l l o f l a v i n s , welches durch Luftoxydation der Gallussäure entsteht 1 2 , des A n t h r a c e n b r a u n s und der G a l l o c y a n i n e 1 3 (s. dort). Dem oben schon erwähnten, natürlich vorkommenden Gallussäureanhydrid (bezw. Gallussäureanhydrid-Glucosid) — T a n n i n 1 4 1 6 ( G a l l u s Bull. 2 9 , ' 2 4 7 (1878). — S K N I I O F K R U . B R U N N E R , Monatsh. 1 , 480 (1880). Ztschr. f. physik. Chem. 3 , 2 5 2 ( 1 8 8 9 ) . 3 4 C A Z E N E U V E , Compt. rend. 114, 1 4 8 5 ( 1 S 9 2 ) . E T T I , Ber. 11, 1 8 8 2 ( 1 8 7 8 ) . 5 W A C K E N R O D E R , Ann. 3 1 , 78 (1839). — K O C H , Arch. f. Pharm. 2 3 3 , 64 (1895). 15 N A S S E , Ber. 1 7 , 1166 (1884). 7 H A R N A C K , Arch. f. Pharm. 2 3 4 , 537 (1896). — S P I C A , Chem. Centralbl. 8 1 9 0 1 XI, 1002. Vgl. B Ü C H N E R , Ann. 5 3 , 187 (1845) 9 Vgl. B. F I S C H E R U . G R Ü T Z N E R , Arch. f. Pharm. 231, 6 8 5 ( 1 8 9 3 ) . — C A U S S E , Compt. rend. 117, 2 3 2 ( 1 8 9 3 ) . 1
BOURGOIN,
2
OSTWALD,
10
HAEGLER,
11
Chem. Centralbl.
1 8 9 6
I,
764.
—
TORELI.I,
ebenda,
1898
I,
857.
Ueber fernere Vorschläge für pharmaccutische Gallussäurepräparate vgl.: L A N D S I I O F F U . M E Y E R , D . R.-Pat.'Nr. 9 3 9 4 2 ; Chem. Centrabl. 1 8 9 7 I I , 1 0 6 4 . — D O E B N E R , D . R.-Pat. Nr. 9 4 2 8 1 ; Chem. Centralbl. 1 8 9 8 1 , 2 2 9 . 12
13
BOHN
U.
GRAEBE,
Ber.
20,
2327
(1887).
Vgl. F R I E D L Ä N D E R , Fortschritte der Theerfarbenfabrikatiou I, S. 267—270; II, S. 158, 1C7—173; III, 360-371. 14 Zur Geschichte vgl. KoscoE-Sciioiu,i:MMi:ii's ausführliches Lehrbuch der Chemie Bd. IV, S. 648 ff. (Braunschweig 1886—1889). 15 Ausser den im Folgenden citirten Abhandlungen vgl. noch: P E L O Ü Z E , Ann.
Tannin.
649
g e r b s ä u r e , G a l l ä p f e l g e r b s ä u r e ) — wurde bis vor kurzem die Formel einer Digallussäure C u H 1 0 0 0 ( = 2 C , H 6 0 5 — H 2 0 ) zuertheilt; neuere Untersuchungen haben indess gezeigt, dass es ein weit complicirter zusammengesetzter Körper ist 1 . Es findet sich im Sumach und den Galläpfeln, welche dyrch den Stich der Gallwespen als krankhafte Auswüchse an Eichenblättern erzeugt werden. Namentlich die asiatischen Galläpfel dienen zur Fabrikation des Tannins, bei welcher sie zunächst einer systematischen Auslaugung entweder mit Wasser oder mit Aether-Alkohol — je nach der gewünschten Qualität des zu erhaltenden Tannins — unterworfen werden; die Lauge wird dann in der Regel nach Entfernung von Beimengungen zur Syrupsdicke eingedampft oder mit alkoholhaltigem Aether ausgeschüttelt und darauf erst concentriert; je nach der mechanischen Verarbeitung während des Trocknens gewinnt man nun das „Schaumtannin" — eine äusserst leichte, lockere, blätterige, fast weisse Masse — oder das „Krystalltannin", welches lange, glänzende, goldgelbe Fäden darstellt, oder endlich Körner bezw. Pulver. In ersteren Handelspräparaten hat das Tannin s c h e i n b a r krystallinisches Ansehen, aber keineswegs wirkliche Krystallstructur. Tannin ist eine amorphe Masse, schmeckt stark zusammenziehend, löst sich in ca. 1 Th. Wasser, in ca. 2 Th. 90 0 / O igem Alkohol, fast gar nicht in reinem, wasserfreiem Aetlier 2 und wird aus der wässerigen Lösung durch verdünnte Salzsäure und Schwefelsäure sowie gewisse Alkalisalze (z. B. Kochsalz) 3 abgeschieden. Ueber die optische Activität s. S. 650—(351. Mit Leimlösung bildet Tanninlösung einen Niederschlag. Mit Jodlösung zeigt Tannin die gleiche Reaction wie Gallussäure (vgl. S. 648). Besonders wichtig ist das Verhalten der Tanninlösung gegen Eisensalze; mit reinen Eisenoxydulsalzen färbt sie sich anfangs nicht, allmählich aber erfolgt durch Luftoxydation Färbung und Bildung eines blauschwarzen Niederschlags; mit Eisenoxydsalzen entsteht sofort ein schwarzblauer Niederschlag von gallusgerbsaurem p]isenoxyd. Auf diesem Verhalten beruht die Anwendung des Tannins bezw. des Galläpfelextracts zur Herstellung der „ E i s e n g a l l u s t i n t e n " 4 , welche im Wesentlichen 1 0 , 145 (1834). —
BÜCHNER, A n n . 5 3 ,
3 5 7 (1845). — MUI.DER, J b . 1 8 4 7 / 4 8 ,
523.
— LÖWE, Ztschr. f. anal. Chem. 11, 365 (1872); 12, 128 (1873). — SCHIFF, Ann. 175, 168 (1874). — STENHOUSE, Ann. 177, 189 (1875). — GUIGNET, Compt. rend. 113, 200 (1891). — SPENCE, Ztschr. f. anal. Chem. 31, 87 (1892). — BÖTTINQER, Ann. 256, 341 (1890). Chem. Centralbl. 1897 1, 42. Cöthcner Chem. Ztg. 20, 984 (1896). — CAZENEUVE, Compt. rend. 116, 698 (1893). — SICKER, Chem. Centralbl. 1896 I, 208. — HARNACK, Arch. f. Pharm. 2 3 4 , 537 (1896). Ztschr. f. physiol. Chem. 24, 118 (1898). — BAUER, Chem. Centralbl. 1897 1, 285. — BAYER & Co. D. R.-Pat, Nr. 92420. Chem. Centralbl. 1897 XX, 509. — GRÜTTNER, Arch. f, Pharm. 236, 299 (1898). — FERNIUCH, Compt. rend. 131, 1214 (1900). — POTITVIN, ebenda 1215. 1
WALDEN, B e r . 3 1 , 3 1 6 7 (1898).
:1
STRECKER, Ann. 9 0 , 361 (1854).
» V g l . LUBOLDT, J b . 1 8 5 9 ,
296.
4 Vgl. über Tinten DAMMER'S Handb. d. chem. Technologie Bd. IV, S. 647 (Stuttgart. 1898).
650
Pharmaceutische
Tanninpräparate.
eine Lösung von Gerbsäure und Eisenvitriol sind; beim Trocknen der Schriftzüge auf dem Papier tritt durch Oxydation Bildung des schwarzen, dem Papier fest anhaftenden gerbsauren Eisenoxyds ein; zur Verlangsamung der Oxydation während des Aufbewahrens im Tintenfass wird etwas freie Säure (Essigsäure, Salzsäure, Indigosulfosäure), zur Verhinderung des Absetzens des Niederschlags Gummi, zur Conservirung etwas Phenol, zur Ertheilung einer provisorischen Färbung häufig etwas Farbstoff zugesetzt. Ausser zur Herstellung von Tinten und von Gallussäure dient das Tannin namentlich der Färberei als Beize für Baumwolle und Seide, ferner der Lederbranche in beschränktem Umfang zum Gerben der thierischen Haut. In der Medicin wird es als adstringirendes Mittel angewendet Um die adstringirende Wirkung im Magen zu verhüten und erst im Darm hervortreten zu lassen, bereitet man neuerdings Tanninverbindungen, aus denen erst durch alkalische Flüssigkeiten das Tannin wieder abgespalten wird, — die für die Behandlung von Darmkatarrhen viel gebrauchten Arzneimittel T a n n i g e n , T a n n a l b i n und T a n n o c o l . Das T a n n i g e n 1 wird aus Tannin durch Behandlung mit Essigsäureanhydrid oder Acetylchlorid gewonnen und besitzt in seiner Handelsform die Zusammensetzung eines Triacetyltannins (berechnet auf die Formel C 14 H 10 O 9 ); das T a n n a l b i n 2 wird durch Fällung von Tannin mit Eiweisslösung und Erhitzen des Niederschlags auf höhere Temperatur erhalten; T a n n o c o l 3 ist eine Verbindung von Tannin mit Leim, die auch zu Injectionen bei Tripper Anwendung findet. Durch Condensation von Tannin mit Formaldehyd gewinnt man das „ T a n n o f o r m " 4 (Methylenditannin C 29 H 20 O 18 ), welches gleichfalls als Darmadstringens, vielfach aber auch äusserlicb — z. B. als Streupulver gegen übermässige Schweissabsonderung und als Wundstreupulver in der Thierarzneibehandlung — angewendet wird. Was die Constitution des Tannins betrifft, so charakterisirt es sich als eine Verbindung, deren Molecül hauptsächlich oder ausschliesslich aus anhydridartig verketteten Gallussäure-Resten zusammengesetzt ist, dadurch, dass es durch Behandlung mit verdünnten Säuren leicht unter Bildung von sehr reichlichen Mengen (95%) Gallussäure gespalten wird. Weitergehende Schlüsse über die Constitution6 zu ziehen, erscheint zur Zeit nicht angebracht, da es sich neuerdings herausgestellt hat, dass auch die reinsten, bisher untersuchten Tanninpräparate nicht als einheitliche Substanzen gelten können. Dies giebt sich dadurch zu erkennen, dass die optische Activität 6 des käuflichen sogenannten „reinen" Tannins BAEYEB & Co., D. K.-Pat. Nr. 78879. Ber. 2 8 Ref., 361 (1895). GOTTLIEB, Chem. Centralbl 1 8 9 6 I, 1206. 3 ALTSCHUL, Chem. Centralbl. 1 9 0 0 1 , 1 1 1 5 (D. R.-Pat. Nr. 108 130); 1 9 0 0 II, 590. 4 MEKCK'S Jahresbericht 1895, 14; 1896, 150; 1899, 148. D. R.-Pat. Nr. 88082. Chem. Centralbl. 1 8 9 6 II, 1016. 5 Vgl. SCHIFF, Gazz. chim. 27 [1], 90 (1897). 6 GÜNTHER, Chem. Centralbl. 1896 1, 154. — SCHIFF, Gazz. chim. 2 5 II, 437 1
S
(1895). — WALDEN, B e r . 3 0 , 3 1 5 1 (1897); 3 1 , 3167 (1898). — ROSENHEIM U. SCHIDBO-
651
Digallussäure, Syringasäure.
einen sehr wechselnden Werth zeigt; aus dem käuflichen Produkt lässt sich als Hauptbestandteil eine Fraction vom Drehungsvermögen [e] 0 = ca. 75° (in 1 °/0 iger wässeriger Lösung) herausarbeiten. Bei dieser Sachlage kann auch die Frage noch nicht als abgeschlossen gelten, ob der Traubenzucker 1 , welchen man bei der Hydrolyse von Tanninpräparaten erhält, der Tanninsubstanz selbst oder einer Beimengung entstammt. Durch Behandlung von Gallussäure mit Phosphoroxychlorid oder in Lösung mit Arsensäure hat H. SCHIFF „ k ü n s t l i c h e D i g a l l u s s ä u r e " 2 erhalten, welche von dem Tannin verschieden ist und den Moleculargewichts-Bestimmungen zufolge wirklich die Formel C 14 H 10 0 9 besitzt. Digallussäure scheint sich auch bei der gemässigten Hydrolyse des Tannins durch verdünnte Säuren zu bilden 3 . In seinem zusammenziehenden Geschmack, der intensiven Färbung mit Ferrisalzen und der Fällbarkeit durch Leim gleicht das Tannin den Stoffen, welche man in Rücksicht auf ihr Vermögen, sich mit thierischer Haut zu verbinden, als „Gerbstoffe" zusammenzufassen pflegt. Weiteres über „Gerbstoffe" s. im vierten Buch. A e t h e r s ä u r e n , welche sich von der Gallussäure ableiten, hat man mehrfach bei der Oxydation von Spaltungsprodukten der Glucoside erhalten. So entsteht eine Dimethyläthergallussäure4 ( S y r i n g a s ä u r e ) , 4Oxy-3.ö-Dimetkoxybenxen-
carbonsäure (1):
GOJH
I
OH
durch Abbau des Syringins (vgl. auch S. 469) sowie der Sinapinsäure (vgl. S. 679); die Stellung ihrer freien Hydroxylgruppe ergiebt sich daraus, dasa durch Oxydation Meta-Dimethoxychinon (S. 452) aus ihr entsteht. D i e T r i m e t h y l ä t h e r - G a l l u s s ä u r e 5 (CH 3 -0)3C a H 2 -C0 2 H wird durch Oxydation des Methyliridols (vgl. S. 669) und WITZ, J o u r n . S o c . 7 3 , —
878,
885 (1898).
Chem. Centralbl.
FLAWITZKY,
Proceedings
1899 I,
o f t h e e h e m . SoC. N r . 2 0 5
— Vgl. auch
327.
KUNZ-KRAUSE,
(1899).
Pharm.
Centraihalle 3 4 , 443 (1898). 1
STRECKER, A n n . 9 0 , 3 3 1 ( 1 8 5 4 ) . —
Ztschr. Chem. 2
1868,
222. —
SCHIFF, A n n . 1 7 0 ,
(1878); 12,
49 (1873).
1576 (1879). —
Ber. 17, 1475
KAWALIER, J b . 1 8 5 8 ,
Compt. rend.
POTTEVIN,
WALDEN,
132,
Ber. 15,
2 5 8 8 (1892). —
Ber.
3167 (1898).
31,
256. —
704
VAN TIEGHEM,
(1902). FREDA, B e r . 1 1 .
— Vgl. auch
2033
BÖTTINOER,
(1884).
8
POTTEVIN,
4
KÖRNER,
Compt. rend. 132, 705 (1901). Gazz.
chim. 1 8 , 215 (1888). —
GADAMER,
Ber.
30,
2333 (1897).
—
POWER, Chem. Centralbl. 1 9 0 1 II, 725. 5
WILL,
Ber.
21,
DE LAIRE U. T I E M A N N , (1894). — 3010
2022
Ber.
BIQNAMI U. TESTONI,
(1901).
(1888).
26,
2019,
—
KÖRNER,
2024
Gazz. chim.
Gazz.
(1893). —
3 0 I,
chim.
18,
ARNSTEIN,
247 (1900).
—
216
(1888).
Monatsh.
HEFFTER,
—
15,
295
Ber.
34,
652
Stellungsisomere
der
Gallussäure.
des Alkaloi'ds „Mezcalin" — einea Trimethoxybenzylmethylamins (CH a • 0)jC s H, • CH 2 • N H - C H j — gebildet und kann leicht durch Methylirung der Gallussäure gewonnen werden. Kino'1'n 1 C 1 4 H 1 S 0 4 , ein im Malabar-Kino vorkommender krystallisirter Körper, spaltet sich beim Erhitzen mit Salzsäure in Gallussäure, Methylchlorid und Brenzkatechin und gehört demnach zu den Aethern bezw. Estern der Gallussäure. Da aus der Gallussäure durch Kohlensäureabspaltung das Pyrogallol (S. 423) entsteht, so ergiebt sich für dieses die Nachbärstellung der drei Hydroxylgruppen. Durch Erhitzen des P> rogallols mit Ammonium- oder Kalium-Bicarbonat (s. S. 623) entsteht nun eine von der Gallussäure verschiedene Pyrogallolcarbonsllure 2 , 3 (K = 0.55), welcher mithin die Structur einer 2.3.4-Trioxybenz.encarbonsäure (1): C0 2 H
zukommt. Durch die gleiche lleaction entsteht aus dem Phloroglucin (S. 425) die PhloroglucincarbonsUure 3-4 oder 2.4.6-Trioxybenxencarbonsäure (1) (K = ca. 2-10): CO2H
I
OH
welche schon durch Kochen mit Wasser wieder vollständig in Phloroglucin und Kohlensäure gespalten wird. Der Trimethyläther einer Oxyhydrochinoucarbonsiiure — 1.3.4 Trimethoxybenxencarbonsäure(?) — ist die durch Oxydation des Asarons entstehende A s a r o n s ä u r e s (CH 3 • 0) 3 C 6 H 2 • C 0 2 H (vgl. S. 436). D i m e t h y l m e t h y l e n ä t h e r einer TetraoxybenzoSs&ure — und zwar der 2.3.4.5-Tetraoxybenxencarbonsäure (1): CO a H
I
OH 1
E T T I , - B e r . 11, 1879
u. — v.
.* BRUNNER 2 1 0 0 (1884). (1887). —
Monatsh. 1 , 4 7 4 Ber. 1 8 , 3 2 0 5
KOSTANECKI,
WILL, B e r . 21, 2023
OSTWALD,
4
W I L L U. ALBRECHT,
Monatsh.
IO,
724
Ber. 17, (1887).
Monatsh. 2 2 , 2 1 7 ( 1 9 0 1 1 . — H . Chem. Centralbl. 1 9 0 2 I, 312. 5
(1880). —
WILI.
u.
ALBBECHT,
( 1 8 8 5 ) . — LIPI>MANN,
Ber.
17,
IO,
622
Monatsh.
(1888).
Ztschr. f. physik. Chem.
3
SKRAUP,
(1878).
SENHOFEH,
3, 250
(1889).
2103 (1884). — —
MEYER,
HERZIO
Monatsh.
U.
WILL, B e r . 1 8 , WENZEL,
Ber.
2 2 , 793 (1901). —
RIZZA U. BOTLEKOW, B e r . 2 0 R E F . , 2 2 3 ( 1 8 8 7 J . —
WILL,
1323 (1885).
32,
3541
—
(1899).
ODDO U. MANUELI,
Ber. 21, 615
(1888).
653
Apiolsäuren. I
y°\\
— sind die beiden isomeren A p i o l s ä u r e n 1 ( C H s - 0 ) J CH,IC 6 H-C0 s H
(vgl.
S. 437), welche einerseits aus Petersilienapiol, andererseits aus Dillölapiol durch Oxydation entstehen.
Im Vorhergehenden haben wir häufig das Entstehen der Monoxy-, Dioxy-, Trioxy- und Tetraoxy-Benzoesäuren bezw. ihrer Aether durch Oxydation natürlicher Produkte zu verzeichnen gehabt. Wir erkennen aus diesen Erfahrungen, dass die Complexe: OH-C6H4-C^
(OH)2CSH8.C^
(OH)3C6Ha.C^
(OH^C.H-C^
durch den Lebensprocess in vielen Pflanzen gebildet werden.
Derivaten
der PentaoxybenzoSsäure: (OH) 6 C 6 -COjH
ist man indessen noch niemals bei dem Studium der Pflanzenstoffe begegnet. Und auch die Synthese hat uns bisher nicht die Kenntniss dieser vollständig hydroxylirten Benzoesäure vermittelt.
III. Oxyderirate der mehrbasischen Kerncarbonsänren. Die einfachsten hierhergehörigen Säuren sind die sechs der Theorie nach möglichen und sämmtlich bekannten Oxyphtalsäuren (Oxybenxendicarbonsäurm) C 6 H 3 (0H)(C0 2 H) 2 :
x
CO,H
x
CO,H
CO a H
I
I—CO.H
III.
II.
^
—OH
-OH
—CO,H
I
OH 4-Oxyphtalsäure 3 , 4-Oxybenzendicarbonsäure(1.2)
3-Oxyphtalsäure S-Oxybenzendicarbonsäure(1.2)
1
2-Oxyisophtalsäure 4 , 2- Oxybenzendicarbonsäure(1.3)
CIAMICIAN u. SILBEB, B e r . 2 1 , 1 6 2 1 , 2 1 3 1 ( 1 8 8 8 ) ; 2 9 , 1 8 0 5 ( 1 8 9 6 ) . — BARTOLOTTI,
B e r . 2 5 H o f . , 9 0 8 ( 1 8 9 2 ) . — ANQELI, G a z z . c l i i m . 2 2 , [2] 3 0 ( 1 8 9 2 ) . 2
MILLER,
Ann.
208,
247 (1881). —
0 . JACOBSEN, B e r . 1 6 ,
1965 (1883).
—
STOKES, A m . e h e m . J o u r n . 6 , 2 8 2 ( 1 8 8 5 ) . — BEBNTHSEN U. SEMPER, B e r . 1 9 , 1 6 5 ( 1 8 8 6 ) ; 2 0 , 937 (1887). 3
BAEYER, B e r . 1 0 ,
1 0 7 9 ( 1 8 7 7 ) . — MILIEU,
2 3 7 ( 1 8 8 1 ) . — SCHALL, B e r . 1 2 ,
B e r . 11, 1 1 9 1 ( 1 8 7 8 ) .
Ann.
208,
8 3 3 (1879). — 0 . JACOBSEN, B e r . 1 4 , 4 2 (1881).
—
GRAEBE, B e r . 1 8 , 1 1 3 0 ( 1 8 8 5 ) . — R £ E , A n n . 2 3 3 , 2 3 2 ( 1 8 8 6 ) . — FRITSCH, A n n . 2 8 6 , 2 4 (1895). 4
TIEMANN U. EEIMEB, B e r . 1 0 , 1 5 7 0 ( 1 8 7 7 ) . —
HASSE, B e r . 1 0 , 2 1 9 4 ( 1 8 7 7 ) . —
SCHALL, B e r . 1 2 , 8 3 2 ( 1 8 7 9 ) . — HXHLE, J . pr. T2I 4 4 , 7 ( 1 8 9 1 ) .
654
Oxyphtalsäuren. CO.H
CO.H
IV. —CO.H
OH
4-Oxyisophtalsäure 4-Oxybenzendicarbonsäure(1.3)
OH-
—OH
VI.
V.
-CO.H
I 5-Oxyisophtalsäure *, 5-Oxybenzendicarbon-
Oxy terephtalsäure *, 2-Oxybenzendicarbonsäure(1.4)
säure(l.S) Sie sind theils aus den P h t a l s ä u r e n durch Nitrirung, Amidirung und Diazotirung: C.H/CO.H), ->- C.H.iNO.JCCO.H), ->- C0H,(NH1XCOJH), —»- C.H.COHXCO.H),, theils aus den X y l e n o l e n durch Oxydation der Methylgruppen gewonnen worden, welch' letztere sich durch directes Schmelzen mit Kali oder derart bewirken lässt, dass man die Aether der Xylenole mit Kaliumpermanganat oxydirt und die so entstehenden Alkoxyphtalsäuren durch Erhitzen mit Chlorwasserstoff oder Jodwasserstoff entalkylirt: OH.C6H,(CH,)1 CH3 • 0 • C6H3(CH,)j — CH3.0-C,Ha(C0sH)2 —>• 0H.C6H8(C02H)J; die intermediäre Einführung der Alkylgruppe in das Phenolhydroxyl hat hierbei den . Zweck, die Oxydation vom Benzolkern, der bei Gegenwart einer freien Hydroxylgruppe gegen Oxydationsmittel empfindlich ist, abzulenken (vgl. auch S. 366). Von den X y l o l s u l f o s ä u r e n kann man durch Oxydation der Sulfaminsäuren mit Permanganat zu Sulfaminphtalsäuren gelangen, die in der Kalischmelze Oxyphtalsäuren geben: NH,.SOs-CaH8(CHs)i —»- NH,.SOJ-C6H3(CO,H)1 —>- OH-CACCOjH^. Von den O x y b e n z o e s ä u r e n führt sowohl die KoLBE'sche Synthese wie die Tetrachlorkohlenstoffreaction (S. 624) zu Oxyphtalsäuren; auch kann man zunächst mittels der REiMER-TüEMANN'schen Oxyaldehydreaction (S. 516) Aldehydooxybenzoesäuren darstellen und diese dann — am besten durch gelindes Schmelzen mit Aetzkali — oxydiren: OH-C.H^COjH) — OH • C6H3(CHOXCO,H) —OH-C.H.CCO.HXCO.H). 1 Vgl. Anm. 4 S. 653. O S T , J . pr. [2] 1 4 , 93 (1876); 1 5 , 301 (1877). — KIPPENBEBQ, J . pr. [2] 1 0 , 428 (1877). — 0 . JACOBSEN, Ber. 1 1 , 377, 899 (1878). — REMSEN U. I I E S , Ber. 1 1 , 580 (1878). Am. ehem. Journ. 1, 131 (1879). — BARTH U. SCHREDEB, Monatsh. 3 , 803 (1882). — LÖWENHERZ, Ber. 2 5 , 2796 (1892). 3 B . BEYER, J . pr. [ 2 ] 2 5 , 5 1 5 ( 1 8 8 2 ) . — SCHREDER, Monatali. 1, 4 3 7 ( 1 8 8 0 ) . — J
HEINE, B e r . 1 3 , 4 9 4 ( 1 8 8 0 ) . —
LÖNNIES, B e r . 1 3 , 7 0 3 ( 1 8 8 0 ) .
Ber. 1 0 , 145 (1877). — 0. JACOBSEN, Ber. 1 1 , 571 (1878). — SCHALL, Ber. 1 2 , 832 (1879). — BARTH U. SCHREDER, Ber. 1 2 , 1260 (1879). — F I S C H U , Ber. 1 2 , 621 (1879). — HALL U. REMSEN, Ber. 1 2 , 1433 (1879). — SCHREDER, Monatsh. 1, 439 (1880). — OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 377 (1889). — BAEYER U. TÜTEIN, Ber. 2 2 , 2178 (1889). — HXHLE, J . pr. [2] 4 4 , 14 (1891). — SMITH, Ztschr. f. physik. Chem. 2 5 , 245 (1898). — WEQSCHEIDER U. BITTNER, Monatsh. 2 1 , 646 (1900). 4
BÜRCKHARD,
m- Oxyuviiinsäure
(a- Goccinsäure).
655
Da die einzelnen Monooxyphtalsäuren kein besonderes Interesse bieten, so genüge hier die Andeutung ihrer meistbenutzten Bildungsreisen. Bezüglich ihres Verhaltens sei nur hervorgehoben, dass die Derivate der Ortho-Phtalsäure (I u. II) im Gegensatz zu den übrigen /CO\ durch die Fähigkeit zur inneren Anhydridbildung ausgezeichnet sind, sowie dass die Säuren I, HI, IV und VI als OrthoOxysäuren mit Eisenchlorid intensive (kirschrothe bis violettrothe) Färbungen liefern (vgl. S. 626), während die Säuren I I und V, deren Molecül eine Ortho-Combination von Hydroxyl und Carboxyl nicht aufweist, mit Eisenchlorid nur weit weniger auffällige Gelbfärbung zeigen. Unter den Homologen der Monooxyphtalsäuren ist die sogenannte m - O x y u v i t i n s ä u r e 1 \l-Me(hyl-5-Oxy-bmxendicarbonsäure(2.4)~\ CO,H
CH,—
-00,13
OH
erwähnenswerth, da sie durch Synthese aus aliphatischen Verbindungen zugänglich ist O P P E N H E I M und P F A F F erhielten diese Säure zuerst durch Einwirkung von Chloroform auf Natracetessigester. Durchsichtiger ist der Verlauf der Synthese in der Form, welche ihr später C L A I S E N gegeben hat, indem er Ortho-Ameisenäther mit Acetessigester condensirte: C2H5 • 0 • CO • CH2 • CO • CH3 QA-O.CO-O.OO.CH. = 3CjH6*OH + CH C,H5CO,CH CH-CO,C,H,
1
J
OH c.
C,H5CO,< IV.
/CO
C'CO« • C.H«
1
c,h5.co,c
II
Co He ' CO« ,-c
V.
g-co 2 -c,h 5
C-co,-C,h 6
i
II
c 2 h 5 -co,-c
cco,c,h5
oh
umgekehrt geht er durch Oxydation in das Chinonderivat (V), durch Reduction leicht in das Hexamethylenderivat (III) über, zu welch' letzterem er mithin in dem gleichen Verhältniss steht, wie DioxyterephtalsSureester zu Succinylobernsteinsfiureester (S. 657—658). DerChinontetracarbonsäureester — goldgelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 148—149° — wird auf dem folgenden Wege vom Durol (S. 102) aus erhalten:
CH.—
-CH.
CH,-
-CH,
CH a Oxydation
NO»
>-
Nitrirung
CH,-
—CH,
C,H5CO,
PO xi
CH S -
Oxydation u. Esterificirung
—CO,-C,H 5
NO,
NO, NH,
Reduction
0
-co,c,h6
C,H5 • CO,— c,h5.co2-
CO» • C,!h5
CO,-,
-C0 2 -C,H r>
l0n
Gins • CO,—i
—COj • CjHJ
C,H„.CO,-l Ujijg
—CO» • C.H.
NH»
V
der Diketohexamethylentetracarbonsäureester entsteht aus der Dinatriumverbindung des Acetondicarbonsfiureesters (Bd. I, S. 990) durch Einwirkung von Jod: C„H, • C0 2 • CHNa • CO • CHNa • C0 2 • C 2 H, + 2Jj C2HS • CO, • CHNa • CO • CHNa • CO, • C2H5 = 4NaJ +
C2H5 • CO, • CH • CO • CH—CO, • C,H5
C,H, • CO, • CH • CO • CH—C02 • C,H5
663
Oxyphenylessigsäuren.
Durch Verseifung des Hydrochinontetracarbonsäureesters gelingt es zwar, die freie Hydrochinontetracarbonsäure, welche beim Erhitzen ein Dianhydrid bildet und bei der Einwirkung von Brom und Wasser in Bromanil übergeht, zu gewinnen. Die freie Chinontetracarbonsäure konnte aber weder durch Verseifen ihres eigenen Esters noch durch Oxydation der Hydrochinontetracarbonsäure erhalten werden (vgl. S. 659).
IV.
Oxyderivate der Carbonsäuren, welche Carboxylgruppen in gesättigten Seitenketten enthalten.
Die denkbar einfachsten Phenolcarbonsäuren dieser Gruppe sind die drei stellungsisomeren Oxyphenylessigsäuren OH-CgH^-CHj-COjH. Unter ihnen ist die Ortho-Säure 1 (Schmelzpunkt 144—145°, ziemlich leicht in Wasser löslich, mit FeCl3 sich violett färbend), welche aus Isatin (vgl. S. 723) durch die folgenden Zwischenstufen erhalten wird: /CO. C„H4 < >00 \NH/
(Einw. von KOH)
>• Reduction mit Na-Amalgam
/CO-CO.H CaH4< \NH,
yCH(OH)- CO,H C6H4
C,H4
CeH, • CH, • CH(OH) • CH(OH) • CH, • CO,H MK vereinbar, denen für die «-Hydropiperinsäure die beiden Möglichkeiten: C H , / 0 />°« H » • CH: CH • CH, • CH, • CO,H und C H , / N>C„Hs CH, CH:CH CH, CO,H mk entsprechen. Die zweite Formel hat den grösseren Grad von Wahrscheinlichkeit für sich, da bei ihrer Annahme die Umlagerung der a - in /S-Hydropiperinsäure durch Alkali als ein specieller Fall des allgemein unter diesen Bedingungen beobachteten Ueberganges von ß-y- in «-^-ungesättigte Säuren (vgl. Bd. I, S. 494—495, 508, 696; Bd. II, Th. I, S. 699) erscheint. Auch ist die erste Formel aus dem Grunde unwahrscheinlich, weil für eine Säure dieser Constitution in Rücksicht auf das Verhalten der /S-Benzylidenpropionsäure (S. 615) eine so leichte Verschiebung der Doppelbindung durch Alkali nicht zu erwarten ist. Es ist demnach für die a - Hydropiperinsäure die Formel CH 2 < ;C6H3 • CH2 • CH: CH-CHJ • CO,H zwar noch nicht ganz sicher V bewiesen, aber doch bei Weitem die wahrscheinlichste 1 . Nimmt man ' Durchaus analog liegen die Verhältnisse bei den P h e n y l p e n t e n s ä u r e n CnH.,0,, welche aus der Cinnamenylakrylsäure (S.617) C 6 H 6 CH:CH-CH:CHCO,H, die ja als Stammsubstanz der Piperinsäure angesehen werden kann, entstehen (vgl.: FITTIQ U. E. MAYER, Ann. 208 , 50 (1892). — FITTIO u. STEHN, ebenda 86, 92. — FITTIG U. TH. HOFFMANN, Ann. 283, 308 (1894). — FITTIO U. PERBIN, ebenda 318. — FITTIO U. E. MAYER, ebenda 337). Das Verhalten der durch Reduction zunächst gebildeten Säure schliesst sich zwar ganz dem Verhalten von Säuren, die als ß-yungesättigte Säuren sicher erkannt sind, an, bietet aber kein durchaus entscheidendes Argument zur Auswahl zwischen den Formeln 1) und 2): 1) C,H 6 CH:CH-CH,CH,CO,H 2) C 6 H 5 .CH,-CH:CHCH,CO,H; durch Umlagerung mit Natronlauge entsteht aus ihr eine Säure, für welche die Formel 3): 3) CeH6 • CH2 • CH, • CH: CH • CO,H auf Grund ihres Verhaltens nicht zweifelhaft sein kann. Die Formel 1) wird für die direct entstehende Hydrocinnamenylakrylsäure auch dadurch unwahrscheinlich, dass eine neuerdings synthetisch erhaltene Säure, welcher nach ihrer Bildungsweise sicher die Structur der Formel 1) zukommt, andere Eigenschaften und anderes Verhalten zeigt [FICHTER U. BAUER, Ber. 31, 2003 (1898)]; da indess jede der obigen Formeln zwei raumisomere Configurationen zulässt, so wird auch durch die Entdeckung dieser dritten Säure die Frage nicht zum endgültigen Abschluss gebracht.
685 diese F o r m e l an, so erscheint die Bildung der a-Hydropiperin säure aus Piperinsäure als das älteste Beispiel jener merkwürdigen, anscheinend allgemein gültigen E r s c h e i n u n g 1 (vgl. Bd. I , S. 518, 6 9 6 ; ferner im Abschnitt C des 2. B u c h s die Hydroderivate der Terephtalsäure), dass bei einem System benachbarter Doppelbindungen ( „ c o n j u g i r t e s System"): X I I / \ c = c - c = c ^ die Addition von 2 H - A t o m e n nicht an einer einzelnen Doppelbindung, sondern an den E n d e n des Systems unter A u f h e b u n g beider Doppelbindungen und E r z e u g u n g einer neuen in der Mitte: \CH-C=C-CHc W | Br
C/H MI Br / H C< | \H * Br
Durch das oben hervorgehobene Verhalten eines Systems conjugirter Doppelbindungen wird man nun zu der weiteren Annahme geführt, dass bei directeT 1
V g l . : BAEYER, A n n . 2 5 1 , 2 7 8 (1889). — BAEYER u . RUPE, A n n . 2 5 6 , 1 (1889). — FITTIO, B e r . 2 4 , 8 5 (1891). — ERLENMEYER j u n . , A n n . 3 1 6 , 4 3 (1901). — V g l . d a g e g e n : DOEBNER, B e r . 3 5 , 1140 (1902). s A n n . 3 0 6 , 87 (1899).
Conjugirte Systeme von Doppelbindungen.
686
Nachbarschaft zweier Doppelbindungen die inneren Partialvalenzen sich ausgleichen können, was durch das Schema R
R >c R/ 1
R
| | c — c 2
XR c< Ml
3
4
ausgedrückt werden kann. Es ist dadurch zwischen den Kohlenstoffatomen 2 und 3 gewissermaassen auch eine Doppelbindung entstanden, welche aber von den gewöhnlichen Doppelbindungen sich durch das Fehlen von unbefriedigten Partialvalenzen an den betheiligten Atomen unterscheidet, daher an diesen Atomen kein Additionsbestreben bedingt und demgemäss als „ i n a c t i v e " Doppelbindung bezeichnet werden kann. Unbefriedigte Affinitätsbeträge sind im obigen System nur an den Kohlenstoffatomen 1 und 4 vorhanden; an diesen Stellen erfolgt mithin die Addition; durch die Addition aber werden an den Kohlenstoffatomen 2 und 3 die AfGnitätsbeträge frei, welche vorher durch die Doppelbindungen nach 1 und 4 beansprucht waren, und es geht mithin die inactive Doppelbindung in eine gewöhnliche active, mit Partialvalenzen versehene Doppelbindung über: R. R/ Vom
>C
:
R | C
R
R | 0
,R C(
: \R
stereochemischen
+
H,
Standpunkte
aus
B \ | R 7C—C
=
IV
haben
R I / R C - C( R . MI
KNOEVENAGEL
1
und
EBLEN-
!
MEYER j u n . das Verhalten conjugirter Doppelbindung discutirt. Auf Grund der TMELE'schen Anschauungen kann man auch ein Verständniss für die oben beim Beispiele der Hydropiperinsäure von Neuem erwähnte Tendenz der jä-y-ungesättigten Säuren zum Uebergang in «-^-ungesättigte Säuren gewinnen. In den ersteren sind zwei Doppelbindungen — eine zwischen C und C, die zweite im Carboxyl zwischen C und O — durch ein Methylenradieal getrennt: H \
I
C
OH CHS
I
C
O ,
demnach v i e r Partialvalenzen frei; in den letzteren dagegen sind Doppelbindungen benachbart: H H OII Rv I I I > c — C CH(OH)-SOsNa entsteht, saugt die letztere scharf ab, wäscht sie mit Wasser, dann mit Alkohol und endlich mit Aether, verrührt sie darauf mit wenig Wasser zu einem dicken Brei und fügt eine Lösung von 12 g Cyankalium in 15 g Wasser zu. Nach kurzer Zeit ist die Bildung des öligen Mandelsäurenitrils erfolgt, das man nun durch Ausäthern und Wiederverdampfen des Aethers dem Reactionsgemisch entzieht. Zur Verseifung dampft man es mit dem 3—4 fachen Volum concentrirter Salzsäure bis zur beginnenden Krystallabscheidung auf dem Wasserbade ein. Den Rückstand nimmt man mit Wasser auf, filtrirt von eventuell noch suspendirtem Oel ab und schüttelt mehrmals mit Aether aus. Die beim Verdampfen des Aethers zurückbleibende, auf dem Wasserbade getrocknete Mandelsäure reinigt man durch Krystallisation aus Benzol.
Von sonatigen Bildungsweisen der Mandelsäure ist erwähnenswerth die Entstehung durch Einwirkung von Alkali auf Benzoylformaldehyd3 (vgl. S. 496): C,H 5 CO.CHO + HsO = C6H6 • CH(OH) • CO • OH;
REISSERT u. KAYSER, B e r .
2 3 , 3701
E . FISCHE» u. SPEIER, B e r . 2 8 , 1
(1890).
— WALDEN, B e r . 2 8 ,
1295 (1895).
3 2 5 4 ( 1 8 9 5 ) . — I L MEYEK, M o n a t s h . 2 2 , 4 4 1
A n n . 4 , 2 4 6 ( 1 8 3 2 ) ; 1 8 , 3 1 0 ( 1 8 3 6 ) . — V g l . d a z u LIEBIG, A n n . 1 8 ,
—
(1901).
319.
* LUQININ U. NAQUET, A n n . 1 3 9 , 2 9 9 ( 1 8 6 6 ) . — WALLACH, A n n . 1 9 3 , 3 8 ( 1 8 7 8 ) .
— PAPE, Cothener Chem.-Ztg., 20, 90 (1896). 8
(1889).
v . PECHMANN, B e r . 2 0 , 2 9 0 5 ( 1 8 8 7 ) . — MULIER U. V. PECHMANN, B e r . 2 2 , 2 5 5 8
689
Para-Mandelsäure.
auf die gleiche Reaction zurückzuführen ist die Umwandlung von Dibromacetophenon C 6 H 6 -CO-CHBr 2 in Mandelsäure durch Kalilauge 1 . Aus Phenylglyoxylsäure C e H 6 C 0 - C 0 2 H (S. 721—722) entsteht Mandelsäure, wie vorauszusehen, durch Reduction mit Natriumamalgam 2 ; dieser Process ist wichtig für die Gewinnung von Kernhomologen der Mandelsäure, da die Kernhomologen der Phenylglyoxylsäure leicht zugängliche Verbindungen sind (vgl. S. 490, 719—721). Die Mandelsäure enthält ein asymmetrisches Kohlenstoffatom: C6 H5 • CH(OH) • C0 2 H. Die Verbindung, welche nach den eben besprochenen Bildungsweisen synthetisch gewonnen wird, ist natürlich inactiv; sie stellt eine racemische 3,4 Modification dar, welche man zur Unterscheidung von den optisch activen Modificationen (s. u.) auch als „ P a r a - M a n d e l s ä u r e " bezeichnet. Sie krystallisirt gut aus Benzol, schmilzt bei 118—119°, siedet unter 8 mm Druck fast unzersetzt bei ca. 200° und löst sich bei 20° in ca. 6 Th. Wasser; K = 0.043. Zur Spaltung 4,6 der Para-Mandelsäure konnte von den drei classischen Methoden, die P A S T E U H zur Zerlegung der Traubensäure gebrauchte (vgl. Bd. I, S. 808), die erste — auf dem freiwilligen Zerfall eines Salzes in die entgegengesetzten, durch hemiedrische Flächen sich kenntlich machenden Formen beruhend — bislang nicht nutzbar gemacht werden. Wohl aber fuhren die beiden anderen zum Ziele, wie zuerst L E W K O W I T S C H zeigte. Aus einer wässrigen Lösung des Cinchoninsalzes der inactiven Säure krystallisirt zunächst rechtsmandelsaures Cinchonin; und es gelingt leicht 4 , sich auf diesem Wege Rechtsmandelsäure zu verschaffen; aus der Mutterlauge kann man linksmandelsaures Cinchonin gewinnen. Lässt inan in einer, mit Nährsalzen versetzten Lösung der inactiven Säure sich eine Cultur von Penicillium glaucum entwickeln, so wird der linksdrehende Theil vom Pilz verzehrt, während der rechtsdrehende übrig bleibt Diesen Spaltungsmethoden haben neuerdings M A B C K W A L D und M A C K E N Z I E eine neue hinzugefügt, welche von grossem theoretischen Interesse ist. Sie veresterten racemische Mandelsäure unvollständig mit einem optisch activen Alkohol — dem 1-Menthol — und fanden, dass der unveresterte Theil linksdrehend ist; es ergiebt sich daraus, dass die d-Mandelsäure sich rascher mit dem 1-Menthol verestert als die 1-Mandelsäure. Vergegenwärtigt man sich, dass die beiden Ester, welche aus einem und demselben optisch activen Alkohol mit der d- und 1-Säure entstehen, in den räumlichen Entfernungen der einzelnen Molecültheile von einander erhebliche Unterschiede zeigen müssen, so erscheint von 1
ENQLER U. WÖHRLE, B e r . 2 0 , 2 2 0 1 (1887). CLAISEN, B e r . 1 0 , 8 4 7 (1877). 3 V g l . : WALDEN, Ber. 2 9 , 1 7 0 0 (1896). — ADRIANI, Ztschr. f. p h y s i k . C h e m . 3 3 , 4 6 8 (1900). — SCHLOSSBERO, B e r . 3 3 , 1086 (1900). 1
4
BIMBACH, Ber. 3 2 , 2 3 8 5 (1899). LEWKOWITSCH, B e r . 1 0 , 1 5 6 8 , 2 7 2 2 (1883). — W . MARCKWALD U. MAC KENZIE, Her. 3 2 , 2 1 3 0 ( 1 8 9 9 ) ; 3 4 , 4 6 9 (1901). — MAC KENZIE, J o u r n . S o e . 7 5 , 9 6 4 (1899). 5
V. MBYBK O. JACOBSON, org. Cliem. II.
44
( M ä r z 02.)
690
Active
Mandelsäurcn.
vornherein eine Verschiedenheit in der 'Bildungsgeschwindigkeit des einen und des anderen zu erwarten. Der obige Versuch bestätigt diese theoretische Voraussicht. Schon bevor indess die Spaltung der Para-Mandelsäure gelungen war. hatte man Linksmandelsäure aus einem optisch activen Naturprodukt dem Amygdalin — gewonnen \ Die Spaltung dieses Glucosids (vgl. Bd. I, S. 1000; s. auch oben; Näheres s. im 4. Buch) geht bei der Einwirkung von rauchender Salzsäure nicht so weit wie bei der Einwirkung des Emulsins; zwar wird der Zucker abgespalten, aber Benzaldehyd und Blausäure bleiben mit einander vereinigt als Benzaldehydcyanhydrin, das durch die verseifende Wirkung der Salzsäure in Mandelsäure übergeführt wird. Die so erhaltene Mandelsäure erweist sich als Linksmandelsäure, die auf diesem Wege sehr leicht zu beschaffen ist. Man hat auch Versuche* gemacht, auf synthetischem Wege direct zu activer Mandelsäure zu gelangen: Phenylglyoxylsäure (S. 721 — 722) wurde unter Bedingungen reducirt, welche eine erhöhte Tendenz zur Bildung einer der beiden enantiomorphen Formen nicht ausgeschlossen erscheinen Hessen (Reduction im elektromagnetischen Felde, Reduction bei Gegenwart einer activen Substanz). Doch führten diese Versuche stets zur inactiven Säure. Auch nach längerer Belichtung einer Lösung von inactivem mandelsauren Kalium durch Sonnenlicht 3 konnte Activirung nicht festgestellt werden.
Die beiden activen Mandelsäuren schmelzen bei 133.8° (corr.) und lösen sich bei 20° in ca. 12 Th. Wasser. Sie unterscheiden sich also von der inactiven Säure durch höheren Schmelzpunkt und geringere Löslichkeit, während die activen Weinsäuren von der Traubensäure sich gerade in entgegengesetztem Sinne bezüglich dieser Eigenschaften unterscheiden (vgl. Bd. I, S. 808). Dass die inactive Mandelsäure indess ein wirklicher „Racemkörper" — d. h. eine V e r b i n d u n g der Links- und Rechts-Säure — und nicht nur ein Gemenge von gleichen Theilen der beiden activen Säuren ist, ergiebt sich daraus, dass ein Gemisch von inactiver Säure und d-Säure niedriger schmilzt als die reine inactive Säure und dass es gegenüber letzterer eine grössere Löslichkeit (unter Erzeugung einer activen Lösung) zeigt 4 . Die Drehung 5 der reinen activen Säuren beträgt + bezw. —157° bei 20° für 4°/ 0 ige wässrige Lösungen und Natriumlicht. Durch Erhitzen für sich auf 160° oder durch Kochen mit Kalilauge können die activen Säuren in die inactive Säure übergeführt — „racemisirt" — werden 6 . 1
LEWKOWITSCH, Ber. 16, 1565 (1883). — Vgl. WÖHLER, Ann. 6 6 , 240 (1848). BOYD, Einige Versuche zur Bildung von Verbindungen mit asymmetrischen Kohlenstoffatomen (Dissertation. Heidelberg 1896). 1
S
ULPIANI u. CONDELLI, G a z z . c h i m . 3 0 , I , 3 5 9 (1900).
4
Theoretisches über die Benutzung von „Löslichkeit und Schmelzpunkt als Kriteria für racemische Verbindungen, pseudoracemische Mischkryetalle und inactive Conglomerate" s. BAKHUIS-ROOZEBOOM , Ztschr. f. physik. Chem. 2 8 , 494 (1899). 5
WALDEN, Ztschr. f. p h y s i k . C h e m . 1 7 , 7 0 6 ( 1 8 9 5 ) ;
B e r . 3 0 , 2 8 9 2 (1897).
RIMBACH, Ztschr. f. p h y s i k . C h e m . 2 8 , 2 5 1 ( 1 8 9 9 ) ; B e r . 3 2 , 2 3 8 7 6
—
(1899).
LEWKOWITSCH, Ber. 16, 2721 (1883). — HOLLEMAN, Ree. trav. chim. 17, 323 (1898).
Kernhomologe der
691
Mandelsäure.
Bezüglich des chemischen Verhaltens der Mandelsäure sei erwähnt, dass sie beim Erhitzen 1 auf 200—'205° Benzaldehyd abspaltet; ob unter den Produkten, welche bei dieser Zersetzung zurückbleiben, sich ein dem Lactid (Bd. I, S. 754) analoger Körper befindet, ist nicht mit Sicherheit festgestellt. Erhitzt man unter 500 mm Druck allmählich bis 190°, so geht ein grosser Theil der Säure in Diphenylmalelnsäure (Bd. II, Th. II, S. 226) über: C,H,C-COX
2 C.H6 • CH(OH) • CO s H = >0 + 3 H,0. C e H 5 • C • CO'
Benzaldehyd entsteht auch bei der Elektrolyse 2 von Mandelsäure und bei der Behandlung mit Oxydationsmitteln, während die Reduction mit Jodwasserstoffsäure und Phosphor zur Phenylessigsäure (S. 596) führt. Mit Phenolen condensirt 3 sich Mandelsäure in Gegenwart von Schwefelsäure zu Verbindungen vom Typus der Oxydiphenylessigsäure bezw. ihren Lactonen (vgl. Bd. II, Theil II, S. 71—72). Mandelsäurenitril 4 ( B e n z a l d e h y d c y a n h y d r i n ) C,H6 CH(OH)-CN — das Zwischenprodukt bei der Synthese der Mandelsäure (vgl. S. 688) — ist ein Oel, welches sich mit conc. Schwefelsäure prachtvoll roth färbt. Beim Stehen mit rauchender Salzsäure liefert es Mandelsäureamid 5 C6H5 • CH(OH) CO • NH2 (Schmelzpunkt 131—132°). neben Mandelsäurebenzylidenamid C6H5-CH(OH) CO \ : C H - C , H 5 .
Von der Mandelsäure können sich H o m o l o g e auf zweierlei Art ableiten: durch Eintritt von Seitenketten in den aromatischen oder in den aliphatischen Theil ihres Molecüls. Im ersteren Falle entstehen die K e r n h o m o l o g e n der Mandelsäure, deren eine grössere Anzahl — meist durch Reduction der entsprechenden Glyoxylsäuren (vgl. S. 719—721) — dargestellt worden ist. Unter ihnen sei die symmetrische Trimethyl-
mandelsäure6 (Mesitylglykolsäure): 1
BISCHOFF u . WALDEN, A n n . 2 7 9 , 118 (1894).
* v. MILLER U. HOFER, B e r . 2 7 , 463, 4 6 9 (1894). — WALKER, J o u r n . Soc. 6 9 , 1278 (1896). 3 BISTRZYCKI U. FLATAU, B e r . 2 8 , 9 8 9 (1895); 3 0 , 124 (1897). — SIMONIS, B e r . 3 1 , 2 8 2 1 (1898). — MAC KENZIE J o u r n . S o c . 7 5 , 7 5 3 (1899). 4 VÖLCKEL, A n n . 5 2 , 3 6 1 (1844). — 0 . MÜLLER, B e r . 4 , 9 8 0 (1871). — A . SPIEGEL, B e r . 1 4 , 2 3 9 (1881). — BILTZ, B e r . 2 5 , 2 5 4 5 (1892). — PURQOTTI, G a z z . c h i m . 2 5 , I , 117 (1895). — E . v. MEYER, J . p r . [2] 5 3 , 344 (1896). — E . FISCHER, B e r . 2 9 , 2 0 5 (1896). — BISTRZYCKI U. SIMONIS, B e r . 3 1 , 2 8 1 2 (1898). — MINOVICI, B e r .
3 2 , 2 2 0 6 (1899). — H . SCHIFF, B e r . 3 2 , 2 7 0 1 A n m . (1899). 5 ZININ, Z t s c h r . C h e m . 1 8 6 8 , 710. — C . BEYER, J . p r . [2] 3 1 , 3 8 5 (1885) — H . A . MICHAEL U. JEANPRÉTRE, B e r . 2 5 , 1682 (1892). — PULVERMACHER, B e r . 2 5 , 2 2 1 2 (1892). 6 FEITH, B e r . 2 4 , 3 5 4 5 (1891). — V . MEYER U. SOHN, B e r . 2 9 , 8 4 6 (1896). — V . MEYER U. MOLZ, B e r . 3 0 , 1 2 7 2 (1897). — VAN SCHERPENZEEL, R e e . t r a v . c h i m . 1 9 , 377 ( 1 9 0 1 ) ; 2 0 , 328 (1901).
44*
692
Phenylmilehsäwren.
CH(OH).CO,H hervorgehoben, da sie eigentümlicher Weise direct als Nebenprodukt der Oxydation von Acetomesitylen (CHj^CgByCO-CHg (S. 489, 493) mit Kaliumpermanganat in schwach alkalischer Lösung — wohl durch Umwandlung von Mesitoylaldehyd1 (CH3)3C6Ha • CO • C HO entstanden — neben Mesitylglyoxylsäure erhalten wird. Auch ihre Zersetzung durch trockene Destillation ist eigenthümlich: unter erheblicher Verkohlung entsteht neben wenig Mesitylencarbonsäure (CH3),C6H2*COaH hauptsächlich Mesitylessigsäure (CH 3 ) 3 C 6 H a -CH 2 -C0 2 H. Im zweiten Falle entstehen Säuren der allgemeinen Formel C6H5C(0H)R-C0 2 H. Ist R das einfachste Alkyl (Methyl) so kommen wir zu einem Phenylderivat der gewöhnlichen Milchsäure. Von den beiden Milchsäuren (Bd. I, S. 750 u. 758) können nun im Ganzen vier structurisomere „ P h e n y l m i l c h s ä u r e n " : IV. III. II. I. C6H5CH(OH) CjH, • CH2 CHj • OH CH, CH, CH(OH) C6H5.C(OH) C6H5 • CH COJH CO,H COsH COjH «-Phenyl-a-Oxypropionsäure, AtrolactinsSure
/?-Phenyl-a-Oxypropionsäure
Derivate der Aethylidenmilchsäure
n-Phenyl-(?-Oxypropionsfiure, Tropasäure
(i-Phenyl- ß-Oxypropionsäure
Derivate der Aethylenmilchsäure
abgeleitet werden, welche im Folgenden zu besprechen sind. Die beiden Säuren I und III, welche die Phenylgruppe in der «-Stellung zur Carboxylgruppe enthalten, sind von besonderem Interesse durch ihre Beziehung zum Alkalolde Atropin und zu verwandten Alkalolden. Diesen Beziehungen verdanken sie auch ihre Trivialnamen. Im Jahre 1866 entdeckte LOSSEN, dass bei der Spaltung des Atropins eine Säure C9H10O3 entsteht, die von ihm T r o p a s ä u r e genannt wurde. KRAUT untersuchte dann die Umwandlungen dieser Säure und folgerte aus ihnen die Formel CgH^-CH^Oj^-CHj-OH, welche später durch LAIJENBURG und RÜGHEIMER . endgültig bestätigt wurde. Durch Wasserabspaltung — beim Kochen mit Baryt — geht die Tropasäure in die schon S. 604 besprochene Atropasäure über, aus welcher man durch folgeweise Anlagerung von Bromwasserstoff (bei 0°) und Behandlung mit Soda die der Tropasäure isomere A t r o l a c t i n s ä u r e erhalten kann. Beide Säuren können synthetisch aus dem Cyanhydrin des Acetophenons C6Hs-C(OH)(CN)-CH3 gewonnen werden (SPIEGEL). Lässt man das Cyanhydrin mit rauchender Salzsäure einige Stunden stehen, so erhält man Vgl. S. tiSS die Bildung von Mandelsäurc aus IJenzoylformaldehyd.
693 direct Atrolactinsäure; erhitzt man es aber mit rauchender Salzsäure auf 130 - 140°, so entsteht eine Chlorhydratropasäure C 6 H 6 -C 2 C1H 3 -C0 2 H, welche beim Erhitzen mit Sodalösung die Tropasäure liefert. Das normale Verseifungsprodukt des Cyanhydrins wäre die a-Phenyl - a-OxyPropionsäure: >-
C , H S • C(OHXCN)- C H S
C,H6-C(0HXC02H)CH3;
berücksichtigt man die obigen Versuchsbedingungen, so wird man nicht zweifelhaft sein, dass diese Formel der .Atrolactinsäure zu ertheilen ist. Dieser Schluss wird weiter dadurch bestätigt, dass die Atrolactinsäure auch aus der Hydratropasäure (S. 598) durch Oxydation mit Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung entsteht; die Formulirung dieses Vorgangs: C6H5 CH(C08H) CH,
V
C,HÄ-C(OHXCO,H)-CH,
entspricht aber der allgemeinen Erfahrung, dass gerade die tertiären Wasserstoffatome der directen Hydroxylirung zugänglich sind (vgl. Bd. I, S. 742) Für die Tropasäure bleibt mithin nur die Formel der a-Phenyl/?-Oxypropionsäure möglich; ihre Bildung aus dem Cyanhydrin des Acetophenons erklärt sich durch die folgenden, auch experimentell nachgewiesenen Beactionsstufen: CH, C„H5-C(OH)
CN
GH, — > -
C6HSC
CHJCL —
COjH
*
C,H6-CH
COjH
CH.OH — C , H
5
• CH
CO,H
Tropasäure 1 entsteht auch aus Hyoscyamin durch Spaltung mit Baryt. Sie krystallisirt aus Wasser in Tafeln und schmilzt bei 117—118°. Die aus dem Atropin oder Hyoscyamin gewonnene Sfiure ist inactiv (racemisch). Sie kann durch das Chininsalz in aetive Tropas&uren (Schmelzp.: 127—128°) gespalten werden. AtrolaetinsKure' krystallisirt auaLigroin in Nadeln und schmilzt bei 93.5—94°.
Die in der obigen Zusammenstellung (S. 692) sub I I aufgeführte /9-Phenyl-a-Oxy Propionsäure 3 ( P h e n y l - a - M i l c h säure) C 6 H 6 -CH 2 CH(0H)-C0 2 H entsteht aus Phenylacetaldehyd C6H6-CH2-CHO (S. 484) durch die Cyanhydriii-Reaction und kann ferner gewonnen werden, indem 1 LOSSEN, Ann. 1 8 8 , 2 3 3 (1866). — KBAÜT, Ann. 1 4 8 , 238 (1868). — FITTIO U. WURSTER, Ann. 1 9 5 , 146 (1879). — LADENBÜRG, Ber. 1 2 , 947 (1879); 1 3 , 254, 607 (1880); Ann. 2 1 7 , 103. (1883). — LADENBURQ u. RÜGHEIMER, Ber. 1 3 , 373 (1880). — SPIEGEL, B e r . 1 4 , 2 3 5 (1881). — MERLING, Ann. 2 0 9 , 1 (1881). — LADENBURG u. HUNDT, Ber. 2 2 , 2 5 9 0 (1889). — OSTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3 , 272 (1889). —
C. LIEBERMANN U. LIMPACH, B e r . 2 5 , 9 3 6 (1892). — SCHLOSSBERQ, Ber. 3 3 , 1086 (1900).
— 0 . HESSE, J . pr. [2] 84, 286 (1901).
8 FITTTO U. WÜBSTER, Ann. 1 9 5 , 153 (1879). — LADENBURO U. RÜGREIMER, Ber. 1 3 , 3 7 3 (1880). — FITTIO U. KAST, A n n . 2 0 8 , 24 (1880). — SPIEGEL, Ber. 1 4 , 1 3 5 3 (1881). — TIEMANN U. KÖHLER, B e r . 1 4 , 1980 (1881). — MERLING, Ann. 2 0 9 , 19 (1881).
' ERLENMETER, Ber. 1 3 , 303 (1880). — PLÖCHL, B e r . 1 8 , 2 8 2 3 (1883). — CONRAD, Ann. 2 0 9 , 247 (1881).
694 man vom Combinationsprodukt zwischen Benzylchlorid und Natriumchlormalonsäureester CaH6 • CH, • CC1(C0, • C2H6)2 ausgeht, dieses durch Einwirkung von Alkali in Benzyltartronsäure C 6 H 6 -CH a -C(0H)(C0 2 H) 2 überführt und aus letzterer durch Erhitzen auf 160 — 1 8 0 ° Kohlensäure abspaltet. Sie krystallisirt aus Wasser in grossen Prismen, schmilzt bei 98° und wird durch längeres Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure auf 100° nicht verändert. Vielfach bearbeitet ist die sub I V (S. 692) aufgeführte /?-Phenyl-/?-Oxyp r o p i o n s ä u r e 1 (Phenyl-/9-Milchsäure) C 6 H 5 -CH(0H)-CH 2 -C0 2 H infolge ihrer Beziehungen zur Zimmtsäure (S. 605 ff.). Man gelangt zu ihr von der Zimmtsäure, indem man zunächst unterchlorige Säure addirt und die so entstehende Phenylchlormilchsäure mit Natriumamalgam reducirt: C,H5-CH CH CO,H
->-
C,H,-CH-OH CHC1 CO,H
C 6 H 6 CHOH CH, CO,H
>-
oder indem man zunächst Bromwasserstoff anlagert und die so entstandene Phenylbrompropionsäure mit Wasser kocht: C4H5-CH CH CO,H
v
C„H6 • CHBr CH, CO,H
C„H,CH(OH) CH, CO,H
>-
Dass die Additionsreactionen der Zimmtsäure der hier benutzten Formulirung entsprechen, folgt daraus, dass die gleiche Phenylmilchsäure auch durch Reduction des BenzoylessigestersC 0 H 6 -CO-CH 2 -CO 2 -C 2 H 6 (S. 725 ff.) mit Natriumamalgam erhalten wird. Phenyl-/9-Milchsäure schmilzt bei 93°, ist schon in kaltem Wasser sehr löslich und wird (im Gegensatz zur Phenyl-a-Milchsäure, s. oben) schon bei 100° von verdünnter Schwefelsäure — ebenso beim Kochen mit Baryt — unter reichlicher Bildung von Zimmtsäure zersetzt. Die drei isomeren Nitrophenyl./S-Mllchsäuren 2 N0 2 -C 6 H 4 -CH(0H)CH 2 -C0 2 H verdienen durch die bei /S-Oxy säuren nur ausnahmsweise auftretende Fähigkeit zur Lactonbildung (vgl. Bd. I , S. 743) Interesse. Ihre Lactone entstehen, wenn man die durch Anlagerung von Bromwasserstoff an die drei isomeren Nitrozimmtsäuren entstehenden Nitrophenyl-/?-Brompropionsäuren mit kalter Sodalösung behandelt:
1
—
NO, • C,H4. CHBr CHj CO.H
_
GLASER, A n n . 1 4 7 , 8 6 ( 1 8 6 8 ) .
—
ERLENMEYER, B e r .
PERKIN,
Journ. Soc.
13,
47,
304 (1880). 254
(1885).
H B
.
N0
' " —
«" C«H*'CH \ CH, • CO/
F I T T I Q U. B I N D E R , A n n .
— v.
F I T T I O U. K A S T ,
Ann.
M I L L E R U. H O F E R ,
0
1 9 5 , 136, 138
Ber.
206, 27,
(1879).
26 (1881). 469
(1894).
— —
ERLENMEYER j u n . , A n n . 2 8 9 , 2 8 0 ( 1 8 9 6 ) . — G A B R I E L U. ESCHENBACH, B e r . 3 0 , 1 1 2 8 ( 1 8 9 7 ) . S
BAEYER U. DREWSEN, B e r . 1 6 , 2 2 0 6 (1883). — EINHORN, B e r . 1 6 , 2 2 0 8 ( 1 8 8 3 ) ;
17, 2011 (1884). — BASI.ER, Her. 16, 3004 (1883).
- PRAUSNITZ, Ber. 17, 597 (1884).
Phenylbutyrolacton.
695
Das Orthonitrophenylmilchsäurelacton bildet hellgelbe Krystalle, schmilzt bei 124° und wird durch Erwärmen mit Barytwasser in das Baryumsalz der Nitrophenylmilchsäure übergeführt, welche auch durch Oxydation des o - Nitrophenylmilchsäurealdehyds (S. 528) mit Silberoxyd entsteht. Diese Säure nun ist sehr beständig und konnte nicht wieder in das Lacton übergeführt werden; zwar spaltet sie beim Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure auf 1 9 0 ° Wasser ab, aber das Reactionsprodukt ist nicht das Lacton, sondern die o-Nitrozimmtsäure. Wenn also auch in diesem F a l l e 1 /9-Lactone — die Lactonnatur ist durch eine ebullioskopische Moleculargewichtsbestimmung an der Meta-Verbindung 2 sichergestellt — existiren, so ist die Neigung zu ihrer Bildung doch keineswegs zu vergleichen mit der Neigung zur Bildung von j'-Lactonen, welche allgemein aus den zugehörigen Oxysäuren durch spontane Wasserabspaltung entstehen. Das o-Nitrophenylmilchsäurelacton spaltet sich beim Erhitzen mit Wasser in Kohlensäure und Nitrostyrol und geht leicht — z. B. beim Kochen mit Eisessig — in Indigo über. Den im Vorstehenden besprochenen a- und (?-Oxysäuren sei als Beispiel einer phenylirten y-Oxysäure die y - Phenyl-f-Oxybuttersäure 3 C6H6 • CH(OH) • CH2 • CHS • COjH, welche auf verschiedenen Wegen zugänglich ist, angereiht. Aua der ^-Benzoylpropionsäure C„H6 • CO • CHa • CH2 • CO s H (S. 732) entsteht sie durch Reduction; ihr C 6 H, • CH • CH, • CHo Anhydrid — das Pheiiylbutyrolacton ^ ^ " — entsteht aus der ihm isomeren ß-Benzylidenpropionsäure (S. 615) durch Kochen mit verdünnten Mineralsäuren, desgleichen durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure •— aber unter Abspaltung von Kohlensäure — aus Phenylitaconsäure C 6 H 5 • CH:C(C02H)-CH» • CO,H ™ C,H 6 • CH • CH(COsH) • CH, „ (S. 619) und aus Phenylparaconsäure ^ ^ (S. 697). Gegenüber den rein aliphatischen y-Oxysäuren (vgl. Bd. I, S. 743—744, 760) erweist sich die Phenyl-y-Oxybuttersäure als beständiger. Sie ist in freiem Zustand darstellbar, gut krystallisirbar und schmilzt bei 75°, wobei langsam Lactonbildung eintritt; sie kann selbst aus mässig warmem Wasser unverändert krystallisirt werden; beim Erwärmen mit Wasser über 80° erfolgt langsam Lactonbildung — rasch und schon bei weit niedrigerer Temperatur in Gegenwart einiger Tropfen Salzsäure. Das Lacton schmilzt bei 37°, siedet unzersetzt bei 306°, ist leicht flüchtig mit Wasserdämpfen und riecht angenehm aromatisch. Durch Reductionsmittel lässt es sich in j-'Phenylbuttersäure (S. 600) überführen. Als die einfachsten Dioxysäuren dieser Gruppe erscheinen die beiden Phenylderivate der Glycerinsäure (Bd. I, S. 774): 1 Ueber einen analogen Fall der Fettreihe vgl.: BAEYER U. VILLIQER, Ber. 30, 1954 (1897). 2 EINHORN, Privatmittheilung. 3 v. PECHMANN, B e r . 1 5 , 8 9 0 (1882). — FITTIQ U JAYNE, A n n . 2 1 6 , 1 0 3 (1883). — H . ERDMANN. A n n . 2 2 7 , 2 5 9 ; 2 2 8 , 177 (1985). — FITTIQ U. LEÖNI, A n n . 2 5 6 , " 3 (1889). — LESSER, A n n . 2 8 8 , 192 (1895). — SHIELDS, A n n . 2 8 8 , 2 0 4 (1895). — FITTIG, B e r . 3 3 , 3 5 1 9 (1900).
(»96
Phenylglycerinsäuren. I.
CH,(OH) • C(OH) • CO,H C.H6 a-Phenylglycerinsäure
n
.
CH(OH)CH(OH)-CO,H C.H6 ¿i-Phenylglycerinsäure
Die Säure der ersten Formel wird gewöhnlich ihrer Beziehungen zur AtropasSure (S. 604) wegen Atroglycerinsiiure 1 genannt. Sie entsteht aus dem Bromadditionsprodukt der Atropasäure — der Dibromhydratropasäure CH2 Br • CBr(C9H6) • CO,H — durch Behandlung mit überschüssiger Sodalösung, ferner aus dem Benzoylcarbinol CH,(OH) CO C,H 5 (S. 528) durch die Cyanhydrin-Reaction, schmilzt bei 146° und ist in kaltem Wasser ziemlich leicht löslich. Eine Zerlegung der Säure in die beiden activen Modificationen ist noch nicht ausgeführt. Eingehender untersucht ist die Säure der zweiten Formel, die gewöhnlich schlechtweg Plienylgiycerinsäure* genannt wird. Da ihr MolecQl zwei ungleichartig asymmetrische Kohlenstoffatome enthält, so ist die Existenz zweier inactiver Modificationen zu erwarten, welche beide in optisch active Formen spaltbar sein sollten (vgl. Bd. I, S. 723). Man gelangt nun zu der Phenylglycerinsäure von der gewöhnlichen Zimmtsäure (S. 605 ff.) aus auf drei verschiedenen Wegen: a) direct durch Oxydation mit Kaliumpermanganat: C e H 5 • CH:CH • CO s H
C,H 5 • CH(OH< • CH(OH) • CO f H,
b) aus dem Ester durch Addition von Brom, darauffolgenden Austausch der Bromatome gegen 0 • CO-C 6 H, (mittels Behandlung des bei 74—75" schmelzenden Dibromids mit Silberbenzoat) und Verseifung des so entstandenen Dibenzoyl-Phenylglycerinsäureesters (mit alkoholischem Kali): C,H,CH
C.H.-CHBr
CH
—^
CO } C,H 6
CHBr
C 6 H 5 • CH • 0 • CO • C,H 5 —>-
C0 2 • C 2 H 5
CHOCOC6H5
C,H 5 CH(OH) —>-
COa • C,H S
CH(OH), CO,H
c) durch Anlagerung von unterchloriger Säure (vgl. S. 694) und Behandlung der so entstehenden Phenylchlormilchsäure mit Alkali (wobei daneben reichlich Phenylacetaldehyd [vgl. S. 697 die Zersetzung der Phenylglycidsäure] entsteht): C,H,CH
C,H 5 -CH(OH)
CH
>•
COjH
C„H 6 -CH(OH)
CHC1
CH(OH).
CO s H
CO t H
In der That fuhren diese Reactioneu zu Präparaten verschiedener Beschaffenheit. Nach b) erhält man eine bei 120—121° schmelzende, in 15 Th. Aether lösliche Säure, nach a) eine Säure, welche bei 1410 schmilzt und in 75 Th. Aether löslich ist, nach c) hauptsächlich die niedriger schmelzende Säure neben geringeren Mengen der hoch schmelzenden; die bei 121° schmelzende Säure entsteht ferner bei der Oxydation von Allozimmtsäure (S. 610) mit Kaliumpermanganat. Diese beiden inactiven Modificationen können in einander umgewandelt weiden. Behandelt man den Aethylester der bei 141° schmelzenden Säure bei 150° mit Benzoylchlorid, so erhält man nämlich den Dibenzoylester der niedriger schmelzenden Säure, aus 1
FITTIU
U.
KAST,
Ann.
206,
24 (1881). —
PLÖCHL
U.
BLÜMLEIN,
Ber.
16,
1292 (1883). 8
Ber. 1 2 , 537 (1879). — L I P P , Ber. 1 6 , 1287 (1883). — Aun. 2 6 8 , 27 (1892). — v. M I L L E B U. H O F E B , Ber. 2 7 , 469 (1894). — M A Y E R , Ber. 3 0 , 1600 (189.7). — MICHAEL, Ber. 3 4 , 3644, 3665 (1901).
ANSCHÜTZ U . K I N N I C D T T ,
F I T T I G U. R U E R , PLÖCHI. U.
Phenylparaconsäure.
697
welchem letztere Säure durch Verseifung mit a l k o h o l i s c h e m K a l i glatt entsteht. Derselbe Dibenzoylester ist nun in gleicher Weise aus der bei 120-121° schmelzenden Säure herstellbar, liefert aber bei der Verseifung mit s t a r k e r w ä s s r i g e r N a t r o n l a u g e hauptsächlich die höher schmelzende Säure. Die niedriger schmelzende Säure konnte sowohl mit Hülfe der Strychninsalze wie auch durch Pilze in o p t i s c h a c t i v e S ä u r e n (Sclimelzp.: 166—167°) gespalten werden, während beide Methoden bei der höher schmelzenden Säure versagten. Als Anhydrid der Phenylglycerinsäure kann die Phenylglycidsäure 1 C6 H6 • CH * CH • CO H LQJ * aufgefasst werden (vgl. Bd. I, S. 775 Glycidsäure). Sie entsteht aus der Phenyl-o-Chlormilchsäure C 6 H e -CH(OH) CHCl-CO,H — dem Additionsprodukt von unterchloriger Säure an Zimmtsäure, vgl. S. 694 — durch Einwirkung von kalter alkoholischer Kalilauge und liefert durch Anlagerung von Chlorwasserstoff die dem Ausgangsprodukt stellungsisomere Phenyl-^-Chlormilchsäure C 6 H 6 • CHC1-CH(0H)'C0 2 H, aus welcher sie wiederum durch wässrige Natronlauge zurückgebildet wird. Beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure geht sie theils unter Wasseraufnahme in Phenylglycerinsäure über, theils zerfällt sie in Kohlensäure und Phenylacetaldehyd (zur Bildung desselben vgl. Bd. I, S. 565 die Umwandlung von Glykol in Acetaldehyd und Bd. II, Th. I, S. 467 die Ueberführung von Phenyläthylenglykol in Phenylacetaldehyd); durch heisse concentrirte Salzsäure wird sie theil weise in die ihr isomere Phenylbrenztraubensäure C 6 H 5 -CO-CH,-CO a H (S. 723—724) übergeführt. Wie die Phenylglycidsäure aus Zimmtsäure, so entsteht aus o-Nitrozimmtsäure durch folgeweise Anlagerung von unterchloriger Säure und Abspaltung von Chlorwasserstoff die o-Nitrophenylg'lycidsÄure' C0 2 H. jege s g u r e ist wie zahlreiche Ortho-Nitro-Derivate der an die Zimmtsäure sich anschliessenden Säuren (vgl. S. 616 o-Nitrophenylpropiolsäure, S. 695 Nitrophenylmilchsäure) durch die Ueberfuhrbarkeit in Indigo ausgezeichnet: sie schmilzt in wasserfreiem Zustand, bei 125—125.5°, indem sie Kohlensäure abspaltet und Indigo bildet. Als Beispiel solcher Säuren, welche in einer und derselben Seitenkette neben Hydroxylgruppen m e h r e r e Carboxylgruppen enthalten, sei die Phenylitamalsäure C 6 H 6 -CH(OH)-CH(CO,H)-CH s COjH angeführt. Wie die entsprechende Säure der Fettreihe (Bd. I, S. 799) ist sie nur in Form von Salzen bekannt, geht aber im freien . „ . C,H 6 CH CH(COjH) CH, Zustand sofort in ihr Anhydrid: die Phenylparaconsaure 8 ^ ^ über. Diese in kaltem Wasser nur wenig lösliche Lactonsäure entsteht nach der allgemeinen Bildungsweise der Alkylparaconsäuren durch Condensation von Benzaldehyd mit bernsteinsaurem Natrium in Gegenwart von Essigsäureanhydrid. Entsprechend dem Verhalten der aliphatischen Paraconsäuren (vgl. Bd. I, S. 490, 691, 799) liefert sie bei der Destillation Benzylidenpropionsäure (S. 615) neben Phenylbutyrolacton (S. 695) und durch Einwirkung von Natriumäthylat die Phenylitaconsaure (S. 619); beim Kochen mit Natronlauge entsteht neben Phenylitaconsäure eine der 1 GLASES, A n n . 1 4 7 , 9 8 (1868). — LIPP, B e r . 1 6 , 1 2 8 6 (1883) — ERIENMEYER j u n . , A n n . 2 7 1 , 1 5 0 (1892); B e r . 3 3 , 3 0 0 1 (1900). — ERLENMETER, A n n . 2 8 9 , 2 8 0 ( 1 8 9 6 ) .
2
BAEYER, Ber. 13, 2262 (1880). — MORGAN, Ber. 1 7 , 220 (1884) — EINHORN u. GERNSHEIM, Ann. 2 8 4 , 132 (1894). 9
FITTIO U. JAYNE, A n n . 2 1 6 , 100, 108 (1882). — H . ERDMANN, A n n . 2 2 8 ,
177
(1885). — FITTIO, A n n . 2 5 5 , 142 (1889) — FITTIO U. LEONI, A n n . 2 5 6 , 6 3 (1890). — SHIELDS, A n n . 2 8 8 , 207 (1895). — FICHTER U. DREYFUS, B e r . 3 3 , 1 4 5 3 (1900).
698
Sulfhydrylzirnmtsäure.
Phenylparaconsäure anscheinend sterecisomere Säure ( P h e n y l i s c p a r a c o n s ä u r e ) . Phenylbutyrolacton entsteht als Hauptprodukt beim Kochen der Phenylparaconsäure mit verdünnter Schwefelsaure. Die Reduction der Säure mit Jodwasaerstoffsäure führt zur Benzylbernsteinsäure C„H6 • CH, • CH(COsH) • CH2 • CO, H.
Von den u n g e s ä t t i g t e n Säuren dieser Gruppe erscheinen einige ihrer Constitution nach (vgl. Bd.I, S. 787—788,950—951,964—965) mit Aldehydbezw. Keton-Säuren durch die Möglichkeit der Desmotropie enge verknüpft. So kann die Formel der /9-Phenyl-/9-Oxyakrylsäure C 6 H c -C(0H):CH-C0 2 H für die gewöhnlich als Benzoylessigsäure CeH6 • CO • C'H2 • C0 2 H aufgefasste Verbindung (S. 725 ff.) in Betracht gezogen werden. So ist ferner die a-Phenyl-/S-Oxyakrylsäure CH(OH): C(C6H6)-COaH die ..Enolform" der Formyl-Phenylessigsäure CHO.CH(C6H5)-COaH (vgl. S. 710). Inwieweit die Annahme der Existenz dieser Säuren begründet ist, wird demnach bei den entsprechenden Carbonyl-Verbindungen zu erörtern sein. Ihrer Bildungsweisen wegen sind einige, solchen Oxysäuren entsprechende T h i o v e r b i n d u n g e n erwähnenswerth. Aus der Rhodaninsäure (Bd. I, S. 1018) entsteht durch Condensation mit Benzaldehyd die Benzylidenrhodaninsäure, welche durch Kochen mit Barytwasser in Rhodanwasserstoff und a S u l f hydrylzimmtsäure 1 (Schmelzpunkt 179°) zerfällt: C66 H S ^ C,H6CH:CHSH 5 6 -CH:CH • • + H.0 = • + NH:CS. CO-NH-CS CO • OH Benzylidenrhodaninsäure Sulfhydrylzirnmtsäure C„E 6 -C:CHCO • (fast S S geruchlose Tafeln vom Schmelzp. 117 ^ entsteht fast quantitativ durch Erhitzen von Zimmtsäureäthylester C„H6-CH: CH-C0-0-C,H 5 (S. 608) mit Schwefel unter Abspaltung von Alkohol. Es spaltet sich beim Kochen mit Alkali (auch schon mit Wasser) in Schwefel, Schwefelwasserstoff, Kohlensäure und Acetophenon (S. 490): C8H5C:CHC0 ö • + 4KOH = C 6 H 5 .CO-CH, + S + K,S + K,CO, + H , 0 . s —— s — Das innere Disullid der p-Sulfhydrylthlozimmtsäure 2
Die ß • B e n z y l i d e n - « - Oxypropionsäure 3 C6H6 • CH: CH • CH(OH) • COaH — gewöhnlich mit dem unrichtig gebildeten Namen Phenyl-aOxycrotonsäure bezeichnet — ist die denkbar einfachste, ungesättigte Säure dieser Gruppe, bei welcher das Hydroxyl an einem gesättigten C-Atom sich befindet. Sie entsteht durch die Cyanhydrin-Reaction aus dem Zimmtaldehyd (S. 487): C9H5CH:CHCHO
1
>>-
C,H 6 CH:CHCH(OH)-CN C,H6 • CH: CH • CH(OH) C0 2 H.
GINSBURO u. BONDZTNSKT, B e r . 1 8 , 123 (1886). — BONDZTNSKI, Monatsh. 8 , 3 5 0 (1897). — ANDREASCH, Monatsh. 1 0 , 81 (1899). A BADMANN U. PBOMM, B e r . 3 0 , 110 (1897). 3 FITTIQ, Ber. 2 8 , 1724 ( 1 8 9 4 ) ; 2 9 , 2 5 8 2 (1896). A n n . 2 9 9 , 1 ff. (1898). — THIELE U. SUI.ZBEROER, A n n . 3 1 9 , 207 (1901).
699 Damit sie bei dieser ßeactionsfolge erhalten wird, ist die Verseifung des Zimmtaldehyd-Cyanhydrins indess mit grösster Vorsicht — nämlich durch Einwirkung von conc. Salzsäure auf die ätherische Lösung unter Eiskühlung — auszuführen. Diese von FITTIG entdeckte und in ihrem eigenthümlichen Verhalten untersuchte Säure (Schmelzpunkt 137°) zeigt nämlich eine höchst bemerkenswerthe Umlagerungsfähigkeit: durch Kochen mit verdünnter Salzsäure geht sie fast quantitativ in die isomere /9-Benzoylpropionsäure über: C6H5 • CH:CH• CH(OH) • CO,H >- C6H6 • CO • CH, • CHS • CO,H (bezw. C6H6 • C(OH): CH • CH, • C02H), wobei als Zwischenprodukt das ungesättigte Lacton C6H6-C : CH • CH, 6 CO auftritt. Das Sauerstoffatom wandert also von der a- nach der /-Stellung: ein V o r g a n g w e l c h e r seither auch an anderen /^-/-ungesättigten a-Oxysäuren nachgewiesen wurde, für Säuren dieser Art charakteristisch ist und durch Annahme einer Reihe von Zwischenstufen erklärt werden kann, wie bei der Besprechung der /9-Benzoylpropionsäure (S. 732—734) näher auseinander gesetzt werden wird. Durch Kochen mit Natronlauge andererseits entsteht aus der Benzyliden-Oxypropionsäure die gleichfalls isomere Benzylbrenztraubensäure, deren Entstehung eine Folge der typischen Wanderung der Doppelbindung von der ß-y- in die «-/^-Stellung (vgl. Bd. I, S. 494—495, 696) ist: C6H5-CH:CH
CH(OH) CO,H
CAH5 • CHJ- C H : C(OH)-OOSH
bezw. C6H5-CHs.CH2COCO,H. Eigenthümlich ist auch das Verhalten bei der Reduction mit Natriumamalgam: durch Eliminirung der Hydroxylgruppe entsteht /9-Benzylidenpropionsäure C 6 H 5 -CH: CH-CH 2 -C0 2 H (S. 615).
II. Alkoliolsäuren, deren Hydroxyl- und Carboxyl-ftruppen verschiedenen Seitenketten angehören. Die denkbar einfachsten Säuren dieser Klasse sind die drei stellungsisomeren O x y m e t h y l b e n z o e s ä u r e n ( B e n z y l a l k o h o l c a r b o n s ä u r e n , Methylolbenxencarbonsäuren) CH a (0H)-C 6 H 4 -C0 2 H, unter denen die O r t h o S ä u r e in Form ihres Lactons — des sogenannten „Phtalids" 2 — vielfache Bearbeitung gefunden hat: 1
Vgl.: ERLENMEYER jun., Ber. 3 1 , 2232 ff. (1898). — THIELE U. SULZBEBOER, Ann. 319, 199 (1901). 2 KOLBE U. WISCHIN, Ztschr. Chem. 1 8 6 6 , 3 1 5 . — BAEYER, Ber. 1 0 , 1 2 3 ( 1 8 7 7 ) . — HESSERT, B e r . 1 0 , —
1 4 4 5 ( 1 8 7 7 ) ; 1 1 , 2 3 7 ( 1 8 7 8 ) . — J . WISLICENUS, B e r . 1 7 , 2 1 8 1
ORAEBE, B e r . 1 7 , 2 5 9 8 ( 1 8 8 4 ) .
Ann.
247,
291 (1888).
—
SCHERKS,
(1884).
Ber. 18,
382
Phtalid.
700
CO OH —CH, • OH
—H20 =
o-Oxymethylbenzoeaäure
Phtalid
Der Name dieser zu den y-Lactonen gehörigen Verbindung deutet die Beziehungen zur Phtalsäure an, die beim Vergleich ihrer Formel mit der Formel des P h l t o e a „ h y d n d s C . H , ^ > 0
sofort
Das Phtalid erscheint als ein Reductionsprodukt des Phtalsäureanhydrids, und in der That fussen auf diesem Verhältniss zur Phtalsäure und ihren Derivaten die meisten Bildungsweisen des zuerst 1866 von K O L B E U. W I S C H I N durch Reduction von Phtalylchlorid (S. 5 8 3 ) mit Zink und Salzsäure erhaltenen Körpers. Aus dem Phtalsäureanhydrid kann es durch Reduction mit Zinkstaub und Essigsäure (neben Diphtalyl, vgl. Bd. II, Th. II, S. 229) erhalten werden; aus dem Phtalimid entsteht durch Reduction mit Zinn und Salzsäure das unten noch näher besprochene Phtalimidin, dessen Nitrosoverbindung bei der Zersetzung mit Alkali die Alkalisalze der dem Phtalid entsprechenden Oxysäure liefert. Umgekehrt steht das Phtalid zur o-Toluylsäure CH 3 -C 6 H 4 -CO a H im Verhältniss eines Oxydationsproduktes: es kann in der That aus dieser Säure direct durch Einwirkung von Brom bei 140° gewonnen werden, wobei wohl die intermediäre Bildung von «-Bromtoluylsäure anzunehmen ist: C.H /
. CH4Br
/CHjs —HBr = C6H4< >0; MX)0H \CO/
aus dem Nitril der o-Toluyl9äure entsteht durch Chloriren das o-Cyanbenzylchlorid, das durch Erhitzen mit Salzsäure und Essigsäure sehr glatt in Phtalid (unter intermediärer Bildung von Pseudophtalimidin, s. unten) übergeht: /CHj C,H4
CeH«
0
C,H4
0
Zur Darstellung des Phtalids geht man am besten von der Phtalon.CO-CO.H säure CaH,