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German Pages 477 [540] Year 1959
FRIEDRICH KLAGES
Lehrbuch der organischen Chemie 1,2
LEHRBUCH DER ORGANISCHEN CHEMIE IN DREI
BÄNDEN
VON
DR. FRIEDRICH KLAGE S Professor der organischen Chemie an der Universität München
1959 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J . Trübner • Veit & Comp. B E R L I N
W 33
LEHRBUCH DER ORGANISCHEN CHEMIE 1. B A N D SYSTEMATISCHE ORGANISCHE
CHEMIE
2. HÄLFTE S T I C K S T O F F - UND A N D E R E N I C H T M E T A L L V E R B I N D U N G E N METALLORGANISCHE V E R B I N D U N G E N CYCLISCHE V E R B I N D U N G E N U.A. VON
DR. FRIEDRICH KLAGES Professor der organischen Chemie an der Universität München
2., d u r c h g e s e h e n e und v e r b e s s e r t e A u f l a g e Mit 8 A b b i l d u n g e n und 17 T a b e l l e n
1959 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.
B E R L I N W 35
© Copyright 1969 by Walter de Gruyter & Co., Tormals G. J . Göschen'sehe Verlagshandlung, J. Glitten tag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl I . Trübner, Veit & Comp., Berlin W 35. — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten. — Archiv-Nr. 529459. — Printed in Germany. — Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 — Druck: Buchdruckerei Franz Spiller, Berlin 3 0 36
Dem Andenken meines hochverehrten Lehrers Herrn Geh. Regierungsrat, Prof. Dr. phil., Dr. ing. e. h., Dr. med. h. c., Dr. phil. h. c. HEINRICH
WIELAND
VII
Vorwort zur 1. Auflage Die Entwicklung der organischen Chemie innerhalb der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts hat gegenüber der mehr praktisch eingestellten Forschungsrichtung der Vorperiode — bedingt durch den Zwang zum Ausbau des von K E K T J L E aufgestellten Systems der organischen Chemie — insofern einen grundsätzlichen Wandel erfahren, als nunmehr wieder rein theoretische Fragen in den Vordergrund des Interesses gerückt sind, so insbesondere die Zusammenfassung des reichhaltigen in dieser Vorperiode aufgefundenen Tatsachenmaterials mit Hilfe moderner physikalischer Methoden zu einem geschlossenen theoretischen Gebäude der „Chemie des Kohlenstoffs". Dieser Entwicklung hat die Mehrzahl der organisch chemischen Lehrbücher, die immer noch, der Forschungsrichtung der Vorperiode entsprechend, im wesentlichen auf eine beschreibende Darstellung der einzelnen Verbindungsklassen und Verbindungen eingestellt ist, bisher nur unvollkommen zu folgen vermocht, so daß ein steigendes Bedürfiiis entstanden ist, diese allgemeinen Lehrbücher durch Werke rein theoretischen Inhalts zu ergänzen. Um diese Lücke in der chemischen Lehrbuchliteratur zu schließen, wurde in dem vorhegenden neuen „Lehrbuch der organischen Chemie" der Versuch unternommen, die moderne Forschungsrichtung auch im Rahmen eines allgemeinen Lehrbuchs schon ausführlich zu behandeln und dadurch dem Chemie-Studierenden in einem einzigen Werk ein neuzeitliches Gesamtbild seiner Wissenschaft zu geben. Insbesondere wurde Wert gelegt auf ein tieferes Verständnis für die zahlreichen Beziehungen und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Verbindungen und Verbindungsklassen, die für den noch lernenden Chemiker häufig wichtiger sind als die Einzeltatsachen selbst. Dieser erweiterte Aufgabenbereich machte allerdings eine wesentliche Vergrößerung des bisher üblichen Lehrbuchumfanges und damit die Abfassung eines mehrbändigen Werkes, wie sie auch in den Nachbargebieten (anorganische Chemie, Physik, Mathematik) bereits vorhegen, erforderlich. Doch wurden Umfang und Stoffaufteilung der einzelnen Bände so abgewogen, daß eine über einen längeren Zeitraum gehende ratenweise Anschaffung des Gesamtwerkes ohne wesentliche Beeinträchtigung des Verständnisses möglich ist; denn das Lehrbuch soll ja nicht erst kurz vor dem Examen angeschafft werden, sondern den Studierenden während eines möglichst großen Teiles seines Studiums begleiten. Auch hinsichtlich der Stoffeinteilung hat sich die Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung gegenüber den bisherigen Gepflogenheiten ergeben. So ist es z. B.
vm
Vorwort
heute nicht mehr möglich, theoretische Fragen, wie etwa die Mesomerielehre oder die Stereochemie, im Rahmen der üblichen Lehrbucheinteilung in eine aliphatische, eine aromatische und eine heterocyclische Reihe erschöpfend zu behandeln, da ihre Darstellung jeweils die Kenntnis sämtlicher Verbindungsklassen der organischen Chemie voraussetzt. Ebenso treten bei den organischen Farbstoffen, den verschiedenen Gruppen von Naturstoffen, der Biochemie usw. häufig Stoffe nebeneinander auf, die verschiedenen Verbindungsklassen angehören, also bei keiner dieser Verbindungsklassen gemeinsam behandelt werden können. Zur Umgehung dieser und ähnlicher Schwierigkeiten wurde daher das Prinzip der geschlossenen Darstellung des gesamten Materials aufgegeben und eine Unterteilung des Stoffes in die folgenden drei, voneinander mehr oder weniger unabhängigen Teile vorgenommen: 1. Die s y s t e m a t i s c h e o r g a n i s c h e Chemie (zwei Halbbände), in der die verschiedenen organisch-chemischen Verbindungsklassen vom Standpunkt der Chemie des Kohlenstoffs aus nebeneinander behandelt werden. Hier wurden im Gegensatz zu sämtlichen bisherigen Lehrbüchern erstmals die aliphatischen und aromatischen Verbindungen nicht mehr getrennt einander gegenübergestellt, sondern sowohl die Unterschiede als auch die zahlreichen Übergänge zwischen den gesättigten, ungesättigten und aromatischen Reihen für jede Verbindungsklasse besonders hervorgehoben. Ferner wurden die bisher stets bei den einzelnen Verbindungsklassen untergebrachten und daher über das ganze Gebiet verstreuten Reaktionen des Kohlenstoffgerüstes (Oxydation, Reduktion, Synthese und Abbau) am Schluß dieses Teils nochmals in einem eigenen Kapitel zusammengefaßt. 2. Die t h e o r e t i s c h e und allgemeine o r g a n i s c h e Chemie, in der, nach Beschreibung der wichtigsten Einzeltatsachen im ersten Teil und unter Voraussetzimg dieser Einzeltatsachen, die theoretischen Grundlagen des gesamten Gebietes von einer höheren Warte aus behandelt werden, und schließlich 3. Die S o n d e r g e b i e t e , die die mineralisch vorkommenden organischen Verbindungen, die organischen Farbstoffe, die Grundlagen der Chemie der hochmolekularen Stoffe, die verschiedenen Gruppen von Naturstoffen und die Grundlagen der Biochemie enthalten. Das Buch ist seiner ganzen Anlage nach in erster Linie für den fortgeschrittenen Chemie-Studierenden (nach dem Diplom-Vorexamen) bestimmt und enthält für ihn sowie auch für den fertigen Chemiker, über den rein erlernbaren Stoff hinaus genügend (vielfach in Tabellen und Formelbildern übersichtlich geordnetes) Tatsachenmaterial, um sich über sämtliche wichtigeren Gebiete der organischen Chemie einen orientierenden Überblick zu verschaffen. Doch ist die ganze Darstellung, namentlich des ersten systematischen Teiles, so gehalten, daß das Buch auch von einem Anfanger mit den üblichen anorganisch-chemischen Vorkenntnissen gelesen werden kann. Ein derartig umfangreiches Werk, das die Grenzen dessen erreicht, was ein einzelner Autor heute noch zu überblicken vermag, kann natürlich nicht ohne Hilfe
Vorwort
IX
von außen fertiggestellt werden. Insbesondere habe ich von einer sehr großen Anzahl von Kollegen in und außerhalb von München, die ich unmöglich alle namentlich anführen kann, durch Anregungen, Ratschläge, Überlassung von Sonderdrucken und vor allem auch Begutachtung einzelner Kapitel wertvolle Unterstützung erfahren, für die ich an dieser Stelle nochmals meinen herzlichen Dank aussprechen möchte. Ferner danke ich meinen Mitarbeitern, Herrn Dr. K . M ö n k e m e y e r , sowie den Herren Dipl. ehem. R. H e i n l e , W. G r i l l , H. Meuresch, W. Mesch und H.-J. M a n d e r l a für ihre unermüdliche Hilfe beim Lesen der Korrekturen, sowie meiner lieben Frau für ihre Mitarbeit bei der Abfassimg des Manuskripts und des Registers. Die Hinweise auf einschlägige Stellen in den anderen Teilen des Buches erfolgen stets durch Angabe der Kapitel und Kapitelabschnitte (z. B. HI, Kap. 4, IV, 2 b), so daß sieb gegebenenfalls auch bei voneinander unabhängigen Neuauflagen der einzelnen Bände keine Schwierigkeiten ergeben würden. Hierbei bedeuten die vorstehenden fetten römisohen Zahlen I, I I und H I jeweils die oben angeführten drei Bände. Innerhalb der einzelnen Bände, sowie von der zweiten Hälfte der systematischen organischen Chemie zur ersten zurück, werden dagegen stets die Seiten zitiert. München, im Mai 1952
Friedrich Klages
Vorwort zur 2. Auflage In der vorliegenden zweiten Auflage wurde als hauptsächliche Neuerung das inzwischen in den Bänden I I und I I I bewährte Prinzip der Zitierung der wichtigsten zusammenfassenden Literatur und der wichtigsten Originalarbeiten übernommen, sowie im Zusammenhang hiermit das Sachregister durch ein Autorenregister ergänzt. Um das Buch nicht zu umfangreich werden zu lassen, beschränkt sich die Anführung von Literaturzitaten allerdings auf den Zeitraum nach dem letzten Krieg, während sämtliche früheren, im Zentralblatt leicht aufzufindenden Arbeiten wie bisher nur durch Autorennamen und Jahreszahl belegt sind. Die Notwendigkeit einer weiteren, in diesem Buch nunmehr allgemein durchgeführten Änderung ergab sich durch die in den letzten Jahren in Deutschland (in Anlehnung an die angelsächsische Nomenklatur) erfolgte offizielle Umbenennung der hydroxylgruppenhaltigen Stoffe in Hydoxyverbindungen (statt früher OxyVerbindungen). Im übrigen wurde der gesamte Text unter Berücksichtigung der neueren Forschungsergebnisse des In- und Auslandes nochmals sorgfältig durchgesehen und überarbeitet. Meinem Mitarbeiter, Herrn G . LTJKASCZYK, bin ich für seine Mithilfe beim Lesen der Korrekturen zu großem Dank verpflichtet. München, im Oktober 1958
Friedrich Klages
X
Stoffeinteilung I. Band, erste Hälfte Einführung in das Oesamtwerk 1. Kapitel: Die Grundlagen der organischen Chemie Systematische organische Chemie 2. Kapitel: Die Kohlenwasserstoffe 3. Kapitel: Die organischen Halogenverbindungen 4. Kapitel: Die organischen Sauerstoffverbindungen (Oxy Verbindungen, Oxoverbindungen, Carbonsäuren, Kohlensäurederivate) 6. Kapitel: Verbindungen mit mehreren Sauerstoff-Funktionen im Molekül I. Band, zweite Hälfte 6. Kapitel: Die organischen Stickstoffverbindungen 7. Kapitel: Die organischen Schwefelverb indungen 8. Kapitel: Die organischen Verbindungen der übrigen Nichtmetalle 9. Kapitel: Die metallorganischen Verbindungen 10. Kapitel: Verbindungen mit anormalen Funktionen (Kohlenoxydderivate, freie Radikale, organische Verbindungen mit künstlichen Isotopengemischen) 11. Kapitel: Die cyclischen Verbindungen 12. Kapitel: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst (Oxydation, Reduktion, Synthese, Abbau) II. Band Theoretische und allgemeine organische Chemie 1. Kapitel: 2. Kapitel: 3. Kapitel: 4. Kapitel: 5. Kapitel: 6. Kapitel: 7. Kapitel:
Die Geschichte der organischen Chemie Die physikalischen Hilfsmittel der organischen Chemie Die Bindungen und Bindungssysteme der organischen Chemie Die Reaktionen und Reaktionsmechanismen der organischen Chemie Tautomerieprobleme Die zwischenmolekularen Kräfte und Assoziationserscheinungen Die Stereo- oder Raumchemie
III. Band Sondergebiete 1. Kapitel: 2. Kapitel: 3. Kapitel: 4. Kapitel: 5. Kapitel: 6. Kapitel:
Die mineralisch vorkommenden organischen Verbindungen Die organischen Farbstoffe Die Grundlagen der Chemie der hochmolekularen Verbindungen Die Zucker oder Kohlenhydrate Die Isoprenabkömmlinge Sonstige stickstoffreie organische Naturstoffe (Fette und verwandte Verbindungen, natürliche Phenolderivate) 7. Kapitel: Die stickstoffhaltigen organischen Naturstoffe (Eiweißstoffe, Purinderivate, Alkaloide) 8. Kapitel: Die Grundlagen der Biochemie
XI
Inhalt I. Band, zweite Hälfte 6. Kapitel. Die organischen StickstoffVerbindungen I. Die Ammoverbindungen 1. Die gesättigten aliphatischen Amine a) Darstellung und allgemeine Eigenschaften b) Die Derivate der aliphatischen Amine a) Die Metallamide ß) Die Ammoniumsalze y) Die quartären Ammoniumsalze 5) Die tertiären Imoniumsalze e) Die Säurederivate der Amine c) Einzelne Amine a) Die primären Amine ß) Die sekundären Amine y) Die tertiären Amine 6) Die Polyamine e) Die cyclischen Amine 2. Die Enamine 3. Die aromatischen Amine a) Darstellung und allgemeine Eigenschaften b) Die Derivate der aromatischen Amine c) Einzelne Amine 4. Die Aminoderivate der organischen Sauerstoffverbindungen a) Die Aminoalkohole b) Die Aminophenole c) Die Aminoaldehyde und Aminoketone d) Die Aminocarbonsäuren a) Die 1,2- oder a-Aminocarbonsäuren ß) Die ß-, y-, d- und e-Aminocarbonsäuren y) Die aromatischen Aminocarbonsäuren
Seite
561
563 564 564 573 573 573 574 577 679 580 580 583 584 586 588 591 593 593 601 603 606 606 608 609 610 611 619 621
II. Die organischen Derivate anderer gesättigter Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen 623 1. Die aliphatischen Derivate des Hydroxylamins 623 a) Die a-AlkyLhydroxylamine 623 b) Die /S-Alkylhydroxylamine 624 2. Die Trialkylaminoxyde 625 3. Die aromatischen Derivate des Hydroxylamins 627 4. Die' aliphatischen Derivate des Hydrazins 628 5. Die aromatischen Derivate des Hydrazins 631 a) Die Mono-arylhydrazine 631 b) Die Diarylhydrazine 633 c) Die Triarylhydrazine 635 d) Die Tetraaryl-hydrazine 635 6. Die Isonitramide 636 7. Tri- und Tetrazanderivate 637
XII
Inhalt Seite
III. Verbindungen mit einer ungesättigten Kette von Stickstoffatomen 1. Die Diazoverbindungen a) Die aliphatischen Diazoverbindungen b) Die aromatischen Diazoverbindungen 2. Die organischen Derivate des Diimins (Azoverbindungen) a) Allgemeines b) Die aliphatischen Azoverbindungen c) Die aromatischen Azoverbindungen d) Die Azoxy-Verbindungen 3. Die organischen Derivate des Triazens und der Stickstoffwasserstoffsäure a) Monosubstituierte Aryl-triazene b) Di- und trisubstituierte Triazene c) Die Azide 4. Die organischen Derivate des Tetrazens, Hexazens usw
639 639 640 648 662 662 664 666 668 670 670 670 672 674
IV. Die Nitroverbindungen 1. Darstellung und allgemeine Eigenschaften 2. Die aliphatischen Nitroverbindungen 3. Die aromatischen Nitroverbindungen
676 676 683 688
V. Die Nitrosoverbindungen 1. Darstellung und allgemeine Eigenschaften 2. Einzelne Nitrosoverbindungen
699 699 703
7. Kapitel. Die organischen Schvrefelverbindungen I. Die organischen Derivate des oxydativ zweiwertigen Schwefels Ii Die Mercaptane und Thiophenole 2. Die Thioäther 3. Die Sulfoniumsalze 4. Die Disulfide II. Die organischen Derivate der höheren Wertigkeitsstufen des Schwefels 1. Die Sulfonsäuren und ihre Derivate 2. Die Sulfone 3. Die Sulfinsäuren und ihre Derivate 4. Die Sulfoxyde und ihre Derivate
. . .
707 707 708 713 715 716 718 718 730 732 735
S. Kapitel. Die organischen Verbindungen der übrigen Nichtmetalle 737 I. Allgemeines 737 II. Die organischen Derivate des Selens und Tellurs 739 III. Die organischen Derivate des Phosphors, Arsens und Antimons 740 1. Die organischen Phosphorverbindungen 740 a) Die organischen Derivate des negativ dreiwertigen Phosphors 740 b) Die organischen Derivate des positiv dreiwertigen Phosphors 742 c) Die organischen Derivate des fünfwertigen Phosphors 744 2. Die organischen Arsenverbindungen 745 a) Die organischen Derivate des negativ dreiwertigen Arsens 745 b) Die organischen Derivate des positiv dreiwertigen Arsens 746 o) Die organischen Derivate des fünfwertigen Arsens 748 3. Die organischen Antimonverbindungen 751 IV. Die organischen Derivate der Nichtmetalle der vierten und dritten Gruppe des Periodensystems 752 1. Die organischen Siliciumverbindungen 753 2. Die organischen Gtermaniumverbindungen 756 3. Die organischen Borverbindungen 757
Inhalt
xm Seite
9. Kapitel. Die metallorganischen Verbindungen I. Darstellung und allgemeine Eigenschaften II. Die wasserunbeständigen metallorganischen Verbindungen 1. Die organischen Derivate der Alkalimetalle und verwandte Verbindungen . a) Die alkalimetall- und ammoniumorganisohen Verbindungen b) Die Ylide und Ylene 2. Die magnesiumorganischen Verbindungen 3. Die organischen Zink- und Cadmiumverbindungen . 4. Die organischen Derivate des Aluminiums, Galliums und Indiums . . . . III. Die wasserbeständigen metallorganischen Verbindungen 1. Die organischen Quecksilberverbindungen 2. Die organischen Zinn Verbindungen 3. Die organischen Bleiverbindungen 4. Die organischen Wismutverbindungen 10. Kapitel. Verbindungen mit anomalen Funktionen I. Das Kohlenoxyd und seine Derivate 1. Allgemeines 2. Das Kohlenoxyd 3. Die Isonitrile oder Isocyanide 4. Die Knallsäure II. Anomale metallorganische Verbindungen III. Die freien Radikale . . 1. Die Triarylmethylradikale 2. Sonstige Polyarylalkylradikale 3. Die freien Alkylradikale 4. Die Radikale mit zweibindigem Stickstoff 5. Die Radikale mit dreibindigem Stickstoff 6. Radikale anderer Heteroelemente IV. Künstliche Isotopengemische in der organischen Chemie 1. Die organischen Deuteriumverbindungen 2. Die organischen Verbindungen mit schwerem Sauerstoff 3. Die organischen Verbindungen mit schwerem Stickstoff und Kohlenstoff 4. Organische Verbindungen mit künstlich radioaktiven Elementen
761 761 772 772 772 774 776 777 778 779 779 781 782 784 786 786 786 788 790 794 797 801 802 806 808 810 812 814 815 816 821 822 823
11. Kapitel. Die cyclischen Verbindungen 826 I. Die alicyclischen Verbindungen 828 828 1. Allgemeines über die Cycloparaffine und ihre Derivate 2. Die Cycloparaffine und ihre Derivate 836 a) Das Cyclopropan und seine Derivate 836 b) Das Cyclobutan und seine Derivate 838 c) Das Cyclopentan und seine Derivate 841 d) Das Cyclohexan und seine Derivate 844 e) Das Cycloheptan und seine Derivate 848 f) Das Cyclooctan und seine Derivate 860 g) Cycloparaffine größerer Ringweite 854 3. Bi- und polycyclische Ringsysteme 867 a) Polycyclische Ringsysteme ohne gemeinsame Ringatome 869 b) Die Spirane 859 c) Orthokondensierte Ringsysteme 860 d) Bicyclische Ringsysteme mit mehr als zwei, beiden Ringen gemeinsamen Atomen 863 e) Polycyclische Ringsysteme 866 4. Die heterocyclischen Verbindungen der alicyclischen Reihe 868
XIV
Inhalt Sette
I I . Die cyclischen Verbindungen vom Benzoltypus 1. Kondensierte aromatische Ringsysteme a) Allgemeines b) Das Naphthalin und seine Derivate c) Das Anthracen und seine Derivate d) Das Phenanthren und seine Derivate e) Höher kondensierte, rein aromatische Ringsysteme f) Verbindungen mit kondensierten aromatischen und aliphatischen Ringsystemen 2. Die Verbindungen vom Pyridintypus a) Allgemeines b) Einzelverbindungen der Pyridinreihe c) Das Chinolin und seine Derivate d) Das Isochinolin e) Acridin und Phenanthridin 3. Sechsgliedrige Ringsysteme mit mehreren Stickstoffatomen a) Die Diazine und ihre Derivate a) Das Pyridazin und seine Derivate ß) Das Pyrimidin und seine Derivate y) Das Pyrazin und seine Derivate b) Die Triazine und ihre Derivate a) Das sym-Triazin und seine Derivate ß) Das vic- und das as-Triazin c) Die Tetrazine und ihre Derivate 4. Die sauerstoffhaltigen sechsgliedrigen Ringsysteme a) Die Pyryliumsalze b) Die Pyrone 5. Die schwefelhaltigen sechsgliedrigen Ringsysteme
871 871 871 872 880 886 889
I I I . Die fünfgliedrigen Ringsysteme mit aromatischem Charakter 1. Die Verbindungen vom Pyrroltypus a) Das Pyrrol und seine Derivate b) Das Indol und das Iso-Indol c) Das Carbazol und andere polycyclische Pyrrolderivate d) Die fünfgliedrigen Ringsysteme mit mehreren N-Atomen a) Allgemeines ß) Das Pyrazol und seine Derivate y) Das Imidazol und seine Derivate (5) Die Triazole e) Das Tetrazol und seine Derivat« () Das Pentazol und seine Derivate
932 932 932 939 943 944 944 947 950 951 954 957
2. Die Verbindungen vom Furantypus a) Das Furan und seine Derivate b) Cumaron, Diphenylenoxyd und höhere Benzofurane c) Die Oxazole und Furazane
957 957 961 962
3. Die Verbindungen vom Thiophentypus a) Allgemeines b) Das Thiophen und seine Derivate c) Die Azaverbindungen der Thiopenreihe d) Die Trithione e) Das Selenophen
965 965 966 969 970 971
893 899 899 906 907 911 912 913 914 914 915 917 918 918 919 920 922 922 924 930
Inhalt
XV Seite
12. Kapitel. Die Reaktion am Eoblenstoflgerttst I. Die Oxydationsreaktionen 1. Die direkte Oxydation a) Elementarer Sauerstoff, Ozon, Peroxyverbindungen b) Kaliumpermanganat, Chromtrioxyd und Salpetersäure c) Moderne Oxydationsmittel 2. Die indirekte Einführung von Sauerstoff 3. Die Dehydrierung II. Die Reduktionsreaktionen 1. Wasserstoff als Reduktionsmittel a) Der elementare Wasserstoff b) Der nascierende Wasserstoff c) Die elektrolytische Reduktion (und Oxydation) d) Der atomare Wasserstoff 2. Sonstige Reduktionsmittel 3. Die indirekte Reduktion III. Der Aufbau von C—C-Bindungen 1. Synthesen mit negativ polarisiertem Kohlenstoff a) Die K O L B E sehe Nitrilsynthese und verwandte Reaktionen b) Die Synthesen mit metallorganischen Verbindungen c) Die von 1,3-Dicarbonylverbindungen ausgehenden Synthesen 2. Die Kondensationsreaktionen a) Die F R I E D E L - C R A F T sehe Synthese (im weitesten Sinne) b) Die Kondensationsreaktionen der Alkohole c) Die Kondensationsreaktionen der Oxoverbindungen a) Die Aldolkondensation und verwandte Reaktionen ß) Die Crotonaldehydkondensation und verwandte Reaktionen . . . . d) Die Ester- oder CLAISEN-Kondensation e) Die Kondensationsreaktionen anderer Carbonsäurederivate 3. Die auf Anlagerungsreaktionen an C—C-Mehrfachbindungen beruhenden synthetischen Verfahren 4. Die oxydierende und reduzierende Verknüpfung von C-Atomen IV. Der Abbau von C-C-Bindungen 1. Der oxydative Abbau von C—C-Bindungen a) Der stufenweise Abbau einer Paraffinkette von ihrem Ende her . . . . b) Die Spaltung längerer Ketten in der Mitte 2. Die Spaltung von C—C-Bindungen unter Erhaltung der Gesamtoxydationsstufe 3. Die Verwendung von Abbaureaktionen zur Strukturaufklärung organischer Verbindungen
972 972 972 973 974 976 978 981 985 985 985 987 989 991 991 994 995 996 996
996 997 998 1001 1005 1006 1006 1010 1012 1014 1015 1020 1022 1022 1023 1024 1025 1029
Autorenregister
1033
Sachregister
1037
Kurzes Sammelregister für das Gesamtwerk Band I—III
1065
6. K a p i t e l
Die organischen Stickstoffverbindungen Unter organischen Stickstoffverbindungen im weitesten Sinne versteht man alle Substanzen, die einen s t i c k s t o f f h a l t i g e n B e s t mittels des N-Atoms an K o h l e n s t o f f gebunden enthalten. Von ihnen stehen jedoch alle Verbindungen, in denen der Stickstoff mehrfach oder neben anderen H e t e r o a t o m e n an ein o x y d a t i v höherwertiges C-Atom gebunden ist, in derart nahen Beziehungen zu den S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n der gleichen Oxydationsstufe, daß man sie, wie bereits auf S. 180 betont, zweckmäßig als deren D e r i v a t e betrachtet. Wir wollen daher (der allgemeinen Gepflogenheit entsprechend) im folgenden unter Stickstoffverbindungen im engeren Sinne nur diejenigen Substanzen zusammenfassen, in denen der stickstoffhaltige Best durch eine einfache Bindung mit einem keine weiteren H e t e r o a t o m e tragenden C-Atom verknüpft ist. Da der Stickstoff nach dem Sauerstoff das wichtigste H e t e r o e l e m e n t der organischen Chemie darstellt, ist die Zahl der bekannten Stickstoffverbindungen des Kohlenstoffs sowie deren Bedeutung für Natur und Technik ebenfalls außerordentlich groß. Sie weisen jedoch einen ganz anderen Charakter auf als die vorbesprochenen Sauerstoffverbindungen. Während diese sich nur vom Wasser ableiten und ihre chemische Mannigfaltigkeit hauptsächlich durch das verschiedenartige Verhalten des K o h l e n s t o f f s in den verschiedenen Sauerstoff-Funktionen bedingt ist, liegen bei den Stickstoffverbindungen die Verhältnisse gerade umgekehrt. Einerseits leiten sie sich von einer sehr großen Anzahl anorganischer S t i c k stoffverbindungen ab, die häufig sogar als reine Wasserstoffverbindungen überhaupt nicht existenzfähig sind (wie z.B. Diimin H—N=N—H oder Aminoxyd H 3 N-»0) andererseits ist die einfache C—N-Bindung im Gegensatz zur C—0oder gar C—Hai -Bindung bereits ziemlich r e a k t i o n s t r ä g e und nähert sich in dieser Beziehung der nahezu reaktionslosen C—C- oder C—H-Bindung. Infolgedessen tritt bei den Beaktionen der organischen Stickstoffverbindungen der K o h l e n s t o f f rest häufig überhaupt n i c h t in Erscheinung, und die Umsetzungen spielen sich fast ausschließlich am S t i c k s t o f f ab. Das bedeutet aber, daß die Chemie der organischen Stickstoffverbindungen in mancher Hinsicht nur eine durch den stabilisierenden E i n f l u ß des K o h l e n s t o f f s wesentlich erweiterte Chemie des S t i c k s t o f f s darstellt. Lediglich bei den A n i l i n b a s e n und den Nitroverbindungen, sowie in einigen anderen Ausnahmefällen, beobachtet man auch einen starken Einfluß des stickstoffhaltigen Substituenten auf die Beaktionsfahigkeit des organischen Molekülteiles. Die verschiedenartige Natur der organischen Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen kommt zum Teil bereits in der Nomenklatur zum Ausdruck. So spricht man bei den Sauerstoffverbindungen z. ß. von primären, sekundären 36
K 1 a g e 8 , Lehrbuch der Organischen Chemie I, 2
562
Kap. 6: Die organischen Stickstoffverbindungen
und t e r t i ä r e n A l k o h o l e n in Abhängigkeit von der primären, s e k u n d ä r e n oder t e r t i ä r e n Natur des die alkoholische Hydroxylgruppe tragenden C-Atoms. In den primären, s e k u n d ä r e n und t e r t i ä r e n A m i n e n ist es dagegen der S t i c k s t o f f , der ein, zwei oder drei organische Reste trägt, und eine Verbindung wie t e r t . - B u t y l a m i n (CH3)3C—NH2 zählt trotz des t e r t i ä r e n A l k y l r e s t e s zu den primären A m i n e n , da die tertiäre Natur des A l k y l r e s t e s für die hier im Vordergrund des Interesses stehende R e a k t i o n s f ä h i g k e i t des S t i c k s t o f f s ohne Belang ist. Die Einteilung der organischen Derivate des Stickstoffs geschieht in erster Linie nach der kohlenstofffreien a n o r g a n i s c h e n S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g , von der sie sich durch Einführung organischer Reste ableiten, und wir unterscheiden dementsprechend die A m i n o - , H y d r o x y l a m i n o - , H y d r a z i n o - , D i a z o - , A z o - , N i t r o s o - , N i t r o v e r b i n d u n g e n usw. Erst sekundär werden diese Verbindungsklassen auf Grund der Natur des o r g a n i s c h e n R e s t e s weiter unterteilt, wobei sich fast stets wesentliche Unterschiede zwischen den a r o m a t i s c h e n und a l i p h a t i s c h e n V e r b i n d u n g e n ergeben.
I : Die Aminoverbindungen
563
I. Die Aminoverbindungen Unter Aminoverbindungen versteht man die o r g a n i s c h e n D e r i v a t e d e s A m m o n i a k s , d. h. Verbindungen, in denen e i n e s oder auch m e h r e r e H - A t o m e des A m m o n i a k s oder des A m m o n i u m - I o n s durch e i n w e r t i g e o r g a n i s c h e R e s t e ersetzt sind. Man unterteilt sie nach der Z a h l dieser am S t i c k s t o f f befindlichen organischen Reste in die sich vom A m m o n i a k ableitenden primären, sekundären und tertiären Amine bzw. Aminoverbindungen und die sich vom A m m o n i u m - I o n ableitenden und als Derivate des v i e r b i n d i g e n S t i c k s t o f f s nur in Form der I o n e n existenzfähigen quartären Ammonium-Ionen bzw. -Salze:
R—NH 2 primäres Amin
R
\ )NH
sekundäres Amin
R \ R-^N]
tertiäres Amin
R
\©/R N R/ \R quartäres Ammonium-Ion
Die diesen A m i n e n und A m m o n i u m s a l z e n entsprechenden Sauerstoffverbindungen sind die A l k o h o l e , Ä t h e r und T r i a l k y l o x o n i u m - Salze. Während man aber die Alkohole und Äther auf Grund ihres u n t e r s c h i e d l i c h e n V e r h a l t e n s als g e t r e n n t e V e r b i n d u n g s k l a s s e n auffaßt, ist dies bei den primären, sekundären und tertiären Aminen trotz des verschiedenen Substitutionsgrades n i c h t in dem Maße der Fall, da sie die für alle Aminoverbindungen charakteristischen b a s i s c h e n R e a k t i o n e n in g l e i c h e r Weise zeigen. Nomenklatur. Als r a t i o n e l l e N a m e n führen die e i n f a c h e n A m i n o v e r b i n d u n g e n die Gruppenbezeichnung -amin, der in der üblichen Weise die N a m e n und auch die Z a h l der am Stickstoff befindlichen organischen Reste v o r a n g e s t e l l t werden (z. B. Methyl-amin, Dimethyl-amin, Methyläthyl-amin usw.). I n k o m p l i z i e r t e n V e r b i n d u n g e n , die auch noch a n d e r e F u n k t i o n e n im Molekül enthalten und n a c h d i e s e n benannt werden, bezeichnet man die —NH 2 -Gruppe dagegen als Aminogruppe, wie es z. B. in Amino-essigsäure, p-Amino-benzaldehyd usw. der Fall ist. Auch die K o m b i n a t i o n b e i d e r B e z e i c h n u n g s a r t e n ist gebräuchlich, wie z. B. der häufig vorkommende Ausdruck Dimethylaminogruppe (CH 3 ) 2 N— zeigt. I n T r i v i a l n a m e n ist man schließlich bestrebt, die Kennzeichnung der Aminoverbindungen allgemein durch die Endung -in (z. B. Glycin, Alanin, Morphin usw.) vorzunehmen. Doch ist diese Benennungsart leider nicht systematisch durchgeführt worden. Eine scharfe gegenseitige Abgrenzung muß man schließlich noch zwischen den Gruppenbezeichnungen -amin, -imin, -amid, -imid und -nitril vornehmen, die zeitweilig s e h r u n s y s t e m a t i s c h angewandt wurden und dadurch zu einiger Verwirrung Anlaß gegeben haben. Die heute a l l g e m e i n a n e r k a n n t e D e f i n i t i o n lautet: Die Endsilbe -in dient zur Kennzeichnung aller vom o x y d a t i v ein- oder z w e i w e r t i g e n K o h l e n s t o f f sich ableitenden, noch b a s i s c h r e a g i e r e n d e n S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n (z. B. der primären Amine, der Ket-imirae usw.), während die Endung -id ausschließlich für S ä u r e d e r i v a t e (Carbonsäureumide und -imide) sowie auch für M e t a l l s t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n (z. B. Natriumamiä) verwandt wird. Entsprechend bezeichnet man mit dem Wortstamm -am- (-amid und -amin) stets e i n f a c h , mit dem Wortstamm -im- (-imid und-imin) stets d o p p e l t und mit der Endung -nitril stets d r e i f a c h an das g l e i c h e C-Atom gebundenen A m m o n i a k - bzw. A m i n s t i c k s t o f f . Das „ S u c c i n i m i d " und das „ P h t h a l i m i d " sind also streng genommen keine Säureimide sondern s e k u n d ä r e S ä u r e a m i d e (vgl. S. 361). Ebenso sind die vielfach gebräuchlichen Ausdrücke C a r b a m i n s ä u r e und i m i n o ä t h e r falsch und sollten durch die Bezeich36*
564
Kap. 6 , 1 : Die Aminoverbindungen
nungen C a r b a m i i s ä u r e (S. 417) und Imidoester (vgl. S. 367) ersetzt werden. Weitere Beispiele dieser Art sind die auf S. 618 beschriebenen Verbindungen Imino-di-essigsäure und JVtiriZo-tri-essigsäure, die man besser Amino-diund -¿mino-tri-essigsäure nennen sollte. Schließlich wird die Verbindung CHS—CO—NH—CH3 als Methylacetamid bezeichnet, wenn man sie als A l k y l d e r i v a t eines Säureamids auffaßt, jedoch als Acetylmethylamin, wenn man sie von Methylamin ableitet.
Die Konstitution der einfachen Aminoverbindungen ergibt sich im allgemeinen eindeutig auf Grund ihrer S y n t h e s e durch Alkylierung oder Arylierung von Ammoniak, sowie der, meistens allerdings nur schwierig durchführbaren, hydrolytischen oder a c i d o l y t i s c h e n Wiederabspaltung der organischen Reste als Alkohole (bzw. Phenole) oder Alkyl-(bzw. Aryl-)halogenide.
1. Die gesättigten aliphatischen Amine a) Darstellung und allgemeine E i g e n s c h a f t e n Vorkommen. Die einfachen aliphatischen Amine, d.h. die A l k y l s u b s t i t u tionsprodukte des Ammoniaks, kommen nur vereinzelt und in geringer Menge als Abbauprodukte der Eiweißaminosäuren natürlich vor. Dagegen begegnet man komplizierten Aminoverbindungen mit aliphatisch gebundenem Stickstoff des öfteren in der belebten Natur. Ihnen gehören, soweit es sich um reine Amine handelt, die in den Alkylresten keine S a u e r s t o f f - F u n k t i o n e n enthalten, insbesondere eine Reihe wichtiger Alkaloide an, wie z. B. Coniin, N i c o t i n , Lupinin und auch Piperin (vgl. III, Kap. 7, III). Die Darstellung der Amine geschieht nach vier verschiedenen Methoden: 1. durch Alkylierung von Ammoniak, 2. durch R e d u k t i o n des S t i c k s t o f f s in den Alkylderivaten anderer Stickstoffverbindungen, 3. durch R e d u k t i o n des Kohlens t o f f s in den Ammoniakderivaten der höheren organischen Sauerstoff-Funktionen und schließlich 4. durch die bereits beschriebenen S ä u r e a b b a u m e t h o d e n von HOFMANN, CTJRTITTS u n d L O S S E N ( v g l . S . 3 3 1 ) .
Zu 1. Die Alkylierung des Ammoniaks geht infolge seiner Basizität mit den üblichen Alkylierungsmitteln (nicht aber mit Diazomethan, vgl. S. 644) besonders l e i c h t vor sich. Sie erfordert im Gegensatz zu der der Alkohole (S. 217) keine basischen K o n d e n s a t i o n s m i t t e l zum Abfangen der entstehenden Säure, da das als erstes Reaktionsprodukt anfallende a l k y l i e r t e Ammoniumsalz eine durchaus beständige S u b s t a n z ist, deren Bildungstendenz durch die zusätzlich erfolgende (exotherme) Salzbildung gegenüber der der freien Amine noch erhöht wird: H3N! + R—Hai
v
©
[HSN—B]+Har
Im weiteren V e r l a u f der Reaktion tauscht jedoch das Alkylammonium-Ion mit überschüssigem Ammoniak das Proton aus, und das hierbei entstehende freie Alkylamin kann zum D i a l k y l a m i n , sowie nach Wiederholung des Vorganges auch zum T r i a l k y l a m i n und T e t r a a l k y l a m m o n i u m s a l z alkyliert werden. Man erhält infolgedessen bei der Einwirkung von einem Mol des Alkylierungsmittels auf ein Mol Ammoniak stets ein Gemisch der Salze sämtlicher möglichen Alkylierungsprodukte (und des n i c h t umgesetzten Ammoniaks) als Reaktionsprodukt:
565
1 a : Die Darstellung der Amine NH 3 + R- Hal
v
[RNH3]+ H a r
+ NH3>
RNHj
+ NH,+ HaT
R2NH
+ NH4+ HaT
R3N
+ NHt+ Hai"
RNH2 + R- Hai
>- [R2NH2]+ Hai"
+ NH, y
RjNH + R- Hai
»
[R3NH]+ HaT
•+ NH, >
RjN + R—Hai
•
[R4N]+ Hal -
Durch diesen uneinheitlichen Reaktionsverlauf wird die Anwendbarkeit der Methode zur Darstellung b e s t i m m t e r Amine, z. B. e i n h e i t l i c h e r p r i m ä r e r A m i n e , naturgemäß sehr e i n g e s c h r ä n k t . Besonders unangenehm ist es hierbei, daß die bereits alkylierten Zwischenprodukte im allgemeinen s c h n e l l e r w e i t e r s u b s t i t u i e r t werden als das NH 3 -Molekül selbst, so daß die Unterbrechung der Reaktion auf der Stufe des p r i m ä r e n A m i n s auch bei Verwendung eines großen Ammoniaküberschusses fast u n m ö g l i c h ist. Doch sind für diesen Fall eine Reihe von V a r i a n t e n entwickelt worden, auf die weiter unten (S. 580, 584 u. a.) noch näher eingegangen wird. Außer mit den üblichen Alkylierungsmitteln kann man bei höherer Temperatur und in Gegenwart von K a t a l y s a t o r e n die Alkylierung des Ammoniaks auch mit Alkoholen und z. T. sogar mit Ä t h e r n als Alkylierungsmitteln durchführen. Die auf S. 187 bereits näher beschriebene Reaktion führt im allgemeinen ebenfalls zu einem Gemisch der primären bis t e r t i ä r e n Amine, jedoch n i c h t mehr zu den quartären A m m o n i u m v e r b i n d u n g e n , da diese unter den Reaktionsbedingungen n i c h t e x i s t e n z f ä h i g sind (S. 576).
Zu 2. Die Reduktion des Stickstoffs in den organischen Derivaten a n d e r e r S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n , insbesondere in den N i t r o - , N i t r o s o - und Diazov e r b i n d u n g e n , sowie auch in den Alkylderivaten des H y d r a z i n s , H y d r o x y l a m i n s und der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e , führt stets zu Aminen als E n d p r o d u k t e n , in denen der Stickstoff die n i e d r i g s t e O x y d a t i o n s s t u f e aufweist: R—CH2—NO,
+ 3H, — 2H|0
\
R—CH—NH2
R—CH2—NO + H. -N,
R—CH2—N3
/
V
+ H, — NH, + 3H, — NH, + H, — H.O
R-CH2-NH-NH2 e e R—CH=N=N R—CH»—NH—OH
Das Verfahren wird allerdings nur selten zur Darstellung einfacher Amine verwandt, da die zu reduzierenden Stickstoffverbindungen in der aliphatischen Reihe meist nur schwer z u g ä n g l i c h sind. Dagegen eignet es sich zur K o n s t i t u t i o n s e r m i t t l u n g anderer stickstoffhaltiger Substanzen, denn nur diejenigen Verbindungen, in denen der Stickstoff direkt an K o h l e n s t o f f gebunden ist, gehen bei der Reduktion in Amine über, während anderenfalls, z. B. wenn die Bindung des Stickstoffs über ein O-Atom erfolgt, Ammoniak und ein Alkohol entstehen. Isomere Verbindungen, wie etwa die a- und /?-Alkyl-hydroxylamine (S. 624f.) liefern also v e r s c h i e d e n e R e d u k t i o n s p r o d u k t e : R—NH—OH
+ H
' > R—NH2 + H 2 0
R—O—NH2
+H
' > R—OH + NH3
Zu 3. Die Methoden zur Reduktion des Kohlenstoffs (und gegebenenfalls daneben auch des Stickstoffs) in den s t i c k s t o f f h a l t i g e n D e r i v a t e n der h ö h e r e n S a u e r s t o f f - F u n k t i o n e n haben wir zum Teil bereits früher kennen gelernt (vgl. S. 300). Als geeignete Ausgangsmaterialien für die Darstellung von Aminen haben
Kap. 6 , 1 : Die Aminoverbindungen
566
sich vor allem die Oxime, N i t r i l e und I s o n i t r i l e (S. 790f.) erwiesen, doch ist in gleicher Weise auch die Reduktion von Aid- oder K e t i m i n e n , H y d r a z o n e n , Azinen und sonstigen S c H i r r s c h e n B a s e n , sowie auch die Überführung der S ä u r e a m i d e in Amine gelungen: R—CH=N—OH R—C=N
-
— H.O +2Hl--
R—CH=NH
\
>-
,
/
R
(]JJ
2
]\JJ
/
2 \
—NHS
+ N2
R^N—N=0 keine Reaktion
I n diesem Fall ist eine Regeneration der p r i m ä r e n A m i n e natürlich n i c h t möglich.
mehr
c) Schließlich liegt f ü r die spezielle Aufgabe der Trennung von M o n o - , D i - und T r i m e t h y l a m i n , die nahezu bei der g l e i c h e n T e m p e r a t u r sieden (vgl. Tab. 26, S. 567), noch ein weiteres Verfahren in der Einwirkung von Formaldehyd vor, der die Amine in Oxoderivate v e r s c h i e d e n e r M o l e k ü l g r ö ß e überführt, die sich dann leicht durch f r a k t i o n i e r t e D e s t i l l a t i o n trennen lassen: //CH,3 .CH2—N3CH3-NH2 + 3 0=CH2 (3CH3-N=CH2) CH3-N< ' \ C H XCH2-N/ CH3 Trimethyl-trimethylen-triaroin Sdp. 166°
2 (CH 3 ) 2 NH + 0 = C H 2
(CH 3 ) 2 N x -H,° V ">CH2 ; (CH 3 ) 3 N + 0 = C H 2 (CH3)2N Sdp. 4«
—>• keine Reaktion
Tetramethyl-methylen-diamin Sdp. 82,5»
Hier ist eine R e g e n e r i e r u n g d e s p r i m ä r e n u n d s e k u n d ä r e n A m i n s ohne Schwierigkeit durch S ä u r e s p a l t u n g d e r F o r m a l d e h y d d e r i v a t e möglich. Zu 4. I n U m k e h r u n g der oben beschriebenen R e d u k t i o n höher oxydierter Stickstoff- u n d K o h l e n s t o f f - F u n k t i o n e n zur Aminogruppe ist auch eine Oxydation der Amine a m S t i c k s t o f f u n d a m K o h l e n s t o f f möglich. D o c h ist ihr R e d u k tionsvermögen i m allgemeinen nur g e r i n g , u n d sie erweisen sich i n d e n meisten Fällen als ziemlich o x y d a t i o n s s t a b i l . So ist z. B . eine der Dehydrierung der A l k o h o l e z u O x o v e r b i n d u n g e n analoge D e h y d r i e r u n g d e r A m i n e z u I m i n o v e r b i n d u n g e n erst relativ spät u n d in nur m ä ß i g e r A u s b e u t e gelungen 1 ) (mit M n 0 2 als Dehydrierungsmittel), so daß sie keine praktische B e d e u t u n g zur Aldehydg e w i n n u n g erlangt hat. B e i h ö h e r e n T e m p e r a t u r e n k a n n m a n die R e a k t i o n auch über N i c k e l k a t a l y s a t o r e n unter A b s p a l t u n g v o n e l e m e n t a r e m W a s s e r s t o f f durchführen. Hier wird aber bei Verwendung v o n primären A m i n e n die Stufe der IminoVerbindungen stets ü b e r s c h r i t t e n , u n d m a n erhält direkt die N i t r i l e : R . J . HIGHET u . W . C. W I L D M A N : A m . S o c . 7 7 , 4 3 9 9 ( 1 9 5 5 ) .
1 a : Die allgemeinen Reaktionen der Amine
571
H H
...III"
R—C—N I I H H
Tr
- ~ H a >• /R—C=N \ ' i : I \ H H
H
~H' >
R—C=N
Eine O x y d a t i o n des S t i c k s t o f f s gelingt häufig mit Hilfe von W a s s e r s t o f f p e r o x y d oder anderen P e r o x y V e r b i n d u n g e n und führt primär wahrscheinlich stets zu Aminoxyden. (S. 625), die aber nur bei den t e r t i ä r e n A m i n e n beständig sind und in der primären Reihe sofort zu den N i t r o s o v e r b i n d u n g e n weiter oxydiert werden:
RjNI + 0
(
>- R3N^O ; R—NH2 + 0
?
1
v R \—NH2/
Aminoxyd
Aminoxyd
+0(~H'0)>
R—N=0
Nitrosoverbindung
Zu 5. Die C — N - B i n d u n g ist, der geringen Acidität des Ammoniakwasserstoffs entsprechend, nur noch s c h w a c h p o l a r und steht hinsichtlich ihrer Spaltbarkeit etwa i n d e r M i t t e zwischen der C—O- und C—C-Bindung. Sie gehört also bereits zu den ausgesprochen r e a k t i o n s t r ä g e n B i n d u n g s t y p e n , deren Aufspaltung bei Temperaturen unter 100° w e d e r h y d r o l y t i s c h noch unter A b s p a l t u n g v o n A m m o n i a k z u r D o p p e l b i n d u n g gelingt und auch zwischen 100 und 200° nur mit ü b e r k o n z e n t r i e r t e r J o d w a s s e r s t o f f s ä u r e im Sinn einer A c i d o l y s e ©
möglich ist, wenn die reaktionsfähigere C — N - B i n d u n g des A l k y l a m m o n i u m I o n s vorliegt (vgl. S. 574): R—NH 2
-4-H + " •
® I TT T R—jSH 3 - ± i t i — •
© R—J + NH 4
Die Reaktion erinnert an die ZEisELSche M e t h o x y l b e s t i m m u n g (S. 219) und läßt sich ebenfalls q u a n t i t a t i v (neuerdings auch nach einem M i k r o v e r f a h r e n 1 ) ) durchführen. Sie dient unter der nicht ganz exakten Bezeichnung Mtihylimid- (statt Methylamino-) Bestimmung in ähnlicher Weise zum quantitativen Nachweis von N - A l k y l g r u p p e n . Erst bei s e h r viel h ö h e r e r T e m p e r a t u r wird die C—N-Bindung auch der neutralen Amine l a b i l e r . So beobachtet man z.B. unter den Bedingungen der Aminbildung aus A l k o h o l e n und A m m o n i a k (S. 187, 565) häufig auch eine direkte Ü b e r t r a g u n g v o n A l k y l r e s t e n zwischen zwei Aminmolekülen, so daß es u.a. möglich ist, s e k u n d ä r e A m i n e über A l u m i n i u m o x y d bei 380° praktisch vollständig zu t e r t i ä r e n A m i n e n und A m m o n i a k zu disproportionieren, während bei etwa 300° über M a n g a n o x y d - A k t i v k o h l e als Katalysator die Gegenreaktion überwiegt 2 ): 3R,NH
A1,0,, 380° 2 R,N + NH, MnO, 300°
Ebenso tritt bei höherer Temperatur, z. B. im Verlaufe der K o h l e h y d r i e r u n g (III, Kap. 1, I, 5a), zuweilen auch eine h y d r i e r e n d e A u f s p a l t u n g der Aminbindung unter Bildung von P a r a f f i n und A m m o n i a k (Gleichung formulieren!) ein. Bei dieser schweren Spaltbarkeit der C—N-Bindung haben eine Reihe von s p e z i e l l e n V e r f a h r e n , die durch K o p p e l u n g der Spaltungsreaktionen mit a n d e r e n V o r g ä n g e n den Aminabbau w e s e n t l i c h e r l e i c h t e r n , eine größere Bedeutung erlangt: a) Zum Abbau primärer Amine eignet sich am besten die auf S. 570 bereits erwähnte Spaltung mit s a l p e t r i g e r S ä u r e , bei der jedoch nur der o r g a n i s c h e 2
H. E. FIERZ-DAVID u. Mitarbb.: Helv. 28, 1463 (1945). ) Bezgl. weiterer Beispiele vgl. H. R. SNYDER U. Mitarbb.: Am. Soc. 76, 1301 (1954).
Kap. 6,1: Die Aminoverbindungen
572
R e s t in Form von Alkohol oder von Olefin und Wasser, nicht aber die Aminogruppe erhalten bleibt1): R — C H o — G H «
— n : h
2
+
o = | n
-OH
R—CH=CH 2 + H 2 0 _H,O
\
R—CH 2 —CH 2 —OH
Hier ist es die B i l d u n g s t e n d e n z des S t i c k s t o f f m o l e k ü l s bei der Zersetzung der Diazoverbindung, die die Spaltungsneigung der C—N-Bindung erhöht. Bei Verwendung von N i t r o s y l h a l o g e n i d e n entstehen in analoger Weise die A l k y l h a l o g e n i d e bzw. O l e f i n und H a l o g e n w a s s e r s t o f f : „ / - > R—CH=CH 22 + H—Hai _llj(', ( -CH,R—CH 2 —CH 2 —Hai
R—OH«—CH,2 —XII 2 J- 0 = N ; — H a i
b ) Die sekundären Amine führt man nach J . v. B R A U N in die S ä u r e a m i d c h l o r i d e über die, wie bereits auf S. 371 erwähnt, als O r t h o c a r b o n s ä u r e d e r i v a t e die Tendenz aufweisen, sich in n o r m a l e C a r b o n s ä u r e d e r i v a t e zurückzuverwandeln, und daher bei mäßigem Erhitzen die Alkylradikale als A l k y l h a l o g e n i d e abspalten : Cl Cl : 0 O R R R x
Rx
H + Cl—C—R'
Rx
\
PCI,
)N—C—R'
/ N -
/
:
C — R '
R
Säure-amid-chlorid
-V N = C — R ' + 2R—Cl
c) Auch für den Abbau tertiärer Amine hat J. v. B R A U N ein brauchbares Verfahren entwickelt, das wir ebenfalls bereits kennen gelernt haben (S. 412). Er führt die Amine durch Anlagerung von B r o m c y a n in die q u a r t ä r e n A m m o n i u m s a l z e des C y a n a m i d s über, die n i c h t b e s t ä n d i g sind und unter den Bildungsbedingungen sofort unter Abspaltung eines Alkylhalogenidmoleküls zerfallen: Rx
R
R-/NI + Br—C=N W
\ ©
R-jN—C=N
Erhitzen
Br~
R \ n _ C = N
R7
+ R—Br
Aus den hierbei entstehenden D i a l k y l - c y a n a m i d e n (I) läßt sich durch h y d r o l y t i s c h e S p a l t u n g als weiteres Abbauprodukt auch das s e k u n d ä r e A m i n gewinnen. d) Die quartären Ammoniumsalze baut man nach A. W. H O F M A N N am besten durch t h e r m i s c h e Z e r s e t z u n g der q u a r t ä r e n A m m o n i u m b a s e n ab (Näheres vgl. S. 577): [R—CH2—CHal—NR3]i+OH~i
Er-
R 3 N + R—CH 2 —CH 2 —OH (bzw.R—CH=CH 2 + H 2 0)
Da bei dieser Reaktion die M e t h y l g r u p p e n schwerer als alle anderen Alkylreste abgespalten werden, kann man die Methode auch zum Abbau der höheren Alkylreste aus kom') Eine von E. H. W H I T E (Am. Soc. 77, 6 0 1 1 [ 1 9 5 5 ] ) beschriebene Variation dieses Verfahrens, bei der die Olefinbildung vermieden wird, besteht in der N i t r o s i e r u n g eines A c y l d e r i v a t s des Amins zu der beständigen A c y l n i t r o s o v e r b i n d u n g I, die bei der thermischen Zersetzung S t i c k s t o f f unter Bildung des E s t e r s des betreffenden Alkohols abspaltet: R — N H ,
Acylierung
>
R — N H —
C O -
-R'
R—
N /
X
0
:\CO—R'
I
rST=r^—>
(Erhitzen)
R — C O — 0 — R '
l b / i : Die Ammoniumsalze
573
plizierteren p r i m ä r e n bis t e r t i ä r e n A m i n e n verwenden, indem man diese jeweils bis zur Stufe der q u a r t ä r e n S a l z e m e t h y l i e r t und dann durch thermische Zersetzung der A m m o n i u m b a s e n einen der u r s p r ü n g l i c h e n A l k y l r e s t e abspaltet ( H o F M A N N s n h e r Abbau durch e r s c h ö p f e n d e M e t h y l i e r u n g ) : R—NH 2 + 3 CH 3 —J + 3 NaOH
[Rj—X(CH„y+OH"
R—OH + (CHS)SN|
Das Verfahren bietet den Vorteil, die Alkylreste n a c h e i n a n d e r in v e r s c h i e d e n e n R e a k t i o n s s t u f e n abtrennen zu können, und gestattet es auch, aus der Z a h l der bis zur Erreichung der quartären Stufe eingeführten Methylgruppen zwischen p r i m ä r e n , s e k u n d ä r e n und t e r t i ä r e n A m i n e n zu unterscheiden. Es hat insbesondere in früherer Zeit wesentlich mit zur K o n s t i t u t i o n s a u f k l ä r u n g d e r A l k a l o i d e beigetragen (vgl. ETI, Kap. 7, III).
b) Die Derivate der aliphatischen Amine Wie wir schon auf S. 569 gesehen haben, leiten sich von den primären und sekundären Aminen (in ähnlicher Weise wie von den Alkoholen) durch Substitution des Aminwasserstoffs oder durch Besetzung des am Stickstoff befindlichen ungebundenen Elektronenpaares eine Reihe von Derivaten ab. Sie sind in ihren Eigenschaften den entsprechenden Alkoholderivaten (S. 199f.) sehr ähnlich und lassen als einzige Verbindungsklasse eine gewisse Analogie zwischen den Alkoholen und Aminen erkennen. a) Die Metallamide Die M e t a l l a m i d e d e r o r g a n i s c h e n B a s e n entsprechen in jeder Beziehung den M e t a l l a l k o h o l a t e n und können auch in gleicher Weise durch Einwirkung der f r e i e n A l k a l i m e t a l l e oder von m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n auf p r i m ä r e oder s e k u n d ä r e A m i n e gewonnen werden: R—NH 2 + Na
• R—NHNa + Vi H 2 ;
R a N—H + R'—Me
>- RaNMe + R'—H
Die uns ausschließlich interessierenden A l k a l i m e t a l l d e r i v a t e sind n a t r i u m a m i d ähnliche, s a l z a r t i g e Verbindungen, die durch W a s s e r und A l k o h o l e sofort z e r s e t z t werden und (in Analogie zu dem System A l k o h o l a t - W a s s e r , S. 201) selbst in f l ü s s i g e m A m m o n i a k nur im Rahmen eines Gleichgewichtes neben dem betreffenden A l k a l i m e t a l l a m i d beständig sind (Gleichung formulieren!). Lediglich von i n d i f f e r e n t e n o r g a n i s c h e n L ö s u n g s m i t t e l n werden sie nicht angegriffen und sind in Ä t h e r n und t e r t i ä r e n A m i n e n zuweilen auch löslich. Eine praktische Bedeutung haben sie neben dem bei gleicher Reaktionsfähigkeit viel leichter zugänglichen N a t r i u m a m i d nur in Ausnahmefällen erlangt, z. B. als Kondensationsmittel für die auf S. 365 u. 854f. beschriebene N i t r i l k o n d e n s a t i o n .
ß) Die Ammoniumsalze Die Benennung der Oniumsalze der organischen Amine wird nur sehr unsystematisch durchgeführt und ist immer noch unbefriedigend. Insbesondere die wichtigen h a l o g e n w a s s e r s t o f f s a u r e n S a l z e bezeichnet man in Anlehnung an die frühere i r r i g e Vorstellung, daß es sich in ihnen um „ h y d r a t a r t i g e " Additionsverbindungen der S ä u r e an das A m i n handelt, allgemein mit den wenig schönen Ausdrücken Chlorhydrat, Bromhydrat usw. (z. B. Trlmeihylamin-chlorhydrat). In anderen Fällen, wie z. B. beim Trimethylamin-pikrat, leitet man den Namen der Salze von dem der A m i n e , statt von dem der A m m o n i u m - I o n e n ab. Streng rationell ist dagegen die Benennung als a l k y l s u b s t i t u i e r t e A m m o n i u m s a l z e (z. B. Trimethyl-ammoniumcMorid) oder auch als A d d i t i o n s p r o d u k t e d e r S ä u r e n a n das Amin (Trimethylamin-hydrochlorid).
574
Kap. 6 , 1 : Die Aminoverbindungen
Die Darstellung der Salze geschieht ausschließlich nach „ a n o r g a n i s c h e n " M e t h o d e n , d . h . entweder direkt durch Zusammengeben von S ä u r e und B a s e in einem (meist organischen) L ö s u n g s m i t t e l oder (seltener) durch Ausfällung w a s s e r u n l ö s l i c h e r S a l z e mittels F ä l l u n g s r e a k t i o n e n . Besonders charakteristische, zur Identifizierung und Analyse geeignete Salze sind die in Alkoholen meist schwer löslichen C h l o r o p l a t i n a t e (RNH 3 ) 2 PtCl 6 , C h l o r o - a u r a t e (RNH 3 ) 2 AUC1 4 , P i k r a t e ( S . 6 9 6 ) , P i k r o l o n a t e u n d S t y p h n a t e
(S.696).
Für den Organiker von Interesse sind insbesondere die Beständigkeitsverhältnisse des a l k y l i e r t e n A m m o n i u m - I o n s . Infolge der n i e d r i g e n b a s i s c h e n D i s s o z i a t i o n s k o n s t a n t e der Amine zeigt der am Ammoniumstickstoff befindliche Wasserstoff noch eine deutliche A c i d i t à t . Die alkylierten Ammoniumsalze werden daher (ähnlich wie die einfachen Ammoniumsalze) bereits durch Wasser g e r i n g f ü g i g h y d r o l y s i e r t und durch H y d r o x y l - I o n e n praktisch vollständig unter R e g e n e r a t i o n d e s A m i n s zerlegt. Ferner vermag der Wasserstoff bei höherer Temperatur im Rahmen eines G l e i c h g e w i c h t e s auch auf die weniger basischen A n i o n e n der S a l z e überzugehen: [RjNH]+Cr
Erhitzen
. = — R 3 N + HCl
Zimmertemperatur
Man kann infolgedessen die Ammoniumsalze s c h w a c h e r S ä u r e n bereits durch m ä ß i g e s E r h i t z e n zu einem gewissen Prozentsatz wieder r ü c k w ä r t s in ihre B i l d u n g s k o m p o n e n t e n zerlegen. Bei der Gewinnung der S ä u r e a m i d e aus den A m m o n i u m s a l z e n der C a r b o n s ä u r e n (S. 357) und bei der WöHLEitschen H a r n s t o f f s y n t h e s e (S. 410 Anm.) spielt diese Möglichkeit eine wichtige Rolle. Ähnlich wie die N—H- ist auch die N — R - B i n d u n g in den Ammoniumsalzen etwas l a b i l i s i e r t und leichter aufspaltbar als in den Aminen selbst. So findet z. B. die auf S. 571 beschriebene Spaltung der A l k y l a m i n e mit Jodwasserstoffsäure in s a u r e m M e d i u m statt. Desgleichen geht die Bildung c y c l i s c h e r A m i n e aus den D i a m i n o v e r b i n d u n g e n (S. 587, 590) und die Gewinnung der sekundären a r o m a t i s c h e n A m i n e aus zwei Molekülen eines primären Amins (S. 594) von den A m m o n i u m s a l z e n aus. Auch bei der A b s p a l t u n g von Salmiak aus dem H y d r o c h l o r i d d e s V e s t r y l a m i n s (S. 89) macht man von dieser erhöhten Reaktionsfähigkeit der organischen Reste in den alkylierten Ammonium-Ionen Gebrauch. Vollkommen verschwunden ist in den Ammoniumsalzen schließlich die B a s i z i t ä t d e s S t i c k s t o f f s , und alle auf dieser Basizität beruhenden Reaktionen können n i c h t m e h r durchgeführt werden. In G e g e n w a r t v o n S ä u r e n kann man Amine infolgedessen n i c h t acylieren, alkylieren oder in Derivate von OxoVerbindungen überführen, da alle diese Substitutionsreaktionen primär über eine A n l a g e r u n g an das u n g e b u n d e n e E l e k t r o n e n p a a r verlaufen (vgl. auch II, Kap. 4, II, 2 u. 4). y) Die quartären Ammoniumsalze In den quartären Ammoniumsalzen ist der Aminostickstoff mit v i e r organ i s c h e n R e s t e n besetzt. Sie enthalten also k e i n e n W a s s e r s t o f f am Stickstoff mehr und unterscheiden sich dadurch g r u n d l e g e n d von den normalen Ammoniumsalzen, so daß sie als s e l b s t ä n d i g e V e r b i n d u n g s k l a s s e betrachtet werden müssen.
1 b y: Die quartären Ammoniumsalze
575
Ihre Darstellung geschieht nach zwei verschiedenen Methoden: 1. durch d o p p e l t e U m s e t z u n g aus a n d e r e n S a l z e n des gleichen quartären Ions. So gewinnt man z. B. die f r e i e n H y d r o x y l b a s e n , die man in diesem Zusammenhang ebenfalls als „ S a l z e " betrachten kann, fast ausschließlich durch Behandeln der H a l o g e n i d e mit S i l b e r - oder auch T h a l l i u m h y d r o x y d : [R 4 N]+HaT + AgOH (bzw. T10H)
[R4N]+ OH" + AgHal (bzw. TlHal)
2. auf s y n t h e t i s c h e m W e g e durch Anlagerung der üblichen A l k y l i e r u n g s m i t t e l , insbesondere von A l k y l h a l o g e n i d e n , an t e r t i ä r e A m i n e (Gleichung formulieren!). Die Bildung quartärer Ammoniumsalze wird zuweilen in erstaunlichem Ausmaß durch das Lösungsmittel k a t a l y t i s c h beeinflußt. So erfolgt z. B. die in H e x a n - l ö s u n g sehr langsam verlaufende Anlagerung von Ä t h y l j o d i d an T r i ä t h y l a m i n in Ä t h y l a l k o h o l als Lösungsmittel bereits mit der 2 0 0 f a c h e n , in B e n z y l a l k o h o l mit der 7 5 0 f a c h e n und in A c e t o n i t r i l sogar mit der 5000fachen Geschwindigkeit. Geht man zur Darstellung der q u a r t ä r e n A m m o n i u m s a l z e von den n i e d e r e n A m i n e n oder gar vom A m m o n i a k aus, so muß man zur Einführung von m e h r a l s e i n e m Alkylrest jeweils aus den zunächst entstehenden normalen Ammoniumsalzen die Basen w i e d e r i n F r e i h e i t s e t z e n . Nur bei Zusatz von N a t r o n l a u g e oder N a t r i u m c a r b o n a t kann hier also die Bildung der quartären Salze i n e i n e m R e a k t i o n s g a n g erreicht werden: R—NH 2 + 3 R—C1 + 2 NaOH
—
2
.Nät/1
[R«N] + Cr
Der v i e r f a c h a l k y l i e r t e S t i c k s t o f f ist, da seine B i n d i g k e i t und W e r t i g k e i t v e r s c h i e d e n sind (vgl. S. 30), nur in Form von I o n e n existenzfähig, so daß wir neben den in Lösimg vorliegenden E i n z e l - I o n e n u n d d e n i n festem Zustand aus I o n e n g i t t e r n aufgebauten q u a r t ä r e n A m m o n i u m s a l z e n keine in Form von N e u t r a l m o l e k ü l e n auftretende Derivate kennen. Dies bezieht sich insbesondere auch auf das „freie Tetramethylammonium", das, ähnlich wie das f r e i e A m m o n i u m der anorganischen Chemie, bei der E l e k t r o l y s e s e i n e r S a l z e an Q u e c k s i l b e r e l e k t r o d e n als ein unterhalb 0° beständiges A m a l g a m — sowie in flüssigem A m m o n i a k als Lösungsmittel auch in Form sehr wenig beständiger b l a u e r L ö s u n g e n , die in jeder Beziehung den bekannten b l a u e n A l k a l i m e t a l l - L ö s u n g e n entsprechen (vgl. anorg. Lehrbücher) —erhalten werden kann. Es wurde früher als ein r a d i k a l a r t i g e s N e u t r a l m o l e k ü l mit v i e r w e r t i g e m S t i c k s t o f f angesehen, doch ist eine derartige Struktur auf Grund der Elektronentheorie der Valenz n i c h t QJJ 3 m ö g l i c h , denn k e i n e s der 17 Atome des Tetramethylammonium-Ions kann Ohneüberschreitung d e r O k t e t t z a h l (bzw. beim Wasserstoff HSC—N—CH, der D u b l e t t z a h l ) das überschüssige Elektron binden, so daß dieses, I CH, wie nebenstehend formuliert, als E i n z e l e l e k t r o n , also ohne nähere Beziehung zu einem bestimmten der 17 Atome, dem positiv geladenen T e t r a m e t h y l a m m o n i u m - I o n gegenüberstehen muß. Das ist aber in Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e m e x p e r i m e n t e l l e n B e f u n d nur in einer m e t a l l i s c h e n P h a s e möglich. Ein n e u t r a l e s T e t r a m e t h y l a m m o n i u m m o l o k ü l , wie man es früher annahm, gibt es also n i c h t , und die scheinbare „ E n t l a d u n g " des Ions bei der Salzelektrolyse spielt sich in Wirklichkeit in der Weise ab, daß das u n v e r ä n d e r t e I o n als Ganzes aus der Lösung in die m e t a l l i s c h e P h a s e ü b e r t r i t t und diese als Äquivalent ein E l e k t r o n aus dem elektrolysierenden Strom in ihr E l e k t r o n e n g a s aufnimmt. Die Reaktion stellt den e i n z i g e n bisher bekannten Fall des Einbaues einer o r g a n i s c h e n S u b s t a n z in eine m e t a l l i s c h e P h a s e dar.
576
Kap. 6,1: Die Aminoverbindungen
Die quartären Ammonium-Ionen verhalten sich bei zahlreichen Reaktionen den wasserstoffhaltigen Ammonium-Ionen sehr ähnlich. Insbesondere zeigt der Stickstoff in ihnen ebenfalls keine basischen E i g e n s c h a f t e n mehr und ist nicht mehr substituierbar. Ferner geben sie in gleicher Weise schwer lösliche Pikrate, Chloroplatinate usw.1). Der charakteristische Unterschied zwischen beiden Verbindungsgruppen tritt erst gegenüber basischen Ionen, insbesondere gegenüber dem H y d r o x y l - I o n in Erscheinung, an das alle wasserstoffhaltigen Ammonium-Ionen auf Grund ihrer Acidität sofort ein Proton abgeben (s. o.), die quartären Ammonium-Ionen dagegen nicht. Diese sind daher als einzige AmmoniumVerbindungen gegen Hydroxyl-Ionen (mäßig) beständig, und die Tetraalkylammonium-hydroxyde verhalten sich infolgedessen wie die Hydroxyverbindungen der Alkalimetalle, d.h. sie liegen in vollständig dissoziierter Form vor und zählen zu den starken Basen. Man muß sich aber stets darüber im klaren sein, daß die Ursache der Basizität der A m i n e und der q u a r t ä r e n A m m o n i u m h y d r o x y d e eine völlig v e r s c h i e d e n e ist. Bei ersteren fungiert der S t i c k s t o f f , bei letzteren das H y d r o x y l - I o n als Träger der Basizität. Die unterschiedliche Basizität des Stickstoffs in den A m i n e n , aus denen die quartären Ammoniumbasen entstanden sind, hat auf deren B a s i z i t ä t also gar k e i n e n Einfluß, sondern höchstens auf ihre S t a b i l i t ä t , d. h. die Leichtigkeit, mit der die Tetraalkylammonium-Ionen die unten näher beschriebenen Zersetzungsreaktionen eingehen. Solange die Hydroxyde aber als q u a r t ä r e A m m o n i u m v e r b i n d u n g e n vorliegen, können sie nur in Form der nicht assoziierenden H y d r o x y l b a s e n existieren, sind also stets gleich starke Basen.
Von den speziellen Reaktionen des quartären Ammonium-Ions ist vor allem die gegenüber den Aminen gesteigerte R e a k t i o n s f ä h i g k e i t der A l k y l s t i c k s t o f f bindung von Interesse, die wir grundsätzlich bereits bei den gewöhnlichen Ammonium-Ionen kennen gelernt haben, die hier jedoch, da ein Protonenübergang vom Kation zum Anion nicht möglich ist, deutlicher in Erscheinung tritt. Sie äußert sich insbesondere in einer gewissen Tendenz des quartären Ammonium-Ions, in Umkehr der unter 2 beschriebenen Bildungsreaktion einen Alkylrest auf das zugehörige Anion zu übertragen. So beobachtet man z.B. ein dem System Ammoniak-Chlorwasserstoff ganz ähnliches System zwischen tertiären Aminen und Alkylchloriden: [R3N—R]+CT
Erhitzen Zimmertemperatur
R3N1 + R—Cl. ,
Ähnlich, wie die gewöhnlichen Onium-Ionen besonders stark basischen Anionen gegenüber labil sind, geht auch die Zersetzung der quartären AmmoniumIonen um so leichter vor sich, je stärker basisch das zugehörige Anion ist. Man kann daher die quartären Ammonium-Ionen mit den sehr stark basischen AmidIonen nur noch in Ausnahmefällen kombinieren (z. B. mit den relativ schwach basischen Anilid- oder Diphenylamid-Ionen 2 )) und kommt erst bei den immer noch stark basischen Tetraalkyl-ammonium-hydroxyden zu allgemein darstellbaren Verbindungen. Aber auch diese sind noch relativ labil und eignen sich 1
) Allerdings kann man diese Salze nicht mehr durch einfaches Zusammengeben von A m i n und Säure oder auch von t e r t i ä r e m A m i n und dem zugehörigen S ä u r e e s t e r darstellen, sondern ist ausschließlich auf das oben unter 1 beschriebene Verfahren der d o p p e l t e n U m s e t z u n g mit andern Salzen angewiesen, das durch den Zwang zur Entf e r n u n g des k o r r e s p o n d i e r e n d e n S a l z p a a r e s in der Anwendung mitunter recht umständlich ist. 2
) W . L. JOLLY: A m . Soc. 77, 4 9 5 8 (1955).
I b ö : Die tertiären Imoniumsalze
577
deshalb am besten zum Abbau der quartären Ammonium-Ionen, wovon man bei dem auf S. 572 erwähnten HoFMANNschen Abbau auch allgemeinen Gebrauch macht. In der Praxis führt man die Reaktion meistens in der Weise durch, daß man die t r o c k e n e n T e t r a a l k y l - a m m o n i u m - h y d r o x y d e (bzw. deren kristallisierte Hydrate, s. unten) t h e r m i s c h z e r s e t z t . Jedoch kann man die etwa« umständliche Darstellung der freien Hydroxylverbindungen häufig auch dadurch umgehen, daß man die n o r m a l e n S a l z e in dem relativ hochsiedenden, mäßig stark basischen Ä t h a n o l - a m i n (S. 607) kooht1). In diesem Fall reagiert das quartäre Ammonium-Ion direkt mit der A m i n o g r u p p e des Äthanolamins.
Der HOIMANNsehe Abbau besteht auf Grund dieser Anschauung in einer direkten Übertragung eines Alkylrestes vom quartären Ammoniumstickstoff auf das basische H y d r o x y l - I o n (bzw. die NH 2 -Gruppe des Äthanolamins). Er ist also eine echte Alkylierungsreaktion und als solche stes von einer Abspaltungsreaktion, d. h. der Bildung von Olefin und Wasser (statt des Alkohols) begleitet: R—CH—CHji—NR, f o H ~
Erhitzen
H
-
H2N—CHJ—CH2—0—CH2—CHJ—NH,
Er dient als Ausgangsmaterial für die Gewinnung von P o l v a m i d k u n s t s t o f f e n . Im Novocain liegt der p-Amino-benzoesäureester des N - D i ä t h y l - ä t h a n o l a m i n hydroohlorids H2N—C,H4—CO—0—CH2—CH2—N(C2H6)2 • HCl vor. Es übt auf die peripheren Nerven eine lähmende Wirkung aus und dient daher, wie schon der Name sagt, in der Pharmazie an Stelle von Cocain als L o k a l a n ä s t h e t i k u m .
Das wichtigste Äthanolaminderivat ist ohne Zweifel die als Cholin (I) bezeichnete T r i m e t h y l a m m o n i u m b a s e des Colamins, die (wie dieses) mit G l y c e r i n p h o s p h o r s ä u r e verestert, einen wesentlichen Bestandteil der meisten P h o s p h a t i d e bildet. Seine Darstellung geschieht ausschließlich s y n t h e t i s c h aus Ä t h y l e n c h l o r h y d r i n oder Ä t h y l e n o x y d und T r i m e t h y l a m i n : C1 I
CH,»
+ N(CH t ).
N(CHS),
N(CHS)A
CHA
CH2
CH,
CH2
OH
OH
]
!
N(CH,),
+
I
U
— AgCl
I
) A . DOBNOW U. M i t a r b b . : B . 8 8 , 4 4 S ( 1 9 5 0 ) .
I
CH2
) P. KABREB U. Mitarbb.: Helv. 31, 1617 (1948).
I
OH
OH"
CH, CH,-
+
O
608
Kap. 6,1: Die Aminoverbindungen
Cholin ist p h y s i o l o g i s c h a k t i v und wirkt blutdrucksenkend. Wie bereits beschrieben (S. 593), geht es im Verlauf von F ä u l n i s p r o z e s s e n oder beim Kochen mit B a r y t w a s s e r in das sehr giftige Neurin über. Acetylcholln CH3—CO—O—CH2—CH2—N(CH3)+OHT ist eine im Tier- und Pflanzenreich weitverbreitete quartäre Ammoniumbase, die wesentlich stärk-er p h y s i o l o g i s c h a k t i v ist als Cholin selbst und deren Salze sich neben einer blutdrucksenkenden insbesondere auch durch eine m u s k e l k o n t r a h i e r e n d e Wirkung auszeichnen. Es kann z. B. selbst in einer Verdünnung von 1 : 1 0 ' noch durch die Auslösung einer Kontraktion von überlebendem Meerschweinchendarm nachgewiesen werden, und es hat den Anschein, als ob es auch im l e b e n d e n O r g a n i s m u s die Funktion der Auslösung der D a r m p e r i s t a l t i k übernimmt. Die B e n z o e s ä u r e - und p - A m i n o b e n z o e s ä u r e e s t e r einiger h ö h e r e r a l k o h o l e dienen neben Novocain (S. 622) als C o c a i n e r s a t z m i t t e l :
CgH^ : s —0—CO—C,H, CH2—N(CH,)2 Stovain
Amino-
CH3—CH—
CH2—0—CO—CeH=NH
Hydrolyse
0=
=0 ,
II
a u f Grund deren es A n w e n d u n g als f o t o g r a f i s c h e r E n t w i o k l e r (unter d e m N a m e n Rodinal, vgl. S. 449) gefunden hat. Ferner dient es als Ausgangsmaterial für die Gewinnung v o n S c h w e f e l f a r b s t o f f e n . N-Methyl-p-aminophenol kann noch zu einer c h i n o i d e n V e r b i n d u n g oxydiert werden und dient daher unter der Bezeichnung Methol ebenfalls als f o t o g r a f i s c h e r E n t w i c k l e r (S. 449). Erst die O - A l k y l ä t h e r des p - A m i n o p h e n o l s lassen sich n i c h t m e h r in Chinone überführen und sind etwas o x y d a t i o n s b e s t ä n d i g e r . Der M e t h y l - und der Ä t h y l ä t h e r führen die Trivialnamen Anisidin und Phenetidin (III). Sie sind die Muttersubstanzen einiger physiologisch aktiver Substanzen. Insbesondere das Acetyl-phenetidin CH 3 —CO—NH—p-C 8 H 4 —O—C 2 H 5 ist ein wichtiges A n t i p y r e t i k u m (Phenacetin) und hat wegen seiner geringeren Giftigkeit das früher gebräuchliche A c e t a n i l i d (S. 604) nahezu völlig verdrängt. Ferner liegt in einem H a r n s t o f f d e r i v a t des P h e n e t i d i n s (IV), das u . a . aus H a r n s t o f f und P h e n e t i d i n durch Kochen mit Salzsäure gewonnen werden k a n n : - 0 - / CA—
N H — H + H.N—:CO—NH,
-NH.
NH—CO—NH 2 ,
•ein k ü n s t l i c h e r S ü ß s t o f f vor, der 2 0 0 m a l s ü ß e r a l s R o h r z u c k e r und im Gegensatz zum Saccharin k o c h b e s t ä n d i g ist. Er h a t den Namen Dulcin erhalten, jedoch wegen seiner Schwerlöslichkeit in Wasser und einer geringen Toxizität nur wenig Anwendung gefunden. c) D i e A m i n o a l d e h y d e u n d
Aminoketone
Verbindungen, die gleichzeitig eine O x o - u n d eine p r i m ä r e A m i n o g r u p p e i m Molekül enthalten, sind s e h r u n b e s t ä n d i g e Substanzen, weil die beiden F u n k tionen leicht miteinander unter Bildung h o c h m o l e k u l a r e r oder c y c l i s c h e r S o H i F F s c h e r B a s e n reagieren (Gleichungen formulieren!). Sie werden daher niemals in Substanz, sondern ausschließlich in F o r m i h r e r D e r i v a t e hergestellt, v o n d e n e n insbesondere die s a l z s a u r e n S a l z e , i n d e n e n die Aminogruppe durch die O n i u m s a l z b i l d u n g g e g e n die O x o g r u p p e , u n d die A c e t a l e , in d e n e n die Oxogruppe durch A c e t a l i s i e r u n g g e g e n die A m i n o g r u p p e geschützt ist, z u ihrer A u f b e w a h r u n g dienen: R'O
OR'
R—C—(CH 2 ) n —NH 2
O 9 "R'OTT
«^gip
II
R—C—(CH 2 )„—NH 2
O TT PI
•
||
[R—C—(CH 2 ) n —NH S C1
a-Amino-acetaldehyd-acetal H 2 N—CH 2 —CH(OC 2 H 6 ) 2 , die einfachste Verbindung der Reihe, kann durch Einwirkung von A m m o n i a k auf a - C h l o r - a c e t a l d e h y d - a c e t a l erhalten werden (Gleichung formulieren!). Es ist eine bei 163° siedende, durchaus beständige Verbindung, die mit S ä u r e n zu den S a l z e n d e s f r e i e n A m i n o a c e t a l d e h y d s verseift wird und zuweilen f ü r synthetische Reaktionen Anwendung findet. E t w a s beständiger sind bereits die Oxoverbindungen, die eine s e k u n d ä r e oder gar t e r t i ä r e Aminogruppe im Molekül enthalten. Speziell die ß-Mono- und -Dialkylamino39
K l a g e s , Lehrbuch der Organischen Chemie 1,2
610
Kap. 6,1: Die Aminoverbindungen
ketone *) haben ein gewisses Interesse gefunden, da sie allgemein durch Anlagerung eines p r i m ä r e n oder s e k u n d ä r e n A m i n s an a,/J-ungesättigte K e t o n e erhalten werden können und als yß-substituierte Carbonylverbindungen beim Erhitzen die Aminogruppe leicht wieder abspalten: O NR 2 0 II
R—CH=CH—C—CH33 + HNR 22 .
Zimmertemperatur Erhitzen
—
|
II
R—CH—CH,—C—CH, 2 3
Sie gehören danach zu den wenigen Aminoverbindungen, in denen die Bildung und Spaltung der C—N-Bindung durch einfache A n l a g e r u n g s - und A b s p a l t u n g s r e a k t i o n e n möglich ist (vgl. S. 89 und 96), und finden auf Grund dieser Eigenschaft zuweilen p r ä p a r a t i v e Anwendung, z. B. zur Synthese aliphatischer D i a z o v e r b i n d u n g e n (S. 642). Die wichtigste Verbindung dieser Gruppe ist ohne Zweifel das bei der Anlagerung von A m m o n i a k an P h o r o n unter Ringschluß entstehende Triacetonamin: /CH3 CH=C-CH3 0=C(
CH3 CH2-C-CH3
H
+
")nh
v 0=C( X
H
\NH CH S -C^-CH 3 x ch3 Triacetonamin
Es zeigt k e i n e r l e i Neigung zur Verharzung mehr und hat wegen seiner dem T r o p i n o n (III, Kap. 7, III, 4 a y) ähnlichen Molekülgestalt pharmazeutische Bedeutung erlangt, da einige seiner Derivate eine den entsprechenden Tropinderivaten analoge p h y s i o l o g i s c h e Wirks a m k e i t zeigen und daher als k ü n s t l i c h e A l k a l o i d e Verwendung finden.
Die aromatischen Aminoaldehyde und -ketone mit einer p r i m ä r e n A m i n o g r u p p e im Molekül können im Gegensatz zur aliphatischen Reihe zwar in Substanz isoliert werden, verändern sich aber beim Aufbewahren immer noch sehr rasch und finden daher nur gelegentliche Verwendung zu s y n t h e t i s c h e n R e a k t i o n e n (vgl. z.B. die Chinolinsynthese von F R I E D L A N D E R , S . 9 0 9 ) . Erst die Verbindungen mit t e r t i ä r e n A m i n o g r u p p e n , wie etwa der p-Dimethylamino-benzaldehyd (CH 3 ) 2 N—C a H 4 —CHO, sind wirklich b e s t ä n d i g . Die wichtigste Verbindung dieser Reihe ist das aus D i m e t h y l a n i l i n und P h o s g e n (bzw. neuerdings auch K o h l e n d i o x y d , vgl. S. 1003) mit Z i n k c h l o r i d (bzw. A1C13) als Kondensationsmittel leicht darstellbare p,p'-Bisdimethylamino-benzophenon ( M I C H L E R S Keton):
Michlers K e t o n
Es dient in der Farbenindustrie als Zwischenprodukt (vgl. III, Kap. 2, I I I , 2 b) und zeigt auf Grund der Regel von A. A N G E L I (vgl. II, Kap. 3, I I I , 2) eine deutliche gegenseitige Abschwächung der Reaktionsfähigkeit der O x o g r u p p e einerseits und der D i m e t h y l a m i n o g r u p p e andererseits. d)\Die A m i n o c a r b o n s ä u r e n Die wichtigsten sauerstoffhaltigen Aminoverbindungen sind die Aminocarbonsäuren (meistens kurz Aminosäuren genannt), die einerseits als Bausteine der E i w e i ß k ö r p e r (vgl. I I I , Kap. 7, 1,1), andererseits als Muttersubstanzen einiger sich sekundär von ihnen ableitender Verbindungsklassen von Interesse sind. Sie zeigen in ihrem allgemeinen Verhalten eine gewisse Ähnlichkeit mit den H y d r o x y c a r J
) Zusammenfassung: N. H.
CROMWELL:
Chem. Rev. 38, 83 (1946).
611
4 d a : Die a-Aminocarbonsäuren
b o n s ä u r e n und werden wie diese auf Grund der gegenseitigen Stellung von A m i n ound C a r b o x y l g r u p p e unterteilt. tx) Die 1,2- oder a-Aminocarbonsäuren Die a-Aminocarbonsäuren sind die eigentlichen E i w e i ß b a u s t e i n e und daher bei weitem am wichtigsten. Für ihre Darstellung wurde — abgesehen von ihrer Gewinnung aus N a t u r p r o d u k t e n , insbesondere bei der E i w e i ß h y d r o l y s e — eine große Anzahl von Methoden entwickelt, die auf den folgenden drei Reaktionen beruhen: 1. der E i n f ü h r u n g d e r A m i n o g r u p p e in ein Carbonsäuremolekül, 2. der gleichzeitigen Einführung der A m i n o - und der C a r b o x y l g r u p p e in ein Aldehydmolekül und 3. der E i n f ü h r u n g e i n e s o r g a n i s c h e n R e s t e s in eine niedrigere Aminocarbonsäure. Zu 1. Die Einführung der Aminogruppe gelingt am einfachsten durch Umsetzung der durch H a l o g e n i e r u n g von F e t t s ä u r e n leicht zugänglichen « - H a l o g e n f e t t s ä u r e n (S. 328, 398) mit A m m o n i a k : H , X - :•••• IL - C1 CUR—COOH 1
1
+ -
-N H
4
H.N—CHR—COONH 4* '
0(
Als Nebenprodukte entstehen hierbei in mehr oder weniger großer Ausbeute die s e k u n d ä r e n (HOOC—CHR—) 2 NH und t e r t i ä r e n A m i n o c a r b o n s ä u r e n (HOOC—CHR—) 3 N, deren Bildung man jedoch durch überschüssiges A m m o n i a k , meistens durch Verwendung einer konzentrierten wäßrigen Ammoniaklösung als Reaktionsmedium, weitgehend zurückdrängen kann. Zuweilen empfiehlt sich auch das Arbeiten mit P h t h a l i m i d k a l i u m nach S. G A B R I E L (S. 580). Eine weitere interessante Möglichkeit zur Einführung der Aminogruppe besteht in der R e d u k t i o n der s t i c k s t o f f h a l t i g e n D e r i v a t e d e r O x o g r u p p e von a - K e t o c a r b o n s ä u r e n , insbesondere der O x i m e und H y d r a z o n e (Gleichungen formulieren!). Die Reaktion konnte neuerdings auch über die I m i n e , die sich intermediär bei der Hydrierung eines Gemisches von B r e n z t r a u b e n s ä u r e und A m m o n i a k über Palladium als Katalysator bilden, durchgeführt werden:
0 H 3 C—O-COOH
/
NH
\
\H 3 C—C—COOHj
NH2 —p^'-*
H3C—CH—COOH
Sie stellt damit eine M o d e l l r e a k t i o n der ebenfalls über die a - K e t o c a r b o n s ä u r e n verlaufenden b i o c h e m i s c h e n A m i n o s ä u r e s y n t h e s e dar (vgl. III, Kap. 8, III, 4b).
Zu 2. Die g l e i c h z e i t i g e Einführung einer Amino- und einer Carboxylgruppe in ein A l d e h y d m o l e k ü l gelingt nach A. STRECKER in der bereits auf S . 2 4 9 beschriebenen Weise durch Kombination der C y a n h y d r i n s y n t h e s e mit der B i l d u n g d e r A l d e h y d i m i n e , indem man den um ein C - A t o m ä r m e r e n A l d e h y d mit A m m o n i u m c y a n i d (bzw. B l a u s ä u r e und überschüssigem A m m o n i a k ) behandelt: ,NH 2 R — C H = 0 + NH S
• (R-CH=NH)
R _ C H \
.NH 2 ^
C=N
^
V
R-CH \
COOH
Zu 3. Zur Verlängerung des Alkylrestes der einfachsten Aminosäure, des Glycins (S. 617), hat E . E B L E N M E Y E E JR. ein sehr interessantes Verfahren entwickelt, das auf dem gleichen Prinzip wie die PERKiKsche Z i m t s ä u r e s y n t h e s e (S. 388) beruht. Allerdings würde die Aminogruppe des Glycins bei dieser Reaktion 89*
Kap. 6, I: Die Aminoverbindungen
612
stören. Man geht daher vom b e n z o y l i e r t e n G l y c i n (I), der H i p p u r s ä u r e (S. 617), oder auch vom A c e t y l g l y c i n , der A c e t u r s ä u r e (formulieren!), aus, die beide im Verlaufe der Reaktion unter der Einwirkung von A c e t a n h y d r i d als Kondensationsmittel ein Adacton genanntes c y c l i s c h e s S ä u r e a n h y d r i d (II) bilden. E r s t in diesem sind die / ? - s t ä n d i g e n H - A t o m e genügend aktiviert, um im Sinne der Z i m t s ä u r e s y n t h e s e mit dem Aldehyd (der im Gegensatz zurCyanhydrinsynthese z w e i C - A t o m e w e n i g e r enthält als die zu bildende Aminosäure) zu kondensieren, und man braucht schließlich in dem K o n d e n s a t i o n s p r o d u k t I I I lediglich die entstandene C = C - D o p p e l b i n d u n g zu hydrieren und den B e n z o y l (bzw. A c e t y l - ) r e s t wieder abzuspalten, um zu der gewünschten gesättigten Aminosäure zu gelangen: -CO—C1 + 11 Nil
-NH
HOOC—CH,
HOOC—¿H,
c 6 h,
>C=N
— H,0 >_ (Acetanhydrid)
=N
0
^C—C=CH—R 0in
H , + Q=:CH—R i— Jl.O
nh 2 Hydrierung Hydrolyse
C„H6—COOH + HOOC—¿H—CH2—R
D a s Verfahren hat sich insbesondere zur Synthese a r o m a t i s c h e r und h e t e r o c y c l i s c h e r A m i n o s ä u r e n bewährt. Eine interessante Variation hat dieses Verfahren durch Ersatz des Azlactons des Glycins durch dessen Carboxylierungsprodukt, die Amino-malonsäure, erfahren. Diese kommt meistens in Form eines N-Acylderivats des Esters (Phthalimido-, Acetylamido- oder Formamido-malonester) in Ansatz, das am zentralen Kohlenstoff noch ein a k t i v e s H-Atom enthält und daher leicht alkyliert werden kann. Das Alkylierungsprodukt zerfällt nach Verseifung der E s t e r g r u p p e n und der Acylaminogruppe sofort unter Decarboxylierung zur angestrebten Aminosäure: COOR
COOR C-Alkylierung
Ac—NH—C—COOR I
Ac-NH-L-COOR R
H
COOR
COOH (HJN-
^ i Ä
C—COOH J
— CO,
R
R
Aminosäure
Die Alkylierung geschieht entweder direkt mit Hilfe der üblichen Alkylierungsmittel nach S. P. L. SÖBENSEN (ab 1902) oder neuerdings auch indirekt mit Hilfe von „MANNICH-Basen" 1 ), die in Umkehrung der auf S. 584 beschriebenen MANNICH-Reaktionen den den ursprünglichen Formaldehydkohlenstoff enthaltenden ALkylrest relativ leicht wieder vom Stickstoff abspalten und auf andere Verbindungen übertragen. Beispielsweise kann man aus Gramin, 1
\ Zusammenfassung:
H . HELLMANN:
Angew. Chem.
6 5 , 4 7 5 (1953).
4d - c o o h «Abbau
(S 391)
^
C 0
-
n
(
V
i
H
Br
ii
^ \ / «
NaOBr f
I
\ \
ii
COONa
Anthranilsäure
c o
CO
Abgesehen von ihrem n o r m a l e n V e r h a l t e n als A n i l i n o c a r b o n s ä u r e zeichnet sich Anthranilsäure vor allem durch ihre für eine /S-Aminocarbonsäure auffallend leicht eintretende D e c a r b o x y l i e r u n g aus, die bei r a s c h e m E r h i t z e n unter Abdestillation von A n i l i n stattfindet und die nahe Verwandtschaft mit der entsprechenden P h e n o l c a r b o n s ä u r e , der S a l i c y l s ä u r e (S. 513), erkennen läßt. Bei v o r s i c h t i g e m E r w ä r m e n kann Anthranilsäure dagegen, und zwar ebenfalls in Analogie zur S a l i c y l s ä u r e , unzersetzt s u b l i m i e r t werden. Anthranilsäure war eine Zeitlang das wichtigste Ausgangsmaterial für die I n d i g o s y n t h e s e (III, Kap. 2, V, 1). Heute findet sie Verwendung f ü r die Herstellung von A z o farbstoffen. Die Anthranilsäureester zeigen einen angenehmen Geruch und sind in einigen ätherischen ölen enthalten, z. B. der Methylester im Jasminblütenöl und sein N-Methylderivat im Mandarinenöl. Die synthetischen Produkte finden Anwendung in der Riechstoffindustrie. m-Aminobenzoesäure wird durch Reduktion von m-Nitrobenzoesäure im großen gewonnen und findet Verwendung als Kupplungskomponente für Azofarbstoffe. p-Aminobenzoesäure (I) erhält man in entsprechender Weise durch Reduktion von p - N i t r o b e n z o e s ä u r e oder durch Oxydation von p - T o l u i d i n (nach Schützen der Aminogruppe durch Acetylierung): no 2
nh2 Oxydation Verseifung
— H,0
AOOH
nh—a-,
COOH i
nh2 Acetylierung
V
j
V
CH3
CH3
Sie ist p h y s i o l o g i s c h stark a k t i v und gehört zur Gruppe der B - V i t a m i n e (Näheres vgl. III, Kap. 8, I). Infolgedessen leiten sich von ihr einige wichtige Pharmazeutika ab, von denen wir den N - D i ä t h y l - c o l a m i n e s t e r , das Novocain, und das nahe verwandte Panthesin bereits kennengelernt haben (S. 608). Auch die einfachen A l k y l e s t e r , insbesondere der Ä t h y l - (Anästhesiri) und P r o p y l e s t e r (Propäsin) finden Verwendung als L o k a l a n ä s t h e t i k a . O-Aminophenylessigsäure (II) geht als y-Aminocarbonsäure spontan in das zugehörige Lactam, das Oxindol über, das wegen seiner nahen Beziehungen zum Indigo von Interesse ist (vgl. S. 941 und III, Kap. 2, V, 1): ch 2 I \ X Ä XNH HO// 2 II
c o
/ V ch 2 i ¡1 I c o n / \ x V N H // Oxindol
Kap. 6, II: Die Hydroxylamino-, Hydrazinoverbindungen usw.
623
II. Die organischen Derivate anderer gesättigter Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen Von den Stickstoffwasserstoffverbindungen mit einer g e s ä t t i g t e n K e t t e v o n H e t e r o - a t o m e n , insbesondere dem H y d r o x y l a m i n , A m i n o x y d und H y d r a z i n , leiten sich in ähnlicher Weise wie vom Ammoniak eine Reihe o r g a n i s c h e r D e r i v a t e ab, die jedoch, da die Natur nicht zum Aufbau der N — N - B i n d u n g und des H y d r o x y l a m i n s y s t e m s befähigt ist, mit Ausnahme einiger A m i n o x y d e nicht natürlich vorkommen. Sie entsprechen in ihren Darstellungsweisen und ihrem allgemeinen chemischen Charakter den vorbesprochenen Aminoverbindungen weitgehend, so daß wir uns mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten neuartigen Reaktionen begnügen können. 1. Die aliphatischen Derivate des Hydroxylamins J e nachdem, ob der Wasserstoff der H y d r o x y l - oder der A m i n o g r u p p e durch organische Reste ersetzt ist, unterscheidet man zwei Reihen von H y d r o x y l a m i n d e r i v a t e n : die 0 - oder«- -und die N- oder / 3 - A l k y l h y d r o x y l a m i n e . Von ihnen gehören streng genommen nur die letzteren zu den organischen Stickstoffverbindungen, da in den «-substituierten Derivaten der organische Rest a m S a u e r s t o f f steht. Doch ordnet man auch diese als charakteristische Abkömmlinge d e s H y d r o x y l a m i n s zweckmäßig an dieser Stelle ein, ähnlich wie man ja auch das Hydroxylamin selbst allgemein als S t i c k s t o f f - und nicht als Sauerstoffverbindung betrachtet. a) D i e a - A l k y l h y d r o x y l a m i n e Die Darstellung der a-Alkylhydroxylamine (auch Hydroxylamin-O-alkyläther genannt) geschah früher ausschließlich durch A l k y l i e r u n g der H y d r o x y l g r u p p e des Hydroxylamins. Da bei der d i r e k t e n Einwirkung von Alkylierungsmitteln a u s s c h l i e ß l i c h der S t i c k s t o f f angegriffen wird (s. u.), geht man zweckmäßig nach einem der Methode von S. GABRIEL analogen Verfahren vor, indem man den A m i n o w a s s e r s t o f f durch Uberführung des Hydroxylamins in ein Oxim b l o c k i e r t , und in diesem dann die Hydroxylgruppe in der auf S. 302 beschriebenen Weise a l k y l i e r t :
HO—NH2 + 0 = C \; /
» H O — N = c\ / NaOH >• R — 0 — N = C\ ' /
H dr
flyse °~ > R—O—NH*2
Auf dem gleichen Prinzip beruht die O-Alkylierung des aus N i t r i t und S u l f i t leicht herstellbaren h y d r o x y l a m i n - d i s u l f o n s a u r e n K a l i u m s HO—N(S0 3 K) 2 mit anschließender hydrolytischer Abspaltung der S u l f o n s ä u r e r e s t e nach W . T R A U B E ( 1 9 2 0 ) (Gleichung formulieren!). Nach einem neueren Verfahren kann man die a-Alkyl-hydroxylamine auch auf dem Wege einer A m i n i e r u n g von A l k o h o l e n , d. h. durch Umsetzung von C h l o r a m i n e n mit N a t r i u m a l k o h o l a t e n , gewinnen 1 ): R—0:Na + C1
— NaCl
>-
Die Hydroxylamin-O-alkyläther sind den Aminen ähnliche, jedoch etwas s c h w ä c h e r b a s i s c h e Flüssigkeiten, die infolge der Besetzung der stark assoziierenden Hydroxylgruppe l
) W.
THEILACKER U.
K.
EBKB:
Angew. Chem. 68, 303 (1956).
Kap. 6, I I : Die Hydroxylamino-, Hydrazinoverbindungen usw.
624
wesentlich t i e f e r s i e d e n als das f r e i e H y d r o x y l a m i n (z. B. a - M e t h y l h y d r o x y l a m i n : Sdp. 50°). Von ihren chemischen Reaktionen ist bemerkenswert: 1. die a c i d o l y t i s c h e S p a l t u n g d e r R — O - B i n d u n g durch Kochen mit J o d w a s s e r s t o f f s ä u r e , die als normale Ä t h e r s p a l t u n g angesehen werden kann und sich zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g d e r A l k o x y l g r u p p e nach S. Z E I S E L eignet. Sie stellt neben der bereits erwähnten R e d u z i e r b a r k e i t der a-Alkylhydroxylamine zu A m m o n i a k und den betreffenden A l k o h o l e n (S. 565) den wichtigsten K o n s t i t u t i o n s b e w e i s dar. 2. das F e h l e n der r e d u z i e r e n d e n E i g e n s c h a f t e n d e s H y d r o x y l a m i n s , das insbesondere von theoretischem Interesse f ü r die Aufklärung der Reduktionswirkung des freien Hydroxylamins ist. Diese beruht danach offensichtlich auf einem D e h y d r i e r u n g s v o r g a n g unter Bildung des unbeständigen N i t r o x y l s und wird durch die Substitution des Hydroxylwasserstoff unmöglich gemacht: H^-OH
(HN=0)
;
H2N-0-R
.
b) D i e / 9 - A l k y l h y d r o x y l a m i n e In den N-Alkylhydroxylaminen liegen echte organische Stickstoffverbindungen vor, wie u. a. ihre R e d u z i e r b a r k e i t zu den A m i n e n (vgl. S. 565) beweist. Ihre Darstellung geschieht hauptsächlich durch E i n w i r k u n g der üblichen Alkylierungsmittel auf freies H y d r o x y l a m i n , wobei ausschließlich die A m i n o g r u p p e als der b a s i s c h e r e Molekülteil angegriffen wird. Die Reaktion führt, wie die Alkylierung des A m m o n i a k s , stets zu einem G e m i s c h der verschiedenen möglichen A l k y l i e r u n g s p r o d u k t e bis zu den q u a r t ä r e n T r i a l k y l - h y d r o x y l a m m o n i u m V e r b i n d u n g e n , welche bei Anwesenheit von N a t r i u m a l k o h o l a t (in dem meist a l k o h o l i s c h e n Reaktionsmedium), das die partiell alkylierten Basen wieder in Freiheit setzt, auch hier in e i n e m R e a k t i o n s g a n g gewonnen werden können: H 2 N—OH + 3 R—Hai + 2 NaO—R
» [R3N—OH]+Hal~~ + 2 NaHal + 2 ROH
Ein s p e z i e l l e s V e r f a h r e n zur Darstellung der M o n o a l k y l v e r b i n d u n g e n geht wie oben von den O x i m e n aus, die, wie wir auf S. 302 gesehen haben, in A b w e s e n h e i t v o n N a t r o n l a u g e am S t i c k s t o f f zu den N i t r o n e n alkyliert werden und sich anschließend durch deren Hydrolyse leicht in die ß - A l k y l h y d r o x y l a m i n e überführen lassen. Ebenso führt die vorsichtige p a r t i e l l e R e d u k t i o n aliphatischer N i t r o v e r b i n d u n g e n mit Zinkstaub in s a l m i a k n e u t r a l e r Lösung zu den Monoalkylhydroxylaminen: R'—CH II |N—OH
+B
~X>
+ R'—CH x -Hydroly s e > II© R—N—OH
R
N H — O H
< R e d n k t l o n R—N0 2
Die ß-Monoalkylhydroxylamine sieden infolge der Anwesenheit der stark a s s o z i i e r e n d e n H y d r o x y l g r u p p e wesentlich höher als die a-Verbindungen (z.B. N-Methylhydroxylamin: Sdp. 63°/15 mm) und sind auch in ihrem c h e m i s c h e n V e r h a l t e n dem freien Hydroxylamin viel ähnlicher. Insbesondere wirken sie auf Grund ihrer Dehydrierbarkeit zu den N i t r o s o v e r b i n d u n g e n : R—NH—OH
~Hl >
R—N=0
ebenfalls stark r e d u z i e r e n d und erleiden o b e r h a l b 100° stürmische bis explosible Zersetzung. Eine h y d r o l y t i s c h e A b s p a l t u n g des Alkylrestes ist, im Gegensatz zu den a-Verbindungen, n i c h t möglich. Die ß ß-Dialkylhydroxylamine (III) können in nicht ganz durchsichtiger Reaktion durch Einwirkung m e t a l l o r g & j i i s c h e r V e r b i n d u n g e n auf N 0 2 erhalten werden. Zur Dar-
1 : Die aliphatischen Derivate des Hydroxylamins
625
Stellung besser geeignet ist die Reaktion von A l k y l n i t r a t e n (I) mit drei oder von Nitrop a r a f f i n e n (II) mit zwei Molekülen einer G r i g n a r d - V e r b i n d u n g :
I + R
Me
v (Hydrolyse)
\
/ ii +h r h r _H /r © i+\ +H+ R-N—OH »|R,N—Ö:H V Rj—X=0 ) * l © J V. . / III +
Sekundärprodukte
Sie sind, wie in den Formeln bereits angegeben, über das Ammonium-Ion noch dehydrierbar und wirken daher ebenfalls reduzierend.
Die quartären Trialkyl-hydroxylammonium-Ionen sind zwar in mancher Hinsicht den T e t r a a l k y l a m m o n i u m - I o n e n ähnlich, unterscheiden sich aber in ihrer w i c h t i g s t e n E i g e n s c h a f t , dem Verhalten gegenüber den stark basischen H y d r o x y l - I o n e n , grundlegend von ihnen, da sie, wenn auch nicht am Stickstoff, so doch am b e n a c h b a r t e n S a u e r s t o f f noch ein leicht abdissoziierendes H - A t o m enthalten. Infolgedessen sind sie gegenüber Hydroxyl-Ionen n i c h t b e s t ä n d i g und gehen mit ihnen sofort unter Protonenabgabe in die n e u t r a l e n A m i n o x y d e über. Die Reaktion verläuft wie alle Protonenübergänge r e v e r s i b e l , so daß die T r i a l k y l h y d r o x y l a m m o n i u m s a l z e zu den A m i n o x y d e n in dem gleichen Verhältnis stehen, wie die Salze der A m i n b a s e n zu den freien A m i n e n : R R\ © + O H - (— H , 0 ) \ © © RAN—0;H R-)N-0 + H+ R / r/ Die Trialkylhydroxylammoniumsalze weisen daher eine D o p p e l n a t u r auf. Sie sind einerseits die q u a r t ä r e n A m m o n i u m s a l z e des H y d r o x y l a m i n s , andererseits die normalen, d. h. durch Anlagerung eines Säuremoleküls entstehenden Salze der Aminoxyde.
2. Die Trialkylaminoxyde Das u n s u b s t i t u i e r t e A m i n o x y d stellt eine Z w i t t e r i o n e n f o r m des H y d r o x y l a m i n s d a r und steht, da der Übergang zwischen beiden Formen im Rahmen einer Protonenwanderung u n m e ß b a r r a s c h erfolgt, zu diesem im Verhältnis der T a u t o m e r i e (vgl. auch anorg. Lehrbücher): H H. )N—OH
-,-
H-^N-0
W h/ Im Gegensatz zu den A m i n o c a r b o n s ä u r e n i s t hier jedoch praktisch ausschließlich die u n g e l a d e n e H y d r o x y l a m i n f o r m im Gleichgewichtsgemisch vorhanden, und der exakte Nachweis der Anwesenheit der Aminoxydform steht noch aus. Man kann daher beim H y d r o x y l a m i n selbst und auch bei seinen N - A l k y l d e r i v a t e n kaum mehr von einer Tautomerie sprechen, sondern in der in H, Kap. 5, I definierten Weise lediglich von dem V e r s c h w i n d e n einer I s o m e r i e m ö g l i c h k e i t . Die Bildung b e s t ä n d i g e r A m i n o x y d d e r i v a t e ist daher erst möglich, wenn am Stickstoff kein W a s s e r s t o f f mehr steht. Die einfachsten Verbindungen, bei denen dies der Fall ist, sind die v o l l s t ä n d i g a l k y l i e r t e n T r i a l k y l a m i n o x y d e R 3 N-*0, in denen wir das erste Beispiel der auf S. 561 erwähnten Stickstoffverbindungen kennenlernen, deren k o h l e n s t o f f f r e i e G r u n d v e r b i n d u n g e n nicht existenzfähig sind. 40
K l a g e s . Lehrbuch der Organischen Chemie I. 2
626
Kap. 6, I I : Die Hydroxylamino-, Hydrazinoverbindungen usw.
Infolge dieser Verhältnisse ist die Darstellung der Trialkylaminoxyde ebensowenig durch direkte Alkylierung des Aminoxyds möglich, wie die der Enolä t h e r durch direkte Alkylierung der E n o l e , sondern sie muß auf einem Umweg erfolgen. Hierfür kommen insbesondere zwei Verfahren in Betracht, die wir bereits kennengelernt haben: 1. die Anlagerung eines O-Atoms an t e r t i ä r e Amine, die man fast ausschließlich mittels Hydroperoxyds oder anderer Peroxyverbindungen durchführt (vgl. S.585): RSNI + 0 > R3N->0 2. die nachträgliche „Polarisierung" der N—O-Bindung des Hydroxylamins zu einer semipolaren Bindung, die man in der oben beschriebenen Weise über die q u a r t ä r e n T r i a l k y l - h y d r o x y l a m m o n i u m s a l z e in zwei Stufen vornimmt: a) der Aufladung des S t i c k s t o f f s durch Bildung des Trialkyl-hydroxylammonium-Ions und b) der entgegengesetzten Aufladung des Sauerstoffs durch Abspaltung des Protons mittels Hydroxyl-Ionen: + + OH" R R\ R\ e R——OiH )N—OH + R—Hai ~ H a l V ' ° V/ R/ R/ Eigenschaften. Die Aminoxyde weisen infolge des durch die s e m i p o l a r e B i n d u n g bedingten Z w i t t e r i o n e n c h a r a k t e r s ein sehr hohes Dipolmoment auf und sind daher in Anbetracht ihrer Molekülgröße sehr hoch schmelzende und siedende Verbindungen, die nur im Vakuum unzersetzt destilliert werden können und in Wasser sehr leicht löslich sind. Chemisch zeichnen sie sich insbesondere durch die erwähnte Fähigkeit zur Salzbildung mit Säuren aus, die auf der Protonenaffinität des n e g a t i v geladenen S a u e r s t o f f s (analog der Basizität der A l k o h o l a t - I o n e n ) beruht: H
R\ © © e R-N->0 + H—X RAN—OH R/ R/ Doch ist die B a s i z i t ä t infolge der Nachbarstellung des positiv geladenen Stickstoffs nur gering und etwa mit der des Anilins vergleichbar (vgl. II, Kap. 3,1, 5).
Die Aminoxyde können sowohl reduzierend als auch oxydierend wirken. Als R e d u k t i o n s m i t t e l tretensieinsbesonderegegenüber Schwermetall-Ionen in a l k a l i s c h e r Lösung auf, z. B. gegenüber P E H L i N G S c h e r Lösung oder a m m o n i a k a l i s c h e r S i l b e r salzlösung. Sie reagieren hierbei grundsätzlich anders als das freie H y d r o x y l a m i n , da eine Dehydrierung des S t i c k s t o f f s n i c h t möglich ist. Der Angriff des Oxydationsmittels muß also an den A l k y l r e s t e n erfolgen, doch sind die Einzelheiten des Reaktionsverlaufes noch nicht geklärt. Die Oxydationswirkung ist eine gemeinsame Eigenschaft aller Verbindungen und insbesondere aller Stickstoffverbindungen mit semipolar gebundenem S a u e r s t o f f (z. B. der Aminoxyde, der Salpetersäure, des Nitrobenzols, der Sulfoxyde usw.) und beruht wahrscheinlich auf der H y d r i e r b a r k e i t der N — O - B i n d u n g , ist also der des Hydroperoxyds ähnlich. Insbesondere können die Trialkylaminoxyde durch Z i n k s t a u b und Eisessig reduziert werden. Trimethylaminoxyd, das Anfangsglied der Reihe, kommt im Fleisch von H a i f i s c h e n , Hummern und anderen S e e t i e r e n natürlich vor. Es ist wasserfrei eine bei 208° schmelzende und bei 180°/10—12 mm sublimierende Substanz, die sich jedoch nur schwer entwässern läßt und meistens in Form eines H y d r a t e s kristallisiert. Seine B a s i z i t ä t entspricht mit einem p K -Wert von 9,4 etwa der des Pyridins. Auch bei anderen natürlichen t e r t i ä r e n Aminen, insbesondere einigen Alkaloiden, nimmt man heute an, daß sie auch in Form der N-Oxyde natürlich auftreten.
627
3: Die aromatischen Derivate des Hydroxylamins 3. Die aromatischen Derivate des Hydroxylamins
In der aromatischen Reihe sind lediglich die ß- S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e des Hydroxylamins bekannt. Von größerem Interesse sind insbesondere die Monoarylhydroxylamine, die als Zwischenprodukte bei der Reduktion der N i t r o v e r bindungen auftreten und infolge ihrer großen Reaktionsfähigkeit die Lenkung des Reduktionsverlaufes in verschiedene R i c h t u n g e n gestatten (vgl. S. 689f.). Ihre Darstellung erfolgt auschließlich durch vorsichtige p a r t i e l l e R e d u k t i o n von Nitroverbindungen in neutraler Lösung, die man meistens mit Z i n k s t a u b und Salmiaklösung, aber auch mit amal garniertem Aluminium und Alkoholen (oder feuchtem Äther) durchführt: O -
N
0
*
^
< 3 - N H - O H
Eine weitere interessante Bildungsweise beruht auf der O x y d a t i o n primärer a r o m a t i scher Amine mittels Sulfo-monopersäure. Sie führt in Analogie zur Oxydation tertiärer Amine (S. 585) zunächst zu einem A m i n o x y d , das sich anschließend sofort in die tautomere Hydroxylaminform umlagert (Gleichung formulieren!). Dagegen ist eine direkte A r y l i e r u n g des H y d r o x y l a m i n s infolge der Reaktionsträgheit der Arylhalogenide n i c h t möglich, da sie viel zu hohe Temperaturen erfordern würde.
Das Phenylhydroxylamin als wichtigstes Beispiel eines Mono-arylhydroxylamins ist eine schön kristallisierende, doch im allgemeinen sehr zersetzliche Substanz, die auch in reinem Zustand nur wenige Tage im Exsikkator aufbewahrt werden kann. Insbesondere in Anwesenheit von F e u c h t i g k e i t tritt rasch Oxydation durch Luftsauerstoff ein, die zur Bildung von Nitrosobenzol und von diesem aus mit einem zweiten Molekül Phenylhydroxylamin zum Azoxybenzol (Näheres siehe unter 4c) führt:
Die chemische Reaktionsfähigkeit der Mono-arylhydroxylamine ist außerordentlich vielseitig und umfaßt die folgenden vier Gruppen von Reaktionen, die wir zum Teil bereits kennengelernt haben: 1. die soeben erwähnte Dehydrierung zur Nitrosoverbindung, die außer mit Luftsauerstoff auch mit anderen Oxydationsmitteln, wie z.B. B i c h r o m a t - S c h w e felsäure, durchgeführt werden kann; 2. die Reduzierbarkeit zum Amin, die als Teilreaktion bei der Darstellung der aromatischen Amine aus Nitroverbindungen eine wichtige Rolle spielt und zur Vermeidung von Nebenreaktionen am besten in schwach saurem Medium vorgenommen wird (vgl. S. 689f.); 3. die durch s t a r k e Mineralsäuren katalysierte Umlagerung in p-Aminophenole (vgl. S. 609). Die Tendenz zur Wanderung der Hydroxylgruppe an den Kern ist hierbei so groß, daß sie auch bei b e s e t z t e r p - S t e l l u n g unter Bildung von Chinol-iminen (I), bzw. nach deren, in dem sauren Reaktionsmedium spontan erfolgender Hydrolyse, von Chinolen (II) (vgl. S. 312) vor sich geht: H3C /
A N
40*
\-STH:-OH
' «>
H so
° V - W H HO' X ' i
H
- Hydrolyae >
H
HO
* V = > 0 y u
628
Kap. 6, II: Die Hydroxylamino-, Hydrazinoverbindungen usw.
4. eine Reihe von Kondensationsreaktionen, bei denen die Arylhydroxylamine sowohl in der H y d r o x y l a m i n f o r m als sekundäre Amine, als auch in der Amino x y d f o r m als Derivate primärer Amine in Reaktion treten. Ersteres ist insbesondere der Fall bei: a) der aus zwei Molekülen des Hydro xylamins in alkalischem Medium unter Wasserabspaltung erfolgenden Bildung eines Azokörpers (vgl. S. 667): -2H.0
-N=N-
b) der Bildung echter Nitrosamine bei der Einwirkung von salpetriger Säure (Näheres vgl. S. 636): OH < 3 - N - H
v — N^ f -% —N=0
+ HO-NO
Dagegen beobachtet man eine Reaktion der A m i n o x y d f o r m bei: c) der ebenfalls in alkalischem Medium stattfindenden Kondensation mit N i t r o s o v e r b i n d u n g e n , die zur Bildung von A z o x y k ö r p e r n führt und als Teilreaktion der alkalischen R e d u k t i o n von N i t r o v e r b i n d u n g e n gleichzeitig deren wichtigste Darstellungsweise ist (vgl. S. 669): O
O t = N _ / -N=N-
NHj + 0=N—
S
d) der in analoger Weise vor sich gehenden Bildung von N i t r o n e n bei der Einwirkung von O x o v e r b i n d u n g e n : NH 2 + 0—- CH - /
V
-H.Q,
V-N=CH—f
^
Die Darstellung von Diarylhydroxylamlnen stößt auf erheblich größere Schwierigkeiten. Sie wird nach H-. WIELAND (1922) am besten durch Einwirkung von m e t a l l o r g a n i s c h e n Verb i n d u n g e n auf N i t r o s o k ö r p e r durchgeführt: -
?
H
gelingt aber auch auf a n d e r e m W e g e (vgl. z.B. S. 701). Die Diarylhydroxylamine sind noch wesentlich u n b e s t ä n d i g e r als die Mono-arylverbindungen. Sie dienen als Ausgangsmaterialien für die Gewinnung der D i a r y l s t i c k s t o f f o x y d - R a d i k a l e (S. 813).
4. Die aliphatischen Derivat« des Hydrazins Die aliphatischen Derivate des Hydrazins sind von allen Verbindungen dieser Reihe den Aminoverbindungen am ä h n l i c h s t e n . So kann z. B. ihre Darstellung in analoger Weise durch Alkylierung von H y d r a z i n erfolgen und begegnet den gleichen S c h w i e r i g k e i t e n , da auch hier mehrere A l k y k e r u n g s p r o d u k t e n e b e n e i n a n d e r entstehen.
4 : Die aliphatischen Derivate des Hydrazins
629
Insbesondere wirkt es sich sehr e r s c h w e r e n d aus, daß eine bereits alkylierte Aminogruppe des Hydrazins infolge ihres l i p o p h i l e n C h a r a k t e r s viel leichter als die u n s u b s t i t u i e r t e N H 2 - G r u p p e und auch das f r e i e H y d r a z i n mit dem ebenfalls l i p o p h i l e n Alkylierungsmittel reagiert. Daher wird jedes N-Atom, das auch nur e i n e A l k y l g r u p p e trägt, sofort weiter bis zur q u a r t ä r e n V e r b i n d u n g alkyliert. In dieser ist jedoch die Basizität der z w e i t e n A m i n o g r u p p e stark h e r a b g e s e t z t (S. 630), so daß sie nicht mehr mit Alkylierungsmitteln zu reagieren vermag. Man kann daher durch d i r e k t e A l k y l i e r u n g von Hydrazin im allgemeinen nur e i n s e i t i g s u b s t i t u i e r t e Produkte und von diesen in nennenswerter Ausbeute auch nur die q u a r t ä r e n S a l z e erhalten: HSN-NH, + R
Hai
+ RHai -
+
'
^ H - N H ,
® + B—Hai [R 3 N—NHJ+Hal- -
keine Reaktion
Zur Darstellung b e s t i m m t e r H y d r a z i n e muß die Methode daher ebenfalls im Sinne des GABRIEL sehen Phthalimidverfahrens variiert werden. Die wichtigsten dieser speziellen Reaktionen sind: 1. für die Darstellung von Monoalkylhydrazinen die Alkylierung von B e n z - a l d a z i n (I) zu dessen leicht wieder spaltbaren H y d r a z i n i u m s a l z e n (II):
^
^
R—NH—NHj
2. für die Darstellung der sym-Dialkylhydrazine (auch N,N'-Dialkylhydrazine oder Hydrazoparaffine1) genannt) die Alkylierung d e r i s y m - D i a c y l h y d r a z i n e mit anschließender W i e d e r a b s p a l t u n g d e r A c y l r e s t e : Acx
/AC
A(\
yAc
> - < w J > - < . ( ^ ^ r B-nh-KH-R N W H R ' i n XR Nicht auf dem Wege einer Alkylierung des Hydrazinsystems dargestellt werden: 3. die as-Dialkyl-hydrazine (N,N-Dia,kylhydrazine), die man am besten durch S y n t h e s e des H y d r a z i n s y s t e m s auf dem Umweg über die N i t r o s a m i n e der s e k u n d ä r e n A m i n o v e r b i n d u n g e n (vgl. S. 579) gewinnt: R 2 N—H + HO—!N=0
~ H ' ° » R2N—N=0
> R 2 N—NH 2 ,
4. ungleichmäßig substituierte Trialkylhydrazlne, die bei der Hydrierung der D i a l k y l h y d r a z o n e von O x o v e r b i n d u n g e n entstehen: Rx R/
)N—N=CH—R'
+ H- ,
R\
/H )N—N( R/ \CH2—R'
Bei den beiden letztgenannten Reaktionen muß man sich vorsehen, daß nicht gleichzeitig die N—N-Bindung r e d u z i e r e n d gespalten wird (s. u.). *) Bezüglich der Nomenklatur der Hydrazoverbindungen vgl. S. 664.
630
Kap. 6, I I : Die Hydroxylamino-, Hydrazinoverbindungen usw.
5. die Tetraalkyl-hydrazine, die man durch Reduktion der oben bereits erwähnten s y m D i a c y l - d i a l k y l - h y d r a z i n e (III) mit L i t h i u m - a l u m i n i u m h y d r i d in guter Ausbeute gewinnen kann 1 ): R'—C
R—N=N—R ;
R/
R
)K—NH 2
-
> V2
\
R'
IV
/ N=N—N^ X v
R
R
Bei der Einwirkung von s a l p e t r i g e r S ä u r e auf M o n o a l k y l h y d r a z i n e entstehen in Analogie zum Verhalten des Hydrazins selbst die Alkylderivate der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e (VI) (S. 673), während die T r i a l k y l h y d r a z i n e als s e k u n d ä r e Stickstoffverbindungen in Nitrosohydrazine (VII) mit drei a n e i n a n d e r g e b u n d e n e n N-Atomen übergehen. Sie stellen den Nitrosaminen ähnliche gelbe Flüssigkeiten dar: O
H R—N—N;H2 +
Rn K
— 2H,0
HO-N
JH + HO—NO 1
R
>
© e R—N=N=N vi .N=0
R.
R/
n
VII
r
5. Die aromatischen Derivate des Hydrazins Ahnlich wie die A r y l h y d r o x y l a m i n e sind auch die A r y l d e r i v a t e des H y d r a z i n s leichter zugänglich und wesentlich r e a k t i o n s f ä h i g e r als die aliphatischen Vertreter der Reihe, so daß sie zum Teil t e c h n i s c h e B e d e u t u n g erlangt haben. Ihre Darstellung erfolgt wegen der L a b i l i t ä t des H y d r a z i n s y s t e m s nicht durch Arylierung des Hydrazins oder seiner Derivate, sondern ausschließlich durch V e r k n ü p f u n g der (gegebenenfalls) b e r e i t s a r y l i e r t e n N - A t o m e . a) D i e M o n o a r y l - h y d r a z i n e Für die Darstellung der Monoaryl-hydrazine kommt praktisch ausschließlich die p a r t i e l l e R e d u k t i o n der aromatischen D i a z o v e r b i n d u n g e n in Betracht, die bei der Einwirkung von Zinn(II)-chlorid und S a l z s ä u r e , sowie insbesondere von N a t r i u m s u l f i t (Näheres vgl. S. 661f.) oder neuerdings auch T r i a r y l - p h o s phinen 1 ), auf der Stufe des A r y l h y d r a z i n s stehen bleibt: L . HOBNER u. H . STÖHR: B . 86, 1 0 7 3 (1953).
Kap. 6, II: Die Hydroxylamino-, Hydrazinoverbindungen usw.
632
-NH—NH 2 + H+ Auch die e l e k t r o l y t i s c h e R e d u k t i o n von Diazoniumsalzen zu Arylhydrazinen ist bereits gelungen1).
Die Mono-arylhydrazine sind den aromatischen A m i n e n ähnliche, doch etwa:) l a b i l e r e und im allgemeinen nur im Vakuum unzersetzt destillierende Substanzen, die sich an der Luft rasch braun färben. Sie sind zu den folgenden s e c h s Gruppen von Reaktionen befähigt: 1. zur Salzbildnng mit Säuren, bei der sie infolge des Vorliegens einer nicht aromatisch substituierten Aminogruppe etwas s t ä r k e r b a s i s c h reagieren als die M o n o a r y l a m i n e (vgl. Tab. 27, S. 568). Doch besitzt ohne Zweifel auch die a r y l i e r t e A m i n o g r u p p e eine gewisse Basizität, so daß man neben den Ionen ©
Ar—NH—NH 3 in geringem Umfang auch mit der Anwesenheit der
Ionen
©
Ar—NH 2 —NH 2 rechnen muß. Diese Basizität reicht aber n i c h t m e h r zur Bildung r © ® 1 _ von wasserbeständigen Di-oniumsalzen der Formel [Ar—NH 2 —NH 3 J Hai 2 aus. 2. zu Kondensationsreaktionen der NH 2 -Gruppe. Hierher gehört vor allem die Bildung der Arylhydrazone der OxoVerbindungen (S. 301), der Arylhydrazide der Carbonsäuren und der Arylosazone der 1 , 2 - H y d r o x y - o x o - bzw. - D i o x o V e r b i n d u n g e n (S.455, 461). 8. zu Kondensationsreaktionen der Ar-NH-Gruppe. Sie werden nur selten beobachtet. Als Beispiel sei die bei der Einwirkung von s a l p e t r i g e r S ä u r e eintretende Bildung von a.-Nitroso-arylhydrazinen angeführt, die als echte Nitrosamine eine g e l b e Farbe aufweisen und durch Wasserabspaltung unter Mitbeteiligung auch der zweiten Aminogruppe in die A r y l a z i d e übergeführt werden können: H
NO
Ar—N—NH2 + HO—NO
— H,0
•
Ar—N—NH.
— H,0 (undurchsichtig)
©
0
Ar- - N = N = N
Eine weitere derartige Kondensationsreaktion wird auf S. 675 beschrieben;
4. zu Ringschlußreaktionen unter Kondensation b e i d e r Aminogruppen. Insbesondere die mit A c e t e s s i g e s t e r eintretende Bildung von P y r a z o l d e r i v a t e n (Näheres vgl. S. 521,948) hat große praktische Bedeutung erlangt; 5. zu Oxydatlons- bzw. Dehydrierungsreaktionen, die im Gegensatz zur aliphatischen Reihe unter Bildung d e f i n i e r t e r R e a k t i o n s p r o d u k t e durchgeführt werden können. So läßt sich z. B. Phenylhydrazin mit K u p f e r ( I I ) - I o n e n in schwach e s s i g s a u r e r L ö s u n g in glatter Reaktion zum unbeständigenPheny 1 - d i i m i n (I) dehydrieren, das sofort sekundär in Stickstoff und Benzol zerfällt: v
H H —N—NH
-H,
/
\ - J•N=NH J=
^—H + N=N
In s t a r k saurer L ö s u n g mit Q u e c k s i l b e r o x y d als Oxydationsmittel geht die Reaktion noch eine Stufe weiter, und es wird das Phenylhydrazin unter Abspaltung von zwei Molekülen W a s s e r s t o f f direkt zum D i a z o n i u m - I o n dehydriert: V-NH—NH2
-±-
V - NH2—NH2
P . RÜBTSCHI U. G. TRÜMPLER : H e l v . 8 6 , 1 6 4 9 ( 1 9 5 3 ) .
— 2H,
633
5b: Die Diaryl-hydrazine
6. zu Reduktionsreaktionen. Sie führen stets zu einer S p a l t u n g der N—NBindung. Von spezieller Bedeutung ist die K o p p e l u n g der Reaktion mit der oben beschriebenen Dehydrierung, d. h. die D i s p r o p o r t i o n i e r u n g der Arylhydrazine unter Bildung der a r o m a t i s c h e n Amine und von Ammoniak einerseits, sowie der a r o m a t i s c h e n K o h l e n w a s s e r s t o f f e und von S t i c k s t o f f andererseits. Sie geht sowohl beim Ü b e r h i t z e n , z.B. zum Teil bereits bei der Destillation unter normalem Druck, als auch bei normaler Temperatur unter der Einwirkung von fein verteiltem P l a t i n und anderen H y d r i e r u n g s k a t a l y s a toren vor sich und konnte hinsichtlich des angenommenen Mechanismus mit Hilfe des schweren S t i c k s t o f f i s o t o p s 1SN bestätigt werden1).
— KO—COOR
(bzw. KO—CONH,)
TT
TT
\
\ C H2, — N — N = 0 / \
/
H
'°>
C H2„ = N = N
VIII
Das Verfahren ist in dieser Form allenfalls noch für die Darstellung von D i a z o ä t h a n geeignet, versagt jedoch bei allen h ö h e r e n D i a z o p a r a f f i n e n , die daher lange Zeit kaum zugänglich waren. Hier kann man evtl. durch Ersatz des Nitrosomethylurethans (bzw. -harnstoffs) durch andere N - N i t r o s o - N - A c y l - V e r b i n d u n g e n 1 ) (insbesondere N-Nitroso-NMethyl-p-tolvaUulfonamid 2)) weiterkommen. Ferner haben D. W. ADAMSON und J. KENNEB (1935) eine sehr brauchbare Methode gefunden, die ebenfalls auf dem gleichen Prinzip beruht: Man lagert das zu diazotierende primäre Amin an M e s i t y l o x y d (IX), P u l e g o n oder ähnliche u n g e s ä t t i g t e K e t o n e zum ( 8 - M o n o a l k y l a m i n o - k e t o n X mit einer nunmehr s e k u n d ä r e n A m i n o g r u p p e an (vgl. S. 610), führt dieses in das N i t r o s a m i n XI über und spaltet anschließend den Mesityloxydrest durch t h e r m i s c h e Z e r s e t z u n g in Gegenwart von N a t r i u m b e n z y l a t oder C y c l o h e x a n o l a t wieder heraus, woraufhin die Umwandlung des primären Nitrosamins in die Diazoverbindung wiederum s p o n t a n erfolgt: X !
) K . HEYNS U. M i t a r b b . : B . 86, 7 6 , 2 7 8 (1953). ) A . F . MOKAY U. M i t a r b b . : A m . S o c . 69, 3 0 2 8 ( 1 9 4 7 ) .
643
1 a: Die Reaktionen der aliphatischen Diazoverbindungen H3Cx )C=CH—CO—CH3 + H2N—CH2—R H 3 (X IX
>-
H3(\ H,C/
NO
H3C/
)C(
/NH-CHj-R
X
CH2—CO—CH3
x
\ CH—CO—CH3 XI
Ein weiteres, speziell für die Darstellung s e k u n d ä r e r D i a z o v e r b i n d u n g e n geeignetes Verfahren beruht auf der Dehydrierung von Keton-hydrazonen mit Quecksilberoxyd: R
W
) C = N — N H 2 + OHg
\
© ©
) C = N = N + Hg + H 2 0 W
Zu 3. Eine Verlängerung des Alkylidenrestes einer Diazoverbindung findet bei der auf S. 644 beschriebenen Einwirkung von S ä u r e c h l o r i d e n auf D i a z o m e t h a n statt. Das Verfahren findet praktische Anwendung zur Synthese von D i a z o k e t o n e n .
Die niederen aliphatischen Diazoverbindungen sind leicht zersetzliche, in unverdünntem Zustand auch explosible, gelbe Gase, die meistens in ä t h e r i s c h e r L ö s u n g bereitet und verarbeitet werden. Sie sind infolge ihrer außerordentlichen Reaktionsfähigkeit aber auch dort nur k u r z e Z e i t haltbar und werden daher zweckmäßig für jeden Versuch neu dargestellt. Ihre chemischen Umsetzungen1) sind sehr vielseitig und lassen sich in d r e i größere Gruppen einteilen: 1. die unter A b s p a l t u n g v o n S t i c k s t o f f verlaufenden Reaktionen, 2. die A n l a g e r u n g s r e a k t i o n e n und 3. die U m w a n d l u n g der D i a z o g r u p p e in andere stickstoffhaltige Funktionen. Zu 1. In den aliphatischen Diazoverbindungen ist das Stickstoffmolekül bereits v o r g e b i l d e t . Bei dessen großer Bildungstendenz zeigen sie infolgedessen das Bestreben, e l e m e n t a r e n S t i c k s t o f f unter Stabilisierung des Restmoleküls a b z u s p a l t e n . Dies ist auf fünf verschiedenen Wegen möglich: a) bei der Einwirkung von Säuren als wichtigster Reaktion tritt sowohl das die Reaktion auslösende P r o t o n als auch das A n i o n d e r S ä u r e an den Alkylidenkohlenstoff, d. h. es wird eine A l k y l g r u p p e s y n t h e t i s i e r t und die Diazoparaffine wirken als A l k y l i e r u n g s m i t t e l (Näheres über den Mechanismus vgl. II, Kap. 4, III, 3a): © e
R—CH=N=N
© : ©
R—CH—N=N + H—X : i
/
H
>- R—C^-fl + N==N X X
Im Gegensatz zu allen bisher beschriebenen S p a l t u n g s - (z.B. der Hydrolyse) und auch A n l a g e r u n g s r e a k t i o n e n (z. B. an Doppelbindungen), bei denen die Spaltstücke der Reagenzien unter Lösung einer Bindung jeweils an b e n a c h b a r t e A t o m e treten, findet hier eine Lösung der C—N-Bindung unter Anlagerung beider Spaltstücke der Verbindung H—X an das g l e i c h e A t o m statt, und das N2-Bruchstück des ursprünglichen Diazoparaffinmoleküls stabilisiert sich i n n e r m o l e k u l a r . Wir werden später bei den A z i d e n (S. 672) und Zusammenfassungen: B. Eistest: Angew. Chem. ebenda 67, 439 (1955). 41»
5 4 , 9 9 , 124, 3 0 8 ( 1 9 4 1 ) ;
R. Huisgxn:
644
Kap. 6, I I I : Die Diazoverbindungen, Azoverbindungen usw.
insbesondere bei den Derivaten des K o h l e n o x y d s (S. 788f.) noch mehreren derartigen anomalen Spaltungs- und auch Anlagerungsreaktionen begegnen. Die G e s c h w i n d i g k e i t der Alkylierungsreaktion läuft mit der A c i d i t ä t der zu alkylierenden Verbindung parallel. Sie ist bei allen Säuren und Phenolen genügend groß, um die Diazoverbindung auch bei Zimmertemperatur innerhalb weniger Minuten oder gar Sekunden quantitativ umzusetzen. W a s s e r und A l k o h o l e reagieren bereits erheblich l a n g s a m e r und werden auch nach Tagen nicht vollständig veräthert, so daß man C a r b o n s ä u r e n oder P h e n o l e unter Umständen in A l k o h o l e n als Reaktionsmedium verestern kann. A m i n e und A l k a l i e n bleiben schließlich o h n e j e d e E i n w i r k u n g , wie u. a. die allgemein übliche Trocknung ätherischer Diazomethanlösungen mit f e s t e m N a t r i u m h y d r o x y d zeigt. Erst wenn man A l k o h o l e und A m i n e in Gegenwart von S ä u r e n oder K o m p l e x b i l d n e r n mit Diazomethan behandelt, tritt M e t h y l i e r u n g ein, weil hier statt der nicht genügend sauren Neutralverbindungen die K o m p l e x e R —OH 2 +, R — OH-»-BF3 und R— NHa->-BF3 in Reaktion treten, die eine erheblich h ö h e r e A c i d i t ä t aufweisen 1 ).
b) bei der Einwirkung der elementaren Halogene findet, wiederum unter Anlagerung beider Halogenatome an das gleiche C-Atom, die Bildung geminaler Dihalogenverbindungen statt: R — C H : = j t = § + Hal 2
v R—CH(Hal) 2 + N = N
c) Bei der thermischen Zersetzung sättigen sich die nach Abspaltung des Stickstoffs verbleibenden Rumpfmoleküle paarweise unter Ausbildung einer olefinischen Doppelbindung ab. So entsteht z.B. aus zwei Molekülen Diazoessigester oberhalb 100° unter der katalytischen Einwirkung von metallischem Kupfer Fumarsäureester: © e 0 © ROOC—CH=N=N + N=N=;CH—COOR
>- 2 N = N +
ROOC—CH || HC—COOR
d) Am kompliziertesten liegen die Verhältnisse schließlich bei der Einwirkung von Oxo Verbindungen, die mit Diazomethan (andere Diazoverbindungen wurden bisher noch nicht untersucht) ein instabiles Zwitterion (I) als Zwischenverbindung bilden, das sich nach Abspaltung des Stickstoffs in zwei Richtungen zu stabilisieren vermag (vgl. auch EL, Kap. 4, III, 3 a): ©
^ 0 = 0 + cH2=f=§ R
• (
x
-N=N\
;c
VR'
'
°
S
/
I
O II Wanderung von E'v R—C—CH¡¡—R' + N , Bildung einer Sauerstoffbrücke
V
i
^O
+ N,
Bei Reaktion a) kann im Falle der Umsetzung eines Aldehyds (R'=H) sowohl der Wasserstoff im Sinne einer formalen Methylierung (formulieren!) als auch der Alkylrest (R) an den Methylenkohlenstoff wandern. Ist R' schließlich ein H a l o g e n , d . h . geht man von einem S ä u r e h a l o g e n i d aus, so wird zunächst k e i n S t i c k s t o f f a b g e s p a l t e n , sondern das hypothetische Zwischenprodukt I a stabilisiert sich unter HCl-Abspaltung zum D i a z o k e t o n I I 2 ) : H / Rx-:)CH-N-Nl\
0
-hc^
RJUCH=S=S
») E. MÜLLER u. Mitarbb.: Angew. Chem. 69, 614; 70,105 (1957/58)t ) Zusammenfassung: B. EISTERT: Angew. Chem. 61, 185 (1949).
2
645
1 a : Die Reaktionen der aliphatischen Diazoverbindungen
Die Reaktion haben wir auf S. 322 bereits als Teilreaktion der Verlängerung des organischen Restes einer Carbonsäure um eine Methylengruppe kennengelernt. e) Bei der Einwirkung von Diazomethan auf verschiedene Schwermetallverbindungen besteht die Möglichkeit, die Methylengruppe zwischen das M e t a l l a t o m und den u r s p r ü n g l i c h e n S u b s t i t u e n t e n unter Bildung einer m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g einzuschieben 1 ). Beispielsweise entsteht mit S u b l i m a t Dichlormethyl-quecksilber (vgl. auch S. 764): HgCl a + 2 CH S N,
^ CJ—CH2—Hg-CH2-Cl
Zu 2. Alllagerungsreaktionen. Ungesättigten Verbindungen gegenüber verhalten sich die Diazoparaffine ähnlich wie ein Polyen und vermögen sie in Analogie zur Diensynthese (S. 1018f.) an den Enden des u n g e s ä t t i g t e n Systems (d.h. hier in 1,3-Stellung) unter Ringbildung anzulagern. Insbesondere die Synthese von Pyrazol-(III) und 1,2,3-Triazol-derivaten (IV) durch Anlagerung von Acet y l e n und Blausäure an Diazomethan oder auch an Diazoessigester hat Bedeutung für die Gewinnung dieser Verbindungen erlangt (vgl. S.945, 951 u.a.): HC==CH + e
/ HC I
v
CH\ I
^
I
HC II
CH II
hc H
HC==N + e H ^ S
/ HC==N\ I I
v
.
\n/n
in
HC II
H C
N II \
N
H
/
N
iv
Bei der Einwirkung von Olefinen auf Diazoessigester entstehen nach und T H . C U R T I U S einfach ungesättigte Pyrazolinderivate (V), die wesentlich unbeständiger sind und beim Erhitzen unter Stickstoffabspaltung in Cyclopropanverbindungen (VI) übergehen: BÜCHNER
R—CH^=CH—R + e ROOC—CHn^®
R—CH _ | * ROOC—CH X ;
^
CH—R "I Ji
N N ^
-y. „ *
,+
R—CH CH—R XpiTi/
V
IOOR
VI
Das Verfahren ist von Bedeutung für Synthesen in der Cyclopropanreihe (S.837). Ein interessanter Spezialfall dieser Reaktion liegt in der Bildung des P s e u d o p h e n y l e s s i g s ä u r e e s t e r s (VIII) (S. 134, 861) aus B e n z o l und D i a z o e s s i g e s t e r vor. Hier kann der primär zu erwartende Pyrazolinkörper (VII) n i c h t i s o l i e r t werden, weil die reaktionsträge aromatische Doppelbindung erst bei h ö h e r e r T e m p e r a t u r angegriffen wird, bei der der Pyrrolidinring n i c h t m e h r beständig ist. Der Reaktionsverlauf konnte neuerdings durch B e l i c h t u n g verbessert werden 2 ): A V
9 = N®= C H — C O O R + N
V \ V
VII
\ | CH-COOR/
V
A>CH—COOR ^ V I I I
Einen weiteren speziellen Fall beobachtet man bei der Einwirkung von Diazoessigester auf M a l o n e s t e r , der in der E n o l f o r m ( I X ) r e a g i e r t und zunächst ebenfalls zum P y r a z o l i n d e r i v a t X angelagert wird. Doch vermag sich letzteres hier unter Abspaltung von A l k o h o l zum P y r a z o l d e r i v a t X I zu stabilisieren, so daß in diesem Falle die Cyclopropanbildung unterbleibt: Zusammenfassung: D. SEYFERTH: Chem. Rev. 1955, 1155. 2
) G . G . SCHENCK u . H . Z I E G L E R : A . 5 8 4 , 2 2 1 ( 1 9 5 3 ) .
Kap. 6, I I I : Die Diazoverbindungen, Azoverbindungen usw.
646 ROOC
HO. /C RO I H
I ,
ROOC
| |
X ^
ROOC -C—COOR'
HO—C>
-CH—COOR'
H;
IX — ROH
V
/ RO
I + I
CH2 ROOC
HO CH—COOR'
R O O C — / H
W
x
N
XI
Sind k e i n e A d d e n d e n da, so kann schließlich auch eine gegenseitige 1,3-Addition z w e i e r M o l e k ü l e der Diazoverbindung unter Bildung eines s e c h s g l i e d r i g e n R i n g e s erfolgen. So entsteht z. B. aus Diazoessigester unter der katalytischen Einwirkung von s t a r k e m A l k a l i bei gleichzeitiger Verseifung der Estergruppen die sich vom D i h y d r o - t e t r a z i n (S. 920) ableitende Bis-diazo-essigsäure (XII): ROOC—CH-
&=
/N=N\ CH—COONa NaOOC—CH
NaOH
+
CH—COOR
X
r
N=N/xn
Zu 3. Sieht man von den Anlagerungsreaktionen ab, so ist eine Umwandlung der aliphatischen Diazogruppe in a n d e r e s t i c k s t o f f h a l t i g e F u n k t i o n e n nur auf dem Wege der R e d u k t i o n möglich. Beispielsweise kann man Diazoessigester in Abwesenheit von Säuren mit E i s e n ( I I ) - o x y d h y d r a t in d a s H y d T a z o n des G l y o x y l s ä u r e e s t e r s , also in ein H y d r a z i n d e r i v a t überführen: ROOC—CH=N=N + H 2 -
->• ROOC—CH=N—NH 2
Weiterhin entsteht bei e n e r g i s c h e r R e d u k t i o n direkt Glycin (bzw. G l y c i n e s t e r ) und A m m o n i a k (Gleichung formulieren!), während eine Reduktion zur H y d r a z i n o e s s i g s ä u r e unter Schonung der N—N-Bindung bisher n i c h t g e l u n g e n ist. ©
0
Diazomethan N = N = C H 2 , das einfachste und wichtigste Diazoparaffin, wurde von H . v. PECHMANN bei der alkalischen Zersetzung von N i t r o s o m e t h y l u r e t h a n (S. 419) entdeckt, wird heute jedoch meistens aus dem leichter zugänglichen N i t r o s o m e t h y l h a r n s t o f f gewonnen. Eine dritte Bildungsweise, die jedoch nurvon t h e o r e t i s c h e m I n t e r e s s e ist, stammt v o n H . STATTDINGER, (1912), der die Verbindung bei der Einwirkung von C h l o r o f o r m auf H y d r a z i n in a l k o h o l i s c h e r K a l i l a u g e erhielt (vgl. auch S. 641). H—C
C1 Cl
+
H2N j| HN-H
undurchsichtiger Reaktionsverlauf
©
0
C H 2 = N = N + 3 HCl
Eine letzte Bildungsmöglichkeit wurde neuerdings in der Umsetzung von D i s t i c k s t o f f o x y d mit L i t h i u m m e t h y l entdeckt 1 ). Vermutlich wird die metallorganischen Verbindung primär in 1,3-Stellung zu dem Zwischenprodukt XIII angelagert: © e N = N - * 0 + CH,—Li CIL,—N=N—OLi ~ L 1 0 H > C H 2 = N = N XIII E . MÜLLER U.
Mitarbb.: Angew. Chem.
67,
617 (1955).
647
l a : Diazomethan, Diazoessigester
Diazomethan ist ein sich bei —24° kondensierendes, stark endothermes gelbes Gas von großer G i f t i g k e i t , das beim Erhitzen unter E x p l o s i o n zerfallt. Es zeigt eine starke Löslichkeit in Äther, ist aber mit Äther dämpfen flüchtig (Vorsicht beim Einatmen der Dämpfe!) und findet in der präparativen Chemie eine vielseitige Anwendung als mildes Methylierungsmittel. Wie E. MÜLLER 1 ) zeigen konnte, ist Diazomethan tautomer mit einer Isodiazomethan genannten Substanz, die bei —50° auch in S u b s t a n z isoliert werden kann. Das Tautomeriegleiehgewicht ist normalerweise weitgehend (jedoch nicht vollständig)2) zugunsten der Normal form verschoben, so daß man die I s o f o r m aus dem normalen Diazomethan durch Methyllithium in Form des sehr explosiblen Diazomethyl-lithiums herausfangen kann. Aus letzterem läßt sie sich dann durch Hydrolyse rein gewinnen: ©
©
CHj=N=N
^
Diazomethan
CH=N=N—H Iso-diazomethan I
Q
>
®
_
CH=N=NLi Diazomethyl-lithium
Hydrolyse
|
Die Einstellung des Tautomeriegleichgewichts wird durch H y d r o x y l - I o n e n beschleunigt. Reines Iso-diazomethan zersetzt sich bei Zimmertemperatur explosionsartig. Seine intermediäre Bildung ist bei vielen Reaktionen des Diazomethans anzunehmen. e © Diazoäthan N = N = C H — C H 3 entsteht nach der Methode von PEOHMANN nur noch in geringer Ausbeute und hat daher nicht entfernt die Bedeutung des Diazomethans erlangt. Seine Gewinnung ist neuerdings durch das auf S. 642 beschriebene Mesityloxydverfahren etwas vereinfacht worden. Auch Bis-diazoalkane3) mit zwei D i a z o g r u p p e n im Molekül sind bekannt. Trotz ihrer Labilität haben sie technisches Interesse als V e r n e t z u n g s m i t l e i in der Kunststoffindustrie gefunden. ©
©
Diazoessigester N = N = C H — C O O C 2 H S ist die am längsten bekannte aliphatische Diazoverbindung. Er wurde von T. CURTIUS bei der Umsetzung von Glycin-ester mit salpetriger Säure entdeckt und wird auch heute noch ausschließlich auf diesem Wege gewonnen. Er ist ebenfalls gelb und wesentlich beständiger als Diazomethan, so daß er auch in reinem Zustand aufbewahrt und im Vakuum unzersetzt destilliert werden kann. Erst beim Überhitzen der flüssigen Phase auf Temperaturen oberhalb 100° tritt die Explosionsneigung zutage. Im übrigen ist Diazoessigester zu den gleichen Reaktionen (die infolge seiner größeren Stabilität häufig sogar leichter durchführbar sind) befähigt wie Diazomethan. Insbesondere die oben beschriebenen Anlagerungsreaktionen wurden überwiegend am Diazoessigester untersucht. Bei d^r Reaktion mit Säuren wirkt er ebenfalls als „ A l k y l i e r u n g s m i t t e l " und geht in die Verätherungs- bzw. Veresterungsprodukte der alkoholischen H y d r o x y l g r u p p e des Glykolsäureesters über: ROOC—CHj—0—^
^
Anilinhydro-
//
Chlorid 300«
Der angenommene Mechanismus konnte von K . schweren S t i c k s t o f f i s o t o p s 18 N bestätigt werden.
Clusitxs1)
- N = N -
mit Hilfe des
Auch für die noch wenig untersuchte Verbindungsklasse der gemischt-aromatisch-aliphatischen Triazene ist die Kupplung aromatischer D i a z o n i u m s a l z e mit den entsprechenden primären oder sekundären aliphatischen A m i n e n (in soda-alkalischer Lösung) die bequemste Darstellungsmethode: /CH, yCB., — H+ HN( S—N=N— CH, CH, Insbesondere das als Beispiel angeführte l-Phenyl-3,3-dimethyltriazen erwies sich infolge der Substitution sämtlicher H-Atome des Triazenmoleküls als recht b e s t ä n d i g e S u b s t a n z , die u. a. bei 230° ohne Zersetzung destilliert werden kann. Lediglich S ä u r e n gegenüber ist es J
)
K.
CLUSIUS
u. H. R.
WEISSER
: Helv. 35, 1524 (1952).
672
Kap. 6, III: Die Diazoverbindungen, Azoverbindungen usw.
u n b e s t ä n d i g und daher nur in wenigen Fällen zur S a l z b i l d u n g (z. B. eines Pikrats) befähigt. Für die d i s u b s t i t u i e r t e n Verbindungen der Reihe besteht nach O. D I M R O T H (1903) eine weitere interessante Bildungsweise in der Einwirkung von GRiGNARDverbindungen auf Arylazide: ,
© © /MgX + —N=N=N + R — M g X — V - N = N — \ R
y
/H ^-N=N—N^ R
c) D i e Azide 1 ) Die organischen Derivate der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e , formal ihre E s t e r , werden in Analogie zu den ihnen sehr ähnlichen H a l o g e n i d e n allgemein als Alkyl- bzw. Arylazide bezeichnet. Die Deutung ihrer Konstitution ist im wesentlichen ein a n o r g a n i s c h e s P r o b l e m und fallt mit der Konstitutionsermittlung der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e zusammen, denn aus ihrer Reduzierbarkeit zu p r i m ä r e n A m i n e n , sowie ihrer Synthese durch A l k y l i e r u n g bzw. A r y l i e r u n g von S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e folgt eindeutig, daß der organische Rest durch eine e i n f a c h e C—N-Bindung mit der N3-Gruppe der Stickstoffwasserstoffsäure verbunden sein muß. Die Struktur der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e ergibt sich u. a. auf Grund ihrer n a h e n V e r w a n d t s c h a f t m i t d e m D i a z o m e t h a n . Beide Verbindungen zeigen hinsichtlich ihrer D a r s t e l l u n g und den meisten U m s e t z u n g e n eine derartig weitgehende Analogie (s. u.), daß man ihnen seit jeher die g l e i c h e S t r u k t u r zugeordnet, d. h. die Stickstoffwasserstoffsäure als ein „Aza-diazomethan" betrachtet hat. Infolgedessen herrscht in der älteren Literatur für die Azidogruppe ebenfalls eine von CURTIUS vorgeschlagene c y c l i s c h e F o r m e l (I) vor, die später von ANGELI und THIELE durch die g e s t r e c k t e W e r t i g k e i t s f o r m e l I I und neuerdings durch die ihr gleichwertige E l e k t r o n e n f o r m e l I I I (im folgenden meistens vereinfacht o h n e e i n s a m e E l e k t r o n e n p a a r e geschrieben) ersetzt wurde (vgl. auoh S. 640 f. u. II, Kap. 3, III, 6): H
—
N i
H—N=N=N n
H—N=N=N)
m
Auch hier konnte die l i n e a r e A n o r d n u n g der N-Atome mit Hilfe p h y s i k a l i s c h e r Met h o d e n sowie neuerdings mit Hilfe des s c h w e r e n S t i c k s t o f f i s o t o p s 15 N 2 ) bestätigt werden.
Für die Darstellung der organischen Azide kommen zwei grundsätzlich verschiedene Verfahren in Betracht: 1. die Einführung der fertigen Azidogruppe in das organische Molekül, die man mit Hilfe milder A l k y l i e r u n g s - oder A r y l i e r u n g s r e a k t i o n e n durchführen kann, z. B. durch Umsetzung von M e t a l l a z i d e n mit A l k y l h a l o g e n i d e n oder durch Abspaltung von Stickstoff aus den A r y l - d i a z o n i u m - a z i d e n (S. 655): R - H a l + NaN. - N a H a V
R — N = N = N
+
R;—N=N N ,
2. die Synthese der Azidogruppe aus anderen stickstoffhaltigen Funktionen. Sie kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: l
) Zusammenfassung: J. H. B O Y E R u. F. C. C A N T E R : Chem. Rev. 1964, 1. ') Zusammenfassung: K. CLUSITTS: Angew. Chem. 66, 503 (1954).
673
3 c : Die Acide
a) in Analogie zur Bildung von D i a z o e s s i g e s t e r durch Umsetzung monos u b s t i t u i e r t e r H y d r a z i n e mit s a l p e t r i g e r S ä u r e : O TT Q
©
ROOC—CH^-NH 2 + 0 = N X;H HO :
R—N^-NHj + 0=^N X
H
©
ROOC—CH=N=N
— R — N = N = N
HO
b) durch Umsetzung von A r y l d i a z o n i u m - p e r b r o m i d e n mit A m m o n i a k . Es ist anzunehmen, daß die Reaktion über das im allgemeinen auf diesem Wege nicht darstellbare A r y l t r i a z e n (bzw. Diazobenzolamid, I) als Zwischenprodukt verläuft, das durch das Br 3 ~-Ion sofort zum Arylazid d e h y d r i e r t wird: N=N—NH 2 ) + HBr 3 ©
©
- N = N = N + 3 HBr
1
Die zweite Teilreaktion läßt sich auch mit Q u e c k s i l b e r o x y d als Oxydationsmittel durchführen und stellt eine w e i t e r e B i l d u n g s m ö g l i c h k e i t der Azidogruppe dar (vgl. S. 670).
Die niederen Azide sind t i e f s i e d e n d e Flüssigkeiten (z. B. Methylazid Sdp. 21°, Äthylazid Sdp. 48°), die eine starke E x p l o s i o n s n e i g u n g aufweisen und daher nur unter großer Vorsicht gehandhabt werden können. Sie werden jedoch mit wachsender Molekülgröße (innermolekulare Verdünnung der Azidogruppe) stabiler, so daß z. B. P h e n y l a z i d bereits bis 100° e x p l o s i o n s b e s t ä n d i g ist und ohne Gefahr mit Wasserdampf oder im Vakuum (Sdp. 59°/14 mm) d e s t i l l i e r t werden kann. In ihrem physikalischen Verhalten zeigen sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den Halog e n v e r b i n d u n g e n (die Azidogruppe rechnet zu den P s e u d o h a l o g e n e n , vgl. anorg. Lehrbücher), die sich auch auf o p t i s c h e E i g e n s c h a f t e n erstreckt. Einige aliphatische Azidokörper, insbesondere die a - A z i d o - c a r b o n s ä u r e n , haben daher bei der Konfigurationsermittlung der optisch aktiven H a l o g e n - und A m i n o c a r b o n s ä u r e n eine wichtige Rolle gespielt (vgl. II, Kap. 7, I I , 2d). Dit- chemischen Umsetzungen der Azide wurden meistens an den etwas stabileren A r y l a z i d e n , speziell dem Phenylazid, untersucht und spielen sich ausschließlich an der N3-Gruppe ab, da die Bindung des organischen Restes durch eine e i n f a c h e C—N-Bindung erfolgt und damit h y d r o l y s e n b e s t ä n d i g ist sowie innerhalb der engen S t a b i l i t ä t s g r e n z e n der Azidogruppe auch auf andere Weise nicht gespalten werden kann (vgl. S. 571). Sieht man einmal von der unübersichtlich verlaufenden Zersetzung durch Explosion ab, so können wir drei Gruppen von Reaktionen unterscheiden, die den Umsetzungen a l i p h a t i s c h e r D i a z o v e r b i n d u n g e n weitgehend a n a l o g verlaufen: 1. Die organischen Azide sind zwar S ä u r e n g e g e n ü b e r wesentlich beständiger als die aliphatischen Diazoverbindungen (S. 643), vermögen aber prinzipiell in a n a l o g e r Weise mit ihnen zu reagieren. So findet z. B. bei der Einwirkung k o n z e n t r i e r t e r M i n e r a l s ä u r e n ebenfalls Abspaltung von elementarem Stickstoff unter Anlagerung beider S ä u r e - I o n e n an das g l e i c h e A t o m des Rumpfmoleküls, d. h. in diesem Fall an das i n n e r e N - A t o m der ursprünglichen Azidogruppe, statt. Allerdings können die N-substituierten Reaktionsprodukte im allgemeinen n i c h t i s o l i e r t werden, da die am S t i c k s t o f f b e f i n d l i c h e Gruppe in dem sauren R e a k t i o n s m e d i u m sofort in den K e r n wandert. Man erhält infolgedessen beim Be-43 Kiages, Lehrbuch der Organischen Chemie 1,2
674
Kap. 6, III: Die Diazoverbindungen, Azoverbindungen usw.
handeln v o n P h e n y l a z i d mit k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e direkt p - C h l o r a n i l i n , bzw. mit mäßig konzentrierter Schwefelsäure p - A m i n o p h e n o l : OH(Cl)\ —
-V (Cl)HO—/
/
\
V-NH,
2. Ebenfalls in Analogie zu den D i a z o v e r b i n d u n g e n (S. 645 f.) findet bei der E i n w i r k u n g einiger O l e f i n - oder A c e t y l e n k o h l e n w a s s e r s t o f f e , sowie auch v o n B l a u s ä u r e , eine der Diensynthese ähnliche A n l a g e r u n g unter Bildung c y c l i s c h e r R e a k t i o n s p r o d u k t e statt, wobei hier die um jeweils e i n N - A t o m r e i c h e r e n 1 , 2 , 3 - T r i a z o l i n - (I), 1 , 2 , 3 - T r i a z o l - (II) u n d T e t r a z o l d e r i v a t e (III) entstehen: R—CH N© 11+11 R—CH N© N^
R—CH——N I Ii R—CH N \
HC III + HC
/
N© II N©
HC II HC
N^ l
N i! N
\
/
^ V
I
A
\ / N :| HC \
L v
i1
"
N II N / I A
II
111
Die Reaktion geht etwas schwerer vor sich als bei den Diazoverbindungen und ist daher n i c h t a l l g e m e i n durchführbar. 8. Durch v o r s i c h t i g e Reduktion von Phenylazid kann D i a z o b e n z o l a m i d (S. 670). durch e n e r g i s c h e Reduktion das p r i m ä r e A m i n erhalten werden: —N=N—NH 2
+3H
» >• ^
V - N H 2 + 2NH3
Die Reaktion entspricht der Reduktion des D i a z o e s s i g e s t e r s zum H y d r a z o n d e r G l y o x y l s ä u r e bzw. zu G l y c i n und A m m o n i a k (S. 646). In ähnlicher Weise wie Wasserstoff lassen sich auch m e t a l l o r g a n i s c h e V e r b i n d u n g e n zu den gemischt aromatisch-aliphatischen 1 , 3 - d i s u b s t i t u i e r t e n T r i a z e n e n anlägern (vgl. S. 672). 4. Die organischen Derivate des Tetrazens, Hexazens usw. Verbindungen mit v i e r a n e i n a n d e r g e k e t t e t e n N - A t o m e n werden durch Einführung einer D o p p e l b i n d u n g womöglich in noch stärkerem Maße als die Triazene stabilisiert. Am wichtigsten sind die s y m m e t r i s c h e n Tetraalkyl- und -aryltetrazene, für die eine a l l g e m e i n e D a r s t e l l u n g s w e i s e in der auf S. 631 beschriebenen D e h y d r i e r u n g asymmetrischer D i a l k y l - (und auch D i a r y l - ) h y d r a z i n e mittels Q u e c k s i l b e r o x y d s besteht:
4: Die Tetrazene usw.
675
R.
R / N - N : H ? + 2 0Hg R
/
R
•N—N=N~N:
-2 Hg
R'
R
Sie sind bis 100° durchaus beständige, s c h w a c h b a s i s c h e , säurelabile Verbindungen, die in der aliphatischen Reihe zum Teil u n z e r s e t z t d e s t i l l i e r t werden können, beim Ü b e r h i t z e n jedoch explodieren. Ihre interessanteste Reaktion ist die beim vorsichtigen Erwärmen eintretende H e r a u s s p a l t u n g d e r A z o g r u p p e als elementarer Stickstoff, wobei die beiden zurückbleibenden Molekülbruchstücke entweder sich zum t e t r a s u b s t i t u i e r t e n H y d r a z i n zusammenlagern (aromatische Reihe, S. 635) oder aber D i s p r o p o r t i o n i e r u n g in ein s e k u n d ä r e s A m i n und die S c H i F F S c h e B a s e eines p r i m ä r e n A m i n s (aliphatische Reihe) erleiden: -N,
-:-N=N-
\=/\ Y
CH 2 —R
R—CH,
- N = N - -N R—CH.
w
_
N
/\==/
...
-N.
+
R — C H = N —CH2—R
CH,—R
Ein a s y m m e t r i s c h d i s u b s t i t u i e r t e s T e t r a z e n mit asymmetrischer Lage der Doppelbindung, das 1,8-Diphenyl-tetrazen (I), gewinnt man nach A. WOHL (1900) mit Hilfe der (unten formulierten) Kupplung von B e n z o l - d i a z o n i u m - I o n e n mit P h e n y l h y d r a z i n , bei der — wie bei der auf S. 632 beschriebenen Nitrosierung — das s e k u n d ä r e N - A t o m des Hydrazinsystems angegriffen wird. Zu einer s e c h s g l i e d r i g e n S t i c k s t o f f k e t t e mit z w e i D o p p e l b i n d u n g e n , einem Hexaza-dien, gelangt man durch Einwirkung von D i a z o n i u m s a l z e n auf f r e i e s H y d r a z i n , also durch eine Verdoppelung der zu den D i a z o - a m i n o - V e r b i n d u n g e n führenden Kupplungs-Reaktion (S. 671): © © A r — N = N + H2N—NH2 + N = N — A r
-
->
Ar—N=N—NH—NH—N=N—Ar
Ein O c t a z a - t r i e n - D e r i v a t mit acht N-Atomen in ununterbrochener Kette, das l,3,6,8-TetraphenyI-octaza-trien-l,4,7 (II), konnte A. WOHL (1900) schließlich aus dem oben beschriebenen a s y m m e t r i s c h e n T e t r a z e n d e r i v a t I durch Zusammenoxydation der Aminogruppen mittels Q u e c k s i l b e r o x y d s (in Analogie zur angeführten Tetrazensynthese) aufbauen: © CTH5—N=N +
c,H6 I NH—NH,
C„H 6 IJ
. C , H 6 - N = N - -N—NH,
_
H I
(HgO)
..
V.
C,HS-N=N-N(C6H5)-N C,H5—N=N—N(CSHT)—N
ii
Verbindungen mit einer noch längeren o f f e n e n S t i c k s t o f f k e t t e konnten bisher n i c h t s y n t h e t i s i e r t werden. Erst wenn man die N-Atome teilweise in h e t e r o c y c l i s c h e R i n g s y s t e m e einbaut, die infolge der hierbei frei werdenden A r o m a t i s i e r u n g s e n e r g i e (vgl. S. 945) noch s t ä r k e r stabilisierend wirken als die Einführung von D o p p e l b i n d u n g e n , werden die Verbindungen wieder b e s t ä n d i g e r . Man hat auf diese Weise in dem auf S. 955 (Formel V) beschriebenen 1,1'-Azotrazol eine ununterbrochene Kette von zehn Stickstoffatomen aufbauen können: N—N=N—N—N=N—N—N=N—N
43*
676
Kap. 6, IV: Die Nitroverbindungen
IV. D i e
Nitroverbindungen
1. Darstellung und allgemeine Eigenschaften In den Nitroverbindungen begegnen wir erstmals einer Reihe von organischen Stickstoffderivaten, die sich von den S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n des Sticks t o f f s ableiten. Sie kommen mit wenigen Ausnahmen1) (vgl. z. B. das in III, Kap. 8, I, 4d beschriebene Chloramphenicol) n i c h t n a t ü r l i c h vor und enthalten die g l e i c h e Gruppe N 0 2 wie die auf S. 210 beschriebenen S a l p e t r i g s ä u r e e s t e r der Struktur R — 0 — N = 0 . Nur haftet diese Gruppe bei den Nitroverbindungen mit dem
/
S t i c k s t o f f am organischen Rest R—NC , so daß beide Yerbindungsklassen im \ ^0/ Verhältnis der I s o m e r i e zueinander stehen.
Die Nitroverbindungen weisen infolge dieser Zusammensetzung eine D o p p e l n a t u r auf: Von der S a l p e t e r s ä u r e leiten sie sich durch Substitution der OH-Gruppe durch einen o r g a n i s c h e n R e s t ab — ein Vorgang, der z. B. in der N i t r i e r u n g s r e a k t i o n verwirklicht werden kann — und teilen mit ihr insbesondere die S t r u k t u r des N - A t o m s , das in ihnen ebenfalls ein d o p p e l t und e i n s e m i p o l a r g e b u n d e n e s O - A t o m sowie e i n e n e i n f a c h g e b u n d e n e n R e s t enthält. Mit der s a l p e t r i g e n Säure stimmt dagegen die O x y d a t i o n s s t u f e des S t i c k s t o f f s überein, denn der organische Rest ersetzt seiner ganzen Natur nach viel eher ein H - A t o m als eine H y d r o x y l g r u p p e (vgl. S. 5). Nach dieser Auffassung stellen die Nitroverbindungen die „Ester" der t a u t o m e r e n F o r m der salpetrigen Säure (I) mit v i e r b i n d i g e m S t i c k s t o f f (vgl. anorg. Lehrbücher) dar und entstehen bei einigen Veresterungsreaktionen, z. B. bei der Umsetzung von S i l b e r n i t r i t mit A l k y l i e r u n g s m i t t e l n (S. 681) auch tatsächlich n e b e n den normalen Salpetrigsäureestern.
Zwischen den N i t r o v e r b i n d u n g e n , der S a l p e t e r s ä u r e , der s a l p e t r i g e n Säure und den S a l p e t r i g s ä u r e e s t e r n bestehen also die folgenden Beziehungen: R-H + H0-N
- V 2 N 2 0 +
r^'No
3
/2H20
unbeständig
Einzelverbindungen: Nitromethan CH 3 —N0 2 wird präparativ nach der Methode von aus C h l o r e s s i g s ä u r e u n d N a t r i u m n i t r i t (S. 681; Gleichung formulieren!), technisch durch Nitrierung von M e t h a n mittels S a l p e t e r s ä u r e bei 400—500° gewonnen. Es nimmt als Anfangsglied der Reihe zuweilen eine S o n d e r s t e l l u n g ein. Z. B. erleidet es bei der Einwirkung von s t a r k e r K a l i l a u g e eine eigenartige K o n d e n s a t i o n zur Methazonsäure (Nitro-acetaldoxim), bei der unter Verknüpfung der C-Atome zweier Nitromethanmoleküle — bei einem der Aldolk o n d e n s a t i o n analogen Verlauf sollte man die Verknüpfung eines C-Atoms mit. dem S t i c k s t o f f des zweiten Nitromethanmoleküls erwarten — e i n e N i t r o g r u p p e zum O x i m reduziert wird: Kolbe
N02
I
NOOK
1 II
„„
—X12U
(KOH, Ansäuern)
X02
I
N—OH
ü
CH 2 —CH Methazonsäure
Ferner ist die bei der Einwirkung von s a l p e t r i g e r S ä u r e entstehende Methylnitrolsäure ein wichtiges Zwischenprodukt bei der technischen K n a l l s ä u r e s y n t h e s e (S. 795). Technisch findet Nitromethan neuerdings in der Sprengstoffindustrie Anwendung zur Herstellung des oben beschriebenen T r i h y d r o x y m e t h y l - n i t r o m e t h a n s , dessen S a l p e t e r s ä u r e e s t e r ( 0 2 N — 0 —CH2 —) 3 C—N0 2 ), das Trihydroxymethyl-nitromethan-trinitrat, eine dem T e t r a n i t r o - p e n t a e r y t h r i t (S.443) ähnliche Konstitution und auch Sprengwirkung aufweist.
Di-, Tri- (in Analogie zum C h l o r o f o r m auch Nitroform genannt) und Tetranitromethan erhält man durch Einwirkung von N i t r i e r s ä u r e auf A c e t o n , E s s i g s ä u r e a n h y d r i d (s.o.) oder neuerdings auch A c e t y l e n 2 ) . Von ihnen hat lediglich das T e t r a n i t r o m e t h a n einiges Interesses erlangt, da es außerordentlich leicht eine Nitrogruppe h y d r o l y t i s c h (oder auch a n d e r w e i t i g , vgl. z . B . die auf S. 679 beschriebene N i t r i e r u n g m i t T e t r a n i t r o m e t h a n ) abspaltet. L. C l a i s e n glaubte daher, ihm die Struktur I I I eines S a l p e t e r s ä u r e e s t e r s d e s A c i - t r i n i t r o m e t h a n s zuerteilen zu müssen. Seine Bildung wäre dann etwa in der Weise zu erklären, '1 Zusammenfassung: W. E. Noland: Chem. Rev. 1955, 137. ) K. F. Hagen: Ind. Engng. Chem. 41, 2168 (1949).
2
2: Die aliphatischen Nitroverbindungen
687
daß das Nitroform (I), ähnlich wie einige f r i a c y l m e t h a n e (S. 471), bereits überwiegend in der A c i n i t r o f o r m (II) auftritt und daher bei Eintritt der vierten Nitrogruppe am S a u e r s t o f f und nicht mehr am Kohlenstoff nitriert wird: 02Nx 02N^CH 02N I
^
02Nx yC=NO—OH 02NX n
HN0
02Nx Yj=NO—O—N02 02N III
' >•
02Nx
.NOj
OJN IV KOJ
Nach Elektronenbeugungsaufnahmen von A. J. STOSICK (1939) liegt im Tetranitromethan jedoch eine echte T e t r a n i t r o v e r b i n d u n g des K o h l e n s t o f f s (IV) vor, deren starke N i t r i e r w i r k u n g lediglich darauf beruht, daß das Nitroform infolge der Aktivierung durch drei N i t r o g r u p p e n auch am Kohlenstoff ein bereits ziemlich stark s a u r e s W a s s e r s t o f f - A t o m besitzt, das Tetranitromethan also aisgem i s c h t e s A n h y d r i d dieser „Säure" mit S a l p e t e r s ä u r e ähnlich reagiert wie B e n z o y l n i t r a t , N 2 0 5 usw. Das in reinem Zustand nahezu f a r b l o s e Tetranitromethan gibt mit Olefinen und aromatischen Verbindungen eine i n t e n s i v e G e l b f ä r b u n g , deren Ursache noch ungeklärt ist. Sie dient zuweilen zum q u a l i t a t i v e n Nachweis von o l e f i n i s c h e n und a r o m a t i s c h e n Substanzen. Ein letztes wichtiges Nitroderivat des Methans ist das Nitro-chloroform oder Chlorpikrin CI 3 C—N0 2 , das seinen eigenartigen Namen auf Grund seiner Bildung aus P i k r i n s ä u r e und C h l o r k a l k (vgl. S. 696) erhalten hat und im ersten Weltkrieg zeitweilig als Kampfstoff der Phosgengruppe diente. Es zeigt neben der Giftwirkung auf die A t m u n g s o r g a n e auch eine starke R e i z w i r k u n g , die wieder auf die /J-Stellung der Halogenatome zu einer D o p p e l b i n d u n g (vgl. S. 159, 270, 284 u. 398f.) zurückzuführen ist.
Phenylnitromethan (m-Nitrotoluol)
C S H 5 —CH 2 —N0 2 , der einfachste Vertreter
eines in der S e i t e n k e t t e nitrierten aromatischen Kohlenwasserstoffs, entsteht bei der Nitrierung von T o l u o l mit v e r d ü n n t e r S a l p e t e r s ä u r e neben den kernnitrierten Verbindungen und wird in e i n h e i t l i c h e r Form entweder nach V. M E Y E R aus B e n z y l c h l o r i d und S i l b e r n i t r i t oder nach W. W I S L I C E N U S ( 1 9 0 2 ) auf dem Wege einer E s t e r k o n d e n s a t i o n aus B e n z y l c y a n i d und Ä t h y l n i t r a t gewonnen: ~A8C1
CH2I—C1 + A g N 0 2
,
' V-CH2—N02 Pheny 1 ni tromethan
C=N ^
^-CH--H+H0-N0
C=N 2
R
~a 0R)
'
< " ^ C H - N O
2
Hydrolyse — CO,
Es zeichnet sich insbesondere durch die Fähigkeit zur Ausbildung der (im folgenden Absatz beschriebenen) f r e i e n A c i n i t r o - V e r b i n d u n g aus, deren Bildungstendenz durch die Konjugation der e n t s t e h e n d e n C = C - D o p p e l b i n d u n g mit dem arom a t i s c h e n K e r n gegenüber der der Nitroparaffine wesentlich e r h ö h t wird. Acl-pheiiylnitromethan C 6 H 6 — C H = N 0 0 H gewinnt man durch Ansäuern der Lösung von n o r m a l e m P h e n y l n i t r o m e t h a n i n N a t r o n l a u g e . Es ist eine metastabile, schön kristallisierende Substanz vom Smp. 84°, die ihre Natur als Aciverbindung in der stark s a u r e n R e a k t i o n und der e l e k t r i s c h e n L e i t f ä h i g k e i t ihrer wässerigen Lösungen, sowie in Analogie zu den E n o l e n (S. 227) auch in einer Farbreaktion mit E i s e n ( I I I ) - c h l o r i d und der Fähigkeit zur unmeßbar raschen A n l a g e r u n g v o n B r o m , zu erkennen gibt. I m Verlaufe mehrerer Stunden verwandelt sie sich unter Verflüssigung in das stabile n o r m a l e P h e n y l n i t r o m e t h a n zurück, das zu allen diesen Reaktionen n i c h t b e f ä h i g t ist.
688
Kap. 6, IV: Die Nitroverbindungen
Nitroäthylen CH 2 —CH—N0 2 als Beispiel eines ungesättigten Nitrokörpers zeigt ebenfalls eine nahe Verwandtschaft zur entsprechenden C a r b o n y l v e r b i n d u n g , dem A c r o l e i n (S. 266). So kann es nach H. WIELAND in Analogie zu diesem durch vorsichtige W a s s e r a b s p a l t u n g aus N i t r o ä t h y l a l k o h o l gewonnen werden, da auch die Nitrogruppe die Abspaltbarkeit einer /5-ständigen Hydroxylgruppe e r h ö h t : OH
TI
ch2—¿h—no2
~h,cV
ch2=ch—no2
Ferner zeichnet es sich in gleicher Weise durch eine s t a r k e P o l y m e r i s a t i o n s n e i g u n g und eine R e i z w i r k u n g auf die Augen aus. Nitro-essigsäure galt lange Zeit als n i c h t e x i s t e n z f ä h i g . Sie kann jedoch durch Verseifung von N i t r o - a c e t o n i t r i l über ihre Salze gewonnen werden und ist in Form der t r o c k e n e n K r i s t a l l e bis zu ihrem Schmelzpunkt (87 — 89°) beständig (W. S T E I N K O P F 1909). Nitro-essigester ist bereits wesentlich s t a b i l e r und zeichnet sich durch eine b e s o n d e r s a k t i v e M e t h y l e n g r u p p e aus1). Die bei der Anlagerung von N 2 0 3 und N 2 0 4 an Olefine entstehende Pseudonitrosite und Dinitroverbindungen (S. 92) weisen als neuartige Reaktion eine auffallend leichte Abspaltbarkeit der (einen) Nitrogruppe als salpetrige Säure auf: NO N0 2 I | OTT PTT Uxl2 wxl 2
NO OH H '° > | | HNO, LlTl n u o riTT V^J12
N0 2 N0 2 +H | | '°> riTT PXT ' HNOt Ullg-—OXl2
NOa | ntr L-irl 2
OH I rixr L>XL2
Sie sind infolgedessen s e h r u n b e s t ä n d i g e Substanzen, die keinerlei praktische Bedeutung erlangt haben. Die Abspaltungsreaktion erfolgt insbesondere auch bei den meisten Versuchen, die N i t r o - zur A m i n o g r u p p e zu r e d u z i e r e n , worauf die auf S. 94 beschriebenen Schwierigkeiten bei der Konstitutionsermittlung in erster Linie zurückzuführen sind.
3. Die aromatischen Nitroverbindungen Die aromatischen und aliphatischen Nitroverbindungen unterscheiden sich im wesentlichen darin, daß die aromatischen Glieder der Reihe infolge der t e r t i ä r e n N a t u r des Arylrestes n i c h t zur Nitro-Acinitro-Tautomerie und zu anderen durch die aktive Methylengruppe bedingten Reaktionen befähigt sind. Dagegen beobachtet man eine sehr s t a r k e Beeinflussung der R e a k t i o n s f ä h i g k e i t des a r o m a t i s c h e n K e r n s und der an diesem Kern befindlichen S u b s t i t u e n t e n durch die Nitrogruppe, so daß man zu folgender Unterteilung der Reaktionen gelangt: 1. die Umsetzungen der N i t r o g r u p p e , 2. das Verhalten des a r o m a t i s c h e n K e r n s , 3. das Verhalten der in o- und p - S t e l l u n g zur N i t r o g r u p p e befindlichen S u b s t i t u e n t e n . Ihnen schließt sich 4. die Bildung z w i s c h e n m o l e k u l a r e r A d d i t i o n s v e r b i n d u n g e n , insbesondere mit aromatischen K o h l e n w a s s e r s t o f f e n , an, auf die jedoch erst in II, Kap. 6, III, l a ß näher eingegangen werden kann. Zu 1. Die Nitrogruppe zeigt im wesentlichen die g l e i c h e Reaktionsfähigkeit wie in der a l i p h a t i s c h e n R e i h e , doch sind die Reaktionsmöglichkeiten infolge der teilweisen M i t b e t e i l i g u n g des a r o m a t i s c h e n K e r n s an den Umsetzungen m a n n i g f a l t i g e r und haben auch eine größere praktische Bedeutung erlangt. Bei weitem an erster Stelle stehen wiederum die Reduktionsreaktionen, die in Abhängigkeit vom R e a k t i o n s m e d i u m verschiedenartig verlaufen und insbesondere ') A.
DORNOW
u. Mitarbb.: A.
678,
113, 122;
581,
211, 219 (1952/53).
3: Die Reduktion aromatischer Nitroverbindungen
689
von F . H A B E R , L . GATTERMANN und K . E L B S aufgeklärt wurden. Danach spielen sich etwa die folgenden Vorgänge ab: Als primäre Reduktionsprodukte einer aromatischen Nitroverbindung erhält man stets die Nitrosoverbindung und das Arylhydroxylamin, die jedoch beide wesentlich rascher weiter reagieren, als die Nitroverbindung reduziert wird, so daß sie im allgemeinen nicht isolierbar sind1). Vor allem das reaktionsfähige Arylhydroxylamin erleidet in Abhängigkeit vom p H des Reaktionsmediums verschiedene sekundäre Umwandlungen, so daß wir die folgenden vier Reaktionsmöglichkeiten unterscheiden müssen: a) In stark saarer Lösung erfolgt die auf S. 600,627 beschriebene p- Wanderung der Hydroxylgruppe sehr viel rascher als die weitere Reduktion des Arylhydroxylamins, so daß ausschließlich p-Aminophenole (S. 608) entstehen (Gleichung formulieren!). Verwendet man Zinn(II)-chlorid-Salzsäure als Reduktionsmittel, so beobachtet man zuweilen auch den Eintritt eines Chloratoms statt der Hydroxylgruppe in den aromatischen Kern: Um lagern
b) In schwach saurer Lösung überwiegt die weitere Reduktion des Arylhydroxylamins zur Aminogruppe (vgl. S. 593, 627). c) In neutraler Lösung in Gegenwart von Salmiak bleibt die Reduktion auf der Stufe des Arylhydroxylamins stehen (vgl. S. 627). d) In alkalischer Lösung geht die Reduktion ebenfalls nicht über die Stufe des Arylhydroxylamins hinaus, und dieses fangt in der auf S. 628 beschriebenen Weise aus einer zweiten Reduktionskette die Nitrosoverbindung unter Kondensation zur Azoxy Verbindung (S. 669) ab. Letztere kann dann je nach den Reaktionsbedingungen entweder direkt isoliert oder gleich weiter zur Hydrazoverbindung, bzw. unter sehr energischen Bedingungen auch bis zur Aminoverbindung, reduziert werden. Neben diesen Hauptreaktionen können sich in alkalischem Medium grundsätzlich auch die folgenden N e b e n r e a k t i o n e n abspielen: 1. die K o n d e n s a t i o n von zwei Molekülen -des A r y l h y d r o x y l a m i n s zur A z o v e r b i n d u n g (S. 628), 2. die K o n d e n s a t i o n der u. TJ. gebildeten A m i n o v e r b i n d u n g mit dem N i t r o s o k ö r p e r zur A z o v e r b i n d u n g (S. 667) und 3. die K o n p r o p o r t i o n i e r u n g der Nitroverbindung mit dem Hydrazokörper zur mittleren Oxydationsstufe der A z o x y v e r b i n d u n g (Gleichungen formulieren!).
Alle diese Reaktionen sind in dem folgenden Schema nochmals übersichtlich zusammengestellt, wobei die im Rahmen der Hauptreaktionen in einem Reaktionsgang isolierbaren Verbindungen durch Fettdruck, die Hauptreaktionen durch ausgezogene und die möglichen Nebenreaktionen durch punktierte P f e i l e gekennzeichnet sind: J ) Sie können jedoch durch rascher verlaufende K o n d e n s a t i o n s r e a k t i o n abgefangen und nachgewiesen werden. So eignet sich z. B. zum Nachweis der N i t r o s o v e r b i n d u n g die auf S. 653 beschriebene Kondensation mit H y d r o x y l a m i n zum D i a z o k ö r p e r , der seinerseits an der Bildung von A z o f a r b s t o f f e n bei der Einwirkung von P h e n o l a t e n leicht zu erkennen ist. Zum Abfangen des A r y l h y d r o x y l a m i n s verwendet man insbesondere Benza l d e h y d , der, wie wir auf S. 628 gesehen haben, mit A r y l h y d r o x y l a m i n e n zu einem Nitron zusammentritt.
44
Klages,
Lehrbuch der Organischen Chemie I, 2
Kap. 6, IV: Die Nitroverbindungen
690
Nitrobenzol
H,
p-Chloranilin
-. (1/2) Azobenzol
Alkali
Phenylhydroxylamin
— H,Ö
a
H,
Alkall
!• H.O)
(schwach sauer)
H,
Anilin
Hydrazobenzol
Als Reduktionsmittel verwendet man im allgemeinen Zink oder (in der Technik) E i s e n und Salzsäure. Doch ist daneben in neuerer Zeit in steigendem Maße auch k a t a l y t i s c h erregter W a s s e r s t o f f in Gebrauch1). Für die p a r t i e l l e R e d u k t i o n von P o l y n i t r o v e r b i n d u n g e n eignen sich besonders A m m o n i u m s u l f i d und neuerdings auch methanolisches N a t r i u m s u l f i d 2 ) . Die i n n e r m o l e k u l a r e R e d u k t i o n der Nitrogruppe (vgl. S. 683) kann in der aromatischen Reihe nicht nur u n g e r e g e l t im Verlaufe einer E x p l o s i o n , sondern auch in ü b e r s i c h t l i c h v e r l a u f e n d e r R e a k t i o n durchgeführt werden. Ein derartiges Beispiel haben wir bereits auf S. 621 in der unter der Einwirkung von Alkalien erfolgenden Umlagerung von o - N i t r o t o l u o l (I) in A n t h r a n i l s ä u r e (II) kennengelernt. In ähnlicher Weise kann man o - N i t r o b e n z a l d e h y d (III) unter Wanderung nur eines O - A t o m s in o - N i t r o s o b e n z o e s ä u r e (IV) überführen: / / x /
c h
COOH
3
Alkall
NH,
NO»
u
COOH
CH=0 Alkall
NO
NO,
Iii
Die übrigen Umsetzungen der Nitrogruppe haben auch in der aromatischen Reihe nur geringe Bedeutung erlangt. Neuartig ist vor allem die bei der Einwirkung von T h i o n y l chlorid bei 150° oder von e l e m e n t a r e m Brom bei 200° erfolgende S u b s t i t u t i o n der N i t r o g r u p p e durch Halogen: y
V _ n
sociL
+ Br—Br 200°
x
) Vgl. u. a. F.
2
) H . H . H o d g s o n u . E . R. W a b d : Soc. 1945, 7 9 4
Allissok
\^
—Br + Br—N0 2
u. Mitarbb.: Helv. 84, 818 (1951). und frühere Arbeiten.
3: Die Kernreaktionen aromatischer Nitroverbindungen
691
Ferner zeigt die Nitrogruppe infolge ihrer A m i n o x y d g r u p p i e r u n g schwach b a s i s c h e Eigenschaften und vermag mit starken Mineralsäuren oder komplexen Halogenosäuren 3 ) »alzartige Additionsverbindungen zu bilden, die den Namen Nitroniumsalze erhalten haben und durch Wasser sofort wieder hydrolysiert werden: < ~ y < ° + X
=
hcio, — >
[/
\Q
> - N - N yCH—OH K
Die Reaktionen haben, abgesehen von der Bildung der Azoxyverbindungen als Teilreaktion der alkalischen R e d u k t i o n von Nitrokörpern, bisher nur spezielle Bedeutung zur gelegentlichen Darstellung unsymmetrischer Azoverbindungen (S. 667) oder von P o l y c a r b o n y l v e r b i n d u n g e n (S. 894) gefunden. Eine weitere interessante Reaktion, die sowohl mit der Nitrosierung als auch mit der K o n d e n s a t i o n von Aldehyden mit dem Benzolkern aromatischer Amine (vgl. S. 697) eine gewisse Ähnlichkeit aufweist, tritt bei der Kondensation der N = 0 - G r u p p e des Nitrosobenzols mit dem Benzolkern eines zweiten Nitrosobenzolmoleküls zum p-Nit r o s o - d i p h e n y l h y d r o x y l a m i n ein: /
—
V-N=0 + H - — \ — N = 0
Auf diesem Wege ist H. amins gelungen.
WIELAND
?
H
/ " V N - ^ V N = 0
im Jahre 1912 erstmals die Synthese eines Diarylhydroxyl-
Zu 2. Von den sonstigen Reaktionen der Nitrosogruppe ist insbesondere ihre Reduzierbarkeit zur Aminogruppe hervorzuheben, die in gleicher Weise wie die der Nitrogruppe vorgenommen wird und für die K o n s t i t u t i o n s e r m i t t l u n g der Nitrosoverbindungen, sowie als T e i l r e a k t i o n der Reduktion von Nitroverbindungen, von Bedeutung ist. Weniger glatt läßt sich dagegen die Oxydation der Nitroso- zur Nitrogruppe durchführen. Sie verläuft der Oxydation der t e r t i ä r e n Amine zu den Aminoxyden (S. 585, 626) analog und findet daher ebenfalls bei der Einwirkung von P e r o x y v e t b i n d u n g e n statt:
Kap. 6, V: Die Nitrosoverbindungen
702
R—N=0
+ 0
>- R—N^,
X
0
Dooh ist sie infolge der Labilität der Nitrosoverbindungen häufig von u n e r w ü n s c h t e n N e b e n r e a k t i o n e n begleitet. Eine letzte interessante Reaktion der Nitrosogruppe liegt in der oben erwähnten Bildung farbloser Dimerisierungsprodukte vor. Sie wird insbesondere in k r i s t a l l i s i e r t e m Zustand bobachtet, aus welchem Grund die festen Nitrosoverbindungen mit wenigen Ausnahmen f a r b l o s sind. In f l ü s s i g e r Phase bildet sich dagegen ein G l e i c h g e w i c h t R O zwischen der monomeren und der dimeren Form aus, das in v e r d ü n n t e r Lösung und vor allem in der G a s p h a s e fast völlig zugunsten der m o n o m e r e n Verbindung verschoben ist. Die K o n s t i t u t i o n der dimeren Nitrosokörper I war bis auf die M o l e k ü l g r ö ß e , die O. PILOTY (1898) durch k r y o s k o p i sche Bestimmung in Benzol festlegen konnte, lange Zeit heftig u m s t r i t t e n und ist auch heute noch nicht endgültig gesichert. Wie die F a r b ä n d e r u n g erkennen läßt, handelt es sich nicht nur um eine einfache Assoziationserscheinung, sondern um einen Vorgang, der mit einer t i e f e r e n Ä n d e r u n g des E l e k t r o n e n s y s t e m s verbunden ist. Von den zahlreichen zur Diskussion gestellten Möglichkeiten dürfte die Struktur I eines A z o - d i o x y d s mit t r a n s - S t e l l u n g der Substituenten am wahrscheinlichsten sein1). Danach wären die dimeren Nitrosoverbindungen die lange gesuchten, den A z o x y v e r b i n d u n g e n als M o n o x y d e n entsprechenden D i o x y d e d e r A z o v e r b i n d u n g e n . Zu 8. Die Beeinflussung des organischen Molekülteils durch die Nitrosogruppe ist in der aliphatischen und aromatischen Reihe v e r s c h i e d e n a r t i g . In der aliphatischen Reihe zeigen die Nitrosoverbindungen ein den A z o v e r b i n d u n g e n (S. 664) ähnliches Verhalten und lagern sich unter Verschiebung der Doppelbindung in O x i m e u m : R—CH 2 —N=0 • R—CH=N—OH Die Reaktion kann auch mit der N i t r o - A c i n i t r o - T a u t o m e r i e verglichen werden. Doch ist im Gegensatz zu dieser das Tautomeriegleichgewicht praktisch vollständig z u g u n s t e n d e r „ A c i f o r m " , d. h. hier der O x i m f o r m verschoben, so daß sich die Nitrosoverbindungen zwar stets im Augenblick ihrer Bildung in die O x i m e u m l a g e r n , diese aber nicht im geringsten die Tendenz zur Rückumwandlung in die Nitrosokörper zeigen. Dies geht insbesondere aus der völligen F a r b l o s i g k e i t der Lösungen der O x i m e auch bei höherer Temperatur sowie aus der S t a b i l i t ä t ihrer s y n - u n d a n t i - F o r m e n hervor; denn im Falle einer nachweisbaren Tautomerie sollten sich die syn- und anti-Oxime über die den beiden stereoisomeren Formen gemeinsame Nitroso-Form dauernd g e g e n s e i t i g i n e i n a n d e r u m l a g e r n : N—OH II R—C—R'
NO I R—CH—R'
^
^
HO—N II R—C—R'
Man spricht daher auch hier besser von dem V e r s c h w i n d e n e i n e r I s o m e r i e m ö g l i c h k e i t als von einer wirklichen Tautomerie. Erst wenn die Bildungstendenz der Nitrosoverbindung durch einen e x o t h e r m e n Mesom e r i e e f f e k t unterstützt wird, z. B. durch den gleichzeitig erfolgenden A u f b a u e i n e s a r o m a t i s c h e n B i n d u n g s s y s t e m s in den unten beschriebenen N i t r o s o p h e n o l e n , kann von einer w i r k l i c h e n T a u t o m e r i e die Rede sein, und hier treten auch k e i n e s t e r e o i s o m e r e n F o r m e n d e r O x i m f o r m mehr auf. Infolge dieser Verhältnisse ist die Nitrosogruppe normalerweise an p r i m ä r e n und s e k u n d ä r e n C-Atomen n i c h t e x i s t e n z f ä h i g , und wir erhalten bei allen Versuchen zur Darstellung p r i m ä r e r und s e k u n d ä r e r aliphatischer Nitrosoverbindungen a u s s c h l i e ß l i c h O x i m e , die auf Grund dieser Bildungsweise auch J
) Vgl. u. a. R.
SCHINDLER U.
Mitarbb.: B.
90,
157 (1957); J. W.
SJVHTH:
Soc.
1957,
1124.
2: Einzelne Nitrosoverbindungen
703
Isonitrosoverbindungen genannt werden (vgl. S. 302). Lediglich in wenigen Ausnahmefällen ist es bisher gelungen, einige p r i m ä r e und s e k u n d ä r e aliphatische Nitrosoverbindungen als m e t a s t a b i l e S u b s t a n z e n zu isolieren.- Sie sind an ihrer t i e f b l a u e n Farbe eindeutig zu erkennen, lagern sich aber sehr rasch in die stabileren O x i m e um. Steht die Nitrosogruppe dagegen an einem t e r t i ä r e n A l k y l r e s t oder an einem A c y l r e s t , so ist sie durchaus beständig, und man beobachtet dann die normalen R e a k t i o n e n der N i t r o s o g r u p p e , ohne daß nunmehr die geringste Beeinflussung des organischen M o l e k ü l r e s t e s zu e r k e n n e n ist. Aromatische Nitrosoverbindungen lagern sich infolge der t e r t i ä r e n Natur des Arylrestes n i c h t i n die O x i m e um. Dagegen beobachtet man hier eine ziemlich starke A k t i v i e r u n g d e s B e n z o l k e r n s , die teilweise der Wirkung der A m i n o g r u p p e , teilweise aber auch der der N i t r o g r u p p e ähnlich ist. So wirkt z. B. die Nitrosogruppe einerseits als Substituent e r s t e r O r d n u n g , da das N-Atom noch ein u n g e b u n d e n e s E l e k t r o n e n p a a r enthält (vgl. II, Kap. 4, III, 1), und lenkt infolgedessen neu eintretende Substituenten überwiegend in p - S t e l l u n g , andererseits vermag sie aber auch als p o s i t i v i e r e n d e r Rest in Analogie zur N i t r o g r u p p e (S. 691 f.) o-und p-ständige negative Substituenten z u l a b i l i s i e r e n , s o daß diese beim Kochen mit A l k a l i e n nucleophil abgespalten werden. Insbesondere die Abspaltung der D i a l k y l a m i n o g r u p p e ist von präparativem Interesse sowohl für die Darstellung der D i a l k y l a m i n e (S. 583) als auch für die der N i t r o s o p h e n o l e (s. u.). 0 = N — - X H
?
-f HONa
•
ON-^
ONa + HNR 2
Die Tendenz zur Ausbildung einer Oximform tritt erst bei den N i t r o s o p h e n o l e n und N i t r o s o - a n i l i n e n in Erscheinung, die in ähnlicher Weise wie die N i t r o p h e n o l e und N i t r a n i l i n e in chinoide Verbindungen übergehen können. Da in diesem Fall die Bildung der Nitrosoform durch die zusätzlich freiwerdende A r o m a t i s i e r u n g s e n e r g i e begünstigt wird, beobachtet man im Gegensatz zur aliphatischen Reihe eine e c h t e T a u t o m e r i e , d. h. die beiden tautomeren Substanzen sind n e b e n e i n a n d e r im Gleichgewichtsgemisch vorhanden, und die Verbindung reagiert nach beiden Formeln: H O — X = 0
0 = /
p-Nitrosophenol
\=N—OH
Chinonmonoxim
CH3—HN—^—NO
C H
p-Nitroso-N-methylanilin
3
— \ = X — O H
N-Methyl-chinon-oxim-imin
Im Falle einiger N i t r o s o h a l o g e n p h e n o l e ist es H . H . H O D G S O N (1923) gelungen, die beiden reinen t a u t o m e r e n Formen in kristallisiertem Zustand zu isolieren.
2. Einzelne Nitrosoverbindungen Nitrosomethan CH3—NO ist aus den erwähnten Gründen nur eine m e t a s t a b i l e Substanz und konnte daher von C. S. COE und T. F. DOTJMANI1) nur auf einem U m w e g , durch photochemische Zersetzung von t e r t . B u t y l n i t r i t mittel U l t r a v i o l e t t b e s t r a h l u n g , gewonnen werden, wobei es in u n d u r c h s i c h t i g e r R e a k t i o n auf Grund der folgenden Gleichung gebildet wird: ; CH3 CH3 : C—0
;I
; CH3 Am. Soc. 70, 1516 (1948).
CH3 N- .0
•
C = 0 + CH 3 —N=0
I
CHj
704
Kap. 6, V: Die Nitrosoverbindungen
Es fallt hierbei in der d i m e r e n , bei 122° schmelzenden, f a r b l o s e n F o r m an, die oberhalb des Schmelzpunktes zu einem b l a u e n D a m p f dissoziiert, der wahrscheinlich im wesentlichen aus dem m o n o m e r e n N i t r o s o m e t h a n besteht und sich bei längerem Erwärmen in das t r i m e r e F o r m o x i m umlagert:
yCH,— CHa—N=0
v
(CH 2 =N—OH)
•
Va HO—N^
,OH X
CH 2
CH 2 —N^ OH 2-Nitroso-iso-butan (CH 3 ) 3 C—NO, die einfachste beständige aliphatische Nitrosoverbindung, wird durch Oxydation von t e r t . B u t y l a m i n mit C A R o s c h e r S ä u r e gewonnen (Gleichungformulieren!). Es hegt normalerweise ebenfalls in der k r i s t a l l i s i e r t e n d i m e r e n und f a r b l o s e n F o r m vor, die bereits unterhalb des Schmelzpunktes bei Atmosphärendruck s u b l i m i e r t und daher nur in z u g e s c h m o l z e n e n K a p i l l a r e n bei 76,5° zu einer tiefblauen Flüssigkeit geschmolzen werden kann. Die vollständig fluorierten Periluor-nitrosoalkane können sich wegen des F e h l e n s von W a s s e r s t o f f am nitrosierten C-Atom n i c h t m e h r in die Oxime umlagern und zeigen auch k e i n e D i m e r i s i e r u n g s t e n d e n z mehr 1 ). Beispielsweise ist Perfluor-l-nitrosopropan ein sich bei —14,6° zu einer t i e f b l a u e n Flüssigkeit kondensierendes (ebenfalls tief blaues) Gas, das bei — 151° zu v i o l e t t e n Kristallen erstarrt. Eine weitere Gruppe leicht zugänglicher aliphatischer Nitrokörper haben wir in den aus sekundären Nitroverbindungen und salpetriger Säure entstehenden Psevdonitrolen (S. 685) kennengelernt. Sie sind ebenfalls t i e f b l a u und zeigen die normalen Reaktionen der Nitrosogruppe, lagern sich jedoch n i c h t m e h r zu Doppelmolekülen zusammen. AlsNitrosol-Säuren bezeichnet H. W I E L A N D (1905) eine den N i t r o l s ä u r e n (S. 685) analog konstituierte Gruppe von Verbindungen, in denen die Nitrosogruppe den am aldehydischen C-Atom befindlichen Wasserstoff der Aldoxime substituiert. Sie können durch Umsetzung von C a r b o n s ä u r e - h y d r o x y a m i d - o x i m e n der Struktur I mit N a t r o n l a u g e über die intermediär entstehenden A z o k ö r p e r II, die in Gegenwart von N a t r o n l a u g e (oder nooh besser von A m m o n i a k ) leicht H y d r o l y s e d e r A z o g r u p p e zu den N i t r o s o l s ä u r e n I I I und den C a r b o n s ä u r e a m i d - o x i m e n IV erleiden, gewonnen werden: 2 R—C^ 1ST—OH I
R
_ X
+ N—OH III
—R
C X
yN=0
h
- 0 = < ^
^>=N—O Na+
mesomer sind. o-Nitrosophenole bilden mit komplexbildenden Metallen intensiv farbige innermolekulare Komplexsalze 1 ), in denen der organische Molekülteil zwischen einer N i t r o s o p h e n o l - (II) und einer Chinonmonoxim-Struktur (III) mesomer ist:
III
Man kann sie infolgedessen n i c h t mehr eindeutig den Nitrosokörpern zuordnen. Bezgl. ihrer F a r b s t o f f e i g e n s c h a f t e n vgl. HI, Kap. 2, VIII, 1). p-Nitr080-methylanilin ON—C6H4—NH—CH3 -entsteht aus dem N - N i t r o s a m i n des M e t h y l a n i l i n s bei der Umlagerung nach O. FISCHER und HEPP (vgl. S. 599, Gleichung formulieren!), hat aber keine praktische Bedeutung erlangt.
p-Nitroso-dimethylanilin ON—C8H4—N(CH3)2 ist die wichtigste Nitrosoverbindung und wird im großen durch Nitrosierung von Dimethylanilin mit salpetriger Säure gewonnen (S. 598, 604). Es zeigt bei der Salzbildung recht interessante Tautomerieerscheinungen: Während nämlich die freie Base noch keine Tautomeriemöglichkeit besitzt und daher ausschließlich in der (ausnahmsweise auch im kristallisierten Zustand) intensiv grünen N i t r o s o - F o r m (V) vorliegt, findet bei der Salzbildung sofort eine q u a n t i t a t i v e Umwandlung in das intensiv oranger o t e chinoide Ion VH statt, das nicht mehr in erkennbarem Umfang ein Tautomeriegleichgewicht mit der Nitroso-Form VI ausbildet: ») G . CBONHEIM: 46
Klagee,
J. Org. Chem. 12, I, 7, 20 (1947).
Lehrbuch der Organischen Chemie I , 2
Kap. 6, V : Die Nitrosoverbindungen
706
quantitativ
N=0
v
vi
Die Salze und die zugehörige freie Base besitzen also eine Konstitution!
O
;n=
- 2 R—SH + P 2 S 3 0 2 — oder aber nach Zusatz von k o n z e n t r i e r t e r Schwefelsäure und anschließender Neutralisation in Form der a l k y l s c h w e f e i s a u r e n Salze mit Alkalihydrosulfiden zur Reaktion bringt. Ferner lassen sich einige Alkohole über D e h y d r a t i s i e r u n g s k a t a l y s a t o r e n oder
I, 1: Die Mercaptane und Thiophenole
709
A l u m i n i u m s u l f i d bei 300—500° mit Schwefelwasserstoff in die Mercaptane überführen. Doch überwiegt bei der hier erforderlichen hohen Reaktionstemperatur meistens bereits die O l e f i n b i l d u n g (S. 87): R—CH2—CH2:—OH + H—S—H
A '-°
3 ' c T 5 oo
A ' ,3j) '
H.O-+ f
Ä
^
H 2 S,
Die A r y l i e r u n g der Alkalihydrosulfide erfordert wie alle Arylierungen mit aromatischen HalogenVerbindungen (S. 174) Reaktionstemperaturen um 200° und K u p f e r p u l v e r als Katalysator. Sie führt ebenfalls zu den T h i o ä t h e r n als Nebenprodukten. Ferner steht als wesentlich milderes i n d i r e k t e s A r y l i e r u n g s v e r f a h r e n wiederum die Zersetzung von Diazoniumsalzen (S. 655) zur Verfügung, die man zur Vermeidung der Thioätherbildung zweckmäßig wie oben mit den X a n t h o g e n a t e n oder A l k a l i d i s u l f i d e n durchführt (Gleichungen formulieren!). Von theoretischem Interesse als Bildungsreaktion ist schließlich noch der Ersatz der S u l f o n s ä u r e - durch die S H - G r u p p e , der beim Verschmelzen der A l k a l i s a l z e der A r y l s u l f o n s ä u r e n mit A l k a l i h y d r o s u l f i d e n vor sich geht (vgl. S. 727): Ar—SOjNa + NaiS—H
~Na»s(V
Ar—S—H
Zu 2. Analog der Halogenierung kann man auch eine S c h w e f e l u n g oder „Sulfurierung" organischer Wasserstoffverbindungen mit e l e m e n t a r e m S c h w e f e l durchführen: Ar—H + S
»
Ar—S—H
Die Reaktion ist nur in der a r o m a t i s c h e n R e i h e möglich und führt ebenfalls häufig zur Bildung von T h i o ä t h e r n . Sie scheint nach einem ähnlichen Mechanismus wie die H a l o genierung zu verlaufen, denn sie muß bei den reaktionsträgen aromatischen K o h l e n w a s s e r s t o f f e n ebenfalls durch A l u m i n i u m c h l o r i d oder verwandte Stoffe beschleunigt werden, während sie bei den reaktionsfähigeren A n i l i n b a s e n bereits beim Zusammenschmelzen mit S c h w e f e l oder s c h w e f e l a b g e b e n d e n S t o f f e n (z. B . T h i o s u l f a t oder A l k a l i p o l y s u l f i d e n ) stattfindet und in dieser Form auch zu Farbstoffsynthesen (vgl. III, Kap. 2, III, 4f., u. VIII, 2) Verwendung findet. In der a l i p h a t i s c h e n R e i h e ist der Wasserstoff für die direkte Sulfurierung bereits zu r e a k t i o n s t r ä g e , doch kommt die Bildung von M e t a l l m e r c a p t i d e n bei der Einwirkung von elementaren Schwefel auf m e t a l l o r g a n i s c h e Verbindungen im Prinzip auf das gleiche Verfahren hinaus: R—Me + S
k
R—S—Me
Zu 3. Die Mercaptane und Thiophenole entstehen als R e d u k t i o n s p r o d u k t e aller anderen nur einen organischen Rest p r o S - A t o m enthaltenden Schwefelverbindungen. Praktische Bedeutung erlangt haben insbesondere die hydrierende Spaltung der D i s u l f i d e , die wir als Teilreaktion der Mercaptandarstellung durch Alkylierung und Arylierung der Alkalidisulf ide bereits kennengelernt haben, und die (praktisch nur in der aromatischen Reihe gebräuchliche) R e d u k t i o n v o n Sulf o n s ä u r e Chloriden: R
-
S 0
* ~
C 1
-
2
¿ O . - H C I
>
R
- S -
H
Beide Verfahren bieten den Vorteil des v ö l l i g e n Ausschlusses der Bildung von Thioäthern. Physikalische Eigenschaften. Die Wasserstoffverbindungen der Elemente der höheren Perioden zeigen k e i n e besondere A s s o z i a t i o n s n e i g u n g mehr (vgl. II, Kap. 6 , 1 , 4 ) . Infolgedessen sieden die Mercaptane — im Gegensatz zu den Alkoholen (oder primären Aminen), deren Siedepunkte wesentlich über denen der Äther (bzw. der tertiären Amine) gleicher Kohlenstoffzahl liegen — z i e m l i c h
Kap. 7: Die organischen Schwefelverbindungen
710
t i e f und nahezu gleich hoch wie die T h i o ä t h e r g l e i c h e r Molekülgröße. Verglichen mit den Alkylderivaten der a n d e r e n H e t e r o e l e m e n t e der z w e i t e n P e r i o d e liegen die Siedepunkte dagegen relativ h o c h , (vgl. Tab. 33, S. 738). Hinsichtlich der S c h m e l z p u n k t e ergeben sich k e i n e wesentlichen Unterschiede gegenüber den A l k o h o l e n , so daß die einfachen Mercaptane meistens als F l ü s s i g k e i t e n vorliegen. Tabelle 32 Die p h y s i k a l i s c h e n Mercaptane Methylmercaptan Äthylmercaptan Propylmercaptan Butylmercaptan Thiophenol o-Thiokresol
Sdp.
E i g e n s c h a f t e n e i n i g e r Mercaptane und Smp.
D/T.
6» —121° 0,896/0° 35 —147 0,845/26 68 —112 98 0,858/0 1,078/24 168 194 15
Thioäther gleicher Kohlenstoffzahl Dimethylsulfid Methyläthylsulfid Diäthylsulfid Thioanisol
Sdp.
Thioäther Smp.
D/T.
38° — 83° 0,846/21° 67 —105 0,837/20 92 —102 0,836/21 188
—
1,104
Die Mercaptane sind ausgesprochen l i p o p h i l e Substanzen, die trotz der SH-Gruppe einen nur s c h w a c h a u s g e p r ä g t e n hydrophilen Charakter zeigen. Infolgedessen sind bei allgemeiner Mischbarkeit mit o r g a n i s c h e n Lösungsmitteln lediglich die n i e d r i g s t e n Glieder der Reihe e t w a s w a s s e r l ö s l i c h . Vom Methylmercaptan ist außerdem ein k r i s t a l l i s i e r t e s H y d r a t bekannt.
Schließlich zeichnen sich sämtliche Mercaptane und Thiophenole durch einen äußerst i n t e n s i v e n und w i d e r w ä r t i g e n Geruch aus. Sie gehören zu den s t ä r k s t e n D u f t s t o f f e n überhaupt, und man kann z.B. noch 2-10~- 2 g (bzw. 3-10~ 4 Mol) Äthylmercaptan am Geruch erkennen! Trotzdem ist man noch weit von der Wahrnehmung e i n z e l n e r M o l e k ü l e entfernt, denn hierzu wäre eine weitere Aufteilung auf das 500 m i l l i o n e n f a c h e erforderlich! Die chemischen Umsetzungen der Mercaptane und Thiophenole spielen sich überwiegend an der S H - G r u p p e ab und werden zweckmäßig unterteilt in: 1. die Reaktionen der SH-Gruppe als Säure, 2. die S u b s t i t u t i o n s r e a k t i o n e n des am Schwefel befindlichen W a s s e r s t o f f s , 3. die O x y d a t i o n s r e a k t i o n e n und 4. die unter Beteiligung des o r g a n i s c h e n M o l e k ü l t e i l s verlaufenden Reaktionen. Zu 1. Die Mercaptane und Thiophenole zeigen als Derivate des schwach sauren S c h w e f e l w a s s e r s t o f f s eine s t ä r k e r e Säurenatur als die entsprechenden Sauers t o f f v e r b i n d u n g e n . Schon die M e r c a p t a n e lösen sich daher im Gegensatz zu den Alkoholen in N a t r o n l a u g e unter Bildung beständiger, jedoch durch K o h l e n d i o x y d wieder zerlegbarer Salze (Mercaptide) auf, und die noch stärker sauren T h i o p h e n o l e setzen sogar C0 2 in F r e i h e i t , bzw. können mit Phenolphthalein scharf t i t r i e r t werden. Wesentlich wichtiger als diese einfachen Alkalisalze sind die S c h w e r m e t a l l d e r i v a t e , die wie die S c h w e r m e t a l l s u l f i d e und die oben beschriebenen Schwermetallsalze der T h i o c a r b o n s ä u r e n (S. 372) und Thiokohlensäurederivate (S. 433f.) infolge der Ausbildung stabiler Metall-Schwefel-Bindungen u n l ö s l i c h ausfallen. Insbesondere die meist gelb e n B l e i - und die farblosen Q u e c k s i l b e r s a l z e sind sehr charakteristisch. Letztere haben der ganzen Gruppe den Namen gegeben. (Von lat. mercurium captana = das Quecksilber einfangend; bzw. nach anderen Angaben mercurio apium = zum Quecksilber passend.)
711
I, 1: Die Mercaptane und Thiophenole
Zu 2. Der am Schwefel befindliche Wasserstoff entspricht in seiner Reaktionsfähigkeit etwa dem Amino Wasserstoff oder dem Wasserstoff der alkoholischen Hydroxylgruppe und kann, eventuell über die Alkalimercaptide, im Sinn des folgenden Formelbildes durch organische Reste substituiert werden: K-S-K'
-
Thioäther
SToh)'
R
-
S
-
Vi R ' — C H ^ S ~ R
H
S—R
Mercaptale Ac—C1 (Pyridin)
a
r 1
Ac—S—R
- nix Olefinsulfdi
N—co—R-CH-CH-B
Die R e a k t i o n e n der O l e f i n s u l f i d e sind denen der O l e f i n o x y d e sehr ähnlich insbesondere beobachtet man bei der Einwirkung a k t i v e r W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n in gleicher Weise eine Ö f f n u n g d e s R i n g s y s t e m s unter A n l a g e r u n g 1
) K.
DACHBAUER
U. L. JACKEL (1939); C. C. I. CULVENOR U. Mitarbb.: Soc. 1 9 4 6 , 1 0 5 0 .
I, 3: Die Sulfoniumsalze
715
der Verbindung H—X. Beispielsweise entstehen aus Ä t h y l e n - s u l f i d bei der Anlagerung von W a s s e r das schon erwähnte M o n o t h i o g l y k o l (S. 712), bei der Anlagerung von A m m o n i a k das ebenfalls bereits erwähnte C y s t e a m i n (S. 712) und bei der Anlagerung von M e r c a p t a n e n M e r c a p t o t h i o ä t h e r 1 ) : + H,0
HaC,
+ NH3 + H,s
Monothio-glykol H^N— CHJ—CH2— S H
Cysteamin
R— S—CH2—CH2—SH
ß• Mercaptoäthyl-thioäther
3. Die Sulloniumsalze Während die B a s i z i t ä t des z w e i w e r t i g e n Schwefels nur noch äußerst gering ist, so daß die Mercaptane und Thioäther nur noch mit k o m p l e x e n H a l o g e n o s ä u r e n zur Oniumsalzbildung befähigt sind (s. unten), bereitet die Anlagerung von A l k y l h a l o g e n i d e n zu den T r i a l k y l s u l f o n i u m s a l z e n : R R—S—R +
I©
R—S—R
R—Hai
Hai-
eigenartiger weise k e i n e r l e i S c h w i e r i g k e i t e n . Auch die Stabilität der Trialkylsulfoniumsalze ist größer, als man auf Grund der g e r i n g e n B a s i z i t ä t d e s S c h w e f e l w a s s e r s t o f f s erwarten sollte. Sie übertrifft die der sich von dem wesentlich stärker basischen Wasser ableitenden Trialk y l o x o n i u m s a l z e (S. 224) bei weitem und nähert sich bereits der der q u a r t ä r e n A m m o n i u m s a l z e . So sind z. B. die Trialkylsulfonium-Ionen nicht nur gegen W a s s e r , sondern in Lösung auch gegen H y d r o x y l - I o n e n beständig, so daß man die f r e i e n S u l f o n i u m b a s e n ([R s S] + OH _ ) ohne Schwierigkeit in verdünnter Lösung, z.B. aus den Halogeniden mittels Silberoxyd (Gleichung formulieren!), gewinnen kann. Sie zeigen als v o l l s t ä n d i g d i s s o z i i e r t e H y d r o x y l b a s e n naturgemäß die g l e i c h e B a s i z i t ä t wie die q u a r t ä r e n A m m o n i u m b a s e n , die D i a r y l j o d o n i u m b a s e n oder die A l k a l i m e t a l l h y d r o x y d e , und ihre gegenüber den Tetraalkylammoniumbasen verminderte Beständigkeit macht sich lediglich in dem etwas l e i c h t e r erfolgenden „HoFMANNschen Abbau" bemerkbar, der bereits beim Kochen ihrer wäßrigen Lösungen bzw. beim Versuch zur Isolierung der f e s t e n H y d r a t e eintritt: R
I©
R—S—R
OH-
R—S—R +
R—OH
Von den S a l z e n der Trialkylsulfoniumbasen weisen vor allem die M e r c a p t i d e (I) und S u l f i d e (II) eine eigenartige Struktur auf, da sie die g l e i c h e V e r h ä l t n i s f o r m e l wie die Thioäther besitzen und zwei v e r s c h i e d e n a r t i g g e b u n d e n e , nicht untereinander austauschbare S - A t o m e enthalten, von denen das eine im elektrischen Feld zur K a t h o d e , das andere zur A n o d e wandert. Sie zeigen in dieser Beziehung eine gewisse Ähnlichkeit mit den D i a r y l j o d o n i u m j o d i d e n (S. 177) und zerfallen in Analogie zu diesen beim Erhitzen unter innermolekularer Alkylierung des Anions in zwei bzw. drei Moleküle Thioäther: >) H. R.
SNYDER U.
Mitarbb.: Am. Soc. 69, 2672, 2675 (1947).
716
Kap. 7: Die organischen Schwefelverbindungen R
R
R—S—:R;
2 R—S—R
>• S—R~
3R—S—R
>S
R-fcR
ii DialkylsuIIoniumsalze mit einem H-Atom am Schwefel können in Analogie zu den Dia l k y l o x o n i u m s a l z e n (S. 223) durch Einwirken von Chlorwasserstoff auf dieSbCl 5 -Add u k t e der entsprechenden Thioäther gewonnen werden1):
B.S
[R2SH]+ SbCl,
SbCls + HCl
Sie sind noch u n b e s t ä n d i g e r als die Dialkyloxoniumsalze und weisen in Umkehrung ihrer Bildungsreaktion schon bei 0° Zersetzungsdrucke < 760 Torr auf.>
4. Die Disulfide Von den organischen Derivaten des D i s c h w e f e l w a s s e r s t o f f s sind nur die symmetrisch disubstituierten Verbindungen von Interesse, die meistens als Alkyl- oder Aryldisulfide (exakter Dialkyl- bzw. Diaryldisulfide) bezeichnet werden. Für ihre Darstellung kommen insbesondere die folgenden beiden Verfahren in Betracht: 1. die Alkylierung oder Arylierung von Alkalidisulfiden. Sie läßt sich in Analogie zur Gewinnung der Thioäther in der aliphatischen Reihe durch Umsetzung von Natriumdisulfid mit den üblichen Alkylierungsmitteln, in der aromatischen Reihe durch Zersetzung der Diazonium-disulfide nach T. S A N D MEYER, bewerkstelligen: R:-Hal R;—Hai
+
Na;S
:
Na;S
_2NaHa, *•
R-S
Ar-N 2 +
R—S
Ar—N,+
S"
Ar-S
S~
Ar-
+ I
4
2. die bereits auf S. 711 beschriebene vorsichtige Dehydrierung von Mercaptanen: R—S- - H + H-i-S—R — R — S — S — R Die organischen Disulfide sind in ihren physikalischen Eigenschaften den Thioäthern ähnliche, jedoch wesentlich höher siedende Flüssigkeiten (Dimethyldisulfid: Sdp. 117°; D i ä t h y l d i s u l f i d : Sdp. 153°), die in keiner Weise mehr die Labilität der Peroxyde erkennen lassen. Von ihren chemischen Reaktionen ist lediglich ihre leichte Hydrierbarkeit zu den Mercaptanen von Interesse, auf deren Bedeutung für die Mercaptangewinnung (auf S. 708 f.) und für die biochemischen Redoxvorgänge bereits hingewiesen wurde. Diallyldisullid CH 2 =CH—CH 2 —S—S—CH 2 —CH=CH 2 ist ein n a t ü r l i c h vorkommendes Disulfid, das unter anderem im K n o b l a u c h ö l auftritt. Einer anderen natürlichen Disulfidverbindung werden wir später in der Eiweißaminosäure C y s t i n (IH, Kap. 7,1, 1) begegnen.
6. Die Sulfensäuren und ihre Derivate Besetzt man schließlich die nicht an Kohlenstoff gebundene Valenz des zweiwertigen Schwefels mit Sauerstoff oder anderen n e g a t i v e n Elementen, so kommt man zu den Sulfensäuren und ihren Derivaten2), die bereits zu den im nächsten KLAGES U. A. GLEISSNER: Angew. Chem. 68, 705 (1956). ) Zusammenfassung: N. KHARASCH U. Mitarbb.: Chem. Rev. 3 9 , 269 (1946).
!) F 2
I, 5: Die Sulfensäuren und ihre Derivate
717
Abschnitt beschriebenen organischen Derivaten der S a u e r s t o f f s ä u r e n des Schwefels überleiten. g Die freien Sulfensäuren der Struktur R—S—OH (oder vielleicht auch R—S-»0) entstehen grundsätzlich bei der Hydrolyse ihrer Chloride, der unten beschriebenen A l k y l - s c h w e f e l c h l o r i d e , sind aber im übrigen so u n b e s t ä n d i g , daß sie mit Ausnahme der nebenstehend formulierten a - A n t h r a c h i n o n - s u l f e n s ä u r e bisher n i c h t i s o l i e r t werden konnten. Man nimmt aber vielfach ihre i n t e r m e d i ä r e B i l d u n g an. Ihre Säurestärke scheint nur sehr g e r i n g zu sein, denn sie zeigen in mancher Beziehung einen amphoteren Charakter. l ü r Die allgemein Alkyl- (oder auch Aryl-)schwefelhalogenide genannten S ä u r e h a l o g e n i d e der Sulfensäuren werden meistens durch Umsetzung der D i s u l f i d e oder M e r c a p t a n e (bzw. T h i o p h e n o l e ) mit den f r e i e n H a l o g e n e n dargestellt: Vi R — S - S - R + '..'¡¡llalj
• R—S—Hai - - ~ H 1Ial R—S—H -f Hai—Hai Alkyl-Schwefel-halogenld
Sie sind gelbe bis r o t e Substanzen und verhalten sich chemisch wie echte S ä u r e c h l o r i d e , d. h. sie können das H a l o g e n relativ leicht gegen a n d e r e R e s t e austauschen. Auf diesem Wege wurden bisher fast ausschließlich die f r e i e n S ä u r e n und sämtliche übrigen bekannten S u l f e n s ä u r e d e r i v a t e gewonnen: T? HO-S-R
lier,
'
"'
O g
, Arylierung O Sulfonsäure
HO-S-H
, O
O —
HO-SI
schweflige Säure
| OH
Die Konstitutionsbestimmung der Sulfonsäuren bereitet, ähnlich wie die der N i t r o v e r b i n d u n g e n (S. 676), nur g e r i n g e S c h w i e r i g k e i t e n . Aus der R e d u z i e r b a r k e i t der Sulfonsäurechloride zu den M e r c a p t a n e n folgt die d i r e k t e B i n d u n g des S c h w e f e l s a n d e n o r g a n i s o h e n R e s t , und zwar muß die C •• S-Bindung, da die Sulfogruppe auch an einem t e r t i ä r e n C - A t o m (z. B. in den aromatischen Sulfonsäuren) stehen kann, e i n f a c h sein. Die d r e i O - A t o m e und das r e s t l i c h e H - A t o m , die man auf Grund der ausgesprochen sauren Natur des Wasserstoffs zu zwei e i n z e l n e n 0 - A t o m e n und einer H y d r o x y l g r u p p e zusammenfassen kann, müssen ferner am S c h w e f e l gebunden sein, wofür in Anbetracht der nahen Beziehungen zur S c h w e f e l s ä u r e nur die angenommene Struktur in Betracht kommt. Lediglich die s e m i p o l a r e Formulierung der Sauerstoffbindungen wurde erst ziemlich spät vorgenommen, da man früher in Übereinstimmung mit der alten H a u p t v a l e n z f o r m e l
/
/> \
der Schwefelsäure e c h t e S = 0 - D o p p e l b i n d u n g e n annahm IR—S—0 I. Auch hier er\ OH/
II, 1: Die Sulfonierung
719
folgte die Einführung der semipolaren Schreibweise zunächst nur aus f o r m a l e n Gründen, um die Oktettzahl des Schwefels nicht zu überschreiten. Sie hat sich jedoch auch in anderer Beziehung hervorragend bewährt und gibt erstmals eine befriedigende Deutungsmöglichkeit für die zahlreichen U n t e r s c h i e d e zwischen der C a r b o n s ä u r e - und S u l f o n s ä u r e r e i h e Auf Grund moderner physikalischer Untersuchungen ist man z. T. heute wieder geneigt, zu der alten Doppelbindungsformel zurückzukehren (Näheres vgl. II, Kap. 3, I, 5). Doch verhalten sich diese Doppelbindungen chemisch von allen bisher behandelten Doppelbindungen weitgehend v e r s c h i e d e n (z. B. geben sie keinerlei Additionsreaktionen), so daß man für die Beschreibung dieses Bindungstypus vorläufig besser an der semipolaren Schreibweise, festhält. Die Benennung der Sulfonsäuren (auch der Ausdruck Sulfoaäuren ist gebräuchlich) erfolgt in Analogie zu der der C a r b o n s ä u r e n (S. 320) als Derivate derjenigen Kohlenwasserstoffe, in denen die Sulfogruppe ein H-Atom ersetzt (z. B. Benzol-sulfonsäure, Methan-disulfonsäure usw.). Bei komplizierten Verbindungen, die mehrere F u n k t i o n e n im Molekül enthalten, ist daneben auch die abgekürzte Bezeichnung Sulfo- für die S0 3 H-Gruppe gebräuchlich (z. B. Sulfo-benzoesäure). Doch ist man nach Möglichkeit bestrebt, die Verbindung so zu benennen, daß die Gruppenbezeichnung -sulfonsäure an das W o r t e n d e kommt (z. B. Anilinsulfonsäure statt Sulfo-anilin).
Für die Darstellung der Sulfonsäuren stehen in Analogie zur Gewinnung der N i t r o v e r b i n d u n g e n insbesondere drei Verfahren zur Verfügung: 1. die „ S u l f o n i e r u n g " von K o h l e n w a s s e r s t o f f e n mittels S c h w e f e l s ä u r e und ihren Derivaten, 2. die A l k y l i e r u n g oder A r y l i e r u n g der schwefligen S ä u r e und 3. die Umwandlung a n d e r e r S c h w e f e l f u n k t i o n e n in die S0 3 H-Gruppe. Zu 1. Die Sulfonierung1) von Kohlenwasserstoffen haben wir als eine der Grundr e a k t i o n e n der o r g a n i s c h e n Chemie schon mehrfach kurz gestreift. Sie verläuft formal der N i t r i e r u n g s r e a k t i o n analog und beruht ebenfalls auf der Substitution eines organisch gebundenen H-Atoms durch den A c y l r e s t einer s t a r k e n Mineralsäure: R—;H + HÖ—SO 3 H
~h,0>
E—SO 3 H
Die Reaktion ist infolge ihrer großen praktischen Bedeutung in zahlreichen Ausführungsformen bekannt, die sich, ähnlich wie die verschiedenen Nitrierungsverfahren, in a) den S u l f o n i e r u n g s m i t t e l n , b) den Möglichkeiten der k a t a l y t i s c h e n B e e i n f l u s s u n g und c) dem Verhalten der verschiedenen Arten des organisch gebundenen W a s s e r s t o f f s unterscheiden. Zu a) Als einfachstes Sulfonierungsmittel dient gewöhnliche k o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e , die jedoch den Kohlenwasserstoff im allgemeinen erst unter wesentlich e n e r g i s c h e r e n B e d i n g u n g e n angreift als Salpetersäure, wie u. a. aus ihrer Verwendbarkeit als E n t w ä s s e r u n g s m i t t e l bei der N i t r i e r u n g s r e a k t i o n hervorgeht. So läßt sich z.B. selbst das reaktionsfähige T o l u o l mit konzentrierter Schwefelsäure erst bei etwa 100° umsetzen, und man erhält nur dann eine befriedigende Sulfonsäure-Ausbeute, wenn man das gebildete Wasser laufend mit den Toluoldämpfen abdestilliert, um die Verwässerung der Schwefelsäure (vgl. auch S.731) hintan zu halten. Auch N a p h t h a l i n wird durch normale konzentrierte Schwefelsäure erst a b etwa 80° angegriffen. ') Früher häufig auch als Sulfurierung bezeichnet. Doch hat es sich als zweckmäßig erwiesen, scharf zwischen der Sulfurierung (wörtlich = Schwefelung) als der Einführung von zweiwertigem Schwefel mittels elementaren Schwefels, Schwefelwasserstoffs oder Phosphorpentasulfids einerseits und der Sulfonierung sowie auch der Sulfinierung als der Einführung der Sulfon- bzw. S u l f i n s ä u r e g r u p p e andererseits zu unterscheiden.
Kap. 7: Die organischen Schwefelverbindungen
720
Zur E r h ö h u n g der S u l f o n i e r w i r k u n g hat man im Gegensatz zur Nitrierungsreaktion lediglich die Möglichkeiten der Verwendung von r a u c h e n d e r S c h w e f e l s ä u r e (evtl. mit einem Zusatz von P h o s p h o r p e n t o x y d ) als Sulfonierungsmittel, die die Sulfonierung des B e n z o l s bereits bei Z i m m e r t e m p e r a t u r gestattet, und der E r h ö h u n g der R e a k t i o n s t e m p e r a t u r . Letztere kann in Anbetracht der viel geringeren Oxydationswirkung der Schwefelsäure ohne jedes Bedenken bis auf etwa 300° gesteigert werden. Neben der Schwefelsäure selbst werden auch zahlreiche S c h w e f e l s ä u r e d e r i v a t e als Sulfonierungsmittel verwandt. So kann man z. B. mit S0 3 oder C h l o r s u l f o n s ä u r e bereits in der K ä l t e arbeiten und hat dazu den weiteren Vorteil der Vermeidung des Auftretens von Reaktionswasser: R—S0 3 H
0
-
R—S—X
ö
ö
Die Sulfochloride sind daher im Gegensatz zu den C a r b o n s ä u r e c h l o r i d e n (S. 336) ziemlich w a s s e r b e s t ä n d i g und werden selbst bei der W a s s e r d a m p f d e s t i l l a t i o n nur t e i l w e i s e zersetzt. Auch mit Alkoholen setzen sie sich in der Kälte erst n a c h T a g e n vollständig zu den Estern um, und schließlich werden m e t a l l o r g a n i s c h e V e r b i n d u n g e n infolge des F e h l e n s a k t i v e r S = 0 - D o p p e l bindungen nicht, wie in Analogie zu den Carbonsäurechloriden zu erwarten wäre, unterNeubildung e i n e r C — S - B i n d u n g angelagert, sondern wirken reduzierend auf Sulfonsäurechloride ein: t R—S—Cl + Me—R' 46*
/ ° \ • | R—Sl—C1 +Mei—0—R' )
t >- R—S—0—R + MeCl
Kap. 7: Die organischen Schwefelverbindungen
724
Abgesehen von dieser Reduktion durch metallorganische Verbindungen können die Sulfochloride als einzige Derivate der Sulfonsäuren auch a n d e r w e i t i g r e d u z i e r t werden, wobei unter e n e r g i s c h e n B e d i n g u n g e n , z. B. mit Z i n n und S a l z s ä u r e , die M e r c a p t a n e und T h i o p h e n o l e , bei v o r s i c h t i g e m A r b e i t e n , wie etwa bei der Einwirkung von m e t a l l i s c h e m Z i n k und W a s s e r , die S u l f i n s ä u r e n (bzw. deren Salze) entstehen: R—S02H -< Z d ' h '°
Sn HC1
R—S02—C1
'
>- R—S—H
b) Die Sulfochloride lassen sich in der angegebenen Weise in symmetrische Anhydride1) (zwischen zwei Sulfonsäuremolekülen) und gemischte Anhydride mit Carbonsäuren überführen, die jedoch beide bisher keine praktische Bedeutung erlangt haben. Die symmetrischen Anhydride können auch durch d i r e k t e W a s s e r a b s p a l t u n g aus der f r e i e n S ä u r e mittels P h o s p h o r p e n t o x y d s gewonnen werden2).
c) Die Gewinnung der Ester geschieht fast ausschließlich durch Umsetzung von Sulfochloriden mit A l k o h o l e n in der K ä l t e , da bei der d i r e k t e n V e r e s t e r u n g der Sulfonsäuren mit den Alkoholen der bereits gebildete E s t e r leicht auf den ü b e r s c h ü s s i g e n A l k o h o l unter Ä t h e r b i l d u n g alkylierend einwirkt (Gleichung formulieren!), wodurch die Ausbeute an Ester vermindert wird. Die Sulfonsäureester sind im Vakuum unzersetzt destillierbare Flüssigkeiten (bzw. niedrig schmelzende feste Körper), die infolge des Fehlens von S=0-Doppelbindungen eine a l k y l i e r e n d e S p a l t u n g erleiden (S. 205f.) und bei ihrer leichten Zugänglichkeit als Ester starker Säuren wichtige präparative Alkylierungsmittel darstellen. Weiterhin werden sie durch k a t a l y t i s c h e r r e g t e n W a s s e r s t o f f oder L i t h i u m a l u m i n i u m h y d r i d 3 ) hydrierend unter Bildung von K o h l e n w a s s e r s t o f f e n gespalten:
O R— S—O—R'
O LIAIH«
R—S—H + H—R'
Man kann infolgedessen auf dem Umweg über die S u l f o n s ä u r e e s t e r (in der Praxis meistens der Tosylester) eine Reduktion von A l k o h o l e n oder A l k y l h a l o g e n i d e n zu den zugehörigen K o h l e n w a s s e r s t o f f e n vornehmen.
d) Die Sulfonsäureamide (Sulfonamide) sind vorzüglich kristallisierende, sehr beständige Substanzen, die, soweit sie noch Wasserstoff am N-Atom enthalten, als A m i d e s t a r k e r Säuren schwach s a u e r reagieren und daher in Alkalien löslich sind. Auf die Verwendung dieser Reaktion zur Trennung p r i m ä r e r und s e k u n d ä r e r A m i n e wurde bereits hingewiesen (S. 569). I m übrigen können die Sulfonamide in ähnlicher Weise wie die Carbonsäureamide durch Kochen mit s t a r k e n S ä u r e n oder A l k a l i e n rückwärts gespalten werden. Sie eignen sich infolgedessen hervorragend zur Identifizierung und Reinigung der S u l f o n s ä u r e n und auch der Amine. Eine eigenartige „anomale Spaltung" erleiden die N - A l k y l s u l f o n a m i d e bei der Einwirkung von s t a r k e n A l k a l i e n . Hierbei wird nicht die Sulfonsäure zurückgebildet, sondern es entsteht unter A u s t a u s c h d e r O x y d a t i o n s s t u f e n des K o h l e n s t o f f s u n d S c h w e f e l s die S u l f i n s ä u r e und ein A l d i m i n (über den Mechanismus, vgl. II, Kap. 4, II, 2b): R—S0 2 —NH—CH 2 —R' J
R—SOaNa + HN=CH—R'
) V g l . z . B . L . BLANGEY U. H . E . FIERZ-DAVID: H e l v . 32, 6 3 1 (1949). ) L . FIELD U. J . W . MCFARLAND : O r g . S y n t h . 36, 9 1 (1956). 3 ) H . SCHMID u . P . KARRER: H e l v . 32, 1 3 7 1 (1949). 2
725
II, 1: Die Reaktionen der Sulfonsäuren
Schließlich sind auch die sekundären Sulfonsäureamide R — S 0 2 — N H — S 0 2 — R bekannt, die fälschlicherweise allgemein als Sulf(on)imide bezeichnet werden. Sie sind als s e k u n d ä r e Amide starker Säuren s t a r k s a u e r und bilden n e u t r a l r e a g i e r e n d e S a l z e , die wegen ihrer s e i f e n ä h n l i c h e n Eigenschaften als W a s c h - und E m u l g i e r m i t t e l dienen. E c h t e Sulf( o n ) i m i d e des Typus R—SO(NH)—OH, die eine d o p p e l t bzw. s e m i p o l a r gebundene NH-Gruppe enthalten, existieren dagegen n i c h t .
Bez. Sulfonamidtherapie vgl. S. 730. e) Die Sulfhydroxamsäuren zeichnen sich gegenüber den Hydroxamsäuren der C a r b o n s ä u r e r e i h e vor allem durch ihre bei der Einwirkung von A l k a l i erfolgende a n o m a l e S p a l t u n g aus, die der oben beschriebenen anomalen Spaltung der N-Alkylsulfamide analog verläuft und ebenfalls unter A u s t a u s c h der O x y d a t i o n s s t u f e n d e s K o h l e n s t o f f s u n d S c h w e f e l s vor sich geht. Hierbei wird neben der S u l f i n s ä u r e das an sich unbeständige N i t r o x y l ( H N = 0 ) in Freiheit gesetzt, das durch zugesetzte A l d e h y d e unter Bildung von A c y l h y d r o x a m s ä u r e n abgefangen und nachgewiesen werden kann: ,N—OH R—S0 2 —NH—OH R—S0 2 Na + H N = 0 +. R - C H -°_>. OH Auf dieser Reaktion beruht der Aldehydnachweis von A. Angelí und E. Rmini (S. 259).
Zu 3. Die Beeinflussung der Reaktionsfähigkeit des organischen Molekülteils durch die Sulfogruppe ist der Wirkung der N i t r o - und C a r b o x y l g r u p p e insofern ähnlich, als sie ebenfalls s t a r k a c i d i f i z i e r e n d wirkt. Infolgedessen sind z. B. die Ester der M e t h a n - d i s u l f o n s ä u r e (I), ähnlich wie die der M e t h a n t r i c a r b o n s ä u r e (ü-487), ausgesprochene S ä u r e n und als solche einerseits in N a t r o n l a u g e u n t e r S a l z b i l d u n g löslich, andererseits m i t D i a z o m e t h a n m e t h y l i e r b a r : R—O—SO, v
"Xr,/
,CH,
.-O-,
R—O—S0 2
© ©
--
/ C0H
R—0—S02
R—0—SO/
Na+
i Besonders die letztere Reaktion ist von einem gewissen t h e o r e t i s c h e n I n t e r e s s e , weil bei ihr die Methylgruppen an den K o h l e n s t o f f treten, wodurch bewiesen wird, daß tatsächlich der am K o h l e n s t o f f befindliche Wasserstoff s a u e r ist (vgl. II, Kap. V 5, I I , 3). Dagegen zeigen die Methan-disulfonsäureester (III) im Gegensatz zu den analog konstituierten 1,3-Dicarbonylverbindungen (II) k e i n e r l e i (oder ein nur sehr geringes) E n o l i s a t i o n s v e r m ö g e n . Dieser vom Standpunkt der k l a s s i s c h e n T h e o r i e auffallende Befund wird beim Vorliegen s e m i p o l a r e r S — O - B i n d u n g e n von der E l e k t r o n e n t h e o r i e direkt g e f o r d e r t und steht auch mit dem Vorliegen von S = 0 - D o p p e l b i n d u n g e n nicht im Widerspruch, wenn diese n i c h t zu den n o r m a l e n D o p p e l b i n d u n g s r e a k t i o n e n befähigt sind. Denn die Bildung einer e n o l a r t i g e n M o l e k ü l f o r m setzt das Vorhandensein von normal reagierendem d o p p e l t g e b u n d e n e m S a u e r s t o f f voraus, wie er in den C ä r b o n y l - , N i t r o s o und auch N i t r o v e r b i n d u n g e n , nicht aber in den S c h w e f e l s a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n , vorliegt: O R—C=0 I
Keto-Enoi-
i
Tautomerie
OJl2
R—C=0
-
R—C—OH II
OH |
R—C=0
;
R—0—S^O I
CH2 |
R—0—S->- 0
O II
III
Keine Enolisations-
..
moglichkeit
726
Kap. 7: Die organischen Schwefelverbindungen
Die aliphatischen Sulfonsäuren und auch ihre Derivate vermögen daher keine mit der Enolisation zusammenhängenden Reaktionen, wie z.B. die CLAisENkondensation (S. 1013), mehr einzugehen. Auch die Labilisierung einer am gleichen Kohlenstoff befindlichen Carboxylgruppe durch die Sulfogruppe ist wesentlich schwächer als bei den entsprechenden Oxo- und N i t r o c a r b o n s ä u r e n , so daß die Sulfo-essigsäure (s.u.) sich im Gegensatz zur labilen Acetessigsäure (S. 563) und Nitroessigsäure (S. 688) erst bei 250° zu zersetzen beginnt. In der a r o m a t i s c h e n R e i h e tritt der Unterschied der aktivierenden Wirkung der Sulfo- und der Nitrogruppe in ähnlicher Weise in Erscheinung. Zwar lenkt die Sulfogruppe als Substituent zweiter Ordnung den neu eintretenden Substituenten ebenfalls in m - S t e l l u n g und erschwert die weitere Substitution des Benzolkerns, doch fällt auch hier die Möglichkeit der Ausbildung t a u t o m e r e r F o r m e n mit doppelt gebundenem Schwefel (insbesondere bei den den Nitrophenolen und Nitroanilinen entsprechenden Phenol- und Anilinsulfons äu ren fort und damit auch die Aktivierung der in o- und p - S t e l l u n g zur Sulfogruppe befindlichen Substituenten. Zu 4. Spaltungsreaktionen. Abgesehen von dem speziellen Fall der Aldehydund K e t o n b i s u l f i t a d d i t i o n s v e r b i n d u n g e n (S. 296), in denen die Sulfogruppe in «-Stellung zu einer OH-Gruppe steht, ist eine Abspaltung der alip h a t i s c h gebundenen Sulfogruppe bisher weder hydrolytisch noch auf einem anderen Wege gelungen. Dagegen lassen sich aromatische Sulfonsäuren durch Erhitzen mit Wasser auf 180° unter Druck in Umkehrung der Sulfonierungsr e a k t i o n wieder in den ursprünglichen K o h l e n w a s s e r s t o f f und Schwefelsäure zerlegen, und in ähnlicher Weise tritt bei der Einwirkung von konzent r i e r t e r S a l p e t e r s ä u r e Substitution der Sulfo- durch die Nitrogruppe ein: Ar—NO, + H,S0 4
+ HO—:N02 Ar—:S0 3 H + HO— H (180°) > Ar—H + H 2 S0 4
-NH2
VII
03S-
R3PCI2 Trialkyl-phosphin(di)chlorid
R 3 P-^N—N=CR5 Trialkyl-phosphazin
+ CS,
r3P-^S Trialkyl-phosphinsulfid
R 3 P->NH + N , Trialkyl-phosphinimid
ca,
©
U Tetraalkyl-phosphoniumjodid
-A.x 0
s
SchwefelkohlenBtoiJAdditionsverbindung
Die quartären Phosphoniumbasen sind, wie alle am Zentralatom wasserstofffreien Oniumbasen, den A l k a l i h y d r o x y d e n ähnliche, s t a r k b a s i s c h e Verbindungen , die j edoch bereits merklich labiler sind als die T e t r a a 1 k y 1 - a m m o n i u m b a s e n . Ihre t h e r m i s c h e Z e r s e t z u n g erfolgt erstmals nicht mehr im Sinne des H o F M A N u s c h e n A b b a u s , sondern unter Bildung eines T r i a l k y l p h o s p h i n o x y d s und eines K o h l e n w a s s e r s t o f f s (bzgl. des Reaktionsmechanismus vgl. II, Kap. 4, I I , 2 a «). [R3P-R;'HO-
R3P^O + R - H
Auch bei dieser Reaktion tritt also die außerordentlich große A f f i n i t ä t d e s P h o s p h o r s z u m S a u e r s t o f f in Erscheinung. Ein weiterer Unterschied gegenüber den quartären Ammoniumsalzen ist darin zu erblicken, daß vom Phosphor auch T e t r a a r y l p h o s p h o n i u m s a l z e bekannt sind, die eine gewisse Analogie zu den D i a r y l j o d o n i u m - (S. 177) und T r i p h e n y l s u l f o n i u m s a l z e n (S. 736) aufweisen. Danach scheint bei den Elementen der h ö h e r e n P e r i o d e n die v o l l s t ä n d i g e A r y l i e r u n g d e r O n i u m a t o m e geringere Schwierigkeiten zu bereiten als beim Stickstoff und Sauerstoff. Eine weitere Verbindungsklasse mit d r e i w e r t i g e m Phosphor liegt in den Phosphoverbindungen vor, deren Namen dem der analog zusammengesetzten A z o v e r b i n d u n g e n nachgebildet wurde. Sie sind nur in der a r o m a t i s c h e n R e i h e bekannt und werden — in Analogie zur Bildung der A z o k ö r p e r aus Anilin und Nitrosoverbindungen — durch Kondensation der p r i m ä r e n a r o m a t i s c h e n P h o s p h i n e mit den A r y l p h o s p h i n d i c h l o r i d e n (s. unten) erhalten 1 ):
Phosphobenzol
Die Phosphoverbindungen sind im Gegensatz zu den Azoverbindungen f a r b l o s e S u b s t a n z e n , denen allgemein die angeführte Struktur mit einer e c h t e n D o p p e l b i n d u n g zwischen den Phosphoratomen zuerteilt wird. Doch steht der exakte Nachweis einer echten P = P - D o p p e l b i n d u n g noch aus. b) D i e o r g a n i s c h e n D e r i v a t e d e s p o s i t i v d r e i w e r t i g e n P h o s p h o r s Von den organischen Derivaten des positiv dreiwertigen Phosphors sind bisher nur einige p r i m ä r e Verbindungen der a r o m a t i s c h e n R e i h e bekannt geworden: ') T. WEIL u. Mitarbb.: Helv. 35, 616 (1952).
743
III, 1: Die organischen Phosphorverbindungen
1. Die den A l k y l - d i c h l o r a m i n e n (S. 580) entsprechenden Arylphosphlndichloride sind organische Derivate des P h o s p h o r t r i c h l o r i d s und werden auch aus diesem und P h e n y l z i n k b r o m i d im Sinne einer WtrBTZschen S y n t h e s e gewonnen 1 ): >
) - Z n B r + Cl-P012
"
, Phenylphosphin-dichlorid
Phenylphosphin-dichlorid ist eine bei etwa 180° siedende, beständige Flüssigkeit mit einem zum Husten reizenden Geruch. Es kann infolge der R e a k t i o n s f ä h i g k e i t d e s H a l o g e n s in zahlreiche andere Phosphorverbindungen übergeführt werden, wie die erwähnte R e d u z i e r b a r k e i t zum primären P h o s p h i n und die ebenfalls bereits beschriebene Kondensation mit diesem Phosphin zur P h o s p h o v e r b i n ' d u n g zeigen. Auch die Darstellung der anschließend beschriebenen A r y l p h o s p h i n - s ä u r e n geht von den Arylphosphindihalogeniden aus. 2. Unter Arylphosphinsäuren (früher arylphosphinige Säuren2)) versteht man eine Reihe H
/ von Säuren, die die einwertige Gruppe —P—>0 enthalten, also zur p h o s p h o r i g e n und X 0H u n t e r p h o s p h o r i g e n S ä u r e in der gleichen Beziehung stehen, wie die S u l f i n s ä u r e n (S. 732) zur s c h w e f l i g e n und u n t e r s c h w e f l i g e n Säure (formulieren!). Sie werden ausschließlich durch Hydrolyse von A r y l ^ h o s p h i n d i c h l o r i d e n gewonnen und lassen sich ähnlich leicht wie die Phosphine (und in Analogie zu den Sulfinsäuren) zu den P h o s p h o n s ä u r e n oxydieren: , _ / .0H\ /H v v X
X
' =
pQ]
/
Hydrolyse
>
I^
\
\
2
Umlagerung
OH/
J
\
\
\ = /
p/.Q
\
0 H
Phenylphosphins&ure
/OH Oxydation
>
„
) T. WEIL u. Mitarbb.: Helv. 36, Phenylphosphonsäure 1412 (1952). ) Die Benennung der organischen Sauerstoffsäuren des P h o s p h o r s (sowie auch die der analog konstituierten A r s e n - und A n t i m o n v e r b i n d u n g e n ) erfolgt sehr wenig einheitlich. Z. B. findet man im Beilstein selbst für die Bezeichnung der g l e i c h a r t i g k o n s t i t u i e r t e n Säuren des Typus RZ0 3 H 2 (Z = P, As oder Sb) neben der häufigeren Endung -ansäuren z. T. auch noch die früher gebräuchliche Endung -insäuren. Ferner werden die z w e i f a c h a l k y l i e r t e n (bzw. arylierten Säuren) des Typus R 2 Z0 2 H in der Mehrzahl der Fälle noch durch die Endung -insäuren gekennzeichnet, obgleich diese Endung vielfach auch zur Benennung der früher als -inige Säuren bezeichneten Derivate der d r e i w e r t i g e n E l e m e n t e dient. Im folgenden sollen in Übereinstimmung mit den modernen Nomenklaturbestrebungen alle Säuren der o x y d a t i v f ü n f w e r t i g e n E l e m e n t e (mit semipolar gebundenem Sauerstoff) in Analogie zu den S u l f o n s ä u r e n einheitlich durch die Endung -onsäuren gekennzeichnet werden, während die Hydroxylverbindungen der o x y d a t i v d r e i w e r t i g e n Elemente (mit einsamem Elektronenpaar am Zentralatom) — soweit sie S ä u r e n sind — in Analogie zu den S u l f i n s ä u r e n die Endung -insäuren erhalten, bzw. — soweit sie n e u t r a l e V e r b i n d u n g e n darstellen — mit der Endung -hydroxyde benannt werden, so daß sich das folgende einfache Nomenklaturschema ergibt: J
2
/> R-Z^OH \0H Alkyl(Aryl)-phosphonsäuren bzw. -arsonsäuren bzw. -stibonaäuren
ß\ X R
OH
Dialkyl(aryl)-pho8phonsäuren bzw. -arsonsäuren bzw. -stibonsäuren
R_Z(
OH
Rv
OH
R
>Z-0H
Alkyl(Aryl)-pho8phinsäuren Dialkyl(aryl)bzw. -arsinsäuren phosphor-hydroxyde bzw. -stibinsäuren bzw. -arsenhydroxyde bzw. -antimonhydroxyde
744
Kap. 8: Sonstige nichtmetallorganische Verbindungen Desgleichen ist eine Reduktion zu den A r y l p h o s p h i n e n möglich (S. 741).
Die Arylphosphinsäuren entsprechen hinsichtlioh der O x y d a t i o n s s t u f e des Phosphors den N i t r o s o v e r b i n d u n g e n , können aber nicht zu analogen P h o s p h o s o v e r b i n d u n g e n entwässert werden, da die P=0-Doppelbindung n i c h t existenzfähig ist.
c) Die organischen D e r i v a t e des fünfwertigen Phosphors Die Verbindungen mit fünfwertigem Phosphor werden meistens durch Oxydation der primären bis tertiären Phosphine dargestellt, wobei die folgenden drei Verbindungsklassen entstehen: R—PH«
Oxydation
R — P f - O H (Mono)alkyl(aryl)-phosphon?äuren
\OH R PH
Oxydation
R
R
\
BT
RAPI R-
/
Oxydation
N
Dialkyl(aryl)-phosphonaâuren
OH •Trialkyl(aryl)-phosphinoxyde
R/
Daneben wurde als modernes Verfahren nur die auf S. 77 beschriebene P h o s p h o c h l o r i e r u n g v o n Paraffinen entwickelt, die direkt zu den Säurechloriden der M o n o a 1 k y 1 - p h o s p h o n s ä u r e n führt. In der a r o m a t i s c h e n R e i h e hat man weiterhin versucht, die Phosphonsäuren in Analogie zur Sulfonierung oder Nitrierung durch „Phoaphonierung" aromatischer Kohlenwasserstoffe mit konzentrierter P h o s p h o r s ä u r e oder durch Zersetzung von D i a z o n i u m p h o s p h i t e n nach SANDMEYER (Gleichungen formulieren!) zu gewinnen, doch wurden bisher keine brauchbaren Ergebnisse erzielt.
Die Monoalbyl- bzw. -arylphosphonsäuren1; entsprechen hinsichtlich der Oxydationsstufe des Phosphors den Nitroverbindungen, liegen jedoch infolge des Nichtauftretens aktiver P = 0 - D o p p e i b i n d u n g e n ausschließlich in hydratisierter Form vor, ähnlich wie auch die Phosphorsäure gegenüber der Salpetersäure nur in der Orthoform auftritt. Sie müssen daher strukturell eher mit den Sulfonsäuren verglichen werden, sind jedoch nur mittelstarke Säuren. Eine Reduktion zu den Phosphinen ist bisher nicht gelungen. In den Dlalkyl-phosphonsäuren sind zwei Hydroxylgruppen der Phosphorsäure durch organische Reste ersetzt, ohne daß damit eine wesentliche Verminderung der Acidität verbunden ist. Sie besitzen in der Stickstoffchemie k e i n A n a l o g o n . Die Trialkyl-phosphlnoxyde reagieren wegen des Ersatzes aller drei Hydroxylgruppen der Phosphorsäure durch organische Reste nicht mehr sauer und entsprechen formal den A m i n o x y d e n , mit denen sie auch den s c h w a c h b a s i s c h e n Charakter des O-Atoms gemeinsam haben. Sie sind aber infolge der positiveren Natur des Phosphors viel b e s t ä n d i g e r als diese und können in ihren allgemeinen Eigenschaften am ehesten mit den S u l f o n e n verglichen werden. Auch die auf S. 740 beschriebenen A n l a g e r u n g s v e r b i n d u n g e n d e r T r i a l k y l p h o s p h i n e gehören bereits zu den Derivaten des f ü n f w e r t i g e n P h o s p h o r s . Ihnen schließt sich als weitere interessante Verbindung der von G. WITTIG2) aus T e t r a p h e n y l p h o s p h o n i u m j o d i d und L i t h i u m p h e n y l erhaltene Pentaphenylphosphor an: M Zusammenfassung: L. D . FREEDMAN U. G. 0 . DOAK: Chem. Rev. 2 ) G. WITTIG U. M. R I E B E R : A. 562. 187 (1949).
1957,
479.
745
III, 2: Die organischen Arsenverbindungen
W \ ® / W
: J - + Li:—
-0 Trialkylarsinoxyd ! R j ' L
r
j
i
R
Asl
^
R
R—J
Trialkylarsinsulfid
Trialkylarsin-(di) chlorid
© ^ J[R 4 AS]
Tetraalkylarsoniumjodid
Dagegen zeigen die Arsine trotz der Befähigung zur Bildung quartärer Arsoniumsalze S ä u r e n gegenüber k e i n e B a s i z i t ä t mehr, und es werden selbst mit starken Mineralsäuren und in Abwesenheit v o n Wasser k e i n e S a l z e gebildet. Die quartären Arsoniumsalze sind den quartären P h o s p h o n i u m s a l z e n sehr ä h n l i c h , insbesondere erleiden die freien Basen bei der thermischen Zersetzung in g l e i c h e r W e i s e Zerfall unter Bildung von T r i a l k y l a r s i n o x y d e n und einem K o h l e n w a s s e r s t o f f : [ R 3 AS—R] H — 0 "
R 3 As-»0 + R—H
Eine den T e t r a a l k y l h y d r a z i n e n analoge Verbindungsklasse mit zwei aneinander geketteten Arsenatomen erhält man bei der vorsichtigen Reduktion der D i a l k y l a r s i n c h l o r i d e mit metallischem Z i n k oder Q u e c k s i l b e r : ,R
Rx
- ZnCl,
As:—C1 + Zn + Cl— As( R
R
Rx
/
R
)As—As' R
R
Die Verbindungen werden Tetraalkyl-diarsine genannt und sind von Interesse im Zusammenhang mit den unten beschriebenen K a k o d y l v e r b i n d u n g e n . Schließlich kennt man auch die den Azo- und P h o s p h o v e r b i n d u n g e n entsprechenden Arsenoverbindungen. Sie entstehen in Analogie zu den Azoverbindungen durch a l k a l i s c h e R e d u k t i o n von A r y l - (sowie neuerdings auch A l k y l - 1 ) ) a r s o n s ä u r e n (s.u.) mit U n t e r p h o s p h o r s ä u r e , p h o s p h o r i g e r S ä u r e oder N a t r i u m h y p o d i s u l f i t (Na 2 S 2 0 4 ): Ar—As^-OH OH
+ 2H, — 3H.0
1
/ 2 Ar—As=As—Ar
und sind wie die Phosphoverbindungen von theoretischem Interesse im Hinblick auf die Frage, ob in ihnen tatsächlich die früher angenommene As = A s - D o p p e l b i n d u n g enthalten ist. Vermutlich handelt es sich um r i n g f ö r m i g e P o l y m e r e vom d o p p e l t e n bis d r e i f a c h e n Molekulargewicht mit nur e i n f a c h e n A s — A s - B i n d u n g e n . Eine praktische Bedeutung haben insbesondere die auf S. 760 beschriebenen Heilmittel der S a l v a r s a n r e i h e erlangt, die kompliziertere D e r i v a t e des A r s e n o b e n z o l s darstellen. b) D i e o r g a n i s c h e n D e r i v a t e d e s p o s i t i v d r e i w e r t i g e n
Arsens
Die organischen Verbindungen mit p o s i t i v d r e i w e r t i g e m Arsen leitet man am besten v o n den C h l o r v e r b i n d u n g e n ab, die bei den meisten Darstellungsweisen als P r i m ä r p r o d u k t e entstehen und auch die größte praktische Bedeutung erlangt haben. Man kann sie allgemein durch Umsetzung v o n A r s e n t r i c h l o r i d mit einem oder zwei Molen einer metallorganischen Verbindung gewinnen: J . Waser u. V. Schomakeb: Am. Soc. 67, 2014 (1945).
III, 2: Die organischen Arsenverbindungen R vX r
/
A a —Ln1 AS
, + 2 Me-B ' -2MeCl
Cl x
+ Me-R — MeCI *
p]
/
er
747
CL
er
/
„
Ä S _ K
Doch zieht man in der a l i p h a t i s c h e n R e i h e meistens die p a r t i e l l e R e d u k t i o n der A r s o n s ä u r e n , in der a r o m a t i s c h e n R e i h e die direkte Einwirkung von A r s e n t r i c h l o r i d auf K o h l e n w a s s e r s t o f f e in Gegenwart von Aluminiumchlorid vor. R—As0 3 H 2
, R-AsO
R\ j»0 >x < ^ g r R OH
/
Rp\ ) BT
A s
V - h + ei—Asei.
+ C„H„ —HCl \ (ÄiCW * ^
X \
-
+
0 H
. R-AsC1 2 Rx Rx
-HCl (A1C1S)
+C«H„ —HCl (AICI3J
Sämtliche Verbindungen der Reihe üben bereits in sehr geringen Konzentrationen eine u n e r t r ä g l i c h e R e i z w i r k u n g auf die Atmungsorgane aus und dienten daher vielfach im ersten Weltkrieg als K a m p f s t o f f e . Chemisch zeichnen sie sich insbesondere durch die leichte Ersetzbarkeit des Halogens durch andere n e g a t i v e R e s t e aus. So gehen z. B. die Monoalkylarsindichloride durch H y d r o l y s e in die M o n o a l k y l a r s i n o x y d e über und können aus diesen durch Einwirkung von konzentrierter S a l z s ä u r e zurückgewonnen werden: R—AsC12 ,
H,0 HCl
R—AsO
In den Monoalkyl-arsinoxyden begegnen wir einem völlig n e u e n V e r b i n d u n g s t y p , denn sie können weder durch H y d r a t i s i e r u n g in die den Phosphinsäuren analogen „Arsinsäuren" übergehen, noch zeigen sie irgendwelche Verwandtschaft mit dem N i t r o s o benzol. Wahrscheinlich liegen sie, da die As=0-Doppelbindung n i c h t existenzfähig ist, in Form t r i m e r e r R i n g m o l e k ü l e vor. In ihren chemischen Eigenschaften sind sie am ehesten mit dem ebenfalls polymeren A r s e n t r i o x y d zu vergleichen, das in gleicher Weise bei der Einwirkung starker Salzsäure r e v e r s i b e l in die Halogenverbindung übergeht (vgl. anorg. Lehrbücher).
Noch interessanter sind die Austauschreaktionen des Halogens in der s e k u n d ä r e n R e i h e , die z. T. bereits im Jahre 1839 von R. Bunsen an den als KdkodylVerbindungen bezeichneten Dimethylarsinkörpem aufgeklärt werden konnten, und die seinerzeit als ein wichtiges Argument für die damals gerade in Blüte stehende R a d i k a l t h e o r i e galten (s. Formel S. 748 oben). Einzelverbindungen: Methyl- und Äthyl-argindlchlorid R—AsCl2 zeichnen sich durch eine starke R e i z w i r k u n g auf die A t m u n g s o r g a n e aus und dienten im ersten Weltkrieg auf deutscher Seite als K a m p f s t o f f e , während das durch Anlagerung von A r s e n t r i c h l o r i d an A c e t y l e n in Gegenwart von A l u m i n i u m c h l o r i d entstehende Chlorvlnyl-arsindichlorid C1—CH=CH—AsC12 eine ähnliche Wirkung auf die Haut ausübt wie D i c h l o r d i ä t h y l s u l f i d (vgl. S. 714) und daher von den USA unter dem Namen Lewisit als Kampfstoff der G e l b k r e u z r e i h e (Berührungsgift) entwickelt wurde, jedoch nicht mehr zum Einsatz kam.
Kap. 8 : Sonstige nichtmetallorganische Verbindungen
748
/Ca3 As—As' V. \ CH, HaC HsCv
H3CX
Zn
HSC
H, CI,
Dimethyl-arsin (Kakodylwasserstoff)
HaC^ H;
,0
Dimethyl-arsonsäure (Kakodylsfiure)
Tetramethyl-diarsin (freies Kakodyl)
^As—H
•As
B + N a
Na+
-
Eine weitere interessante, sich v o m Triphenylbor ableitende Verbindungsklasse hat G . W I T T I G 1 ) in den ebenfalls s a l z a r t i g e n Tetraphenyl-bor-metallen ( I ) entdeckt, die bei der Anlagerung von A l k a l i m e t a l l p h e n y l e n an T r i p h e n y l b o r entstehen: Me+
Die in ihnen enthaltenen komplexen Tetraphenylbor-Anionen mit v i e r o r g a n i s c h e n R e s t e n a m B o r a t o m stellen das vollkommene Gegenstück zu den T e t r a a l k y l a m m o n i u m - K a t i o n e n dar, wie aus folgendem Vergleich beider Verbindungsreihen hervorgeht: 1. Während man zum Aufbau der T e t r a m e t h y l a m m o n i u m - K a t i o n e n an das e i n s a m e E l e k t r o n e n p a a r d e s Z e n t r a l a t o m s einen p o s i t i v g e l a d e n e n M e t h y l r e s t (d. h. das auf S. 34 beschriebene C a r b e n i u m - K a t i o n mit einer Elektronenlücke) anlagern muB, wird bei der Bildung des T e t r a p h e n y l b o r - A n i o n s der organische Rest umgekehrt m i t e i n e m E l e k t r o n e n p a a r (d. h. als C a r b e n i a t - A n i o n ) an das e i n e E l e k t r o n e n l ü c k e a u f w e i s e n d e Z e n t r a l a t o m angelagert. Hier muß man daher eine organische Verbindung zur Anlagerung bringen, die den Kohlenstoffrest als A n i o n m i t E l e k t r o n e n p a a r abspaltet, d. h. eine m e t a l l o r g a n i s c h e V e r b i n d u n g : R R Ar Ar !© I© R—Jf| + R —J Me+ R—N—R Ar—B + Ar— Me Ar—B—Ar R R . i, . Aufbau des Tetraalkylammonium-Ions Aufbau dea Tetraphenylbor-Ions
L
2. Sowohl die Salze des T e t r a m e t h y l a m m o n i u m - K a t i o n s als auch die des T e t r a p h e n y l b o r - A n i o n s können nur in der d i s s o z i i e r t e n F o r m existieren, da beide Ionen infolge der vollständigen Valenzabsättigung sämtlicher Atome k e i n e M ö g l i c h k e i t besitzen, eine A t o m b i n d u n g zum e n t g e g e n g e s e t z t g e l a d e n e n I o n auszubilden. In gleicher Weise wie also das Tetramethylammoniumhydroxyd eine „ u n e n d l i c h " s t a r k e (weil vollständig dissoziierte; vgl. S.576) B a s e ist, muß demnach der „Tetraphenylborwasserstoff" die Struktur einer „ u n e n d l i c h s t a r k e n " S ä u r e aufweisen, für die (im Gegensatz zu allen anderen bisher bekannten Säuren) überhaupt k e i n e u n d i s s o z i i e r t e F o r m formuliert werden kann: 0 t
O -Cl—0© 1 o
0 H+
t
O- - C l - -OH 1 o
H+
Keine Assoziation möglich
Man kann den Tetraphenylborwasserstoff daher n i c h t m e h r d u r c h s t ä r k e r e S ä u r e n aus seinen Salzen v e r d r ä n g e n , sondern nur mittels F ä l l u n g s r e a k t i o n e n (z. B. aus den Silbersalzen mittels HCl) in Freiheit setzen. 3. Ähnlich wie das T e t r a m e t h y l a m m o n i u m - I o n gegen w a s s e r f r e i e H y d r o x y l - I o n e n nicht beständig ist, sondern mit ihnen im Sinne des HOFMANN sehen Abbaus reagiert, ist auch das Tetraphenylbor-Ion gegenüber f r e i e n P r o t o n e n nicht beständig und setzt sich mit !) G. WITTIG u . M i t a r b b . : A . 563, 114 (1949); 566, 101 (1950).
Kap. 8: Sonstige nichtmetallorganische Verbindungen
760
ihnen in einer dem HOFMANNsehen Abbau analogen Reaktion um, bei der das Proton mit einem der sich als Anion vom Zentralatom ablösenden Phenylreste als neutrales Benzol austritt: XV
I ©:
R—N—R
Ai
XV
OH"
> R—N| +
R—OH ;
R
Hof mannscher Abbau quartärer Ammoniumhydroxyde
nr eI
Ar—B:—Ar H+
i.
Ar -
Ar—B + Ar—H
I
Ar
analoger Abbau des „Tetraplienyl-bor-Wasserstoffs''
Die Beständigkeit des Tetraphenylbor-Anions gegen Protonen ist etwas geringer als die der Tetraalkylammonium-Kationen gegen Hydroxyl-Ionen. Der „Tetraphenylborwasserstoff" kann daher nur in der K ä l t e in Form seiner v e r d ü n n t e n w ä ß r i g e n L ö s u n g e n , d. h. seines O x o n i u m s a l z e s (formulieren!) gewonnen werden und erleidet bereits beim Erhitzen dieser Lösungen auf 80° v o l l s t ä n d i g e Zersetzung. Der Komplex ist danach hinsichtlich seiner Beständigkeit etwa mit den T r i a l k y l s u l f o n i u m - I o n e n (S. 715) vergleichbar. Von den sonstigen Eigenschaften der Tetraphenylbormetalle ist insbesondere die Schwerlöslichkeit der K a l i u m - , R u b i d i u m - und Cäsiumsalze hervorzuheben, die die der P e r c h l o r a t e dieser Metalle noch übertrifft. Bei dem hohen Molek u l a r g e w i c h t des T e t r a p h e n y l b o r - A n i o n s (319) hat sein Natriumsalz daher neuerdings unter dem Decknamen Kalignost Anwendung zur gravimetrischen Bestimmung dieser Metalle gefunden1). ») W . R U D O R F U. H . ZAUNER:
Angew. Chem.
66, 638 (1954).
9. K a p i t e l
Die metallorganischen Verbindungen I. Darstellung und allgemeine Eigenschaften Die metallorganischen oder Organometall-Verbindungen haben für den Organiker wieder eine größere Bedeutung erlangt. Sie kommen zwar ebenfalls n i c h t n a t ü r l i c h vor, zeigen jedoch infolge der direkten Bindung des M e t a l l s an den K o h l e n s t o f f eine ungewöhnliche Reaktionsfähigkeit und sind daher zu zahlreichen, auf anderem Wege nicht durchführbaren Synthesen befähigt. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Verbindungsklassen sind die organischen Derivate der meisten Metalle untereinander sehr ä h n l i c h und zeigen zumindest prinzipiell eine g l e i c h a r t i g e R e a k t i o n s f ä h i g k e i t , so daß ihre wichtigsten Eigenschaften g e m e i n s a m behandelt werden können. Man beobachtet jedoch eine starke g r a d u e l l e A b s t u f u n g der Reaktionsfähigkeit, die bei den sehr unbeständigen A l k a l i m e t a l l v e r b i n d u n g e n am größten und bei den Derivaten der S c h w e r - und Ü b e r g a n g s m e t a l l e kaum noch nachweisbar ist. Man unterteilt die metallorganischen Verbindungen daher zweckmäßig in die w a s s e r u n b e s t ä n d i g e n Derivate der A l k a l i - , E r d a l k a l i - und E r d m e t a l l e sowie des Z i n k s und C a d m i u m s einerseits und die w a s s e r b e s t ä n d i g e n organischen Verbindungen der S c h w e r - und Ü b e r g a n g s m e t a l l e andererseits. Ihnen schließen sich als d r i t t e Gruppe von Metall-Kohlenstoff-Verbindungen die Metallcarbide an, in denen das Metall ebenfalls direkt an Kohlenstoff gebunden ist, die aber allgemein bereits zu den a n o r g a n i s c h e n Verbindungen gerechnet werden, da sie eine typische Eigenschaft organischer Verbindungen vermissen lassen: die Beschränkung der Reaktionen auf b e s t i m m t e S t e l l e n des Moleküls. Lediglich die Carbide der A c e t y l e n r e i h e (S. 119) stellen einen Übergang zwischen den rein anorganischen Verbindungen vom A l u m i n i u m c a r b i d t y p u s , bei deren Umsetzung sämtliche Valenzen des Kohlenstoffs in Reaktion treten (S. 168), und den echten metallorganischen Verbindungen dar.
Die Konstitution der metallorgamschen Verbindungen war nie zweifelhaft, da sie einerseits AJkylgruppen auf andere Moleküle zu ü b e r t r a g e n vermögen, also als G a n z e s enthalten müssen, andererseits die Zahl dieser Alkylgruppen mit der normalen W e r t i g k e i t der Metalle übereinstimmt, so daß auf das Vorliegen e i n f a c h e r Metall-Kohlenstoff-Bindungen geschlossen werden kann. Lediglich über die N a t u r dieser Bindungen war man sich früher vielfach nicht recht im klaren, da man — der allgemeinen Vorstellung entsprechend, daß Metalle n u r i o n o g e n gebunden sein können — annahm, daß zumindest die k r i s t a l l i s i e r t e n alkali- und erdalkalimetallorganischen Verbindungen s a l z a r t i g aufgebaut seien. Die Löslichkeit der metallorganischen Verbindungen in o r g a n i s c h e n Lösungsmitteln, die m a n g e l n d e elektrolytische Leitfähigkeit dieser Lösungen und die S u b l i m i e r b a r k e i t zahlreicher Verbindungen zeigt aber, daß, von w e n i g e n A u s n a h m e n (vgl. 7,. B. S. 774) abgesehen, die Metall-Kohlenstoff-Bindung n i c h t i o n o g e n ist, sondern
762
Kap. 9 : Die metallorganischen Verbindungen
daß nur eine p o l a r e A t o m b i n d u n g vorliegt, in der jedoch der Kohlenstoff im Gegensatz zur C—Hai-, C—O-, C—N- und C—S-Bindung den n e g a t i v e n Bindungspartner darstellt. Diese anomale Polarisation des Kohlenstoffs wird in diesem Ausmaß nur bei den metallorganischen Verbindungen beobachtet. Auf sie ist in erster Linie deren große praktische Bedeutung zurückzuführen. Die rationelle Benennung der metallorganischen Verbindungen erfolgt etwas a b w e i c h e n d von der der übrigen organischen Substanzen, indem man sie nicht als Substitutionsprodukte eines K o h l e n w a s s e r s t o f f s oder auch einer M e t a l l v e r b i n d u n g auffaßt, sondern in Anlehnung an die Nomenklatur der b i n ä r e n V e r b i n d u n g e n (vgl. anorg. Lehrbücher) nur die Namen der miteinander verbundenen Gruppen bzw. Atome anführt, sie also kurz als Metallalkyle (z. B. Natrium-methyl, Quecksilber-diphenyl) oder seltener auch umgekehrt als AlkylmetaUe (Diphenyl-quecksilber, Trityl-natrium) bezeichnet. Letzteres ist insbesondere bei den p a r t i e l l e n organischen Derivaten der m e h r w e r t i g e n M e t a l l e der Fall, in denen das Metall neben dem organischen Rest auch eine i o n o g e n g e b u n d e n e G r u p p e trägt, und die allgemein Alkylmagnesiumhalogenide R — M g X , Aryl-quecksilberacetate Ar—HgOAc usw. genannt werden.
Die Darstellung der metallorganischen Verbindungen1) geschieht nach zwei grundsätzlich verschiedenen Verfahren: 1. durch N e u h e r s t e l l u n g einer metallorganischen Verbindung und 2. durch Einführung des Metalls mit Hilfe anderer metallorganischer Verbindungen. Zu 1. Die Neuherstellung einer metallorganischen Verbindung ist auf fünferlei Weise möglich. a ) Die bei weitem wichtigste Methode beruht auf der Umsetzung von H a l o g e n Verbindungen mit den f r e i e n M e t a l l e n , die stets unter Bindung von zwei Metalläquivalenten im Sinne der folgenden Gleichung vor sich geht: R—Hai + 2 Me
> R—Me + MeHal
Die Reaktion ist in gleicher Weise für die Einführung a l i p h a t i s c h e r und arom a t i s c h e r Reste geeignet und stellt letzten Endes die Grundlage für die Gewinnung a l l e r metallorganischen Verbindungen dar, da die unter 2. genannten Verfahren stets das Vorhandensein einer (anderweitig dargestellten) metallorganischen Verbindung erfordern. Wie die angeführte Gleichung zeigt, ist es u n v e r m e i d b a r , daß bei dieser Reaktion die bereits gebildete metallorganische Verbindung mit noch n i c h t umg e s e t z t e m A l k y l h a l o g e n i d zusammentrifft. Da beide miteinander im Sinne einer WtTBTZschen S y n t h e s e reagieren können (Näheres vgl. S. 69): R—Me + Hai—R
R — R + MeHal,
ist jede Gewinnung metallorganischer Verbindungen nach diesem Verfahren mehr oder weniger stark von einer WuBTZschen S y n t h e s e als Nebenreaktion begleitet. U. U. (z.B. beider Umsetzung von N a t r i u m oder K a l i u m mit A l k y l h a l o g e n i d e n , vgl. S. 773) kann die Geschwindigkeit der WuBTZschen S y n t h e s e sogar die B i l d u n g der O r g a n o m e t a l l e übersteigen. Dann werden letztere nach erfolgter Bildung sofort wieder z e r s e t z t und reichern sich überhaupt n i c h t mehr an, d. h. die Methode versagt grundsätzlich, und man muß nach anderen Darstellungsmöglichkeiten Ausschau halten. Die Bildung der metallorganischen Verbindungen ist bei diesem Verfahren stets eng mit der des Salzes g e k o p p e l t , denn die Neubildung der R—Me-Bindung unter Lösung einer R—Hai-Bindung ist ein s t a r k e n d o t h e r m e r Vorgang,der durch die große B i l d u n g s Zusammenfassung: H. GILMAN: Chem. Rev. 1954, 835.
I : Die Darstellung metallorganischer Verbindungen
763
t e n d e n z des S a l z e s MeHal überhaupt erst ermöglicht wird. Infolgedessen können m e h r w e r t i g e Metalle1} im allgemeinen n i c h t d i r e k t in die vollständig alkylierten Verbindungen übergehen, sondern es spielen sich zunächst beide Teilvorgänge am g l e i c h e n Atom unter Bildung der p a r t i e l l a l k y l i e r t e n Verbindungen (I—III) ab, die sich dann erst in einer z w e i t e n Reaktionsphase, z. B. durch t r o c k e n e s E r h i t z e n , zu den reinen M e t a l l a l k y l e n und den n e u t r a l e n S a l z e n disproportionieren lassen: B—Hal + Me n 3R—Hai + 2 M e m
* R—Me n Hal l
Erhltzen
> Vs R 2 Me n + V2 Me n Hal 2
• R—Me m Hal 2 + R 2 Me m Hal II III
Erhitzen
> R 3 M e m + Me m Hal 3
Immerhin ist es bei der Verwendung von L e g i e r u n g e n möglich, die beiden Teilreaktionen mit v e r s c h i e d e n e n M e t a l l e n durchzuführen und dadurch auch die Metallalkyle m e h r w e r t i g e r Metalle in e i n e m R e a k t i o n s g a n g zu gewinnen. So zeigt z. B. bei der Einwirkung von Alkylhalogeniden auf N a t r i u m a m a l g a m das N a t r i u m die größere Affinität zum H a l o g e n und das Q u e c k s i l b e r die größere Affinität zum o r g a n i s c h e n R e s t , so daß Natriumhalogenid und ein Q u e c k s i l b e r d i a l k y l entstehen. Ähnlich kann man aus Ä t h y l c h l o r i d und B l e i a m a l g a m in einem Reaktionsgang das technisch wichtige Bleitetraäthyl gewinnen: R—Hai R—Hai
+
Na; Hg Na
4 C2H6—Cl + Hg 2 Pb
>-
R
>Hg + 2 NaHal \V
• Pb(C.2H5)4 + 2 HgCl2
Bezüglich weiterer Beispiele vgl. S. 778 und 781. Eine andere Variationsmöglichkeit dieser Reaktion ist in der Darstellung von Organometallverbindungen mit zwei M e - G r u p p e n im Molekül gegeben. Sie erfolgt in analoger Weise bei der Einwirkung des Metalls auf A l k y l e n - d i h a l o g e n i d e 2 ) , ist aber in noch stärkerem Maße als die Bildung der einwertigen Verbindungen von N e b e n r e a k t i o n e n begleitet (insbesondere den verschiedenen Möglichkeiten der erwähnten WuRTZschen Synthese). - Die Einführung von Metallen nach diesem Verfahren beschränkt sich auf die Alkyl- und A r y l - c h l o r i d e , - b r o m i d e und - j o d i d e , während organische F l u o r v e r b i n d u n g e n jeder Art gegenüber M e t a l l e n und auch m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen i n d i f f e r e n t sind. Infolgedessen kann man in g e m i s c h t e n F l u o r h a l o g e n v e r b i n d u n g e n die anderen Halogenatome unter I n t a k t l a s s u n g der C — F - B i n d u n g e n mit Metallen zu m e t a l l o r g a n i s c h e n F l u o r v e r b i n d u n g e n umsetzen: F3C—Hai + Mg
• F3C—MgHal
Selbst bei Anwesenheit nur eines F - A t o m s in cu-Stellung zum schwereren Halogen tritt nur das l e t z t e r e in Reaktion 3 ). b) Eine z w e i t e Möglichkeit zur Einführung des Metalls in organische Verbindungen, der allerdings mehr der Charakter einer B i l d ü n g s r e a k t i o n zukommt, liegt in der auf S. 107 und 146 beschriebenen Anlagerung von Alkalimetallen an gewisse o l e f i n i s c h e D o p p e l b i n d u n g e n vor. Auch an C a r b o n y l d o p p e l b i n d u n g e n lagfern sich Alkalimetalle an, doch dient diese Reaktion weniger zur Gewinnung metallorganischer Verbindungen, sondern ist lediglich von Interesse als mögliche Zwischenreaktion bei der Reduktion mit n a s c i e r e n d e m W a s s e r s t o f f (vgl. S. 987f.). 1
) In den folgenden Formeln kurz als M e n (— Mg, Zn, Hg usw.) und M e m ( = AI, Ga usw.) symbolisiert. 2 3
) E . BUCHTA U. H . WEIDINGER: A. 580, 109 (1959). ) F . L . M. PATTISON U. W . C. HOWELL: J . Org. C h e m . 21, 879 (1956).
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
764
c) Ähnlich wie die Metalle selbst lassen sich auch die M e t a l l h y d r i d e an C=C-DoppeIbindungen anlagern. Besonders interessant ist die von K. ZIEGLER1) durchgeführte Addition von A l u m i n i u m h y d r i d und L i t h i u m a l u m i n i u m h y d r i d an Ä t h y l e n , mit deren Hilfe man bereits bei 70° in glatter Reaktion A l u m i n i u m t r i ä t h y l gewinnen kann: A1H3 + 3C 2 H 4
7
°°
> A1(C2H5)3
Doch sind in grundsätzlich ähnlicher Weise auch L i t h i u m - und M a g n e s i u m h y d r i d zu einer derartigen Anlagerungsreaktion befähigt. d) Ferner kann man zuweilen auch d i r e k t den an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoff durch M e t a l l ersetzen, wie wir am Beispiel der Einwirkung v o n A c e t y l e n auf m e t a l l i s c h e s N a t r i u m (S. 117) gesehen haben 2 ). e) Schließlich entstehen bei einigen wenigen S c h w e r m e t a l l e n und Ü b e r g a n g s e l e m e n t e n auch metallorganische Verbindungen, wenn man D i a z o m e t h a n - (oder andere a l i p h a t i s c h e D i a z o v e r b i n d u n g e n ) auf ihre C h l o r i d e in ätherischer Lösung einwirken läßt 3 ): ,C1 Hg( + 2 CH2N3 \C1
Hg(
,0H2—C1
+2N,
CH2—C1
Im Gegensatz zu der bekannten M e t h y l i e r u n g mit Diazomethan (S. 643) werden hier nur M e t h y l e n g r u p p e n gebildet, und man spricht deshalb von einer Methylenierung. Zu 2. Für die Einführung des Metalls mit Hilfe anderer metallorganischer Verbindungen sind ebenfalls v i e r verschiedene Möglichkeiten bekannt. a) Wie auf S. 765f. näher erörtert wird, vermag jede Art v o n a k t i v e m (d. h. hier s a u r e m ) W a s s e r s t o f f metallorganische Verbindungen unter S u b s t i t u t i o n d e s M e t a l l a t o m s zu zersetzen. Steht hierbei der aktive Wasserstoff an einem C - A t o m , so entstehen n e u e m e t a l l o r g a n i s c h e V e r b i n d u n g e n . Als Beispiel sei die präparativ wichtige Darstellung der Magnesiumderivate des F l u o r e n s ( I ) u n d A c e t y l e n s (II) angeführt, die allgemein durch Einwirkung der Kohlenwasserstoffe auf andere A l k y l m a g n e s i u m v e r b i n d u n g e n bei etwa 100° gewonnen werden: H ' s==./ 1 \CH-MgX I /
>CH 2
bzw.
H
\
"
c
c
H
MgX
I
II
Bei Verwendung von L i t h i u m a l k y l e n oder - a r y l e n kann auch der wesentlich reaktionsträgere aromatische Wasserstoff in o - S t e l l u n g zu H a l o g e n a t o m e n (S. 174) und A l k o x y r e s t e n substituiert werden: Hal(OR) . /Hal(OR) |
||
+ Li—R
• |
||
+ R—H
Diese Wanderungsmöglichkeit des Lithiumatoms zwischen zwei organischen Resten kann u. U. die Durchführung von WURTZ-FITTIGsehen Synthesen, in deren Verlauf stets g l e i c h *) Zusammenfassung: Angew. Chem. 64, 323 (1952). 2 ) Zusammenfassung über derartige Metallierungen mit OrganonatriumVerbindungen: R. A. BENKESER U. Mitarbb.: Chem. Rev. 1 9 6 7 , 867. s ) Zusammenfassung: D. S E Y F E R T H ; Chem. Rev. 1 9 5 5 , 1155.
I: Die Reaktionen der metallorganischen Verbindungen
765
z e i t i g m e t a l l o r g a n i s c h e V e r b i n d u n g e n und A r y l h a l o g e n i d e auftreten, empfindlich stören.
b) Auch die bereits beschriebene (S. 741, 745 u.a.) Umsetzung metallorganischer Verbindungen mit den H a l o g e n i d e n anderer E l e m e n t e führt zur Bildung neuer Organometallderivate, wenn man von den reaktionsfähigen a l k a l i m e t a l l - , m a g n e s i u m - oder auch z i n k o r g a n i s c h e n Verbindungen ausgeht und diese mit den Halogeniden anderer M e t a l l e umsetzt. Das Verfahren dient insbesondere zur Darstellung von organischen S c h w e r m e t a l l d e r i v a t e n : Hg01 2 -f 2NaK
> HgR 2 + 2NaCl
c) Umgekehrt erhält man die L e i c h t m e t a l l v e r b i n d u n g e n häufig durch Verdrängung eines wenig e l e k t r o p o s i t i v e n Schwermetalls (meistens von Quecksilber) aus seinen organischen Verbindungen durch das e l e k t r o p o s i t i v e r e Leichtmetall:
HgR2 + 2Na
> Hg + 2 NaR
d) Schließlich kann man zuweilen auch die reaktionsfähigen a l k a l i m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen an o l e f i n i s c h e D o p p e l b i n d u n g e n unter Bildung neuer m e t a l l o r g a n i scher V e r b i n d u n g e n anlagern. Die Bedeutung der Reaktion liegt weniger in der Darstellung der metallorganischen Verbindungen selbst, als in der Möglichkeit über sie als Zwischenstufen h ö h e r m o l e k u l a r e K o h l e n w a s s e r s t o f f e aufzubauen. Als Beispiele seien einerseits die auf S. 108 beschriebene N a t r i u m p o l y m e r i s a t i o n der 1,3-Diene, andererseits die auf S. 769 beschriebene Synthese der n - P a r a f f i n e aus A l u m i n i u m t r i ä t h y l (bzw. -propyl) und Ä t h y l e n angeführt.
Physikalische Eigenschaften. Je nach dem P o l a r i s a t i o n s g r a d der MetallKohlenstoff-Bindung zeigen die metallorganischen Verbindungen einen sehr vers c h i e d e n a r t i g e n Charakter. Während die stark p o l a r e n Alkalimetallverbindungen wegen ihrer niedrigen Zersetzungstemperatur weder geschmolzen noch destilliert werden können und sich in indifferenten Lösungsmitteln vielfach nicht mehr auflösen, sind die m a g n e s i u m o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n bereits sublrmierbar, und die Alkylderivate des Aluminiums (und aller mehrwertigen Schwermetalle) stellen l e i c h t f l ü c h t i g e Flüssigkeiten dar (vgl. Tab. 33, S. 738). Die chemische Reaktionsfähigkeit der Organometalle beruht in erster Linie auf den Umsetzungen der polaren M e t a l l - K o h l e n s t o f f - B i n d u n g , die infolge der u n g e w o h n t e n R i c h t u n g der Polarisation (der Kohlenstoff fungiert als n e g a t i v e r B i n d u n g s p a r t n e r ! ) zu einer Reihe von Reaktionen befähigt ist, die der der Alkylhalogenide gerade e n t g e g e n g e s e t z t verlaufen. Die speziellen Reaktionen des M e t a l l a t o m s spielen daneben im allgemeinen nur eine untergeordnete Rolle, gehen jedoch vielfach ebenfalls unter Mitbeteiligung des o r g a n i s c h e n M o l e k ü l t e i l s vor sich. Im ganzen unterscheiden wir s e c h s verschiedene Reaktionsgruppen: 1. die Substitution des Metalls durch a k t i v i e r t e n W a s s e r s t o f f , 2. die Substitution des Metalls durch andere o r g a n i s c h e und auch a n o r g a n i s c h e R e s t e , 3. die A n l a g e r u n g der metallorganischen Verbindungen an p o l a r e D o p p e l b i n d u n g e n , 4. die Anlagerung an olefinische Doppelbindungen, 5. die Abspaltung eines M e t a l l h y d r i d s zum O l e f i n , 6. die O x y d a t i o n s r e a k t i o n e n und 7. die Bildung von K o m p l e x v e r b i n d u n g e n . Zu 1. Während bei der Alkylierung von aktiven (d. h. hier mehr oder weniger stark sauren) Wasserstoffverbindungen mit den n o r m a l e n Alkylierungsmitteln stets der K o h l e n s t o f f (als positiver Bindungspartner) an den n e g a t i v e n Molekülteil der zu alkylierenden Verbindung und der (negative) S ä u r e r e s t X an den (positiven) W a s s e r s t o f f tritt, ist es bei der Einwirkung einer m e t a l l o r g a n i s c h e n
766
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
V e r b i n d u n g gerade umgekehrt: der n e g a t i v e K o h l e n s t o f f des Organometalls verbindet sich mit dem positi ven W a s s e r s t o f f und das p o s i t i v e M e t a l l mit dem n e g a t i v e n H e t e r o a t o m : R. 0—H R....0—1 L | H S C—.Me
R—0—CH, + H—J > R—OMe
+ H—CH3
Die aktiven Wasserstoffverbindungen reagieren danach mit den metallorganischen Verbindungen in der g l e i c h e n Weise, wie eine s t a r k e S ä u r e mit den S a l z e n einer s c h w a c h e n S ä u r e , d. h. sie setzen den K o h l e n w a s s e r s t o f f als die „ s c h w ä c h s t e Säure" des Systems in Freiheit. Auf metallorganische Verbindungen müssen infolgedessen a l l e W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n zersetzend einwirken, die s t ä r k e r s a u e r sind als die K o h l e n w a s s e r s t o f f e . Dieses sind außer den eigentlichen S ä u r e n auch W a s s e r , die A l k o h o l e und selbst A m m o n i a k (bzw. Amine), die gegenüber Wasser bereits k e i n e s a u r e n E i g e n s c h a f t e n mehr zeigen. Aber auch darüber hinaus vermögen, wie wir oben gesehen haben, zahlreiche K o h l e n w a s s e r s t o f f e das Metall aus a n d e r e n m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n zu verdrängen, so daß sich, wenn man diese Fähigkeit zur Zersetzung von Metallderivaten anderer Wasserstoffverbindungen als M a ß f ü r d i e A c i d i t ä t einer Verbindung ansieht, etwa die folgende Abstufung der Säurestärken ergibt: H — 0 — S 0 , H > H O — C O — R > HO—C 6 H 5 > H — O H «
H — O R > H — N H , > H—C- C—H
Von diesen „Säuren" vermögen A c e t y l e n und alle l i n k s von ihm stehenden Verbindungen n o r m a l e G R I G N A R D V e r b i n d u n g e n bereits bei Z i m m e r t e m p e r a t u r zu zersetzen. F l u o r e n reagiert dagegen mit GRiGNARDVerbindungen erst bei 100°, und die r e c h t s von ihm stehenden Stoffe bis zum C h l o r b e n z o l können nur noch mit a l k a l i m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n umgesetzt werden. Beim B e n z o l und M e t h a n ist die Acidität des Wasserstoffs schließlich so g e r i n g , daß sie metallorganischen Verbindungen gegenüber überhaupt n i c h t m e h r in E r s c h e i n u n g t r i t t und nur noch auf indirektem Wege nachgewiesen werden kann.
Die Bedeutung der Reaktion liegt einerseits in der Möglichkeit der Darstellung sonst schwer zugänglicher Metallverbindungen, wie z. B. zahlreicher A l k oho l a t e (S. 200), der Metallderivate von organischen A m i n e n (S. 573) sowie schließlich auch von metallorganischen V e r b i n d u n g e n selbst (s. o.), andererseits in der Möglichkeit zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g von,,aktivem'', d. h.,,saurem'' Wasserstoff, die man nach T. Z E R E W I T I N O F F durch Zersetzung von Methylmagnesiumj o d i d und volumetrische Messung des entwickelten Methans (Gleichung formulieren!) vornimmt. Schließlich ist die Reaktion auch von einer gewissen „ n e g a t i v e n Bedeutung", da infolge der Labilität gegenüber aktiven Wasserstoffverbindungen sämtliche Umsetzungen metallorganischer Verbindungen unter strengem Feuchtigkeitsausschluß und in i n d i f f e r e n t e n L ö s u n g s m i t t e l n (meistens Ä t h e r n oder t e r t i ä r e n A m i n e n , vgl. auch unter 5) durchgeführt werden müssen. Erst der nur noch schwach „saure" Wasserstoff der sogenannten „ a k t i v e n M e t h y l e n g r u p p e n " reagiert mit GRiGNARDVerbindungen so l a n g s a m , daß hier die unter 3. beschriebene A n l a g e r u n g an die Carbonylgruppe l e i c h t e r erfolgt. Doch ist es durch Verwendung stark r a u m b e a n s p r u c h e n d e r Metallalkyle (meistens von T r i t y l n a t r i u m ) , deren An-
767
I : Die Reaktionen der metallorganischen Verbindungen
lagerung an die Carbonylgruppe s t e r i s c h b e h i n d e r t wird (vgl. II, Kap. 7, IV, 2), mehrfach gelungen, auch den Wasserstoff der CO—CHj-Gruppe durch Metall zu ersetzen. Z. B. konnte K . ZIEGLER (1942) auf diesem Wege k o m p l i z i e r t e r e C a r b o n s ä u r e e s t e r unter I n t a k t l a s s e n der C a r b o n y l g r u p p e in a-Stellung m e t a l l i e r e n und über die hierbei entstehende metallorganische Verbindung a l k y l i e r e n , eine Reaktion, die sonst nur über die K e t o - c a r b o n s ä u r e e s t e r oder M a l o n s ä u r e e s t e r (vgl. S. 523f.) möglich ist: CH3
R—CHaA—COOR
+
—(C,HS),CH
R—CHNa—COOK
— R — C H — C O O R —NAJ
Auch bei der auf S. 1013 beschriebenen Verwendung von Tritylnatrium als K o n d e n s a t i o n s m i t t e l für die CLAISENkondensation von I s o b u t t e r s ä u r e e s t e r macht man von dieser Reaktion Gebrauch.
Zu 2. Erst wenn kein a k t i v e r W a s s e r s t o f f mehr vorhanden ist, der infolge seiner Beweglichkeit immer bevorzugt in Reaktion tritt, vermögen metallorganische Verbindungen auch mit anderen (gesättigten) polaren Verbindungen, insbesondere mit Halogenverbindungen, im Sinn einer normalen doppelten Umsetzung zu reagieren. Hierbei tritt der K o h l e n s t o f f wieder an den positiven Molekülteil, so daß gänzlich andere R e a k t i o n s p r o d u k t e entstehen als bei der Alkylierung mit Alkylhalogeniden: R—J ; R:—J
/ + H g\
.F
-HgJ,
F
*
R—F , + ; R—F
R—Me R—Me
, +
Cl v ; \:„ Al&
C1 ;
— 2MeCl , "
Rx R
\„ /HS
Die Reaktion ist praktisch ebenfalls von großer Bedeutung und dient: 1. bei der Einwirkung von Metallhalogeniden zur Darstellung anderer metallorganischer Verbindungen (s. oben), 2. bei der Einwirkung von Nichtmetallhalogeniden zur Darstellung der organischen D e r i v a t e zahlreicher N i c h t m e t a l l e (vgl. S.741, 745 u.a.), sowie schließlich 3., wenn man A l k y l h a l o g e n i d e auf die metallorganischen Verbindungen einwirken läßt, zur S y n t h e s e von Kohlenwasserstoffen. In diesem letzteren Falle findet eine gegenseitige Alkylierung von positiv und negativ geladenen K o h l e n w a s s e r s t o f f r e s t e n statt: R—iNa + Hai—:R'
>• R — R ' + NaHal
Diese gegenseitige Alkylierung von Alkylhalogeniden und Metallalkylen ist mit der zweiten Teilreaktion der auf S. 69 beschriebenen WuBTzschen Synthese — bei der der eigentliche Aufbau der K o h l e n s t o f f k e t t e stattfindet — identisch und stellt daher in gewissem Sinne eine andere Ausführungsform dieser Synthese dar. Sie wird daher oft auch direkt als W U R T Z s e h e S y n t h e s e bezeichnet. Diese WuBTZsche S y n t h e s e ist häufig von N e b e n r e a k t i o n e n begleitet (vgl. z.B. die auf S. 69 beschriebene Disproportionierung in P a r a f f i n und Olefin). Interessant ist auch der vor der eigentlichen Synthese zuweilen beobachtete Austausch von Halogen und Metall im Sinne der folgenden Gleichung1): R—Me + Hai—R'
Rr—Hai + Me—R',
der bei optisch a k t i v e n Verbindungen eine R a c e m i s i e r u n g des Reaktionsprodukts zur Folge hat. ! ) M . S . KHABASCH U. C . F . F U C H S : GOLDEY: A m . S o c . 75, 3 9 7 5
(1953).
J.
Org. Chem.
10,
292
(1945);
H . D . ZOOK
U. R . N .
768.
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
Wesentlich schwieriger als organisch gebundenes Halogen lassen sich bereits einw e r t i g e S a u e r s t o f f r e s t e mittels metallorganischer Verbindungen substituieren. Insbesondere die a l i p h a t i s c h e Ä t h e r g r u p p e ist gegen metallorganische Verbindungen weitgehend s t a b i l , wie u. a. aus der Möglichkeit der Verwendung vonÄthern als R e a k t i o n s m e d i u m f ü r G m o N A E D r e a k t i o n e n hervorgeht. Erst die wesentlich aktiveren, als Alkylierungsmittel wirkenden E s t e r s t a r k e r S ä u r e n (wie z. B. D i m e t h y l s u l f a t ) sowie auch die relativ leicht spaltbaren O r t h o c a r b o n s ä u r e und O r t h o k o h l e n s ä u r e e s t e r vermögen unter L ö s u n g e i n e r C — O - B i n d u n g den organischen Rest auf das Alkylradikal von metahorganischen Verbindungen zu übertragen: 2 R—iMe +
0— CH" OoS/ x
R-
~Me'S0'
0—R' M e
, 2 R—CH."3
0—
+ R'_()_.;ch/
~
B
„„ '-°Me
•
,0—R' R - C H ^
^0—R'
^0—R' OR'
Q
K-Me -
R'-O-Q^O-R'
~R'-°Me->
R-C^OR'
0—R'
OR'
Insbesondere die letzten beiden Reaktionen haben wir als Bildungsmöglichkeiten für A c e t a l e (S. 246, 273) und O r t h o c a r b o n s ä u r e e s t e r (S. 352) bereits kennengelernt. Auch in den Olefinoxyden ist die C — O - B i n d u n g genügend r e a k t i o n s f ä h i g , um sich mit metallorganischen Verbindungen im Sinne einer W u R T Z s c h e n S y n t h e s e umzusetzen (vgl. auch S. 444): R — M g X + H2C
CH 2
• R^-CHj—CHa—OMgX
Erst wenn man von den GRiGNARDkörpern zu den reaktionsfähigeren a l k a l i m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n übergeht, beobachtet man verschiedentlich die Aufspaltung auch von n o r m a l e n Ä t h e r n . So konnte z. B. P . SCHORIGIN schon im Jahre 1910 D i ä t h y l ä t h e r durch N a t r i u m a l k y l e im Sinne folgender Gleichung in N a t r i u m ä t h y l a t , Ä t h y l e n und das der natriumorganischen Verbindung entsprechende P a r a f f i n (also unter Umgehung der W t J R T Z s c h e n Synthese) zerlegen:
CH3—CHj—0—CH2—CH3 + R—Na
• CHS—CH2—ONa + CH2—CH2 + R—H
Weitere Ätherspaltungen, vor allem von A r y l ä t h e r n , beschreiben A. LÜTTRINGHAUS1) und K . ZIEGLER2).
Zu 3. In der Addition an polare, speziell an Carbonyldoppelbindungen, liegt ohne Zweifel die präparativ wichtigste Reaktion der metallorganischen Verbindungen vor. Sie verläuft s t e t s in dem Sinne, daß das n e g a t i v e C - A t o m der Organometalle an den p o s i t i v e n C a r b o n y l k o h l e n s t o f f und das positive M e t a l l a t o m an den negativen S a u e r s t o f f tritt (bzgl. des Mechanismus vgl. auch S. 772 u. I I , Kap. 3, I I , 2b): v
^>C=0 + R—Me
v
/OMe
> yC^ R
*) A. LÜTTRINGHAUS U. Mitarbb.: A. 667, 25, 46 (1947). K . ZIEGLER U. H.-G. GELLERT: A . 667, 185 (1950).
2)
769
I: Die Reaktionen der metallorganischen Verbindungen
Die Reaktion erfolgt bei der großen Reaktionsfähigkeit beider Komponenten im allgemeinen bereits beim Zusammengeben der Reaktionspartner bei Zimmertemperatur und gestattet daher eine große Anzahl von Synthesen unter schonenden Bedingungen. Sie ist prinzipiell bei allen Carbonylverbindungen (mit Ausnahme der aktiven Wasserstoff enthaltenden Carbonsäuren und Carbonsäureamide) möglich und führt stets, wie aus der Reaktionsgleichung hervorgeht, zu einer Erhöhung der Carburierungs- und Erniedrigung der Oxydationsstufe des Carbonyl-C-Atoms. Man spricht daher vielfach von einer „aufbauenden Reduktion" oder „aufbauenden Hydrierung". Die einzelnen Möglichkeiten haben wir bereits im 4. Kapitel kennengelernt, so daß wir uns an dieser Stelle mit einem kurzen schematischen Überblick über den außerordentlich großen Anwendungsbereich dieser Reaktion begnügen können (s. S. 770). Danach kann man mit Ausnahme der rechtsstehenden Methanderivate sämtliche Verbindungen, die eine einfache Sauerstoff-Funktion im Molekül enthalten, mit Hilfe einer derartigen Anlagerungsreaktion (ausgezogene Pfeile) darstellen und, wenn man die unter 2. beschriebene WuRTzsche Synthese (gestrichelte Pfeile) dazu nimmt, auch die sauerstofffreien Kohlenwasserstoffe. Jede derartige „GRIGNARD-Reaktion" führt dabei von der Ausgangsverbindung zu der links über ihr angeordneten Substanz. In gleicher Weise wie die Carbonyldoppelbindung treten auch andere polare Mehrfachbindungen mit metallorganischen Verbindungen in Reaktion. So erhält man z. B. aus Nitrilen die Ketimine und durch deren Hydrolyse die Ketone (S. 273), sowie aus den kohlenstofffreien Doppelbindungen in den Nitrosoverbindungen und im Schwefeldioxyd die sekundären Hydroxylamine (628) und die Sulfinsäuren (S. 733): Ar—N=0 + Ar—Me
• ^ ^ N — O M e bzw. a /
+ R—Me
•
R—
^O
OMe
Zu 4. Olefinischen Doppelbindungen gegenüber verhalten sich die metallorganischen Verbindungen dagegen bei Zimmertemperatur im allgemeinen i n d i f f e r e n t , und nur die besonders aktiven A l k a l i m e t a l l d e r i v a t e lagern sich an bestimmte Olefine, wie z. B. an asymmetrische Diarylolefine (S. 146) oder an Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungssystemen 1 ), an. Erst bei etwas erhöhten Temperaturen vermögen eine Reihe von metallorganischen Verbindungen auch mit normalen Olefinen zu reagieren. Bemerkenswert ist vor allem die von K. ZIEGLER beobachtete Addition von lithiumorganischen Verbindungen2) und Aluminiumtriäthyl 3 ) an Ä t h y l e n , die nicht beim Aluminiumtributyl halt macht, sondern unter erneuter Anlagerung der B u t y l r e s t e — sowie der aus diesen entstehenden H e x y l r e s t e usw. — an weitere Äthylenmoleküle im Sinne einer Äthylenpolymerisation weitergeführt werden kann. (Im folgenden nur für ein Äquivalent formuliert): al—C2H6
+ C,H
« > al—CHa—CHa—C2H5
+ C H
' * > al—CH2—CH2—CHa—CHj—C2H6
+ C,H
' >• usw.
Da die entstehenden A l u m i n i u m t r i a l k y l e sich durch nachträgliche H y d r o l y s e der AI —C-Bindung leicht in die zugehörigen Kohlenwasserstoffe überführen lassen (Gleichung formulieren!), kann man auf diese Weise ohne Schwierigkeit die ganze Reihe der geradzah!) Zusammenfassung: R. GAERTNER: Chem. Rev. 45, 493 (1949); vgl. auch: R. C. FUSON u. J . S. MEEK : J . Org. C h e m . 1 0 , 5 5 1 ( 1 9 4 5 ) ; A . LÜTTBINGHATJS U. K . SCHOLTIS : A . 557, 7 0 (1947). 2 ) K . ZIEGLER U. H . - G . GELLEM: A . 667, 195 (1950).
s ) Zusammenfassung der hauptsächlich auf dieser Reaktion beruhenden metallorganischen Synthesen: K. ZIEGLER U. Mitarbb.: Angew. Chem. 64, 323; 68, 721 (1952/56).
49 K l a g e s , Lehrbuch der Organischen Chemie I, 2
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
I : Die Reaktionen der metallorganischen Verbindungen
771
l i g e n (bzw. bei Verwendung von A l u m i n i u m t r i p r o p y l als Ausgangsverbindung auch der u n g e r a d z a h l i g e n ) n - P a r a f f i n e mit Molekulargewichten bis zu 5000 darstellen.
Zu 5. 0xydationsreaktionen. Ähnlich wie d i e P h o s p h i n e , S t i b i n e , B o r a n e usw. zeigen auch zahlreiche metallorganische Verbindungen eine derartige Affinität zum S a u e r s t o f f , daß sie bereits an der Luft unter S e l b s t e n t z ü n d u n g reagieren. Als Oxydationsprodukte entstehen bei vorsichtig geleiteter Reaktion die A l k o h o l a t e , die formal unter Einschiebung eines O - A t o m s zwischen das M e t a l l a t o m und den o r g a n i s c h e n R e s t entstehen: R—Me + 0
• R—0—Me
In analoger Weise wirken elementarer S c h w e f e l und die H a l o g e n e unter Bildung v o n M e r c a p t i d e n bzw. A l k y l h a l o g e n i d e n spaltend auf die C—Me-Bindung ein: R—Cl + MeCl
_±°!»_ R — M e
- -
• R—S—Me
Zuweilen tritt auch bei anderen Umsetzungen statt der erwarteten normalen Anlagerungsoder Substitutionsreaktionen eine O x y d a t i o n der metallorganischen Verbindung ein. Dies ist insbesondere bei den Substanzen der Fall, die s e m i p o l a r g e b u n d e n e n S a u e r s t o f f enthalten, der leicht o x y d a t i v abgespalten wird. So geht z. B., wie bereits auf S. 723 ausgeführt, bei der Einwirkung von S u l f o n s ä u r e c h l o r i d e n auf GRiGNARDverbindungen eines der semipolar gebundenen O-Atome zur m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g über, und man erhält nicht das erwartete Sulfon, sondern den S u l f i n s ä u r e e s t e r . Auch Substanzen mit nicht sehr aktiven Doppelbindungen, wie z. B. die N i t r o v e r b i n d u n g e n , wirken o x y d i e r e n d auf metallorganische Verbindungen ein, wenn sie gleichzeitig s e m i p o l a r g e b u n d e n e n S a u e r s t o f f enthalten. Aus diesem Grunde ist z. B. die so einfach erscheinende Darstellung der noch unbekannten Verbindungsklasse der Dialkylnitronsäuren
(
X^,/*
R/
\ durch Einwirkung von m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n auf N i t r o -
x
N . OH/ ™ , / k ö r p e r (Gleichung formulieren!) bisher n i c h t gelungen. Schließlich findet auch bei n o r m a l e n Additionsreaktionen zuweilen eine O x y d a t i o n der metallorganischen Verbindung als N e b e n r e a k t i o n statt. Insbesondere die auf S. 628 beschriebene Bildung der D i a r y l h y d r o x y l a m i n e aus N i t r o s o v e r b i n d u n g e n verläuft aus diesem Grunde nur wenig glatt. Ferner beobachtet man in den Fällen, in denen eine s t e r i s c h e B e h i n d e r u n g der Anlagerung, z. B. an Ketone mit stark r a u m b e a n s p r u c h e n d e n A l k y l r e s t e n , zu erwarten ist (vgl. z.B. II, Kap. 7, IV, 2), häufig eine Red u k t i o n des Ketons unter gleichzeitiger O l e f i n b i l d u n g als Ausweichreaktion: Rv \ ) = 0 + R'—CH2—CH2—MgX v/
R.
/O—Mg X
•
+ RCH=CH2 R
H
Zu 6. Eine Reaktion, bei der ausschließlich die M e t a l l a t o m e in Reaktion treten, und die daher von Metall zu Metall einen v e r s c h i e d e n a r t i g e n Verlauf nimmt, liegt in der Bildung von Komplexverbindungen mit dem L ö s u n g s m i t t e l vor. Hier ist das Metallatom jeweils bestrebt, seine Elektronenschale zum O k t e t t zu vervollständigen. Es werden daher von den l i t h i u m o r g a n i s c h e n Verbindungen jeweils drei, von den zink- und m a g n e s i u m o r g a n i s c h e n Verbindungen zwei Lösungsmittelmoleküle und von den a l u m i n i u m o r g a n i s c h e n Verbindungen nur noch eines komplex gebunden, während die organischen Derivate der Metalle der v i e r t e n Gruppe des P e r i o d e n s y s t e m s schließlich überhaupt n i c h t mehr zur Komplexbildung befähigt sind, weil in ihnen das Zentralatom bereits ein v o l l s t ä n d i g e s O k t e t t enthält:
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
772 /0R2
R—Li^OR2 'OR2
/ Har
M
/0R2
H
OR2
/ BT
§\ X
Z n
/ORG
R\
OR 2
R^Al*-OR2 R
\
RX
/ R
S n
\ X
R
Diese Komplexbildung ist von großer praktischer Bedeutung, da durch sie zahlreiche metallorganische Verbindungen überhaupt erst in Lösung gebracht werden können. Die Bindung des Lösungsmittels in diesen Komplexen ist meist ziemlich f e s t . So kann man z. B. die Ätheraddukte der GRiGNARDverbindungen selbst durch Erhitzen im Vakuum auf 100° noch n i c h t zerlegen. Dagegen findet ein A u s t a u s c h verschiedener Äthermoleküle statt, so daß man nach Zusatz eines h ö h e r s i e d e n d e n Lösungsmittels den Diäthyläther leicht a b d e s t i l l i e r e n kann. Eine ähnliche Thermostabilität bei gleichzeitiger Austauschmöglichkeit der komplex gebundenen Lösungsmittelmoleküle beobachtet man auch bei den Additionsverbindungen der A l u m i n i u m t r i a l k y l e .
Außer den Ä t h e r n können auch a n d e r e S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n komplex an das Metallatom angelagert werden. So hat z. B . P . P F E I F F E R ( 1 9 3 9 ) beobachtet, daß K e t o n e mit G R I G N A B D V e r b i n d u n g e n nicht unmittelbar die oben beschriebene Anlagerungsreaktion eingehen, sondern daß sie zunächst eine (zuweilen isolierbare) K o m p l e x v e r b i n d u n g des Typus R 2 C=0—>Mg(R)X bilden, die bei der Hydrolyse das noch u n v e r ä n d e r t e K e t o n zurückliefert. Erst in dieser Komplexverbindung besitzt dann anscheinend die durch die Komplexbindung a k t i v i e r t e C a r b o n y l g r u p p e (vgl. II, Kap. 3, II, 2b) eine genügende Reaktionsfähigkeit, um nunmehr mit ü b e r s c h ü s s i g e r GRIONARnverbindung die e i g e n t l i c h e A d d i t i o n s r e a k t i o n zu erleiden1). Zu 7. L i t h i u m - , M a g n e s i u m - , und A l u m i n i u m - a l k y l - V e r b i n d u n g e n erleiden bei Temperaturen zwischen 100 und 200° eine Abspaltung des betreffenden M e t a l l h y d r i d s zum O l e f i n : Me—CH 2 —CH 2 —R 1 0 ° - 2 0 n , Me—H + C H 2 = C H — R Zusammen mit der auf S. 765 beschriebenen A n l a g e r u n g der gleichen M e t a l l h y d r i d e an O l e f i n e und der auf S. 769 beschriebenen Anlagerung a l u m i n i u m o r g a n i s c h e r Verbindungen an O l e f i n e kann man nach K. ZIEGLER2) diese Reaktion im Sinne einer durch A l u m i n i u m h y d r i d (bzw. wahrscheinlicher durch ein D i a l k y l a l u m i n i u m h y d r i d des Typus RjAl—H) katalysierten O l e f i n d i m e r i s a t i o n auswerten: R — C H = C H 2 + al—H R—CH 2 —CH 2 R—CH—CH a —al
• R—CH 2 —CH 2 —al
+
R-CB=CH,^
—h R—C=CHS
II. Die wasserunbeständigen metallorganischen Verbindungen 3 ) 1. Die organischen Derivate der Alkalimetalle und verwandte Verbindungen a) D i e a l k a l i m e t a l l - und a m m o n i u m o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n Von den alkalimetallorganischen Verbindungen sind bisher nur die Derivate des L i t h i u m s , N a t r i u m s und K a l i u m s dargestellt worden. Ihre R e a k t i o n s f ä h i g k e i t und auch ihre Labilität nimmt in der genannten Reihenfolge derart zu, daß Bzgl. weiterer Einzelheiten vgl. auch V. FRANZEN u. H. K R A U C H : Chem. Z. 79, 137 (1955). ) Zusammenfassung: Angew. Chem. 64, 323 (1952). s ) Zusammenfassung (neben anderem): G. E. COATES: Quart. Rev. 4, 217 (1950). 2
773
II, l a : Die alkalimetallorganischen Verbindungen
lediglich die von K. Z I E G L E R (1930) in die chemische Praxis eingeführten Lithiumverbindungen eine größere präparative Bedeutung erlangt haben. Ihre D a r s t e l l u n g erfolgt allgemein durch Umsetzen von metallischem Lithium mit Alkyl- oder Arylhalogeniden, wobei die einzige Schwierigkeit, die teilweise Zerstörung des b e r e i t s gebildeten üthiumalkyls durch noch n i c h t umgesetzte Halogenverbindung im Rahmen einer normalen W r R T Z s c h e n Reaktion (vgl. S. 762) durch Verwendung geeigneter L ö s u n g s m i t t e l umgangen werden kann. Weiterhin gewinnt man zahlreiche organische Lithiumverbindungen mit Hilfe der auf S. 764 unter 2a beschriebenen Verdrängung des M e t a l l a t o m s aus a n d e r e n l i t h i u m o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n sowie durch Anlagerung von metallischem Lithium oder lithiumorganischenVerbindungen an a r y l s u b s t i t u i e r t e olefinische Doppelbindungen (S. 146).
Die lithiumorganischen Verbindungen sind amorphe, nicht ohne Zersetzung schmelzende Pulver, die mit Ausnahme des Lithiummethyls auch in K o h l e n wasserstoffen löslich sind. Da die a l i p h a t i s c h e n Verbindungen in Lösung den Strom nicht l e i t e n , sind sie mit Sicherheit keine Salze. Schwieriger war die Entscheidung beim a r o m a t i s c h e n L i t h i u m - p h e n y l zu treffen, denn hier konnte G. WrrnG 1 ) nachweisen, daß sich die monomere Verbindung durch Bildung des dimeren K o m p l e x e s [(C e H 5 ) 2 Li]~Li+ stabilisiert, in dem das äußere L i t h i u m a t o m durch N a t r i u m ersetzbar ist. Es liegt also zweifellos ein Salz vor, doch findet trotzdem nicht die Bildung echter C a r b e n i a t - I o n e n statt, sondern sämtliche organischen Rsste sind durch Atombindungen an das Lithium gebunden.
Chemisch zeichnen sich die lithiumorganischen Verbindungen durch eine außerordentliche L u f t - und W a s s e r e m p f i n d l i c h k e i t aus und werden daher im allgemeinen gleich in Lösung weiter verarbeitet. Sie sind prinzipiell zu allen oben angeführten Umsetzungen befähigt, doch verwendet man sie in Anbetracht ihres teuren Preises praktisch nur zu Reaktionen, denen die billigeren magnesiumorganischen Verbindungen noch n i c h t zugänglich sind. Als Beispiel einer derartigen, nur mit den Lithium- (und anderen Alkalimetall-)alkylen durchführbaren Reaktion sei die Anlagerung eines L i t h i u m a l k y l s an P y r i d i n angeführt, die für die Synthese der « - s u b s t i t u i e r t e n Pyridine und D i h y d r o p y r i d i n e von praktischer Bedeutung ist (S. 902): H A II
+ R—Li
H Ferner vermögen nur die l i t h i u m o r g a n i s c h e n und andere a l k a l i m e t a l l o r g a n i sche Verbindungen Äther zu spalten (vgl. S. 768) oder sich an konjugierte olefinische Doppelbindungen anzulagern und auf diese Weise die Polymerisation der 1,3-Diene zu katalysieren (vgl. S. 108).
Die Kalium- und Natriumalkyle können n i c h t mehr nach dem Alkylhalogenidverfahren dargestellt werden, da sich hier in jedem Fall das gesamte Alkylhalogenid ausschließlich im Sinne der erwähnten WuRTZschen Synthese (vgl. S. 762) umsetzt. Sie sind infolgedessen ziemlich schwer zugängliche Substanzen ') G.
WITTIG
u. Mitarbb.: B. 88, 294 (1955).
774
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
und werden nach W. SCHLENK (1917) am besten aus Q u e c k s i l b e r d i a l k y l e n und den freien A l k a l i m e t a l l e n gewonnen: HgR 2 + 2 Na(K)
Hg + 2 R—Na(K)
Die niederen Natrium- und Kaliumalkyle fallen ebenfalls in Form a m o r p h e r P u l v e r an, die in indifferenten Lösungsmitteln bereits u n l ö s l i c h sind und sich mit L u f t s a u e r s t o f f und F e u c h t i g k e i t nahezu explosionsartig umsetzen. Sie haben infolge ihrer schwierigen Handhabung keine praktische Anwendung gefunden. Doch dürften sie bei der N a t r i u m p o l y m e r i s a t i o n des B u t a d i e n s und I s o p r e n s — sowie bei der normalen WuitTzschen Synthese bei Verwendung von N a t r i u m oder K a l i u m als K o n d e n s a t i o n s m i t t e l — a l s n i c h t f a ß b a r e Z w i s c h e n p r o d u k t e auftreten. Die interessantesten Natriumalkyle sind ohne Zweifel die intensiv roten a r o m a t i s c h - a l i p h a t i s c h e n Verbindungen Benzylnatrium und Tritylnatrium, die beide in S c h w e f e l d i o x y d als Lösungsmittel den e l e k t r i s c h e n S t r o m leiten. Da hier eine K o m p l e x b i l d u n g wie beim Lithium-phenyl (s. oben) n i c h t stattzufinden scheint, vermögen sie also als einzige bisher bekannte Verbindungen den Alkylrest als C a r b e n i a t - I o n abzudissoziieren: -CH2—Na
Daß es sich bei diesen stark farbigen Verbindungen tatsächlich um e c h t e S a l z e mit (im wesentlichen) freien Carb niat-Anionen handelt, geht insbesondere auch daraus hervor, daß man die Alkalimetall-Ionen ohne wesentliche Änderung des Bindungscharakters durch das T e t r a m e t h y l a m m o n i u m - I o n ersetzen kann, das g r u n d s ä t z l i c h n i c h t mehr zur Ausbildung einer Atombindung zwischen dem Stickstoff und dem Anion befähigt ist. Die Darstellung dieser eigenartigen „metallorganischen" Verbindungen geschieht nach W. SCHLENK (1917) durch doppelte Umsetzung der n a t r i u m - o r g a n i s c h e n Verbindungen mit T e t r a m e t h y l - a m m o n i u m c h l o r i d in ätherischer Lösung: [(C 6 H 6 ) 3 C|] |Na+ + Cr[(CH 3 ) 4 N] +
— NaCl
[(C 9 H 6 ) 3 C|] [(CH 3 ) 4 N] +
Das angeführte Tetramethyl-ammonium-tritylat fällt hierbei als intensiv rotes Pulver aus, das in P y r i d i n gelöst den elektrischen Strom l e i t e t . Auch in seinen übrigen Eigenschaften zeigt es das erwartete Verhalten einer m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindung. Z. B . tritt mit Wasser sofort H y d r o l y s e ein, und Kohlendioxyd wird unter Bildung von T r i p h e n y l e s s ig s ä u r e (bzw. deren Tetramethylammoniumsalz) angelagert: O © © + H,0 + CO, (CH3)4N (CH3)4N OH(CH3)4N (C,H6)3C—G (C„H6)3C| -(C,HS)SCH x 0 b) Die Y l i d e und Y l e n e Versucht man, das T e t r a m e t h y l - a m m o n i u m - I o n auch mit einfachen Alk y l - oder A r y l r e s t e n zu kombinieren, um auch in diesen den Kohlenstoff zur Bildung von C a r b e n i a t - I o n e n zu zwingen, so erhält man nach G. WITTIG1) nicht *) Zusammenfassung: Angew. Chem. 63, 15 (1951); bzgl. der Struktur der Ylide vgl. auch: G. WITTIG U. R . POLSTER: A. 6 9 9 , 1 ( 1 9 5 6 ) .
775
II, 1 b: Die Ylide und Ylene
die gewünschte salzartige Verbindung mit f ü n f organischen Resten um das N-Atom (z. B. I), sondern der Carbeniat-Kohlenstoff ist hier so aktiv, daß er einer der Methylgruppen des Tetramethylkations ein P r o t o n unter Bildung des inneren S a l z e s II mit einer echten s e m i p o l a r e n B i n d u n g zwischen S t i c k s t o f f und K o h l e n s t o f f entreißt: 0 /CHj > \ CH3
CHj
e r + lü—c,h 6
ch 3 X
- I.iCl
@
/CH 3
CHg> \ CH2:H
|c,h5-
-C.H.
H,
CH. CH./
N
11
\ CH.
Diese neuartige Yerbindungsklasse ist durch die n e g a t i v g e l a d e n e CH 2 -Gruppe ausgezeichnet, die sich in ähnlicher Weise von der M e t h y l g r u p p e ableitet wie die H a l o g e n i d - I o n e n von den H a l o g e n w a s s e r s t o f f e n und deshalb den Namen Methylidgruppe erhalten hat. In Anlehnung an die Bezeichnungen E n o l e , E n a m i n e usw. wurde schließlich von G. W I T T I G die allgemeine Endung -ylide für derartige organische Reste als Gruppenname Ylide für Verbindungen dieses Typus vorgeschlagen. Die Methylid- (bzw. allgemeiner A l k y l i d ) - G r u p p e zeigt infolge der Anwesenheit eines C a r b e n i ä t - C - A t o m s grundsätzlich die gleichen Reaktionen wie die m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen,< die ja bei der (während der Reaktion „ k r y p t o i o n o g e n " erfolgenden) Abdissoziation des Metalls ebenfalls in C a r b e n i a t Ionen übergehen. Die wichtigsten bisher durchgeführten Umsetzungen sind in folgendem Formelbild zusammengestellt: [(CH3)3N—CHs]+ OH-
+ H,0
ch 3 .
Tetramethyl-ammonium-hydroxyd
_
+ CH,;—J („Wurtzsche Synthese")
CHAN-*CH 2
[ (CH3)3N—CH2—J ] + J-
CH/
+ J,
Trimethyl-äthyl-ammoniumjodid
e
o + K,C=Q
in
Trimethyl-jodmethyl-ammonium-jodid
[ (CH3)3N—CH2—CH3]+ J-
(CH3)3N—CHS—CB2 Zwitterion des Trimethyl-colamina
Allerdinga ist die A k t i v i t ä t des Carbeniat-Kohlenstoffs hier durch die benachbarte posit i v e L a d u n g des S t i c k s t o f f s (F-Effekt, vgl. II, Kap. 3,1, 3b) stark geschwächt. Man kann infolgedessen einige Verbindungen der Reihe aus Wasser ausschütteln1), ohne die oben formulierte Bildung von T e t r a a l k y l - a m m o n i u m h y d r o x y d e n befürchten zu müssen.
Auch von den T e t r a a l k y l p h o s p h o n i u m s a l z e n ausgehend sind analoge Verbindungen hergestellt worden. Hier nimmt man jedoch an, daß keine reinen semip o l a r e n P-^C-Bin düngen entstehen, sondern (zumindest im Rahmen einer Mesomerie mit diesen) echte D o p p e l b i n d u n g e n , zu deren Bildung der Phosphor wegen der Möglichkeit der Ü b e r s c h r e i t u n g der O k t e t t z a h l im Gegensatz zum Stickstoff g r u n d s ä t z l i c h b e f ä h i g t ist. Diese Phosphorverbindungen (z. B. IV) enthalten also keine reine Alkylidgruppe mehr, sondern eine normale d o p p e l t g e b u n d e n e A l k y l e n g r u p p e und werden deshalb im Gegensatz zu den Y l i d e n Ylene2) genannt. Sie unterscheiden sich auch hinsichtlich einiger R e a k t i o n e n charakteristisch von den Yliden. Beispielsweise entstehen mit O x o v e r b i n d u n g e n primär nicht isolierbare cyclische A d d u k t e des Typus V, die bei der spontan eintretenden Wiederaufspaltung sich so u m g r u p p i e r e n , daß nunmehr der S a u e r 2
F . KRÖHNKE: B . 83, 253 (1950).
) Zusammenfassung: G.
WITTIG:
Angew. Chem. 68, 505 (1956).
776
Kap. 9 : Die metallorganischen Verbindungen
s t o f f zum P h o s p h o r wandert und die beiden organischen Reste sich unter Bildung einer C = C - D o p p e l b i n d u n g vereinigen: 0=CR2
+
(CH 3 ) 3 P=CH—R' IV(Ylen)
•
0—CR2
I
0
I
CR 2
t + ü
(CH 3 ) 3 P—CH—R' V
(CH 3 ) 3 P
CH—R'
Die Reaktion, die von G. WITTIG Olifinierung genannt wird, kommt praktisch auf die Umwandlung einer C = 0 - in eine C = C - D o p p e l b i n d u n g hinaus. Sie findet in diesem Sinne auch p r ä p a r a t i v e A n w e n d u n g zur Synthese komplizierter olefinischer Verbindungen. 2. Die magnesiumorganischen Verbindungen Von den organischen Derivaten der Erdalkalimetalle haben nur die nach ihrem ersten Bearbeiter allgemein als GRION ARDverbindungen bezeichneten A l k y l bzw. A r y l m a g n e s i u m h a l o g e n i d e eine größere Bedeutung erlangt. Sie stellen infolge ihrer leichten Darstellbarkeit und Handhabung die wichtigsten metallorganischen Verbindungen überhaupt dar, und an ihnen sind auch die meisten der auf S. 765 f. beschriebenen Reaktionen untersucht worden. Diese Ausnahmestellung verdanken die GEIONAEDVerbindungen hauptsächlich dem Umstand, daß sie einerseits bei b i l l i g e r e r D a r s t e l l u n g s m ö g l i c h k e i t kaum reaktionsträger als die alkalimetallorganischen Verbindungen sind, und daß ihre B e s t ä n d i g k e i t andererseits gegenüber Luftsauerstoff bereits derart zugenommen hat, daß sie in Lösung in n o r m a l e n G e f ä ß e n (lediglich unter F e u c h t i g k e i t s a u s s c h l u ß ) verarbeitet werden können. Sie weisen also ein O p t i m u m der wichtigsten G e b r a u c h s e i g e n s c h a f t e n auf. Ihre Darstellung erfolgt nach V. GRIGNARD ausschließlich durch Umsetzung der A l k y l - bzw. A r y l h a l o g e n i d e mit M a g n e s i u m p u l v e r oder - s p ä n e n in ätherischer Lösung, wobei stets die oben beschriebenen Ä t h e r k o m p l e x e entstehen: ß\ R—Hai + Mg + 2 R 2 0
•
yOR2 /Mg(
Har
N OR
2
Die Reaktion verläuft meistens stürmisch unter lebhaftem Aufsieden des Ätjiers, kommt jedoch bei den reaktionsträgen C h l o r - und B r o m v e r b i n d u n g e n häufig nur schwer in Gang und muß in diesem Falle durch Zusatz von einem Körnchen J o d oder etwas M e t h y l m a g n e s i u m j o d i d l ö s u n g , sowie auch durch A k t i v i e r u n g des M a g n e s i u m s durch vorheriges Erhitzen mit wenig Jod, zum A n l a u f e n gebracht werden. A l k y l f l u o r i d e reagieren schließlich überhaupt n i c h t m e h r mit Magnesium. Auch bei der Darstellung der GRIGNARDVerbindungen tritt die WuRTzsche Synthese zuweilen als N e b e n r e a k t i o n auf, kann hier aber stets durch Senkung der Temperatur zurückgedrängt werden. Es empfiehlt sich daher, den Ansatz bei der Bereitung der GRIGNAED-LÖsungen nicht allzu stürmisch aufsieden zu lassen.
Auf Grund ihrer Bildungsweise glaubte man lange Zeit, die GRiGNARDverbindungen als wirkliche g e m i s c h t e A l k y l m a g n e s i u m h a l o g e n i d e der Formel R — M g X ansehen zu müssen. Wie jedoch W. SCHLEHE (1929) zeigen konnte, liegt in der ätherischen Lösung stets ein G e m i s c h der d r e i Verbindungen R — M g — R , R — M g X und MgX 2 vor, das durch Zusatz von D i o x a n in die unlöslich ausfallenden Verbindungen R — M g X und MgX 2 einerseits und das in Lösung verbleibende M a g n e s i u m d i a l k y l R — M g — R andererseits zerlegt werden kann. Dieser Befund ist für die praktische Anwendbarkeit der GEIGNARDVerbindungen zu synthetischen
II, 2 und 3: Die magnesium- und zinkorganischen Verbindungen
777
Reaktionen b e l a n g l o s , da es in diesem Fall nur auf die Zahl der in Lösung vorhandenen M g — R - B i n d u n g e n , nicht aber auf den sonstigen Bindungszustand des Metalls ankommt. Er ist jedoch von t h e o r e t i s c h e m Interesse als wichtiges Argument für die n i c h t - i o n o g e n e Natur der C—Mg-Bindung, denn nur in diesem Falle ist die Abscheidung der A l k y l m a g n e s i u m h a l o g e n i d e neben den M a g n e s i u m h a l o g e n i d e n zu erwarten, da beim Vorliegen von f r e i e n I o n e n nur die s c h w e r s t - l ö s l i c h e Komponente, also das in Dioxan vollkommen unlösliche MgX 2 , ausfallen sollte. Die GiuGNARDverbindungen sind in Form ihrer in der Praxis ausschließlich verwandten ä t h e r i s c h e n L ö s u n g e n hinreichend o x y d a t i o n s b e s t ä n d i g , reagieren jedoch beim Durchleiten von L u f t auch in Lösung-(oder gar in l ö s u n g s m i t t e l f r e i e m Zustand) sehr heftig mit Luftsauerstoff. Zur Darstellung der ä t h e r f r e i e n Verbindungen muß man die Alkylhalogenide daher in X y l o l oder T o l u o l als Reaktionsmedium mit Magnesium umsetzen. Sie gehen hier n i c h t mehr in Lösung und fallen als g r a u e P u l v e r an. Reine Magnesiumdialkyle R—Mg—R gewinnt man nach H. GILMAN (1927) durch Umsetzen von Q u e c k s i l b e r d i a l k y l e n mit metallischem Magnesium (Gleichung formulieren!) oder durch Eindunsten ihrer beim Fällen von normalen GRiGNABDlösungen mit D i o x a n (s. oben) entstehenden Lösungen im H o c h v a k u u m bei Z i m m e r t e m p e r a t u r . Sie sind ebenfalls graue, amorphe Pulver, die sich bereits vor Erreichen des Schmelz- oder Sublimationspunkts (im H o c h vakuum) bei 175° unter Abspaltung von O l e f i n e n und Hinterlassung des nicht flüchtigen M a g n e s i u m w a s s e r s t o f f s zersetzen (vgl. S. 772). Nach G. WiTna 1 ) kann man schließlich auch K o m p l e x s a l z e herstellen, in denen sich drei o r g a n i s c h e R e s t e an einem Mg-Atom befinden: (C,H5)2Mg + C,H5—Li
-> [(C6H5)3Mg]-Li+ Trlphenylmagnesium-lithium
Die von H. GILMAN2) untersuchten reinen D i ä t h y l d e r i v a t e des Calciums,
Strontiums und Bariums nähern sich in ihren Eigenschaften wieder den a l k a l i m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen und zeigen eine mit dem Atomgewicht des Metalls z u n e h m e n d e R e a k t i o n s f ä h i g k e i t . 3. Die organischen Zink- und Cadmiumverbindungen Zink und Cadmium stehen wie das Magnesium s e c h s Stellen vor einem Edelgas und bilden ebenfalls sehr reaktionsfähige organische Derivate, die aber bereits f l ü s s i g sind und leicht d e s t i l l i e r t werden können (vgl. Tab. 33, S. 738). Die wichtigeren Zinkverbindungen werden im Gegensatz zu den G B I G N A R D verbindungen o h n e L ö s u n g s m i t t e l direkt aus Z i n k s t a u b und den A l k y l h a l o g e n i d e n gewonnen, wobei zunächst in ähnlicher Weise die A l k y l - z i n k h a l o g e n i d e entstehen, die sich jedoch leicht durch t h e r m i s c h e Z e r s e t z u n g zu den abdestillierenden Zinkdialkylen und den neutralen Z i n k d i h a l o g e n i d e n disproportionieren lassen: R—Hai + Zn
• R—ZnHal
Erhitzel
U V2 ZnR2 + V» ZnHal2
Ein anderes wichtiges Verfahren geht von den Q u e c k s i l b e r d i a l k y l e n aus und setzt diese in der üblichen Weise mit Z i n k s t a u b um (Gleichungen formulieren!).
Die Zinkdialkyle sind infolge ihrer Flüchtigkeit und ihrer allgemeinen Anwendung in lösungsmittelfreiem Zustand bei etwa g l e i c h e r R e a k t i o n s f ä h i g k e i t X
2
) G . WITTIG
) H.
GILMAN
U. Mitarbb. A. 571, 167 (1951). U. Mitarbb.: Am. Soc. 6 7 , 520, 922 (1945).
778
K a p . 9: Eie metallorganischen Verbindungen
in der Handhabung viel e m p f i n d l i c h e r als die GRiGNARDverbindungen. So reagieren sie z. B. mit L u f t s a u e r s t o f f sofort unter S e l b s t e n t z ü n d u n g und können nur in g e s c h l o s s e n e n Gefäßen aufbewahrt werden. Sie dienten vor Einführung der Alkylmagnesiumsalze als wichtigste metallorganische Verbindungen in der präparativen organischen Chemie. Die bei der Darstellung der Zinkdialkyle primär entstehenden Alkylzinkhalogenide sind bereits deutlich r e a k t i o n s t r ä g e r als die entsprechenden Magnesiumverbindungen und finden infolgedessen zuweilen Verwendung als m i l d e R e a g e n t i e n . So verwendet man sie (neben den unten beschriebenen C a d m i u m v e r b i n d u n g e n ) z. B. statt GRiGNARDverbindungen, wenn S ä u r e h a l o g e n i d e zu K e t o n e n umgesetzt werden sollen, ohne daß Weiterreaktion zum tertiären Alkohol eintritt (vgl. S.273). Auch bei der Methode von S . R E F O R M A T S K Y (vgl. S.997) ist ein intermediär auftretendes Alkylzinkhalogenid das eigentlich wirksame Agens. Die Organo-cadmiumVerbindungen sind hinsichtlich ihrer D a r s t e l l u n g , Z u s a m m e n s e t z u n g und auch hinsichtlich ihrer a l l g e m e i n e n E i g e n s c h a f t e n (vgl. Tab. 33, S.738) den Zinkverbindungen sehr ähnlich, so daß auf ihre nähere Besprechung hier verzichtet werden kann. Ihre c h e m i s c h e R e a k t i o n s f ä h i g k e i t ist gegenüber der der Zinkdialkyle bereits wesentlich a b g e s c h w ä c h t und nähert sich der der reaktionsträgen Q u e c k s i l b e r v e r b i n d u n g e n . Immerhin rauchen sie noch an der L u f t und scheiden mit Feuchtigkeit einen Niederschlag aus. Präparativ werden Organo-cadmiumverbindungen neuerdings vielfach zur Darstellung von K e t o n e n aus C a r b o n s ä u r e c h l o r i d e n verwandt 1 ) (vgl. S. 273), da sie noch weniger als die zinkorganischen Verbindungen zur W e i t e r r e a k t i o n mit den gebildeten Ketonen neigen.
Ähnlich wie beim Magnesium kennt man auch vom Zink und C a d m i u m organische Komplexsalze mit mehr als zwei Arylresten am Metallatom 2 ). Erwähnenswert sind die dem Triphenylmagnesium-hthium analog konstituierten Salze Triphenylzink-lühium und Triphenylcadmium-lithium (formulieren!) sowie das etwas komplizierter gebaute Heptaphenyl-dizink-trilithium, in dem eines der beiden Zinkatome sogar vier Arylreste zu tragen scheint. 4. Die organischen Derivate des Aluminiums, Galliums und Indiums Die Aluminiumtrialkyle stellt man entweder durch Umsetzung von A l u m i n i u m c h l o r i d mit GRiGNARDverbindungen in ätherischer Lösung dar oder durch Einwirkung von A l k y l h a l o g e n i d e n auf eine A l u m i n i u m - M a g n e s i u m - L e g i e r u n g der Zusammensetzung Al2Mg3 ohne Lösungsmittel, wobei im Sinne der Ausführungen auf S. 763 die Halogenatome ausschließlich an das elektronegativere Magn e s i u m treten (Gleichungen formulieren!). Die Aluminiumtrialkyle sind im Gegensatz zu den magnesium- und alkalimetallorganischen Verbindungen l e i c h t f l ü c h t i g e , an der Luft s e l b s t e n t z ü n d l i c h e Flüssigkeiten, die eigenartigerweise im f l ü s s i g e n Zustand — sowie dicht oberhalb der Siedetemperatur auch im D a m p f z u s t a n d — in Form von D o p p e l m o l e k ü l e n 3 ) vorliegen. Im übrigen sind sie nicht mehr zu allen oben beschriebenen Umsetzungen befähigt. Insbesondere mit C a r b o n y l v e r b i n d u n g e n tritt normalerweise k e i n e R e a k t i o n mehr ein. Dagegen bilden sie wie die GRiGNARDverbindungen sehr beständige Ä t h e r a t e und A m i n a t e und reagieren, wie schon erwähnt (S. 769), oberhalb 100° mit O l e f i n e n . Weitere interessante organische Aluminiumverbindungen, in denen sich als erste Annäherung an die n i c h t m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen, und zwar speziell an die A l k y l b o r a n e , neben dem organischen Rest noch W a s s e r s t o f f a m A l u m i n i u m befindet, *) Zusammenfassung: J . CASON: Chem. Rev. 40, 15 (1947). 2
3
) G . W I T T I G U. M i t a r b b . : A . 5 7 1 , 1 6 7
(1951).
) Bzgl. einiger Deutungsversuche dieser Dimerisationstendenz vgl.: K . S. P I T Z E R u. TOWSKY: Am. Soc. 68, 2204 (1946); R . E. RUNDLE: ebenda 69, 1329 (194*7) u. a.
H.
S.
GU-
779
I I I , 1: Dis quecksilberorganischen Verbindungen
k a n n m a n n a c h E . W I B E R G ( 1 9 4 2 ) beim Durchleiten von A l u m i n i u m t r i a l k y l - D ä m p f e n dm W a s s e r s t o f f s t r o m d u r c h eine G l i m m e n t l a d u n g s r ö h r e e r h a l t e n : A1R3 + n H 2
• AlRa—n Hn + n R — H
(n =
2
2
3)
Sie zeigen als Ü b e r g a n g s v e r b i n d u n g e n z u m hochmolekularen A l u m i n i u m w a s s e r s t o f f (vgl. anorg. Lehrbücher) m i t steigendem Wasserstoffgehalt eine z u n e h m e n d e P o l y m e r i s a t i o n s n e i g u n g . N ä h e r u n t e r s u c h t w u r d e bisher lediglich der Diäthyl-aluminium-Wasserstoff (C 2 H 5 ) 2 A1—H, d e n m a n n a c h K . Z I E G L E R (1952) p r ä p a r a t i v a m besten d u r c h R e d u k t i o n von D i ä t h y l - a l u m i n i u m c h l o r i d mit L i t h i u m a l u m i n i u m h y d r i d in ätherischer Lösung gewinnt (Gleichung formulieren!). E r liegt bei Z i m m e r t e m p e r a t u r in der d i m e r e n F o r m v o r u n d ist, insbesondere in ätherischer Lösung, relativ beständig, so d a ß er als mildes R e d u k t i o n s m i t t e l v o m M e t a l l h y d r i d t y p u s p r ä p a r a t i v e Verwendung f i n d e n k a n n 1 ) . Schließlich k a n n m a n auch vom A l u m i n i u m ähnliche Komplexsalze herstellen wie von den zweiwertigen Metallen, von denen die aus T r i p h e n y l a l u m i n i u m mit L i t h i u m - p h e n y l u n d L i t h i u m h y d r i d entstehenden Verbindungen Tetraphenylaluminium-lithium und Lithiumtrrphenylaluminiumhydrid als Beispiele a n g e f ü h r t seien 2 ): [(C 9 H 5 ) 1 Al]-Li+ Tetraphenylaluminium-lithium
[(C 6 H 5 ) 3 A1H]-Li+ Lithium-triphenylaluminiumhydrid
Auch v o m Indium u n d Gallium sind f l ü s s i g e , destillierbare TrimethylVerbindungen b e k a n n t , die n a c h E . W I B E R G ( 1 9 4 3 ) a m besten a u s den f r e i e n E r d m e t a l l e n u n d Q u e c k s i l b e r d i m e t h y l n a c h d e m auf S. 765 beschriebenen V e r f a h r e n (Gleichungen formulieren!) gewonnen werden. Sie sind im Gegensatz zu d e n Aluminiumtrialkylen m o n o m o l e k u l a r . Die Galliumverbindungen k ö n n e n ebenfalls in der G l i m m e n t l a d u n g s r ö h r e m i t elementarem Wasserstoff zu dimeren Oalliumalkylwa^serstoff-Verbindungen umgesetzt w e r d e n .
III. D i e w a s s e r b e s t ä n d i g e n m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n Die Organoverbindungen der übrigen S c h w e r m e t a l l e und Ü b e r g a n g s e l e mente 3 ) sind viel b e s t ä n d i g e r und werden bei normaler Temperatur nicht mehr durch Wasser zersetzt. Sie sind für den Organiker vielfach ohne B e d e u t u n g , da ihre Reaktionen lediglich im Zusammenhang mit den sonstigen Eigenschaften des betreffenden Elementes (vgl. anorg. Lehrbücher) interessieren, so daß wir uns, obwohl von f a s t jedem S c h w e r m e t a l l organische Derivate dargestellt worden sind, an dieser Stelle auf einige wenige Beispiele beschränken können. Weiterhin sind hier von den zahlreichen bekannten O r g a n o s c h w e r m e t a l l v e r b i n d u n g e n nur diejenigen abgehandelt, in denen das Metallatom durch normale c-Bindungen (Näheres vgl. II, Kap. 3, II, 1) an den Kohlenstoff gebunden und damit in normaler Weise durch andere Liganden s u b s t i t u i e r bar ist. Auf die daneben auch bekannten organischen Schwermetallverbindungen mit anomal (hauptsächlich wohl durch ^ - E l e k t r o n e n ) gebundenem Metall (Metallcarbonyle und Aromatenkomplexe) wird dagegen erst auf S. 797f. näher eingegangen werden. 1. Die organischen Quecksilberverbindungen Wie die n i c h t - i o n o g e n e Natur des Q u e c k s i l b e r ( I I ) - c y a n i d s und auch die Unlöslichkeit aller Q u e c k s i l b e r - S c h w e f e l - V e r b i n d u n g e n zeigt, ist das Quecksilber gegenüber den meisten anderen Metallen durch eine eigenartige Neigung zur ') ) 3 ) Chem. 2
K . ZIEGLER u. Mitarbb.: Angew. Chem. 67, 425 (1955). G. WITTIG U. O. BUB: A. 566, 113 (1950). Zusammenfassung über die organischen Derivate der Übergangsmetalle: F. A. COTTON: Rev. 1955, 551.
780
Kap. 9: Die metallorganischen Verbindungen
Bildung s t a b i l e r Atombindungen mit den verschiedenartigsten Elementen, insbesondere mit Schwefel, S t i c k s t o f f und K o h l e n s t o f f , ausgezeichnet. Diese Ausnahmestellung des Quecksilbers macht sich auch in einer erhöhten S t a b i l i t ä t seiner organischen Derivate bemerkbar, die einem ganz anderen Verbindungstypus als die bisher besprochenen metallorganischen Verbindungen angehören. Für ihre Darstellung sind eine große Anzahl von Methoden entwickelt worden. So erhält man die Alkyl- und auch Arylquecksilberhalogenide in Analogie zu den entsprechenden Aluminiumverbindungen sowohl durch Behandlung von Q u e c k s i l b e r mit A l k y l h a l o g e n i d e n als auch bei der Einwirkung von Q u e c k s i l b e r h a l o g e n i d e n auf ein Mol einer G R I G N A R D v e r b i n d u n g . Ferner entstehen sie bei der A b s p a l t u n g nur eines A l k y l r e s t e s aus Quecks i l b e r d i a l k y l e n mittels J o d s . Auch für die Darstellung der Quecksilber-dialkyle gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann sie entweder direkt in einem Reaktionsgang durch Einwirkung von N a t r i u m a m a l g a m auf A l k y l h a l o g e n i d e (vgl. S. 763) bzw. D i a l k y l s u l f a t e — sowie auch durch Umsetzung der Q u e c k s i l b e r d i h a l o g e n i d e mit zwei Molen einer GRiGNARDverbindung — gewinnen, oder aber man stellt sie in einer Z w e i s t u f e n r e a k t i o n über die A l k y l q u e c k s i l b e r h a l o g e n i d e dar, die sowohl beim Erhitzen unter D i s p r o p o r t i o n i e r u n g als auch bei der Einwirkung eines zweiten Mols einer GRiGNARDverbindung in die Dialkylverbindungen übergehen. In letzterem Fall kann man durch V a r i a t i o n der A l k y l r e s t e auch gemischte Quecksilberdialkyle aufbauen. Alle diese Möglichkeiten sind in dem folgenden Schema nochmals übersichtlich zusammengestellt: Hg + R—Hai
—ig Ü3 +1 W 'S IC=N—CH,* 1
Die Isonitrile weisen infolgedessen zwischen dem C- und dem N-Atom einen ähnlichen L a d u n g s u n t e r s c h i e d auf, wie er zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff im K o h l e n o x y d besteht, und müssen daher im Gegensatz zu den Nitrilen, die normale C a r b o n s ä u r e d e r i v a t e darstellen (vgl. S. 362f.), als die eigentlichen organischen D e r i v a t e des K o h l e n o x y d s angesehen werden *) Im älteren Schrifttum auch Carbylamine genannt.
I, 2 : Reaktionen des Kohlenoxyds £
e» 0 O > •cÖ © •s bO m 3 ca -d M O a a> 3 o M a o a S CO • 'w -S
$
•o
3
791
792
Kap. 10: Verbindungen mit anomalen Funktionen
Ihre Konstitution ergibt eich insbesondere auf Grund zahlreicher p h y s i k a l i s c h e r D a t e n , die, wie z.B. der RAM A N e f f e k t und auch der P a r a c h o r w e r t , stets eindeutig f ü r eine echte d r e i f a c h e B i n d u n g zwischen Kohlenstoff und Stickstoff sprechen. Die alte Formel mit zweiwertigem Kohlenstoff (R—N=C) wurde daher allgemein fallen gelassen. Mit c h e m i s c h e n M i t t e l n läßt sich dagegen die dreifache C=N-Bindung n i c h t b e w e i s e n , da sämtliche Reaktionen von beiden Formeln aus g l e i c h g u t erklärt werden können. Auf chemischem Wege kann man daher nur die R e i h e n f o l g e d e r A t o m e , d. h. insbesondere die konstitutionellen U n t e r s c h i e d e Z w i s c h e n N i t r i l e n u n d I s o n i t r i l e n aufklären, worauf wir weiter unten noch näher eingehen werden.
Die Darstellung der Isonitrile geschieht nach zwei grundsätzlich verschiedenen Verfahren: 1. durch A l k y l i e r u n g g e e i g n e t e r M e t a l l c y a n i d e , und 2. durch Umsetzung primärer A m i n e mit Chloroform und A l k a l i . Zu 1. Bei der Alkylierung freier C y a n - I o n e n , wie sie bei der Einwirkung von A l k y l i e r u n g s m i t t e l n auf die A l k a l i m e t a l l c y a n i d e stattfindet, wird der K o h l e n s t o f f wesentlich leichter angegriffen als der Stickstoff, und es entstehen daher in überwiegender Menge die normalen N i t r i l e , wie u.a. die Verwendung der Reaktion zur KoLBEschen N i t r i l s y n t h e s e (S. 321) zeigt. Blockiert man dagegen das einsame Elektronenpaar am Kohlenstoff durch Bildung eines nicht - ionogenen S c h w e r m e t a l l c y a n i d s , so läßt sich auch der S t i c k s t o f f a l k y l i e r e n , und man kann durch nachträgliche Zersetzung des hierbei entstehenden I s o n i t r i l k o m p l e x e s zu den I s o n i t r i l e n selbst gelangen. Am gebräuchlichsten für die Darstellung der e i n f a c h e n A l k y l i s o n i t r i l e ist die Alkylierung von S i l b e r c y a n i d mit A l k y l j o d i d e n , die, etwa im Sinne der folgenden Gleichung, zunächst über das K o m p l e x s a l z I zum neutralen Isonitrilkomplex II des S i l b e r c y a n i d s führt, das sich als eigentliches Ausgangsmaterial für die Isonitrilgewinnung beliebig lange a u f b e w a h r e n läßt, und aus dem das Isonitril durch K a l i u m c y a n i d in Freiheit gesetzt wird: Ag—C=N! + R—J + Ag
©
Ag—C==N—R i
V)
T t r K | • |N=C—Ag—C=N—R II
Zu 2. Eine der Kohlenoxydbildung analoge Bildung von Isonitril über eine A b s p a l t u n g s r e a k t i o n beobachtet man bei der Einwirkung von Chloroform und Alkali auf primäre Amine (S. 581). Hier ist das wahrscheinlich intermediär entstehende N - A l k y l - a m e i s e n s ä u r e - i m i d c h l o r i d (I) als die Muttersubstanz der Isonitrile anzusehen. Doch ist der eigentliche Reaktionsmechanismus noch ungeklärt : 2HC1 / / — Hfl © © (NaÖH) ( R - N = C ^ C J - I N I W R - N - C l a Die Isonitrile sind f a r b l o s e , im Durchschnitt etwa 20° tiefer als die normalen Nitrile siedende F l ü s s i g k e i t e n , die sich wie die Thiophenole durch einen äußerst w i d e r w ä r t i g e n und i n t e n s i v e n Geruch auszeichnen und eine ähnliche Giftwirkung zeigen wie Kohlenoxyd und Blausäure. Da sie infolge der B e s e t z u n g des u n g e b u n d e n e n E l e k t r o n e n p a a r e s am Stickstoff nicht mehr genau die Elektronenstruktur des N2-Moleküls kopieren, sind sie wesentlich r e a k t i o n s f ä h i g e r
793
I, 3: Die Isonitrile
als K o h l e n o x y d und so instabil, daß sie (mit wenigen Ausnahmen) selbst in reinem Z u s t a n d bereits nach wenigen Stunden unter Bildung stark farbiger Produkte zu p o l y m e r i s i e r e n beginnen und beim Ü b e r h i t z e n auch e x p l o d i e r e n können. Ihr chemisches Verhalten ist in erster Linie durch ihre Tendenz zur Anlagerung saurer V e r b i n d u n g e n gekennzeichnet, bei der (wie beim Kohlenoxyd) stets beide Addenden an das K o h l e n s t o f f a t o m treten, so daß unter Aufhebung des Ladungsunterschiedes D e r i v a t e des F o r m i m i d s entstehen:
© e
R—N=C| +
H—X
>•
R—
/CH.
x/
Diese Säureempfindlichkeit ist so groß, daß selbst s c h w a c h s a u r e Substanzen langsam angelagert werden. So führt z. B. die Anlagerung von A n i l i n i u m s a l z e n zu den Salzen der entsprechend substituierten F o r m a m i d i n e (Gleichung formulieren!).
Etwas weniger leicht lagern sich b a s i s c h e V e r b i n d u n g e n an die dreifache Bindimg an. Insbesondere sind Isonitrile bei Zimmertemperatur gegen A l k a l i e n vollständig b e s t ä n d i g , und die Anlagerung von f r e i e m Anilin zum Formamidin erfolgt (im Gegensatz zu der der Aniliniumsalze) erst bei T e m p e r a t u r e n um 200°:
© e
R—N=C| + H 2 N—Ar
• R—N=CH—NH—Ar
Schließlich wird (ebenfalls wie beim Kohlenoxyd) auch eine Reihe von freien E l e m e n t e n addiert, die, soweit es sich um negative Elemente handelt, in analoger Weise ausschließlich an den K o h l e n s t o f f unter Bildung von K o h l e n s ä u r e d e r i v a t e n treten: R—N=C=0 • (Oxydationsmittel) -. | = R—N=C=S
—
«© 0„ R—N=C|
i
,
= ¡ i
> R—NH—CH S
Die mit der K o h l e n o x y d h y d r i e r u n g vergleichbare Anlagerung von zwei Molekülen H 2 zum s e k u n d ä r e n Amin hat eine gewisse präparative Bedeutung erlangt, da sie den einfachsten Weg darstellt, um sekundäre Amine, die eine Met h y l g r u p p e enthalten, aufzubauen. Alle diese Reaktionen können gleichzeitig als Strukturbeweis für die Isonitrile angesehen werden, da sie e i n d e u t i g e A r g u m e n t e dafür liefern, daß der organische Rest am S t i c k s t o f f steht, dieser also den organischen Rest vom typischen Isonitril-C-Atom trennt. Dagegen sind, wie wir oben gesehen haben, Aussagen über den B i n d u n g s z u s t a n d der Atome innerhalb des Isonitrilmoleküls auf Grund c h e m i s c h e r R e a k t i o n e n n i c h t m ö g l i c h .
Abgesehen von diesen normalen Anlagerungsreaktionen vermögen die Isonitrile auf Grund ihres sehr aktiven ungebundenen E l e k t r o n e n p a a r e s am dreifach gebundenen C-Atom auch eine Reihe von Komplexverbindungen zu bilden, von denen wir die S i l b e r - i s o n i t r i l - j o d i d e (I) und -Cyanide (II) bereits als Zwischenprodukte der unter 1 beschriebenen Darstellungsreaktion kennengelernt haben. Noch interessanter sind die dem N i c k e l t e t r a c a r b o n y l entsprechenden Nickel-tetraisonitrilo mit oxydativ 0 - w e r t i g e m N i c k e l , die man nach W . H I E B E R 1 ) und F. K L A G E S 2) auf Grund der größeren Reaktionsfähigkeit der Isonitrile glatt durch Verdrängung des K o h l e n o x y d s aus Nickeltetracarbonyl mittels der einzuführenden Isonitrile darstellen kann: *) W. HIEBEB u. E. BÖCKLY: Z. anorg. Chem. 262, 344 (1950). 2)
F . KLAGES U. K . MÖNKEMEYER: B . 8 3 , 5 0 1 (1950).
794
Kap. 10: Verbindungen mit anomalen Funktionen ©
00
©
|O^C-X00/C^OI ©
©
|0=CT
©
+4|gJLAr A
"
$
~4!c=°
C=0|
00
©
Ar—N=C^Q© ^C=N—Ar ©
Ar—N=C
X
©
C=N—Ar
Die Nickel-tetraaryl-isonitrile sind schön kristallisierende gelbe Substanzen, die in L ö s u n g a u t o x y d a b e l sind und zu N i ( I I ) - I o n e n und K o h l e n s ä u r e d e r i v a t e n abgebaut werden. Zuweilen zeigen die Isonitrilmoleküle in derartigen Komplexen eine a u f f a l l e n d e R e a k t i o n s f ä h i g k e i t . Als Beispiel sei die von F. KLAGES1) beobachtete, bereits bei Zimmertemperatur spontan eintretende H y d r o l y s e von an K u p f e r (I) - p h e n y l a c e t y l e n i d komplex gebundenen A r y l i s o n i t r i l e n erwähnt. Sie führt, da gleichzeitig eine A n l a g e r u n g der als Hydrolysenprodukt zu erwartenden A n i l i n b a s e an ein z w e i t e s I s o n i t r i l m o l e k ü l erfolgt, zur Bildung von je einem Molekül K o h l e n o x y d und D i a r y l f o r m a m i d i n aus zwei Molekülen Isonitril: ©
©
Ar—N=CI
0 © -
> (Ar—NH 2 )
+IC
^ y ~ A r » Ar—NH—CH=N—Ar .
— t" (>
4. Die Knallsäure Das interessanteste Kohlenoxydderivat ist ohne Zweifel die K n a l l s ä u r e , in der die Elektronenstruktur des N 2 - bzw. CO-Moleküls am s t ä r k s t e n a u f g e l o c k e r t ist, und die infolgedessen sehr v i e l s e i t i g r e a g i e r t . Sie trägt am Isonitrilstickstoff eineOH-Gruppe, so daß sie früher als O x i m d e s K o h l e n o x y d s (Formell) aufgefaßt wurde (J. U. NEE 1894). Doch kommt ihr ohne Zweifel ebenfalls die normale Isonitrilstruktur (II) zu, und wir müssen den Sauerstoff infolge der O n i u m n a t u r d e s S t i c k s t o f f s eher mit dem A m i n o x y d - , speziell dem N i t r i l o x y d - S a u e r s t o f f (S. 366), als mit dem Oximsauerstoff vergleichen. Dies geht insbesondere aus den unten beschriebenen P o l y m e r i s a t i o n s r e a k t i o n e n hervor, die von einer tautomeren N i t r i l o x y d - F o r m der Knallsäure, dem Blausäureoxyd (III), auszugehen scheinen: C=N—OH i
©
©
|C=N—OH Ii
,
H—€=N->0 in
Abgesehen von dieser Tautomerie mit dem als E i n z e l v e r b i n d u n g u n b e k a n n t e n Blausäureoxyd ist die Knallsäure auch i s o m e r mit der C y a n s ä u r e H O — C = N . Diese Isomerie ist vor allem von h i s t o r i s c h e m Interesse, da sie den e r s t e n e i n d e u t i g n a c h g e w i e s e n e n Isomeriefall darstellt, dessen Aufklärung wir L I E B IG und WÖHLER verdanken. Beide Forscher kamen bei der Analyse der Silbersalze der K n a l l s ä u r e ( L I E B I G 1 8 2 3 ) und der C y a n s ä u r e (WÖHLER 1 8 2 2 ) zu der gleichen Summenformel AgCON und fanden, nachdem sie sich nach anfänglichen Zweifeln von der Richtigkeit ihrer Analysen überzeugt hatten, auch sofort die richtige Erklärung, daß nämlich die Atome in beiden Verbindungen v e r s c h i e d e n a r t i g a n g e o r d n e t sind. Von LIEBIG stammt ferner die für die S t r u k t u r a u f k l ä r u n g der Knallsäure wichtige Beobachtung, daß sie bei der Hydrolyse mit Salzsäure über das von ihm allerdings noch nicht aufgefundene F o r m - h y d r o x a m s ä u r e c h l o r i d (IV, auch F o r m y l c h l o r i d - o x i m genannt) in H y d r o x y l a m i n und A m e i s e n s ä u r e zerfällt: IC=N—OH
+HC1
> C ^.C=N—OHj
Hydroly9
% HCl + H^N—OH + HCOOH
IV F . K L A G E S U. K . M Ö N K E M E Y E R : B . 8 5 , 1 0 9
(1952).
I, 4 : Die Knallsäure
795
Die Darstellung der Knallsäure kann nach v e r s c h i e d e n e n M e t h o d e n erfolgen, die sämtlich auf dem bei der Kohlenoxydbildung beschriebenen Prinzip der Abspaltung z w e i e r e n t g e g e n g e s e t z t p o l a r i s i e r t e r S u b s t i t u e n t e n von einem, in diesem Fall oximierten, C a r b o n y l - C - A t o m beruhen und in dem folgenden Formelschema zusammengestellt sind: H;
\-V.N—OH ~
— HNO,
HC1
Cr :
ION-OH
Formylchloridoxim H
\
:
->C=N— OH
-
\ C=N—OH Methylnitrolsäure
ON v
— Y„ —H,O C=N—OH (an Stelle des nicht beständigen H « N Amido* ON—NH t ) methylnitrosolsäure
SIT,
Formamidoxim
Von allen diesen Bildungsweisen hat nur die Spaltung der M e t h y l n i t r o l s ä u r e praktische Bedeutung erlangt, über die letzten Endes die bereits im Jahre 1800 von dem englischen Chemiker E. H O W A R D aufgefundene und auch heute noch allgemein gebräuchliche Darstellung von Knallquecksilber durch Kochen von A l k o h o l mit k o n z e n t r i e r t e r S a l p e t e r s ä u r e in Gegenwart von m e t a l l i s c h e m Q u e c k s i l b e r vor sich geht. Der im einzelnen s e h r k o m p l i z i e r t e Reaktionsverlauf wurde von H . W I E L A N D ( 1 9 1 0 ) eingehend untersucht und konnte in allen Teilreaktionen sichergestellt werden. Danach erfolgt in voller Analogie zur C h l o r o f o r m b i l d u n g (S. 166) primär eine D e h y d r i e r u n g des Alkohols zum A c e t a l d e h y d (V), der dann in a-Stellung zur Carbonylgruppe nitrosiert wird (zur „Isonitrosoverbindung" VI) und schließlich durch D e c a r b o x y l i e r u n g des bei erneuter D e h y d r i e r u n g (zu VII) und Nitrierung entstehenden Nitrolsäurederivates der E s s i g s ä u r e (VIII) in die Methylnitrolsäure (IX) als die eigentliche Muttersubstanz der Knallsäure (II) übergeht: CH3—CH2—OH + H,0
-H,
— H,
HON=CH—COOH
y,0i
N,0, • HNO, — HNO,
HON;
e
©
» HON=CH—CH = 0
vi :C—COOH VIII
— CO,
H 02N
:C=NOH
|C=N=N—OH
Die f r e i e K n a l l s ä u r e ist eine äußerst u n b e s t ä n d i g e Verbindung, die nur in ä t h e r i s c h e r L ö s u n g für kurze Zeit in freiem Zustand gewonnen werden kann und sich als eine blausäureähnlich riechende, mit Ätherdämpfen flüchtige Substanz erweist. Sie wird infolge ihrer U n b e s t ä n d i g k e i t ausschließlich in Form ihrer S a l z e dargestellt und zur Reaktion gebracht. Ihre chemischen Umsetzungen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: 1. die A n l a g e r u n g s r e a k t i o n e n und 2. die (z. T. bereits von L I E B I G untersuchten) P o l y m e r i s a t i o n s r e a k t i o n e n . Zu 1. Die Anlagerung erfolgt stets in prinzipiell gleicher Weise wie beim Kohleno x y d und den I s o n i t r i l e n , läßt sich jedoch infolge der großen Polymerisationsneigung der Knallsäure nur in wenigen Fällen einwandfrei verwirklichen. Die einzigen ohne Nebenreaktionen durchführbaren Umsetzungen sind: 1. die Anlagerung von Chlorwasserstoff bei der Einwirkung von konzentrierter Salzsäure zum F o r m y l - o h l o r i d - o x i m , und 2. die Anlagerung von salpetriger Säure zur M e t h y l n i t r o l s ä u r e , die beide in Umkehrung der oben beschriebenen Bildungsreaktionen verlaufen (Gleichungen formulieren!). Die Re-
Kap. 10: Verbindungen mit anomalen Funktionen
796
aktion mit W a s s e r führt dagegen über die zunächst zu erwartende Anlagerung zur F o r m h y d r o x a m s ä u r e (formulieren!) hinaus zur A m e i s e n s ä u r e , und bei der Einwirkung der e l e m e n t a r e n H a l o g e n e (sowie auch von T r i t y l c h l o r i d ) auf Knallquecksilber entstehen unter sekundärer Abspaltung der Quecksilberhalogenide die s u b s t i t u i e r t e n N i t r i l o x y d e (bzw. deren S t a b i l i s i e r u n g s p r o d u k t e ) :
C(
Br
+ Br2
/°\
N
0
Br—C=N—Ohg C1
+ (C s H S ) 8 C—C1
-hgCl
(C e H s ) s C-C=N-Oihg
Dimerisierung (S. 366)
Ii c - -Br
Br—C
Dibrom-furoxan
(C„H,)3C—C^N^O beständiges Nitriloxyd
Zu 2. Die insbesondere von H. W I E L A N D ( 1 9 0 9 — 1 9 2 9 ) in allen Einzelheiten aufgeklärten Vorgänge bei der Polymerisation der Knallsäure lassen sich am besten von der auf S . 7 9 4 angeführten B l a u s ä u r e o x y d - F o r m (III) aus erklären. Danach erleidet das Blausäureoxyd zunächst eine l i n e a r e P o l y m e r i s a t i o n zu der d i m e r e n Verbindung X und der t r i m e r e n V e r b i n d u n g X I , die sich beide als i n s t a b i l e N i t r i l o x y d v e r b i n d u n g e n sofort sekundär zur Isocyanilsäure und Metafulminursäure als den ersten f a ß b a r e n Polymerisationsprodukten der Knallsäure stabilisieren: OH 0
O t
N
—•
+
III
C=N->0
HC
r~
I
N
t
N +
HC—C x
H |
98»/o
i
C=N->0
OH OH I I N N i!
XI
2«/. 0— I Dimerisierung zum i' uroxan-Derivat
N HC
N
H —O I N-»0 N II -CH C
Isocyanilsäure
I
HC—C—C=N->0 »5 «
N -
; N— OH HC—C
C=N—OH
Metafulminursäure
Hierbei entsteht die t e t r a m e r e Isocyanilsäure nicht etwa durch s c h r i t t w e i s e P o l y m e r i s a t i o n , sondern durch n a c h t r ä g l i c h e D i m e r i s i e r u n g des dimeren BlausäureoxydsX auf dem Wege einer normalen N i t r i l o x y d - D i m e r i s i e r u n g zum Furoxanderivat (S. 366). Doch ist die Ausbeute mit 2% nur gering, weil die Anlagerung eines weiteren Blausäureoxydmoleküls zum t r i m e r e n B l a u s ä u r e o x y d X I sehr viel r a s c h e r erfolgt. Dagegen geht dessen Stabilisierung zu der als Hauptprodukt entstehenden M e t a f u l m i n u r s ä u r e (XIII) als innermolekulare R i n g s c h l u ß r e a k t i o n s o schnell vor sich, daß man weder das Auftreten eines n o r m a l e n Tetramerisierungsproduktes, n o c h das eines der Isocyanilsäure entsprechenden F u r o x a n d e r i v a t e s aus sechs K n a l l s ä u r e m o l e k ü l e n beobachtet. Beide Reaktionsprodukte lassen noch die Struktur der an ihrem Aufbau beteiligten Knallsäuremoleküle erkennen (in den Formeln durch die dünnpunktierten Linien angedeutet). Sie sind immer noch sehr labile Verbindungen und zu einer Reihe s e k u n d ä r e r U m l a g e r u n g s r e a k t i o n e n befähigt. Die wichtigsten Derivate der Knallsäure sind ihre Salze (Fulminate) von denen wir das Knallquecksilber bereits als Endprodukt der technischen Knallsäuregewinnung kennengelernt haben. Es wird, ebenso wie das in analoger Weise aus S a l p e t e r s ä u r e , Ä t h y l a l k o h o l und metallischem S i l b e r entstehende Knallsilber, bereits durch Hitze oder Schlag zur D e t o n a t i o n gebracht (Name!) und diente
II: Die Metallcarbonyle
797
daher lange Zeit in der Technik als I n i t i a l z ü n d e r . In neuerer Zeit wird es zunehmend durch das etwas beständigere B l e i a z i d verdrängt. Diese Schwermetallfulminate besitzen mit großer Wahrscheinlichkeit die S t r u k t u r XIV mit einer M e t a l l - K o h l e n s t o f f - B i n d u n g , d.h. sie leiten sich von der oben r>_iw n beschriebenen B l a u s ä u r e o x y d f o r m (III) der Knallsäure ab. Hierfür XIV spricht u.a. auch ihre Befähigung zum Aufbau von ähnlichen K o m p l e x e n , wie wir sie von den S c h w e r m e t a l l c y a n i d e n her kennen. Beispielsweise entspricht dem bekannten N a t r i u m - e i s e n ( I I ) - c y a n i d Na2Fe(CN)9 das N a t r i u m - e i s e n ( I I ) - f u l m i n a t Na2Fe(CN0),.
II. Anomale metallorganische Verbindungen In den im 9. Kapitel beschriebenen „ n o r m a l e n " m e t a l l o r g a n i s c h e n Verb i n d u n g e n besitzen sowohl die M e t a l l e als auch der K o h l e n s t o f f stets ihre n o r m a l e n W e r t i g k e i t s s t u f e n , die bei ihren Reaktionen immer e r h a l t e n bleiben. Daneben kennt man aber auch organische Derivate einer Reihe von S c h w e r m e t a l l e n , in denen der Kohlenstoff nicht die normalen Liganden dieser Metalle ersetzt, sondern k o m p l e x g e b u n d e n wird. In ihnen beobachtet man auch am K o h l e n s t o f f häufig eine v o n der N o r m a b w e i c h e n d e Valenzbetätigung, so daß diese Gruppe von Organometallverbindungen g e s o n d e r t behandelt werden muß. Eine erste Gruppe derartiger anomaler metallorganischer Verbindungen liegt in den allgemein noch zur anorganischen Chemie gerechneten und deshalb hier nicht näher beschriebenen Metallcarbonylen (sowie den mit ihnen nahe verwandten Metall-isonitrilen, S. 793 f.) vor. Sie sind dadurch ausgezeichnet, daß das Metallatom trotz niedriger Oxydationsstufe (häufig sogar der Oxydationsstufe 0) eine mehr oder weniger große Zahl von Kohlenoxyd(bzw. Isor.itril-)molekülen komplex zu binden vermag. Diese Komplexe sind Durchdringungskomplexe, d.h. in ihnen ist der Kohlenstoff an das Metall durch echte Atombindungen gebunden, wodurch die Elektronenschale des Metalls im Idealfall zur Kryptonschale ergänzt wird. Gleichzeitig wird der Kohlenoxyd-Kohlenstoff durch diese Bindungsbetätigung normal vierbindig. Weiterhin sprechen die Atomabstände und sonstigen physikalischen Daten dafür, daß die Metall-Kohlenstoff-Bindung einen zwischen Einfach- und Doppelbindung liegenden Bindungsgrad aufweist. Man erteilt dem Nickelcarbonyl (als einfachstem Beispiel) daher am besten eine zwischen den Strukturen I (mit Carboxyl-Kohlenstoff) und II (mit Keton-Kohlenstoff) mesomere Konstitution zu 1 ): 0® III 0 © 3 |Ö © |0=C—Ni—C=0| G|Q C III o© 1
-I
•
"O II c |(
|| C II o v*' II
Eine ähnliche Befähigung zur Bildung von Durchdringungskomplexen weisen die gleichen Metalle gegenüber a r o m a t i s c h e n V e r b i n d u n g e n auf. Hier sind es die D o p p e l b i n d u n g s e l e k t r o n e n (n-Elektronen, vgl. II, Kap. III, 4) der aromatischen Ringsysteme, die in gleicher Weise wie die e i n s a m e n E l e k t r o n e n des *) Zusammenfassung über die Bindungsverhältnisse in Metallcarbonylen: J. W. B. K. SHBLINB: Chem. Rev. 1966, 1.
CABLE
u.
798
Kap. 10: Verbindungen mit anomalen Funktionen
Kohlenoxyds-C-Atoms die Elektronenschale des Metallatoms zur K r y p t o n s c h a l e ergänzen können. Im allgemeinen werden durch jedes Metallatom z w e i a r o m a t i s c h e R i n g e komplex gebunden, die je s e c h s D o p p e l b i n d u n g s e l e k t r o n e n zur Komplexbildung beitragen und damit je d r e i K o o r d i n a t i o n s s t e l l e n am Metallatom besetzen. Besonders zur Komplexbildung geeignet sind daher diejenigen o x y d a t i v 0 - w e r t i g e n Metalle, die zwölf S t e l l e n vor einem Edelgas stehen, wie z. B. C h r o m , oder von einem Metall, das nur z e h n S t e l l e n vor einem Edelgas steht, dessen z w e i w e r t i g e s K a t i o n (z. B. das F e + +-Ion). Der strukturell e i n f a c h s t e , wenn auch erst relativ spät entdeckte Aromatenkomplex dieser Art ist das von E. 0 . F I S C H E R 1 ) erstmals dargestellte Dibenzolchrom, in dem ein o x y d a t i v O - w e r t i g e s C h r o m a t o m mit z w e i B e n z o l m o l e k ü l e n zu einem Komplex vereinigt ist. Seine Darstellung gelingt durch Behandeln von wasserfreiem C h r o m ( I I I ) - c h l o r i d mit B e n z o l unter r e d u z i e r e n d e n F R I E D E L CRAFTS-Bedingungen, wobei sich intermediär das D i b e n z o l - c h r o m ( I ) - t e t r a c h l o r o a l u m i n a t bildet, das (nach Hydrolyse) leicht zum D i b e n z o l c h r o m selbst reduziert werden kann: 3 CrCl, + 6 CaH„ + 2 AI + A1C13
>• 3 [Cr(C6H,)2]+AlCI4" «Auktion ^ 3 Dibenzolchrom(l)-salz
Cr(c6H6)2
Dibenzolchrom
Viel wichtiger als das D i b e n z o l c h r o m selbst ist das Ferrocen, das seit 1951 von S. A. M I L L E R und Mitarbeitern sowie unabhängig davon von T . J . K E A L Y U. P. L. P A U S O N entdeckt wurde 2 ). In ihm fungiert statt des Benzols das C y c l o p e n t a d i e n y l - A n i o n (III), das wir auf S. 842 als weiteres a r o m a t i s c h e s S y s t e m kennenlernen werden, als o r g a n i s c h e B i l d u n g s k o m p o n e n t e , und zwar sind zwei dieser Anionen mit dem F e ++-Ion kombiniert, so daß sich in summa wieder ein n e u t r a l e s M o l e k ü l ergibt. Präparativ geht man zu seiner Darstellung von der G R I G N A R D - v e r b i n d u n g (oder einem A l k a l i m e t a l l d e r i v a t ) des C y c l o p e n -
t a d i e n s (vgl. S. 841) aus, die sich mit E i s e n ( I I ) - c h l o r i d im Sinne folgender Gleichung zu F e r r o c e n umsetzt: CH=CH^ 2I
CH—MgHal
CH=CH/'
+ FeCl, - 2 MgHalCl
^
e|CH + Fe++
2
ch=ch/ III
Fe(C 6 H 6 ) 2 ) Ferrocen
Die u n g e w ö h n l i c h e und s e h r e n g e Bindung der Metallatome an den Kohlenstoff der aromatischen Ringe in diesen beiden Verbindungen geht aus den A b b i l d u n g e n 14 und 15 hervor, in denen ihre STUARTmodelle wiedergegeben sind. Danach ordnen sich die Ringe jeweils in p a r a l l e l e n E b e n e n oberhalb und unterhalb des Metallatoms an, eine Struktur, die man sehr anschaulich als S a n d w i c h s t r u k t u r bezeichnet hat, und in der sämtliche C—Me-Ab s t ä n d e praktisch g l e i c h l a n g sind. Diese Abstände (im F e r r o c e n z. B. 2,05 A) zeigen eine ziemlich starke gegenseitige Durchdringung der Atome an und entsprechen etwa den für eine e i n f a c h e A t o m b i n d u n g erwarteten Werten. Die auch für den Kohlenstoff a n o m a l e N a t u r dieser Bindungen geht einerseits aus der völligen A b w e i c h u n g v o m T e t r a e d e r w i n k e l hervor, andererseits aus der Unmöglichkeit, die neuen Valenzen (je drei pro Ringsystem) gleichmäßig auf die nach wie vor g l e i c h w e r t i g e n C - A t o m e der Ringe zu verteilen. Auch ist es n i c h t m ö g l i c h , die Metall-Kohlenstoff-Bindung im Sinne normaler s t ö c h i o m e t r i s c h e r U m s e t z u n g e n (etwa durch H y d r o l y s e ) zu lösen. Eine eingehende Beschreibung dieses ungewöhnlichen Bindungscharakters erfolgt in II, Kap. III, 4 (ab 3. Aufl.). E. O . FISCHER U. W . H A F N E R : Z. f. Naturforsch. 10b, 665 (1955). ) Zusammenfassungen: P. L. PAUSON: Quart. Rev. 9, 391 (1955); E. O. FISCHER: Angew. Chem. 67, 475 (1955). 2
II: Dibenzolchrom und Ferrocen
799
Infolge der außerordentlich festen Metall-Kohlenstoff-Bindung sind D i b e n z o l c h r o m und F e r r o c e n recht s t a b i l e V e r b i n d u n g e n , die sich erst oberhalb 300° (bzw. 470°) zu zersetzen beginnen und unterhalb ihres Schmelzpunktes (Ferrocen: 173°; Dibenzolchrom: 284°) sublimiert werden können. Ferner sind sie gegen Wasser a b s o l u t s t a b i l und als unpolare Verbindungen in o r g a n i s c h e n L ö s u n g s m i t t e l n löslich (besonders in B e n z o l ) . Man kann auf diesem Wege also die genannten Schwermetalle in o r g a n i s c h e n S o l v e n t i e n in Lösung bringen, was u. U. für die zukünftige t e c h n i s c h e A n w e n d u n g der Komplexe (etwa als A n t i k l o p f m i t t e l , vgl. III, Kap. 1, I I , 3) von Bedeutung ist.
manm - •" r' MmM Abb. 14 STUARTmodell des Dibenzolchroms
Abb. 15 STUARTmodell des Ferrocens
( n a c h E . O. FISCHER)
( n a c h E . O. FISCHER)
Chemisch ist vor allem die auf der u n g e w ö h n l i c h e n O x y d a t i o n s s t u f e des Chroms beruhende leichte O x y d i e r b a r k e i t d e s D i b e n z o l c h r o m s (schon durch Luftsauerstoff) hervorzuheben. Auch in F e r r o c e n kann das Eisen zur d r e i w e r t i g e n S t u f e oxydiert werden, doch ist F e r r o c e n selbst noch l u f t b e s t ä n d i g . Dagegen sind in ihm die C y c l o p e n t a d i e n y l r e s t e ziemlich reaktionsfähig und einer Reihe von S u b s t i t u t i o n s r e a k t i o n e n zugänglich 1 ). Diese Möglichkeit der a r o m a t i s c h e n S u b s t i t u t i o n des Ferrocens (unter Erhaltung der K o m p l e x b i n d u n g ) zeigt gleichzeitig, daß der a r o m a t i s c h e C h a r a k t e r der Ringsysteme durch di r Komplexbildung zwar etwas g e s c h w ä c h t (gegenüber dem hypothetischen C y c l o p e n t a d i e n y l - A n i o n ) aber n i c h t w e s e n t l i c h g e s t ö r t wird. Der Kohlenstoff ist also über die vier n o r m a l e n V a l e n z e n , die er in jedem aromatischen System betätigt, hinaus zur weiteren B i n d u n g d e s M e t a l l s befähigt (Näheres vgl. ebenfalls II, Kap. 3, I I I , 4). Die erwähnte S c h w ä c h u n g des a r o m a t i s c h e n Charakters der Ringsysteme in diesen Aromatenkomplexen kommt in den verschiedenen Verbindungen dieses Typus v e r s c h i e d e n l
) Vgl. S. 798, Anm. 2 sowie an neueren Arbeiten: A. N. NESSMEJANOW U. Mitarbb.: (nis-
sisch), R e f e r a t : C 1957, 7020, 9 0 6 4 ; 1 9 5 8 , 9 7 5 0 ; K . L . RINEHART JR. U. M i t a r b b . : A m . Soc. 78, 2749, 3 4 2 0 (1957).
800
Kap. 10: Verbindungen mit anomalen Funktionen
s t a r k zum Ausdruck. Während F e r r o c e n z. B. reaktionsfähiger ist als B e n z o l selbst, steht ihm D i b e n z o l o h r o m in dieser Beziehung diametral gegenüber und kann in den Sechsringen auch unter den schärfsten Bedingungen n i c h t m e h r s u b s t i t u i e r t werden.
Die Bildungskomponenten sind sowohl im D i b e n z o l o h r o m als auch im Ferrocen in verschiedener Richtung v a r i i e r t worden. Für den Organiker ist es von besonderem Interesse, daß man in ersterem e i n e n oder auch alle beide B e n z o l kerne durch D i p h e n y l (bzw. genauer einen der beiden Benzolringe des Diphenyls) ersetzen kann. Ähnlich sind vom F e r r o c e n Variante hergestellt worden, in die statt der C y c l o p e n t a d i e n y l - A n i o n e n die entsprechenden Anionen des I n d e n s (S. 894) eingebaut worden sind. Weiterhin kann man sowohl das E i s e n im F e r r o c e n als auch das C h r o m im D i b e n z o l c h r o m durch zahlreiche a n d e r e S c h w e r m e t a l l e ersetzen. Hierbei entstehen durchaus nicht immer N e u t r a l m o l e k ü l e sondern u. U. auch I o n e n . Dieses ist stets dann der Fall, wenn die p o s i t i v e L a d u n g des in den Komplex eingebauten S c h w e r m e t a l l - I o n s und die (gegebenenfalls vorhandenen) n e g a t i v e n L a d u n g e n der a r o m a t i s c h e n R i n g v e r b i n d u n g e n sich nicht gerade gegenseitig k o m p e n s i e r e n . Eine größere Anzahl derartiger Aromatenkomplexe ist in Tabelle 34 zusammengestellt. In ihnen besitzt das Zentralatom n i c h t i m m e r eine vollständige E d e l g a s s c h a l e . Im allgemeinen beobachtet man mit der Annäherung an die Edelgaskonfiguration des Metallatoms eine deutliche Z u n a h m e d e r S t a b i l i t ä t des Komplexes. Sie ist bei Erreichung der Edelgasschale meistens so groß, daß die S a l z e der angeführten Ionen in W a s s e r o h n e Z e r s e t z u n g gelöst werden können. Tabelle 34 Z u s a m m e n s t e l l u n g der w i c h t i g s t e n bisher b e k a n n t e n A r o m a t e n k o m p l e x e neutrale Komplexe
einwertige Ionen
zweiwertige Ionen
dreiwertige Ionen
Cylopentadienyl-Komplexe [V m (C 6 H 6 ) ? ]+ [Cr m (C 6 H 5 ) 2 ]+ [Fe m (C 6 H 6 ) 8 ]+ [Co III (C 6 H i ) 2 ]+ [Ni m (C s H 6 ) 2 ]+
V„(C 6 H 6 ) 2 CTII(C 5 H s ) 2
Mh„(C 6 H 5 ) 2 Fe n (C,H 6 ) 2 Co„(C 5 H 0 ) 2 Ni„(C 6 H 5 ) 2
[V iv (C 6 H 5 ) 2 ]++ [Mo iV (C 5 H 6 ) 2 ]++
[Nb v (C 6 H 6 ) 2 ]+++ [Ta v (C 6 H 5 ) 2 ]+++ [MOv(C6H5)2]+++ [W v (C 6 H b ) 2 ]+++
Benzol-Komplexe V„(C,H,)2 Cr 0 (C,H,) 2 Mo0(C,H6)2 WO(C,H6)2
EVI(C6HE)2]+
[Cr I (C,H 6 ) 2 ]+ [M 0i C,H 6 ) 2 ]+
[Fe„(C 6 H 8 ) 2 ]++ [Ru n (C e H 6 ) 2 ]++ [Os n (C,H 6 ) 2 ]++
[Co nl (C e H 6 ) 2 ]+++ [Rh m (C,H,) 2 ]+++ [Ir m (C a H 6 ) 2 ]+++
[Rei(C e H 6 ) 2 ]+
Schließlich gibt es auch Verbindungen, in denen am Zentralatom neben nur e i n e m a r o m a t i s c h e n R e s t noch K o h l e n o x y d oder N i t r o s y l g r u p p e n gebunden sind 1 ). Sie sind für die Organiker nur insoweit von Interesse, als sie zeigen, daß der Charakter der M e t a l l - K o h l e n s t o f f b i n d u n g e n in den M e t a l l c a r b o n y l e n und den vorbeschriebenen A r o m a t e n k o m p l e x e n sehr ä h n l i c h sein muß; denn sonst könnten sich beide Gruppen von Liganden n i c h t gegenseitig am gleichen A t o m v e r t r e t e n . x
) T. S .
PIPEB
u. G .
WILKINSON:
Inorg. nucl. Chem. 2, 38 (1956).
III: Die freien Radikale
801
III. Die freien Radikale 1 ) Bei allen bisher besprochenen Verbindungen hatten wir es mit vierwertigem K o h l e n s t o f f zu tun. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Verbindungen, in denen der Kohlenstoff nur drei Valenzen betätigt, während das vierte Außenelektron als nicht gebundenes Einzelelektron am Zentralatom verbleibt und diesem damit in bezug auf diese eine Valenz den Charakter eines freien A t o m s verleiht. Diese Verbindungen nennt man freie Radikale. Sie stehen im Gegensatz sowohl zu den normalen Radikalen der chemischen N o m e n k l a t u r , die einen in Bindung befindlichen Molekülteil darstellen (vgl. S. 18), als auch zu den als C a r b e n i u m - K a t i o n e n und Carbeniat-Anionen (vgl. S. 34) bezeichneten radikalartigen Atomgruppen, die ohne A u f l ö s u n g des Bindungselektronenp a a r e s während einer Reaktion ihren Platz wechseln. Die freien Radikale haben eine sehr interessante Entdeckungsgeschichte. Nach der Einführung des Radikalbegriffes in die organische Chemie in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts (II, Kap. 1, II, 2) glaubte man zunächst, daß ihre Darstellung keine Schwierigkeiten bereitet und sie insbesondere bei den verschiedenen Formen der WuRTzschen Synthese, die im Sinne dieser alten Anschauung natürlich noch keine Synthese darstellt, entstehen: R—Hai + Me> R- + MeHal Die e x a k t e F a s s u n g des Molekülbegriffes und vor allem die zahlreichen Möglichkeiten der Molekulargewichtsbestimmung zeigten jedoch bald, daß in keinem dieser Fälle wirklich freie Radikale auftreten, sondern daß sich diese stets gegenseitig unter Bildung der dimeren Verbindungen absättigen. Diese Erkenntnis gipfelte in dem nahezu zum Dogma erhobenen Postulat der ausschließlichen Vierwertigkeit des K o h l e n s t o f f s , von dessen Allgemeingültigkeit man so fest überzeugt war, daß die t a t s ä c h l i c h e Entdeckung der ersten freien Radikale durch den amerikanischen Forscher M. GOMBEKG im Jahre 1900 — die eigenartigerweise mit Hilfe der früher vergeblich in dieser Richtung untersuchten Reakt i o n v o n A. WURTZ gewonnen wurden — zunächst allseitigem Mißtrauen begegnete und erst nach Jahren ihre allgemeine Anerkennung fand.
Beständigkeitsverhältnisse. Die relativ schwierige D a r s t e l l b a r k e i t und die außerordentliche L a b i l i t ä t der freien Radikale werden sofort verständlich, wenn man bedenkt, daß jede von einem C-Atom ausgehende B i n d u n g im Durchschnitt etwa 80kcal/Mol zu ihrer Auf lösung benötigt. Die freien Radikale sind infolgedessen sehr s t a r k endotherme Verbindungen, deren Reaktionsfähigkeit noch daduroh erhöht wird, daß sie wegen des Vorliegens eines nicht in Bindung befindlichen Einzelelektrons zu ihren Umsetzungen eine nur sehr geringe Aktivierungsenergie erfordern (vgl. S. 37). Sie sind daher nicht allgemein sondern nur beim Vorliegen besonderer B i n d u n g s s y s t e m e , auf die wir im zweiten Teil dieses Buches näher eingehen werden (II, Kap. 3, III, 7), längere Zeit existenzfähig, und auch dann ist es nur in ganz wenigen Fällen gelungen, sie in S u b s t a n z zu isolieren. Im allgemeinen muß man sich mit ihrem Nachweis in L ö s u n g oder in hochverdünnten Gasen begnügen. Der exakte Nachweis des tatsächlichen Vorliegens freier Radikale bereitete anfangs große Schwierigkeiten, da sie meistens mit den dimeren Verbindungen im Gleichgewicht stehen und sich ihre Reaktionen im allgemeinen auch von diesen aus durch Annahme einer sehr r e a k t i o n s f ä h i g e n B i n d u n g erklären lassen. Die wichtigsten der für das Auftreten wirklicher freier Radikale sprechenden Argumente sind: ') Zusammenfassung: E. MÜLLER: Angew. Chem. 64, 233 (1952). :>1 K l a g e s , Lehrbuch der Organischen Chemie I, 2
802
Kap. 10: Verbindungen mit anomalen Funktionen
1. das Vorliegen eines echten Dissoziationsgleichgewichtes in Lösung, das dem OsTWALDSchen Verdünnungsgesetz gehorcht und sowohl osmotisch als auch durch k o l o r i m e t r i s c h e Bestimmung1) der sehr intensiv f a r b i g e n freien Radikale bestätigt werden konnte. 2. der Paramagnetismus, denn auf Grund der Elektronentheorie ist der Spin des E i n z e l e l e k t r o n s des Radikalatoms n i c h t k o m p e n s i e r t , und das Molekül muß daher p a r a m a g n e t i s c h sein (vgl. S. 23). Die erwartete p a r a m a g n e t i s c h e S u s c e p t i b i l i t ä t (bez. der Definition vgl. II, Kap. 2,1, 5) wurde auch tatsächlich in allen Fällen, in denen mit dem Auftreten freier Radikale gerechnet werden kann, in der erwarteten Größenordnung gefunden und dient heute q u a l i t a t i v und q u a n t i t a t i v als wichtigster N a c h w e i s für das Vorliegen wirklicher freier Radikale. Die bisher dargestellten freien Radikale können in die folgenden sechs U n t e r gruppen eingeteilt werden: 1. die T r i a r y l m e t h y l r a d i k a l e , 2. die sonstigen P o l y a r y l a l k y l r a d i k a l e , 3. die freien A l k y l r a d i k a l e , 4. die Radikale mit z w e i b i n d i g e m S t i c k s t o f f , 5. die Radikale mit dreibindigem S t i c k s t o f f und 6. die Radikale anderer H e t e r o e l e m e n t e . 1. Die Triarylmethylradikale In den H e x a a r y l ä t h a n e n (S. 146) ist aus den in II, Kap. 3, III, 7 erörterten Gründen die Äthan-C—C-Bindung derart l a b i l i s i e r t , daß sie in Lösung im Rahmen eines G l e i c h g e w i c h t e s unter Bildung der freien Triarylmethylradikale aufgespalten wird:
2
Die Triarylmethylradikale sind infolgedessen in den L ö s u n g e n der Hexaaryläthanverbindungen s t e t s e n t h a l t e n , so daß man ihre D a r s t e l l u n g meistens mit der der dimeren V e r b i n d u n g e n verknüpft. Dies geschieht im allgemeinen in der Weise, daß man die bei der Einwirkung von Metallen (meist Zink, Silber oder Quecksilber) auf Lösungen der T r i a r y l m e t h y l h a l o g e n i d e in indifferenten organischen Lösungsmitteln nach A. W Ü R T Z (Gleichung formulieren!) entstehenden Lösungen der Hexaaryläthane direkt zur Untersuchung der Radikaleigenschaften verwendet. Hierzu sind insbesondere die folgenden fünf Reaktionen geeignet: 1. Die freien Triarylmethylradikale sind stets stark farbig und können auf Grund dieser Farbigkeit qualitativ und quantitativ nachgewiesen werden (s. o.). 1 ) Besonders charakteristisch ist die N i c h t e r f ü l l u n g d e s BEERSchen G e s e t z e s , das besagt, daß die Gesamtfarbintensität eines gelösten Farbstoffes u n a b h ä n g i g v o n seiner K o n z e n t r a t i o n ist. Verdünnt man infolgedessen die Lösung des Farbstoffs o h n e Ä n d e r u n g des L ö s u n g s q u e r s c h n i t t e s in der Blickrichtung — z. B. in einem Reagensglas, das man v o n oben betrachtet —, so kann man k e i n e r l e i Ä n d e r u n g der Farbi n t e n s i t ä t beobachten. Bei der Lösung eines in freie R a d i k a l e d i s s o z i i e r e n d e n S t o f f e s tritt jedoch infolge der Z u n a h m e des D i s s o z i a t i o n s g r a d e s mit der Verdünnung eine r e v e r s i b l e E r h ö h u n g der F a r b i n t e n s i t ä t ein, und ebenso kann man beim E r w ä r m e n eine r e v e r s i b l e I n t e n s i t ä t s e r h ö h u n g beobachten.
I I I , 1: Die Triarylmethylradikale
803
2. Sie absorbieren L u f t s a u e r s t o f f ziemlich rasch unter Bildung v o n T r i a r y l methylper oxyden:
0=0 +
X3 O
\ \ /
—
:
V
V/
^
Die t e i l w e i s e d i s s o z i i e r t e Lösung von Hexaphenyläthan in Benzol wird daher beim S c h ü t t e l n m i t L u f t entfärbt. Doch erscheint die Farbe nach einiger Zeit wieder, kann durch nochmaliges Schütteln mit Luft e r n e u t z u m V e r s c h w i n d e n gebracht werden, erscheint ein drittes Mal usw., bis alles Hexaphenyläthan in das Triphenylmethyl-peroxyd übergeführt ist. Diese als S c H M i D L i N B c h e s P h ä n o m e n bezeichnete Reaktionsfolge ist sehr charakteristisch f ü r die f r e i e n T r i a r y l m e t h y l r a d i k a l e und beruht darauf, daß die Dissoziation des Hexaphenyläthans im Gegensatz zur Sauerstoffaufnahme der freien Radikale z i e m l i c h l a n g s a m erfolgt, so daß sich letztere immer erst nach einiger Zeit nachbilden. Die Sauerstoffaufnahme der Triarylmethyle ist auch vom Standpunkt der R e a k t i o n s k i n e t i k von Interesse und eignet sich auf Grund ihres eigenartigen Reaktionsmechanismus als k a t a l y t i s c h e r E f f e k t f ü r a n d e r e O x y d a t i o n s r e a k t i o n e n (Näheres vgl. II, Kap.4,1,1). 3. Ahnlich wie Sauerstoff werden f a s t m o m e n t a n die e l e m e n t a r e n H a l o g e n e , A l k a l i m e t a l l e (bzw. n a s c i e r e n d e r W a s s e r s t o f f ) und andere f r e i e R a d i k a l e angelagert: w
-
H
+ -NO,
+*/. c .
+ R-
+ Na(H)
IC—R
r
^
( • Ye
-OK Ar/ IV
;
V.
OK Ar. |
OK | .Ar
>c
< X
Ar
Ar
Die Metallketyle stehen mit den P i n a k o n a t e n (V) in einem ähnlichen D i s s o z i a t i o n s g l e i c h g e w i c h t wie die Triarylmethyle mit den Hexaphenyläthanen, und man
III, 2: Sonstige Polyarylalkylradikale
807
beobachtet eine ähnliche Abhängigkeit der D i s s o z i a t i o n s t e n d e n z von den Subs t i t u e n t e n der Benzolkerne. Eine besonders s t a r k e Dissoziationsneigung zeigen die d u n k e l b l a u e n Kaliumverbindungen von B e n z o p h e n o n und MIOHLIES K e t o n (S. 610), die selbst im f e s t e m Z u s t a n d bei Zimmertemperatur zu 77 bzw. 96% in der Radikalform vorliegen, während auf der anderen Seite die g e l b - r o t e n Kaliumverbindungen des F l u o r e n o n s (S. 895) und Chromons (S. 928), die SCHLENK ebenfalls als freie Radikale angesprochen hatte, nur in Form der d i m e r e n P i n a k o n a t e auftreten (E. MÜLLER U. Mitarbb. 1936—39). Auch durch Wechsel des M e t a l l a t o m s kann man die Dissoziationstendenz der Pinakonate stark v e r ä n dern. Im allgemeinen sind die Lithiumverbindungen am w e n i g s t e n und die Kaliumverbindungen am s t ä r k s t e n in die freien Radikale aufgespalten. Für das strukturell den Metallketylen nahestehende Monobenzilkalium (VII) liegt eine interessante Bildungsweise in der Abgabe von einem Kaliumatom des S t i l b e n - d i o l - k a l i u m s (VI, vgl. S.448) an B e n z i l vor, bei der die a l i p h a t i s c h e n C - A t o m e beider Moleküle jeweils in die g l e i c h e O x y d a t i o n s s t u f e übergehen. Die Reaktion stellt also die U m k e h r e i n e r D i s p r o p o r t i o n i e r u n g s r e a k t i o n dar und wird daher auch Konproportionierung genannt: 0
OK
Die Radikale v o m Typus des Monobenzilkaliums sind sehr nahe mit den nachstehend beschriebenen S e m i c h i n o n e n verwandt, von denen sie sich lediglich dadurch unterscheiden, daß die beiden CO-Gruppen d i r e k t und nicht über ein System konjugierter Doppelbindungen miteinander verbunden sind. Sie neigen daher ebensowenig wie die Semichinone zur D i m e r i s a t i o n und zerfallen in saurem Medium sofort unter D i s p r o p o r t i o n i e r u n g , d. h. unter Umkehr der angegebenen Bildungsreaktion, in je ein Molekül B e n z i l und B e n z o i n (Gleichung formulieren!).
Die von E. WEITZ (ab 1925) entdeckten und später auch von L. MICHAELIS untersuchten Semichinonex) (vgl. auch S. 316) entstehen aus je einem Molekül eines Chinons und des zugehörigen H y d r o c h i n o n s (bzw. dessen D i n a t r i u m v e r b i n dung) in s t a r k a l k a l i s c h e r L ö s u n g in ähnlicherWeise durch K o n p r o p o r t i o n i e r u n g wie das oben beschriebene Monobenzilkalium: •R
R^
=0 + NaO-^ b /
^R V-ONa X
R
Dinatrium-hydrochinon
r
R
R
W eh - o 0= o 7 .
_
+ V2J2 X VF R/ R/ R
'X \©
Lagert man an das ungebundene Elektronenpaar des Stickstoffs in den Diarylstickstoffradikalen ein O - A t o m an, so kommt man zu den DiarylstickstoffoxydRadikalen (II). Ihre Darstellung gelingt nach H. W I E L A N D (1914—22) am besten durch vorsichtige Dehydrierung von D i a r y l h y d r o x y l a m i n e n , geht also primär über ein Sauerstoffradikal (I) vor sich, das sich erst n a c h t r ä g l i c h im R a h m e n einer M e s o m e r i e durch Elektronenverschiebung in das S t i c k s t o f f r a d i k a l umlagert:
x
-Ö—H
X
N—Ö•
5 CHS—COOH + 5 C02 + 20 H • CH3—COOH + 2H a O >- 3 CHS—CHa—CHa—COOH + 6 HaO > 3 CH3—CHa—CHa—-COOH + 3COa + 3 HaO
Ein weiteres wichtiges Anwendungsbeispiel des radioaktiven Kohlenstoffs 14C werden wir in III, Kap. 2, VII, 2 c in der Aufklärung des Verlaufs der B i o s y n t h e s e des B l u t f a r b s t o f f s kennenlernen. Von den zahlreichen sonstigen in der organischen Chemie gebräuchlichen k ü n s t l i c h r a d i o a k t i v e n E l e m e n t e n seien insbesondere der relativ langlebige radioaktive Phosphor 3*P mit einer Halbwertszeit von 14 Tagen und der radioaktive Schwefel 35 S*) mit einer Halbwertszeit von 87 T a g e n angeführt, die in der B i o c h e m i e häufig zum Nachweis des V e r b l e i b s phosphor- und s c h w e f e l h a l t i g e r V e r b i n d u n g e n im Verlauf von Lebensprozessen Anwendung finden. Eine interessante Anwendung des radioaktiven Jods (heute würde man für ähnliche Zwecke das bei der Uranspaltung entstehende 131 J mit einer Halbwertszeit von 8 T a g e n verwenden) zur Aufklärung des M e c h a n i s m u s v o n R a c e m i s i e r u n g s v o r g ä n g e n werden wir in II, Kap. 7, III, 1 kennenlernen. Zusammenfassung: L. v. ERICHSKN u. R. MÜLLER: Angew. Chem. 64, 580 (1952).
11. K a p i t e l
Die cyclischen Verbindungen Die Eigenschaften der meisten der bisher beschriebenen Verbindungen werden durch das Verhalten der jeweiligen c h a r a k t e r i s t i s c h e n F u n k t i o n e n bedingt, und die Struktur des Kohlenstoffgerüstes spielt nur eine u n t e r g e o r d n e t e Rolle. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Substanzen, denen gerade das K o h l e n s t o f f g e r ü s t ihr charakteristisches Gepräge verleiht. Es sind dies in erster Linie die cyclischen Verbindungen, mit denen wir uns nunmehr etwas näher beschäftigen wollen. Einteilung. Man unterteilt die cyclischen Verbindungen allgemein in die carbooder isocyclischen Verbindungen einerseits und die heterocyclischen V e r b i n d u n g e n andererseits in Abhängigkeit davon, ob der Ring nur aus K o h l e n s t o f f a t o m e n besteht, oder neben C-Atomen auch ein oder mehrere H e t e r o a t o m e enthält. Diese Einteilung lediglich auf Grund der f o r m a l e n Z u s a m m e n s e t z u n g läßt jedoch die wirklichen Zusammenhänge nur schwer erkennen, denn die charakteristischen Eigenschaften der cyclischen Verbindungen hängen in erster Linie davon ab, ob in ihnen ein g e s c h l o s s e n k o n j u g i e r t e s y r - E l e k t r o n e n s y s t e m enthalten ist oder nicht. Sie sind in derartig hohem Maße u n a b h ä n g i g von der Natur der Atome, die das Ringsystem aufbauen, daß z.B. das schwefelhaltige T h i o p h e n dem isocyclischen B e n z o l viel ähnlicher ist als das ebenfalls isocyclische N a p h t h a l i n oder A n t h r a c e n . Ferner werden die typischen Reaktionen der Heteroelemente durch den Einbau in das konjugierte Bindungssystem häufig w e i t g e h e n d v e r ä n d e r t , wobei man ebenfalls eine s t a r k e A b h ä n g i g k e i t von dem jeweiligen ungesättigten Bindungssystem beobachtet. Es soll daher in diesem Buche von der üblichen Unterteilung in carbo- und heterocyclische Verbindungen abgesehen werden, und die Einteilung der cyclischen Verbindungen lediglich a u f G r u n d d e r i n i h n e n e n t h a l t e n e n u n g e s ä t t i g t e n B i n d u n g s s y s t e m e zu den folgenden drei Gruppen von Verbindungen erfolgen: 1. den allgemein als alicyclische Verbindungen bezeichneten Substanzen, deren Ring k e i n g e s c h l o s s e n k o n j u g i e r t e s D o p p e l b i n d u n g s s y s t e m enthält. Hierher gehören in erster Linie die bereits auf S. 63 kurz gestreiften C y c l o p a r a f f i n e und ihre Derivate mit einem g e s ä t t i g t e n oder o l e f i n i s c h u n g e s ä t t i g t e n isocyclischen Ringsystem. Ferner zählen zu dieser Verbindungsgruppe die einfachen g e s ä t t i g t e n h e t e r o c y c l i s c h e n Verbindungen, die wir im einzelnen in den c y c l i s c h e n Ä t h e r n (S.443f.) und A m i n e n (S.588f.) — sowie deren Oxoderivaten, den L a c t o n e n (S. 501f.), L a c t a m e n (S. 620), c y c l i s c h e n S ä u r e a n h y d r i d e n (S. 347, 485 u. a.) und c y c l i s c h e n s e k u n d ä r e n S ä u r e a m i d e n (S. 361) — bereits kennengelernt haben. Alle diese Verbindungen weichen in ihren Eigenschaften noch nicht grundsätzlich von den Substanzen mit kettenförmigem Molekülaufbau ab.
827
Kap. 11: Die cycliachen Verbindungen
2. cyclischen Verbindungen, die einen oder mehrere Sechsringe mit einem geschlossen k o n j u g i e r t e n System von Doppelbindungen enthalten. Hierher gehören in allererster Linie das Benzol und seine Derivate, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung bereits allgemein behandelt wurden. Weiterhin müssen zu dieser Gruppe das Naphthalin und ähnlich gebaute Verbindungen mit mehreren „kondensierten" Benzolringen gerechnet werden, die jeweils ein gemeinsames System geschlossen k o n j u g i e r t e r Doppelbindungen enthalten, sowie von der heterocyclischen Reihe die Pyridin-, Pyrylium-, Pyron- und Thiopyron-Derivate. 3. einer Gruppe von h e t e r o c y c l i s c h e n F ü n f r i n g e n mit zwei, zum Heteroatom CH2
CHj—C(COOR),
Die WtrRTZSche Synthese eignet sich insbesondere zum Aufbau des Cyclopropan- und Cyclobutanringes, da hier die anderen Methoden häufig versagen. Für die Synthese von Ringen mit mehr als sechs Gliedern ist sie wegen des Überwiegens der linearen Kondensation zu K e t t e n m o l e k ü l e n (formulieren!) ungeeignet. 2. die trockene Destillation der Calcium- und häufig auch der Thoriumsalze von Dicarbonsäuren:
oCa CH2—CH2—C
CH2—CH/
; c = 0 + CaC0 3
X0
Sie führt stets zu Cycloketonen und hat sich insbesondere zur Synthese des Cyclopentan-, Cyclohexan- und Cycloheptanringes als brauchbar erwiesen. Sie kann aber nach L. R U Z I C K A (ab 1926) — allerdings nur mit geringer Ausbeute, — auch zum Aufbau höhergliedriger R i n g e (S. 854) verwandt werden. In dem speziellen Fall der Cyclisierung von A d i p i n s ä u r e oder anderen 1 , 4 - P a r a f f i n d i c a r b o n s ä u r e n tritt die Ketonbildung bereits bei der Einwirkung von E s s i g s ä u r e a n h y d r i d ein. Auf die Bedeutung dieser Reaktion zur Konstitutionsbestimmung von Dicarbonsäuren (BLANCsohe Regel) wurde bereits auf S. 478 hingewiesen.
3. die cyclische Esterkondensation von Dicarbonsäureestern. Sie führt zu cyclischen 1 , 3 - K e t o c a r b o n s ä u r e e s t e r n und von diesen aus durch Ketonspaltung (S. 523) ebenfalls zu cyclischen K e t o n e n : CHS
-CH.
H
I COOR
C=0 £
• ROH
CH2—CHG :C=0
ÖR
¿OOR
KetonSpaltung
CH2—CHAN
c=o
831
I, 1: Ringschlußreaktionen
Die Reaktion findet in ihrer einfachsten Form neben der billigeren Kalksalz destillation eine nur geringe Anwendung für den Aufbau empfindlicher Sub stanzen. Dagegen hat sich die doppelte Esterkondensation zuweilen zur Syn these cyclischer Naturstoffe bewährt. Als Beispiel sei die für die Camphersyn these (III, Kap. 5, II,2d) wichtige Kondensation von Oxalsäureester mit 3,3-Di methylglutarsäureester (I) zum Ester der Apocamphersäure (II) angeführt: CO—OR H
-CH—COOR
H3C—c—CH3 CO:—OR H
CO- -CH—COOR — 2 ROH
CO- -CH—COOR
-CH—CODR
i
II
Selbst eine dreifache Esterkondensation ist möglich und führt z. B. vom Malonester ausgehend zum P h l o r o g l u c i n - t r i c a r b o n s ä u r e e s t e r (III): -COOR /COi—OR + Hi—CH
\ CO—OR
ROOC—CH
— 3 ROH
-
H + RO— CO—CH H xCOOR
.COOR yCO— CH ROOC—CH ^>CO \C0—CH NCOOR in
Als eine Variation dieser Methode muß die c y c l i s c h e K o n d e n s a t i o n von Dioarbonsäuredinitrilen angesehen werden, die von K. ZIEGLER insbesondere für den Aufbau hochgliedriger R i n g e entwickelt wurde (Näheres vgl. S. 854 f.).
4. Auch die Crotonaldehydkondensation (S. 258) findet nur bei mehrfacher Kondensation praktische Anwendung zur Synthese von Ring Verbindungen. Sie führt normalerweise direkt zu den mehrfach ungesättigten Oxoverbindungen (oder auch Kohlenwasserstoffen), kann aber in Gegenwart von Ammoniak oder primären Aminen — wahrscheinlich auf dem Wege einer Anlagerung des Amins an das zunächst ebenfalls entstehende doppelt ungesättigte Cycloketon (z. B. VI) — auch unter Einbau des Stickstoffs in das Ringsystem verlaufen, so daß sie zur Synthese von Alkaloiden geeignet ist. Als Beispiel für den ersten Fall sei auf die Synthese von Mesitylen aus drei Molekülen Aceton (S. 128) verwiesen, während eine Reaktion des zweiten Typus in der für die Tropinsynthese (III, Kap. 7, III, 4) wichtigen Kondensation von Bernsteinsäuredialdehyd (IV) mit Acetondicarbonsäureester (V) und Methylamin zum Tropinondicarbonsäureester (VII) vorliegt: CH2—CH|=0 + CH2—CH;=0 IV
i CH»—CH=C—COORX
HS;C—COOR
CHj—CH=i—COORJ vi
H. ¿—COOR v CH2—CH-
+ CH,—NH,
A_o
— 2H,0
CO
il—CH3
-CH—COOR ¿=o
CH.. — ¿ h — — i :!H—COOR VII
832
Kap. 11, I: Die alicyclischen Verbindungen
5. Von den sonstigen synthetischen Reaktionen hat allenfalls noch die Pinakonreduktion (S. 277) von Diketonen Anwendung zum Aufbau cyclischer Verbindungen gefunden: 0
CH2—CHa—C—R
OH
2 Va
Hydrolyse
CH2—CH2—R
v-'i.j.a
Ö ¿H Neben diesen allgemein anwendbaren Methoden gibt es noch einige spezielle Verfahren, die nur zum Aufbau b e s t i m m t e r R i n g s y s t e m e geeignet sind. Als wichtigste Beispiele seien die D i e n s y n t h e s e (S. 845, 1018), die zu e i n f a c h u n g e s ä t t i g t e n Cyclohexanderivaten führt und insbesondere zum Aufbau p o l y c y c l i s c h e r V e r b i n d u n g e n (S. 865) Anwendung findet, die D i m e r i s a t i o n der O l e f i n e zu Verbindungen der C y c l o b u t a n r e i h e (S. 94, 839) und die C y c l o p r o p a n s y n t h e s e aus aliphatischen D i a z o v e r b i n d u n g e n und O l e f i n e n (S. 645, 837) angeführt (Gleichungen formulieren!). Im physikalischen Verhalten schließen sich die alicyclischen Verbindungen eng an die analogen Substanzen mit offener Kette an. Doch liegen infolge der regelm ä ß i g e r e n M o l e k ü l g e s t a l t , der meist h ö h e r e n D i p o l m o m e n t e und auch des Fortfalles der raumbeanspruchenden Molekülenden die Schmelzpunkte um etwa 30—100°, die Siedepunkte um 10—30° und die Dichtewerte um 10—20% über denen der normalen aliphatischen Verbindungen g l e i c h e r K o h l e n s t ö f f z a h l , wie im einzelnen aus Tab. 37 zu entnehmen ist (vgl. auch Tabelle 4, S. 131): Tabelle 37 Vergleich der p h y s i k a l i s c h e n K o n s t a n t e n v o n R i n g - und K e t t e n v e r b i n d u n g e n gleicher Kohlenstoffzahl Cyclische Verbindung Cyclopropan Cyclobutan Cyclopentan Cyclohexan Cycloheptan
Sdp. —34° 12° 50° 81° 118°
Smp.
D/T. flüssig
—127° — 80» — 93» 6,4» — 12»
0.720/-79» 0,703/0» 0,754/20» 0,779/20° 0,810/20°
Kettenverbindung analoger Struktur Propan n-Butan n-Pentan n-Hexan n-Heptan
Methylcyclopentan Methylcyclohexan
72» 100°
—141» —127»
0,746/20» 0,772/17»
Cyclopentanol Cyclohexanol Cyclopentanon Cyclohexanon Cyclopropancarbonsäure Cyclopentancarbonsäure Cyclohexancarbonsäure
140° 161° 131° 155° 185° 215° 232°
24» — 53» — 26» 18» — 3» 31»
0,940/21» n-Amylalkohol 0,937/34» n-Hexylalkohol 0,942/22» n-Pentanon-2 0,947/20» n-Hexanon-2 1,088/20» Iso-buttersäure 1,051/20» Diäthylessigsäure 1,025/34» a. -Äthyl valeriansäure
2-Methylpentan 2-Methylhexan
Sdp. —45° 1» 36° 69» 98»
Smp.
D/T. flüssig
—190» 0,584/45' —135» 0,600/0° —131» 0,634/150 — 94» 0,660/20» — 90» 0,684/20»
0,658/15» 60° 90» —119° 0,684/15° 138° 156° 102» 127° 154° 194»
— — — — — —
79» 0,887/15» 52° 0,818/20» 84° 0,811/15° 57» 0,830/0» 47° 0,968/0» 15» 0,920/18«
209»
Auch im chemischen Verhalten besteht eine w e i t g e h e n d e A n a l o g i e zwischen beiden Verbindungsreihen, so daß man — von dem speziellen Fall der stark gespannten und daher besonders reaktionsfähigen C y c l o p r o p a n - und C y c l o b u t a n v e r b i n d u n g e n abgesehen — alle bei den normalen aliphatischen Stoffen be-
833
I, 1: Die Ringspaltung
schriebenen Reaktionen grundsätzlich auch bei den alicyclischen Verbindungen beobachtet. Wir brauchen daher an dieser Stelle nur auf die neuartigen R e a k t i o n e n einzugehen, von denen insbesondere 1. die R i n g ö f f n u n g s r e a k tionen und 2. die verschiedenen Möglichkeiten zur Veränderung der Ringweite von allgemeinem Interesse sind. Zu 1. Zur Ringöffnung sind grundsätzlich alle bereits beschriebenen Abbaur e a k t i o n e n von C—C-Bindungen geeignet, sofern sie n i c h t (wie z. B. die Decarboxylierung) auf dem Angriff der Kette von ihrem Ende her beruhen. Im einzelnen unterscheiden wir die folgenden Möglichkeiten: a) die oxydative Spaltung cyclischer Ketone bzw. der in diese leicht überführbaren cyclischen Alkohole: CH2 CH, CH OH
CHj —CHj CO
CHj—CHg—CHj
CHj—CHij—CH2
^
^
CH2-CH2-COOH CH2—CH2—COOH
Die Reaktion hat große praktische Bedeutung, insbesondere zur K o n s t i t u t i o n s e r m i t t l u n g cyclischer Naturstoffe, erlangt, da man aus dem Verhalten der entstehenden Dicarbonsäuren gegen E s s i g s ä u r e a n h y d r i d Rückschlüsse auf die R i n g w e i t e des ursprünglichen Cycloketons ziehen kann (BLANCSche Regel, vgl. S. 478). Sie dient aber auch zur technischen Gewinnung von Dicarbonsäuren, wie die Darstellung der Adipinsäure aus Phenol über das Cyclohexanon (S.486) zeigt. b) Unter erheblich milderen Bedingungen verläuft der Ozonabbau (S. 1024) einfach ungesättigter Cycloolefine und die Bleitetraacetat- (S. 980) bzw. Perjodsäurespaltung (S. 1025) cyclischer 1,2-Glykole, bei denen jeweils Dioxo Verbindungen entstehen: CH 2 —CH 2 —CH
| ji CHa—CH2—CH
CHa—CH2—CH=0
Hydrieru,1!i
| CH2—CHa—CH=0
CH a —CH a —CH—OH
rp\uAC)| | | ' - ¿H 2 -CH 2 -6H-OH
oder H J 0
Die Reaktionen dienen ebenfalls hauptsächlich zur K o n s t i t u t i o n s e r m i t t l u n g und können im Falle der Bleitetraacetatspaltung auch zur K o n f i g u r a t i o n s b e s t i m m u n g , d. h. zur Entscheidung der Frage, ob die beiden Hydroxylgruppen in eis- oder in t r a n s - S t e l l u n g stehen, mit herangezogen werden (Näheres vgl. S. 980).
c) In dem relativ seltenen Fall des Vorliegens von c y c l i s c h e n l , 3 - D i k e t o n e n oder 1 , 3 - K e t o c a r b o n s ä u r e e s t e r n kann man auch die auf S. 522 beschriebene Säurespaltung zur Ringöffnung verwenden: CHa CO
CHj _ +
CHj—CHj—CO CH t 2 —CHj—CH—COOR |
CHj-CHü—C:-0
CH.-CO-OH, * CHa—CHj—COONa
^ ,6 wJ?loUil _ B 0 H
1CHj—CHj—CHj—COONa
CH2—CHj—COONa
Praktische Beispiele dieser Art haben wir bereits bei der STETTERSchen Carbonsäuresynthese
^
0
HO-
Cyclopenta-penta-on
OH OH I -OH
>=0
-OH ÖH OH Leukonsäure
Das Cyclopenta-penta-on zeigt, in Analogie zur M e s o x a l s ä u r e und ihren Derivaten (S. 519), infolge der Nachbarstellung aller Carbonylgruppen eine starke Tendenz zur H y d r a t i s i e r u n g und ist nur in Form des T e t r a h y d r a t e s beständig, das infolge der Anhäufung negativer Gruppen s a u e r ragiert und den Namen Leukonsäure erhalten hat. Da der Kohlenstoff in ihr k e i n e n W a s s e r s t o f f mehr gebunden enthält, kann man die Leukonsäure — ähnlich wie die M e l l i t h s ä u r e (S. 495) — als eine Art „ U n t e r k o h l e n s ä u r e " auffassen. Leukonsäure ist eine relativ b e s t ä n d i g e Substanz und zeigt im wesentlichen die der angegebenen Konstitution entsprechenden Reaktionen eines P e n t a k e t o n h y d r a t e s . Z. B . entsteht mit H y d r o x y l a m i n ein P e n t o x i m und mit o - P h e n y l e n d i a m i n (S. 605) ein Dic h i n o x a l i n d e r i v a t (I), dessen letzte freie Carbonylgruppe ebenfalls noch zu C a r b o n y l r e a k t i o n e n (z. B. zur Bildung des Oxims I I ) befähigt ist:
l Ii \x / \N
+ NH 2
-OH h 0
7/
HO
-OH VX1 \ X OH
o -8H.0
. ^ y V y V ^ 'N
i
+ H2NX NOH
H,*oe v / ^ n ^ T V ^
Beim Versuch der E n t w ä s s e r u n g zum Cyclopenta-penta-on zerfällt die Leukonsäure in fünf Moleküle K o h l e n o x y d , was bei der großen Bildungstendenz dieses Gases verständlich erscheint. Die bei der Leukonsäurebildung als Zwischenprodukt auftretende Krokonsäure hegt praktisch ausschließlich in der angeführten E n d i o l f o r m vor, deren Bildung durch die Konjugation der olefinischen mit drei C a r b o n y l d o p p e l b i n d u n g e n begünstigt wird. Sie reagiert als Endiol s t a r k s a u e r und ist außerordentlich l e i c h t o x y d i e r b a r .
Kap. 11, I: Die alicyclischen Verbindungen
844
Von den sonstigen O x y d a t i o n s p r o d u k t e n des C y c l o p e n t a n s ist nur die Reduktinsäure erwähnenswert, die als saures Zersetzungsprodukt einiger K o h l e n h y d r a t e HO^ /HO entsteht und ihren Namen dem außerordentlich starken R e d u k t i o n s v e r mögen verdankt, das sie als Endiol besitzt. Ihre von T . REICHSTEIN ( 1 9 3 4 ) ermittelte K o n s t i t u t i o n konnte durch T o t a l s y n t h e s e 1 ) bestätigt werden. ^O Eine Methyl-reduktinsäure fungiert als g l y k o s i d i s c h e K o m p o n e n t e verReduktlnsäure schiedener Herz- und P f e i l g i f t e . Sie tritt in mehreren t a u t o m e r e n Formen auf, von denen einige ebenfalls s y n t h e t i s i e r t werden konnten2).
u
Auch vom Cyclopentan leiten sich zahlreiche Carbonsäuren ab, die mit Hilfe der bekannten synthetischen Verfahren leicht gewonnen werden können und, soweit der Cyclopentanring mehrere Substituenten enthält, ebenfalls in mehreren räumi s o m e r e n Formen auftreten. Sie haben zum Teil als Abbauprodukte komplizierter Naturstoffe für deren K o n s t i t u t i o n s a u f k l ä r u n g spezielle Bedeutung erlangt. Als Beispiele zweier n a t ü r l i c h vorkommender Cyclopentencarbonsäuren seien die |
(CH2)ia—COOH
und die um 2 C-Atome ärmere
Chaulmoograsäure")
|
(CHg)10—COOH Hydnocarpussäure
genannt. Sie sind beide in Form ihrer E s t e r im Chaulmoograöl, dem Samenöl einiger Hydnocarpusarten, enthalten und stellten lange Zeit die einzigen mit Erfolg gegen Lepra angewandten Therapeutika dar. d) D a s C y c l o h e x a n und s e i n e D e r i v a t e Im Cyclohexanring liegt das bei weitem wichtigste alicyelische Ringsystem vor. Denn abgesehen davon, daß sich von ihm die wichtige natürliche Verbindungsklasse der c y c l i s c h e n T e r p e n e und Campher (vgl. III, Kap. 5, II) ableitet, stellen die Cyclohexanderivate die g e s ä t t i g t e n M u t t e r s u b s t a n z e n der Gesamtheit der a r o m a t i s c h e n V e r b i n d u n g e n dar und werden daher häufig auch hydroaromatische Verbindungen genannt. Ho Ha 2\
Benzol (aromatische Reihe)
Cyclohexan (hydroaromatische Reihe)
Infolge dieser nahen Beziehungen zwischen beiden Reihen leitet sich die Nomenklatur der CyclohexanVerbindungen vielfach direkt von der der B e n z o l d e r i v a t e ab. So bezeichnet man z. B. die D i s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e , in denen die Substituenten an v e r s c h i e d e n e n C-Atomen stehen, ebenfalls als o-, m- und p- sowie die T r i s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e als sym-, as- und vic-Verbindungen. Ferner werden vielfach die Trivialnamen der aromatischen Reihe beibehalten, und man spricht von Hexahydro-toluol, Hexahydro-benzoesäure, Hexahydro-Phthalsäure usw., statt umgekehrt die Namen der „ u n g e s ä t t i g t e n " a r o m a t i s c h e n V e r b i n d u n g e n von denen der g e s ä t t i g t e n C y c l o h e x a n d e r i v a t e abzuleiten. Für den Cyclohexanring sind eine große Anzahl von Synthesen bekannt, von denen hier nur kurz auf die innermolekulare WuRTZsche Synthese aus H e x a !) G. HESSE U. E. BÜCKTOQ: A. 563, 31 (1949). 2 ) G. HESSE U. K . W. F. BÖCKMANN: A. 563, 37 (1949).
3 ) Bzgl. T o t a l s y n t h e s e und Bestimmung der a b s o l u t e n K o n f i g u r a t i o n vgl.: K. u. I. V. STEINBERG: Am. Soc. 77, 3807 (1955).
MISLOW
I, 2d: Cyclohexan und Derivate
845
m e t h y l e n d i b r o m i d , die Kalksalzdestillation von P i m e l i n s ä u r e z u C y c l o h e x a n o n (Gleichungen formulieren!) sowie die auf S. 128 bereits angeführten Synthesen des Benzolringes (mit anschließender Hydrierung) hingewiesen sei. Eine praktische Bedeutung kommt allen diesen Reaktionen n i c h t zu, da die hydroaromatischen Verbindungen allgemein sehr bequem durch H y d r i e r u n g a r o m a t i s c h e r S u b s t a n z e n (vgl. S. 133) gewonnen werden können. Von speziellen Reaktionen hat lediglich die DiELS-Ai/DEEsche D i e n s y n t h e s e ein größeres Anwendungsgebiet zur Synthese komplizierterer Cyclohexenderivate gefunden (vgl. auch S. 865): . I \
/
C 0
\
+ II \ ' \ C ( /
/ \ / • [i
C
° \
I \ / \ c o
/
xCOOH >0
-±=!°* COOH
Die Cyclohexanderivate zeigen — von dem interessanten sterischen Aufbau des Cyclohexanringes abgesehen (vgl. IE, Kap. 7, IV, 1) — weder in ihren physikalischen noch in ihren c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n nennenswerte Unterschiede gegenüber den normalen aliphatischen Verbindungen. Als einzige speziell für die Cyclohexanreihe charakteristische Reaktion muß die dreifache D e h y d r i e r u n g zu B e n z o l d e r i v a t e n 1 ) hervorgehoben werden, die infolge der großen Bildungstendenz des Benzolsystems — namentlich bei m i t t l e r e n T e m p e r a t u r e n (vgl. S. 139) — wesentlich l e i c h t e r erfolgt als die Dehydrierung der normalen Paraffine zu Olefinen (S. 89) und insbesondere in Form der von O. D I E L S eingeführten S e l e n d e h y d r i e r u n g (vgl. auch S. 985) ein großes praktisches Anwendungsgebiet gefunden hat. Die Aromatisierungstendenz bei diesen Dehydrierungsreaktionen ist so groß, daß häufig auch Alkylreste an qüartären Ring-C-Atomen (z. B. an den Verzweigungs-C-Atomen mehrgliedriger Ringsysteme), die die Aromatisierung verhindern würden, abgespalten werden oder an ein N a e h b a r a t o m wandern. Beide Möglichkeiten treten nach R. P. LINSTEAD bei der Dehydrierung des 9-Methyldekalins(III) (vgl. auch S. 861) nebeneinander auf:
Se
1
CH4 + 4 Hj
Auch in der leicht erfolgenden I s o m e r i s i e r u n g dreifach ungesättigter Cyclohexan Verbindungen mit einer e x o - oder s e m i c y c l i s e h e n Doppelbindung zu Benzolderivaten, wofür ein Beispiel aus der Terpenreihe angeführt sei (A. KLAGES 1906): CHj^ 2 PITT / \ Erwärmen mit 3 ~ \ _ / \ C H 3 Eisessig/HCl 2-Methyl-mentha-trien-2,6,8(9)
CH 3X nTT
\ / \ = / \C 2-Methyl-cymol
3 H
'
oder in der in Gegenwart von Hydrierungskatalysatoren bereits bei 35° vor sich gehenden D i s p r o p o r t i o n i e r u n g des Cyclohexadiens und Cyclohexens zu C y c l o h e x a n und B e n z o l kommt diese starke Aromatisierungstendenz zum Ausdruck: ') Zusammenfassung: C. HANSCH: Chem. Rev. 53, 353 (1953).
846
Kap. 11, I: Die alicyclischen Verbindungen
Einzelverbindungen: Die Grundverbindung der Reihe, das Cyclohexan selbst, wird durch Hydrierung von B e n z o l im großen gewonnen und gilt als Prototyp eines C y c l o p a r a f f i n s . Es dient wegen seiner Einheitlichkeit (im Gegensatz zu den meistens in Form von G e m i s c h e n vorliegenden kettenförmigen Paraffinen) häufig als b e n z i n a r t i g e s L ö s u n g s m i t t e l und wird auch vielfach, als Ausgangssubstanz zum Studium von S u b s t i t u t i o n s r e a k t i o n e n i n d e r P a r a f f i n r e i h e verwandt, da es infolge der Gleichwertigkeit aller C-Atome nur e i n M o n o s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t liefert (vgl. S. 829). Von den höheren H o m o l o g e n des C y c l o h e x a n s haben vor allem das als M e n t h a n schlechthin bezeichnete p-Menthan (IV) und das weniger wichtige , » . \ . , m-Menthan (V) eine gewisse Bedeutung als Muttersubstanzen — y — \ — S zahlreicher C a m p h e r und T e r p e n e erlangt. Beide Kohlen"Y^T W a s s e r s t o f f e entstehen als Endprodukte der Reduktion bzw. Hydrierung natürlicher T e r p e n e und C a m p h e r , kommen aber selbst n i c h t in der Natur vor.
Das einfach ungesättigte Cyclohexen stellt man am besten durch Wasserabspaltung aus C y c l o h e x a n o l dar (Gleichung formulieren!). Es verhält sich wie ein normales Olefin und dient als Ausgangsmaterial für die Gewinnung des 1,3-Cyclohexadiens: / \
\ ^
+Br
/ \
\ /
B F
Cyclohexen
~2HBr (Chinolin)
/
\ '
1,3-Cyclohexadien
das ebenfalls in jeder Beziehung mit einem normalen 1,3-Dien verglichen werden kann. So ist es z. B. zur DiELs-ALDERSchen Diensynthese befähigt (vgl. S. 865) und zeigt im Gegensatz zum C y c l o p e n t a d i e n keine besondere Aktivität der Methylen gruppen. Erst nach Einführung der d r i t t e n D o p p e l b i n d u n g in der auf S. 123 gezeigten Weise verschwindet der olefinische Charakter, und wir kommen zum a r o m a t i s c h e n Benzol. Außer dem 1,3- ist auch ein 1,4-Cyclohexadien
mit zwei i s o l i e r t e n Doppel-
bindungen bekannt, das zuweilen neben der häufigeren 1,3-Verbindung als Nebenprodukt entsteht. Es zeigt k e i n e b e s o n d e r e R e a k t i o n s f r e u d i g k e i t mehr und lagert sich leicht in das energetisch begünstigte 1,3-Dien um. Hinsichtlich seiner Konstitution konnte es durch Ozonis i e r u n g oder anderweitigen o x y d a t i v e n A b b a u (zu zwei Molekülen M a l o n s ä u r e , formulieren!) eindeutig aufgeklärt werden. Weitere ungesättigte Kohlenwasserstoffe der Cyclohexanreihe werden wir später in den c y c l i s c h e n T e r p e n e n kennenlernen (III, Kap. 5. II).
Von den Halogenderivaten des C y c l o h e x a n s muß vor allem das bei der Anlagerung von Chlor an Benzol entstehende Hexachlor-cyclohexan1) erwähnt werden. Es tritt wie der I n o s i t (s. u.) in s i e b e n d i a s t e r e o m e r e n F o r m e n (Näheres vgl. II, Kap. 7, I, lc) auf, von denen die y-Form unter den Decknamen Gammexan, 666, HÖH usw. als wichtiges K o n t a k t i n s e k t i c i d Verwendung findet (ähnlich dem DDT, S. 175). Auch die ¿ - V e r b i n d u n g (Dexari) ist für Kleinlebewesen toxisch, zeigt jedoch eine mehr b a k t e r i c i d e W i r k u n g . 1
) Zusammenfassung: K.
SCHWABE
U. Mitarbb.: Angew. Chem. 61, 4 8 2 ( 1 9 4 9 ) .
847
I , 2 d : Cyclohexan und Derivate
Cyclohexanol (Cyclohexylalkohol)
—OH ist als Endprodukt der Hydrie-
rung von P h e n o l der am leichtesten zugängliche c y c l i s c h e Alkohol. Es ist eine ziemlich dickflüssige, campherartig riechende Substanz, die bereits bei 25° erstarrt, jedoch aus den beim Glycerin angeführten Gründen (S. 441 Anm.), sowie auf Grund ihrer ungewöhnlich hohen k r y o s k o p i s c h e n K o n s t a n t e n (vgl. Tab. 39, S. 866), bei normaler Temperatur meistens in f l ü s s i g e r F o r m vorliegt. Ein zweiwertiger A l k o h o l des Cyclohexans ist der Chinit, der durch Hydrierung von H y d r o c h i n o n oder Chinon (daher der Name!) gewonnen wird und in einer eis- und einer t r a n s - F o r m auftritt (vgl. H, Kap. 7, I, 1, c):
trans-Chinft
cis-Chinit
Ebenso kann man die auf S. 448f. beschriebenen P o l y p h e n o l e durch Hydrierung in c y c l i s c h e P o l y a l k o h o l e überführen, die sehr komplizierte Stereoisomerie-Erscheinungen (vgl. II, Kap. 7 , 1 , l c ) zeigen. Eine größere Bedeutung haben nur die bereits den K o h l e n h y d r a t e n nahestehenden und auch dort beschriebenen (III, Kap. 4, I I , 5) I n o s i t e und Q u e r c i t e erlangt.
> = 0 , das einfachste K e t o n der Cyclohexanreihe, ent-
Cyclohexanon
steht als schwer faßbares Zwischenprodukt bei der Reduktion von P h e n o l zu C y c l o h e x a n o l und wird daher meistens rückwärts durch Dehydrierung von Cycloh e x a n o l dargestellt (Gleichung formulieren!). Es ähnelt in seinen Eigenschaften dem C y c l o p e n t a n o n und zeigt ebenfalls einen unerwartet h o h e n S i e d e p u n k t (vgl. Tab. 37, S. 832), hat aber bei der leichten Hydrierbarkeit der aromatischen Verbindungen keine analoge Bedeutung als Einfallstor in die Cyclohexanreihe erlangt. Auch in der Cyclohexanreihe sind einige P o l y k e t o n e von allgemeinem Interesse. S sind wir dem symmetrischen Triketon als Ketoform des P h l o r o g l u c i n s (S. 451) bereits früher begegnet. In ähnlicher Weise ist das 8,5-Diketocyclohexen tautomer mit R e s o r o i n (S. 450) und schließlich liegt im Trichinoyl (der Name leitet sich von der dreifachen Chinongruppierung in einem Ring ab) das der (wasserfreien) Leukonsäure entsprechende Cyclohexahexa-on vor, das aber ebenfalls nur in Form eines T e t r a h y d r a t e s existenzfähig ist. Es wird durch s a u r e O x y d a t i o n (z. B . mit Salpetersäure) von H e x a h y d r o x y b e n z o l oder dem leichter zugänglichen l , 2 , 4 , 5 - T e t r a h y d r o x y - 3 , 6 - d i a m i n o b e n z o l gewonnen, da in saurem Medium die oben beschriebene Ringverengerung zu Krokonsäure n i c h t m ö g l i c h ist:
o O
)H HO,
OH -3H,
H O ' Y \ > H Ol )H
o •4H20
o
o
o
NH Hydrolyse
° v A > ° c / y s , NH
HO
.OH
HO
OH
-3H,
Kap. 11, I: Die alicyclischen Verbindungen
848
Trichinoyl-tetrahydrat zerfällt wie die Leukonsäure beim Versuch der Entwässerung quantitativ in Kohlenoxyd und Wasser. Auch Alkalien gegenüber ist es sehr unbeständig, da diese sofort die beschriebene Benzilsäureumlagerung zur Krokonsäure (vgl. S. 843) bewirken. Ein Zwischenprodukt der Reduktion von Trichinoyl zum Hexahydroxy-benzol liegt in der Rhodizonsäure vor. Sie wird aus Trichinoylh y d r a t durch Behandeln mit Schwefeldioxyd gewonnen1) und zeichnet sich dadurch aus, daß sie Strontium-Ionen auch neben überschüssigem (y/ ^o Calcium selektiv zu binden vermag. Möglicherweise ist sie aus diesem Rhodizonsäure Grunde von Bedeutung für die Verhinderung des Einbaus des gefährlichen radioaktiven 90Sr in die Knochensubstanz.
Cyclohexancarbonsäuren sind in großer Zahl bekannt 2 ). Sie treten mit Ausnahme der einfachen Hexahydrobenzoesäure ebenfalls in mehreren r a u m i s o m e r e n F o r m e n auf, haben aber nur geringes Interesse gefunden. Eine komplizierte T e t r a h y d r o x y - h e x a h y d r o b e n z o e s ä u r e liegt in der Chinasäure (V) vor, die auf Grund ihres Vorkommens in der Chinarinde ihren Namen erhalten hat. Ihre Konstitution ergibt sich nach H. O. FISCHER (1932) in sehr eleganter Weise aus der Tatsache, daß das beim (hier vereinfacht wiedergegebenen) CÜRTITTSschen Abbau des C h i n a s ä u r e - a z i d s entstehende T r i h y d r o x y - c y c l o h e x a n o n (VI) mit Phenylhydrazin k e i n O s a z o n liefert, sich also inOrthostellung zurCarboxylgruppe k e i n e O H - G r u p p e befinden kann. Dies ist nur bei der angenommenen Konstitution eines 3 , 4 , 5 - T r i h y d r o x y - c y l o h e x a n o n s möglich: HO. HO— >
OH
X\COOH
Curtiusscher
x
V
HO. HO—S
\=0
kein Osazon.
Die Struktur wurde später durch Totalsynthese 3 ) bestätigt. Bezüglich der Konfigurationsbestimmung der Chinasäure vgl. II, Kap. 7, II, 3. HO Der Chinasäure sehr nahe verwandt ist die in den Früchten UO / V COOH v o n Itticium religiosum auftretende Shikimisäure. Sie geht in der Pflanze wahrscheinlich durch W a s s e r a b s p a l t u n g aus ChinaHO^ säure hervor und stellt ein Zwischenprodukt bei der Biogenese Shikimisäure des Benzolkerns dar (vgl. HI, Kap. 8, III, 4c).
>
e) D a s C y c l o h e p t a n u n d s e i n e D e r i v a t e Die Cycloheptanverbindungen treten an allgemeiner Bedeutung bereits etwas zurück und bieten nicht viel Neues. Immerhin kommen sie zuweilen auch in der bel e b t e n N a t u r vor. Z. B . enthalten die A z u l e n e (S. 862) und die Alkaloide der T r o p i n r e i h e (III, Kap. 7, I I I , 4 a u. b) einen in ein b i c y c l i s c h e s R i n g s y s t e m eingebauten siebengliedrigen Ring. Der Cycloheptanring ist den meisten synthetischen Reaktionen n i c h t m e h r z u g ä n g l i c h , da bei seiner Ringgröße die z w i s c h e n m o l e k u l a r e Atomverknüpfung X)
B . EISTERT U. G. BOCK: Angew. Chem. 70, 595 (1958).
2)
Zusammenfassung über Tetrahydrophthalsäuren: R. E. BUCKLES: Chem. Rev. 1957, 641.
3)
R . GREWE U. Mitarbb.: B . 87, 7 9 3 (1954).
849
2e: Cycloheptan und Derivate
bereits l e i c h t e r als der innermolekulare Ringschluß erfolgt. Nur die trockene Destillation von k o r k s a u r e m K a l k (Calciumsuberat) führt in geringer Ausbeute zum Gycloheptanon, das auf Grund dieser Bildungsweise den Namen Suberon erhalten hat:
/>
CH9—CH2—CHa—C\
PeBtillation ( 5 % Ausbeute)
oCa CH«—
CH,
2\;=o-
CaCO,
CH«—CHo—i1
N ,
Um so wichtiger als spezielle B i l d u n g s w e i s e eines siebengliedrigen Ringsystems ist die beim Erwärmen auf 160° spontan eintretende Umlagerung des durch Anlagerung von D i a z o e s s i g e s t e r an Benzol leicht erhältlichen P s e u d o p h e n y l e s s i g e s t e r s (I = Norcaradien-carbonsäureester; vgl. S. 134, 861f.) in den Cycloheptatrien-carbonsäureester (II): •K.
160°
-COOR
/ !
COOR Ii
Ferner gelangt man nach R. WILLSTÄTTER vom Tropin aus durch Elimination des Stickstoffs auf dem Wege der zweimaligen erschöpfenden Methylierung mit anschließendem HoFMANNSchen Abbau zum C y c l o h e p t a t r i e n : -CH,
-CH
N—CH, CH—OH
N—CH. J H
~H,°
i .a
CH,
1. erschöpfende Methylierung Hof mannscher Abbau
,
Tropidin
Tropin
CH2—CH
N(CH3)2 CH CH2—CH=
CH=CH—CH
-CH 2. erschöpfende Methylierung Hofmannscher Abbau
=CH
des-Methyl-tropidin
CH CH 2 -CH J e Cyclohepta-trien
Der Cycloheptanring steht trotz seiner wesentlich schwierigeren Bildung hinsichtlich der B e s t ä n d i g k e i t dem Cyclopentan- und Cyclohexanring n i c h t n a c h , da die geringere Bildungstendenz in diesem Fall nicht energetisch, sondern s t e r i s c h , d.h. durch das schwierige Sichfinden der Molekülenden beim Schließen des Ringes bedingt ist. Von seinen Derivaten muß vor allem das interessante Cycloheptatrien hervorgehoben werden, das neben Benzol die erste cyclische Verbindung mit drei k o n j u g i e r t e n R i n g d o p p e l b i n d u n g e n darstellt, der wir begegnen. Es verhält sich im Gegensatz zum Benzol wie ein normales a l i p h a t i sches P o l y e n (z. B. verharzt es schnell an der Luft), weil hier infolge der ungeraden Gliederzahl die Bildung eines geschlossen konjugierten Doppelbindungssystems u n m ö g l i c h ist. Eigenartigerweise besitzt C y c l o h e p t a t r i e n eine gewisse Tendenz, wieder rückwärts in N o r c a r a d i e n d e r i v a t e überzugehen. Beispielsweise ist dies bei der D^ELS-ALDERschen Diens y n t h e s e der Fall 1 ): K . ALDER U. G. JACOBS: B . 86, 1528 (1953). 54
K l a g e s , Lehrbuch der Organischen Chemie I , 2.
850
K a p . 11,1: Die alicyclischen Verbindungen
+
CH—CO
Maleinsäureanhydrid
CH—CO
J
Die interessantesten Cycloheptatrienderivate sind ohne Zweifel die T r o p y l i u m salze und die Alkalisalze des Tropolons, die auf Grund der eigenartigen Mesomerieverhältnisse ihrer Ionen aromatischen Charakter aufweisen (Näheres vgl. II, Kap. 3, I I I , 2, z. T. ab 3. Aufl.). Die Tropyliumsalze1) werden aus der oben formulierten Norcaradien-carbonsäure durch CuETiusschen Abbau und Zersetzung des primär entstehenden Isocyanats mit Bromwasserstoff gewonnen:
|\_CO-N,
Curtiusscher Abbau
-N=C=0
+ HBr -
Br-
HNCO Tropylium-bromi d
Sie sind trotz des Vorliegens eines (allerdings mesomeriestabilisierten) Carbenium-Ions w a s s e r beständig.
Die Existenz und Eigenschaften des Tropolons2) und seiner Salze wurden 1945 von M. J. S. D E W A R auf Grund theoretischer Überlegungen vorausgesagt, worauf in II, Kap. 3, I I I , 2 näher eingegangen wird. Seine Synthese aus Suberon gelingt nach J. W. COOK (1950) verhältnismäßig einfach auf dem folgenden Wege: y \
O SeQ,
/
\
¡Br, — 4HBr
Suberon
Cycloheptadio n
Tropolon
Das Tropolonsystem tritt verschiedentlich auch natürlich auf, z.B. im Colchicin (III, Kap. 7, I I I , 8f.). f ) Das Cyclo-octan und seine Derivate 3 ) Das Cyclo-octan gehörte früher zu den bereits schwer zugänglichen Verbindungen, da die Bildungstendenz des achtgliedrigen Ringes nur mehr sehr gering ist. Als Ausgangsmaterial für seine Herstellung diente damals ausschließlich das Alkaloid Pseudo-pelletierin (III, Kap. 7, I I I , 4 c), das schon ein Cyclo-octangerüst enthält und sich nach R. WILLSTÄTTER (1912) auf dem folgenden umständlichen — dem Tropinabbau zum Cycloheptatrien analogen — Wege inCyclo-octa-tetraen (und von diesem ausgehend in verschiedene andere Cyclo-octanderivate) überführen läßt:
CHj—CH—CHj
CH2—CH—CH2h
¿H2 NCH3 ¿0 —i^is— CH2 NCH3 C ^ CH2—¿H—¿H2 Pseudo-pelletierin
CH2—CH—CH20H N-Methyl-granatolin
CH2—CH—CH ~h'°
> CH2 !NCH3 CH CH2—¿H—CHj N-Methylgranatenin
*) M. J. S. DEWAR U. R. PETTIT: Soc. 1956, 2021, 2026. 2 ) Zusammenfassungen: G.HUBER: Angew.Chem.63,501 (1951); J.W.COOKU. J.D.LOUDON: Quart. Rev. 5, 99 (1951); P. L. PAUSON: Chem. Rev. 1955, 9. 3 ) Zusammenfassung: L. E. CRAIG: Chem. Rev. 49, 103 (1951).
2f: Cyclo-octan und Derivate -CH
CHJ—CH1. erschöpf. Methylierg. Hofmannscher Abbau
^JJ
851
jlfjQjj j
CH=CH—CH
QJJ
QJJ
2. erschöpf. Methylierg. ^ Hofmannscher Abbau
Br
,
3H
=CH des-Dimethylgranatenin
Br
+
Cyclo-octa-trien
HO(CH3)3N ¿H- -CH=CH
-CH=CH
I
CHa
CH II CH,; -CH—CH
I
2N(CH S ), (2 AgOtf)
I
CH,
CH II
CH—CH=CH 3. Hofmannscher Abbau
-CH
Br
CH
AH
CH=CH—CH Cyclo-octa-tetraen
N(CH3)3OH
Dibrom-cyclo-octa-dien
Heute dient als wichtigstes Einfallstor in die Chemie des Cylo-octans das Cycloo c t a - t e t r a e n , das man nach W . REPPE 1 ) durch T e t r a m e r i s i e r u n g v o n A c e t y l e n unter Druck an N i c k e l c y a n i d - oder - r h o d a n i d - k a t a l y s a t o r e n bei mäßig erhöhten Temperaturen in bis zu 70%iger Ausbeute erhält: H
Hc/° HC
H
Nos V
WCH H H
Aber auch auf anderem Wege — z. B. mit Hilfe der auf S. 854 beschriebenen cyclischen Kondensation von D i c a r b o n s ä u r e - d i n i t r i l e n in großer Verdünnung (K.ZIEGLER 1 9 3 3 ) oder durch Dimerisierung von Butadien 2 ) oder seinen Derivaten3) — kann man heute bereits auf synthetischem Wege in die Cyclo-octanreihe eindringen:
KaNC
CH, •C.H,
—NNa I
Hydrolyse Decarboxylierg.
"i=0
Trotz der relativ schwierigen Bildung des Cyclo-octanringes zeigen auch die Cyclc-octanderivate die g l e i c h e B e s t ä n d i g k e i t wie die analogen Verbindungen des C y c l o p e n t a n s , C y c l o h e x a n s oder C y c l o h e p t a n s . Wir können uns daher hier auf die Beschreibung des wichtigsten Cyclo-octanderivates, des Cyclo o c t a - t e t r a e n s beschränken. Cyclo-octa-tetraen beansprucht als höheres V i n y l e n - h o m o l o g e s des B e n z o l s mit einem g e s c h l o s s e n k o n j u g i e r t e n S y s t e m von vier C=C-Doppelbindungen in erster Linie t h e o r e t i s c h e s I n t e r e s s e . Doch wurden, wie wir in II, Kap.3, III, !) W.
REPPE u. Mitarbb.: A. 560, 1, 93, 104 (1948). ) K . ZIEGLEB u . H . WILMS: A . 5 6 7 , 1 ( 1 9 5 0 ) . 3 ) A . C . COPE U. W . J . B A I L E Y : A m . S o c . 7 0 , 2 3 0 5 ( 1 9 4 8 ) . 2
54»
Kap. 11,1: Die alicyclischen Verbindungen
852
4 b y noch eingehend erörtern werden, die seinerzeit an seine Darstellung geknüpften Erwartungen n i c h t e r f ü l l t , denn es erwies sich im Gegensatz zum sehr s t a b i l e n und f a r b l o s e n aromatischen Benzol als eine u n b e s t ä n d i g e g e l b e Flüssigkeit, die das typische Verhalten eines a l i p h a t i s c h e n P o l y e n s zeigt, z. B. in der Hitze sehr rasch (und bei längerem Stehen auch in der Kälte) p o l y m e r i s i e r t , an der Luft A u t o x y d a t i o n erleidet usw. Bei den e i n h e i t l i c h verlaufenden Reaktionen beobachtet man weiterhin häufig eine starke Tendenz des Moleküls, unter Umgruppierung der C-Atome ein a r o m a t i s c h e s B e n z o l - oder ein bicyclisches C y c l o h e x a d i e n d e r i v a t zu bilden. Zwischenstufen bei diesen unterMolekülumlagerung verlaufenden Reaktionen sind n i c h t b e k a n n t , sondern es hat stets den Anschein, als ob das Cyclo-octa-tetraen von vornherein in mehreren „tautomeren" Grenzformen reagieren kann. Man muß die Reaktionen des Cyclo-octa-tetraens daher in drei grundsätzlich verschiedene Gruppen unterteilen: 1. Reaktionen, die o h n e S t r u k t u r ä n d e r u n g e n des Kohlenstoffgerüstes verlaufen, 2. Reaktionen, bei denen D e r i v a t e d e s pX y l o l s entstehen, und 3. Reaktionen, bei denen intermediär eine Isomerisierung des Cyclo-octa-tetraens zum B i c y c l o - [ 0 , 2 , 4 ] - o c t a - t r i e n - 2 , 5 , 7 1 ) (I) mit aneinander kondensiertem Cyclohexadien- und Cyclobutenring stattfindet: (nur im Kähmen anderer Reaktionen möglich)
Zu 1. Ohne Veränderung des Ringskeletts verlaufen insbesondere alle H y d r i e r u n g s r e a k t i o n e n , die in einem Reaktionsgang sowohl vollständig bis zum C y c l o o c t a n als auch (z. B. in nicht sauren Lösungsmitteln) nur bis zur Stufe des Cycloo c t e n s durchgeführt werden können. Von letzterem aus sind dann ohne Schwierigkeiten eine Reihe w e i t e r e r C y c l o - o c t a n - D e r i v a t e zugänglich:
+
+ 4 H,
^=0
_ H,
NX
\
3H,
H Hydrolyse
|\0Ac
Eisessig
H,S0,
Auch die Reaktion des Cyclo-octa-tetraens mit B e n z o p e r s ä u r e zum M o n o o l e f i n o x y d und die Anlagerung von zwei L i t h i u m a t o m e n , die in 1 , 4 - S t e l l u n g addiert werden, gehen ohne Änderung des Ringskeletts vor sich: Li
+o \
7
+ 2 Li
COOLi
+ 2 CO,
(Benzopersäure)
') Bezgl. der Nomenklatur der bicyclischen Verbindungen vgl. S. 858.
w
y
-
I \
COOLi
853
2f: Cyclo-octan und Derivate
Zu 2. Bei allen anderen Oxydationsreaktionen tritt bereits die erwähnte Isomerisierung des Cyclo-octa-tetraen-Ringes zu p-Xylolderivaten ein. So entsteht z. B. bei der Einwirkung von a l k a l i s c h e r H y p o c h l o r i t l ö s u n g zum überwiegenden Teil T e r e p h t h a l a l d e h y d (III) (neben Benzaldehyd und Benzoesäure) und bei der Oxydation mit E i s e s s i g - C h r o m t r i o x y d T e r e p h t h a l s ä u r e (II): H O O G — ^
^ — C O O H
CrQ,
NaOCl (NaOH)
(Eisessig)
O C H — ^
CHO
nT
Ii
Auch unter den Bedingungen der . S e l e n d e h y d r i e r u n g undurchsichtiger Reaktion z. Teil in p - X y l o l über.
geht Cyclo-octa-tetraen in
Zu 3. Derivate des Bicyclo-[0,2,4]-oct»-triens-2,5,7 erhält man insbesondere bei der Einwirkung von Halogenierungsmitteln. Z. B. entsteht bei der Addition von zweiChloratomen mittels Sulfurylchlorids die Verbindung IV, die ein noch intaktes 1 , 3 - D i e n s y s t e m enthält und daher zur D i e n s y n t h e s e befähigt ist. Von Interesse ist vor allem die Addition von Naphthochinon zur Verbindung V, da diese bei 180° in A n t h r a c h i n o n und D i c h l o r - e y c l o b u t e n zerfällt (Konstitutionsbeweis) :
8 0 , Cl,
C1
I+
Cl/ 0 II
CL
CI/
+
180°
o Auch das Cyclo-octa-tetraen selbst ist bereits zur D i e n s y n t h e s e befähigt, wobei es ebenfalls nur in Form des isomeren Bicyclo- [0,2,4] -octa-triens in Reaktion tritt:
o
,C(K
x x
•0) ^ ¿ L r
,CCK
u j i ^
O
s
Die Reaktion erinnert an die Bildung von N o r e a r a d i e n d e r i v a t e n bei der D I E L S ALDER-Reaktion des C y c l o h e p t a t r i e n s (S. 849). Schließlich muß man zuweilen auch mit einer intermediären Bildung des bicyclischen Ringsystems rechnen. Dies ist insbesondere bei zahlreichen Oxydat i o n s r e a k t i o n e n mit Quecksilber(II)-salzen der Fall, die stets unter Öffnung des Cyclobutanringes und Aromatisierung des Cyclohexanringes zum P h e n y l a c e t a l d e h y d oder seinen Derivaten führen:
\
. .. „
W
\)H
\
CHO
. I
—CH,
Kap. 11,1: Die alicyclisohen Verbindungen
854
CH(OR) 2 bzw. (OAc)2
+ HOR(Ac) '
' L CH,
g) C y c l o p a r a f f i n e größerer R i n g w e i t e Darstellung. Die bewährte Methode der Kalksalzdestillation v e r s a g t beim Versuch der Herstellung cyclischer Ketone mit n e u n und zehn R i n g g l i e d e r n praktisch vollkommen, so daß, da auch keine Naturprodukte dieser Ringgröße bekannt waren, die Bildung höhergliedriger Cycloparaffine lange Zeit als u n m ö g l i c h galt. Diese Anschauung konnte jedoch L . R U Z I C K A (ab 1 9 2 6 ) widerlegen, indem er zeigte, daß — nach einem B i l d u n g s m i n i m u m bei einer Gliederzahl von z e h n R i n g a t o m e n — die Ausbeute an Ringketonen bei der Kalk- (oder Thorium-)salzdestillation noch höhergliedriger Dicarbonsäuren w i e d e r z u n i m m t . So kann man z. B. auf diese Weise, wenn auch in maximal nur etwa 5%iger A u s b e u t e , cyclische Ketone mit 12—25 Ringgliedern ohne Schwierigkeit synthetisieren. Aber erst bei dem von K. Z I E G L E E ( 1 9 3 3 ) eingeführten Verfahren der innermolekularen Kondensation von D i c a r b o n s ä u r e - d i n i t r i l e n in Gegenwart von ä t h e r l ö s l i c h e n M e t a l l - a l k y l a n i l i d e n (vgl. S. 365) wurden die Ausbeute Verhältnisse derart verbessert, daß die höhermolekularen Cycloketone heute zu den verhältnismäßig l e i c h t z u g ä n g l i c h e n Verbindungen gehören: CH, Na NC< + Zn Br—CH»/
- 2 ZnBr.
H.C\
/CHn
l> + O
c) O r t h o k o n d e n s i e r t e R i n g s y s t e m e Haben zwei Ringe zwei b e n a c h b a r t e A t o m e gemeinsam, so spricht man von ortho-lcondensierten Ringsystemen. Sie kommen in der alicyclischen Reihe nur relativ selten vor und zeigen ebenfalls interessante S t e r e o i s o m e r i e e r s c h e i n u n g e n , da der zweite Ring an den ersten sowohl in eis-, als auch in t r a n s - S t e l l u n g angegliedert werden kann. Als Beispiel seien die Raumformeln der beiden stereoisomeren, je zwei kondensierte sechsgliedrige Ringe enthaltenden D e k a l i n e (s. u.) angeführt:
cis-Dekalin
trans-Dekalln
Bei k l e i n e r R i n g w e i t e , wenn die Atome eines jeden Ringes praktisch in einer Ebene liegen, kann natürlich die Verknüpfung der Ringe nur in e i s - S t e l l u n g erfolgen, da eine t r a n s - V e r k n ü p f u n g (z. B. zweier Vierringe) eine zu s t a r k e V a l e n z a b b i e g u n g (und als Folge davon eine zu starke R i n g s p a n n u n g ) hervorrufen würde (Näheres vgl.II, Kap.7, IV, 1). !) V . A . SLABEY : A m . S o c . 6 8 , 1 3 3 5 ( 1 9 4 6 ) .
*) K. HEYNS U. A.HEINS: Angew. Chem. «8, 414 (1956).
861
3 c : Orthokondensierte Ringsysteme
Die wichtigste Verbindung der Reihe ist das kurz als Dek(c)alin (aus Defcahydronaphthaim) bezeichnete vollständig h y d r i e r t e Napht h a l i n , das sowohl in der eis- als auch in der t r a n s - F o r m völlig spannungsfrei ist, so daß beide Formen nahezu den gleichen E n e r gieinhalt besitzen (vgl. II, Kap. 7, IV 1) und eis-Verknüpfung trans-Verknüpfung bei der Darstellung in annähernd gleichen zweier Vierringe zweier Vierringe (existenzfähig) (nicht existenzfähig Mengen nebeneinander entstehen. Das Gemisch beider Formen wird technisch im großen durch Hydrierung von Naphthalin gewonnen und findet ähnlich wie Cyclohexan Anwendung als hochsiedendes einheitliches Lösunsmittel der Paraffinreihe. Es wurde erstmals von W. H ü c k e l (1923) als Gemisch zweier geometrisch isomerer F o r m e n erkannt. Von den Derivaten des Dekalins sind wir dem 9(10)-0ctalin ( = OctohydronaphthaZin) als Ausgangsmaterial für die Darstellung von Verbindungen der C y c l o d e c a n r e i h e (S. 856) bereits begegnet. Es kann durch Dimerisierung von dampfförmigem Cyclopenten über Phosphorpentoxyd gewonnen werden1) und ist aus sterischen Gründen nicht mehr zur Bildung eines normalen Ozonids befähigt. Statt dessen entsteht ein bimolekulares P e r o x y d , in dem zwei Cyolodecanonringe durch einen s e c h s g l i e d r i g e n , zwei P e r o x y g r u p p e n enthaltenden Bing zu einem zweifachen Spiran verknüpft werden2):
o,
P.O.
9(10)-Octalin
bimolekulares 9(10)-0ctalin-ozonld
Auch das 9-Methyl-dekalin haben wir auf Grund seines interessanten Verhaltens bei der Selendehydrierung (S. 845) schon kennengelernt. Es kann nicht mehr durch Hydrierung von Naphthalinderivaten, sondern nur s y n t h e t i s c h auf dem folgenden Wege gewonnen werden: OH — H,0
— EOH
CH,
Ein weiteres kondensiertes Ringsystem dieses Typus, das wir ebenfalls bereits früher kennengelernt haben, ist in dem aus Benzol und Diazoessigester entstehenden Pseudophenylessigester (S. 134) enthalten. Hier ist ein Cyclopropanring mit einem Cyclohexadienring kondensiert: 1 2
) R . C b i e g e e u . A . R i e b e l : Angew. Chem. 65, 1 3 6 ( 1 9 5 3 ) . ) R . C b i e o e e U. G. W E N N E R : A . 5 6 4 , 9 ( 1 9 4 9 ) .
Kap. 11,1: Die alicyclischen Verbindungen
862 I
+ N2CH—COOR
>• |
V-COOR + N, ,
%/ d. h. es liegt, von den Doppelbindungen abgesehen, das gleiche Ringgerüst wie in den Terpenen der C a r a n r e i h e (III, Kap. 5, II, 2) vor. Man bezeichnet die Verbindung daher zuweilen auch als nor-Caradien-carbonsäureester. Wir begegnen hier erstmals der Vorsilbe „nor"- in der rationellen organischen Nomenklatur. Sie ist eine Abkürzung für den Ausdruck n o r m a l und wird immer dann angewandt, wenn sich der Name einer Verbindung n i c h t von dem einfachen Grundkohlenwasserstoff ableitet, sondern umgekehrt der Name des G r u n d k o h l e n w a s s e r s t o f f e s von dem des (meistens als Naturstoff) bekannteren D e r i v a t e s . Hierbei versteht man unter der norV e r b i n d u n g immer den einfachsten g e s ä t t i g t e n oder zuweilen auch a r o m a t i s c h e n K o h l e n w a s s e r s t o f f (bzw. die einfachste h e t e r o c y c l i s c h e V e r b i n d u n g ) , die das g l e i c h e R i n g s y s t e m ohne jede Seitenkette oder sonstige funktionelle Gruppe enthält. In unserem speziellen Fall liegt der Benennung das natürliche Terpen C a r e n (I) (Näheres vgl. III, Kap. 5, II, 2) zugrunde, dem der gesättigte Kohlenwasserstoff C a r a n (II) entspricht. Von diesem leiten sich dann sekundär der seitenkettenfreie Kohlenwasserstoff n o r - C a r a n (III), das zwei Doppelbindungen im Ring enthaltende n o r - C a r a - d i e n (IV) und schließlich der n o r - C a r a - d i e n c a r b o n s ä u r e e s t e r (V) ab:
J X II
( > III
Q h x k »
IV
v 1
Weiterhin gehören auch die eigenartigen Azulene ) diesem Verbindungstypus an. I n ihnen ist ein C y c l o p e n t a d i e n - mit einem C y c l o h e p t a t r i e n r i n g in der Weise kondensiert, daß die fünf Doppelbindungen in dem ä u ß e r e n R i n g in f o r t l a u f e n d e r K o n j u g a t i o n angeordnet sind. Die Darstellung des Grundkörpers der Reihe geschieht am besten vom I n d e n (VI) aus durch Erweiterung des Benzolringes mit Hilfe der D i a z o e s s i g e s t e r r e a k t i o n (S. 849) und nachträgliche Einführung der fehlenden Doppelbindung nebst Decarboxylierung:
+ N2CH—COOR
COOR
~ H i > Amylalkohol (Verdünnung)
X
(n>7)
(CH2)N
Von einigen weiteren charakteristischen Verbindungen dieses Typus, bei denen noch g r ö ß e r e E n t f e r n u n g e n durch die Alkylenkette überbrückt oder die pständigen Substituenten durch z w e i A n s a b r ü c k e n 2 ) verbunden werden, seien nur die Formeln angeführt: (CH2)7 -(CH2)] -N O—i
(CH2)1
Y
k
(CH,)„
I N— L Ü T T R I N G H A U S hat damit die bis dahin s t r e n g g ü l t i g e Regel, daß ein zweiter Ring an einen Benzolkern nur in o - S t e l l u n g kondensiert werden kann, durchbrochen, (CH2)8
x
) G. WITTIG u. Mitarbb.: Angew. Chem. 6 8 , 40; 7 0 , 166 (1956/58). ) A. LÜTTRINGHAUS U. H. SIMON: A. 5 5 7 , 120 (1947).
2
2a: Der Pyridinkern
899
bzw. den Gültigkeitsbereich dieser Regel auf eine Ringgröße u n t e r h a l b des „Ring b i l d u n g s m i n i m u m s " von lORingatomen (vgl. S.855) beschränkt. Auf die im Zusammenhang mit diesen neuartigen Ringmolekülen auftauchenden s t e r e o c h e m i s c h e n P r o b l e m e werden wir später noch näher zu sprechen kommen (vgl. II, Kap. 7,1, l d c ; IV, 1; VI, 2 u.a.). 2. Die Verbindungen vom Pyridintypus a) A l l g e m e i n e s Ersetzt man im Benzolring eine C H - G r u p p e durch ein N - A t o m , so kommt man zu der wichtigsten heterocyclischen Verbindung, dem Pyridin. Seine Bedeutung liegt einerseits auf dem Gebiete der t h e o r e t i s c h e n o r g a n i s c h e n Chemie, da es als A z a d e r i v a t des B e n z o l s weitgehend dessen aromatischen Charakter beibehalten hat, andererseits auf dem der Naturstoffe, insbesondere der Alkaloide, da diese vielfach einen P y r i d i n r i n g enthalten. Schließlich treten Pyridin und einige seiner einfachen Derivate auch im S t e i n k o h l e n t e e r auf. Die Struktur des Pyridinringes ist durch mehrere S y n t h e s e n und auch Abb a u r e a k t i o n e n absolut sichergestellt. Am einfachsten ergibt sie sich aus den nahen Beziehungen des Pyridins (III) zu dem auf S.590 beschriebenen P i p e r idin (II) und den P e n t a m e t h y l e n d i h a l o g e n i d e n (I), aus denen es in r e v e r s i b l e r R e a k t i o n gewonnen werden kann. Eine andere Synthese, die die engen Beziehungen zum Benzol besonders deutlich erkennen läßt, haben wir bereits auf S. 116 in der gemeinsamen Trimerisierung von A c e t y l e n und B l a u s ä u r e kennengelernt: H H ^CHj—CHj Hai H — 3H, — 2 HHal HC^ + % CHa NH + 3 H , N + / XNH ,v. Braunscher C=sC XCH,—CH, —Hai H H H i Schließlich ist auch die etwas umständliche HANizscHsche C o l l i d i n s y n t h e s e für die Struktur des Pyridinringes beweisend. Sie beruht auf einer Verknüpfung der aktiven Methylengruppen zweier A c e t e s s i g e s t e r m o l e k ü l e durch die Carbonylgruppe eines A c e t a l d e h y d m o l e k ü l s unter gleichzeitigem Einbau des als Kondensationsmittel dienenden A m m o n i a k s in den entstehenden Ring. Dieser setzt sich also aus v i e r e i n z e l n e n T e i l s t ü c k e n zusammen: COOR CH, COOR CH, O H;\ : H H ;NH =0 + : H :H ^C— I I COOR CH, -h,
(N,0,)
-3H.0
¿JOOR 0(
Ar
-N
CH3
Dihydro- collidin- dicarbo nsäureester
COOR CH, I CH.
NH
V CH3
Esterverseifung - 2 CO,
COOR CH3 Col 1 idin-di- earbo n säureester 57*
CH.,—CH
o nn
* GH«
/
I
N
Collidin^Hj
900
Kap. 11, II: Cyclische Verbindungen vom Benzoltypus
Die Reaktion ist nur zur Darstellung von P y r i d i n h o m o l o g e n geeignet, hat hier aber infolge der zahlreichen V a r i a t i o n s m ö g l i c h k e i t e n eine gewisse präparative Bedeutung erlangt. Später ist es A. T S C H I T S C H I B A B I N (1924) gelungen, die gleiche Synthese bei hoher Temp e r a t u r unter Verwendung von A1203- K o n t a k t e n auch mit den reaktionsträgeren K e t o n e n (an Stelle der Ketocarbonsäureester) durchzuführen und dadurch kostspielige organische Substanz einzusparen: CH, /CH/ i II H CH3—CH = 0 i -b H H \ CH-
CH3 O + H NH D
j CH„
-3H.0
/CH,
CH=C
„„ / * CH3—CH
\)H=(/
\ NH /
Ah3
CH,
Die Benennung der Pyridinverbindungen erfolgt vielfach durch T r i v i a l n a m e n , die sich von den Namen der jeweiligen N a t u r s t o f f e ableiten, die das betreffende Pyridinderivat enthalten (z. B. ist P i p e r i d i n ein Bestandteil des Alkaloids P i p e r i n ; III, Kap. 7, I I I 3a) oder beim Abbau liefern (z.B. entsteht N i c o t i n 4 s ä u r e beim oxydativen Abbau von N i c o t i n ; III, Kap. 7, III, 4). Die daneben gebräuchliche r a t i o n e l l e B e n e n n u n g erfolgt in der W, ^ üblichen Weise durch A b z a h l u n g der C-Atome oder durch Verwendung g r i e c h . B u c h s t a b e n zur Charakterisierung des Abstandes 1 vom Pyridinstickstoff: Die physikalischen Eigenschaften der Pyridinverbindungen sind denen der B e n z o l d e r i v a t e ähnlich, weichen jedoch in einigen Punkten charakteristisch von ihnen ab, wie im einzelnen aus Tab. 41 zu entnehmen ist. Danach beobachtet man gegenüber den entsprechenden Benzolabkömmlingen bei den nicht besonders stark assoziierenden Verbindungen einen im Durchschnitt um etwa 30° höheren S i e d e p u n k t , der auf das relativ hohe Dipolmoment des heterocyclischen Ringsystems zurückzuführen ist (S.444,620), und eine — offenbar durch die größereUnsymmetrie des Moleküls bedingte — deutliche S c h m e l z p u n k t s s e n k u n g . Besonders groß werden die Unterschiede zwischen beiden Reihen bei den stark assoziierenden Verbindungen, wie z. B. bei den zur Ausbildung von Z w i t t e r i o n e n neigenden Carbonsäuren und den zur Bildung von W a s s e r s t o f f b r ü c k e n befähigten H y d r o x y - und A m i n o v e r b i n d u n g e n , die sämtlich sehr hoch s c h m e l z e n und sieden. Hier treten zwischen ) R. E.
HAGENBACH
u. Mitarbb.: Angew. Chem. 66, 359 (1954).
3c: Die Tetrazine und ihre Derivate ©
e
/ N = N ROOC—CH + CH—COOR 0 //
.
921
» HOOC—
Ansäuern
\
N
K0H K0H
>
/N=NX KOOC—< >—COOK \N=N/ i
V_C00H
N = N
~200' >
/
\n=nZ
II III 1,2,4,5-Tetrazin ist im Gegensatz zu den meist farblosen Verbindungen dieser Reihe ein d u n k e l r o t e r , s u b l i m i e r b a r e r , f e s t e r K ö r p e r (Smp. 99°), der sich, wie seine Bildungsreaktion zeigt, durch eine (in Anbetracht des hohen Stickstoffgehaltes) ziemlich große T h e r m o s t a b i l i t ä t auszeichnet. Die D i h y d r o v e r b i n d u n g e n sind bereits wesentlich u n b e s t ä n d i g e r . So lagert sich z. B . B i s d i a z o e s s i g s ä u r e beim K o c h e n m i t A l k a l i unter Ringverengerung in das 4 - A m i n o 1 , 2 , 4 - t r i a z o l d e r i v a t I V um, das man ebenfalls zur carboxylfreien Verbindung (V) (vgl. S. 954) decarboxylieren kann: N = N K 0 0 (
K N = « ) ^
0 0 K
N—N KOOC4N;LCOOK
j
^
NHa iv
u
N—N IINI| NH2 v
Vom 1,2,3,4-Tetrazin kennt man nur noch Derivate der Dihydroverbindung (II). Sie besitzen ein vollständiges, nicht durch Mesomerie stabilisiertes T e t r a z a n g e r ü s t und werden auch in gleicher Weise wie die Tetrazane (vgl. S. 637) durch Zusammenoxydation zweier Hydrazinsysteme unter Ausbildung einer N—N-Bindung synthetisiert:
R—C
N—CO—f
R—C
N—CO
•Nx R—C^
CO—
R—C
N—CO— H \ = /
R—C—N=N—/
R C
\
R—C—N=N—^
N
S
/
Die Osotetrazine sind f a r b l o s e , relativ u n b e s t ä n d i g e V e r b i n d u n g e n , die durch R e d u k t i o n s m i t t e l ziemlich leicht wieder rückwärts zu den Osazonen a u f g e s p a l t e n werden. Dagegen ist eine H y d r o l y s e der b e i d e n C = N - D o p p e l b i n d u n g e n unter Freisetzung des Tetrazanmoleküls noch n i c h t g e l u n g e n . Vom 1,2,3,5-Tetrazin sind bisher keine D e r i v a t e bekannt. 4. Die sauerstoffhaltigen sechsgliedrigen Ringsysteme Das neutrale Sauerstoffatom vermag infolge seiner Z w e i b i n d i g k e i t die CHGruppe des Benzolkerns n i c h t mehr zu e r s e t z e n . Eine dem P y r i d i n analog konstituierte n e u t r a l e S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g gibt es daher n i c h t . Erst wenn man zu den O x o n i u m s a l z e n übergeht, ist die Ausbildung eines aromatischen Sechsringes mit S a u e r s t o f f als H e t e r o a t o m möglich. Bisher sind zwei Verb i n d u n g s k l a s s e n bekannt geworden, die einen derartigen sauerstoffhaltigen aromatischen Sechsring enthalten oder unter gewissen Umständen auszubilden vermögen, nämlich a) die P y r y l i u m s a l z e und b) die Pyrone. a) D i e P y r y l i u m s a l z e Die Pyryliumsalze (früher auch Pyroxoniumsalze genannt) sind die eigentlichen S a u e r s t o f f a n a l o g a der P y r i d i n b a s e n , von denen sich ihre Kationen durch Ersatz des N-Atoms durch ein d r e i b i n d i g e s O x o n i u m 0 - A t o m ableiten. Sie wurden in Form der v o m X a n t h o n ClOT (S. 929) aus zugänglichen Dibenzo-pyrylium- oder Xanthylium-Salze (I) von A. W E R N E R (1901) entdeckt, doch ge1 lang es erst A. v. B A E Y E R (1911), das erste einen einf a c h e n S e c h s r i n g enthaltende Pyryliumsalz aufzubauen. Er ging hierzu von demauf S. 925f.beschriebenen2,6-Dimethylpyron (II) aus, das sich mit M e t h y l m a g n e s i u m h a l o g e n i d e n in normaler Weise zum 2 , 4 , 6 - T r i m e t h y l p y r a n o l (III) umsetzt. Dieses stellt bereits eine der beiden möglichen P s e u d o b a s e n der P y r y l i u m s a l z e (Näheres vgl. S. 923, Anm.) dar und spaltet daher bei der Einwirkung s t a r k e r M i n e r a l s ä u r e n die Hydroxylgruppe i o n o g e n zu dem strukturell dem Collidin entsprechenden 2,4,6-Trimethyl-pyrylium-Kation (IV) ab, eine Reaktion, welche ohne Zweifel durch die starke A r o m a t i s i e r u n g s t e n d e n z des alicyclischen Pyranolringes unterstützt wird: CH3 .OK H3Cn / cior H / CH CH HC Hi + HÎC10, CH,—MgX II — H,0 L (3 c CH3J Lh,C H , C / \ / N J H , H A C ^ o ^ C H , xr
•
" h c
0
H2N
u
+ ^O
io=:c: H
2
N H
Tautomere Formen des Imidazols
Auf Grund dieser letzteren Reaktion hat das I m i d a z o l auch den Namen Glyoxalin erhalten. Bei Verwendung entsprechend substituierter Derivate eignet sich die Methode auch zur Darstellung der höheren H o m o l o g e n des Imidazols. Als Beispiel sei die analoge Bildung
von 4-M ethyl-imidazol bei der Einwirkung von F o r m a 1 d e h y d und A m m o n i a k auf M e t h y 1 g l y o x a l angeführt (Gleichung formulieren!). Die Reaktion spielt insbesondere bei dem in lU, Kap. 4, I, 6b beschriebenen Glucoseabbau mit Z i n k h y d r o x y d - a m m o n i a k eine Rolle.
Schließlich ist es auch möglich, den Amidinkohlenstoff mit Hilfe eines K o h l e n s ä u r e d e r i v a t e s in den Ring einzuführen und die hierbei entstehende, in 2-Stellung oxydierte (bzw. sulfurierte) Verbindung nachträglich wieder zu r e d u z i e r e n . Das wichtigste, insbesondere zur Darstellung der 4- (bzw. der mit ihnen tautomeren 5-) S u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e geeignete Verfahren bedient sich zu diesem Zweck der Anlagerung von « - A m i n o k e t o n e n an r h o d a n w a s s e r s t o f f s a u r e s Kalium zum Zwischenprodukt I, das sofort unter Ringschluß in das 2 - M e r c a p t o - i m i d a z o l d e r i v a t I I übergeht, aus welchem schließlich die SH-Gruppe relativ leicht durch R e d u k t i o n entfernt werden kann: H 2 C—NH 2 1
"V" " c—SK
AN^
-N
H.C-
R-
C—SK :0
— H,0
H,
N R
'!—SK
Reduktion Tautomerisierung
-R
Jj
N
N H
Imidazol schmilzt (90°) und siedet (256°) noch höher als P y r a z o l , zeigt aber diesem gegenüber keine grundsätzlich neuen Reaktionen. Es ist — vermutlich auf Grund seiner A m i d i n s t r u k t u r — wesentlich s t ä r k e r b a s i s c h als Pyrazol und übertrifft in dieser Beziehung mit einem p K -Wert von 6,83 sogar das nur ein NAtom im Molekül enthaltende P y r i d i n (p K = 8,77; vgl. auch S. 901). Sonstige Reaktionen als Carbonsäurederivat sind n i c h t zu e r k e n n e n . !) H . BREDEBECK U. G , THEILIG: B , 8 6 , 8 8 ( 1 9 5 3 ) .
951
ldyund ^0/
x
r
—
NH,
'
Ä
o/
CH=N
1/3
CH—
V-CH=N/ IV
Ferner sind einige Farbreaktionen des Furfurols von Interesse, die gleichzeitig-als Nachw e i s r e a k t i o n e n f ü r P e n t o s e n dienen. So beruht z. B. eine q u a n t i t a t i v e Bestimmungsmöglichkeit für Pentosen auf der Bildung eines dunkelgrünen, hochmolekularen Niederschlages bei der Kondensation von F u r f u r o l mit Phloroglucin. Weiterhin findet beim Erhitzen von Furfurol mit salzsaurem Anilin bereits in wäßriger Lösung Kingaufspalt u n g unter Bildung des violetten salzsauren Salzes des Dianils des H y d r o x y g l u t a c o n d i a l d e h y d s (V) statt: /=N—C 8 H 6 /CH=0 + H.K-C.H, — H,0
+ HCl + H.N-C.H.
© = N H — C A
C1 L l=—NH—C,H, Der Vorgang findet in der bereits auf S. 903 beschriebenen Spaltung des P y r i d i n r i n g e s zum (hier allerdings hydroxylfreien) Dianil des G l u t a c o n - d i a l d e h y d s eine Parallele. Furfurylalkohol (III) kann aus Furfurol durch R e d u k t i o n oder D i s p r o p o r t i o n i e r u n g nach CANNIZZARO (S. O.) gewonnen werden. Er gehört zu den wenigen natürlich vorkommenden einfachen Furanderivaten und ist im Gewürznelkenöl sowie im gebrannten Bohnenk a f f e e enthalten. Zusammenfassung: G. JAYME: Angew. Chem. 69, 150 (1947).
960
Kap. 11, I I I : Fünfgliedrige aromatische Ringsystsme
w - bzw. 5-Hydroxymethylfurfurol entsteht — in analoger Weise wie Furfurol aus Pentosen — beim Kochen von H e x o s e n mit verdünnter Schwefelsäure: OH
H
/CHO
T - Jj 1i / ' CH c
| CH
A:
H
\
/CHO CH=C/
0 H
H «°
/OH 0' , \ H
CH
CH2
CH,—COOH
n
OH
y C/ CH/- - O H
•
0 + HCOOH CHt-C/ XCH,
io-Hydroxymethyl-furfuroI
LSvulinsäure
Es ist gegenüber Säuren wesentlich u n b e s t ä n d i g e r als Furfurol und wird daher unter den Bildungsbedingungen leicht weiter zu L ä v u l i n s ä u r e (S. 526) und A m e i s e n s ä u r e aufgespalten. Im übrigen zeigt es ähnliche charakteristische Farbreaktionen wie Furfurol.
Von den einfachen Carbonsäuren des Furans treten die D e h y d r o s c h l e i m säure und die B r e n z s c h l e i m s ä u r e als Zwischenprodukte bei der Brenzung von Schleimsäure zum Furan auf: /COOH CHOH-CH^ OH
\
/COOH
~00'
Ö
.OH
CHOH-CH/"" xCOOH Schleimsäure
/COOH
=\
-3 H , 0 1
o
~00',
"
"b
\s/>
Thenyl
Thenyllden
II
|
II)—C0-
\S/'
Thenoyl
b) D a s T h i o p h e n u n d s e i n e D e r i v a t e Die Konstitution des Thiophenringes ergibt sich einerseits aus zahlreichen S y n t h e s e n , von denen wir die Umsetzung von B e r n s t e i n s ä u r e d i a l d e h y d (S. 472) oder b e r n s t e i n s a u r e m N a t r i u m (S. 485) mit P 4 S 1 0 , die Zusammenlagerung von zwei Molekülen A c e t y l e n und einem Atom S c h w e f e l beim Leiten der Dämpfe durch ein glühendes Rohr (S. 116) und den reversiblen Ersatz des F ü r a n s a u er s t o f f s durch S c h w e f e l beim Leiten der Dämpfe von Furan und Schwefelwasserstoff über A l u m i n i u m o x y d bei 450° (S. 957) bereits kennengelernt haben. Auch die Thiophenbildung bei der Anlagerung v o n e l e m e n t a r e m S c h w e f e l an 1,3-Diene (S. 109) ist für die Konstitution beweisend:
H2C—CH=0 H2C—CH=0 HC-CH
„ p*)»!»
+ S
HC=CH HC=CH
- »•
HC-CH,
L HC=CH\ J H
'°
-
¿ C = c h /
s
- i
Lediglich die e r s t e und die l e t z t e der genannten Reaktionen haben praktische Bedeutung für die Synthese von Thiophenderivaten erlangt. Ferner ist auf die Zusammenlagerung von Schwefel und Acetylen wahrscheinlich das Auftreten des Thiophens im S t e i n k o h l e n t e e r zurückzuführen. Thiophen selbst wird praktisch ausschließlich aus S t e i n k o h l e n t e e r gewonnen, bei dessen Aufarbeitung es sich infolge des ähnlichen Siedepunktes (vgl. Tabelle 42, S. 965) im R o h b e n z o l anreichert. Dieses enthält daher stets bis zu 0,5% (durchschnittlich 0,15 %) Thiophen, das aus ihm am besten mit Hilfe des unten beschriebenen M e r c u r i e r u n g s v e r f a h r e n s abgetrennt wird. Die große p h y s i k a l i s c h e und c h e m i s c h e Ähnlichkeit von Thiophen und Benzol ist die Ursache dafür, daß Thiophen trotz seines nicht unbeträchtlichen Vorkommens im Steinkohlenteer erst relativ spät und nur durch einen Zufall entdeckt wurde. Den ersten Hinweis auf die Anwesenheit eines damals noch unbekannten Begleiters im Teerbenzol erhielt V. MEYER im Jahre 1884 anläßlich eines Vorlesungsversuches, bei dem die seinerzeit dem Benzol selbst zugeschriebene I n d o p h e n i n r e a k t i o n (s. u.) unerwarteterweise ausblieb. Die Nachprüfung ergab, daß er statt T e e r b e n z o l ein besonders gereinigtes, aus B e n z o e s ä u r e gewonnenes Benzol verwandt hatte. Nun lag natürlich der Schluß nahe, daß das Teerbenzol noch einen u n b e k a n n t e n B e g l e i t s t o f f als eigentlichen Träger der Indopheninreaktion enthalten müsse, und es gelang V. MEYER dann auch kurze Zeit später, das T h i o p h e n als diesen Begleitstoff zu isolieren.
967
3 b : Der Thiophenkern
Chemische Eigenschaften. Der T h i o p h e n r i n g zeigt infolge seiner relativ großen A r o m a t i s i e r u n g s e n e r g i e (29 kcal, vgl. II, Kap. 3, I I I , 3) im Gegensatz zu den p h e n o l a r o m a t i s c h e n Heterocyclen F u r a n und P y r r o l einerseits fast k e i n e Reaktionen der e i n z e l n e n S t r u k t u r e l e m e n t e mehr — z. B . ist es weder möglich, irgendwelche D i e n r e a k t i o n e n durchzuführen, noch kann man den Schwefel zu S u l f o x y d e n oder S u l f o n e n des Thiophens oxydieren — andererseits einen bereits ausgesprochen b e n z o l ä h n l i c h e n Charakter. Dies geht insbesondere aus dem Verhalten bei den meisten S u b s t i t u t i o n s r e a k t i o n e n hervor, von denen im einzelnen bei etwa g l e i c h e r H a l o g e n i e r u n g s g e s c h w i n d i g k e i t und Substitutionsmöglichkeit nach F R I E D E L - C R A F T S die N i t r i e r u n g etwas s c h w e r e r und die S u l f o n i e r u n g etwas l e i c h t e r als beim Benzol verläuft, so daß man über die T h i o p h e n - s u l f o n s ä u r e eine (allerdings recht umständlich durchzuführende) Möglichkeit zur Abtrennung des Thiophens aus dem Teerbenzol besitzt. Bei allen diesen Substitutionsreaktionen übt der Schwefel eine d i r i g i e r e n d e W i r k u n g auf den eintretenden Substituenten aus, und zwar werden wie in der F u r a n - und P y r r o l r e i h e zunächst die a- und erst bei deren Besetzung die ß-Substitutionsprodukte erhalten. Interessanter sind eine Reihe von Reaktionen, bei denen der Thiophenring neben dem benzolaromatischen Verhalten eine s p e z i e l l e , nur ihm eigene Reaktionsfähigkeit zeigt. So ist er z. B . bedeutend leichter m e r c u r i e r b a r als Benzol, und man kann Thiophen daher relativ einfach aus T e e r b e n z o l durch Kochen mit E s s i g s ä u r e und Q u e c k s i l b e r o x y d als unlösliches Q u e c k s i l b e r o x y a c e t a t (I) abtrennen: H + Ac—0—Hg—O—Ac
Hg—OAc 8
4 HCl — 2 HgCl), —H,0 — Ac—OH
1=/ I -OH Hgi Da die quecksilberorganischen Verbindungen durch Säuren leicht unter R e g e n e r i e r u n g der K o h l e n w a s s e r s t o f f e zerlegt werden (S. 780), eignet sich das Verfahren nicht nur zur R e i n i g u n g des T e e r b e n z o l s , sondern auch zur T h i o p h e n gewinnung aus ihm. Eine weitere interessante Thiophenreaktion stellt die K o n d e n s a t i o n mit gewissen C a r b o n y l v e r b i n d u n g e n dar, die etwa der Kondensation der P h e n o l e (S. 233) und a r o m a t i s c h e n A m i n e (S. 597f.) mit Oxoverbindungen an die Seite gestellt werden kann. Das bekannteste Beispiel ist die oben erwähnte I n d o p h e n i n r e a k t i o n , die auf der Bildung eines b l a u g r ü n e n Farbstoffes beim Erwärmen von T h i o p h e n mit I s a t i n in konzentrierter, etwas salpetersäurehaltiger S c h w e f e l s ä u r e beruht. Der R e a k t i o n s v e r l a u f und auch die S t r u k t u r des I n d o p h e n i n s sind noch nicht in allen Einzelheiten geklärt, nachdem die von W. S C H L B N K und G . H E L L E R (1924) aufgestellte i n d i g o a r t i g e F o r m e l I I von W. S T E I N K O P F (1930) bestritten und durch die c y c l i s c h e F o r m e l I I I , die jedoch den F a r b s t o f f c h a r a k t e r des Indophenins w e n i g e r g u t zu erklären vermag, ersetzt wurde: H + HgO
=0 H
0= H
968
Kap. 11, I I I : Fünfgliedrige aromatische Ringsysteme
Schließlich beobachtet man bei einigen D e r i v a t e n des Thiophens auch ein von den entsprechenden Benzolderivaten a b w e i c h e n d e s V e r h a l t e n . So ist z. B. das aus der Nitroverbindung durch Reduktion entstehende a-Aminothiophen (a-Thiopkenin) nicht anilinähnlich, sondern eine schnell verharzende, sehr u n b e s t ä n d i g e Substanz, die n i c h t d i a z o t i e r t , wohl aber mit anderen Diazoverbindungen z u A z o k ö r p e r n umgesetzt werden kann. Erst in Form ihrer Salze mit Mineralsäuren wird sie stabilisiert. Auch ß-Aminothlophen ist wesentlich unbeständiger als Anilin.
Die verschiedenen Homologen und Benzologen des Thiophens kommen ebenfalls im Steinkohlenteer vor. Sie verunreinigen wegen des ähnlichen Siedepunktes (vgl. Tabelle 42, S. 965) in gleicher Weise die Fraktionen der entsprechenden Benzolderivate, wie Thiophen die des Benzols selbst, und ihre Namen leiten sich infolgedessen von denen der betreffenden Benzolverbindungen ab, wie die folgende Zusammenstellung zeigt:
Thlotolcne
J-
JThioxene
Thionaphthen
Thlophthen
Von den einen Thiophenring enthaltenden kondensierten Ringsystemen hat lediglich das Thionaphthen genannte Monobenzo-thiophen ein gewisses Interesse als Muttersubstanz des Thio-indigos gefunden. Man kann es in Analogie zur Thiophendarstellung aus Butadien und Schwefel (S. 109) durch Anlagerung von Schwefel an Styrol über FeS/Al203-Kontakten bei 600°x) oder auch aus Äthylbenzol und Schwefelwasserstoff unter gleichzeitiger Dehydrierung 2 ) darstellen: -
-
H,
3 H,
+ S
+ SH2
Das wichtigste Thionaphthenderivat ist die /?-Hy i r o x y v e r b i n d u n g , die in Analogie zum I n d o x y l Thio-indoxyl genannt wird. Sie stellt die eigentliche M u t t e r s u b s t a n z des T h i o i n d i g o s dar und wird nach einem der HEUMANNS che N I n d i g o s y n t h e s e nachgebildeten Verfahren im großen hergestellt und in T h i o i n d i g o sowie eine Reihe anderer i n d i g o i d e r F a r b s t o f f e übergeführt (Näheres vgl. i n , Kap. 2, V, 2): -OH V \ s /
Thio-indoxyl
x
) R. J . MOORE u. B. S. GREENSFELDER: Am. Soc. 6 9 , 2008 (1947). ) C. HANSCH U. F. HAWTHORNE: Am. Soc. 7 0 , 2496 (1948).
2
3c: Das Thiazol
969
c) Die Azaverbindungen der Thiophenreihe Ersetzt man im Thiophenring eine oder mehrere CH-Gruppen durch S t i c k s t o f f , so kommt man zu den Azathiophenen, von denen insbesondere die als Thiazol schlechthin bezeichnete 3-Azaverbindung größeres Interesse beansprucht. Thiazol besitzt wie Oxazol und Imidazol zwischen den Heteroatomen ein CarboxylC-Atom. Man kann die verschiedenen Thiazolderivate und auch das nicht-substituierte Thiazol selbst daher ziemlich leicht durch Kondensation von Thiocarbonsäureamiden mit « - H a l o g e n - o x o v e r b i n d u n g e n gewinnen: R—C;—OH H:N
||
HC
+
,
||
C—R
R—C
-H,0
||
-Hei '
HC
N
||
C—R
Auch die der Bildung von Thiophenderivaten aus 1,4-Dioxoverbindungen (S. 472, 966) analoge Kondensation von « - A c y l a m i n o - k e t o n e n mit P 4 S ) 0 ist zu ihrer Darstellung geeignet: CH 2 —NH
I
/ HC
I
N
>/ I I
\
II
\ JV^
ii—N
R—C
C—R R—C C—R R-J |_R • O^ \ \ ) H HO/ ) Ferner werden 2-Mercapto-4-amino-benzthiazole zuweilen auch durch Umsetzung von a-Aminocarbonsäure-nitrilen mit Schwefelkohlenstoff gewonnen1): R—CH—CsN
NH,+ y ,,s ° CT
/R—CH
J
S
/ \
C=NH\
-L
I SH
\
R—C
1
>
J.
/
N
C—NH2 v /
i
SH
Ähnlich entsteht der Thiazolinkernbei der Kondensation von CysteaminmitNitrilen 2 ):
CH2— S H
+ N = C—R
~NH'
,
C2H-N | >C—R CH2— S x
Thiazol ist eine sehr b e s t ä n d i g e Verbindung, die zum Pyridin in einer ähnlichen Beziehung steht, wie Thiophen zum Benzol. Die Ähnlichkeit erstreckt sich nicht nur auf den nahezu gleichen S i e d e p u n k t (vgl. Tab. 42, S. 965) und Geruch, sondern auch auf zahlreiche Reaktionen. Insbesondere ist Thiazol ebenfalls den normalen Substitutionsreaktionen nur sehr schwer zugänglich, und seine 5 - A l k y l d e r i v a t e besitzen wie d a s a - P i c o l i n (S. 904) eine a k t i v e Methylbzw. Methylengruppe 3 ). Dagegen ist die B a s i z i t ä t gegenüber der des Pyridins merklich a b g e s c h w ä c h t , so daß es in wäßriger Lösung nahezu neutral reagiert und seine Salze ziemlich s t a r k hydrolysieren. Während Thiazol selbst ohne Bedeutung geblieben ist, zeigen zahlreiche seiner Derivate eine starke physiologische A k t i v i t ä t und finden daher vielfach pharmazeutische Anwendung. Nennenswert ist vor allem das zur Sulfonamidreihe (vgl. S. 730) gehörende ) A. H. COOK u. Mitarbb.: Soc. 1947, 1598. *) R . K Ü H N U. F . DRAWERT: A . 6 9 0 , 5 5 (1954). 3 ) H, ERLENMEYER U, P. SCHMIDT: Helv. 29, 1957 x
(1946).
Kap. 11, III: Fünfgliedrige aromatische Ringsysteme
970
2-(p-Aminobenzolsulfamid)-thiazol, das unter der BeZeichnung Sulfathiazol oder Cibazol gegen InfektionsgQ / / ^ j^jj krankheiten Verwendung findet. Weiterhin zeigen zahl2 3 \ / reiche Benzthiazolderivate i n s e k t i z i d e Wirkung und Sulfathiazol dienen zur Schädlingsbekämpfung. Ihre Gewinnung geschieht vielfach nach dem oben beschriebenen Rho danierungsverfahren. Schließlich sind im Vitamin und P e n i c i l l i n einige natürliche Thiazolderivate aufgefunden worden, auf die jedoch erst im Zusammenhang mit anderen Wirkstoffen näher eingegangen werden kann (vgl. III, Kap. 8,1),
N | || jjg. \ g / n
Auch Diaza-thiophene (Thiodiazole) sind verschiedentlich dargestellt worden. Ein M o n o b e n z o d e r i v a t des 1 , 2 , 3 - T h i o d i a z o l s haben wir unter dem Sammelnamen D i a z o s u l f i d bereits auf S. 652 als innermolekulares Kupplungsprodukt der Diazoverbindung des o - A m i n o - t h i o p h e n o l s kennengelernt. Ferner wurde von J. G O E R D E L E H u. Mitarbb. sowohl ein 1,2,4-*) als auch ein 1 , 3 , 4 - T h i o d i a z o l 2 ) hergestellt. Von ihnen weist das letztere erwartungsgemäß etwa den gleichen Siedepunkt (203°) auf wie das P y r i d a z i n (S. 914), zu dem es im gleichen Verhältnis steht wie T h i o p h e n zu B e n z o l , bzw. T h i a z o l zu P y r i d i n . - ^ N
N
I !
r, II
N
i
II
N
" X
V \ S / 4,5-Benzo-l,2,3-thiodlazol
N—N
II
N S
II
II
/
II X
1,2,4-Thiodiazol
S
/
1,3,4-Thiodiazol
d) D i e T r i t h i o n e Unter Trithion3) versteht man ein eigenartiges, von B . B Ö T T G E B entdecktes und später hauptsächlich von A. L Ü T T R I N G H A U S (ab 1 9 4 7 ) untersuchtes Ringsystem, das sich beim Erhitzen zahlreicher organischer Substanzen mit elementarem S c h w e f e l oder — falls organisch gebundener S a u e r s t o f f durch S c h w e f e l ersetzt werden soll — einem Gemisch von S c h w e f e l und P h o s p h o r p e n t a s u l f i d auf 1 7 5 — 2 5 0 ° ziemlich leicht bildet. Als Beispiel für einige der wenigen übersichtlich verlaufenden Bildungsweisen sei die Darstellung von 4,5-Dimethyl-trithion (I) angeführt, die einerseits beim Erhitzen von I s o p r e n mit elementarem S c h w e f e l , andererseits von M e t h y l - a c e t e s s i g e s t e r , der wahrscheinlich in der E n o l f o r m II reagiert, mit einem Gemisch von S c h w e f e l und P 4 S 10 erfolgt: CH,-C=CH J CH2=CH
C H
2
_W_S
'
3
- C — C = S
0.R CH:—C5
9J S
2
CH "
3
CI=O
-C
Y. CH3—C
\ R / I
OR S
OH II
Die auffallende B i l d u n g s t e n d e n z d e r Trithione und ihr e große B e s t ä n d i g k e i t sind eng mit der angeführten Struktur verknüpft, denn sie gehen bereits bei geringfügigen Molekülveränderungen — z . B . bei der Aufhebung der R i n g d o p p e l b i n d u n g oder beim Ersatz der C = S - durch eine C = 0 - Gruppe — weitgehend wieder verloren. Dies wird sofort verständlich, wenn man berücksichtigt, daß die Grundstruktur I des Trithionmoleküls mit den t h i o p h e n a r t i g e n , infolge des Aromatisierungseffektes besonders e n e r g i e a r m e n Z w i t t e r i o n e n s t r u k t u r e n III und B. 87, 57, 68 (1954). ) Angew. Chem. 66, 561 (1953). 3 ) Zusammenfassung: F. BAUER: Chem. Z. 75, 623, 647 (1951). 2
3e: Das Selenophen
971
I V in Mesomerie tritt, was wie beim B e n z o l und T h i o p h e n mit einer erheblichen S t a b i l i s i e r u n g d e s M o l e k ü l s verbunden ist: CH.-C
/> CH,—C
C—S
"CHC
' W II CH,—C ©S
/ -C=S I s
C—S—CH,
CH,—C a
in
©s /
+ CH,—J
0 -s
ch3 1
CH,—C= I CH—C M
CH, V S'
--C— s — c h 3 I s
IV
Für die verhältnismäßig starke Beteiligung dieser Zwitterionenstrukturen an der Mesomerie sprechen außer diesen theoretischen Überlegungen vor allem die hohen M o l e k ü l d i p o l m o m e n t e sämtlicher Trithione und ihre wichtigste Reaktion, die A l k y l i e r u n g zu S-Alkyl-trithloniumSalzen (V), die nur über die Zwitterionenstrukturen verlaufen kann. Danach bestehen zwischen den T r i t h i o n e n und den T r i t h i o n i u m s a l z e n ähnliche Beziehungen wie zwischen den auf S. 930 beschriebenen T h i o p y r o n e n und T h i o p y r o n i u m - S a l z e n , denn es tritt die Alkylgruppe bei der Salzbildung in beiden Fällen n i c h t an das spätere Onium-S-Atom. I n den Trithioniumsalzen ist der e x o c y c l i s c h e S c h w e f e l leichter austauschbar als in den Trithionen selbst. %. B. entstehen auf Grund der folgenden Reaktionsgleichung mit primären Aminen S c H i r r s c h e B a s e n : CH«—C C—S—CH, CH,—C- - C = N CH,—C
+ H.N-C.H, — CH,—SH, —HJ
©s s /
CH,—C
s
die z. T. v o n pharmazeutischem Interesse sind. Ferner eignen sich die f r e i e n T r i t h i o n e — wahrscheinlich wegen des günstigen Abstandes der S-Atome — zur P a s s i v i e r u n g v o n S c h w e r m e t a l l e n . Neuerdings konnte der Trithionring auch in k o m p l i z i e r t e r e R i n g s y s t e m e eingebaut werden1). e) D a s
Selenophen
Ersetzt man bei der auf S. 966 erwähnten Thiophensynthese aus A c e t y l e n und S c h w e f e l den letzteren durch S e l e n , so ist es möglich, das S e l e n - a n a l o g e desThiophens, das Selenophen darzustellen: HC=CH
HC=CHx | Se HC=CH HC=CH/ Selenophen siedet mit 110° etwas höher als Thiophen und zeigt ebenfalls einen r e a k t i o n s t r ä g e n , b e n z o l ä h n l i c h e n C h a r a k t e r 2 ) . Die Substanz ist in erster Linie von t h e o r e t i s c h e m I n t e r e s s e als eine der wenigen Verbindungen, in denen auch Elemente der höheren Perioden in ein u n g e s ä t t i g t e s bzw. a r o m a t i s c h e s B i n d u n g s s y s t e m eingebaut werden können und sich damit wenigstens im Rahmen einer M e s o m e r i e als zur Ausbildung e c h t e r D o p p e l b i n d u n g e n befähigt erweisen. + Se
1 2
•
) A. LÜTTRINGHAUS u. Mitarbb.: Angew. Chem. 67, 274, 275, 304 (1955). ) Vgl. z. B . : J . K. JUEJEW u. Mitarbb. (russisch), Ref. C. 1958, 4176, 12099—12101.
12. K a p i t e l
Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst Wie wir bei der Beschreibung der einzelnen Verbindungsgruppen gesehen haben, wird in zahlreichen organischen Substanzen die Reaktionsträgheit des Kohlenstoffgerüstes durch die jeweiligen Funktionen mehr oder weniger aufgehoben, so daß in unmittelbarer Nachbarschaft zu den aktiven Gruppen auch der Kohlenstoff einer Reihe von Umsetzungen zugänglich ist. Die wichtigsten dieser speziellen Reaktionen des Kohlenstoffgerüstes sind einerseits die Oxydations- und Reduktionsreaktionen, andererseits der Auf- und Abbau von C"-C-Bindungen, die beide in diesem Kapitel nochmals zusammenfassend vom Standpunkt des Kohlens t o f f s aus betrachtet werden sollen. I. Die Oxydationsreaktionen Die Oxydation des Kohlenstoffs in einer organischen Verbindung kann auf drei verschiedenen Wegen vor sich gehen: 1. durch direkte Oxydation, d.h. durch Einführung von Sauerstoff in das organische Molekül mit Hilfe eines Oxydationsmittels, 2. durch indirekte Oxydation, d.h. durch Einführung von Sauerstoff ohne Verwendung eines eigentlichen Oxydationsmittels, und 3. auf dem Wege der Dehydrierung, d.h. durch Abspaltung von Wasserstoff, die grundsätzlich ebenfalls kein Oxydationsmittel benötigt, praktisch aber meistens mit Hilfe eines Oxydationsmittels als wasserstoffbindendem Agens durchgeführt wird. 1. Die direkte Oxydation Die oxydative Einführung von Sauerstoff in organische Verbindungen erfordert vor allem eine sorgfältige Einhaltung der Reaktionsbedingungen, da die Oxydation leicht weitergeht und zu einer mehr oder weniger vollständigen Verbrennung des Moleküls führt. Insbesondere der Umstand, daß die primären Oxydationsprodukte häufig auf dem Wege der Dehydrierung wesentlich schneller weiter oxydiert werden, als sie bei der direkten Einführung von S a u e r s t o f f entstehen, wirkt sich häufig erschwerend für die Unterbrechung der Reaktion auf einer bestimmten Oxydationsstufe aus. Es sind daher eine große Zahl von verschiedenen Oxydationsmitteln im Gebrauch, die in vielen Fällen nur für ganz bestimmte Reaktionen verwendbar sind, hier aber infolge ihres speziellen Reaktionsmechanismus eine exakte Lenkung der Oxydation in die gewünschte Richtung gestatten. Sie sollen im folgenden mehr oder weniger willkürlich unterteilt werden in: a) die sich vom 0 2 -Molekül ableitenden Oxydationsmittel, deren Wirkung auf der Anwesenheit von O-O-Bindungen beruht, b) die sog. „klassischen" Oxydationsmittel K a l i u m p e r m a n g a n a t , Chromtrioxyd und S a l p e t e r s ä u r e , die
I, l a : Sauerstoff, Ozon, Peroxyverbindungen
973
sich durch eine relativ g e r i n g e S p e z i f i t ä t auszeichnen, und c) die „ m o d e r n e n " Oxydationsmittel vom Typus des B l e i t e t r a a c e t a t s , S e l e n d i o x y d s usw., die ausgesprochen s p e z i f i s c h e O x y d a t i o n s m i t t e l f ü r ganz bestimmte Strukturelemente darstellen. a) E l e m e n t a r e r S a u e r s t o f f , O z o n , P e r o x y V e r b i n d u n g e n Das einfachste und billigste Oxydationsmittel ist der elementare Sauerstoff selbst, der in Form des L u f t s a u e r s t o f f s in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Er zeigt jedoch den Nachteil, daß er bei n i e d r i g e r Temperatur zu r e a k t i o n s t r ä g e ist (sonst wäre ja die Mehrzahl der organischen Substanzen n i c h t l u f t b e s t ä n d i g ) und bei h o h e r Temperatur leicht zu einer v o l l s t ä n d i g e n V e r b r e n n u n g des Moleküls führt. Man verwendet ihn daher meistens nur bei k a t a l y t i s c h e n V e r f a h r e n 1 ) , von denen wir die P a r a f f i n o x y d a t i o n (S. 78), die Ä t h y l e n o x y d b i l d u n g (S. 445), die Oxydation von T o l u o l zu B e n z a l d e h y d (S. 244) und die P h t h a l s ä u r e a n h y d r i d g e w i n n u n g aus N a p h t h a l i n (S.492) als die wichtigsten Beispiele kennengelernt haben. Sie sind sämtlich infolge der meist umständlichen Katalysatorherstellung ausschließlich von t e c h n i s c h e m I n t e r e s s e . Die wenigen bereits bei R a u m t e m p e r a t u r und ohne K a t a l y s a t o r durchführbaren Reaktionen des Luftsauerstoffs werden A u t o x y d a t i o n e n (von griech. ccûtôî = selbst) genannt. Sie führen meistens zu P e r o x y V e r b i n d u n g e n , die —abgesehen von der Autoxydation der f r e i e n R a d i k a l e (S. 803) — formal stets im Sinne einer E i n s c h i e b u n g des O a -Moleküls zwischen ein C- und ein H-Atom entstehen. Die wichtigsten Beispiele sind die O l e f i n o x y d a t i o n in A l l y l s t e l l u n g zur Doppelbindung (S. 101), die z. B. bei der L e i n ö l h ä r t u n g (III, Kap. 6, I, 1) eine Rolle spielt, und die in « - S t e l l u n g z u m S a u e r s t o f f erfolgende Autoxydation der Ä t h e r und A l d e h y d e zu d e n Ä t h e r p e r o x y d e n (S. 220) und P e r c a r b o n s ä u r e n (S. 253f.): H + R—CH=CH—CH—R'
o
=
o V_y
O—OH 1=CH—CH—R' R—CH=
i
r
+ R—CH—O—R + R- H
H
>• R—CH—O—Et o—OH
l—¿=0
R—C=0
Die zweite Sauerstoffmodifikation, das Ozon, ist infolge seiner großen Reaktionsfähigkeit bereits bei t i e f e r Temperatur zu Oxydationsreaktionen befähigt. Es findet aber gerade wegen seiner starken Oxydationswirkung, die häufig zu einer vollständigen Molekülverbrennung führt, sowie auch wegen seiner u m s t ä n d l i c h e n Handhabung, eine nur geringe Anwendung als Oxydationsmittel, die sich fast ausschließlich auf die Ozonspaltung der Olefine (S. 93f.) zum Zwecke der Konstitutionsermittlung (S. 1024) beschränkt.
Eine letzte Gruppe von Oxydationsmitteln, die sich vom elementaren Sauerstoff ableiten und ebenfalls eine O—O-Bindung enthalten, ist die der Peroxyverbindungen. Sie vermögen wie der Sauerstoff selbst im allgemeinen den Kohlenstoff erst bei h o h e r T e m p e r a t u r anzugreifen und sind daher beliebte s e l e k t i v e O x y d a t i o n s m i t t e l f ü r bestimmte Verbindungstypen. So haben wir z. B. in der Ben1
) Zusammenfassung:
K.
Heyns u.
H.
Paulsen: Angew. Chem. 6 9 ,
6 0 0 (1957).
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
974
zopersäure und neuerdings auch der Peressig- und Perameisensäure die wichtigsten präparätiven Oxydationsmittel zur Überführung o l e f i n i s c h e r Doppelbindungen in O l e f i n o x y d e kennengelernt (S. 93). Ähnlich verwendet man in der Technik Hydroperoxyd zur G l y k o l g e w i n n u n g aus O l e f i n e n . Ferner eignen sich H y d r o p e r o x y d , sowie insbesondere die CAROSche Säure und die Perschwefelsäure, zur Anlagerung von Sauerstoff an die u n g e b u n d e n e n E l e k t r o n e n p a a r e von Heteroatomen (S. 585, 735 u. a.):
HO
+ R.NI + Ar—Ñ=Ñ—Ar
O t Ar—N=N—Ar +
+
+ R2S> + R 2 S-*O
HOsS-O
+ R 3 PI
+ R3Asi
H.SO,
-V R j P ^ O RjAs-^0
+
Ezgl. der Anwendung von Hydroperoxyd als Dshydrierungsmittel vgl. S. 982.
b) K a l i u m p e r m a n g a n a t , C h r o m t r i o x y d u n d
Salpetersäure
I m Gegensatz zum elementaren Sauerstoff wirken die höheren Sauerstoffverbindungen des S t i c k s t o f f s und der Metalle der 6. und 7. N e b e n g r u p p e des Periodensystems bereits bei Temperaturen u n t e r h a l b 100° auf organische Verbindungen oxydierend ein. Salpetersäure, Kaliumpermanganat und Chromtrioxyd mit seinen Derivaten (insbesondere Kaliumbichromat und Chromylchlorid) gelten daher seit jeher als die wichtigsten O x y d a t i o n s m i t t e l der organischen Chemie, die grundsätzlich f a s t i m m e r anwendbar sind. Sie zeigen jedoch infolge dieser g e r i n g e n S p e z i f i t ä t den Nachteil, daß sich die Reaktionen häufig schlecht auf der gewünschten Oxydationsstufe unterbrechen oder auf bestimmte Stellen des Moleküls beschränken lassen, und finden daher insbesondere dann Anwendung, wenn die Reaktion bis zur O x y d a t i o n s e n d s t u f e (z.B. zur Keto- oder Carboxylgruppe) durchgeführt oder zur A b o x y d a t i o n v o n S e i t e n k e t t e n oder R i n g s y s t e m e n verwandt werden soll. Als weitgehend o x y d a t i o n s s t a b i l — bzw. nur bei Verbrennung des Gesamtmoleküls oxydierbar — erwiesen sich diesen Oxydationsmitteln gegenüber lediglich eine Reihe von a r o m a t i s c h e n R i n g s y s t e m e n (z.B. der nicht mit Heteroatomen besetzte B e n z o l r i n g und zahlreiche der im 11. Kap. beschriebenen H e t e r o c y c l e n v o m P y r i d i n t y p u s , nicht aber N a p h t h a l i n , P y r r o l usw.), die n - P a r a f f i n e und die Paraffinradikale der C a r b o n s ä u r e n , Ä t h e r und t e r t i ä r e n A m i n e . Schon die geringfügige Aktivierung der Paraffinradikale durch benachbarte B e n z o l k e r n e oder O x o g r u p p e n genügt jedoch, um sie Oxydationsreaktionen zugänglich zu machen. Bei v o r s i c h t i g e m A r b e i t e n kann man diese Oxydationsmittel auch zu sel e k t i v e n oder p a r t i e l l e n O x y d a t i o n s r e a k t i o n e n verwenden. So zeigt z. B. Kaliumpermanganat eine spezielle OxydationsWirkung gegenüber o l e f i n i s c h e n D o p p e l b i n d u n g e n , die bei vorsichtigem Arbeiten auf Grund des beim O s m i u m t e t r o x y d beschriebenen Mechanismus (S. 976) lediglich bis zur £>tufe des G l y k o l s oxydiert werden. Ein charakteristisches Beispiel dieser Art stellt die Oxydation von
975
I, 1 b: Salpetersäure, Chromtrioxyd
A c r o l e i n zu G l y c e r i n a l d e h y d dar, die trotz der Oxydationsempfindlichkeit der entstehenden G l y k o l g r u p p i e r u n g nach Schützen der Aldehydgruppe durch A c e t a l i s i e r u n g in glatter Reaktion mit K a l i u m p e r m a n g a n a t als Oxydationsmittel durchgeführt werden kann (A. W O H L 1900): OH ACETA 9IERU 8
CH 2 =CH—CH=0
"
" .
CH 2 =CH-CH(OR) 2 OH
HYDROLY8E
>
OH
¿HI—CH—CH (0R) 2
OH
¿H 2 —CH—CH=0
Auch die selektive Oxydation von p r i m ä r e n A m i n e n zu S ä u r e a m i d e n kann mit K a l i u m p e r m a n g a n a t zuweilen durchgeführt werden 1 ).
Bei Salpetersäure beobachtet man demgegenüber die Tendenz, die Molekül e n d e n unter Schonung sämtlicher mittelständiger Gruppen in Carboxylg r u p p e n umzuwandeln. Sie findet daher vielfach Anwendung zur Überführung organischer Verbindungen in Carbonsäuren g l e i c h e r K o h l e n s t o f f z a h l , wie z. B. die praktisch wichtige A d i p i n s ä u r e g e w i n n u n g aus C y c l o h e x a n o n (S.486), sowie die Überführbarkeit der K o h l e n h y d r a t e in Z u c k e r s ä u r e n unter Schonung sämtlicher sekundärer alkoholischer Hydroxylgruppen (III, Kap. 4, I, 5e), zeigt. Die Oxydationswirkung der r e i n e n S a l p e t e r s ä u r e i s t nur relativ g e r i n g und tritt vielfach hinter ihrer N i t r i e r w i r k u n g zurück. Insbesondere a r o m a t i s c h e V e r b i n d u n g e n können daher häufig n i c h t durch Salpetersäure oxydiert werden. Eine Erhöhung der Oxydationswirkung beobachtet man stets bei Anwesenheit von s a l p e t r i g e r S ä u r e (bzw. N 2 0 3 ), die mit Salpetersäure in D i s t i c k s t o f f t e t r o x y d als das e i g e n t l i c h e O x y d a t i o n s m i t t e l übergeht und im Sinne der folgenden Gleichung auch in geringer Menge die Oxydationsreaktion k a t a l y t i s c h beschleunigt: 2 HNO, 4 N A
• 2 N204
NJOJ, |- 2 NO + 3 0
Will man daher Salpetersäure vornehmlich als O x y d a t i o n s m i t t e l verwenden, so wird man die Stickoxyde gelöst enthaltende r o t e r a u c h e n d e S ä u r e bevorzugen, während man auf der anderen Seite einer Säure, die ausschließlich N i t r i e r z w e c k e n dient, häufig etwas H a r n s t o f f zusetzt, der auch die letzten Spuren der evtl. noch vorhandenen salpetrigen Säure im Sinne der R e a k t i o n v o n L. B o u V E A U L T (S.360, Gleichung formulieren!) zerstört und daher ihre Oxydationswirkung auf ein Minimum herabsetzt. Als weitere die Oxydationswirkung der Salpetersäure erhöhende Katalysatoren haben wir auf S.680 verschiedene Q u e c k s i l b e r s a l z e , insbesondere Q u e c k s i l b e r n i t r a t , kennengelernt.
Chromtrioxyd weist schließlich die geringste Neigung zu speziellen Oxydationsreaktionen auf. Erst wenn man zu seinen D e r i v a t e n übergeht, kann man mitunter eine a b g e s t u f t e O x y d a t i o n s w i r k u n g beobachten. So bleibt z.B. nach A. ¿ T A R D (1881) die Oxydation von am Benzolkern befindlichen M e t h y l g r u p p e n bei der Einwirkung von C h r o m y l c h l o r i d leicht auf der Stufe der A l k o h o l e oder Aldeh y d e stehen: ^ ~ V C H l
) J.
F O R R E S T U.
3
CR0 C
- '- , ^ Y - C A
Mitarbb.: Soc. 1946, 454.
2
- 0 K
S—CH=0
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
976
Auf Grund derartiger S p e z i f i t ä t s u n t e r s e h i e d e zwischen den einzelnen Oxydationsmitteln dieser Gruppe ist es häufig möglich, eine organische Substanz nach Belieben an v e r s c h i e d e n e n S t e l l e n des Moleküls anzugreifen. Beispielsweise wird, ohne daß sich eine Ursache für dieses unterschiedliche Verhalten zu erkennen gibt, p - C y m o l (I) durch S a l p e t e r s ä u r e primär an der I s o p r o p y l - und durch K a l i u m p e r m a n g a n a t primär an der M e t h y l g r u p p e angegriffen, so daß man zu v e r s c h i e d e n e n O x y d a t i o n s p r o d u k t e n gelangt: HOOC-^V-CH° x
H 3
-K CH,
M n
°'
H C - ^ ^ - c i i ™ 3 - ^ - * T CH
H3C-^~)^COOH
c) Moderne O x y d a t i o n s m i t t e l Diesen ,,klassischen" Oxydationsmitteln gegenüber sind in neuerer Zeit eine Reihe von weiteren Oxydantien in Anwendung gekommen, die ausschließlich mit e i n e m oder nur w e n i g e n B i n d u n g s t y p e n zu reagieren vermögen, hier aber infolge ihres s p e z i e l l e n R e a k t i o n s m e c h a n i s m u s , der ein Ü b e r s c h r e i t e n der gewünschten Oxydationsstufe s t r e n g a u s s c h l i e ß t , eine gewisse Bedeutung erlangt haben. So ist z. B. Osmiumtetroxyd eine bis 150° beständige Substanz, die eine nur sehr g e r i n g e T e n d e n z zur Übertragung des Sauerstoffs auf andere Verbindungen aufweist. Lediglich o l e f i n i s c h e n D o p p e l b i n d u n g e n gegenüber ist es sehr reaktionsfähig und lagert sich an sie mit zwei Sauer st o f f a t o m e n unter Bildung eines c y c l i s c h e n Osmium ( V I ) - s ä u r e e s t e r s (I) an, der dann bei der anschließenden Hydrolyse in die Osmium (VI)-säure (II) selbst und das dem Olefin entsprechende Glykol zerfällt: R—CH II R—CH
+ ° 6 °« ,
R—CH—O x „O | Os R—CH—O^ -O i
Hydrolyae
,
R—CH—OH HO. ¿0 | + Ob R—CH—OH HO^ Ii
Hier bietet sich also die Möglichkeit, die Olefinoxydation auf der Stufe der an sich leicht weiter oxydierbaren 1,2-Glykole zu unterbrechen. Da das P e r m a n g a n a t - I o n die g l e i c h e S t r u k t u r wie das Osmiumtetroxyd aufweist, macht dieser von R. C R I E G E E (1936) aufgeklärte Reaktionsmechanismus gleichzeitig die oben beschriebene spezifische Oxydations Wirkung des K a l i u m p e r m a n g a n a t e s gegenüber Olef inen verständlich. Nur kann man in diesem Falle das als Reduktionsprodukt des Permanganat-Ions zu erwartende H y p o m a n g a n a t - I o n mit 5 - w e r t i g e m M a n g a n (III) nicht isolieren, da es sich unter den Reaktionsbedingungen sofort in Mn0 2 und das P e r m a n g a n a t - I o n disproportioniert: R—CH II + Mn0 4 " R—CH
R—CH—O x /OQ I >Mn( R—CH—O x -0
e 2 / 3 Mn0 2 + 7 3 Mn0 4 yO >Mm + 2 / 3 H a O + */3 OH" R—CH—'OH HO/ in Ferner geht infolge der größeren Instabilität des Permanganat-Ions die Reaktion hier leicht ü b e r die Stufe des Glykols h i n a u s . Hydrolyse
R—CH—OH
HO\
Ein anderer Typus von selektiven Oxydationsmitteln leitet sich vom Bleid i o x y d ab, das in seinen Eigenschaften den k l a s s i s c h e n O x y d a t i o n s m i t t e l n noch nahe steht. Schon das Oxyd selbst zeigt eine deutlich erkennbare Tendenz,
977
Die Oxydation mit Bleitetraacetat
a k t i v e n W a s s e r s t o f f (z. B. in B e n z y l s t e l l u n g ) abzuoxydieren (vgl. auch S. 978). Doch werden in diesem Fall die primär entstehenden Hydroxylverbindungen leicht weiter d e h y d r i e r t , so daß stets ein Gemisch mehrerer O x y d a t i o n s p r o d u k t e nebeneinander entsteht. Verwendet man jedoch statt des freien Oxyds das sich von ihm ableitende, von 0 . DIMROTH (1920) — und später ebenfalls von R. C R I E G E E (1930) — in die organisch-chemische Praxis eingeführte Bleitetraacetat1), das nicht mehr den Sauerstoff allein, sondern jeweils zwei u n v e r ä n d e r t e A c e t o x y gruppen auf die zu oxydierende Substanz überträgt, so erhält man statt der HydroxylVerbindungen deren n i c h t mehr dehydrierbare Acetylderivate, die dann gegen die Weiteroxydation einigermaßen stabil sind: ^V_CHs-0_Ac
^>b(0Ac)' < ~ > - C H 3
^
CH3—CH2:—J + Ji—H
>• J2 + C2H,
CH 3 —CH 2 —NH, (bzw. NR 2 )
CH 2 =CH 2 Konzentrierte Jodwasserstoffsäure ist auf Grund ihres großen Anwendungsbereiches das „klassische" Reduktionsmittel, insbesondere der ä l t e r e n organischen Chemie. Heute findet sie wegen ihres hohen Preises nur noch eine b e s c h r ä n k t e präparative Anwendung, wenn andere Verfahren versagen. Unter etwas milderen A r b e i t s b e d i n g u n g e n treten die intermediär entstehenden Alkyljodide als H a u p t r e a k t i o n s p r o d u k t e auf. Insbesondere an sekundären C - A t o m e n wird das Jod nur relativ langsam durch Wasserstoff ersetzt, so daß z. B. bei der Reduktion von G l y c e r i n oder Glucose mit Jodwasserstoffsäure das letzte Jodatom leicht im Molekül verbleibt, und man I s o p r o p y l j o d i d bzw. ein Gemisch der vier isomeren sekundären H e x y l j o d i d e erhält: OH
OH ?H
OH
CH»—CH-—-CH,
^5HJ
J CH,—CH—CH®
;
Ein weiteres interessantes Reduktionsverfahren, das sich indirekt ebenfalls der Jodwasserstoffsäure als Reduktionsmittel bedient, haben wir auf S. 67 in der Reduktion mit rotem Phosphor in Gegenwart von J o d und W a s s e r kennengelernt. Hier spielt das Jod nur die Rolle eines K a t a l y s a t o r s , da es zwar zunächst zur Bildung von P h o s p h o r t r i j o d i d und J o d w a s s e r s t o f f s ä u r e verbraucht wird, anschließend bei der eigentlichen Reduktionsreaktion jedoch immer wieder neu entsteht: J2
+ V,p + 2H,o — V,P(OH),
Z±1J
+ R-oh -H,0
K—ö.
Der Jodwasserstoffsäure in der Reduktionswirkung sehr ähnlich ist der Schwelelwasserstoff, der häufig auch in Form von A m m o n i u m s u l f i d zur Anwendung kommt. Er dient jedoch nur selten zur Reduktion von C—O-Bindungen, sondern findet hauptsächlich in der S t i c k s t o f f c h e m i e Anwendung, z. B. zur partiellen Reduktion von P o l . y n i t r o Verbindungen (S. 593). Eine weitere wichtige Gruppe von Reduktionsmitteln liegt im Hydrazin, Hydrazobenzol und ähnlichen Wasserstoffverbindungen vor, die ihren Wasserstoff unter der Einwirkung von H y d r i e r u n g s k a t a l y s a t o r e n auf andere Verbindungen zu übertragen vermögen. So kann man z.B. mit H y d r a z i n , das in Gegenwart von P l a t i n spontan in S t i c k s t o f f und W a s s e r s t o f f zerfällt (vgl. anorg. Lehrbücher), die g l e i c h e n Reduktionsreaktionen und Hydrierungen ausführen wie mit k a t a l y t i schem W a s s e r s t o f f (vgl. z. B. die Darstellung der Polyphenyle, S. 143), demgegenüber es jedoch den Vorteil des Arbeitens in k o n d e n s i e r t e r und h o m o g e n e r P h a s e zeigt.
II, 2: Lithiumaluminiumhydrid, Zinn(II)-chlorid usw.
993
Weisen bei derartigen Reaktionen die Wasserstoffdonatoren und -acceptoren annähernd das g l e i c h e P o t e n t i a l auf, so bilden sich R e d o x g l e i c h g e w i c h t e aus. In diesem Fall können wir das g l e i c h e V e r f a h r e n je nach den äußeren Bedingungen sowohl zu O x y d a t i o n s - als auch zu R e d u k t i o n s r e a k t i o n e n verwenden, worauf wir bei der Besprechung der C h i n h y d r o n e l e k t r o d e (S. 314, 984) und der R e a k t i o n v o n M E E R W E I N - P O N N D O R F (bzw. O P P E N A H B R ) ( S . 2 5 1 , 9 8 4 ) bereits hingewiesen haben. Die in der anorganischen Chemie vielfach als Reduktionsmittel dienenden freien Metalle führen in der organischen Chemie bei gleichzeitiger Anwesenheit von s o l v o l y s i e r e n d e n L ö s u n g s m i t t e l n , die die intermediär entstehenden Metallderivate zersetzen, direkt zu den W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n . Man spricht in diesem Falle daher allgemein von einer Reduktion mit n a s c i e r e n d e m W a s s e r s t o f f (s. o.). Nur in wenigen Ausnahmefällen, wie z. B. bei der Z i n k s t a u b d e s t i l l a t i o n der P h e n o l e (S. 234) oder der Reduktion der C a r b o n s ä u r e n mittels Zinks zu den A l d e h y d e n (S. 244), kann man auch mit Hilfe der Metalle a l l e i n echte Reduktionsreaktionen ausführen. Hier ist es jeweils der in den zu eliminierenden H y d r o x y l g r u p p e n enthaltene Wasserstoff, der an den Kohlenstoff tritt: OH
Weitere Reduktionsmittel, die in ihrer Wirkungsweise dem nascierenden Wasserstoff nahestehen, sind Lithiumhydiid und das wegen seiner Löslichkeit in Äther für organische Reaktionen besonders geeignete Lithium-aluminium-hydrid (LiAlH4). Letzteres weist vor allem gegenüber C a r b o n y l v e r b i n d u n g e n ein sehr starkes Reduktionsvermögen auf und ist u . a . befähigt, C a r b o n s ä u r e n , C a r b o n s ä u r e e s t e r , C a r b o n s ä u r e a m i d e und selbst K o h l e n s ä u r e d e r i v a t e 1 ) bereits in der K ä l t e zu Alkoholen bzw. primären Aminen zu reduzieren (S. 345/360). Außer Lithium-aluminiumhydrid sind in den letzten Jahren auch eine Reihe weiterer k o m p l e x e r Metallhydride als Reduktionsmittel in die präparative organische Chemie eingeführt worden2). Sie weisen ein fein a b g e s t u f t e s R e a k t i o n s v e r m ö g e n auf und finden aus diesem Grunde für spezielle Reduktionsaufgaben Anwendung. Erwähnenswert sind vor allem Lithium-, Natrium- und Kalium-borhydrid sowie neuerdings auch Natrium-triätkoxy-aluminiumhydrid3).
Eine letzte Gruppe von Reduktionsmitteln liegt schließlich in den Derivaten der niedrigen Wertigkeitsstufen zahlreicher Metalle (SnCl2, TiCl s , CrCl2 usw.) vor, von denen insbesondere Zinn (II) -chloi id eine vielfache praktische Anwendung zur schonenden Reduktion s t i c k s t o f f h a l t i g e r V e r b i n d u n g e n gefunden hat. Zur Reduktion des Kohlenstoffs ist es jedoch weniger geeignet. Daneben hat in neuerer Zeit auch einwertiges Magnesium4), das man entweder a n o d i s c h erzeugt oder in Form einer M a g n e s i u m - M a g n e s i u m j o d i d - M i s c h u n g zur Anwendung bringt, eine zunehmende Bedeutung als s p e z i e l l e s R e d u k t i o n s m i t t e l erlangt. !) V g l . z . B . : W . R I E D U. F . M Ü L L E R : B . 8 5 , 4 7 0 ( 1 9 5 2 ) . s
3
) Zusammenfassung:
H . HÖRMANN: Angew. Chem. 6 8 , 6 0 1 ( 1 9 5 6 ) . ) G . H E S S E U. R . SCHRÖDEL: A . 6 0 7 , 2 4 ( 1 9 5 7 ) . ) Zusammenfassung: M. D . RAUSCH U. Mitarbb.: Chem. REV. 1 9 5 7 , 4 1 7 .
4
63
K l f t g e ß , Lehrbuch der Organischen Chemie 1 , 2
994
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
Nicht mehr zu den Reduktionsreaktionen im engeren Sinn rechnet man dagegen die Bildung m e t a l l o r g a n i s c h e r V e r b i n d u n g e n aus Alkylhalogeniden und freiem Metall, obgleich sie ebenfalls unter E r n i e d r i g u n g der O x y d a t i o n s s t u f e d e s K o h l e n s t o f f s vor sich geht, wie insbesondere die H y d r o l y s i e r b a r k e i t metallorganischer Verbindungen zu den Kohlenwasserstoffen beweist. R—Hai + Mg
> R—MgHal
+ H,
° > R—H + HOMgHal
3. Die indirekte Reduktion Eine Reduktion ohne Anwendung eigentlicher Reduktionsmittel läßt sich in ä h n l i c h e r W e i s e durchführen wie die i n d i r e k t e O x y d a t i o n , und sie hat auch eine ähnliche Bedeutung zur schonenden Reduktion empfindlicher Stoffe erlangt. Als einfachstes Beispiel einer nicht auf dem Wege einer normalen Reduktionsreaktion erfolgenden L ö s u n g e i n e r C — O - B i n d u n g sei die Dehydratisierung von Alkoholen zu O l e f i n e n genannt (S. 87 f.): R—CH ä —CH 2 —OH
~ H ' ° > R—CH=CH 2
Sie spielt in der B i o c h e m i e eine wichtige Rolle beim Aufbau der Paraffinkette der h ö h e r e n F e t t s ä u r e n (HI, Kap. 8, III) und kann in vitro in analoger Weise auch durch Abspaltung von Säuren aus ihren E s t e r n (S. 88) durchgeführt werden (Gleichung formulieren!). Da die Reaktion jedoch erst nach anschließender H y d r i e r u n g der zunächst entstehenden ole f i n i s c h e n D o p p e l b i n d u n g zu einem echten Reduktionsprodukt führt, wird sie. allgemein noch n i c h t zu den Reduktionsreaktionen gerechnet.
Die auf S. 979 beschriebene Methode der Kondensation unter Vertauschung der Oxydationsstufen kann prinzipiell in gleicher Weise zu O x y d a t i o n s - und R e d u k t i o n s r e a k t i o n e n verwandt werden. So stellt die dort als Beispiel einer indirekten O x y d a t i o n angeführte Bildung ScHirrscher Basen aus N i t r o s o k ö r p e r n und Verbindungen mit a k t i v e n M e t h y l e n g r u p p e n gleichzeitig eine Möglichkeit dar, die N i t r o s o - zur A m i n o g r u p p e zu reduzieren. Das Verfahren versagt jedoch im allgemeinen beim Versuch zur Reduktion von K o h l e n s t o f f v e r b i n d u n g e n , weil hierzu eine K o h l e n s t o f f - S a u e r s t o f f - o d e r - H a l o g e n v e r b i n d u n g mit der Wasserstoffverbindung eines gegenüber dem Kohlenstoff p o s i t i v auftretenden Elementes kondensiert werden muß, damit der Wasserstoff bei der anschließenden Hydrolyse an den K o h l e n s t o f f tritt. Derartige Wasserstoffverbindungen sind aber sehr selten, und es sei als eine der wenigen bekannten Reaktionen dieser Art die Hydrolyse der — u. a. aus A r y l h ä l o g e n i d e n und N a t r i u m b i s u l f i t darstellbaren — A r y l s u l f o n s ä u r e n mit ü b e r h i t z t e m W a s s e r d a m p f angeführt: + NaSO a H
SOsH
H+H2S04
Dagegen sind, wie bereits das soeben angeführte Beispiel der Überführung der N i t r o s o - in eine A m i n o g r u p p e auf dem Umweg über eine K o n d e n s a t i o n s r e a k t i o n zeigt, die Sauerstoffverbindungen des S t i c k s t o f f s auf diesem Wege sehr l e i c h t zu reduzieren. Ein praktisch wichtiges Verfahren dieses Typus haben wir auf S. 662 in der „Reduktion" von D i a z o n i u m s a l z e n mittels s c h w e f l i g e r S ä u r e zu P h e n y l h y d r a z i n kennengelernt. Es beruht auf einer zweimaligen Anlagerung des Bis u l f i t - I o n s (mit oxydativ v i e r w e r t i g e m Schwefel) an das D i a z o n i u m - I o n mit anschließender hydrolytischer Wiederabspaltung des Schwefels als S c h w e f e l s ä u r e (mit oxydativ s e c h s w e r t i g e m Schwefel) und vermeidet es auf diesem
995
III: Der Aufbau von O-C-Bindungen
Wege, daß die gegen Reduktionsmittel sehr empfindliche H y d r a z i n b i n d u n g angegriffen wird. Außer mit schwefliger Säure kann die gleiche Reaktion auch mit a k t i v e n M e t h y l e n gruppen als reduzierender Kondensationskomponente durchgeführt werden, wie die auf S. 660 beschriebene Reaktion von D i a z o n i u m s a l z e n mit 1,3-Dicarbonylverbindungen zeigt:
R—C=0 ¿H,
R—C=0
|
+HO-N=N-AR -H,0
R—C=0
(Umlagerungl
>
C=N—NH—Ar |
R—C=0
E—0=0 Hydrolyse
,
C = 0 + H2N—NH—Ar ,
R—C=0
Eine letzte Gruppe von indirekten Reduktionsreaktionen f ü h r t über die Monoaryl- und auch Monoalkyl-diimine als hypothetische Zwischenprodukte, die, wie wir auf S. 663 gesehen haben, n i c h t e x i s t e n z f ä h i g sind und schon i n s t a t u n a s c e n d i unter Wanderung des Wasserstoffs an den Kohlenstoff zerfallen. Man kann daher, sofern die Reaktion nur zu einem D i i m i n d e r i v a t führt, nicht nur mit R e d u k t i o n s m i t t e l n (z. B. bei der Überführung von P h e n y l d i a z o t a t in Benzol mittels stark alkalischer Stannitlösung, S. 651), sondern auch mit oxydativ i n d i f f e r e n t e n R e a g e n z i e n (wie z. B. Natriumhydroxyd oder Natriumalkoholat bei der Reaktion von K I S H N E R - W O L F F , S . 277) oder gar mit O x y d a t i o n s m i t t e l n (wie z. B. Kupfer(II)-Ionen bei der Überführung von Phenylhydrazin in Benzol und Stickstoff, S. 632) einen Ersatz des S t i c k s t o f f s durch W a s s e r s t o f f und damit eine R e d u k t i o n s r e a k t i o n bewirken, wie im einzelnen aus den auf S. 663 zusammengestellten Gleichungen hervorgeht.
III. Der Aufbau von C—C-Bindungen Überblickt man noch einmal rückschauend die bisher angeführten Methoden zum A u f b a u v o n C ••• C - B i n d u n g e n , so ergibt sich, daß in den meisten Fällen die Aktivierung des Kohlenstoffs durch eine e n t g e g e n g e s e t z t e P o l a r i s i e r u n g der zu verknüpfenden C-Atome erfolgt, so daß sie im Sinne normaler A n l a g e r u n g s r e a k t i o n e n oder d o p p e l t e r Ü m s e t z u n g e n miteinander in Reaktion treten können. J e nach der Art und Weise, wie diese Polarisierung erzielt wird, kann man die folgenden d r e i R e a k t i o n s g r u p p e n unterscheiden: 1. Reaktionen, bei denen man durch N e g a t i v i e r u n g d e s K o h l e n s t o f f s des einen Reaktionspartners diesen den normalen A l k y l i e r u n g s - , A r y l i e r u n g s - und A c y l i e r u n g s r e a k t i o n e n zugänglich macht, sowie zur A n l a g e r u n g a n C = 0 - D o p p e l b i n d u n g e n befähigt, 2. K o n d e n s a t i o n s r e a k t i o n e n , die im weitesten Sinn auch zahlreiche der unter 1 beschriebenen Reaktionen mit einschließen, im folgenden aber zweckmäßig auf diejenigen Vorgänge beschränkt werden sollen, bei denen eine H e r a u s s p a l t u n g p o l a r e r W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n unter der Einwirkung eines K o n d e n s a t i o n s m i t t e l s erfolgt, und 3. A n l a g e r u n g s r e a k t i o n e n von Kohlenstoffverbindungen a n C — C - M e h r f a c h b i n d u n g e n . Diesen wichtigsten synthetischen Methoden stehen n u r einige wenige Reaktionen gegenüber, bei denen die Synthese o h n e a u s g e s p r o c h e n e P o l a r i s i e r u n g des Kohlenstoffs erfolgt. Es sind dies 4. die o x y d a t i v e (bzw. dehydrierende) und r e d u z i e r e n d e Verknüpfung zweier C-Atome, 5. der für präparative und technische Zwecke nur wenig geeignete Z u s a m m e n s c h l u ß f r e i e r R a d i k a l e , dessen Besprechung sich daher an dieser Stelle erübrigt, und 6. die nach dem R a d i k a l m e c h a n i s m u s verlaufende O l e f i n p o l y m e r i s a t i o n , die ebenfalls für diese Betrachtung ohne Bedeutung ist. 68*
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
996
1. Synthesen mit negativ polarisiertem Kohlenstoff Die n e g a t i v e A u f l a d u n g des Kohlenstoffs geschieht im allgemeinen durch Bildung von M e t a l l d e r i v a t e n , wobei es für die Durchführbarkeit der Reaktion ohne Bedeutung ist, ob v o l l s t ä n d i g e I o n i s a t i o n eintritt, oder ob nur die mehr oder weniger stark p o l a r i s i e r t e n A t o m b i n d u n g e n metallorganischer Verbindungen entstehen. Es kann daher in den folgenden Ausführungen auf eine Unterscheidung der s a l z a r t i g e n Metallderivate mit ionogenem Carbeniat-Kohlenstoff (Cyanide, Reaktionsformen der Enolate bei der C-Substitution, usw.) von den eigentlichen m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen verzichtet werden. a) Die K o L B E s c h e N i t r i l s y n t h e s e und v e r w a n d t e R e a k t i o n e n Von den einfachen organischen Verbindungen zeigt die B l a u s ä u r e die stärkste Neigung zur Abdissoziation des Protons unter n e g a t i v e r A u f l a d u n g des Kohlenstoffs. Man hat daher schon frühzeitig gelernt, das C y a n - I o n (in Form der Alk a l i m e t a l l c y a n i d e ) in der üblichen Weise zu a l k y l i e r e n ( K O L B Esche Nitrilsynthese, S.321), nach T. S A N D M E Y E R (S.656), über die S u l f o n a t e (S. 726) oder auch durch direkte Umsetzung mit A r y l h a l o g e n i d e n (S. 174) zu a r y l i e r e n , durch Umsetzung mit Acylhalogeniden zu a c y l i e r e n (S. 516), sowie schließlich auch (in Form der Blausäure bzw. von Ammoniumcyanid) an O x o v e r b i n d u n g e n anzulagern ( C y a n h y d r i n s y n t h e s e und Synthese von a - A m i n o c a r b o n s ä u r e n , S.249): R—C=N Ar—C=N
/
\c=N
+ R—Hai - Hai+ Ar—Hai — Hal+ >C=0 + NH,+ — H,0
r-i—= N + o II o +
1
+ Ar-N,+ -N,
Ä +
V
i
+ Ac—Hai — Hai+ Ar—SOr — sor~
Ac—C=N Ar—C=N Ar—CE=N
/OH
Die Methode leistet infolge dieser zahlreichen Variationsmöglichkeiten wertvolle Dienste zur S y n t h e s e v o n C a r b o n s ä u r e n , ist aber wegen der Einführungsmöglichkeit von nur einem C - A t o m in ihrem Anwendungsbereich b e s c h r ä n k t und insbesondere auch n i c h t zum Aufbau von c y c l i s c h e n V e r b i n d u n g e n befähigt (vgl. S. 829). In gewissem Umfang lassen sich die Reaktionen der A l k a l i m e t a l l c y a n i d e auch auf die der ihnen sehr ähnlichen L e i c h t m e t a l l - a c e t y l e n i d e (vgl. S. 117f.) übertragen. Insbesondere werden letztere bei der Einwirkung von A l k y l i e r u n g s m i t t e l n ebenfalls alkyliert und von Oxoverbindungen in analoger Weise zu Alkinolen angelagert: CH3X
HC=C—CHj •
HC=C—Me
+
/OH
C H , — C O — C H ,
(Hydrolyse)
CH, /
\f!=i C=C—H
b) Die S y n t h e s e n mit m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n Gehen wir schließlich zu den eigentlichen m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n über, so ist auch hier die Mehrzahl der genannten Reaktionen noch möglich. Im
III, 1: Synthesen mit negativ polarisiertem Kohlenstoff
997
einzelnen haben wir die Alkylierung einer metallorganischen Verbindung bereits als Teilreaktion der WuRTzschen S y n t h e s e (S. 68, 767) und ihre Acylierung als K e t o n s y n t h e s e bei der Einwirkung metallorganischer Verbindungen auf Carbonsäurederivate (S. 770) kennengelernt. Aber auch die Anlagerung an Oxoverbindungen verläuft in analoger Weise wie bei der Blausäure: R
R' R " X
OH R
'\
+ CL-CO-R'
, , / C= 0
-Med
R
~
• R-R'
M e
Der Anwendungsbereich der metallorganischen Verbindungen zu synthetischen Reaktionen ist wesentlich größer als der der Blausäure oder des Acetylens, da sich eine große Zahl von Alkyl- und Arylresten metallieren läßt. Er erfährt aber ebenfalls eine s t a r k e E i n s c h r ä n k u n g durch die ungewöhnliche Empfindlichkeit der K o h l e n s t o f f - M e t a l l - B i n d u n g , die praktisch die Anwesenheit anderer F u n k t i o n e n neben dem Metall in dem gleichen Molekül ausschließt. Man kann daher als metallorganische Komponente im wesentlichen nur die Metallderivate der K o h l e n w a s s e r s t o f f e verwenden. Aber auch die Variationsmöglichkeit der anderen R e a k t i o n s k o m p o n e n t e erfährt eine wesentliche Einschränkung dadurch, daß sie außer der reagierenden keine gegenüber m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindungen a k t i v e Gruppe, insbesondere keinen a k t i v e n W a s s e r s t o f f , im Molekül enthalten darf. Eine Ausnahme macht lediglich die Methode von S. REFORMATSKY (1887), bei der man durch Einwirkung von Chloressigester und Zink auf Ketone im Sinne der normalen Umsetzung metallorganischer Verbindungen den Rest der Chloressigsäure in das Ketonmolekül einführen kann:
OH ROOC—CH2—C1 + Zn
• (ROOC—CH2—ZnCl)
(Hydrolyse)
I
"
ROOC—CH2—C—R
I
R
Die bei dieser Reaktion als Zwischenprodukt angenommene zinkorganische Verbindung des Chloressigesters (I) konnte bisher noch nicht isoliert werden. Der Anwendungsbereich der Methode kann durch Variation der Reaktionskomponenten erheblich erweitert werden1).
c) Die von 1,3-DicarbonylVerbindungen ausgehenden Synthesen Wenn auch die Darstellung von echtsn C-Metallderivaten organischer Sauerstoffverbindungen nicht möglich ist, so liegen doch in den A l k a l i m e t a l l enolaten der 1,3-Dicarbonylverbindungen Substanzen vor, die sich infolge, der eigenartigen Mesomerieverhältnisse des Enolat-Anions (vgl. S. 468) bei zahlreichen Reaktionen wie metallorganische Verbindungen verhalten und am M e t h y l e n k o h l e n s t o f f substituiert werden. Dies ist insbesondere bei der Alkylierung und Acylierung (vgl. S. 469) der Fall, so daß wir hier eine weitere wichtige Methode zum Aufbau von C—C-Bindungen vor uns haben: l)
Vgl. z. B . : W . TREIBS U. G. LEICHSSKNRINO : B . 8 4 , 5 2 ( 1 9 5 1 ) .
998
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
rcH 3 —C=0
HA II
CH3—C—0©
CH3—C=0~
HC|©
~
Na+ + Hai—R(Ac)
CH3—C=O — XaHal
CH3—C=o_
AI—R(AO) CH3—C=O
Der Anwendungsbereich der Methode erfährt durch den Zwang zur Verwendung von 1,3-Dicarbonylverbindungen als Ausgangsmaterialien zwar ebenfalls eine gewisse Einschränkung, ergänzt aber den der eigentlichen metallorganischen Verbindungen in ausgezeichneter Weise, zumal man durch anschließende Säure- oder Ketonspaltung (vgl. z . B . das auf S. 523 angeführte Schema) auch einfache Sauer st offverbindungen darstellen kann. Ein weiterer Vorteil besteht in der Alkoholbeständigkeit der Enolate, die — im Gegensatz zur Verwendung von GRIGNARD-Verbindungen — das Arbeiten in alkoholat-alkalischem Medium gestattet. 2. Die Kondensationsreaktionen Das Wort Kondensation bedeutet wörtlich Verdichtung. Unter Kondensations reaktionen versteht man dementsprechend alle synthetischen organischen Reaktionen, bei denen (im Gegensatz zu den Anlagerungsreaktionen) die Verknüpfung der C-Atome unter „Verdichtung" der Materie — d.h. hier unter gleichzeitiger Herausspaltung verhältnismäßig kleiner, meistens nicht-organischer Molekülteile — erfolgt. In diesem weitesten Sinne gehören auch die KOLBEsche Nitrilsynthese, die Diphenylsynthese beim Leiten von Benzoldämpfen durch ein glühendes Rohr (S. 144) und die GOMBEEG-Reaktion zu den Kondensationsreaktionen. In der Praxis faßt man den Begriff meistens etwas enger, ohne daß sich jedoch eine allgemein anerkannte scharfe Grenze gegenüber verwandten Reaktionen angeben läßt. Wir wollen im folgenden unter Kondensationsreaktionen alle diejenigen synthetischen Reaktionen verstehen, bei denen unter Austritt von polaren Verbindungen vom Typus H—X zwei C-Atome (sowie in selteneren Fällen auch ein C- und ein Heteroatom) miteinander verknüpft werden. Sie stellen infolge der großen Variationsmöglichkeit der Reaktionspartner ohne Zweifel die wichtigsten synthetischen R e a k t i o n e n der organischen Chemie dar. Bereits aus der Tatsache, daß im Verlaufe dieser Kondensationsreaktionen (im engeren Sinne) stets eine polare Verbindung austritt, geht eindeutig hervor, daß auch hier die eigentliche Synthese durch Zusammenschluß eines bisher als negativer und eines bisher als positiver Bindungspartner fungierenden CAtoms (die entsprechenden Verbindungen werden im folgenden kurz negativer und positiver Reaktionspartner genannt) erfolgt. Doch ist der polare Charakter des Kohlenstoffs, insbesondere bei den als negative Reaktionspartner fungierenden C—H-Verbindungen, nicht mehr so deutlich ausgeprägt wie bei den metallorganischen Verbindungen und den Alkalimetallenolaten der 1,3-Dicarbonylverbindungen. Die Kondensationsreaktionen benötigen daher allgemein ein Kondensationsmittel, das entweder den negativen oder den positiven Reaktionspartner aktiviert. Im ersten Fall spricht man von alkalischer Kondensation, die im Prinzip immer darauf beruht, daß primär die als negativer Reaktionspartner fungierende C—H-
III, 2: Die Kondensationsreaktionen
999
Verbindung durch Abdissoziation des Wasserstoffs als Proton in ein wesentlich •aktiveres Carbeniat-Anion mit n e g a t i v geladenem K o h l e n s t o f f übergeht, das dann sekundär wie eine metallorganische Verbindung reagiert. So beruht z. B. die durch Alkali katalysierte Aldolkondensation letzten Endes auf der Anlagerung eines Carbeniat-Ions (bzw. im „klassischen" Sinne einer C-Natriumverbindung) an die Carbonylgruppe eines zweiten Aldehydmoleküls zu dem A l d o l a t - I o n I, das schließlich unter Regeneration des als Katalysator dienenden OH~-Ions zum eigentlichen Aldol (II) hydrolysiert: e 0=CH—CH3 + OH" ~ '° » 0=CH—CH2 t H
+ H,
e T9 •(] ~ ' > 0=CH—CH2—CH—CH3 OH i
1M 1 +ch
ch
° > ÖH- + 0=CH—CH2 —CH—CH3 ii
Die zweite Möglichkeit ist bei der sauren Kondensation verwirklicht. Hier wird die Aktivität des positiven Reaktionspartners durch K o m p l e x b i l d u n g (z.B. von III oder IV) derart gesteigert, daß er über die unter 1 beschriebenen Umsetzungen mit den metallorganischen Verbindungen hinaus auch zur Reaktion mit „aktiven" C—H-Verbindungen befähigt ist. Dieser Reaktionstyp ist z. B. bei der Reaktion "von Friedel-Crafts oder der Kondensation von zwei Molekülen Aceton zu Mesityloxyd verwirklicht (Näheres über den Reaktionsmechanismus vgl. II, Kap. 4, III, 2): CH3—CO—C1 —[CH 3 —C==0] + [A1C1 4 ] in CH3X )c=0 — CH/
+
>
— ATCU-—hci ' CH3—CO—C,H,
CH3X II @ /C;=0—H + h,;Ch-c-ch, : CH/ : oh, IV
>
CH1X "y )C=CH—G—CH, CH/
Die umfassendere Reaktion ist ohne Zweifel die saure K o n d e n s a t i o n , der mit Ausnahme der E s t e r k o n d e n s a t i o n alle im folgenden beschriebenen Kondensationsreaktionen zugänglich sind. Ihr gegenüber ist die a l k a l i s c h e K o n d e n s a t i o n im wesentlichen auf die Verwendung von Verbindungen mit polaren Doppelb i n d u n g e n (Oxo-verbindungen, Carbonsäureestern, Nitrilen usw.) als positiven Reaktionspartnern beschränkt, hat hier aber gegenüber der sauren Kondensation einen größeren A n w e n d u n g s b e r e i c h gefunden. Als negative Reaktionspartner kommen definitionsgemäß ausschließlich C—IiVerbindungen in Betracht, und zwar in erster Linie solche mit a k t i v e n Methylengruppen aller Art, in denen der Wasserstoff bereits eine gewisse A c i d i t ä t aufweist. Daneben ist aber auch a r o m a t i s c h e r W a s s e r s t o f f , insbesondere in o- und pS t e l l u n g zu OH- oder Aminogr uppen, und in selteneren Fällen sogar P a r a f f i n Wasserstoff zu Kondensationsreaktionen befähigt. Ihnen stehen als positive Reaktionspartner insbesondere die H a l o g e n - , S a u e r s t o f f - und z.T. auch Sticks t o f f v e r b i n d u n g e n des Kohlenstoffs aller O x y d a t i o n s s t u f e n gegenüber, wie die folgende Zusammenstellung der wichtigsten, zu Kondensationsreaktionen befähigten Verbindungsgruppen zeigt:
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
1000
Als n e g a t i v e R e a k t i o n s p a r t n e r können fungieren: 1. Aliphatischer Wasserstoff: a) normaler Paraffinwasserstoff (nur in wenigen Ausnahmefällen) b) Benzylwasserstoff *): /N02 C,H,—CH,< (C„H5)aCH2
H R—NH—CSH—R'
,, Aldolkondensation"
"Crotonaldehydkondensation'
^
R—N=CH—R' + H 2 0 O
„Esterkondensation"
^
R—NH—C—R' + ROH
0 R—XH—H
HO—C—R'
III, 2a: Die FRIEDEL-CRAFTS sehe Synthese
1001
zuweilen von ausschlaggebender Bedeutung für die Einstellung eines günstigen Reaktionsgleichgewichtes (vgl. z. B. die Verwendung von N a t r i u m t r i t y l zur Kondensation von zwei Molekülen I s o b u t t e r s ä u r e e s t e r , S. 1013). Anschließend sind die wichtigsten basischen und sauren (bzw. „säureanalogen") Kondensationsmittel in der Reihenfolge zunehmender Aktivität zusammengestellt: Basische
Kondensationsmittel
Natriumacetat Ammoniumacetat Ammoniak, Amine Natronlauge, Alkoholatlösung festes Natriumhydroxyd Natriummetall (vgl. S. 520 Anm. 1) Natriumamid metallorganische Verbindungen
Saure und „säureanaloge" Kondensations mittel wäßrige Mineralsäuren konz. Schwefelsäure, Chlorwasserstoff Zinkchlorid Zinntetrachlorid Eisen(III)-chlorid Aluminiumchlorid, Berylliumchlorid Bortrifluorid Antimonpentachlorid
Einteilung. Im allgemeinen unterteilt man die Kondensationsreaktionen nach dem p o s i t i v e n R e a k t i o n s p a r t n e r in die folgenden Untergruppen: a) die FBiEDEL-GRAFTSschen Synthesen im weitesten Sinne, bei denen meistens eine H a l o g e n v e r b i n d u n g a l s positive Kondensationskomponente fungiert, b) die Kondensationsreaktionen der a l k o h o l i s c h e n H y d r o x y l g r u p p e , c) die Kondensationsreaktionen der O x o v e r b i n d u n g e n (Aldol- und Crotonaldehydkondensation), d) die E s t e r k o n d e n s a t i o n und schließlich e) die Kondensationsreaktionen anderer Carbonsäurederivate. a) Die
FRIEDEL-CRAFTS
sehe Synthese 1 ) (im w e i t e s t e n Sinne)
Eine Kondensation unter Herausspaltung von Halogenwasserstoff findet nur bei s a u r e r K a t a l y s e in i n d i f f e r e n t e m Medium, d. h. unter den Bedingungen der FRiEDEL-CRAFTSschen Reaktion statt. Sie führt stets, auch bei Verbindungen mit m e h r e r e n Halogenatomen, zum Aufbau von e i n f a c h e n C—C-Bindungen, so daß in letzterem Falle eine V e r k n ü p f u n g m e h r e r e r Moleküle der Wasserstoffkomponente durch ein C-Atom erfolgt:
Die Methode hat über die ursprüngliche FRiEDEL-CRAFTSsche Reaktion hinaus ein großes praktisches Anwendungsgebiet gefunden, da sowohl die p o s i t i v e als auch die n e g a t i v e R e a k t i o n s k o m p o n e n t e und der K a t a l y s a t o r innerhalb weiter Grenzen variiert werden können. Im einzelnen sind der Reaktion zugänglich: 1. als negative Kondensationskomponente insbesondere a r o m a t i s c h e Verb i n d u n g e n aller Art einschließlich der sich aromatisch verhaltenden H e t e r o e y c l e n . Auch hier sind P h e n o l e und t e r t i ä r e (bzw. durch N - A c y l i e r u n g geschützte primäre und sekundäre) A n i l i n b a s e n in p- S t e l l u n g zur aktiven Gruppe besonders l
) Zusammenfassungen: 6 . BADDELEY: Quart. Rev. 8. 355 (1954); P. H. GORE: Chem. Rev.
1 9 5 5 , 229.
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
1002
l e i c h t s u b s t i t u i e r b a r . Ferner ist in vereinzelten Fällen auch die analoge Substitution von O l e f i n w a s s e r s t o f f 1 ) gelungen, jedoch nur mit A c y l h a l o g e n i d e n als positiven Reaktionspartnern (vgl. S . 1 0 0 ) . N i c h t i n Reaktion treten dagegen a k t i v e M e t h y l e n g r u p p e n jeder Art, so daß es z. B. nicht möglich ist, Toluol in der S e i t e n k e t t e zu substituieren. Auch für die K e t o n s y n t h e s e nach FRIEDEL-CRAFTS (s. u.) ist dieser Umstand von Bedeutung, da eine Mitbeteiligung der aktiven Methylengruppe des S ä u r e c h l o r i d s oder auch des f e r t i g e n K e t o n s an der Reaktion den praktischen Wert der Methode sehr herabsetzen würde. Einer weiteren Gruppe von auf diese Weise n i c h t s u b s t i t u i e r b a r e n Verbindungen begegnen wir in aromatischen N i t r o k ö r p e r n , die das Aluminiumchlorid zu i n a k t i v e n K o m p l e x e n binden. Bei der Indifferenz der aktiven Methylengruppen gegenüber Kondensationsreaktionen dieses Typus ist es auffallend, daß es neuerdings verschiedentlich gelungen ist, gewöhnlichen P a r a f f i n w a s s e r s t o f f unter den Bedingungen der FRiEDEL-CRAFTsschen Reaktion zu substituieren. Hierbei finden gleichzeitig die auf S. 78 und 836 beschriebenen I s o m e r i s i e r u n g e n des Kohlenstoffgerüstes statt, so daß man meistens ein Gemisch verschiedener Reaktionsprodukte erhält. Als Beispiel einer derartigen, unter R i n g v e r e n g e r u n g vor sich gehenden Reaktion sei die Einwirkung von A c e t y l c h l o r i d auf C y c l o h e x a n angeführt, die bei Verwendung von t r o c k e n e m und f e u c h t e m Aluminium chlorid einen v e r s c h i e d e n a r t igen Verlauf nimmt: O O II / Cl-CO-CH, / \ Cl—CO—CHS (feuchtes A1C]8) \ / (trockenes A1C1S) Die Bildung eines O l e f i n d e r i v a t e s in dem einen Falle deutet auf die Möglichkeit hin, daß auch bei den normalen Reaktionen gesättigter Kohlenwasserstoffe intermediär D e h y drierung zum O l e f i n eintritt, und daß erst dieses dann auf dem üblichen Wege substituiert wird.
2. als positive Kondensationskomponente eine große Anzahl von H a l o g e n Verbindungen und von Substanzen, die mit Aluminiumchlorid oder Chlorwasserstoff intermediär in H a l o g e n v e r b i n d u n g e n übergehen können. Sie lassen sich in folgende Gruppen unterteilen: a) Alkylhalogenide [einschließlich Dimethylsulfat, Toluolsulfonsäureester2), Borsäureester3) sowie zuweilen sogar Alkohole4)] und Oleline8), die in der auf S. 129f. beschriebenen Weise eine A l k y l i e r u n g der Wasserstoffverbindung herbeiführen: \
/
LH
3 *
(Äicü)
\
H
(AlClj) * \
=
/
+
Ihnen analog verhalten sich Chloroform und andere gesättigte aliphatische P o l y h a l o g e n v e r b i n d u n g e n , die u. a. zur Synthese der P o l y p h e n y l m e t h a n v e r b i n dungen Verwendung finden (S. 144f.). Nicht umsetzbar sind dagegen wegen der Reaktionsträgheit des Halogens die H a l o g e n o l e f i n e und die a r o m a t i s c h e n Halogenverbindungen. M V g l . z. B . : L . SCHMERLING: A m . S o c . 6 7 , 1152 (1945). 2
) F. DRAHOWZAL u. Mitarbb.: A. 580, 210 (1953).
3
4
) W . K . KUSSKOW U. B . M. SCHEIMANN (russisch), R e f . C. 1 9 5 7 , 1158.
) R. C. HUSTON U. Mitarbb.: Am. Soc. 67, 899 (1945) und frühere Arbeiten. ) Im Falle einer derartigen Verwendung von Olefinen handelt es sich streng genommen nicht mehr um eine K o n d e n s a t i o n s - , sondern um eine A n l a g e r u n g s r e a k t i o n (vgl. S. 1015). 5
1003
I I I , 2A: Die FRIEDEL-CRAFTSsehe S y n t h e s e
Infolge der R e v e r s i b i l i t ä t der Reaktion kann man u. U. sogar die A l k y l b e n z o l e selbst als Alkylierungsmittel für andere Aromaten verwenden, z. B. mit Cumol Chlorbenzol isopropylieren1).
b) Carbonsäurechloride, -anhydride und -nitrile sowie auch die freien Carbonsäuren selbst. Sie wirken als Acylierungsmittel auf die negative Kondensationskomponente ein und führen letzten Endes stets zu Ketonen als Reaktionsprodukten (S. 282, bzgl. des Mechanismus vgl. auch S. 999): R—CO—C1 + R_CO—OAc+ R—C=N + R—COOH +
+ HCl y — Y /
A1C1, Hydrolyse
j> riQ ^ R - c
° - \
\ =
+Ac0H
>
+ NH 3
+ HaO
c) Kohlenoxyd und Blausäure, die als Ameisensäurederivate in Gegenwart von Aluminiumchlorid intermediär Ameisensäure-chlorid (bzw. -imidchlorid) als die eigentlichen Kondensationskomponenten der PRiEDEL-CRAFTsschen Reaktion bilden und dadurch zur Aldehydsynthese befähigt sind (Näheres vgl. S. 269 und 459f.). H C1 +
I ^
\
+ c.H,
^feOrj-HC^-AiC.
o
c
n
c
n
0-CH-^6H5
^
Ä
/
Hydrolyse
^
tInCl3]-
e
^
j
\
Zoe, HCl
HCs=]
d) Kohlensäurederivate, die, der zweibasigen Natur der Kohlensäure entsprechend, sowohl einmal als auch zweimal kondensieren können. Im ersteren Falle erhält man in der auf S. 322 ausführlich beschriebenen Weise Carbonsäurederivate: ^
cocí, —HCl
CO—C1
!1,)V-H + Br—C==N
— HBr
im zweiten Fall direkt symmetrische Diarylketone: — 2 HCl (A1C1.)
H + Cl—CO—Cl + H—
^ V o o -
Die aktivierende Wirkung des Kondensationsmittels ist in diesem Fall so groß, daß es sogar gelungen ist, das sonst so reaktionsträge K o h l e n d i o x y d der FBIEDEL-CRAPTSBchen Reaktion zugänglich zu machen und z. B. mit dem besonders aktiven p-ständigen Wasserstoff des D i m e t h y l a n i l i n s zu M I C H L E R S Keton ( S . 6 1 0 ) umzusetzen (Gr. T . MOBGAN 1 9 3 1 ) . ( C H
3
)
2
N — H
+
C
°2
+
H—
— H,0 (A1C1.) ( C H 3 ) 2 N — C O — ^
V_N(CH 3 ) 2
e) Im gleichen Sinne wie die vorgenannten Kohlenstoffverbindungen vermögen auch die Halogen- und, soweit sie intermediär in Halogenverbindungen übergehen können, die Sauerstoffverbindungen zahlreicher Heteroelemente sowie elementarer Schwefel als p o s i t i v e R e a k t i o n s p a r t n e r bei der FmEDEL-CRAFTsschen Reaktion zu fungieren. Wenn man auf diesem Wege auch keine neuen C—C-Bindungen synthetisieren kann, so erfährt die Methode durch diese Variationsmöglichkeit doch eine praktisch wichtige Erweiterung zur Ein!) G.
V E R M I L L I O N U.
M. A.
HILL:
Am. Soc. 68, 190 (1946).
Kap. 12 : Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
1004
f ü h r u n g v o n H e t e r o a t o m e n in d e n B e n z o l k e r n . Die wichtigsten, z. T. bereits beschriebenen Reaktionen sind in dem folgenden Formelbild nochmals übersichtlich zusammengestellt : + Gl, — HCl + PCI, — HCl + AsCl, -HCl AsCl
+ »/. SOaCl2 — HCl + '/. soci, — HCl (AICI3) N > — H _
1/2
\ Z / -
S 0 _
\ Z /
+ V. S,ci, I/t s>
+ '/, AaCl, -HCl + */. AsCl, — HCl
_Hcr
so,
Als Kondensationsmittel für die FRiEDEL-CRAFissche Synthese verwendet man in der Mehrzahl der Fälle Aluminiumchlorid, daneben in neuerer Zeit auch Borfluorid oder Fluorwasserstoff 1 ). Ferner sind mit Galliumchlorid, Eisen(III)-cMorid und Berylliumchlorid zahlreiche Synthesen durchgeführt worden, während das wesentlich weniger aktive Zinkchlorid nur bei den besonders leicht substituierbaren P h e n o l e n und A n i l i n b a s e n wirksam ist. Schließlich kann mari in Einzelfällen auch CuCl, SnClj, TiCl 4 und ähnliche k o o r d i n a t i v u n g e s ä t t i g t e Halogenverbindungen verwenden. Die Wirkungsweise des Alumi&iumchlorids ist zum Teil rein k a t a l y t i s c h , während in anderen Fällen eine i r r e v e r s i b l e M i t b e t e i l i g u n g am Umsatz beobachtet wird. Man benötigt daher in Abhängigkeit von dèh Reaktionsteilnehmern eine sehr u n t e r s c h i e d l i c h e Aluminiumchloridmenge und kann im einzelnen drei Gruppen von Reaktionen unterscheiden : a) R e i n k a t a l y t i s c h verlaufen insbesondere alle oben unter 2a) beschriebenen Alky. lierungsreaktionen. Hier kommt mail mit einer sehr k l e i n e n Aluminiumchloridmenge aus, l») Bei der Ketonsynthese mit S ä u r e c h l o r i d e n wird das Kondensationsmittel, ehe es zum zweiten Male seine katalytische Funktion ausüben kann, von dem Reaktionsprodukt d u r c h K o m p l e x b i l d u n g a b g e f a n g e n und kann aus diesem Komplex erst in einer z w e i t e n R e a k t i o n s p h a s e durch Zusatz von W a s s e r wieder verdrängt werden. Das Aluminiumchlorid wird also nicht in seiner ursprünglichen Form regeneriert, sondern in Form seines (katalytisoh unwirksamen) H y d r a t e s . Die Reaktionsgleichung muß deshalb exakt folgendermaßen formuliert werden:
und man benötigt m i n d e s t e n s e i n (praktisch etwa 1,5) Mol Aluminiumchlorid. c) Noch größere Aluminiumchloridmengen sind bei Verwendung von C a r b o n s ä u r e n oder C a r b o n s ä u r e a n h y d r i d e n erforderlich, da diese Verbindungen, etwa den folgenden Reaktionsgleichungen entsprechend, primär in S ä u r e c h l o r i d e übergeführt werden müssen und hierbei, sowie ebenfalls durch K o m p l e x b i l d u n g , m e h r e r e AlCl 3 -Moleküle unwirksam machen: *) W . H . PEARLSON U. J . H . SIMONS: A m . S o c . 6 7 , 3 5 2
(1945).
I I I , 2 b : Die Kondensationsreaktionen der Alkohole R—COOH + AICI3
R—CO—C1 + C,H 6 + A1C13
in summa:
R—COOH + C,H, + 2 A1C13 (R—CO—) 2 0 + AlClj
R—CO—C1 + C,H, + A1C13
R—CO—O—AlCla + A1C13
in summa:
(R—CO—) a 0 + C , H , + 3 A1C1»
1005
R—CO—C1 + HO—AlCljj o-aici3 II R—C—C g H, + HCl o-aici3 II R — C - C . H , + HO—A1C12 + HCl R—CO—C1 + R—CO—O—AlClj 0-A1C1, II R—C—C,H S + HCl O-AJCI3 II R—C—O—A1C1, 0->Aia3 O^-AlClj II II • R—C—C,Hj + R—C—0—AlClj + H Q
Man benötigt daher im Falle der Verwendung von C a r b o n s ä u r e n mindestens z w e i (praktisch 2,5) und von S ä u r e a n h y d r i d e n mindestens d r e i (praktisch 3,3) M o l des Kondensationsmittels. Die genaue Diskussion des Reaktionsmechanismus erfolgt in II, Kap. 4, I I , 3bot.
b) D i e K o n d e n s a t i o n s r e a k t i o n e n der A l k o h o l e Alkohole können in der auf S. 130 beschriebenen Weise mit aromatischen Kohlenwasserstoffen kondensieren: /
V - H
t HO—R
.7: (H.SO.) Die Reaktion entspricht weitgehend der Synthese von Fbiedel-Cbafts bei Verwendung von A l k y l h a l o g e n i d e n als p o s i t i v e n Kondensationskomponenten, wie u.a. aus der ebenfalls fast ausschließlichen1) Verwendung a r o m a t i s c h e r Verb i n d u n g e n als n e g a t i v e n Kondensationskomponenten hervorgeht. Ferner kann man die Alkohole in gleicher Weise wie die Alkylhalogenide durch die entsprechenden Olef i n e ersetzen, und es wird auch hier die Reaktion nur durch saure Katalysatoren beschleunigt. Der einzige größere Unterschied zwischen beiden Verfahren besteht darin, daß man im allgemeinen mit m ä ß i g k o n z e n t r i e r t e n M i n e r a l s ä u r e n als Kondensationsmitteln arbeitet. Aber auch mit A l u m i n i u m c h l o r i d tritt Konden*) Als nicht verallgemeinerungsfähiger Ausnahmefall, bei dem unter ähnlichen Bedingungen auch a l i p h a t i s c h e r W a s s e r s t o f f substituiert wird, sei die I s o o c t e n s y n t h e s e aus tert.Butylalkohol und Isobutylen. angeführt, die unter Herausspaltung eines in A l l y l s t e l l u n g befindlichen H-Atoms vor sich geht und wahrscheinlich eine Teilreaktion der ersteh der auf S. 70 beschriebenen technischen Synthesen darstellt: CH 2 CH, CH 3 CH, ch3 II + H-cn,—c—ch, CH a —c + H.O J i i ^ L . CH 3 —¿—OH CH.,—d-c: —C—CH3 ^uTo
1006
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
sation ein, die jedoch nicht unbedingt diesem Reaktionstypus angehören muß, da sie ebenso gut über eine primäre Umwandlung des Alkohols in ein A l k y l c h l o r i d oder O l e f i n verlaufen kann, das dann im Sinne einer echten F R I E D E L CßAFTsschen Synthese reagiert (Gleichungen formulieren!). Bezüglich des Reaktionsmechanismus vgl. II, Kap. 4, I I 3 b a. c) D i e K o n d e n s a t i o n s r e a k t i o n e n der
Oxoverbindungen
Die Oxoverbindungen sind infolge des Vorhandenseins einer C a r b o n y l d o p p e l b i n d u n g wesentlich r e a k t i o n s f ä h i g e r als die Alkohole und insbesondere auch zur Kondensation in a l k a l i s c h e m M e d i u m befähigt. Je nachdem, ob bei der Reaktion eine e i n f a c h e oder eine d o p p e l t e C—C-Bindung entsteht, unterscheidet man zwei verschiedene Reaktionstypen, die nach ihren wichtigsten Vertretern A l d o l k o n d e n s a t i o n und C r o t o n a l d e h y d k o n d e n s a t i o n genannt werden. tx) Die Aldolkondensation und verwandte Reaktionen Wie wir bereits auf S. 258 gesehen haben, beruht die Aldolkondensation auf der Anlagerung einer a k t i v e n W a s s e r S t o f f v e r b i n d u n g an die Carbonylgruppe einer O x o v e r b i n d u n g . Sie gehört also noch n i c h t zu den Kondensationsreaktionen im eigentlichen Sinn, da die für diese charakteristische A b s p a l t u n g einer p o l a r e n W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g gar nicht stattfindet 1 ): 0 [CH 3
" —CH
OH + H—CH2—CH=0
1
CH3—CH—CH2—CH=0
Die Reaktion geht jedoch durch n a c h t r ä g l i c h e W a s s e r a b s p a l t u n g leicht in eine w i r k l i c h e K o n d e n s a t i o n über und wird daher allgemein zu den Kondensationsreaktionen gerechnet. Die Aldolkondensation findet bereits in w ä ß r i g - a l k a l i s c h e r L ö s u n g statt und führt als r e v e r s i b l e Reaktion stets zu einem stark temperaturabhängigen G l e i c h g e w i c h t , dessen Lage in einigen Fällen bestimmt werden konnte. So geht z. B. der I s o b u t y r a l d e h y d bei 0° zu 90%, bei 100° nur noch zu 10% in das zugehörige Aldol über (formulieren!). Hinsichtlich der Reaktionsfähigkeit der Oxo-Komponente besteht etwa die folgende Abstufung: Am reaktionsfähigsten ist die Carbonylgruppe des F o r m a l d e h y d s , dann folgt die der normalen A l d e h y d e und schließlich die der K e t o n e . Formaldehyd bildet daher mit a l l e n a n d e r e n A l d e h y d e n und K e t o n e n ausschließlich die entsprechenden H y d r o x y m e t h y l v e r b i n d u n g e n (vgl. S. 262). Ferner tritt überschüssiger F o r m a l d e h y d mit aktiven Methylengruppen n i c h t nur e i n m a l in Reaktion, sondern kondensiert mit s ä m t l i c h e n anwesenden H - A t o m e n , so daß in dieser Reaktion die einfachste Möglichkeit vorliegt, Verbindungen mit q u a r t ä r e n C - A t o m e n aufzubauen: Lediglich wenn man die Aldolkondensation vom A l d e h y d h y d r a t aus formuliert, wozu man in Anbetracht des Arbeitens in w ä ß r i g e r L ö s u n g in gewissem Sinn berechtigt ist, findet f o r m a l eine Wasserabspaltung statt und wir kommen zu einer e c h t e n K o n d e n sationsreaktion:
J
H
„
H — O H 4- H — C H 2 — C H = 0
OH CH3—¿H—CHa—0H=O + H20
I I I , 2 c a : Die AMolkondensation
3 H 2 C = 0 + H„C—CO—R
—
1007
>• HO—CH 2 yC—CO—R HO—CH/
Ähnlich wie der Formaldehyd gegenüber den normalen Aldehyden fungieren diese bei der Reaktion zwischen A l d e h y d e n u n d K e t o n e n stets als O x o k o m p o n e n t e und lagern die K e t o n e unter Ketolbildung an die C a r b o n y l g r u p p e a n : OH R ' — C H = 0 + H—CH 2 —CO—R
• R'—CH—CH 2 —CO—R
Auch hier ist die O x o k o m p o n e n t e noch aktiv genug, um u. U. m e h r f a c h mit d e r g l e i c h e n M e t h y l e n g r u p p e in Reaktion zu treten. So erhält man z. B. als Nebenprodukt der Acetaldolbildung aus Acetaldehyd stets etwas 3-Formyl-pentan-diol-2,4 (I), das in der Technik durch Reduktion zu dem mehrwertigen Alkohol Hexali-triol (II) verwertet wird: HO—CH—CH, 0=CH—CH,
+
2
O _ = C H -
0 = C H
_ j ,
H
HO—CH—CH 3 I
HO—CH—CH, ^eduKUo^
^
^ HO—CH—CH 3 Ii
Lediglich bei der Kondensation von z w e i A l d e h y d - oder z w e i K e t o n m o l e k ü l e n lassen sich k e i n e genauen Voraussagen darüber machen; welcher Aldehyd (bzw. Keton) die kondensierende Carbonylgruppe stellt. Doch geht die A l d o l b i l d u n g aus zwei Aldehydmolekülen infolge der größeren Reaktionsfähigkeit der Aldehydgruppe wesentlich l e i c h t e r vor sich als die K e t o l b i l d u n g aus zwei Ketonmolekülen, so daß letztere, da gleichzeitig die / 3 - O x y a l d e h y d e etwas b e s t ä n d i g e r sind als die ß - O x y k e t o n e , häufig erst unter Bedingungen erfolgt, unter denen bereits eine nachträgliche Wasserabspaltung zum u n g e s ä t t i g t e n K e t o n möglich ist. Die Dimerisation der Ketone zu Ketolen t r i t t daher hinter der eigentlichen AMolkondensation an Bedeutung zurück. Als Kondensationsmittel f ü r die Aldolkondensation dienen außer w ä ß r i g e r N a t r o n l a u g e , die als starkes Alkali häufig u n e r w ü n s c h t e N e b e n r e a k t i o n e n (z.B. die D i s m u t a t i o n der Aldehyde nach CANNIZZARO) auslöst, insbesondere auch s c h w a c h e A l k a l i e n wie B l e i h y d r o x y d , K a l i u m c a r b o n a t , N a t r i u m s u l f i t oder t e r t i ä r e s N a t r i u m p h o s p h a t . Ferner kann man die Reaktion mit s a u r e n K a t a l y s a t o r e n — wie z. B. S a l z s ä u r e oder zuweilen auch A l u m i n i u m c h l o r i d — dürchführen, und selbst e i n i g e K o n t a k t v e r f a h r e n sind entwickelt worden. So entsteht z.B. A c e t a l d o l beim Leiten von g a s f ö r m i g e m A c e t a l d e h y d über a m p h o t e r e M e t a l l h y d r o x y d e (Al(OH) 3 , Fe(OH) 3 , Sb(OH) 3 usw.) bei Temperaturen u n t e r h a l b seiner Z e r s e t z u n g s t e m p e r a t u r
(A. 0 . JAEGER 1933).
Eine letzte interessante Gruppe von Kondensationsmitteln liegt schließlich in GRIGNARDV e r b i n d u n g e n mit v e r z w e i g t e n A l k y l r e s t e n ( w i e z . B . i m I s o p r o p y l m a g n e s i u m c h l o r i d ) vor, die infolge s t e r i s c h e r H i n d e r u n g nicht mit der C a r b ö n y l g r u p p e in Reaktion treten. Sie setzen sich daher wie andere basische Reagentien mit dem a k t i v e n W a s s e r s t o f f der Methylengruppe um und ermöglichen auf diese Weise den auf S. 999 formulierten Mechanismus. Sie finden insbesondere zur Kondensation sonst nur schwer ketolisierbarer K e t o n e Anwendung: IU-C=0 R p n=o R c o i l , + (CH„),CH-MGX _ | + R-CQ-CH.-R' , R ' ¿JJ —C—CH 2 —R' R'—CH 2
ClH
*
R'—CH—MgX
I
OMgX
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
1008
Die Reaktion kann auch in der Weise aufgefaßt werden, daß der a k t i v e W a s s e r s t o f f der Methylengruppe primär das Metall unter Bildung einer anderen m e t a l l o r g a n i s c h e n Verbindung verdrängt (S. 764), und daß diese dann rascher als die ursprüngliche GRIGNARDVerbindung die auf S. 770 formulierte Anlagerungsreaktion erleidet. Als negative Kondensationskomponente kommen außer den bisher betrachteten O x o V e r b i n d u n g e n mit a-ständigen Methylengruppen auch andere Verbindungen mit a k t i v i e r t e r M e t h y l e n g r u p p e in Betracht. Insbesondere 1 , 3 - D i c a r b o n y l v e r b i n d u n g e n , aliphatische N i t r o k ö r p e r (vgl. S. 685) und die Methylgruppe des CH3—CO—C—COOR in
HO—CH—CH, IV
. E O.N—CH3 + 0=CH—R —• 02N—CHj—CH—R /
CH 3 + 0=CH—R —* /
R'OOC i CH 2 2 + 0=CH—R
CH2—ÜH—R
(für R'OOO-CH „„. X v »„» CCl' oder L NH,) ^ ' » R'OOC—¿H
— HCl (für X ~ Cl)
H IiC H - R
/ N R'OOC—CH-CH—R
N i c h t in Reaktion treten dagegen die Methylengruppen in einfachen C a r b o n s ä u r e e s t e r n und B e n z y l v e r b i n d u n g e n , während F l u o r e n gleich weiter unter F u l v e n b i l d u n g reagiert (S. 1011). Bei einigen dieser Verbindungen geht die Kondensation auch über die Bildung der Alkohole hinaus, und es tritt (abgesehen von der unter ß beschriebenen Crotonaldehydkondensation) die Carbonylgruppe unter Herausspaltung von Wasser gleich mit zwei Molekülen der M e t h y l e n k o m p o n e n t e in Reaktion. Als Beispiel sei die Bildung der Verbindung V als Nebenprodukt neben den oben beschriebenen Verbindungen III und IV bei der Einwirkung von A c e t a l d e h y d auf A c e t e s s i g e s t e r angeführt: CH 3 —CH=0 H + CHS—CO—¿—COOR I H CHj—CHi=0 i +
L-HJ
CHS—CO—CH—COOR
CH3—CH—OH
.
CH3—CO—C—COOR I CH3—CH CHS—CO—CH—COOR
111,20a: Die Aldolkondensation
1009
Eine weitere derartige Verknüpfung von zwei A c e t e s s i g e s t e r m o l e k ü l e n durch ein A c e t a l d e h y d m o l e k ü l , beidergleichzeitigdasKondensationsmittel mit in das Reaktionsprodukt eingebaut wird, haben wir auf S.899 i n d e r C o l l i d i n s y n t h e s e von A. HANTZSCH kennengelernt: ROOC—C
/ \
H
H
\ /
C—CH3 H H
ROOC—C
II
+
;
0
ROOCx
i
/CH,
>• -
R—R + H2
Die Reaktion ist n i c h t allgemein, sondern nur bei bestimmten Verbindungstypen durchführbar, die es in Anbetracht der Reaktionsträgheit der C—H-Bindung wahrscheinlich machen, daß p r i m ä r die beiden zu verknüpfenden C-Atome in Wechselwirkung treten und erst n a c h t r ä g l i c h die W a s s e r s t o f f a b s p a l t u n g stattfindet. Eine praktische Bedeutung haben insbesondere diejenigen Reaktionen erlangt, bei denen der Wasserstoff aus zwei g l e i c h a r t i g e n Molekülen an der gleichen S t e l l e abgespalten wird, so daß praktisch eine Verdoppelung des Moleküls stattfindet. Im einzelnen können wir die folgenden beiden Reaktionsgruppen unterscheiden: 1. Reaktionen, bei denen elementarer Wasserstoff bei hoher T e m p e r a t u r herausgespalten wird. Hierher gehören insbesondere die beim Leiten der Dämpfe aromatischer Verbindungen durch glühende Röhren stattfindenden Synthesen von ) Vgl. K. A l d e r u. H. Ñeclas: A. 585, 81, 97 (1954) neben zahlreichen früheren Arbeiten. ) G. O. Schenck u. Mitarbb.: A. 584, 125 (1953). ») K. A l d e r u. Mitarbb.: A. 565, 57—126 (1949).
x
2
1021
III, 4: Dehydrierende und reduzierende Synthesen
Diphenyl (S. 144), F l u o r e n (S. 895), P h e n a n t h r e n (S. 887), P e r y l e n (S. 891), B i p h e n y l e n o x y d (S. 962), Carbazol (S. 943), Acridin (S. 913) usw. sowie die N a t r i u m o x a l a t - S y n t h e s e durch. Dehydrierung von N a t r i u m f o r m i a t (S. 478). Der Zusammenschluß von zwei B e n z o l k e r n en kann in Gegenwart von Aluminiumchlorid zuweilen auch schon bei Temperaturen zwischen 100 und 200° durchgeführt werden (vgl. z . B . die P y r a n t h r o n s y n t h e s e (S. 892). Doch sind die Ausbeuten hier zuweilen s c h l e c h t , weil der gebildete Wasserstoff nicht entweicht, sondern unter Bildung unerwünschter Nebenprodukte in die Reaktion eingreift. 2. die dehydrierende Verknüpfung der Benzolkerne von Phenolen und aromatischen Aminen unter der Einwirkung von Oxydationsmitteln, der wir u. a. bei der D i p h e n y l a m i n r e a k t i o n der S a l p e t e r s ä u r e (S. 600) bereits begegnet sind. Technisch wichtige Synthesen dieser Art sind die Bildung von E l l a g s ä u r e durch Dehydrierung von Gallussäure (S. 235) und die Indigosynthese durch Dehydrierung von I n d o x y l (S. 942), die beide bereits bei tiefer T e m p e r a t u r und mit milden O x y d a t i o n s m i t t e l n , wie Luftsauerstoff, Eisen(III)-chlorid usw., durchgeführt werden können. Schließlich findet auch bei der Benzidin-Vmlagerung (S. 634) eine bereits bei tiefer Temperatur erfolgende dehydrierende Verknüpfung zweier Benzolkerne statt. Nur ist es hier eine im gleichen Molekül befindliche Atomgruppe, und zwar die N—N-Bindung, die als Wasserstoffacceptor wirkt, so daß die „ S y n t h e s e " hier im Sinne einer „Umlagerung" verläuft. Unter reduzierender Synthese im weitesten Sinne versteht man alle R e d u k t i o n s r e a k t i o n e n , bei denen S a u e r s t o f f oder andere negative E l e m e n t e nicht durch Wasserstoff, sondern durch K o h l e n s t o f f ersetzt-werden. Das ist streng genommen bereits bei den typischen GRIGNARDsynthesen (S. 770) der Fall, die man daher zuweilen auch als aufbauende Hydrierungen bezeichnet. Im allgemeinen faßt man jedoch den Begriff der reduzierenden Synthese enger und beschränkt ihn auf R e d u k t i o n s r e a k t i o n e n , bei denen nicht wie bei der normalen Hydrierung zwei H-Atome pro Molekül aufgenommen werden, sondern bei denen sich die bei Aufnahme nur eines Metallatoms entstehenden radikalartigen Molekülbruchstücke durch D i m e r i s a t i o n gegenseitig a b s ä t t i g e n . Die einfachste und wichtigste derartige Reaktion stellt die auf S. 277 beschriebene P i n a k o n r e d u k t i o n der Ketone dar, der die analog verlaufende Oxalatbildung bei der Einwirkung von K o h l e n d i o x y d auf A l k a l i m e t a l l e (S. 478) an die Seite gestellt werden kann: R2C=0
/R2C—ONa\
+ 2 Na ^ I
RaC=0
*
j
\R 2 C—ONaj C0 2 COa
+ 2 Na
/COONa\
/ "
\COONaJ
^
R2C—ONa
|
RaC—ONa
|
^ COONa |
COONa
Ansäuern ^
RaC—OH
|
RaC—OH
Ansäuern ^ COOH |
COOH
Eine andere interessante Reaktion dieser Art ist M. BUSCH in der auf S. 143 beschriebenen hydrierenden Verknüpfung von mehreren Dibrombenzolmolekülen mittels Hydrazins als Wasserstoffdonator gelungen:
+ ^ n B r
- \ Z / -
B r
H.N-NH,
— ^ T N„—(2n—2)HBr 2
__ CI3CH + Na 2 C0 3
I
CLC—COO H —> CI3CH + C0 2
C1„C—CH=0 + NaOH 11' 01,0—00—cela + 2 NaOH
>• C13CH + NaOOCH • 2 C13CH + Na a C0 3
Iii 2 NaOH
CH3—CO—CHa—COOR CH3—CO—CH3 + Na 2 C0 3 + ROH (Ketonspaltung) v CHS—CO—CH2—COOH + 2 NaOH IV CH3—CO;—CH j—COOR - 2 CH3—COONa + ROH ( Säurespaltung) v —• CH 3 —CO—CH.+CO, + NaOH CH,—CO—CH2—CO—CH3 (Ketonspaltung) - CH3—COONa + CH3—CO—CH3 vi Als Spaltungsmittel dienen ausschließlich s t a r k b a s i s c h e R e a g e n z i e n , die sich stets an der Reaktion beteiligen und dadurch zuweilen die G l e i c h g e w i c h t s l a g e und selbst die R i c h t u n g der Reaktion wesentlich beeinflussen. Ein besonders interessantes Beispiel f ü r den letzteren Fall stellt der A c e t e s s i g e s t e r dar, dessen mittlere C—C-Bindung einerseits bei der S ä u r e s p a l t u n g unter dem Einfluß von w ä ß r i g e r N a t r o n l a u g e hydrolytisch g e s p a l t e n w i r d , andererseits bei der E s t e r k o n d e n s a t i o n unter der Einwirkung von Natriumalkoholat in Umkehrung dieser Spaltungsreaktion n e u e n t s t e h t . Diese entgegengesetzte Wirkung der beiden sonst so ähnlichen Reagenzien ist darauf zurückzuführen, daß bei der S ä u r e s p a l t u n g die entstehenden C a r b o n s ä u r e n neutralisiert werden, wodurch das Gleichgewicht zugunsten der S p a l t u n g verschoben wird, während bei der Einwirkung von N a t r i u m a l k o h o l a t in a l k o h o l i s c h e r L ö s u n g nicht das Spaltungsprodukt — d. h. hier der nicht neutralisierbare Essigester — sondern das K o n d e n s a t i o n s p r o d u k t , der A c e t e s s i g e s t e r , neutralisiert und als schwer lösliches Salz a u s dem G l e i c h g e w i c h t s g e m i s c h e n t f e r n t wird. Hier verschiebt sich infolgedessen (bei Einhaltung geeigneter Konzentrationsbedingungen; vgl. S. 1012f.) das Gleichgewicht zugunsten der K o n d e n s a t i o n s r e a k t i o n : Median" CH3—CO—CH2—COOR
R - O H + 2 CH 3 -COOH
Gleichgewicht
CH 3 —¿=CH— COOR
+ NaOR - HOlt
praktisch irreversibel
2CH 3 -COONa
irreversibel
ONa alkohol. Medium
'
CH,—CO—CH —COOR
+ HÖR — HÖR
2 CH3—COOR
Gleichgewicht
Man verwendet daher zur Säurespaltung des Acetessigesters bevorzugt w ä ß r i g e A l k a l i e n und zur Synthese ein möglichst konzentriertes a l k o h o l i s c h e s R e a k t i o n s m e d i u m . 65»
1028
Wu S. 974
Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
Zu 4. Die Lösung einer e i n f a c h e n C—C-Bindung auf dem Wege einer A b s p a l t u n g s r e a k t i o n beobachtet man ziemlich häufig, wenn sie unter gleichzeitiger A u s b i l d u n g e i n e r C = 0 - D o p p e l b i n d u n g erfolgt. Als einfachstes Beispiel sei die von A. Wohl in U m k e h r u n g der C y a n h y d r i n s y n t h e s e durchgeführte B l a u s ä u r e a b s p a l t u n g aus Cyanhydrinen der Kohlenhydratreihe angeführt, die eine wichtige Abbaureaktion für Z u c k e r darstellt (vgl. III, Kap. 4, I, 7c) und bei Verwendung von ammoniakalischer S i l b e r s a l z l ö s u n g zum Abfangen der in Freiheit gesetzten B l a u s ä u r e schon bei R a u m t e m p e r a t u r vor sich geht: OH
OH OH OH OH
OH (|)H
OH yH OH
CH,—CH—CH—CH—CH—C=N
—-> CH,—CH—CH—CH—CH=0 — AgC^N,— H+ Auch die U m k e h r r e a k t i o n der A l d o l k o n d e n s a t i o n (S. 1006) beruht auf einer derartigen A b s p a l t u n g e i n e r C—H-Verbindung unter Ausbildung einer C a r b o n y l g r u p p e (Gleichung formulieren!) und tritt in alkalischem Medium bereits bei t i e f e r T e m p e r a t u r ein. Wie das Beispiel der P a r a f f i n v e r c r a c k u n g zeigt, erfordert die Lösung einer C—C-Einfachbindung auf dem Wege der Abspaltung einer C—H-Verbindung zum O l e f i n : H -I ; R—CH—CH2—|—R > R—CH=CH2 -f- H—R dagegen im allgemeinen hohe T e m p e r a t u r e n . Außerdem verläuft die Reaktion infolge der meist zahlreichen gleichberechtigten Spaltungsmöglichkeiten wenig e i n h e i t l i c h . Sie kann daher nur in Ausnahmefällen, wenn genau d e f i n i e r t e R e a k t i o n s p r o d u k t e auftreten, präparativ oder zum Zwecke der Konstitutionsermittlung ausgewertet werden. Die wichtigsten dieser e i n h e i t l i c h v e r l a u f e n d e n Abspaltungsreaktionen sind: 1. die Ketendarstellung durch Abspaltung von M e t h a n aus A c e t o n (S. 307): jj Botglllt > CH4 + 0 = C = C H a 2. der Zerfall von Cyclobutanderivaten in zwei Olefinmoleküle, d. h. die Gegenreaktion der auf S. 99, 839 beschriebenen Olefindimerisierung:
^
CH=CH
^
hohe Temperatur
3. die zuweilen bei höherer Temperatur in Umkehrung der Olefinpolymerisation durchführbare Depolymerisation hochmolekularer Stoffe. So erhält man z. B. bei der trockenen Destillation des K a u t s c h u k s I s o p r e n und D i p e n t e n in bis zu 30%iger Ausbeute (III, Kap. 5, I, 3). Ebenso zerfällt das bei der Polymerisation von C u m a r o n entstehende C u m a r o n h a r z bei der thermischen Zersetzung zu etwa 20% der Theorie wieder in Cumaron (S. 961). In beiden Fällen können auf Grund dieser Reaktionen erste Rückschlüsse auf den Aufbau der hochmolekularen Verbindung gezogen werden.
4. die bei höherer Temperatur häufig glatt durchführbare Gegenreaktion der Diensynthese, die allerdings ohne praktische Bedeutung geblieben ist. Als Beispiel
IV, 3: Die Strukturaufklärung durch Abbaureaktionen
1029
sei nochmals auf die schon mehrfach angeführte Bildung von Isopren aus D i p e n t e n hingewiesen:
3. Die Verwendung von Abbaureaktionen zur Strukturaufklärung organischer Verbindungen Wie auf S. 43 bereits betont wurde, ist die K o n s t i t u t i o n s a u f k l ä r u n g natürlich vorkommender organischer Verbindungen eine der dankbarsten, aber auch eine der schwierigsten Forschungsaufgaben unsererWissenschaft. Sie wird in der Mehrzahl der Fälle durch schrittweisen Abbau des K o h l e n s t o f f g e r ü s t e s zu einfacheren Verbindungen durchgeführt und ist hinsichtlich der gebräuchlichen Arbeitsmethoden außerordentlich variationsfähig, so daß sich der Studierende in dieses Teilgebiet der organischen Chemie nur an Hand zahlreicher Einzelbeispiele hineinarbeiten kann, wie sie insbesondere im dritten Band diesesWerkes bei den verschiedenen Naturstoffen in größerem Umfang angeführt sind. Der vorliegende kurze Abschnitt bezweckt lediglich, die Anwendungsmöglichkeiten der vorbesprochenen Abbauverfahren zum Zweck der Konstitutionsermittlung nochmals kurz zusammenzufassen, um das Ziel der später häufig nur gekürzt wiedergegebenen Beweisführungen besser verständlich zu machen. Ehe man an die eigentliche Aufklärung der S t r u k t u r d e s K o h l e n s t o f f g e r ü s t e s herantreten kann, müssen eine Reihe von V o r u n t e r s u c h u n g e n durchgeführt werden. Insbesondere ist es erforderlich, durch E l e m e n t a r a n a l y s e und M o l e k u l a r g e w i c h t s b e s t i m m u n g zu einer genauen Kenntnis der S u m m e n f o r m e l und der M o l e k ü l g r ö ß e der zu bestimmenden Verbindung (und auch sämtlicher A b b a u p r o d u k t e ) zu gelangen, um eindeutig entscheiden zu können, ob und w i e v i e l C - A t o m e bei jeder Reaktion von dem ursprünglichen Kohlenstoffgerüst a b g e b a u t werden. Ferner muß man mit Hilfe der bei den einzelnen Funktionen beschriebenen Reaktionen die B i n d u n g s a r t und die O x y d a t i o n s s t u f e sämtlicher H e t e r o a t o m e ermitteln, um die Angriffsmöglichkeiten auf das Molekül abschätzen zu können, und schließlich empfiehlt es sich auch, aus der Summenformel mit Hilfe des Gesetzes der minimalen Bindungszahl (S. 49) zu errechnen, ob und wieviele R i n g s y s t e m e i m Molekül enthalten sind. Weiterhin kann die eigentliche Strukturaufklärung einer Verbindung oft dadurch wesentlich erleichtert werden, daß man sie durch E l i m i n i e r u n g e i n z e l n e r F u n k t i o n e n in einfachere Verbindungen mit dem g l e i c h e n K o h l e n s t o f f g e r ü s t überführt, die vielfach bereits bekannt sind. So ergibt z. B. die katalytische Hydrierung der wichtigsten natürlichen u n g e s ä t t i g t e n F e t t s ä u r e n , daß nicht nur die Ö l s ä u r e , sondern auch die L i n o l - und die L i n o l e n s ä u r e (S. 393) das g l e i c h e K o h l e n s t o f f g e r ü s t besitzen wie die S t e a r i n s ä u r e . Ähnlich kann man durch A r o m a t i s i e r u n g c y c l i s c h e r V e r b i n d u n g e n häufig zwei Substanzen auf das gleiche Strukturprinzip zurückführen. Beispielsweise gehen die sieben verschiedenen stereoisomeren I n o s i t e (III, Kap. 4, II, 6) bei der Dehydrierung in das g l e i c h e H e x a h y d r o x y - b e n z o l über und lassen auf diese Weise ihre gleichartige Struktur erkennen. Besonders in der Steroidreihe (III, Kap. 5, III, 1) wird häufig von der A r o m a t i s i e r u n g zur Zurückführung zahlreicher Verbindungen auf den g l e i c h e n S t r u k t u r t y p u s Gebrauch gemacht. Eine weitere derartige Möglichkeit bieten schließlich zahlreiche temperaturstabile aromatische Verbindungen in der Z i n k s t a u b d e s t i l l a t i o n , der D e c a r b o x y l l e r u n g und ähnlichen Reaktionen, durch die man in einfacher Weise die betreffenden Funktionen durch W a s s e r s t o f f ersetzen kann. So hat man z. B. mit Hilfe
1030
Kap. 12: Die Reaktionen am Kohlenstoffgerüst
der Zinkstaubdestillation feststellen können, daß I n d i g o ein Indol- und Alizarin ein A n t h r a c e n g e r ü s t enthält.
Erst wenn alle diese Möglichkeiten erschöpft sind und nicht zu einer Strukturaufklärung geführt haben, tritt man an den eigentlichen Abbau heran, der, abgesehen von der D e c a r b o x y l i e r u n g , fast stets oxydativ geführt wird, und dessen Ergebnisse insbesondere im Sinne der folgenden fünf P u n k t e Rückschlüsse auf die Konstitution der untersuchten Verbindung gestatten. 1. Die Natur der vor dem e i g e n t l i c h e n Abbau entstehenden primären Oxydationsprodukte m a x i m a l e r O x y d a t i o n s s t u f e , die u. a. daran erkenntlich sind, daß sie noch alle C-Atome des ursprünglichen Kohlenstoffgerüstes enthalten, ermöglicht einen ersten Rückschluß auf die Stellung des angegriffenen Molekülteils innerhalb der K e t t e . So folgt z. B. aus der Bildung einer Carbonsäüre eindeutig, daß ein endständiges C-Atom oxydiert wurde. Führt die Oxydation dagegen zu einem K e t o n , so muß ein im I n n e r n einer K e t t e befindliches C-Atom, und geht sie ohne Verlust von C-Atomen nicht über die Alkoholstufe hinaus, so muß ein t e r t i ä r e s C-Atom, von dem eine Kettenverzweigung ausgeht, angegriffen worden sein. 2. Von denCarbonsäuren auskann man mit Hilfe des auf S. 1023 f. beschriebenen stufenweisen Abbaus feststellen, ob und wieviele CH 2 -Gruppen sich zwischen der Carboxylgruppe und dem nächsten Verzweigungs- bzw. Ring-C-Atom befinden. In ersterem Falle gibt die Spaltung des bei Erreichung des Verzweigungsatoms entstehenden Ketons Auskunft über die Länge der S e i t e n k e t t e . 3. Wesentlich günstiger liegen die Verhältnisse, wenn bei der unter 1. beschriebenen primären Oxydation ein K e t o n entsteht, da dieses eine oxydative Spaltung im Inneren der Kette gestattet. Führt diese zu zwei neuenCarbonsäuren, die zusammen die gleiche Anzahl von C-Atomen enthalten wie das ursprüngliche Kohlenstoffgerüst, so hatte sich wenigstens auf der einen Seite der Carbonylgruppe der Ausgangsverbindung eine Methylengruppe befunden. Ähnlich weist, wie auf S. 1025 betont, das Auftreten eines neuen K e t o n s als Spaltprodukt des ersten auf das Vorliegen einer Molekülverzweigung in N a c h b a r s t e l l u n g zur Carbonylgruppe hin. Ferner kann man bei den Carbonsäuren wieder durch systematischen Abbau feststellen, wieweit der nächste Verzweigungspunkt von der Carboxylgruppe entfernt ist. Auch die Ozonspaltung von Olefinen bewirkt bei geeigneter Lage der Doppelbindung eine Aufspaltung längerer Ketten in der Mitte, die zu ähnlichen Reaktionsprodukten führt wie die Ketonspaltung und daher ähnliche Rückschlüsse gestattet (Gleichungen formulieren!).
4. Führt die soeben beschriebene Aufspaltung einer Kohlenstoffkette in der Mitte nicht zu zwei neuen Carbonsäuren, sondern unter E r h a l t u n g der K o h l e n s t o f f z a h l zu einer D i c a r b o n s ä u r e , d.h. verbleiben die beiden entstehenden Carboxylgruppen im gleichen Molekül, so muß die Öffnung eines Ringes stattgefunden haben (Gleichung formulieren!). In analoger Weise deutet die Bildung einer T r i c a r b o n s ä u r e gleicher K o h l e n s t o f f z a h l auf die Öffnung eines kondensierten R i n g s y s t e m s an einem der Verzweigungs-C-Atome hin: /
CH1X/CH,X
^CH2
CH,
|
CH
j
CH,
CH2
CH
CH2
^CH/
x
CH/
|
oxydativer ^ Abbau
"
^CHJX
CH,
CH
CH,
CH2
COOH
CH2
|
X
|
COOH
|
COOH
IV, 3: Die Strukturaufklärung durch Abbaureaktionen
1031
5. Das weitere wichtige Problem der Bestimmung der Ringweite kann man in der auf S. 478 beschriebenen Weise durch Behandlung der bei der Ringöffnung entstehenden D i c a r b o n s ä u r e mit Essigsäureanhydrid (BLANCsche Regel) feststellen. Eine andere Möglichkeit besteht in der K a l k s a l z d e s t i l l a t i o n der D i c a r b o n s ä u r e , die zu einem cyclischen K e t o n führt, das ein Ringatom weniger als der ursprüngliche Ring enthält und sich gegebenenfalls zu einer neuen Dicarbonsäure öffnen läßt, so daß auch hier ein stufenweiser Abbau des Ringgerüstes möglich ist. Obgleich die meisten der auf einem oxydativen Abbau des Kohlenstoffgerüstes beruhenden Strukturaufklärungen mit Hilfe dieser wenigen Regeln durchgeführt wurden, ist eine allgemeine A n g a b e darüber, welchen Weg man bei einer b e s t i m m t e n Verbindung speziell einzuschlagen hat, n i c h t möglich. Hierzu müßten zu viele u n b e k a n n t e F a k t o r e n — wie z. B. die B e s t ä n d i g k e i t der primären Abbauprodukte gegen die weitere Einwirkung des Oxydationsmittels, ihre I s o l i e r b a r k e i t aus Substanzgemischen, die R e i n i g u n g s m ö g l i c h k e i t nicht kristallisierender Reaktionsprodukte usw. — berücksichtigt werden. Der Plan zur Zerlegung des Moleküls in kleinere, bereits bekannte Bruchstücke, die gleichzeitig rückwärts den Aufbau der ursprünglichen Verbindung erkennen lassen, ist vielmehr stets ein wesentlicher Teil der F o r s c h u n g s a r b e i t , der nicht „erlernt" werden kann, sondern für jede Verbindung individuell gelöst werden muß.
Autorenregister Autorennamen in Verbindung mit einem Sachbegriff wie „HOFMANN scher Abbau" oder „BREDTSche Regel" befinden sich im Sachregister ADAMSON, D . W . 6 4 2 ADICKES, F . 7 8 8 AEBERLI, M. 6 4 8 ALDER, K . 8 4 9 , 8 6 5 , 8 6 6 , 8 7 2 , 881, 9 1 4 , 9 5 8 , 1 0 1 8 , 1 0 2 0 ALLEN, C. F . H . 9 1 2 ALLISSON, F . 6 9 0 ANGELI, A . 6 4 1 , 6 5 0 , 6 6 9 , 6 7 2 , 725 ANSCHÜTZ, R . 8 7 3 , 8 8 1 , 8 8 2 ARISTOFF, E . E . 6 8 0 ABNSTEIN, H . R . V . 8 1 5 AUWERS, V. K . 5 9 2
BISCHLER, A . 9 1 2 BLANC, G . 1 0 3 1 BLANGEY, L . 7 2 4 BLOMQUIST, A . T . 8 5 6 , 1 0 1 9 BOCK, G . 8 4 8 BOCKRIS, J . O ' M . 9 8 8 BÖCKLY, E . 7 9 3 BÖCKMANN, K . W . F . 8 4 4 BÖTTGER, B . 9 7 0 BONHOEFFER, K . F . 8 2 1 BORDWELL, F . G . 7 3 1 BOUGAULT, J . 7 1 2 BOUVEAULT, L . 9 8 4 BOWDEN, K . 1 0 1 9 BOWEN, E . J . 8 9 7 BOYER, J . H . 6 7 2 BRACONNOT, M . H . 6 1 7 BRÄUNINGER, G . 9 2 4 BRAUN V., J . 5 7 2 , 5 8 3 BREDERECK, H . 7 3 4 , 9 1 5 , 9 5 0 , 962
BADDELEY, G . 1 0 0 1 BAER, H . 9 5 8 BAEYER, A . V. 8 5 8 , 8 5 9 , 9 2 2 , 939 BAILEY, W . J . 8 5 1 BÄK, B . 8 1 8 BALTAZZI, E . 9 6 3 BAMBERGER, E . 6 5 0 BRINTZINGER, H . 7 1 7 BANUS, J . 7 0 4 BROCKMANN, H . 6 9 4 BARAKAT, M . Z. 9 7 8 BRÖNNER 8 7 9 BARCLAY, B . M . 9 4 3 BROWN, B . R . 9 5 3 BARKENBUS, C. 9 3 1 BRUCE, V . F . 5 8 1 BARKER, H . A . 8 2 4 B U B , O. 7 7 9 BARKOW, W . 1 0 1 4 BUCHERER 8 7 6 BARNES, R . A . 9 8 5 BUCHNER 6 4 5 BARON, W . 5 7 7 BUCHTA, E . 7 6 3 BARTLETT, D . 8 9 8 BUCKLES, R . E . 8 4 8 BAST, H . 9 7 8 BÜCKING, E . 8 4 4 BAUER, F . 9 7 0 BUNSEN, R . 747 BAUMGARTEN, P . 9 0 3 BURKHARD, C. A . 7 5 3 BECK, G . 6 1 9 BTJRWELL, R . L . 7 1 3 BECKMANN, L . 6 2 1 BUSCH, M . 1021 BEER 802 BUSH, M. T . 6 7 6 BELL, R . B . 980 BENKESER, R . A . 7 6 4 CABLE, J . W . 7 9 7 BENNET J R . , L . L . 9 6 4 CADET, L . C. 7 4 8 BENSON, F . R . 9 5 1 , 9 5 4 CALINGAERT, G . 7 8 4 BENTLEY, R . 8 1 5 CALLEN, J . E . 5 8 9 BERGMANN, E . D . 6 5 7 , 9 6 4 CAMPBELL, N . 9 4 3 BERGMANN, M . 9 6 3 CAMPBELL, T . W . 739 BEST, A. P . 8 2 0 CANTER, F . C. 6 7 2 BESTIAN, H . 5 8 9 CARMACK, M. 6 8 0 BEUTLER, H . 7 3 6 , 7 3 9 CAROTHERS, W . H . 5 6 6 , 8 5 7 BIRCH, A . J . 9 8 8 CASANOVA, R . 6 4 8
CASON, J . 7 7 8 CAVALIER, L . F . 9 2 4 CHEAVENS, T . H . 9 0 5 CLAISEN, L . 6 8 6 , 1011, 1 0 1 2 , 1016 CLAR, E . 8 8 9 , 8 9 1 CLARK, C. W . 9 7 8 CLASEN, H . 7 5 6 CLASS, J . B . 6 3 0 CLAUSS, K . 7 5 1 , 7 8 5 CLEMMENSEN, E . 9 8 8 CLUSIUS, K . 6 3 3 , 6 4 1 , 6 7 1 , 6 7 2 , 822, 940, 957 COATES, G . E . 7 7 2 COE, C. S . 7 0 3 COLEMAN, G . H . 5 8 9 CONANT, J . B . 8 0 3 COOK, A . H . 9 6 9 COOK, J . W . 8 5 0 , 8 9 2 COPE, A . C. 8 5 1 CORNFORTH, J . W . 9 6 3 CORNTORTH, R . H . 9 6 3 COTTON, F . A . 7 7 9 CRAFTS, J . M. 1 0 0 1 CRAIG, L . E . 8 5 0 CRIEGEE, R . 7 8 4 , 8 6 1 , 9 7 6 , 9 7 7 , 980 CROMWELL, N . H . 6 1 0 CRONHEIM, G . 7 0 5 CULVENOR, C. C. I . 7 1 4 CURTIUS, T h . 6 4 1 , 6 4 2 , 6 4 5 , 647, 672, 1023 DACHBAUER, K . 7 1 4 DAHL 8 7 9 DAY, J . H . 8 4 2 DECKER, H . 9 1 1 , 9 1 2 DEWAK, J . S . 8 5 0 DIEHLS, O. 6 3 7 , 8 6 5 , 8 7 2 , 8 8 1 , 922, 958, 985, 1018 DILTHEY, W . 9 2 2 DIMROTH, K . 8 1 4 , 9 2 4 DIMROTH, O. 6 5 8 , 6 7 0 , 6 7 2 , 953, 977 DOAK, G . O. 7 4 4 DÒBNER, O. 9 0 8 DOLE, M . 8 2 1 DORNOW, A . 6 0 7 , 6 8 8
1034
Autorenregister
GLEMSER, O. 6 6 5 GOERDELER, J . 9 7 0 GÖSL, A. 9 0 2 GÖTTE, H . 8 2 4 GOLD, V . 8 2 0 GOLDEY, R . N . 767 GOLDSCHMIDT, S t . 635, 812, 8 1 4 GOMBERG, M. 657, 8 0 1 , 9 9 8 GOMPPER, R . 9 6 2 EBKE, K . 623 GORDON, M. 8 6 2 EHRLICH, P . 7 5 0 GORE, P . H . 1001 EINHORN 9 0 1 GRAEBE, C. 8 8 6 EISTERT, B . 6 4 3 , 6 4 4 , 8 4 8 GRAMMATICAKIS, M. P . 6 3 8 ELBS, K . 6 8 9 GRAMSTAD, T . 727 EMMONS, W . D . 7 0 0 GREENSFELDER, B . S . 9 6 8 EPHRAIM, F . 6 6 8 GREWE, R . 8 4 8 EMCHSEN, L . v . 8 2 5 ERLENMEYER, E . JUN. 611, 6 1 7 , GRIESS, P . 6 5 1 GRIGNARD, V . 7 7 6 1010 GROB, C. A. 6 0 8 ERLENMEYER, E . SEN. 8 7 3 GRÜTTNER, G . 7 8 3 ERLENMEYER, H . 648, 9 6 9 GRUNDMANN, C. 9 1 8 , 9 1 9 ÉTARD, A. 9 7 5 GUTOWSKY, H . S . 7 7 8 EUGSTER, C. H . 7 3 2 DOSE, K . 6 1 9 DOUMANI, T . F . 703 DRAHOWZAL, F . 1002 DRAWERT, F . 9 6 9 DRUEY, J . 9 1 5 DUDLEY, H . W . 5 8 8 DUFRAISSE, C. 889, 8 9 0
HOFMANN, A. W . 5 7 2 , 5 7 7 , 6 0 3 1023 HOLLEMAN, A. F . 6 8 2 HOPF, H . 8 9 1 HORNER, L . 5 8 5 , 631, 6 5 6 , 741 HOWARD, E . 7 9 5 HOWELL, W . C. 7 6 3 HUBER, G . 8 5 0 HÜBENETT, F . 5 8 5 HÜCKEL, W . 8 5 6 , 861, 9 8 8 HÜNIG, S . 577 HUISGEN, R . 6 4 3 , 651, 661, 6 6 6 , 856, 957 HULSTKAMP, J . 8 5 5 HURD, C. D . 6 0 2 HUSTON, R . C. 1002 INGOLD, C. K . 8 2 0
JACKEL, L . 7 1 4 JACOBS, G . 8 4 9 JADOW, J . 9 8 6 JAEGER, A. O. 1007 HABER, F . 6 8 9 FAHLBERG, C. 7 2 9 JAYME, G. 9 5 9 HAFNER, K . 8 6 2 , 8 6 3 FERM, R . J . 9 5 1 JENNY, E . F . 6 0 8 HAFNER, W . 7 9 8 L e FÈVRE 6 5 1 JERCHEL, D . 9 0 5 , 9 5 1 , 9 5 6 HAGEN, K . F . 6 8 6 FIELD, L . 7 2 4 JOHNSON, O. H . 7 5 6 FIERZ-DAVID, H . E . 5 7 1 , 7 2 4 , HAGENBACH, R . E . 9 2 0 JOLLY, W . L . 5 7 6 HAMMICK, D . L . 9 5 3 878 JONES, D . G. 957 HANSCH, C. 8 4 5 , 9 6 8 , 985 FISCHER, E . 6 6 1 , 9 3 9 JONES, E . R . H . 1019 HANTZSCH, A . 5 8 6 , 650, 8 9 9 , FISCHER, E . O. 798, 799, 8 4 2 JURGEW, J . K . 9 3 4 , 9 5 7 , 9 7 1 FISCHER, H . O. 8 4 8 1009 FISCHER, O. 5 9 9 HARRIS, J . I . 751 KALENDA, H . 9 4 3 FITTIG, R . 8 7 2 HARTLEY, G. S . 667 KARRER, P . 607, 724, 732, 9 0 4 FLASCHKA, H . 6 1 9 HASZELDINE, R . N . 586, 727 FRANZEN, V . 7 7 2 HAUL, R . 7 5 5 KATRITZKY, A. R . 9 0 5 FLEISCHMANN, R . 8 1 5 HAWTHORNE, F , 9 6 8 KEALY, T . J . 7 9 8 FLOWERS, R . G . 897 HEIN, F . 7 8 4 KENNER, J . 6 4 2 FORREST, J . 9 7 5 HEINS, A. 8 6 0 K E R K VAN DER, G . J . M. 7 8 1 FRANCE, H . 657 HELLER, G . 967 KERN, W . 8 9 0 FREDENHAGEN, H . 8 2 1 HELLMANN, H . 5 8 4 , 6 1 2 KHARASCH, M. S . 767 FREEDMAN, L . D . 7 4 4 HENECKA, H . 1016 KHARASH, N . 602, 716, 7 4 0 FRIEDEL, C. 1001 HEPP, E . 5 9 9 KISHNER, N . 6 6 3 FRIEDLÄNDER, P . 9 0 9 HERBST, H . 7 5 4 KLAGES, A . 8 4 5 FRITZ, H . 7 3 9 HERRMANN, W . 7 4 5 KLAGES, F . 630, 691, 716, 751, FRITZSCHE, K . 603, 6 2 1 HERWIG, W . 8 9 6 793, 7 9 4 , 9 2 3 FUCHS, 0 . F . 767 HESSE, G. 844, 9 9 3 KLIMKE, R . 8 6 3 FUSON, R . C. 7 6 9 H E Y , D . H . 657 KNOEVENAGL 1011 HEYNS, K . 642, 860, 9 2 7 , 9 7 3 KNORR, L . 9 3 2 , 9 4 9 HIEBER, W . 7 9 3 KOCH, H . J . 661 GABRIEL, S. 5 8 0 HIGHET, R . J . 5 7 0 , 9 7 8 KOLBE, H . 681 GADAMER, J . 8 7 0 HILL, J . W . 857 KOLM, H . G . 9 3 4 GAERTNER, R . 7 6 9 HILL, M. A. 1 0 0 3 KORNBLUM, N . 681 GATTERMANN, L . 6 8 9 HILMER, H . 7 4 5 KRAFFT, F . 5 6 6 , 1 0 2 3 GEIGER, M. 6 1 8 HINMANN, R . L . 6 3 0 KRAUCH, H . 7 7 2 GEISELER, G . 6 7 9 HINSBERG, O. 8 8 1 , 8 8 6 KREMS, I . J . 917 GEISSLER, G. 7 4 5 HOCH, M. 6 3 3 KRÖHNKE, F . 7 7 5 , 9 0 4 GELLERT, H . G . 768, 7 6 9 GEORGE, P . D . 7 5 3 HODGSON, H . H . 6 5 1 , 653, 6 5 6 , KRÖPER, H . 7 8 9 KUHN, L . P . 6 7 9 GIESBRECHT, E . 7 4 0 6 9 0 , 703, 7 0 5 KUHN, R . 736, 9 5 6 , 9 6 9 , 1010 GILMAN, H . 7 5 3 , 7 6 2 , 777 HOELSCHER, H . E . 9 8 6 KURSSANOW, D . N . 8 2 0 GIRARD 6 1 8 HÖRMANN, H . 9 9 3 KUSSKOW, W . K . 1002 GLEISSNER, A. 7 1 6 HOFFMANN, H . 741
1035
Autorenregister LAMBERTON, A . H . 5 7 9 LAND, S . 9 8 7 LANDIS, P . S . 9 3 1 LÄPPERT, M . F . 757 LEAKE, P . H . 8 8 7 LEDITSCHKE, H . 9 4 3 LEEPER, R . W . 7 8 2 LEHMKUHL, H . 7 8 3 LEICHSSENRING, G . 9 9 7 LEONARD, N . J . 8 5 6 , 9 1 5 LEUCKABT, A . 5 8 1 LEVESLEY, P . 9 8 0 LEVINE, R . 9 0 4 LEVY, N . 6 8 3 LEWIS, G . 8 1 9 LIEBERMANN, C. 8 8 6 LIEBIO, V., J . 7 9 4 , 7 9 5 LINSTEAD, R . P . 8 4 5 LOCHTE, H . L . 9 0 5 LÖFFLER, K . 8 6 9 LOHMANN, K . 6 1 8 LOMMEL 7 1 4 LOUDON, J . D . 8 5 0 LÜTTRINGHAUS, A . 768, 769, 8 5 4 , 898, 9 7 0 , 9 7 1 LYTHGOE, B . 9 1 5 MAHADEVAN, A . P . 6 5 3 MAILHE, A . 5 6 6 MANNICH, C. 5 8 4 , 1009, 1017 MARSH, J . F . D . 897 MARSCHALK, C. 8 8 9 MARVEL, C. S . 8 0 4 MCBEE, E . T . 1018 MCFARLAND, J . W . 7 2 4 MCKAY, A . F . 6 4 2 MCKELLIN, W . H . 7 3 1 MEEK, J . S . 7 6 9 MEERWEIN, H . 656, 9 8 4 MEISENHEIMER, J . 6 9 4 METZE, R . 9 1 9 METZGER, H . 7 0 0 MEUWSEN, A . 9 0 2 MEYER, E . 6 9 4 MEYER, K . H . 5 9 2 , 6 5 9
Meyer, V. 661, 681, 687, 721, 966 MICHAEL, A . 1 0 1 6 MICHAELIS, A . 6 0 3 , 7 5 7 , 9 4 9 MICHAELIS, L . 807 MIETZSCH, F . 9 5 1 MILLER, H . F . 8 9 7 MILLER, S . A . 7 9 8 MILLER, W . V . 9 0 8 MILLS, J . M . 6 4 7 MILLS, W . H . 8 6 9 MISLOW, K . 8 4 4 MÖNKEMEYER, K . 793, 7 9 4 MOLDENHAUER, O . 957 MOORE, R . J . 9 6 8 MORGAN, G . T . 1 0 0 3 MOUREU, C. 8 8 9
MOZINGO, R . 7 1 2 MÜHLBAUER, E . 6 9 1 MÜLLER, E . 6 4 4 , 646, 6 4 7 , 6 5 0 , 6 6 6 , 6 6 9 , 7 0 0 , 801, 807, 8 1 4 MÜLLER, F . 9 9 3 MÜLLER, J . 9 1 1 MÜLLER, R . 8 2 5 MURPHY, A . M . 7 3 2 MUSTAFA, A . 7 2 8 NEF, J . U . 686 NENTTZESKU, C. D . 8 3 6 NESSMEJANOW, A . N . 7 9 9 NEUBAUER, G . 8 1 4 NEVILLE 8 7 8 NICOLLE, J . 8 1 6 NIKLAS, H . 9 1 4 , 1020 NINEHAM, A . W . 9 5 6 NITZSCHE, S . 7 5 6 NOLAND, W . E . 6 8 6 NOLL, W . 7 5 5 OCHIAI, E . 9 0 5 OFFE, H . A . 1 0 1 4 OPITZ, G . 5 8 4 OPPENAUER, R . 9 8 4 OSUCH, C. 9 0 4
R E P P E , W . 789, 8 5 1 , 9 3 8 RHEINBOLDT, H . 7 4 0 RIEBEL, A . 8 6 1 RIEBER, M . 7 4 4 RIEBSOMER, J . L . 679, 9 5 1 RIECHE, A . 8 7 6 RIED, W . 956, 993 RIMINI, E . 7 2 5 RINEHART, K . L . JR. 7 9 9 RITTENBERG, D . 8 2 3 ROBINSON, R . 9 3 9 , 1017 ROCHOW, E . G . 753, 7 5 4 , 7 5 5 , 757, 8 6 8 ROSE, J . D . 6 8 3 ROSENMUND, K . W . 9 0 3 ROYALS, E . E . 1 0 1 3 RÜDORF, W . 7 6 0 RÜETSCHI, P . 6 3 2 RUGGLI, P . 668, 8 5 4 RUNDLE, R . E . 7 7 8 RUNGE, F . F . 603, 7 5 4 RUZICKA, L . 8 3 0 , 854, 8 5 5 , 8 5 7
SABATIER, P . 566,986
SACKS, J . 8 2 3 SAKELLARIOS, E . J . 5 8 0 SANDMEYER, T . 656, 6 8 2 , 7 2 1 SASIN, G . S . 781, 7 8 2 SASIN, R . 7 8 1 PANETH, F . 8 0 9 SATCHELL, D . P . N . 8 2 0 PANOW, J . M . 7 8 4 SAVELL, W . L . 9 5 1 PATTISON, F . L . M . 7 6 3 SCHACHT, M . 8 1 5 PAULSEN, H . 9 7 3 SCHAEFER, K . 8 1 6 PAUSON, P . L . 7 9 8 , 8 5 0 SCHÄFFER 8 7 8 PEARLSON, W . H . 1004 SCHEIBLER, H . 5 9 2 , 7 8 8 PEARSON, T . G . 8 1 0 PECHMANN V., H . 638, 6 4 6 , 9 5 6 SCHEIBLER, U . 5 9 2 SCHEIMANN, B . M . 1002 PERKIN, W . H . 1010 SCHENCK, G . O . 645, 1020 PETERSEN, S . 6 4 7 , 6 6 6 SCHENKER, K . 8 6 3 PETTIT, R . 8 5 0 SCHICKH, O . v . 6 8 3 PFAU, A . S . 8 6 3 SCHIEMANN, G . 657 PFEIFFER, P . 7 7 2 SCHINDLER, R . 702 PFEIL, E . 6 5 6 SCHLENK, W . 774, 7 7 6 , 804, PICTET, A . 9 1 1 PIER, M. 892 806, 9 6 7 PILOTY, O . 7 0 2 SCHLEYER, P . V. R . 8 6 7 PIPER, T . S . 8 0 0 SCHLITTLER, E . 9 1 1 PITZER, K . S . 7 7 8 SCHMERLING, L ; 1002 PLATTNER, P . A . 618, 862, 8 6 3 SCHMID, H . 7 2 4 PLIENINGER, H . 9 4 0 SCHMIDLIN 8 0 3 POLLAK, J . 7 1 1 SCHMIDT, C . - H . 9 5 7 POLSTER, R . 7 7 4 SCHMIDT, H . 7 5 1 PONNDORF, R . 9 8 4 SCHMIDT, K . F . 6 2 1 PRELOG, V . 855, 863, 8 6 6 SCHMIDT, P . 9 6 9 PSCHORR, R . 887 SCHMITT, W . J . 8 8 8 SCHNEIDER, W . 9 2 2 SCHÖNBERG, A . 617, 9 5 4 RANEY 9 8 6 SCHOFIELD, K . 9 1 3 RAPP, W . 7 5 1 SCHOLL, R . 8 9 2 RAUSCH, M . D . 9 9 3 SCHOLTIS, K . 7 6 9 REED, C. F . 7 2 0 SCHOMAKER, V . 7 4 6 REFORMATSKY, S. 778, 9 9 7 SCHORIGIN, P . 7 6 8 REICHSTEIN, T . 648, 8 4 4 SCHRÖDEL, R . 9 9 3 REMSEN, I . 7 2 9
1036 SCHUMACHER, M . 1 0 1 8 SCHWABE, K . 8 4 6 SCHWARZENBACH, G . 5 8 7 , 6 1 9 SCHWEIZER, H . R . 8 9 1 SEEBOTH, H . 8 7 6 SEEL, F . 6 9 9 SENDERENS, J . B . 9 8 6 SEYFERTH, D . 6 4 5 , 7 6 4 SHAPIRO, D . 6 0 8 SHELINE, R . K . 7 9 7 SHEPPARD, N . 6 5 1 SIMON, H . 8 9 8 SIMONS, J . H . 1 0 0 4 SKRAUP, Z . H . 9 0 8 SLABEY, V . A . 8 6 0 SLYKE D . D . VAN, 6 1 3 SMITH, J . W . 7 0 2 SJTYDER, H . R . 5 7 1 , 7 1 5 SÖRENSEN, S . P . L . 6 1 2 SOMMER, L . H . 7 5 4 SPITZER, A . 7 1 1 SPOERRI, P . E . 9 1 7 STAAB, H . A . 9 5 1 STAUDINGER, H . 6 4 6 STEIN, G . 8 6 6 STEINACKER, K . 8 7 0 STEINBERG, I . V . 8 4 4 STEINKOPF, W . 6 8 8 , 7 1 4 , 9 6 7 STETTER, H . 8 5 6 , 8 6 9 , 8 7 0 STÖHR, H . 6 3 1 , 6 5 6 STOLL, M . 8 5 5 STOLL^, R . 6 3 8 STOSICK, A . J . 6 8 7 STRECKER, A . 6 1 1 , 6 1 7 STROH, R . 5 9 8 SUESS, H . E . 8 2 4 SUMPTER, W . C. 9 4 1 SUTER, C. M . 7 2 2 SUTHERLAND, M . 6 5 1 TARBELL, D . S . 7 1 1 TAYLOR, A . W . C. 9 5 7 TEMPLE, K . L . 5 8 2 THEOBALD, R . S . 9 1 3 TEUBER, H . J . 9 7 8 THEILACKER, W . 6 2 3 , 9 4 3 THEILIG, G . 9 5 0 , 9 6 3 THIEC, J . 8 4 2
Autorenregister THIELE, J . 6 4 1 , 6 6 4 , 6 7 2 THOMAS, S . L . 8 1 5 THOMPSON, H . W . 6 4 7 THYAGARAJAN, B . S . 9 1 2 TITOW, A . I . 6 7 9 TOCHTERMANN 6 5 9 TORSSELL, K . 7 5 1 TRÄGER, H . 9 2 3 TRAUBE, W . 6 2 3 , 6 3 6 TREIBS, A . 9 3 4 TREIBS, W . 8 6 3 , 9 7 8 , 9 9 7 TRISCHMANN, H . 7 3 6 TROTMAN-DICKENSON, A . F . 810 TRUCE, W . E . 7 3 2 TRÜMPLER, G . 6 3 2 TSCHELINZEW, G . W . 1 0 1 0 TSCHITSCHIBABIN, A . 8 0 6 , 9 0 0 , 902 TUCKER, S . H . 8 9 7 TURNER, H . S . 8 1 5 TWITCHELL 7 2 8 UNVERDORBEN, O . 6 0 3 VAUGHAN, W . R . 9 1 5 VERMILLION, G . 1 0 0 3 VOGELSANG, G . 9 2 7 WAGNER-JAUREGG, T . 1020 WAITKINS, W . C . 9 7 8 WARD, E . R . 6 9 0 WARE, E . 6 1 5 WASER, J . 7 4 6 WATT, G . W . 9 8 8 WEBERS, W . J . 5 8 1 WEIDINGER, H . 7 6 3 WEIL, T . 741, 742, 7 4 3 WEISBUCH, F . 8 1 6 WEISSE, G . 9 1 9 WEISSER, H . R . 6 7 1 , 9 4 0 WEISSER, O . 9 8 7 WEITZ, E . 8 0 7 , 8 1 2 WENNER, G . 8 6 1 WERNER, A . 9 2 2 WEST, R . 868 WESTHEIMER, F . H . 6 8 0 WEYGAND, F . 8 1 5 , 9 5 2
WHALLEY, M . 8 9 7 WHITHE, E . H . 5 7 2 WHITMORE, F . C. 7 5 4 WIBERG, E . 7 5 8 , 7 7 9 WIBERG, K . B . 8 1 6 WICK, M . 7 5 6 WIELAND, H . 6 2 8 , 6 7 9 , 6 8 8 , 701, 704, 795, 796, 810, 813, 955, 965, 1023 WIELAND, T h . 6 1 9 WIEMANN, J . 8 4 2 WILDMAN, W . C. 5 7 0 , S 7 8 WILEY, R . H . 951, 962, 964 WILKINSON, G . 8 0 0 WILLEMS, J . 7 2 8 WILLSTÄTTER, R . 8 3 9 , 8 4 9 , 8 5 0 WILMS, H . 8 5 1 WILSON, C. L . 8 2 0 WINGLER, A . 9 1 0 WINSLOW, E . C. 1 0 1 9 WLNTHER 8 7 8 WISLICENUS, W . 6 8 7 WITTIG, G . 7 3 6 , 7 3 9 , 7 4 4 , 7 4 5 , 751, 752, 759, 773, 774, 775, 776, 777, 778, 779, 782, 785, 896, 898, 9 4 3 WÖHLER, F . 7 9 4 WOHL, A . 6 7 5 , 9 7 5 , 1 0 2 8 WOLF, H . 6 3 0 WOLFE, J . K . 5 8 2 WOLFF, L . 6 6 3 WOODWARD, R . B . 9 5 8 , 1016 WRIGHT, J . B . 9 5 1 WURSTER 8 0 8 WURTZ, A . 5 8 0 , 9 9 7 ZAUNER, H . 7 6 0 ZELINSKY, N . 9 8 4 ZEREWTTINOFF, T . 7 6 6 ZIEGLER, K . 7 6 4 , 7 6 7 , 7 6 8 , 7 6 9 , 772, 779, 783, 805, 806, 810, 831, 851, 854, 855, 857, 863, 870, 898, 902, 903 ZIEGLER, H . 6 4 5 ZINCKE, T . 9 0 3 ZININ, N . 6 0 3 ZOLLINGER, H . 6 6 0 ZOOK, H . D . 7 6 7
Sachregister Die Seitenzahlen von Verbindungen, die lediglich in Tabellen oder Formelbildern angeführt sind, wurden durch einen *, die wichtigsten Abhandlungsstellen eines Gegenstandes durch Fettdruck hervorgehoben. Abbau, v. Aminen, durch erschöpf. Methylier. 573 , v. Carbonsäure-amiden 581 aziden 581 v. C-C-Bindungen 1022f. —-, durch Abspaltungsreaktt. 1028 —, — CO-Spaltung v. Carbonsäuren 1026 — Decarboxylierung 1026 •—, — Depolymerisation 1028 — Glykolspaltung 1025 —, — hydrolyt. Spaltung 1026f. -, — Ketenspaltg. 1028 —, — Ketonspaltg. v. 1,3Dicarbonylverbb. 1027 -, — Olefinspaltung 1024 -, — oxydat. Ketonspalt. 1025 —, — Paraffin-Vercrack. 1025, 1028 — Radikalspaltg. 1025 •—, — Säurespaltg. v. 1,3Dicarbonylverbb. 1027 — stufenw. Carboneäure— 1023 oxydativer 1022f. -, Verw. z. Strukturaufklär. 1022, 1029 f. s. auch Konstitutionsaufkl. v. Naphthalin 1024 v. prim. Aminen 571 v. quart. Ammoniumbasen 572, 577 •—• — Arsonium-basen 746 Phosphoniumbasen 742 Stiboniumbasen 752 v. Seitenketten 1024 v. sek. Aminen 572 v. tert. Aminen 572 , v. Tetraphenyl-bor-Anionen 759 f. —, v. Trialkylsulfonium-salzen 715
Acenaphthen 897 —chinon 897 Acenaphthylen 896 —, Abbau 880 Acetaldehyd, Aldolkondensation 999, 1006 —phenylhydrazon, Verw. z. Indolsynth. 939 Acet-amid, p K -Wert 568 —amidin, p K -Wert 568 —anilid 604 Acetessigester, Aldolkondensation 1008 —, Ketonspalt. 1027 —, Oxydat. m. Pb(OAc)4 977 —, Säurespaltung 1027 —, —, Einfl. d. Reakt.-mediums 1027 Aceton, Deuterierung 817, 820 —diäthyl-mercaptal 732 —, Ketenspaltg. 1028 Acetoxy-acetessigester 977 Acetursäure 617 Acetylaceton, Deuterierung 820 —, Ketonspalt. 1027 —monimin 591 Acetylamido-malonester 612 o-Acetyl-benzoesäure-ester 894 —cholin 608 Acetylen, Acidität 766 —, Carbonylierung 789, 790, 791* —, Darst. v. Cyclo-octa-tetraen 851 —, Deuteriumderiv. 818 —, Di- u. Trimerisierung 1017 •—, Metallierung 764 —tetrachlorid, Deuteriumderiv. 819* Acetyl-glycin ( = Acetursäure) 617 2 methyl-cyclopentan 1002* 2 cyclopenten 1002* -—nitrat, als Nitrierungsmittel 678 —phenetidin ( = Phenacetin) 609
Acetyl-pyrrol,