118 108 33MB
German Pages 346 Year 1992
MATTHIAS NIEDOBITEK
Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von Siegfried Magiera und Detlef Merten
Band 14
Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht
Von Matthias Niedobitek
Duncker & Humblot . Berlin
Die vorliegende Untersuchung wurde im Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungs wissenschaften Speyer durchgeführt
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Niedobitek, Matthias: Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht / von Matthias Niedobitek. - Berlin : Duncker und Humb1ot, 1992 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 14) Zug!.: Speyer, Hochsch. für Verwaltungswiss., Diss., 1991 ISBN 3-428-07445-9 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humb10t GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-07445-9
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist von der Hochschule für Verwaltungs wissenschaften Speyer im Wintersemester 1991 /92 als Dissertation angenommen worden. Sie wurde für die Veröffentlichung geringfügig überarbeitet und ergänzt. Literatur, Rechtsprechung und Dokumente der Gemeinschaftsinstitutionen wurden bis Oktober 1991, spätere Entwicklungen, soweit möglich, in den Fußnoten berücksichtigt. Die Arbeit entstand am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer im Rahmen des Forschungsprojekts "Pläne und Entwicklung eines Europas der Bürger". Dem Leiter des Forschungsprojekts, meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera möchte ich an dieser Stelle dafür danken, daß er meine Arbeit stets wohlwollend begleitet und in vielfältigen Gesprächen durch konstruktive Kritik sicher gelenkt hat. Seine Art des wissenschaftlichen Arbeitens war und ist mir Vorbild und Orientierung. Auch das angenehme Arbeitsklima am Lehrstuhl und am Forschungsinstitut hatte Anteil daran, daß ich die zurückliegende Zeit in Speyer nicht missen möchte. Dank sagen möchte ich folgenden weiteren Personen, die zum Entstehen der Arbeit maßgeblich beigetragen haben. Frau Doris Gerlof und Herr Dr. Vlrich Klinke vom Informationsdienst des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften haben mich hilfsbereit und zuverlässig mit den neuesten Schlußanträgen und Urteilen versorgt. Frau Dr. Reinhild Günther hat mich durch gewissenhaftes Korrekturlesen entlastet und sprachliche Unebenheiten der Arbeit geglättet. Frau Elisabeth Lerchenmüller. Sekretärin am Forschungsinstitut, war mir eine große Hilfe bei der Textverarbeitung sowie insbesondere bei der Erstellung des Literaturverzeichnisses. Schließlich gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Siedentopf für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens, den Herren Professoren Dr. Siegfried Magiera und Dr. Dr. Detlef Merten für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe sowie dem Bundesministerium des Innem für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Speyer, März 1992
Inhaltsübersicht Einleitung
21
1. Teil Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich A. Der Bildungsbereich ................................ . .. . ........ . ...................
24
1. Einleitung ......................................................................
24
H. Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit im Bildungsbereich ...............
25
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im Bildungsbereich ...........
32
B. Der Wissenschaftsbereich ..........................................................
43
1. Einleitung ......................................................................
43
H. Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit im Wissenschaftsbereich .........
44
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im Wissenschaftsbereich .....
50
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn ........................................
57
1. Einleitung ......................................................................
57
11. Anfange gemeinschaftlicher Tätigkeit im engeren Kulturbereich ........
59
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im engeren Kulturbereich ....
62
2. Teil Einzelne Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich A. Der Bildungsbereich ................................................................
75
1. Freizügigkeit im Bildungsbereich ...........................................
75
H. Bildungsrechte aus der Inanspruchnahme der Freizügigkeit ..............
87
III. Bildungsrechte für alle Gemeinschaftsbürger ..............................
106
IV. Programme im Bildungsbereich ... .................. ......... ...............
124
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn ........................................
133
1. Die Freiheit des Warenverkehrs im kulturellen Bereich ..................
133
H. Der freie Verkehr von Dienstleistungen im kulturellen Bereich .........
145
III. Freizügigkeit im kulturellen Bereich ........................................
169
IV. Das Wettbewerbsrecht im kulturellen Bereich ............... . .. . ..........
176
8
Inhaltsübersicht
3. Teil
Grundsätze und Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich .................. ·188 I. Die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitglied-
staaten im kulturellen Bereich ...............................................
188
11. Modalitäten gemeinschaftlicher Kompetenzausübung im kulturellen Bereich .........................................................................
207
III. Schranken der Kompetenzausübung im kulturellen Bereich .............
213
B. Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
240
I. Grundsatz ......................................................................
240
11. Einschränkungen durch das Gemeinschaftsrecht ...........................
241
C. Die rechtliche Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
252
I. Einleitung ......................................................................
252
11. Allgemeines zum Handeln der Gemeinschaftsorgane .....................
253
III. Entschließungen auf Ratsebene ..............................................
261
IV. Mitteilungen der Kommission ...... ............ .............................
277
V. Entschließungen des Europäischen Parlaments ............................
282
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
284
I. Einleitung ......................................................................
284
11. Die Entwicklung "flankierender Politiken" der Gemeinschaft ...........
286
III. Entwicklungsmöglichkeiten einer "flankierenden Politik" der Gemeinschaft im kulturellen Bereich ................................................
290
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen
303
Literaturverzeichnis
306
Sachregister
333
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
21
1. Teil Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich A. Der Bildungsbereich ........................... . ........ . ................. . ..... . .. .
24
1. Einleitung ......................................................................
24
11. Anfange gemeinschaftlicher Tätigkeit im Bildungsbereich ............... 1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ..... a) Die im Rat vereinigten Regierungsvertreter ....................... . b) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam .............. . . . . c) Der Rat .................................................................
25 25 25 26 27
aa) Berufsausbildung .................................................
27
bb) Allgemeine Bildung .............................................. cc) Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise ............. 2. Die Kommission ........................................................... 3. Das Europäische Parlament ..............................................
28 29 30 31
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im Bildungsbereich ........... 1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ..... a) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam .................. aa) Schulbildung ...................................................... bb) Übergang von der Schule zum Berufsleben ................... cc) Der Bildungsbereich allgemein ............................... . .
32 32 32 32 33 34
b) Der Rat ................................................................. aa) Berufsausbildung ................................................. bb) Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise ............. 2. Die Kommission ......................................................... . .
34 34 38 39
a) Der Bildungsbereich allgemein .......................................
39
b) Schulbildung ........................................................... c) Berufsausbildung ...................................................... d) Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise................... 3. Das Europäische Parlament ..............................................
40 40 41 42
10
Inhaltsverzeichnis
B. Der Wissenschaftsbereich ..........................................................
43
I. Einleitung ......................................................................
43
11. Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit im Wissenschaftsbereich ......... 1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ..... a) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam ................. . b) Der Rat ................................................................. 2. Die Kommission......................................................... .. 3. Das Europäische Parlament ........ ... ... .................. .... ...... ....
44 44 44 45 47 49
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im Wissenschaftsbereich ..... 1. Der Rat ..................................................................... a) Rahmenprogramme .................................................... b) Spezifische Programme ............................ . ........ . ......... c) Zusammenarbeit mit Drittstaaten ..................................... 2. Die Kommission ........................................................... 3. Das Europäische Parlament .......................................... . ...
50 50 50 52 54 54 56
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn ........................................
57
I. Einleitung ......................................................................
57
11. Anfange gemeinschaftlicher Tätigkeit im engeren Kulturbereich ........ 1. Der Rat ..................................................................... 2. Die Kommission ........................................................... 3. Das Europäische Parlament ..............................................
59 59 59 60
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im engeren Kulturbereich .... 1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ..... a) Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ................ b) Die im Rat vereinigten Regierungsvertreter ....................... . c) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam ..... . . . . . . . . . . . . . d) Der Rat ................................................................ . 2. Die Kommission ........................................................... a) Grundzüge der Aktion im kulturellen Bereich ......... . .. . .. . ...... b) Einzelne Maßnahmen ................................................. 3. Das Europäische Parlament ..............................................
62 62 62 62 63 65 68 68 70 73
2. Teil
Einzelne Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich A. Der Bildungsbereich ................................................................
75
I. Freizügigkeit im Bildungsbereich .......................................... . 1. Einleitung ..................................................................
75 75 75 75 78 78 82 83
2. Arbeitnehmerfreizügigkeit im öffentlichen Bildungswesen .... . ...... a) Lehrkräfte als Arbeitnehmer.......................................... b) Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung ..................... aa) Grundzüge der Rechtsprechung ................................. bb) Lehrberuf als Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung ... cc) Folgerungen.......................................................
Inhaltsverzeichnis
II
3. Das Niederlassungsrecht für Lehrer und Schulträger a) Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Niederlassungsrecht b) Die Beschränkung des Niederlassungsrechts gemäß Art. 55 EWGV
84 84 85
11. Bildungsrechte aus der Inanspruchnahme der Freizügigkeit .............. 1. Einleitung .................................................................. a) Problemstellung ........................................................ b) Die Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts ............. 2. Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen .... a) Der Wanderarbeitnehmer ............................................. aa) Art. 7 Abs. 3 VO 1612/68 ....................................... bb) Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 ....................................... ce) Der Begriff des Arbeitnehmers ................................. b) Die Kinder eines Wanderarbeitnehmers .......... .. ................. aa) Art. 12 VO 1612/68 .............................................. bb) Die Richtlinie über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern ............................................ c) Der Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers ........................... 3. Rechte der selbständig Erwerbstätigen und ihrer Familienangehörigen
87 87 87 87 89 89 89 91 93 97 97
III. Bildungsrechte für alle Gemeinschaftsbürger .............................. 1. Einleitung .................................................................. 2. Passive Dienstleistungsfreiheit für Schüler und Studenten im öffentlichen Bildungswesen anderer Mitgliedstaaten ......................... a) Leistungsempfanger als Begünstigte der Dienstleistungsfreiheit b) Öffentliche Bildungsangebote als Dienstleistungen ................ 3. Das allgemeine Diskriminierungsverbot ................................ a) Gleichberechtigter Zugang zum Bildungswesen anderer Mitgliedstaaten ................................................................... aa) Der Anwendungsbereich des EWG-Vertrages ................. bb) Der Begriff der Berufsausbildung .............................. b) Gleichbehandlung bei der Ausbildungsförderung .................. c) Das Aufenthaltsrecht für Bildungszwecke ..........................
100 101 105 106 106 106 106 108 112 112 112 116 118 120
IV. Programme im Bildungsbereich ............................................. 1. Bestandsaufnahme ...................................... .. ................. 2. Art.128 EWGV als Rechtsgrundlage .................................... a) Problemstellung ........................................................ b) Befugnisse der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Berufsausbildung aa) Grundsätze der Handlungsbefugnis der Gemeinschaftsorgane bb) Die Befugnisse im einzelnen ....................................
124 124 126 126 127 127 130
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn ........................................
133
I. Die Freiheit des Warenverkehrs im kulturellen Bereich .................. 1. Einleitung ..................................................................
133 133 134
2. Der Begriff der Ware im Sinne des EWG-Vertrages ...... ............
12
Inhaltsverzeichnis 3. Die Zollunion .............................................................. a) Die Abschaffung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung .... b) Der Gemeinsame Zolltarif............................................ 4. Die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung .......................................................... a) Artikel 30 EWGV ..................................................... aa) Grundsätze ....................................... .. . .... .. .... .. .. bb) Anwendung auf kulturelle Güter ........................ ........ cc) Einfluß auf kulturpolitische Entscheidungen der Mitgliedstaaten ............................................................. b) Artikel 36 EWGV ..................................................... aa) Grundsätze ............................... .. ....................... bb) Schutz von Urheberrechten......................................
135 135 136
11. Der freie Verkehr von Dienstleistungen im kulturellen Bereich ......... 1. Einleitung .................................................................. 2. Freizügigkeit für Fremdenführer......................................... 3. Freizügigkeit für Touristen ........................................ .. ..... a) Problemstellung........................................................ b) Der Begriff des Touristen.............. ....... . ....... ................ c) Das Aufenthaltsrecht des Touristen.................................. 4. Grenzüberschreitendes Fernsehen ............ .... . ............... .. . .. . .. a) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ............................... aa) EWG-Vertrag und Fernsehen .................. ................. bb) Fernsehsendungen als grenzüberschreitende entgeltliche Leistungen ............................................................ cc) Zulässige Beschränkungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen ......................................................... b) Die Fernsehrichtlinie .................................................. aa) Notwendigkeit der Koordinierung nationaler Vorschriften... bb) Zulässigkeit und Bedeutung nationaler Programmvorschriften cc) Verbindlichkeit und Rechtmäßigkeit der Quotenregelung....
145 145 146 148 148 149 151 152 152 152
III. Freizügigkeit im kulturellen Bereich........................................ 1. Einleitung .. . . . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . .. .. . . 2. Freizügigkeit für Berufssportler .......................................... 3. Freizügigkeit für Architekten...... ...... .............. .. .......... ...... . 4. Freizügigkeit für Kunstmaler.............................................
169 169 170 173 175
IV. Das Wettbewerbsrecht im kulturellen Bereich ............................. 1. Einleitung .................................................................. 2. Die wettbewerbsrechtliche Stellung von Fernsehanstalten ............ a) Anwendbarkeit des Kartellrechts ..................................... b) Zulässigkeit von Monopolen .............. ........................... 3. Die Zu lässigkeit der Preisbindung von Büchern ....................... a) Zulässigkeit grenzüberschreitender Preisbindungsvereinbarungen b) Zulässigkeit staatlich angeordneter Preisbindung...................
176 176 176 176 177 179 179 180
137 137 137 138 141 143 143 144
153 157 162 162 163 164
Inhaltsverzeichnis 4. Die Zulässigkeit selektiver Pressevertriebssysteme .................... 5. Die Wahrnehmung von Urheberrechten................................. a) Die Bedeutung des Wettbewerbsrechts für das Urheberrecht..... b) Fragen des Wettbewerbsrechts im Zusammenhang mit Verwertungsgesellschaften .................................................... aa) Verwertungsgesellschaften als Unternehmen gemäß Art. 90 Abs. 2 EWGV .................................................... bb) Die Globalabtretung aller Urheberrechte....................... cc) Der Globalzugang zum Gesamtrepertoire ......................
13 182 183 183 185 185 186 186
3. Teil
Grundsätze und Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich .................. I. Die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitglied-
staaten im kulturellen Bereich ............................................... 1. Einleitung .................................................................. 2. Die Verbandskompetenz der Gemeinschaft ............................. a) Abgrenzung zur staatlichen Verbandskompetenz ................... b) Art und Umfang der Verbandskompetenz .......................... c) Folgerungen für den kulturellen Bereich............................ 3. Die Organkompetenz der Gemeinschaftsinstitutionen .......... ....... a) Art und Umfang der Organkompetenz .............................. b) Folgerungen für den kulturellen Bereich............................ 4. Die Dynamik des Gemeinschaftsrechts ................................. a) Der Befund des EWG-Vertrages .............................. ....... b) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ............................... c) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts...............
H. Modalitäten gemeinschaftlicher Kompetenzausübung im kulturellen Bereich ............ ... ............. ...... ............. ...................... ....... 1. Einleitung .................................................................. 2. Die Zulässigkeit der Berücksichtigung des kulturellen Charakters eines Regelungsgegenstandes ................................................... 3. Der kulturelle Charakter eines Regelungsgegenstandes als Ansatzpunkt einer "Politik im kulturellen Bereich" ........................... III. Schranken der Kompetenzausübung im kulturellen Bereich ............. 1. Einleitung .................................................................. 2. Grundrechte des einzelnen................................................ a) Die Bedeutung der Grundrechte für den kulturellen Bereich ..... b) Grundzüge des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes ... aa) Die Entwicklung von Grundrechten ............................ bb) Grundrechtsschranken ............................................ cc) Grundrechtskonforrne Auslegung ............................... c) Folgerungen für den kulturellen Bereich ............................ 3. Der Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten ............................ a) Einleitung ...............................................................
188 188 188 191 191 191 194 198 198 201 202 202 204 206 207 207 208 212 213 213 214 214 215 215 219 220 221 223 223
14
Inhaltsverzeichnis b) Die deutsche Problematik............................................. c) Gemeinschaftsrechtliche Ansatzpunkte für eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf den nationalen Kompetenzbereich ................. aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ........................ bb) Der Grundsatz der Gemeinschaftstreue ........................ cc) Das Subsidiaritätsprinzip ........................................ 4. Völkerrechtliche Schranken .................. .. ...... .. .................. a) Einleitung ............................................................... b) Der Grundsatz der Handelsfreiheit................................... aa) Allgemeines Völkerrecht ........................................ bb) Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) ......
224 226 226 229 231 236 236 238 238 238
B. Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten ...............................................................................
240
1. Grundsatz ......................................................................
240
H. Einschränkungen durch das Gemeinschaftsrecht ........................... 1. Einleitung .................................................................. 2. Das allgemeine Diskriminierungsverbot ................................ a) Grundlagen ............................................................. b) Einfluß auf den kulturpolitischen Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten ............................................................. aa) Offene Diskriminierungen ....................................... bb) Versteckte Diskriminierungen................................... 3. Die Grundfreiheiten .......................................... .. .. ......... a) Das Diskriminierungsverbot und seine Ausnahmen................ aa) Allgemeines ....................................................... bb) Die Zulässigkeit nationalen Kulturgüterschutzes .... . .. . .. . ... b) Das Beschränkungsverbot und seine Ausnahmen .................. aa) Allgemeines ....................................................... bb) Geltendmachung kultureller Interessen der Mitgliedstaaten
241 241 242 242
C. Die rechtliche Bedeutung einzelner Handlungsforrnen im kulturellen Bereich
252
1. Einleitung ......................................................................
252
11. Allgemeines zum Handeln der Gemeinschaftsorgane ..................... 1. Die Verbindlichkeit des Handeins .......................... .. ........... 2. Der rechtliche Charakter des Handeins ........................ .. .. .. .. . a) Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen rechtlichem und nicht-rechtlichem Handeln ............................................ b) Kriterien der Unterscheidung zwischen rechtlichem und nichtrechtlichem Handeln ................................................... c) Feststellung der rechtlichen Wirksamkeit einer Handlung ........ 3. Die Zulässigkeit des Handeins ...........................................
253 253 254
III. Entschließungen auf Ratsebene .............................................. 1. Die rechtliche Bedeutung der "Entschließung" und die Bestimmung ihres Urhebers ............................................................. a) Die rechtliche Bedeutung der Handlungsforrn "Entschließung".. b) Die Bestimmung des Urhebers einer Entschließung ...............
243 243 245 247 247 247 248 249 249 250
254 255 257 258 261 261 261 263
Inhaltsverzeichnis
15
2. Entschließungen des Rates ............................................... a) Kompetenzbereich ..................................................... b) Merkmale der Entschließungen ...................................... c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ............................... d) Die rechtliche Bedeutung der Entschließungen ..................... aa) Die Rolle der Entschließungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren ................................................. bb) Die Tatbestandswirkung von Entschließungen des Rates im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 EWGV ............................. 3. Entschließungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten . . . . a) Kompetenzbereich ..................................................... b) Merkmale der Entschließungen ...................................... c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ............................... d) Die rechtliche Bedeutung der Entschließungen. .................... 4. Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Regierungsvertreter zugleich.............................................................. a) Kompetenzbereich ..................................................... b) Merkmale der Entschließungen ...................................... c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ............................... d) Die rechtliche Bedeutung der Entschließungen .....................
264 264 265 266 269
IV. Mitteilungen der Kommission ............................................... 1. Einleitung .................................................................. 2. Die rechtliche Bedeutung von Mitteilungen ............................ a) Die Bedeutung der Mitteilungen im Rechtsetzungsverfahren ..... b) Weitere Ansatzpunkte für eine rechtliche Bedeutung der Mitteilungen ......................................................................
277 277 279 279
V. Entschließungen des Europäischen Parlaments ............................ 1. Erscheinungsformen und Anwendungsbereich ......................... 2. Die Rolle der Entschließungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren ...................................................................
282 282
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
284
269 270 271 271 272 272 274 275 275 276 276 276
280
284
I. Einleitung ......................................................................
284
11. Die Entwicklung "flankierender Politiken" der Gemeinschaft ...........
286
1II. Entwicklungsmöglichkeiten einer "flankierenden Politik" der Gemeinschaft im kulturellen Bereich ................................................ 1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 235 EWGV ................ 2. Das Erfordernis eines Ziels der Gemeinschaft im kulturellen Bereich a) Die Ziele der Gemeinschaft .......................................... aa) Die Ziele der Gemeinschaft allgemein ......................... bb) Ziele der Gemeinschaft im Sinne von Art. 235 EWGV ...... b) Zielsetzung der Gemeinschaft im kulturellen Bereich ............. 3. Zielverwirklichung "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes"
290 290 291 291 291 294 298 300
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen
303
Literaturverzeichnis
306
Sachregister
333
Abkürzungsverzeichnis a. A. ABI. EG Abs. a. E. AfP AK-GG
= anderer Ansicht = Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften = Absatz = am Ende = Archiv für Presserecht = Reihe Alternativkommentare. Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (s. Literaturverzeichnis) Anm. = Anmerkung (in der vorliegenden Arbeit) AöR = Archiv des öffentlichen Rechts ArbG = Arbeitsgericht Art. = Artikel Aufl. = Auflage Ausg. = Ausgabe AWD = Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters BAföG = Bundesausbildungsförderungsgesetz BArbBl. Bundesarbeitsblatt BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter Beil. Beilage Bundesgesetzblatt BGBL BK = Kommentar zum Bonner Grundgesetz / Bonner Kommentar (s. Literaturverzeichnis) = Bundesratsdrucksache BR-Drs. BRITE = Basic Research in Industrial Technologies for Europe BRITE / EURAM = European Research in Advanced Materials BRRG = Beamtenrechtsrahmengesetz = Bundestagsdrucksache BT-Drs. Bull. Bulletin BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung) BVerwG Bundesverwaltungsgericht CDE Cahiers de Droit Europeen CML Rev. = Common Market Law Review COMETT = Action Programme of the Community in Education and Training for Technology COST Cooperation europeenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique DÖV Die Öffentliche Verwaltung DUZ Deutsche Universitätszeitung DV Die Verwaltung
Abkürzungsverzeiehnis DVBl. EA EAG EAGV ebd. ECU EEA EFfA EG EGKS EGKSV EIß
ELR EMRK EPOCH EPZ ERASMUS ESPRIT EuGRZ EuR EURAM EURATOM EUREKA EUROTECNET EuZW EWG EWGV FAST FFG FG Fn. FORCE FR FS FusV GA GATT GBTE 2 Niedobitek
17
Deutsches Verwaltungsblatt Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der EAG ebenda (vorhergehende Anmerkung) European Currency Unit Einheitliche Europäische Akte Europäische Freihandelsassoziation Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der EGKS Europäische Investitionsbank European Law Review (Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten European Programme on Climatology and Natural Hazards Europäische Politische Zusammenarbeit European Community Action Scheme for the Mobility of University Students European Strategie Programme for Research and Development in Information Technology Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht European Research in Advanced Materials (s. EAG) European Research Coordination Agency European Technieal Network Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschafts gemeinschaft Vertrag zur Gründung der EWG Forecasting and Assessment in the Field of Science and Technology Filmförderungsgesetz Festgabe Fußnote (in anderen Werken) Formation professionnelle continue Frankfurter Rundschau Festschrift Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Fusionsvertrag) Generalanwalt / Generalanwältin General Agreement on Tariffs and Trade / Allgemeines Zollund Handelsabkommen Groeben / Boeckh / Thiesing / Ehlermann (s. Literaturverzeichnis)
18
GG GO-EP GS GTE HDTV HER HRG hrsg. Hrsg. i. V. m. JIR
JöR JuS J.W.T.L. JZ KOM LIEI LINGUA m.a. W. MDHS MEDIA MittHV MONITOR
NJW
NuR NVwZ NWVBl. NYIL NZZ PE-Dok. RabelsZ RACE R.A.E. RdJB Rdnr. RDP
RIW
RMC Rs.
Abkürzungsverzeichnis Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments Gedächtnisschrift Groeben / Thiesing / Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag (s. Literaturverzeichnis) High Definition TV Handbuch des Europäischen Rechts, hrsg. von Groeben, H. v. d. / Thiesing, J. / Ehlermann, C.-D. (s. Literaturverzeichnis) Hochschulrahmengesetz = herausgegeben = Herausgeber = in Verbindung mit = Jahrbuch für Internationales Recht = Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart = Juristische Schulung = Journal of World Trade Law = Juristenzeitung = Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Dokumente = Legal Issues of European Integration = Promotion of the teaching and 1eaming of foreign languages in the EC = mit anderen Worten = Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (s. Literaturverzeichnis) = Mesures pour encourager le developpement de l'industrie audiovisuelle = Mitteilungen des Hochschulverbandes = Strategie Analysis, Forecasting and Evaluation in Matters of Research and Technology = Neue Juristische Wochenschrift = Natur + Recht = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter = Netherlands Yearbook of International Law = Neue Zürcher Zeitung = Europäisches Parlament, Berichte im Namen der Ausschüsse = Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht = Research and Development Programme in Advanced Communications Technologies for Europe = Revue des Affaires Europeennes = Recht der Jugend und des Bildungswesens = Randnummer Revue du Droit Public Recht der Internationalen Wirtschaft Revue du Marche Commun Rechtssache
Abkürzungsverzeichnis RTDE RuF S. SCIENCE SEW Slg. SPES STEP TEMPUS u. a. UA UNESCO verb. Rs. vgl. VO VOP VVDStRL WEGS WissR WiVerw WUR WVK YEL ZaöRV ZAR ZBR ZfW ZG ZHR ZRP ZSR ZStW ZUM
2*
19
= Revue Trimestrielle de Droit Europeen
Rundfunk und Fernsehen Satz / Seite Stimulation des cooperations internationales et des echanges necessaires aux chercheurs europeens = Sociaal-Economische Wetgeving = Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften = Stimulation Plan for Economic Sciences = Science and Technology for Environmental Protection = Trans-European Mobility Scheme for University Studies = unter anderem / und andere = Unterabsatz = Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur verbundene Rechtssachen vergleiche Verordnung Verwaltungsführung / Organisation / Personal Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Wohlfahrt / Everling / Glaesner / Sprung (s. Literaturverzeichnis) = Wissenschaftsrecht / Wissenschaftverwaltung / Wissenschaftsförderung = Wirtschaft und Verwaltung = Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht = Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge = Yearbook of European Law = Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht = Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik = Zeitschrift für Beamtenrecht = Zeitschrift für Wasserrecht = Zeitschrift für Gesetzgebung = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht = Zeitschrift für Rechtspolitik = Zeitschrift für Schweizerisches Recht = Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft = Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Einleitung Die thematische Verknüpfung von Kultur und Europäischem Gemeinschaftsrecht könnte beim Leser unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Einerseits könnte eingewandt werden, ein solches Thema lohne die Beschäftigung im Rahmen einer Dissertation nicht, hätten doch Kultur und EG-Recht wenig miteinander zu tun. Denn die drei Europäischen Gemeinschaften I - die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 2 , die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl 3 und die Europäische Atomgemeinschaft 4 - sind ihrer Bezeichnung nach Zusammenschlüsse europäischer Staaten, die wirtschaftliche, nicht aber kulturelle Ziele verfolgen. Andererseits könnte die Unschärfe und Dehnbarkeit des Kulturbegriffs 5 daran zweifeln lassen, daß die Verbindung von Kultur und EG-Recht überhaupt sinnvoll ist und zum Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Untersuchung gemacht werden kann. Dem ersten Einwand wäre entgegenzuhalten, daß die Beziehungen des Gemeinschaftsrechts zum kulturellen Bereich - wie zu zeigen sein wird - umfangreicher sind als der erste Anschein vermuten läßt. Wer dagegen aus der Unschärfe des Kulturbegriffs Bedenken herleitet, übersieht, daß im Rahmen einer verwaltungswissenschaftlichen, insbesondere juristischen Arbeit nicht irgendein Kulturbegriff zugrunde gelegt werden kann. Vielmehr ist von der aus dem deutschen öffentlichen Recht bekannten deskriptiven Erfassung auszugehen, die den Kulturbegriff in die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kunst einteilt 6 , mithin diejenige Sphäre umschreibt, "in welcher der Staat mit der Welt des Geistes, wie sie innerhalb der Gesellschaft in vielfältiger Form in Erscheinung tritt, eine besonders enge Verbindung eingeht"7. Neben dem Vorteil, juristisch handhabbar zu sein 8 , zeichnet sich dieser deskriptive Kulturbegriff dadurch aus, "daß er an ein verbreitetes Alltagsverständnis von ,Kultur' anknüpfen kann" 9. Für die Zwecke der I Im folgenden werden die drei Gemeinschaften zusammenfassend als "Europäische Gemeinschaft" bezeichnet. 2 Vertrag zur Gründung der EWG vom 25. März 1957, BGBI. II 766. 3 Vertrag über die Gründung der EGKS vom 18. April 1951, BGBI. 1952 II 447. 4 Vertrag zur Gründung der EAG vom 25. März 1957, BGBI. II 1014. 5 Vgl. nur Gau, 17 ff. 6 So Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 10 ff.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 9; lschreyt, 16. 7 Oppermann (Anm. 6), 8. 8 Häberle (Anm. 6). 9 Ebd.
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Einleitung
vorliegenden Arbeit ist das dritte Element der gewählten Definition, das der Kunst, allerdings zu eng und wird durch den Begriff der Kultur im engeren Sinn ersetzt 10. Der hier zugrunde gelegte Kulturbegriff hat die doppelte Aufgabe, in formaler Hinsicht den Untersuchungsgegenstand einzugrenzen und in materieller Hinsicht diesen Untersuchungsgegenstand als den Bereich der "nicht mit der Elle ökonomischer Rationalität zu messenden Erscheinungsformen des Soziallebens" 11 zu kennzeichnen, eine Charakterisierung, die alle drei erwähnten Gebiete des kulturellen Bereichs miteinander verbindet 12. Aus der Verknüpfung des vorstehend beschriebenen Kulturbegriffs mit dem EG-Recht ergibt sich die allgemeine Fragestellung der vorliegenden Untersuchung. Diese betrifft die Handlungsmöglichkeiten und -befugnisse, die auf Gemeinschaftsebene in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur im engeren Sinn bestehen, letztlich also die Frage nach "Kulturhoheit der EG" 13. Einzelne Aspekte dieser Fragestellung wurden in der Literatur mehr oder minder intensiv behandelt, jeweils veranlaßt durch Entscheidungen des Gerichtshofs oder Rechtsetzungsakte der Gemeinschaftsorgane. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei der Frage einer EG-Kompetenz im Rundfunkbereich zuteil. Allgemeine, die verschiedenen Einzelprobleme und die Grundsätze des Verhältnisses zwischen Kultur und EG-Recht umfassende Untersuchungen sind rar und entbehren aufgrund ihrer Konzeption der notwendigen Tiefe 14. Mit der vorliegenden Abhandlung soll der Versuch unternommen werden, die festgestellte Lücke in der Literatur zum Europäischen Gemeinschaftsrecht zu schließen. Der Frage nach den auf Gemeinschaftsebene bestehenden Handlungsmöglichkeiten und -befugnissen im kulturellen Bereich wird in drei Schritten nachgegangen. Der erste Teil der Arbeit enthält eine Bestandsaufnahme der gemeinschaftlichen Praxis in den drei Sektoren des kulturellen Bereichs. Die innerhalb eines jeden Sektors vorgenommene Untergliederung nach den Urhebern der einzelnen Aktivitäten gewährt Einblick in das Ineinandergreifen und die Übergänge zwischenstaatlicher und überstaatlicher Handlungsmöglichkeiten auf Ratsebene und informiert über die im Rat herrschende Auffassung von der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im kulturellen Bereich. Im zweiten Teil der Arbeit werden die wichtigsten Einzelfragen des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich behandelt. Hier tauchen vor allem Probleme Vgl. näher Abschnitt C. I. des ersten Teils. Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 20. 12 So auch de Witte, Cultural linkages, 193: Dieser Kulturbegriff "is based on the assumption that the objects and processes brought under the heading ,culture' have some unifying characteristics". 13 Zum Begriff vgl. die Arbeit von Köstlin, Die Kulturhoheit des Bundes. 14 Vgl. etwa Schweitzer, EG-Kompetenzen im Bereich von Kultur und Bildung; Fiedler, Impulse der Europäischen Gemeinschaft im kulturellen Bereich. 10 11
Einleitung
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im Bildungs- und im engeren Kulturbereich auf, nicht jedoch - soweit ersichtlich - im Bereich der Wissenschaft. Im dritten Teil der Arbeit schließlich werden Grundsätze der Beziehung zwischen Gemeinschaftsrecht und kulturellem Bereich herausgearbeitet; darüber hinaus wird die Möglichkeit einer Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich auf der Grundlage von Art. 235 EWGV untersucht. Die Arbeit betrifft alle drei europäischen Gemeinschaften. Wenn sich die rechtlichen Erörterungen des zweiten und dritten Teils allein auf die EWG beziehen, so spiegelt dies lediglich die fehlende Bedeutung der anderen Gemeinschaften für den kulturellen Bereich wider.
1. Teil
Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich A. Der Bildungsbereich I. Einleitung
Der Bildungsbereich umfaßt alle Arten der Bildung, die Vorschulbildung, die allgemeine und die berufliche Bildung, die Hochschulbildung und die Weiterbildung 1. Dies gilt unabhängig von Inhalt oder Dauer der Bildung und dem Lebensabschnitt, in dem sie genossen wird 2. Das Bildungswesen als Teil der nationalen Kultur 3 schien ursprünglich zum "unantastbaren Intimbereich" 4 der Mitgliedstaaten zu gehören und damit einem Zugriff der Gemeinschaftsorgane entzogen zu sein. Daher sehen auch die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften nur vereinzelt Bestimmungen vor, die der EG Maßnahmen im Bildungsbereich gestatten. Im Bereich des EGKS-Vertrages ermächtigt Art. 56 Abs. 1 Buchst. c) unter bestimmten Voraussetzungen, "zur Finanzierung der Umschulung der Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung wechseln müssen", Beihilfen zu gewähren. Der EAGVertrag überträgt in Art. 9 Abs. 1 der Kommission die Aufgabe, im Rahmen der Gemeinsamen Kernforschungsstelle Schulen für die Ausbildung von Fachkräften zu gründen; nach Absatz 2 dieses Artikels obliegt es dem Rat, eine Anstalt im Rang einer Universität zu errichten. Umfangreicher sind die den Bildungsbereich berührenden Bestimmungen des EWG-Vertrages. Art. 41 EWGV sieht als Maßnahme im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik u. a. eine "wirksame Koordinierung der Bestrebungen auf dem Gebiet der Berufsausbildung ... " vor. Nach Art. 57 Abs. I EWGV ist der Rat befugt, zur Erleichterung der Aufnahme und Ausübung des Niederlassungsrechts 1 VgI. sechster Erwägungsgrund der Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Bildungsminister über die Umweltbildung vom 24. Mai 1988, ABI. EG C 177 / 8. 2 VgI. Ziff. 9.1. der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Bildungswesen in der Europäischen Gemeinschaft in der Plenartagung am 23. / 24. April 1975, ABI. EG C 255/9. 3 So Buss, 18. 4 Ebd.
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Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen zu erlassen. Zum gleichen Zweck kann er nach Absatz 2 dieser Vorschrift Richtlinien zur Koordinierung einzel staatlicher Vorschriften über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten erlassen. Die genannten Befugnisse stehen dem Rat gemäß Art. 66 EWGV auch zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit zu. Weiterhin begründet Art. 118 EWGV die Pflicht der Kommission, eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in sozialen Fragen zu fördern, insbesondere auf dem Gebiet der beruflichen Aus- und Fortbildung. Die Berufsumschulung arbeitsloser Arbeitskräfte konnte gemäß der inzwischen gegenstandslosen 5 Vorschrift des Art. 125 EWGV vom Europäischen Sozialfonds mit bis zu 50 % der von einem Mitgliedstaat oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aufgewendeten Kosten finanziert werden. Art. 128 EWGV, wie die beiden zuvor genannten Vorschriften im dritten Teil des Vertrages in Titel III "Die Sozialpolitik" angesiedelt, verpflichtet den Rat, in bezug auf die Berufsausbildung allgemeine Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik aufzustellen, "die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes beitragen kann". Art. 130g Buchst. d) EWGV schließlich ermächtigt die Gemeinschaft, in Ergänzung zu mitgliedstaatlichen Aktionen Maßnahmen zur "Förderung der Ausbildung und der Mobilität der Forscher aus der Gemeinschaft" zu ergreifen. Dieser scheinbar eng begrenzten Kompetenzlage stehen auf Gemeinschaftsebene anfangs zwar zögerliche, später aber zunehmende Aktivitäten im Bildungsbereich gegenüber, die im folgenden dargestellt werden.
11. Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit im Bildungsbereich
1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten a) Die im Rat vereinigten Regierungsvertreter Die Bildungsminister der Mitgliedstaaten traten am 16. November 1971 erstmals im Rahmen des Rates zusammen 6 und nahmen als "im Rat vereinigte Minister für Bildungswesen" eine Entschließung über die Zusammenarbeit in diesem Bereich an 7. Sie erklärten, daß ergänzend zu den in den Gemeinschaftsverträgen bereits vorgesehenen Maßnahmen eine erweiterte Zusammenarbeit im
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Grabitz / Jansen, Kommentar zum EWGV, Art. 125 Rdnr. I. BuB. EG 12 - 1971, S. 28. Vgl. Rat der EG, Erklärungen zur Europäischen Bildungspolitik, 2. Ausg., 1986.
S.9.
1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
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Bildungsbereich geschaffen werden müsse mit dem Endziel "der Definition eines europäischen Kulturmodells im Zusammenhang mit der europäischen Integration" 8. In dieser Entschließung kommt das Bewußtsein der Minister, nicht als Rat, aber doch im Rahmen des Rates zu handeln, besonders deutlich dadurch zum Ausdruck, daß die mit der Entschließung eingesetzte Sachverständigengruppe den Auftrag erhielt, den Bericht über ihre Tätigkeit den Ministern für Bildungsfragen "in ihrer Eigenschaft als im Rat vereinigte Vertreter der Mitgliedstaaten" zu erstatten 9. Auch auf ihrer zweiten Tagung am 6. Juni 1974 IO kamen die Bildungsminister nicht als Rat, sondern wiederum als im Rat vereinigte Minister zusammen und verabschiedeten eine weitere Entschließung über die Zusammenarbeit im Bereich des Bildungswesens 11. Die Minister legten drei Grundsätze und sieben vorrangige Aktionen für die Zusammenarbeit fest. Hervorzuheben ist der zweite Grundsatz, demzufolge das Bildungswesen "unter keinen Umständen einfach als Bestandteil des Wirtschaftslebens angesehen werden" könne, und der dritte Grundsatz, der die Vielfalt der einzelstaatlichen Bildungssysteme als Wert an sich hervorhebt und eine Harmonisierung der nationalen Bildungspolitik und der Bildungssysteme ausdrücklich als selbständiges Ziel der Zusammenarbeit ausschließt. Die Zusammenarbeit sollte auf der Ebene der Mitgliedstaaten stattfinden. Im Bewußtsein der damit verbundenen potentiellen Kompetenzkonflikte zwischen der EG und den Mitgliedstaaten erklärten die Minister, die Befugnisse der Organe der Europäischen Gemeinschaften dürften dadurch nicht beeinträchtigt werden. b) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam Als Rat und im Rat vereinigte Regierungsvertreter zugleich traten die Bildungsminister am 10. Dezember 1975 zu ihrer dritten 12 Konferenz zusammen. Hier nahmen sie eine Entschließung mit einem Aktionsprogramm im Bildungsbereich an 13, die sie am 9. Februar 1976 förmlich verabschiedeten 14. Diese Entschließung ist aus mehreren Gründen für die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit im Bildungsbereich von Bedeutung. Zum einen sieht das Aktionsprogramm sowohl Ebd., vierter Erwägungsgrund. Ebd., Ziff. 2. 10 EG-Gesamtbericht 8 / 1974, Ziff. 323. Die vorausgegangene Gründung des Europäischen Hochschulinstituts am 19. April 1972 in Florenz beruht nicht auf einer Entschließung der im Rat vereinigten Bildungsminister, sondem auf einem völkerrechtlichen Vertrag der Mitgliedstaaten; vgI. ABI. EG C 29/1 (1976). Die Veröffentlichung des Übereinkommens im Amtsblatt der EG weist aber auf dessen Gemeinschaftsbezug hin. 11 ABI. EG C 98 / 2. Die Kommission hatte in ihrem Entschließungsentwurf, ABI. EG C 58/20 (1974), bereits den Rat und die im Rat vereinigten Bildungsminister gemeinsam als Urheber vorgeschlagen. 12 VgI. Maaß, 11. 13 Bull. EG 12 1975, Ziff. 1101. 14 ABI. EG C 38 / 1; vgl. auch Bull. EG 2 1976, Ziff. 2252. 8
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Maßnahmen auf mitgliedstaatlicher Ebene als auch auf Gemeinschaftsebene vor und rechtfertigt so die "gemischte" Beschlußfassung, mit der erstmals die Rolle der Gemeinschaft im Bereich des allgemeinen Bildungswesens anerkannt wurde. Weiterhin wurde ein ständiger Ausschuß für Bildungsfragen, bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission, eingesetzt, der die Koordinierung des Aktionsprogramms besorgen sollte. Schließlich vereinbarten der Rat und die Bildungsminister, nunmehr regelmäßig zusammenzutreten, "um die Durchführung des Aktionsprogramms zu verfolgen, Richtpunkte für die Zukunft zu setzen und ihre Politiken einander gegenüberzustellen" 15. Das Aktionsprogramm deckt ein breites Spektrum bildungspolitischer Zusammenarbeit ab. Es betrifft z. B. die allgemeine Möglichkeit der Bildung und Ausbildung in anderen Mitgliedstaaten, die Verbesserung der Korrespondenz der einzelnen Bildungssysteme, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Hochschulwesens, die Förderung des Fremdsprachenunterrichts und die Verwirklichung der Chancengleichheit im Hinblick auf den uneingeschränkten Zugang zu allen Bildungsformen. Der zuletzt genannte Bereich betrifft u. a. Maßnahmen "zur Vorbereitung der Jugendlichen auf das Berufsleben, zur Erleichterung ihres Übergangs von der Schule zum Berufsleben, ... und damit zur Herabsetzung des Risikos von Arbeitslosigkeit" 16. Darauf bezugnehmend verabschiedeten der Rat und die Bildungsminister am 13. Dezember 1976 eine Entschließung 17, nachdem sie von dem Bericht des Ausschusses für Bildungsfragen über die "Vorbereitung der Jugendlichen auf den Beruf und auf den Übergang von der Schule ins Berufsleben" 18 Kenntnis genommen hatten. In dieser Entschließung sind wiederum Maßnahmen der Mitgliedstaaten und solche auf Gemeinschaftsebene vorgesehen. c) Der Rat
aa) Berufsausbildung Die Tätigkeit des Rates im Bildungsbereich, die fast ausschließlich den Bereich der beruflichen Bildung betrifft, läßt sich bis zum Anfang der sechziger Jahre zurückverfolgen. Am 2. April 1963 beschloß der Rat die "Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung" 19 und machte so von der ihm durch Art. 128 EWGV gewährten Befugnis Ebd., Ziff. III der Entschließung. Ebd., Ziff. IV. 22. 17 Entschließung betreffend Maßnahmen zur besseren Vorbereitung der Jugendlichen auf den Beruf und zur Erleichterung ihres Übergangs von der Schule zum Berufsleben, ABI. EG C 308/ 1. 18 BuH. EG Beil. 12/76. 19 ABI. EG Nr. 63/1338. 15
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Gebrauch. Grundlegendes Ziel der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik ist es gemäß dem zweiten Grundsatz 20 u. a., die Voraussetzungen zu schaffen, die jedem eine angemessene Berufsausbildung gewährleisten, jede nachteilige Unterbrechung zwischen dem Abschluß der allgemeinen Schulbildung und dem Beginn der Berufsausbildung zu vermeiden sowie jedem einzelnen den Zugang zu einer höheren Stellung im Beruf zu ermöglichen. Der erste Grundsatz beschränkt den Geltungsbereich des Beschlusses allerdings auf "die Ausbildung Jugendlicher und Erwachsener, die für eine Berufstätigkeit bis zu mittleren Stellungen in Betracht kommen". Auf eine Intensivierung und wirksamere Gestaltung der Arbeit in sämtlichen Bereichen der Berufsbildung zielen "Allgemeine Leitlinien zur Ausarbeitung eines gemeinschaftlichen Tätigkeitsprogramms auf dem Gebiet der Berufsausbildung", die der Rat am 26. Juli 1971 annahm 21 . Der Rat stellte hier den Zusammenhang zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung mit den Worten heraus, die Berufsausbildung dürfe und könne keine unabhängige Maßnahme bilden, sie müsse sich vielmehr auf die Ergebnisse einer allgemeinen Ausbildung stützen, "die auf ihren verschiedenen Ebenen den hohen Anforderungen der modemen Gesellschaft gerecht" werde 22. Den "Grundstein einer eigenen Berufsbildungspolitik"23 legte der Rat am 10. Februar 1975. Gestützt auf Art. 235 EWGV errichtete er durch Verordnung das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsausbildung mit Sitz in Berlin 24. Aufgabe des gemäß Art. 1 der Verordnung rechts- und geschäftsfähigen Zentrums ist es nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung, die Kommission insbesondere durch die Förderung des Informations- und Erfahrungsaustauschs im Bereich der beruflichen Bildung zu unterstützen, "um die Berufsbildung und die ständige Weiterbildung auf Gemeinschaftsebene zu fördern und weiterzuentwickeln".
bb) Allgemeine Bildung Nicht nur die berufliche, auch die allgemeine Bildung war anfangs - wenn auch nur vereinzelt - Gegenstand legislativer Aktivitäten des Rates. Die am 15. Oktober 1968 verabschiedete, auf Art. 49 EWGV gestützte VO 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft 25 verleiht den Kindern von Wanderarbeitnehmern in Art. 12 Abs. 1 das Recht, in einem anderen 20 Insgesamt umfaßt der Beschluß zehn Grundsätze. 21 ABI. EG C 81/5. 22 Ebd., Ziff. 2. 23 So Maaß, 27. 24 ABI. EG L 39/ 1. 25 ABI. EG L 257/2; vgl. die Änderungsvorschläge der Kommission vom Januar 1989, ABI. EG C 100/6, geändert durch Vorschlag vom April 1990, ABI. EG C 119/ 10.
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Mitgliedstaat "unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht" teilzunehmen. Dieses Recht wird in materieller Hinsicht ergänzt durch die ebenfalls auf Art. 49 EWGV gestützte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern 26 • Art. 2 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, diesen Kindern einen kostenlosen Einführungsunterricht zu bieten, der vor allem eine Unterweisung in der Amtssprache des Aufnahmestaats umfaßt. Nach Art. 3 der Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten die Unterrichtung der Kinder in der Muttersprache und der heimatlichen Landeskunde fördern.
cc) Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise Einen speziellen, im Zusammenhang mit dem beruflichen Bildungswesen stehenden Bereich betreffen die in Art. 57 EWGV vorgesehenen Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Prüfungs zeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen und zur Koordinierung nationaler Ausbildungsvorschriften. Erste sekundärrechtliche Erwähnung findet diese Problematik in den Allgemeinen Programmen des Rates zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs bzw. der Niederlassungsfreiheit vom 18. Dezember 196127 • In grundsätzlicher Weise äußerte sich der Rat zu dieser Frage in der Entschließung vom 6. Juni 1974 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise 28 • Er formulierte als Leitlinie, die Anerkennungs- und Koordinierungsrichtlinien sollten so wenig wie möglich detaillierte Ausbildungserfordernisse vorschreiben, da trotz der Unterschiede in den nationalen Ausbildungsprogrammen "in der Praxis eine Vergleichbarkeit der Ausbildungsabschlüsse, die den Zugang zu gleichartigen Tätigkeiten eröffnen, in groben Umrissen festgestellt" worden sei 29. In der Folgezeit verabschiedete der Rat eine Reihe von Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von beruflichen Befähigungsnachweisen und zur Koordinierung der Ausbildungsgänge, vor allem im medizinischen Bereich 30.
ABI. EG L 199/32. ABI. EG Nr. 2/32 bzw. 36 (1962), Abschnitt VI bzw. Abschnitt V. 28 ABI. EG C 98/1. 29 Ebd., Ziff. 11. 30 Vgl. etwa die Anerkennungsrichtlinie betreffend die Ärzte vom 16. Juni 1975, ABI. EG L 167/1, und die entsprechende Koordinierungsrichtlinie vom gleichen Tag, ABI. EG L 167/14; Anerkennungsrichtlinie betreffend Krankenschwestern und -pfleger vom 27. Juni 1977, ABI. EG L 176/1, und die entsprechende Koordinierungsrichtlinie vom gleichen Tag, ABI. EG L 176/8; für den nicht-medizinischen Bereich vgl. etwa die Anerkennungsrichtlinie im Hinblick auf den Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers vom 12. Dezember 1977, ABI. EG L 334/37. 26 27
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
2. Die Kommission Die anfänglichen Bemühungen der Kommission um das Bildungswesen waren auf den Bereich der beruflichen Bildung konzentriert. So verabschiedete sie im Jahr 1965 zwei Aktionsprogramme für die gemeinsame Berufsausbildungspolitik 31 • Anfang der siebziger Jahre begann sie jedoch, einen breiteren Ansatz zu verfolgen, der auf die Entwicklung einer allgemeinen Bildungspolitik gerichtet war. Am 19. Juli 1972 beauftragte sie den ehemaligen belgischen Erziehungsminister Henri Janne, die Elemente einer Bildungspolitik auf Gemeinschaftsebene zu ermitteln 32. Der Bericht, der auf einer Befragung sachkundiger oder sonst geeigneter Persönlichkeiten basiert, wurde der Kommission am 27. Februar 1973 vorgelegt 33. Organisatorisch kam die neue Bedeutung des Bildungsbereichs dadurch zum Ausdruck, daß die Bildung im Jahr 1973 erstmals ausdrücklich dem Geschäftsbereich eines Kommissionsmitglieds zugeordnet war. Seit dem 1. Januar 1973 wurden die Bereiche Forschung, Wissenschaft und Bildung in einer Generaldirektion zusammengefaßt 34 • Unter der Verantwortung des zuständigen Kommissionsmitglieds RalfDahrendorf legte die Kommission dem Rat am 11. März 1974 eine Mitteilung mit dem Titel "Das Bildungswesen in der Europäischen Gemeinschaft" vor 35 • Nach einer Analyse der damaligen Lage 36 erläuterte sie die vorrangigen Aktionsbereiche "Mobilität im Bildungswesen" 37, "Ausbildung der Kinder von Wanderarbeitnehmern" 38, "Eine europäische Dimension im Bildungswesen" 39 und "Beziehungen zum Europarat, zur OECD und zur UNESCO"4O. Bei der Formulierung dieser Aktionsbereiche habe sie die Möglichkeiten berücksichtigt, die sich im Rahmen der Vertragsbestimmungen böten; ferner habe sie mit besonderem Nachdruck auf den Platz hingewiesen, den das Bildungswesen im Prozeß der Entwicklung des europäischen Einigungswerkes einnehme 41 • Diese Formulierung verdeutlicht, daß der bildungspolitische Ansatz der Kommission weniger von den formalen
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Eines mit allgemeiner Zielsetzung, eines für die Landwirtschaft; vgl. Bull. EWG 1965, Ziff. 25. Vgl. den Bericht "Für eine gemeinschaftliche Bildungspolitik", Bull. EG Beil. 10/
73, S. 5. 33 Ebd. 34 Vgl. EG-Gesamtbericht 7/1973, Ziff. 369. 35 Bull. EG Beil. 3/74. 36 Ebd., S. 5 f. 37 Ebd., S. 9 ff. 38 Ebd., S. 11 ff. 39 Ebd., S. 13 ff. 40 Ebd., S. 17 f. 41 Ebd., S. 5.
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Grenzen der Vertragsbestimmungen, als eher von den Notwendigkeiten der europäischen Integration bestimmt wird.
3. Das Europäische Parlament Ähnlich wie bei der Kommission war das bildungspolitische Interesse des Europäischen Parlaments in den sechziger Jahren zwar auf den Bereich beruflicher Bildung gerichtet 42 , galt seit Anfang der siebziger Jahre 43 aber zunehmend den Erfordernissen einer allgemeinen Bildungspolitik auf Gemeinschaftsebene. In der Sitzung vom 8. Februar 1972 forderte es ausdrücklich die Ausarbeitung einer zusammenhängenden Jugend- und Bildungspolitik 44 • Dabei müsse die europäische Bildungspolitik insbesondere zur Demokratisierung der Bildung beitragen und die Idee der Kulturvielfalt in den Vordergrund stellen 45 • Gut zwei Jahre später betonte das Parlament erneut die Notwendigkeit "einer zusammenhängenden Jugend-, Bildungs- und Kulturpolitik der Gemeinschaft" 46. In der Folgezeit verdeutlichte es seine Ansicht, daß die Verbandskompetenz für die gemeinsame Bildungspolitik der Gemeinschaft zukomme und daß die Bildungsminister als Rat, d. h. ohne Beteiligung der Minister als Regierungskonferenz, handeln müßten 47 • Nach Verabschiedung der Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Minister für Bildungswesen vom 9. Februar 1976 mit einem Aktionsprogramm im Bildungsbereich 48 begrüßte das Parlament zwar die erstmalige Annahme einer Entschließung im Bildungsbereich durch den Rat, äußerte aber sein Befremden darüber, "daß in der Kopfzeile der Entschließung auch ,die im Rat vereinigten Minister für Bildungswesen' genannt (seien), wodurch Gemeinschaftscharakter und Tragweite dieser Entschließung eingeschränkt" würden, und forderte abermals, die Zusammenarbeit im Bildungsbereich müsse "mit der Zeit zu einer echten gemeinschaftlichen Bildungspolitik im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft führen" 49. Im Titel dieser Entschlie42 Vgl. z. B. Entschließung vom 11. März 1966 über die Aktionsprogramme der EWG-Kommission auf dem Gebiet der gemeinsamen Politik der Berufsausbildung, allgemein und in der Landwirtschaft, ABI. EG Nr. 53 / 784. 43 Vgl. aber schon Entschließung vom 7. Oktober 1969 über die Hochschulforschung und ihre Bedeutung für die europäische Jugend, ABI. EG C 139/16. 44 Vgl. Ziff. 2 der Entschließung vom 8. Februar 1972 zu der Jugend- und Bildungspolitik im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, ABI. EG C 19 / 20. 45 Ebd., Ziff. 11. 46 Vgl. Entschließung vom 22. April 1974 zu der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über das Bildungswesen in der Europäischen Gemeinschaft, ABI. EG C 55 /22. 47 Vgl. Entschließung zum Bildungswesen in der Europäischen Gemeinschaft vom 22. September 1975, ABI. EG C 239/15. 48 ABI. EG C 38/1; vgl. dazu Abschnitt A. 11. 1. b) dieses Teils. 49 Entschließung vom 8. April 1976 zu der Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften mit Aktionsprogramm im Bildungsbereich, ABI. EG C 100/29.
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
ßung ignorierte das Parlament dann auch die Beteiligung der im Rat vereinigten Bildungsminister an dem erwähnten Akt 50•
III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im Bildungsbereich
1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten a) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam Die in den achtziger Jahren gegenüber dem vorhergehenden Jahrzehnt sprunghafte Zunahme von Entschließungen und Schlußfolgerungen, angenommen in "gemischter" Form, ist ein deutliches Zeichen für die Konsolidierung der gemeinschaftlichen Tätigkeit im Bildungsbereich. Dieser Befund wird bestätigt durch das Fehlen von Beschlüssen im Bildungsbereich, die allein den im Rat vereinigten Ministern zuzurechnen wären: Stets ist eine Beteiligung auch des Rates zu verzeichnen. Es kann festgestellt werden, daß die Beschlußfassung in "gemischter" Form nunmehr die typische Handlungsform auf Ratsebene darstellt, wenn zumindest auch - der Bereich allgemeiner Bildung berührt wird. aa) Schulbildung Der Bereich der schulischen Bildung ist alleiniger Gegenstand der Schlußfolgerungen vom 17. September 1985 betreffend die Aufwertung der europäischen Dimension im Bildungswesen 51 , der Entschließung vom 9. Juni 1986 über die Verbrauchererziehung in Primar- und Sekundarschulen 52, der Schlußfolgerungen vom 14. Mai 1987 über die Fortbildung der Lehrer 53 und der Entschließung vom 23. November 1988 zur Gesundheitserziehung in Schulen 54. Darüber hinaus sind hier die Entschließungen vom 22. Mai 1989 über die schulische Betreuung der Kinder von Binnenschiffern, Zirkusangehörigen und Schaustellern 55 und zur schulischen Betreuung der Kinder von Sinti, Roma und Fahrenden 56 und die Entschließung vom 14. Dezember 1989 zur Bekämpfung des Schulversagens 57 50 Dagegen schrieb das Europäische Parlament in einer späteren Entschließung das in "gemischter" Form angenommene Aktionsprogramm im Bildungsbereich allein den "im Rat vereinigten Kultusministem" zu; vgl. Entschließung vom 16. November 1979 zur Tagung des Rates der Kultusminister, ABI. EG C 309/59. 51 Vgl. Rat der EG, Erklärungen zur Europäischen Bildungspolitik, 2. Ausg., 1986, S. 153. 52 ABI. EG C 184/21. Die Kommission hatte in ihrem Entschließungsentwurf allein den Rat als Urheber genannt; vgl. ABI. EG C 238!7 (1985). 53 ABI. EG C 211/5. 54 ABI. EG C 3 / 1 (1989). 55 ABI. EG C 153/1. 56 ABI. EG C 153/3.
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zu nennen, schließlich auch die Schlußfolgerungen vom 31. Mai 1990 betreffend eine stärkere Berücksichtigung des Themas "Chancengleichheit für Mädchen und Jungen im Bildungswesen" bei der Grundausbildung und Weiterbildung der Lehrer 58. Weitere Entschließungen bzw. Schlußfolgerungen betreffen sämtliche Bereiche des Bildungswesens und damit auch die schulische Bildung, z. B. die Schlußfolgerungen des Rates und der Bildungsminister vom 4. Juni 1984 59 , die vor allem den verschiedenen Aspekten der schulischen Bildung gewidmet sind, etwa dem Fremdsprachenunterricht 6O , der schulischen Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern 61 oder der schulischen Eingliederung von Behinderten 62, weiterhin die Entschließung vom 3. Juni 1985 mit einem Aktionsprogramm zur Förderung der Chancengleichheit für Jungen und Mädchen im Bildungswesen 63 sowie die Entschließung zur europäischen Dimension im Bildungswesen 64 und die Entschließung über die Umweltbildung 65 , beide vom 24. Mai 1988.
bb) Übergang von der Schule zum Berufsleben Eine weitere Gruppe von Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Bildungsminister ist der Vorbereitung der Jugendlichen auf den Beruf und der Erleichterung ihres Übergangs von der Schule ins Berufsleben gewidmet. Am 12. Juli 1982 verabschiedeten der Rat und die Bildungsminister ein zweites Programm von Modellvorhaben in diesem Bereich 66, nachdem das erste Programm 67 durch Entschließung vom 15. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 1982 verlängert worden war 68 • Die Geltungsdauer des zweiten Programms wurde ebenfalls durch Entschließung vom 5. Dezember 1985 69 um ein Jahr bis zum 31. Dezember 1987 verlängert. Die Thematik des Übergangs von der Schule ins Berufsleben wird auch in den Schlußfolgerungen des Rates und der Bildungsminister vom 14. Dezember 1989 über die berufliche Erstausbi1dung 70 behandelt. ABI. EG C 27/1 (1990). ABI. EG C 162/6. 59 Vgl. Rat der EG, Erklärungen zur Europäischen Bildungspolitik, 2. Ausg., 1986, S. 123. 60 Ebd., S. 126. 61 Ebd., S. 129. 62 Ebd., S. 132. 63 ABI. EG C 166/1. 64 ABI. EG C 177 / 5. 65 ABI. EG C 177 / 8. 66 ABI. EG C 193/1. 67 ABI. EG C 308/1 (1976); vgl. dazu Abschnitt A. 11. 1. b) dieses Teils. 68 ABI. EG C 23/1. 69 ABI. EG C 328/3. 70 ABI. EG C 27 / 4 (1990). 57
58
3 Niedobitek
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Hervorzuheben ist, daß in diesen Schlußfolgerungen ausdrücklich das Prinzip der Subsidiarität als Leitlinie für Maßnahmen der EG genannt wird 71.
ce) Der Bildungsbereich allgemein Im Hinblick auf den Bildungsbereich im allgemeinen sind die Schlußfolgerungen vom 6. Oktober 1989 über die Zusammenarbeit und die Gemeinschaftspolitik im Bildungswesen im Hinblick auf 1993 72 von grundlegender Bedeutung. Als wesentliche Grundsätze der Zusammenarbeit werden die Achtung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt sowie erneut die Subsidiarität gemeinschaftlicher Maßnahmen genannt 73 und fünf den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gemeinsame Ziele ermittelt, die zur "Verwirklichung eines Europas des Wissens und der Kultur" beitragen sollen 74: 1. Ein multikulturelles Europa, 2. ein Europa der Mobilität, 3. ein Europa der Bildungschancen für alle, 4. ein Europa des Fachwissens und 5. ein Europa der Weltoffenheit. b) Der Rat Wurde soeben festgestellt, daß die "gemischte" Formel typischerweise bei Beschlüssen mit Bezügen zum Bereich allgemeiner Bildung angewendet wird, so läßt sich für die Beschlüsse des Rates allein die komplementäre Feststellung treffen, daß diese vor allem den Bereich beruflicher Bildung im allgemeinen sowie die gegenseitige Anerkennung von Diplomen betreffen.
aa) Berufsausbildung Richtungsweisend für die Berufsbildungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft während der achtziger Jahre ist eine gleichnamige Entschließung des Rates vom 11. Juli 1983 75 • Der Rat bezeichnet die Berufsbildungspolitik in der Gemeinschaft als Instrument einer aktiven Beschäftigungspolitik sowie als Mittel der Vorbereitung Jugendlicher auf das Erwerbsleben 76 und legt Maßnahmen sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten wie auch auf Gemeinschaftsebene fest. Dabei sollen die Mitgliedstaaten neben Maßnahmen allgemeiner Art auch besondere Maßnahmen zugunsten Jugendlicher ergreifen. Die hervorgehobene Stellung der Berufsbildung Jugendlicher 77 kommt auch in einer Reihe weiterer Aktivitäten des Rates zum Ausdruck, so in der Entschlie71 72
73 74 75
76
Ebd., siebter Erwägungsgrund. ABI. EG C 277/5. Ebd., Ziff. 2. Ebd., Ziff. 3. ABI. EG C 193/2. Ebd., Ziff. 1.
A. Der Bildungsbereich
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ßung vom 18. Dezember 1979 über die alternierende Ausbildung von Jugendlichen 78 , in den Schlußfolgerungen vom 9. März 1987 zur Berufsbildung der Jugendlichen in der Europäischen Gemeinschaft 79 und in dem Beschluß vom 1. Dezember 1987 über ein Aktionsprogramm für die Berufsbildung Jugendlicher und zur Vorbereitung der Jugendlichen auf das Erwachsenen- und Erwerbsleben 80. Anders als die vorangegangenen Aktivitäten in diesem Bereich, die auf Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Bildungsminister beruhten 81 , wurde das Aktionsprogramm vom Rat allein auf der Grundlage von Art. 128 EWGV als Beschluß verabschiedet. Eine gegen das Programm gerichtete Nichtigkeitsklage des Vereinigten Königreichs, die dieses wegen der gewählten Rechtsgrundlage angestrengt hatte, wurde vom Gerichtshof mit Urteil vom 30. Mai 1989 abgewiesen 82. Am 22. Juli 1991 beschloß der Rat die Verlängerung und Änderung des Aktionsprogramms 83. Art. 1 des geänderten Programms beschreibt es als vorrangiges Ziel, die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen, die diese unternehmen, "um allen Jugendlichen in der Gemeinschaft, die dies wünschen, im Anschluß an die Vollzeitschulpflicht für die Dauer von einem oder, wenn möglich, von zwei oder mehr Jahren die Teilnahme an einer beruflichen Erstausbildung zu ermöglichen, die zu einer beruflichen Qualifikation führt, die von den zuständigen Stellen des Mitgliedstaats anerkannt wird, in dem diese berufliche Qualifikation erworben wird". Nach Abs.2 des geänderten Art. 1 betrifft der Begriff der beruflichen Erstausbildung ausdrücklich nicht die Hochschulausbildung. Das Aktionsprogramm erfuhr darüber hinaus eine Erweiterung durch die Einbeziehung des vormals selbständigen Programms zur Förderung des Austauschs junger Arbeitskräfte 84 • Diese Maßnahme ist Teil der Bemühungen der Kommission, die verschiedenen Gemeinschaftsprogramme im Bildungsbereich zu rationalisieren und zu koordinieren 85. Nicht nur die berufliche Erstausbildung, auch die Weiterbildung wurde vom Rat behandelt. In Schlußfolgerungen vom 15. Juni 1987 86 nahm er zunächst 77 Auch die berufliche Bildung der Frauen ist Gegenstand von Schlußfolgerungen des Rates; vgl. ABI. EG C 178 / 3 (1987). 78 ABI. EG C 1/1 (1980). 79 ABI. EG C 73 / 2. 80 ABI. EG L 346/31. 81 Vgl. soeben Abschnitt A. HI. 1. a) bb). 82 Rs. 56/88, Sig. 1989, 1615. 83 ABI. EG L 214/69. 84 Vgl. die letzte Verlängerung dieses Programms durch Beschluß des Rates vom 29. Mai 1990, ABI. EG L 156/8. 85 Vgl. Memorandum der Kommission, KOM (90) 334; Schriftliche Anfragen Nr. 201/91 und 210/91 vom 18. Februar 1991 an die Kommission, ABI. EG C 144/26. 86 Schlußfolgerungen zur Entwicklung der innerbetrieblichen Weiterbildung der erwachsenen Arbeitnehmer, ABI. EG C 178/5.
3*
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Kenntnis von dem Vorhaben der Kommission, demnächst ein Gemeinschaftsprogramm zur Entwicklung der beruflichen Weiterbildung vorzulegen, und ersuchte dann die Kommission am 5. Juni 1989, ihm "so bald wie möglich ein Aktionsprogramm zur beruflichen Weiterbildung zu unterbreiten"87. Die berufliche Weiterbildung spiele bei der Strategie zur Verwirklichung des Binnenmarktes und des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts bis zum Jahr 1992 eine wichtige Rolle als maßgebender Faktor der Wirtschafts- und Sozialpolitik 88 . Investitionen in die "Humanressourcen der Gemeinschaft" seien eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Erreichung dieser Ziele 89. Nachdem die Kommission daraufhin Ende 1989 einen Vorschlag für ein Gemeinschaftsprogramm ausgearbeitet hatte 90 , verabschiedete der Rat am 29. Mai 1990, gestützt auf Art. 128 EWGV, das Aktionsprogramm zur Förderung der beruflichen Weiterbildung in der Europäischen Gemeinschaft (FORCE) 91. Der Förderung der Fremdsprachenkenntnisse dient das Aktionsprogramm LINGUA vom 28. Juli 1989 92 , welches allerdings nicht nur Maßnahmen im Hinblick auf die berufliche Bildung von Fremdsprachenlehrern, sondern auch allgemeine Maßnahmen und solche im schulischen Bereich zur Förderung der Fremdsprachenkenntnisse vorsieht und deshalb auf Art. 128 EWGV und Art. 235 EWGV zugleich gestützt ist 93 . Die Berufsbildungspolitik im Hinblick auf den technologischen Wandel wird geprägt von den Gemeinschaftsprogrammen COMETT und EUROTECNET, die beide sowohl die Erstausbildung als auch die Weiterbildung betreffen. Das COMETT-Programm 94, das die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft im Bereich der Ausbildung vor allem auf dem Gebiet der fortgeschrittenen Technologie fördern will, ist in seiner zweiten Phase allein auf Art. 128 EWGV gestützt worden, während für die erste Phase zusätzlich Art. 235 EWGV herangezogen worden war, weil es der Rat nicht für sicher gehalten hatte, daß im EWGVertrag alle für den Erlaß des Programmbeschlusses erforderlichen Befugnisse vorgesehen seien: Aus Gründen der Rechtssicherheit habe man auch Art. 235 EWGV herangezogen 95 . Derartige Zweifel hatte die Mehrheit der Ratsmitglieder bei der Verabschiedung der zweiten Phase am 16. Dezember 1988 offenbar nicht 87 Ziff. 11 der Entschließung über die berufliche Weiterbildung, ABI. EG C 148/1. 88 Ebd., zweiter Erwägungsgrund. 89 Ebd., dritter Erwägungsgrund. 90 ABI. EG C 12/ 16 (1990). 91 ABI. EG L 156/1. 92 ABI. EG L 239 / 24. 93 Die Kommission hatte wegen dieser unterschiedlichen Aspekte des LINGUAProgramms zwei getrennte Entscheidungen vorgeschlagen, eine gestützt auf Art. 128 EWGV, ABI. EG C 51!7 (1989), und eine gestützt auf Art. 235 EWGV, ABI. EG C
51/13 (1989). 94 1. Phase, ABI. EG L 222/ 17 (1986); 2. Phase, ABI. EG L 13 /28 (1989). 95 Ebd., 1. Phase, zweiter Erwägungsgrund.
A. Der Bildungsbereich
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mehr, wohl aber das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland, die gegen die Wahl der Rechtsgrundlage beim Gerichtshof Klage erhoben hatten. Mit Urteil vom 11. Juni 1991 wies der Gerichtshof die verbundenen Klagen ab 96 • Insbesondere lehnte es der Gerichtshof ab, das Programm wegen seines notwendigerweise engen Zusammenhangs mit dem Bereich der wissenschaftlichen Forschung als Forschungsprogramm zu qualifizieren 97. Das COMETT-Programm ist in seiner zweiten Phase für eine Beteiligung von EFTA-Ländern geöffnet worden. Diese haben inzwischen fast alle durch Abschluß von Zusammenarbeits abkommen mit der EWG von der gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht 98 • Das EUROTECNET-Programm vom 18. Dezember 1989 99 , das ebenfalls allein auf Art. 128 EWGV gestützt ist, zielt auf die Förderung von Innovationen in der beruflichen Bildung, "um dem derzeitigen und künftigen technologischen Wandel und seinen Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeit sowie die erforderli chen Qualifikationen und Kenntnisse Rechnung zu tragen" 100. Auch die Mobilität im Hochschulbereich wird von der Gemeinschaft auf der Grundlage von Art. 128 EWGVIOI gefördert. Ebenso wie das COMETT-Programm war das Aktionsprogramm zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudenten (ERASMUS) ursprünglich 102 zusätzlich auf Art. 235 EWGV gestützt worden. Dies wurde vom Gerichtshof auf die dagegen gerichtete Klage der Kommission für zutreffend erklärt, weil der Beschluß nicht nur die Berufsausbildung, sondern auch die wissenschaftliche Forschung betreffe 103. Der Änderungsbeschluß vom 14. Dezember 1989 104 beruht nunmehr allein auf Art. 128 EWGV. In Art. 1 des Beschlusses wird ausdrücklich klargestellt, daß das ERASMUSProgramm keine Tätigkeiten im Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung deckt. Das Programm zielt vor allem auf die Schaffung eines Europäischen Hochschulnetzes für den Studentenaustausch, die Gewährung von Mobilitätsstipendien und die freiwillige akademische Anerkennung von Diplomen und Studienzeiten 105. Verb. Rs. C-51 /89, C-90 / 89 und C-94/ 89; Urteil noch nicht in Slg. Ebd., Rdnf. 27. 98 Vgl. für alle EFfA-Staaten außer Liechtenstein ABI. EG L 102 (1990). 99 ABI. EG L 393 / 30. 100 Ebd., Art. 2 des Beschlusses. 101 Das die Länder Mittel- und üsteuropas betreffende Mobilitätsprogramm für den Hochschulbereich TEMPUS vom 7. Mai 1990, ABI. EG L 131 /21, ist allerdings auf Art. 235 EWGV gestützt. 102 ABI. EG L 166/ 20 (1987). 103 Urteil vom 30. Mai 1989, Rs. 242/87 (ERASMUS), Slg. 1989, 1425 (1458); vgl. dazu näher Abschnitt A. IV. des zweiten Teils. Der ERASMUS-Beschluß erging am 15. Juni 1987, d. h. vor Inkrafttreten der EEA, so daß die Art. 130 f-q EWGV noch nicht anwendbar waren. 104 ABI. EG L 395/23. 96
97
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Eine weitere Maßnahme zur Absicherung der Mobilität im Bereich beruflicher Bildung allgemein stellt die Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der Studenten dar 106. Diese Richtlinie ist Teil umfassender Maßnahmen der Gemeinschaft mit dem Ziel, das Aufenthaltsrecht auf alle Gemeinschaftsangehörigen auszudehnen 107. Damit kamen die mehr als zehn Jahre währenden Bemühungen der Kommission um eine sekundärrechtliche Regelung des allgemeinen Aufenthaltsrechts 108 zu einem vorläufigen Abschluß. Von einem endgültigen Abschluß kann noch nicht gesprochen werden, weil das Europäische Parlament gegen die Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der Studenten Nichtigkeitsklage mit der Begründung erhoben hat, die Richtlinie habe nicht auf Art. 235 EWGV gestützt werden dürfen, vielmehr hätte Art. 7 Abs. 2 EWGV gewählt werden müssen 109. Schließlich hat der Rat zur Unterstützung der Länder Mittel- und Osteuropas und zur Förderung der Zusammenarbeit mit diesen am 7. Mai 1990 das Mobilitätsprogramm für den Hochschulbereich TEMPUS beschlossen I 10 und durch Verordnung vom gleichen Tag die Europäische Stiftung für Berufsbildung errichtet 111, die der Weiterentwicklung der Berufsbildungssysteme dieser Länder dienen soll. Beide Rechtsakte sind auf Art. 235 EWGV gestützt.
bb) Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise Auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Prüfungs zeugnissen und sonstigen Befahigungsnachweisen setzte der Rat zunächst seine Politik vertikaler Regelungen für einzelne Berufe fort und verabschiedete z. B. Richtlinien im medizinischen Bereich für die Berufe der Hebamme 112 und des Apothekers" 3 sowie im nicht-medizinischen Bereich am 10. Juni 1985 endlich die
105 Ebd., vgl. den Anhang; vgl. auch jüngst den Aufruf der Kommission betreffend das Europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS), ABI. EG C 116/19 (1991). 106 ABI. EG L 180/30. 107 Vgl. die weiteren Richtlinien des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen, ABI. EG L 180/28, und über das Aufenthaltsrecht, ABI. EG L 180/26. 108 Vgl. Richtlinienvorschlag vom 31. Juli 1979, ABI. EG C 207 / 14, den die Kommission am 3. Mai 1989 zurückgezogen und stattdessen drei neue, auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützte Vorschläge vorgelegt hatte; vgl. ABI. EG C 191 / 2 ff. (1989). 109 Rs. C-295 / 90; Klageerhebung am 28. September 1990, mitgeteilt in ABI. EG C 285/13; dazu näher Abschnitt A. III. 3. c) des zweiten Teils. 110 ABI. EG L 131/21. 111 ABI. EG L 131/1. 112 Anerkennungsrichtlinie vom 31. Januar 1980, ABI. EG L 33 /1; Koordinierungsrichtlinie vom 31. Januar 1980, ABI. EG L 33/8. 113 Anerkennungsrichtlinie vom 16. September 1985, ABI. EG L 253 / 37; Koordinierungsrichtlinie vom 16. September 1985, ABI. EG L 253/34.
A. Der Bildungsbereich
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bereits im Mai 1967 vorgeschlagene 114 Richtlinie betreffend den Beruf des Architekten 115. Mit der Richtlinie vom 21. Dezember 1988 "über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen" 116, wandte der Rat dann erstmals eine horizontale, d. h. nicht auf bestimmte Berufe beschränkte Vorgehensweise ohne gleichzeitige Koordination von Ausbildungsgängen an.
2. Die Kommission a) Der Bildungsbereich allgemein Die in den siebziger Jahren begonnene Definition einer Bildungspolitik auf Gemeinschaftsebene setzte die Kommission im vergangenen Jahrzehnt fort. Sie erarbeitete drei Dokumente, in denen sie die berufliche und die allgemeine Bildung gleichermaßen behandelt und dadurch erneut zu erkennen gibt, daß sie im Bildungsbereich einen umfassenden Ansatz verfolgt. Das erste Dokument, ein Bericht über die allgemeine und berufliche Bildung in der Europäischen Gemeinschaft 117, leitete sie dem Rat im April 1985 zu. Dieses Dokument gibt in erster Linie Auskunft über die auf Gemeinschaftsebene ergriffenen Maßnahmen zur Durchführung des bildungspolitischen Aktionsprogramms 118 in den Jahren 1983 und 1984. Darauf folgte im Mai 1988 eine Mitteilung mit dem Titel "Bildung in der Europäischen Gemeinschaft, Mittelfristige Perspektiven: 1989-1992" 119, die die etwa ein Jahr später vorgelegte Mitteilung über die ,,Allgemeine und berufliche Bildung in der Europäischen Gemeinschaft, Mittelfristige Leitlinien: 19891992" 120 vorbereitete. In dem letztgenannten Dokument untersucht die Kommission den Bildungsbereich umfassend und kündigt für die einzelnen Bereiche konkrete Maßnahmen an, die bestätigen, daß "die allgemeine und berufliche Bildung an (der) Spitze ihrer Prioritäten" steht 121. Dabei verspricht sie, die Grundsätze der Respektierung der Vielfalt der einzel staatlichen Bildungstraditionen und der Subsidiarität zu berücksichtigen 122.
114 115 116 117 118 119 120 121 122
ABI. EG Nr. 239/15. ABI. EG L 223/15. ABI. EG L 19/16 (1989). KOM (85) 134. Vgl. dazu Abschnitt A. H. 1. b) dieses Teils. KOM (88) 280. KOM (89) 236. Ebd., S. 1. Ebd., S. 5 f.
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
b) Schulbildung Im Bereich der Schulbildung berichtete die Kommission über die Anwendung der Richtlinie über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern in den einzelnen Mitgliedstaaten 123 sowie über die Verbrauchererziehung in Primar- und Sekundarschulen 124 gemäß der Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Bildungsminister vom 9. Juni 1986 125 • Darüber hinaus entwikkelte sie ein Arbeitsprogramm zur Förderung innovatorischer Maßnahmen im Sekundarbereich des Bildungswesens 126 mit dem Ziel, die "Strategien und Methoden zur Zusammenarbeit ... an den sich abzeichnenden Wandel der Situation in den neunziger Jahren" anzupassen 127. c) Berufsausbildung Spezifische Aktivitäten der Kommission sind auch im Bereich der Berufausbildung festzustellen. Im Hinblick auf die berufliche Bildung der Frauen richtete sie am 24. November 1987 eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten 128, um vor allem zu erreichen, daß diese gezielte Maßnahmen entwickeln, "die insbesondere eine Ausbildung in Berufen vermitteln, in denen Frauen unterrepräsentiert sind" 129. Eine weitere Maßnahme der Kommission zugunsten der Frauen stellt die am 18. Dezember 1990 beschlossene Gemeinschaftsinitiative NOW zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen im Bereich Beschäftigung und berufliche Bildung dar 130, die - ebenso wie die gleichzeitig verabschiedeten Initiativen HORIZON, betreffend Behinderte und Benachteiligte 131, und EUROFORM, betreffend die Berufsbildung im allgemeinen 132 - von der Gemeinschaft aus den Strukturfonds mitfinanziert werden. Den vom Rat erbetenen 133 Vorschlag für ein Aktionsprogramm zur Förderung der beruflichen Weiterbildung hatte die Kommission Ende 1989 vorgelegti 34 • In der mit dem Entscheidungsvorschlag verbundenen Mitteilung nennt die KommisKOM (88) 787. KOM (89) 17. 125 ABI. EG C 184/7. 126 KOM (88) 545. 127 Ebd., S. 2. 128 ABI. EG L 342/35; vgl. auch Mitteilung der Kommission über die berufliche Bildung der Frauen, KOM (87) 155. 129 Ebd., Art. 1 der Empfehlung. 130 ABI. EG C 327/5. 131 ABI. EG C 327/9. 132 ABI. EG C 327 / 3. 133 Vgl. Ziff. II der Entschließung über die berufliche Weiterbildung, ABI. EG C 148/1(1989). 134 ABI. EG C 12/16 (1990); KOM (89) 567. 123
124
A. Der Bildungsbereich
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sion drei Aufgaben, die die berufliche Weiterbildung zu erfüllen habe, nämlich 1. die ständige Anpassung an den Wandel der Berufe, 2. die Förderung des sozialen Aufstiegs und 3. die Erfüllung einer Präventiv funktion, um rechtzeitig den durch den Binnenmarkt zu erwartenden Schwierigkeiten begegnen zu können 135. Eine weitere bedeutende Maßnahme der Kommission im Bereich der beruflichen Bildung betrifft die Rationalisierung und Koordinierung von Berufsbildungsprogrammen auf Gemeinschaftsebene. In einem gleichnamigen Memorandum, das die Kommission Mitte 1990 vorlegte 136, entwickelte sie einen Bezugsrahmen, "in dem sich künftig sämtliche Initiativen und Maßnahmen der Gemeinschaft im Rahmen der Entwicklung einer gemeinsamen Berufsbildungspolitik, die auf Art. 128 des Vertrages beruht, auffinden und steuern lassen" würden 137. Ziel des von der Kommission verfolgten Konzepts ist es u. a., "eine Zersplitterung der Gemeinschaftsanstrengungen zu verhindern" sowie "das Instrumentarium zur Beobachtung der Programme anzupassen, indem die jeweiligen Ausschußstrukturen vereinfacht und dadurch die Ausschüsse und Sitzungen reduziert werden" 138. Im Rahmen der zuletzt genannten Zielsetzung schlug die Kommission Ende 1990 vor, die in den Programmen EUROTECNET und FORCE eingesetzten Beratenden Ausschüsse zu einem Ausschuß zusammenzufassen 139. d) Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise Der Rat hatte am 21. Dezember 1988 - wie erwähnt - zwar eine horizontale Anerkennungsregelung für Hochschuldiplome erlassen 140, diese bezieht sich aber nur auf Diplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen. Deshalb legte die Kommission Mitte 1989 einen ergänzenden Richtlinienvorschlag vor 141, den sie inzwischen änderte 142. In der geänderten Fassung betrifft der Richtlinienvorschlag berufliche Befähigungsnachweise, die einen kürzeren als durch die oben genannte Richtlinie erfaßten Hochschulstudiengang oder eine längere paramedizinische Ausbildung an einer Berufsfachschule bzw. eine duale Berufsausbildung abschließen oder an Sekundarschulen erworben werden 143. Dabei schlägt die Kommission unter Einbeziehung der durch die Richtlinie vom 21. Dezember 1988 betroffenen Befähigungsnachweise in gewissen Grenzen eine
135 136 137
138 139 140 141 142 143
Ebd., S. 2 des Kommissionsdokuments. KOM (90) 334. Ebd., S. 2. Ebd., S. 4. ABI. EG C 24/6 (1991). Vgl. Abschnitt A. III. 1. b) bb) dieses Teils. ABI. EG C 263/1; KOM (89) 372. ABI. EG C 217/4 (1990); KOM (90) 389. Ebd., Art. 1 des geänderten Vorschlags.
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Durchlässigkeit der verschiedenen Ausbildungsniveaus von unten nach oben und - in "Übereinstimmung mit dem Grundsatz ,wer mehr kann, kann auch weniger'" - eine volle Durchlässigkeit von oben nach unten vor l44 •
3. Das Europäische Parlament Die Konsolidierung der gemeinschaftlichen Politik im Bildungsbereich wurde auch vom Europäischen Parlament durch Entschließungen zu allen Bildungsbereichen unterstützt. Generelle Entwicklungslinien zeigte das Parlament in der Entschließung vom 11. März 1982 "zu einem Programm der Gemeinschaft im Bildungsbereich" 145 auf und forderte sowohl eine systematische Zusammenarbeit zwischen den Bildungspolitiken der Mitgliedstaaten 146 als auch ein Vorgehen auf Gemeinschaftsebene 147. Es hob dabei hervor, daß ein derartiges Vorgehen nicht als Widerspruch zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im bildungspolitischen Bereich verstanden werden dürfe 148. Eine weitere Entschließung allgemeiner Art verabschiedete das Parlament am 17. Februar 1989 149 , angeregt durch die Mitteilung der Kommission über mittelfristige Perspektiven im Bildungsbereich 150. Der Tenor dieser Entschließung ist geprägt von der bevorstehenden Vollendung des Binnenmarktes, der Bedeutung der Bildung für dieses Vorhaben und den aus diesem geänderten Umfeld resultierenden Notwendigkeiten. Andere Entschließungen des Europäischen Parlaments 151 sind verschiedenen Aspekten des Bildungswesens gewidmet, so z. B. dem Hochschulwesen und der Zusammenarbeit zwischen den Universitäten in der EG 152, der Mobilität von Studenten und Lehrern 153, der Bildung im Bereich der neuen Technologien 154, der europäischen Dimension im Bildungswesen 155, der Chancengleichheit von Jungen und Mädchen im Bildungswesen 156 oder dem Analphabetentum 157. Außerdem nahm das Parlament eine Entschließung zur Anerkennung von Hochschuldiplomen für berufliche Zwecke an 158, befaßte sich aber darüber hinaus auch mit der Notwendigkeit einer Anerkennung von Diplomen für akademische Zwecke 159. 144 145 146 147 148 149 150 151
ten.
152 153 154 155 156 157
Vgl. KOM (90) 389, S. 3. ABI. EG C 87 / 90. Ebd., Ziff. 1. Ebd., Ziff. 2. Ebd., Ziff. 3. ABI. EG C 69/208. Vgl. Abschnitt A. III. 2. a) dieses Teils. Eine Übersicht ist in der Entschließung vom 17. Februar 1989 (Anm. 149) enthalEntschließung Entschließung Entschließung Entschließung Entschließung Entschließung
vom vom vom vom vom vom
13. März 1984, ABI. EG C 104/50. 25. Januar 1991, ABI. EG C 48/216. 11. November 1986, ABI. EG C 322/55. 20. November 1987, ABI. EG C 345/212. 8. Juli 1988, ABI. EG C 235/189. 17. März 1989, ABI. EG C 96/250.
B. Der Wissenschaftsbereich
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Die Entschließungen des Europäischen Parlaments sind - ebenso wie das Vorgehen der Kommission - dadurch gekennzeichnet, daß sie Maßnahmen im Bereich der allgemeinen Bildung wie auch solche im Bereich der beruflichen Bildung in ein einheitliches bildungspolitisches Konzept einbeziehen.
B. Der Wissenschaftsbereich I. Einleitung
Eine eindeutige Abgrenzung des Wissenschaftsbereichs vom Bildungsbereich ist nicht möglich. Hochschulen sind institutionalisierter Ausdruck dieses Umstands, denn ihre Aufgabe ist es nach Art. 2 Abs. I HRG, durch Forschung, Lehre und Studium der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften zu dienen. Die Zuordnung von Gemeinschaftsprogrammen zum Bildungsbereich, die wie ERASMUS oder COMETT den Hochschulbereich berühren, ist daher nicht zwingend, jedoch durch den auf der Ausbildung liegenden inhaltlichen Schwerpunkt der Programme und nicht zuletzt durch die jeweils gewählte Rechtsgrundlage gerechtfertigt 1. Der Wissenschaftsbereich betrifft somit im folgenden allein die wissenschaftliche Forschung 2 • Die drei Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft enthalten in unterschiedlichem Umfang Vorschriften, die der EG unmittelbar eine Tätigkeit im Forschungsbereich gestatten. Der EGKS-Vertrag überträgt lediglich in Art. 55 § 1 der Kommission 3 die Aufgabe, "die technische und wirtschaftliche Forschung für die Erzeugung und Steigerung des Verbrauchs von Kohle und Stahl sowie für die Betriebssicherheit in diesen Industrien zu fördern". Demgegenüber sieht der EAG-Vertrag vergleichsweise umfassende Zuständigkeiten der EG im Forschungsbereich vor 4 • Deutlich wird dies in Art. 2 Buchst. a) EAGV, der es der EAG ausdrücklich zur Aufgabe macht, nach Maßgabe des Vertrages die Forschung zu entwickeln. Diese Aufgabenstellung wird durch die Artikel 4 bis 11 konkretisiert, die im zweiten Titel des Vertrages in dem Kapitel "Förderung der Forschung" zusammengefaßt sind. Nach Art. 6 EAGV kann die Kommission Entschließung vom 14. November 1985, ABI. EG C 345/80. Entschließung vom 14. März 1984, ABI. EG C 104/64; Entschließung vom 18. April 1985, ABI. EG C 122/121. 1 Beide Programme sind in ihrer aktuellen Form allein auf Art. 128 EWGV gestützt; vgl. ERASMUS-Programm, ABI. EG L 395/23 (1989); COMETI-Programm, ABI. EG L 13/28 (1989). 2 Die Begriffe "Wissenschaft" und "Forschung" werden häufig synonym verwandt; vgl. etwa Glaesner, Gemeinschaftspolitik, 55; Schuster, 1528 f. 3 Die Kommission ist gemäß Art. 9 Abs. 1 des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission vom 8. April 1965, BGBL II 1454, an die Stelle der Hohen Behörde der EGKS getreten. 4 So auch Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 483. 158
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
die in den Mitgliedstaaten betriebene Forschung in vielfältiger Weise unterstützen. Dem Rat obliegt es nach Art. 7 Abs. 1 EAGV, die Forschungsprogramme der Gemeinschaft festzulegen; deren Durchführung ist gemäß Art. 8 Abs. 1 EAGV Aufgabe der von der Kommission zu errichtenden Gemeinsamen Kernforschungsstelle. Der EWG-Vertrag enthielt vor der Vertrags änderung durch die EEA allein in Art. 41 zur Erreichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik die ausdrückliche Befugnis, "eine wirksame Koordinierung der Bestrebungen auf dem Gebiet ... der Forschung ..." vorzunehmen. Artikel 24 EEA fügte dem dritten Teil des EWG-Vertrages einen sechsten Titel "Forschung und technologische Entwicklung" (Art. 130 f-q) hinzu 5 und schuf so eine neue "Politik der Gemeinschaft" 6. Ziel der Forschungs- und Technologiepolitik ist es gemäß Art. 130 f Abs. 1 EWGV, "die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen der europäischen Industrie zu stärken und die Entwicklung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu fördern". Für die Verfolgung dieses Ziels stehen der Gemeinschaft nach Art. 130g EWGV verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, vor allem gemäß Buchstabe a) die Durchführung von Forschungsprogrammen.
11. Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit im Wissenschaftsbereich
1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten a) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam Als Ausgangspunkt forschungspolitischer Aktivität auf Ratsebene ist der 31. Oktober 1967 anzusehen. An diesem Tag traten die Forschungsminister der Mitgliedstaaten erstmalig im Rat zusammen 7. Die auf dieser Tagung angenommene Entschließung über Probleme der wissenschaftlichen und technischen Forschung in den Gemeinschaften 8 ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß sie nicht nur vom Rat und den im Rat vereinigten Vertretern der Mitgliedstaaten gemeinsam, sondern auch unter Beteiligung der Kommission verabschiedet wurde. Die Arbeitsgruppe "Politik der wissenschaftlichen und technischen Forschung" des Ausschusses für mittelfristige Wirtschaftspolitik erhielt den Auftrag, die Möglichkeiten einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit auf zunächst sechs Forschungsgebieten zu prüfen 9 • Darüber hinaus wurde "eine Beteiligung anderer europäischer Staaten an den Maßnahmen und der Zusammenarbeit auf den ge-
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Die EEA trat am 1. Juli 1987 in Kraft; vgl. ABI. EG L 169/1 (29). Vgl. die Überschrift des Dritten Teils des EWG-Vertrages. Vgl. Bull. EWG 12 - 1967, S. 28. Bull. EWG 12 - 1967, S. 5. Ebd.
B. Der Wissenschaftsbereich
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nannten Gebieten" für wünschenswert gehalten 10. Diese Entschließung stellt somit auch den Beginn der "Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung" (COSTIl) dar l2 . In einer weiteren Entschließung zur Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen und technischen Forschung vom 10. Dezember 1968 13 wurde einleitend der Wille des Rates, der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Kommission zur Durchführung der Entschließung vom 31. Oktober 1967 bekräftigt. Der überwiegende restliche Teil der Entschließung, der die konkret zu ergreifenden Schritte beschreibt, ist nur noch dem Rat zurechenbar. Abgesehen von einer am 24. Juni 1971 angenommenen Entschließung über die Koordinierung der Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der wissenschaftlich-technischen Information und Dokumentation 14 sind weitere gemeinsame Aktivitäten des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten im Wissenschaftsbereich nicht ersichtlich. b) Der Rat Im Bereich gemeinschaftlicher Forschungspolitik bildete die "gemischte" Beschlußfassung die Ausnahme. Der Rat bestimmte schon in den Anfängen diese Politik allein. Eine erste wichtige Entschließung faßte der Rat auf seiner Tagung am 6. Dezember 1969 15. Er beschloß grundsätzlich, die Gemeinsame Kernforschungsstelle auch für die nichtnukleare wissenschaftliche und technische Forschung zu öffnen 16. Damit sollte die seit Mitte der sechziger Jahre bestehende sogenannte EURATOM-Krise beWältigt werden 17. Die weitere Entwicklung gipfelte am 14. Januar 1974 in vier Entschließungen des Rates, die als Grundlage der gemeinschaftlichen Forschungs- und Technologiepolitik bezeichnet werden können 18. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Entschließungen über die Koordination der einzelstaatlichen Politik und die Definition der Aktionen von gemeinschaftlichem Interesse im Bereich der Wissenschaft und Technologie 19 sowie über ein erstes Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie 20 . Ebd., S. 6. Cooperation europeenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique; vgl. Gerold, WissR 1987,70, Fn. 12. 12 Vgl. Bull. EG 12 1969, S. 47. 13 Bull. EG 2 1969, S. 81. 14 ABI. EG C 122/7. 15 Bull. EG 1 1970, S. 54. 16 Ebd., S. 55. 17 Zur "EURATOM-Krise" vgl. Stremmel, 16 ff.; Fischer-Dieskau, 36 f. 18 So Stremmel, 41; EG-Kommission, Bull. EG 1 1974, Ziff. 1401. 19 ABI. EG C 7/2. 20 ABI. EG C 7 / 6; die anderen Entschließungen betreffen die Beteiligung der Europäischen Gemeinschaften an der Europäischen Wissenschaftsstiftung, ABI. EG C 7 / 5, und 10 11
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
In fonnaler Hinsicht fällt die erstgenannte Entschließung dadurch auf, daß sie - wie sonst nicht üblich - in sechs Artikel gegliedert ist. Inhaltlich bedeutsam ist die Einsetzung eines Ausschusses für wissenschaftliche und technische Forschung, der die oben erwähnte Arbeitgruppe "Politik auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung" des Ausschusses für mittelfristige Wirtschaftspolitik ablöste 21. Damit wurde auch fonnal der Wille zur Verfolgung einer eigenständigen Forschungs- und Technologiepolitik sichtbar. Die zweite Entschließung verdeutlichte dies durch zwei Fonnulierungen: Zum einen forderte der Rat, "daß mit Ausnahme der Bereiche, die militärische oder industrielle Geheimnisse betreffen, kein Aktionsbereich auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie von vornherein ausgeschlossen werden" dürfe 22 , zum anderen äußerte er die Auffassung, "daß die verschiedenen Forschungsprogramme, die zur Zeit im Rahmen der Gemeinschaften durchgeführt (würden), sowie die verschiedenen künftigen Maßnahmen sich schrittweise in die Entwicklung der gemeinsamen Politik, wie sie auf der Pariser Gipfelkonferenz umrissen wurde", einfügen müßten 23. Schon vor Verabschiedung der vier Entschließungen vom 14. Januar 1974, Mitte des Jahres 1973, hatte der Rat verschiedene Forschungsprogramme angenommen. Beispielsweise verabschiedete er am 14. Mai 1973 ein Forschungsprogramm der EWG im Bereich der Standards und Referenzsubstanzen 24, am 18. Juni 1973 ein Forschungsprogramm der EWG auf dem Gebiet der neuen Technologien (Sonnenenergie und Rohstoffrückführung) 25 und zwei Programme auf dem Gebiet des Umweltschutzes 26 • Gemeinsam ist diesen Programmen, daß sie auf Art. 235 EWGV gestützt sind. Darin wird eine neue Politik der Anwendung von Art. 235 EWGV sichtbar, die auf der Gipfelkonferenz in Paris am 19. und 20. Oktober 1972 beschlossen worden war. In der Schlußerklärung dieser Konferenz 27 hatten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten das Signal für eine extensive Interpretation der Vorschrift des Art. 235 EWGV durch die Aufforderung gegeben, "alle Bestimmungen der Verträge, einschließlich des Artikels 235 des EWG-Vertrages, weitestgehend auszuschöpfen" 28. Drei der oben beispielhaft erwähnten vier Forschungsprogramme aus dem Jahr 1973 machten von der Möglichkeit Gebrauch, die Gemeinsame Kernforschungsein Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Vorausschau, Bewertung und Methodik, ABI. EG C 7/7. 21 Gemäß Art. 5 der Entschließung wurde diese Arbeitsgruppe aufgelöst; die ihr bisher unterstehenden Gruppen wurden dem neueingesetzten Ausschuß unterstellt. 22 Vgl. Anm. 20, Ziff. 3 der Entschließung. 23 Ebd., Ziff. 6 der Entschließung. 24 ABI. EG L 153/9. 25 ABI. EG L 189/34. 26 ABI. EG L 189/30 und 43. 27 Bull. EG 10 1972, S. 15. 28 Ebd., S. 24; zu dieser Entwicklung vgl. Everling, EuR 1976, Sonderheft, 6 ff.
B. Der Wissenschaftsbereich
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stelle, die bald nur noch als Gemeinsame Forschungsstelle bezeichnet wurde 29 , im Bereich nichtnuklearer Forschung einzusetzen. So bezeichnet etwa der Anhang des Forschungsprogramms auf dem Gebiet der neuen Technologien 30 das Programm als "Direkte Aktion - Nichtnukleare Aktion" und nennt als zuständige Stelle die Forschungsanstalt in Ispra 31. Alle genannten Programmbeschlüsse konkretisieren das seit 1968 erwartete und am 6. Februar 1973 vom Rat beschlossene dritte Mehrjahresforschungsprogramm der Gemeinschaft 32. Art. 235 EWGV diente dem Rat in der Folgezeit dazu, die Forschungspolitik der EG auszuweiten 33 • So beschloß er auf dieser Grundlage z. B. am 14. April 1975 ein Forschungsprogramm für den Textilsektor 34, am 15. März 1976 ein Forschungsprogramm auf dem Gebiet des Umweltschutzes 35, am 13. Februar 1978 eine konzertierte Aktion auf dem Gebiet der Registrierung angeborener Abnormitäten 36 und am 7. Dezember 1981 ein mehrjähriges Forschungs- und Ausbildungsprogramm auf dem Gebiet der molekularbiologischen Technik 3? Im Bereich der EURATOM-Forschung ist die Errichtung des Gemeinsamen Unternehmens JET (Joint European Torus) durch Ratsbeschluß vom 30. Mai 1978 38 hervorzuheben. Zweck des gemäß Art. 49 Abs. 2 EAGV mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Unternehmens ist die Errichtung der weltweit größten Versuchseinrichtung im Bereich der Kernfusion 39 •
2. Die Kommission Die Kommission beteiligte sich an der Entwicklung einer gemeinschaftlichen Forschungspolitik hauptsächlich in Form vom Mitteilungen, in denen sie Grundlinien der Politik entwarf und dem Rat Entschließungsentwürfe unterbreitete. Den Anfang machte eine Aufzeichnung der Kommission für den Rat über eine umfassende Gemeinschaftsaktion auf dem Gebiet der wissenschaftlich-tech29 Vgl. etwa Art. 3 des Ratsbeschlusses vom 18. Juni 1973 über ein Forschungsprogramm der EWG auf dem Gebiet der Standards und Referenzsubstanzen, ABI. EG L 189/32. 30 Vgl. Anm. 25. 31 Neben der Forschungsanstalt in Ispra (Italien) verfügt die Gemeinsame Forschungsstelle über Anstalten in Geel (Belgien), Petten (Niederlande) und Karlsruhe; vgl. Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 485. 32 Vgl. Bull. EG 2 1973, Ziff. 2231; EG-Gesamtbericht 7/1973, Ziff. 363. 33 V gl. Fischer-Dieskau, 36. 34 ABI. EG L 111 /34. 35 ABI. EG L 74/36. 36 ABI. EG L 52/20. 3? ABI. EG L 375/ 1. 38 ABI. EG L 151/10. 39 V gl. Europäische Dokumentation 2/ 1988, Die Politik auf dem Gebiet der Forschung und der technologischen Entwicklung, 51.
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
nologischen Forschung und Entwicklung aus dem Jahr 1971 40 • Im Vorspann bezeichnete die Kommission das vorgelegte Dokument "als Grundlage für alle Initiativen auf dem Gebiete der wissenschaftlich-technischen Forschung und Entwicklung ... ", welche sie in den nächsten Jahren unternehmen würde 41 . Im folgenden konstatierte sie die "Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Strukturen"42 und machte u. a. Vorschläge für die Beseitigung der Krise der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, insbesondere für deren Umstrukturierung 43 . Im übrigen nannte die Kommission fünf für Gemeinschaftsaktionen in Frage kommende Tätigkeitsbereiche, nämlich 1. die Grundlagenforschung, 2. die angewandte Forschung, 3. öffentliche Dienstleistungen, 4. die industrielle Entwicklung und 5. den Umweltschutz 44 • Am 14. Juni 1972 folgte eine Mitteilung der Kommission an den Rat über Ziele und Mittel einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung 45 . Das damalige Kommissionsmitglied Altiero Spinelli erläuterte im Vorwort den Ansatz der Kommission mit den Worten, es solle nicht geprüft werden, was im Rahmen der derzeitigen Strukturen möglich sei, vielmehr müsse festgestellt werden, welcher Forschungsund Entwicklungpolitik die Gemeinschaft bedürfe. Wenn darüber Klarheit bestehe, könne ein konkretes Programm ausgearbeitet werden, für dessen Verwirklichung "die Verträge als solche, teils das Verfahren nach Art. 235 des EWGVertrages und teils das komplexere Verfahren nach Art. 236 des EWG-Vertrages" angewandt werden müßten 46 . Die Mitteilung schloß mit einem Entwurf einer Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die schrittweise Einführung einer gemeinsamen Politik der wissenschaftlichen und technischen Forschung und Entwicklung in der Gemeinschaft 47. Dieser Entschließungsentwurf wurde ersetzt durch vier Entwürfe für Beschlüsse und Entschließungen des Rates allein, die die Kommission diesem am I. August 1973 in einer Mitteilung mit dem Titel "Aktionsprogramm für die Politik im wissenschaftlich-technologischen Bereich" vorlegte 48 und die die Grundlage der Entschließungen des Rates vom 14. Januar 1974 49 darstellten 50. 40 Bull. EG Beil. 1/71. 41 Ebd., S. 4. 42 Ebd., S. 8. 43 Am 13 . Januar 1971 beschloß die Kommission die Reorganisation der Gemeinsamen Kernforschungsstelle (GFS), die gemäß der einzigen Beschlußerwägung der GFS "die zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Verwaltungsautonomie" verleihen sollte; vgl. ABI. EG L 16/14. 44 Vgl. Anm. 40, S. 15. 45 Bull. EG Beil. 6/72. 46 Ebd., S. 7. 47 Ebd., S. 51. 48 Bull. EG Beil. 14/73.
B. Der Wissenschaftsbereich
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Eine weitere Mitteilung an den Rat über Ziele, Prioritäten und Instrumente einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung folgte am 3. November 1975 51 . Die Kommission formulierte mittelfristige Ziele 52 und nannte folgende Möglichkeiten der Durchführung gemeinschaftlicher Maßnahmen: 1. direkte Aktionen, 2. indirekte Aktionen, 3. konzertierte Aktionen und 4. die Koordinierung der nationalen Programme 53. Drei Jahre nach Beginn einer "umfassenden gemeinschaftlichen Forschungsund Technologiepolitik"54, im Juni 1977, zog die Kommission eine erste Bilanz der bisherigen Entwicklung und unterbreitete dem Rat Leitlinien für die Jahre 1977 bis 1980 55 . Allerdings hielt die Kommission darüber hinaus die Aufstellung von langfristigen Zielsetzungen und Prioritäten für unentbehrlich und schlug als Beitrag zur Definition solcher Ziele und Prioritäten ein Programm zur Vorausschau und Bewertung vor 56 . 3. Das Europäische Parlament
Das Europäische Parlament hatte schon lange vor den ersten Schritten auf eine gemeinschaftliche Forschungs- und Technologiepolitik die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes formuliert. In der Sitzung vom 18. Oktober 1966 nahm es zwei Entschließungen zu diesem Thema an, eine über den technologischen Fortschritt und die wissenschaftliche Forschung im Rahmen der EG57 und eine betreffend eine gemeinsame europäische Wissenschaftspolitik 58. In der erstgenannten Entschließung äußerte das Parlament die Ansicht, eine dauerhafte und umfassende Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft sei für eine stetige und harmonische Entwicklung der Wirtschaft der Gemeinschaft erforderlich 59; damit gebrauchte das Parlament eine Wendung, die in Art. 2 EWGV in ähnlicher Weise eine Aufgabe der EWG beschreibt. Jedoch scheint das Europäische Parlament eine Anwendung des Art. 235 EWGV zur Entwicklung einer gemeinschaftlichen Wissenschaftspolitik damals noch nicht für möglich gehalten zu haben, denn in derselben Entschließung bedauerte es, "daß die Verträge der Gemeinschaft dem Buchstaben nach nur wenig Spielraum für eine 49 Vgl. Abschnitt B. 11. 1. b) dieses Teils. 50 Vgl. Bull. EG 1 - 1974, Ziff. 1401. 51 BuH. EG Beil. 4/76. 52 Ebd., S. 6 ff. 53 Ebd., S. 9; zu den ersten drei Modalitäten vgl. Fischer-Dieskau, 39 f.; Glaesner, Gemeinschaftspolitik, 65 ff. 54 Vgl. EG-Kommission, Bull. EG Beil. 3/77, S. 11. 55 Vgl. das in Anm. 54 genannte Dokument. 56 Ebd., S. 36. 57 ABI. EG Nr. 201 /3455. 58 ABI. EG Nr. 201/3457. 59 Vgl. Anm. 57, Ziff. 1 der Entschließung. 4 Niedobitek
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
umfassende gemeinsame Wissenschaftspolitik lassen"6O. Dennoch forderte es in der Sitzung vom 27. November 1967 erneut, "daß man nun von unzusammenhängenden Einzelrnaßnahmen zu einer einheitlichen Politik übergeht, die von der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung und der Entwicklungsarbeit ausgeht und in ein Programm für die Expansion der europäischen Wirtschaft eingegliedert wird" 61. Die Entschließungen der folgenden Jahre waren geprägt von der Entwicklung der EURATOM-Forschung und der Gemeinsamen Forschungsstelle 62 • Außerdem nahm das Parlament regelmäßig zu den forschungspolitischen Aktivitäten der Kommission Stellung 63. In einer Entschließung vom 17. November 1977 resümierte es dabei kritisch, die bisherigen Bemühungen um eine Zusammenarbeit und Koordination im Bereich der Forschungs- und Entwicklungspolitik hätten noch zu keinem richtigen Erfolg geführt 64; die Mitgliedstaaten dürften nicht ihre nationalen Interessen verfechten, "wie dies in der Vergangenheit nur allzu oft geschehen" sei 65.
111. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im Wissenschaftsbereich
1. Der Rat a) Rahmenprogramme Von einer Verstärkung der gemeinschaftlichen Tätigkeit im Wissenschaftsbereich kann spätestens seit Mitte des Jahres 1983 gesprochen werden. Am 25. Juli 1983 nahm der Rat eine Entschließung über Rahmenprogramme für die Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich Forschung, Entwicklung und DemonstraEbd., Ziff. 4 der Entschließung. Ziff. 4 der Entschließung über die europäische Politik für wissenschaftliche und technologische Forschung, ABI. EG Nr. 307 / 6. 62 Vgl. z. B. Entschließung vom 10. Oktober 1972 über die Zukunft der Gemeinsamen Forschungsstelle und die Aufstellung eines Mehrjahresprogramms für Forschung und Ausbildung, ABI. EG C 112/19; Entschließung vom 15. Februar 1973 zur Entwicklung der gemeinsamen Forschung, ABI. EG C 14/47; Entschließung vom 11. Mai 1976 zu den Voraussetzungen für eine Neubelebung der Gemeinschaftsforschung in der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS), ABI. EG C 125/16. 63 Vgl. z. B. Entschließung vom 11. Mai 1976 zu der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend Ziele, Prioritäten und Instrumente einer gemeinsamen Politik der Forschung und Entwicklung, ABI. EG C 125/18; Entschließung vom 17. November 1977 mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend die Politik in den Bereichen Wissenschaft und Technologie, ABI. EG C 299 / 41. 64 Ebd., vgl. die letztgenannte Entschließung, Ziff. 11. 65 Ebd., Ziff. 12. 60
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B. Der Wissenschaftsbereich
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tion und über das erste Rahmenprogramm 1984-1987 an 66. Ungewöhnlich an dieser Entschließung ist die Tatsache, daß sie auf bestimmte Vertragsnormen, die Artikel 235 EWGV und 7 EAGV, gestützt ist, erst nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses erging und in Artikel gegliedert ist 67 • Der Rat traf in dieser Entschließung die grundlegende Entscheidung, zukünftig Rahmenprogramme zu verabschieden; zugleich nahm er das erste Rahmenprogramm an, dessen wissenschaftliche und technische Ziele in Anhang I der Entschießung beschrieben sind. Anhang III enthält "Finanzielle Hinweise" für die einzelnen Ziele in Höhe von insgesamt 3,75 Mrd. ECU. Das zweite Rahmenprogramm im Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung (1987 - 1991) verabschiedete der Rat am 28. September 1987 durch Beschluß 68. Für den Bereich des EWG-Vertrages konnte inzwischen die durch die EEA eingefügte Vorschrift des Art. 130 q Abs. 1 EWGV zugrunde gelegt werden, für den Bereich des EAGVertrages kam wiederum nur Art. 7 EAGV in Betracht. Zur Durchführung des Programms wurden insgesamt 5,396 Mrd. ECU genehmigt 69.
°.
Das dritte und jüngste Rahmenprogramm beschloß der Rat am 23. April 1990 7 Es betrifft den Zeitraum von 1990 bis 1994, überschneidet sich also teilweise mit dem zweiten Rahmenprogramm. Daher bestimmt Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses, daß die zur Durchführung des zweiten Rahmenprogramms gefaßten Beschlüsse nicht berührt würden und daß die in dessen Rahmen noch erforderlichen Beschlüsse gefaßt werden könnten. Für die auf Gemeinschaftsebene zu ergreifenden Maßnahmen formuliert die neunte Begründungserwägung des Beschlusses den Grundsatz der Subsidiarität. Danach müssen solche Maßnahmen "gegenüber den auf einzelstaatlicher Ebene oder auf anderen Ebenen durchgeführten Maßnahmen einen zusätzlichen Wert haben". Die zur Durchführung des Programms für erforderlich gehaltenen Mittel wurden auf insgesamt 5,7 Mrd. ECU festgesetzt, wobei 2,5 Mrd. ECU für die Jahre 1990 bis 1992 und 3,2 Mrd. ECU für die Jahre 1993 bis 1994 angesetzt wurden 71 • Der stärker als in den vorhergehenden Rahmenprogrammen systematisierte Maßnahmenkatalog ist eingeteilt in die drei Teile "Grundlegende Technologien", "Nutzung der natürlichen Ressourcen" und "Nutzung der geistigen Ressourcen". ABI. EG C 208/1. Zu dieser Entschließung vgl. näher Abschnitt C. III. 2. b) des dritten Teils. 68 ABI. EG L 302/ 1. 69 Ebd., Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses; vgl. auch Ergänzungsbeschluß vom 28. März 1988, ABI. EG L 89/35. Rechnet man die in Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses genannten 1,084 Mrd. ECU für schon laufende oder beschlossene Forschungsprogramme hinzu, wie es Damiani, RMC 1987,369, tut, so ergibt sich eine Gesamtsumme von 6,48 Mrd. ECU. 70 ABI. EG L 117 / 28. 71 Ebd., vgl. Anhang I des Beschlusses. 66 67
4*
1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
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Der erste Teil umfaßt 1. die Informations- und Kommunikationstechnologien und 2. industrielle und Werkstofftechnologien, der zweite Teil 1. die Umwelt, 2. Biowissenschaften und -technologien und 3. den Energiebereich. Der dritte Teil wird konkretisiert durch die Formel "Mensch und Mobilität". Der finanzielle Hauptanteil in Höhe von ca. 39 % kommt dabei, wie auch schon im zweiten Rahmenprogramm, den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zugute. Das erste Rahmenprogramm war noch mit 47,2% von der Forschung im Energiesektor dominiert 72 , für die im dritten Rahmenprogramm nur noch etwa 14% der Mittel vorgesehen sind 73 . Zusammenfassend läßt sich somit eine Schwerpunktverlagerung feststellen; eine Erhöhung der Forschungsaufwendungen hat jedoch nicht stattgefunden, wenn man die Geldentwertung und die Erweiterung der Gemeinschaft 74 sowie die gegenüber dem ersten Rahmenprogramm um ein Jahr verlängerte Programmdauer berücksichtigt15. b) Spezifische Programme Der Verabschiedung der Rahmenprogramme folgte eine kaum mehr überschaubare Anzahl auf Art. 130q Abs. 2 EWGV gestützter spezifischer Programme, von denen nur die wichtigsten der gegenwärtig laufenden Programme genannt seien. Aus dem Bereich der Informationstechnologien ist vor allem das Programm ESPRIT von Bedeutung, dessen zweite Phase der Rat am 11. April 1988 beschloß76. Für diese rückwirkend am 1. Dezember 1987 beginnende 77 , fünf Jahre dauernde Phase stehen insgesamt 1,6 Mrd. ECU aus Gemeinschaftsmitteln zur Verfügung 78 • Damit stellt ESPRIT das größte Einzelprogramm der EG dar 79 . Bereits in Ausführung des dritten Rahmenprogramms verabschiedete der Rat am 8. Juli 1991 ein spezifisches Programm im Bereich derInformationstechnologie 80, das gemäß der Beschreibung in Anhang I eine weitere Phase des ESPRITProgramms darstellt. Für dieses bis Ende 1994 laufende Programm stehen nach Art. 2 Abs. 1 etwa 1,3 Mrd. ECU zur Verfügung, mithin fast ein Viertel der gesamten Mittel des dritten Rahmenprogramms. Vgl. Anm. 66, Anhang III der Entschließung. 73 Vgl. Anm. 70. 74 Vgl. dazu Damiani, RMC 1987,369, im Hinblick auf das zweite Rahmenprogramm. 75 Zu den Gründen dafür vgl. die achte Erwägung des zweiten Rahmenprogramms (Anm.68). 76 ABI. EG L 118 / 32. 77 Ebd., vgl. Art. 1 der Entscheidung. 78 Ebd., vgl. Art. 5 der Entscheidung. 79 Vgl. Erster Bericht über den Stand der Wissenschaft und Technologie in Europa, KOM (88) 647. 80 ABI. EG L 218/22. 72
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Finanzmittel in Höhe von 550 Mio. ECU sind für das Programm RACEBI vorgesehen 82 , das auf dem Gebiet der Telekommunikationstechnologien angesiedelt ist. Auf der Grundlage des dritten Rahmenprogramms nahm der Rat am 7. Juni 1991 ein spezifisches Forschungs- und Entwicklungprogramm im Bereich der Kommunikationstechnologie an 83 , für das gemäß Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 484 Mio. ECU verfügbar sind. Die Forschung und technologische Entwicklung in den Bereichen industrielle Fertigungstechnologien und fortgeschrittene Werkstoffe wird von dem Programm BRITE / EURAM 84 abgedeckt, in dem die Programme BRITE 85 und EURAM 86 zusammengefaßt wurden. BRITE / EURAM kann mit einem Finanzvolumen von knapp 500 Mio. ECU zu den größeren Gemeinschaftsprogrammen gerechnet werden. Der Verbesserung der Lebensqualität sollen das nunmehr vierte Programm im Bereich der Forschung in Medizin und Gesundheitswesen 87, das spezifische Forschungs- und Entwicklungsprogramm auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des menschlichen Genoms 88 sowie die Umweltprogramme STEP und EPOCH 89 und das bereits aufgrund des dritten Rahmenprogramms beschlossene spezifische Programm im Bereich der Umwelt 90 dienen. Zwei weitere spezifische Programme betreffen nicht die Forschung, sondern die Forscher selbst: Das Programm SCIENCE91, das auf die "exakten und Naturwissenschaften" beschränkt ist 92 , soll die internationale Zusammenarbeit und den Austausch von Forschern dieser Wissenschaftszweige stimulieren 93; das Programm SPES 94 dient demselben Zweck im Bereich der Wirtschaftswissenschaften 95. Beide Stimulierungspläne zielen auf die Verwirklichung eines "Europas der Forscher"96. 81 82 83 84 85 86 87 88 89
faßt.
90 91 92 93 94 95 96
ABI. EG L 16/35 (1988). Ebd., vgl. Art. 5 der Entscheidung. ABI. EG L 192 /8. ABI. EG L 98 / 18 (1989). ABI. EG L 83 / 8 (1985). ABI. EG L 159/36 (1986). ABI. EG L 334/ 20 (1987). ABI. EG L 196/8 (1990). ABI. EG L 359 / 9 (1989); beide Programme sind in einem Rechtsakt zusammenge-
ABI. EG L 192/29 (1991). ABI. EG L 206/34 (1988). Ebd., vgl. den Anhang der Entscheidung. Ebd., vgl. Art. 1 der Entscheidung. ABI. EG L 44/43 (1989). Ebd., vgl. Art. 1 der Entscheidung. Vgl. sechste Begründungserwägung der SCIENCE-Entscheidung (Anm. 91); fünfte Begründungserwägung der SPES-Entscheidung (Anm. 94).
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Von Bedeutung für die langfristige Planung der Gemeinschaftsforschung ist das am 20. Juni 1989 verabschiedete Programm MONITOR97. Aufbauend auf dem Programm FAST98 soll MONITOR durch Forschung in den Bereichen Analyse, Vorausschau und Bewertung vor allem dazu dienen, "neue Orientierungen und Prioritäten der Gemeinschaftspolitik im Bereich von Forschung und technologischer Entwicklung zu bestimmen"99. Einen abschließend zu nennenden Sonderfall der Konkretisierung der Rahmenprogramme stellen die Entscheidungen des Rates vom 14. Oktober 1988 über die von der Gemeinsamen Forschungsstelle für die EWG und die EAG in den Jahren 1988 -1991 durchzuführenden spezifischen Forschungsprogramme 100 dar. Diese Entscheidungen bestimmen zusammenfassend den Forschungsbeitrag der Gemeinsamen Forschungsstelle zur Durchführung des zweiten Rahmenprogramms und beziehen sich für den Bereich des EWG-Vertrages auf die Aktionslinien "Lebensqualität" und "Industrielle Modemisierung" 101 und für den Bereich des EAG-Vertrages auf die Aktionslinien "Lebensqualität" , "Modemisierung von Industriezweigen" und "Energie" 102. c) Zusammenarbeit mit Drittstaaten Der Rat befaßte sich im Wissenschaftsbereich nicht nur mit der innergemeinschaftlichen Forschung, sondern auch mit der Forschung in Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Am 20. Juni 1989 nahm er eine Entschließung zu dem Verhältnis der "Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung" (COST) zur EG an 103. Er würdigte als spezifische Vorteile von COST ihre Flexibilität und ihren informellen Charakter lO4 und hob die Komplementärrolle von COST in bezug auf die gemeinschaftliche Forschungsund Entwicklungpolitik hervor 105.
2. Die Kommission Die Kommission förderte auch in den achtziger Jahren durch Mitteilungen und Berichte die sich abzeichnende Konsolidierung und Wandlung der Gemein97 ABI. EG L 200/40. 98 1. Phase, ABI. EG 225/38 (1978); 2. Phase, ABI. EG L 193/20 (1983). 99 VgI. Anm. 97, Anhang I der Entscheidung. 100 ABI. EG L 286/29 bzw. 33. 101 Ebd., Anhang A der erstgenannten Entscheidung. 102 Ebd., Anhang Ader zweitgenannten Entscheidung. 103 ABI. EG C 171/1. 104 VgI. dazu Glaesner, Gemeinschaftspolitik, 71. 105 Die im Rahmen von CaST geschlossenen Abkommen werden regelmäßig vom CaST-Sekretariat, das beim Generalsekretariat des Rates eingerichtet ist, veröffentlicht; vgI. z. B. "Sammlung der CaST-Abkommen - Band 5, 1987 - 1988", hrsg. vom Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG, 1989.
B. Der Wissenschaftsbereich
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schaftspolitik im Wissenschaftsbereich 106. So schlug sie 1981 in dem Dokument "Auf dem Weg zu neuen Gemeinschaftspolitiken"107 eine qualitative Änderung des bis dahin sektoralen forschungspolitischen Ansatzes vor 108. Die "neue Etappe für die Weiterentwicklung der europäischen Forschung und Entwicklung" 109 sollte vor allem durch die Definition einer globalen Strategie und durch Ausnutzung der Vorteile der europäischen Dimension gekennzeichnet sein 110. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung hielt die Kommission die Erarbeitung eines allgemeinen Rahmenprogramms der gemeinsamen Forschung und Entwicklung für erforderlich 111. Als erster Ausdruck eines "qualitativen Sprungs" 112 der gemeinschaftlichen Forschungs- und Technologiepolitik kann das Mitte 1985 von der Kommission veröffentlichte Memorandum für eine Technologiegemeinschaft 113 angesehen werden. Diesem folgte wenig später eine Mitteilung zur Durchführung des Memorandums 114 sowie im März 1986 eine weitere Mitteilung über "Die Wissenschaftsund Technologiegemeinschaft" 115. In dieser Mitteilung entwickelte die Kommission Leitlinien für das zweite gemeinschaftliche Rahmenprogramm, betonte aber zugleich, daß die europäische Wissenschafts- und Technologiegemeinschaft nicht auf die Mitgliedstaaten der EG beschränkt werden dürfe. Vielmehr gehe es um die Definition einer Strategie für Forschung und technologische Entwicklung von kontinentalem Ausmaß 116. Daher sei auch in Zukunft eine Symbiose zwischen Gemeinschaftsprogrammen, CaST-Aktionen 117 und EUREKA-Vorhaben 118 zu gewährleisten 119. 106 Neben den hier behandelten Mitteilungen allgemeiner Art erstattete die Kommission auch Bericht über einzelne Programme, etwa über ESPRIT, KOM (86) 687 und KOM (86) 269; über FAST, KOM (86) 10; darüber hinaus widmete sie der Gemeinsamen Forschungsstelle größere Aufmerksamkeit; vgl. z. B. Mitteilung "Eine neue Zielsetzung für die Gemeinsame Forschungsstelle", KOM (87) 491 /2/ rev.; Mitteilung betreffend die GFS, KOM (91) 281. 107 Bull. EG Beil. 4/ 81. 108 Ebd., S. 27. 109 Ebd. 110 Ebd., S. 28. 111 Ebd., S. 30. 112 So Stremmel, 133. 113 KOM (85) 350. 114 KOM (85) 530. 115 KOM (86) 129. 116 Ebd., S. 2. 117 Vgl. dazu Mitteilung der Kommission "COST und die Europäische Technologiegemeinschaft", KOM (88) 191. 118 EUREKA (European Research Coordination Agency) wurde am 17. Juli 1985 auf der ersten EUREKA-Ministerkonferenz in Paris ins Leben gerufen; vgl. Schlußkommuni que, EA 1986, D 33 f.; vgl. auch Mitteilungen der Kommission "Stärkung der Zusammenarbeit zwischen EUREKA und der Gemeinschaft", KOM (88) 291; "EUREKA und die europäische Technologiegemeinschaft", KOM (86) 664.
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Eine umfassende Analyse der Situation von Forschung und technologischer Entwicklung in Europa legte die Kommission Ende 1988 vor 120. Darin kommt sie zu dem Schluß, die europäischen Anstrengungen blieben hinter denen der Hauptkonkurrenten USA und Japan zurück 121, jedoch könne es sich Europa unter den gegenwärtigen Umständen durchaus leisten, mehr für Forschung und Entwicklung auszugeben 122. Aufbauend u. a. auf den Ergebnissen dieses Berichts stellte die Kommission Mitte 1989 Überlegungen zu dem "Rahmen für Gemeinschaftsaktionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung in den 90er Jahren" an 123. Sie verdeutlichte das von ihr im Wissenschaftsbereich als "Arbeitsprinzip" und Leitlinie bezeichnete Modell der Subsidiarität, das sich dadurch auszeichne, daß eine Aufgabe stets auf der Ebene wahrzunehmen sei, auf der sie am wirksamsten erfüllt werden könne, gleich ob dies die höhere oder die niedrigere Ebene sei 124. Weitere von der Kommission in dem Dokument entwickelte besondere und allgemeine Leitlinien sollen der Gemeinschaft den Weg weisen, die "Herausforderungen von 1992 und die Zeit danach in einem veränderten internationalen und wissenschaftlichen Umfeld" 125 zu bewältigen. Zur Erleichterung des dafür erforderlichen Informationsaustauschs empfahl die Kommission den Mitgliedstaaten am 6. Mai 1991 die Harmonisierung der Datenbanken auf dem Gebiet der Forschung und technologischen Entwicklung 126.
3. Das Europäische Parlament Schon seit Anfang der achtziger Jahre forderte das Europäisch~ Parlament die "Ausbildung eines europäischen Wissenschaftsraums" 127 und eine "grundlegende Umstrukturierung der Forschungspolitik in Europa" 128. Dafür hielt es eine Vertragsänderung für erforderlich mit dem Ziel, die gemeinschaftliche Forschungspolitik im EWG-Vertrag zu verankern 129, die einen "möglichen Ansatz zur Bewältigung der technologisch bedingten kulturellen Umwälzung" darstelle 130. In einer 119 Vgl. Anm. 115, S. 29; für einen Überblick vgl. Mitteilung "Zusammenarbeit mit Drittländern auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technologie", KOM (90) 256. 120 Erster Bericht über den Stand von Wissenschaft und Technologie in Europa, KOM (88) 647. 121 Ebd., S. 2. 122 Ebd., S. 3. 123 SEK (89) 675, abgedruckt in: BR-Drs. 364 /89. 124 Ebd., S. 7. 125 Ebd., S. I. 126 ABI. EG L 189/1. 127 Ziff. 20 der Entschließung vom 18. November 1982 zu den Problemen und Aussichten der gemeinsamen Forschungspolitik, ABI. EG C 334/96. 128 Ebd., Ziff. 8. 129 Ebd., Ziff. 49.
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Entschließung vom 13. Juni 1985 wies das Parlament erneut auf die Vorteile eines "europäischen wissenschaftlichen Technologieraums" hin 131 und äußerte sich in diesem Zusammenhang zustimmend zur Beteiligung von nicht der EG angehörenden europäischen Staaten an diesem Vorhaben 132. Seine Vorstellung von einem europäischen Forschungsraum präzisierte das Parlament in der Sitzung am 9. Oktober 1985 133 • Allgemeines Ziel sei es, Doppelarbeit zu vermeiden und die Forschungsmittel sinnvoller einzusetzen 134, im besonderen solle der gemeinsame Wissenschaftsraum auch "zur Überwindung der Kluft zwischen den technologisch hochentwickelten und den weniger entwickelten Mitgliedstaaten beitragen" 135. Im Rahmen der Diskussion um das zweite Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung verabschiedete das Europäische Parlament am 10. Juli 1986 drei Entschließungen zur europäischen Forschungspolitik 136, deren erste die Aufforderung an die Gemeinschaft enthält, "unverzüglich eine echte Forschungspolitik (zu verwirklichen), die es ihr ... ermöglicht, auf die technologischen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu reagieren" 137.
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn I. Einleitung
Die Bereiche der Bildung und der Wissenschaft lassen sich relativ exakt eingrenzen, der Bereich der Kultur geht aber darüber hinaus, ohne daß eine verbindliche Bestimmung seines Umfangs möglich wäre. Eine genauere Eingrenzung hängt von dem jeweils zugrunde liegenden Verständnis von Kultur ab. Versteht man etwa - wie Werner Thieme 1960 schreibt - unter Kultur die "Werte des Schönen, des Guten und des Wahren, Werte, die sich nicht in Geld ausdrücken lassen, mögen sie auch ... notgedrungen einen in Geld ausdrückbaren Preis haben" I, so ist dies Ausdruck eines relativ engen Kulturverständnisses. Geht man dagegen von moderneren Definitionen aus, gelangt man zu einem Ebd., Ziff. 7. Buchst. C der Entschließung zu Europäischen Initiativen im Bereich Forschung und Entwicklung, ABI. EG C 175/212. 132 Ebd., Ziff. 4. 133 Entschließung zur Schaffung eines europäischen Forschungsraums, ABI. EG C 288/59. 134 Ebd., Ziff. 2. 135 Ebd., Ziff. 6. 136 ABI. EG C 227/101,102,103. 137 Ebd., Ziff. 1. I Thieme, Kulturordnung, 59. 130 131
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
weiten, kaum konturierten Kulturbegriff. So beschreibt die Brockhaus Enzyklopädie den Begriff Kultur als "die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, bes. der Werteinstellungen"2, und noch etwas weiter ist der Kulturbegriff der UNESCO, die darunter "die Gesamtheit der geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Faktoren (versteht), die das Wesen einer Gesellschaft oder einer gesellschaftlichen Gruppe ausmachen". Sie umfasse neben den schönen Künsten und den Geisteswissenschaften die Lebensformen, die menschlichen Grundrechte, die Wertordnungen, die Traditionen und die Glaubensformen 3 • Eine Festlegung auf einen bestimmten Kulturbegriff soll im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen, weil andernfalls einzelne Maßnahmen willkürlich ausgegrenzt werden könnten, die von den Gemeinschaftsorganen zum kulturellen Bereich gezählt werden 4. Hier wird daher pragmatisch vom "engeren Kulturbereich" in Abgrenzung zum Bildungs- und Wissenschaftsbereich gesprochen. Danach umfaßt der engere Kulturbereich als subsidiärer Begriff alle kulturellen Tatbestände, die weder dem Bildungs- noch dem Wissenschaftsbereich zugeordnet werden können. Dies führt zu der Frage nach den Vorschriften der Gemeinschaftsverträge, die außerhalb der Bereiche von Bildung und Wissenschaft einen unmittelbaren Bezug zum Kulturbereich aufweisen. Lediglich im EWG-Vertrag taucht der Begriff zweimal in unterschiedlichem Zusammenhang auf. Nach Art. 36 EWGV stehen die Bestimmungen über die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die "zum Schutz ... des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert ... gerechtfertigt sind". Art. 131 Abs.3 EWGV beschreibt es als Ziel der Assoziierung überseeischer Länder und Hoheitsgebiete, den Interessen der Einwohner dieser Gebiete zu dienen, "um sie der von ihnen erstrebten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung entgegenzuführen". Die Gemeinschaftsverträge erwähnen die Kultur also praktisch nicht, sie sind in dieser Hinsicht "extremement discret"5. Daran hat auch die EEA nichts geändert, obwohl diesbezügliche Vertragsänderungsvorschläge vorgelegen hatten 6. Dennoch sind Entwicklung und Intensivierung gemeinschaftlicher Tätigkeit im kulturellen Bereich nicht zu übersehen.
2 Brockhaus Enzyklopädie, Zehnter Band, 17. Aufl., Wiesbaden 1970, Stichwort "Kultur". 3 Zitiert nach: Wirtschafts- und Sozialausschuß, Ziff. 2.2. der Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission über neue Impulse für die Aktion der Europäischen Gemeinschaft im kulturellen Bereich, ABI. EG C 175/40 (1988). 4 Ähnlich begründet Köstlin, 21, seine Enthaltsamkeit im Hinblick auf Definitionsversuche. 5 So Wägenbaur, L'Europe des citoyens, 477. 6 Vgl. de Zwaan, CML Rev. 1986,759.
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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11. Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit im engeren KuIturbereich J. Der Rat
Bereits in den frühen sechziger Jahren, am 15. Oktober 1963, verabschiedete der Rat eine Richtlinie zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens 7 sowie etwa eineinhalb Jahre später eine zweite, ergänzende Richtlinie in diesem Bereich 8 • Schritte zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die Tätigkeit des Filmverleihs und zur Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für die Tätigkeit der Filmproduktion wurden durch zwei Richtlinien vom 15. Oktober 1968 9 und vom 29. September 1970 10 festgelegt 11. Schließlich ist auf die Richtlinie vom 12. Januar 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für bestimmte selbständige Tätigkeiten hinzuweisen 12, die nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. g) auch für literarische und künstlerische Tätigkeiten gilt. Obgleich die genannten Richtlinien die Erleichterung der Ausübung kulturbezogener Tätigkeiten innerhalb der Gemeinschaft bezwecken und daher dem Kulturbereich im engeren Sinn zuzuordnen sind, können sie nicht schon als Beginn einer "Politik" im kulturellen Bereich angesehen werden. Sie sind auf einen engen Sektor beruflicher Tätigkeit im Kulturbereich beschränkt und fügen sich nicht in eine weitergehende Strategie in diesem Bereich ein, sondern sind Teil umfassender Bemühungen auf Gemeinschaftsebene, die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für verschiedene Berufe zu verwirklichen 13.
2. Die Kommission Bestrebungen der Kommission zur Entwicklung einer Gemeinschaftspolitik im engeren Kulturbereich lassen sich in der ersten Hälfte der siebziger Jahre nachweisen; sie fanden ihren Ausdruck in einer Arbeitsunterlage über die gemeinschaftliche Aktion im kulturellen Bereich, die die Kommission im Januar 1976 dem Europäischen Parlament übermittelte 14. Knapp zwei Jahre später legte sie auch dem Rat eine Mitteilung über "Die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich" vor l5 • Der Schwerpunkt dieses Dokuments liegt auf der "Anwendung ABI. EG Nr. 159/2661. Richtlinie vom 13. Mai 1965, ABI. EG Nr. 85/1437. 9 ABI. EG L 260/22. 10 ABI. EG L 218/37. 11 Zu diesen vier Richtlinien betreffend das Filmwesen näher Keßler, 58 ff. 12 ABI. EG Nr. 10 /140. 13 Vgl. EWG-Gesamtbericht 7/1964, Ziff. 41 ff. 14 Vgl. EG-Gesamtbericht 10 / 1976, Ziff. 406. 15 Bull. EG Beil. 6/77. 7
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
des Vertrages im kulturellen Bereich" 16, darüber hinaus werden aber auch "Sonstige Maßnahmen" behandelt l7 • Der erste Teil betrifft z. B. den freien Handel mit Kulturgütern, Berufspraktika junger Kulturschaffender, die Steuerharmonisierung im kulturellen Bereich und die Harmonisierung des Urheberrechts. Unter den im zweiten Teil genannten Maßnahmen sind die Erhaltung von Baudenkmälern 18 und die Förderung des Kulturaustauschs hervorzuheben. Die Legitimität der Beschäftigung mit dem Kulturbereich leitet die Kommission aus der Begriffsbestimmung dieses Bereichs ab, den sie umschreibt als "das sozio-ökonomische Gefüge von Personen und Unternehmen, die Kulturgüter produzieren und verteilen" 19. Folgerichtig konzentriere sie sich auf die Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die sich in diesem Bereich wie überall stellten 20. Dabei handele es sich nicht um Kulturpolitik, genauso wenig wie der kulturelle Bereich die Kultur schlechthin sei 21. Leitet also die Kommission die Befugnis für ein Tätigwerden im kulturellen Bereich grundsätzlich aus dem EWG-Vertrag her 22 , so stützt sie sich dennoch teilweise auf außerhalb des Vertrages liegende Rechtfertigungen. Etwa begründet sie die Notwendigkeit, auf Gemeinschaftsebene gegen den Diebstahl von Kulturgütern vorzugehen, mit der Erwägung, derartige Diebstähle seien eine "wahre Plage" geworden, und Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene hätten mehr Aussicht auf Erfolg, da die Schwarzhändler nichts Eiligeres zu tun hätten, als ihre Beute über die Grenze zu schaffen 23. Die Mitteilung schließt mit einem - angesichts der späteren Entwicklung als kühn zu bezeichnenden - Entwurf einer Entschließung allein des Rates, mit der die Verwirklichung der Aktion im kulturellen Bereich beschlossen werden sollte 24 •
3. Das Europäische Parlament Die soeben geschilderten Aktivitäten der Kommission lassen sich letztlich auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Mai 1974 zum Schutz des europäischen Kulturguts 25 zurückführen 26. Diese Entschließung reicht viel
Ebd., S. 7 ff. Ebd., S. 20 ff. 18 Vgl. dazu schon Empfehlung der Kommission vom 20. Dezember 1974 an die Mitgliedstaaten zum Schutz des baulichen Kulturerbes und des natürlichen Lebensraums, ABI. EG L 21 /22. 19 Vgl. Anm. 15, S. 5. 20 Ebd., S. 5/6. 21 Ebd., S. 6. 22 Ebd., S. 7. 23 Ebd. 24 Ebd., S. 28. 25 ABI. EG C 62/5. 16
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c. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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weiter als ihr Titel vermuten läßt. Sie betrifft neben Fragen der Erhaltung von Kunstwerken und Kulturdenkmälern 27 u. a. auch den Schutz und die Förderung des Kulturschaffens 28 , die Harrnonisierung des Urheberrechts 29 und die Harmonisierung der steuerlichen Regeln im kulturellen Bereich 30. Entscheidend aber ist der Wunsch des Parlaments, "daß die Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz des europäischen Kulturguts sowie einige weitere Fragen im Kulturbereich, bei denen ein gemeinschaftliches Vorgehen möglich und erwünscht ist, auf die Tagesordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften" gesetzt würden 3!, und das an die Kommission gerichtete Ersuchen, "dem Rat in Anwendung des EWGVertrages eine Reihe konkreter Maßnahmen vorzuschlagen"32. Als Reaktion auf die von der Kommission daraufhin ergriffenen Maßnahmen verabschiedete das Parlament am 8. März 1976 33 und am 18. Januar 1979 34 zwei weitere Entschließungen, in denen es das Fehlen eines Zeitplans bemängelte 35 und die Kommission erneut aufforderte, dem Rat formelle Vorschläge zu unterbreiten 36. Neben der Formulierung einer allgemeinen Politik im kulturellen Bereich befaßte sich das Europäische Parlament auch mit einzelnen Aspekten der kulturellen Dimension, etwa mit der Gründung eines Jugendorchesters der Europäischen Gemeinschaften 37 und der Möglichkeit, das Jahr 1985 zum Europäischen Jahr der Musik zu erklären 38 , sowie mit der sozialen Lage der Kulturschaffenden 39 . Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Aktivitäten des Europäischen Parlaments im engeren Kulturbereich noch stärker als im Bildungs- und im Wissenschaftsbereich die Entstehung einer Gemeinschaftspolitik gefördert haben.
26 Die Kommission bezeichnet in ihrer Mitteilung über die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich diese Entschließung als den "Grundstein" der Aktion; vgl. Bull. EG Beil. 6/77, S. 5. 27 Vgl. Anm. 25, Ziff. 12 und 13 der Entschließung. 28 Ebd., Ziff. 4. 29 Ebd., Ziff. 11. 30 Ebd., Ziff. 10. 3! Ebd., Ziff. 8. 32 Ebd., Ziff. 9. 33 ABI. EG C 79/6. 34 ABI. EG C 39/50. 35 Vgl. Anm. 33, Ziff. 2 der Entschließung. 36 Ebd., Ziff. 4 der Entschließung; Anm. 34, Ziff. 10 der Entschließung. 37 Entschließung vom 8. März 1976, ABI. EG C 79/8. 38 Entschließung vom 18. November 1980, ABI. EG C 327/13. 39 Entschließung vom 16. Januar 1981, ABI. EG C 28/82.
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich III. Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit im engeren Kulturbereich
1. Der Rat und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten a) Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten Die Verabschiedung von Entschließungen durch die "Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" bedeutet in formaler Hinsicht, daß unter den denkbaren Handlungsmöglichkeiten auf Ratsebene diejenige mit dem schwächsten Gemeinschaftsbezug gewählt wurde: Die Minister sind nicht einmal "im Rat vereinigt". Immerhin handeln sie aber als Vertreter der "Mitgliedstaaten" und nehmen damit Bezug auf eine Eigenschaft, die sie von Vertretern anderer Staaten unterscheidet und ihr Zusammenkommen besonders legitimiert. Solche Entschließungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten sind selten. Die ersten Aktivitäten auf Ratsebene im engeren Kulturbereich sind allerdings durch diese Handlungsform gekennzeichnet. Es handelt sich um drei Entschließungen vom 24. Juli 1984 40 , eine betreffend die Bekämpfung der widerrechtlichen Verwertung audiovisuellen Materials 41 , eine weitere betreffend die rationelle Verbreitung von Filmwerken in allen audiovisuellen Medien 42 und schließlich eine Entschließung über Maßnahmen zur Gewährleistung eines angemessenen Platzes für audiovisuelle Programme mit Ursprung in Europa 43, b) Die im Rat vereinigten Regierungsvertreter Im Zeitraum zwischen Juni 1985 und November 1986 verabschiedeten die für Kulturfragen zuständigen Minister der Mitgliedstaaten eine größere Anzahl von Entschließungen unter Hinweis auf ihr Zusammentreten im Rat. Ein großer Teil dieser Entschließungen betrifft den Bereich der Kunst, die übrigen sind einzelnen anderen kulturellen Aktivitäten gewidmet. Zur ersten Kategorie gehören die Entschließungen über einen europäischen Bildhauerwettbewerb vom 13. Juni 1985 44 und über die Festlegung von Sonderbedingungen für Jugendliche für den Zutritt zu Museen und kulturellen Veranstaltungen vom 20. Dezember 1985 45 sowie drei Entschließungen vom 13. November 1986 über die Erhaltung des europäischen architektonischen Erbes 46, über die 40 Die für Kulturfragen zuständigen Minister treten allerdings schon seit 1982 regelmäßig zusammen; vgl. Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 487. 41 ABI.EGC204/1. 42 ABI. EG C 204/2. 43 Ebd. 44 ABI. EG C 153/3. 45 ABI. EG C 348 / 2. 46 ABI. EG C 320/1.
c.
Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Erhaltung von Kunstwerken und sonstigen Werken von kulturellem und historischem Wert 47 und über die Förderung des Kulturschaffens durch Untemehmen 48 • Die zweite Gruppe umfaßt Entschließungen über die alljährliche Benennung einer "Kulturstadt Europas" vom 13. Juni 1985 49 , über Veranstaltungen zur Vorführung europäischer audiovisueller Produktionen in dritten Ländern, ebenfalls vom 13. Juni 1985 5°, und über die Einrichtung von grenzüberschreitenden Kulturreiserouten vom 17. Februar 1986 51 • Damit schien die Verabschiedung von Entschließungen durch die im Rat vereinigten Minister zu einem Ende gekommen zu sein. Erst in neuerer Zeit sind wieder Beschlüsse der im Rat vereinigten Minister allein feststellbar. Am 18. Mai 1990 nahmen die Minister Schlußfolgerungen im Hinblick auf die künftigen Bedingungen für die Ernennung zur "Kulturstadt Europas" und einen europäischen Kulturmonat an 52 und verabschiedeten am 7. Juni 1991 eine Reihe von Entschließungen bzw. Schlußfolgerungen, die sich mit der zeitweiligen Einreise von aus der EG stammenden Künstlern in das Hoheitsgebiet der USA 53, mit der Entwicklung des Theaters in Europa 54 und mit dem Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten 55 beschäftigen. c) Der Rat und die Regierungsvertreter gemeinsam Entschließungen der Minister in ihrer Eigenschaft als Rat und im Rat vereinigte, für Kulturfragen zuständige Minister zugleich sind zunehmend nach Verabschiedung der erwähnten Entschließung der im Rat vereinigten Minister vom 17. Februar 1986 56 feststellbar 57 • Mit der "gemischten" Formel hat sich eine weitere Beschlußform im engeren kulturellen Bereich etabliert, ohne daß auch eine generelle, die neue Beschlußform erklärende Änderung der Entschließungsinhalte erkennbar wäre. Die Entschließungen bzw. Schlußfolgerungen betreffen nach wie vor unterschiedlichste kulturelle Gebiete, so z. B. das europäische Film- und ABI. EG C 320/3. ABI. EG C 320/2. 49 ABI. EG C 153/2. 50 Ebd. 51 ABI. EG C 44/2. 52 ABI. EG C 162/1. 53 ABI. EG C 188/2. 54 ABI. EG C 188/3. 55 ABI. EG C 188/4. 56 V gl. Anm. 51. 57 Vor diesem Zeitpunkt wurde vom Rat und den im Rat vereinigten, für Kulturfragen zuständigen Ministern lediglich eine Entschließung über den verstärkten Einsatz des Sozialfonds zugunsten der Kulturschaffenden, ABI. EG C 2/2 (1985), und eine weitere über die Zusammenarbeit zwischen den Bibliotheken im Bereich der Informatik, ABI. EG C 271/1 (1985), angenommen. 47 48
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
Fernsehjahr 1988 58 , die Förderung des Buches und der Lektüre 59 , den Schutz des nationalen Kulturguts im Hinblick auf Art. 36 EWGV6O, die Ausbildung von Verwaltungsfachleuten für den kulturellen Bereich 61 oder die Förderung der Übersetzung bedeutender Werke der europäischen Kultur 62 , wobei die zuletzt genannte Entschließung durch die Besonderheit hervorsticht, daß sie - soweit ersichtlich als einzige im engeren Kulturbereich - ausdrücklich auf den EWGVertrag, wenn auch nicht auf eine bestimmte Vorschrift desselben, gestützt ist. Die Häufigkeit der in "gemischter" Form angenommenen Beschlüsse auf Ratsebene scheint Ausdruck einer Tendenz zu sein, den Rat im engeren kulturellen Bereich verstärkt zu beteiligen. Dies läßt sich am Beispiel der Schlußfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Minister vom 6. Oktober 1989 zum Jugendausweis in Europa 63 erhärten. Diese Schlußfolgerungen betreffen Vergünstigungen, die den Jugendlichen auf den Gebieten Kultur, Sport, Reisen und Beherbergung zur Erleichterung der Mobilität gewährt werden sollen. Sie zielen somit in die gleiche Richtung wie die oben erwähnte Entschließung aus dem Jahr 1985 betreffend die Sonderbedingungen für Jugendliche für den Zutritt zu Museen und kulturellen Veranstaltungen 64 , an der der Rat aber noch nicht beteiligt war. Die zunehmende Verstärkung gemeinschaftlicher Aktivität im engeren Kulturbereich in den achtziger Jahren manifestiert sich nicht nur in den Entschließungen zu einzelnen Themen des kulturellen Bereichs, sondern auch und vor allem in zwei Beschlüssen genereller Art vom 27. Mai 1988. Zunächst verabschiedeten der Rat und die für Kulturfragen zuständigen Minister eine Entschließung über die künftige Gestaltung ihrer Arbeit 65, in der sie einen aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission bestehenden Ausschuß für Kulturfragen einsetzten und die Kommission beauftragten, in Zusammenarbeit mit diesem Ausschuß die auf Ratsebene beschlossenen Aktionen durchzuführen. Außerdem nahmen sie Schlußfolgerungen betreffend die künftigen vorrangigen Aktionen im Kulturbereich an 66 und räumten Vorrang 1. der Förderung des audiovisuellen Sektors, 2. dem Büchersektor, 3. der kulturellen Aus- und Weiterbildung sowie 4. der Förderung des Kulturschaffens durch Unternehmen ein. Über den zuletzt genannten Punkt war noch am 13. Dezember 1986 eine Entschließung ohne Beteiligung des Rates angenommen worden 67 • Dies belegt erneut die verstärkte Einbeziehung des Rates im engeren Kulturbereich. 58 59
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Entschließung vom 13. November 1986, ABi. EG C 320/4. Entschließung vom 18. Mai 1989, ABi. EG C 183/1. Schlußfolgerungen vom 19. November 1990, Bull. EG 11 - 1990, Ziff. 1. 3.187. Entschließung vom 7. Juni 1991, ABi. EG C 188/1. Entschließung vom 9. November 1987, ABi. EG C 309/3. ABi. EG C 277 / 7. Vgi. den vorhergehenden Abschnitt bei Anm. 45. ABi. EG C 197/1. ABI. EG C 197/2.
c. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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In den Schlußfolgerungen vom 24. Mai 1988 68 äußern der Rat und die Minister außerdem ihre Einigkeit darüber, "daß die seit 1984 im Kulturbereich verabschiedeten Entschließungen ohne Einschränkung durchgeführt werden sollten". Eine Unterscheidung nach den Urhebern der jeweiligen Entschließungen findet nicht statt, so daß offenbar auch die ursprünglich ohne Beteiligung des Rates angenommenen Entschließungen diesem forthin zugerechnet werden sollen. d) Der Rat Die Aktivitäten des Rates allein im engeren Kulturbereich lassen sich mit den Stichworten "Jugendaustausch", "Fremdenverkehr" "Fernsehen in Europa" und "Urheberrechtsschutz" umschreiben. Der fugendaustausch wird auf Gemeinschaftsebene durch das Programm "Jugend für Europa" gefördert, dessen erste, bis zum 31. Dezember 1991 dauernde Phase der Rat am 16. Juni 1988 beschlossen hatte 69. Die sich unmittelbar anschließende zweite, bis Ende 1994 dauernde Phase verabschiedete der Rat am 29. Juli 1991 7 Das auf Art. 235 EWGV gestützte Programm wendet sich gemäß Art. 1 des Beschlusses über die erste Phase an Gruppen von Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren, die mindestens einwöchige Austauschprogramme veranstalten möchten. Der Austausch soll es den Jugendlichen nach Art. 1 dieses Beschlusses ermöglichen, Fähigkeiten für ihr Berufsleben als Jugendliche und Erwachsene in der Gemeinschaft u. a. dadurch zu entwickeln, daß sie einen besseren Einblick in das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben anderer Mitgliedstaaten gewinnen, daß sie Ideen mit anderen Jugendlichen austauschen und daß sie das Bewußtsein der Zugehörigkeit zum europäischen Raum stärken. Wenn das Programm also auch gewisse Bezüge zum Berufsausbildungsbereich aufweist, so ist es doch geprägt von einer engeren kulturbezogenen Intention. Die zweite Phase beruht im wesentlichen auf denselben Vorstellungen wie die erste 7 !, weist aber gemäß Art. 2 Abs. 1 gegenüber der ersten Phase für den gleichen Zeitraum einen nominellen Zuwachs an Finanzmitteln von über 60 % auf.
°.
Im Bereich des Fremdenverkehrs verabschiedete der Rat am 22. Dezember 1986 vier spezifische Maßnahmen. Durch den Beschluß zur Einführung eines Verfahrens zur Konsultation und Zusammenarbeit im Bereich des Fremdenverkehrs 72 setzte er einen Beratenden Ausschuß für den Fremdenverkehr ein, der Vgl. den vorhergehenden Abschnitt bei Anm. 48. Vgl. Anm. 66. 69 ABI. EG L 158/42. 70 ABI. EG L 217 / 25. 7! Ebd., Anhang. 72 ABI. EG L 384/52; vgl. dazu Entscheidung vom 17. Dezember 1990 über ein Zweijahresprogramm 1991-1992 zur Entwicklung der gemeinschaftlichen Fremdenverkehrsstatistik, ABI. EG L 358/89. 67
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5 Niedobitek
I. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
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gemäß Art. 2 die Aufgabe hat, "den Infonnationsaustausch, die Konsultationen und gegebenenfalls die Zusammenarbeit im Bereich des Fremdenverkehrs, insbesondere der Dienstleistungen für Touristen, zu erleichtern". Außerdem richtete er an die Mitgliedstaaten eine Empfehlung über einheitliche Infonnationen in Hotels 73 und eine weitere Empfehlung über den Brandschutz in bestehenden Hotels 74, die beide, ebenso wie der zuvor genannte Beschluß, auf Art. 235 EWGV gestützt sind. Schließlich faßte er am seI ben Tag eine Entschließung zu einer besseren zeitlichen und räumlichen Verteilung des Fremdenverkehrs 75 • Im zweiten Erwägungsgrund dieser Entschließung hebt er die Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten, aber auch für die Annäherung der Völker Europas hervor und führt im darauf folgenden Erwägungsgrund aus, der Fremdenverkehr hänge weitgehend von der Nutzung der natürlichen und kulturellen Ressourcen der Länder als Attraktion für die Besucher ab. Der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und der kulturellen Dimension des Fremdenverkehrs kommt auch in dem am 21. Dezember 1988 beschlossenen Aktionsprogramm für das Europäische Jahr des Fremdenverkehrs 76 zum Ausdruck. Das gemäß Art. 1 des Beschlusses zum Europäischen Jahr des Fremdenverkehrs erklärte Jahr 1990 soll nach Art. 2 "die Schaffung eines großen Raums ohne Grenzen durch die Nutzung der integrierenden Funktion des Fremdenverkehrs bei der Schaffung eines Europas der Bürger vorbereiten", also einerseits die kulturelle Dimension des Fremdenverkehrs betonen, aber auch "die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Fremdenverkehrsgewerbes ... hervorheben". Hinter dem Stichwort "Fernsehen in Europa" verbergen sich zwei verschiedene Regelungsbereiche. Einmal geht es um den Bereich der Vereinheitlichung von technischen Nonnen. Hier verabschiedete der Rat am 3. November 1986 eine Richtlinie über die Annahme gemeinsamer technischer Spezifikationen im Hinblick auf die Direktausstrahlung von Fernsehsendungen über Satelliten 77, um die Verbreitung von Fernsehprogrammen, die im gesamten Gebiet der Gemeinschaft empfangen werden können, zu erleichtern 78. Außerdem nahm er am 27. April 1989 einen Beschluß über das hochauflösende Fernsehen an 79 , in dem er eine umfassende Strategie zur Einführung des hochauflösenden Fernsehens in Europa entwickelte und in diesem Zusammenhang die weltweite Annahme der europäischen HDTV-Nonn zum Ziel erklärte 80. EG L 384/54. EG L 384/ 60. 75 EG C 340/1. 76 EG L 17/53 (1989). 77 EG L 311 / 28. 78 Ebd., dritter Erwägungsgrund. 79 ABI. EG L 142/1. 80 Vgl. dazu Beschluß des Rates vom 7. Dezember 1989 über ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten bei der Annahme einer einzigen weltweiten Produktions73 74
ABI. ABI. ABI. ABI. ABI.
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Der zweite Regelungsbereich betrifft die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für Fernsehsendungen. Am 3. Oktober 1989 nahm der Rat, gestützt auf Art. 57 Abs.2 und 66 EWGV, eine Richtlinie zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit an 81, im folgenden als "Fernsehrichtlinie" bezeichnet. Ein Tätigwerden des Rates im Bereich des Fernsehens wurde durch die Annahme ermöglicht, die Fernsehtätigkeit stelle "unter normalen Umständen eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages dar" 82. Der Vertrag sehe den freien Verkehr aller in der Regel gegen Entgelt erbrachten Dienstleistungen vor, unbeschadet ihres kulturellen oder sonstigen Inhalts 83 . Die Richtlinie enthält - nach Ansicht des Rates als notwendiges Mindestmaß zur Verwirklichung des freien Sendeverkehrs 84 - Regelungen hinsichtlich des Rechts auf Gegendarstellung, des Schutzes Minderjähriger, der Femsehwerbung und des Sponsorings sowie betreffend die Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen. Der zuletzt genannte Regelungsbereich schreibt den Mitgliedstaaten in Art. 4 der Richtlinie vor, "im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge (zu tragen), daß die Fernsehveranstalter den Hauptteil ihrer Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe- und Teletextleistungen besteht, der Sendung von europäischen Werken im Sinne des Artikels 6 vorbehalten". Die Begünstigung europäischer Werke hätte nach den ursprünglichen Vorstellungen der Kommission durch die Festlegung bestimmter Quoten erfolgen sollen 85. Die rechtliche Verbindlichkeit der schließlich ohnedies stark abgeschwächten Formulierung wird durch eine Reihe von Protokollerklärungen 86 in Frage gestellt 87. Auch die Kommission erklärte, der gefundene Komprorniß enthalte lediglich eine politische, keine rechtliche Verpflichtung 88. Als weitere Maßnahme zur Förderung der europäischen audiovisuellen Industrie beschloß der Rat am 21. Dezember 1990 das MEDIA-Programm 89. Das Programm faßt zwei Vorschläge der Kommission, einen auf Art. 235 EWGV gestützten Vorschlag über die Durchführung eines Aktionsprogramms zur Fördenorm für das hochauflösende Fernsehen durch die Vollversammlung des Internationalen beratenden Ausschusses für den Funkdienst (CCIR) im Jahr 1990, ABI. EG L 363/30. 81 ABI. EG L 298/23. 82 Ebd., sechter Erwägungsgrund. 83 Ebd., siebter Erwägungsgrund. 84 Ebd., dreizehnter Erwägungsgrund. 85 Art. 2 des Kommissionsvorschlags, ABI. EG C 179/4 (1986). 86 VgI. Europe Agence Internationale NT. 5103 vom 4.10.1989, S. 7. 87 VgI. die Kritik an dieser "geheimen Gesetzgebung" in der Schriftlichen Anfrage NT. 758/89 an die Kommission, ABI. EG C 97/21 (1990). 88 VgI. Anm. 86. 89 ABI. EG L 380/37. 5*
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1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
rung der Entwicklung der europäischen audiovisuellen Industrie 90 und einen auf Art. 128 EWGV gestützten Vorschlag über die Durchführung einer Gemeinschaftsaktion zur beruflichen Fortbildung im audiovisuellen Bereich 91 , zusammen 92 • Es ist insgesamt auf Art. 235 EWGV gestützt, weil "im Rahmen des Funktionierens des Binnenmarktes die europäische audiovisuelle Programmindustrie gefördert werden (müsse), ... jedoch die hierzu erforderlichen Befugnisse im Vertrag nicht vorgesehen" seien 93 . Damit stellt sich die Frage, ob die Fernsehrichtlinie wegen der sog. Quotenregelung - sollte ihr doch eine rechtliche Bedeutung zukommen 94 - nicht zusätzlich auf Art. 235 EWGV hätte gestützt werden müssen. Im Bereich der Urheberrechte waren bis vor kurzem Rechtsakte des Rates nicht zu verzeichnen. Insbesondere enthält die Fernsehrichtlinie 95, anders als von der Kommission vorgeschlagen 96 , keine Regelung betreffend das Urheberrecht. Am 14. Mai 1991 verabschiedete der Rat nun einen ersten Rechtsakt in diesem Bereich, die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen 97. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser auf Art. 100a EWGV gestützten Richtlinie "schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlieh als literarische Werke im Sinne der Bemer Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst". Die Richtlinie enthält im wesentlichen Vorschriften über die Bestimmung des Urhebers eines Computerprogramms, über die zustimmungsbedürftigen Handlungen und über die Schutzdauer des Urheberrechts, die nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie grundsätzlich einen Zeitraum von 50 Jahren nach dem Tod des Urhebers umfaßt.
2. Die Kommission a) Grundzüge der Aktion im kulturellen Bereich Die Kommission entfaltete in den achtziger Jahren eine Vielzahl von Aktivitäten im engeren Kulturbereich, die durch zwei grundlegende Mitteilungen aus den Jahren 1982 und 1987 in einen Rahmen gemeinschaftlicher Politik eingeordABI. EG C 127/5 (1990). ABI. EG C 127/13 (1990). 92 Vgl. Schwartz, ZUM 1991, 156 f. Die Maßnahmen des MEDIA-Programms zur Förderung der beruflichen Bildung im audiovisuellen Bereich sind in Art. 2 letzter Spiegelstr. angesprochen, in dem von einer Verbesserung der Management- und Marketingkenntnisse der in der Gemeinschaft im Mediensektor Tätigen die Rede ist, sowie in Ziff. 4 des Anhangs I (Anm. 89). 93 Vorletzter Erwägungsgrund des MEDIA-Beschlusses (Anm. 89). 94 Vgl. dazu näher Abschnitt B. 11. 4. b) cc) des zweiten Teils. 9S ABI. EG L 298 / 23 (1989). 96 Vgl. ABI. EG C 179 / 4 (1986). 97 ABI. EG L 122 /42. 90 91
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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net werden sollen. Die erste dieser Mitteilungen knüpft mit dem Titel "Verstärkung der Gemeinschaftsaktion im Bereich Kultur"98 an die oben erwähnte 99 Mitteilung aus dem Jahr 1977 an. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kulturschaffenden, sie enthält aber u. a. auch Vorschläge hinsichtlich des freien Austauschs von Kulturgütern und der Erhaltung des architektonischen Erbes. Der damalige Kommissionspräsident Gaston Thorn betont im Vorwort der Mitteilung, die Gemeinschaft brauche sich, wenn sie den Kulturbereich fördern wolle, nicht in fremde Zuständigkeiten einzumischen, sie habe solide Befugnisse übertragen bekommen und niemand habe Anlaß zur Sorge 100. Wenig später wird in der Mitteilung erneut bekräftigt, die gemeinschaftliche Aktion habe nicht die Koordinierung mitgliedstaatlicher Kulturpolitik im Auge, diese bleibe in jedem Fall Angelegenheit der Einzelstaaten, Regionen und Gemeinden 101. In der Mitteilung aus dem Jahr 1987 über "Neue Impulse für die Aktion der Europäischen Gemeinschaft im kulturellen Bereich" 102 dagegen weist Kommissionsmitglied Carlo Ripa di Meana nur noch beiläufig auf die Notwendigkeit der Einhaltung des Vertrages hin und rechtfertigt die Aktion im kulturellen Bereich letztlich damit, für sie bestehe "eine politische Notwendigkeit und ein sozio-ökonomisches Gebot im Hinblick auf die Vollendung des großräumigen Binnenmarktes" 103. Der Hauptteil der Mitteilung ist der Darlegung eines Rahmenprogramms für den Zeitraum 1988 - 1992 gewidmet, für das die Kommission fünf Bereiche vorschlägt, nämlich 1. die Schaffung eines europäischen Kulturraumes, 2. die Förderung der europäischen audiovisuellen Industrie, 3. den Zugang zu den kulturellen Ressourcen, 4. die Aus- und Weiterbildung im kulturellen Bereich und 5. den kulturellen Dialog mit der übrigen Welt. Im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Aktion im kulturellen Bereich setzte die Kommission einen Beratenden Ausschuß für kulturelle Aktivitäten ein, der sich am 8. November 1988 konstituierte und gut ein Jahr später einen Abschlußbericht mit dem Titel "Kultur für den europäischen Bürger des Jahres 2000" vorlegte 104.
98 Bull. EG Beil. 6/ 82. 99 Vgl. Abschnitt C. 11. 2. dieses Teils.
Vgl. Anm. 98, S. 5. Ebd., S. 8. 102 BuH. EG Beil. 4/ 87. 103 Ebd., S. 5. 104 Vgl. EG-Gesamtbericht 23/1989, Ziff. 714; Schriftliche Anfrage Nr. 2005/88 an die Kommission, ABI. EG C 157/35 (1989). 100 101
1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kultureHen Bereich
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b) Einzelne Maßnahmen Unter den vielfältigen spezifischen Maßnahmen der Kommission sind zunächst diejenigen im Bereich von Film und Fernsehen hervorzuheben. Mitte 1983 übermittelte die Kommission dem Europäischen Parlament einen "Zwischenbericht über Realität und Tendenzen des Fernsehens in Europa: Perspektiven und Optionen" 105, der sich überwiegend mit der Möglichkeit der Einführung eines europäischen Fernsehprogramms befaßt, aber auch weitergehend eine gemeinschaftliche Politik im Bereich von Film und Fernsehen fordert 106. Im Jahr 1984 legte die Kommission dann das Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen" vor 107, das eine öffentliche Diskussion über ihr Konzept für die Errichtung des gemeinsamen Rundfunkmarktes in Gang bringen sollte 108. Es sei klar, daß der Rundfunk nicht unter ausschließlich technischen und wirtschaftlichen Bedingungen gesehen werden könne, "selbst wenn seine wirtschaftliche Dimension notwendigerweise der Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Politik in einer Wirtschaftsgemeinschaft" sei 109. Nachdem der Rat, wie erwähnt, am 3. Oktober 1989 die Fernsehrichtlinie verabschiedet hatte 110, intensivierte die Kommission ihre Bemühungen um die Entwicklung einer Politik im audiovisuellen Bereich und übermittelte im Februar 1990 dem Rat und dem Europäischen Parlament eine Mitteilung zu diesem Thema 111, in der sie einen Rahmen für die Förderung der europäischen Programmindustrie darlegte. Dabei hob die Kommission, wie schon in anderen Bereichen festgestellt, als einen Grundsatz der Gemeinschaftsaktion das Prinzip der Subsidiarität hervor 112, ohne dieses allerdings näher zu erläutern. Konkrete und inzwischen vom Rat angenommene Vorschläge unterbreitete die Kommission wenig später in einer weiteren Mitteilung über ein Aktionsprogramm zur Förderung der audiovisuellen Industrie in Europa 113. Im Bereich der Harmonisierung von technischen Normen schließlich schlug die Kommission dem Rat am 15. Juli 1991 eine Richtlinie über die Annahme von Normen für die Satellitenausstrahlung von Fernsehsignalen vor ll 4, mit der die Richtlinie des Rates vom 3. November 1986 115 , die gemäß ihrem Art. 3 Ende 105 106 107 108 109 110
111 112 113 114 115
KOM (83) 229. Ebd., S. 5. KOM (84) 300. Vgl. BuH. EG 5 - 1984, Ziff. 1.3.1. Ebd., Ziff. 1.3.5. Vgl. Abschnitt C. III. 1. d) dieses Teils. KOM (90) 78. Ebd., S. 12. KOM (90) 132. ABI. EG C 194/20. ABI. EG L 311 /28.
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
71
1991 ausläuft, abgelöst und eine stärkere Vereinheitlichung angestrebt werden soll. Im Rahmen der kulturellen Aktion gewinnt das Buch als weiteres kulturelles Medium zunehmend an Bedeutung. Nachdem die Kommission schon Ende 1985 eine Mitteilung über Maßnahmen im Bereich des Buches vorgelegt hatte 116, folgte etwa vier Jahre später eine weitere Mitteilung mit dem programmatischen Titel "Das Buch: Ein unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Lebens in Europa" 117. Die Kommission erläutert ihre neuerliche Initiative mit den Worten, das Buch sei zugleich Kultur- und Wirtschaftsgut und folglich im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes ein vorrangiger Bereich 118. Die Mitteilung behandelt die unterschiedlichen Aspekte des Büchersektors, so die wirtschaftliche und soziale Situation der Schriftsteller, das Verlagswesen, die Übersetzung, den Buchhandel und die Bibliotheken sowie den Buchpreis, schließlich aber auch die "Förderung des Buches und der Lektüre". Diese Förderung erscheint der Kommission notwendig, weil das Lesen "angesichts der Entwicklung der audiovisuellen Medien nicht mehr zu den bevorzugten Freizeitbeschäftigungen" zähle, was "sowohl aus pädagogischer als auch aus kultureller Sicht gefährlich" sei 119. Daß die Kommission, wie gezeigt, die Entwicklung des audiovisuellen Sektors selbst nachhaltig fördert, sei hier nur vermerkt. Maßnahmen der Kommission zugunsten des Fremdenverkehrs betreffen in neuerer Zeit vor allem die Förderung des Landtourismus 120; darüber hinaus legte die Kommission einen generellen Aktionsplan zur Förderung des Fremdenverkehrs vor 121 und berichtete ausführlich über das Europäische Jahr des Fremdenverkehrs 122. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Stellung Kulturschaffender ist das Urheberrecht von Bedeutung, dessen vielfältige Problemfelder die Kommission in dem "Grünbuch über Urheberrecht und die technologische Herausforderung" 123 darlegt. Nach ihren Erkenntnissen haben die neuen Verbreitungs- und Vervielfaltigungstechnologien die nationalen Grenzen de facto abgeschafft und die Unzweckmäßigkeit der örtlichen Grenzen des einzel staatlichen Urheberrechts vor Augen geführt 124. Durch diese neuen Technologien werde vor allem die "Piraterie", d. h. die unerlaubte Wiedergabe, Vervielfaltigung oder Verwendung urheberrechtlich
116
117 118 119 120 121 122 123 124
KOM (85) 681. KOM (89) 258. Ebd., S. 1. Ebd., S. 30. KOM (90) 438. KOM (91) 97. KOM (91) 95. KOM (88) 172. Ebd., S. 3.
72
1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
geschützter Werke, begünstigt, ein Bereich, der im Grünbuch auch umfassend behandelt wird 125. Eine Weiterentwicklung aller im Grünbuch angestellten Überlegungen enthält die Mitteilung der Kommission "Initiativen zum Grünbuch" 126, die die Kommission als "Globalprogramm" bezeichnet, welches die ihrer Auffassung nach bis zur Vollendung des Binnenmarktes im Bereich des Urheberrechts zu ergreifenden Initiativen beschreibt 127 • Als erste Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Programms unterbreitete die Kommission dem Rat am 11. Dezember 1990 einen Vorschlag für eine Entscheidung über den Beitritt der Mitgliedstaaten zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst 128, am 13. Dezember 1990 einen Vorschlag für eine Richtlinie zum Vermietrecht, Verleihrecht und Zu bestimmten verwandten Schutzrechten 129 sowie am 22. Juli 1991 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung 130. Weitere Maßnahmen der Kommission im engeren Kulturbereich betreffen die nach der angestrebten Abschaffung der Binnengrenzen zu erwartenden Probleme für den in Art. 36 EWGV erwähnten Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert 131 , die Berufsbildung im kulturellen Bereich I32, die Zusammenarbeit der Bibliotheken auf der Grundlage neuer Informationstechnologien 133 und die Einführung eines europäischen Seniorenausweises 134. Darüber hinaus widmet sich die Kommission der finanziellen Förderung einzelner kultureller Aktivitäten, etwa der Erhaltung von Baudenkmälern 135 und des europäischen architektonischen Erbes 136 sowie sportlicher Aktivitäten 137, der Übersetzung von Werken zeitgenössischer Literatur I38 und des Grand Prix d'EuEbd., S. 19-98a. KOM (90) 584. 127 Ebd., S. 1; zum allgemeinen Vorgehen der Kommission im Bereich des Urheberrechts vgI. aus Kommissionssicht Verstrynge, R.A.E. 3/1991,66 ff. 128 ABI. EG C 24/5 (1991). 129 ABI. EG C 53/35 (1991). 130 ABI. EG C 255 / 3. 131 KOM (89) 594. I32 KOM (90) 472. 133 KOM (89) 234. 134 Empfehlung der Kommission vom 10. Mai 1989, ABI. EG L 144 / 59. 135 ABI. EG C 145/4 (1984); ABI. EG C 98/16 (1987); ABI. EG C 308/3 (1988). 136 Schriftliche Anfrage Nr. 1577 / 87, ABI. EG C 303/9; Schriftliche Anfrage Nr. 2440/90, ABI. EG C 90/51 (1991); Schriftliche Anfrage Nr. 2443/90, ABI. EG C 90/52 (1991). 137 Schriftliche Anfrage Nr. 912/88, ABI. EG C 111 /28 (1989). 138 ABI. EG C 89/4 (1990); ABI. EG C 86/3 (1991). 125
126
C. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
73
rovision 139. Außerdem stiftet sie Preise an Kulturschaffende, wie den Europäischen Literaturpreis 140 oder den Stendhal-Preis für junge Journalisten 141, und verleiht Auszeichnungen, wie die "Kulturbühne Europa", die u. a. dem Ziel dienen soll, "das lokale, regionale und nationale kulturelle Leben durch die Förderung anspruchsvoller kultureller Ereignisse von europäischem Gepräge zu beleben" und "das Bewußtsein für die gemeinsamen kulturellen Quellen und Errungenschaften in Europa zu stärken" 142.
3. Das Europäische Parlament Das Europäische Parlament wurde der Rolle, die es zu Beginn der gemeinschaftlichen Aktivität im kulturellen Bereich gespielt hatte, auch bei der Konsolidierung dieser Politik in den achtziger Jahren gerecht. Es verabschiedete eine Fülle von Entschließungen zu allen Einzelbereichen der kulturellen Aktion, aber auch zu deren genereller Entwicklung. Diesbezüglich betonte das Parlament in einer Entschließung vom 18. November 1983 143, die Gemeinschaft beabsichtige nicht, auf die Kultur einzuwirken, sondern ihr zu dienen; die kulturelle Aktion sei bei voller Wahrung der Ausdrucksfreiheit, des Pluralismus und der nationalen Werte durchzuführen 144. Die Vielseitigkeit der einzelnen nationalen Kulturen soll sich aber gemäß einer am 17. Februar 1989 angenommenen Entschließung 145 durch die Gemeinschaftsaktion zu einer "Ku1tur der Kulturen" entwickeln 146. Dabei müsse die kulturelle Aktion zur Erhaltung des institutionellen Gleichgewichts in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft einbezogen werden 147. Die Entschließungen des Parlaments zu den einzelnen Aspekten des engeren Kulturbereichs betreffen zu einem bedeutenden Teil die audiovisuellen Medien 148, im übrigen aber auch den Bereich des Buches 149, die Erhaltung des architektoniSchriftliche Anfrage Nr. 2911 /90, ABI. EG C 98 /42 (1991). ABI. EG C 35!7 (1990). 141 Europe Agence Internationale Nr. 5205 vom 2.3. 1990, S. 15. 142 ABI. EG C 167 / 2 (1990); vgl. auch das im Rahmen der Auszeichnung "Kulturbühne Europa" aufgelegte Programm "Kaleidoskop", ABI. EG C 205/19 (1991). 143 Entschließung zur Verstärkung der Gemeinschaftsaktion im Bereich Kultur, ABI. EG C 342/127. 144 Ebd., Ziff. 1. 145 Entschließung zu neuen Impulsen der gemeinschaftlichen Aktion im kulturellen Bereich: "Education, culture, societe, le chantier est immense", ABI. EG C 69/180. 146 Ebd., Buchst. E. 147 Ebd., Buchst. C. 148 VgI. z. B. die Entschließungen vom 12. März 1982, ABI. EG C 87/ 110; vom 30. März 1984, ABI. EG C 117/198 und 201; vom 13. April 1984, ABI. EG C 127/147; vom 10. Oktober 1985, ABI. EG C 288/ 113 und 119; vom 16. Februar 1989, ABI. EG C 69/138. 149 Entschließung vom 12. März 1987, ABI. EG C 99/172; vom 10. Juli 1987, ABI. EG C 246/ 136. 139
140
74
1. Teil: Die gemeinschaftliche Praxis im kulturellen Bereich
sehen und archäologischen Erbes 150, den Sport 151 und die Musik 152, den J ugendaustausch 153, den Fremdenverkehr 154 und Städtepartnerschaften 155 sowie die Gründung eines Zentrums für europäische Kultur und Zivilisation 156, schließlich die Entwicklung einer europäischen Freizeitpolitik 157. Gerade die letztgenannte Entschließung belegt erneut die Vorreiterrolle des Europäischen Parlaments bei der Entwicklung neuer gemeinschaftlicher Politikfelder.
Entschließung vom 28. Oktober 1988, ABI. EG C 309/423. Entschließung vom 16. September 1988, ABI. EG C 262/ 208; vom 17. Februar 1989, ABI. EG C 69/234. 152 Entschließung vom 10. Februar 1988, ABI. EG C 68/46; vom 20. Mai 1988, ABI. EG C 167/461. 153 Entschließung vom 7. Juni 1983, ABI. EG 184/22. 154 Entschließung vom 13. Dezember 1990, ABI. EG C 19/238 (1991). 155 Entschließung vom 15. April 1988, ABI. EG C 122/376. \56 Entschließung vom 16. September 1988, ABI. EG C 262/206. 157 Entschließung vom 17. Februar 1989, ABI. EG C 69/231. 150
15\
2. Teil
Einzelne Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich A. Der Bildungsbereich I. Freizügigkeit im Bildungsbereich
1. Einleitung Der EWG-Vertrag bezieht in der Überschrift von Titel III seines zweiten Teils den Begriff der Freizügigkeit auf die Arbeitskräfte und das Niederlassungsrecht. Beide Formen der Freizügigkeit sind dadurch gekennzeichnet, daß sich Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft I in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort einer - unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Hinblick auf die Freizügigkeit im Bildungsbereich stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten befugt sind, in einem anderen Mitgliedstaat eine unselbständige Tätigkeit als Lehrer aufzunehmen oder sich dort niederzulassen, um als selbständig Erwerbstätige Bildungsleistungen zu erbringen. Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurden von der Rechtsprechung des Gerichtshofs vor allem Probleme des öffentlichen Bildungswesens behandelt; zum Niederlassungsrecht im Bildungsbereich liegt bislang - soweit ersichtlich - erst eine Entscheidung des Gerichtshofs vor.
2. Arbeitnehmerjreizügigkeit im öffentlichen Bildungswesen a) Lehrkräfte als Arbeitnehmer Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Artikel 48 - 51 EWGV auf Lehrkräfte im öffentlichen Bildungswesen ist deren Qualifizierung als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Vorschriften. Der Gerichtshof hat sich in bislang drei Verfahren mit dieser Thematik befaßt. In dem Urteil vom 3. Juli 1986 in der I Das Kapitel über das Niederlassungsrecht gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern gemäß Art. 58 EWGV auch für juristische Personen, wenn sie einen Erwerbszweck verfolgen.
76
2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) 2 entschied er, ein Studienreferendar nach den Bedingungen des deutschen Rechts sei als Arbeitnehmer anzusehen 3• Der Begriff des Arbeitnehmers stelle einen weit auszulegenden Begriff des Gemeinschaftsrechts dar. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, die im wesentlichen darin bestünden, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringe und dafür eine Vergütung erhalte, seien erfüllt. Die Anwärterbezüge stellten eine Vergütung für die durch das Erteilen von Unterricht erbrachten, einen gewissen wirtschaftlichen Wert aufweisenden Dienstleistungen und für die mit dem Vorbereitungsdienst verbundenen Verpflichtungen dar 4 • Der Gerichtshof wies die Auffassung zurück, die Tätigkeit eines Studienreferendars gehöre nicht zum Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EWGV, sondern unterfalle der Bildungspolitik der Mitgliedstaaten. Der Bereich, in dem eine entgeltliche Arbeitsleistung erbracht werde, sei unerheblich 5. Auch sei die Rechtsnatur des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Anwendung von Art. 48 EWGV ohne Belang 6. Der Qualifizierung eines Studienreferendars als Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts ist im Ergebnis zuzustimmen, auch wenn die Entscheidung nicht deutlich macht, welche Bedeutung dem "wirtschaftlichen Wert" 7 der Unterrichtsleistung in diesem Zusammenhang zukommt. Forch schlägt daher vor, allein auf den "Ausbildungsdienst" abzustellen oder sogar ganz auf das Merkmal der Leistung zu verzichten g. Diese Auffassung hätte den Vorteil, daß das Problem der Meßbarkeit des "wirtschaftlichen Wertes" der konkreten Unterrichtsleistung eines Studienreferendars umgangen würde. Maßgebend für die Qualifizierung als Arbeitsverhältnis wäre dann allein das Interesse des Dienstherm an der Ausbildung des Referendars, die für den Dienstherm regelmäßig einen sich vielleicht nicht unmittelbar, aber doch in der Zukunft realisierenden wirtschaftlichen Wert haben wird. Slg. 1986, 2121. Ebd., S. 2145. Damit befindet sich der Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Auffassung des Europäischen Parlaments; vgl. Entschließung zur Förderung der Mobilität der Lehrer in der Europäischen Gemeinschaft vom 24. Oktober 1986, ABI. EG C 297 / 158. Der Gerichtshof brauchte sich danach nicht zu der Frage zu äußern, ob ein Gleichbehandlungsanspruch aus der Natur des Referendariats als Berufsausbildung gemäß Art. 128 EWGV herzuleiten sei; vgl. dazu Abschnitt A. III. 3. dieses Teils. 4 Slg. 1986,2144 (Anm. 2). 5 Ebd., S. 2145. 6 Ebd. Damit wies der Gerichtshof die im Vorlagebeschluß des BVerwG (DVBI. 1985,742) geäußerte Auffassung zurück, die entsprechende, in dem Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar 1974 in der Rs. 152/73 (Sotgiu) getroffene Feststellung lasse sich nur auf Art. 48 Abs. 4 EWGV, nicht jedoch auf Art. 48 EWGV schlechthin beziehen. 7 Wegen dieser Formulierung ist die Begründung des Gerichtshofs als "gekünstelt" bezeichnet worden; vgl. Oppermann, EG-Freizügigkeit, 14; Forch, NVwZ 1987,28. g Forch, ebd. 2
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A. Der Bildungsbereich
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Das vom Gerichtshof zurückgewiesene Argument des fehlenden Bezugs zum Wirtschaftsleben im Sinne von Art. 2 EWGV geht schon deshalb fehl, weil Art. 2 EWGV nicht die nachfolgenden Bestimmungen begrenzt, sondern vielmehr seinerseits von diesen konkretisiert wird 9. Folglich läßt sich erst durch die Auslegung etwa des Arbeitnehmerbegriffs ermitteln, was zum Wirtschaftsleben im Sinne dieser Vorschrift zu rechnen ist. Auch wäre andernfalls die Vorschrift des Art. 48 Abs. 4 EWGV, die einen nicht im engeren Sinne wirtschaftlich geprägten Bereich von den Freizügigkeitsvorschriften ausnimmt, überflüssig 10. Ein weiteres Urteil des Gerichtshofs betraf zwei an einer italienischen Universität beschäftigte Fremdsprachenlektorinnen. In dem Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rs. 33/88 (Allue / Coonan) 11 äußerte sich der Gerichtshof zwar nicht ausdrücklich zu deren Arbeitnehmereigenschaft 12, legte aber seiner Entscheidung die Vorschrift des Art. 48 EWGV zugrunde. Daraus folgt, daß auch Fremdsprachenlektoren an staatlichen Universitäten grundsätzlich 13 als Arbeitnehmer anzusehen sind. Schließlich ging der Gerichtshof auch in dem Urteil vom 28. November 1989 in der Rs. C-379/ 87 (Groener) 14, das eine Kunstdozentin an einem öffentlichen irischen College betraf, ohne weiteres von der Anwendbarkeit der Freizügigkeitsvorschriften aus. Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft von (beamteten) 15 Lehrern im öffentlichen Schuldienst war bislang noch nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gerichtshof. In dem Urteil in der Rs. 33 / 88 (Allue / Coonan) vertrat der Gerichtshof allerdings die Auffassung, er habe sich in dem Urteil in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) mit der Problematik von "LehrersteIlen" befaßt 16. Auch wenn dies als zu weitgehend angesehen werden kann 17, ist doch festzustellen, daß die Anwendung der im Urteil in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) aufgestellten Kriterien Zutreffend Steindorjf, NJW 1982, 1904. So auch Hochbaum IEiselstein, 25; Steindorjf (Anm. 9). 11 Slg. 1989, 1591. 12 GA Lenz hingegen prüfte diese Frage, die sich in dem Verfahren aber nicht aus den in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) genannten Gründen gestellt hatte. Vielmehr war nicht sicher feststellbar, ob es sich im Fall der Fremdsprachenlektorinnen um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit handelte. 13 Unter der Voraussetzung, daß die Fremdsprachenlektoren aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung nicht als selbständig Erwerbstätige anzusehen sind. 14 Sig. 1989,3967. 15 In zumindest sieben Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben Lehrer im öffentlichen Schuldienst regelmäßig Beamtenstatus; vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Conditions of Service of Teachers, 37. Die Studie bezog sich nicht auf Portugal und Spanien. 16 Sig. 1989, 1609 (Anm. 11). Der französische Urteilstext spricht von "Ies emplois d 'enseignant". 17 So Everling, DVBI. 1990, 229; a. A. Dörr, EuZW 1990, 569, der allerdings irrtümlich Äußerungen von GA Lenz (Slg. 1986, 2135 f.) dem Gerichtshof zuschreibt. 9
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dazu führt, Lehrer als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 48 EWGV zu qualifizieren 18. Insbesondere läßt sich aus dem mit dem Beamtenstatus verbundenen Alimentationsprinzip 19 nicht schließen, es liege keine "Vergütung" vor 20 • Denn das Alimentationsprinzip hängt mit dem Beamtenstatus zusammen 21, also mit der rechtlichen Ausgestaltung der Beziehung, die aber nach der erwähnten Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis im gemeinschaftsrechtlichen Sinne vorliegt, ohne Belang ist 22 • b) Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung Lehrkräfte im öffentlichen Bildungswesen könnten sich allerdings nicht auf die Freizügigkeitsrechte des Art. 48 EWGV berufen, wenn ihre Tätigkeit als "Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung" gemäß Art. 48 Abs.4 EWGV anzusehen wäre. Der Gerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Auslegung dieser Vorschrift befaßt. aa) Grundzüge der Rechtsprechung Das Bestehen einer Kompetenz des Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs der "Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung" setzt voraus, daß es sich dabei um einen Begriff des Gemeinschaftsrechts und nicht um einen Verweis auf das jeweilige nationale Recht handelt. Dazu äußerte der Gerichtshof in dem Urteil vom 17. Dezember 1980 in der Rs. 149/79 (Kommission/BelgienZwischenurteil)23 zwar, die Abgrenzung dieses Begriffs könne nicht völlig in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt werden 24, verdeutlichte seine Auffassung aber mit den Worten, der Begriff müsse eine einheitliche Auslegung und Anwendung im gesamten Gemeinschaftsgebiet erfahren 25, der Rückgriff auf innerstaatliches Recht würde die Einheit und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen 26. Daraus folgt, daß der Begriff der öffentlichen Verwaltung in Art. 48 Abs. 4 EWGV zwar nicht völlig losgelöst von den in den Mitgliedstaaten herrschenden Begriffsbildungen bestimmt werden kann 27 , daß ihm aber in jedem Fall eine gemeinschafts weit einheitliche Bedeutung zuzumessen ist 28 • 18 19 20 21 22
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So auch Forch, NVwZ 1987,30; zweifelnd dagegen Gallwas, 1l. Dazu vgl. Goerlich / Bräth, DÖV 1987, 1044. So auch GA Mayras, Rs. 149/79 (Kommission / Belgien), Sig. 1980,3881 (3916). Goerlich / Bräth (Anm. 19). Im Ergebnis ebenso Goerlich / Bräth (Anm. 19). Sig. 1980, 388l. Ebd., S. 3903. Ebd., S. 3901. Ebd., S. 3903. Zutreffend Hochbaum, ZBR 1989, 40. So auch Hochbaum, Der Staat 1990,583; Dörr, EuZW 1990,568.
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Die dagegen vereinzelt vorgebrachten Bedenken 29 sind nicht überzeugend. Wenn es sich bei dem Begriff des Arbeitnehmers gemäß Art. 48 Abs. I EWGV um einen solchen des Gemeinschaftsrechts handelt 30, so kann eine den Kreis der Berechtigten einschränkende Regelung nicht durch unterschiedlich weitgehende mitgliedstaatliche Regelungen konkretisiert werden. Im übrigen spricht bei den im EWG-Vertrag verwendeten Begriffen eine Vermutung dafür, daß ihnen eine gemeinschaftsrechtliche Bedeutung zukommt 3 !. Die Auslegung von Art. 48 Abs. 4 EWGV hat sich, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 16. Juni 1987 in der Rs. 225/85 (Kommission / Italien)32 feststellte, als Ausnahme vom Grundsatz der Freizügigkeit daran auszurichten, "was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist" 33. Dabei ist nicht von einer institutionellen, sondern von einer funktionalen Betrachtung der "öffentlichen Verwaltung" auszugehen. Der Gerichtshof verwarf die in der Rs. 149/79 (Kommission / Belgien - Zwischenurteil) geäußerte Auffassung der belgischen Regierung, die Gegenüberstellung der Vorschriften des Art. 48 Abs. 4 EWGV und des Art. 55 EWGV, der für den Bereich des Niederlassungsrechts ausdrücklich einen funktionalen Begriff gewählt habe, müsse zu einer institutionellen Interpretation des Begriffs der öffentlichen Verwaltung führen 34. Er stellte vielmehr fest, Art. 48 Abs. 4 nehme nur solche Stellen vom Anwendungsbereich des Art. 48 EWGV aus, "die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich (brächten), die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet" seien. Derartige Stellen setzten nämliCh ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten voraus, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde lägen. Es gehe vor allem darum, die typischen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung von den wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben abzugrenzen, die die Träger hoheitlicher Befugnisse in den Mitgliedstaaten übernommen hätten 35. 29 Vgl. vor allem Lecheier, DV 1989, 139; ders., Nationaler öffentlicher Dienst, 130.
Dies gesteht auch Lecheier, Nationaler öffentlicher Dienst, 129, zu, sogar mit der Begründung, es sei "in der Tat nicht hinzunehmen, daß das Gemeinschaftsrecht durch späteres Abweichen (des nationalen Rechts) in unterschiedlichem Umfang" gelte. 3! Vgl. Everling, DVBI. 1990, 227; Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 223. 32 Sig. 1987, 2625. 33 Ebd., S. 2638; so auch schon in dem Urteil vom 3. Juli 1986, Rs. 66/85 (LawrieBlum), Sig. 1986,2121 (2146); gegen eine enge Auslegung Meyer, BayVBI. 1990,97, Fn. 1. 34 Sig. 1980, 3888 (Anm. 23). 35 Ebd., S. 3900. Die Kommission erklärte den unterschiedlichen Wortlaut der Art. 48 Abs. 4 und 55 EWGV einleuchtend damit, ein Arbeitnehmer könne öffentliche Gewalt nur im Rahmen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst ausüben, während dies bei freien Berufen grundsätzlich anders sei; vgl. S. 3890; so auch Bleckmann, EuR 1987,45. 30
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Die vom Gerichtshof vorgenommene funktionale Beschreibung der von Art. 48 Abs.4 EWGV erfaßten Stellen warf die Frage auf, ob die Voraussetzungen der unmittelbaren oder mittelbaren Teilnahme "an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse" und "an der Wahrnehmung solcher Aufgaben, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates gerichtet sind", kumulativ oder alternativ vorliegen müßten. GA M ancini vertrat in der Rs. 307 / 84 (Kommission / Frankreich) ausdrücklich die Auffassung, beide Voraussetzungen müßten erfüllt sein 36 , während in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) das vorlegende Bundesverwaltungsgericht und das beklagte Land gegenteiliger Ansicht waren 37. Dörr schließlich vertritt die Auffassung, beide Erfordernisse müßten "nicht immer" kumulativ vorliegen 38. In dem Urteil in der Rs. 225/85 schien der Gerichtshof sich dann zu einer alternativen Prüfung bekannt zu haben 39 • Dort führte er aus, die fraglichen Tätigkeiten erbrächten keinen Beweis dafür, "daß die Forscher mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder der Wahrung der allgemeinen Belange des Staates betraut" seien 40. Nun läßt sich aus der Verwendung der Konjunktion "oder" in den Entscheidungsgründen wenig gewinnen, da der entsprechende Satzteil einer negativen Formulierung nachfolgt, mithin lediglich aussagt, daß in jenem Fall weder das eine noch das andere Kriterium erfüllt war 41 • Zwar hätte natürlich bei kumulativer Prüfung die Verneinung eines der beiden Kriterien ausgereicht; jedoch läßt die Prüfung und Verneinung beider Kriterien nicht den alleinigen Schluß zu, diese Prüfung sei erfolgt, weil die Erfüllung eines Kriteriums ausgereicht hätte, die Ausnahmevorschrift des Art. 48 Abs. 4 EWGV zu erfüllen 42 • Den Entscheidungsgründen se!bst kann daher nicht mit hinreichender Deutlichkeit eine alternative Prüfung entnommen werden. Stärker für ein solches Vorgehen spricht allerdings der zweite Leitsatz des Urteils. Dort heißt es - jetzt in positiver Wendung - , das Gemeinschaftsrecht verbiete es einem Mitgliedstaat nicht, seinen Staatsangehörigen innerhalb einer Laufbahn der öffentlichen Verwaltung diejenigen Aufgaben vorzubehalten, "die Teil der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder der Wahrung der allgemeinen Belange des Staates" seien 43 • Hinzu kommt, daß schon 36 Slg. 1986, 1725 (1730); ebenso GA Lenz in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum), Slg. 1986,2121 (2135), und in der Rs. 225 / 85 (Kommission / Italien), Slg. 1987,2625 (2634). 37 Slg. 1986, 2121 (2125/2133). 38 Dörr, EuZW 1990,569. 39 So wurde das Urteil in der Literatur überwiegend gedeutet; vgl. Hochbaum, Der Staat 1990,589; Sedemund / Montag, NJW 1988,607; Handoll, Foreign Teachers, 38; ders., ELR 1988,230; a. A. Goerlich / Bräth, NVwZ 1989, 330; Leckeier, ZBR 1991, 100. 40 Slg. 1987,2625 (2639); Hervorhebung hinzugefügt. 41 Zutreffend Leckeier, Interpretation, 35; GTE / Wölker, Kommentar zum EWGV, Art. 48 Rdnr. 112. 42 So auch B. Lenz, UEI 1989, 100. 43 Slg. 1987,2625 (2626); Hervorhebung hinzugefügt.
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die Verwendung der Konjunktion "und" in den früheren Entscheidungen nicht als Ausdruck einer kumulativen Prüfung verstanden werden mußte, so daß nichts zwingt, das Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rs. 33/ 88 (Allue / Coonan), in dem wieder die Konjunktion "und" verwendet wird 44 , im Sinne eines kumulativen Erfordernisses zu verstehen 45. Dieser "mit religiösem Eifer geführte Streit" 46 geht jedoch, wie Ever/ing überzeugend dargelegt hat, am Kern des Problems vorbei 47 • Die relativ weit gefaßten Erfordernisse auch nur mittelbarer Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse bzw. an der Wahrnehmung allgemeiner Staatsbe1ange führen zu vielfaltigen Überschneidungen beider Kriterien 48 , so daß sie ohnehin häufig kumulativ vorliegen werden. Dies kann jedoch nicht als Voraussetzung für ein Eingreifen des Art. 48 Abs. 4 EWGV angesehen werden 49 • Als maßgebend ist vielmehr das hinter den beiden Kriterien durchscheinende, vom Gerichtshof offenbar als Erläuterung gedachte Erfordernis anzusehen, die fraglichen Stellen müßten "ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten (voraussetzen), die dem Staatsangehörigkeitsband" zugrunde lägen 50. Zutreffend wurde diese Formulierung als "guiding principle for application" bezeichnet 51. Durch diese Leitlinie halte sich der Gerichtshof die Entwicklung offen, um sie an die Erfordernisse der fortschreitenden Integration anpassen zu können 52. Die hier vorgenommene Auslegung wird bestätigt durch die konkrete Zuordnung von Stellen zum Begriff der öffentlichen Verwaltung durch den Gerichtshof. In dem Endurteil vom 26. Mai 1982 in der Rs. 149/79 53 zählte der Gerichtshof dazu u. a. bestimmte Kontrolltätigkeiten sowie die Stelle eines Nachtwächters der Stadtverwaltung 54. Zumindest die Tätigkeit eines Nachtwächters kann aber nicht mehr als Wahrnehmung allgemeiner Staatsbelange bezeichnet werden 55. In der Rs. 225/85 (Kommission / Italien) faßte er staatliche Leitungs- oder Beratungsfunktionen beim italienischen Nationalen Forschungsrat unter den Vor-
Slg. 1989, 1591 (1609). So aber GTE/ Wölker, Kommentar zum EWGV, Art. 48 Rdnr. 112. 46 So Everling, Rechtsprechung, 39. 47 Ebd. 48 Vgl. dazu Everling, Rechtsprechung, 40; Goerlichl Bräth, NVwZ 1989, 330f. 49 So auch Everling, Rechtsprechung, 40; Battis, 54. 50 Vgl. etwa Slg. 1980, 3881 (3900). In dem Urteil in der Rs. 33 / 88 wird diese Formulierung scheinbar als selbständiges drittes Kriterium eingesetzt; vgl. Slg. 1989, 44
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1591 (1609). 51 Handoll, ELR 1988,231; so auch B. Lenz, LIEI 1989,98 f. 52 Handoll, ebd. 53 Slg. 1982, 1845. 54 Ebd., S. 1851. 55 So auch Everling, Rechtsprechung, 40. 6 Niedobitek
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behalt des Art. 48 Abs.4 EWGV56. Auch Beratungsfunktionen können kaum noch als mittelbare Teilnahme an der Ausübung von Hoheitsbefugnissen betrachtet werden 57.
bb) Lehrberuf als Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung Die Frage, ob Art. 48 Abs. 4 EWGV auf Lehrtätigkeiten im öffentlichen Bildungs wesen angewendet werden kann, hat der Gerichtshof erst in zwei Fällen entschieden. In dem Urteil in der Rs. 66/ 85 (Lawrie-Blum) stellte er lapidar fest, die "sehr engen Voraussetzungen" des Art. 48 Abs. 4 EWGV seien im Fall des Studienreferendars nicht erfüllt, "auch wenn er tatsächlich die vom Beklagten des Ausgangsverfahrens erwähnten Entscheidungen" treffe 58. Mit dem letzten Halbsatz nahm der Gerichtshof Bezug auf die vom beklagten Land vorgebrachte Teilnahme des Studienreferendars an Maßnahmen des täglichen Schullebens, die auch Verwaltungsakte umfaßten 59. Über die Gründe für diese Entscheidung kann nur spekuliert werden 60 • Noch erstaunlicher muten die Ausführungen des Gerichtshofs in dem Urteil in der Rs. 33 / 88 (Allm! / Coonan) an. Dort schloß er die Anwendbarkeit von Art. 48 Abs. 4 EWGV auf Fremdsprachenlektoren an einer Universität mit der Begründung aus, er habe bereits in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) ausgeführt, LehrersteIlen genügten nicht dessen Voraussetzungen 61. Im ersten Leitsatz ist sogar ausdrücklich davon die Rede, "die Beschäftigung als Lehrer im allgemeinen und als Fremdsprachenlektor im besonderen" erfülle nicht die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 4 EWGV. Damit gab der Gerichtshof seinem Urteil in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) eine Bedeutung, die ihm wohl niemand angesehen hatte 62 . Da sich der Gerichtshof aber in der geschilderten Weise auf sein Urteil in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) berufen hat, wird man vermuten können, daß gegen eine Einstufung von Lehrerstellen als "Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung" dieselben Gründe sprechen wie seinerzeit gegen die Einbeziehung von Studienreferendaren. Die Rechtsprechung scheint letztlich der von GA Lenz in der Rs. 66/85 (Lawrie-Blum) vertretenen Auffassung nahezukommen, Art. 48 Abs. 4 EWGV erfasse im öffentlichen Schulwesen nur Tätigkeiten, die "mit der grundlegenden pädagogischen Orientierung des Unterrichts oder dessen allgemeiner Ausgestaltung zu tun haben", nicht jedoch einzelne Maßnahmen der Lehrer im schulischen Alltag 63 . 56 Slg. 1987, 2625 (2639). 57 So auch Handoll, ELR 1988,230; a. A. GTE/ Wölker, Kommentar zum EWGV,
Art. 48 Rdnr. 112. 58 Slg. 1986, 2121 (2147). 59 Ebd., S. 2133 f. 60 Näher dazu Forch, NVwZ 1987,29. 61 Slg. 1989, 1591 (1609). 62 Vgl. die Äußerungen von Everling, DVBI. 1990, 229; Weberling, WissR 1991, 134.
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Daher ist davon auszugehen, daß Lehrpersonal im öffentlichen Bildungswesen grundsätzlich Freizügigkeit genießt. In Übereinstimmung damit befindet sich die "Aktion der Kommission auf dem Gebiet der Anwendung von Artikel 48 Absatz 4 EWG-Vertrag", in der diese die Auffassung vertritt, der Unterricht an staatlichen Bildungseinrichtungen falle "nur in außergewöhnlichen Fällen" unter die Ausnahme nach Art. 48 Abs. 4 EWGV64. ce) F o/gerungen
Allgemein ist festzustellen, daß Lehrkräfte aus anderen Mitgliedstaaten im öffentlichen Bildungswesen des Aufnahmemitgliedstaats aufgrund von Art. 48 Abs. 2 EWGV nicht wegen ihrer Staatsangehörigkeit in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen anders als Inländer behandelt werden dürfen. Dies gilt auch für mittelbare Diskriminierungen 65. In Anwendung dieser Grundsätze erkannte der Gerichtshof in der Rs. 33 / 88 (AIIU(! / Coonan), die Befristung der Stellen von Fremdsprachenlektoren stelle eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, wenn für die übrigen Arbeitnehmer eine solche Befristung grundsätzlich nicht bestehe und (lediglich) 25% der an italienischen Universitäten beschäftigten Fremdsprachenlektoren die italienische Staatsangehörigkeit hätten. Die vorgebrachten sachlichen Gründe könnten eine Befristung nicht rechtfertigen 66. Keinen Erfolg hatte dagegen die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rs.
C-379/ 87 (Groener). Der Gerichtshof erachtete die Voraussetzung von Kenntnis-
sen der irischen Sprache für eine Stelle als Kunstdozentin an einem College als durch Art. 3 Abs. 1 UA 2 VO 1612/68 gedeckt und somit zulässig, wenn das betreffende Verlangen "Teil einer Politik zur Förderung der National- und ersten Amtssprache (sei) und verhältnismäßig und ohne Diskriminierung durchgeführt" werde 67. Nicht durch den Gerichtshof geklärt ist dagegen die Frage, ob in der Bundesrepublik Deutschland an dem Staatsangehörigkeitserfordemis für die Berufung in das Beamtenverhältnis 68 festgehalten werden kann. Dies hängt davon ab, ob der Gerichtshof die Einstellung ausländischer Lehrer im Angestelltenverhältnis im Sig. 1986,2121 (2135). 64 ABI. EG C 72 / 2 (1988); zur Kritik an der Aktion vgI. Hochbaum, ZBR 1989, 33 ff.; BR-Drs. 80/88 (Beschluß) vom 18. März 1988; BR-Drs. 178/88 (Beschluß) vom 10. März 1989; dagegen Schmidhuber, 109. 65 Für die Frage des Zugangs zur Beschäftigung ist dies ausdrücklich in Art. 3 Abs. I zweiter Spiegel strich VO 1612/68 (ABI. EG L 257 / 2 [1968]) geregelt; ansonsten vgI. Urteil des Gerichtshofs, Rs. 33/88, Sig. 1989, 1591 (1610). 66 Sig. 1989, 1591 (1610 f.). 67 Sig. 1989,3967 (3995); zur (begrenzten) Bedeutung dieses Urteils vgI. die Besprechung von McMahon, CML Rev. 1990, 129. 68 Vgl. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 BRRG. 63
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Hinblick auf Art. 48 Abs. 2 EWGV genügen lassen würde 69. Den Urteilen des Gerichtshofs in den Rechtssachen 307/84 (Kommission / Frankreich) und 225/ 85 (Kommission / Italien) können insofern aber Hinweise entnommen werden. So hielt der Gerichtshof die Einstellung im Angestelltenverhältnis im erstgenannten Urteil für ausreichend, wenn dieses einer Regelung unterliegt, die "Vergünstigungen und Garantien enthält, die in allen Punkten denen entsprechen, die sich aus dem den französischen Staatsangehörigen vorbehaltenen Beamtenverhältnis ergeben" 70. Ähnlich äußerte er sich in dem zweitgenannten Urteil 71 • Der Gerichtshof stellt somit auf die konkrete Vergleichbarkeit der Rechtsverhältnisse ab. Demnach kann der verfassungsrechtliche Unterschied zwischen Angestellten und Beamten allein nicht entscheidend sein 72. 3. Das Niederlassungsrecht für Lehrer und Schulträger
a) Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Niederlassungsrecht Art. 52 Abs. 2 EWGV beschränkt das Niederlassungsrecht für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten auf die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten, schließt folglich solche Tätigkeiten aus, mit denen kein Erwerbszweck verfolgt wird 73. Art. 58 EWGV bestimmt analog, daß Gesellschaften und juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die keinen Erwerbszweck verfolgen, von der Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ausgeschlossen sind. Der Begriff des Erwerbszwecks ist in einem weiten Sinn zu verstehen und setzt keine Gewinnerzielungsabsicht voraus 74. Erforderlich ist lediglich die Entgeltlichkeit der angebotenen Leistung 75. Nicht zuletzt Art. 60 EWGV bestätigt, daß auch freiberufliche Tätigkeiten, bei denen nicht die Gewinnerzielung, sondern "die Bindung an die berufliche Aufgabe" im Vordergrund steht76 , zum Wirtschaftsleben im Sinne von Art. 2 EWGV zählen. Folglich sind die Art. 52 ff. EWGV auch auf selbständige Tätigkeiten im pädagogischen Bereich, die zu den freiberuflichen Tätigkeiten zählen 77, anzuwenden. Dieses 69 Skeptisch Magiera, DÖV 1987, 227; Everling, Rechtsprechung, 42; ablehnend Lecheier, ZBR 1991, 101; Dörr, EuZW 1990,571; vgI. dazu das Vorabentscheidungsersuchen des ArbG Elmshom vom 28. September 1990, Rs. C-332 / 90 (Steen), ABI. EG C 310 / 13, das die Frage betrifft, ob eine gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende umgekehrte Diskriminierung vorliege, wenn einem inländischen Staatsangehörigen eine Stelle nur im Beamtenverhältnis, nicht aber- anders als EG-Ausländem - im Angestelltenverhältnis angeboten werde. 70 Sig. 1986, 1725 (1739). 71 Sig. 1987, 2625 (2640). 72 Auf diese Möglichkeit weist Battis. 57, hin. 73 Grabitz / Randelzhojer. Kommentar zum EWGV, Art. 52 Rdnr. 13. 74 Everling. Niederlassungsrecht, 15. 75 Grabitz/ Randelzhojer. Kommentar zum EWGV, Art. 52 Rdnr. 15; Skouris. 25. 76 Randelzhojer. ebd. 77 Vgl. Scherer. WiVerw 1987, 159; de Crayencour. 140.
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Ergebnis bestätigte der Gerichtshof in dem Urteil vom 15. März 1988 in der Rs. 147/86 (Kommission / Griechenland)18, indem er die Vorschriften über das Niederlassungsrecht auf die Gründung privater Unterrichtsanstalten und auf die Tätigkeit als Hauslehrer anwandte. Allerdings stellte der Gerichtshof fest, daß ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dann nicht vorliege, wenn die Gründung privater Schulen generell, also auch den eigenen Staatsangehörigen, verboten sei 79. Hierin manifestiert sich, daß Art. 52 EWGV nur die Gleichbehandlung mit Inländern gebietet, nicht aber - wie die Warenverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit 80 - ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält 81 . Zwar verbietet Art. 52 EWGV nicht nur formale, d. h. offensichtliche Diskriminierungen, sondern auch materielle, d. h. versteckte oder mittelbare Diskriminierungen 82. Im Fall eines vollständigen Verbots der betreffenden Betätigung für Inländer und Ausländer gleichermaßen ist allerdings eine Diskriminierung weder in formaler noch in materieller Hinsicht feststell bar. Derartige verfassungs- bzw. einfachrechtliche Restriktionen sind demnach hinzunehmen und allenfalls im Wege der Harmonisierung zu beseitigen 83. b) Die Beschränkung des Niederlassungsrechts gemäß Art. 55 EWGV Art. 55 EWGV schließt die Anwendung des Kapitels über das Niederlassungsrecht für Tätigkeiten aus, "die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind". In der Rs. 147/86 (Kommission / Griechenland) berief sich Griechenland auf diese Bestimmung zur Rechtfertigung von Niederlassungsbeschränkungen im Bildungsbereich. Es sei Sache der Mitgliedstaaten I," 1/ ulegen, welche Tätigkeiten mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundeil ,cien. Aufgrund der griechischen Verfassung sei die Erziehung eine fundamentale Aufgabe des Staates. Wenn Privatpersonen in diesem Bereich tätig würden, handelten sie als Beliehene des Staates 84 . Der Gerichtshof nahm den Ausgangspunkt dieser Argumentation auf und stimmte Griechenland insoweit zu, als es "Sache eines jeden Mitgliedstaats (sei), Rolle und Verantwortung der öffentlichen Gewalt im Unterrichtswesen festzuleSlg. 1988, 1637. Ebd., S. 1655. 80 Vgl. dazu Abschnitte B. I. 4. a) aa) und B. II. 4. a) cc) dieses Teils. 81 Vgl. GTE / Troberg, Kommentar zum EWGV, Art. 52 Rdnr. 38; kritisch dazu Steindorjf, EuR 1988, 19 ff. 82 Vgl. Z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Mai 1991, Rs. 340/89 (Vlassopoulou), noch nicht in Slg., in dem er die Mitgliedstaaten verpflichtete, bei der Zulassung von EG-Ausländem zu einem reglementierten Beruf die in dessen Herkunftsstaat erworbenen Diplome daraufhin zu überprüfen, ob sie die nach inländischem Recht erforderlichen Kenntnisse bescheinigen; vgl. auch Urteil vom 28. April 1977, Rs. 71 /76 (Thieffry), Slg. 1977, 765. 83 Vgl. Skouris, 24. 84 Slg. 1988, 1637 (1654). 78 79
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gen". Dann stellte er aber fest, daß die Gründung von Schulen der streitigen Art und die Tätigkeit als Hauslehrer nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EWGV verbunden seien 85 . Damit bestätigte der Gerichtshof letztlich die in dem Urteil vom 21. Juni 1974 in der Rs. 2/74 (Reyners)86 vorgenommene Konkretisierung von Art. 55 EWGV. Dort hatte er festgestellt, die in Art. 55 EWGV zugelassenen Ausnahmen könnten nicht weiter reichen, als der Zweck es erfordere, um dessentwillen sie vorgesehen seien. Art. 55 EWGV betreffe nur solche Tätigkeiten, "die, in sich selbst betrachtet, eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt" darstellten 87. Allerdings sei ein etwaiger Rückgriff auf Art. 55 EWGV für jeden Mitgliedstaat gesondert anhand der nationalen Bestimmungen über die Struktur und die Ausübung des betreffenden Berufs zu würdigen 88. Der letzte Satz ist von Griechenland in der Rs. 147/86 (Kommission / Griechenland) zur Stützung der These herangezogen worden, die begrifflichen Kriterien der öffentlichen Gewalt müßten in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht identisch sein 89. Dies beruht auf einem Mißverständnis 90. In dem Urteil in der Rs. 2/74 (Reyners) bezog sich der Gerichtshof lediglich auf die unterschiedlichen, noch nicht harmonisierten Berufsregelungen. Nur sofern diese tatsächlich bestimmte Tätigkeiten 91 mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbinden, kann Art. 55 EWGV eingreifen. Die alleinige Berufung auf eine Verfassungsbestimmung der genannten Art - gewissermaßen lediglich die Behauptung der Zugehörigkeit einer Tätigkeit zur öffentlichen Gewalt - ist nicht ausreichend. Demnach ist jeder Mitgliedstaat frei zu bestimmen, welche Tätigkeiten er mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbinden möchte; nur ist er nicht frei zu bestimmen, was als öffentliche Gewalt anzusehen ist 92 . Der Gerichtshof faßt unter den Begriff der öffentlichen Gewalt in Art. 55 Abs. 1 EWGV nur solche Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die zur Wahrung der Interessen, die diese Vorschrift zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich sind 93 . Diese Voraussetzung sah er im vorliegenden Fall nicht als erfüllt an, da der griechische Staat über die Möglichkeit verfügte, durch Kontrolle der fraglichen privaten Tätigkeiten die Wahrung seiner Interessen sicherzustellen 94. 85 86 87 88 89
Ebd. Sig. 1974, 631. Ebd., S. 654. Ebd., S. 655. Sig. 1988, 1637 (1642). 90 Tomuschat. ZaöRV 1967, 64 f., weist nach, daß der Begriff der "öffentlichen Gewalt" in Art. 55 EWGV ein solcher des Gemeinschaftsrechts ist, nicht aber eine Verweisung auf die mitgliedstaatliche Begriffsbildung. 91 Art. 55 EWGV meint einzelne Tätigkeiten, nicht Berufe; vgl. Scheuing. JZ 1975. 154; anders Tomuschat. ZaöRV 1967,70 f. 92 In diesem Sinn auch GTE/Troberg. Kommentar zum EWGV, Art. 55 Rdnr. 3. 93 Sig. 1988, 1637 (1654).
A. Der Bildungsbereich
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11. Bildungsrechte aus der Inanspruchnahme der Freizügigkeit
1. Einleitung a) Problemstellung Die Inanspruchnahme der beiden vertraglich festgelegten Formen der Freizügigkeit 95 soll in erster Linie zu einer Eingliederung der betreffenden Angehörigen der Mitgliedstaaten in das Wirtschaftsleben des Aufnahmestaats führen. Eine solche Eingliederung des Erwerbstätigen könnte aber das Freizügigkeitsrecht praktisch leerlaufen lassen, wenn der in einem anderen Mitgliedstaat Erwerbstätige seine Familie im Heimatstaat zurücklassen müßte. Daher sieht Art. 10 Abs. 1 der Verordnung des Rates Nr. 1612/68 vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer 96 vor, daß bei dem Arbeitnehmer sein Ehegatte und seine noch nicht 21 Jahre alten Kinder Wohnung nehmen dürfen, darüber hinaus seine über 21 Jahre alten Kinder und andere Verwandte sowie Verwandte des Ehegatten, wenn er diesen Unterhalt gewährt. Eine ähnliche Regelung trifft die Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1973 über die Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs 97 in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c) und d) für Angehörige von selbständig Erwerbstätigen. Haben somit Wanderarbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige sowie deren Familienangehörige das Recht, sich auf Dauer in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft niederzulassen, fragt sich, welche weiteren Rechte ihnen im Hinblick auf eine über den rein wirtschaftlichen Bereich hinausgehende Integration im Aufnahmestaat zustehen. Dies wird im folgenden anhand der Bildungsrechte der Wanderarbeitnehmer und Niederlassungsberechtigten sowie deren Familienangehörigen erörtert. b) Die Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wird durch mehrere Verordnungen und Richtlinien geregelt, die gewisse Anknüpfungspunkte für Bildungsrechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen aufweisen. Im Mittelpunkt steht die schon erwähnte VO 1612/ 68 98 • Art. 7 dieser Verordnung, der die Ebd., S. 1655. Vgl. dazu Abschnitt A. 1. 1. dieses Teils. 96 ABI. EG L 257 / 2. 97 ABI. EG L 172/14. 98 Vgl. Anm. 96; vgl. auch Änderungsvorschläge der Kommission vom 11. Januar 1989, ABI. EG C 100 / 6, geändert am 11. April 1990, ABI. EG C 119/10; dazu Gesser, EuZW 1991,435 ff. 94 95
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Gleichbehandlung eines Arbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat zum Gegenstand hat, lautet in seinen Absätzen 2 und 3 wie folgt: ,,(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. (3) Er kann mit dem gleichen Recht und unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer Berufsschulen und Umschulungszentren in Anspruch nehmen."
Art. 12 enthält zugunsten der Kinder von Wanderarbeitnehmem folgende Regelung: "Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Die Mitgliedstaaten fördern die Bemühungen, durch die diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen." Weiterhin ist die Verordnung Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, nach Beendigung der Beschäftigung im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu verbleiben 99, zu erwähnen. Von Bedeutung ist vor allem Art. 7 dieser Verordnung: "Das in der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates festgelegte Recht auf Gleichbehandlung gilt auch für die Begünstigten der vorliegenden Verordnung." Schließlich ist auf die Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmem hinzuweisen 100. Im Bereich des Niederlassungsrechts besteht zwar eine Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten 101 sowie eine weitere über das Recht der selbständig Erwerbstätigen, nach Beendigung dieser Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu verbleiben 102. Diese Rechtsakte enthalten aber keine Vorschriften, die den im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit festgestellten vergleichbar sind. Erwähnenswert ist lediglich Art. 7 der zuletzt genannten Richtlinie: "Die Mitgliedstaaten erhalten für die Verbleibeberechtigten das in den Richtlinien des Rates zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit auf Grund von Abschnitt III des Allgemeinen Programms festgelegte Recht auf Gleichbehandlung aufrecht."
ABI. EG L 142/24. ABI. EG L 199/32. 101 Richtlinie vom 21. Mai 1973, ABI. EG L 172 / 14. 102 Richtlinie vom 17. Dezember 1974, ABI. EG L 14/10 (1975).
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Damit verweist diese Vorschrift auf das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vom 18. Dezember 1961 103 , in dem es in Abschnitt III u. a. heißt: "Zu den beschränkenden Vorschriften und Praktiken gehören insbesondere diejenigen, die allein für Ausländer ... den Zugang zu der für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erforderlichen oder dienlichen Berufsausbildung verbieten oder behindern." Es zeigt sich somit, daß das sekundäre Gemeinschaftsrecht zumindest im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht darauf beschränkt ist, rechtliche Hindernisse für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu beseitigen, sondern auch das Ziel verfolgt, weitergehende tatsächliche Hindernisse im sozialen und kulturellen Bereich abzubauen 104. 2. Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen a) Der Wanderarbeitnehmer Art und Umfang der Bildungsrechte der Wanderarbeitnehmer ergeben sich aus den oben zitierten Absätzen 2 und 3 des Art. 7 va 1612/68 in der Auslegung, wie sie insbesondere der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vorgenommen hat. Begonnen wird mit der Prüfung von Art. 7 Abs. 3 va 1612/68, da diese Bestimmung vom Wortlaut her die engere Beziehung zum Bildungsbereich hat. aa) Art. 7 Abs. 3
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1612 / 68
Die Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 va 1612/68, die den Wanderarbeitnehmern die Befugnis verleiht, mit gleichem Recht und unter gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer Berufsschulen und Umschulungszentren in Anspruch zu nehmen, wirft zunächst die Frage nach der Bedeutung des Begriffs "Inanspruchnahme" auf. Die englische Fassung spricht von "access to training in vocational schools ... " und läßt vermuten, es sei lediglich der gleichberechtigte Zugang zu den genannten Einrichtungen, nicht aber etwa auch die finanzielle Förderung der Ausbildung gemeint. Diese Frage erörterte GA Slynn in der Rs. 39/86 (Lair) 105 und kam zu dem Ergebnis, Art. 7 Abs. 3 va 1612/68 müsse über den bloßen Zugang hinausgehend auch Maßnahmen betreffen, die die Teilnahme an der Ausbildung selbst erleichtern 106. In anderen sprachlichen Fassungen, etwa der deutschen und der französischen, werde der Begriff "Zugang" 103 104 105 106
ABI. EG Nr. 2/36 (1962). So de Witte, Educational Equality, 71. Urteil vom 21. Juni 1988, Slg. 1988,3161. Ebd., S. 3185.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
nicht verwandt 107. Zudem müsse die Wendung "unter den gleichen Bedingungen" in Art. 7 Abs. 3 ebenso wie in Art. 12 va 1612/68 ausgelegt werden. Art. 12 va 1612 / 68 beziehe sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aber auch auf Maßnahmen der Ausbildungsförderung 108. Auch die Kommission äußerte sich in diesem Sinne 109. Der Gerichtshof mußte in seinem Urteil zu dieser Frage nicht Stellung nehmen. Dessen ungeachtet kann der Ansicht des Generalanwalts und der Kommission zugestimmt werden 110. Zum einen zielt Art. 7 va 1612/68 in den übrigen Absätzen auf eine umfassende Gleichstellung ausländischer Arbeitnehmer; eine Beschränkung von Absatz 3 auf den Zugang zu den genannten Bildungseinrichtungen, letztlich allein durch die englische Fassung nahegelegt, wäre systemwidrig. Zudem wäre nicht erklärlich, weshalb Art. 7 Abs. 3 va 1612/ 68 den ausländischen Arbeitnehmern den gleichen Zugang zu Berufsschulen und Umschulungszentren nicht nur "mit dem gleichen Recht", sondern auch "unter den gleichen Bedingungen" wie den inländischen Arbeitnehmern zugestehen, dann aber die für den Wanderarbeitnehmer unter Umständen viel bedeutsameren "gleichen Bedingungen" während der Ausbildung selbst ausschließen sollte. Ein weiteres Auslegungsproblem stellt sich in Art. 7 Abs. 3 va 1612/ 68 mit dem Begriff "Berufsschulen". Dieser Begriff ist in den Schulgesetzen der deutschen Länder in eindeutiger und begrenzter Weise definiert. So bestimmt etwa Art. 8 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes, die Berufsschule führe "als gleichberechtigter Partner der betrieblichen Ausbildung durch eine gestufte Grund- und Fachbildung zu berufsqualifizierenden Abschlüssen". Fraglich ist, ob sich diese Begriffsbestimmung ohne weiteres auf Art. 7 Abs. 3 va 1612/68 übertragen läßt. Der Begriff der Berufsschule im Sinne dieser Vorschrift ist ein Begriff des Gemeinschaftsrechts und unterliegt als solcher dem "Grundsatz der einheitlichen Auslegung" 111. Daher darf nicht unbesehen auf Begriffsinhalte des nationalen Rechts zurückgegriffen werden 112. In den Rs. 39/86 (Lair) 113 und 197/86 (Brown) 114 war die Frage zu klären, ob ein Universitätsstudium eine Ausbildung an einer "Berufsschule" im Sinne von Art. 7 Abs. 3 va 1612 / 68 darstelle. Anlaß für diese Fragestellung war das Urteil des Gerichtshofs vom l3. Februar 1985 in der Rs. 293/83 (Gravier) 115 107 Ebd., S. 3184; auch die italienische Fassung spricht von" .. . fruisce ... dell'insegnamento ...", geht somit ebenfalls weiter als der englische Verordnungstext. 108 Ebd., S. 3186. 109 Ebd., S. 3173. 110 Ebenso de Witte, Educational Equality, 73; Avenarius, NVwZ 1988,390. 111 So Streit, 97. 112 Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 223. 113 Slg. 1988, 316l. 114 Urteil vom 2l. Juni 1988, Slg. 1988, 3205. 115 Slg. 1985,593.
A. Der Bildungsbereich
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gewesen, in dem der Gerichtshof dem Begriff der Berufsausbildung in Art. 128 EWGV einen weiten Anwendungsbereich eröffnet hatte 116. Die Regierung des Vereinigten Königreichs kam in ihrer Stellungnahme in der Rs. 197 / 86 (Brown) zu der Auffassung, zwischen dem Begriff der Berufsausbildung in Art. 128 EWGV und demjenigen der Inanspruchnahme von Berufsschulen in Art. 7 Abs. 3 VO 1612/68 könne nicht unterschieden werden 117. Auch GA Slynn hielt eine solche Auslegung für zutreffend 118. Der Gerichtshof entschied demgegenüber, der Begriff der Berufsschule sei enger und umfasse ausschließlich Einrichtungen, die nur eine Ausbildung vermitteIten, welche entweder in eine Berufstätigkeit eingebettet oder mit einer solchen, insbesondere während einer Lehre, eng verbunden sei, was bei Universitäten nicht der Fall sei 119. Damit kommt der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Berufsschule demjenigen des deutschen Rechts nahe. Über die Gründe für eine solchermaßen enge Auslegung des Begriffs der Berufsschule gibt das Urteil allerdings keinen Aufschluß. bb) Art. 7 Abs. 2
va 1612 / 68
Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 sichert den Wanderarbeitnehmern im Aufnahmestaat die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie sie inländischen Arbeitnehmern zustehen. Der Bezug dieser Vorschrift zu den Bildungsrechten der Wanderarbeitnehmer ist nicht ohne weiteres erkennbar und erschließt sich erst durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs. Im Mittelpunkt steht dabei der Begriff der sozialen Vergünstigungen. Der Gerichtshof faßt darunter in ständiger Rechtsprechung alle Vergünstigungen, "die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern" 120. In den Rs. 39/86 (Lair) und 197/86 (Brown) war fraglich, ob unter diese Definition auch eine finanzielle Förderung subsumiert werden könne, die für den Lebensunterhalt und zur Durchführung eines Hochschulstudiums gewährt werde. Die Regierung des Vereinigten Königreichs verneinte dies in der Rs. 197/86 Vgl. dazu näher unten Abschnitt A. III. 3. a) bb) dieses Teils. Sig. 1988,3205 (3213 f.). 118 Ebd., S. 3228. 119 Ebd., S. 3242. 120 Vgl. z. B. Urteil vom 21. Juni 1988, Rs. 39/86 (Lair), Slg. 1988,3161 (3196 f.); Urteil vom 17. April 1986, Rs. 59/85 (Reed), Sig. 1986, 1283 (1303); Urteil vom 20. Juni 1985, Rs. 94/84 (Deak), Slg. 1985, 1873 (1886); vgl. allgemein zur Entwicklung des Begriffs Magiera, DÖV 1987,225 f.; o'Keejfe , YEL 1985,93 ff. 116
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
(Brown) mit der Begründung, Art. 7 Abs. 3 va 1612/68 regle als lex specialis die Rechte der Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Ausbildung und der dazugehörigen Sozialleistungen abschließend 121. Ähnlich äußerte sich die Bundesregierung in der Rs. 39/86 (Lair) 122. Für diese Auffassung sprechen der englische und der französische Verordnungstext. Dort heißt es in Art. 7 Abs. 3: "He shall also, by virtue of the same right ... " bzw. "Il beneficie egalement, au meme titre ...". Daraus könnte man schließen, Art. 7 Abs. 3 regle gegenüber Art. 7 Abs. 2 etwas andersartiges. Der Generalanwalt schloß sich dieser Auffassung nicht an und erklärte die Regelung des Art. 7 Abs. 3 va 1612/68 damit, der Verordnungsgeber habe wohl verhindern wollen, daß die dort genannten sozialen Vergünstigungen im Auslegungswege von Art. 7 Abs. 2 va 1612/68 ausgeschlossen würden 123. Dies leuchtet ein, da die von Art. 7 va 1612/68 gewährten Rechte grundsätzlich an die Arbeitnehmereigenschaft anknüpfen 124. Daher war eine besondere KlarsteIlung erforderlich, daß ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis nicht stets vorausgesetzt werden darf. In Übereinstimmung mit dem Generalanwalt stellte der Gerichtshof schließlich fest, daß Art. 7 Abs. 3 va 1612/68 zwar eine besondere soziale Vergünstigung vorsehe, daß jedoch eine Ausbildungsförderung, die nicht unter diese Vorschrift falle, immer noch von Art. 7 Abs. 2 va 1612/68 erfaßt werden könne 125. Dies sah der Gerichtshof in den vorliegenden Fällen auch als gegeben. Die finanzielle Förderung des Lebensunterhalts und der Ausbildung sei "namentlich aus der Sicht des Arbeitnehmers besonders geeignet ... , zu seiner beruflichen Qualifizierung beizutragen und seinen sozialen Aufstieg zu erleichtern" 126. Auf die in der Rs. 39/86 (Lair) vorgenommene Qualifizierung von Ausbildungsförderung als soziale Vergünstigung bezog sich der Gerichtshof in dem Urteil vom 27. September 1988 in der Rs. 235/87 (Matteucci) 127, in der es um den Sonderfall von Stipendien ging, die aufgrund des deutsch-belgischen Kulturabkommens nur Staatsangehörigen der Vertrags parteien zum Aufenthalt im jeweils anderen Staat gewährt werden sollten. Frau Matteucci, eine italienische Staatsangehörige, machte als Wanderarbeitnehmerin geltend, auch sie müsse aufgrund von Art. 7 Abs. 2 va 1612/68 in den Genuß eines solchen Stipendiums kommen können. Dieses auf den ersten Blick erstaunliche Begehren liegt bei näherem Hinsehen durchaus in der Konsequenz der va 1612/ 68, die ja gerade ein Recht auf Gleichbehandlung in Bereichen gibt, die den Staatsangehörigen 121 122 123 124 125 126 127
Slg. 1988,3205 (3216); ebenso Avenarius, NVwZ 1988,390. Slg. 1988,3161 (3166). Ebd., S. 3187. Vgl. Urteil vom 18. Juni 1987, Rs. 316/85 (Lebon), Slg. 1987,2811 (2839). Slg. 1988, 3161 (3198). Ebd., S. 3197. Slg. 1988,5589.
A. Der Bildungsbereich
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der einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten werden sollen. Daher entschied der Gerichtshof, derartige Stipendien müßten, selbst wenn sie sich auf eine Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat bezögen, auch von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten beansprucht werden können 128. Daraus ist gefolgert worden, nunmehr müßten alle bilateralen Kulturabkommen der EG-Mitgliedstaaten, auch solche mit Drittländern, den EG-Ausländern geöffnet werden 129. Diese Befürchtung ist jedoch in ihrer Allgemeinheit unbegründet. EG-Ausländer können Ansprüche aus solchen Abkommen nur herleiten, sofern in diesen soziale Vergünstigungen gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs enthalten sind. Im Hinblick auf Kulturabkommen mit Drittländern ist außerdem zu bemerken, daß zwar der jeweilige EG-Mitgliedstaat verpflichtet sein wird, auch EG-Ausländer für die im Rahmen eines solchen Abkommens vergebenen Stipendien vorzuschlagen, daß aber der Drittstaat, der nicht den Bindungen des Gemeinschaftsrechts unterliegt, nicht verpflichtet wäre, Angehörige eines anderen als des Vertragstaates als Stipendiaten zu akzeptieren 130. ce) Der Begriff des Arbeitnehmers
Die aus Art. 7 va 1612/68 fließenden Rechte können nur von einem "Arbeitnehmer" geltend gemacht werden. Auch Art. 48 EWGV spricht von "Arbeitnehmern", in Abs. 3 lit. a) und b) sogar im Zusammenhang mit Fragen des Zugangs zur Beschäftigung. Der Gerichtshof hat allerdings klargestellt, daß Art. 7 va 1612/68 nicht Personen zugute kommt, die zuwandern, um eine Beschäftigung zu suchen 131. Solche Personen können daher zumindest nicht als Arbeitnehmer im Sinne der va 1612/68 angesehen werden 132. Dieser Auslegung entspricht die Systematik der va 1612/68, die in Titel I des ersten Teils (Zugang zur Beschäftigung) stets von "Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats" spricht, dagegen in Titel 11 (Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung) den Begriff "Arbeitnehmer" verwendet. Der nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmende 133 Arbeitnehmerbegriff setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs u. a. 134 voraus, daß es um die "AusEbd., S. 5613. So Hochbaum, DUZ 20/1987, 20. 130 In der Rs. 235/87 (Matteucci) leitete der Gerichtshof die Pflicht der Bundesrepublik Deutschland, die Auswahl eines nicht-belgischen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu akzeptieren, aus Art. 5 EWGV her; vgl. Slg. 1988, 5589 (5611 f.). 131 Slg. 1987,2839 (Anm. 124). 132 So auch Everling, Rechtsprechung, 30, im Hinblick auf Art. 48 EWGV. 133 Vgl. schon Urteil vom 19. März 1964, Rs. 75/63 (Unger), Slg. 1964, 379 (400); Urteil vom 23. März 1982, Rs. 53/81 (Levin), Slg. 1982, 1035 (1049). 134 Zu weiteren Einzelheiten des Arbeitnehmerbegriffs vgl. Abschnitt A. I. 2. a) dieses Teils. 128
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
übung tatsächlicher und echter Tätigkeiten" geht, deren Umfang sich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt 135. Zur Anwendung und Konkretisierung dieser Grundsätze boten die Rs. 39/ 86 (Lair) 136 und 197/86 (Brown) 137 Anlaß. Frau Lair war einige Jahre als Arbeitnehmerin in der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesen und nahm in einer Phase der Arbeitslosigkeit ein Magisterstudium an der Universität Hannover auf. Ihren Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG stützte sie unter anderem auf Art. 7 Abs. 2 va 1612/68. In dem Verfahren vor dem Gerichtshof trug die Bundesregierung vor, Frau Lair habe durch die Aufnahme eines Studiums ihre Arbeitnehmereigenschaft aufgegeben und könne keine Freizügigkeitsrechte mehr geltend machen 138. Dem folgte der Gerichtshof nicht. Anhand verschiedener Vorschriften des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts belegte er, daß "bestimmte mit der Arbeitnehmereigenschaft zusammenhängende Rechte den Wanderarbeitnehmern auch dann garantiert (seien), wenn diese nicht in einem Arbeitsverhältnis" stünden 139. Im Falle der Hochschulausbildungsförderung müsse eine Kontinuität zwischen der zuvor ausgeübten Berufstätigkeit und dem Studium gewährleistet sein, d. h. es müsse, außer bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, zwischen beiden ein sachlicher Zusammenhang bestehen 140. Der Gerichtshof erweiterte den Arbeitnehmerbegriff somit nicht, sondern beschränkte sich darauf, unter der Voraussetzung der Kontinuität zwischen Berufstätigkeit und Studium die Nachwirkung von Rechten aus Art. 7 Abs. 2 va 1612/ 68 festzustellen. Außerdem erklärte es der Gerichtshof in dieser Entscheidung für gemeinschaftsrechtswidrig, wenn ein Mitgliedstaat die Gewährung von Arbeitnehmerrechten aufgrund von Art. 7 va 1612/68 davon abhängig mache, daß der Anspruchsteller während eines bestimmten Mindestzeitraums eine Berufs tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausgeübt habe. Der gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff könne nicht von nationalen Kriterien abhängen. Ein Mißbrauch dieser Rechte, etwa durch Beanspruchung von Studienförderung nach planmäßig sehr kurzer Berufstätigkeit, sei vom Gemeinschaftsrecht allerdings nicht gedeckt 141. Auch in der Rs. 197 / 86 (Brown) ging es um eine Studienförderung, die u. a. als soziale Vergünstigung gemäß Art. 7 Abs. 2 va 1612/ 68 beansprucht wurde. 135 Slg. 1982, 1050 (Anm. 133); Urteil vom 3. Juni 1986, Rs. 139/85 (Kempf), Slg. 1986, 1741 (1750); zum Arbeitnehmerbegriff vgl. auch Hailbronner, ZAR 1990, 109 f. 136 Urteil vom 21. Juni 1988, Slg. 1988, 3161. I37 Urteil vom 21. Juni 1988, Slg. 1988, 3205. 138 Slg. 1988, 3161 (3166). 139 Ebd., S. 3200. 140 Ebd. 141 Ebd., S. 3201.
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Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte ein achtmonatiges Industriepraktikum absolviert und anschließend in demselben Fachbereich ein Universitätsstudium begonnen. Einerseits war die Zulassung zum Studium Voraussetzung für die Einstellung als Praktikant bei dem Unternehmen gewesen, andererseits hatte die Universität die Ableistung eines Industriepraktikums bis zum Ende des zweiten Studienjahres verlangt. Unter Berücksichtigung des Urteils in der Rs. 39/86 (Lair) könnte man zu der Auffassung neigen, Brown hätte in den Genuß der beantragten Studienförderung kommen müssen, da er sowohl dem gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff genügte als auch einen Zusammenhang zwischen seiner früheren Berufstätigkeit und dem nachfolgenden Studium nachweisen konnte 142. Der Gerichtshof sah auch die Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft für die Zeit des Industriepraktikums als erfüllt an, versagte Brown aber die Berufung auf die Fortwirkung von Arbeitnehmerrechten, da er die Arbeitnehmereigenschaft nur infolge der Zulassung zum Studium erworben habe und in diesem Fall das Arbeitsverhältnis im Verhältnis zum Studium von untergeordneter Bedeutung sei 143. Diese Entscheidung ist verschiedentlich als Anwendungsfall der in der Rs. 39/86 (Lair) entwickelten "Mißbrauchsklausel" angesehen worden 144. Es ist aber nicht ersichtlich, daß Brown seine ArbeitnehmersteIlung hätte mißbrauchen können oder wollen. Für ihn war das Industriepraktikum nicht lediglich ein Vorwand, um in den Genuß von Arbeitnehmerrechten zu gelangen, sondern notwendige Voraussetzung seiner Ausbildung. Auch der Gerichtshof begründet seine Entscheidung allein mit der untergeordneten Bedeutung der Berufstätigkeit, nicht aber mit einem etwaigen Mißbrauch 145. An der Entscheidung ist kritisiert worden, es werde zunächst scheinbar objektiv die Arbeitnehmereigenschaft festgestellt, dann aber würden subjektive Ausnahmen gemacht l46 • Wenn jemand ein "echter" Arbeitnehmer sei, müßte er auch alle Arbeitnehmerrechte beanspruchen können 147. Diese auf den ersten Blick einleuchtende Kritik verfängt indessen nicht. Zwar ist davon auszugehen, daß zwischen der Tätigkeit von Brown als Arbeitnehmer und seinem Studium ein Zusammenhang bestand, so daß er scheinbar die in dem Urteil in der Rs. 39/ 86 (Lair) 148 aufgestellte Voraussetzung für die Nachwirkung von Arbeitnehmerrechten erfüllte.
142 143 144 145 146 147 148
So Hartley, CDE 1989, 340. Slg. 1988, 3205 (3245). Vgl. Hartley, CDE 1989, 340; offenbar auch Lichtenberg, FS Steindorff, 1282. So auch Flynn, YEL 1988, 74. So Lonbay, ELR 1989,379. Ebd. Slg. 1988,3161 (3200).
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Indessen kann nicht angenommen werden, daß nach jener Entscheidung ein beliebiger Zusammenhang ausreicht. Vielmehr ist davon auszugehen, daß sich das nachfolgende Studium als Weiterentwicklung einer vormals getroffenen beruflichen Entscheidung darstellen muß. Nur ein solchermaßen präzisierter Zusammenhang stand in der Rs. 39/86 (Lair) in Frage. Davon kann von vornherein keine Rede sein, wenn die Art der beruflichen Tätigkeit gar nicht eigentlich auf einer beruflichen Entscheidung beruht, sondern aus den Notwendigkeiten einer Studienordnung folgt 149. Bildlich gesprochen muß sich der Zusammenhang eindimensional von der Berufstätigkeit zum Studium entwickeln, nicht hingegen kann der Zusammenhang durch eine zuvor getroffene Entscheidung für ein bestimmtes Studium hergestellt werden 150. Im Hinblick auf das Problem der Kontinuität zwischen Beruf und Studium bei freiwilliger Aufgabe der Beschäftigung sprach sich GA van Gerven in seinen Schluß anträgen in der Rs. C-3 /90 (Bernini) 151 dafür aus, diese Kontinuität nur anzunehmen, wenn die Berufstätigkeit in der Absicht aufgegeben worden sei, ein Studium aufzunehmen. Gegen das Vorliegen einer solchen Absicht könne eine längere Zeitdauer zwischen Aufgabe der Berufstätigkeit und Aufnahme des Studiums sprechen 152. Andererseits vertrat er in den Schlußanträgen in der Rs. C-357/ 89 (Raulin) 153 hinsichtlich des Vorliegens unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, bei der der Gerichtshof einen sachlichen Zusammenhang zwischen Beruf und Studium nicht verlangt, eine weite Auffassung: Die unfreiwillige Arbeitslosigkeit sei nur ein Beispiel gewesen, um den in der Entscheidung nachfolgenden Satzteil zu erläutern 154. Darin stellt der Gerichtshof darauf ab, ob der Arbeitnehmer durch die Lage am Arbeitsmarkt zu einer beruflichen Umschulung in einem anderen Berufszweig gezwungen worden sei 155. Insgesamt erscheint das Erfordernis der Kontinuität wenig praktikabel, da es erhebliche Auslegungsprobleme erwarten läßt. Außerdem ist das Kriterium auch aus rechtlicher Sicht bedenklich. Wenn es nämlich Ziel von Art. 7 VO 1612/ 68 ist, den Arbeitnehmern anderer Mitgliedstaaten völlige Gleichbehandlung mit inländischen Arbeitnehmern zu gewährleisten, so verstößt es gegen diese Intention, Wanderarbeitnehmer, die ein Studium aufnehmen möchten, Anforderungen bezüglich der Kontinuität zwischen ihrer Berufstätigkeit und dem Studium zu unterwerfen, denen inländische Arbeitnehmer in gleicher Situation nicht genügen müssen 156. Dabei sind allerdings die vom Gerichtshof in der Rs. 197/86 (Brown) gemachten, oben besprochenen Einschränkungen zu beachten. 149 150 151 152 153 154 155
So auch Lichtenberg, FS Steindorff, 1282. Ähnlich Lichtenberg, ebd. Schlußanträge vom 11. Juli 1991, noch nicht in Slg. Ebd., Ziff. 15. Schlußanträge vom 11. Juli 1991, noch nicht in Slg. Ebd., Ziff. 14. Slg. 1988, 3161 (3200).
A. Der Bildungsbereich
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b) Die Kinder eines Wanderarbeitnehmers aa) Art. 12
va 1612 / 68
Art. 12 va 1612/68 berechtigt die Kinder von Wanderarbeitnehmern, unter den gleichen Bedingungen wie Inländer am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilzunehmen, wenn sie im Aufnahmestaat wohnen. Die Regelung des Art. 12 va 1612/68 war verschiedentlich Gegenstand von Entscheidungen des Gerichtshofs und wurde von diesem unter mehreren Aspekten ausgelegt. In der Rs. 9/74 (Casagrande) 157 ging es um die Frage, ob diese Vorschrift auch die Gleichbehandlung bei der Gewährung von Ausbildungsförderung für den Schulbesuch betreffe. In dem Verfahren war vorgetragen worden, Art. 12 va 1612/68 erfasse nur die gleichberechtigte Zulassung zu den genannten Bildungseinrichtungen, nicht aber auch die individuelle wirtschaftliche Förderung 158. Demgegenüber entschied der Gerichtshof, Art. 12 ziele "nicht nur auf die Zulassungsbedingungen, sondern auch auf die allgemeinen Maßnahmen ab, welche die Teilnahme am Unterricht erleichtern" sollten 159. Diese Entscheidung bestätigte er in dem Urteil vom 29. Januar 1975 in der Rs. 68/74 (Alaimo) 160 und formulierte noch deutlicher, Art. 12 va 1612/68 wolle eine Gleichstellung hinsichtlich aller Rechte gewährleisten, die sich aus der Zulassung ergäben 161. Diese Rechtsprechung ist mit der Bemerkung kommentiert worden, der Gerichtshof habe Art. 12 va 1612/ 68 teleologisch interpretiert und mehr hineingelesen, als in ihm stehe. Die Vorschrift betreffe dem Wortlaut nach nur die formale Zulassung 162. Dieser Äußerung liegt offenbar der englische Verordnungstext zugrunde. Dort heißt es tatsächlich: "The children of anational of a member state ... shall be admitted to that state' s general educational, apprenticeship and vocational training courses ... " 163. Auch in anderen Verordnungstexten wird sprachlich das Moment der Zulassung betont, so im italienischen Text mit der Wendung "ammessi a frequentare i corsi d'insegnamento generale", im französischen Text, der die Worte "admis aux cours d'enseignement general" verwendet, oder im niederländischen Text mit der Formulierung" toegelaten tot het algemeene onderwijs" 164.
156 157 158 159 160 161 162 163 164
So auch Flynn, YEL 1988, 76. Urteil vom 3. Juli 1974, Slg. 1974, 773. So die Staatsanwaltschaft als Vertreterin des öffentlichen Interesses; ebd., S. 776. Ebd., S. 779. Slg. 1975, 109. Ebd., S. 114. So de Witte, Educational Equality, 72. Hervorhebung hinzugefügt. Hervorhebungen hinzugefügt.
7 Niedobitek
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Der deutsche Text hingegen spricht von" Teilnahme unter den gleichen Bedingungen ..." 165, stellt also sprachlich eher auf die Ausbildung selbst als auf die Zulassung zur Ausbildung ab. Zumindest der deutsche Verordnungstext, der wie alle anderen Vertragssprachen verbindlich ist 166, kann somit der Auslegung des Gerichtshofs nicht entgegengehalten werden. Im Hinblick auf die Art der Ausbildung, die von Art. 12 VO 1612/68 erfaßt wird, stellte der Gerichtshof in dem Urteil vom 15. März 1989 in den verb. Rs. 389 und 390/87 (Echternach und Moritz) 167 klar, daß sich das Gleichbehandlungsgebot "auf jede Form von Unterricht sowohl berufs- als auch allgemeinbildender Art erstreckt" 168, daß also die Kinder von Wanderarbeitnehmern im Hinblick auf alle denkbaren Bildungsfragen gleichzubehandeln sind 169. In diesem Verfahren mußte sich der Gerichtshof auch mit der speziellen Frage befassen, ob sich ein Kind eines Wanderarbeitnehmers im Aufnahrnestaat auch dann auf Art. 12 VO 1612/ 68 berufen und Studienförderung beanspruchen kann, wenn es zunächst zusammen mit den Eltern in den Herkunftsstaat zurückgekehrt war, dort jedoch das begonnene Studium nicht hatte fortsetzen können und in den Aufnahmestaat zurückgekehrt war. Hier entschied der Gerichthof, daß die Eigenschaft als Kind eines Wanderarbeitnehmers gemäß Art. 12 VO 1612/ 68 auch in diesem Fall erhalten bleibe. Die Integration könne nur gelingen, wenn das Kind eines EG-Arbeitnehmers die Möglichkeit habe, im Aufnahmestaat ein Studium zu absolvieren und gegebenenfalls zur Vollendung des Studiums in diesen Staat zurückzukehren, falls es wegen fehlender Koordinierung der Schulzeugnisse zwischen den Mitgliedstaaten keine andere Wahl habe 170. Diese Aussage bezieht sich nicht in erster Linie auf die Integration des Kindes eines Wanderarbeitnehmers, sondern auf diesen selbst. Nach Auffassung des Gerichtshofs setzt die soziale Integration des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmestaat nämlich voraus, daß dieser einen Anspruch darauf hat, hinsichtlich der seinen Familienangehörigen gewährten Vergünstigungen ebenso behandelt zu werden wie inländische Arbeitnehmer l71 • Die Auslegung des Art. 12 VO 1612/ 68 durch den Gerichtshof ist also darauf ausgerichtet, alle Ungleichbehandlungen zu beseitigen, die einen Arbeitnehmer im Interesse seiner Kinder daran hindern könnten, von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen. Auf derselben Linie liegt das Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 1990 in der Rs. C-308 / 89 (Di Leo) 172. Hier ging es um die Frage, ob das Kind eines 165
166 167 168 169 170 171 172
Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. Grabitz/ Schweitzer, Kommentar zum EWGV, Art. 248 Rdnr. 5. Sig. 1989, 723. Ebd., S. 763. So auch Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 45. Sig. 1989,723 (761). Ebd. Sig. 1990,1-4185.
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Wanderarbeitnehmers aufgrund von Art. 12 VO 1612/68 staatliche Förderung für eine Ausbildung beanspruchen kann, die in einem anderen Staat als dem Aufnahmestaat, insbesondere in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt, stattfindet, wenn die inländischen Staatsangehörigen einen solchen Anspruch haben. Der Gerichtshof entschied, Art. 12 VO 1612/68 gebiete auch in diesem Fall volle Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen. Der Umstand, daß die Ausbildung nicht im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates stattfinde, sei mit dem Wohnorterfordernis des Art. 12 VO 1612/68 vereinbar. Denn dieses Erfordernis verfolge den Zweck, die Gleichbehandlung auf die bei den Eltern im Aufnahmestaat wohnenden Kinder zu beschränken, treffe hingegen keine Aussage darüber, wo das Kind am Unterricht teilnehme 173. In einer Zusammenschau mit Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 entnahm der Gerichtshof der Vorschrift des Art. 12 VO 1612/68 eine allgemeine Regel, wonach jeder Mitgliedstaat im Bereich des Unterrichts die umfassende Gleichbehandlung der Kinder von Wanderarbeitnehmern sicherstellen müsse 174. Es müßten die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des EG-Arbeitnehmers im Aufnahmestaat geschaffen werden 175. Zu diesem Urteil ist in der Literatur kritisch angemerkt worden, es sei nicht nachvollziehbar, wie ein Auslandsstudium der Integration im Aufnahmestaat förderlich sein könne 176, insbesondere wenn es im Heimatstaat des betreffenden Kindes eines Wanderarbeitnehmers stattfinde 177. Die Ungleichbehandlung bei der Förderung von Ausbildungen, die in dem Staat stattfänden, dessen Staatsangehörigkeit der Student besitze, beruhe nicht eigentlich auf der Staatsangehörigkeit, sondern darauf, daß ein Staat die Mobilität in der Hochschulausbildung seiner eigenen Studenten fördern, nicht aber die Studienförderung in anderen EGMitgliedstaaten für deren eigene Staatsangehörige mitfinanzieren wolle 178. Die Integrationsfeindlichkeit dieser Einschätzungen wird schon durch die Wortwahl deutlich. So wird der Staat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind eines Wanderarbeitnehmers besitzt, ohne weiteres als "Heimatstaat" bezeichnet, weiter wird dieses Kind im Hinblick auf die Mobilität in der Hochschulausbildung einfach dem Staat seiner Staatsangehörigkeit zugerechnet. Eine etwa bereits vollzogene Integration im Aufnahmestaat wird ignoriert. Die gegen die Entscheidung des Gerichtshofs vorgebrachten Bedenken sind daher zurückzuweisen. Vielmehr erweist sich das Urteil aus zwei Perspektiven als zutreffend. Zum einen räumt der Gerichtshof ein rechtliches Hindernis des nationalen Rechts aus, das Angehörige der Mitgliedstaaten an der Wahrnehmung des Freizügigkeits173 174 175 176 177 178
7*
Ebd., S. 1-4208. Ebd., S. 1-4208 f. Ebd., S. 1-4208. So Weberling, WissR 1991, 135 f. So Teske, EuZW 1991,55; in diesem Sinn auch Hailbronner, JuS 1991, 13. So Hailbronner, EuZW 1991, 175.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
rechts hindern könnte. Zum anderen dient das Urteil auch der Integration der Kinder von Wanderarbeitnehmern im Aufnahmestaat. GA Darmon hat in seinen Schlußanträgen überzeugend dargetan, daß die Ungleichbehandlung inländischer Kinder und EG-ausländischer Kinder von Wanderarbeitnehmern bezüglich der Förderung eines Auslandsstudiums integrationshemmend wirken kann, insbesondere da sie im Aufnahmestaat zuvor völlig gleich behandelt worden sind 179. Darüber hinaus leuchtet ein, daß die Verbundenheit mit dem Aufnahmestaat, mithin die Integration in diesem, auch durch eine finanzielle Förderung eines Auslandsstudiums gestärkt werden kann. In zwei Entscheidungen lehnte der Gerichtshof die Anwendbarkeit von Art. 12 VO 1612/68 allerdings ab. In dem Urteil vom Tl. September 1988 in der Rs. 263/86 (Humbel) 180 hielt er an dem in dieser Vorschrift statuierten Wohnsitzerfordernis fest und versagte einem in Luxemburg wohnenden, in Belgien die Schule besuchenden französischen Schüler die Berufung auf den Umstand, daß die luxemburg ischen Schüler in Belgien von der Zahlung einer Einschreibegebühr befreit waren. Art. 12 VO 1612/68 erlege nur dem Aufnahmemitgliedstaat Pflichten auf l81 • In dem Urteil vom 21. Juni 1988 in der Rs. 197/86 (Brown) 182 schloß er die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus, wenn ein Kind eines Wanderarbeitnehmers sich in einem Mitgliedstaat auf diese Vorschrift beruft, in dem ein Elternteil letztmals vor seiner Geburt wohnhaft gewesen war 183.
bb) Die Richtlinie über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern Die Richtlinie über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern 184 ist von anderer Art als die bisher behandelten Vorschriften, da sie nicht lediglich Inländerbehandlung vorschreibt, sondern die Mitgliedstaaten zu positiven Maßnahmen im Hinblick auf die Unterweisung der Kinder von Wanderarbeitnehmern in der Amtssprache des Aufnahmestaats, der Muttersprache und der heimatlichen Landeskunde verpflichtet, d. h. zu Maßnahmen, die den eigenen Staatsangehörigen nicht zugutekommen 185. Art. 49 EWGV ist als taugliche Rechtsgrundlage dieser Richtlinie in Frage gestellt worden. Diese Vorschrift diene nur dazu, Schranken der Freizügigkeit zu beseitigen, nicht aber, aktive Fördermaßnahmen zu ergreifen, um erst besondere Mobilitätsanreize zu schaffen. Außerdem setze eine Zuständigkeit kraft Sach179
180 181 182 183 184 185
Sig. 1990, 1-4185 (1-4195). Sig. 1988,5365. Ebd., S. 5389. Sig. 1988, 3205. Ebd., S. 3246. ABI. EG L 199/32 (1977). Vgl. de Wilte / Post, 147.
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zusammenhangs, um die es hier gehe, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs voraus, daß die ausdrückliche Vertragskompetenz nur durch in effektiver Auslegung gewonnene Kompetenzergänzung in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könne. Dies sei zwar für das Aufenthalts- und Verbleiberecht der Familienangehörigen, nicht aber für die in der fraglichen Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen anzunehmen 186. Dagegen ist zunächst einzuwenden, daß Art. 49 EWGV für eine Beschränkung auf Maßnahmen zur Beseitigung von Schranken der Freizügigkeit nichts hergibt 187. Der Begriff der "Herstellung" der Freizügigkeit hat in Art. 49 EWGV einen weiteren Sinn als in Art. 48 EWGV. Dies zeigt ein Vergleich mit dem englischen und dem französischen Vertragstext. Dort heiß es in Art. 48 EWGV " ... shall be secured ... " bzw .... est assuree ... ", dagegen in Art. 49 EWGV " ... to bring about ... freedom of movement" bzw. " ... en vue de realiser ... la libre circulation ...". Darüber hinaus ist dem Rat durch das Merkmal der Erforderlichkeit ein sehr weiter Ermessensspielraum zugestanden worden 188, der auch Maßnahmen zur "Attraktivitätssteigerung" der Freizügigkeit umfaßt 189. Daher geht es im Fall der Richtlinie über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern auch nicht um ein Problem impliziter Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, sondern um ein solches der Auslegung expliziter Zuständigkeit. c) Der Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers Dem Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers werden aufgrund des sekundären Gemeinschaftsrechts keine ausdrücklichen Rechte im Bildungsbereich zugestanden. Art. 11 va 1612/68 gestattet ihm lediglich, im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben, auch wenn er nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt 190. Die Kinder eines Wanderarbeitnehmers hingegen genießen - wie gezeigt - aufgrund von Art. 12 va 1612/ 68 umfassende Rechte im Bildungsbereich. Damit stellt sich 186 So Hiermaier, Einfluß der EG, 95 f.; zu dem Problem umgekehrter Diskriminierung der Kinder inländischer Arbeitnehmer vgl. de Witte, Educational Equality, 75. 187 Auch wenn es sich bei dieser Richtlinie handelt um "a piece of legislation which nobody might have dreamt to read in articles 48-49 at the time of drafting the Treaty"; vgl. de Wilte, Scope of Community Powers, 267. 188 Vgl. GTEI Wölker, Kommentar zum EWGV, Art. 49 Rdnr. 7. 189 GBTEI Karpenstein, Kommentar zum EWGV, Art. 49 Rdnr. 3. 190 Im Hinblick auf Ehegatten, die Angehörige eines Mitgliedstaats sind, hat Art. 11 VO 1612 I 68 lediglich deklaratorische Bedeutung, da deren Recht zur Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis bereits unmittelbar aus Art. 48 EWGV folgt. Dies gilt auch, wenn sie sich bereits aus anderen Gründen in dem Aufnahmemitgliedstaat befanden; so auch GA Slynn in der Rs. 235 I 87 (Matteucci), Slg. 1988, 5589 (5599), hinsichtlich der Kinder eines Wanderarbeitnehmers, die im Aufnahmestaat eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.
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die Frage, ob die fehlende Berücksichtigung des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers entspricht und daher hinzunehmen ist oder ob es sich hier um eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Gemeinschaftsrecht handelt. Diese Frage muß im Sinne der zuletzt genannten Deutung beantwortet werden J9l. Zunächst ist auf Art. 7 va 1251/70 hinzuweisen, der das "in der Verordnung (EWG) 1612/68 festgelegte Recht auf Gleichbehandlung" auch den verbleibeberechtigten Familienangehörigen eines Wanderarbeitnehmers zubilligt. Dabei handelt es sich um eine eigenständige Diskriminierungsregel, d. h. es wird nicht lediglich auf die Tatbestandsvoraussetzungen der va 1612/ 68 verwiesen 192. Daraus folgt, daß ein verbleibeberechtigter Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers alle Vorteile und Vergünstigungen beanspruchen kann, die ein Ehegatte eines nicht mehr erwerbstätigen inländischen Arbeitnehmers zu fordern berechtigt ist. Den hinter dieser Regelung stehenden Grundsatz formuliert der letzte Erwägungsgrund der va 1251/70 mit den Worten, Personen, die das Recht hätten, im Beschäftigungsland zu verbleiben, müßten genauso behandelt werden wie die keine Erwerbstätigkeit mehr ausübenden inländischen Arbeitskräfte. Kann somit der Ehegatte eines nicht mehr erwerbstätigen Wanderarbeitnehmers in gleichem Umfang wie der Ehegatte eines nicht mehr erwerbstätigen inländischen Arbeitnehmers Rechte im Bildungsbereich beanspruchen, muß sich der Ehegatte eines noch berufstätigen Wanderarbeitnehmers erst recht auf diese Rechte berufen können 193, Dieser aus Art. 7 va 1251 /70 gewonnenen, eher formalen Schlußfolgerung ist eine Argumentation hinzuzufügen, die die Kommission in der Rs. 152/82 (Forcheri) 194 vorgebracht hatte: Die für den Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers in einem anderen Mitgliedstaat bestehenden diskriminierenden Ausbildungsbedingungen könnten den Wanderarbeitnehmer an der Wahrnehmung seines Freizügigkeitsrechts hindern. Die Integration im Aufnahmeland setze nicht nur nicht-diskriminierende Bildungsmöglichkeiten für die Kinder, sondern ebenso für den Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers voraus 195. Aus alledem folgt, daß auch der Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers sich auf die den Kindern gewährten Rechte berufen können muß. Rechtstechnisch kommt eine Anwendung von Art. 7 Abs.2 va 1612/68 in Betracht, wenn das vom 191 So die einhellige Meinung in der Literatur; vgl. etwa Traversa, RTDE 1989,49; Avenarius, NVwZ 1988, 390 f.; Steiner, ELR 1985, 348; Steindorjf, NJW 1983, 1231. 192 So GBTE/ Karpenstein, Kommentar zum EWGV, Art. 48 Rdnr. 35; zustimmend GTE/Wölker, Kommentar zum EWGV, Art. 48 Rdnr. 83. 193 So auch Avenarius, NVwZ 1988, 390 f.; Oppermann, EG-Recht und Deutsche
Bildungsordnung, 45. 194 Urteil vom 13. Juli 1983, Sig. 1983, 2323. 195 Ebd., S. 2330; Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 45, hält auch im Hinblick auf den menschenrechtlichen Schutz der Familie eine Differenzierung zwischen Kindern und Ehegatten für unzulässig.
A. Der Bildungsbereich
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Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers beanspruchte Bildungsrecht sich in der Person des Wanderarbeitnehmers selbst als soziale Vergünstigung darstellt 196. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist eine analoge Anwendung von Art. 12 VO 1612/68 197 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 EWGV einer ebensolchen Anwendung von Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 198 vorzuziehen, da die Situation des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers eher derjenigen von dessen Kindern vergleichbar ist, als derjenigen des Wanderarbeitnehmers selbst 199. Eine ausdrückliche Klärung dieser Frage durch den Gerichtshof ist bisher noch nicht erfolgt. Indessen hat der Gerichtshof das oben gefundene Ergebnis indirekt in dem Urteil in der Rs. 152/ 82 (Forcheri) 200 bestätigt 201. In jenem Fall hatte sich die Ehefrau eines in Brüssel eingesetzten Beamten der EG-Kommission dagegen gewandt, für die Einschreibung an einer nicht-universitären Hochschule eine Studiengebühr zu zahlen, die von belgisehen Studenten nicht verlangt worden war. Der Gerichtshof prüfte einzig eine Verletzung von Art. 7 Abs. 1 EWGV202 und erörterte, ob die Rechtsstellung eines EG-Beamten in den "Anwendungsbereich des Vertrages" falle. Dies bejahte er zum einen unter Hinweis auf das mit der Gemeinschaft bestehende Beschäftigungsverhältnis, zum anderen mit der Erwägung, der EG-Beamte müsse "in den Genuß aller Vorteile kommen ... , die sich für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Freizügigkeit, der Niederlassung und des sozialen Schutzes" ergäben. Dieser Feststellung der persönlichen Anwendbarkeit 203 des EWG-Vertrages folgte die Bejahung seiner sachlichen Anwendbarkeit: Der Zugang zu derartigen Formen der Ausbildung falle in den Anwendungsbereich des Vertrages 204 . Ob196 Diesen Fall meint offenbar Wölker, GTE, Kommentar zum EWGV, Art. 48 Rdnr. 74, wenn er Art. 7 Abs. 2 va 1612/68 für anwendbar hält. Aufgrund dieser Vorschrift
können Familienangehörige eines Wanderarbeitnehmers nur mittelbar Vorteile beanspruchen. Das Vorliegen einer sozialen Vergünstigung ist in der Person des Arbeitnehmers selbst zu prüfen; vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juni 1987, Rs. 316/85 (Lebon), Slg. 1987, 2811 (2836). 197 Dies hält offenbar Hartley, CDE 1989, 328, für möglich. 198 Der Anwendung dieser Vorschrift neigt de Wille, Educational Equality, 73, zu. 199 Vgl. auch die Kommissionsinitiative zur Änderung der va 1612/68, ABI. EG C 119/10 (1990), in der die Kommission eine Ausdehnung von Art. 12 der Verordnung auf alle Familienangehörigen des Wanderarbeitnehmers vorschlägt. 200 Sig. 1983,2323. 201 Zutreffend daher Traversa, RTDE 1989,49: " ... la Cour a ainsi, par le biais de l'interpretation, comble la lacune ... de l'article 12 ... "; Lonbay, ELR 1989,375: "In Forcheri this was extended to spouses"; Magiera, DÖV 1987,226: "Für Ehegatten ... kam der Gerichtshof in der Rechtssache Forcheri 1983 zu demselben Ergebnis": Ehegatten hätten wie Kinder von Wanderarbeitnehmem einen Anpruch auf Gleichbehandlung im Bildungs- und Ausbildungswesen. 202 Oliver, YEL 1985,72, fand es mit Blick auf Art. 7 Abs. 2 va 1612/68 "somewhat surprising that the Court did not base its judgment in Forcheri on this provision". 203 So C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 191. 204 Slg. 1983,2323 (2336).
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wohl also der Gerichtshof ausdrücklich die Geltung der Freizügigkeitsregeln für EG-Beamte festgestellt hatte, ohne diese allerdings als Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu bezeichnen, hielt er eine Anwendung der VO 1612/ 68 offenbar nicht für statthaft. Daraus lassen sich jedoch keine Argumente gegen die oben vorgeschlagene Lösung über Art. 12 VO 1612/68 herleiten. Der Gerichtshof hat den EG-Beamten gerade nicht als Arbeitnehmer bezeichnet 205 • Dies mag ihn gehindert haben, eine Vorschrift der VO 1612/68 anzuwenden 206. Entscheidend ist aber, daß der Gerichtshof in diesem Urteil im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 EWGV nicht ein eigenes Recht der Frau Forcheri geprüft hat, sondern ein von ihrem Ehegatten insofern abgeleitetes, als sich die persönliche Anwendbarkeit von Art. 7 EWGV erst aus der Rechtsstellung des Ehegatten ergab 207. Anders sind die Ausführungen des Gerichtshofs zur Rechtsstellung des Ehegatten nicht zu erklären. Der Gerichtshof spricht von Frau Forcheri stets als von einem Ehegatten eines Beamten der Gemeinschaft und nimmt insbesondere auf die fünfte Begründungserwägung der VO 1612/68 bezug, vor allem auf das dort erwähnte Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und auf die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland 208. Später hat der Gerichtshof dann die Prüfung des persönlichen Anwendungsbereichs im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 EWGV aufgegeben 209. Für die Frage der allgemeinen Bildungsrechte der Ehegatten von Wanderarbeitnehmern hatte die Forcheri-Entscheidung ohnehin nur begrenzte Bedeutung, da sie sich nur auf den Zugang zur Ausbildung, nicht aber auch auf darüber hinausgehende Rechte, etwa auf Studienförderung, bezog.
205 So auch Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 44; vgl. auch GA Rozes, Slg. 1983,2341, die in der Rs. 152/82 (Forcheri) die den Wanderarbeitnehmern vergleichbare Lage der EG-Bediensteten nicht für einen ausreichenden Grund hielt, dem Ehegatten eines solchen EG-Bediensteten irgendwelche Gleichbehandlungsansprüche zu gewähren. 206 Dies hält Starkle, CDE 1984,685 / 688 f. im Ergebnis auch für richtig. Er begründet dies zum einen mit dem Wortlaut von Art. 48 Abs. 3 Buchst. c EWGV, der es ausschließe, Personen als "Arbeitnehmer" anzusehen, deren Rechtsverhältnis von einem Statut einer internationalen Organisation bestimmt werde, zum anderen damit, daß ein EG-Beamter nicht unter ein System der sozialen Sicherheit falle, was aber bei "Arbeitnehmern" stets der Fall sei. 207 Daher handelte es sich im Fall der Frau Forcheri um ein Bildungsrecht "aus der Inanspruchnahme der Freizügigkeit" (vgl. oben die Kapitelüberschrift 1I.). Aus diesem Grund ist es auch zutreffend, von einem "Mittelweg" zwischen der Anwendung der speziellen Freizügigkeitsvorschriften und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot zu sprechen; vgl. de Moor, The Modem Law Review 1985,452; a. A. Starkle, CDE 1984, 693, mit der Begründung, die zugestandenen Rechte hingen nicht von der Eigenschaft als Ehefrau eines Gemeinschaftsbediensteten ab. 208 Slg. 1983, 2323 (2334 f.). 209 Vgl. dazu näher Abschnitt A. III. 3. a) aa) dieses Teils.
A. Der Bildungsbereich
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3. Rechte der selbständig Erwerbstätigen und ihrer Familienangehörigen
Im Bereich des Niederlassungsrechts ist, wie oben gezeigt 21O , der Normenbestand im Hinblick auf die Bildungsrechte der Freizügigkeitsberechtigten und ihrer Familienangehörigen wesentlich "dünner"211 als im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dies wirft, ähnlich wie im Fall des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers, die Frage nach den daraus zu ziehenden Konsequenzen auf. Wie dort ist aus mehreren Gründen letztlich von einer schließungs bedürftigen Regelungslücke auszugehen 212. Die Niederlassungsfreiheit stellt ebenso wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Variante der Freiheit des Personenverkehrs dar. Beide Ausprägungen der Freizügigkeit unterscheiden sich nur durch die Art der ausgeübten Beschäftigung. Die getrennte Regelung beider Freiheiten hatte lediglich praktische Gründe: Man ging davon aus, die Arbeitnehmerfreizügigkeit schneller als diejenige der Selbständigen herstellen zu können 213 • Das Bedürfnis nach einer parallelen Behandlung bei der Materien spiegelt sich in verschiedenen Rechtsakten des Gemeinschaftsgesetzgebers wider. So begründete der Rat die Verabschiedung der Richtlinie 75/34/ EWG über das Verbleiberecht der Selbständigen 214 mit der Erwägung, für diese Personen bestünde eindeutig ein Interesse daran, ebenso wie die Arbeitnehmer in den Genuß eines Verbleiberechts zu gelangen 215 . Mit der va 1390/81 216 dehnte der Rat die va 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die Selbständigen und deren Familienangehörigen aus. Dabei stellte er fest, aus "Gründen der Billigkeit (müßten) die für die Arbeitnehmer geltenden Regeln im weitestmöglichen Maße auch auf die Selbständigen Anwendung finden"217. In Übereinstimmung damit befindet sich auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der von einer grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Freizügigkeitsrechte ausgeht 218 . Daraus folgt, daß das Recht auf Gleichbehandlung im Bildungsbereich den selbständig Erwerbstätigen und ihren Familienangehörigen - sei es direkt aus Art. 52 EWGV, sei es in Anwendung der für Wanderarbeitnehmer
210 Vgl. Abschnitt A. II. 1. b) dieses Teils. 211 So Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 45. 212 So auch Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 45 f.; Avenarius, NVwZ 1988, 391; Hochbaum / Eiselstein, 40. 213 GTE/ Troberg, Kommentar zum EWGV, Vorbem. zu Art. 52-58 Rdnr. 3; Grabitz / Randelzhojer, Kommentar zum EWGV, Vorbem. zu Art. 52 Rdnr. 8 f. 214 Richtlinie vom 17. Dezember 1974, ABI. EG L 14/10 (1975). 215 Ebd., dritter Erwägungsgrund. 216 Verordnung vom 12. Mai 1981, ABI. EG L 143/1. 217 Ebd., sechster Erwägungsgrund. 218 Vgl. etwa Urteil vom 8. April 1976, Rs. 48/75 (Royer), Sig. 1976, 497 (509 f.); Urteil vom 7. Juli 1976, Rs. 118/75 (Watson und Belmann), Sig. 1976, 1185 (1197).
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geltenden Vorschriften in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 EWGV219 - in gleichem Maße zusteht wie den Arbeitnehmern und deren Angehörigen.
III. Bildungsrechte für alle Gemeinschaftsbürger
1. Einleitung Die beiden vorangegangenen Abschnitte betrafen Rechte im Bildungsbereich, die unmittelbar oder mittelbar mit der Ausübung wirtschaftlicher Betätigungen in einem anderen Mitgliedstaat zusammenhängen. Nunmehr soll untersucht werden, ob und auf welcher Grundlage Bürger der Mitgliedstaaten der EG unabhängig von einem solchen Bezug Bildungsrechte in anderen Mitgliedstaaten geltend machen können. Als Ansatzpunkte kommen die Vorschriften über die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und das allgemeine Diskriminierungsverbot in Betracht. 2. Passive Dienstleistungsfreiheit für Schüler und Studenten
im öffentlichen Bildungswesen anderer Mitgliedstaaten
Die Pflicht zur Öffnung des öffentlichen Bildungswesens der Mitgliedstaaten der EG für Angehörige anderer Mitgliedstaaten könnte sich aus den Vorschriften des EWG-Vertrages über die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs ergeben. Dabei sind vor allem zwei Fragen zu klären: 1. Berechtigen die Artikel 59 ff. EWGV den Leistungsempfanger, sich zur Entgegennahme der Dienstleistung in das Herkunftsland des Leistungserbringers zu begeben ?220; 2. Können staatlich gewährte Bildungsangebote gemäß Art. 60 EWGV als Dienstleistungen angesehen werden, d. h. als Leistungen, "die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden"? a) Leistungsempfanger als Begünstigte der Dienstleistungsfreiheit Das Kapitel des EWG-Vertrages über Dienstleistungen hat scheinbar allein den Leistungserbringer begünstigen wollen. Art. 59 Abs. 1 EWGV regelt ausdrücklich nur die Aufhebung von Beschränkungen "für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfangers ansässig sind", also für Leistungserbringer. Art. 60 Abs. 3 EWGV formuliert das Recht des Leistenden, sich zwecks Erbringung der Leistung vorübergehend in dem Staat aufzuhalten, in dem die Leistung erbracht wird. Nach Art. 65 EWGV schließlich sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, etwa noch 219 So de Witte / Post, 144. 220 In diesem Fall kann von passiver Dienstleistungsfreiheit gesprochen werden; vgl. Oppermann, EG-Freizügigkeit. 25; Völker, 61.
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bestehende Beschränkungen "ohne Unterscheidung nach Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsort auf alle in Artikel 59 Absatz 1 bezeichneten Erbringer von Dienstleistungen" anzuwenden 221 . Dementsprechend hielt es GA Trabucci in der Rs. 118/75 (Watson und Belmann)222 grundSätzlich für ausgeschlossen, auch Leistungsempfänger in den Kreis der Berechtigten aufzunehmen, da auf diese Weise das Freizügigkeitsrecht praktisch auf alle Gemeinschaftsbürger ausgedehnt würde. Die Freizügigkeit der Dienstleistungsempfänger könne man "äußerstenfalls insoweit in Betracht ziehen, als sie sich als ein unlöslich mit der Bewegungsmöglichkeit des Leistungserbringers verbundener Aspekt" darstelle 223 • Auch GA Capotorti vertrat in der Rs. 66/ 77 (Kuyken) 224 die Auffassung, die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr sollten Freizügigkeitsbeschränkungen nur für den Leistungserbringer, nicht für den Empfänger verhindern 225. Die Kommission hatte allerdings schon in der Rs. 118/75 die gegenteilige Ansicht vertreten 226 , für die sich Rechtsakte des Rates heranziehen lassen. So bezieht Art. 1 der Richtlinie vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigten Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie Staatsangehörige der Mitgliedstaaten ein, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, "um Dienstleistungen entgegenzunehmen"227. Noch aussagekräftiger ist Art. 1 der Richtlinie vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen u. a. für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten aufzuheben, "die sich als Empfänger einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat begeben wollen"228. Die zitierten Vorschriften haben aber allenfalls indizielle Bedeutung, da sie als solche des sekundären Gemeinschaftsrechts die Auslegung des primären Gemeinschaftsrechts grundsätzlich nicht beeinflussen können. Eine Klärung der Frage durch den Gerichtshof erfolgte erst mit dem Urteil vom 31. Januar 1984 in den verb. Rs. 286/ 82 und 26/ 83 (Luisi und Carbone) 229. Der Gerichtshof stellte fest, die Freiheit des Leistungsempfängers, sich in den 221 Art. 65 EWGV hat seine Bedeutung nicht durch den Ablauf der Übergangszeit und die aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgende unmittelbare Anwendbarkeit der Artikel 59 ff. EWGV verloren; vgl. Grabitz / Randelzhojer, Kommentar zum EWGV, Art. 65 Rdnr. 4. 222 Urteil vom 7. Juli 1976, Slg. 1976, 1185. 223 Ebd., S. 1203; ähnlich Riegel, NJW 1978,469. 224 Urteil vom 1. Dezember 1977, Slg. 1977, 2311. 225 Ebd., S. 2325; so auch SteindorJf, NJW 1983, 1231. 226 Slg. 1976, 1185 (1193). 227 ABI. EG Nr. 56/ 850. 228 ABI. EG L 172 / 14. 229 Slg. 1984, 377; Besprechung von Louis, CML Rev. 1984,625 ff.
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Herkunftsstaat des Leistenden zu begeben, sei die notwendige Ergänzung der entsprechenden Freiheit des Leistungserbringers, die dem Ziel entspreche, "jede gegen Entgelt geleistete Tätigkeit, die nicht unter den freien Waren- und Kapitalverkehr und unter die Freizügigkeit der Personen (falle), zu liberalisieren" 230. Der freie Dienstleistungsverkehr schließe die Freiheit der Leistungsempfänger ein, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen daran gehindert zu werden 231. Diese Formulierungen dürfen nicht dahin verstanden werden, der Dienstleistungsempfänger sei - wie es GA Trabucci in der Rs. 118/75 (Watson und Belmann) vorgeschlagen hatte - nur insoweit von den Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr geschützt, als in einer seine Person betreffenden Beschränkung zugleich eine Beschränkung der Freiheit des Leistungserbringers gesehen werden könne. Der Dienstleistungsempfänger ist selbst und unmittelbar in die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs einbezogen. Andernfalls wäre nicht erklärlich, weshalb sich - wie in den verb. Rs. 286/ 82 und 26/ 83 (Luisi und Carbone) geschehen - die Leistungsempfänger selbst auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs sollten berufen können. Deutlich wird das Anliegen des Gerichtshofs in der oben erwähnten Formulierung, es gehe um die Liberalisierung jeder gegen Entgelt geleisteten Tätigkeit. Die Liberalisierung der Dienstleistung selbst, nicht die Person des Erbringers steht im Mittelpunkt. Diese Liberalisierung aber bliebe unvollständig, wenn Wirtschaftsbereiche, deren Leistungen typischerweise darauf ausgerichtet sind, daß sich der Leistungsempfänger zum Leistenden begibt, ausgeschlossen blieben 232. Eine allgemeine Bestätigung dieser Auslegung erfolgte in dem Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1991 in der Rs. C-68/ 89 (Kommission / Niederlande)233. Dort erklärte es der Gerichtshof zur "jurisprudence desormais constante", daß sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsempfänger von der Dienstleistungsfreiheit begünstigt würden 234. b) Öffentliche Bildungsangebote als Dienstleistungen Nachdem feststeht, daß sich Angehörige der Mitgliedstaaten als Dienstleistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaat begeben können, ist nun zu erörtern, ob die Inanspruchnahme öffentlicher Bildungsangebote gemäß Art. 59 EWGV von Beschränkungen zu befreien ist, die gegenüber Nichtansässigen bestehen. Dies setzt gemäß Art. 60 Abs. 1 EWGV voraus, daß es sich bei öffentlichen Bildungsangeboten um "Leistungen (handelt), die in der Regel gegen Entgelt 230 231 232 233 234
SIg. 1984, 377 (401). Ebd., S. 403. So auch GA Mancini, verb. Rs. 286/82 und 26/83, Slg. 1984, 377 (415). Noch nicht in SIg. Ebd., Rdnr. 10 des Urteils.
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erbracht werden". Zunächst ist festzustellen, daß der Begriff der Leistung im weitesten Sinn verstanden werden muß und sich auf alle Tätigkeiten bezieht, die nicht von den anderen Freiheiten erfaßt werden 235. Folglich ist die Erteilung von Unterricht ohne weiteres als eine solche Leistung anzusehen 236. Probleme wirft indessen die Klausel "in der Regel gegen Entgelt" auf. Zuerst ist das Merkmal der Entgeltlichkeit zu prüfen, denn die mit der Wendung "in der Regel gegen Entgelt" gemachte Einschränkung des Entgelterfordernisses kommt erst zum Zuge, wenn das Fehlen der Entgeltlichkeit feststeht. Es kann nämlich nicht Sinn dieser Klausel sein, tatsächlich entgeltliche Leistungen aus dem Anwendungsbereich des EWG-Vertrages auszuschließen, nur weil sie in der Regel unentgeltlich erbracht werden. Der Begriff des Entgelts im Bereich des Dienstleistungsverkehrs dient wie jener des Erwerbszwecks im Rahmen der Niederlassungsfreiheit 237 der Beschränkung der jeweiligen Vorschriften auf Sachverhalte, die gemäß Art. 2 EWGV zum "Wirtschaftsleben" zu zählen sind 238. Beide Begriffe sind daher gleichermaßen weit auszulegen 239. Daraus folgt, daß eine Gewinnerzielungsabsicht auf Seiten des Leistenden nicht verlangt werden kann 240. Umschreibungen dessen, was Entgeltlichkeit nicht voraussetzt, lassen sich allerdings leichter finden, als eine positive Aussage über deren Bedeutung. Der Gerichtshof hat sich in dem Urteil vom 27. September 1988 in der Rs. 263/86 (Humbel)241 - soweit ersichtlich zum ersten Mal - ausdrücklich zu dieser Frage geäußert. In dieser Entscheidung hat er die Entgeltlichkeit des innerhalb eines nationalen Bildungssystems erteilten Unterrichts mit der Begründung abgelehnt, Wesensmerkmal des Entgelts sei, daß es die wirtschaftliche, in der Regel auf Vereinbarung beruhende Gegenleistung für die betreffende Leistung darstelle. Daran fehle es, da der Staat durch Errichtung eines nationalen Bildungssystems keine gewinnbringende Tätigkeit habe aufnehmen wollen, vielmehr in Erfüllung seiner Aufgaben gegenüber dem Bürger auf sozialem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet gehandelt habe. Zudem werde das Bildungssystem in der Regel aus dem Staatshaushalt und nicht von den Schülern oder ihren Eltern finanziert. An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn die Schüler oder ihre Eltern manchmal Gebühren zahlen müßten, um in gewissem Umfang für die Kosten der Erhaltung der 235 Vgl. Bleckmann, EuR 1987, 32; in diesem Sinn auch Magiera, DÖV 1987,224. 236 So auch GA Slynn, Rs. 293/83 (Gravier), Slg. 1985,593 (602); Oppermann, EGRecht und Deutsche Bildungsordnung, 48. 237 Grabitz / RandelzhoJer, Kommentar zum EWGV, Art. 60 Rdnr. 8; vgl. dazu Abschnitt A. I. 3. dieses Teils. 238 Von Wilmowsky, ZaöRV 1990,237. 239 Zu eng daher Börner, ZUM 1985, 578 f., der eine - in der Regel privatrechtliche - vertragliche Bindung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger verlangt. 240 Von Wilmowsky, ZaöRV 1990, 236; Völker, 97. 241 Slg. 1988,5365.
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Funktionsfahigkeit des Systems beizutragen 242. Im Ergebnis stimmte der Gerichtshof damit der von GA Slynn in der Rs. 293/83 (Gravier)243 vertretenen Auffassung zu. Der im deutschen Urteilstext erfolgte Hinweis des Gerichtshofs auf die fehlende Absicht, eine gewinnbringende Tätigkeit aufzunehmen, kann zu Mißverständnissen Anlaß geben. Klarer ist der französische Urteilstext, der Text der Verfahrenssprache, in dem es heißt, der Staat habe "n' entend pas s' engager dans des activites remunerees"244. Auch in den Urteilstexten anderer Vertragssprachen wird nicht das Moment des wirtschaftlichen Gewinns, sondern das der Bezahlung, Entlohnung betont 245. Mithin kann nicht angenommen werden, der Gerichtshof habe die Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal der Entgeltlichkeit einer Leistung im Sinne von Art. 60 Abs. 1 EWGV für erforderlich gehalten. Der vom Gerichtshof vorgenommenen Konkretisierung des Dienstleistungsbegriffs ist zuzustimmen 246 . Zunächst erscheint es zutreffend, das Vorliegen eines Entgelts abzulehnen, wenn das Bildungssystem vollständig aus dem Staatshaushalt finanziert wird. Es ist zwar zutreffend, daß das geforderte Entgelt nicht nur vom Leistungsempfänger selbst, sondern auch von einem Dritten gezahlt werden kann 247. Ebenso richtig ist, daß dieser Dritte auch der Staat sein kann 248. Nicht aber kann behauptet werden, schon deswegen seien alle aus dem Staatshaushalt vorgenommenen Finanzierungen im Rahmen der Leistungsverwaltung als Entgelt anzusehen. Der Begriff des Entgelts kann nicht darauf reduziert werden, es reiche aus, wenn eine Leistung "bezahlt" werde 249 . Andernfalls hätte der Begriff kaum eine eigenständige Bedeutung 250, da letztlich für alle Leistungen irgendjemand "bezahlen" muß251. Auch die von der Kommission in dem Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen" aufgeführten Beispiele für das Vorliegen eines Entgelts gehen nicht so weit, 242 Ebd., S. 5388. 243 Slg. 1985, 593 (602 ff.). 244 Hervorhebung hinzugefügt. 245 Vgl. den dänischen Urteilstext: " ... virksomhed mod betaling . .."; den niederländischen Urteilstext: " ... bedoeling tegen vergoeding ...". Auch der englische Urteilstext spricht von "gainful activity", nicht etwa von "profitable activity"; Hervorhebungen hinzugefügt. 246 Ablehnend aber von Wilmowsky, ZaöRV 1990, 262. 247 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 1988, Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988,2085 (2131); vgl. auch GA Warner, Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, 833 (876).
248 Vgl. von Wilmowsky, ZaöRV 1990, 262. 249 So die EG-Kommission, KOM (84) 300, S. 107. 250 Vgl. GA Slynn, Rs. 263/86 (Humbel), Slg. 1988, 5379 (Anm. 241): "Dieses Kriterium kann meines Erachtens nicht einfach außer acht gelassen werden." 251 Zutreffend Magiera, DÖV 1987,224: Bekanntlich gebe es nur wenige unentgeltliche Leistungen.
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selbst die Finanzierung aus Steuermitteln einzubeziehen. Ausdrücklich ist dort nur die Rede von "steuerähnlichen Abgaben" und von "Zuweisungen aus öffentlichen Mitteln, die den beim Leistungsempfanger erhobenen Abgaben oder Gebühren" entsprächen 252. Die Verwendung von Steuermitteln zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben ist auch deshalb kaum als Entgelt denkbar, weil nicht ersichtlich ist, wer hier an wen zahlen sollte. Auch die Erhebung von Steuern muß als Möglichkeit ausscheiden 253. Wie aber ist der Fall zu beurteilen, wenn die Schüler oder ihre Eltern zur Zahlung von Gebühren herangezogen werden? Sicher ist es unbefriedigend, auf das Ausmaß der Kostendeckung abzustellen 254, denn dieses Vorgehen birgt die Gefahr willkürlicher Entscheidungen in sich. Ließe man für das Vorliegen eines Entgelts ausreichen, daß überhaupt etwas zu zahlen ist, gleich in welcher Höhe und aus welchen Gründen 255, so führte dies in dem Fall, daß diese Gebühr nur von Ausländern zu zahlen wäre, zu dem paradoxen Ergebnis, daß die Gebühr, deren Zulässigkeit vom Zahlungspflichtigen bestritten wird, erst die Entgeltlichkeit und damit die Anwendbarkeit der Art. 59 ff. EWGV bewirkte 256. Auch in diesem Fall muß daher die Frage der Entgeltlichkeit nach denselben Kriterien beurteilt werden, wie im Fall der vollständigen Finanzierung aus Steuermitteln, d. h. es ist darauf abzustellen, ob der Staat mit der betreffenden Einrichtung einen Erwerbszweck verfolgt oder eine sozialpolitische Aufgabe gegenüber seinen Bürgern erfüllen will. Dies folgt aus der oben erwähnten Feststellung des Gerichtshofs, an der "Natur dieser Tätigkeit" ändere sich nichts dadurch, daß die Schüler oder ihre Eltern manchmal Gebühren oder ein Schulgeld zahlen müßten, um zur Erhaltung des Systems beizutragen. Wo aber der Staat eine sozialpolitische Aufgabe in Form erwerbs wirtschaftlicher Tätigkeiten erfüllt, kann die Entgeltlichkeit nicht bestritten werden. Nachdem feststeht, daß der im Rahmen eines nationalen Bildungssystems erteilte Unterricht nicht als entgeltliche Leistung im Sinne von Art. 60 Abs. 1
Vgl. EG-Kommission, KOM (84) 300, S. 107. Die Möglichkeit, die Entgeltlichkeit mit der Begründung zu bejahen, daß die Lehrer und die Rechnungen für laufende Kosten bezahlt werden müßten, hat GA Slynn in der Rs. 263/86, Sig. 1988,5365 (5379), überzeugend zurückgewiesen. 254 So von Wilmowsky, ZaöRV 1990,236, der sich zu Recht gegen die von Steindorff, RIW 1983, 837, vertretene Auffassung wendet, es komme darauf an, ob die Gegenleistung einen "wesentlichen Beitrag zur Kostendeckung" darstelle. 255 Diese Möglichkeit hat offenbar von Wilmowsky, ZaöRV 1990, 237, im Auge, wenn er schreibt, der Gerichtshof habe im Fall Sacchi entschieden, die Sendeanstalt erbringe eine Dienstleistung gegenüber den Zuschauern, die ohne Rücksicht auf das jeweilige Finanzierungssystem den Vertragsvorschriften über Dienstleistungen unterfalle. Damit würden sowohl Fernsehsysteme, die sich durch Gebühren finanzierten, wie auch solche, die sich auf Werbeeinnahmen stützten, erfaßt. 256 Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß dem Ansatz gefolgt wird, den aus Haushaltsmitteln finanzierten Unterricht nicht als Dienstleistung zu betrachten. 252 253
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EWGV angesehen werden kann 257 , ist noch zu prüfen, ob die fraglichen Leistungen nicht "in der Regel" gegen Entgelt erbracht werden. Dies muß jedoch von vornherein verneint werden. Die Natur des im Rahmen eines nationalen Bildungssystems erbrachten Unterrichts besteht nach Auffassung des Gerichtshofs darin, einem sozialpolitischen Zweck gegenüber den Bürgern gewidmet zu sein. Eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit stellt danach geradezu das Gegenteil dieser Zwecksetzung dar. Es ist daher ausgeschlossen, bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "in der Regel gegen Entgelt" die "Regel" unter Einbeziehung von Bildungsleistungen zu ermitteln, die in der Gemeinschaft im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, d. h. entgeltlich erbracht werden 258. Nichts anderes ergibt sich, wenn man für die Regel der Entgeltlichkeit nicht einen abstrakt zu bestimmenden Tätigkeitstypus für die gesamte Gemeinschaft bildet, sondern auf den konkreten Leistungserbringer abstellt und fragt, ob er die betreffende Leistung in der Regel gegen Entgelt erbringt 259. Dies erklärt, weshalb der Gerichtshof in dem Urteil in der Rs. 263/86 (Humbel) keine Ausführungen zu dem Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Entgeltlichkeit machte.
3. Das allgemeine Diskriminierungsverbot a) Gleichberechtigter Zugang zum Bildungswesen anderer Mitgliedstaaten
aa) Der Anwendungsbereich des EWG-Vertrages Art. 7 Abs. I EWGV verbietet - unbeschadet besonderer Vertragsbestimmungen - im Anwendungsbereich des EWG-Vertrages jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Das damit ausgesprochene "allgemeine Diskriminierungsverbot"260 ist unmittelbar wirksam 26\, d. h. der einzelne kann sich vor staatlichen Gerichten auf diese Vorschrift berufen, um die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nationalen Rechts geltend zu machen 262. Der Gerichtshof bestätigte dies erstmalig 263 in dem Urteil vom 13. Juli 1983 in der Rs. 152/82 (Forcheri) 264. 257 Die Aussage des Gerichtshofs ist allgemein gehalten und nicht nur auf das "sachverhaltlich zugrundeliegende Lehrangebot" beschränkt; so aber Müller-Graf{. FS Lukes, 473; richtig dagegen Lichtenberg, FS Steindorff, 1281. 258 Vgl. zu diesem Ansatz, die regelmäßige Entgeltlichkeit einer Leistung festzustellen, GA Slynn, Rs. 293/83 (Gravier), Slg. 1985,593 (603). 259 So Völker, 98. 260 Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 1. 26\ lpsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 639; Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 23. 262 De Moor, The Modem Law Review 1985,458. 263 Die von Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 19, Fn. 33, angeführten Urteile, Rs. 36/74 (Walrave und Koch), Slg. 1974, 1405, und Rs. 13/76 (Dona / Mantero), Slg. 1976, 1333, können nicht als Bestätigung der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 Abs. 1 EWGV herangezogen werden, da sie sich nur zur Wirksamkeit der Artikel 48, 59 Abs. 1 und 60 Abs. 3 EWGV äußern.
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Dort stellte er fest, die Erhebung einer nicht von Inländern zu entrichtenden Gebühr für die Teilnahme der Ehefrau eines EG-Beamten an einem nicht-universitären Hochschulkurs falle in den Anwendungsbereich des Vertrages und verstoße daher gegen Art. 7 Abs. 1 EWGV. Der Gerichtshof begründete dies in persönlicher Hinsicht 265 durch Hinweis auf das Beschäftigungsverhältnis der EG-Beamten mit der Gemeinschaft und auf die Notwendigkeit, diese an der vertraglichen Freizügigkeit teilhaben zu lassen. Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages folgerte er aus Art. 128 EWGV und dem Beschluß des Rates vom 2. April 1963 über die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die gemeinsame Berufsausbildungspolitik 266 , "daß zwar die Bildungs- und Ausbildungspolitik als solche nicht zu den Gebieten (gehöre), die nach dem Vertrag in die Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane (fielen), daß aber der Zugang zu derartigen Formen der Ausbildung in den Anwendungsbereich des Vertrages" falle 267. Bestand in dieser Rechtssache in persönlicher Hinsicht noch ein Bezug zum Gemeinschaftsrecht, so fehlte ein solcher in der Rs. 293/83 (Gravier)268 völlig. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Französin, war allein zur Aufnahme eines Kunststudiums nach Belgien gereist. Sie hatte sich dort unter Berufung auf Art. 7 Abs. 1 EWGV gegen die Erhebung einer von Inländern nicht geschuldeten Studiengebühr zur Wehr gesetzt. Der Gerichtshof stellte zunächst fest, daß "der Zugang zum und die Teilnahme am Unterricht im Bildungswesen und in der Lehrlingsausbildung, insbesondere wenn es sich um die Berufsausbildung (handle), nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts" stehe. Diese Bemerkung ließ allerdings noch offen, wann der Anwendungsbereich des Vertrages positiv betroffen sei. Unter Bezugnahme auf die Artikel 7 und 12 der va 1612/68, auf Art. 128 EWGV und den erwähnten Beschluß vom 2. April 1963 sowie auf Äußerungen des Rates und der im Rat vereinigten Bildungsminister kam er zu dem Schluß, die in Art. 128 EWGV angesprochene gemeinsame Berufsausbildungspolitik entwickele sich schrittweise. Er betonte deren Bedeutung für die Freizügigkeit, die besonders durch den Zugang zur Berufsausbildung in einem anderen Mitgliedstaat gefördert werden könne. Somit fielen die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des Vertrages 269 . Verglichen mit der Entscheidung in der Rs. 152/82 (Forcheri) fallen zwei Unterschiede auf. Einmal faßte der Gerichtshof den Anwendungsbereich des 264 265 266 267 268 269
Slg. 1983, 2323. VgI. dazu auch Abschnitt A. 11. 2. c) dieses Teils. ABI. EG Nr. 63/1338. Slg. 1983, 2323 (2336). Urteil vom 13. Februar 1985, Slg. 1985,593. Slg. 1985, 593 (612 f.).
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Vertrages insofern enger, als er sich nunmehr ausdrücklich nur noch auf die Berufsausbildung bezog 270. Der eigentlich bedeutsame Unterschied 271 besteht aber darin, daß es der Gerichtshof unterließ zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des EWG-Vertrages auch in persönlicher Hinsicht betroffen war. Art. 7 EWGV ist danach nicht mehr nur auf Personen anwendbar, die schon aufgrund spezieller Vertragsvorschriften in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrages fallen, sondern auf alle Gemeinschaftsbürger 272 • Voraussetzung ist nur noch, daß eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in sachlicher Hinsicht in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt. Dies hat der Gerichtshof - wie gezeigt - hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen angenommen. Die unterlassene Erwähnung der Teilnahme am Unterricht im Bildungswesen, die der Gerichtshof zuvor noch als "nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts" stehend bezeichnet hatte, kann nicht bedeuten, daß diese nicht von Art. 7 Abs. I EWGV erfaßt würde. Andernfalls wäre das Recht auf gleichen Zugang (fast) jeder Bedeutung beraubt 273 • Angegriffen wurde die Entscheidung in der Rs. 293/83 (Gravier) nicht wegen der Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 7 Abs. I EWGV, sondern wegen der Bestimmung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrages in sachlicher Hinsicht 274. Es komme zwar nicht darauf an, daß den Mitgliedstaaten bereits konkrete Pflichten oblägen; sei es aber - wie im Bereich der Berufsausbildung - ausdrücklich vorgesehen, daß eine Materie erst noch in sekundäres Gemeinschaftsrecht umgesetzt werden müsse, so könne Art. 7 EWGV erst nach dieser Umsetzung wirken. Eine solche Umsetzung könne in den vom Gerichtshof zitierten Rechtsakten des Rates nicht gesehen werden 275. Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß die Frage der Kompetenz zur Regelung einer Materie grundsätzlich von der Frage der Reichweite des Gemeinschaftsrechts zu trennen ist. Geht es bei der ersten Frage um die Möglichkeit oder die Pflicht der Gemeinschaftsorgane, Rechtsakte zu erlassen, so betrifft die zweite Frage die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit aufrechtzuerhalten 276. 270 Flynn, Gravier: Suite de Feuilleton, 98, vermutet, der Gerichtshof habe sich von der Entscheidung in der Rs. 152/82 (Forcheri) distanzieren wollen. 271 Oppermann, EG-Freizügigkeit, 21, sieht hier "den entscheidenden ,qualitativen Sprung' im Sinne des Wechsels von herkömmlicher Auslegung zu bewußter Setzung von Richterrecht" . 272 So auch StreU, 114; C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 191, spricht insofern von der Möglichkeit der "unmittelbaren Berufung" auf das Diskriminierungsverbot, nicht zu verwechseln mit der festgestellten "unmittelbaren Wirkung" des Art. 7 Abs. I EWGV. 273 So im Ergebnis auch Hochbaum, WissR 1986,213. 274 Oppermann, EG-Freizügigkeit, 23, sieht hier die "entscheidende Schwachstelle der ,Gravier-Philosophie' "; vgl. auch die Kritik von Streinz, Auswirkungen des EGRechts, 41. 275 Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 72 f.
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Ausnahmsweise kann aber die Entscheidung über die Einbeziehung einer Materie in den Anwendungsbereich des Vertrages den Gemeinschaftsorganen übertragen sein. In diesem Fall ist der Anwendungsbereich des Vertrages vor dieser Entscheidung nicht betroffen 277 • Art. 128 EWGV kann zwar auch als ein solcher Fall angesehen werden; jedoch erscheint es zuviel verlangt, die Einbeziehung der Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des Vertrages erst dann zu bejahen, wenn "die Unterschiede der Systeme durch gemeinschaftliche Aktion ausgeglichen" worden sind 278 • Der Rat hat durch Verabschiedung des erwähnten Beschlusses vom 2. April 1963 279 von der in Art. 128 EWGV eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und zusammen mit den anderen vom Gerichtshof genannten Rechtsakten zumindest 280 eine Entscheidung für die Einbeziehung des Zugangs zur Berufsausbildung getroffen. Weiterhin ist vorgebracht worden, es gehe "entschieden zu weit", den in dem Urteil genannten Beschlüssen des Rates normative Kraft zuzumessen 281. Dem ist entgegenzuhalten, daß die "normative Kraft" nicht aus den Beschlüssen selbst, sondern aus Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 128 EWGV folgt. Die erwähnten Rechtsakte des Rates und der im Rat vereinigten Bildungsminister, die zumindest teilweise erkennen lassen, "daß auch der Rat eine eigentliche EG-Zuständigkeit im Bildungsbereich nur sehr eingeschränkt annimmt" 282, stellen lediglich Indizien für die schrittweise Entwicklung der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik dar 283. Die Heranziehung solcher Beschlüsse entspricht der vom Gerichtshof akzeptierten Vorstellung, daß "die Durchführung der allgemeinen Grundsätze der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik im Rahmen einer Zusammenarbeit den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen obliegt"284. Die erwähnten Beschlüsse sind also lediglich tatsächlicher Ausdruck einer Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im Bildungsbereich, deren Entwicklungsstand nach Auffassung des Gerichtshofs zu 276 Vgl. Starkle, CDE 1984,682. 277 GBTEI Bleckmann, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 28. 278 So aber Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 73. 279 ABI. EG Nr. 631 1338. 280 Nach den Feststellungen des Gerichtshofs in der Rs. 293/83 (Gravier) galt die besondere Aufmerksamkeit der Gemeinschaftsorgane nicht nur dem Zugang zur Berufsausbildung, sondern auch "ihrer Verbesserung innerhalb der gesamten Gemeinschaft"; vgl. Slg. 1985, 593 (612). GA Slynn vertrat die Auffassung, im Hinblick auf Art. 7 EWGV falle die Berufsausbildung ganz allgemein in den Anwendungsbereich des Vertrages; vgl. Slg. 1985, 593 (601). 281 So Streinz, Auswirkungen des EG-Rechts, 41; ähnlich, aber eher feststellend Hochbaum, BayVBI. 1987, 486; zustimmend zum Vorgehen des Gerichtshofs aber Schulz, ZAR 1987,76. 282 Wägenbaur, EuR 1990, 140. 283 Vgl. näher Abschnitt C. III. 2. d) bb) des dritten Teils. 284 Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1989, Rs. 242/87 (ERASMUS), Slg. 1989, 1425 (1453). S*
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
der Annahme berechtigt, der Zugang zur Berufsausbildung falle bereits in den Anwendungsbereich des Vertrages. Damit respektiert der Gerichtshof letztlich das dem Rat in Art. 128 EWGV eingeräumte Ermessen bei der Definition der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik 285. bb) Der Begriff der Berufsausbildung
Nach Einbeziehung des Zugangs zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des Vertrages mußte der Gerichtshof in der Rs. 293/83 (Gravier) noch klären, was unter dem Begriff der Berufsausbildung zu verstehen sei. Er faßte darunter "jede Form der Ausbildung, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleiht" und zwar "unabhängig vom Alter und vom Ausbildungsniveau der Schüler oder Studenten und selbst dann, wenn der Lehrplan auch allgemeinbildenden Unterricht enthält" 286. Damit entschied sich der Gerichtshof für eine "funktionale" Auslegung 287 des Begriffs der Berufsausbildung, stellte also auf die Art des Unterrichts ab, nicht auf die Institution, die den Unterricht erteilt 288 • Aus dieser Begriffsbestimmung ist gefolgert worden, der Gerichtshof habe den Begriff der Berufsausbildung auf die allgemeine Bildung erstreckt 289 • Falls damit auf die Passage Bezug genommen werden soll, derzufolge es nicht schade, wenn der Lehrplan auch allgemeinbildenden Unterricht enthalte, so erscheint dies als Fehlinterpretation. Diese Bezugnahme kann nur als selbstverständlicher Hinweis darauf verstanden werden, daß es fast ausgeschlossen erscheint, einen Lehrplan sinnvoll ohne allgemeinbildende Fächer zu gestalten. Sollte aber der Hinweis auf die in dem Urteil in der Rs. 293/83 (Gravier) angeblich erfolgte Einbeziehung der allgemeinen Bildung den Umstand ausdrücken, daß auch Unterricht an nach nationalem Recht allgemeinbildenden Institutionen unter den Begriff der Berufsausbildung fallen könnte, so ist dies zumindest irreführend, da nicht deutlich gemacht wird, daß die gemeinschaftsrechtliche Begriffsbildung von der nationalen abweicht. 285 Vgl. insbesondere die Formulierung in dem Urteil in der Rs. 242/87, Slg. 1989, 1425 (1453): "Eine auf dieser (d. h. der dem Ratsbeschluß vom 2. April 1963 zugrundeliegenden; Anm. des Verf.) Vorstellung beruhende Auslegung des Artikels 128 führt zur Anerkennung einer Befugnis des Rates, ...". Aufgrund des weiten politischen Ermessens des Rates im Rahmen von Art. 128 EWGV muß der Gerichtshof hier ausnahmsweise zur Interpretation einer Vorschrift des primären Gemeinschaftsrechts auf sekundäres Gemeinschaftsrecht zurückgreifen. 286 Slg. 1985,593 (614). 287 Traversa, RTDE 1989, 58, zieht die Parallele zur Auslegung der Vorschrift des Art. 48 Abs. 4 EWGV durch den Gerichtshof; vgl. dazu Abschnitt A. 1. 2. b) dieses Teils. 288 So auch GA Slynn, Rs. 309/85 (Barra), Slg. 1988, 355 (367): Es sei "eher auf den Unterricht als auf die Anstalt abzustellen". 289 So Streinz, Auswirkungen des EG-Rechts, 41; Hochbaum, BayVBI. 1987,486.
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In dem Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rs. 24/86 (Blaizot)290 wandte der Gerichtshof den in der Rs. 293/83 (Gravier) entwickelten Begriff der Berufsausbildung auf Universitätsstudiengänge an. Hochschulstudiengänge erfüllten im allgemeinen dessen Voraussetzungen. Ausgenommen seien lediglich besondere Studiengänge, die in erster Linie der Allgemeinbildung dienten 291. Dies ist angesichts der "funktionalen" Begriffsbestimmung konsequent. Dennoch beschränkte der Gerichtshof die zeitliche Rückwirkung des Urteils. Er habe zum ersten Mal zu der Frage der Universitätsstudiengänge Stellung genommen. Den eigentlichen Grund für diese Beschränkung teilte der Gerichtshof wenig später mit: Die Rückzahlungsforderungen für zurückliegende Zeiträume würden "das System der Finanzierung des Hochschulunterrichts rückwirkend erschüttern" und "unvorhersehbare Folgen für den ordnungsgemäßen Betrieb der Hochschuleinrichtungen haben" 292. Die Bedeutung dieser Entscheidung erschöpft sich aber nicht in der Einbeziehung von Universitätsstudiengängen in den Begriff der Berufsausbildung. Der Gerichtshof nahm auch zu der Frage Stellung, ob ein Teil eines Studiums, der für sich betrachtet nicht berufsbildend, aber Voraussetzung für die Absolvierung eines weiteren - berufsbildenden - Teils ist, dem Anwendungsbereich des Vertrages entzogen sei. Er verneinte dies: Es handele sich dann insgesamt um eine Berufsausbildung 293 . Der Gerichtshof führte diese Rechtsprechung in dem Urteil vom 27. September 1988 in der Rs. 263/86 (Humbel) fort. Dort war nach dem Sachverhalt offen, ob die allgemein- oder die berufsbildenden Elemente überwogen. Der Gerichtshof konnte sich daher nicht mit gleicher Eindeutigkeit wie in der Rs. 24/86 (Blaizot) äußern, stellte aber fest, die einzelnen Jahre eines Ausbildungsganges dürften nicht isoliert qualifiziert werden, es komme auf den gesamten Ausbildungsgang an, sofern dieser Ausbildungsgang insgesamt als Einheit anzusehen sei 294. Damit ist der Einbeziehung der allgemeinen Bildung über die Koppelung an eine Berufsausbildung eine Grenze gesetzt. Auch wenn es wünschenswert sein mag, schon "die ersten Stufen der allgemeinen Bildung der Geltung des Diskriminierungsverbots zu unterstellen" 295, läßt sich nicht behaupten, es handele sich dabei zusammen mit einer späteren Berufsausbildung um einen als Einheit zu betrachtenden Ausbildungsgang 296 . 290 Slg. 1988,379. 291 Ebd., S. 404. Diese Rechtsprechung bestätigte der Gerichtshof in den Urteilen vom 27. September 1988 in den Rs. 39/86 (Lair) und 197/86 (Brown), Slg. 1988, 3161 (3194) bzw. 3205 (3241 f.). 292 Slg. 1988, 379 (406 f.) 293 Ebd., S. 404. 294 Slg. 1988, 5365 (5387). 295 Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 26; kritisch aber Berggreen, Diskussionsbeitrag. 296 Flynn, Gravier: Suite de Feuilleton, 102, meint, jeder Versuch, den Begriff der Berufsausbildung auf einen Pleonasmus zu reduzieren und den Unterschied zur Allgemeinbildung zu verwischen, müsse fehlschlagen.
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b) Gleichbehandlung bei der Ausbildungsförderung Die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Gewährung von Inländerbehandlung beim Zugang zur Berufsausbildung wirft die Frage auf, ob dasselbe auch für die Gewährung von Ausbildungsförderung zu gelten hat. Diese Frage liegt besonders nahe, wenn man die Ausbildungsförderung nicht dem Sozialrecht zurechnet, sondern sie als Teil des Bildungswesens, als "Bildungssubvention", begreift 297 • Der Gerichtshof nahm zu dieser Problematik in den Urteilen vom 21. Juni 1988 in den Rs. 39/86 (Lair)298 und 197/86 (Brown)299 differenzierend Stellung 3°O. Soweit eine finanzielle Förderung für die Deckung von Gebühren für den Zugang zur Ausbildung gewährt werde, falle diese in den Anwendungsbereich des Vertrages 30I . Damit zog der Gerichtshof die Konsequenz aus dem Urteil in der Rs. 293/83 (Gravier). Dann aber führte er aus, eine Förderung für den Unterhalt und die Ausbildung liege ansonsten beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrages. Sie falle nämlich einerseits in den Bereich der Bildungspolitik, die als solche nicht einer Gemeinschaftskompetenz unterliege, und andererseits in den Bereich der Sozialpolitik, in dem die Gemeinschaft nur bestimmte Kompetenzen besitze 302 . Damit bestätigte der Gerichtshof eine Auffassung, die schon zuvor verschiedentlich geäußert worden war 303 . Wenn dem im Ergebnis auch zuzustimmen ist, so lassen es die genannten Entscheidungen doch im unklaren, weshalb der Gerichtshof Ausbildungsförderung aus dem Anwendungsbereich des Vertrages ausschloß304. Der Hinweis auf den "gegenwärtigen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts" hilft nicht weiter, weil dieser Entwicklungsstand nicht erläutert wird. Auch die Bezugnahme auf die Kompetenzverteilung im Bereich der Bildungs- und Sozialpolitik ist nicht erhellend. Man kann nämlich nicht annehmen, der Gerichtshof habe damit begründen wollen, daß der Anwendungsbereich des Vertrages nicht tangiert sei 305. Dies wäre - wie sogleich zu zeigen ist - eine kaum verständliche dogmatische Neuerung von großer Tragweite. In dem Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rs. 186/87 (Cowan) 306 hatte der Gerichtshof nämlich 297 Vgl. Thieme, GS Geck, 907 f. 298 Sig. 1988, 3161. 299 Sig. 1988, 3205. 300 Die entscheidenden Passagen stimmen in beiden Urteilen wörtlich überein, so daß im folgenden nur noch auf das Urteil in der Rs. 39/86 (Lair) Bezug genommen wird. 301 Sig. 1988,3161 (3194 f.) 302 Ebd., S. 3195. 303 Vgl. etwa Magiera, DÖV 1987,228; Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 27; Hochbaum, BayVBl. 1987,486, Fn. 48; Avenarius, NVwZ 1988,389. 304 So auch Lonbay, ELR 1989,373. 305 Kritisch zu der Begründung auch von Wilmowsky, ZaöRV 1990, 243 f. 306 Sig. 1989, 195.
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den Einwand zurückgewiesen, eine Regelung falle deshalb nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages, weil sie dem Strafverfahrensrecht zuzurechnen sei. Er stellte fest, für diese Materie seien zwar grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setze das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen 307 • Der Hinweis auf die Kompetenzverteilung zwischen der EG und den Mitgliedstaaten im Bereich der Bildungs- und Sozialpolitik kann demnach nur als Schlußfolgerung aus der zuvor festgestellten fehlenden Vergemeinschaftung des Bereichs der Ausbildungsförderung zu verstehen sein 308. Einer Untersuchung der vom Gerichtshof getroffenen Entscheidung gegen eine allgemeine Einbeziehung staatlicher Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt in den Anwendungsbereich des Vertrages sind zwei Fragestellungen zugrundezulegen: Einmal ist zu prüfen, ob eine solche Ausbildungsförderung eine Voraussetzung für den Zugang zur Berufsausbildung darstellt, zum anderen ist zu fragen, ob sie unabhängig davon aus anderen Gründen in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt. Die erste Frage kann ohne weiteres verneint werden. Zwar kann ein Student, der "nichts zu beißen oder kein Dach über dem Kopf hat, nicht studieren", wie GA Slynn in der Rs. 197/86 (Brown) zutreffend ausführt 309. Jedoch ist der Begriff des Zugangs zur Berufsausbildung enger zu verstehen und betrifft nur solche Anforderungen, deren Erfüllung dem Studenten die Aufnahme der Ausbildung erst erlaubt 31O • Die zweite Frage wirft indessen größere Probleme auf. Gegen eine Einbeziehung staatlicher Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt in den Anwendungsbereich des Vertrages läßt sich vorbringen, in der Rs. 293/83 (Gravier) sei es um die Beseitigung zugangsverhindernder oder -erschwerender ("negativer") Maßnahmen gegangen, während es sich im Fall der Ausbildungsförderung um Gleichbehandlung bei zugangserleichternden und -fördernden ("positiven") staatlichen Leistungen handle. Nur erstere würden nach dem Urteil in der Rs. 293/83 (Gravier) vom Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EWGV erfaßt 311 • Ferner sei zu bedenken, daß eine europaweite Angleichung der nationalen Ausbildungsförderungssysteme noch nicht stattgefunden habe 312 • Dieser Argumentation liegt offenbar die Unterscheidung zwischen negativer und positiver Integration zugrunde 313. Fraglich ist aber, ob diese Differenzierung 307 Ebd., S. 221 f.; grundlegend zu diesem Ansatz vgl. Urteil vom 3. Juli 1974, Rs. 9/74 (Casagrande), Slg. 1974,773 (779). 308 Dies legt auch der französische Urteilstext nahe, der in dem fraglichen Abschnitt lautet: "En effet, elle releve, d'une part, de la politique de l'enseignement ..." (Hervorhebung hinzugefügt). 309 Slg. 1988, 3205 (3230). 310 So auch GA Slynn, ebd.; Avenarius, NVwZ 1988, 389. 311 Avenarius, NVwZ 1988,389; Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 73, schreibt, es sei in der Rs. 293 / 83 (Gravier) um einen reinen "Liberalisierungsakt" gegangen. 312 Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 32.
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im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 EWGV von Belang ist. Eine prinzipielle Beschränkung des Geltungsbereichs dieser Vorschrift auf die Beseitigung von Schranken unter Ausklammerung von Teilhabeansprüchen kann Art. 7 Abs. 1 EWGV nicht entnommen werden 314 • Dies folgt schon daraus, daß der Gerichtshof in den Rs. 39/86 (Lair) und 197/86 (Brown) Studienförderung für die Deckung von Einschreibegebühren dem Anwendungsbereich des EWG-Vertrages zugeordnet hat. Letztlich kommt es demnach allein auf den Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts an 3!5 • Die in der Literatur vertretene Ansicht, es sei schwer einzusehen, aus welchen logischen Gründen man EG-Ausländern die Zahlung von Ausbildungsförderung für Berufsausbildungskurse verweigern könne 316 , verliert damit an Gewicht, denn die Feststellung eines bestimmten Entwicklungsstandes des Gemeinschaftsrechts hängt nicht allein von rechtlichen Kriterien ab, unterliegt vielmehr dem Einschätzungsvorrang des Gerichtshofs. Dieser Vorrang läßt auch Spielraum für politische Erwägungen und mag die unterlassene Begründung für den Ausschluß von Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt aus dem Anwendungsbereich des Vertrages erklären. Einer Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts und zukünftigen Einbeziehung von Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt in den Anwendungsbereich des Vertrages gemäß Art. 7 Abs. 1 EWGV steht die Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der Studenten 317 nicht entgegen. Denn in Art. 3 heißt es lediglich, ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfen von seiten des Aufnahmemitgliedstaats werde durch die Richtlinie nicht begründet. c) Das Aufenthaltsrecht für Bildungszwecke Geht es um "Bildungsrechte für alle Gemeinschaftsbürger", so kommt einem Aufenthaltsrecht für die Wahrnehmung dieser Rechte entscheidende Bedeutung zu. Dieser Erkenntnis hat der Rat durch Verabschiedung der Richtlinie vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der Studenten Rechnung getragen 318. Mit diesem Rechtsakt scheint die Frage, ob das Recht auf gleichen Zugang zu Berufs313 Zu diesen Begriffen vgl. Bieber, Educational aspects, 83; Scherer, WiVerw 1987, 163; de Witte, Scope of Community Powers, 266; Scheuing, JZ 1975, 155. 314 So auch GBTE/ Bleckmann, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 22: Wenn die Mitgliedstaaten eine Leistung gewährten, dürften sie nicht nach Art. 7 Abs. 1 EWGV
diskriminieren.
315 Magiera, DÖV 1987,228, meint, beim gegenwärtigen Entwicklungsstand sei für finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Student vor Ausbildungsbeginn ansässig war. 316 So Steiner, ELR 1985, 352; ähnlich Hartley, CDE 1989, 341; von Wilmowsky, ZaöRV 1990,243; Lonbay, ELR 1989, 373. 317 ABI. EG L 180/30.
318
Ebd.
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ausbildungseinrichtungen ein selbständiges gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht begründet, hinfällig geworden zu sein. Bei näherem Hinsehen erweist sich diese Annahme jedoch als unzutreffend. Sollte sich nämlich herausstellen, daß die Richtlinie das Aufenthaltsrecht der Studenten nicht nur deklaratorisch, sondern konstitutiv festlegt, während es tatsächlich bereits aus primärem Gemeinschaftsrecht, nämlich aus dem Gebot der Gleichbehandlung beim Zugang zur Berufsausbildung, folgt, müßte von der Rechtswidrigkeit der Richtlinie ausgegangen werden. In diesem Fall hätte die Richtlinie nicht - wie geschehen - auf Art. 235 EWGV, sondern - wie von der Kommission vorgeschlagen 319 - auf Art. 7 Abs. 2 EWGV gestützt werden müssen. Denn Art. 235 EWGV kommt nur in Betracht, wenn im EWG-Vertrag andere Befugnisse nicht vorgesehen sind, ist also nur subsidiär anwendbar 320 • Art. 7 Abs. 2 EWGV ist eine solche im Vertrag vorgesehene Befugnis, denn er gestattet dem Rat, Regelungen für das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu treffen. Der Rat ging offenbar von einer konstitutiven Zuerkennung des Aufenthaltsrechts für Studenten aus. Nach Art. 1 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Studenten das Aufenthaltsrecht zu "gewähren, um den Zugang zur beruflichen Bildung zu erleichtern" 321. Dagegen sah Art. 1 des Kommissionsvorschlags lediglich Maßnahmen der Mitgliedstaaten vor, die die Ausübung des Aufenthaltsrechts erleichtern sollten. Außerdem hat der Rat einen von der Kommission vorgeschlagenen Erwägungsgrund nicht übernommen, demzufolge der gleiche Zugang zur beruflichen Bildung die Möglichkeit voraussetze, sich im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufzuhalten 322. Die Heranziehung von Art. 235 EWGV ist auch folgerichtig, da für die konstitutive Zuerkennung des Aufenthaltsrechts eine andere Rechtsgrundlage nicht ersichtlich ist. Zu prüfen ist daher, ob die Prämisse der Richtlinie zutrifft, daß das Aufenthaltsrecht der Studenten nicht aus Art. 7 Abs. 1 EWGV in Verbindung mit Art. 128 EWGV herzuleiten ist, daß mithin Art. 7 Abs. 2 EWGV als Rechtsgrundlage nicht in Betracht kam. In der Literatur wird ganz überwiegend angenommen, das Recht auf Inländerbehandlung beim Zugang zur beruflichen Bildung ziehe automatisch ein Aufenthaltsrecht nach sich 323 • So bezeichnet es Oppermann als eine "geradezu plumpe 319 Vorschlag vom 26. Juni 1989, ABI. EG C 191/2, geänderter Vorschlag vom 2l. Dezember 1989, ABI. EG C 26/ 15 (1990). 320 Vgl. etwa Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1989, Rs. 242/ 87 (ERASMUS), Slg. 1989, 1425 (1452). 321 Hervorhebungen hinzugefügt. 322 Vgl. den geänderten Vorschlag (Anm. 319), vierter Erwägungsgrund. 323 Vgl. Traversa, RTDE 1989, 66; Wägenbaur, MittI:!-V 1989, 139; Hochbaum / Eise1stein, 39; Avenarius, NVwZ 1988,387; Magiera, DOV 1987, 228; Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 17/33; Zuleeg, NJW 1987,2196; Sieveking, 118; Steiner, ELR 1985, 352; Völker, 116; Reich, Förderung und Schutz, 82; Kampf,
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Umgehung des Diskriminierungsverbots", die Zuteilung eines Studienplatzes mit der Begründung des Fehlens einer Aufenthaltserlaubnis zu verweigern 324 • Gegen diese Auffassung könnte allerdings das Urteil des Gerichtshofs in der Rs. 152/ 82 (Forcheri) sprechen. Dort heißt es im Tenor, es liege eine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vor, wenn ein Mitgliedstaat "bei einem in diesem Staat rechtmäßig wohnhaften Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Teilnahme an solchen Bildungsveranstaltungen von der Entrichtung einer Studiengebühr abhängig (mache), die von seinen eigenen Staatsangehörigen nicht verlangt" werde 325. Tatsächlich wird vereinzelt die Meinung vertreten, das Recht auf gleichen Bildungszugang ziehe kein Aufenthaltsrecht nach sich, setze ein solches vielmehr voraus 326. Für den Bildungszugang und das Aufenthaltsrecht gälten unterschiedliche Voraussetzungen. Die zu fördernde Freizügigkeit (d. h. wohl das Aufenthaltsrecht) werde in der Entscheidung in der Rs. 293/83 (Gravier) vorausgesetzt 327 , der Kreis der Freizügigkeitsberechtigten sei "enumerativ und abschließend" vom primären Gemeinschaftsrecht und den dieses ausfüllenden Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts festgelegt 328. Diese Argumentation verkennt die besondere Bedeutung des Urteils in der Rs. 293 / 83 (Gravier). Mochte man nach dem Urteil in der Rs. 152/82 (Forcheri) noch davon ausgehen können, daß der gleichberechtigte Bildungszugang rechtmäßigen 329 Aufenthalt voraussetzte 330, so war dies nach der Entscheidung in der EuR 1990, 401; Hailbronner, JuS 1991, 11; GA van Gerven, Schlußanträge vom 11. Juli 1991, Rs. 357/89 (Raulin), Rdnr. 18; noch nicht in Slg. Im Anschluß an die Entscheidung in der Rs. 293 / 83 (Gravier) hatte die Kommission "Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, die sich ausschließlich zum Zweck ihrer Berufsausbildung an einer Universität oder höheren Lehranstalt in einen anderen Mitgliedstaat begeben", vom Anwendungsbereich der ursprünglich vorgeschlagenen Richtlinie über das Aufenthaltsrecht ausgenommen; vgl. ABI. EG C 171 /8 (1985). 324 Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 33. 325 Slg. 1983, 2323 (2337); Hervorhebung hinzugefügt. 326 So Beutler, RdJB 1989, 151/154; B. Huber, NJW 1988, 3060; Forch, NVwZ 1987, 30 f. 327 Vgl. Beutler, RdJB 1989, 154. Nicht verständlich ist die Einschränkung seines Ansatzes, es dürften sich "im konkreten Fall schwerlich Gründe gegen einen dafür (d. h. für den Bildungszugang; Anm. d. Verfassers) erforderlichen Aufenthalt rechtfertigen lassen" (S. 151). 328 So B. Huber, NJW 1988, 3060. 329 Wobei dann fraglich wäre, ob sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsrechts aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben müßte oder ob es ausreichte, wenn diese aus allgemeinem Ausländerrecht folgte; dazu Hartley, CDE 1989,329, Fn. 11; Starkle, CDE 1984, 692 ff. 330 Schon die Berechtigung dieser häufig gezogenen Schlußfolgerung ist zweifelhaft; vgl. GA Slynn, Rs. 293/83 (Gravier), Slg. 1985,593 (599): "Ich verstehe jenes Urteil (in der Rs. 152/82 [Forcheri]; Anm. des Verfassers) allerdings nicht so, als sei die notwendige Vorbedingung für das Recht zur Teilnahme an einer bestimmten Berufsbildungsveranstaltung ein bereits bestehendes Aufenthaltsrecht. Natürlich war Frau Forcheri
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Rs. 293/83 (Gravier) nicht mehr möglich. Wie oben gezeigt 33 !, bestand die entscheidende Neuerung dieses Urteils darin, daß der Gerichtshof von einer Prüfung des persönlichen Anwendungsbereichs des Vertrages im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 EWGV absah 332. Ein aufgrund der vertraglichen Freizügigkeitsbestimmungen bereits bestehendes Aufenthaltsrecht war gerade nicht mehr erforderlich 333. Man würde allerdings die These von einem selbständigen Aufenthaltsrecht mißverstehen, wollte man dieses Aufenthaltsrecht als bedingungslos bezeichnen. Ebenso wie die Aufenthaltsrechte der aufgrund spezieller Vorschriften freizügigkeitsberechtigten Personen unterliegt auch dasjenige der Studenten im Rahmen der Richtlinie über die Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern 334 den Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. Denn die Erweiterung des aufenthaltsberechtigten Personenkreises durch das Urteil in der Rs. 293/83 (Gravier) muß eine Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie nach sich ziehen. Folgerichtig dehnte der Rat in Art. 2 Abs. 2 UA 3 der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der Studenten den Geltungsbereich der genannten Richtlinie auf die aufenthaltsberechtigten Studenten aus. Nach alledem ist festzustellen, daß das Recht auf gleichberechtigten Zugang zur beruflichen Bildung in einem anderen Mitgliedstaat nicht nur den dort bereits ansässigen Personen, sondern allen Gemeinschaftsbürgern zusteht. Daraus folgt ein von den Freizügigkeitsvorschriften des EWG-Vertrages unabhängiges Aufenthaltsrecht für die Wahrnehmung dieses Rechts. Die Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der Studenten kann dieses Aufenthaltsrecht nur bestätigen und näher ausgestalten 335 , hätte demnach auf Art. 7 Abs. 2 EWGV gestützt werden müssen. Das Europäische Parlament, das diese Auffassung teilt, hat deshalb am 28. September 1990 beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der Studenten erhoben 336. Insbesondere rügt es eine nach dem Sachverhalt ,rechtmäßig wohnhaft', und es bestünde kein Anlaß, jemandem, der sich rechtswidrig in einem Land aufhielte, das Recht zur Teilnahme an einer Berufsbildungsveranstaltung zu gewähren." 33! VgI. Abschnitt A. III. 3. a) aa) dieses Teils. 332 Ähnlich Kampf, EuR 1990,401: Der Gerichtshof habe den persönlichen Anwendungsbereich ausgedehnt. 333 VgI. Magiera, DÖV 1987,227: "Damit hat sich der Gerichtshof für eine gegenüber den speziellen Vertragsfreiheiten gesonderte Ausbildungsfreiheit ausgesprochen, ...". 334 Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind; ABI. EG Nr. 56/ 850. 335 Wägenbaur, MittHV 1989, 139, hielt die Verabschiedung der Richtlinie aus Gründen der Rechtssicherheit für erforderlich. 336 Rs. C-295 / 90, ABI. EG C 285/ 13.
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durch die Wahl der Rechtsgrundlage erfolgte Beeinträchtigung seiner Befugnisse im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren: Nach Art. 7 Abs. 2 EWGV hätte in Zusammenarbeit mit dem Parlament gehandelt werden müssen, Art. 235 EWGV sieht lediglich eine Anhörung des Parlaments vor. Aber nicht nur in dieser Rechtssache, auch in der Rs. C-357/ 89 (Raulin) wird der Gerichtshof Gelegenheit haben, die Frage des Aufenthaltsrechts für Studenten zu klären 337.
IV. Programme im Bildungsbereich
1. Bestandsaufnahme Mitte der achtziger Jahre hat die Gemeinschaft begonnen, eine inzwischen beachtliche 338 Zahl von Programmen im Bildungsbereich zu verabschieden. Der Bezug dieser Programme zum Bildungsbereich ist von unterschiedlicher Art. Der überwiegende Teil betrifft die berufliche Bildung. Hier sind die Programme COMETp39 und ERASMUS340, das Aktionsprogramm für die Berufsausbildung Jugendlicher 34 I, die Programme LINGUA342, EUROTECNEp43 und FORCE344 zu nennen. Eher dem Bereich der Allgemeinbildung zuzuordnen sind das nunmehr dritte, spätestens Ende 1991 auslaufende gemeinsame Programm zur Förderung des Austauschs junger Arbeitskräfte 345 und das Aktionsprogramm "Jugend für Europa"346. 337 VgI. Frage 6 des vorlegenden Gerichts, ABI. EG C 11 /4 (1990). 338 Dadurch sah sich die Kommission jüngst veranlaßt, ein "Memorandum über die Rationalisierung und Koordinierung von Berufsbildungsprogrammen auf Gemeinschaftsebene" vorzulegen; vgI. KOM (90) 334. 339 Programm betreffend die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft auf dem Gebiet der Technologieausbildung; 1. Phase: Beschluß des Rates vom 24. Juli 1986, ABI. EG L 222/17; 2. Phase: Beschluß vom 16. Dezember 1988, ABI. EG L 13/28 (1989). 340 Gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudenten, Beschluß des Rates vom 15. Juni 1987, ABI. EG L 166/20; verlängert und geändert durch Beschluß vom 14. Dezember 1989, ABI. EG L 395/23. 341 Beschluß des Rates vom 1. Dezember 1987, ABI. EG L 346/ 31; geändert durch Beschluß vom 22. Juli 1991, ABI. EG L 214/69. 342 Aktionsprogramm zur Förderung der Fremdsprachenkenntnisse; Beschluß des Rates vom 28. Juli 1989, ABI. EG L 239/24. Dieses Programm weist auch Bezüge zum allgemeinen Bildungswesen auf. 343 Aktionsprogramm zur Förderung von Innovationen in der Berufsbildung in der Folge des technologischen Wandels; Beschluß des Rates vom 18. Dezember 1989, ABI. EG L 393/29. 344 Aktionsprogramm zur Förderung der beruflichen Weiterbildung; Beschluß des Rates vom 29. Mai 1990, ABI. EG L 156/ 1. 345 Beschluß des Rates vom 13. Dezember 1984, ABI. EG L 331/36, verlängert durch Beschluß vom 29. Mai 1990, ABI. EG L 156/8; zur Einbeziehung dieses Programms in das Aktionsprogramm für die Berufsausbildung Jugendlicher vgI. Abschnitt A. III. 1. b) aa) des ersten Teils.
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Rechtliche Probleme werfen vor allem die Programme im Bereich beruflicher Bildung auf, so daß die Darstellung im folgenden auf diese beschränkt werden kann. Die erwähnten Programme zeichnen sich - ungeachtet ihrer inhaltlichen Unterschiede - durch eine Reihe von Gemeinsamkeiten aus: 1. Sie wurden sämtlich vom Rat in der Form eines Beschlusses verabschiedet. 2. Rechtsgrundlage ist stets Art. 128 EWGV347 sowie überwiegend der Beschluß des Rates vom 2. April 1963 über die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die gemeinsame Berufsausbildungspolitik 348 . 3. Alle Programme sehen Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene vor und sind von der Kommission durchzuführen. 4. Grundsätzlich sollen die Berufsausbildungsprogramme Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf dem betreffenden Gebiet unterstützen und ergänzen 349 , wobei allerdings die Programme COMETT und ERASMUS neuartige Maßnahmen ohne Entsprechung auf einzelstaatlicher Ebene verkörpern. 5. Alle Programme sehen eine Finanzierung durch die Gemeinschaft vor. 6. Schließlich und vor allem begründen alle Programme Pflichten der Mitgliedstaaten zur Kooperation. Dieser Punkt soll im folgenden näher ausgeführt werden. Allgemein ist festzustellen, daß der Kommission regelmäßig ein - mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestatteter - Ausschuß beigeordnet ist, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten besteht. Nicht ersichtlich ist, daß es den Mitgliedstaaten freigestellt werden sollte, Vertreter in den jeweiligen Ausschuß zu entsenden. Darüber hinaus ist eine fördernde Mitwirkung der Mitgliedstaaten erforderlich, wenn die Gemeinschaftsprogramme ihr Ziel erreichen sollen, mitgliedstaatli ehe Maßnahmen zu unterstützen und zu ergänzen. Als konkretes Beispiel für die möglicherweise weitreichenden Pflichten der Mitgliedstaaten im Rahmen derartiger Programme kann das ERASMUS-Programm herangezogen werden. Die dort vorgesehene Errichtung eines Europäischen Hochschulnetzes 350 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Teilnahme der interessierten Hochschulen zu schaffen 351. Der gegenteiligen Ansicht kann nicht 346 Programm zur Förderung des Jugendaustauschs in der Gemeinschaft; 1. Phase: Beschluß des Rates vom 16. Juni 1988, ABI. EG L 158/42; 2. Phase: Beschluß des Rates vom 29. Juli 1991, ABI. EG L 217/25. 347 Die aktuellen Versionen der Programme sind - bis auf das LlNGUA-Programm - allein auf Art. 128 EWGV gestützt. Für das LlNGUA-Programm wurde zusätzlich Art. 235 EWGV herangezogen. 348 ABI. EG Nr. 63/1338; lediglich der Änderungsbeschluß zum ERASMUS-Programm (v gl. Anm. 340) und der Beschluß über das Programm FORCE (vgl. Anm. 344) sind nicht auf diesen Beschluß gestützt. 349 Vgl. Z. B. Art. 1 Abs. 2 des FORCE-Programms (Anm. 344): "Das FORCE-Programm soll die Maßnahmen von und in den Mitgliedstaaten unterstützen und ergänzen, durch die die berufliche Weiterbildung gefördert wird". 350 Aktion 1; vgl. den Anhang des Beschlusses (Anm. 340). 351 So allgemein auch Classen, EuR 1990, 14; Hochbaum, DUZ 8/ 1989, 11; Zilioli, 67; ausführlich Lenaerts, 122 ff.; zu weiteren mitgliedstaatlichen Pflichten im Rahmen des ERASMUS-Programms vgl. GA Mischo in seinen Schlußanträgen in der Rs. 242/ 87 (ERASMUS), Sig. 1989, 1425 (1443).
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
zugestimmt werden 352. Zutreffend ist zwar, daß die Teilnahme für die Hochschulen freiwillig ist 353 ; dabei handelt es sich aber nicht um eine Eigentümlichkeit von Programmen im Bereich beruflicher Bildung 354 . Davon ist die Frage nach den Pflichten der Mitgliedstaaten zu trennen, die durch Auslegung des jeweiligen Rechtsakts zu beantworten ist 355 . 2. Art. 128 EWGV als Rechtsgrundlage
a) Problemstellung Art. 128 EWGV ermächtigt den Rat, "in bezug auf die Berufsausbildung allgemeine Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik auf(zustellen), die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes beitragen kann". Gestützt auf diese Vorschrift verabschiedete der Rat am 2. April 1963 einen Beschluß "über die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung"356. Fraglich ist, ob sich diese Bestimmungen eignen, Gemeinschaftsprogramme im Bereich der beruflichen Bildung zu tragen, die die erwähnten 357 Charakteristika aufweisen. Hierbei geht es vor allem um die Frage, ob die Gemeinschaftsorgane aufgrund von Art. 128 EWGV konkrete, haushaltswirksame Maßnahmen ergreifen können und ob und in welchem Umfang sie den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegen können. Der Gerichtshof hat bislang in drei Entscheidungen zu dieser Frage Stellung genommen. Anlaß für das Verfahren in der Rs. 242/ 87 358 war die Nichtigkeitsklage der Kommission gegen den ERASMUS-Beschluß. Die Kommission hatte die Heranziehung von Art. 235 EWGV neben Art. 128 EWGV für unzulässig gehalten, da schon die letztgenannte Vorschrift der Gemeinschaft die Befugnis zur Verabschiedung des Programms verleihe. In der Rs. 56/88 359 ging es gewissermaßen um den umgekehrten Fa1l 360. Das Vereinigte Königreich hatte Nichtigkeitsklage gegen den Beschluß betreffend das Aktionsprogramm für die Berufsausbildung Jugendlicher erhoben, weil es der Ansicht gewesen war, dieses Pro352 So aber Frowein, Bundesrat, 300; wohl auch Gölter, MittHV 1989, 136. Die Kommission vertrat in der Rs. 242/87 die Ansicht, die Mitgliedstaaten müßten u. U. ihre Rechtsvorschriften ändern, dies gelte aber nur für die Mitgliedstaaten, die sich freiwillig der Regelung über die Aktion unterstellten; vgl. Slg. 1989, 1425 (1431). 353 Auf diesen Umstand hebt Frowein, Bundesrat, 300, ab. 354 So zutreffend GA Mischo, Rs. 242/87 (ERASMUS), Slg. 1989, 1425 (1443). 355 Vgl. Lenaerts, 113:" ... , the Decision is binding upon the Member States where it contains precise obligations to be fulfilled by the latter". 356 ABI. EG Nr. 63/1338. 357 Vgl. soeben Abschnitt A. IV. 1. 358 Urteil vom 30. Mai 1989, Slg. 1989, 1425. 359 Urteil vom 30. Mai 1989, Slg. 1989, 1615. 360 So GA Mischo in seinen Schlußanträgen in der Rs. 56/88, Ziff. 1 (nicht in Slg.).
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gramm hätte neben Art. 128 EWGV auch auf Art. 235 EWGV gestützt werden müssen. Der gleiche Einwand wurde in dem Verfahren in den verb. Rs. C-51 / 89, C-90 / 89 und C-94/ 89 361 , das gegen den Beschluß betreffend die zweite Phase des COMETT-Programms gerichtet war, vom Vereinigten Königreich, von Deutschland und von Frankreich vorgebracht. Der Streit weist weitreichende Dimensionen auf, da die Frage der zutreffenden Rechtsgrundlage Auswirkungen auf den Abstimmungsmodus hat: Art. 128 EWGV gestattet als einer der seltenen im EWG-Vertrag vorgesehenen Fälle 362 Beschlußfassung mit einfacher Mehrheit (Art. 148 Abs. 1 EWGV), während Art. 235 EWGV Einstimmigkeit verlangt. Zudem ist im Rahmen von Art. 128 EWGV die Mitwirkung des Europäischen Parlaments lediglich fakultativ, während sie in Art. 235 EWGV in Form einer Anhörung zwingend vorgeschrieben ist. Art. 235 EWGV kommt gemäß seinem Wortlaut allerdings nur in Betracht, wenn nicht schon Art. 128 EWGV die erforderlichen Befugnisse zur Verabschiedung von Berufsbildungsprogrammen der fraglichen Art verleiht. Diese Frage soll im folgenden geprüft werden. Nicht mehr eingegangen wird auf die bereits oben 363 dargestellte Entwicklung des Begriffs der Berufsausbildung 364• b) Befugnisse der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Berufsausbildung
aa) Grundsätze der Handlungsbefugnis der Gemeinschaftsorgane Die Vorschrift des Art. 128 EWGV weist je nach Lesart einen oder zwei Ansatzpunkte für Handlungsbefugnisse der Gemeinschaftsorgane im Bereich beruflicher Bildung auf. Legt man den Schwerpunkt auf die Kompetenz zur Festlegung allgemeiner Grundsätze und betrachtet die Wendung "zur Durchführung einer gemeinsamen Politik ... , die zu einer harmonischen Entwicklung ... beitragen kann" nur als inhaltliche Vorgabe für die Aufstellung jener Grundsätze, so erschöpft sich die Tragweite der Vorschrift in der Ermächtigung zur Aufstellung eben dieser allgemeinen Grundsätze, und die Verabschiedung spezifischer Programme auf dieser Grundlage scheint von vornherein ausgeschlossen, da solche Programme - ohne daß eine genauere Untersuchung erforderlich wäre - keinesfalls als "allgemeine Grundsätze" angesehen werden können. Mißt man Urteil vom 11. Juni 1991; noch nicht in Slg. Dazu näher Lenaerts. 116. 363 Vgl. Abschnitt A. 111. 3. a) bb) dieses Teils. 364 Allerdings ist es in diesem Zusammenhang interessant zu vermerken, daß der Gerichtshof in dem Urteil in der Rs. 242/ 87 (ERASMUS) die Einbeziehung von Hochschulstudiengängen in das Programm, die (ausnahmsweise) nicht berufsbildend sind, für unschädlich gehalten (v gl. Slg. 1989, 1425 [1453]) und so die Erwartung von Lenaerts, 120, enttäuscht hat, dieser Punkt werde für die Frage der Rechtsgrundlage entscheidend sein. Flynn. YEL 1988, 85, meint deshalb, "the Court took a de minimis approach to competence" . 361
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hingegen dem Passus über die Durchführung einer gemeinsamen Politik für die Frage gemeinschaftlicher Handlungsbefugnisse eigenständige Bedeutung zu, so können andere Schlußfolgerungen zu ziehen sein. Vielfach wird Art. 128 EWGV im Sinne der erstgenannten Sichtweise als Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten verstanden: Die Gemeinschaft sei für die Aufstellung allgemeiner Grundsätze zuständig, die Mitgliedstaaten für die Durchführung der gemeinsamen Berufsbildungspolitik 365 . Im Rahmen von Art. 128 EWGV sei die Gemeinschaft auf die Aufstellung allgemeiner Grundsätze beschränkt 366. Häufig wird in diesem Zusammenhang das Argument vorgebracht, Art. 128 EWGV spreche von einer "gemeinsamen Politik", nicht von einer "Politik der Gemeinschaft" 367. Es ist daher zunächst erforderlich, die Bedeutung des Begriffs "gemeinsame Politik" genauer zu untersuchen. Der EWG-Vertrag spricht neben Art. 128 an drei weiteren Stellen von der Durchführung einer "gemeinsamen Politik", nämlich in den Vorschriften über die Landwirtschaft (Art. 38 ff.), über den Verkehr (Art. 74 ff.) und über die Handelspolitik (Art. llO ff.)368. Überwiegend wird in der Einführung einer gemeinsamen Politik die stärkste Form der Vergemeinschaftung eines Sachbereichs gesehen 369 . Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Aus der Kennzeichnung einer Politik als "gemeinsam" läßt sich kein Hinweis auf eine Handlungsbefugnis der Mitgliedstaaten selbst entnehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Folgende Überlegungen sollen dies verdeutlichen: Der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft lag der Wille der Mitgliedstaaten zugrunde, zukünftig auf den vertraglich festgelegten Gebieten nicht mehr getrennt, sondern "gemeinsam" vorzugehen. So zeigen sich die Mitgliedstaaten in der Präambel zum EWG-Vertrag entschlossen, "durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Länder zu sichern" 370. Außerdem äußern sie den Wunsch, "durch eine
365 Vgl. z. B. die Auffassung des Rates in der Rs. 242/87 (ERASMUS), Sig. 1989, 1425 (1432); Hochbaum, WissR 1986, 214 f.; Knolle, BArbBI. 1963, 379; WEGS / Sprung, Die EWG, Art. 128: " ... , um die Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Politik
auf diesem Gebiet zu veranlassen". 366 Vgl. C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 204; Classen, EuR 1990, 16. 367 So z. B. Fiedler, 167; Hochbaum, Federal Structure, 153; Konow, RdJB 1989, 125. 368 Ferner vgl. die in Art. 40 EWGV im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik mögliche Einführung einer gemeinsamen Preispolitik und die eher beiläufige Kennzeichnung der Wettbewerbsregeln und der Handelsverkehrsvorschriften als gemeinsame Politiken in Art. 130 f Abs. 3 EWGV. 369 Vgl. Classen, EuR 1990, 15; C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 203; ders., Die Rechtsordnung der EG, 86; Levi Sandri, 26; Grabitz / Vedder, Kommentar zum EWGV, Art. 113 Rdnr. 3: "Dem Charakter einer gemeinsamen Politik entsprechend hat die EG im Bereich der Handelspolitik gern. Art. 113 eine ausschließliche Kompetenz inne"; vgl. auch Gutachten des Gerichtshofs vom 26. April 1977, 1/76, Sig. 1977,741. 370 Hervorhebung hinzugefügt.
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gemeinsame Handelspolitik zur fortschreitenden Beseitigung der Beschränkungen im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr beizutragen" 371. Nichts anderes bedeutet die Bezeichnung des Zusammenschlusses der Mitgliedstaaten als Wirtschaftsgemeinscha[t. Der EWG-Vertrag verleiht den mitgliedstaatlichen Vorstellungen über ein gemeinsames Vorgehen rechtliche Formen, m. a. W. die Mitgliedstaaten bedienen sich der EWG zur Verfolgung ihrer gemeinsamen Interessen. Wo der Vertrag nicht eine Vergemeinschaftung, sondern lediglich eine Koordinierung einzel staatlicher Politiken beabsichtigt, macht er dies hinreichend deutlich 372. Was nun die in Art. 128 EWGV erwähnte gemeinsame Berufsausbildungspolitik betrifft, ist eingewandt worden, Art. 3 EWGV erwähne zwar die anderen gemeinsamen Politiken, nicht aber die in Art. 128 EWGV genannte 373. GA Mischo vertrat in der Rs. 242/87 (ERASMUS) die Auffassung, es lasse sich "kaum bestreiten, daß die gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Berufsausbildung, wenn sie dasselbe gemeinschaftsrechtliche Gewicht wie die gemeinsamen Politiken in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr und Außenhandel besäße, in Art. 3 genannt worden wäre, der die Hauptziele der Gemeinschaft" aufzähle 374. Nun soll nicht behauptet werden, die gemeinsame Berufsausbildungspolitik gehöre zu den "Hauptzielen" der Gemeinschaft, wie auch nicht die Auffassung vertreten werden soll, sie habe dasselbe gemeinschaftsrechtliche Gewicht wie die anderen gemeinsamen Politiken, obschon dies im Lichte des Entwicklungsstands des Gemeinschaftsrechts nicht unvertretbar erscheint. Es soll auch nicht bestritten werden, daß die anderen gemeinsamen Politiken wesentlich präziser als Art. 128 EWGV materielle Vorgaben und Verfahren für die Durchführung der jeweiligen Politik enthalten 375. All diese Argumente verfehlen indessen ihr Ziel, die gemeinsame Berufsausbildungspolitik von den anderen gemeinsamen Politiken des Vertrages zu sondern und ihre Durchführung den Mitgliedstaaten zuzuweisen. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, weshalb der Begriff der gemeinsamen Politik in Art. 128 EWGV etwas anderes meinen sollte, als sonst im Vertrag 376. Gerade die Wendung "gemeinsam" vermag - wie gezeigt - nichts zugunsten einer Befugnis der Mitgliedstaaten auszurichten. Daher ist es auch nicht angängig, die vermeintliche "Sonderrolle" der gemeinsamen Politik der Berufsausbildung damit zu begründen, Art. 128 EWGV sehe lediglich vor, daß diese Politik zur harmonischen Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. z. B. Art. 103 EWGV betreffend die Konjunkturpolitik: "Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Konjunkturpolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse." 373 Classen, EuR 1990, 16; Hochbaum, BayVBI. 1987,487. 374 Sig. 1989, 1425 (1438). 375 Dies betont GA Mischo, Sig. 1989, 1425 (1439 f.). 376 So auch Levi Sandri, 26. 371
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Entwicklung der einzelnen Volkswirtschaften und des Gemeinsamen Marktes beitragen könne, nicht müsse 377 • Es handelt sich dabei vielmehr um eine Zielverpflichtung, wie der englische Vertragstext erhellt, der von "capable" spricht. Andernfalls wäre der entsprechende Passus auch überflüssig. Aus alledem folgt, daß Art. 128 EWGV die Gemeinschaftsorgane nicht nur zur Aufstellung allgemeiner Grundsätze, sondern ebenso zur Durchführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Berufsausbildung ermächtigt 378. Der Gerichtshof bestätigte diese Auffassung in dem Urteil in der Rs. 242/87 (ERASMUS), indem er ausführte, der Gemeinschaft dürften die erforderlichen Instrumente zur wirksamen Verfolgung der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik nicht vorenthalten werden 379. Nicht zugestimmt werden kann der Auffassung, Art. 128 EWGV habe diese gemeinsame Politik "erst für einen ferneren Zeitpunkt" ins Auge gefaßt 380 bzw. ermögliche nur die Entwicklung dieser Politik in einem Anfangsstadium 381. Derartige Beschränkungen lassen sich dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift nicht entnehmen.
bb) Die Befugnisse im einzelnen Die soeben getroffene Feststellung, daß die Gemeinschaftsorgane prinzipiell befugt sind, Maßnahmen zur Durchführung der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik zu treffen, läßt offen, welche Befugnisse den Gemeinschaftsorganen im einzelnen zustehen. Zunächst soll geprüft werden, ob sie konkrete Programme der fraglichen Art aufgrund von Art. 128 EWGV verabschieden können. Die zulässige Gestalt der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik legt Art. 128 EWGV nur insoweit fest, als er diese an das schon in Art. 2 EWGV erwähnte allgemeine Ziel der "harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes" bindet. Anders als die übrigen gemeinsamen Politiken des Vertrages 382 enthält Art. 128 EWGV keine weiteren Vorgaben formaler oder materieller Art. Jedoch haben die Schöpfer des Vertrages diesen Mangel dadurch kompensiert, daß sie den Rat in Art. 128 EWGV zur Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik verpflichteSo aber Hochbaum, BayVBl. 1987,487. Mit dieser Ermächtigung geht die Verpflichtung zur Verfolgung der gemeinsamen Politik einher; vgl. Boulouis, 58; Fastenrath, NJW 1983,494: Nach Ablauf der Übergangszeit seien die Gemeinschaftsorgane verpflichtet, "das materielle Recht im wesentlichen selbst zu gestalten"; anders aber offenbar Grabitz, Integration 1985, 106. 379 Slg. 1989, 1425 (1453). 380 So aber Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 36. 381 So der Rat in der Rs. 242/87 (ERASMUS), Slg. 1989, 1425 (1452). 382 Vgl. vor allem die detaillierte Regelung der gemeinsamen Agrarpolitik, Art. 38 ff. EWGV. 377 378
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ten 383 • Rechtstechnisch kann dieses Vorgehen als "contractum ad contrahendum" bezeichnet werden 384. Die Gestaltung der gemeinsamen Politik bleibt dem Rat überlassen, der dabei über ein vom Gerichtshof anerkanntes 385 weites Ermessen verfügt 386. Eine erste Konkretisierung der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik hat der Rat durch Verabschiedung des Beschlusses vom 2. April 1963 über die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für diese gemeinsame Politik 387 vorgenommen. Dieser Beschluß stelle - so der Gerichtshof in dem Urteil in der Rs. 242/87 (ERASMUS) - den Ausgangspunkt einer schrittweisen Entwicklung der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik dar und beruhe auf der Vorstellung, daß die Durchführung der gemeinsamen Berufsbildungspolitik im Rahmen einer Zusammenarbeit den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen obliege 388 • Gemeint ist offenbar eine Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, nicht eine solche unter den Mitgliedstaaten 389. Diese Feststellung des Gerichtshofs widerspricht nicht der oben vertretenen Auffassung, daß allein die Gemeinschaftsorgane für die Definition der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik zuständig seien. Art. 128 EWGV selbst hat - wie gezeigt - die Gestalt der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik gerade nicht festgelegt; der Rat hat im Rahmen seines Ermessens diese Politik in der vom Gerichtshof beschriebenen Weise konkretisiert. Kennzeichnend für ein "contracturn ad contrahendum" ist, daß der Gerichtshof die vertragsmäßige Konkretisierung der gemeinsamen Berufsbildungspolitik durch den Rat zu respektieren hat. Folgerichtig legte der Gerichtshof der Auslegung des Art. 128 EWGV die in dem erwähnten Beschluß vom 2. April 1963 zum Ausdruck gekommene Vorstellung von einer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane
383 Die Bezeichnung als "allgemeine Grundsätze" beschränkt nicht deren Verbindlichkeit, sondern beeinflußt lediglich den Konkretisierungsgrad der Bindung;für eine Verbindlichkeit z. B. C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 204; lpsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 943; Levi Sandri, 28; Knolle, BArbBI. 1963,379; gegen eine Verbindlichkeit z. B. Hailbronner, JuS 1991, 18; Konow, RdJB 1989, 125; Hochbaum, BayVBI. 1987,483; WEGS / Sprung, Die EWG, Art. 128; Schlotfeld, 54 ff. 384 VgI. Lochner, ZStW 1962, 37. GA Lenz spricht in seinen Schlußanträgen in der Rs. 13/83 ("Gemeinsame Verkehrspolitik") von einem "pactum de contrahendo"; vgl. Slg. 1985, 1537. 385 VgI. Urteil vom 22. Mai 1985, Rs. 13 / 83 ("Gemeinsame Verkehrspolitik"), Slg.
1985, 1513 (1596).
386 VgI. Grabitz / Frohnmeyer, Kommentar zum EWGV, vor Art. 74 Rdnr. 5; Grabitz, Integration 1985, 106. 387 ABI. EG Nr. 63/ 1338. 388 Slg. 1989, 1425 (1453). Zutreffend weist Pertek, RTDE 1991, 135, darauf hin, daß der Begriff der Zusammenarbeit die Grenze für ein Handeln der Gemeinschaftsorgane markiert. 389 So aber Pertek, RTDE 1991, 135: "Le Conseil ... peut cft!er le cadre de la cooperation entre les Etats membres."
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
zugrunde: Dies führe zu der Anerkennung einer Befugnis des Rates, Rechtsakte zu erlassen, die gemeinschaftliche Aktionen auf dem Gebiet der Berufsausbildung vorsähen und den Mitgliedstaaten entsprechende Mitwirkungspflichten auferlegten. Eine solche Auslegung gewährleiste die praktische Wirksamkeit des Art. 128 EWGV390. Der Grundsatz des "effet utile" ist es also, der den Rat berechtigt, die Vorstellung von einer Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten in konkrete Aktionen umzumünzen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, es sei nicht ersichtlich, "warum für die Erfüllung der Aufgabe ,Aufstellung allgemeiner Grundsätze' die Verabschiedung von konkreten Förderprogrammen erforderlich" sei 391. Der "effet utile" betrifft nicht die Aufstellung allgemeiner Grundsätze, sondern die Durchführung der in Art. 128 EWGV vorgesehenen gemeinsamen Berufsbildungspolitik. Ist somit festzustellen, daß die Gemeinschaftsorgane grundsätzlich die Befugnis zur Verabschiedung von Aktionsprogrammen der genannten Art besitzen, so ist noch die Frage zu klären, ob diese Programme auch finanzielle Leistungen der Gemeinschaft vorsehen dürfen. Diese Problemstellung berührt grundlegende Fragen der Finanzierung gemeinschaftlicher Aktivitäten. Hierzu wird teilweise die Auffassung vertreten, finanzielle Maßnahmen der Gemeinschaft setzten stets eine ausdrückliche Ermächtigung im Vertrag voraus, andernfalls sei Art. 235 EWGV anzuwenden 392. Dem ist nicht zu folgen. Es kann nicht angenommen werden, daß der Gemeinschaft die Ausübung vertraglicher Befugnisse verwehrt sein sollte, wenn dies den Einsatz finanzieller Mittel erfordert. Eine derartige Beschränkung ist dem EWG-Vertrag nicht zu entnehmen. Daher ist lediglich der Nachweis einer Aufgabenkompetenz, nicht aber der einer besonderen Finanzierungskompetenz erforderlich 393. Diese Auffassung teilte der Gerichtshof in dem Urteil in der Rs. 242/87 (ERASMUS) und wies auch den Einwand zurück, der EWG-Vertrag stelle an Haushaltsbeschlüsse strengere als in Art. 128 EWGV vorgesehene verfahrensrechtliche Anforderungen: Gesetzgebungs- und Haushaltsverfahren folgten unterschiedlichen Regeln 394. Diese Argumentation als lediglich formal zutreffend, aber als in der Sache nicht überzeugend zu charakterisieren 395, verkennt die Bedeutung der Trennung von Gesetzgebungs- und Haushaltsverfahren 396. Demnach ist festzustellen, daß 390 Slg. 1989, 1425 (1453). 391 So Classen, EuR 1990, 18. 392 So GBTE/ Heck, Kommentar zum EWGV, Art. 199 Rdnr. 9 f.; ähnlich, aber undeutlich, Fiedler, 172. 393 Vgl. Grabitz/ Magiera, Kommentar zum EWGV, Art. 199 Rdnr. 10; Bieber, EuR 1982, 118.
394 Slg. 1989, 1425 (1454). 395 So Schmidt-Räntsch, NJW 1989, 3072. 396 Vgl. dazu näher Läufer, 52 ff.; Magiera, FS Schlochauer, 829 ff.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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die Gemeinschaft befugt ist, aufgrund von Art. 128 EWGV konkrete Programme anzunehmen, die auch finanzielle Leistungen der Gemeinschaft vorsehen können.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn I. Die Freiheit des Warenverkehrs im kulturellen Bereich 1. Einleitung
Der Bereich der Kultur im engeren Sinn weist zwei unterschiedliche Berührungspunkte mit der Freiheit des Warenverkehrs auf: Zum einen kann es um die Frage nach der Warenverkehrsfreiheit für kulturelle Güter gehen, zum anderen um den Einfluß der Warenverkehrsfreiheit auf kulturpolitische Entscheidungen der Mitgliedstaaten. Der Begriff des kulturellen Gutes ist in einem umfassenden Sinn zu verstehen und umfaßt sowohl Einzelstücke, z. B. Kunstwerke aus dem bildnerischen und darstellenden Bereich, als auch in mehr oder weniger großen Auflagen erstellte Produkte mit kulturellem Bezug I, wie etwa Schallplatten, Videokassetten, Filme oder Bücher. Der letztgenannten Kategorie unterfallen nicht nur Produkte, die einen kulturellen oder künstlerischen Inhalt verkörpern, sondern die genannten Produkte an sich als Ausdruck von - im weitesten Sinn verstandenen - kulturellen Regungen der Gesellschaft 2 • Der Handel mit kulturellen Gütern weist eine erhebliche ökonomische Dimension auf3. So werden z. B. Gemäldesammlungen oftmals allein zum Zweck der Geldanlage aufgebaut 4. Hinzuweisen ist auch auf den steuerbaren Umsatz der Buchverlage in der Bundesrepublik Deutschland, der sich im Jahr 1988 auf etwa 8,4 Mrd. DM beliefS. Die wirtschaftliche Bedeutung des Handels mit kulturellen Gütern wirft die Frage auf, ob und inwieweit der Gerichtshof die Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit für derartige Betätigungen nutzbar gemacht hat. Darüber hinaus ist auch der eingangs genannte zweite Berührungspunkt des kulturellen Bereichs mit der Warenverkehrsfreiheit zu berücksichtigen. I Zu dem Problem, einen Kulturbegriff zu bestimmen, vgl. Abschnitt C. I. des ersten Teils. 2 Beispielsweise ist das Buch an sich Gegenstand der Mitteilung der Kommission über "Das Buch: Ein unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Lebens' in Europa", KOM (89) 258./psen, GS Geck, 341, schreibt, das Buch- und Zeitschriftenwesen gehöre in seiner Substanz unstreitig zum Kulturbereich. 3 Dies ist unbestritten; vgl. statt vieler /psen, GS Geck, 346, der von der "ökonomisehen Relevanz des Wirtschaftsverkehrs mit Kulturprodukten und ihrer Herstellung" spricht. 4 Vgl. dazu mit Beispielen Frey / Serna, 109 ff. 5 Einschließlich Adreßbücher; vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels, Buch und Buchhandel in Zahlen, 56.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
2. Der Begriff der Ware im Sinne des EWG-Vertrages Voraussetzung für die Anwendung der Vertragsvorschriften über den freien Warenverkehr ist die Qualifizierung der einleitend genannten kulturellen Güter als Waren. Der EWG-Vertrag definiert den Begriff der Ware nicht. Art. 9 Abs. 1 EWGV bestimmt zwar, daß sich die Zollunion auf den gesamten Warenaustausch erstreckt. Der Begriff der Ware wird dadurch aber nicht deutlicher. In der Rs. 7/68 (Kommission / Italien) 6 wurde die Frage - soweit ersichtlich zum ersten Mal- grundlegend 7 problematisiert. Italien hatte in diesem Verfahren zur Verteidigung eines nationalen Gesetzes, welches die Ausfuhr von Kunstgegenständen durch Erhebung von Abgaben erschwerte, vorgetragen, solche Gegenstände unterlägen nicht den Regeln des EWG-Vertrages, da sie nicht den Verbrauchsgütern oder Gegenständen des täglichen Gebrauchs gleichgestellt werden könnten 8. Der EWG-Vertrag sei zur Errichtung einer Wirtschaftsgemeinschaft, nicht aber einer Gemeinschaft für künstlerische, historische oder ethnographische Gegenstände geschlossen worden 9. GA Gand räumte zwar ein, daß "Kunstwerke mehr ... als gewöhnliche grobe Waren" seien, hielt aber dennoch dafür, daß diese sich nicht dem allgemeinen Rahmen des EWG-Vetrages entzögen, da sie Gegenstand des Handels sein könnten 10. Dieser Auffassung schloß sich der Gerichtshof an und stellte fest, Waren im Sinne des Art. 9 EWGV seien Erzeugnisse, die einen Geldwert hätten und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein könnten. Daran änderten auch die sonstigen Eigenschaften, die die vom italienischen Gesetz erfaBten Erzeugnisse von anderen Handelsgütern unterschieden, nichts. Güter seien den Normen des Gemeinsamen Marktes unterworfen, sofern der Vertrag nicht ausdrücklich Ausnahmen vorsehe 11. Obgleich durch diese Entscheidung unmißverständlich klargestellt worden war, daß kulturelle Güter den Warenverkehrsvorschriften des EWGVertrages unterliegen, vertrat später Frankreich im Vorverfahren zur Rs. 269/ 83 12 im Hinblick auf Zeitungen und Zeitschriften die Auffassung, es sei fraglich, ob Art. 30 EWGV auf Erzeugnisse anwendbar sei, die Träger politischer, sozialer und kultureller Informationen seien 13. Im Gerichtsverfahren wurde diese Meinung dann aber nicht mehr aufrechterhalten. 6 Urteil vom 10. Dezember 1968, Sig. 1968, 633; vgl. auch die Folgeentscheidung vom 13. Juli 1972 in der Rs. 48/71, Slg. 1972,529, in der es um die Durchführung des Urteils vom 10. Dezember 1968 ging. 7 So Roth, ZUM 1989, 101. 8 Slg. 1968, 633 (639). 9 Ebd., S. 649. 10 Ebd. 11 Ebd., S. 642 f.; zustimmend Pescatore, RTDE 1985,451 f., der in diesem Zusammenhang von einer "affirmation banale, mais de grande portee pratique" spricht. 12 Urteil vom 14. März 1985, Slg. 1985, 837. 13 Ebd., S. 838.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Der Gerichtshof wandte nach dem Urteil in der Rs. 7/68 14 die Warenverkehrsvorschriften auf verschiedene kulturelle Güter an. Wenn er sich in diesen Verfahren ausdrücklich zu dem Begriff der Ware äußerte, so geschah dies nicht, um die in dem genannten Urteil gefundene Lösung zu bekräftigen 15, sondern lediglich zu dem spezielleren Zweck, die Regeln der Warenverkehrsfreiheit von anderen Vertragsregelungen, vor allem der Dienstleistungsfreiheit, abzugrenzen 16.
3. Die Zollunion a) Die Abschaffung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung Nach Art. 16 EWGV waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis zum Ende der ersten Stufe, d. h. gemäß Art. 8 Abs. 1 EWGV bis Ende 1961, untereinander Ausfuhrzölle und Maßnahmen gleicher Wirkung aufzuheben. Diese - seit dem 1. Januar 1962 unmittelbar anwendbare 17 - Vorschrift war Gegenstand des schon erwähnten Urteils in der Rs. 7/68 (Kommission / Italien) 18. Die Kommission war der Auffassung gewesen, die in dem streitigen italienischen Gesetz vorgesehene Abgabe, die nach dem Wert der auszuführenden Kunstgegenstände festgesetzt wurde, stelle eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Ausfuhrzoll dar. Italien hingegen hielt die Vorschrift des Art. 16 EWGV nicht für anwendbar. Einschlägig seien vielmehr die Artikel 30 ff. EWGV. Die durch das italienische Gesetz bewirkte mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung sei durch Art. 36 EWGV gerechtfertigt, da es um den Schutz nationalen Kulturgutes von künstlerischem, geschichtlichem und archäologischem Wert gehe 19. Der Gerichtshof folgte dem nicht und entschied, es komme im Rahmen von Art. 16 EWGV allein darauf an, ob eine Abgabe die Ausfuhr durch das Mittel finanzieller Belastung hemme 20. Sei dies der Fall, könne eine Anwendung der Slg. 1968,633. Allein in dem Urteil vom 20. Januar 1981 in den verb. Rs. 55 und 57/80 (MusikVertrieb membran), Slg. 1981, 147, scheint dies anders zu sein. Dort stellte der Gerichtshof fest, Tonträger seien, auch wenn sie geschützte Musikwerke enthielten, Erzeugnisse, für die das im Vertrag vorgesehene System des freien Warenverkehrs gelte (S. 161). 16 So in dem Urteil vom 30. April 1974, Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409, in dem der Gerichtshof Fernsehsendungen als Dienstleistungen bezeichnete, aber den Handel mit sämtlichen Materialien, Tonträgern, Filmen und sonstigen Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt werden, dem Warenverkehr zuordnete; kritisch dazu Schwarze. Rundfunk und Fernsehen, 34; Ipsen, Rundfunk im EG-Recht, 86 f.; vgl. auch Urteil vom 7. Mai 1985, Rs. 18/84 (Kommission / Frankreich), Slg. 1985, 1339, in dem der Gerichtshof die zur Herstellung einer Zeitung erforderlichen Druckarbeiten nicht als selbständige Dienstleistung ansah, sondern als unselbständige Vorarbeit zur Erstellung der Zeitung (S. 1347). 17 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 26. Oktober 1971, Rs. 18/71 (Eunomia), Slg. 14
15
1971,811 (817). 18 Slg. 1968,633. 19 Ebd., S. 640 f.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Art. 30 ff. EWGV nicht in Betracht kommen 21. Daraus folgt, daß die Vorschriften über die Zollunion leges speciales gegenüber den Vorschriften über die mengenmäßigen Beschränkungen sind 22 . Art. 36 EWGV erklärte der Gerichtshof im Rahmen der Vorschriften über die Zollunion für unanwendbar. Diese Vorschrift sei eng auszulegen und nicht auf Maßnahmen anwendbar, die nicht unter das Kapitel über die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen fielen 23. Dies erkläre sich dadurch, daß Zölle und Abgaben gleicher Wirkung die Ausfuhr lediglich verteuerten, ohne das mit Art. 36 EWGV angestrebte Ziel, den künstlerischen, geschichtlichen oder archäologischen Kulturbesitz zu schützen, erreichen zu können 24. b) Der Gemeinsame Zolltarif Nach Art. 9 EWGV umfaßt die Zollunion neben dem Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben, die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern. Seit dem 10. September 1987 gilt die "Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif'25. Die Verordnung bezieht auch kulturelle Güter in ihren Anwendungsbereich ein. So enthält sie beispielsweise, wie auch schon ihre Vorgängerin 26, ein Kapitel über "Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten"27, das durch Zollfreiheit gekennzeichnet ist, sowie eines über "Bücher, Zeitungen, Bilddrucke und andere Erzeugnisse des graphischen Gewerbes; hand- oder maschinengeschriebene Schriftstücke und Pläne"28. Die Zollfreiheit der dem Kapitel "Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten" zugeordneten Gegenstände hat zu einer Reihe von Vorabentscheidungsverfahren geführt, denen die gemeinsame Problematik zugrunde lag, daß der Importeur eingeführter Waren das genannte Kapitel für einschlägig hielt, 20 Anders aber, wenn mit der Abgabe eine staatliche Dienstleistung anläßlich des Grenzübertritts abgegolten wird und die Abgabe angemessen ist; vgI. Beutler / Bieberl
Pipkorn / Streif, 280. 21 Slg. 1968, 633 (643 f.). 22 Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 12 Rdnr. 18. 23 Später allerdings wandte der Gerichtshof Art. 36 EWGV analog im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs an; vgI. Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. 262/ 81 (Coditel II), Slg. 1982, 3381 (3401). 24 Slg. 1968, 633 (644). 25 ABI. EG L 256 / 1; für den Zeitpunkt des Inkrafttretens vgI. Art. 17 der Verordnung; Anhang I geändert durch Verordnung der Kommission vom 31. Juli 1990, ABI. EG L 247. 26 Verordnung Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den Gemeinsamen Zolltarif, ABI. EG L 172 / 1. 27 VgI. Anm. 25, Anhang I, Kapitel 97; in der abgelösten Verordnung (vgI. Anm. 26) Kapitel 99. 28 VgI. Anm. 25, Anhang I, Kapitel 49.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
137
während das zuständige Zollamt eine andere Einordnung vornahm und die Zahlung von Zöllen verlangte. So ging es etwa um die Einordnung von Farbsiebdrukken 29 , einem Wandrelief3°, einem Oldtimer 31 , von Steindrucken 32 , Kunstphotographien 33, gläsernen Briefbeschwerern 34 sowie einem Emaille-Bild 35. In dem Urteil in der Rs. 23/77 (Westfälischer Kunstverein) äußerte sich der Gerichtshof grundlegend zu der Abgrenzungsproblematik, indem er feststellte, es könne nicht auf den etwaigen Kunstwert der Gegenstände abgestellt werden, vielmehr müßten aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit objektive Merkmale herangezogen werden 36. Folglich ist der Begriff "Kunstgegenstände", der in der Überschrift des erwähnten Kapitels genannt wird, nicht in einem wertenden Sinne gemeint. Wie die Tarifpositionen dieses Kapitels zeigen, ist das entscheidende Merkmal das der Originalität, welches in den Anmerkungen zu dem Kapitel näher erläutert wird und in erster Linie durch die persönliche Beteiligung des Künstlers an der Herstellung des Werkes gekennzeichnet ist 37 • Der Sinn der Zollbefreiung von Kunstgegenständen liegt nach Auffassung des Gerichtshofs darin, "der künstlerischen Produktion eine Vorzugs behandlung zu gewähren" 38. Demnach ist festzustellen, daß der Gemeinsame Zolltarif nicht nur auf kulturelle Güter anwendbar ist, sondern auch deren kultureller Bedeutung durch unterschiedliche Tarifierung Rechnung trägt. 4. Die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung
a) Artikel 30 EWGV aa) Grundsätze
Art. 30 EWGV verbietet grundsätzlich mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung. In dem Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rs. 8/74 (Dassonville)39 erläuterte der Gerichtshof, unter einer Maßnahme 29 Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs. 23/77 (Westfälischer Kunstverein), Slg. 1977, 1985. 30 Urteil vom 15. Mai 1985, Rs. 155/84 (Onnasch), Slg. 1985, 1449. 31 Urteil vom 10. Oktober 1985, Rs. 200/84 (Daiber), Slg. 1985, 3363. 32 Urteil vom 14. Dezember 1988, Rs. 291/87 (Huber), Slg. 1988, 6449. 33 Urteil vom 13. Dezember 1989, Rs. 1/89 (Raab), Slg. 1989,4423. 34 Urteil vom 18. September 1990, Rs. 228/89 (Farfalla), Slg. 1990,1-3387. 35 Urteil vom 8. November 1990, Rs. C-231 /89 (Gmurzynska-Bscher), Slg. 1990, 1-4003. 36 Slg. 1977, 1985 (1990). 37 So auch Pieroth / Kampmann, NJW 1990, 1390. 38 Urteil vom 14. Dezember 1988, Rs. 291/87 (Huber), Slg. 1988,6449 (6466). 39 Slg. 1974, 837.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
mit gleicher Wirkung wie eine Einfuhrbeschränkung sei jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten zu verstehen, die geeignet sei, "den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern" 40. Diese sehr weite Formel, die nicht nur offen diskriminierende, sondern auch solche Regelungen erfaßt, die zwischen einheimischen und eingeführten Waren nicht unterscheiden, bedurfte einer Korrektur 41 für unterschiedslos anwendbare Bestimmungen in Bereichen, in denen eine gemeinschaftsrechtliche Regelung noch nicht existiert und daher die Regelungszuständigkeit für die Warenerzeugung und -verteilung noch bei den Mitgliedstaaten liegt 42 . Diese Korrektur nahm der Gerichtshof in dem Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rs. 120/78 ("Cassis de Dijon")43 vor, in dem er entschied, handelshemmende, unterschiedslos anwendbare 44 Bestimmungen müßten hingenommen werden, soweit sie notwendig seien, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes 45 . bb) Anwendung auf kulturelle Güter
Diese zu Art. 30 EWGV entwickelten Grundsätze wandte der Gerichtshof mehrfach auf nationale Vorschriften an, die den freien Warenverkehr mit kulturellen Gütern betrafen. In dem Urteil vom 10. Januar 1985 in der Rs. 229/83 (Ledere) 46 befaßte sich der Gerichtshof mit französischen Regelungen betreffend die Preisbindung von Büchern. Diese Regelungen sahen vor, daß jeder Verleger oder Importeur einen Endverkaufspreis festzusetzen hatte, von dem die Einzelhändler nur minimal abweichen durften. Bei Reimporten mußte der vom Importeur festgelegte Preis mindestens dem ursprünglich vom inländischen Verleger festgesetzten entsprechen. Als Importeur galt der Hauptdispositeur der Bücher. Der Gerichtshof unterschied zunächst die Einfuhr von im Ausland verlegten und die von in Frankreich verlegten Büchern. Im ersten Fall liege eine diskriminierende Regelung vor, da die für die Preisfestsetzung zuständige Person, nämlich der Hauptdispositeur, auf anderer Handelsstufe tätig sei als der inländische Verleger. Diese Regelung mache es jedem anderen Importeur unmöglich, den von ihm für angemessen gehaltenen Verkaufspreis zu praktizieren. Sie sei daher geeignet, den Handelsverkehr zu behindern 47 . Anders als die Kommission 48 hielt Ebd., S. 852. 41 In diesem Sinn auch Langbein, 229. 42 Vgl. Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 284. 43 Slg. 1979, 649. 44 So ausdrücklich erst später; vgl. z. B. das Urteil vom 14. Juli 1988, Rs. 90/86 (Zoni), Slg. 1988, 4285 (4303). 45 Slg. 1979,649 (662). 46 Slg. 1985, 1. 40
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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der Gerichtshof die Regelung bezüglich der Preisfestsetzung bei der Wiedereinfuhr von in Frankreich verlegten Büchern für unterschiedslos auf in- und ausländische Bücher anwendbar, erachtete sie aber gleichwohl ebenfalls als Maßnahme mit gleicher Wirkung im Sinne von Art. 30 EWGV, da sie es dem Reimporteur verwehre, den im Ausland erzielten günstigeren Preis weiterzugeben. Soweit allerdings der Reimport nur vorgenommen werde, um die Preisbindung zu umgehen, stelle die genannte Vorschrift keinen Verstoß gegen Art. 30 EWGV dar 49 • Obwohl der Gerichtshof - wie gezeigt - die zuletztgenannte Regelung für unterschiedslos anwendbar gehalten hatte, prüfte er dennoch nicht das Vorliegen von "zwingenden Gründen", insbesondere des Verbraucherschutzes in Form des Schutzes von Büchern als Kulturträger 50 • Ohne weitere Begründung stellte er fest, die fragliche Regelung sei allein an Art. 36 EWGV zu messen 51 • Dem Urteil in der Rs. 229/83 (Leclerc) folgten zwei weitere Entscheidungen mit gleichem Streitgegenstand, die keine neuen Erkenntnisse brachten 52. Nachdem allerdings die französischen Vorschriften dem Urteil in der Rs. 229/83 (Leclerc) angepaßt worden waren und Reimporte - vorbehaltlich des Mißbrauchs - nicht mehr an den vom französischen Verleger festgesetzten Preis gebunden waren, hatte der Gerichtshof zu entscheiden, ob die dadurch bewirkte Diskriminierung von französischen gegenüber ausländischen Händlern gegen Art. 30 EWGV verstoße. Hierzu stellte der Gerichtshof fest, Art. 30 EWGV betreffe nur die Einfuhr von Waren und stehe einer Ungleichbehandlung inländischer Waren nicht entgegen 53. Zwei andere Entscheidungen des Gerichtshofs betrafen Postgebührenermäßigungen bzw. Steuererleichterungen für Presseerzeugnisse. Im ersten Fall ging es um eine französische Regelung, die für Publikationen, die in Frankreich hergestellt wurden oder deren Herausgeber die französische Staatsangehörigkeit besaß und in Frankreich wohnte, einen ermäßigten Posttarif vorsah, während ganz oder teilweise im Ausland gedruckte Publikationen wie normale Drucksachen zu behandeln waren. Frankreich leugnete eine mögliche Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs vor allem mit der Erwägung, der Preis einer Publikation sei für deren Verkaufserfolg nicht ausschlaggebend, die Wahl einer Zeitschrift hänge eher von Fragen des Geschmacks und kultureller oder politischer Vorlieben ab. Der Gerichtshof dagegen bejahte einen Verstoß gegen Art. 30 EWGV. Es Ebd., S. 34 f. Ebd., S. 22 f. 49 Ebd., S. 35; kritisch zu dieser Einschränkung Müller-GraJ!, EuR 1985,307. 50 Dies ist auf Unverständnis gestoßen; vgl. Müller-Graff, EuR 1985, 306; Kuyper, CML Rev. 1985, 801. 51 Vgl. dazu Abschnitt B. 1. 4. b) dieses Teils. 52 Urteil vom 11. Juli 1985, Rs. 299/83 (Ledere / Syndicat des libraires de LoireOcean), Slg. 1985,2515; Urteil vom 10. Juli 1986, Rs. 95 / 84 (Boriello), Slg. 1986,2253. 53 Urteil vom 23. Oktober 1986, Rs. 355/85 (Cognet), Slg. 1986, 3231. 47
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
könne nicht angenommen werden, daß sich ein aufgrund ermäßigter Postgebühren niedrigerer Abonnementspreis nicht auf die Kaufentscheidung auswirke, selbst wenn diese Entscheidung vor allem auf nichtwirtschaftlichen Erwägungen beruhen sollte 54. Der zweite Fall 55 betraf wiederum eine französische Regelung, die bestimmten Presseunternehmen gewisse Steuererleichterungen gewährte, allerdings nicht für solche Druckerzeugnisse, die diese Presseunternehmen im Ausland drucken ließen. Frankreich brachte vor, es sei dem Leser gleichgültig, wo ein Presseerzeugnis hergestellt worden sei, der Ort der Herstellung werde seine Kaufentscheidung somit nicht beeinflussen. Die Regelung animiere daher nicht zum Kauf inländischer Waren 56. Der Gerichtshof setzte in seinem Urteil allerdings nicht bei dem Einfluß der Regelung auf die Kaufentscheidung der Endabnehmer an, sondern bei der Wirkung, die die Steuerregelung auf französische Presseunternehmen ausüben könnte: Diese würden Druckarbeiten eher in Frankreich als in einem anderen Mitgliedstaat ausführen lassen. Dadurch werde die Einfuhr von Druckerzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten möglicherweise gehemmt 57. Diese Äußerung ist dahin zu verstehen, daß Art. 30 EWGV nicht nur die Beschränkungen der Einfuhr schon existierender Waren verbietet, sondern schon Regelungen, die die Produktion behindern. Schließlich ist noch ein Urteil des Gerichtshofs zu nennen, das sich mit dem freien Warenverkehr von Videokassetten befaßt. In den verb. Rs. 60 und 61 /84 (Cinetheque)58 war eine französische Vorschrift im Streit, die es untersagte, einen im Kino gezeigten Film vor Ablauf einer bestimmten Frist als Videokassette zu vermarkten. Die Kommission hielt diese unterschiedslos für in- und ausländische Waren geltende Vorschrift für zulässig. Filme seien Teile der zeitgenössischen Kultur, und es sei legitim, zur Unterstützung kultureller Aktivitäten Einschränkungen des freien Warenverkehrs einzuführen, die Art. 30 EWGV vorgingen. Die Kommission hatte offenbar in der Unterstützung bestimmter kultureller Aktivitäten ein weiteres "zwingendes Erfordernis" im Sinne des Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rs. 120/78 ("Cassis de Dijon")59 gesehen. Die Äußerungen des Gerichtshofs lassen offen, ob er sich der Meinung der Kommission anschloß6O. Im Ergebnis erachtete er die Verwertungsregelung als 54 Urteil vom 14. März 1985, Rs. 269/83 (Kommission / Frankreich), Slg. 1985, 837
(846).
55 56 57 58 59
Urteil vom 7. Mai 1985, Rs. 18/84 (Kommission / Frankreich), Slg. 1985, 1339. Ebd., S. 1347. Ebd., S. 1348. Urteil vom 11. Juli 1985, Slg. 1985, 2605. Slg. 1979, 649. 60 Oliver, CML Rev. 1986, 347, bezeichnete die Ausführungen des Gerichtshofs deshalb als "cryptic pronouncement".
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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mit Art. 30 EWGV vereinbar. Das zentrale Argument scheint zu sein, daß die Regelung nicht die inländische Filmproduktion, sondern die Filmproduktion als solche schützte. Etwaige, durch die fragliche Regelung hervorgerufene Handelsbeeinträchtigungen waren nach Auffassung des Gerichtshofs gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden 61. Damit kann zumindest gesagt werden, daß der einseitige Schutz nationaler kultureller Produktionen nicht mit Art. 30 EWGV in Einklang steht 62.
ce) Einfluß auf kulturpolitische Entscheidungen der Mitgliedstaaten Der einleitend genannte zweite Berührungspunkt der Warenverkehrsfreiheit mit dem engeren kulturellen Bereich betrifft deren mögliche Auswirkungen auf kulturpolitische Entscheidungen der Mitgliedstaaten. In dieser Hinsicht ist das Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 1989 in der Rs. C-145 / 88 (Torfaen Borough Council)63 zu nennen. Gegenstand des dem Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegenden Verfahrens war eine Regelung des Vereinigten Königreichs, die grundsätzlich den Verkauf von Waren an Sonntagen verbot. Daß es sich dabei um eine - zumindest auch - kulturpolitisch motivierte Bestimmung handelt, soll nicht näher begründet werden, zumal der Begriff der Kulturpolitik den gleichen Definitionsschwierigkeiten begegnet wie der Begriff der Kultur selbst. Hier sei lediglich auf die Gemeinsame Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland hingewiesen, in der es unter anderem heißt: "Die Sonntagsruhe ist ein Zentral wert unserer Kultur." 64 Die unterschiedslos anwendbare strittige Regelung bewirkte nach den Feststellungen des Vorlagegerichts eine Senkung der Gesamtverkäufe und somit auch eine entsprechende Senkung der Verkäufe von im Sortiment befindlichen Waren aus anderen Mitgliedstaaten. Nach herkömmlicher Auffassung hätte nun die Frage nach "zwingenden Erfordernissen" im Sinne der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung folgen müssen. GA van Gerven schlug dagegen vor, entscheidend darauf abzustellen, ob die Regelung marktabschottend wirke 65 . Der Gerichtshof nahm diese Anregung nicht auf, sondern knüpfte an das Urteil in den verb. Rs. 60 und 61/84 (Cinetheque) an und prüfte, ob die Regelung 61 Sig. 1985,2605 (2626). 62 So auch Gormley, ELR 1985,445; Roth, ZUM 1989, 109. 63 Sig. 1989, 3851.
64 Abgedruckt in FR Nr. 27 vom 13. Februar 1988, S. 10; vgl. auch Häberle, Sonnund Feiertagsrecht, 53: "Der Sonntag betrifft den Menschen in seiner kulturellen Existenz."; Kunig, 7: Das Verbot sonntäglicher Betätigung sei letztlich eine kulturpolitische Entscheidung. 65 Sig. 1989,3851 (3876 ff.); kritisch zu diesem Ansatz Gormley, CML Rev. 1990, 148.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
durch ein gemeinschaftsrechtlich gebilligtes Ziel gerechtfertigt sei. Dies bejahte er mit der Erwägung, die Regelung von Arbeits-, Lieferungs- und Verkaufszeiten stehe mit den Zielen des EWG-Vertrages in Einklang 66 , sie sei Ausdruck politischer und wirtschaftlicher, an den regionalen und kulturellen Besonderheiten orientierter Entscheidungen, die nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts den Mitgliedstaaten oblägen 67 . Diese Entscheidung bestätigte der Gerichtshof in den Urteilen vom 28. Februar 1991 in den Rs. 312/89 (Sidef Conforma) und 332/89 (Andre Merchandise)68, in denen es nicht um ein Verkaufs-, sondern um ein sonntägliches Arbeitsverbot ging. Das Urteil in der Rs. C-145 / 88 hat nicht nur in der wissenschaftlichen Literatur wegen seiner Kürze und der dadurch verursachten dogmatischen Unsicherheiten Kritik erfahren 69 , sondern auch weitere Verfahren nach sich gezogen 70. In dem noch anhängigen Verfahren in der Rs. C-304/ 90 (Payless DlY Ltd.) bat das Vorlagegericht ausdrücklich um eine Interpretation des Urteils in der Rs. C-145 / 88 71 . Die Verwirrung, die das Urteil gestiftet hat, kann hier nicht ausgeräumt werden; es sollen jedoch verschiedene Erklärungsansätze aufgezeigt werden. Die einfachste, mangels ausdrücklicher Hinweise im Urteil aber auch am wenigsten wahrscheinliche Erklärung besteht in der Annahme, daß der Gerichtshof lediglich die Cassis-de-Dijon-Formel angewandt hat 72 • Dann handelte es sich bei einem Verkaufs- oder Arbeitsverbot an Sonntagen um eine Regelung, die dem "zwingenden Erfordernis" von an den jeweiligen sozialen und kulturellen Besonderheiten ausgerichteten Arbeits- und Verkaufszeiten entspräche. Eine andere, eher einleuchtende, am Regelungsobjekt orientierte Deutung setzt bei der Unterteilung nationaler Maßnahmen in produktbezogene und marktbezogene Maßnahmen an 73 . Danach würden marktbezogene Regelungen, um die es in der Rs. C-145 / 88 ging, anders als produktbezogene Regelungen nur bei Vorliegen qualifizierender Umstände als Maßnahmen gleicher Wirkung einzustufen sein 74. Der Hinweis des Gerichtshofs in der Rs. C-145 / 88 auf das Urteil in 66 Insoweit bezog sich der Gerichtshof auf sein Urteil vom 14. Juli 1981, Rs. 155/ 80 (Oebel), Sig. 1981, 1993, in dem es um eine Arbeitszeitregelung für das Bäckerund Konditoreiwesen ging. 67 Sig. 1989, 3851 (3889). 68 Urteile noch nicht in Sig. 69 VgI. z. B. Gormley, CML Rev. 1990, 149: " ... the reasoning appears to be unclear to say the least"; Arnull, ELR 1991, 112: "terse and unhelpful judgment"; allgemein Schweitzer, Rechtsetzung, 21: Der nach einem dogmatischen Gerüst suchende Wissenschaftler beiße sich in der Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs "die letzten methodischen Zähne" aus. 70 Vgl. z. B. die bei Anm. 68 im Text genannten Urteile des Gerichtshofs. 71 Vgl. erste Vorlagefrage; Vorlage mitgeteilt in ABI. EG C 280/8 (1990). 72 So Arnull, ELR 1991, 115. 73 So Mortelmans, CML Rev. 1991, 115 ff. 74 So Fezer / Grosshardt, RIW 1991, 143.
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den verb. Rs. 60 und 61/84 scheint dieser Auffassung recht zu geben. Auch dort ging es um eine markt-, nicht um eine produktbezogene Regelung. Ein letzter, mit dem vorherigen verwandter, aber am Rege1ungsergebnis ansetzender Erklärungsversuch besteht in der Unterscheidung zwischen diskriminierenden, ungleich belastenden und gleich belastenden nationalen Regelungen: Diskriminierende Maßnahmen können ohne weiteres als Maßnahmen gleicher Wirkung gemäß Art. 30 EWGV angesehen und nur nach Art. 36 EWGV gerechtfertigt werden. Bei den unterschiedslos anwendbaren nationalen Vorschriften lassen sich zunächst solche feststellen, die ausländische Erzeugnisse dadurch benachteiligen, daß ihre Beachtung für ausländische Hersteller mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist als für inländische. Dazu zählen die produktbezogenen Regelungen. Für diese gilt die Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung. Die unterschiedslos anwendbaren Regelungen umfassen aber auch solche Vorschriften, die in- und ausländische Hersteller gleichermaßen belasten. Dazu zählen die marktbezogenen Regelungen. Für die letztgenannten Vorschriften gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die geringsten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen. b) Artikel 36 EWGV aa) Grundsätze
Art. 36 EWGV enthält eine Reihe von Gründen, die die Mitgliedstaaten berechtigen, bei Fehlen einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf dem betreffenden Gebiet 75 abweichend von Art. 30 EWGV Einfuhrverbote und -beschränkungen aufzurichten. Diese Gründe sind abschließend und umfassen weder den Verbraucherschutz 76 noch den "Schutz der Kreativität und kulturellen Vielfalt im Buchwesen", wie der Gerichtshof in der Entscheidung vom 10. Januar 1985 in der Rs. 229/ 83 (Ledere) 77 festgestellt hat. Weiterhin kann ein Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 36 EWGV nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend machen 78. Dies bestätigt Art. 36 S. 2 EWGV, der u. a. eine Berufung auf Art. 36 EWGV bei verschleierten Beschränkungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten ausschließt. Von den in Art. 36 EWGV aufgeführten Gründen haben für den kulturellen Bereich insbesondere Bedeutung: 1. Der Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert 79 ; 2. Der Schutz Grabitz/ Matthies, Kommentar zum EWGV, Art. 36 Rdnr. 2. Der Verbraucherschutz kann allerdings als "zwingender Grund" im Rahmen von Art. 30 EWGV berücksichtigt werden; vgl. Abschnitt B. I. 4. a) aa) dieses Teils. 77 Slg. 1985, 1 (35). 78 Vgl. z. B. Urteil vom 9. Juni 1982, Rs. 95/81 (Kommission/ltalien), Slg. 1982, 2187 (2204); Urteil vom 7. Februar 1984, Rs. 238/82 (Duphar), Slg. 1984,523 (542). 75
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des gewerblichen und kommerziellen Eigentums. Praktische Relevanz hat vor allem der letztgenannte Grund dadurch erlangt, daß er zur Rechtfertigung von Einfuhrbehinderungen herangezogen wurde, die durch nationale Vorschriften über das Urheberrecht ermöglicht worden waren. Dieser Punkt wird im folgenden behandelt.
bb) Schutz von Urheberrechten Hatte der Gerichtshof es anfangs noch offengelassen, ob ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht unter den Begriff des gewerblichen und kommerziellen Eigentums falle 80 , so bezog er das Urheberrecht später - entgegen seiner Neigung, die Vorschrift des Art. 36 EWGV eng auszulegen 81 - ausdrücklich in dessen Anwendungsbereich ein 82 • Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Aspekt des Urheberrechts, der von dessen persönlichkeitsrechtlichem zu trennen sei, bestehe kein Grund, zwischen dem Urheberrecht und den anderen gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechten zu unterscheiden 83. Nach dieser grundlegenden Weichenstellung hatte der Gerichtshof mehrfach Gelegenheit, zum Einfluß nationaler Urheberrechtsbestimmungen auf die Warenverkehrsfreiheit Stellung zu nehmen 84. Grundsätzlich unterscheidet der Gerichtshof zwischen dem Bestand des Rechts, welcher durch den EWG-Vertrag nicht berührt werde, und dessen Ausübung, die unter die Verbote des Vertrages fallen könne 85 • Dabei erlaube Art. 36 EWGV Beschränkungen der Freiheit des Handels nur insoweit, als es um die Wahrung von Rechten gehe, die den spezifischen Gegenstand des Urheberrechts ausmachten 86. Hinsichtlich des spezifischen Ge79 Vgl. hierzu Mitteilung der Kommission "über den Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Hinblick auf die Beseitigung der Binnengrenzen im Jahre 1992", KOM (89) 594. Oliver, Free Movement of Goods in the EEC, 203, weist darauf hin, daß dieser Rechtfertigungsgrund in erster Linie für Ausfuhrbeschränkungen bedeutsam ist. 80 So in dem Urteil vom 8. Juni 1971, Rs. 78/70 (Deutsche Grammophon), Slg. 1971,487 (499). Dort ging es um das Verbreitungsrecht an Tonträgern. 81 So de Wirte, FS Maihofer, 658. 82 Urteil vom 20. Januar 1981, verb. Rs. 55 und 57/80 (Musik-Vertrieb membran), Slg. 1981, 147 (161). Die Einbeziehung erfolgte nicht lediglich analog, wie Dietz, Urheberrecht, 42, gefordert hatte. 83 Slg. 1981, 147 (162). 84 Für einen Überblick vgl. Reischi, Europäisches Urheberrecht. 85 Zur Herleitung dieser Unterscheidung aus Art. 222 EWGV vgl. das Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1966, Rs. 56 und 58 / 64 (Grundig / Consten), Slg. 1966, 321 (394); kritisch zur Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des Rechts Reich, Förderung und Schutz, 141; ablehnend zu dieser Aufspaltung Riegel, RIW 1979,745 f.; Rörner, ZUM 1985,577, mit dem Hinweis, der Bestand eines Rechts werde durch das Ausübungsrecht definiert, es liege eine Scheinunterscheidung vor (S. 585); positiver die Einschätzung von Friden, CML Rev. 1989, 193. 86 Urteil vom 8. Juni 1971, Rs. 78 /70 (Deutsche Grammophon), Slg. 1971,487 (500).
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genstandes des Urheberrechts setzt der Gerichtshof bei den unterschiedlichen Verwertungsmöglichkeiten an, dem Vervielfältigungsrecht und dem Recht der öffentlichen Wiedergabe 87. Das Urheberrecht sei "verbraucht" 88, wenn das Werk vervielfältigt, d. h. als Ware, etwa als Videokassette oder als Schallplatte, in einem anderen Mitgliedstaat vom Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sei 89. Der Rechtsinhaber könne sich dann einem Import nicht mehr widersetzen oder Gebühren verlangen. Andernfalls würde die Isolierung der nationalen Märkte allein aus dem Grund aufrechterhalten, weil das Inverkehrbringen nicht im Inland erfolgt sei 90. Anderes gilt, wenn das Inverkehrbringen in einem anderen Mitgliedstaat zwar aufgrund dort abgelaufener Schutzfrist rechtmäßig, aber ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgt ist 91 • Durch das Inverkehrbringen als Ware in einem anderen Mitgliedstaat ist aber die andere Seite des Verwertungsrechts, die der öffentlichen Aufführung, nicht erschöpft und kann daher dem Besitzer einer solchen Ware, der das Werk öffentlich aufführen möchte, etwa in Form von Gebührenforderungen entgegengehalten werden 92 • Auch das Recht zur Vermietung der betreffenden Waren erachtete der Gerichtshof durch das Inverkehrbringen in einem anderen Mitgliedstaat als nicht erschöpft 93, da es zur Substanz des Urheberrechts gehöre, wenn ein Mitgliedstaat ein besonderes Vermietungsrecht vorsehe 94 •
11. Der freie Verkehr von Dienstleistungen im kulturellen Bereich
1. Einleitung Der Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft kann sich prinzipiell auf drei Arten vollziehen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist als Grundform (1) diejenige anzusehen, in der eine Dienstleistung eine innergemeinschaftliche Grenze überquert, ohne daß dieser Vorgang von einem Grenzübertritt des Dienst87 Diese Verwertungsformen sind in allen Mitgliedstaaten anerkannt; vgl. GA Lenz, Schlußanträge in der Rs. 402/85 (Basset), Slg. 1987, 1747 (1759). 88 Diesen Begriff verwendete der Gerichtshof in dem Urteil vom 22. Januar 1981, Rs. 58/80 (Dansk Supermarked), Slg. 1981, 181 (193), im Zusammenhang mit einem Warenzeichen. 89 Slg. 1981, 163 (Anm. 82). 90 Slg. 1971,500 (Anm. 80); Dietz, Urheberrecht, 136, spricht in diesem Zusammenhang von der "Europäisierung des Erschöpfungsgrundsatzes". 91 Vgl. Urteil vom 24. Januar 1989, Rs. 341/87 (Patricia), Slg. 1989,79 (97). 92 Vgl. Urteil vom 9. April 1987, Rs. 402/85 (Basset), Slg. 1987, 1747; Urteil vom 13. Juli 1989, Rs. 395/87 (Tournier), Slg. 1989,2521 (2571); Urteil vom 12. Dezember 1990, Rs. C-270/86 (Cholay), Slg. 1990,1-4607. 93 Vgl. Urteil vom 17. Mai 1988, Rs. 158/86 (Warner Brothers / Christiansen), Slg. 1988,2605. 94 Ebd., S. 2630.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
leistenden oder des Dienstleistungsempfängers abhängt 95. Das Wirtschaftsgut Dienstleistung wird wie eine Ware "verschickt". Von dieser Grundfonn lassen sich die beiden anderen Varianten ableiten, die dadurch gekennzeichnet sind, daß für den "Transport" der Dienstleistung über die Grenze entweder ein Grenzübertritt des Leistungserbringers (2) oder einer des Leistungsempfangers (3) erforderlich ist 96. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs lassen sich für alle drei Fonnen des Dienstleistungsverkehrs Beispiele finden, die den engeren kulturellen Bereich betreffen 97 • Die Themenkreise "Fremdenverkehr" und "grenzüberschreitendes Fernsehen" sollen dazu dienen, die genannten drei Fonnen grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs näher zu untersuchen. Dabei wird die zweite Erbringungsfonn am Beispiel der Freizügigkeit für Fremdenführer und die dritte am Beispiel der Freizügigkeit für Touristen erörtert. Die als Grundfonn bezeichnete erste Erbringungsfonn schließlich soll anhand des grenzüberschreitenden Fernsehens dargestellt werden. 2. Freizügigkeit für Fremdenführer
Die Dienstleistungsfreiheit für Fremdenführer war Gegenstand von drei Entscheidungen des Gerichtshofs, die dieser am 26. Februar 1991 traf. In allen drei Verfahren - in den Rs. C-154/ 89 (Kommission / Frankreich), Rs. C-180 / 89 (Kommission/ Italien) und Rs. C-198/ 89 (Kommission/ Griechenland) 98 ging es um nationale Vorschriften, die von Fremdenführern, die Reisegruppen aus anderen Mitgliedstaaten begleiteten, den Besitz eines Gewerbeausweises bzw. eine Erlaubnis zur Berufsausübung als Voraussetzung für die Erbringung ihrer Leistungen verlangten. Die sachverhaltliche Ähnlichkeit der drei Verfahren führte zu wörtlich weitgehend übereinstimmenden Urteilen des Gerichtshofs, so daß die folgenden Ausführungen auf das Urteil in der Rs. C-154 / 89 beschränkt werden können 99. Die Anwendung der Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr warf zunächst ein Problem im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Grenzüberschreitung auf. GA Lenz stellte zwar zutreffend fest, die fraglichen DienstleistunKritisch zur "Grundformthese" Müller-Grajf, FS Lukes, 476 ff. Vgl. M. Seidel, Dienstleistungsfreiheit, 120; Schlußantrag von GA Lenz, Rs. 186/ 87 (Cowan), Slg. 1989,205; zu den drei Varianten vgl. auch Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 1161; die Ausführungen der Kommission in den verb. Rs. 110 und 111 /78 (van Wesemael), Slg. 1979,44. 97 Für die zweite Form vgl. etwa noch Urteil vom 14. Juli 1976, Rs. 13 / 76 (Dona / Mantero), Slg. 1976, 1333 (Berufsfußball); Urteil vom 15. Oktober 1986, Rs. 168/85 (Kommission / Italien), Slg. 1986, 2945 (Tätigkeiten in den Bereichen Tourismus / Journalismus); Urteil vom 14. Juli 1988, Rs. 38/87 (Kommission / Griechenland), Slg. 1988, 4415 (Tätigkeit eines Architekten). 98 Urteile noch nicht in Slg. 99 Auch GA Lenz faßte seine Schlußanträge vom 5. Dezember 1990 in den drei Verfahren zusammen; Schlußanträge noch nicht in Slg. 95
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B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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gen hätten "keinen rein innerstaatlichen Charakter", sie würden unstreitig in einem anderen Mitgliedstaat als dem erbracht, in dem der Dienstleistungserbringer ansässig sei 100. Das Problem bestand jedoch darin, daß die Dienstleistungsempfänger regelmäßig nicht in dem Mitgliedstaat ansässig waren, in dem die Dienstleistung erbracht wurde, daß sie sogar regelmäßig aus demselben Mitgliedstaat wie der Leistungserbringer stammten, eine Fallkonstellation, die von Art. 59 EWGV nicht erfaßt zu sein schien 101. GA Lenz hielt hier einen a-maiore-ad-minus-Schluß für angebracht: Der jeweilige Mitgliedstaat habe im vorliegenden Fall ein geringeres Interesse daran, die Tätigkeit der Dienstleistungserbringer, d. h. der Fremdenführer, zu beschränken, als in dem von Art. 59 EWGV eindeutig erfaßten Fall, daß die Dienstleistung den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats erbracht werde. Die Zielsetzung der Dienstleistungsfreiheit erfordere es, die fraglichen nationalen Maßnahmen als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu betrachten 102. Der Gerichtshof wählte als Ausgangspunkt seiner Gedankenführung sein Urteil vom 18. März 1980 in der Rs. 52/79 (Debauve) 103. Dort hatte er festgestellt, daß "die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Betätigungen anwendbar (seien), deren wesentliche Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats" hinauswiesen 104. In dem Urteil in der Rs. C154/89 formulierte der Gerichtshof dann aber, nur in diesem Fall seien die Dienstleistungsvorschriften nicht anwendbar 105, und führte im folgenden Absatz aus, Art. 59 EWGV müsse daher in allen Fällen Anwendung finden, in denen jemand Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringe, gleichviel wo der Empfänger ansässig sei 106. Ein weiteres Problem betraf die Frage, ob die strittigen nationalen Vorschriften gerechtfertigt sein könnten. Der Gerichtshof untersuchte, ob eine Rechtfertigung durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses in Betracht kam. Die französische Regierung hatte vorgebracht, ein solches Allgemeininteresse bestehe in der Aufwertung historischer Reichtümer und in der bestmöglichen Verbreitung von Kenntnissen über das künstlerische und kulturelle Erbe des Landes 107. Dazu führte der Gerichtshof aus, solche Interessen könnten einen zwingenden Grund darstellen, der geeignet sei, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen, fügte aber hinzu, die nationalen Maßnahmen dürften nicht über wo Ebd., Rdnr. l3. So auch GA Lenz, ebd., Rdnr. 15. 102 Ebd., Rdnr. 18 f. 101
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10*
Slg. 1980, 833.
Ebd., S. 855.
Vgl. Anm. 98, Rdnr. 9.
Ebd., Rdnr. tO. Ebd., Rdnr. 16.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
das hinausgehen, was zum Schutz des Interesses erforderlich sei 108. Daran fehlte es nach Auffassung des Gerichtshofs. Die nationale Regelung bewirke eine Verringerung der Zahl der Fremdenführer, die Gruppen anderer Mitgliedstaaten begleiten könnten, und bringe unverhältnismäßige Nachteile für die Reisenden mit sich, da die einheimischen Fremdenführer nicht mit ihrer Sprache und mit ihren Interessen und besonderen Erwartungen vertraut seien 109. Es zeigt sich somit, daß der Gerichtshof bereit ist, auch kulturell motivierte Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs anzuerkennen. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit solcher Beschränkungen nimmt der Gerichtshof allerdings eine strenge Prüfung vor, die letztlich eine Plausibilitätskontrolle des vorgetragenen Allgemeininteresses ist: Nur bei verhältnismäßigen Beschränkungen ist davon auszugehen, daß die tatsächliche Motivation mit der behaupteten übereinstimmt. 3. Freizügigkeit für Touristen
a) Problemstellung Die Vertragsvorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr verleihen dem Leistungsempfanger - wie oben festgestellt 110 - ein eigenständiges Recht, sich zur Entgegennahme einer Dienstleistung in den Herkunftsstaat des Leistungserbringers zu begeben und sich dort aufzuhalten. Damit stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Angehörige der Mitgliedstaaten, die allein zu touristischen Zwecken in einen anderen Mitgliedstaat reisen, den Schutz der Dienstleistungsfreiheit genießen. Die Antwort scheint eindeutig zu sein, da Touristen während ihres Aufenthalts im Gastland regelmäßig irgend welche entgeltlichen Leistungen empfangen 111. Bei näherem Hinsehen zeigen sich jedoch einige durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bis heute noch nicht eindeutig geklärte Probleme 112. Der Gerichtshof hat in dem Urteil vom 31. Januar 1984 in den verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi / Carbone) 113 lediglich festgestellt, daß unter anderem Touristen als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen seien 114, und dies in dem Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rs. 186/87 (Cowan) bestätigt 115. Wer aber als Tourist im Sinne dieser Urteile anzusehen ist und wie sein Aufent-
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Ebd., Rdnr. 17. Ebd., Rdnr. 19/21. Vgl. Abschnitt A. III. 2. a) dieses Teils. Bogdan, J. W. T. L. 1977, 471, nennt die Inanspruchnahme von Hotels, Restau-
rants, Taxen, öffentlichen Telefonzellen und den Besuch von Theatervorstellungen. 112 Anderer Ansicht offenbar SteindorJf, RIW 1983, 833. 113 Slg. 1984, 377. 114 Ebd., S. 403. 115 Slg. 1989, 195 (220 f.).
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haltsrecht beschaffen ist, hat der Gerichtshof nicht ausdrücklich erläutert 116. Beide Fragen werden im folgenden behandelt. b) Der Begriff des Touristen Die Feststellung des Gerichtshofs, Touristen seien als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen, könnte zu dem Schluß veranlassen, für die Einbeziehung in den Schutzbereich der Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr sei der touristische Charakter des Grenzübertritts maßgebend. Diese Auffassung wäre unzutreffend, würde sie etwa auf die vom Reisenden beabsichtigte Erholung oder kulturelle Bereicherung anspielen. Dabei handelt es sich nämlich lediglich um Motive für den Grenzübertritt, die gemeinschaftsrechtlich irrelevant sind 117. Anderes gilt aber, wenn man den touristischen Charakter einer Grenzüberschreitung nicht durch die sehr unterschiedlichen Motive der Reisenden, sondern dadurch gekennzeichnet sieht, daß Touristen typischerweise entgeltliche Leistungen im Gastland entgegennehmen. Nur in dieser Hinsicht ist der Tourist für das Gemeinschaftsrecht von Interesse. Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts stellt die anläßlich des Aufenthalts im Gaststaat erfolgende Entgegennahme von Dienstleistungen den Zweck der Reise dar l18 • Diese Auffassung erweist sich auch deshalb als zutreffend, weil sie nicht einseitig auf das u. U. eher beiläufige Interesse des Leistungsempfängers an der Leistung abstellt 119, sondern auch dem regelmäßig ausgeprägteren Interesse des Leistenden an der Leistungserbringung Rechnung trägt. Die Besonderheit touristischer Aufenthalte in anderen Mitgliedstaaten besteht nun darin, daß zwischen dem Reisenden und dem Leistungserbringer - anders als etwa im Fall einer medizinischen Behandlung - zum Zeitpunkt des Grenzübertritts nicht unbedingt bereits ein Leistungsverhältnis angebahnt worden ist 120. Auf diesen Umstand stellte die italienische Regierung in den verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone) ab, um die Anwendbarkeit der Art. 59 ff. EWGV für Touristen auszuschließen. Die wesentlichen Bestandteile des Leistungsverhältnisses müßten feststehen, Art. 60 EWGV meine bestimmte Dienstleistungen. Der Tourist sei nur potentieller Nutzer noch unbestimmter Dienstleistungen 121. Dies bedauert Hackspiel, NJW 1989, 2169. So auch Bogdan, J. W. T. L. 1977,473. 118 Das Urteil des Gerichtshofs vom 31. Januar 1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984,377, spricht davon, der Leistungsempfänger dürfe sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat begeben (S. 403). 119 Vgl. Van der Woude / Mead, CML Rev. 1988, 117: "Tourism implies the travelling of individuals who do not have any intention of exercising economic activities during their stay abroad." 120 Seche, CDE 1984, 708; anders z. B. bei vorheriger Hotelreservierung. 121 Slg. 1984, 377 (388). 116 117
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Diese Abgrenzung des begünstigten Personenkreises war in der Literatur schon früher erwogen, aber aus Gründen fehlender Praktikabilität und Wünschbarkeit verworfen worden 122. Eine derartige Beschränkung würde auch dem in den verbundenen Rechtssachen ergangenen Urteil des Gerichtshofs nicht gerecht, in dem dieser ohne jeden Vorbehalt 123 die Art. 59 ff. EWGV auf Touristen anwandte. Es kann nicht angenommen werden, daß der Gerichtshof eine, wenn vielleicht nicht typische, so doch verbreitete Form des Tourismus ausklammern wollte. Als systematischer Gesichtspunkt ist hinzuzufügen, daß auch im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit die Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor Grenzübertritt nicht erforderlich ist 124. Weiterhin ist noch zu prüfen, ob die Teilhabe von Touristen an der Dienstleistungsfreiheit letztlich nur solchen Reisenden zugute kommen soll, die tatsächlich Dienstleistungen im Aufnahmeland in Anspruch nehmen, oder unabhängig von einer solchen Feststellung allen, die zu touristischen Zwecken in einen anderen Mitgliedstaat einreisen. GA Lenz hat in seinen Schlußanträgen in der Rs. 186/ 87 (Cowan) insofern von einer konkreten Ex-post-Betrachtung bzw. von einer generalisierenden Ex-ante-Betrachtung gesprochen und der zuletzt genannten Möglichkeit den Vorzug gegeben 125. Die Ausführungen des Generalanwalts beruhen offenbar auf der Vermutung, die Rechtsprechung des Gerichtshofs sei für diese Frage unergiebig 126. Jedoch wurde soeben dargelegt, daß der Verwendung des Begriffs "Tourist" eine typisierende, mithin - in der Sprache des Generalanwalts - eine generalisierende Ex-ante-Betrachtung bereits zugrunde liegt. Eine Ex-post-Betrachtung würde die Tragweite des Urteils in den verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi / Carbone) ungerechtfertigt einschränken. Daraus folgt, daß Touristen auch als potentielle Dienstleistungsempfänger durch die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit geschützt sind. Diese Auffassung steht im Einklang mit dem Ziel der Dienstleistungsvorschriften, "jede gegen Entgelt geleistete Tätigkeit, die nicht unter den freien Waren- und Kapitalverkehr und unter die Freizügigkeit der Personen fallt, zu liberalisieren" 127, d. h. aber, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen mögTomuschat, CDE 1977, 102; Demaret / Ernstde la Graete, CDE 1983,267, Fn. 28. So auch ausdrücklich Louis, CML Rev. 1984,630. 124 Vgl. Art. 48 Abs.3 Buchst. a) und b) EWGV; dazu Magiera, DÖV 1987, 223. Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1991, Rs. C-292 / 89 (Antonissen; noch nicht in Slg.) steht fest, daß das Aufenthaltsrecht aus Art. 48 Abs. 3 EWGV nicht einmal die tatsächliche Ausschreibung einer Stelle voraussetzt: Art. 48 Abs. 3 EWGV sei nicht abschließend (Rdnr. 13 des Urteils). 125 Slg. 1989, 195 (209); kritisch dazu Völker, 170. 126 Ausgangspunkt der betreffenden Ausführungen des GA ist die Feststellung, es sei "weder geklärt, wer als ,Tourist' anzusehen (sei), noch, in welchem Umfang sich dieser auf das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot berufen" könne; vgl. Slg. 1989, 195 (208). 127 Sig. 1984, 377 (401); Hervorhebung hinzugefügt. 122 123
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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lichst günstig zu gestalten. Die durch die Ex-ante-Betrachtung geschaffene Gefahr des Mißbrauchs ist gemeinschaftsrechtlich ohne Belang. Der Gerichtshof hat in anderem Zusammenhang festgestellt, "solche Mißbräuche seien durch die in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht gedeckt" 128. c) Das Aufenthaltsrecht des Touristen Die Anwendung einer generalisierenden Ex-ante-Betrachtung hat zur Folge, daß ein durch die Dienstleistungsfreiheit vermitteltes primärrechtlich gesichertes Aufenthaltsrecht allen Angehörigen der Mitgliedstaaten zusteht, die zu touristischen Zwecken in einen anderen Mitgliedstaat eimeisen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, daß ein Mitgliedstaat nach sekundärem Gemeinschaftsrecht ohnehin nicht befugt ist, an der Grenze nach dem Zweck des Aufenthalts zu fragen, um die primärrechtliche Aufenthaltsberechtigung festzustellen 129. Dem könnte allerdings Art. 4 Abs. 2 UA 1 der Richtlinie zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassung und des freien Dienstleistungsverkehrs 130 entgegenstehen, der vorsieht, daß für Leistungserbringer und -empfanger "das Aufenthaltsrecht der Dauer der Leistung" entspricht. Abgesehen davon, daß diese Vorschrift als eine solche des sekundären Gemeinschaftsrechts den Geltungsbereich eines primärrechtlich abgesicherten Aufenthaltsrechts nicht zu schmälern vermag, könnte es bei wörtlicher Anwendung der genannten Vorschrift nie zu einem gemeinschaftsrechtlich abgesicherten Grenzübertritt der an der Leistungsbeziehung beteiligten Personen kommen, da für die Reise zum Leistungserbringer bzw. -empfanger ein Aufenthaltsrecht nicht gewährt würde. Wenn aber danach ein Tourist befugt sein muß, sich im Gastland aufzuhalten, um sich von der Grenze zum Leistenden zu begeben, so muß gleiches für die zwischen einzelnen Leistungen liegenden Zeiträume gelten. Dies bestätigte der Gerichtshof durch das Urteil in der Rs. 186/87 (Cowan), in dem er einen Touristen ohne Bezug zu einer konkreten Leistung 131 als eine Person bezeichnete, "die sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation" befinde 132. Es ist nicht zu verkennen, daß nunmehr praktisch jeder Gemeinschaftsbürger befugt ist, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben. Dies ist von Oppermann unter systematischen Gesichtspunkten kritisiert worden. Die Römischen 128 Urteil vom 21. Juni 1988, Rs. 39/86 (Lair), Sig. 1988,3161 (3201). Die Mißbrauchsgefahr wurde darin gesehen, daß sich jemand als Arbeitnehmer in einen Mitgliedstaat begeben könnte, um dann nach kurzer Zeit der Berufstätigkeit Ausbildungsförderung aufgrund von Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 zu beanspruchen. 129 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1991, Rs. C-68/ 89 (Kommission / Niederlande); noch nicht in Sig. 130 Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1973, ABI. EG L 172/14. 131 Vgl. Everling, EuR 1990, Beiheft 1,94 f. 132 Sig. 1989, 195 (219).
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Verträge sähen eine allgemeine Freizügigkeit gerade nicht vor I33 • Dem ist entgegenzuhalten, daß die Art. 59 ff. EWGV eine dauerhafte Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nicht gestatten 134. Folglich kann auch die Existenzberechtigung der jüngst vom Rat verabschiedeten Richtlinie über das Aufenthaltsrecht 135 nicht in Frage gestellt werden, die zudem gemäß Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich nur für Personen gilt, "denen das Aufenthaltsrecht nicht aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist".
4. Grenzüberschreitendes Fernsehen a) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs
aa) EWG-Vertrag und Fernsehen Das Verhältnis des Mediums Fernsehen zum EWG-Vertrag beschäftigte den Gerichtshof erstmalig in dem Urteil vom 30. April 1974 in der Rs. 155/73 (Sacchi) 136. In seiner Entscheidung stellte er fest, in Ermangelung ausdrücklicher entgegenstehender Vertragsbestimmungen seien Fernsehsendungen ihrer Natur nach als Dienstleistungen anzusehen, die Ausstrahlung von Fernsehsendungen als solche, einschließlich jener zu Werbezwecken, falle somit unter die Vertragsvorschriften über Dienstleistungen. Dagegen unterliege der Handel mit sämtlichen Erzeugnissen, die für die Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt würden, den Bestimmungen über den freien Warenverkehr l37 • Mit diesen Ausführungen reagierte der Gerichtshof auf die vom vorlegenden Gericht gestellten Auslegungsfragen, denen die Vorstellung zugrunde lag, die staatliche Behinderung privater Fernsehsendungen sei an den Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit zu messen. Auch wenn sich der Gerichtshof in erster Linie zur wechselseitigen Abgrenzung der genannten Grundfreiheiten äußerte, liegt seinen Ausführungen doch notwendigerweise die Auffassung zugrunde, daß Fernsehsendungen "als solche" nicht außerhalb des EWG-Vertrages stehen 138. Dies wird in Teilen der Literatur verkannt, wenn etwa kritisiert wird, es hätte "der Erörterung der vorausliegenden Frage bedurft, ob der Rundfunkverkehr thematisch überhaupt vom EWG-Vertrag erfaßt" werde 139. I33 Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 47; mit den gleichen Gründen schon GA Trabucci, Rs. 118/75 (Watson und Belmann), Slg. 1976. 1185 (1203). 134 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, Rs. 196/87 (Steymann), Slg. 1988,6159 (6173). 135 Richtlinie vom 28; Juni 1990, ABI. EG L 180/26. 136 Slg. 1974,409. i37 Ebd., S. 428. 138 So auch Schwarze, Rundfunk und Fernsehen, 26; Mestmäcker / Engel / GabrielBräutigam / Hoffmann, 36; unklar Reinert, 174. 139 So Ossenbühl, 21; ähnlich Koszuszeck, ZUM 1989,545 f.; Delbrück, Rundfunkhoheit, 40.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Damit wird dem Gerichtshof unterstellt, er habe - dogmatisch fehlerhaft den zweiten Schritt vor dem ersten getan, m. a. W. einen Schritt ausgelassen. Diese Kritik berücksichtigt indessen nicht den grundlegenden Ansatz des Gerichtshofs bei der Anwendung der Vertrags vorschriften auf kulturelle Sachverhalte. Dieser Ansatz kommt deutlich in dem Urteil vom 10. Dezember 1968 in der Rs. 7/68 (Kommission / Italien) zum Ausdruck. Im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit hatte der Gerichtshof festgestellt, Güter - auch solche kultureller Art - seien den Normen des Gemeinsamen Marktes unterworfen, sofern der Vertrag nicht ausdrücklich Ausnahmen vorsehe 140. Einer besonderen Begründung für die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf Fernsehsendungen bedarf es danach nicht, denn der EWG-Vertrag enthält insofern keine ausdrückliche Ausnahme.
bb) Fernsehsendungen als grenzüberschreitende entgeltliche Leistungen In dem Urteil in der Rs. 155/73 (Sacchi) hatte der Gerichtshof die Ausstrahlung von Fernsehsendungen grundsätzlich als Dienstleistung bezeichnet und diese Aussage in dem Urteil vom 18. März 1980 in der Rs. 52/79 (Debauve) 141 auf die Weiterübertragung im Wege des Kabelfernsehens erstreckt. Die Frage der Entgeltlichkeit und der Grenzüberschreitung hatte er aber in dem Urteil in der Rs. 155/73 offengelassen. Zu einer Erörterung dieser Punkte hatte das Verfahren auch keinen Anlaß gegeben, denn dort war es allein um die Abgrenzung des Geltungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit von der Dienstleistungsfreiheit gegangen 142. Eine ausführlichere Stellungnahme des Gerichtshofs zu dieser Problematik war erst in der Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders) 143 erforderlich. Das dem Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegende Verfahren betraf die niederländische "Kabelregeling", eine Ministerialverordnung, die u. a. die Verbreitung von Fernsehprogrammen über Kabelnetze regelte. Diese Verordnung beschränkte die Einfuhr ausländischer Fernsehprogramme, die nicht über den Äther empfangen werden konnten, sondern von Fernmeldesatelliten ausgestrahlt wurden 144, in der Weise, daß diese Sendungen keine speziell an die niederländische Öffentlichkeit Sig. 1968, 633 (643); vgl. dazu näher Abschnitt B. I. 2 dieses Teils. Sig. 1980, 833. 142 Vgl. Steindorff, Grenzen, 40; so wohl auch Roth, ZHR 1985, 686: Der Gerichtshof habe die Ausstrahlung von Fernsehsendungen den Vertragsvorschriften über die Dienstleistungsfreiheit zugewiesen, ohne den Entgeltcharakter im einzelnen zu problematisieren; a. A. Gulich, Grenzen der Dienstleistungsfreiheit, 298: Der Gerichtshof habe die prinzipielle Entgeltlichkeit des Rundfunks diskussions los bejaht. .143 Urteil vom 26. April 1988, Sig. 1988,2085. 144 Vgl. zum technischen Sachverhalt die Ausführungen von GA Mancini in der Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Sig. 1988,2085 (2105). 140
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
gerichteten Werbemitteilungen enthalten durften. Dieses Verbot wurde dadurch flankiert, daß auch die niederländische Untertitelung von anderen Werbemitteilungen untersagt war. Die niederländische Regierung sprach der Regelung jeden Gemeinschaftsbezug ab. Der Kabelbetreiber sei bei der Weiterleitung von über Fernmeldesatellit empfangenen Signalen nicht lediglich Mittelsperson bei der Weiterleitung eines bereits ausgestrahlten, sondern selbst Veranstalter eines erstmals gesendeten Programms. Ohne den Kabelbetreiber könne das Programm nicht empfangen werden 145. Der Gerichtshof folgte dem nicht, ermittelte vielmehr "mindestens zwei gesonderte Dienstleistungen" 146, denen er grenzüberschreitenden und entgeltlichen Charakter zumaß: 1. Der Betreiber des Kabelnetzes erbringe der ausländischen Sendeanstalt durch die inländische Verbreitung des von dieser ausgestrahlten Programms eine Dienstleistung 147. Diese Leistung sei grenzüberschreitend, weil der Erbringer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei als derjenige, dem die Leistung zugute komme. Das Entgelt erhalte der Kabelnetzbetreiber von seinen Teilnehmern. 2. Die ausländische Sendeanstalt erbringe den inländischen Werbefirmen eine Dienstleistung durch die Ausstrahlung von speziell an das inländische Publikum gerichteten Werbemitteilungen. Diese Leistung sei ebenfalls grenzüberschreitend, und das Entgelt erhalte die ausländische Sendeanstalt von den Werbefirmen. Anhand dieser Ausführungen sollen im folgenden die drei vom Gerichtshof erörterten Elemente der Leistungsbeziehung, der Grenzüberschreitung und der Entgeltlichkeit näher untersucht werden. Die vom Gerichtshof vorgenommene Konstruktion der Leistungsbeziehungen ist auf Kritik gestoßen. Die festgestellten Dienstleistungsbeziehungen stünden "vielleicht in einem fast schon zu großen Abstand von der Sendung als solcher" 148, die Dienstleistungsbeziehung habe sich "weit von dem eigentlichen technischen Sendevorgang, bei dem auf der Kette Rundfunkveranstalter-KabelunternehmenEmpfänger die Sendung transportiert (werde), entfernt" 149. Diese Kritik vermißt offenbar eine eindeutige Äußerung des Gerichtshofs zur Qualifizierung der Ausstrahlung eines Programms und dessen Weiterleitung 150. Sie wird der Entscheidung des Gerichtshofs indessen nicht gerecht. Der GerichtsVgl. die Zusammenfassung von GA Mancini, ebd., S. 2109 f. Slg. 1988, 2085 (2131). 147 Der Gerichtshof verwendet den Begriff der Dienstleistung hier untechnisch; bezogen auf Art. 60 Abs. 1 EWGV müßte von "Leistung" die Rede sein. 148 Bueckling, ZUM 1988,290. 149 Koszuszeck, ZUM 1989, 546, für das Verhältnis der Sendeanstalt zum Werbeunternehmen. 150 In dem Verfahren in der Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders) wurde darüber gestritten, ob beide Vorgänge als eine einheitliche Dienstleistung oder als zwei verschiedene anzusehen seien; vgl. die Ausführungen von GA Mancini, Slg. 1988,2085 (2108 ff.). 145
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hof stellte ausdrücklich fest, ,,(die) Sendungen, die den Gegenstand des Rechtsstreits" bildeten, enthielten mindestens zwei Dienstleistungen 151. Er bezog seine Ausführungen also durchaus auf die Sendungen an sich. Außerdem hat der Gerichtshof das Vorliegen weiterer Dienstleistungen nicht ausgeschlossen, sondern seine Entscheidung lediglich auf die von ihm für völlig sicher erachteten Leistungsbeziehungen gestützt. Auch dieses Vorgehen ist aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht zu kritisieren. Nach dem Urteil in der Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders) steht fest, daß das Element der Grenzüberschreitung sich nur auf die Dienstleistung, nicht aber auf das Entgelt bezieht. Denn die Gebührenbeziehung zwischen Kabelnetzbetreiber und Teilnehmer ist nicht grenzüberschreitend und dennoch geeignet, die Entgeltlichkeit der Leistungsbeziehung zwischen jenem und der ausländischen Sendeanstalt zu begründen 152. Hier entrichtet das Entgelt ein Dritter, d. h. die Zahlung allein gestattet es nicht, den Zahlenden als den eigentlichen Leistungsempfänger anzusehen. Leistungsempfänger ist in der Sprache des Gerichtshofs derjenige, dem die konkret betrachtete Leistung zugute kommt 153. Ansonsten vermied der Gerichtshof durch das Abstellen auf die beiden genannten Leistungsbeziehungen eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Grenzüberschreitung, insbesondere hinsichtlich der von der niederländischen Regierung für maßgeblich und für gemeinschaftsrechtlich irrelevant gehaltenen Beziehung des Kabelnetzbetreibers zu seinen Teilnehmern. Auch das Urteil in der Rs. 52/79 (Debauve) 154 scheint keine Antwort auf die Frage zu geben, ob eine grenzüberschreitende Dienstleistung sogar dann vorliegt, wenn der Leistende in demselben Staat ansässig ist wie der Leistungsempfänger, d. h. die Person, der die Leistung zugute kommt, die Leistung selbst aber in ihrer Substanz grenzüberschreitend ist 155. In jenem Fall ging es um die Weiterleitung von ausländischen Programmen, die ein inländisches Kabelunternehmen über den Äther empfangen und an seine inländischen Teilnehmer weitergeleitet hatte. Der Gerichtshof legte seinen Ausführungen die Ansicht des vorlegenden Gerichts zugrunde, es liege eine grenzüberschreitende Dienstleistung vor, ohne selbst eine derartige Feststellung zu treffen 156. Er formulierte lediglich als allgemeine Regel, die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr seien auf Slg. 1988,2085 (2131); Hervorhebung hinzugefügt. Dieser Auffassung z. B. auch Mestmäcker, Wege zur Rundfunkfreiheit, 25 f.; Deringer, ZUM 1986,636; a. A. Jarass, EuR 1986, 80; Bömer, ZUM 1985,578; ihm folgend Koszuszeck, ZUM 1989, 546. 153 Slg. 1988, 2085 (2131). 154 Slg. 1980, 833. 155 Diese Frage hatte das vorlegende Gericht in der Rs. 62/79 (Coditel), Slg. 1980, 881, ausdrücklich gestellt (S. 901), der Gerichtshof sah es aber aufgrund des Sachverhalts nicht als erforderlich an, eine Antwort zu geben. 156 So zutreffend Bömer, ZUM 1985,581. 151
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Betätigungen nicht anwendbar, "deren wesentliche Elemente sämtlich nicht über die Grenze eines Mitgliedstaats" hinauswiesen 157. Diese Feststellung läßt offen, welches die wesentlichen Elemente einer Betätigung sind. Man wird aber davon ausgehen müssen, daß zumindest die Leistung selbst in ihrer Substanz als ein wesentliches Element der Leistungserbringung anzusehen ist. Folglich erfassen die Dienstleistungsvorschriften - entgegen dem Wortlaut und in teleologischer Extension von Art. 59 Abs. 1 EWGV - auch den Fall der Grenzüberschreitung der Dienstleistung allein, selbst wenn Leistender und Leistungsempfänger nicht in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind 158. Für die Frage des Entgelts ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen zum Element der Grenzüberschreitung, was der Gerichtshof in dem Urteil in der Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders) nochmals ausdrücklich feststellte: Art. 60 EWGV verlangt nicht, daß die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugute kommt 159. Entgeltbeziehung und Leistungsbeziehung können also verschiedene Wege gehen. Der Gerichtshof hatte in diesem Verfahren keine Schwierigkeiten, den ermittelten Leistungsverhältnissen eindeutige Entgeltbeziehungen zuzuordnen. Daher äußerte er sich hier auch nicht zu den Anforderungen, denen ein Entgelt zu genügen habe. In dem Urteil vom 27. September 1988 in der Rs. 263/86 (Humbel) 160 hatte der Gerichtshof das Wesensmerkmal des Entgelts darin gesehen, daß es die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstelle, wobei die Gegenleistung in der Regel zwischen dem Erbringer und dem Empfänger der Leistung vereinbart werde 161. Diese Feststellung bestätigt scheinbar Bömers These von der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Entgelt 162. Allerdings hat der Gerichtshof ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis nicht für notwendig gehalten, sondern offenbar im Sinne einer tatsächlichen Feststellung - für in der Regel gegeben erachtet. Eine Beschränkung auf privatrechtliche Beziehung läßt sich der vom Gerichtshof vorgenommenen Charakterisierung gleichfalls nicht entnehmen 163. Daraus folgt, daß grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Gebühren ein Entgelt im Sinne des Art. 60 Abs. 1 EWGV darstellen können 164. 157 Slg. 1980, 833 (855). Diese Formulierung konkretisiert das Merkmal der Grenzüberschreitung in denkbar weiter Form. Es ist daher unzutreffend anzunehmen, der Gerichtshof habe damit seine Ansicht über die Einstufung von transnationalen Sendungen eingeschränkt; so aber Pracht, 64. 158 Im Ergebnis ebenso Mestmäcker, Wege zur Rundfunkfreiheit, 25 f.; Deringer, ZUM 1986, 636. 159 Slg. 1988,2085 (2131). 160 Slg. 1988, 5365. 161 Ebd., S. 5388; vgl. dazu näher Abschnitt A. III. 2. b) dieses Teils. 162 Vgl. Börner, ZUM 1985,578, unter Zustimmung von Koszuszeck, ZUM 1989,546. 163 So aber grundsätzlich Börner, ZUM 1985, 579.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Nicht zuzustimmen ist dagegen der Auffassung, Entgeltlichkeit sei auch bei Finanzierung des Fernsehens aus allgemeinen Steuermitteln zu bejahen 165. Als entscheidendes Argument wird vorgebracht, es sei wenig überzeugend, solchermaßen finanzierten Fernsehsendungen den Schutz der Dienstleistungsfreiheit zu versagen. GA Warner habe in seinen Schlußanträgen zu den Rs. 52/79 und 62/ 79 (Debauve und Coditel) die Finanzierungsmethode für nicht ausschlaggebend gehalten 166. Dagegen ist einzuwenden, daß sich das Kriterium der Entgeltlichkeit durchaus eignet, äußerlich völlig identische Sachverhalte den Regeln des EWGVertrages zu unterwerfen oder zu entziehen. Außerdem ging es bei den von GA Warner erörterten Finanzierungsmethoden stets um solche, deren Entgeltcharakter nicht fraglich war l67 • cc) Zulässige Beschränkungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen
Aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist davon auszugehen, daß die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr nicht nur formale, sondern auch materielle Diskriminierungen grenzüberschreitender Dienstleistungen untersagen, und darüber hinaus - ähnlich der Situation beim freien Warenverkehr - auch den Abbau sonstiger den Dienstleistungsverkehr behindernder Beschränkungen gebieten 168. So stellte der Gerichtshof schon in dem Urteil vom 3. Dezember 1974 in der Rs. 33/74 (van Binsbergen) 169 fest, zu den nach Art. 59 EWGV abzubauenden Beschränkungen gehörten alle Anforderungen, die an die Staatsangehörigkeit des Leistenden oder an dessen Ansässigkeit in einem anderen Mitgliedstaat anknüpften, ohne auch für im Inland ansässige Personen zu gelten 170, sowie alle Anforderungen, "die in anderer Weise geeignet (seien), die Tätigkeit des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern" 171. 164 Dem stimmt Gulich, Rechtsfragen grenzüberschreitender Rundfunksendungen, 43 ff., grundsätzlich zu, bestreitet dies aber für den konkreten Fall der Ausgestaltung der deutschen Gebührenerhebung; für eine weite Auslegung des Entgeltbegriffs auch Müller, 126. 165 So aber von Wilmowsky, ZaöRV 1990,237; wie hier dagegen Steindorjf, Grenzen, 41; Scharf, 157; vgl. dazu auch die Ausführungen unter Abschnitt A. III. 2. b) dieses Teils. 166 Von Wilmowsky, ebd., Fn. 21. 167 So auch GA Slynn in seinen Schlußanträgen, Rs. 293/83 (Gravier), Slg. 1985, 593 (603). 168 In diesem Sinn die überwiegende Literatur; vgl. Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, 46; Mestmäcker / Engel / Gabriel-Bräutigam / Hoffmann, 46; Müller, 137; lpsen, Rundfunk im EG-Recht, 87; Kommission der EG, Grünbuch "Femsehen ohne Grenzen", KOM (84) 300, S. 140; a. A. M. Seidel, Dienstleistungsfreiheit, 126 ff.; Bömer, ZUM 1985, 582; offenbar auch Reinert, 160. 169 Slg. 1974, 1299. 170 Hiermit sind Fälle offener und versteckter Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfaßt. 17l Slg. 1974, 1299 (1309); hiermit ist das über das Diskriminierungsverbot hinausgehende Beschränkungsverbot angesprochen.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Dies bestätigte der Gerichtshof im Hinblick auf das Verbot formeller und materieller Diskriminierungen etwa in dem Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rs. 205 / 84 (Kommission / Deutschland), in dem er erneut feststellte, die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag verlangten neben der Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit auch die Beseitigung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die damit zusammenhingen, daß der Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedsstaat als dem niedergelassen sei, in dem die Leistung erbracht werde 172 • In dem Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rs. C-76/ 90 (Säger / Dennemeyer) bekräftigte der Gerichtshof auch das grundsätzliche Verbot sonstiger Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs. Art. 59 EWGV verlange die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gälten - , wenn sie geeignet seien, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringe, zu unterbinden oder zu behindern 173 • Damit stellt sich die Frage, in welchem Maß der Gerichtshof Beschränkungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen als zulässig erachtet. Drei Ansatzpunkte kommen für derartige Beschränkungen in Betracht: 1. Art. 56 EWGV; 2. Art. 36 EWGV; 3. Erfordernisse des Allgemeininteresses. Art. 56 EWGV gestattet in Verbindung mit Art. 66 EWGV für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit Sonderregelungen für Ausländer, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, und "erst recht" 174 - derart begründete unterschiedslos anwendbare Vorschriften. Der Gerichtshof hatte in der Rs. 352/ 85 (Bond van Adverteerders) die erwähnte Werberegelung für eine Sonderregelung gehalten und allein eine Rechtfertigung nach Art. 56 Abs. 1 EWGV in Betracht gezogen. Zunächst stellte er fest, Art. 56 EWGV könne nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden. Auf den anschließend zu behandelnden Einwand der niederländischen Regierung, die streitige Regelung verfolge den Zweck, den nichtkommerziellen Charakter der niederländischen Fernsehanstalten zu wahren, ging der Gerichtshof nicht weiter ein, sondern führte aus, die Regelung sei jedenfalls unverhältnismäßig. Demnach bleibt offen, ob nationale Eigenarten der Organisation des Rundfunks im Rahmen von Art. 56 EWGV grundsätzlich Beachtung finden können 175.
172 Slg. 1986,2755 (3802); zu dieser Formulierung und der Unterscheidung zwischen offenen und versteckten Diskriminierungen Urteil des Gerichtshofs vom 3. Februar 1982, Rs. 62 und 63/81 (Seco / Evi), Slg. 1982, 223 (235). 173 Vgl. Rdnr. 12; Urteil noch nicht in Slg.; dazu Speyer, EuZW 1991,588 ff. 174 Vgl. Reinert, 210; GA Warner, Rs. 52/79 und 62/79 (Debauve und Coditel), Slg. 1980, 833 (877). 175 So auch Magiera, Rechtliche Grundfragen, 73; optimistisch in dieser Hinsicht Koszuszeck, ZUM 1989,547. '
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Im Hinblick auf Art. 36 EWGV ist vor allem das Urteil des Gerichtshofs vom 18. März 1980 in der Rs. 62/79 (Coditel) 176 von Bedeutung. In dieser Entscheidung befaßte sich der Gerichtshof mit der Rechtmäßigkeit nationaler Vorschriften über das Urheberrecht, die es gestatteten, auf das Gebiet eines Mitgliedstaats begrenzte Nutzungsrechte an einem Film einzuräumen. Aufgrund dieser Vorschriften war die Weiterleitung eines aus dem Ausland aufgefangenen Films über Kabel für unzulässig erklärt worden, obwohl der Inhaber des Urheberrechts die Ausstrahlung im Ausland gestattet hatte. Der Gerichtshof entschied, die Sachlage sei bei Filmen, welche der Allgemeinheit durch beliebig oft wiederholbare Vorführung zugänglich gemacht würden, anders als bei Werken wie Bücher oder Schallplatten, die in körperlicher Form in Verkehr gebracht würden. Der Inhaber des Urheberrechts habe ein berechtigtes Interesse daran, die Vergütung für die Einräumung des Nutzungsrechts anhand der tatsächlichen oder zu erwartenden Zahl der Vorführungen zu berechnen. Diese Möglichkeit gehöre zum wesentlichen Inhalt des Urheberrechts an einem Film und werde von Art. 59 EWGV grundsätzlich nicht erfaßt 177 • Mit diesen Ausführungen wandte der Gerichtshof implizit Art. 36 EWGV im Rahmen der Dienstleistungsvorschriften an 178, entschied sich aber mit guten Gründen - abweichend von seiner Rechtsprechung zum Urheberrecht im Rahmen des freien Warenverkehrs 179 - gegen die Erschöpfung des Urheberrechts. In dem Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rs. 262/81 (Coditel 11) 180 bestätigte er dann ausdrücklich, daß die Art. 36 EWGV zugrundeliegende Unterscheidung zwischen der Existenz des Urheberrechts, welche durch den EWG-Vertrag nicht berührt werde, und dessen Ausübung, die unter Umständen eine verschleierte Beschränkung des Handels darstellen könne, auch im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs zur Anwendung komme 181. Solange also die Art der Geltendmachung eines Urheberrechts mit dessen Existenz in der Weise verknüpft ist, daß ein Verbot die~er Form der Geltendmachung das Recht praktisch zunichte machen würde, hande't es sich um einen außerhalb des EWG-Vertrages liegenden Sachverhalt und kann mithin dem freien Verkehr von Fernsehsendungen entgegengehalten werden. Nach den Artikeln 56 und 36 EWGV sind schließlich noch die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigten Beschränkungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen zu erörtern. In dem Urteil in der Rs. 52/79 (Debauve) 182
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177 178 179 180 181 182
Slg. 1980, 881. Ebd., S. 902 f. So auch Sturm, AfP 1980, 193. Vgl. dazu Abschnitt B. 1. 4. b) bb) dieses Teils. Slg. 1982, 3381. Ebd., S. 3401; vgl. dazu näher ReischI, Rechtsprechung des Gerichtshofs, 48 f. Slg. 1980, 833.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
entschied der Gerichtshof, in Anbetracht der Besonderheiten bestimmter Dienstleistungen, wie etwa der Ausstrahlung und Übertragung von Fernsehsendungen, dürften solche an den Leistungserbringer gestellten Anforderungen nicht als mit dem EWG-Vertrag unvereinbar angesehen werden, die sich aus der Anwendung von für bestimmte Arten von Tätigkeiten erlassenen Vorschriften ergäben, welche 1. durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt seien und 2. für alle im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats ansässigen Personen oder Unternehmen gälten, dies jedoch nur, wenn 3. der Leistungserbringer in seinem Heimatstaat nicht ähnlichen Vorschriften unterworfen sei. Daher sei das in einem Mitgliedstaat verhängte vollständige Verbot der Rundfunkwerbung, welches auch die inländische Weiterverbreitung von ausländischen Programmen über Kabel betreffe, gerneinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden, solange die entsprechenden Vorschriften nicht auf Gemeinschaftsebene harmonisiert seien 183. Mit diesem Urteil bestätigte der Gerichtshof eine schon früher entwickelte 184 und später bekräftigte 185 Linie. Ob diese Rechtsprechung als Einschränkung oder als Ausweitung der Dienstleistungsfreiheit zu interpretieren ist, hängt davon ab, wie man den Begriff der abzubauenden Beschränkungen begreift. Entnimmt man den Artikeln 59 ff. EWGV im wesentlichen lediglich das Gebot der Inländerbehandlung, so muß die genannte Rechtsprechung als Erweiterung des vertraglichen Freiheitsbereichs angesehen werden 186. Da diese Auffassung - wie oben gezeigt 187 - nicht geteilt wird, ist folglich von einer Beschränkung des Freiheitsbereichs auszugehen 188. Das erforderliche Allgemeininteresse, das nicht mit den in Art. 56 EWGV genannten Rechtfertigungsgründen gleichgesetzt werden kann, sondern weiter reicht 189, ist offenbar primär aus der Sicht des betreffenden Mitgliedstaats zu bestimmen 190. In dem Urteil in der Rs. 52/79 (Debauve) hat der Gerichtshof sich nicht zur Zulässigkeit des gänzlichen Werbeverbots an sich geäußert, sondern allein auf die mitgliedstaatliche Entscheidung abgestellt, ein solches Verbot zu
Ebd., S. 856 f. Vgl. z. B. Urteil vom 3. Dezember 1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299. Dort stellte der Gerichtshof nicht auf die Besonderheiten bestimmter, sondern auf die Besonderheit der Dienstleistungen ab (S. 1309); vgl dazu die Analyse der Rechtsprechung bei Gulich, Rechtsfragen grenzüberschreitender Rundfunksendungen, 82 ff. 185 Vgl. Z. B. Urteil vom 4. Dezember 1986, Rs. 205 / 84 (Kommission/ Deutschland), Slg. 1986, 3755 (3803). 186 So folgerichtig Seidel, Dienstleistungsfreiheit, 129. 187 Vgl. oben zu Beginn des vorliegenden Abschnitts. 188 So auch Schwartz, Liberalisierung, 158, Fn. 17, der von der Einführung einer im Vertrag nicht vorgesehenen Ausnahme spricht. 189 So zutreffend Schwarze, Rundfunk und Fernsehen, 32: Die Rechtsprechung des Gerichtshofs gebe für diese Auffassung nichts her; ebenso z. B. Reich, Rundfunkrecht und Wettbewerbsrecht, 227; a. A. Pracht, 102. 190 So auch Bueckling, ZUM 1988, 289. 183
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verfügen. Dem steht nicht entgegen, daß die fragliche Regelung auch Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügen muß 191. Die hier vertretene Auffassung bestätigte der Gerichtshof in dem Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rs. C-288/ 89 ("Mediawet") 192. In diesem Verfahren untersuchte der Gerichtshof das niederländische Mediengesetz vom 21. April 1987, das "Mediawet", auf seine Vereinbarkeit mit den Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr. Vor allem prüfte er, ob die in diesem Gesetz an die Rundfunkanstalten gestellten Anforderungen, 1. Werbemitteilungen von einer vom Sender unabhängigen juristischen Person besorgen zu lassen, 2. die Werbeeinnahmen vollständig für die Durchführung des Programms zu verwenden und 3. nicht bei der Erwirtschaftung von Gewinnen für Dritte mitzuwirken 193, im Allgemeininteresse gerechtfertigt sein könnten. Die niederländische Regierung hatte im wesentlichen vorgebracht, die Regelung sei erforderlich, um den nicht-kommerziellen Charakter des Rundfunks zu sichern 194. Sie sei Ausprägung der von ihr verfolgten Kulturpolitik im audiovisuellen Bereich, die zum Ziel habe, die Ausdrucksfreiheit der verschiedenen sozialen, kulturellen, religiösen oder philosophischen - Gruppen in den Niederlanden zu schützen 195. Der Gerichtshof bestätigte zunächst allgemein den Standpunkt der Niederlande: Eine so verstandene Kulturpolitik könne sicher einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen und eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen, insbesondere da das Grundrecht der Meinungsfreiheit Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sei 196. Im Ergebnis verweigerte der Gerichtshof der Regelung des Mediawet aber die Rechtfertigung. Es bestehe kein notwendiger Zusammenhang zwischen einer solchen Kulturpolitik und den Anforderungen an die Struktur ausländischer Sender. Um die Vielfalt in den Niederlanden zu sichern, könne sich die niederländische Regierung darauf beschränken, ihren eigenen Sendern solche Vorschriften zu machen. Daher sei die betreffende Regelung nicht objektiv notwendig, um das verfolgte Ziel des Pluralismus zu erreiehen 197.
191 Der Gerichtshof stellte in dem Urteil in der Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755, fest, die betreffenden nationalen Vorschriften müßten im Hinblick auf den verfolgten Zweck sachlich geboten sein; mißverständlich Reich (Anm. 189), der von einem "gemeinschaftsrechtlich bestimmten Allgemeininteresse" spricht. 192 Noch nicht in Slg.; vgl. auch das teilweise wörtlich übereinstimmende Urteil vom 25. Juli 1991, Rs. 353/89 (Kommission/Niederlande); noch nicht in Slg. 193 Zu den Anforderungen des Gesetzes näher Schwartz, ZUM 1991, 163. 194 Vgl. Anm. 192, Rdnr. 21. 195 Ebd., Rdnr. 22. 196 Ebd., Rdnr. 23. 197 Ebd., Rdnr. 24 f.
11 Niedobitek
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Kulturpolitisch motivierte, unterschiedslos anwendbare Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit können somit - wie schon weiter oben festgestellt 198 durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Nicht ausreichend ist aber die bloße Behauptung, eine nationale Maßnahme sei Ausdruck einer verfolgten Kulturpolitik. Der Gerichtshof ermittelt zunächst das konkrete Ziel des als Kulturpolitik bezeichneten einzelstaatlichen Vorgehens und prüft dann, ob die jeweilige nationale Maßnahme geeignet und erforderlich ist, das Ziel zu erreichen. b) Die Fernsehrichtlinie aa) Notwendigkeit der Koordinierung nationaler Vorschriften
Die obenstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß der freie Verkehr von Fernsehsendungen aufgrund entsprechender Anwendung von Art. 36 EWGV sowie durch unterschiedslos anwendbare Vorschriften aus Gründen des "Allgemeininteresses" beschränkt werden konnte. Diese Situation ließ aus rechtlicher Sicht eine Harmonisierung solcher Vorschriften - etwa im Bereich des Urheberrechts und der Fernsehwerbung - "dringend geboten (erscheinen), um die Freiheit des grenzüberschreitenden Rundfunks herzustellen" 199. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht entstand Harmonisierungsbedarf. Die technischen Möglichkeiten der Programmausstrahlung begannen, insbesondere in Form des Satellitenrundfunks 2°O, "die künstlichen Jurisdiktionsgrenzen der Nationalstaaten faktisch zu überschreiten" 201. Diese von den Gemeinschaftsorganen erkannten Tatbestände führten schließlich 202 am 3. Oktober 1989 zur Verabschiedung der auf die Art. 57 Abs.2 und 66 EWGV gestützten Fernsehrichtlinie 203 • Die mit dieser Richtlinie vorgenommene Koordinierung nationaler Vorschriften genügt einerseits thematisch der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, da Vgl. Abschnitt B. H. 2. dieses Teils. So Schwarze, Rundfunk und Fernsehen, 38; kritisch zur Regelung der FemsehwerbungBullinger, AfP 1985,263: Eine Harmonisierung sei unzulässig, soweit Werberegeln den Charakter und die Finanzierung eines gebietsbezogenen Rundfunks entscheidend bestimmten. Dann entziehe sich die Werberegelung der Gemeinschaftskompetenz aufgrund ihrer demokratischen Funktion. 200 Dazu Kreile, ZUM 1989,408. 201 Dicke, Media Perspektiven 1989, 194; näher dazu Magiera, Rechtliche Grundfragen, 52 ff. 202 Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 1982 zu Rundfunk und Fernsehen in der Europäischen Gemeinschaft, ABI. EG C 87 / 110, anzusehen, in der das Parlament die Erarbeitung einer Rundfunk- und Femsehrahmenordnung u. a. "mit dem Ziel des Jugendschutzes und der Regelung des Einsatzes von Werbung auf Gemeinschaftsebene" gefordert hatte (Ziff. 7); zur Vorgeschichte der Fernsehrichtlinie vgl. Magiera, Rechtliche Grundfragen, 66 f.; Wallace / Goldberg, YEL 1989, 175 ff. 203 ABI. EG L 298/23; berichtigt ABI. EG L 331 /51 (1989). 198
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sie sich nicht auf urheberrechtliche Bestimmungen bezieht 204 , andererseits geht sie darüber hinaus, da sie neben einer Werberegelung auch Vorschriften für Bereiche enthält, die - wie etwa der Schutz Minderjähriger 205 oder das Recht auf Gegendarstellung 206 - bislang noch nicht vom Gerichtshof behandelt worden sind. Damit wurden weitere Bereiche einer Regelung zugeführt, die aus der Sicht des Rates zu gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstandenden Behinderungen des freien Verkehrs von Fernsehsendungen hätten führen können 207.
bb) Zu lässigkeit und Bedeutung nationaler Programmvorschriften Zumindest das deutsche Recht stellt bestimmte Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung von Rundfunkprogrammen. So schreibt Art. 8 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages vom 1. / 3. April 1987 vor, daß grundsätzlich im privaten Rundfunk inhaltlich die Vielfalt der Meinungen im wesentlichen zum Ausdruck zu bringen ist und daß die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen in den Vollprogrammen angemessen zu Wort kommen müssen. Nach Art. 9 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag haben Rundfunkprogramme die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Die Frage der Zulässigkeit derartiger nationaler Programmanforderungen beantwortet die Fernsehrichtlinie in eindeutiger Weise. Ausweislich des 13. Erwägungsgrundes regelt sie nur das notwendige Mindestmaß zur Verwirklichung des freien Sendeverkehrs. Im übrigen läßt sie die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten "für die Organisation . . . und die Finanzierung der Sendungen sowie die Programminhalte" unberührt. Damit stellt sich die "Sprengstoff' enthaltende 208 Frage, inwieweit ausländische Fernsehsendungen diesen Programm anforderungen entsprechen müssen. Vor Verabschiedung der Fernsehrichtlinie war erörtert worden, ob solche unterschiedslos anwendbaren Regelungen durch das "Allgemeininteresse" gerechtfertigt werden könnten 209. Die Fernsehrichtlinie hat dieses Problem dadurch ausge204 EG-Kommissar Dondelinger kündigte inzwischen eine erneute Initiative im Hinblick auf das Urheberrecht an Filmwerken an; vgl. Europe - Agence Internationale Nr. 5340 vom I. / 2. Oktober 1990, S. 10; vgl. auch Mitteilung der Kommission "Initiativen zum Grünbuch" ,KOM (90) 584, S. 36 f. Eine diesbezügliche Regelung hatte die Kommission schon in ihrem der Fernsehrichtlinie zugrundeliegenden Vorschlag in Kapitel V. vorgesehen; vgl. ABI. EG C 179/4 (1986). 205 Vgl. zum diesbezüglichen Hannonisierungsbedarf Kreile, ZUM 1989,408 f. 206 Vgl. dazu Damm, 175 ff., mit Beispielen, die die Notwendigkeit einer Regelung dieses Bereichs belegen. 207 Dies ergibt sich aus dem 13. Erwägungsgrund, der erklärt, die Richtlinie regele "das notwendige Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr zu verwirklichen". 208 So Roth, ZHR 1985,689. 11*
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
räumt, daß es nunmehr für die innergemeinschaftliche Verbreitung von Fernsehprogrammen ausreichend ist, wenn ein ausländisches Fernsehprogramm den Anforderungen der Richtlinie und dem Recht des Sendestaats genügt. Dem scheint zwar Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie zu widersprechen, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Empfang und die Weiterleitung von Fernsehsendungen nicht aus Gründen zu behindern, die in Bereiche fallen, "die mit dieser Richtlinie koordiniert sind". Diese Formulierung kann dahin verstanden werden, daß aus anderen Gründen, also solchen, die in nicht koordinierte Bereiche fallen, Behinderungen nach wie vor zulässig seien. Roth meint etwa, die Richtlinie stehe einer Kontrolle des Programms durch den Empfangsstaat nicht entgegen, da die Anforderungen an das Programm nicht harmonisiert worden seien 21O • Dieser Auffassung steht aber der 12. Erwägungsgrund der Richtlinie entgegen, der bündig feststellt, es sei "notwendig und ausreichend, daß alle Fernsehsendungen dem Recht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem sie ihren Ursprung haben". Der 14. Erwägungsgrund bekräftigt dies mit den Worten, alle in der Gemeinschaft hergestellten und für den Empfang in der Gemeinschaft bestimmten Fernsehsendungen, "speziell diejenigen, welche für den Empfang in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt (seien), (müßten) dem auf die zum Empfang durch die Allgemeinheit im Ursprungsmitgliedstaat bestimmten Fernsehsendungen anwendbaren Recht dieses Mitgliedstaats ebenso wie dieser Richtlinie entsprechen". Damit wurde - jenseits der durch die Richtlinie harmonisierten Bereiche - der Weg der wechselseitigen Anerkennung nationaler Vorschriften beschritten 211.
cc) Verbindlichkeit und Rechtmäßigkeit der Quotenregelung Die in Art. 4 Abs. 1 der Fernsehrichtlinie enthaltene Regelung wird herkömmlich als "Quotenregelung" bezeichnet, obwohl sie - anders als der Vorschlag der Kommission 212 - eine bestimmte Quote nicht vorsieht. Nach dieser Vor209 Ablehnend Mestmäcker, Wege zur Rundfunkfreiheit, 29; Deringer, ZUM 1986, 632; Schwartz, Fernsehen ohne Grenzen, 134 f.; EG-Kommission, Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen", KOM (84) 300, S. 177; differenzierend danach, ob der ausländische Veranstalter zielgerichtet an das inländische Publikum sendet oder nicht, Jarass, EuR 1986,88: Im letztgenannten Fall fehle die Verhältnismäßigkeit. 210 Roth, AfP 1991, 505, Fn. 22; so auch Gulich, Rechtsfragen grenzüberschreitender Rundfunksendungen, 81; Bullinger, Werbung und Quotenregelung, 100, mit der Auffassung, die aus seiner Sicht rechtlich nicht verbindliche Quotenregelung habe - wohl durch die Anerkennung ihrer politischen Verbindlichkeit, Anm. d. Verf. - eine hinreichende Koordinierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Fernsehrichtlinie bewirkt, so daß nunmehr nationale Quoten EG-ausländischen Fernsehsendungen nicht mehr entgegengehalten werden könnten. 211 Zu den Alternativen "Harmonisierung" und "wechselseitige Anerkennung" M. Seidel, Europäische Rundfunkzone, 140; mißverständlich daher Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wettbewerbsrecht, 194: Die Fernsehrichtlinie habe nur eine Teilharmonisierung bewirkt.
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schrift tragen die Mitgliedstaaten "im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, daß die Fernsehveranstalter den Hauptteil ihrer Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe- und Videotextleistungen besteht, der Sendung von europäischen Werken im Sinne des Artikels 6 vorbehalten". Dabei handelt es sich um die zentrale Vorschrift des dritten Kapitels der Richtlinie, welches - etwas irreführend überschrieben - der "Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen" dienen soll. Letztlich geht es darum, "die Bildung von Märkten für Fernsehproduktionen in den Mitgliedstaaten zu begünstigen, die groß genug sind, um die erforderlichen Investitionen zu amortisieren"213. Fraglich ist, ob die genannte Vorschrift gemeinschaftsrechtlich zulässig ist 214 • Zunächst ist aber zu klären, ob die Quotenregelung überhaupt geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, m. a. W. ob sie verbindlich ist. Auszugehen ist dabei von Art. 189 Abs. 3 EWGV. Danach sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen aber den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Nach Art. 27 ist die Fernsehrichtlinie an alle Mitgliedstaaten gerichtet. Zweifel an der Verbindlichkeit weckt indessen die "weiche" Formulierung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie. Everling vertritt die Auffassung, die gewählte Formulierung könne keine rechtliche Verbindlichkeit entfalten. Es handele sich lediglich um eine "Bemühensklausel". Zwar sei der Wortlaut nicht eindeutig. Wäre aber eine rechtliche Verpflichtung beabsichtigt gewesen, so hätte der Rat wohl eine striktere Formulierung verwendet 215 • Dieser Auffassung kann zunächst nicht Art. 189 Abs. 3 EWGV entgegengehalten werden, da die Rechtsnatur einer Regelung nicht von ihrer Bezeichnung etwa als "Richtlinie" - abhängt, sondern von ihrem materiellen Gehalt 216 • Dennoch ist die Ansicht Everlings im Ergebnis abzulehnen. Auch wenn die Mitgliedstaaten nur "Sorge tragen sollen" für die Erreichung des vorgegebenen Ziels und man daher von einer "Bemühensklausel" sprechen kann, so ist doch nicht ersichtlich, weshalb die Mitgliedstaaten nicht zumindest zu solchen "Bemühungen" rechtlich verpflichtet sein sollten. Dafür spricht auch Art. 4 Abs. 2, der vorschreibt, der Anteil nach Absatz 1 dürfe in jedem Fall "nicht niedriger als der 212 ABl. EG C 179/4 (1986); zur Vorgeschichte der Quotenregelung vgl. Maggiare, 37 f. 213 Vgl. den 20. Erwägungsgrund der Fernsehrichtlinie, ABl. EG L 298 / 23. 214 Nicht wird dagegen behandelt, ob eine Quotenregelung sinnvoll ist; vgl. dazu v. a. Wiesand, 161 ff.; Frohne, ZUM 1989, 390 ff.: Späth, 227; Wenger, EA 1989, 548 ff.; Bullinger, Werbung und Quotenregelung, 98 f., hält die Quotenregelung für ungeeignet, daher nicht für erforderlich und verneint aus diesem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 57 Abs. 2 EWGV. 215 Everling, EuR 1990,218 f.; im Ergebnis ebenso L. Seidel, NVwZ 1991, 121. 216 So zutreffend Pechstein, EuR 1990, 264; dazu näher Abschnitt C. 1I. 2. b) des dritten Teils.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Anteil sein, der 1988 in dem betreffenden Mitgliedstaat im Durchschnitt festgestellt wurde", sowie Art. 4 Abs. 3 UA 3, demzufolge die Kommission "dafür Sorge (trägt), daß der vorliegende Artikel ... gemäß den Bestimmungen des Vertrages durchgeführt (wird)"217. Demnach ist es für die Frage der Verbindlichkeit von Bedeutung, ob die der Richtlinie beigefügten Protokollerklärungen für deren Auslegung herangezogen werden dürfen. In vorliegendem Zusammenhang kommt es vor allem auf die 15. Protokollerklärung an, in der der Rat und die Kommission übereinstimmend feststellen, "daß sich die Mitgliedstaaten durch Artikel 4 und 5 politisch auf die dort vereinbarten Ziele verpflichten"218. Teilweise wird angenommen, diese Erklärung sei zu berücksichtigen und führe zur rechtlichen Unverbindlichkeit der Quotenreg~lung2!9.
Diese Auffassung ist indessen mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht in Einklang zu bringen. Der Gerichtshof lehnt eine Berücksichtung von Protokollerklärungen zumindest 220 in den Fällen ab, in denen dies zu einer anderen Auslegung führen würde als der Wortlaut der auszulegenden Vorschrift nahelegt 221 . Dies erkennt auch Pechstein an: Die Erklärung dürfe nicht im Widerspruch zum Inhalt des interpretierten Rechtsakts stehen, zulässig seien nur Präzisierungen, Klarstellungen und Erläuterungen 222. Er versucht daher, seine Auffassung von einer Berücksichtigungsfahigkeit der Protokollerklärung dadurch zu stützen, daß er zwischen Protokollerklärungen, die eine bereits bestehende rechtliche Regelung betreffen, und solchen unterscheidet, die schon im Zuge der Schaffung des Rechtsakts abgegeben werden. Wenn aber die Auslegung eines solchermaßen geschaffenen Rechtsakts nur unter Berücksichtigung des Inhalts der betreffenden Protokollerklärung erfolgen soll, hätte dieser Inhalt in den Rechtsakt aufgenommen werden müssen. Die Protokollerklärung ist kein Bestandteil des Rechtsakts, obwohl ihr Inhalt ohne weiteres zu einem solchen hätte gemacht werden können 223 • Dies ist nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 1991 in der
217 Nicht überzeugend ist der dagegen vorgebrachte Einwand von Bullinger, Werbung und Quotenregelung, 99 f., auch das Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten kenne Vorschriften, die als nicht-verbindlich interpretiert würden. 218 Vgl. Media Perspektiven Dokumentation 11 / 89, S. 115 ff.; nicht-autorisierte Fassung. 219 So Everling, EuR 1990,218 f.; Pechstein, EuR 1990,265 f.; ohne nähere Erläuterung Möwes / Schmitt-Vockenhausen, EuGRZ 1990, 123. 220 Mestmäcker / Engel / Gabriel-Bräutigam / Hoffmann, 34, meinen, der Gerichtshof stehe der Heranziehung von Protokollerklärungen bei der Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts generell ablehnend gegenüber. 221 Vgl. etwa Urteil vom 23. Februar 1988, Rs. 429/85 (Kommission / Italien), Slg. 1988,843 (852); Urteil vom 18. Februar 1970, Rs. 38/69 (Kommission/ltalien), Sig. 1970,47 (57); so auch Karl, JZ 1991,597. 222 Pechstein, EuR 1990, 256. 223 So auch Karl, JZ 1991,598.
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Rs. C-292/89 (Antonissen)224 Voraussetzung für die Berücksichtigung von Protokollerklärungen 225, die dann nur interpretativen Charakter haben können. Ausgangspunkt der Interpretation sind also stets Wortlaut und Sinn der zu interpretierenden Nonn. Wie aber oben dargelegt wurde, enthält die Quotenregelung eine rechtliche "Bemühens" -Verpflichtung. Folglich kann die dieser Pflicht widersprechende Protokollerklärung keine Rechtswirkung entfalten. Damit wird diese zwar möglicherweise zu einer "wirkungslosen Scheinlösung", was von den erklärenden Organen nicht beabsichtigt war 226 . Jedoch beweist der Umstand, daß die für eine Textänderung erforderliche Einstimmigkeit nicht herzustellen war 227 , daß sich der Inhalt der Richtlinienbestimmung und derjenige der Protokollerklärung widersprechen 228. Letzthin soll die Protokollerklärung daher nicht - wie Karl im Hinblick auf Protokollerklärungen im allgemeinen schreibt - verbliebene "Zweifel über Inhalt und Reichweite einer Nonn ... durch Klarstellungen oder Ergänzungen außerhalb des eigentlichen Rechtsaktes (ausräumen), um hierdurch eine für alle Beteiligten akzeptable Vorschrift zu schaffen" 229. Vielmehr werden gerade umgekehrt die vorhandenen, im Rechtsakt bewußt nicht ausgeräumten Unklarheiten dazu benutzt, eine Verabschiedung des Rechtsakts zu ennöglichen. Das Risiko dieser unterbliebenen Klarstellung trägt der zustimmende Mitgliedstaat. Die Rechtmäßigkeit der Quotenregelung hängt unter anderem 230 davon ab, ob sie gemäß Art. 57 Abs. 2 i. V. m. Art. 57 Abs. 1 EWGV geeignet ist, "die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten zu erleichtern". Diese Frage scheint der 18. Erwägungsgrund der Fernsehrichtlinie zu beantworten. Danach ist eine Koordinierung erforderlich, "um Personen und Industrien, die kulturelle Fernsehprogramme herstellen, die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit zu erleichtern". In diesem Sinne äußert sich auch Schwartz: Die Anteilsregelung begünstige die bestehenden Unternehmen und die Gründung neuer Unternehmen, erleichtere somit die Aufnahme bzw. Ausübung ihrer Tätigkeit 231 .
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Noch nicht in Sig. Ebd., Rdnr. 18. Dieses Argument trägt Pechstein, EuR 1990, 263, vor. Darauf weist Pechstein, ebd., hin. Im Ergebnis ebenso Wal/ace / Goldberg, YEL 1989, 192 f. 229 Karl, JZ 1991,594. 230 Nicht erörtert wird hier die Problematik eines Verstoßes gegen ein auf Gemeinschaftsebene angesiedeltes Grundrecht auf Rundfunk- und Informationsfreiheit. Ein solcher Verstoß liegt allerdings nahe; vgl. Mestmäcker / Engel / Gabriel-Bräutigam / Hoffmann, 75 ff., die einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK untersuchen und bejahen. Die Verbindung mit dem Gemeinschaftsrechts resultiere daraus, daß die EMRK "einstweilen den wichtigsten Anhalt für den Grundrechtsschutz in der Gemeinschaft" gebe (S. 99); so auch Magiera, Ansätze, 23; a. A. Jacque, Liberte d'information, 341 f. 231 Schwartz, ZUM 1989, 387.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Diese Auffassung verkennt die Bedeutung des in Art. 57 EWGV verwendeten Begriffs "Erleichterung". Dieser Begriff betrifft nicht die günstigere Gestaltung der tatsächlichen Bedingungen der Aufnahme bzw. Ausübung einer Tätigkeit, sondern die Anerkennung bzw. Harmonisierung der verschiedenen unterschiedslos anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften und die dadurch bewirkte Erleichterung der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit 232 • Bei diesem Verständnis des Art. 57 EWGV kann die Quotenregelung mit der erwähnten Begründung gemeinschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt sein 233. Anderes könnte nur gelten, wenn es um die Koordinierung der im nationalen Recht zugunsten inländischer Produktion bestehenden Quotenregelungen ginge. Dagegen ließe sich aber vorbringen, nationale Quotenregelungen seien mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und könnten daher nach Art. 59 Abs. 1 EWGV mitgliedstaatlichen Fernsehsendungen nicht entgegengehalten werden, womit die Berechtigung zur Koordinierung entfalle 234. Es ist indessen anzuerkennen, daß Maßnahmen der Rechtsangleichung nicht nur bei gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigten nationalen Vorschriften, sondern - etwa aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Schwerfälligkeit von Vertragsverletzungsverfahren auch gegenüber schon nach primärem Gemeinschaftsrecht verbotenen nationalen Regelungen ergriffen werden können 235. Die Rechtswidrigkeit nationaler Quotenregelungen steht einer Koordinierung auf Gemeinschaftsebene daher nicht zwingend entgegen. Dennoch würde das Ziel, die im nationalen Recht bestehenden Quotenregelungen mittels der in der Fernsehrichtlinie enthaltenen Quotenregelung zu koordinieren, letztlich nicht auf Art. 57 Abs. 2 EWGV gestützt werden können. Denn eine Koordinierung einzel staatlicher, zugunsten der nationalen Produktion bestehender Vorschriften über Programmquoten könnte allein durch die Beseitigung nationaler Quoten erfolgen. Die Einführung einer europäischen Quote stellt demgegenüber ein aliud dar. Eine solche Maßnahme ließe sich allenfalls auf Art. 235 EWGV stützen 236. 232 GTE / Troberg, Kommentar zum EWGV, Art. 57 Rdnr. 1; grundsätzlich ebenso WEGS / Everling, Art. 57 (S. 185), dessen Auffassung aber insoweit abzulehnen ist, als er nur eine Anpassung an die jeweils liberalste Regelung zulassen will (S. 186). 233 Ebenso Frohne, ZUM 1989,394 f.; Delbrück, Rundfunkhoheit, 54; Stoiber, ZUM 1986, 673; M. Seidel, Europäische Rundfunkzone, 145. 234 So Everling, EuR 1990, 218, der darauf abstellt, daß eine nationale, den Dienstleistungsverkehr beschränkende Vorschrift nur durch nicht-wirtschaftliche Gründe im "Allgemeininteresse" gerechtfertigt sein könne. Da es sich aber bei einer Programmquotenregelung zugunsten der inländischen Produktion um eine zumindest versteckt diskriminierende Regelung handelt, kommt eine Rechtfertigung durch das "Allgemeininteresse" von vornherein nicht in Betracht. Der allein anwendbare Art. 56 EWGV kann allerdings ebenfalls nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden. Die EG-Kommission hatte am 25. September 1985 gegen Frankreich wegen dessen Quotenregelung ein Verfahren nach Art. 169 EWGV eingeleitet; vgl. Schwartz, Debatte, 114. 235 So Grabitz/ Langeheine, Kommentar zum EWGV, Art. 100 Rdnr. 76; Curall, YEL 1984, 182; beide im Hinblick auf den freien Warenverkehr.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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III. Freizügigkeit im kulturellen Bereich
1. Einleitung Im Jahr 1984 waren in den Mitgliedstaaten der EG nach Angaben der Kommission etwa 3 -4 % der Erwerbsbevölkerung im Kulturbereich beschäftigt 237. Wenngleich derartige Zahlen nur begrenzt aussagefähig sind, weil die Abgrenzung des Kulturbereichs willkürlich ist und sein muß238, indizieren sie immerhin eine nennenswerte Bedeutung dieses Bereichs für die Frage der Beschäftigung von selbständig oder unselbständig Erwerbstätigen 239. Die Gemeinschaftsorgane unterstellen die im Kulturbereich tätigen Personen ohne weiteres den Regeln des EWG-Vertrages. Der Rat etwa zählte in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie vom 12. Januar 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für bestimmte selbständige Tätigkeiten 240 literarische und künstlerische Betätigungen zu den "sonstigen Diensten für das Geschäftsleben", welche von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu befreien waren. Ein weiteres Beispiel ist die Richtlinie vom 10. Juni 1985 über die gegenseitige Anerkennung der Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur 241 , die nicht nur die Anerkennung von Diplomen regelt, die eine Hochschulausbildung abschließen, sondern darüber hinaus "Kunstschaffende" betrifft, die - mit den Worten des 12. Erwägungsgrundes- "ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Architektur durch ihre Werke unter Beweis gestellt haben". Auch der Gerichtshof war mit der Anwendung der vertraglichen Vorschriften über die Freizügigkeit - in ihren beiden Varianten 242 - auf Betätigungen im kulturellen Bereich befaßt. Dabei ging es insbesondere 243 um Fragen der Freizügigkeit von Sportlern 244, von Architekten und von Kunstmalern. 236 So auch Pechstein, DÖV 1991, 540. 237 Kommission der EG, Europa im Wandel, 10. 238 Die Kommission (Anm. 237) subsumiert unter den Kulturbereich folgende Einzelpunkte: Kulturgüter, kreativer Bereich, Produkte, Design, Werbung, kulturelle Vereinigungen und Kulturtourismus. 239 Vgl. dazu Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister vom 18. Dezember 1984 über den verstärkten Einsatz des Europäischen Sozialfonds zugunsten der Kulturschaffenden, ABI. EG C 2/2 (1985); Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Mai 1984 zur Lage der Kulturschaffenden in der EG, ABI. EG C 172/212. 240 ABI. EG Nr. 10 /140. 241 ABI. EG L 223/ 15. Diese Richtlinie wird durch die Richtlinie 89/48/ EWG vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ABI. EG L 19/ 16 (1989), gemäß deren Art. 2 nicht berührt. 242 Vgl. dazu näher Abschnitt A. I. 1. dieses Teils. 243 Weitere Entscheidungen betrafen den Bereich religiös motivierter Betätigungen; Urteil vom 23. Oktober 1986, Rs. 300/84 (van Roosmalen), Slg. 1986, 3097; Urteil
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
2. Freizügigkeit für Berufssportler
Im Bereich des Berufssports sind vor allem zwei ältere Urteile des Gerichtshofs von Bedeutung 245 . In der Entscheidung vom 12. Dezember 1974 in der Rs. 36/ 74 (Walrave / Koch) 246 stellte der Gerichtshof fest, angesichts der Ziele der Gemeinschaft unterfielen sportliche Betätigungen nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 EWGV ausmachten. Dies sei der Fall, wenn sich eine sportliche Betätigung als entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung kennzeichnen lasse 247 . Eine Bestätigung dieser Rechtsprechung erfolgte in dem Urteil vom 14. Juli 1976 in der Rs. 13/76 (Dona / Mantero) 248. Die vom Gerichtshof getroffene Aussage zum Verhältnis sportlicher Betätigung zum Gemeinschaftsrecht vermag nicht zu überraschen, entspricht vielmehr dem grundsätzlichen Vorgehen des Gerichtshofs bei der Anwendung der Vertragsvorschriften auf kulturelle Tatbestände 249 . Erhebliche Schwierigkeiten werfen hingegen die weiteren Ausführungen in dem treffend als "sibyllinisch" charakterisierten 250 Urteil in der Rs. 36/74 (Walrave / Koch) auf. Der Gerichtshof war nach der oben erwähnten Feststellung fortgefahren, das Diskriminierungsverbot, welches unter anderem durch die Artikel 48 bis 51 EWGV konkretisiert werde, spiele "jedoch keine Rolle bei der Aufstellung von Wettkampfmannschaften, etwa in der Form von Nationalmannschaften, da es bei der Bildung dieser Mannschaften um Fragen (gehe), die ausschließlich von sportlichem Interesse (seien) und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun" hätten 251 . Dem ersten Anschein nach geht der Gerichtshof davon aus, daß Sportmannschaften, wie etwa Nationalmannschaften, die für bestimmte Wettkämpfe gebildet werden, keinerlei Bezüge zum Gemeinschaftsrecht aufweisen, weil keine wirtschaftlichen Interessen im SpieJ252, d. h. aber weil keine Entgeltbeziehungen feststellbar sind. Wenn dem aber so wäre, hätte es der Gerichtshof bei seiner vom 5. Oktober 1988, Rs. 196/87 (Steymann), Sig. 1988,6159; den Zugang zu Tätigkeiten in den Bereichen Journalismus und Tourismus; Urteil vom 15. Oktober 1986, Rs. 168/85 (Kommission /Italien), Sig. 1986, 2945; die Arbeitnehmereigenschaft eines Musiklehrers; Urteil vom 3. Juni 1986, Rs. 139/85 (Kempf), Sig. 1986, 1741. 244 Die Frage, ob Sport zum Bereich der Kultur gezählt werden kann, ist müßig. Tomusehat, F.I.D.E. Reports, 29, geht offensichtlich davon aus, daß sich beide Bereiche gegenseitig ausschließen. 245 Vgl. aus neuerer Zeit Urteil vom 15. Oktober 1987, Rs. 222/86 (Heylens), Sig. 1987, 4097, in dem es um die Anerkennung eines ausländischen Fußballtrainerdiploms ging. 246 Slg. 1974, 1405. 247 Ebd., S. 1418. 248 Sig. 1976, 1333 (1340). 249 Vgl. dazu auch Abschnitt B. 11. 4. a) aa) dieses Teils. 250 So Hilf, NJW 1984, 520. 251 Sig. 1974, 1405 (1418 f.).
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eingangs genannten Bemerkung bezüglich des Verhältnisses des Gemeinschaftsrechts zum Sport bewenden lassen und die Feststellung der Entgeltlichkeit dem nationalen Richter übertragen können. Demnach kann nicht angenommen werden, der Gerichtshof habe die wirtschaftliche Seite der Teilnahme an einer Nationalmannschaft nicht gesehen. Diese Auffassung wird zum einen gestützt durch die einschränkende Formulierung, die Aufstellung von Wettkampfmannschaften habe als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun, zum anderen durch die präzisere Aussage in dem Urteil in der Rs. 13 /76 (Dona / Mantero), zulässig sei es, ausländische Spieler bei bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen auszuschließen 253. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof seine Ausführungen mit den Worten abschließt, diese Beschränkungen des Geltungsbereichs dürften nicht weiter gehen, als es die Zweckbestimmung der im Ausgangsverfahren umstrittenen Vorschriften erfordere. Eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Diskriminierungsverbots kann aber nur vorliegen, wenn dieser Geltungsbereich überhaupt betroffen ist. Folglich ist davon auszugehen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Diskriminierungsverbot selbst dann nicht gelten soll, wenn die Mitglieder einer Wettkampfmannschaft zwar ein Entgelt für ihre Teilnahme erhalten, der Ausschluß von Ausländern aber auf nichtwirtschaftlichen Gründen beruht 254. Fragt man nach der Begründung für die solchermaßen vorgenommene Beschränkung des Geltungsbereichs des Diskriminierungsverbots, so erhält man weder von der Kommission noch vom Generalanwalt oder vom Gerichtshof eine befriedigende Antwort. Erstere meint, es liege gar keine Diskriminierung vor, da die auf der Staatsangehörigkeit beruhende Unterscheidung sachlich ohne weiteres gerechtfertigt sei 255. GA Warner stellt auf einen methodisch höchst angreifbaren "Test des interessierten Dritten" ab, bei dem angenommen wird, ein Dritter stelle den Vertragsparteien bei Abschluß des EWG-Vertrages die Frage, ob der Vertrag einer Regelung entgegenstehen solle, derzufolge eine Nationalmannschaft nur aus Staatsangehörigen des jeweiligen Landes bestehen dürfe, welches durch die Mannschaft vertreten werde. GA Warner kommt zu dem Ergebnis, alle Anwesenden hätten - was der gesunde Menschenverstand 252 Dieser Ansicht offenbar Klose, 157, der meint, die Auffassung des Gerichtshofs sei in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar, da auch bei der Aufstellung von Nationalmannschaften wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten. 253 Slg. 1976, 1333 (1340). 254 So im Ergebnis auch GA Trabucci, Rs. 13 /76 (Dona/ Mantero), Slg. 1976, 1333 (1344); Marticke, 58; Steindorjf, RIW 1975,254, der dem Gerichtshof aber den gleichen Vorwurf macht wie Klose (Anm. 252). 255 Rs. 36/74 (Walrave / Koch), Slg. 1974, 1405 (1409 f.); ebenso ohne Begründung - Weatherill, YEL 1989, 60, obwohl er seinen Ausführungen folgenden Satz vorausschickt: "A strict application of the role against discrimination could give rise to some surprising results." (Hervorhebung hinzugefügt).
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
nahelege - "Natürlich nicht" geantwortet 256. Der Gerichtshof schließlich geht nicht - wie die Kommission - davon aus, daß gar keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliege 257 , sondern erklärt einfach, bei der Bildung von Nationalmannschaften dominiere das "sportliche Interesse" an der Bildung der WeUkampfmannschaften über das wirtschaftliche Interesse des ausländischen Sportlers, ohne dies dogmatisch einzuordnen 258. Diese Aussage ist allerdings - wie zu zeigen sein wird - ebenfalls ungeeignet, die vom Gerichtshof angenommene Ausnahme vom Diskriminierungsverbot zu rechtfertigen. Auf den ersten Blick könnte es zwar einh!uchten, daß ein überwiegendes sportliches Interesse eine eventuelle wirtschaftliche Bedeutung der Aufstellung von Nationalmannschaften überlagern und die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots hindern könnte 259 . Zweifel ergeben sich jedoch, wenn man fragt, worin eigentlich bei der Bildung von Nationalmannschaften das besondere "sportliche" Interesse besteht, oder genauer, weshalb das sportliche Interesse hier größer sein sollte als etwa bei Vereinsmannschaften. Die Antwort kann nur sein, daß das "sportliche" Interesse deshalb überwiegt, weil die Mannschaft allein aus Angehörigen des vertretenen Staates besteht. Das eigentliche - durch die Argumentation verdeckte - Kriterium ist somit nicht ei 11 wie auch immer zu beschreibendes "sportliches Interesse", sondern die Tatsache, daß die Mannschaft ausschließlich mit Inländern besetzt ist. Es geht nicht darum, durch Abstellen auf die Staatsangehörigkeit rein sportlichen Zielen zu dienen 260, sondern umgekehrt darum, den Sport für nationale Zwecke zu instrumentalisieren 261. Der Gerichtshof beantwortet somit die Frage nach der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit einer auf die Staatsangehörigkeit abstellenden Vorschrift letztlich mit der Existenz von Nationalmannschaften, deren Berechtigung im Ausgangsverfahren aber gerade in Frage gestellt worden war. Das Ergebnis der Begründung ist zugleich ihre Voraussetzung. Im Ergebnis scheinen den Gerichtshof dem Gemeinschaftsrecht übergeordnete Gründe bewogen zu haben, eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des Diskriminierungsverbots vorzunehmen 262. Der Ausschluß der Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots im Fall der Aufstellung von Nationalmannschaften ist daher rechtsdogmatisch nicht zu begründen. Wenn die Teilnahme an solchen Slg. 1974, 1405 (1427). So aber offenbar Schermers / Waelbroeck, Judicial Protection, § 122. 258 So zutreffend Schroeder, 40. 259 Damit gibt sich offenbar Klose, 158, zufrieden. 260 In diesem Sinn aber Weatherill, YEL 1989,60. 261 In diesem Sinn auch Delannay, CDE 1976, 214, der Nationalmannschaften als "bastion du nationalisme" bezeichnet. 262 So auch Steindorff, NJW 1982, 1904, der von "außergesetzlichen Grenzen" spricht. 256 257
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Mannschaften entgeltlich ist, müßte sie auch Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten offen stehen 263. Handelt es sich aber tatsächlich um "a matter of ,national pride and identity' "264, schiene es nicht zuviel verlangt, auch ohne Entgelt als Mitglied einer Nationalmannschaft an Wettkämpfen teilzunehmen. 3. Freizügigkeit für Architekten
Die Tätigkeit der Architekten - einer "ohne Zweifel kulturschöpferisch tätigen Gruppe"265 - wird zu den sog. freien Berufen gezählt 266. Typisches Merkmal freiberuflicher Tätigkeiten ist ihre Ausübung in materieller und fachlicher Unabhängigkeit 267 . Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Beruf des Architekten auch in einem Abhängigkeitsverhältnis ausgeübt werden kann. Dem trägt Art. 29 der Richtlinie vom 10. Juni 1985 über die gegenseitige Anerkennung der Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur 268 dadurch Rechnung, daß er den Anwendungsbereich der Richtlinie auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten erstreckt, "die nach der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 eine Tätigkeit im Sinne des Artikels 1 als Angestellte ausüben oder ausüben werden" 269. Wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 26. Mai 1982 in der Rs. 149/79 (Kommission / Belgien - Endurteil) 270 inzident bestätigt hat, sind im Angestelltenverhältnis beschäftigte Architekten als Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts anzusehen 271. Eine weitere Entscheidung des Gerichtshofs 272 betraf das Niederlassungsrecht von Architekten. In dem Urteil vom 28. Juni 1977 in der Rs. 11 /77 (Hugh Patrick)273 ging es um einen britischen Architekten, der sich zur Ausübung seines Berufs in Frankreich niederlassen wollte. Sein Diplom war zwar durch Erlaß des französischen Kulturministers als den französischen Diplomen gleichwertig aner-
263 So auch Schroeder, 43 f. 264 So Weatherill, YEL 1989,60. 265 Roth, ZUM 1989, 103. 266 Vgl. de Crayencour, 115; Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zur "Lage der Freien Berufe im Zuge der Schaffung des europäischen Binnenmarktes", BT-Drs. 11/6985. 267 Vgl. de Crayencour, 20 f. 268 ABI. EG L 223/15. 269 Dies erklärt, weshalb die Richtlinie neben den Artikeln 57 und 66 EWGV auch auf Art. 49 EWGV gestützt ist. 270 Sig. 1982, 1845. 271 Ebd., S. 1851. 272 Vgl. zum Gebiet der Architektur ansonsten noch Urteil vom 14. Juli 1988, Rs. 38/87 (Kommission / Griechenland), Sig. 1988,4415, das unter anderem den speziellen Fall griechischer Rechtsvorschriften betraf, welche die Aufnahme als ordentliches Mitglied der Ingenieurskammer - eine Voraussetzung für die Ausübung des Architektenberufs - von der griechischen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht hatten. 273 Sig. 1977,1199.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
kannt worden, es fehlte aber an der grundsätzlich erforderlichen zweiten Voraussetzung eines Gegenseitigkeitsabkommens mit Großbritannien. Auf diese Voraussetzung konnte nach den französischen Rechtsvorschriften nur ausnahmsweise verzichtet werden. Aus diesem Grunde war der Antrag auf Zulassung zur Ausübung des Architektenberufs in Frankreich abgelehnt worden. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 21. Juni 1974 in der Rs. 2/74 (Reyners)274 entschied der Gerichtshof, der in Art. 52 EWGV enthaltene Grundsatz der Inländerbehandlung gelte unmittelbar, das Fehlen einer nach Art. 57 Abs. I EWGV zu erlassenden Anerkennungsrichtlinie könne einem Antrag auf Ausübung des Architektenberufs nicht entgegengehalten werden, wenn das Niederlassungsrecht insbesondere auf Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften gewährt werden könne 275. Damit stellte der Gerichtshof klar, daß im Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts die Berufung auf ein Gegenseitigkeitserfordernis unzulässig ist 276 . Ein mitgliedstaatliches Ermessen bei der Gewährung der Grundfreiheiten ist mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Folglich kann es auch nicht maßgebend sein, daß die Anerkennungsmöglichkeit überhaupt im nationalen Recht vorgesehen ist. Dies deutete der Gerichtshof mit der Formulierung an, das Niederlassungsrecht müsse insbesondere auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften geWährleistet werden können. Es kommt - wie der Gerichtshof unlängst erneut entschied - allein darauf an, "welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Diplom unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und der praktischen Ausbildung, auf die es sich bezieht, bei seinem Besitzer vermuten läßt" 277. Die schon erwähnte Anerkennungsrichtlinie für das Gebiet der Architektur 278 hat die dem besprochenen Urteil zugrundeliegende Problematik gelöst, allerdings nicht durch die Anerkennungsregelung selbst, denn die Anerkennung des britischen Diploms war in jenem Fall gerade kein Problem. Entscheidend ist vielmehr, daß gemäß Art. 2 der Richtlinie jeder Mitgliedstaat neben der Anerkennung der Diplome verpflichtet ist, diesen Diplomen "in seinem Hoheitsgebiet in bezug auf die Aufnahme der Tätigkeiten nach Artikel 1 und deren Ausübung unter der Berufsbezeichnung ,Architekt' gemäß Art. 23 Absatz 1 die gleiche Wirkung wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befahigungsnachweisen" zu verleihen 279. 274 Sig. 1974, 631. 275 Sig. 1977, 1199 (1205 f.). 276 So auch in dem Urteil vom 2. Februar 1989, Rs. 186/87 (Cowan), Sig. 1989, 195 (220). 277 Urteil vom 7. Mai 1991, Rs. C-340/89 (Vlassopoulou), Rdnr. 17; noch nicht in Slg.; vgI. auch Urteil vom 15. Oktober 1987, Rs. 222/86 (Heylens), Sig. 1987,4097 (4117). 278 ABI. EG L 223/15 (1985).
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4. Freizügigkeit für Kunstmaler In dem Urteil vom 18. Juni 1985 in der Rs. 197/84 (Steinhauser)280 hatte der Gerichtshof Gelegenheit, den Begriff der "Ausübung" einer selbständigen Erwerbstätigkeit, der in Art. 52 Abs. 2 EWGV enthalten ist, zu präzisieren. Das Ausgangsverfahren betraf die Weigerung der Stadt Biarritz, einem deutschen Kunstmaler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit die Teilnahme an einer Ausschreibung für die Vermietung einer ehemaligen Fischerhütte zu gestatten, deren Nutzung kunstgewerblichen Zwecken vorbehalten war. Über die Anwendbarkeit des Niederlassungsrechts auf Kunstmaler verlor der Gerichtshof kein Wort, und GA VerLoren van Themaat stellte lediglich fest, im Hinblick auf den Umfang der Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 Abs. 2 EWGV sei es nicht zu bezweifeln, daß der Beruf eines Kunstmalers unter Art. 52 EWGV falle 281. Die dem Gerichtshof vorgelegte Auslegungsfrage betraf auch nicht diesen Punkt, sondern die Zweifel des nationalen Gerichts, ob Art. 52 EWGV auch die genannten Ausschreibungsvorschriften der Stadt Biarritz erfasse, deren unmittelbares Ziel es nicht sei, die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu regeln, sondern die die Umstände niederlegten, unter denen Räumlichkeiten im Wege der Ausschreibung zugeteilt würden, die zu ihrem öffentlichen Eigentum gehörten, und dabei die Bewerbung von der Staatsangehörigkeit abhängig machten 282. Dazu stellte der Gerichtshof fest, Art. 52 EWGV betreffe nicht nur die Aufnahme selbständiger Erwerbstätigkeiten, "sondern auch deren Ausübung im weiten Sinn"283. Die Anmietung von Räumlichkeiten zur beruflichen Nutzung diene der Ausübung der Erwerbstätigkeit 284 . Diese Auffassung bestätigte der Gerichtshof zuletzt in dem Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rs. 305/87 (Kommission / Griechenland) 285, in dem er unter Bezugnahme auf Art. 54 Abs. 3 Buchst. e) EWGV das Recht, Immobilien zu erwerben, als notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit bezeichnete 286. Eine Beschränkung auf berufliche Nutzung der Immobilien, die in der Rs. 197/84 (Steinhauser) sachverhaltlich bedingt war, hat der Gerichtshof dort nicht vorgenommen, kann somit vom nationalen Recht auch nicht vorgeschrieben werden.
279 280 281 282 283 284 285 286
Hervorhebung hinzugefügt. Sig. 1985, 1819. Ebd., S. 1821. Ebd., S. 1825. Ebd., S. 1827. Ebd. Sig. 1989, 1461. Ebd., S. 1478 f.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
IV. Das Wettbewerbsrecht im kulturellen Bereich 1. Einleitung Die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages umfassen neben den Vorschriften für Unternehmen Regelungen betreffend Dumping-Praktiken und staatliche Beihilfen 287. Ihr Zweck ist es gemäß Art. 3 Buchst. f) EWGV, "den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen" zu schützen. Dabei geht es nicht um die Herstellung eines "wirklichen", sondern eines "wirksamen" Wettbewerbs 288. Die grundlegende Bedeutung der Wettbewerbsregeln für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes und damit auch für die Sicherung der vertraglichen Grundfreiheiten 289 wird durch ihre Stellung im EWG-Vertrag in dessen drittem Teil unter dem Titel I "Gemeinsame Regeln" sowie durch den Umstand dokumentiert, daß die Verwaltung in diesem Bereich ausnahmsweise der Gemeinschaft übertragen worden ist 290 • Die vorausgehenden Abschnitte haben gezeigt, daß der Gerichtshof die Grundfreiheiten des EWG-Vertrages auf Sachverhalte mit kulturellem Bezug anwendet, und es entspricht diesem Vorgehen, daß er auch das Wettbewerbsrecht im kulturellen Bereich nutzbar gemacht hat. Die im folgenden dargestellte Rechtsprechung betrifft allerdings nicht das gesamte Spektrum des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts, sondern lediglich die in Abschnitt I zusammengefaßten "Vorschriften für Unternehmen", das sog. Kartellrecht, dessen materielle Bestimmungen im wesentlichen in den Artikeln 85 und 86 EWGV enthalten sind 291. Maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung gemeinschaftlicher von nationalen Kompetenzen im Bereich des Kartellrechts ist die Eignung eines unternehmerischen Verhaltens zur zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung 292 , wobei der Begriff des Handels nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen betrifft 293. 2. Die wettbewerbsrechtliche Stellung von Fernsehanstalten a) Anwendbarkeit des Kartellrechts Die Anwendbarkeit des gemeinschaftlichen Kartellrechts setzt - wie schon die Überschrift des betreffenden Abschnitts zeigt - voraus, daß es um die Vgl. Artikel 85 bis 94 EWGV. Grabitz/ Koch, Kommentar zum EWGV, vor Art. 85 Rdnr. 3. 289 GBTE / Schröter, Kommentar zum EWGV, Vorbem. zu den Artikeln 85 bis 94 Rdnr.4. 290 V gl. Beutler / Bieber / Pipkorn / Streif, 333. 291 Vgl. GBTE / Schröter, Kommentar zum EWGV, Vorbem. zu den Artikeln 85 bis 89 Rdnr. 1. 292 Grabitz / Koch, Kommentar zum EWGV, Art. 85 Rdnr. 88. 293 Ebd., Rdnr. 90. 287 288
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Verhaltensweise eines Unternehmens geht. In der Rs. 155/73 (Sacchi)294 war zu klären, ob eine Fernsehanstalt, der vom Staat ein Sendemonopol verliehen worden war, als Unternehmen zu behandeln sei, mithin den Kartellvorschriften unterliege. Die italienische Regierung trat dem mit der Begründung entgegen, die Fernsehanstalt verfolge keine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern führe einen öffentlichen Betrieb kultureller, unterhaltender und informatorischer Ziel setzung 295 • Ähnlich äußerte sich die Bundesregierung, allerdings mit der wichtigen Einschränkung, Fernsehanstalten seien "allenfalls in bezug auf bestimmte Verhaltensweisen" Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln 296 . Der Gerichtshof ging in seiner Entscheidung ohne weiteres von der Anwendbarkeit der Artikel 85 ff. EWGV aus und ordnete Fernsehanstalten als Unternehmen in das System der kartellrechtlichen Vorschriften ein 297. b) Zulässigkeit von Monopolen Hinsichtlich der Zulässigkeit von Monopolen im Bereich des Fernsehens stellte der Gerichtshof in dem erwähnten Urteil unter Hinweis auf Art. 90 Abs. 1 EWGV fest, der EWG-Vertrag hindere die Mitgliedstaaten in keiner Weise daran, Fernsehsendungen aus im öffentlichen Interesse liegenden Gründen dem Wettbewerb zu entziehen und das ausschließliche Verbreitungsrecht einer oder mehreren Anstalten zu übertragen. Diese Anstalten müßten jedoch bei der Erfüllung ihrer Aufgabe die Diskriminierungsverbote beachten und fielen, soweit die Erfüllung ihrer Aufgabe Tätigkeiten wirtschaftlicher Art mit sich bringe, unter Art. 90 Abs. 1 EWGV298. In der Begrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 90 Abs. 1 EWGV auf "Tätigkeiten wirtschaftlicher Art" zeigt sich, daß das gemeinschaftliche Kartellrecht nicht die Unternehmen an sich, sondern nur bestimmte ihrer Verhaltensweisen betrifft, m. a. W. funktional anwendbar ist 299 . In dem Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rs. C-260 /89 (Elliniki Radiofonia Tileorasi)3°O bekräftigte der Gerichtshof die Zulässigkeit von Fernsehmonopolen und präzisierte seine Ausführungen in der Rs. 155/73 (Sacchi) dahin, die im öffentlichen Interesse liegenden Gründe, die der Einrichtung des Monopols zugrunde lägen, müßten "nichtwirtschaftlicher Art" sein 30I ; außerdem dürften die Einzelregelungen über die Ausgestaltung und die Ausübung eines solchen Monopols "weder gegen die Vorschriften des Vertrages über den freien Warenverkehr 294 295 296 297 298 299 300 301
Urteil vom 30. April 1974, Sig. 1974,409. Ebd., S. 420. Ebd., S. 419. Ebd., S. 430 f. Ebd., S. 430. So Reich, Rundfunkrecht und Wettbewerbsrecht, 228. Noch nicht in Sig. Ebd., Rdnr. 12.
12 Niedobitek
2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
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und über den freien Dienstleistungsverkehr noch gegen die Weubewerbsregeln verstoßen" 302. Die grundsätzliche Zulässigkeit von Monopolunternehmen hatte Auswirkungen auf die Vorschrift des Art. 86 EWGV. Der Gerichtshof stellte in dem Urteil in der Rs. 155/73 (Sacchi) fest, derartige Unternehmen könnten als solche mit Art. 86 EWGV nicht unvereinbar sein. Gleiches müsse für spätere staatliche Maßnahmen zur Erweiterung des Monopols, etwa dessen Ausdehnung auf das Kabelfernsehen, gelten 303. Die damit angedeutete grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 86 EWGV auf gesetzliche MonopolsteIlungen bestätigte der Gerichtshof in dem Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rs. 311/84 (Telemarketing)304, welches das Marktverhalten einer mit einem solchen Monopol versehenen Fernsehanstalt betraf. Maßgebend sei allein die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, welche dieses befähige, "die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit (verschaffe), sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten" 305. Auf die Ursache der wirtschaftlichen Machtstellung kommt es somit nicht an. Damit schloß sich der Gerichtshof der Auffassung von GA Lenz an, ein gesetzlich abgesichertes Monopol stelle eine der intensivsten Formen einer marktbeherrschenden Stellung dar 306 • In dem Urteil in der Rs. C-260 /89 nahm der Gerichtshof dann nur noch auf das Urteil in der Rs. 311 /84 bezug, um zu begründen, daß ein Unternehmen, "das ein gesetzliches Monopol (besitze), ... als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag angesehen werden" könne 307. Sollte ein Mitgliedstaat durch die Ausgestaltung der MonopolsteIlung eine Lage schaffen, in der das Monopolunternehmen gegen Art. 86 verstoßen könne, stehe Art. 90 Abs. 1 EWGV entgegen. Dies sei der Fall, wenn das Unternehmen nicht nur das Sendemonopol, sondern auch das Monopol der Weiterübertragung von Fernsehsendungen aus anderen Staaten innehabe, und "durch eine seine eigenen Programme bevorzugende diskriminierende Sendepolitik gegen Artikel 86" verstoße 308.
302 303
Ebd.
Slg. 1974,409 (430 f.).
304 Slg. 1985, 3261. 305 Ebd., S. 3275. 306 Ebd., S. 3265. 307 Vgl. Anm. 300, Rdnr. 31. 308 Ebd., Rdnr. 38.
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3. Die Zulässigkeit der Preisbindung von Büchern Preisbindungssysteme für Bücher sind "ein Stück europäischer Identität"309. In fast allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bestehen solche Systeme in unterschiedlicher Ausprägung 3IO • Dieser Befund erübrigt jedoch nicht die Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Preisbindungssystemen für Bücher 311 . Der Gerichtshof hat bislang in zwei Urteilen zu dieser Problematik Stellung genommen. Die erste Entscheidung vom 17. Januar 1984 in den verb. Rs. 43 und 63/82 (VBVB / VBBB) 312 betraf eine grenzüberschreitende Vereinbarung zweier nationaler Interessenverbände des Buchhandels über eine vertikale Buchpreisbindung in einem die nationalen Grenzen überschreitenden Sprachgebiet. In der zweiten Entscheidung vom 10. Januar 1985 in der Rs. 229/83 (Lec1erc)313 ging es um nationale Rechtsvorschriften, die eine vertikale Preisbindung für in dem betreffenden Mitgliedstaat verkaufte Bücher vorschrieb 314 . a) Zulässigkeit grenzüberschreitender Preisbindungsvereinbarungen Die "Kernfrage des Rechtsstreits" 315 in den verb. Rs. 43 und 63/82 (VBVB / VBBB) betraf die Argumentation der klagenden Interessenverbände, die angegriffene Kommissionsentscheidung, die einen Verstoß der zwischen den Klägern getroffenen Vereinbarung gegen Art. 85 Abs. 1 EWGV festgestellt hatte, berücksichtige weder die Besonderheit des Buches als Ware noch die Eigenart und Struktur des Buchmarkts insoweit, als der Preiswettbewerb auf diesem Markt kein wesentlicher Wettbewerbsfaktor sei 316. Der Gerichtshof ging auf dieses Vorbringen mit dem Hinweis ein, er sei ausschließlich mit der Frage befaßt, "ob die ,grenzüberschreitende' Vereinbarung im Einklang mit Artikel 85 Absatz 1" stehe. Sein Urteil könne sich nur auf die einschränkenden Wirkungen dieser 309 So J. Becker, EG-Magazin 10 /1989,21. 310 Vgl. Wallen/eis, 72 f.; ausführlich Langbein, 4-73. 311 So auch der Gerichtshof in dem Urteil vom 17. Januar 1984, verb. Rs. 43 und 63/82 (VBVB/VBBB), Slg. 1984, 19 (64): Nationale Praktiken in Gesetzgebung und Rechtsprechung dürften, selbst wenn sie allen Mitgliedstaaten gemeinsam wären, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht vorgehen. 312 Slg. 1984, 19. 3I3 Slg. 1985, 1. 314 Zur Zeit ist beim Gerichtshof eine Klage gegen eine Entscheidung der Kommission (ABI. EG L 22/12 [1989]) anhängig, mit der diese eine nicht-grenzüberschreitende Vereinbarung zwischen Unternehmen über einheitliche Verkaufsbedingungen von sog. Netto-Büchern als Zuwiderhandlung gegen Art. 85 Abs. 1 EWGV bezeichnete, soweit der Buchhandel mit anderen Mitgliedstaaten betroffen sei (Art. 1 der Entscheidung); vgl. dazu den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Juni 1989, Rs. 56/ 89 R, Slg. 1989, 1693, durch den der Vollzug der Kommissionsentscheidung teilweise ausgesetzt wurde. 315 So der Gerichtshof, Slg. 1984, 19 (65). 316 Ebd., S. 64. 12*
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Vereinbarung für den Handel zwischen den betreffenden Märkten in den beiden Mitgliedstaaten erstrecken 3l7 • Ungeachtet der Besonderheiten des Buchmarktes liege ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. I Buchst. a) und b) EWGV vor. Auch der Umstand, daß die getroffene Vereinbarung ein einheitliches Sprachgebiet betreffe, könne daran nichts ändern. Art. 85 EWGV stelle ausdrucklich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ab 3l8 • Mit der Betonung des grenzüberschreitenden Charakters der streitigen Vereinbarung zeigte der Gerichtshof, daß er eine Stellungnahme zur Zulässigkeit rein nationaler Preisbindungssysteme vermeiden wollte, zu der aufgrund der angegriffenen Kommissionsentscheidung, die das Verfahren ausgelöst hatte, auch keine Notwendigkeit bestand 319 • Dies verdeutlichen seine weiteren Ausführungen, in denen er gerade die Ausdehnung einer streng kontrollierten Preisbindungsregelung auf den innergemeinschaftlichen Handel als eine für Art. 85 Abs. I EWGV hinreichend schwerwiegende 320 Wettbewerbsbeschränkung bezeichnete 32\. Dies gelte selbst dann, wenn man davon ausgehe, "daß die Besonderheit des Buches als Handelsware bestimmte besondere Bedingungen beim Vertrieb und bei den Preisen rechtfertigen" könne 322 • b) Zulässigkeit staatlich angeordneter Preisbindung Die zweite Entscheidung des Gerichtshofs zur Buchpreisbindung 323 betraf ein rein nationales 324, vom innerstaatlichen Recht vorgeschriebenes System 325. Die Anwendung der Wettbewerbsregeln warf hier spezifische Probleme auf. Artikel 85 - 90 EWGV betreffen nämlich unmittelbar nur das Verhalten von Unternehmen, nicht aber staatliche Eingriffe in den Wettbewerb. Diese Feststellung machte der Gerichtshof auch zum Ausgangspunkt seiner Gedankenführung und erörterte in der Folge einen Verstoß gegen die Vorschrift
Ebd., S. 65 f. Ebd., S. 67. 319 Vgl. Reich, FS Steindorff, 1081: Die Kommission habe sorgfältig zwischen innerund zwischenstaatlichen Wirkungen der Preisbindung unterschieden und nur letztere angegriffen. 320 Damit spricht der Gerichtshof offenbar das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "Spürbarkeit" der Handels- und Wettbewerbsbeeinträchtigung an; vgl. dazu Grabitz / Koch, Kommentar zum EWGV, Art. 85 Rdnr. 97; Knecht, 31 f.; Beutler / Bieber / Pip317
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korn / StreU, 336.
Slg. 1984, 19 (66). Ebd. 323 Urteil vom 10. Januar 1985, Rs. 229/83 (Ledere), Slg. 1985, 1. 324 Damit nicht zu verwechseln ist die Frage, ob ein solches rein nationales Preisbindungssystem spürbare Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben kann. Derartige Auswirkungen setzt das gemeinschaftliche Kartellrecht stets voraus. 325 Vgl. dazu auch Abschnitt B. I. 4. a) bb) dieses Teils. 321
322
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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des Art. 5 Abs. 2 EWGV, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, "alle Maßnahmen (zu unterlassen), welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrages gefährden könnten". Dazu stellte er fest, daß die im Streit befindliche Vorschrift nicht darauf gerichtet sei, gegen Art. 85 Abs. 1 EWGV verstoßende Verhaltensweisen vorzuschreiben. Vielmehr seien Verleger und Importeure verpflichtet, einseitig die Endverkaufspreise festzusetzen 326. Anders als die Kommission blieb der Gerichtshof aber nicht bei dieser Erkenntnis stehen, sondern erwog, ob ein Verstoß gegen Art. 5 Abs.2 EWGV darin liegen könnte, daß die streitigen nationalen Rechtsvorschriften eine nach Art. 85 Abs. 1 EWGV verbotene Verhaltensweise überflüssig machten. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 EWGV setzt nach Ansicht des Gerichtshofs aber voraus, daß eine mitgliedstaatliche Pflicht, deren Befolgung aufgrund dieser Vorschrift verlangt werden kann, hinreichend bestimmt ist. Daran mangele es in bezug auf rein nationale Preisbindungssysteme beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts. Es bestehe noch keine Wettbewerbspolitik in diesem Bereich. Weder Kommission noch Gerichtshof hätten sich zu dieser Frage geäußert. Ein Verbot, Vorschriften der streitigen Art zu erlassen, ergebe sich aus Art. 5 Abs. 2 EWGV daher nicht 327 • Solange eine Wettbewerbspolitik für den Bereich nationaler, gesetzlich vorgeschriebener Preisbindungssysteme nicht existiert, wird der Gerichtshof solche Systeme also nicht beanstanden. Damit lehnte er die Verantwortung für die Entwicklung einer gemeinschaftlichen Politik, mithin für die Präzisierung der aus Art. 5 Abs. 2 EWGV folgenden Verpflichtungen, ab und gab der Kommission "une invitation discrete", zukünftig ihre Kompetenzen wahrzunehmen 328. Dennoch hat es die Kommission bis heute abgelehnt, auf diesem Gebiet tätig zu werden. In der im August 1989 unterbreiteten Mitteilung "Das Buch: Ein unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Lebens in Europa" 329 begründet sie ihre Haltung. Grundsätzliche Einwände habe sie nur gegen Preisbindungssysteme, die zu einer Verzerrung des innergemeinschaftlichen Handels, insbesondere in den Sprachzonen, führten 330. Sig. 1985, 1 (32). Kritisch zu diesem Ergebnis Müller-Graf!. EuR 1985, 298: Auch wenn keine spezielle Gemeinschaftspolitik bestehe, bleibe das allgemeine Gemeinschaftsziel des Gemeinsamen Marktes, das von staatlichen Maßnahmen nicht gefährdet werden dürfe; in diesem Sinne auch Langbein. 250 ff. Der Gerichtshof bestätigte seine Rechtsprechung in dem Urteil vom 11. Juli 1985, Rs. 299/83 (Lec1erc / Syndicat des libraires de LoireOcean), Sig. 1985,2515, sowie in dem Urteil vom 14. Juli 1988, Rs. 254/87 (Syndicat des libraires de Normandie), Sig. 1988,4457. 328 So Waelbroeck, RMC 1987,29 f.; ähnlich. aber mit anderer Schattierung Kuyper, CML Rev. 1985,804: " ... a rap on the knuckles ... for failing to take a c1ear position ... ". 329 KOM (89) 258. 330 Ebd., S. 25. 326
327
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
4. Die Zulässigkeit selektiver Pressevertriebssysteme Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit selektiver Pressevertriebssysteme beschäftigte den Gerichtshof bislang in zwei Fällen. Den beiden Entscheidungen - vom 16. Juni 1981 in der Rs. 126/80 (Salonia)331 bzw. vom 3. Juli 1985 in der Rs. 243 / 83 (Binon)332 - lagen Vorabentscheidungsersuchen nationaler Gerichte zugrunde, die diese dem Gerichtshof im Rahmen der Klagen von Presseeinzelhändlern gegen Pressevertriebsunternehmen auf Belieferung mit Presseerzeugnissen vorgelegt hatten. Die Belieferung war den Einzelhändlern verweigert worden, weil diese nicht für den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften zugelassen waren. Das Erfordernis einer besonderen Zulassung beruhte auf Vereinbarungen zwischen den Zeitschriftenverlegern einerseits und dem Verband der Zeitungsverkäufer bzw. dem zwischengeschalteten Pressegrossisten andererseits. Eine direkte Belieferung durch die Verleger unter Umgehung des Grossisten war nicht zu erreichen. Zunächst erörterte der Gerichtshof zwei allgemeine Probleme der Anwendbarkeit von Art. 85 EWGV. In dem erstgenannten Fall ging es um die Frage, ob das streitige Pressevertriebssystem überhaupt zur zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung geeignet sei. Dies war fraglich, weil das Vertriebssystem nur inländische Presseerzeugnisse betraf. Der Gerichtshof stellte aber ohne nähere Begründung fest, daß auch ein solches, in sich geschlossenes System Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben könne. Erforderlich sei aber eine "spürbare" Beeinträchtigung. Die Frage der Spürbarkeit, welche das nationale Gericht zu beantworten habe, sei bei Presseerzeugnissen nach strengeren Kriterien zu beurteilen als bei sonstigen Erzeugnissen 333 • Ein zweites Problem betraf das Tatbestandsmerkmal der "abgestimmten Verhaltensweisen". In der jüngeren der beiden Entscheidungen war das Verhalten der Verleger zu beurteilen, die eine ursprünglich bestehende Vereinbarung, welche durch nationale Gerichte für wettbewerbswidrig erklärt worden war, durch ein Bündel von Einzelverträgen mit dem Grossisten ersetzt hatten. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens trug vor, dabei handle es sich nicht um ein abgestimmtes Verhalten, sondern lediglich um ein vernünftiges Parallelverhalten. Der Gerichtshof trat dem nicht bei und stellte darüber hinaus fest, daß auch ohne Ersetzung der alten durch eine neue Vereinbarung Art. 85 EWGV anwendbar gewesen wäre. Nach dem Wettbewerbsrecht der Art. 85 ff. EWGV komme es allein auf die wirtschaftlichen Ergebnisse von Vereinbarungen oder ähnlichen Fonnen der Abstimmung an, nicht aber auf ihre Rechtsfonn 334 . 331 332 333 334
Slg. 1981, 1563. Sig. 1985,2015. Rs. 126/ 80 (Salonia), Slg. 1981, 1563 (1579). Rs. 243/83 (Binon), Slg. 1985,2015 (2040).
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Stand somit die grundsätzliche Anwendbarkeit von Art. 85 EWGV fest, war nun konkret zu prüfen, ob selektive Pressevertriebssysteme gegen diese Vorschrift verstießen. Zugunsten dieser Systeme war vorgebracht worden, die Eigenart des Marktes und die sozio-kulturelle Rolle der Presse erforderten ein stabiles und ausgewogenes Betriebsnetz 335, wohingegen deren Berechtigung mit dem Argument bestritten worden war, sie würden jeglichen Wettbewerb beseitigen 336 • Der Gerichtshof schließlich erachtete selektive Pressevertriebssysteme in Anknüpfung an sein Urteil vom 25. Oktober 1977 in der Rs. 26/76 (Metro )337 grundsätzlich als mit den gemeinschaftlichen Kartellvorschriften vereinbar 338 • Angesichts der Besonderheiten des Vertriebs von Presseerzeugnissen könnten solche Systeme in diesem Bereich ohne Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 EWGV eingeführt werden. Jedoch müßten diese Systeme bestimmten Anforderungen genügen. Die Auswahl der Wiederverkäufer müsse aufgrund objektiver Kriterien qualitativer Art im Hinblick auf deren fachliche Eignung, Personal und sachliche Ausstattung erfolgen, und diese Voraussetzungen müßten einheitlich und ohne Diskriminierung auf alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer angewandt werden. Quantitative Kriterien, etwa die Begrenzung der Zahl der Verkaufs stellen nach Maßgabe einer Mindesteinwohnerzahl im Einzugsbereich, dürften hingegen keine Rolle spielen 339. Obschon der Gerichtshof die Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 EWGV nicht ausdrücklich und im einzelnen prüfte, vermag das Ergebnis einzuleuchten. Eine nennenswerte Wettbewerbsbeeinträchtigung ist bei Anwendung objektiver qualitativer Kriterien nicht zu erwarten. Allerdings ist zu verlangen, daß diese Anforderungen angemessen sind und nicht durch überzogene Voraussetzungen den Kreis der potentiellen Bewerber um Einzelhandelszulassungen von vornherein gering halten.
5. Die Wahrnehmung von Urheberrechten a) Die Bedeutung des Wettbewerbsrechts für das Urheberrecht Im Rahmen der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfreiheit unterscheidet der Gerichtshof, wie gezeigt 340, zwischen dem gemeinschaftsrechtlich unbedenklichen Bestand des Urheberrechts und dessen nach den Vorschriften des EWGVertrages zu beurteilender Ausübung. Damit stellt sich die Frage, ob und in Ebd., S. 2042. Ebd., S. 2043. 337 Slg. 1977, 1875. 338 In dem Urteil in der Rs. 243 / 83 (Anm. 332) äußerte sich der Gerichtshof nur zu Art. 85 EWGV, in dem Urteil in der Rs. 126/80 (Anm. 331) auch zu Art. 86. 339 Rs. 243/83 (Binon), Slg. 1985, 2015 (2043 f.). 340 Vgl. Abschnitte B. 1. 4. b) bb) und B. II. 4. a) cc) dieses Teils. 335
336
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
welcher konkreten Gestalt diese Unterscheidung auch im Bereich des Wettbewerbsrechts von Bedeutung ist. Ausgangspunkt der Untersuchung ist das Urteil des Gerichtshofs vom 18. Februar 1971 in der Rs. 40/70 (Sirena) 341. Dort hatte der Gerichtshof im Zusammenhang mit nationalem Warenzeichenrecht festgestellt, daß Art. 36 EWGV, obschon er zum Kapitel über mengenmäßige Beschränkungen gehöre, "Ausfluß eines Grundsatzes (sei), der im Wettbewerbsrecht in dem Sinne Anwendung finden (könne), daß die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaates anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch die Artikel 85 und 86 des Vertrages in ihrem Bestand nicht berührt (würden), daß aber ihre Ausübung unter die in diesen Vorschriften ausgesprochenen Verbote fallen" könne 342 . Daraus folgt, daß die Behandlung des Urheberrechts im Rahmen des Wettbewerbsrechts den gleichen Prinzipien folgt wie im Rahmen der Warenverkehrsund der Dienstleistungsfreiheit. Diese Feststellung führt zu der weiteren Frage, wann die für das Gemeinschaftsrecht relevante Ausübung des Urheberrechts mit dem Kartellrecht unvereinbar sein kann. Antwort gibt abermals das Urteil in der Rs. 40/70. Danach kann die Ausübung eines Warenzeichenrechts durch die Vorschrift des Art. 85 Abs. 1 EWGV verboten sein, "wenn sich herausstellt, daß sie Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist"343. Für das Urheberrecht kann nichts anderes gelten. Dies bestätigte und präzisierte der Gerichtshof in dem Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rs. 262/81 (Coditel 11)344, nachdem er gleiches schon in dem Urteil vom 8. Juni 1971 in der Rs. 78/ 70 (Deutsche Grammophon) 345 hinsichtlich eines dem Urheberrecht verwandten Schutzrechts getan hatte. In jenem Urteil stellte er fest, bestimmte Modalitäten der Ausübung des Urheberrechts könnten sich als mit Art. 85 EWGV unvereinbar herausstellen, wenn sie Gegenstand einer Kartellabsprache seien, die möglicherweise eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfalschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecke oder bewirke. Nicht ausreichend sei dafür aber die Einräumung eines ausschließlichen Rechts, einen Film während eines bestimmten Zeitraums im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats vorzuführen. Hinzu kommen müßten weitere wirtschaftliche oder rechtliche Begleitumstände. Dabei werde es insbesondere darauf ankommen, "ob durch diese Ausübung Hindernisse errichtet (würden), die im Hinblick auf die Bedürfnisse der Filmindustrie künstlich und ungerechtfertigt (seien), ob unangemessen hohe Vergütungen für die getätigten Investitionen ermöglicht (würden) oder ob eine Ausschließlichkeit herbeigeführt (werde), deren Dauer gemessen an diesen Bedürfnissen übermäßig lang" sei 346. 341 342 343 344 345
Slg. 1971,69. Ebd., S. 82; Hervorhebungen hinzugefügt. Ebd., S. 83. Slg. 1982, 3381. Sig. 1971,487.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
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Es zeigt sich somit, daß die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts auch auf das Urheberrecht anzuwenden sind, wenn auch dieser Anwendung durch Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des Urheberrechts relativ enge Grenzen gezogen sind. b) Fragen des Wettbewerbsrechts im Zusammenhang mit Verwertungsgesellschaften Urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften werden regelmäßig als juristische Personen des Privatrechts von Verlagen und Urhebern gegründet, um die Nutzungsrechte der einzelnen Urheber wirksamer wahrnehmen zu können. Die Summe der auf die Verwertungsgesellschaft übertragenen Nutzungsrechte, das Gesamtrepertoire, wird nur insgesamt lizensiert, das einzelne Nutzungsrecht geht in dem Gesamtbestand auf. Dies rechtfertigt es, den Gesamtbestand gegenüber den eingebrachten Einzelrechten als "neues Produkt" zu bezeichnen 347. Mit dem Problem des Globalzugangs zum Gesamtrepertoire und mit weiteren wettbewerbsrechtlichen Fragen urheberrechtlicher Verwertungsgesellschaften beschäftigte sich der Gerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen. Einige wichtige Aspekte werden im folgenden angesprochen. aa) Verwertungsgesellschaften als Unternehmen gemäß Art. 90 Abs. 2 EWGV Zu der Frage, ob urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften gemäß Art. 90 Abs. 2 EWGV als Unternehmen anzusehen seien, "die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind", äußerte sich der Gerichtshof erstmals in dem Urteil vom 27. März 1974 in der Rs. 127/73 (BRT-II)348. In den Entscheidungsgründen führte er aus, die Vorschrift des Art. 90 Abs. 2 EWGV sei eng auszulegen, da sie vom Vertrag abweichende Regelungen zulasse. Privatunternehmen könnten nur dann unter diese Bestimmung fallen, wenn ihnen ihre besondere Aufgabe "durch Hoheitsakt der öffentlichen Gewalt" übertragen worden sei. Der Umstand allein, daß ein Unternehmen gesetzlich geschützte geistige Eigentumsrechte wahrnehme, reiche dafür nicht aus 349 . Diese Rechtsprechung bestätigte der Gerichtshof in dem Urteil vom 2. März 1983 in der Rs. 7/82 (GVL / Kommission)350. Für das deutsche Recht stellte er in dieser Entscheidung ausdrücklich fest, die Voraussetzungen des Art. 90 Abs. 2 EWGV lägen nicht vor. Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten 346 347 348 349 350
Sig. 1982, 3381 (3401 f.). Vgl. zum gesamten Absatz Mestmäcker, FS Lukes, 445-448. Sig. 1974,313. Ebd., S. 318. Slg. 1983, 483.
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2. Teil: Aspekte des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Schutzrechten werde nicht bestimmten Unternehmen übertragen. Vielmehr regele das deutsche Gesetz allgemein die Tätigkeiten solcher Gesellschaften, die sich die gemeinsame Auswertung von Urheberrechten zum Ziel gesetzt hätten 351.
bb) Die Globalabtretung aller Urheberrechte In der soeben erwähnten Entscheidung in der Rs. 127/73 352 war auch die Frage zu klären, ob eine Verwertungsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat ein tatsächliches Monopol innehatte, gegen Art. 86 EWGV verstieß, indem sie von den Urhebern verlangte, ihr alle gegenwärtigen und künftigen Rechte global abzutreten und ihr die Befugnis einzuräumen, diese Rechte noch fünf Jahre nach dem Austritt des Urhebers ausüben zu können. Zu prüfen war hier Buchst. a) von Art. 86 Abs. 2 EWGV, der u. a. die Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung wertet. Der Gerichtshof nahm eine Güterabwägung vor. Er erkannte zunächst das Interesse der Verwertungsgesellschaft an, eine gewichtige Stellung zu erlangen, um die Rechte ihrer Mitglieder gegenüber bedeutenden Musikverbrauchern wahrnehmen zu können. Jedoch dürfe dabei nicht die Grenze des Unentbehrlichen überschritten werden. Jenseits dieser Grenze sei dem Interesse der Urhebers an der freien Verfügung über sein Werk der Vorzug zu geben. Vor allem eine Globalabtretung bei langer Bindung nach Austritt des Urhebers aus der Gesellschaft könne sich als Mißbrauch gemäß Art. 86 EWGV darstellen 353. Danach steht fest, daß das Verlangen einer Globalabtretung an sich nicht gegen Art. 86 EWGV verstößt. Ein solcher Verstoß kann sich nur aus einer Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall ergeben.
cc) Der Globalzugang zum Gesamtrepertoire Schließlich ist noch der Frage nachzugehen, ob die schon einleitend angesprochene Praxis der Verwertungsgesellschaften, den Nutzern nur einen globalen Zugang zum gesamten Bestand einzuräumen und den Zugang zu einzelnen Sparten, etwa ausländischer Musik, zu verweigern, mit dem gemeinschaftlichen Kartellrecht, hier mit Art. 85 EWGV, vereinbar ist. Der Zugang zum Gesamtrepertoire ist für bestimmte Nutzer, etwa Diskotheken, nicht von Interesse, da sie diesen Zugang nicht ausnutzen können. Dennoch müssen sie die für das Gesamtrepertoire berechneten Gebühren entrichten. Der Gerichtshof, der sich in dem Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rs. 395/87 (Tournier)354 mit diesem Problem befaßte, wandte hier ähnliche Kriterien an wie 351 Ebd., S. 504. 352 Slg. 1974, 313. 353 Ebd., S. 317.
B. Der Bereich der Kultur im engeren Sinn
187
schon bei der oben behandelten Frage der Globalabtretung. Die Verwertungsgesellschaften verfolgten grundsätzlich ein rechtmäßiges Ziel. Bei der Verfolgung dieses Ziels dürften die Grenzen des Unerläßlichen nicht überschritten werden. Ein separater Zugang zu einzelnen Teilen des Repertoires müsse nur dann eingeräumt werden, wenn dabei die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger voll gewahrt werden könnten 355. Auch hier ist also festzustellen, daß die Beschränkung des Zugangs auf das Gesamtrepertoire als solche nicht gegen Art. 85 EWGV verstößt. Auch hier kommt es aber letztlich auf eine Prüfung im Einzelfall an 356.
Slg. 1989,2521. Ebd., S. 2575. 356 So der Gerichtshof ausdrücklich in dem Urteil vom 13. Juli 1989, ebd., S. 2576. Mestmäcker, FS Rittner, 399, meint allerdings, in der Regel sei ein Verstoß zu verneinen, der vom Gerichtshof angelegte Maßstab sei generalisierbar. 354
355
3. Teil
Grundsätze und Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich I. Die KompetenzverteiIung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im kulturellen Bereich
1. Einleitung Über das Verhältnis gemeinschaftlicher Kompetenzen zu denen der Mitgliedstaaten bestehen allgemein, vor allem aber hinsichtlich des kulturellen Bereichs erhebliche Unklarheiten. Ausdruck dessen ist eine Reihe von Äußerungen über dieses Verhältnis in der wissenschaftlichen Literatur, die in ihrer Unbestimmtheit häufig zwar zutreffend, aber den Kern der Problematik verfehlend und daher nicht weiterführend sind. So ist etwa zu lesen, die Gründungsverträge der EG enthielten "eine umfassende Zuständigkeit im Kulturbereich nicht" 1, "allgemeine EG-Kompetenzen im Bereich von Kultur und Bildung" gebe es nicht 2 , Art. 3 EWGV erwähne die Kulturpolitik nicht3, die Gemeinschaft besitze "lediglich Sekundärbefugnisse, aber jedenfalls keine Primärkompetenz für die Kultur"4, schließlich - im Hinblick auf die Fernsehrichtlinie - , ein europäisches Rundfunkrecht und Rundfunksystem zu entwickeln, habe die EWG "mit Sicherheit kein Mandat"5. Für derartige, das Handlungsfeld der Gemeinschaft einschränkende Feststellungen wird zuweilen eine Begründung vorgebracht, die sich auf noch allgemeinerem Niveau bewegt. Unter Hinweis auf Art. 1 EWGV, d. h. auf die Bezeichnung der Gemeinschaft, wird argumentiert, die EWG sei eine Wirtschaftsgemeinschaft6 Fiedler, 153. Schweitzer, EG-Kompetenzen, 147. 3 Eise1stein, NVwZ 1989, 328. 4 Tomuschat, EuR 1990,341. 5 Rupp, ZRP 1990,2. 6 Vgl. etwa Meyer, BayVBI. 1990,97, Fn. 1; Lecheier, Nationaler öffentlicher Dienst, 130; Ossenbühl, 13; Scharf, 148; Riegel, NJW 1978,470; L. Seidel, NVwZ 1991, 125; die italienische Regierung in der Rs. 7 / 68, Slg. 1968,633 (649), mit der exemplarischen 1
2
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
189
und insofern beschränkt auf Gegenstände und Subjekte wirtschaftlichen Handeins 7. Diese Argumentation, die nicht unwidersprochen geblieben ist 8 , belegt - ebenso wie die häufige Verwendung des nebulösen Begriffs der Kulturpolitik - , daß die Kompetenzdiskussion nicht in erster Linie juristisch, sondern mindestens in gleichem Maße politisch determiniert ist 9 • Symptomatisch dafür sind die Emotionen, von denen die Diskussion begleitet wird IO und die in Begriffen wie "Europatreue" oder "Europaengagement" ihren Ausdruck finden 11. Der Jurist kann sich von dem politischen Hintergrund der Kompetenzdiskussion nicht freimachen 12. Umso mehr muß er sich den eigenen politischen Hintergrund bewußt machen und das jeweilige Auslegungsergebnis in diesem Licht relativieren. Damit soll nicht die Beliebigkeit aller Auslegungsergebnisse behauptet und dem politischen Willen der Vorrang eingeräumt werden. Es soll lediglich auf die Gefahr hingewiesen werden, politisch gewünschte Auslegungsergebnisse juristisch zu legitimieren und so das Recht für die Verfolgung einer für richtig gehaltenen Politik zu instrumentalisieren. Dieser Gefahr sind sowohl die Gemeinschaftsorgane in ihrem Bestreben, ihre Kompetenzen auszuweiten, wie auch die Organe der Mitgliedstaaten in ihrem gegenwirkenden Bemühen ausgesetzt. Dieser Befund ist um so gravierender, als die Gemeinschaftsrechtsordnung wie kaum eine andere auf die Autorität des von ihr umfaßten Rechts angewiesen ist 13: Die EG ist eine Rechtsgemeinschaft 14. Eine Untersuchung der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten setzt voraus, über den Begriff der Kompetenz Klarheit zu schaffen. Herzuleiten ist der Begriff von dem lateinischen Verb competere mit der Bedeutung zusammentreffen, zukommen, und dessen Partizip Präsens competens mit der Bedeutung zuständig, maßgebend, befugt 15. Die etymologische HerFormulierung, die in dem Fall streitige Abgabe falle vollkommen aus dem natürlichen Rahmen des Vertrages, dieser sei abgeschlossen worden, um eine Wirtschaftsgemeinschaft, nicht aber ein Gemeinschaft für künstlerische, historische oder ethnographische Gegenstände zu gründen. 7 Lecheier, Nationaler öffentlicher Dienst, 130. 8 V gl. nur Magiera, DÖV 1987, 231; Schwartz, Zur Zuständigkeit, 80. 9 Vgl. Schumacher, AWD 1970,539, der allgemein auf die Kompetenzproblemen anhaftende Eigenschaft hinweist, gleichermaßen politisch wie rechtlich umstritten zu sein. IO Vgl. die Äußerung des ehemaligen britischen Kommissionmitglieds Lord Cockfield, die Kritik an der Kompetenz der EG im Rundfunkbereich sei "transparent non-sense", und die diesbezügliche Stellungnahme von Delbrück, Rundfunkrecht, 244. II Vgl. Delbrück, Rundfunkrecht, 244. 12 Darauf weist zutreffend Schumacher, AWD 1970,539, hin. 13 Vgl. dazu Stein, 53. 14 Vgl. nur Urteil des Gerichtshofs vom 23. April 1986, Rs. 294/ 83 (Les Verts), Slg. 1986, 1339 (1365); Oppermann, Europäische Integration, 89; Everling, FS Kutscher, 160; HaI/stein, Rechtsgemeinschaft, 343 ff. 15 Vgl. Duden, Etymologie, 1963, Stichwort: kompetent.
190
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
leitung vermittelt einen ersten Eindruck davon, was der Kompetenzbegriff meint: Es geht um die "Zuständigkeit", "Befugnis", eben "Kompetenz" 16, eine Aufgabe wahrzunehmen. Damit ist zunächst die Organkompetenz angesprochen, denn die Gemeinschaft handelt als juristische Person nicht selbst, sondern wie alle internationalen Organisationen durch ihre Organe 17. Dies kommt in Art. 4 Abs. 1 UA 1 EWGV zum Ausdruck. Danach werden die der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben durch die Gemeinschaftsorgane wahrgenommen. Diesen wiederum hat der Vertrag, wie es Art. 4 Abs. I UA 2 EWGV ausdrückt, Befugnisse zugewiesen, mittels derer sie die Aufgaben der Gemeinschaft erfüllen sollen. Es zeigt sich, daß die Befugnisse der Gemeinschaftsorgane und die Aufgaben der Gemeinschaft einander bedingen: Eine Befugnis ohne Aufgabe ist ebensowenig sinnvoll wie eine Aufgabe ohne zur Aufgabenerfüllung befugte Organe 18. Daraus folgt weiter, daß eine Beschränkung des Kompetenzbegriffs auf die Befugnis zur Aufgabenerfüllung unter Ausklammerung der Aufgabe selbst 19 im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht sinnvoll sein kann. Es ist auch nicht angezeigt, in den Streit um den unter mehreren Gesichtspunkten unklaren Kompetenzbegriff einzutreten 20. Vielmehr wird der Begriff der Kompetenz auf der Grundlage der im EWG-Vertrag verwendeten Terminologie 21 in der Weise bestimmt, daß die Summe der Aufgaben der Gemeinschaft die Verbandskompetenz darstellt 22, während die den Gemeinschaftsorganen zugewiesenen Befugnisse, die sich notwendig auf die Aufgaben der Gemeinschaft beziehen und von diesen nicht getrennt werden können, als Organkompetenz bezeichnet werden. Dieser Kompetenzbegriff erübrigt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Kompetenz ein "rechtliches Können"23 oder ein "rechtliches Dürfen" beschreibt 24 . Die Koppelung an die übertragenen Aufgaben beschränkt den Kompetenzbegriff von vornherein auf das "rechtliche Dürfen". Ein am "rechtlichen Können" orientierter Kompetenzbegriff, der mithin Rechtshandlungen einbezieht, die zwar nicht von Anfang an nichtig, aber wegen Überschreitung der Aufgaben oder der Befugnisse rechtswidrig sind, entbehrt jeglichen Erkenntniswertes für die vorliegende Untersuchung, die das Ziel verfolgt, die gemeinschaftsrechtlich zulässigen Handlungen der Gemeinschaftsorgane im kulturellen Bereich zu erfassen. Stettner, 47, hält die Begriffe für Synonyma. Köck, FS Seidl-Hohenveldem, 279, Fn. 1. 18 So auch V. Constantinesco, Competences, 83/295, der von competences (der Gemeinschaft) und pouvoirs (der Gemeinschaftsorgane) spricht. 19 So Stettner, 40, gegen Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 89 ff. 20 Vgl. dazu nur Stettner, 31 ff.; Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 89 ff.; Schneider, FS Möhring, 523. 21 Dazu näher Magiera, GS Geck, 513-520. 22 Zu diesem Begriff grundsätzlich E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 716 f. 23 So Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 61; L.-J. Constantinesco, 234. 24 Dazu ausführlich Pechstein, Sachwalter, 38-42. 16 17
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
191
2. Die Verbandskompetenz der Gemeinschaft
a) Abgrenzung zur staatlichen Verbandskompetenz Nach Art. 4 Abs. 1 UA 1 EWGV nehmen die dort genannten Organe die der Gemeinschaft im EWG-Vertrag zugewiesenen Aufgaben wahr. Dieser Satz drückt in abstrakter Weise den Umstand aus, daß die Gemeinschaft - anders als grundsätzlich die Mitgliedstaaten - nicht allzuständig ist 25 • Insofern ist es richtig, von dem "Grundsatz der begrenzten Ermächtigung" zu sprechen, der der Gemeinschaftsrechtsordnung zugrunde liege 26 • Folglich ist es weiter zutreffend, der Gemeinschaft die Staatlichkeit abzusprechen 27, auch wenn sie in mancher Hinsicht schon in "unmittelbare Staatsnähe" gerückt sein mag 28 • Das Fehlen von staatlicher Allzuständigkeit ist allerdings nur ein Aspekt der begrenzten Aufgabenübertragung. Ein weiterer Unterschied zur Staatlichkeit besteht darin, daß die der Gemeinschaft übertragenen Aufgaben die Rechtspflicht begründen, diese Aufgaben auch wahrzunehmen 29 • Erst die wirksame Wahrnehmung dieser Aufgaben legitimiert die Existenz der Gemeinschaft, während die Existenz der Staaten einer besonderen Legitimation nicht bedarf30 • Die solchermaßen vorgenommene Abgrenzung der gemeinschaftlichen von der staatlichen Verbandskompetenz kann nur als grundsätzliche Annäherung an die Fragestellung verstanden werden und ist für sich genommen nicht aussagekräftig. Der theoretisch eindeutige Befund nur begrenzter Zuweisung muß durch eine genauere Untersuchung von Art und Umfang dieser Zuweisung anhand des Vertrages überprüft werden. b) Art und Umfang der Verbandskompetenz Der Umfang der Verbandskompetenz der Gemeinschaft ergibt sich aus der Summe ihrer in den verschiedenen Vertragsbestimmungen enthaltenen Aufgaben 31 • Die im Vertrag insgesamt vorgenommene Aufgabenzuweisung erfolgte Vgl. für viele Wagner, 258; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 64. So Magiera, Jura 1989, 597. 27 So etwa Ophü!s, Planverfassungen, 232, der als Merkmal staatlicher Souveränität die Allzuständigkeit bezeichnet; lpsen, EuR 1987, 196; Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 16. 28 So Oppermann, Die EG als parastaatliche Superstruktur, 697; kritisch dazu lpsen, EuR 1987,200 ff. 29 Vgl. Köck, FS Seidl-Hohenveldem, 280; Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 4 Rdnr. 2. 30 Everling, RabelsZ 50 (1986), 210. Den Gemeinschaftsaufgaben nicht vergleichbar sind die sogenannten "Staatsziele" , die die staatliche Existenz nicht legitimieren, sondern lediglich Grundsätze und Richtlinien für das staatliche Handeln aufstellen; vgl. Scheuner, FS Forsthoff, 335; jüngst Sommermann, DVBl. 1991,34 f. 31 Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 21. 25
26
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
pragmatisch, "ohne Orientierung an irgendwelchen Denkmodellen" 32. Nicht aber läßt sich behaupten, die Verteilung der Verbandskompetenz zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten folge nicht - wie Art. 30 GG für das Verhältnis der Bundesländer zum Bund - einer allgemeinen Regel, es komme vielmehr auf die vertraglichen Einzelbestimmungen an 33. Denn eine dem Art. 30 GG entsprechende Regelung im Gemeinschaftsrecht war überflüssig, da im Bereich nicht übertragener Kompetenzen nur die Mitgliedstaaten zuständig sein können. Als allgemeine Aufgabe der Gemeinschaft bezeichnet es Art. 2 EWGV, "eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind". Für die Verwirklichung dieser - tatsächlich eine Mehrzahl darstellenden Aufgaben, die auch als Ziele der Gemeinschaft bezeichnet werden können 34, stellt Art. 2 EWGV zwei Instrumente zur Verfügung, nämlich die Errichtung des Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Diese Instrumente bedürfen ihrerseits der Realisierung und stellen in dieser Perspektive zugleich auch Vertragsziele dar 35 • Im Grundsatz kann daher als Wesensmerkmal gemeinschaftlicher Verbandskompetenz, d. h. der "materiellen Zuständigkeit" der Gemeinschaft 36 , die Pflicht zur Verwirklichung unterschiedlich konkreter Ziele 3? bezeichnet werden. Die in Art. 2 EWGV enthaltenen Vertrags ziele werden durch Art. 3 EWGV ausgeführt, der die Tätigkeit der Gemeinschaft näher - allerdings nicht abschließend 38 - beschreibt. Untersucht man die in Art. 3 EWGV vorgesehenen Tätigkeiten der Gemeinschaft genauer, so kann man diese in zwei verschiedene Gruppen einteilen. Eine Gruppe von Tätigkeiten betrifft die Verfolgung gemeinsamer Politiken auf bestimmten sachlich abgrenzbaren Gebieten 39 , so etwa die gemeinsame Agrarpolitik (Buchst. d) oder die gemeinsame Verkehrspolitik (Buchst. e). Art. 74 EWGV bringt dies für den Verkehrsbereich mit der Formulierung zum Ausdruck, die Mitgliedstaaten verfolgten die Ziele des Vertrages auf dem in diesem Titel geregelten Sachgebiet im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik. 32
33 34
514.
L.-J. Constantinesco, 235. Vgl. lpsen, Rundfunk im EG-Recht, 37; Grabitz, GS Sasse, 112. Vgl. Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 2 Rdnr. 1; Magiera, GS Geck,
Vgl. zu dieser Doppelgestalt der genannten Instrumente Magiera, GS Geck, 516. So Schwartz, EuR 1976, Sonderheft, 34. 3? Zu den unterschiedlichen Abstraktionsgraden der Ziele und Aufgaben vgl. Magiera, GS Geck, 514; Sattler, 174. 38 Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 3 Rdnr. 3. 39 Diese Kennzeichnung geht idealisierend davon aus, daß sich Sachgebiete überhaupt randscharf abgrenzen lassen. 35
36
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
193
Die andere Gruppe wird gebildet von Tätigkeiten, die der Erreichung bestimmter Ziele gewidmet sind, ohne dabei auf bestimmte Sachgebiete beschränkt zu sein. Dieser Kompetenztypus ist plastisch als "Querschnittskompetenz" bezeichnet worden 40. Der EWG-Vertrag umschreibe die Zuständigkeit der Gemeinschaft funktional 41 , "das heißt quer durch alle Bereiche ... "42. Dazu zählt z. B. "die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten" (Buchst. c), "die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt" (Buchst. f) sowie - als besonders prägnantes Beispiel sowohl für die Zielbezogenheit als auch für das Fehlen einer sachlichen Bindung "die Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, soweit dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist" (Buchst. h)43. Inzwischen 44 ist allgemein anerkannt, daß dem EWG-Vertrag im Prinzip die beschriebene Kompetenzverteilung zugrunde liegt 45, wobei allerdings häufig vereinfachend nur auf die Gruppe der Zielverwirklichungszuständigkeiten abgestellt wird 46 • Soweit es um diese - sicherlich wichtigste 47 - Gruppe geht, unterscheidet sich die Methode der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten grundlegend von derjenigen zwischen dem Bund und den Ländern, die grundsätzlich nach Materien aufteilt 48 . 40 Memminger, DÖV 1989, 849; Schwartz, ZUM 1989, 384; Pechstein, DÖV 1991, 539 f. 41 Auch Everling, EuR 1990,215, spricht von der Zuweisung von Funktionen. Dieser
Begriff hat nichts mit dem der "funktionellen Integration" zu tun, welcher nicht die Methode der Kompetenzverteilung, sondern den generellen, für die Gemeinschaft gültigen Ansatz der Ausgliederung einzelner staatlicher Zuständigkeitsbereiche zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung betrifft; dazu Sattler, 1; Bleckmann, ZRP 1990, 265, der allerdings der Auffassung ist, der Befund gemeinschaftlicher Kompetenzfülle passe heute nicht mehr in dieses Bild; grundlegend Bindschedler, 62 ff. 42 Schwartz, Fernsehen ohne Grenzen, 129. 43 Vgl. Taschner, GS Constantinesco, 767, der hinsichtlich Art. 100 EWGV feststellt, es seien nur wenige Rechtsvorschriften denkbar, die sich nicht unmittelbar auf den Gemeinsamen Markt auswirkten. 44 Früher wurde teilweise die Ansicht vertreten, Staatshoheit und Gemeinschaftshoheit stünden, "in ihrer Zuständigkeit nach Sachgebieten abgegrenzt, grundSätzlich unabhängig (wenn auch vielfach verzahnt) nebeneinander", es verhalte sich mit der Abtretung der nach sachlichen Merkmalen abgeteilten Hoheitsrechte insoweit nicht anders als mit der Abtretung von Hoheitsrechten, die nach territorialen Merkmalen abgeteilt seien, der Gebietsabtretung; so Ophüls, FS Heymanns Verlag, 570. 45 Vgl. etwa Hoffmann-Riem, Europäisierung des Rundfunks, 203; Schwartz, Zur Zuständigkeit, 80 f.; Everling, FS Doehring, 184; ders., EuR 1987,221; de Witte, Scope of Community Powers, 262; Rambow, EuR 1981, 241. 46 Kritisch dazu lpsen, GS Geck, 345. 47 Rambow, EuR 1981, 241, weist darauf hin, daß der EWG-Vertrag nur wenige ausdrückliche Kompetenzen für Sachpolitiken kenne; in diesem Sinn auch Klein, VVDStRL 50 (1991), 62. 48 Vgl. Bleckmann, DÖV 1986, 126; Memminger, DÖV 1989, 849; Everling, FS Doehring, 184; Renzsch, Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/90, 33. 13 Niedobitek
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Die Verbandskompetenz der Gemeinschaft wäre durch die vorstehend genannten Sachgebiets- und Zielverwirklichungszuständigkeiten nur unzureichend beschrieben. Ihr ist noch eine weitere Gruppe von Vorschriften hinzuzurechnen, die streng genommen nicht dem Kompetenzbegriff im Sinne eines "rechtlichen Dürfens" zugeordnet werden kann: die umfangreiche Gruppe der unmittelbar wirksamen, an die Mitgliedstaaten 49 , Private 50 und auch die Gemeinschaftsorgane 51 gerichteten Ge- und Verbotsnormen 52 • Auch diese zählen zum insoweit umfassenden Begriff der Verbandskompetenz der Gemeinschaft 53 • Die Feststellung, daß der Gemeinschaft in erster Linie Aufgaben übertragen und Ziele gesetzt, nicht aber Sachbereiche zugewiesen worden sind, und daß das Gemeinschaftsrecht darüber hinaus unmittelbar wirksame Ge- und Verbote enthält, hat Auswirkungen für das Verhältnis der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz zur Verbandskompetenz der Mitgliedstaaten. Im Bereich der Zielverwirklichungszuständigkeiten bzw. der Ge- und Verbote ist die Sachkompetenz bei den Mitgliedstaaten geblieben. Der zulässige Einfluß der Gemeinschaft auf diese Sachbereiche ist durch das zu verfolgende Ziel bzw. den Inhalt des Ge- oder Verbots definiert und begrenzt. Von diesem Verhältnis der gemeinschaftlichen zur mitgliedstaatlichen Verbandskompetenz geht auch der Gerichtshof aus. So stellte er beispielsweise 54 in dem Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rs. 186/ 87 (Cowan) im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EWGV fest: "Dazu ist zu sagen, daß für das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht ... zwar grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig sind, daß das Gemeinschaftsrecht jedoch nach ständiger Rechtsprechung ... dieser Zuständigkeit Schranken setzt: Derartige Rechtsvorschriften dürfen weder zu einer Diskriminierung von Personen führen, denen das Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht, noch die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken." 55 c) Folgerungen für den kulturellen Bereich Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist zu prüfen, ob und inwieweit sich die Verbandskompetenz der Gemeinschaft auf den kulturellen Bereich erVgl. etwa Art. 30 EWGV. Vgl. etwa Art. 85 EWGV. 51 Vgl. im Hinblick auf die Art. 30-36 EWGV Oliver, Free Movement of Goods in the EEC, 41-52. 52 Vgl. zu den Vorschriften mit unmittelbarer Wirkung Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 189 Rdnr. 13. 53 Grabitz/Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 19-21. 54 Vgl. darüber hinaus Urteil vom 14. Januar 1982, Rs. 65/81 (Reina), Slg. 1982, 33 (44 f.); Urteil vom 11. November 1981, Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981,2595 (2618); Urteil vom 3. Juli 1974, Rs. 9/74 (Casagrande), Slg. 1974,773 (779). 55 Slg. 1989, 195 (221 f.). 49
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A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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streckt. Die Feststellung sogenannter Querschnittskompetenzen schließt eine Bereichsausnahme für den kulturellen Bereich nicht von vornherein aus. Diese Kompetenzen könnten dann nur in den übrigen, nicht ausgenommenen Bereichen wahrgenommen werden. Eine solche Bereichsausnahme müßte sich allerdings direkt oder im Auslegungswege aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten lassen. Nicht hingegen kann eine solche Bereichsausnahme aus dem "natürlichen Rahmen" des Vertrages gewonnen werden 56. Gleiches gilt für die eingangs erwähnte Bezugnahme auf die Bezeichnung der Gemeinschaft als Wirtschaftsgemeinschaft. Denn die spezielleren Vertragsvorschriften konkretisieren die allgemeineren und werden durch diese nicht eingeschränkt 57 . Was genau mit dem Begriff Wirtschaftsgemeinschaft gemeint ist, ergibt sich aus den einzelnen Vertragsbestimmungen. Dies entspricht der Auffassung des Gerichtshofs, auch wenn er gelegentlich Art. 2 EWGV scheinbar zur Präzisierung nachfolgender Vertragsvorschriften heranzieht. So stellte er etwa in dem Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rs. 196/ 87 (Steymann) fest, angesichts der Ziele der Gemeinschaft falle die Teilnahme an einer auf Religion oder einer anderen Fonn der Weltanschauung beruhenden Vereinigung nur insoweit in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts, als sie als Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 EWGV angesehen werden könne 58 . Der dann folgende Satz verdeutlicht aber, daß der Gerichtshof den Hinweis auf Art. 2 EWGV nicht in einem beschränkenden Sinn meinte, denn er fuhr fort, er habe bereits entschieden, daß eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung einen Teil des Wirtschaftslebens ausmache. Eine Untersuchung des EWG-Vertrages ergibt, daß eine Bereichsausnahme für den kulturellen Bereich nicht ausdrücklich vorgesehen ist und auch wegen der Unschärfe des "schillernden"59 Kulturbegriffs kaum sinnvoll fonnuliert werden könnte. Auch eine stillschweigende Bereichsausnahme ist nicht ersichtlich 60 und aus systematischen Gründen abzulehnen. Der EWG-Vertrag legt die Ausnahmen vom Geltungsumfang des Gemeinschaftsrechts stets ausdrücklich fest 61 . Die einzige für den kulturellen Bereich bedeutsame Einschränkung des vertraglichen Geltungsanspruchs enthält Art. 36 S. 1 EWGV bezüglich Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen zum Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert und zum Schutz des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums 62 . Diese Beschränkung wäre 56 So die italienische Regierung in der Rs. 7/68, Slg. 1968, 633 (649). 57 Steindorjf. NJW 1982, 1904. 58 Slg. 1988,6159 (6172). 59 So Häberle, Kulturstaat, 27. 60 So auch Magiera, Rechtliche Grundfragen, 72. 61 Vgl. Schwarze, Rundfunk und Fernsehen, 25, für die Frage, ob Tätigkeiten im kulturellen Bereich vom Anwendungsbereich des EWG-Vertrages ausgenommen sind. 62 Der Begriff des gewerblichen und kommerziellen Eigentums umfaßt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch das Urheberrecht und ist insoweit für den kulturel\3*
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
überflüssig gewesen, wenn der Kulturbereich insgesamt aus dem Rahmen des Gemeinschaftsrechts fiele 63. Ist somit eine allgemeine Bereichsausnahme für den kulturellen Bereich abzulehnen - wie im übrigen die Gemeinschaft auch umgekehrt nicht generell für den Bereich "Wirtschaft" zuständig ist 64 - , läßt sich im Grundsatz feststellen, daß der kulturelle Bezug eines Sachverhalts die Verbandskompetenz der Gemeinschaft nicht schmälert. Der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz wohnt also das Potential inne, sich im kulturellen Bereich auszuwirken 65 • Derartige Auswirkungen sind nicht nur "kulturelle Sekundäreffekte" , wie sie Oppermann für die Bundesgesetzgebung beschrieben hat 66. Vielmehr handelt es sich hierbei um vertraglich vorausgesetzte Auswirkungen. Im Bereich der Zielverwirklichungszuständigkeiten und der Ge- und Verbotsnonnen, die sich ja gerade nicht auf bestimmte Sachbereiche beziehen, kann es zwangsläufig nur zu "Auswirkungen" kommen. Darin besteht geradezu die Bestimmung dieser Vorschriften 67. Dies erklärt zwanglos, weshalb das Fehlen einer ausdrücklichen Aufgabenzuweisung an die Gemeinschaft etwa im Rundfunkbereich - wie vielfach als Argument gegen eine Gemeinschaftskompetenz vorgebracht worden ist 68 - die Befugnis der Gemeinschaft, in diesem Bereich tätig zu werden, in keiner Weise berührt 69 • Damit ist allerdings nicht gesagt, daß schlechthin jede "Auswirkung" kompetenzgemäß ist. Die damit angeschnittene Frage, ob der Kompetenzwahrnehmung
len Bereich von Bedeutung; vgl. dazu Abschnitte B. 1. 4. b) bb) und B. H. 4. a) cc) des zweiten Teils. 63 So zutreffend Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 25; de Wilte, Cultural policy, 198, der es als paradox bezeichnet, daß diese kleine Ausnahme dem Argument der Bereichsausnahme im kulturellen Bereich den Boden entzieht. 64 ZutreffendZuleeg, JöR 1971,3; Wohlfahrt, JIR 1961, 19. Der Bereich der Wirtschaft unterliegt prinzipiell den gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten wie der Bereich der Kultur; vgl. BK / Tomuschat, Art. 24 Rdnr. 18. 65 Ähnlich de Wilte, Scope of Community Powers, 263: "If one were to limit such Community powers by the existence of national policies, then none of the Community acts implementing free movement of workers would be lawful: they all affect policies which basically remain in the hands of national authorities (labour relations, social security etc.)." 66 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 583. 67 So auch de Wilte / Post, 140: "In implementing those objectives the Community institutions necessarily have to cut across the boundaries between substantive policy areas which the States are used to defining for their own intemal purposes." 68 Vgl. nur Koszuszeck, ZUM 1989,546; Delbrück, Rundfunkhoheit, 26, der sich zu Unrecht auf Ipsen, Rundfunk im EG-Recht, 40, beruft. Ipsen bemängelt nicht pauschal das Fehlen einer Rundfunkkompetenz, sondern stellt fest, daß der Rundfunk ,jedenfalls in seiner Funktion als Kommunikations-Instrument, als Medium, nicht ausdrücklich vom Gemeinschaftsrecht einbezogen" werde. 69 So auch Reich, Rundfunkhoheit, 68: Die Feststellung, daß der Gemeinschaft eine ausdrückliche Rundfunkkompetenz fehle, sei ebenso richtig wie für das Verständnis der Entwicklung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht unergiebig.
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durch die Gemeinschaftsorgane im Einzelfall etwa aufgrund unverhältnismäßiger Auswirkungen Grenzen gesetzt sind 70, wird indessen weiter unten behandelt 7!. Steht somit fest, daß "Auswirkungen" gemeinschaftlicher Kompetenzausübung auf Kompetenzbereiche der Mitgliedstaaten das Bestehen einer Gemeinschaftskompetenz nicht beeinträchtigen, ist auch die vielfach aufgestellte Behauptung widerlegt, die Gemeinschaft dürfe nur Materien regeln, deren Schwerpunkt nicht im kulturellen Bereich, d. h. im Bereich mitgliedstaatlicher Zuständigkeit, liege 72. Diese Annahme basiert auf einem unzutreffenden Verständnis der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Einem Abstellen auf den Schwerpunkt einer Materie liegt nämlich die schon zuruckgewiesene Auffassung zugrunde, die Gemeinschaft sei in erster Linie für "Wirtschaft" zuständig, andere den Mitgliedstaaten zustehende Bereiche seien ihr grundSätzlich verschlossen. Dieses Kompetenzverständnis kommt in Formulierungen zum Ausdruck, die ein Tätigwerden der Gemeinschaft in den Mitgliedstaaten verbliebenen Kompetenzbereichen als ein Tätigwerden in "Grenzzonen" gemeinschaftlicher Zuständigkeit 73 oder gar in "Überschneidungsbereichen"74 charakterisieren. Von "Grenzzonen", "Überschneidungsbereichen" oder auch "Randkompetenzen"75 zu sprechen, ist nämlich nur sinnvoll, wenn die Kompetenzen zweier Verbände nach Sachbereichen, nach Politikfeldem, abgegrenzt werden, was - wie gezeigt 76 - im Gemeinschaftsrecht überwiegend nicht der Fall ist 77. Ein Abstellen auf den Schwerpunkt einer Materie würde letztlich doch eine - oben bereits verworfene - Bereichsausnahme für den kulturellen Bereich bewirken, liegt doch zumindest auf dem Gebiet funktionaler Gemeinschaftskompetenzen der Schwerpunkt der Regelungszuständigkeit regelmäßig bei den Mitgliedstaaten 78.
70 Nicht klar ist, ob Fiedler. 165 f., solche Auswirkungen im Auge hat, wenn er die Trennung von Kompetenzwahrnehmung und Auswirkung kritisiert. oder ob er generell das Potential der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz, sich in den Mitgliedstaaten verbliebenen Bereichen "auszuwirken". in Zweifel zieht. Letztgenannte Deutung wäre abzulehnen. 7! Vgl. Abschnitt A. III. dieses Teils. 72 Vgl. etwa Klein. VVDStRL 50 (1991).65; Delbrück. Rundfunkhoheit, 44; Hailbronner. JZ 1990, 153 f.; R. Geiger. 67; Tomuschat. EuR 1990, 360; Vitzthum. AöR 1990, 290. Fn. 28; Kaiser. EuR 1980. 106; besonders pointiert Klein / Beckmann. DÖV 1990, 187: Es dürfe nicht "über einen noch so schwachen Sachzusammenhang ein kompetenzfremder Bereich (Kultur) okkupiert werden"; gegen ein Abstellen auf den Schwerpunkt zutreffend Schwartz. ZUM 1989. 385 f.; Everling. EuR 1987.221. 73 Vgl. etwa Kaiser. EuR 1980, 105. 74 So Ossenbühl. 48. 75 So Klein/ Beckmann. DÖV 1990. 186. 76 Vgl. Abschnitt A. 1. 2. b) dieses Teils. 77 Dies übersehen Ossenbühl. 48. und Delbrück. Rundfunkhoheit, 42 f. 78 In diesem Sinn auch Everling. EuR 1987, 221; Schwartz. ZUM 1989. 385; de Wille. Scope of Community Powers. 263; differenzierend Tomuschat. F.1.D.E. Reports. 40: Da Bildungs- und Kulturpolitik ihrem Schwergewicht nach unter die Verantwortung
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Dem dargestellten Verhältnis gemeinschaftlicher zu mitgliedstaatlicher Verbandskompetenz entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der das Gemeinschaftsrecht, wie im 2. Teil gezeigt, ohne weiteres im kulturellen Bereich anwendet.
3. Die Organkompetenz der Gemeinschaftsinstitutionen a) Art und Umfang der Organkompetenz Die Verbandskompetenz bildet zwar die äußere Grenze der Organkompetenz, in diesem Rahmen kann aber die Organkompetenz grundsätzlich auf zweierlei Arten ausgestaltet sein: Einmal kann den Organen die allgemeine Befugnis zugewiesen werden, alle Maßnahmen zu treffen, um die durch die Verbandskompetenz definierten Aufgaben zu erfüllen. Zum anderen kann die Organkompetenz näher beschrieben sein mit der Folge, daß der Rahmen der Verbandskompetenz unter Umständen nicht ausgeschöpft werden kann 79 • Welches Modell dem EWG-Vertrag zugrunde liegt und wie es durch diesen aus geformt ist, soll im folgenden untersucht werden. Auszugehen ist dabei wiederum - wie auch schon bei der Untersuchung der Verbandskompetenz - von Art. 4 Abs. 1 EWGV, der in seinem zweiten Satz das Handeln der Gemeinschaftsorgane an die ihnen "in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse" bindet. Wenn aber den Organen - wie der Plural deutlich macht - einzelne Befugnisse zugewiesen worden sind, so scheidet das erstgenannte Modell einer allgemeinen Zielverwirklichungszuständigkeit von vornherein aus 80. Die Organkompetenz ergibt sich folglich aus der Summe der zugewiesenen Einzelkompetenzen. Dieses zweite Modell wurde wohl zuerst von Lagrange im Hinblick auf den EGKS-Vertrag als "principe juridique", als Rechtsprinzip bezeichnet, welches jenem Vertrag zugrunde liege, und welches er "principe de comperence d' attribution " nannte 81 • Diese Bezeichnung hat in der Literatur ihren Platz neben anderen Formulierungen gefunden, die der Beschreibung der Gemeinschaftskompetenz dienen sollen. Während Lagrange in erster Linie die Organkompetenz im Auge hatte 82, unterscheidet die Literatur häufig nicht zwischen Verbands- und Organder Mitgliedstaaten falle, stehe diesen insoweit die Kompetenz zu, "die grundlegenden Ordnungsentscheidungen zu treffen". 79 Beide Alternativen erörtert auch Lagrange, RDP 77 (1961), 44 f., für den EGKSVertrag. 80 Die gegenteilige Auffassung wurde früher vereinzelt vertreten, ist aber schon lange nicht mehr im Gespräch; vgl. Bärmann, JZ 1959, 556, der auf die Art. 145, 155 und 189 EWGV abstellt, und - weniger weitgehend - Kraushaar, DÖV 1959, 729. 81 Lagrange, RDP 77 (1961),45. 82 Ebd. In seinen Schlußanträgen in den verb. Rs. 7/56 und 3 / 57 bis 7 / 57, Sig. 1957,83, bezog er den Grundsatz zwar ebenfalls primär auf die Organkompetenz: " ... und der Grundsatz der begrenzten Zuständigkeit (das, was als "verliehene Zuständigkeit" [competence d'attribution] bezeichnet wird) ist im Hinblick auf jedes Organ ausgespro-
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kompetenz 83 . So wird etwa die Auffassung vertreten, das Prinzip finde Ausdruck in verschiedenen Vertragsvorschriften, etwa in den Artikeln 2, 3, 4 und 5 EWGV84. Allerdings enthalten nur die Artikel 4 und 5 EWGV Aussagen über die Gemeinschaftsorgane, während die anderen Artikel allein die Verbandskompetenz betreffen. Im übrigen ist eine große Zahl von Begriffsvariationen anzutreffen, die Wagners Feststellung eines ,,krausen Wortgebrauchs" im Schrifttum zu den europäischen Gemeinschaften 85 zu bestätigen scheinen. So ist die Rede vorn "Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit" 86, vorn ,,Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung"87, vorn "Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung" 88, vorn "Prinzip der enumerativen Einzelermächtigung" 89, vorn "Grundsatz der sog. competence d' attribution" 90 und schließlich vorn "Prinzip begrenzter Zuständigkeit" 91 und vorn ,,Prinzip begrenzter Ermächtigung"92. Die vielfältigen Formulierungen betreffen teilweise nur die Verbandskompetenz 93, teilweise nur die Organkompetenz 94 und teilweise beide Kompetenztypen 95 . Einigkeit scheint nur darüber zu bestehen, daß der Ausgestaltung der Kompetenzen im EWG-Vertrag ein "Prinzip" zugrunde liegt und daß dieses Prinzip in irgendeiner Weise "beschränkend", "begrenzend", "vereinzelnd" wirkt. Die Bedeutung eines solchen ,,Prinzips" für die Organkompetenz ist allerdings gering. Die Herleitung des Prinzips aus der vertraglichen Regelung selbst zeigt, daß es lediglich dazu dient, die Kompetenzzuweisungsmethode zu charakterisieren und daher als formales Prinzip96 für die Ermittlung des Umfangs der Organkompetenz ohne Belang ist 97 . chen: ... " (S. 167); indessen faßte er auch die Beschränkung der Gemeinschaft auf Ziele und Aufgaben darunter (ebd.). 83 Wenn auch die Kompetenz der Organe im Vordergrund steht, wie Wagner, 258, zutreffend hervorhebt. 84 Böhm, 337; auch Schweitzer / Hummer, 108, verorten das Prinzip einerseits in Art. 3 EWGV, andererseits in den Artikeln 145, 155 und 189 EWGV. 85 Wagner, 21. 86 Oldekop, 29. 87 Schwarze, Rundfunk und Fernsehen, 23; Klein / Beckmann, DÖV 1990, 188, Fn. 84; Dorn, 90. 88 C. O. Lenz, DVBI. 1990,904. 89 C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 183; Klein / Beckmann, DÖV 1990, 186; Streinz, Grundrechtsprobleme, 129. 90 Schwarze, Funktionen, 16. 91 Ipsen, EuR 1987, 197. 92 Grabitz/Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 1; ders., NJW 1989, 1778.
93 Vgl. etwa Lenz (Anm. 88 und 89). 94 Vgl. Schwarze (Anm. 90); Dorn (Anm. 87); Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 1; Oldekop (Anm. 86). 95 Grabitz, NJW 1989, 1778. 96 So auch Köck, FS Seidl-Hohenveldem, 294; Böhm, 338.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Dennoch wird zuweilen die Auffassung vertreten, das Prinzip habe eine materielle Bedeutung mit der Folge, daß die Vertragsbestimmungen im Licht dieses Prinzips einschränkend auszulegen seien 98 • Auswirkungen zeitigt diese Einschätzung vor allem bei der vertrags systematischen Einordnung der in ihrem Anwendungsbereich umstrittenen Vorschrift des Art. 235 EWGV. Nach der hier vertretenen Auffassung ist Art. 235 EWGV Ausdruck und Teil des Prinzips, stellt somit eine unter anderen den Gemeinschaftsorganen zugewiesenen Befugnissen dar 99 , nach der dargestellten abweichenden Auffassung eine dem Prinzip zuwiderlaufende, es durchbrechende 100, dadurch aber auch in seinem materiellen Gehalt bestätigende und daher eng auszulegende Ausnahmevorschrift zur Lückenfüllung 101. Eine materielle Bedeutung des Prinzips auf das "Mißtrauen der Mitgliedstaaten zurückzuführen, die nur zu einer eng begrenzten Hoheitsrechtsübertragung auf die Gemeinschaft bereit waren" 102, begegnet Einwänden. Wenn ein derartiges Mißtrauen auch tatsächlich im Spiel gewesen sein mag, so hat es doch im Vertrag keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden 103. Nun aber von einem postulierten Mißtrauen der Mitgliedstaaten bei Vertragsschluß auf ein dem Vertrag stillschweigend zugrundeliegendes, diesen beschränkendes Prinzip zu schließen 104, erscheint methodisch unzulässig. Im Gegenteil: Wenn ein solches Mißtrauen bestimmend gewesen sein sollte, so müßte gerade Verlaß darauf sein, daß nur das Nötigste auf die Gemeinschaft übertragen, mithin auch die Gefahr extensiver Kompetenzausnutzung einkalkuliert und bei der Vertragsformulierung berücksichtigt wurde. Auch eine andere in der Literatur vorgebrachte Begründung für eine materielle Bedeutung des Prinzips erweist sich als nicht tragfähig, weil sie auf einem Zirkelschluß beruht. Es wird nämlich gesagt, die formale Betrachtungsweise werde der Bedeutung des Grundsatzes der begrenzten Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht nicht gerecht, die sich auch aus dem Entscheidungsvorbehalt der Mitgliedstaaten sowie der demokratischen und rechtsstaatlichen Gestaltung der Gemeinschaften ergebe 105. Die materielle Bedeutung wird hier nicht begründet, sondern vorausgesetzt. Gründe für eine materielle Bedeutung des Prinzips sind somit nicht ersichtlich. Dem entspricht, daß der im Völkerrecht teilweise vertretene Auslegungsgrundsatz, Souveränitätsbeschränkungen eng auszulegen 106, für das Gemeinschaftsrecht nicht anerkannt wird 107. So auch Gericke, 106 f. Dorn, 95; Klein / Beckmann, DÖV 1990, 186. 99 So auch Schwartz, EuR 1976, Sonderheft, 36 f; Gericke, 104. 100 So Schweitzer / Hummer, 109; Schweitzer, Rechtsetzung, 22. 101 So Rabe, 70; von Meibom, NJW 1968,2166. 102 So Rabe, 71. 103 So zutreffend Böhm, 337. 104 Wenn auch Rabe, 71, formal umgekehrt vorgeht und das Prinzip mit dem mitgliedstaatlichen Mißtrauen "erklärt". 105 So Dorn, 92. 97
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Eine formale Betrachtung wird auch der Stellung des Art. 235 EWGV im Vertrag besser gerecht. Diese Vorschrift befindet sich im sechsten Teil "Allgemeine und Schlußbestimmungen". Da die "Schlußbestimmungen" erst mit Art. 247 EWGV beginnen, muß Art. 235 EWGV eine "allgemeine" Vorschrift sein. Eine allgemeine Kompetenzvorschrift eng auszulegen, erscheint widersinnig. Auch bietet Art. 235 EWGV - ohne das dies hier vertieft werden könnte - für eine restriktive Auslegung kaum Anhaltspunkte, ragt vielmehr aus den anderen Vertragsvorschriften aufgrund seiner Bezogenheit auf die Gemeinschaftsziele, d. h. auf die Verbandskompetenz, heraus. Der Gerichtshof hat die hier vertretene Auffassung - wenn auch nicht ausdrücklich hinsichtlich des Prinzips der begrenzten Ermächtigung - mit den Worten bestätigt, die Schranken für eine Befugnis, die der Kommission durch eine spezielle Bestimmung des Vertrages übertragen worden sei, folgten "nicht aus einem allgemeinen Grundsatz, sondern aus dem Wortlaut der betreffenden Bestimmung selbst" 108. Daher sollte der irreführende Begriff des Prinzips fallengelassen 109 oder aber inhaltlich "entschärft" werden, etwa - in Anlehnung an eine von lpsen gebrauchte Formulierung 110_ durch die Bezeichnung als "Prinzip der Vertragsgemäßheit aller Handlungen der Organe". b) Folgerungen für den kulturellen Bereich Für den kulturellen Bereich ergeben sich aus den vorstehenden Ausführungen keine Besonderheiten. Die Gemeinschaftsorgane können auch in diesem Bereich nur aufgrund zugewiesener Befugnisse handeln. Wie oben näher dargestellt, enthält das Gemeinschaftsrecht im Bildungsbereich 111 und im Wissenschaftsbereich 112, nicht dagegen im Bereich der Kultur im engeren Sinn eine Anzahl von speziell diese Bereiche betreffende Vorschriften. Darüber hinaus sind die Gemeinschaftsorgane grundsätzlich befugt, ihre Kompetenzen auch im kulturellen Bereich wahrzunehmen und so die oben beschriebe106 Köck, Vertragsinterpretation, 52, weist darauf hin, daß die internationale Praxis dem nicht folgt. Auch Bernhardt, FS Kutscher, 19, stellt fest, daß die Betonung der staatlichen Souveränität bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge zunehmend zurücktritt. 107 Vgl. Bleckmann, EuR 1979, 247; Ophüls, FG Müller-Armack, 288. 108 Urteil vom 6. Juli 1982, verb. Rs. 188 bis 190/80 (Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich / Kommission), Slg. 1982, 2545 (2573). 109 In diesem Sinn auch Everling, EuR 1976, Sonderheft, 17: Aus einem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigungen, "das dem Vertrag angeblich zugrundeliegen soll", könne nicht hergeleitet werden, daß Art. 235 EWGV nur zur Abrundung bestehender konkreter Kompetenzen dienen könne; Hervorhebung hinzugefügt. 110 Ipsen, EuR 1987, 197. III Abschnitt A. 1. des ersten Teils. 112 Abschnitt B. 1. des ersten Teils.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
ne Verbands kompetenz der Gemeinschaft zu aktualisieren. Der Gerichtshof hat dies in dem Urteil vom 3. Juli 1974 in der Rs. 9/74 (Casagrande) mit der schon klassischen Formulierung beschrieben, die Bildungspolitik gehöre zwar als solche nicht zu den Materien, die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen habe. Daraus folge aber nicht, "daß die Ausübung der der Gemeinschaft übertragenen Befugnisse irgendwie eingeschränkt wäre, wenn sie sich auf Maßnahmen auswirken (könne), die zur Durchführung etwa der Bildungspolitik ergriffen worden" seien 113. 4. Die Dynamik des Gemeinschaftsrechts
a) Der Befund des EWG-Vertrages Die Feststellung, daß dem Gemeinschaftsrecht eine Dynamik innewohnt, bedarf nach den vorstehenden Ausführungen zur Verbandskompetenz keiner näheren Begründung. Die dargelegte Zielbezogenheit des EWG-Vertrages bedingt, daß in ihm ein dynamisches Potential angelegt ist. Die Dynamik ist lediglich ein Aspekt der Teleologie: Während der Begriff der Teleologie das zu erreichende Ziel, also den Endzustand betont, tritt im Begriff der Dynamik die Bewegung auf das Ziel stärker hervor 114 • Falsch wäre es indes, den Begriff der Dynamik mit dem der Automatik gleichzusetzen in dem Sinn, daß der dynamische Prozeß zwangsläufig ablaufen müßte 115. Abgesehen von der stets erforderlichen Handlungsbereitschaft und -fähigkeit der Gemeinschaftsorgane bedarf dieser Prozeß "regelmäßiger politischer Impulse von seiten der Mitgliedstaaten" 116. Auch ist der Begriff der Dynamik im Gemeinschaftsrecht ein anderer, als derjenige, der gelegentlich zur Kennzeichnung staatlicher Integration verwendet wird 117. Es geht gerade darum, die prinzipielle Dynamik der Gemeinschaftsverfassung von der prinzipiellen Statik der Staatsverfassungen abzugrenzen 118. Die Anlage der
113 Slg. 1974, 773 (779); vgl. zur Deutung dieser Formulierung genauer de Witte, Scope of Community Powers, 263. 114 Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 1982, Stichwort: Dynamik: Bewegtheit in positiv empfundener Weise. 115 Dies klingt bei Hallstein, Probleme, 6, an, wenn er von einer Sachlogik spricht, die den Integrationsprozeß immer weiter vorantreibe; vgl. auch von Simson, 58, der von einer "sozusagen eingebaute(n) Dynamik" spricht. 116 So zutreffend Kaiser, FS Hallstein, 272. 117 Vgl. etwa Meyer-Cording, FG Müller-Armack, 293: Der Staat existiere in erster Linie in einem dynamischen Prozeß beständiger Aktualisierung, Reproduzierung und Erneuerung der geistig-seelischen Übereinstimmung der Bürger über seine Ziele und Sinngehalte. Diese Form der Dynamik wohnt sicher auch der Gemeinschaft inne, ist jedoch von anderer Art als die beschriebene; näher dazu auch Kaiser, FS Hallstein, 267 f. 118 Vgl. etwa Magiera, Bundesstaat, 18, der die "als dauerhaft konzipierten Verhältnisse im Bundesstaat" den "auf Entwicklung angelegten Verhältnisse(n) in der Gemeinschaft" gegenüberstellt; so auch Ophüls, FG Müller-Armack, 289, der nicht nur für den
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Gemeinschaft "auf ständige Fortentwicklung und zunehmende Integration" 119 äußert sich in der Ausfüllungsbedürftigkeit des EWG-Vertrages, der lediglich ein "umfassend-undeutliches Ziel" beschreibt 120. Zutreffend ist der EWG-Vertrag daher als Rahmenvertrag, als traite cadre, bezeichnet worden 121, plastischer noch von Ipsen als "Wandelverfassung" 122. Die Ausgestaltung des dynamischen Elements im EWG-Vertrag soll im folgenden näher dargestellt werden. Dabei werden nicht die Präambel und die einzelnen Vertragsvorschriften auf ihren dynamischen Gehalt untersucht, wie er etwa in Art. 8 EWGV durch die Festlegung einer Übergangszeit, in Art. 8a EWGV durch die Terminierung der Vollendung des Binnenmarktes auf den 31.12.1992 oder in Art. 155 EWGV durch die Verpflichtung der Kommission auf die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zum Ausdruck kommt. Vielmehr soll die Dynamik des Gemeinschaftsrechts anband der Dynamik der gemeinschaftlichen Rechtsetzung dargestellt werden. Wesensmerkmal gemeinschaftlicher Rechtsetzungskompetenzen ist - sofern sie nicht als ausschließliche Kompetenzen ausgestaltet sind - , daß die Mitgliedstaaten diese vor ihrer Ausübung durch die Gemeinschaft selbst wahrnehmen können. Insofern wird überwiegend von konkurrierenden Gemeinschaftskompetenzen gesprochen 123. Ob eine exklusive oder eine konkurrierende Gemeinschaftskompetenz vorliegt, ist im Auslegungsweg zu ermitteln 124. Im Zweifel ist von einer konkurrierenden Zuständigkeit auszugehen 125. Der Begriff der konkurrierenden Zuständigkeit ist nicht zu verwechseln mit demjenigen der kumulativen Konkurrenz der Zuständigkeiten 126. Dieser Begriff dient der allgemeinen Charakterisierung des Verhältnisses zwischen gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Kompetenzen, das sich dadurch auszeichnet, daß die mitgliedstaatlichen Kompetenzen - auch im Bereich exklusiver gemein-
"Durchschnitt der Staatsverfassungen", sondern auch für den "Durchschnitt der internationalen Verträge" den Zweck diagnostiziert, "ein endgültiges Gleichgewicht zu finden". 119 So Magiera, Bundesstaat, 14. 120 Von Simson, 58. 121 Vgl. nur Schwarze, Funktionen, 16; Louis, Rechtsordnung, 55. 122 Ipsen, EuR 1987,201. 123 Anders aber Bieber, ELR 1988, 147 ff., der von "parallel powers" spricht; kritisch zum Begriff der konkurrierenden Kompetenzen V. Constantinesco, Competences, 280: Es könne niemals einen Wettstreit (concours) geben, wenn die Kompetenzen nur von dem einen oder dem anderen Kompetenzträger ausgeübt würden. Constantinesco schlägt als Alternativen die Begriffe "competences successives" oder "competences alternatives" vor (S. 279, Fn. 5). 124 Bieber, Rolle der Mitgliedstaaten, 294. 125 Bieber, Rolle der Mitgliedstaaten, 295; Bleckmann, Bindungswirkung, 205; Klein, VVDStRL 50 (1991), 63; Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 20; in diesem Sinn auch Schweitzer, Rechtsetzung, 29. 126 So aber U. Becker, 38 f.
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schaftlieher Zuständigkeit - bestehen bleiben und nicht gleichsam dinglich ausgeschieden werden 127, wenn sie auch letztlich dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht weichen müssen 128. Im Bereich konkurrierender Gemeinschaftskompetenzen äußert sich die dem Vertrag zugrundeliegende Dynamik in der Weise, daß die konkurrierende Zuständigkeit sich durch ihre Wahrnehmung in eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz umwandelt 129. Die Kompetenzverteilung ist also - wie Ophüls zutreffend festgestellt hat - gekennzeichnet durch ein "Gefälle zur ausschließlichen Hoheit der Gemeinschaft" 130. Erst durch die Wahrnehmung einer konkurrierenden Kompetenz auf Gemeinschaftsebene aktualisiert sich der im EWG-Vertrag angelegte Kompetenzverlust auf seiten der Mitgliedstaaten. Dieser Kompetenzverlust erfaßt nicht nur den Innenbereich der Gemeinschaft, sondern ebenso das Recht der Mitgliedstaaten, auf dem betreffenden Gebiet völkerrechtliche Verträge zu schließen 131. b) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs Maßgebenden Anteil an der Realisierung der dem EWG-Vertrag eigenen Dynamik hat der Gerichtshof durch die von ihm praktizierte Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Ohne daß hier die einzelnen von ihm angewandten Auslegungsmethoden näher untersucht werden müßten, kann festgestellt werden, daß der Gerichtshof - selbstverständlich ausgehend vom Wortlaut 132 - eine an Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift und an den Vertragszielen orientierte Auslegung vornimmt 133, die als teleologische Auslegung bezeichnet werden kann 134. 127 Vgl. dazu Grabitz. Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 70; Ipsen. Europäisches Gemeinschaftsrecht, 431. 128 Vgl. dazu grundlegend das Urteil der Gerichtshofs vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64 (Costa / ENEL), Slg. 1964, 1251 (1270). Ehlers. DVBI. 1991,608, bezeichnet die Lehre vom Anwendungsvorrang als herrschend; zu dieser Lehre vgl. Ipsen. EuR 1979,236 f.; Zuleeg. NVwZ 1987,281. 129 So die einhellige Meinung in der Literatur; vgl. etwa Bieber. ELR 1988, 151/ 153; Oppermann. Europäische Integration, 100; Fastenrath. NJW 1983.494; Wohlfahrt. JIR 1961, 29 f.; Ophüls. FS Heymanns Verlag, 576; vgl. auch das diese Auffassung bestätigende Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1971, Rs. 22/70 ("AETR"), Slg. 1971,263 (276). 130 Ophüls. FG Müller-Arrnack, 289. 131 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1971, Rs. 22/70 ("AETR"), Slg. 1971, 263 (275 f.); Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1976, verb. Rs. 3,4 und 6 / 76 (Kramer), Slg. 1976, 1279 (1310). 132 Vgl. Schlochauer. FS Hallstein, 448. 133 In dem Urteil vom 21. Februar 1973, Rs. 6/72 (Continental Can). Slg. 1973.215 (244), betonte der Gerichtshof, es müsse "auf Geist, Aufbau und Wortlaut von Artikel 86 sowie auf System und Ziele des Vertrages zurückgegriffen werden"; ähnlich in dem Urteil vom 5. Februar 1963, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963,3 (24). 134 Vgl. nur Bleckmann. EuR 1979,242 f.; Kutscher. Thesen, 1-31 ff.
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Nur eine Variante dieser Auslegungsmethode stellt es dar, wenn der Gerichtshof eine Vorschrift im Sinne praktischer Wirksamkeit auslegt I35. In diesem Fall ist von" effet utile" die Rede 136. Unzutreffend wäre es aber anzunehmen, die teleologische Auslegungsmethode sei eine unter mehreren Methoden, aus denen der Gerichtshof im Einzelfall auswählen könne. Der Gerichtshof steht nicht als objektive Instanz über dem Recht der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten, er ist Teil der Gemeinschaft, seine Rechtsprechung Bestandteil eines politischen Prozesses 137. Seine Funktion - wie auch die der anderen Gemeinschaftsorgane - ist es letztlich, den Integrationsprozeß zu fördern. Folglich hat der Gerichtshof die Rechtspflicht, das Gemeinschaftsrecht in einer an dem Integrationsziel orientierten Weise auszulegen 138. Dabei hält sich der Gerichtshof den Weg für eine dynamische Entwicklung seiner Auslegung selbst offen, indem er häufig auf den "Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts" 139 oder auf den Umstand abstellt, daß eine Gemeinschaftspolitik sich schrittweise entwickele 140. Nur scheinbar im Widerspruch zur Methode der dynamischen Auslegung, ja zur Dynamik des Gemeinschaftsrechts insgesamt, steht der vom Gerichtshof formulierte Grundsatz, eine von ihm vorgenommene Auslegung des Gemeinschaftsrechts erläutere und verdeutliche, "in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden (sei) oder gewesen wäre" 141. Mit diesem Satz wird lediglich für den Zeitpunkt der Auslegung die der Auslegung zugrundeliegende Dynamik ausgeblendet, m. a. W. die Dynamik wirkt nicht nur nach vom, sondern auch zurück, es wird eine einheitliche Geltung des Rechts in zeitlicher Hinsicht fingiert. Eine solche Fiktion kann schwerwiegende Auswirkungen auf in der Vergangenheit begründete und zur Zeit der Auslegungsentscheidung noch wirksame Rechtsverhältnisse haben. Aus Gründen der Rechtssicherheit versagt der Gerichtshof seiner Entschei135 Vgl. Urteil vom 13. Febraur 1969, Rs. 14/68 (Walt Wilhelm), Sig. 1969, I (14); Urteil vom 12. Juli 1973, Rs. 8/73 (Massey-Ferguson), Sig. 1973, 897 (907); Urteil vom 9. Juli 1987, verb. Rs. 281, 283 bis 285 und 287/85 ("Wanderungspolitik"), Sig. 1987, 3203 (3253); Urteil vom 30. Mai 1989, Rs. 242/87 (ERASMUS), Sig. 1989, 1425 (1453). 136 Vgl. dazu ausführlich Böhm, 72 ff. 137 So Everling, FS Kutscher, 183. 138 So im Ergebnis auch Kutscher, Thesen, 1-17 und 1-31 ff.; Nicolaysen, Europarecht I, 49; vgl. auch Siedentopj/ Huber, 45: Die zielgerichtete, systematisch hierarchische Gliederung der Verträge dränge geradezu zu teleologischer Rechtsfindung. 139 Vgl. für viele Urteil vom 21. Juni 1988, Rs. 39/86 (Lair), Sig. 1988, 3161 (3195); nach Ress / Bieber, 14, handelt es sich hierbei um einen "Schlüsselbegriff der Judikatur des EuGH". 140 So in dem Urteil vom 13. Februar 1985, Rs. 293 / 83 (Gravier), Slg. 1985,593 (613). 141 Vgl. das Urteil vom 27. März 1980, Rs. 61 /79 (Denkavit), Sig. 1980, 1205 (1223); Urteil vom 2. Februar 1988, Rs. 24/86 (Blaizot), Slg. 1988,379 (406); Hervorhebung hinzugefügt.
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dung daher die Rückwirkung im Hinblick auf "eine erneute Sachentscheidung über die im guten Glauben begründeten Rechtsverhältnisse" 142. Wie somit gezeigt, wird der Grundsatz dynamischer Auslegung durch das beschriebene Vorgehen des Gerichtshofs nicht widerlegt, sondern bestätigt. c) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung den dynamischen Charakter der Gemeinschaftsrechtsordnung und seine grundsätzliche Vereinbarkeit mit Art. 24 Abs. 1 GG anerkannt. Schon in dem Beschluß vom 18. Oktober 1967 bezeichnete das Gericht die EWG als "eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art, eine ,zwischenstaatliche Einrichtung' im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG" 143. Daran knüpfte es in dem Beschluß vom 29. Mai 1974 ("Solange I") an und stellte im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens bei vermuteter Verletzung der Grundrechte des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht fest, "der gegenwärtige Stand der Integration (sei) von entscheidender Bedeutung", die Gemeinschaft entbehre "insbesondere noch eines kodifizierten Grundrechtskatalogs" 144. In deutlicher Weise umschrieb das Bundesverfassungsgericht die durch Art. 24 Abs.l GG ermöglichte Integration in dem Beschluß vom 23. Juni 1981 ("Eurocontrol I"). Die sachliche Reichweite von Art. 24 Abs. 1 GG sei auch mit Blick auf die Art und Weise zu bestimmen, in der Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift auf der zwischenstaatlichen Ebene errichtet würden und funktionierten. Dies geschehe "typischerweise im Rahmen eines Integrationsprozesses , in dessen zeitlichem Verlauf zahlreiche einzelne Vollzugsakte erforderlich (seien), um den im Gründungsvertrag angestrebten Zustand herbeizuführen" 145. Inhalt, Form und Zeitpunkt der Integrationsschritte müßten nicht schon im Gründungsvertrag selbst festgelegt sein, der künftige Vollzugsverlauf müsse lediglich hinreichend bestimmbar normiert sein und sich im Rahmen des "dort angelegten Integrationsprogramms" abspielen 146. Ausdrücklich anerkannt hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 8. April 1987 auch die Befugnis des Gerichtshofs zur Rechtsfortbildung, womit dieser allerdings nicht die Gemeinschaftskompetenzen beliebig erweitern dürfe 147. Zur teleologischen Auslegungsmethode schließlich äußerte das Gericht, "nachgerade geboten (sei) es indessen, vorhandene Kompetenzen der GemeinSig. 1988,406 (Anm. 141). BVerfGE 22, 293 (296). 144 BVerfGE 37, 271 (280), Hervorhebung hinzugefügt. 145 BVerfGE 58, 1 (36), Hervorhebung nicht hinzugefügt; ebenso Urteil vom 18. Dezember 1984 ("Pershing"), BVerfGE 68, 1 (98). 146 BVerfGE 58, 1 (37). 147 BVerfGE 75, 223 (243). 142 143
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
207
schaft im Licht und im Einklang mit den Vertragszielen auszulegen und zu konkretisieren" 148. 11. Modalitäten gemeinschaftlicher Kompetenzausübung im kulturellen Bereich
1. Einleitung Im vorangegangenen Abschnitt wurde festgestellt, daß die Gemeinschaftsorgane grundsätzlich befugt sind, ihre nicht speziell den kulturellen Bereich betreffenden Kompetenzen ohne Rücksicht darauf auszuüben, daß der zu regelnde Sachverhalt Bezüge zum kulturellen Bereich aufweist 149. Eine Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane knüpft hier regelmäßig an die wirtschaftliche Dimension eines Sachverhalts an, die ihn als Teil des "Wirtschaftslebens" im Sinne von Art. 2 EWGV erscheinen läßt 150. Für das Gemeinschaftsrecht relevante Tatbestände mit kulturellem Bezug weisen somit meist eine "Doppelnatur" 151 auf, eine wirtschaftliche und eine kulturelle 152. Beide Dimensionen sind untrennbar miteinander verbunden 153, so daß die Beeinflussung der einen stets auch Auswirkungen auf die andere haben kann. Aufgrund dieses Zusammenhangs sehen sich die Gemeinschaftsorgane gegenläufigen Forderungen ausgesetzt. Eine Reihe von Stimmen in der Literatur ermuntert sie oder hält es sogar für unerläßlich, den kulturellen Charakter eines Sachverhalts auf Gemeinschaftsebene in Rechnung zu stellen 154, setzt mithin eine entsprechende Befugnis voraus. Andere Stimmen kritisieren zwar - insofern übereinstimmend mit der erstgenannten Ansicht - die auf Gemeinschaftsebene angeblich vorherrschende rein wirtschaftliche Betrachtungsweise, halten dies aber aufgrund der wirtschaftlichen Natur gemeinschaftlicher Kompetenzen für Ebd., S. 242; Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. Abschnitt A. I. 3. b) dieses Teils. 150 Zutreffend insoweit Kaiser, EuR 1980, 106. 151 Diesen Begriff verwendet Fiedler, 175. 152 Vgl. etwa Everling, Instrumente, 24, der vom "DoppeIcharakter" des Buches spricht. Den gleichen Begriff verwendet Delbrück, Rundfunkhoheit, 41, hinsichtlich des Rundfunks; vgl. auch Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 24: Jede kulturelle Tätigkeit besitze gleichzeitig eine wirtschaftliche Komponente. Nicht zu übersehen ist allerdings, daß eine derartige Kennzeichnung weitere Dimensionen des fraglichen Sachverhalts unberücksichtigt läßt. Dagegen ist so lange nichts einzuwenden, als es nur darum geht, die vorliegend interessierenden Merkmale hervorzuheben. Nicht aber können aus dem "DoppeIcharakter" grundsätzliche Einwände gegen eine Zuständigkeit der Gemeinschaft hergeleitet werden; so aber Delbrück, ebd. 153 So auch Franzone, RMC 1988,275, im Hinblick auf den Rundfunk; Rovan, 103: Jede kulturelle Aktivität baue auf einem ökonomischen Sockel auf. 154 SO Z. B. Dietz, Harmonisierung, 59 f.; Stock, RuF 1989, 181 f.; Blaukopf, Media Perspektiven 1989,557; J. Becker, EG-Magazin 10/1989,21. 148
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
konsequent und daher die Gemeinschaftsebene im Hinblick auf kulturelle Sachverhalte als Regelungsebene zumindest für ungeeignet 155. Die Berechtigung des Vorwurfs einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf Gemeinschaftsebene soll hier nicht weiter verfolgt werden 156. Vielmehr wird der Frage nachgegangen, ob die Gemeinschaftsorgane bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen im kulturellen Bereich tatsächlich auf eine wirtschaftliche, allein an Marktgesichtspunkten orientierte Betrachtungsweise beschränkt sind oder ob und in welcher Weise sie der kulturellen Dimension eines Sachverhalts Rechnung tragen können oder sogar müssen.
2. Die Zulässigkeit der Berücksichtigung des kulturellen Charakters eines Regelungsgegenstandes Vorab ist festzustellen, daß eine Berücksichtigung der kulturellen Eigenschaften eines Sachverhalts überhaupt nur in Betracht kommt, wenn sie sich im Rahmen der jeweiligen Ermächtigungsnorm hält. Die kulturelle Besonderheit einer Materie rechtfertigt keine Überschreitung des vertraglichen Kompetenzrahmens. Daher kann die Kommission z. B. die in Art. 4 Abs. I der Fernsehrichtlinie enthaltene sog. Quotenregelung nicht damit rechtfertigen, sie habe "immer darauf geachtet, daß die Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Kulturgüter und Dienstleistungen den Besonderheiten des Sektors Rechnung" trügen 157. Denn die Quotenregelung ist von den der Fernsehrichtlinie zugrundeliegenden Ermächtigungsnormen nicht gedeckt 158. Das Recht oder gar die Pflicht, die kulturelle Eigenart eines Sachverhalts in einem Rechtsakt zu berücksichtigen, wäre ausgeschlossen, müßten die Gemeinschaftsorgane aufgrund der zweifellos überwiegend wirtschaftlichen Zielsetzungen des EWG-Vertrages einen Tatbestand stets allein unter ökonomischem Blickwinkel betrachten, mithin seine kulturelle Dimension ignorieren 159. Schon ein 155 So z. B. L. Seidel, NVwZ 1991, 125; Betz, Media Perspektiven 1989,685; Stoiber, EA 1987,546; Scharf, 152; Kuch, 6; Dicke, Media Perspektiven, 1989, 196; vgI. auch Hoffmann-Riem, Rundfunk in Europa, 78: Die Handlungskompetenzen der EG seien vorrangig auf eine ökonomisch verstandene Liberalisierung ausgerichtet, die speziell ökonomische Ausrichtung des Vorgehens der Kommission im Rundfunkbereich entspreche "der Logik ihres Handlungsrahmens". Everling, EuR 1990,207, Fn. 49, hält es für widerspriichlich, die angeblich rein wirtschaftliche Ausrichtung der Gemeinschaft zu bemängeln, ihr aber zugleich Übergriffe in politische Bereiche, etwa den Bereich der Gesundheitspolitik, vorzuwerfen; ähnlich Schwartz, ZUM 1991, 165, für den Bereich des Rundfunks. 156 Schwartz, ZUM 1989, 385, vertritt z. B. hinsichtlich der Fernsehrichtlinie die Auffassung, dort würden "Fernsehsendungen, namentlich Filme, als Kulturgüter anerkannt und behandelt". 157 So Kommissionsvizepräsident Bangemann am 1. März 1990 in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 1101/89, ABI. EG C 125/34. 158 VgI. dazu näher oben Abschnitt B. H. 4. b) cc) des zweiten Teils. 159 So offenbar Eise1stein, NVwZ 1989, 328.
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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erster Blick in den EWG-Vertrag zeigt indessen, daß die Gemeinschaft keineswegs auf eine streng ökonomische Zielsetzung fixiert ist 160. So rechtfertigt etwa Art. 2 EWGV nicht ein ungezügeltes Wirtschaftswachstum, "nicht Wachstum um jeden Preis" 161, sondern allein eine "harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens" sowie eine "ausgewogene Wirtschaftsausweitung" 162. Auch umfaßt das Ziel der beschleunigten "Hebung der Lebenshaltung" über den wirtschaftlichen Bereich hinausreichende Verbesserungen der Lebensqualität 163. Die wirtschaftliche Zielsetzung muß - wie Bleckmann schreibt - "in den Gesamtrahmen aller europäischen Allgemeininteressen eingeordnet werden" 164. Zutreffend bezeichnet Tomuschat eine Gemeinschaftspolitik, "ausschließlich aus der Perspektive des homo oeconomicus konzipiert", als "rechte Pfuscherei" 165. Demnach kann keine Rede davon sein, daß die Gemeinschaftsorgane bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse allein das Ziel größtmöglicher wirtschaftlicher Effizienz verfolgen müßten. Die Auswirkungen dieser Feststellung sollen anhand der Befugnis zur Rechtsangleichung gemäß den Artikeln 100 und 100a EWGV verdeutlicht werden, einer Befugnis, der auch nationale Regelungen mit kulturpolitischer Zielsetzung unterfallen können, etwa im Bereich des Urheberrechts oder der Buchpreisbindung. Im Falle ihrer Angleichung wird eine Sachentscheidung in dem zu harmonisierenden Bereich auf Gemeinschaftsebene erforderlich 166, denn im Rahmen der Rechtsangleichung müssen die Gemeinschaftsorgane "alle nationalen öffentlichen Interessen verfolgen ... , welche die verschiedenen koordinierten nationalen Regelungen vorher angestrebt haben" 167. Der "formale Harmonisierungszweck" liefert allerdings keine inhaltlichen Maßstäbe 168. Der Erfolg der Rechtsangleichung stellt sich nämlich bereits ein, wenn das nationale Recht irgendwie angeglichen ist. Daher müssen die Gemeinschaftsorgane auf dem harmonisierten Gebiet eine eigenständige Politik entwik160 Vgl. Magiera, Ansätze, 17: Die Zielsetzung der Gemeinschaft weise über den wirtschaftlichen Bereich hinaus; dazu näher Abschnitt D. 1II. 2. a) aa) dieses Teils. 161 GTE/Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 2 Rdnr. 13. 162 Hervorhebungen hinzugefügt. 163 GTE / Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 2 Rdnr. 15. 164 Vgl. Bleckmann, EuR 1979,245; in diesem Sinn auch Schwartz, ZUM 1989,384, im Hinblick auf Art. 57 Abs.2 EWGV: Diese Vorschrift verlange keineswegs eine einseitig wirtschaftliche Betrachtung, lasse vielmehr Raum für die Berücksichtigung anderer Interessen wie z. B. den Schutz der Sparer, der Versicherten, der Rechtspflege, der Verbesserung der Ausbildung oder des medizinischen Fortschritts. 165 Tomuschat, EuR 1976, Sonderheft, 60. 166 So etwa Rambow, EuR 1981,243; Roth, EuR 1986,355; anders offenbar Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 20: Allein die gezielte Regelung des marktrelevanten Vorgangs selbst sollte als in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft fallend angesehen werden, nicht aber eine darüber hinausgehende Gestaltung etwa seines kulturpolitischen Gehalts. 167 Bleckmann, FS Kutscher, 30. 168 Scheuing, EuR 1989, 162.
14 Niedobitek
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
keIn, für die das Gemeinschaftsrecht keine Maßstäbe, insbesondere nicht - wie gezeigt - den Maßstab einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise, enthält. Die Sachprobleme, die den nationalen Regelungen zugrunde lagen, müssen also auf Gemeinschaftsebene neu bewertet werden 169. Eine ,,Ausblendung" der kulturellen Dimension einer anzugleichenden Materie, eine ,,kulturelle Nichtentscheidung" , verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht. Demnach ist es zulässig, daß die Kommission im Rahmen der Annäherung der Mehrwertsteuersätze Bücher, Zeitungen und Zeitschriften als "lebensnotwendige Güter" einstuft und für diese einen ermäßigten Steuers atz vorschlägt 170. Aber auch wenn die Kommission die erwähnten kulturellen Güter dem Normalsteuersatz zuordnen würde, könnte dies eine Berücksichtigung der kulturellen Dimension von Druckerzeugnissen darstellen, obschon möglicherweise eine kulturpolitisch fragwürdige. Von der Aufgabe, eine so oder so wertende Entscheidung im Hinblick auf die kulturelle Dimension eines Sachverhalts zu treffen man mag insofern von einer kulturpolitischen Entscheidung sprechen - , kann die Gemeinschaft nicht unter Hinweis auf eine angeblich rein wirtschaftliche Zielrichtung des EWG-Vertrages befreit werden. Jacques Delors hat dies mit den Worten umschrieben, Kultur sei nicht irgendeine Ware, man könne mit ihr nicht wie mit Kühlschränken oder Autos umgehen 171. Es leuchtet auch nicht ein, daß die Ziele und Interessen der Mitgliedstaaten, die nicht wirtschaftspolitischer Art sind, nur deshalb keine Berücksichtigung mehr finden sollten, weil eine Materie nicht mehr durch sie selbst, sondern durch die Gemeinschaft geregelt wird. Denn die Sachprobleme, die die nationalen Regelungen erforderlich machten, bestehen im Gemeinsamen Markt fort 172. Dies bedeutet, daß sich die nationalen Einzelinteressen im Rat zu einem Gemeinschaftsinteresse zusammenfinden müssen 173. Selbstverständlich bezieht sich diese Aussage nur auf solche Ziele und Interessen, deren Verfolgung vom primären Gemeinschaftsrecht nicht verboten ist. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß sich die vertraglichen Verbote in erster Linie an die Mitgliedstaaten wenden und ihnen Maßnahmen verbieten, die sie "in der Optik ihres jeweiligen nationalen Marktes ergriffen haben" 174. Wenn dagegen die Gemeinschaftsorgane handeln, so tun sie dies "im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft" 175. Daraus folgt, So Grabitz / Langeheine, Kommentar zum EWGV, Art. 100 Rdnr. 4. Vgl. die Antwort des Kommissionsmitglieds Scrivener am 29. Januar 1990 auf die Schriftliche Anfrage Nr. 979/89, ABI. EG C 283/5. 171 Zitiert bei Maggiore, 40. 172 So Matthies, GS Sasse, 128. 173 Die Mitgliedstaaten sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs befugt, im Rat ihre jeweiligen nationalen Interessen zur Geltung zu bringen, während es der Kommission obliegt, das Gemeinschaftsinteresse zu wahren; vgl. Urteil vom 14. März 1973, Rs. 57/72 (Westzucker), Slg. 1973,321 (341); Urteil vom 7. Februar 1979, Rs. 128/ 78 (Kommission/Großbritannien), Slg. 1979,419 (429). 174 Matthies, GS Sasse, 127, im Hinblick auf die Warenverkehrsfreiheit. 169
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A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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daß die Gemeinschaftsorgane z. B. auch im kulturellen Bereich Rechtsakte erlassen dürfen, die geeignet sein können, die vertraglichen Grundfreiheiten einzuschränken, wenn diese Maßnahmen nur tendenziell der Verwirklichung der Vertragsziele dienen 176. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs stützt die hier vertretene Auffassung. So stellte der Gerichtshof in dem Urteil vom 29. Februar 1984 in der Rs. 37/ 83 (REWE-Zentrale / Landwirtschaftskammer Rheinland) 177 im Hinblick auf die in jenem Fall umstrittene Richtlinie fest, neben dem Abbau von Hindernissen für den freien Warenverkehr solle "im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft durch die Richtlinie die landwirtschaftliche Erzeugung gegen die erheblichen Schäden geschützt werden, die durch Schadorganismen verursacht werden" könnten 178. Wenngleich die in der Richtlinie zugelassenen Pflanzenkontrollen auch letztlich einem wirtschaftlichen Ziel, nämlich dem des Schutzes der landwirtschaftlichen Erzeugung, dienen, deutet die Bezugnahme auf das allgemeine Interesse der Gemeinschaft darauf hin, daß die Gemeinschaftsorgane befugt sind, auch nicht ausdrücklich im EWG-Vertrag genannte, den Mitgliedstaaten gemeinsame Interessen und Ziele zu verfolgen. Die Richtigkeit dieser Auslegung bestätigt das Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rs. 131 /86 (Vereinigtes Königreich / Rat) 179. Der Gerichtshof entschied, bei der Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik dürfe von Erfordernissen des Allgemeininteresses, wie etwa des Verbraucherschutzes oder des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren, denen die Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Befugnisse Rechnung zu tragen hätten, nicht abgesehen werden 180. Dem Recht der Gemeinschaftsorgane, im Rahmen ihrer Befugnisse die kulturelle Dimension eines Sachverhalts zu berücksichtigen, korrespondiert eine entsprechende Pflicht l81 • Dies folgt aus der Erwägung, daß die rechtmäßige Ausübung des Ermessens die Kenntnis aller in Betracht kommenden Merkmale einer Materie voraussetzt 182. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß der kulturelle Bezug 175
(17).
Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 1977, Rs. 46/76 (Bauhuis), Slg. 1977,5
176 In diesem Sinn Matthies, GS Sasse, 129; vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 29. Februar 1984, Rs. 37/83 (REWE-Zentrale / Landwirtschaftskammer Rheinland), Sig. 1984, 1229 (1249): Es liege kein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit in den in einer Richtlinie des Rates ermöglichten phytosanitären Kontrollen durch den Einfuhrmitgliedstaat im innergemeinschaftlichen Pflanzenverkehr: Der Richtlinie wohne nicht die Tendenz inne, den Warenverkehr zu hemmen, sie wolle vielmehr die nach Art. 36 EWGV gerechtfertigten einseitigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten abbauen. 177 Slg. 1984, 1229. 178 Ebd., S. 1249; Hervorhebung hinzugefügt. 179 Slg. 1988, 905. 180 Ebd., S. 930. 181 So auch, im Hinblick auf Art. 57 Abs.2 EWGV, Schwartz, ZUM 1989, 384 f.; generell Everling, Instrumente, 25; diesem zustimmend, aber offenbar mit anderer, kompetenzbeschränkender Intention Fiedler, 175.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
einer Materie sich stets positiv in dem jeweiligen Rechtsakt niederschlagen muß. Wie schon oben festgestellt, stellt auch die bewußte Nichtregelung eine im Ermessen der Gemeinschaftsorgane liegende Wertung dar. Allein die unbewußte Nichtregelung muß als ermessensfehlerhaft angesehen werden. 3. Der kulturelle Charakter eines Regelungsgegenstandes als Ansatzpunkt einer "Politik im kulturellen Bereich" Die Feststellung, daß die Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Kompetenzen den kulturellen Charakter einer Materie zu berücksichtigen haben, führt zu der Frage, inwieweit dieser Umstand der Gemeinschaft die Verfolgung einer "Politik im kulturellen Bereich" ermöglicht. Unter einer "Politik" soll dabei mit Glaesner ein Tätigwerden der Gemeinschaft verstanden werden, "das relevant ist für die Verwirklichung der Ziele der Verträge und dessen Zielsetzung über die Regelung eines Einzelfalls hinausgeht" 183. Tomuschat stellt insofern das Fehlen einer Politik im kulturellen Bereich fest, indem er bemängelt, die bisherige Tätigkeit der Gemeinschaftsinstanzen habe sich "in Ausrichtung an einzelnen hervorstechenden Problemfeldern im wesentlichen empirisch, ohne sichere Leitlinie entwickelt" 184. Auch Glaesner hält die Maßnahmen im kulturellen Bereich nicht für hinreichend kohärent, um von einer "Politik" sprechen zu können 185. Hier soll indessen nicht geprüft werden, ob diese Aussagen zutreffen. Vielmehr wird der Frage nachgegangen, ob es der Gemeinschaft überhaupt zusteht, derartige "Leitlinien" in einem kulturpolitischen Konzept zu bündeln, welches den einzelnen Rechtsakten, die einen Bezug zum kulturellen Bereich aufweisen, zugrunde liegt und welches die Art der Berücksichtigung kultureller Besonderheiten vorzeichnet. Rechtliche Bedenken gegen die so verstandene Entwicklung einer Politik im kulturellen Bereich sind nicht ersichtlich. Vielmehr muß von den Gemeinschaftsorganen geradezu verlangt werden, daß sie "für den zukünftigen Integrationsprozeß vernünftige zusammenhängende und durchstrukturierte Ordnungsvorstellungen ... entwickeln, die den einzelnen Rechtsakten zugrunde liegen" 186. Dies gilt auch für gemeinschaftliche Maßnahmen im kulturellen Bereich.
182 So auch Everling, EuR 1976, Sonderheft, 11 f.: Soweit die Gemeinschaft befugt sei, sich mit einzelnen nationalen Regelungen zu befassen, sei sie "auch berechtigt und sogar verpflichtet ... , die eigentliche Motivation und die sich auf sie beziehenden Materien einzubeziehen, weil sie sonst keine sachgerechte Regelung treffen" könne. 183 Glaesner, Einführung, 31. 184 Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 17. 185 Glaesner, Les objectifs, 22 f. 186 Vgl. Bleckmann, Bindungswirkung, 209; zur Notwendigkeit zu planen, d. h. eine Politik zu entwickeln, Zu/eeg, Der Staat 1978, 35 f.
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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Darüber hinaus sind auch keine rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar, die es den Gemeinschaftsorganen verböten, von ihren vertraglichen Kompetenzen vorrangig aus kulturpolitischen Gründen Gebrauch zu machen 187, um eine "Politik im kulturellen Bereich" zu verwirklichen 188. Unzutreffend ist es daher festzustellen, die Gemeinschaft könne zwar Regelungen für den freien Verkehr von Waren treffen, die auch für den freien Verkehr von Kulturgütern gälten, jedoch sei es ihnen verwehrt, solche Regelungen für kulturpolitische Zwecke oder mit kulturpolitischer Zielrichtung zu entwerfen 189. Begründet wird diese Auffassung mit der mangelnden Erwähnung der Kulturpolitik im EWG-Vertrag. Dieses Argument verfängt indessen nicht, denn es geht vorliegend nicht um den Nachweis einer allgemeinen kulturpolitischen Befugnis der Gemeinschaft - die Kulturpolitik "als solche" gehört nicht zur Gemeinschaftskompetenz 190 - , sondern um die Kennzeichnung der Ausübungsmodalitäten der der Gemeinschaft tatsächlich zustehenden Kompetenzen im kulturellen Bereich. Es zeigt sich, daß die vielfach anzutreffende pauschale Verneinung einer kulturpolitischen Befugnis der Gemeinschaftsorgane 191 bei Zugrundelegung der eingangs vorgenommenen Bestimmung des Begriffs "Politik" als zu weitgehend und daher als unzutreffend anzusehen ist 192.
III. Schranken der Kompetenzausübung im kulturellen Bereich
1. Einleitung Die Beachtung der vertraglichen Kompetenzverteilung durch die Gemeinschaftsorgane ist eine notwendige, möglicherweise aber nicht hinreichende Vor187 Vgl. Bleckmann, Europarecht, 76: Die EG dürfe nebenbei oder sogar in erster Linie andere als wirtschaftliche Ziele anstreben, solange sie nur zumindest auch wirtschaftliche Ziele verfolge. 188 So auch Rambow, EuR 1981,241, für die gemeinschaftliche Verbraucherpolitik: Die fehlende ausdrückliche Sachkompetenz "Verbraucherpolitik" bedeute nicht, daß die EG nicht aufgrund der verschiedenen anderen Kompetenzen, die ihr im EWG-Vertrag übertragen worden seien, "Verbraucherpolitik" betreiben könne. 189 So Eise1stein, NVwZ 1989,328; ähnlich für sog. Annexregelungen im Bildungsbereich (etwa Art. 57 EWGV) Schweitzer, EG-Kompetenzen, 149. 190 Vgl. die Formulierung des Gerichtshofs in dem Urteil vom 30. Mai 1989, Rs. 242/87 (ERASMUS), Slg. 1989, 1425 (1457): Die Bildungspolitik gehöre als solche nicht zu den Materien, die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen habe. 191 . So z. B. Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, 42; Konow, RdJB 1989, 128; Wittweiler, ZUM 1990,557. 192 Richtig dagegen Maihofer, 64, der feststellt, der Europäischen Gemeinschaft falle die mit der wirtschaftspolitischen Zuständigkeit zur Vollendung des Binnenmarktes untrennbar verbundene kulturpolitische Zuständigkeit zu, auch den Binnenmarkt für kulturelle Güter und Leistungen zu ermöglichen.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
aussetzung für die Entfaltung von Aktivitäten auf Gemeinschaftsebene. Denn die Wahrnehmung gemeinschaftlicher Kompetenzen könnte weiteren von den Gemeinschaftsorganen zu beachtenden Schranken unterliegen. Hierbei kommen zunächst Grundrechte des einzelnen in Betracht, die als "negative Kompetenznormen" 193 zwar nicht die gemeinschaftliche Verbandskompetenz ihrem "äußeren Umfang" nach, d. h. in ihrem Verhältnis zur Verbandskompetenz der Mitgliedstaaten, wohl aber ihrem "inneren Umfang" nach 194 beschränken können. Weitere Schranken für die Kompetenzwahrnehmung könnten sich aus einer Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur Respektierung des den Mitgliedstaaten verbliebenen Kompetenzbereichs ergeben. Solche "Kompetenzausübungsschranken" 195 würden die gemeinschaftliche Verbandskompetenz ihrem "äußeren Umfang" nach berühren, da sie die Schnittstelle zwischen gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Kompetenz beträfen. 2. Grundrechte des einzelnen
a) Die Bedeutung der Grundrechte für den kulturellen Bereich Grundrechte wurden ursprünglich als Abwehrrechte gegen den Staat entwikkelt 196. Auch heute noch erfüllen sie in erster Linie diese Funktion 197, wenn auch im Laufe der Zeit weitere Funktionen hinzugekommen sind 198. Die Bedeutung der Grundrechte für den kulturellen Bereich hängt von dem zugrundeliegenden Verständnis von Kultur ab. Versteht man unter Kultur - einem Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts folgend - "die Gesamtheit der innerhalb einer Gemeinschaft wirksamen geistigen Kräfte, die sich unabhängig vom Staate entfalten und ihren Wert in sich tragen"199, hält man also die Staatsfreiheit geradezu für ein Tatbestandsmerkmal des Kulturbegriffs 2°O, so wird die Bedeutung der Grundrechte für den kulturellen Bereich unmittelbar einsichtig. Diese erfüllen dann die Aufgabe, die für die kulturelle Entfaltung unerläßlichen Freiräume zu sichern 201. 193 Vgl. zum Begriff Goerlich, 43 ff.; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 30; ähnlich AK-GG / Rinken, vor Art. 93 Rdnr. 83: negative Kompetenzbestimmung. 194 Das Bild ist entlehnt von Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 30. 195 Vgl. zum Begriff Schröder, 49; Ossenbühl, 34; Delbrück, Rundfunkhoheit, 57; Stern, 703. 196 Vgl. zur Entwicklung von Grundrechten Maunz / Zippelius, 138 ff; W. Geiger, FS Zeidler, 1401 ff. 197 Vgl. für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Hesse, in: Benda / Maihafer / Vogel, 91. 198 Ebd., 92 ff. 199 BVerfGE 10, 20 (36). 200 Vgl. dazu näher E. R. Huber, Zur Problematik des Kulturstaats, 8 ff., der die Staatsfreiheit als eine Seite des idealen Kulturstaats bezeichnet (S. 29 f.). 201 Zum Zusammenhang von Kultur und Freiheit näher Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 60 ff.
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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Das Grundgesetz sichert solche kulturellen Freiräume durch eine Anzahl mittelbar oder unmittelbar kulturbezogener Grundrechte 202 , an die gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die gesamte deutsche Staatsgewalt gebunden ist. Hinsichtlich der Organe der Europäischen Gemeinschaft stellt sich die Frage, inwieweit auch sie bei der Kompetenzausübung im kulturellen Bereich Grundrechtsbindungen unterliegen 203. Zur Beantwortung dieser Frage werden zunächst die Grundzüge des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes dargestellt; anschließend werden Schlußfolgerungen für den kulturellen Bereich gezogen. b) Grundzüge des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes
aa) Die Entwicklung von Grundrechten Die Europäische Gemeinschaft ist eine Rechtsgemeinschaft 204 und als solche durch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gekennzeichnet 205, welches als wesentliches Element die Sicherung von persönlichen Grundrechten enthält 206 . Danach erscheint es als selbstverständlich und wird heute allgemein anerkannt, daß die Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Kompetenzen Grundrechte des einzelnen zu beachten haben. Diese Grundrechtsbindung dient nicht zuletzt der Legitimation der gemeinschaftlichen Hoheitsgewalt 207. Anfangs indessen hatte es der Gerichtshof abgelehnt, Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane an Grundrechten zu messen. So beantwortete er in dem Urteil vom 4. Februar 1959 in der Rs. 1 / 58 (Storck)208 den Vorwurf des Klägers, die Hohe Behörde der EGKS habe gewisse Grundrechte nicht beachtet, welche durch fast alle Verfassungen der Mitgliedstaaten geschützt seien 209, mit den Worten, die Hohe Behörde sei nur berufen, das Recht der Gemeinschaft anzuwenden, und auch er selbst habe sich im Regelfall nicht über nationale Vorschriften auszusprechen 21O . Damit war das Problem der Wahrung der Grundrechte als ein solches 202 Vgl. näher Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 578 ff; Maihofer, in: Benda / Maihofer / Vogel, 988 f. 203 Zur Fragestellung vgl. auch Classen, Diskussionsbeitrag, der erörtert, ob die Grundrechte als "Bremse gegenüber einer übermäßigen Reglementierung" im kulturellen Bereich instrumentalisiert werden könnten. 204 Vgl. dazu schon Abschnitt A. I. 1. dieses Teils. 205 Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Rs. 101/78 (Granaria), Slg. 1979, 623 (637); Frowein, FS Maihofer, 150; Siedentopf, VOP 1991, 13. 206 Maunz / Zippelius, 91 f. 207 Vgl. z. B. Schwarze, FS Maihofer, 529; Weber, JZ 1989,965; Pescatore, Schutz der Grundrechte, 68; Sasse, 53, der sogar meint, es gehe in erster Linie um die Legitimation öffentlicher Gewalt, nicht so sehr um individuellen Rechtsschutz. 208 Slg.1958/1959,43. 209 Ebd., S. 60. 210 Ebd., S. 63 f.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
des nationalen Rechts erachtet und für gemeinschaftsrechtlich irrelevant erklärt worden 211 . Eine Änderung dieser Haltung kam erstmals in dem Urteil vom 12. November 1969 in der Rs. 29/69 (Stauder)212 zum Ausdruck, in dem der Gerichtshof feststellte, die allgemeinen Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung, deren Wahrung er zu sichern habe, enthielten Grundrechte der Person 213. Etwa ein Jahr später verdeutlichte der Gerichtshof in dem Urteil vom 17. Dezember 1970 in der Rs. 11 /70 (Internationale Handelsgesellschaft)214, daß es sich dabei nicht um Grundrechte der nationalen Verfassungen handele, und bestätigte insoweit das Urteil in der Rs. 1/58 (Storck)215. Dem stünde die Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung entgegen. Zwar müsse die Gewährleistung gemeinschaftlicher Grundrechte von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein, sie müsse sich aber auch "in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen"216. Die Entwicklung von an den Bedürfnissen der Gemeinschaft orientierten Grundrechten aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten schließt eine ins Detail gehende Vergleichung nationaler Lösungen aus 217. Dem steht auch nicht das Urteil des Gerichtshofs vom 14. Mai 1974 in der Rs. 4/73 (Nold) 218 entgegen. Dort hatte der Gerichtshof festgestellt, er könne keine Maßnahmen als rechtens anerkennen, die unvereinbar seien mit den von den Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannten und geschützten Grundrechten 219 . Diese Formulierung ist vielfach als Ausdruck eines an den nationalen Verfassungen ausgerichteten "Maximal standards" interpretiert worden 220. Indessen ist diese Deutung schon vom Wortlaut her nicht begründet 22 1, wäre zudem nicht praktika211 So auch Pescatore, Schutz der Grundrechte, 64. 212 Slg. 1969,419. 213 Ebd., S. 425. 214 Slg. 1970, 1125. 215 Slg. 1958/1959, 43. Die Auffassung, daß die Gültigkeit der Handlungen der Organe nur nach Gemeinschaftsrecht beurteilt werden könne, wiederholte der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung; vgl. etwa Urteil vom 17. Oktober 1989, Rs. 97 -99/87 (Dow Chemical lberica), Slg. 1989,3165 (3191); Urteil vom 8. Oktober 1986, Rs. 234/ 85 (Keller), Slg. 1986,2897 (2912); Urteil vom 19. Juni 1980, Rs. 41,121 und 796/ 79 (Testa), Slg. 1980, 1979 (1996). 216 Slg. 1970, 1125 (1135). Diese Formulierung drückt allein das Erfordernis der Entwicklung gemeinschaftsspezifischer Grundrechte aus, kann nicht bereits als allgemeine Einschränkung gemeinschaftlicher Grundrechte verstanden werden; so aber Beutler, Grundrechtsschutz, 1477; Kommission der EG, Bull. EG Beil. 5/76, 9. 217 So zutreffend Pernice, JZ 1977,780. 218 Slg. 1974, 491. 219 Ebd., S. 507; vgl. auch die gleiche Formulierung in dem Urteil vom 13. Dezember 1979 in der Rs. 44 /79 (Hauer), Slg. 1979, 3727 (3745). 220 Vgl. z. B. Rengeling, DVBI. 1982, 143; Kommission der EG, Bull. EG, Beil. 5/ 76,9; ohne ausdrückliche Bezugnahme auf das genannte Urteil S~rensen, EuGRZ 1978, 34; weitere Nachweise bei Dauses, JöR 1982, 11.
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bel 222 und darüber hinaus geeignet, die Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts 223 in Zweifel zu ziehen 224. Die Entwicklung von Grundrechten des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof im Wege der Rechtsfortbildung 225 ist nicht an einem Minimal- 226 oder Maximalstandard orientiert, folgt vielmehr der Methode "wertender Rechtsvergleichung"227, deren Ziel es ist, diejenige Lösung zu suchen, "die dem Grundrecht die stärkste Wirkung zuerkennt, ohne Struktur und Ziele der Gemeinschaft zu beeinträchtigen"228. Neben den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten zieht der Gerichtshof als weitere bedeutsame 229 Erkenntnisquelle der in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen enthaltenen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte "die internationalen Verträge über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind", heran 230, vor allem die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)231, die von allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ratifiziert worden ist 232 . Die umstrittene Frage, ob die Gemeinschaft bereits heute, ohne der EMRK formell beigetreten zu sein, an die materiellen Bestimmungen der Konvention unmittelbar gebunden ist, kann hier nicht diskutiert werden 233. 221 Vgl. Zuleeg, Rechtsprechung, 239, der meint, die Formulierung könnte darauf hinweisen, der Gerichtshof bescheide sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner; Bahlmann, EuR 1982, 10, mit der Auffassung, die Theorie vom "Maximal standard" sei mit der (bisherigen) Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu belegen; vgl. auch die differenzierte Interpretation von Pescatore, Schutz der Grundrechte, 130 f. (Aussprache). 222 Zu den Bedenken gegen einen "Maximalstandard" vgl. Sasse, 58. 223 Grundlegend Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64 (Costa/ E.N.E.L.), Slg. 1964, 1251 (1269). 224 In diesem Sinn Dauses, JöR 1982, 12. 225 Schwarze, Abstraktion, 235; Weber, JZ 1989,969. 226 Vgl. allerdings die Kritik von Ress / Ukrow, EuZW 1990, 502, der Gerichtshof habe in dem Urteil vom 21. September 1989, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst), Slg. 1989,2859, den gemeinschaftlichen Grundrechtsschutz auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert bzw. aufgrund Fehlens eines solchen den Grundrechtsschutz sogar verweigert. 227 Vgl. Beutler, Grundrechtsschutz, 1475; Weber, JZ 1989,969; kritisch zu diesem Ansatz Sasse, 62. 228 Kutscher, Schutz von Grundrechten, 46. 229 Gelegentlich werden auch Handlungen der Gemeinschaftsorgane, wie etwa die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über die Grundrechte vom 5. April 1977, ABI. EG C 103/1, als Quelle gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes genannt; vgl. Mestmäcker / Engel / Gabriel-Bräutigam / Hoffmann, 75; Schermers, CML Rev. 1990,252 f.; Schwarze, EuGRZ 1986, 294. 230 Rs. 44 /79 (Hauer), Slg. 1979, 3727 (3745). 231 BGBL 1952 II 686; vgl. z. B. Urteil vom 10. Juli 1984, Rs. 63/83 (Regina / Kirk), Slg. 1984,2689 (2718); Urteil vom 26. Juni 1980, Rs. 136/79 (Panasonic), Slg. 1980, 2033 (2057). 232 Vgl. BGBL 1990 II, FundsteIlennachweis B, 243. 233 Für eine Bindung z. B. Schermers, CML Rev. 1990,251; Tomuschat, EuR 1990, 357; Bleckmann, Bindung, 79 ff.; Pescatore, Schutz der Grundrechte, 70 f.; unentschlos-
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Der Gerichtshof jedenfalls scheint eine unmittelbare Bindung der Gemeinschaft an die EMRK abzulehnen, ebenso wie er auch die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten nur als Ausgangspunkte für die "Entdeckung" gemeinschaftlicher Grundrechte wählt 234. Für das Verhältnis der Rechtserkenntnisquellen "gemeinsame Verfassungsüberlieferungen" und "völkerrechtliche Verträge" ist jüngst festgestellt worden, der Gerichtshof habe in dem Urteil vom 21. September 1989 in den verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst) 235 nunmehr deutlich gemacht, daß beide Quellen gleichrangig seien 236. Er habe nämlich festgestellt, die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts seien im Einklang mit den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und mit den völkerrechtlichen Verträgen über Menschenrechte zu wahren. Früher dagegen habe er größeres Gewicht auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gelegt und die völkerrechtlichen Verträge nur "berücksichtigt" 237. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zum einen setzt die Feststellung der Gleichrangigkeit voraus, daß beide Rechtserkenntnisquellen überhaupt voneinander geschieden werden können. Dies ist indessen nicht der Fall. Die gemeinsamen Verfassungstraditionen finden ihren Ausdruck auch in der EMRK. Hinzu kommt, daß der Gerichtshof schon früher die in den verb. Rs. 46/ 87 und 227 / 88 (Hoechst) verwendete Fonnulierung gebraucht hat 238 , ohne aber in der Folgezeit dabei zu bleiben 239. Die fallweise erfolgende Entwicklung gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes durch den Gerichtshof wurde von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begleitet, welches sich zunächst ablehnend 240, dann abwartend 241 und schließlich positiv zu dem auf Gemeinschaftsebene erreichten Grundrechtsstandard äußerte 242 , der es ihm zuletzt erlaubte, grundsätzlich die Überprüfung sen Schwarze, EuGRZ 1986,297; gegen eine Bindung etwa Feger, DÖV 1987,329 f.; Klein, Bedeutung, 137; Beutler, Grundrechtsschutz, 1485 f. 234 Vgl. exemplarisch die Formulierung in dem Urteil vom 13. Juli 1989, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609 (2639): "Bei der Gewährleistung dieser Rechte hat der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten auszugehen . .. Auch die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind, können Hinweise geben, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind." (Hervorhebungen hinzugefügt). 235 Slg. 1989, 2859. 236 Ress / Ukrow, EuZW 1990,501. 237 Ebd. 238 Vgl. Urteil vom 26. Juni 1980, Rs. 136/79 (Panasonic), Slg. 1980, 2033 (2057). 239 Vgl. Anm. 234. 240 Vgl. BVerfGE 37, 271 (Leitsatz). 241 BVerfGE 52, 187 (203). 242 BVerfGE 73, 339 (340) (2. Leitsatz).
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sekundären Gemeinschaftsrechts am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes abzulehnen. Im Bereich des Gemeinschaftsrechts 243 ist somit die EG "Anspruchsgegner" 244 für Grundrechtsgewährleistungen.
bb) Grundrechtsschranken Die vom Gemeinschaftsrecht gewährleisteten Grundrechte unterliegen - wie aus dem deutschen Recht bekannt 245 - bestimmten Schranken. Spezielle, auf das einzelne Grundrecht zugeschnittene Schranken werden, ebenso wie das jewei1ige Grundrecht selbst, im Wege wertender Verfassungsvergleichung und unter Berücksichtigung der EMRK gewonnen 246 • Generell hat der Gerichtshof festgestellt, die von ihm anerkannten Grundrechte könnten keine unbeschränkte Geltung beanspruchen, sondern seien im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen 247. Die Beschränkbarkeit gemeinschaftlicher Grundrechte unterliegt ihrerseits gewissen Schranken. Schon in dem Urteil vom 17. Dezember 1970 in der Rs. 25/ 70 (Köster) 248 prüfte der Gerichtshof, ob eine im Prinzip zulässige Grundrechtsbeschränkung den Betroffenen übermäßig belastete und so letztlich doch das Grundrecht verletzte 249 • Damit sprach der Gerichtshof den Grundsatz der Erforderlichkeit an, der ein Element des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darstellt 250 • Das Verbot übermäßiger Grundrechtsbeschränkung wiederholte der Gerichtshof in späteren Entscheidungen und erachtete eine solche zugleich als Verstoß gegen das Verbot, den Wesensgehalt der Grundrechte anzuta-
243 Jenseits des Bereichs des Gemeinschaftsrechts sind die Mitgliedstaaten nicht an die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte gebunden; vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1985, verb. Rs. 60 und 61/84 (Cinetheque), Slg. 1985, 2605 (2627); Urteil vom 30. September 1987, Rs. 12/86 (Demirei), Slg. 1987,3719 (3754); GA Mancini, Schlußanträge Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, 2085 (2122); zur erforderlichen Abgrenzung des gemeinschaftlichen vom mitgliedstaatlichen Bereich Weiler, FS Pescatore, 821 ff.; ders., Methods of Protection, 595-617; Schwartz, Liberte d' expression, 177 ff.; Everling, Beitrag, 172 ff.; vgl. auch Antwort der Kommission auf die Schriftliche Anfrage NT. 2898/90, ABI. EG C 85 /44 (1991), betreffend die Lage der Wehrdienstverweigerer in Griechenland und zu dem in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf eines Verstoßes Griechenlands gegen Art. 9 EMRK: Die Kommission sei in dieser Sache nicht zuständig. 244 Begriff bei Feger, Grundrechte, 48. 245 Vgl. Maunz / Zippelius, 156 ff. 246 Vgl. dazu vor allem Urteil vom 13. Dezember 1979, Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979,3727 (3745 ff.); Urteil vom 14. Mai 1974, Rs. 4 / 73 (Nold), Slg. 1974,491 (507 f.). 247 Vgl. Urteil vom 13. Juli 1989, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609 (2639); Urteil vom 11. Juli 1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989,2237 (2268). 248 Slg. 1970, 1161. 249 Ebd., S. 1177 f. 250 Für eine Definition des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vgl. Urteil vom 11. Juli 1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989,2237 (2269).
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sten 251 , ohne sich damit aber mit hinreichender Deutlichkeit für die Theorie vom relativen Wesensgehalt der Grundrechte entschieden zu haben 252. Als weitere Schranke für die Beschränkbarkeit gemeinschaftlicher Grundrechte bezeichnete der Gerichtshof das Erfordernis, Grundrechtsbeschränkungen müßten "tatsächlich dem allgemeinen Wohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen"253.
ce) Grundrechtskonforme Auslegung Die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte können ihre Wirkung nicht nur dadurch entfalten, daß sie gegebenenfalls die Rechtswidrigkeit von Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane bewirken. Sie können auch dazu beitragen, bereits den Makel der Rechtswidrigkeit abzuwenden, indem unter mehreren Auslegungsmöglichkeiten eines gemeinschaftlichen Rechtsaktes derjenigen der Vorzug gegeben wird, welche die Grundrechte des Gemeinschaftsrechts nicht verletzt. Der Gerichtshof hat die Notwendigkeit einer solchen grundrechtskonformen Auslegung besonders deutlich in dem Urteil vom 21. September 1989 in den verb. Rs. 46/ 87 und 227/88 (Hoechst)254 hervorgehoben. Er stellte fest, Art. 14 der VO Nr. 17 dürfe nicht in einer Weise ausgelegt werden, "die zu Ergebnissen führen würde, die mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere mit den Grundrechten unvereinbar wären" 255. Zuvor hatte der Gerichtshof in dem Urteil vom 18. Mai 1989 in der Rs. 249/86 (Kommission / Deutschland)256 entschieden, die VO 1612/68 sei im Lichte des in Art. 8 EMRK erwähnten Anspruchs auf Achtung des Familienlebens, der zu den Grundrechten des Gemeinschaftsrechts gehöre, auszulegen 257. In dem Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rs. 5/88 (Wachauf) schließlich verpflichtete der Gerichtshof die nationalen Behörden, bei der Anwendung einer Gemeinschaftsregelung das ihnen verbliebene Ermessen "in einer mit den Erfordernissen des Grundrechtsschutzes im Einklang stehenden Weise" auszuüben 258. 251 Urteil vom 13. Juli 1989, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609 (2639); Urteil vom 11. Juli 1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237 (2268); Urteil vom 13. Dezember 1979, Rs. 44 /79 (Hauer), Slg. 1979, 3727 (3747); zur Frage der SchrankenSchranken gemeinschaftsrechtlicher Grundrechte vgl. auch Dauses, JöR 1982,5; Thiel, JuS 1991,280; Kutscher, Grundsatz, 94; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht II, 705; Ress, Grundsatz, 39 f; Pollak, 45. 252 So interpretiert aber offenbar Grabitz / Pernice, Kommentar zum EWGV, Art. 164 Rdnr. 73, die Rechtsprechung des Gerichtshofs; vgl. für die im deutschen Recht vertretenen Theorien vom absoluten und vom relativen Wesensgehalt der Grundrechte von Münch/ Hendrichs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 19 Rdnr. 25. 253 Urteil vom 13. Dezember 1979, Rs. 44 /79 (Hauer), Slg. 1979,3727 (3747); vgl. auch die weiteren in Anm. 251 genannten Urteile. 254 Slg. 1989,2859. 255 Ebd., S. 2923. 256 Slg. 1989, 1263. 257 Ebd., S. 1290. 258 Slg. 1989,2609 (2640).
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Die ausdrückliche Anerkennung der Notwendigkeit grundrechtskonformer Auslegung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts ist zwar neu 259 . Der Gerichtshof hat diese Methode allerdings schon früher praktiziert. So legte er in dem Urteil vom 27. Oktober 1976 in der Rs. 130/75 (Prais)260 Art. 27 des Beamtenstatuts in einer am Grundrecht der Religionsfreiheit orientierten Weise aus 261 . Die grundrechtskonforme Auslegung ist damit als grundlegendes Auslegungsprinzip des Gemeinschaftsrechts anzusehen. c) Folgerungen für den kulturellen Bereich Der oben dargelegte Zweck gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes, die Hoheitsgewalt der Gemeinschaftsorgane zu legitimieren 262, bedingt, daß dieser Grundrechtsschutz so weit reichen muß, wie es die Wahrnehmung gemeinschaftlicher Befugnisse erfordert 263. Daraus folgt für den kulturellen Bereich, daß die Ausdehnung gemeinschaftlicher Kompetenzwahrnehmung in diesem Bereich einhergehen muß mit einer entsprechenden Ausdehnung des Grundrechtsschutzes. Gemeinschaftsgewalt und Grundrechtsschutz müssen stets kongruent sein. Eine Beschränkung gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes auf Grundrechte mit wirtschaftlichem Bezug 264 ist aus den gleichen Gründen abzulehnen wie eine Bereichsausnahme für den kulturellen Bereich 265 . Auch der Gerichtshof geht von einer umfassenden Grundrechtsgeltung auf Gemeinschaftsebene aus 266 . Zwar wurde in der Literatur zuweilen festgestellt, bestimmte Grundrechtsbereiche seien "indifferent gegenüber möglicher Beeinträchtigung durch Gemeinschaftsgewalt" 267, Beeinträchtigungen etwa der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit seien "kaum denkbar" 268, das Auftreten klassischer Grundrechtsprobleme im Bereich des Gemeinschaftsrechts sei "ziemlich unwahrscheinlich" 269, bestimmte 259 Zutreffend daher Everling, EuR 1990, 208. 260 Slg. 1976, 1589. 261 Auch Pernice, JZ 1977,780, nennt das Urteil zutreffend als Beispiel einer grundrechtskonformen Auslegung; als weiteres Beispiel vgl. Urteil vom 12. November 1969, Rs. 29/69 (Stauder), Slg. 1969,419 (425). 262 Vgl. oben Abschnitt A. III. 2. b) aa) dieses Teils. 263 Hier geht es allein um den Grundrechtsschutz gegenüber der im Prinzip zulässigen Kompetenzausübung durch die Gemeinschaftsorgane. Darauf, daß auch (und gerade) bei Uberschreitung des der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgabenkreises Grundrechte des einzelnen verletzt werden können, weist Klein, Bedeutung, 145, hin. 264 Vgl. etwa die italienische Regierung in der Rs. 118/75 (Watson und Belmann), Slg. 1976, 1185 (1192): Art. 8 EMRK stehe in keinem spezifischen Zusammenhang mit dem vom Vertrag geregelten Bereich wirtschaftlicher Tätigkeit. 265 Vgl. dazu näher oben Abschnitt A. I. 2. c) dieses Teils. 266 Vgl. nur Urteil vom 18. Mai 1989, Rs. 249/86, Slg. 1989, 1263 (1290). Dort nimmt der Gerichtshof auf den Grundrechtsteil der Präambel der EEA Bezug. 267 lpsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 721. 268 Kropholler, EuR 1969, 129. 269 Pescatore, Schutz der Grundrechte, 67.
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klassische Grundrechte könnten durch die Gemeinschaft aufgrund ihrer begrenzten Befugnisse nicht verletzt werden 270. Allen diesen Äußerungen ist aber gemein, daß sie lediglich die Wahrscheinlichkeit von Grundrechtsverletzungen durch die Gemeinschaftsorgane beschreiben 271, nicht aber den Umfang gemeinschaftlicher Grundrechte beschränken wollen. Allerdings sind solche Erörterungen nur von begrenztem Wert, da sie sich auf den jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts beziehen und im übrigen von der Phantasie des Betrachters begrenzt werden. Daher ist davon auszugehen, daß die Gemeinschaftsorgane alle Grundrechte verletzen können 272 , daß mithin auch alle Grundrechte, wie sie in den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und in den internationalen Verträgen über Menschenrechte enthalten sind, im Gemeinschaftsrecht gelten, jedoch in einer an den Erfordernissen der Gemeinschaft orientierten, vom Gerichtshof zu entwickelnden Gestalt. Die Verletzung kultureller Grundrechte durch Gemeinschaftsorgane war bislang noch kaum Gegenstand von Verfahren vor dem Gerichtshof273. Die Quotenregelung in der sog. Fernsehrichtlinie vom 3. Oktober 1989 274 zeigt aber - auch wenn sie bereits wegen Fehlens eines Rechtsgrundlage rechtswidrig ist 275 - , daß eine Verletzung etwa des Grundrechts der Rundfunkfreiheit durch die Gemeinschaftsorgane möglich ist 276 . Damit erweist sich die Enthaltsamkeit des EWG-Vertrages in bezug auf Grundrechte 277 letztlich als Gewinn: Ein Grundrechtskatalog wäre wohl auf Grundrechte mit wirtschaftlichem Bezug beschränkt worden 278; dies hätte die Anerkennung anderer, nicht ausdrücklich verbürgter Grundrechte im kulturellen Bereich zumindest erschwert, wenn nicht verhindert.
270 Kutscher, Schutz von Grundrechten, 45. 271 Nurmit dieser Intention darf von einer "Gemeinschaftsrelevanz" von Grundrechten gesprochen werden; so zutreffend Pernice, GrundrechtsgehaIte, 52. 272 In diesem Sinn auch Klein, Bedeutung, 145; de Gucht, PE-Dok. A2-3 / 89 / Teil B,33. 273 Vgl. aber Urteil vom 27. Oktober 1976, Rs. 130/75 (Prais), Slg. 1976, 1589, betreffend das Grundrecht der Religionsfreiheit. 274 ABI. EG L 298/23. 275 Vgl. dazu oben Abschnitt B. H. 4. b) cc) des zweiten Teils. 276 Vgl. Magiera, Ansätze, 23, der einen Grundrechtsverstoß bejaht; vgl. auch Engel, ZRP 1988,243 f., der einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK rügt. 277 Nicht zu den hier behandelten ,,klassischen" Grundrechten zählen die vertraglichen Grundfreiheiten (zutreffend Streinz, Grundrechtsprobleme, 122 f.), wenn diese auch mit jenen manche Ähnlichkeit aufweisen mögen (dazu Bleckmann, GS Sasse, 665 ff.). 278 Da offenbar schon die potentielle Grundrechtsrelevanz des Gemeinschaftsrechts an sich das Vorstellungsvermögen der Schöpfer des EWG-Vertrages überstieg (vgl. dazu Bahlmann, EuR 1982,3; Pescatore, Schutz der Grundrechte, 64; Dauses, JöR 1982,2), kann nicht angenommen werden, ein Grundrechtskatalog hätte andere als wirtschaftliche Grundrechte enthalten.
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3. Der Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten
a) Einleitung Schon im Bundesstaat der Bundesrepublik Deutschland, in dem die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern grundsätzlich nach Materien erfolgt 279 , ist eine randscharfe Kompetenzscheidung nicht durchführbar 280 und somit die Möglichkeit des Bundes, "rechtlich regelnd in einen anderen Bereich hineinzuwirken"281, nicht ausgeschlossen. Im Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, welches in erster Linie durch Ziele und Aufgaben geprägt ist, die der Gemeinschaft ohne Bindung an bestimmte Materien übertragen worden sind, stellt das "Hineinwirken" in die mitgliedstaatliche Kompetenzsphäre geradezu die typische Erscheinungsform gemeinschaftlicher Kompetenzwahrnehmung dar 282. Folglich fragt sich hier - mehr noch als im deutschen Recht - , ob bei der Wahrnehmung gemeinschaftlicher Kompetenzen dem Umstand des "Hineinwirkens" in fremde 283 Kompetenzbereiche durch Mäßigung und größtmögliche Schonung jener Kompetenzbereiche Rechnung zu tragen ist 284 . Dies wird vielfach in der Literatur gefordert. So ist etwa zu lesen, die Gemeinschaftsorgane dürften bei der Ausübung ihrer Befugnisse "die nationalen Rechtsordnungen nicht ohne Not antasten" 285, sie müßten die Auswirkungen bedenken, die sich für die den Mitgliedstaaten verbliebenen Gesetzgebungskompetenzen ergäben 286, bei der Rechtsangleichung dürfe die Beeinträchtigung nationaler Kompetenzen nicht in einem Mißverhältnis zum gemeinschaftspolitischen Nutzen stehen, vielmehr müsse die Gemeinschaft von ihren Kompetenzen umso zurückhaltender Gebrauch machen, je stärker der Schwerpunkt einer Materie im nichtökonomischen Bereich liege 287 • In die gleiche Richtung zielt die Feststellung, es liege nahe, Zurückhaltung bei der Kompetenzausübung seitens der Gemeinschaft
279 Vgl. Bleckmann, DÖV 1986, 126; Memminger, DÖV 1989, 849. 280 Vgl. Stern, 676; AK-GG / Bothe, Art. 70 Rdnr. 21 ff.; exemplarisch die Kritik des Bundesrates an der Inanspruchnahme einer Kompetenz für die Sportförderung durch den Bund, BR-Drs. 221/91 (Beschluß). 281 BVerfGE 61, 149 (205). 282 Vgl. dazu oben Abschnitt A. 1. 2. c) dieses Teils. 283 Zwar sind die nationalen Rechtsordnungen für die Gemeinschaft insofern "fremd", als diese nicht zur Gemeinschaftsrechtsordnung "gehören"; zu bedenken ist aber, daß die Gemeinschaftsrechtsordnung zu einem großen Teil durch das "Hineinwirken" in die nationalen Rechtsordnungen definiert ist (vgl. Abschnitt A. 1. 2. c. dieses Teils). Irreführend ist es daher, in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, die Gemeinschaft sei "grundsätzlich" oder "prinzipiell" unzuständig; so aber Klein / Beckmann, DÖV 1990, 186.
284 In diesem Sinn das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 61, 149 (205). 285 Wohlfahrt, Rechtsordnung, 175. 286 So Ossenbühl, 46; in diesem Sinn auch Fiedler, 165 f.; Hilf, ZaöRV 1975, 58. 287 So Jarass, EuR 1986,93.
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in Bereichen einzufordern, in denen "nur wirtschaftsbezogene Teilzuständigkeiten" der Gemeinschaft bestünden 288. b) Die deutsche Problematik Eine Schonung nationaler Kompetenzbereiche käme in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern zugute. Dies ist insofern keine Besonderheit, als auch in anderen Mitgliedstaaten regionale Untergliederungen mit der Wahrnehmung innerstaatlicher Aufgaben betraut sind 289 . Immer noch ist aber die Bundesrepublik Deutschland der einzige Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft, der bundesstaatlich organisiert ist. Die Staatlichkeit der Länder 290 unterscheidet die Bundesrepublik Deutschland von allen anderen Mitgliedstaaten 291. Diese Staatlichkeit setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, daß den Ländern "ein Kern eigener Aufgaben als' Hausgut' unentziehbar verbleibt" 292. Dieser Kern scheint aufgrund vielfältiger Kompetenzverluste der Länder zugunsten des Bundes und der EG293 nurmehr durch Kompetenzen im kulturellen Bereich, durch die sog. "Kulturhoheit" der Länder 294, gewährleistet zu sein 295 . Eine weitere Beeinträchtigung der "Kulturhoheit" könnte - so wird befürchtet - die Staatlichkeit der Länder, d. h. die Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, gefährden 296. Damit stellt sich die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht der Kompetenzausübung durch die Gemeinschaftsorgane spezielle Schranken im Hinblick auf die Sicherung der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. In jedem Fall wären der Kompetenzausübung der Gemeinschaftsorgane durch eine solche Sicherung nur sehr niedrige Schranken gesetzt, da eine Schutzwirkung erst bei einer unmittelbar bevorstehenden Gefährdung der Bun288 So Schröder, 50. 289 Vgl. etwa Art. 117 der italienischen Verfassung; Art. 148 der spanischen Verfassung; Art. 3ter der belgischen Verfassung; dazu grundlegend Blanke, Föderalismus und Integrationsgewalt. 290 Das Bundesverfassungsgericht erkennt die Staatsqualität der Länder an; vgl. etwa BVerfGE 34, 9 (19); kritisch zur Staatlichkeit der Länder Hesse, 85, Fn. 1. 291 Vgl. nur Blanke, Bundesländer, 53 f.; Siedentopf, Europa 1992,241. 292 BVerfGE 34, 9 (20). 293 Nass, FS von der Groeben, 287 f., meint, nicht die EG, sondern der Bund und die Länder selbst hätten am stärksten zu deren Entmachtung beigetragen. 294 Vgl. zum Begriff BVerfGE 37, 314 (322); BVerfGE 6,309 (354). 295 So die vielfach in der Literatur vertretene Auffassung; vgl. etwa Hufen, BayVBI. 1985, I: Kultur als Pfeiler und Mittelpunkt der Bundesstaatlichkeit; Bethge, 26: Kulturhoheit als "Herzstück" des Föderalismus; Eise1stein, NVwZ 1989,330: Die Eigenstaatlichkeit der Länder werde im wesentlichen nur noch durch den Kultusbereich gesichert; Dörr, NWVBI. 1988,293: Es seien außer der Kulturhoheit kaum noch sonstige bedeutende Gesetzgebungskompetenzen der Länder vorhanden. 296 In diesem Sinn äußern sich Dörr, NWVBI. 1988, 293; lpsen, GS Geck, 352; Vitzthum, AöR 1990,289.
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desstaatlichkeit eintreten könnte, nicht hingegen schon gegenüber einzelnen Rechtsakten im Vorfeld einer derartigen Gefährdung. In Betracht zu ziehen ist eine unmittelbare oder eine mittelbare Bindung der Gemeinschaftsorgane an das Bundesstaatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland. Eine - wie auch immer dogmatisch zu begründende - unmittelbare Bindung der Gemeinschaft an nationale Verfassungsprinzipien wird heute allgemein abgelehnt 297 und wäre auch mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu vereinbaren. Schon früh hat der Gerichtshof die Eigenständigkeit 298 der Gemeinschaftsrechtsordnung betont 299 und später ausdrücklich festgestellt, die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts könne nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, Strukturprinzipien einer nationalen Verfassung seien verletzt 3OO • Ist demnach eine unmittelbare Bindung der Gemeinschaft an das Bundesstaatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland nicht festzustellen, bleibt zu erörtern, ob sich eine solche Bindung mittelbar aus einem dem Gemeinschaftsrecht selbst innewohnenden, der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten entspringenden allgemeinen Rechtsgrundsatz des Föderalismus ableiten läßt. Dies setzt voraus, daß zumindest eine überwiegende Anzahl von Mitgliedstaaten in einer der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland vergleichbaren Weise organisiert wäre. Wie aber oben erwähnt, ist dies nicht der Fall. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Föderalismus, der den Bundesländern ein "Hausgut" eigener Kompetenzen garantierte, läßt sich im Gemeinschaftsrecht daher nicht feststellen 301. Aus der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland lassen sich somit weder unmittelbar noch mittelbar spezifische Schranken für die Kompetenzausübung der Gemeinschaftsorgane herleiten. Indirekt könnten die Kompetenzen der Bundesländer und damit die Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutsch297 Vgl. Vitzthum, AöR 1990, 287; Blanke, Bundesländer, 61; Ress, EuGRZ 1986, 550; Henrichs, EuGRZ 1990,423; Schwan, 49; Rengeling, ZHR 1988,462; a. A. offenbar Bleckmann, Europarecht, 180: Die Gemeinschaftsorgane müßten berücksichtigen, was den Staaten nach ihrer Verfassung möglich sei; vgl. auch Zuleeg, JöR 1971, 31 1 35, der aus Art. 247 Abs. 1 EWGV eine Einschränkung des gemeinschaftsrechtlichen Geltungs-
anspruchs zugunsten elementarer Verfassungsgrundsätze herleitet. 298 Nicht nur die Eigenständigkeit, auch das Erfordernis einheitlicher Geltung des Gemeinschaftsrechts im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wird als Argument gegen eine Bindung an einzelne nationale Verfassungsprinzipien angeführt; vgl. R. Geiger, 62; a. A. offenbar Hailbronner, JZ 1990, 152 f.: Die gesamte Kompetenzausübung der Gemeinschaftsorgane müsse sich an den Grundstrukturen der föderalistischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland orientieren. 299 Urteil vom 15. Juli 1964,Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, 1251 (1269f.). 300 Urteil vom 17. Dezember 1970, Rs. 11/70 (lnt. Handelsgesellschaft), Slg. 1970, 1125 (1135); jüngst erneut in dem Urteil vom 17. Oktober 1989, verb. Rs. 97 bis 991 87 (Dow Chemical lberica), Slg. 1989,3165 (3191). 301 So auch Ress, EuGRZ 1986,551; Blanke, Bundesländer, 61; R. Geiger, 62; Rengeling, ZHR 1988,462; Siedentop!, DÖV 1988, 983; a. A. Hailbronner, JZ 1990, 152. 15 Niedobitek
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land allerdings von einer allgemeinen Pflicht der Gemeinschaft zur Rücksichtnahme auf den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten profitieren 302 . Dogmatische Ansatzpunkte für eine solche Pflicht sind im folgenden zu erörtern. c) Gemeinschaftsrechtliche Ansatzpunkte für eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf den nationalen Kompetenzbereich aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die Existenz des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht ist unbestritten 303. Seine besondere Bedeutung bezieht der Grundsatz aus seiner grundrechtsähnlichen Wirkung 304 . Schwarze bezeichnet es geradezu als "Telos des Verhältnismäßigkeitsprinzips ... , die Freiheit des einzelnen gegenüber Beschränkungen der öffentlichen Gewalt zu schützen"305. Inhaltlich ist der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit dem der deutschen Rechtsordnung vergleichbar 306 . Besonders deutlich wird dies in dem Urteil vom ll. Juli 1989 in der Rs. 265/87 (Schräder). Dort faßte der Gerichtshof den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf bestimmte, den Wirtschaftsteilnehmern auferlegte finanzielle Belastungen dahingehend zusammen, solche Belastungen seien nur rechtmäßig, wenn sie zur Erreichung der zulässigerweise mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich seien. Dabei sei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stünden, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müßten die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen 307. Die Dreigliederung in die Elemente der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit hat der Gerichtshof offenbar aus der deutschen Rechtsordnung übernommen 308 . 302 Eigene Rechte können die Bundesländer gegenüber der EG nicht geltend machen, denn die Gemeinschaft und ihre Organe sind - wie es Ipsen, FS Hallstein, 256, genannt hat - mit "Landes-Blindheit" geschlagen; so im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip Ress, EuGRZ 1987, 362; Badura, ZSR 1990, Halbband I, 126. 303 Vgl. etwa Urteil des Gerichtshofs vom 19. Juni 1980, verb. Rs. 41,121 und 796/ 79 (Testa), Slg. 1980, 1979 (1997); Urteil vom 11. Juli 1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989,2237 (2269): Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehöre zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts; ausführlich zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht 11, 690-842. 304 Grabitz / Pernice, Kommentar zum EWGV, Art. 164 Rdnr. 101, bezeichnet den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als "Schlüssel des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes"; ähnlich Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht 11, 841: Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz komme im Gemeinschaftsrecht eine ähnliche Bedeutung zu wie den Grundrechten im deutschen Recht. 305 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht 11, 838. 306 So auch Schiller, RIW 1983, 929; Ress, Grundsatz, 38; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht 11, 832. 307 Slg. 1989,2237 (2269). 308 So Zu/eeg, Rechtsprechung, 238, der in dem Verfahren in der Rs. 265/87 Berichterstatter war; Schmidt, WUR 1990, 4.
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Die oben hervorgehobene Grundrechtsrelevanz des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bezeichnet seine Schutzwirkung zugunsten des einzelnen gegenüber belastenden Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane. Im folgenden ist zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch Schutzwirkung zugunsten der Mitgliedstaaten gegenüber Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane zu entfalten vermag, die sich in deren Kompetenzbereich auswirken. Eine solche Funkti~m des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist bislang - soweit ersichtlich - von der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entwickelt worden 309. Dennoch wird in der Literatur verschiedentlich die Auffassung vertreten, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse auch als Schranke gemeinschaftlicher Kompetenzausübung gegenüber den mitgliedstaatlichen Kompetenzen beachtet werden 310. Bleckmann stellt die Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gar in den umfassenden Zusammenhang der von der Gemeinschaft nicht nur gegenüber den Individuen, sondern seiner Auffassung nach auch gegenüber den Mitgliedstaaten zu beachtenden Rechtsstaatsprinzipien 311. Gegen eine Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten könnte zunächst eingewandt werden, der EWG-Vertrag treffe eine abschließende Regelung; für eine Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei daneben kein Raum mehr. Stützen ließe sich diese Auffassung durch die Feststellung, daß der EWG-Vertrag in die Tatbestände einzelner Vertragsvorschriften ausdrücklich Elemente des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufgenommen hat, so etwa in Art. 8 a Abs. 1 (erforderliche Maßnahmen), in Art. 67 Abs. 1 (notwendig für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes) und in Art. 235 (Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich / Erlaß geeigneter Maßnahmen). Dieser Auffassung wäre auch ohne weiteres zu folgen, wenn sich feststellen ließe, daß der EWG-Vertrag Inhalt und Reichweite gemeinschaftlicher Rechtsakte relativ genau determinierte. Dies ist indessen nicht der Fall. Der EWG-Vertrag bietet den Gemeinschaftsorganen lediglich einen mehr oder weniger konkreten Handlungsrahmen 3I2 für den "genuin politischen Einigungsprozeß"313. Grund309 So auch Schröder. 51. 310 Vgl. etwa Ossenbühl. 47 f.; Delbrück. Rundfunkhoheit, 57 ff.; Hailbronner. JZ 1990, 152; Steindorjf. Grenzen, 32; Everling, EuR 1990, 216 f.; lpsen, GS Geck, 353; Grabitz / Langeheine, Kommentar zum EWGV, Art. 100 Rdnr. 12 (betreffend Form und Ausmaß der Rechtsangleichung); zweifelnd Schröder. 51; nicht eindeutig Schwarze. Europäisches Verwaltungsrecht H, 841: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entfalte seine Bedeutung auch bei Eingriffen in tatsächliche Interessen der Mitgliedstaaten. 311 Bleckmann. Europarecht, 178 f. 312 Vgl. näher zur Unbestimmtheit der im EWG-Vertrag enthaltenen Normen Clever. 144 ff.; zur Kennzeichnung des EWG-Vertrages als Rahmenvertrag vgl. Abschnitt A. I. 4. a) dieses Teils. 313 Vgl. Magiera. GS Geck, 511. 15*
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sätzlich steht dem Gemeinschaftsgesetzgeber - selbstverständlich im Rahmen der jeweiligen, entsprechend den Vertrags zielen ausgelegten vertraglichen Ermächtigung 314 - ein vom Gerichtshof anerkannter 315 Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Rücksichtnahme auf den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten in Betracht kommen könnte 316 • Die Rechtsprechung des Gerichtshofs steht dem nicht entgegen. Wenn der Gerichtshof den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zählt 3I7 , schließt dies eine umfassende, über den Schutz des einzelnen hinausgehende Bedeutung prinzipiell nicht aus. Sollte der Gerichtshof also den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den Schutz des nationalen Kompetenzbereichs für anwendbar halten, wäre der Gemeinschaftsgesetzgeber verpflichtet, unter mehreren gleichermaßen zur Verwirklichung des jeweils verfolgten Ziels geeigneten Maßnahmen diejenige zu ergreifen, die den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten am wenigsten beeinträchtigt. Weiterhin dürfte eine solche Maßnahme auch nicht unangemessen in mitgliedstaatliehe Kompetenzbereiche eingreifen; andernfalls - im kaum vorstellbaren "Extremfall" - müßte sie unterbleiben 3I8. Hierbei wäre aber besonders darauf zu achten, daß die bereits vom Vertrag getroffene Entscheidung für ein Tätigwerden der Gemeinschaftsorgane, mithin die grundsätzliche Zulässigkeit des "Hineinwirkens" in die nationalen Rechtsordnungen nicht in Frage gestellt wird. Nicht statthaft wäre es etwa, die Unanwendbarkeit der Warenverkehrsund Wettbewerbsregelungen in bestimmten Bereichen allein aufgrund der besonderen, den mitgliedstaatlichen Zuständigkeitsbereich berührenden kulturpolitischen Bedeutung dieser Bereiche zu postulieren 319. Außerdem wäre zweifelhaft, ob der Gerichtshof im Hinblick auf die Schonung nationaler Kompetenzbereiche die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für justitiabel halten würde. In dem Urteil vom 11. Juli 1989 in der Rs. 265/87 (Schräder) stellte er fest, aufgrund des weiten Ermessens des Gemeinschaftsgesetzgebers im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik sei eine Maßnahme nur dann wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels "offensichtlich ungeeignet" sei 320. Das Ermessen des Darauf weist Everling, FS Doehring, 195, hin. Vgl. Urteil vom 30. Mai 1989, Rs. 20/88 (Roquette Freres), Sig. 1989, 1553 (1588); Urteil vom 17. Mai 1988, Rs. 84/87 (Erpelding), Sig. 1988,2647 (2673); Urteil vom 9. Juli 1985, Rs. 179/84 (Bozzetti), Sig. 1985,2301 (2322); Urteil vom 22. Mai 1985, Rs. 13 / 83 ("Gemeinsame Verkehrspolitik"), Sig. 1985,1513 (1596); Urteil vom 29. Februar 1984, Rs. 37/83 (Rewe-Zentrale), Sig. 1984, 1229 (1249). 316 Allgemein gilt, daß die Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit umso größer ist, je größer der Handlungsspielraum des jeweiligen Organs ist, und umso geringer, je genauer ein Rechtsakt vorgeschrieben ist; vgl. Jakobs, 138. 317 Vgl. Anm 303. 318 Vgl. Schröder, 51. 319 So aber offenbar lpsen, GS Geck, 354. 320 Sig. 1989, 2237 (2270). 314 315
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Gemeinschaftsgesetzgebers bezieht sich hier also nicht nur auf die Auswahl unter mehreren verhältnismäßigen Maßnahmen, sondern darüber hinaus auf die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit. Ob der Gerichtshof allerdings einer solchen Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zustimmen würde, erscheint fraglich. Die Herleitung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus dem deutschen Recht legt es nahe, dem Grundsatz im Verhältnis EG / Mitgliedstaaten die gleiche Bedeutung zuzumessen wie im Verhältnis Bund / Länder. Für dieses Verhältnis hat das Bundesverfassungsgericht am 22. Mai 1990 entschieden, daß die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten "Schranken für Einwirkungen des Staates in den Rechtskreis des Einzelnen ... im kompetenzrechtlichen BundLänder-Verhältnis nicht anwendbar" seien 321 • Dies gelte insbesondere für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 322 . Das Gericht führte aus, ein Denken in den Kategorien von Freiraum und Eingriff könne auf die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern nicht übertragen werden 323. Hier ist die Situation also anders als in dem Fall der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, die eine "grundrechtsähnliche Struktur" aufweist 324 und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor unverhältnismäßigen Eingriffen des Bundes oder der Länder geschützt ist 325 . Die hier vorgenommene Einschätzung der voraussichtlichen Haltung des Gerichtshofs hinsichtlich einer Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf die Beziehung EG / Mitgliedstaaten wird gestützt durch folgende Äußerung des Richters am Europäischen Gerichtshof Kapteyn: "Moreover, the principIe of proportionality is applicable to the relationship between the Community and its citizens. We are not speaking of a principle aimed at limiting the powers of the Community vis-a-vis the Member States."326
bb) Der Grundsatz der Gemeinschaftstreue Neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist als weiterer Ansatzpunkt für eine Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur Rücksichtnahme auf die Kompetenzen der Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gemeinschaftstreue in Betracht zu ziehen. Dieser Grundsatz ist im geschriebenen Gemeinschaftsrecht nicht enthalten, wurde vielmehr begrifflich von der Literatur geprägt 327 und ist von der 321 BVerfGE 81, 310; 5. Leitsatz. 322 Ebd. 323 Ebd., S. 338; anders Stettner, 397 ff. 324 Blümel, FG von Unruh, 268. 325 Vgl. Beschluß vom 7. Oktober 1980, BVerfGE 56, 298 (313 f.); Knemeyer, Kommunalrecht, 36. 326 Kapteyn, R.A.E. 2/1991,39. 327 Vgl. Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 5 Rdnr. 15.
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Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Grunde nach anerkilnnt, wobei allerdings der Begriff der Gemeinschaftstreue dort keine Verwendung findet. Der Gerichtshof spricht von dem "Grundsatz"328 bzw. von der "allg~meinen Regel"329, "daß den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen gegenseitige Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit" oblägen 330. Ausdruck dieses Grundsatzes ist nach Auffassung des Gerichtshofs Art. 5 EWGV331. Darüber hinaus wird in der Literatur zuweilen auf Art. 6 Abs. 2 EWGV als Nachweis für die Existenz einer auch die Gemeinschaftsorgane bindenden allgemeinen Pflicht zur Gemeinschaftstreue hingewiesen 332. Scheint es somit unbestreitbar zu sein, daß der Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten Treue- bzw. Loyalitätspflichten obliegen 333 , stellt sich die Frage, ob diese Pflichtenstellung die Rücksichtnahme auf mitgliedstaatliche Kompetenzbereiche und deren größtmögliche Schonung umfaßt. Die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs 334 liefert insofern keine unmittelbaren Hinweise. Stimmen in der Literatur hingegen entnehmen dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue die erwähnte Pflicht zur Rücksichtnahme 335 • Dem ist im Prinzip zuzustimmen. Ein "treuwidriger", "illoyaler" Eingriff in mitgliedstaatliche Kompetenzen müßte auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unzulässig sein. In dieser Allgemeinheit bietet der Grundsatz der Gemeinschaftstreue jedoch keinen handhabbaren Prüfungsmaßstab. Die entscheidende Frage ist daher, nach welchen Kriterien beurteilt werden kann, ob eine Kompetenzausübung durch die Gemeinschaftsorgane treu widrig bzw. illoyal ist. Als Maßstab kommt hier erneut der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ins Spiel. Denn es erscheint ausgeschlossen, eine im Hinblick auf den mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich verhältnismäßige Maßnahme als treu widrig anzusehen, genauso wie es umgekehrt ausgeschlossen erscheint, eine unverhältnismäßig in den mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich eingreifende Maßnahme in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue zu sehen.
328 Urteil vom 2. Februar 1989, Rs. 94/87 (Kommission / Deutschland), Sig. 1989, 175 (192); Urteil vom 15. Januar 1986, Rs. 52/84 (Kommission/Belgien), Sig. 1986, 89 (105); Urteil vom 10. Februar 1983, Rs. 230/ 81 (Luxemburg / Parlament), Sig. 1983, 255 (287). 329 Urteil vom 15. Januar 1986, Rs. 44/84 (Hurd), Sig. 1986,29 (81). 330 Vgl. die in Anm. 328 und 329 genannten Urteile.
331 Ebd. 332 Vgl. GBTE / Zuleeg, Art. 6 Rdnr. 7; Ossenbühl, 41. 333 So auch Jarass, EuR 1986,93 f.; Ossenbühl, 45. 334 Vgl. Anm. 328 und 329. 335 Vgl. etwa Ipsen, GS Geck, 352 f.; Ossenbühl, 46; Jarass, EuR 1986, 94; wohl auch Hilf, ZaöRV 1975,58: Alle Beteiligten müBten stets die möglichen Auswirkungen einer von ihnen vorgesehenen Regelung über ihre eigene Rechtsordnung hinaus bedenken. Everling, FS Doehring, 195, hält den Grundsatz der Gemeinschaftstreue lediglich für eine "äuBerste" Grenze der Kompetenzverteilung.
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Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz der Gemeinschaftstreue stimmen mithin - zumindest im Hinblick auf die hier interessierende Frage der Schonung nationaler Kompetenzen -- inhaltlich überein 336 . Insofern hat der Grundsatz der Gemeinschaftstreue neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine eigenständige Bedeutung 337 • Daraus folgt aber, daß die gegen die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorgebrachten Bedenken 338 auch gegenüber dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue gelten. cc) Das Subsidiaritätsprinzip
Als letzter Anknüpfungspunkt für eine Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur Rücksichtnahme auf den mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich ist das Subsidiaritätsprinzip zu erörtern. Heute ist das Subsidiaritätsprinzip wieder "in aller Munde"339, nachdem es zwischenzeitlich als Erscheinung einer "Mode, deren man überdrüssig zu werden beginnt", bezeichnet wurde 340. Die gegenwärtige Diskussion um das Subsidiaritätsprinzip betrifft allerdings nicht mehr - wie die eben zitierten Äußerungen - das deutsche Verfassungsrecht, sondern das Europäische Gemeinschaftsrecht. Dabei entwickelt sich das Subsidiaritätsprinzip zum "Schlüsselbegriff in der europapolitischen Diskussion" 341. Allgemein wird im Rahmen der bevorstehenden Revision der Gemeinschaftsverträge eine ausdrückliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im Gemeinschaftsrecht angestrebt 342 . Aber schon unter dem geltenden Recht wird - vor allem von Seiten der Bundesländer - die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips gefordert 343. Vorschub 336 In diesem Sinn auch Delbrück, Rundfunkhoheit, 58; Ossenbühl, 48; Hailbronner, JZ 1990, 152; Bleckmann, Europarecht, 178. 337 Anders Schröder, 50: Die einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung lasse sich rechtskonstruktiv am ehesten auf die Gemeinschaftstreue des Art. 5 EWGV stützen. 338 Vgl. soeben Abschnitt A. III. 3. c) aa). 339 So schon Herzog, Der Staat 1963, 399. 340 So lsensee, 9. 341 So zutreffend Heintzen, JZ 1991,317; ebenso Wilke I Wal/ace, 1. 342 Vgl. Schlußfolgerungen der Außenminister der Mitgliedstaaten, Europe Documents No. 1666, 6. Dezember 1990; Stellungnahme der Kommission vom 21. Oktober 1990 zu dem Entwurf zur Änderung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Zusammenhang mit der Politischen Union, KOM (90) 600, S. 13; Entschließungen des Europäischen Parlaments zum Subsidiaritätsprinzip vom 12. Juli 1990, ABI. EG C 231/163; vom 21. November 1990, ABI. EG C 324 /167; Schlußerklärung der Konferenz der Parlamente der Europäischen Gemeinschaft vom 30. November 1990 in Rom, EA 1991, D 21 ff., Ziff. 23-25; Entschließung des Bundesrates zum föderativen Aufbau Europas im Rahmen der Politischen Union, BR-Drs. 780/90 (Beschluß); vgl. nunmehr Art. 3 b EGV i. d. F. des am 7. Februar 1992 unterzeichneten Vertrags über die Europäische Union, in englischer Sprache veröffentlicht in EuropeAgence Internationale, Documents No. 1759/60 vom 7. Februar 1992, S. 4. 343 Vgl. Scheiter, EuZW 1990, 217 ff.; Stoiber, EA 1987, 551; Münchener Erklärung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 21. bis 23. Oktober 1987 zu "Föderalismus in der Europäischen Gemeinschaft - allgemeine Grundsätze", Ziff. 1. 2. (hektographiert);
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
für derartige Forderungen leisten die Gemeinschaftsorgane selbst, die sich zu einer Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bekannt haben 344. Die solchermaßen feststellbare Übereinstimmung ist allerdings nur eine begriffliche 345 • Das in den Bundesländern vorherrschende Verständnis weicht erheblich von dem der Kommission ab. Während die Bundesländer sich vom Subsidiaritätsprinzip überwiegend Zurückhaltung der Gemeinschaftsorgane und Schonung ihrer Kompetenzen versprechen 346 , wird das Subsidiaritätsprinzip in der Kommission als ein rationales Prinzip der Aufgabenzuweisung verstanden 347. J acques Delors drückte diese Differenz vorsichtig mit den Worten aus, auch er sei ein Verfechter des Subsidiaritätsprinzips, "vielleicht nicht in dem präzisen Sinn, den das deutsche Verfassungsrecht diesem Begriff beigelegt (habe), aber doch in exemplarisch der Beschluß des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über Gemeinschaftsaktionen für den Landtourismus, BR-Drs. 223 / 91: Die Kommission nehme Kompetenzen in Anspruch, die ihr nicht zustünden bzw. das Subsidiaritätsprinzip nicht ausreichend berücksichtigten; vgl. auch Hailbronner, JZ 1990, 153. 344 Vgl. etwa Arbeitsprogramm der Kommission für 1991, Bull. EG Beil. 1/91, S. 16, Ziff. 3; Erklärung des Kommissionspräsidenten Jacques Delors anläßlich eines Treffens mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer am 19. Mai 1988 in Bonn, EA 1988, D 340 ff.; insbesondere Mitteilung der Kommission über ihr Aktionsprogramm zur Anwendung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte, KOM (89) 568, 4: "In Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, demzufolge die Kommission tätig wird, wenn die gesetzten Ziele sich besser durch sie als durch die Mitgliedstaaten erreichen lassen, ... "; Wägenbaur, Rechtsprechung, 172: Zunehmend erkenne die Kommission die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips für die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten an; vgl. darüber hinaus Entschließung des Rates vom 28. Januar 1991 zum Grünbuch über die städtische Umwelt, ABI. EG C 33/4, Ziff. 3; Schlußfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Minister für das Bildungswesen vom '6. Oktober 1989 über die Zusammenarbeit und die Gemeinschaftspolitik im Bildungswesen im Hinblick auf 1993, ABI. EG C 277 / 5, Ziff. 2; Beschluß des Rates vom 21. Dezember 1990 über das MEDIA-Programm, ABI. EG L 380/37,22. Erwägungsgrund. 345 Vgl. zu den vielfältigen inhaltlichen Varianten Heintzen, JZ 1991,318. 346 So auch Schrenk, NuR 1990,392; vgl. etwa die Münchener Erklärung der Ministerpräsidentenkonferenz (Anm. 343): Die Übernahme neuer Aufgaben durch die EG müsse "im Interesse der Bürger unabweisbar notwendig" sein; vgl. auch die Erklärung der Ministerpräsidentenkonferenz in München am 20. /21. Dezember 1990 zu "Stärkung des Föderalismus in Deutschland und Europa", Ziff. III. 1.: Die EG könne nur dann zuständig sein, wenn eine Aufgabe die Kräfte der unteren Ebene übersteige; vgl. aber andererseits den Antrag des Landes Baden-Württemberg betreffend eine Entschließung zum Umweltschutz im Binnenmarkt, BR-Drs. 327 /90, Ziff. 11. 2.: Es gehe beim Subsidiaritätsprinzip "um die sachgerechte Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen der Gemeinschaft". 347 Vgl. etwa Schmidhuber / Hitzier, DÖV 1991,276: Nach dem Subsidiaritätsprinzip solle jeweils die Ebene tätig werden, "die mit dem geringsten Aufwand das beste Ergebnis erzielen" könne; vgl. auch das Zitat aus der Mitteilung der Kommission zur Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte (Anm. 344); EG-Kommission, Mitteilung über den Rahmen für Gemeinschaftsaktionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung in den 90er Jahren, SEK (89) 675 (abgedruckt als BR-Drs. 364 / 89), S. 7: Die Gemeinschaft solle dann tätig werden, wenn die Ziele auf Gemeinschaftsebene wirksamer erreicht werden könnten.
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dem Sinn, daß auf europäischem Niveau nur das geregelt werden sollte, was besser und sinnvoller auf diesem Niveau geregelt werden" könne 348. Die begrifflichen Unklarheiten machen einen Blick auf die Entwicklung des Subsidiaritätsprinzips erforderlich. Das Subsidiaritätsprinzip in seiner heute anerkannten Form entstammt nach allgemeiner Ansicht der katholischen Soziallehre 349 und hat seine "klassische" Formulierung 350 in der Enzyklika "Quadragesimo anno" des Papstes Pius XI. aus dem Jahr 1931 351 gefunden. Danach verstößt es insbesondere gegen die Gerechtigkeit, "das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen". Darüber hinaus soll jede Gesellschaftstätigkeit "die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen"352. Daraus folgt, daß die obere Ebene eine Aufgabe erst dann an sich ziehen darf, wenn sie erfolglos versucht hat, die untere Ebene beim eigenen Versuch der Aufgabenerfüllung zu unterstützen, d. h. deren Handlungsfahigkeit herzustellen 3S3 • Diese Interpretation gibt der Auffassung der Bundesländer recht, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips müsse dazu führen, daß die Gemeinschaftsorgane generell in zurückhaltender Weise von ihren Kompetenzen Gebrauch machen 354 . Vor allem erscheint diese Auffassung plausibel im Hinblick auf gemeinschaftliche Aktivitäten im kulturellen Bereich, die sich - wie gezeigt 355 - durch besondere Grundrechtsrelevanz auszeichnen 356. Häberle fordert geradezu das "Subsidiaritätsprinzip im kulturellen Bereich" 357, und Rovan meint, die Kultur sei ohne Zweifel das Gebiet, "das für von oben kommende, zentralistische Regelungen besonders wenig geeignet" sei 358, hier sei das Subsidiaritätsprinzip besonders zu beachten 359.
348 EA 1988, D 341. 349 Vgl. nur Millgramm, DVBI. 1990, 744; Zuck, 3 ff.; Stadler, 12; Isensee, 18 ff. 350 So Isensee, 18. 351 Abgedruckt in deutscher Übersetzung bei Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, 91 ff. 352 Ebd., 121. 353 So auch V. Constantinesco, Integration 1990, 168. 354 So auch Kapteyn, R.A.E. 2/1991,42: Schutz der Autonomie der individuellen und gesellschaftlichen Ebenen gegen unnötige staatliche Interventionen; Blanke, ZG 1991, 135: Schutzmechanismus zugunsten der Mitgliedstaaten und der Regionen; Pechstein, DÖV 1991,536: Maximaler Schutz für die unteren Ebenen. 355 Vgl. Abschnitt A. III. 2. a) dieses Teils. 356 Zum Zusammenhang zwischen Grundrechten und dem Subsidiaritätsprinzip vgl. Merten, in: Benda / Maihofer / Vogel, 780; Isensee, 313; Stadler, 81. 357 Häberle, Europa in kulturverfassungsrechtlicher Perspektive, 66. 358 Rovan, 104. 359 Ebd.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Über derartigen Erwägungen darf allerdings nicht vergessen werden, daß das Subsidiaritätsprinzip ein Prinzip von allgemeiner Natur 360 ist, darüber hinaus ein sozialphilosophisches, "mit Argumenten der allgemeinen menschlichen Vernunft" begründetes Prinzip361. Seine Geltung als die Gemeinschaftsorgane bindendes Rechtsprinzip ist daher selbständig zu beweisen. Da eine ausdrückliche Erwähnung des Subsidiaritätsprinzips im Gemeinschaftsrecht nicht festgestellt werden kann, ist nach indirekten Hinweisen für dessen allgemeine Geltung zu forschen. Hierbei stößt man zuerst auf Art. 130r Abs. 4 EWGV. Danach wird die Gemeinschaft "im Bereich der Umwelt insoweit tätig, als die in Absatz 1 genannten Ziele besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten". Tatsächlich wird diese Formulierung vielfach 362 als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips verstanden 363 . Dies muß angesichts der vorerwähnten Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips überraschen, läßt sich doch der Vorschrift des Art. 130r Abs. 4 EWGV eine Priorität der unteren Ebene nicht entnehmen. Denn die Formulierung dieser Vorschrift stellt allein auf die bessere Aufgabenerfüllung ab. Schutzgut und Verteilungskriterium ist die Güte der Aufgabenerfüllung; Hinweise auf einen möglicherweise beabsichtigten Schutz der unteren Ebene, etwa in Form des einschränkenden Zusatzes, die Gemeinschaft dürfe nur tätig werden, wenn sie ein Ziel besser als die Mitgliedstaaten erreichen könne, fehlen völlig. Dies ist umso bedeutsamer, als das Fehlen des erwähnten Zusatzes das Sprachgefühl stört und daher kaum auf einem nicht beabsichtigten Unterlassen beruht 364. Dieser Umstand wird von Teilen der Literatur entweder nicht zur Kenntnis genommen 365 oder in seiner Bedeutung verkannt 366. Daher ist es andererseits nicht verwunderlich, daß Stimmen in der Literatur den Begriff des Subsidiaritätsprinzips im Zusammenhang mit Art. 130r Abs. 4 EWGV meiden und stattdessen vom "Grundsatz der geeigneten Aktionsebene"367 und vom "Prinzip der optimalen Wirkebene"368 sprechen oder die Vorschrift einfach als "Besserklausel"369 bezeichnen. Obwohl somit festgestellt werden 360 Vgl. V. Constantinesco, Integration 1990, 168; Süsterhenn, FS Nawiasky, 149. 361 Vgl. Süsterhenn, FS Nawiasky, 142. 362 Zu weitgehend Schrenk, NuR 1990,392: fast ausnahmslos. 363 Vgl. etwa Wilke / Wal/ace, 3; Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 40; Mischo, RMC 1990,685; Dauses, BayVBI. 1989,615; Glaesner, Umwelt, 8; Merten, 34; V. Constantinesco, Integration 1990, 170; Knemeyer, DVBI. 1990,450; Oschatz, 69. 364 Auch der englische und der französische Vertragstext enthalten keine solche Einschränkung. 365 So etwa Nicolaysen, Europarecht I, 128, der das Wort "nur" einfach hinzufügt. 366 So etwa Klein, VVDStRL 50 (1991), 73, der das Wort "nur" in Klammem hinzufügt. 367 So Grabitz / Zacker, NVwZ 1989,299/302; Vitzthum, AöR 1990, 287. 368 So Pernice, DV 1989,35. 369 So Scheuing, EuR 1989, 164.
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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muß, daß das Subsidiaritätsprinzip in Art. 130r Abs. 4 EWGV keine Ausprägung erfahren hat, ist gegen die Verwendung des Begriffs des Subsidiaritätsprinzips - wie Krämer richtig feststellt - "nichts einzuwenden, solange aus dem Begriff der Subsidiarität keine Folgerungen gezogen werden" 370. Ob dem aber widerstanden werden kann, erscheint zweifelhaft. Lerche etwa warnt vor der verbreiteten "Neigung, Welterklärungsformeln in eine positive Verfassung einzugießen, um hernach bestimmte Produkte auszufällen" 371. Neben der Vorschrift des Art. 130r Abs. 4 EWGV werden Ausprägungen des Subsidiaritätsprinzips noch in verschiedenen anderen Vertragsvorschriften entdeckt. So wird etwa auf die Art. 6 und 67 372 , Art. 100 373 , Art. 118 a 374, Art. 128 375 , Art. 130g 376 , Art. 130 t 377, Art. 189 378 sowie Art. 235 379 hingewiesen. Ist schon fraglich, ob die genannten Vorschriften tatsächlich "Ausprägungen" des Subsidiaritätsprinzips darstellen, oder sich nicht vielmehr lediglich - gleichsam zufällig - in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip befinden, wäre jedenfalls noch zu beweisen, daß es sich um Ausprägungen eines dem Vertrag allgemein zugrunde liegenden, von den Gemeinschaftsorganen als Kompetenzschranke zu beachtenden Prinzips handelt. Geht es um die Herleitung von allgemeinen Schlüssen aus Einzelregelungen, so bieten sich als logisch gleichwertig sowohl die Analogie wie der Umkehrschluß an 380. Die Entscheidung für die eine oder die andere Lösung muß also besonders begründet werden. Hierbei gewinnen die Grundsätze der vertraglichen Kompetenzverteilung an Gewicht. Wie oben dargestellt, ist das Gemeinschaftsrecht dahin angelegt, sich dynamisch zu entwickeln und sich auszuweiten 381. Damit geriete die Anerkennung eines Subsidiaritätsprinzips, welches in jedem Einzelfall die gesonderte Ermittlung der jeweils geeigneten Ebene erforderlich machen würde, in Widerspruch, denn die Dynamik der Integration würde gehemmt werden 382. Das Subsidiaritätsprinzip als Kompetenzausübungsschranke "paßt" nicht Krämer, 142. Lerche, VVDStRL 21 (1964),76. Auch Herzog, JuS 1967, 194, bezeichnet es in anderem Zusammenhang als erstaunlichen Vorgang, aus einer ursprünglich nur erklärenden Gedankenhilfe rechtliche Konsequenzen zu ziehen. 372 So Glaesner, Umwelt, 8. 373 So R. Geiger, 63; V. Constantinesco, Integration 1990, 168. 374 So Dauses, BayVBI. 1989,615; Wilke / Wal/ace, 27. 375 So Dauses, BayVBI. 1989,615. 376 So Giscard d'Estaing, R.A.E. 1/1991,64. 377 So Dauses, BayVBI. 1989,615; Wilke / Wal/ace, 27. 378 So hinsichtlich des Instruments der Richtlinie R. Geiger, 63; Jacque / Weiler, CML Rev. 1990,203; Kapteyn, R.A.E. 2/1991,38. 379 So Dauses, BayVBI. 1989,615; R. Geiger, 63; Glaesner, Umwelt, 8. 380 So auch Herzog, Der Staat 1963,412; Zuck, 56. 381 Vgl. Abschnitt A. I. 4. dieses Teils. 382 In diesem Sinn auch Blanke, ZG 1991, 141. 370
371
236
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
in die gegenwärtige Kompetenzordnung der Europäischen Gemeinschaft 383 • Das Gemeinschaftsrecht legt grundsätzlich selbst die geeignete Handlungsebene fest 384. In Übereinstimmung damit befindet sich die von den Staats- und Regierungschefs von elf Mitgliedstaaten angenommene "Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer" 385, in deren sechszehntem Erwägungsgrund es heißt, aufgrund des Subsidiaritätsprinzips seien für die Verwirklichung der in der Charta beschriebenen sozialen Rechte die Mitgliedstaaten und ihre Gebietskörperschaften "und im Rahmen ihrer Befugnisse die Europäische Gemeinschaft zuständig". In dieser Formulierung spiegelt sich der Umstand wider, daß das Subsidiaritätsprinzip zwar möglicherweise "bei der Gründung der Gemeinschaft für die Verteilung der Aufgaben und Kompetenzen eine Rolle gespielt" hat 386 , daß also die vertragliche Kompetenzverteilung selbst als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips angesehen werden kann 387, daß es aber als ein die Gemeinschaftsorgane bindendes, bei der Kompetenzausübung zu beachtendes Rechtsprinzip nicht anerkannt werden kann 388. 4. Völkerrechtliche Schranken
a) Einleitung Schranken für die gemeinschaftliche Kompetenzausübung im kulturellen Bereich ergeben sich nicht nur aus dem Gemeinschaftsrecht selbst, sondern auch aus den Regeln des Völkerrechts, denen die Gemeinschaft im Verhältnis zu dritten Staaten und internationalen Organisationen unstreitig unterworfen ist 389 • Neben allgemeinen völkerrechtlichen Pflichten obliegt der Gemeinschaft auch die Beachtung ihrer völkervertragsrechtlichen Bindungen 390. Die folgenden knappen Ausführungen sollen auf einen Problemkreis beschränkt werden, der in der Gemeinschaftspraxis auch im kulturellen Bereich relevant geworden ist, nämlich auf die Frage, ob und inwieweit die Gemeinschaft einem völkerrechtlichen Grundsatz der Handelsfreiheit verpflichtet ist.
So auch Heintzen, JZ 1991,319; ähnlich Blanke, ZG 1991, 143. So auch Pernice, DV 1989,34. 385 Vgl. das gleichnamige Dokument, hrsg. vom Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG, Luxemburg 1990. 386 So Everling, FS Doehring, 193. 387 So Pechstein, DÖV 1991, 539. 388 So auch Bleckmann, ZRP 1990,268; Eise1stein, ZRP 1991, 22. 389 Grabitz / Simma / Vedder, Kommentar zum EWGV, Art. 210 Rdnr. 17; Everling, Wirtschaftsbeziehungen, 177, der diese Feststellung als ..banal, aber doch nicht überflüssig" bezeichnet, da sie oft nicht ausreichend berücksichtigt werde. 390 Vgl. für das Außenwirtschaftsrecht der Gemeinschaft Everling, ebd., 187. 383
384
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
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Eine allgemeine Beeinträchtigung der Handelsfreiheit für Drittstaaten durch die Gemeinschaft - zusammengefaßt mit dem Schlagwort von der "Festung Europa" - wird als Folge der Vollendung des Binnenmarktes befürchtet 391 . Konkret wird der Gemeinschaft ein Verstoß gegen das Prinzip der Handelsfreiheit im Zusammenhang mit der in der Femsehrichtlinie enthaltenen Quotenregelung 392 vorgeworfen. Dieser Vorwurf stammt vor allem von amerikanischer Seite, die eine Verschlechterung der Exportchancen ihrer einheimischen Industrie auf dem Filmsektor befürchtet 393. In diesem Zusammenhang wurde das Vorgehen der Gemeinschaft als "unverhüllt protektionistisch, ungerechtfertigt und gegenüber der amerikanischen sowie Nicht-EG-Filmindustrie diskriminierend"394 bezeichnet. Kritik erfuhr die Quotenregelung aber auch im europäischen, speziell im deutschen Schrifttum. So spricht etwa Bullinger davon, die Quotenregelung atme den "Geist des französischen Kulturdirigismus" 395, und Everling bezeichnet sie als "wegen ihrer kulturprotektionistischen Tendenz bedenklich" 396. Auf Gemeinschaftsebene ist die Furcht vor einer "Festung Europa" zur Kenntnis genommen und versucht worden, sie zu zerstreuen. So erklärte der Vorsitz des Europäischen Rates von Rhodos am 2. / 3. Dezember 1988 u. a., der Binnenmarkt werde sich nicht nach außen abschotten, das Europa von 1992 werde ein Partner, keine "Festung Europa" sein 397. Auch die Kommission bekräftigte das Interesse der Gemeinschaft an einem offenen und freien WelthandeP98, ein Interesse, das sich aus der starken Exportabhängigkeit der Gemeinschaft erklärt 399 , das aber auch schon im EWG-Vertrag selbst - etwa im sechsten Erwägungsgrund der Präambel und in Art. 110 - angesprochen ist. Bei der Diskussion um protektionistisches Verhalten der Gemeinschaft insbesondere im Fall der Quotenregelung - sind politische von rechtlichen Argumenten zu trennen. Wenn etwa in der deutschen Literatur Protektionismus allgemein als "ökonomisch ineffizient" bezeichnet 400 oder die Auffassung geäußert wird, die Quotenregelung sei als Maßnahme der Industriepolitik nicht sinnvoll, aktive finanzielle Förderung sei das geeignetere Mittel 401 , so handelt es sich 391 Vgl. dazu Müller-Huschke, 17. 392 Vgl. dazu näher Abschnitt B. II. 4. b) cc) des zweiten Teils. 393 Vgl. etwa Kleinsteuber, Media Perspektiven 1990,550. 394 So die Handelsdeligierte der Vereinigten Staaten Carla Hills, zitiert nach NZZ vom 13. Oktober 1989. 395 Bullinger, Werbung und Quotenregelung, 97. 396 Everling, EuR 1990,217. 397 Bull. EG 12 - 1988, Ziff. 1.1.10. 398 Bull. EG 10 - 1988, Ziff. 1.2.3. 399 Ebd.; vgl. auch Grabitz / Vedder, Kommentar zum EWGV, vor Art. 110 Rdnr. 5; Hilf, Europa '92, 15. 400 So Oppermann I Beise, EA 1991,451. 401 So Frohne, ZUM 1989, 396.
238
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
um die erste Kategorie von Argumenten. Im folgenden soll es aber allein um die rechtliche Seite der Diskussion gehen. b) Der Grundsatz der Handelsfreiheit
aa) Allgemeines Völkerrecht Zunächst stellt sich die Frage, ob bereits eine im allgemeinen Völkerrecht enthaltene Regel die Gemeinschaft verpflichtet, ihren Markt für Drittstaaten zu öffnen. Eine solche Regel ist jedoch nicht feststellbar. Vielmehr bewirkt die staatliche Souveränität, daß völkerrechtlich grundsätzlich ,jeder Staat die ,conditions of entry' frei bestimmen" kann 402. Dieser rechtliche Befund wird untermauert durch die Staatenpraxis, die sich durchgängig interventionistischer Mittel bedient, um den heimischen Markt zu schützen 403 . Besonders deutlich wird dies im Bereich der Landwirtschaft, in dem der Protektionismus geradezu ein "universelles Prinzip" darstellt 404 • Folglich hängt der Umfang völkerrechtlicher Handelsfreiheit, auf den sich Drittstaaten gegenüber der Gemeinschaft berufen können, vom Bestehen und von der konkreten Ausgestaltung bi- und multilateraler völkervertragsrechtlicher Regelungen ab. Dies wird im folgenden anhand des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GA IT)405 untersucht, dem "wichtigste(n) internationale(n) Regelungsinstrument für den Welthandel"406.
bb) Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GAlT) Hinsichtlich des GAIT ist es unbestritten - anders als etwa für die EMRK 407 - , daß die Gemeinschaft unmittelbar an seine materiellen Bestimmungen gebunden ist 408 . Die Gemeinschaft wird in der Regel als "de-facto-Partei" bezeichnet 409 ; vereinzelt wird sogar die Konstruktion einer de-jure-Mitgliedschaft der Gemeinschaft im GAIT erwogen 41O . Damit stellt sich die Frage, inwiefern das GAIT einen Grundsatz der Handelsfreiheit enthält, der die Gemeinschaft prinzipiell daran hindern könnte, Maßnahmen im kulturellen Bereich mit protektionistischer 402 Meessen. 88. 403 Dazu Adamantopoulos. 12. 404 So Rhein. 72. 405 Abgedruckt in HER V A 10. S. 67 ff. 406 So Grabitz / Vedder. Kommentar zum EWGV, Art. 113 Rdnr. 192. 407 Vgl. dazu Abschnitt A. III. 2. b) aa) dieses Teils. 408 Vgl. von Bogdandy. EuZW 1992, 15. 409 So z. B. Grabitz / Vedder. Kommentar zum EWGV, Art. 113 Rdnr. 195; Benedek.
191.
410 So GTE / Bourgeois, Kommentar zum EWGV, Art. 110 Rdnr. 3.
A. Die Kompetenzen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
239
Zielrichtung zu ergreifen, die sich auf den internationalen Warenverkehr auswirken 411 . In dieser Allgemeinheit kann die Frage ohne weiteres bejaht werden: Das grundlegende Ziel des GATT ist es gemäß seiner Präambel, "auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen auf einen wesentlichen Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken sowie auf die Beseitigung der Diskriminierung im internationalen Handel" hinzuwirken. Die solchermaßen beschriebene Liberalisierung des internationalen Handelsverkehrs dient verschiedenen gleichfalls in der Präambel niedergelegten ferneren Zielen, u. a. der Erhöhung des Lebensstandards, der Verwirklichung der Vollbeschäftigung und der Steigerung der Produktion und des Austauschs von Waren. Insgesamt erscheint es demnach als zutreffend, die fortschreitende Liberalisierung des internationalen Handelsverkehrs als "Grundidee"412 oder "Grundkonsens"413 des GATT zu bezeichnen. Daraus folgt jedoch nicht, daß das GATT die Vertragsparteien bereits unmittelbar zur Handelsliberalisierung oder gar zum "laissez-faire-Liberalismus" verpflichtete 414. Vielmehr trifft das GATT lediglich bestimmte Vorkehrungen, wie etwa die Verpflichtung zur Meistbegünstigung nach Art. I, die einen freien Handel letztlich bewirken sollen 415 . Zudem enthält das GATT selbst vielfaltige Ausnahme- und Schutzbestimmungen 416, die "in einer Welt von wenig homogenen Wirtschaftspartnern"417 für erforderlich gehalten wurden. Aus der "Grundidee" des GATT lassen sich mithin keine konkreten Folgerungen hinsichtlich der Vereinbarkeit einzelner Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane mit dem GATT ziehen. Vielmehr ist in jedem Fall eine genaue Überprüfung anhand der einzelnen Vertragsvorschriften erforderlich. Hinsichtlich des kulturellen Bereichs ist zunächst festzustellen, daß die kulturpolitische Zielrichtung einer Maßnahme im Rahmen dieser Überprüfung außer Betracht zu bleiben hat. Dies folgt einmal aus der Vorschrift des Art. IV GATT, die ausdrücklich Sonderbestimmungen für Kinofilme enthält, wohl weil dieses Produkt - mit den Worten Jacksons - "was more related to domestic cultural policies than to economics and trade"418, zum anderen aus Art. XX GATT, der in Buchstabe f) Maßnahmen der Vertragsparteien zum Schutz nationalen Kultur411 Das GATI betrifft gegenwärtig allein den Warenverkehr; vgl. GTE / Bourgeois, Kommentar zum EWGV, Art. 113 Rdnr. 173; Benedek, 37; kritisch von Bogdandy, EuZW 1992, 15. Über eine Regelung betreffend Dienstleistungen wird im Rahmen der Uruguay-Runde verhandelt; vgl. Benedek, 38. 412 So Senti, 257. 413 So Benedek, 47. 414 So Petersmann, EWG als GATI-Mitglied, 132. 415 So Smeets, 196. 416 Näher Petersmann, EWG als GATI-Mitglied, 132. 417 So Rhein, 78, als Argument gegen den "totalen Freihandel". 418 Jackson, 293.
240
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
guts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert zuläßt, allerdings vorbehaltlich willkürlicher und ungerechtfertigter Diskriminierungen oder verschleierter Beschränkungen des internationalen Handelsverkehrs. Im Hinblick auf die Fernsehrichtlinie im besonderen hat von Bogdandy nachgewiesen, daß sie letztlich gegen Art. IV Buchst. b) GAIT verstößt, da sie durch die Begünstigung bestimmter, nicht der Gemeinschaft angehöriger Staaten 419 nach Lieferländern aufteilt und daher den Grundsatz der Meistbegünstigung verletzt 420 • Doch auch wenn man die Quotenregelung letztlich für GA IT -konform hielte, könnte sie als Beispiel dienen, um die allgemeine Gefahr eines Verstoßes gemeinschaftlicher Maßnahmen im kulturellen Bereich gegen GATT -Bestimmungen zu illustrieren. Um diese Gefahr zu vermeiden, müssen sich die Gemeinschaftsorgane auf Maßnahmen beschränken, durch die in gemeinschaftsrechtlich zulässiger und unter Gesichtspunkten des GAIT prinzipiell unbedenklicher Weise punktuell 421 oder systematisch bestimmte Bereiche der Kulturwirtschaft finanziell oder in anderer Weise gefördert werden. Einzelne Beispiele punktueller Förderung wurden weiter oben dargestellt 422 ; hinsichtlich eines systematischen Vorgehens als Maßnahme gemeinschaftlicher Industriepolitik sei auf das MEDIA-Programm vom 21. Dezember 1990 hingewiesen 423 , welches ausdrücklich der Förderung der Entwicklung der europäischen audiovisuellen Industrie gewidmet ist und nach Art. 2 u. a. auf die "Verbesserung der Stellung der europäischen Produktions- und Vertriebsfirmen auf den Weltmärkten" zielt.
B. Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten I. Grundsatz Im zweiten Teil der Arbeit wurden einzelne Probleme der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich anhand der Rechtsprechung des Ge419 Vgl. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b) und c) der Fernsehrichtlinie; ABI. EG L 298/23 (1989). 420 Von Bogdandy, EuZW 1992, 16; so offenbar auch Petersmann, Uruguay Round, 205, der im Zusammenhang mit der Fernsehrichtlinie von "discriminatory market-sharing arrangements" spricht. Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem GATT äußern auch M. Seidel, Europäische Rundfunkzone, 145; Everling, EuR 1990,217 f. 421 Oppermann, Länderkulturhoheit, 81, hält derartige Aktionen letztlich für gemeinschaftsrechtlich zulässig, weil die Kultur "gründender Grund der europäischen Integration überhaupt" sei. 422 Vgl. Abschnitt C. III. 2. b) des ersten Teils. 423 ABI. EG L 380/37.
B. Der Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
241
richtshofs dargestellt. Dabei zeigte sich, daß Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die diese zu ihrer nationalen Kulturpolitik zählen, an den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu messen sind und gegebenfalls angepaßt werden oder unterbleiben müssen. Dies ändert aber nichts daran, daß für die Gestaltung der nationalen Kulturpolitik, insbesondere im engeren Kulturbereich, grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig sind 1. Der Gerichtshof hat den Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf die den Mitgliedstaaten verbliebenen Politikbereiche mit den Worten umschrieben, die der Gemeinschaft übertragenen Befugnisse würden nicht dadurch einschränkt, daß sich ihre Wahrnehmung auf Materien auswirke, die als solche nicht der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterlägen 2. Im folgenden soll versucht werden, mit Hilfe einzelner im zweiten Teil der Arbeit gewonnener, den engeren Kulturbereich betreffender Ergebnisse den gemeinschaftsrechtlichen Rahmen nationaler Kulturpolitik abzustecken.
11. Einschränkungen durch das Gemeinschaftsrecht
1. Einleitung Der mitgliedstaatliche Handlungsspielraum wird durch das vorrangig zu beachtende 3 Gemeinschaftsrecht in erster Linie durch solche Vertragsvorschriften eingeschränkt, die sich unmittelbar an die Mitgliedstaaten wenden und ihnen bestimmte Verhaltensweisen vorschreiben oder verbieten. Dazu zählen vor allem das in Art. 7 Abs. 1 EWGV normierte allgemeine Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit4, die vertraglichen Grundfreiheiten sowie die Vorschriften über staatliche Beihilfen. Darüber hinaus können den Mitgliedstaaten auch Beschränkungen aus Vorschriften erwachsen, deren Adressat nicht sie selbst, sondern die einzelnen sind. Diese Möglichkeit hat der Gerichtshof in dem Urteif vom 10. Januar 1985 in der Rs. 229/83 (Leclerc)5 angedeutet, in dem er es nur wegen des Fehlens einer gemeinschaftlichen Weubewerbspolitik auf dem Büchersektor für ausgeschlossen hielt, aus Art. 85 in Verbindung mit Art. 5 EWGV ein Verbot betreffend den Erlaß von Rechtsvorschriften über die Preisbindung von Büchern herzuleiten 6. Die folgende Darstellung beschränkt sich allerdings auf die unmittelbar an die Mitgliedstaaten gerichteten gemeinVgl. nur Everling, Instrumente, 23. Vgl. grundlegend Urteil vom 3. Juli 1974, Rs. 9/74 (Casagrande), Slg. 1974,773 (779); zur Kompetenzverteilung näher Abschnitt A. I. dieses Teils. 3 Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64 (Costa / E.N.E.L.), Slg. 1964, 1251 (1270). 4 Dieses Verbot wendet sich sowohl an die Gemeinschaft, als auch an die Mitgliedstaaten; vgl. GTE / Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 18. 5 Slg. 1985, 1. 6 Ebd., S. 33; vgl. dazu näher Abschnitt B. IV. 3. b) des zweiten Teils. 1
2
16 Niedobitek
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
schaftsrechtlichen Vorschriften über das allgemeine Diskriminierungsverbot und die vertraglichen Grundfreiheiten.
2. Das allgemeine Diskriminierungsverbot a) Grundlagen Als bedeutsamste gemeinschaftsrechtliche Einschränkung nationaler Kulturpolitik kann das in Art. 7 Abs. I EWGV niedergelegte, wegen seiner grundlegenden Bedeutung als "ein Leitmotiv des ganzen Vertrages" charakterisierte 7 allgemeine Verbot bezeichnet werden, im Anwendungsbereich des Vertrages aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu diskriminieren. Denn im Bereich der Pflege und Förderung der nationalen Kultur ist die Versuchung besonders groß, das Kriterium der Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal einzusetzen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. I EWGV erfaßt allerdings nicht nur offensichtliche, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer, scheinbar neutraler 8 Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen 9. Nicht maßgebend ist, ob eine Umgehung des Diskriminierungsverbots durch die Anwendung scheinbar neutraler Kriterien bezweckt wird. Ausreichend ist es vielmehr, wenn die Anwendung solcher Kriterien "tatsächlich zu demselben Ergebnis" führt 10 wie eine offene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit 11. Eine von Art. 7 Abs. I EWGV verbotene Diskriminierung besteht nicht nur in der Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte, sondern auch in der Gleichbehandlung nicht vergleichbarer Sachverhalte 12. Im letzten Fall handelt es sich zugleich um eine versteckte Diskriminierung 13. Schließlich liegt eine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nur dann vor, wenn eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung vergleichWEGS / Wohlfahrt, Die EWG, Art. 7 Rdnr. 1. So der Gerichtshof in dem Urteil vom 3. Februar 1982, verb. Rs. 62 und 63/81 (Seco / Evi), Slg. 1982, 223 (235). 9 Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1989, Rs. 33/88 (AllmU Coonan), Slg. 1989, 1591 (1610); vom 12. Februar 1974, Rs. 152/73 (Sotgiu), Slg. 1974, 153 (164). 10 Ebd. 11 So auch GTE/Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 5; a. A. Grabitz/ Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 15. 12 GTE / Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 1. I3 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 3. Februar 1982, verb. Rs. 62 und 63 / 81 (Seco / Evi), Slg. 1982, 223 (235), in dem die Erstreckung einer für im Inland ansässige Personen geltenden finanziellen Belastung auf in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Personen, die im ersten Mitgliedstaat Dienstleistungen erbrachten, als versteckte Diskriminierung bezeichnet wurde, da diese bereits in ihrem Mitgliedstaat einer vergleichbaren Belastung unterworfen waren und daher im Ergebnis stärker als die Inländer belastet wurden; m. a. W. hier wurden nicht vergleichbare Sachverhalte gleichbehandelt. 7
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B. Der Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
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barer bzw. Gleichbehandlung nicht vergleichbarer Sachverhalte nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt ist 14. b) Einfluß auf den kulturpolitischen Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten Inwieweit das soeben näher beschriebene allgemeine Diskriminierungsverbot den kulturpolitischen Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen vermag, soll im folgenden genauer untersucht werden. Zunächst wird es um solche Maßnahmen gehen, die offen auf die Staatsangehörigkeit abstellen; anschließend werden auch versteckte Formen der Diskriminierung untersucht. aa) Offene Diskriminierungen Als ein Beispiel für offen auf die inländische Staatsangehörigkeit abstellende Maßnahmen im kulturpolitischen Bereich kann die Bildung von Nationalmannschaften für sportliche Zwecke genannt werden 15. Ein weiteres Beispiel bilden einzelstaatliche Gesetze über die Förderung des nationalen Films, die in gewissen Bereichen die Mitwirkung von inländischen Staatsangehörigen bei der Herstellung der geförderten Filme fordern oder gefordert haben 16. Beide Beispielsfälle sind auf Gemeinschaftsebene in Erscheinung getreten. Hinsichtlich der Bildung von Nationalmannschaften sind die Urteile des Gerichtshofs vom 12. Dezember 1974 in der Rs. 36/74 (Walrave / Koch) 17 und vom 14. Juli 1976 in der Rs. 13 / 76 (Dona / Mantero) 18 zu nennen; was die nationale Filmförderung betrifft, ist auf die Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 1988 über Beihilfen der griechischen Regierung an die Filmwirtschaft für die Herstellung von griechischen Filmen 19 hinzuweisen. Außerdem hat die Kom-
14 So der Gerichtshof schon in dem Urteil vom 12. Februar 1974, Rs. 152/73 (Sotgiu), Sig. 1974, 153 (164), in dem er eine versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit für ausgeschlossen hielt, falls die fragliche Ungleichbehandlung durch sachliche Unterschiede gerechtfertigt werden könnte; vgl. auch Urteil vom 16. Oktober 1980, Rs. 147/79 (Hochstrass), Slg. 1980,3005 (3019); GTE/Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 2; a. A. Grabitz/ Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 11; Marticke, 60, dem lediglich insoweit entgegengekommen werden kann, als sich objektive Gründe für eine offene Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit wesentlich schwerer finden lassen werden als für eine versteckte. 15 Dazu näher Abschnitt B. III. 2. des zweiten Teils. 16 Offensichtlich bestehen derartige Anforderungen zur Zeit nur noch in dem deutschen Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Filmförderungsgesetz FFG) vom 18. November 1986, BGBI. I 2047, insb. in Art. 15 Abs. 2 Ziff. 4; vgl. Europe - Agence Internationale No. 5658 vom 31.1.1992, S. 12. 17 Slg. 1974, 1405. 18 Slg. 1976, 1333. 19 ABI. EG L 208/38 (1989).
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
mission ein Beihilfekontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 2 EWGV bezüglich des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs über eine Verlängerung und Änderung des deutschen Filmförderungsgesetzes 20 eingeleitet 21 . Beide Fälle zeichnen sich dadurch aus, daß ein vollständiger oder zumindest bestimmte wesentliche Bereiche betreffender Ausschluß von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auf den ersten Blick einleuchtet. Beide Fälle stimmen aber auch darin überein, daß sie nicht etwa schon aufgrund fehlenden wirtschaftlichen Bezugs aus dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen. Dies ist bei Filmförderungsmaßnahmen, die wie im deutschen Recht ausdrücklich der wirtschaftlichen, nicht der kulturellen Filmförderung dienen sollen 22, ohne weiteres einsichtig. Aber auch bei der Bildung von Nationalmannschaften ist eine wirtschaftliche Dimension unverkennbar 23 . Dennoch hat der Gerichtshof im Fall der Bildung von Nationalmannschaften eine "Beschränkung des Geltungsbereichs" des Gemeinschaftsrechts vorgenommen 24. Diese Formulierung ist zutreffend dahin interpretiert worden, der Gerichtshof habe nicht etwa einen Rechtfertigungsgrund im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts angewandt, vielmehr die betreffenden einzelstaatlichen Vorschriften gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts herausgenommmen 25. Denn eine Rechtfertigung der fraglichen Bestimmungen im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts kam nicht in Betracht. Dies erweist eine Überprüfung anhand der oben dargestellten Grundlagen des allgemeinen Diskriminierungsverbots. Danach könnte im Fall der Bildung von Nationalmannschaften das offene Abstellen auf die inländische Staatsangehörigkeit allein durch einen objektiven Grund gerechtfertigt sein. Es versteht sich von selbst, daß dieser objekive Grund nicht darin bestehen kann, daß eine Nationalmannschaft nun einmal aus Inländern bestehen müsse. Dabei handelte es sich um einen Zirkelschluß26. Der eine Ungleichbehandlung rechtfertigende Grund muß gegenüber dem bloßen Willen zur Ungleichbehandlung selbständig sein. Tatsächlich aber ist der einzige Grund, Nationalmannschaften nur mit Inhabern der inländischen Staatsangehörigkeit zu besetzen, in eben dieser inländischen Staatsangehörigkeit zu sehen, die es der Nation ermöglicht, sich mit Sieg und Niederlage der jeweiligen Mannschaft zu identifizieren und so eine nationale 20 BT-Drs. 12/2021 vom 30.1.1992; dazu näher Friccius, Media Perspektiven 1991,
806 ff.
21 Vgl. Europe - Agence Internationale No. 5658 vom 31.1.1992, S. 12. 22 Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes, BT-Drs. 12/2021 vom 30.1.1992, S. 14. 23 Vgl. näher Abschnitt B. III. 2. des zweiten Teils. 24 Urteil vom 12. Dezember 1974, Rs. 36/74 (Walrave/Koch), Slg. 1405 (1419). 25 In diesem Sinne Marticke, 60. 26 Vgl. dazu näher Abschnitt B. III. 2 des zweiten Teils.
B. Der Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
245
Identität zu entwickeln oder zu behaupten 27 • Geht es also bei der Bildung von Nationalmannschaften für sportliche Zwecke um die Pflege der nationalen Identität, so ist Anknüpfungspunkt der vom Gerichtshof vorgenommenen Einschränkung des Geltungsbereichs des Gemeinschaftsrechts letztlich die gemeinschaftsrechtlich anerkannte 28 Existenz der Mitgliedstaaten und ihrer nationalen Identität als solcher. Solange die Gemeinschaft aus Staaten besteht, wird man aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs Regungen der Staatlichkeit, des offiziellen Nationalbewußtseins trotz der weiter oben geäußerten Bedenken 29 auch dann hinnehmen müssen, wenn die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen von wirtschaftlicher Bedeutung ist. Dabei ist jedoch darauf zu achten, daß die Einschränkung des gemeinschaftsrechtlichen Geltungsbereichs am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet ist. Auf den Bereich der Filmförderung lassen sich die vorstehenden Ausführungen allerdings nicht übertragen. Denn hier geht es nicht allein - wie bei Nationalmannschaften - um das nationale Bewußtsein der Mitwirkung von inländischen Staatsangehörigen. Vielmehr betrifft die Förderung des nationalen Films - mit den Worten der Bundesregierung - in erster Linie "die Selbstbehauptung unserer Gesellschaft, unserer Identität, unserer Bilder" 30, d. h. die Darstellung des nationalen Kulturraums 31. Hierfür ist es jedoch nicht erforderlich, auf die inländische Staatsangehörigkeit abzustellen, die ein Rechtsstatus ist und allenfalls eine widerlegliche Vermutung für die Eignung ihres Inhabers zur Repräsentierung des nationalen Kulturraums bedeutet. Demnach läßt sich bei einzelstaatlichen Regelungen, die der Darstellung des nationalen Kulturraums dienen sollen, ein Abstellen auf die inländische Staatsangehörigkeit nicht rechtfertigen, da sie nicht geeignet ist, das verfolgte Ziel zu erreichen.
bb) Versteckte Diskriminierungen Ging es bislang um kulturpolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die offen an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, soll nun nach der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit von Regelungen gefragt werden, die an andere Kriterien als die Staatsangehörigkeit anknüpfen, mithin In- und EG-Ausländer, auf die das jeweilige Kriterium zutrifft, scheinbar gleichbehandeln, in Wahrheit aber eine versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bewirken. In diesem Sinn Klose, 159. Vgl. nur Art. 36 S. 1 EWGV: Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert. 29 V gl. Abschnitt B. III. 2. des zweiten Teils a. E. 30 V gl. Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes, BT-Drs. 12/2021 vom 30.1.1992, S.14. 31 Vgl. Art. 15 Abs. 2 Ziff. 4 FFG, der neben Inhabern der deutschen Staatsangehörigkeit auch Angehörige des deutschen Kulturraums als Regisseur eines deutschen Films zuläßt. 27 28
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Als Beispiel mag hier wieder die nationale Filmförderung dienen, die ganz überwiegend nicht offen die inländische Staatsangehörigkeit voraussetzt, sondern etwa das Erfordernis der inländischen Ansässigkeit des Herstellers, der Aufnahme des Films in inländischen Studios oder der Produktion des Films in der Nationalsprache aufstellt 32 . Die genannten Anforderungen würden dem Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit zuwiderlaufen, wenn sie tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis wie offen auf die Staatsangehörigkeit abstellende Vorschriften führen würden und nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt werden könnten. Von den drei soeben genannten Erfordernissen können die ersten beiden als gemeinschaftsrechtlich unbedenklich ausscheiden, sofern die Kommission die jeweilige Filmförderungsmaßnahme gemäß Art. 92 Abs. 3 Buchst. c) EWGV als mit dem Gemeinsamen Markt grundsätzlich vereinbar erklärt 33 . Denn die Merkmale der inländischen Ansässigkeit des Herstellers und der Aufnahme des Films in inländischen Studios hängen mit dem Wesen staatlicher Beihilfen zusammen, die gerade staatliche Maßnahmen zur Förderung der inländischen Wirtschaft betreffen 34. Problematisch ist hingegen das drittgenannte Erfordernis der Produktion eines Films in der jeweiligen Nationalsprache. Diese Bedingung ist grundsätzlich geeignet, eine versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu bewirken, da inländische Staatsangehörige dem Spracherfordernis regelmäßig eher werden genügen können als Ausländer 35 . Daher fragt sich, ob diese Förderungsvoraussetzung durch einen objektiven Grund gerechtfertigt werden kann. Als ein solcher objektiver Grund kommt die schon erwähnte Repräsentation des nationalen Kulturraums in Betracht. Denn es ist den Mitgliedstaaten aufgrund des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich nicht verwehrt, ihre nationale Kultur zu pflegen. Dies hat der Gerichtshof in dem Urteil vom 28. November 1989 in der Rs. C-379/ 87 (Groener)36 hinsichtlich einer einzelstaatlichen Politik zur Förderung der National- und ersten Amtssprache im öffentlichen Bildungswesen ausgesprochen 3?, und auch die Kommission hält die Förderung der Nationalsprache für ein legitimes Interesse der Mitgliedstaaten 38. 32 VgI. etwa Art. 15 FFG. 33 Auf diese Möglichkeit weist die Kommission in der Entscheidung vom 21. Dezember 1988 über Beihilfen der griechischen Regierung an die Filmwirtschaft für die Herstellung von griechischen Filmen hin; vgI. ABI. EG L 208 / 40 (1989). 34 Im Ergebnis geht auch die Kommission davon aus, daß es im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht, die Gewährung einer Beihilfe davon abhängig zu machen, daß der geförderte Film in Studios des die Beihilfe gewährenden Landes gedreht und entwickelt wird; vgI. ebd. 35 So auch Sparr, 35. 36 Slg. 1989, 3967. 3? Ebd., S. 3993. 38 VgI. die Entscheidung der Kommission (Anm. 33).
B. Der Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
247
Dabei müssen sich die Mitgliedstaaten aber auf solche Maßnahmen beschränken, die im Hinblick auf die Durchführung der jeweiligen Politik verhältnismäßig sind 39. Die Kommission hat dies in der erwähnten Entscheidung über die griechische Filmförderung hinsichtlich des Erfordernisses der Erstellung der ursprünglichen Fassung des Films in griechischer Sprache verneint: Angesichts der mit der Synchronisierung gegebenen Möglichkeiten müßte auch solchen Personen, die die griechische Sprache nicht beherrschten, die Möglichkeit zur Mitwirkung an einem griechischen Film gegeben werden 40 • Letztlich hängt es von der Qualität der Synchronisierung ab, ob "die Verknüpfung von Sprache und Spiel sowie von Sprache und Schauspieler von wesentlicher Bedeutung für die Herstellung eines spezifisch griechischen Films" ist 41 • Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die Inländer gegenüber EG-Ausländern faktisch bevorzugen, dann nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, wenn sie der Pflege der nationalen Kultur dienen sollen und verhältnismäßig sind 42 •
3. Die Grundfreiheiten a) Das Diskriminierungsverbot und seine Ausnahmen
aa) Allgemeines Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EWGV kommt nach seinem Wortlaut nur ,,(u)nbeschadet sonstiger Bestimmungen dieses Vertrages" zur Anwendung. Der EWG-Vertrag enthält Konkretisierungen des allgemeinen Diskriminierungsverbots in den Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit und über die Dienstleistungsfreiheit 43 sowie über die Niederlassungsfreiheit 44 • Demgegenüber stellt die Warenverkehrsfreiheit, insbesondere das in Art. 30 EWGV normierte Verbot von mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, keine Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots dar, da Anknüpfungspunkt für den Verbotstatbestand nicht die Staatsangehörigkeit des Produzenten oder Händlers, sondern die Herkunft der Ware ist 45 • 39 Urteil des Gerichtshofs vom 28. November 1989, Rs. C-379/ 87 (Groener), Slg. 1989, 3967 (3993 f.). 40 V gl. Anm. 33. 41 Dies bejaht anders als die Kommission - Sparr, 35. 42 So im Ergebnis auch Sparr, 35, der allerdings auf eine außergesetzliche Rechtfertigung zurückgreifen muß, da er es für ausgeschlossen hält, offene oder versteckte Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit durch objektive Gründe zu rechtfertigen (S. 26). 43 So der Gerichtshof in dem Urteil vom 12. Dezember 1974, Rs. 36/74 (Walrave / Koch), Slg. 1974, 1405 (1418). 44 GTE/ Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 7 Rdnr. 20. 45 So zutreffend Bleckmann, Europarecht, 504.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Wenn im folgenden also ohne Unterschied vom Diskriminierungsverbot die Rede ist, muß dieser abweichende Bedeutungsgehalt berücksichtigt werden. Das in allen Grundfreiheiten enthaltene Diskriminierungsverbot erfährt durch ausdrückliche Vertragsvorschriften bestimmte Ausnahmen, die auch für kulturpolitisehe Maßnahmen der Mitgliedstaaten Bedeutung erlangen können. Hier sind die Artikel 36, 48 Abs. 3 und Abs. 4 sowie 55 und 56 (in Verbindung mit Art. 66) zu nennen. Allen vertraglichen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot ist gemeinsam, daß sie eng auszulegen sind und nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden können 46 • bb) Die Zulässigkeit nationalen Kulturgüterschutzes Art. 36 S. 1 EWGV ist die einzige gemeinschaftsrechtliche Vorschrift, die kulturelle Belange der Mitgliedstaaten ausdrücklich berücksichtigt, soll daher einer kurzen Betrachtung unterzogen werden. Diese Vorschrift gestattet den Mitgliedstaaten die Errichtung von Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten und -beschränkungen, die zum Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert gerechtfertigt sind. Eine weite Auslegung des in dieser Bestimmung zugelassenen Kulturgüterschutzes hat der Gerichtshof abgelehnt. Die Vorschrift umfaßt beispielsweise nicht den Schutz der Kreativität und kulturellen Vielfalt im nationalen Buchwesen 47 • Für die Definition des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert sind grundsätzlich die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig. Denn es geht um den Schutz "ihres" kulturellen Erbes 48. Dies schließt allerdings eine gemeinschaftsrechtliche Überprüfung der einzelstaatlichen Entscheidung nicht aus 49 , wie schon das in Art. 36 S. 2 EWGV ausgesprochene Verbot willkürlicher Diskriminierung und verschleierter Handelsbeschränkung zeigt. In den vom Gerichtshof aufgezeigten Grenzen bleibt den Mitgliedstaaten auch in Zukunft Spielraum, aufgrund von Art. 36 S. 1 EWGV Hindernisse für den freien Warenverkehr zu errichten. Zwar hat die Kommission jüngst zwei Rechtsakte im Hinblick auf die Ausfuhr von nationalen Kulturgütern aus der Gemeinschaft und die Rückgabe solcher Kulturgüter, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden, vorgeschlagen 50, mit denen der für 46 Vgl. etwa für Art. 36 EWGV Abschnitt B. I. 4. b) aa), für Art. 56 EWGV Abschnitt B. 11. 4. a) cc) des zweiten Teils. 47 Vgl. Abschnitt B. I. 4. b) aa) des zweiten Teils. 48 Zutreffend die Kommission, Mitteilung über den Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Hinblick auf die Beseitigung der Binnengrenzen im Jahre 1992, KOM (89) 594, S. 4. 49 So auch Pescatore, RTDE 1985,457. 50 ABI. EG C 53/8 bzw. ll (1992).
B. Der Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
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den 1. Januar 1993 vorgesehenen Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen Rechnung getragen werden soll. Diese Rechtsakte werden den Mitgliedstaaten aber nicht die Befugnis nehmen, sich auch zukünftig auf den Schutz ihres in Art. 36 S. 1 EWGV erwähnten nationalen Kulturguts zu berufen 51. Die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen sollen lediglich die nationalen Schutzvorschriften ergänzen 52. Anders als bei sonstigen einzelstaatlichen Schutzgütern könnte eine gemeinschaftsweite Harmonisierung der entsprechenden nationalen Vorschriften die in Art. 36 S. 1 EWGV vorgesehene Möglichkeit der Behinderung des freien Warenverkehrs aus Gründen des nationalen Kulturgüterschutzes auch gar nicht ersetzen, da ein gemeinsames Schutzniveau nicht auch ein gemeinschaftliches Kulturgut bedeutet. Erst die Anerkennung eines gemeinschaftlichen Kulturguts, in dem die einzelnen nationalen Kulturgüter aufgehen, würde die Berufung auf Art. 36 S. 1 EWGV überflüssig machen 53. b) Das Beschränkungsverbot und seine Ausnahmen aa) Allgemeines
Es ist inzwischen anerkannt, daß zumindest die Waren verkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit ein über das Diskriminierungsverbot hinausgehendes allgemeines Beschränkungsverbot enthalten. Die gemeinschaftsrechtliche Anerkennung eines solchermaßen weit verstandenen Freiheitsbereichs machte es erforderlich, den Mitgliedstaaten in bestimmten Grenzen die Berufung auf Allgemeininteressen zu gestatten, um die Anwendung unterschiedslos geltender, nichtdiskriminierender, aber doch den innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr behindernder Vorschriften zu rechtfertigen 54. Soweit allerdings derartige Vorschriften inund ausländische Waren bzw. Personen völlig gleichmäßig betreffen, d. h. nicht einmal den ausländischen Wirtschaftsfaktoren stärker belastende Umstellungsmaßnahmen abverlangen, argumentiert der Gerichtshof nicht mit einem rechtfertigenden Allgemeininteresse, sondern nimmt eine weniger strenge Prüfung anhand der "im allgemeinen Interesse liegenden Ziele des Vertrages" vor 55 • Gewisse Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung nichtdiskriminierender von versteckt diskriminierenden Vorschriften, da es sich in beiden Fällen formal um unterschiedslos anwendbare Bestimmungen handelt 56. Als Prüfstein für das VorEbd., S. 2. Ebd., S. 3. 53 So zutreffend die Kommission (Anm. 48). 54 Vgl. Abschnitt B. I. 4. a) aa) und Abschnitt B. II. 4. a) cc) des zweiten Teils. 55 So in dem Urteil vom 23. November 1989, Rs. C-145 / 88 (Torfaen Borough Council), Slg. 1989, 3851 (3889); vgl. dazu auch Abschnitt B. I. 4. a) cc) des zweiten Teils. 56 Richtig Sparr, 44, dessen Abgrenzung danach, ob die Ausübung der Grundfreiheiten verhindert (versteckte Diskriminierung) oder nur erschwert werde (keine Diskriminie51
52
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
liegen einer nichtdiskriminierenden Regelung kann die Formulierung in dem Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1979 in der Rs. 120/78 ("Cassis de Dijon") dienen, es müßten gewisse Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft hingenommen werden, "die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben" 57. Damit ist letztlich der Umstand angesprochen, daß die Geltung nationaler Vorschriften an den Grenzen halt macht, daß es also in der Gemeinschaft noch verschiedene Staaten mit territorial begrenzten Rechtsordnungen gibt. Eine unterschiedslos anwendbare, nichtdiskriminierende Vorschrift liegt demnach grundsätzlich dann vor, wenn sie tatsächlich und nicht nur formal auf Inländer bzw. inländische Produkte Anwendung findet. Die Anwendung einer solchen Vorschrift kann allerdings dann eine versteckte Diskriminierung bewirken, wenn dem jeweiligen Allgemeininteresse bereits durch ähnliche Vorschriften des anderen Mitgliedstaats Rechnung getragen worden ist 58 • Wie schon oben für die Einschränkungen der in den vertraglichen Grundfreiheiten enthaltenen Diskriminierungsverbote festgestellt, ist auch für das rechtfertigende Allgemeininteresse davon auszugehen, daß es nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden kann 59. bb) Geltendmachung kultureller Interessen der Mitgliedstaaten Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang es den Mitgliedstaaten möglich ist, sich zur Rechtfertigung von den innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr behindernden, nichtdiskriminierenden und unterschiedslos geltenden Bestimmungen auf kulturpolitische Gründe zu berufen. Hier sind wieder die Fälle zu unterscheiden, in denen eine Behinderung gleichmäßig in- und ausländische Wirtschaftsfaktoren erfaßt, und solche Fälle, in denen letztgenannten gewisse stärkere Belastungen auferlegt werden. Die erste Fallgruppe war Gegenstand der Entscheidungen des Gerichtshofs vom 11. Juli 1985 in den verb. Rs. 60 und 61/84 (Cinetheque)60 und vom 23. November 1989 in der Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council) 61. In der erstgenannten Entscheidung hat der Gerichtshof eine Regelung betreffend die vorrangige Verwertung von Filmen in Filmtheatern ohne weitere Begründung als gemeinschaftsrechtlich unbedenklich eingestuft62. Ähnlich verfuhr er in der rung), aber nicht zu überzeugen vermag; vgl. als Beispiel für eine versteckte Diskriminierung trotz formaler Gleichbehandlung Urteil des Gerichtshofs vom 6. November 1984, Rs. 177 / 83 (Kohl), Sig. 1984, 3651 (3663). 57 Sig. 1979,649 (662). 58 Vgl. für die Dienstleistungsfreiheit Abschnitt B. Il. 4. a) cc) des zweiten Teils. 59 So auch Curall, YEL 1984, 173. 60 Sig. 1985,2605. 61 Sig. 1989, 3851.
B. Der Rahmen für die Kulturpolitik der Mitgliedstaaten
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zweiten Entscheidung hinsichtlich eines Sonntagsverkaufsverbots. Mithin kann festgestellt werden, daß kulturpolitisch motivierte Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die zu der hier behandelten Fallkonstellation zählen, dann mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, wenn sie verhältnismäßig sind und nicht den allgemeinen Vertrags zielen zuwiderlaufen. Dagegen können einzelstaatliche Regelungen, die ausländische Wirtschaftsfaktoren stärker als inländische belasten, nur durch ein vom Gerichtshof anerkanntes Allgemeininteresse gerechtfertigt werden. In neuerer Zeit hat der Gerichtshof mehrfach ausdrücklich festgestellt, daß auch kulturpolitisch motivierte Behinderungen der Grundfreiheiten vor dem Gemeinschaftsrecht Bestand haben können. In dem Urteil vom 26. Februar 1991 in der Rs. C-154 / 89 (Kommission/ Frankreich)63 entschied er, die Aufwertung historischer Reichtümer und die bestmögliche Verbreitung von Kenntnissen über das künstlerische und kulturelle Erbe eines Mitgliedstaats könnten rechtfertigende Gründe für eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs bilden 64. In dem Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rs. C-288/ 89 ("Mediawet")65 sprach er noch deutlicher davon, eine einzelstaatliche Kulturpolitik könne einen im Allgemeininteresse liegenden zwingenden Grund darstellen 66. Die in den genannten Urteilen getroffenen Feststellungen über die Anerkennung von im Allgemeininteresse liegenden zwingenden Gründen kulturpolitischer Art dürfen allerdings nicht dahin verstanden werden, daß es den Mitgliedstaaten nunmehr gestattet sei, sich allgemein auf die kulturpolitische Zielrichtung einer einzelstaatlichen Regelung zu berufen, um deren die Grundfreiheiten beschränkende Wirkung gemeinschaftsrechtlich zu neutralisieren. Zwar ist es Sache jedes Mitgliedstaats, die Ziele der nationalen Kulturpolitik festzulegen 67. Dies entzieht eine von den Mitgliedstaaten als kulturpolitisch bezeichnete Regelung aber nicht einer gemeinschaftsrechtlichen Überprüfung. Diese Prüfung besteht darin, zunächst das hinter dem allgemeinen kulturpolitischen Motiv stehende konkrete Ziel zu ermitteln. Dieses Ziel darf - wie schon oben erwähnt - keinesfalls wirtschaftlicher Natur sein. Handelt es sich aber um ein nichtwirtschaftliches Ziel, so ist umfassend die Verhältnismäßigkeit der Regelung zu prüfen. In jedem Fall spielt bei der gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung des konkreten Ziels der Umstand keine Rolle, daß das Ziel im Rahmen einer einzelstaatlichen Kulturpolitik verfolgt wird. Dies verdeutlichte der Gerichtshof in dem oben genannten Urteil in der Rs. C-288/ 89 ("Mediawet")68 mit den 62 Sig. 1985, 2605 (2626). 63 Noch nicht in Sig. 64 Ebd., Rdnr. 17. 65 Noch nicht in Slg. 66 Ebd., Rdnr. 23. 67 Vgl. oben Abschnitt B. I. dieses Teils. 68 Noch nicht in Sig.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Worten, eine so verstandene Kulturpolitik könne einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen 69. Damit bezog sich der Gerichtshof auf die Erläuterungen der niederländischen Regierung, mit denen diese den Inhalt der von ihr im Mediensektor verfolgten Kulturpolitik konkretisiert hatte 70. Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß es den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht verwehrt ist, zum Schutz ihrer kulturellen Interessen die Ausübung der Grundfreiheiten zu behindern, sofern dabei in- und ausländische Wirtschaftsfaktoren gleichbehandelt werden, das verfolgte Ziel nichtwirtschaftlicher Art ist und die getroffenen Maßnahmen nicht über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen.
C. Die rechtliche Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
I. Einleitung
Der im ersten Teil der Arbeit gegebene Überblick über die gemeinschaftliche Tätigkeit im kulturellen Bereich hat gezeigt, daß in den drei Sektoren Bildung, Wissenschaft und Kultur im engeren Sinn mehr oder weniger stark von Handlungsformen Gebrauch gemacht wird, die im EWG-Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Im Hinblick auf den Rat und die Kommission kann sogar festgestellt werden, daß bindende Rechtsakte der in Art. 189 EWGV bezeichneten Art bzw. diesbezügliche Vorschläge der Kommission zumindest im Bildungsund im engeren Kulturbereich die Ausnahme darstellen. Auf Ratsebene, gedacht als die Ebene, die das Organhandeln des Rates und das gemeinsame Handeln der Mitgliedstaaten mit formellem oder materiellem Gemeinschaftsbezug zusammenfaßt, dominieren "Entschließungen" 1. Die Kommission richtet vielfach "Mitteilungen" an die anderen Gemeinschaftsorgane, das Europäische Parlament schließlich handelt ebenfalls durch "Entschließungen". Dieser Befund wirft die Frage nach der rechtlichen Bedeutung der genannten Handlungsformen auf. Hier herrscht allgemein eine große Unsicherheit, die insbesondere durch die Kennzeichnung der erwähnten Handlungsformen als "soft law" Ebd., Rdnr. 23. Ebd., Rdnr. 22. 1 Eine weitere, hier zu erwähnende Handlungsform auf Ratsebene von nennenswerter Quantität bilden die "Schlußfolgerungen", die sich aber von den "Entschließungen" nur insofern zu unterscheiden scheinen, als sie noch weniger als diese formalen Anforderungen unterworfen sind; vgl. auch Craeyenest, 128, der meint, die "Schlußfolgerungen" seien den "Entschließungen" benachbart; Everling, GS Constantinesco, 138, der die in Fn. 29 erwähnten "Schlußfolgerungen" im Text ohne weiteres als "Entschließung" bezeichnet. 69
70
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
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deutlich wird 2, ein Begriff, der kein Rechtsbegriff, sondern ein solcher "diffusen und gezielt provokativen Schlagwortcharakters" ist 3, und über den erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen 4 • Zutreffend raten daher Stimmen in der Literatur von der Verwendung dieses Begriffs ab 5 • Der rechtliche Gehalt der genannten Handlungsfonnen soll im folgenden näher untersucht werden. Dabei werden in einem ersten Schritt allgemeine, allein das Handeln der Gemeinschaftsorgane betreffende Grundsätze behandelt. Anschließend werden die einzelnen Handlungsfonnen für jedes Organ getrennt einer genaueren Betrachtung unterzogen, wobei dann auch das gemeinsame Handeln der Mitgliedstaaten einbezogen wird.
11. Allgemeines zum Handeln der Gemeinschaftsorgane 1. Die Verbindlichkeit des HandeIns
Der Begriff des "Handelns" im weitesten Sinn umfaßt alle verbindlichen und unverbindlichen, rechtlichen und nicht-rechtlichen Aktivitäten der Gemeinschaftsorgane. Vor Abgrenzung der rechtlichen von den nicht-rechtlichen Handlungen ist die Frage nach der Unterscheidung zwischen verbindlichen und unverbindlichen Handlungen zu stellen. Denn eine Aussage über die Verbindlichkeit einer Handlung gilt für rechtliche wie die nicht-rechtliche Handlungen gleichermaßen: Einerseits ist eine unverbindliche Handlung in jeglicher, d. h. in rechtlicher wie in nicht-rechtlicher, Hinsicht unverbindlich; andererseits kann eine verbindliche Handlung sowohl als rechtliche wie als nicht-rechtliche verbindlich sein. Keinesfalls darf die Feststellung der Verbindlichkeit einer Handlung dazu führen, diese Verbindlichkeit ohne weiteres als eine rechtliche zu qualifizieren 6 , denn neben einer rechtlichen Verbindlichkeit sind auch nicht-rechtliche - etwa soziale, moralische, religiöse oder politische - Verbindlichkeiten denkbar? 2 Vgl. etwa C. O. Lenz, Zuständigkeiten und Initiativen, 186 f.; Wägenhaur, EuR 1990, 140; Oppermann, EG-Recht und Deutsche Bildungsordnung, 21. 3 Thürer, ZSR 1985, 1. Halbbd., 433. 4 Vgl. einerseits Thürer, ZSR 1985, 1. Halbbd., 434, der darunter Nonnen versteht, "denen zwar keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, die aber trotzdem gewisse Rechtswirkungen erzeugen oder eine besondere Rechtsnähe aufweisen"; Ehricke, NJW 1989, 1907, der "soft law" als eine "einer rechtlichen Bindung ähnliche Anbindung eines Völkerrechtssubjekts an eine Nonn, die von ihm mitgeschaffen oder unterstützt wurde, die aber tatsächlich keine rechtliche Verbindlichkeit besitzt", charakterisiert; andererseits Heusei, 317, der dafür eintritt, den Begriff "soft law" nur für besonders weich fonnulierte, aber doch rechtliche Verpflichtungen zu verwenden. 5 So Schröder, 41; speziell aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts Everling, GS Constantinesco, 150. 6 Dazu vor allem Bothe, NYIL 1980,67 f., ders., FS Schlochauer, 768 f. ? Vgl. Bothe, NYIL 1980,65 f.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Fragt man nach Kriterien für die Feststellung der Verbindlichkeit einer Handlung, so ist als maßgebend der Bindungswille des Handelnden herauszustellen 8 • Das Vorliegen eines Bindungswillens ist für jeden einzelnen Akt im Auslegungsweg zu ermitteln. Ein bedeutsames Indiz für das Vorliegen eines Bindungswillens ist der Grad der Präzision und Konkretisierung der Formulierung des jeweiligen Akts. Durch einen unpräzise formulierten Akt tritt nicht etwa eine nicht-rechtliche, sondern überhaupt keine Bindung ein 9 , und auch ein nicht-rechtlicher Akt kann präzise und konkrete, zur Bindung geeignete Bestimmungen enthalten 10. Danach versteht sich von selbst, daß auch eine rechtliche Verbindlichkeit dieselbe Präzision in der Formulierung voraussetzt 11. Die Feststellung einer irgendwie gearteten Verbindlichkeit ist für sich genommen zur Charakterisierung einer Handlung nicht ausreichend, stellt vielmehr lediglich einen gedanklichen Zwischenschritt dar und läßt sich in der Praxis kaum von der im folgenden zu behandelnden Frage nach dem rechtlichen oder nicht-rechtlichen Charakter der Verbindlichkeit trennen.
2. Der rechtliche Charakter des Handeins a) Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen rechtlichem und nicht-rechtlichem Handeln Für das Völkerrecht ist die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht müßig sei, zwischen Normen mit Rechtscharakter und solchen ohne Rechtscharakter zu unterscheiden 12. Diese Fragestellung rechtfertigt sich aus der besonderen Natur des Völkerrechts, dessen Beachtung grundsätzlich nicht erzwungen werden kann, sondern vom Befolgungswillen der Rechtssubjekte abhängt 13, und für dessen Interpretation eine obligatorische Instanz nicht existiert 14. Anderes gilt indessen, zumindest hinsichtlich des letztgenannten Punkts, im Bereich des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Nach Art. 164 EWGV sichert der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften "die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags". 8 So auch Everling, Probleme, 422; ders., GS Constantinesco, 155; Morand, CDE 1970, 627: "Il faut examiner si l'organe communautaire a manifeste d'une fa~on ou d'une autre son intention de se lier lui-meme ou de lier les destinataires de l'acte". 9 Zutreffend Heusei, 237. 10 Heusei, 159. 11 Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 1984, Rs. 108 / 83 (Luxemburg / Europäisches Parlament), Slg. 1984, 1945, in dem der Gerichtshof die rechtliche Wirksamkeit einer Entschließung des Europäischen Parlaments mit dem "präzisen und konkreten Entscheidungscharakter" der Entschließung begründet (S. 1958); vgl. auch Glaesner, Einführung, 49: Ein Beschluß müsse nach seiner Substanz und Konkretisierung hinreichend bestimmt formuliert sein, um Rechtswirkungen zu erzeugen. 12 So Thürer, ZSR 1985, 1. Halbbd., 440. 13 Ebd. 14 So Hai/bronner, Entwicklungstendenzen, 23.
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
255
Allein die Wahrung des Rechts also, nicht aber die Sicherung der Beachtung nicht-rechtlicher Normen ist dem Gerichtshof überantwortet worden. Schon deshalb muß die eingangs erwähnte Frage verneint werden: Für den Bereich des Gemeinschaftsrechts kann die Entscheidung über den rechtlichen Charakter einer Norm nicht offenbleiben. fließende Übergänge zwischen Recht und Nicht-Recht gibt es nicht. Eine Handlung bewirkt entweder eine rechtliche Verbindlichkeit oder eine nicht-rechtliche 15. Praktische Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Natur einer Verbindlichkeit rechtfertigen es nicht, von einem "Grenzgebiet" zwischen Recht und Nicht-Recht zu sprechen 16. b) Kriterien der Unterscheidung zwischen rechtlichem und nicht-rechtlichem Handeln Wurde oben der Bindungswille als maßgebend für das Vorliegen einer Verbindlichkeit bezeichnet, so folgt daraus, daß auch die Natur der Verbindlichkeit von dem Willen des Handelnden bestimmt wird 17. Ebenso verhält es sich, wenn es nicht speziell um die Begründung einer Verbindlichkeit, sondern allgemein darum geht, überhaupt eine Rechtswirkung zu erzeugen. Diese Auffassung befindet sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, der Rechtsschutz gemäß Art. 173 EWGV gegen "alle Handlungen der Organe (gewährt), die dazu bestimmt sind, eine Rechtswirkung zu erzeugen" 18. Der Wille des Handelnden kann allerdings nur dann berücksichtigt werden, wenn er in dem zu beurteilenden Akt in Erscheinung getreten ist. Dabei ist maßgeblich, wie der Adressat den Akt vernünftigerweise verstehen mußte 19. Die nachträgliche Behauptung, es seien lediglich "Absichtserklärungen abgegeben worden ... , die eher politischen als rechtlichen Wert gehabt hätten" 20, ist unbeachtlieh 21. Ermangelt ein Akt einer eindeutigen Äußerung des Handelnden zur Natur der angestrebten Wirkung, so ist diese durch Auslegung zu ermitteln 22. Zutreffend Thürer, ZSR 1985, I. Halbbd., 441; Bothe, NYIL 1980,94; Heusei, 287. So aber Tomuschat, ZaöRV 1976,484. 17 So auch Bothe, NYIL 1980,67/94; Heusel, 291; Wellens / Borchardt, ELR 1989, 296; Morand, CDE 1970,627. 18 Urteil vom 31. März 1971, Rs. 22/70 ("AETR"), Sig. 1971,263 (277); speziell im Hinblick auf Handlungen des Europäischen Parlaments vgl. Urteil vom 23. April 1986, Rs. 294/ 83 (Les Verts), Sig. 1986, 1339 (1366); Schlußanträge von GA Lenz vom 25. April 1991, verb. Rs. 213 / 88 und 39/89; noch nicht in Sig. 19 Vgl. GBTE/Daig, Art. 189 Rdnr. 83. 20 So der Rat in der Rs. 22/70, Sig. 1971, 263 (267). 21 Der Gerichtshof stellte daher in dem Urteil vom 31. März 1971 in der Rs. 22/70 (,,AETR"), Sig. 1971,263 (278), fest, der Beschluß des Rates habe nicht bloß Ausdruck oder Feststellung einer freiwilligen Koordinierung sein können, sondern vielmehr verbindliche Verhaltensregeln für die Organe und die Mitgliedstaaten festgelegt und daher bestimmte Rechtswirkungen erzeugt. 22 So auch Heusei, 291. 15
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Dabei kann der Form einer Handlung allenfalls indizielle Bedeutung zugemessen werden 23 . In erster Linie ist vielmehr auf "Sinngehalt, Gegenstand und Inhalt"24, auf den "Inhalt eines Beschlusses nach seiner Substanz und Konkretisierung" 25 abzustellen 26. Auch der Gerichtshof beurteilt die rechtliche Wirksamkeit eines Akts in erster Linie nach seinem Inhalt. So stellte er in dem Urteil vom 14. Dezember 1962 in den verb. Rs. 16 und 17/62 (Confederation nationale)27 fest, er könne sich nicht mit der amtlichen Bezeichnung einer Maßnahme zufrieden geben, müsse vielmehr in erster Linie auf deren Gegenstand und Inhalt abstellen 28. In dem Urteil vom 24. Oktober 1973 in der Rs. 9/73 (Schlüter)29 erkannte er im Hinblick auf eine Entschließung des Rates, sie habe "aufgrund ihres Inhalts keine Rechtswirkungen zu erzeugen" vermochPo. In dem Urteil vom 10. April 1984 in der Rs. 108/83 (Luxemburg / Europäisches Parlament) 31 führte der Gerichtshof bezüglich einer Entschließung des Europäischen Parlaments aus, "die Prüfung des Inhalts der streitigen Entschließung" habe enthüllt, daß diese rechtliche Wirkung entfalte 32. Schließlich stellte er in dem Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rs. C-322/ 88 (Grimaldi)33 fest, die Wahl der Form könne die Rechtsnatur einer Maßnahme nicht ändern, es sei zu prüfen, ob der Inhalt einer Maßnahme tatsächlich mit der für sie gewählten Form übereinstimme 34 . Die Maßgeblichkeit des Inhalts, nicht aber der Form oder Bezeichnung einer Handlung wird von Art. 173 Abs. 2 EWGV bestätigt, der die Möglichkeit voraussetzt, daß eine "Entscheidung" nach Art. 189 Abs. 4 EWGV "als Verordnung" ergeht. Neben der Möglichkeit der Falschbezeichnung des gesamten Akts ist es auch denkbar, daß ein im Prinzip zutreffend bezeichneter Akt Elemente enthält, die eine andere als die durch die Bezeichnung nahegelegte Rechtsnatur aufweisen 35 . Denkbar ist danach auch, daß ein Rechtsakt nicht-rechtliche Elemente enthält. 23 Vgl. etwa GBTE/ Daig, Art. 189 Rdnr. 54/83 a. E.; Wellens / Borchardt, ELR 1989, 301. 24 L.-J. Constantinesco, 588, im Hinblick auf die Abgrenzung der Rechtsakte untereinander. Es spricht nichts dagegen, die gleichen Kriterien für die Abgrenzung der Rechtshandlungen von den nicht-rechtlichen Handlungen anzuwenden. 25 Glaesner, Einführung, 49. 26 Anders Zuleeg, JöR 1971, 14: Gehe aus der Benennung hervor, daß ein unverbindlicher Beschluß beabsichtigt sei, sollte die inhaltliche Fassung aus Gründen der Rechtsklarheit kein stärkeres Gewicht besitzen. 27 Slg. 1962,961. 28 Ebd., S. 978. 29 Slg. 1973, 1135. 30 Ebd., S. 1160; Hervorhebung hinzugefügt. 31 Slg. 1984, 1945. 32 Ebd., S. 1958; Hervorhebung hinzugefügt. 33 Sig. 1989, 4407. 34 Ebd., S. 4420.
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
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Mithin kommt es für die Feststellung der rechtlichen oder nicht-rechtlichen Natur einer Handlung auf eine genaue Auslegung der jeweiligen Handlung an; allgemeingültige Regeln lassen sich grundsätzlich nicht aufstellen. Insbesondere streitet keine Vermutung dafür, die Gemeinschaftsorgane wollten im Zweifel rechtlich handeln. Zwar trifft es zu, "daß der gesamte EWG-Vertrag die Integration durch das Recht herbeiführen Will"36. Ob aber ein Gemeinschaftsorgan im Einzelfall von den im Vertrag vorgesehenen oder von ihm zugelassenen rechtlichen Handlungsmöglichkeiten Gebrauch machen wollte, kann mit dieser Feststellung nicht geklärt werden. Ausnahmsweise ist allerdings dann zwingend auf den rechtlichen Charakter einer Handlung zu schließen, wenn eine Änderung in der Rechtssphäre herbeigeführt werden sollte 37. c) Feststellung der rechtlichen Wirksamkeit einer Handlung Der Gerichtshof beurteilt die rechtliche Wirksamkeit einer Handlung der Gemeinschaftsorgane im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage. Die Rechtswirkung ist also Zulässigkeitsvoraussetzung 38 • Dem steht nicht entgegen, daß in bestimmten Fallkonstellationen die Frage der rechtlichen Wirksamkeit einer Handlung, mithin die Frage der Zulässigkeit einer gegen diese Handlung gerichteten Klage, von der Prüfung der Begründetheit der Klage abhängen kann 39 • Bei fehlender Begründetheit weist der Gerichtshof die Klage dann allerdings nicht wegen Unzulässigkeit, sondern insgesamt als unbegründet ab 4O • Grundsätzlich ist also die Frage nach der rechtlichen Wirksamkeit einer Handlung von materiell-rechtlichen Erwägungen, insbesondere von Zuständigkeitsfra35 Vgl. Urteil vom 14. Dezember 1962, verb. Rs. 16 und 17/62 (Confederation nationale), Slg. 1962,961 (979); Grabitz, Quellen des Gemeinschaftsrechts, 96. 36 Bleckmann, RIW 1991, 220; ähnlich Zuleeg, NVwZ 1987, 281: Die EG sei eine Rechtsgemeinschaft, daher müsse sich der auf supranationaler Ebene zum Ausdruck kommende politische Wille hauptsächlich über das Instrument des Rechts in den Mitgliedstaaten durchsetzen; Karl, JZ 1991, 598: Es herrsche der Grundsatz, daß sich die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft auf der Basis verbindlichen Rechts gestalteten. 37 Heusei, 291. 38 Vgl. etwa Urteil vom 17. Oktober 1984, Rs. 135/84 (F. B. / Kommission), Slg. 1984, 3577 (3579): Unzulässigkeit einer Klage gegen ein Schreiben des Generaldirektors des Juristischen Dienstes der Kommission; Urteil vom 10. April 1984, Rs. 108/83 (Luxemburg / Europäisches Parlament), Slg. 1984, 1945 (1958): Zulässigkeit einer Klage gegen eine Entschließung des Europäischen Parlaments; Urteil vom 31. März 1971, Rs. 22/70 ("AETR"), Slg. 1971,263 (278): Zulässigkeit einer Klage gegen einen Beschluß des Rates. 39 So etwa Urteil vom 22. September 1988, verb. Rs. 358 / 85 und 51 /86 (Frankreich / Europäisches Parlament), Slg. 1988, 4821 (4851); Urteil vom 10. Februar 1983, Rs. 230/81 (Luxemburg / Europäisches Parlament), Slg. 1983, 255 (285). In beiden Fällen ging es um die Abgrenzung der internen Organisationsgewalt des Europäischen Parlaments von außenwirksamen Rechtsakten. 40 So jedenfalls in dem Urteil vom 22. September 1988 in der Rs. 358/85, Slg. 1988, 4821 (4858).
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gen, zu trennen. Die Rechtswidrigkeit einer Handlung berührt in der Regel nicht deren rechtliche Wirksamkeit, sondern bewirkt lediglich ihre Aufhebbarkeit 41 •
3. Die Zulässigkeit des Handeins Die umfassende Definition des Begriffs der Handlung 42 und die praktische Fähigkeit der Gemeinschaftsorgane, von verschiedenen Handlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen 4 3, führt zu der Frage, inwiefern der EWG-Vertrag ein solches Handeln auch gestattet. Hierbei sind zwei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: Einerseits ist denkbar, daß der EWG-Vertrag jegliches Handeln der Gemeinschaftsorgane, mithin sämtliche den Gemeinschaftsorganen zugewiesenen Befugnisse, abschließend regelt, andererseits, daß er lediglich bestimmte Handlungsmöglichkeiten ausdrücklich regelt und den Gemeinschaftsorganen ansonsten freie Hand läßt. Die erste Alternative hätte zur Folge, daß viele der in der Gemeinschaftspraxis vorkommenden und für das Funktionieren der Gemeinschaft bedeutsamen Handlungen 44 rechtswidrig wären. Schon diese Überlegung rechtfertigt es - ungeachtet der logischen Bedenken gegen eine solche Argumentation - anzunehmen, daß das erwähnte Modell dem EWG-Vertrag nicht zugrunde liegen kann. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt. Danach begrenzt die vertragliche Zuweisung von Befugnissen an die Gemeinschaftsorgane 45 ein Tätigwerden der Organe allein im Hinblick auf Hoheitsakte, durch die die Mitgliedstaaten oder Individuen gebunden werden sollen 46 • Eine weitergehende Begrenzung des Organhandeins durch die Zuweisung von Befugnissen kann dem Vertrag nicht entnommen werden. Dies ist im folgenden zu begründen.
41 Anders offenbar Zuleeg, JöR 1971, 14, der im Hinblick auf die Befugnis zum Erlaß unverbindlicher Akte ausführt, eine ihrem Inhalt nach verbindlich gedachte Maßnahme entbehre in einem solchen Fall ohnehin der Rechtsgrundlage und könne die Mitgliedstaaten nicht binden. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß Handlungen auf Gemeinschaftsebene nicht nur aufhebbar, sondern von vornherein nichtig sind; vgl. näher GBTE / Daig, Art. 173 Rdnr. 11; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1957, verb. Rs. 1 und 14/57, Slg. 1957, 213 (233), in dem der Gerichtshof eine "Stellungnahme" der Hohen Behörde gemäß Art. 54 Abs. 4 EGKSV wegen Fehlens einer Begründung als nichtexistent, als rechtlich nicht vorhanden bezeichnet hatte. 42 Vgl. oben Abschnitt C. 11. 1. dieses Teils. 43 Vgl. soeben Abschnitt C. II. 2. c), wonach die Zulässigkeit, d. h. Rechtmäßigkeit, einer Handlung grundsätzlich von der Frage ihrer Wirksamkeit zu trennen ist. 44 Magiera, Jura 1989, 598, nennt etwa Fiskalhandlungen, informelle Handlungen, Realakte, organisationsrechtliche und innerdienstliche Handlungen. 45 Vgl. zum sog. "Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung" näher oben Abschnitt A. I. 3. a) dieses Teils. 46 So Bleckmann, Europarecht, 70; ders., DÖV 1977,616; ihm folgend Klein / Beck· mann, DÖV 1990, 188, Fn. 84; ebenso Oppermann, Europarecht, 169; Grabitz/ Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 189 Rdnr. 75.
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
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Ausgangspunkt der Argumentation ist Art. 1552. Spiegelstf. EWGV. Danach ist es Aufgabe der Kommission, "Empfehlungen oder Stellungnahmen auf den in diesem Vertrag bezeichneten Gebieten abzugeben, soweit der Vertrag dies ausdrücklich vorsieht oder soweit sie es für notwendig erachtet". Nach Art. 189 Abs. 5 EWGV sind Empfehlungen und Stellungnahmen "nicht verbindlich", eine Formulierung, die als "nicht rechtsverbindlich" zu lesen ist, da nicht ersichtlich ist, daß der EWG-Vertrag auch nicht-rechtliche Verbindlichkeiten betrifft. Die Befugnis der Kommission, diese als "nicht verbindlich" gekennzeichneten Handlungen vorzunehmen, wird also mit dem Hinweis auf die "in diesem Vertrag bezeichneten Gebiete ( .. )" allein durch die Verbandskompetenz der Gemeinschaft begrenzt. Schlußfolgerungen hinsichtlich einer allgemeinen Befugnis der Gemeinschaftsorgane, unverbindliche Handlungen vorzunehmen, können aus der Vorschrift des Art. 155 2. Spiegelstr. EWGV allerdings nur dann gezogen werden, wenn diese Vorschrift nicht ihrerseits eine "zugewiesene Befugnis"47, sondern - im Gegenteil - eine vertragliche Bestätigung dafür ist, daß eine solche Befugnis im Fall der Empfehlungen und Stellungnahmen gerade nicht erforderlich ist. Im ersten Fall wäre etwa der Rat, dem eine allgemeine Befugnis für Empfehlungen und Stellungnahmen nicht ausdrücklich zugewiesen worden ist, nur befugt, im Rahmen von Art. 43 Abs. 2 VA 3 und Art. 206 b EWGV Empfehlungen auszusprechen und im Rahmen von Art. 236 EWGV Stellungnahmen abzugeben. Diese erstaunliche Konsequenz, die der Bedeutung des Rates im Vertrags system widerspricht und mit seiner allgemeinen Befugnis, rechtlich verbindliche Handlungen vorzunehmen, nicht in Einklang zu bringen ist 48 , läßt sich vermeiden, wenn man Art. 155 2. Spiegelstf. EWGV nicht als Begrenzung der Befugnisse der Kommission, sondern eben, wie der Text des Artikels selbst nahelegt, als Zuweisung einer Aufgabe an die Kommission versteht. Damit obliegt der Kommission die Aufgabe der "Aktivierung der Integration durch Empfehlungen oder Stellungnahmen"49, welche ihr Initiativmonopol50 ergänzt. Den Rat trifft eine solche Pflicht nicht. Dies hindert ihn aber nicht, im Rahmen der Verbandskompetenz der Gemeinschaft Empfehlungen oder Stellungnahmen abzugeben 51.
47 So offenbar Grabitz/ Hummer, Kommentar zum EWGV, Art. 155 Rdnr. 30, der die Bestimmung des Art. 1552. Spiegelstr. EWGV jenseits der im Vertrag selbst vorgesehenen Empfehlungen und Stellungnahmen für konstitutiv hält; Oppermann, Europarecht, 183, der von "Empfehlungsennächtigung" spricht. 48 In diesem Sinne auch Zuleeg, JöR 1971, 17, Fn. 91, der meint, die allgemeine Befugnis der Kommission, Empfehlungen und Stellungnahmen anzugeben, "dürfte erst recht für den Rat gelten". 49 So Grabitz / Hummer, Kommentar zum EWGV, Art. 155 Rdnr. 28. 50 Grabitz / Hummer, Kommentar zum EWGV, Art. 155 Rdnr. 40. 51 Nicht zutreffend daher Oppermann, Europarecht, 183, mit der Feststellung, dem Rat sei eine der Kommission vergleichbare weite Empfehlungsennächtigung nicht verliehen worden. 17*
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Ordnet man, wie hier vertreten, Empfehlungen und Stellungnahmen einem Bereich gemeinschaftlicher Handlungsmöglichkeit zu, für den die besondere Zuweisung von Befugnissen entbehrlich ist, so hindert nichts, diesem Bereich nicht nur Empfehlungen und Stellungnahmen von Kommission und Rat, sondern auch alle anderen, für die Mitgliedstaaten oder Individuen unverbindlichen Handlungen aller Gemeinschaftsorgane zuzurechnen. Es läßt sich daher feststellen, daß nur das für Mitgliedstaaten und Individuen verbindliche hoheitliche Handeln der Gemeinschaftsorgane einer vertraglichen Zuweisung bedarf. Nicht hingegen ist die Zuweisung einer vertraglichen Handlungsbefugnis für das rechtlich unverbindliche Handeln erforderlich, d. h. für die Begründung nicht-rechtlicher Verbindlichkeiten und für Handlungen ohne jede Verbindlichkeit. Abschließend ist der Frage nachzugehen, ob die Gemeinschaftsorgane in dem zuletzt beschriebenen Bereich von jeglicher Bindung frei sind, oder ob sie nicht auch dort gewisse Grenzen zu beachten haben. Nicht weiterführend ist zunächst die Feststellung Morands, die Gemeinschaftsorgane verfügten insofern über "pouvoirs presque illimites"52. Bleckmann vertritt die Auffassung, die Gemeinschaftsorgane bedürften, auch wenn eine vertragliche Einzelzuweisung nicht erforderlich sei, für jede Maßnahme, die die Mitgliedstaaten oder Individuen nicht binde, einer vertraglichen Grundlage 53 . Diese vertragliche Grundlage sieht Bleckmann in sämtlichen Zielen des EWG-Vertrages einschließlich dessen Präambel, die er als "Aufgaben" deutet und in Verbindung mit der Lehre von den "implied powers" in konkrete Handlungsbefugnisse ummünzt. Ob es derartiger dogmatischer Bemühungen bedarf, kann hier offen bleiben. Im Ergebnis ist Bleckmann nämlich darin zuzustimmen, daß die Verbandskompetenz der Gemeinschaft die Grenze für das gesamte - also auch das unverbindliche - Handeln der Gemeinschaftsorgane darstellt 54. Dies bestätigt wiederum Art. 1552. Spiegelstr. EWGV, der die Befugnis der Kommission, unverbindliche Empfehlungen oder Stellungnahmen abzugeben, ausdrücklich an die "in diesem Vertrag bezeichneten Gebiete ( .. )" bindet.
Morand, CDE 1970,623. Bleckmann, DÖV 1977,616; ähnlich ders., Europarecht, 70; anders aber im Hinblick auf die Befugnis des Europäischen Parlaments, politische Entschließungen anzunehmen, ders., ebd., 59: Solche Resolutionen könne das Parlament auch zu völlig außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der EG liegenden Themen annehmen. 54 So auch Hiermaier, 91; Kaiser, EuR 1980, 112. 52
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C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
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III. Entschließungen auf Ratsebene
1. Die rechtliche Bedeutung der "Entschließung" und die Bestimmung ihres Urhebers a) Die rechtliche Bedeutung der Handlungsform "Entschließung" Die nähere Untersuchung der rechtlichen Bedeutung von Entschließungen auf Ratsebene könnte sogleich wieder abgebrochen werden, müßte man feststellen, daß schon durch die Bezeichnung einer Handlung als "Entschließung" eine rechtliche Bedeutung derselben nicht in Betracht kommt 55 . Dies ist auch nach den obigen Ausführungen zu den Kriterien der Abgrenzung zwischen rechtlichem und nicht -rechtlichem Handeln 56 nicht von vornherein ausgeschlossen, stellt doch die Bezeichnung eines Akts immerhin ein Indiz für den rechtlichen Bindungswillen dar. Zu betonen ist aber, daß die Bezeichnung eben nur ein Indiz darstellt. Nicht zu folgen ist daher in ihrer Allgemeinheit der Aussage Everlings, der Bindungswille sei häufig dann zu verneinen, wenn ein Akt auf Ratsebene als "Entschließung" bezeichnet werde 57. Diese Auffassung läuft auf eine Vermutung zu Lasten eines rechtlichen Bindungswillens hinaus und ist daher mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht in Einklang zu bringen, die der Bezeichnung gerade keine entscheidende Bedeutung zugemessen hat 58. Neben der Bezeichnung ist daher in jedem Einzelfall die gesamte Handlung zu bewerten und auszulegen. Nicht ausgeschlossen ist damit freilich, daß die Bezeichnung einer Handlung als "Entschließung" in einzelnen Fällen zum entscheidenden Beurteilungsfaktor werden kann, wie es in dem Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 1964 in den verb. Rs. 90 und 91/63 (Kommission/ Luxemburg und Belgien)59 der Fall gewesen sein mag. Dort hatte der Gerichtshof festgestellt, die in einer Entschließung des Rates festgelegten Fristen für den Erlaß bestimmter Rechtsakte hätten nicht die gleiche Wirkung gehabt wie die im Vertrag vorgesehenen Fristen. Diese Absicht der Urheber der Entschließung sei daraus ersichtlich, "daß sie diese Maßnahmen nicht unter der Bezeichnung und in der Form erlassen (hätten), die für nach Artikel 189 des Vertrages verbindliche Maßnahmen des Rates vorgesehen" seien 60. Da der Text der fraglichen Entschließung 61 praktisch ausschließlich die erwähnten Fristen festlegte, darüber hinaus jedoch keine Hinweise darauf enthielt, ob eine rechtliche, eine nicht-rechtliche oder gar keine Verbind55 Morand, CDE 1970,625, bezeichnet diese Auffassung als die traditionelle. 56 Vgl. Abschnitt C. Ir. 2. b) dieses Teils. 57 Everling, GS Constantinesco, 155. 58 Vgl. Abschnitt C. II. 2. b) dieses Teils. 59 Slg. 1964, 1329. 60 Ebd., S. 1345. 61 ABI. EG Nr. 30/ 1006 (1962).
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
lichkeit begründet werden sollte, mußte die Frage anhand der Bezeichnung entschieden werden 62 . Ohne Einfluß auf die rechtliche Bedeutung der auf Ratsebene gefaßten Entschließungen ist die Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 der Akte über die Bedingungen des Beitritts neuer Mitgliedstaaten 63 geblieben, auch wenn sie immerhin die allgemeine Zulässigkeit solcher Handlungen primärrechtlich 64 bestätigt. Nach dieser Vorschrift befinden sich die neuen Mitgliedstaaten "hinsichtlich der Erklärungen, Entschließungen und sonstigen Stellungnahmen des Rates sowie hinsichtlich der die Europäischen Gemeinschaften betreffenden Erklärungen, Entschließungen und sonstigen Stellungnahmen, die von den Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen angenommen wurden, in derselben Lage wie die derzeitigen Mitgliedstaaten". Demgemäß würden die neuen Mitgliedstaaten "die sich daraus ergebenden Grundsätze und Leitlinien beachten und die gegebenenfalls zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen treffen". Nach zutreffender - vom Gerichtshof in dem Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rs. 44 / 84 (Hurd) bestätigter 65 - Ansicht im Schrifttum hat die genannte Vorschrift an der Beurteilung der von ihr erfaßten Akte nichts geändert, insbesondere ihnen keine rechtliche Wirksamkeit verliehen, die nicht schon ursprünglich vorhanden war 66 • Bedenken bestehen daher gegen die Auffassung, die Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 der Beitrittsakte habe "Verhaltenserwartungen minderer Art und Güte geschaffen"67 oder gar eine "generalklauselartige Fixierung eines Mindeststandards von Folgepflichten" gebracht 68 • Wenn die Funktion dieser Vorschrift tatsächlich darin besteht zu verhindern, "daß ein neuer Mitgliedstaat geltend machen kann, diese Rechtsakte seien ohne ihn erlassen worden"69, die Vorschrift mithin in jeglicher Hinsicht an die Pflichtenstellung der ursprünglichen Mitgliedstaaten anknüpft, wie schon ihr Wortlaut belegt, so besteht kein Grund, abstrakte Vennutungen über etwaige Verbindlichkeiten anzustellen. Erst die Untersuchung jedes einzelnen Aktes kann über die Pflichtenstellung der ursprünglichen und folglich auch über die der neuen Mitgliedstaaten Aufschluß geben. 62 Zu weitgehend daher Bothe, FS Schlochauer, 765, der die Entscheidung als Beleg dafür anführt, daß in aller Regel die Wahl der Bezeichnung auf den Wunsch, eine rechtliche Fixierung zu vermeiden, hinweise, der aber zugesteht, daß ein etwa als "Programm" bezeichneter Akt "der Sache nach eine Verordnung, Richtlinie oder Entscheidung" darstellen könne. 63 Vgl. Z. B. Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassung der Verträge, ABI. EG L 302/23 (1985).
Dazu näher Grabitz / Wenig, Kommentar zum EWGV, Art. 173 Rdnr. 50. 65 Slg. 1986, 29 (79). 66 Vgl. etwa Everling, GS Constantinesco, 148; Heusei, 163; Wuermeling, 202; differenzierend Bothe, FS Schlochauer, 772. 67 So Bothe, FS Schlochauer, 772. 68 So Millarg, EuR 1972, 182. 69 Urteil des Gerichtshofs vom 15. Januar 1986, Rs. 44/84 (Hurd), Slg. 1986,29 (79). 64
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
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Abzulehnen ist schließlich auch der Versuch, Art. 3 Abs. 3 der Beitrittsakte als Ausdruck der subjektiven Motivationslage der Mitgliedstaaten bei der Feststellung von deren Bindungswillen zu berücksichtigen 70. Da sich die genannte Vorschrift allein auf bereits verabschiedete Entschließungen bezieht, kann sie allenfalls Auskunft über die Vorstellung der ursprünglichen Mitgliedstaaten geben, die diese zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Mitgliedstaaten von der Verbindlichkeit der Entschließungen hatten. Ob deren Vorstellung aber zutrifft, ist anhand jeder einzelnen Entschließung zu überprüfen. b) Die Bestimmung des Urhebers einer Entschließung Entschließungen auf Ratsebene können drei verschiedene Urheber haben. Sie können vom Rat allein, von den (im Rat vereinigten) Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten allein oder von beiden gemeinsam 71 verabschiedet werden. Da die Entschließungen auf Ratsebene die Verantwortlichkeit für den jeweiligen Akt stets einem der drei genannten Urheber in dessen Titel zuweisen, scheint es insofern keine Probleme zu geben: Als Urheber einer Entschließung ist diejenige Instanz anzusehen, die in ihrem Titel als Urheber bezeichnet worden ist 72 • Anderes könnte allenfalls bei einer versehentlichen Falschbezeichnung gelten. Diese klare Feststellung ist jedoch nicht immer akzeptiert worden. Insbesondere Italien bemühte sich, Handlungen des Rates - es ging um eine Beschleunigungsentscheidung 73 und um eine Richtlinie 74 - als internationale Abkommen zu qualifizieren. Auch der Rat vertrat in der Rs. 22/70 ("AETR") 75 die Auffassung, der zugrundeliegende Ratsbeschluß sei nur eine politische Abstimmung der Mitgliedstaaten im Rahmen des Rates gewesen 76. Der Gerichtshoftrat dem in den beiden erstgenannten Fällen im Ergebnis zutreffend, wenn auch mit einer nicht völlig überzeugenden Begründung entgegen: Eine Maßnahme, die durch ihren Gegenstand und durch den institutionellen Rahmen, in dem sie ausgearbeitet worden sei, als Gemeinschaftsentscheidung gekennzeichnet sei, lasse sich nicht als internationales Abkommen bezeichnen 77. Während die Bezugnahme auf den institutionellen Rahmen, innerhalb dessen die Maßnahme ausgearbeitet wurde, als tragfähig anzusehen ist, scheint der So aber Wuermeling, 203. Nicht zutreffend Bothe, FS Schlochauer, 770, der meint, in diesem Fall werde die Frage des Urhebers offengelassen. 72 So auch Zuleeg, Das Recht der EGen, 27. 73 Urteil des Gerichtshofs vom 18. Februar 1970, Rs. 38 / 69 (Kommission !Italien), Slg. 1970,47. 74 Urteil des Gerichtshofs vom 18. März 1980, Rs. 91/79 ("Detergentien"), Slg. 1980, 1099. 75 Slg. 1971,263. 76 Ebd., S. 276. 77 Slg. 1970,47 (57). 70 71
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Hinweis auf den Gegenstand der Maßnahme, der durch Ausführungen zur Befugnis der Gemeinschaftsorgane auf dem betreffenden Gebiet ergänzt wird, in die falsche Richtung zu .weisen 78. Zuständigkeitsfragen berühren nämlich allenfalls die Rechtmäßigkeit, unter Umständen auch die Frage des Bestands eines Akts, nicht aber können sie die Frage des Urhebers beantworten, es sei denn, ein solcher ist in dem Akt nicht benannt. Die Feststellung des Urhebers eines Akts unterliegt daher nicht in gleichem Maß der Auslegung wie dies oben für die Ermittlung der Natur einer Handlung vertreten worden ist. Dem Gerichtshof ist allerdings zuzugestehen, daß er die genannten inhaltlichen Erwägungen offenbar nur herangezogen hat, um ein Ergebnis zu stützen, das schon durch die in den Akten vorgenommene Benennung des Urhebers vorgegeben war. Ist somit allein die Benennung des Urhebers im jeweiligen Akt entscheidend, geht es nicht an, etwa festzustellen, der "Rat" habe "Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten" erlassen 79. Eine genaue Bezeichnung des Urhebers ist - wie die folgende Untersuchung zeigen wird - für die rechtliche Würdigung einer Handlung auf Ratsebene unerläßlich. 2. Entschließungen des Rates
a) Kompetenzbereich Die Befugnis des Rates, Entschließungen zu fassen, findet - wie oben allgemein dargelegt 80 - unabhängig von Art und Grad der beabsichtigten Verbindlichkeit ihre Grenze in der Verbandskompetenz der Gemeinschaft. Verabschieden die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten eine Entschließung unter Inanspruchnahme ihrer gemeinsamen Eigenschaft als Gemeinschaftsorgan "Rat", so kann angenommen werden, daß sie den in der Entschließung behandelten Gegenstand der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz zurechnen 81 • Weitergehende Schlüsse können allerdings nicht gezogen werden. Insbesondere läßt sich aus der Bezeichnung des Rates als Urheber in keiner Weise ablesen, ob und inwieweit die Entschließung tatsächlich der Gemeinschaftskompetenz unterfällt 82 •
78 Vgl. auch Urteil vom 31. März 1971, Rs. 22/70 ("AETR"), Sig. 1971, 263 (278): Der Gegenstand des Beschlusses gehöre zur Zuständigkeit der Gemeinschaft, und daher hätten die Mitgliedstaaten nicht außerhalb des Rahmens der Gemeinschaftsorgane handeln können. 79 So aber Wagner, 228/307. 80 Vgl. Abschnitt C. 11. 3. dieses Teils. 81 So auch Wellens / Borchardt, ELR 1989,299. 82 Zu weitgehend deshalb Dewost, 328: "Si l' auteur de la resolution est le Conseil le contenu de cette decision politique releve du domaine communautaire ... ".
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
265
b) Merkmale der Entschließungen Um die rechtliche Bedeutung der Entschließungen des Rates beurteilen zu können, ist grundsätzlich eine Auslegung jeder einzelnen Entschließung erforderlich 83. Dadurch ist es aber nicht ausgeschlossen, Merkmale zu suchen und zu benennen, die im Hinblick auf die rechtliche Bedeutung von Entschließungen allen oder einigen von ihnen gemeinsam oder besonders aussagekräftig sind. Dabei werden - stellvertretend für alle Entschließungen - allein solche im kulturellen Bereich untersucht. Zunächst ist festzustellen, daß fast alle Entschließungen des Rates in der Ausgabe C des Amtsblatts der EG, die "Mitteilungen und Bekanntmachungen" enthält, unter der Rubrik ,,(Mitteilungen), Rat" veröffentlicht werden, nicht jedoch, soweit ersichtlich, in der Ausgabe L, die "Rechtsvorschriften" enthält. Daraus lassen sich indessen hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung der Entschließungen keine weitergehenden Schlüsse ziehen als aus der Bezeichnung "Entschließung" selbst, da die Form der Veröffentlichung erkennbar mit der Bezeichnung des Akts als "Entschließung" zusammenhängt und zudem die Unterscheidung zwischen Amtsblatt L und Amtsblatt C im Vertrag selbst nicht geregelt ist. Größere Bedeutung im Hinblick auf die Annahme eines rechtlichen Bindungswillens kann dem Umstand und dem Grad der Beachtung von vertraglichen Verfahrensvorschriften zugemessen werden. In dieser Hinsicht lassen sich die Entschließungen in drei Kategorien einteilen: In die erste Kategorie fallen Entschließungen, die sich lediglich allgemein auf die Verträge oder den EWGVertrag stützen und ansonsten kaum weiteren Formalitäten genügen 84. Die zweite Kategorie hebt sich von der ersten dadurch ab, daß vor Verabschiedung der Entschließung das Europäische Parlament angehört wird 85, gelegentlich auch der Wirtschafts- und Sozialausschuß86. Die dritte Kategorie schließlich unterscheidet sich der Form nach von verbindlichen Rechtsakten der in Art. 189 EWGV genannten Art fast nur noch durch die Bezeichnung als "Entschließung" und die Veröffentlichung in der Ausgabe C (statt L) des Amtsblatts. Insbesondere werden 83 Vgl. schon oben Abschnitt C. III. 1. a) dieses Teils. 84 Vgl. z. B. Entschließung vom 18. Dezember 1979 über die alternierende Ausbildung von Jugendlichen, ABI. EG C 1/1 (1980); Entschließung vom 5. Juni 1989 über die berufliche Weiterbildung, ABI. EG C 148 / 1; Entschließung vom 18. Dezember 1990 über die Entsprechungen der beruflichen Befähigungsnachweise, ABI. EG C 109/ 1 (1991).
85 Vgl. z. B. Entschließung vom 14. Januar 1974 über ein erstes Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie, ABI. EG C 7/6. 86 Vgl. z. B. Entschließung vom 6. Juni 1974 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, ABI. EG C 98 / 1; Entschließung vom 11. Juli 1983 über die Berufsbildungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft während der achtziger Jahre, ABI. EG C 193/2.
266
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
derartige Entschließungen nicht lediglich allgemein auf den EWG-Vertrag gestützt, sondern auf konkrete Vertragsvorschriften. Hervorragendes - und soweit ersichtlich bisher einziges 87 - Beispiel für diese Kategorie ist die Entschließung vom 25. Juli 1983 über Rahmenprogramme für die Tätigkeiten der Gemeinschaft im Bereich Forschung, Entwicklung und Demonstration und über das erste Rahmenprogramm 1984 - 1987 88 , gestützt auf Art. 235 EWGV. In den Erwägungsgründen wird - wie bei Maßnahmen aufgrund von Art. 235 EWGV üblich - ausdrücklich darauf hingewiesen, daß "besondere Befugnisse für die Annahme dieser Entschließung nicht vorgesehen" seien. Dieses Vorgehen ist zwar ungewöhnlich, aber zulässig: Auch Entschließungen zählen zu den "geeigneten Vorschriften" im Sinne von Art. 235 EWGV89. Aber selbst im Fall einer derart formalisierten, äußerlich einem verbindlichen Rechtsakt angenäherten Entschließung bedarf es weiterer Argumente, um eine rechtliche Verbindlichkeit zu begründen. Glaesner hält es aufgrund einer inhaltlichen Analyse für möglich, daß den Artikeln 1 bis 3 der erwähnten Entschließung Rechtswirkung zukommt, da sie "in substantiierter Form die Verfahren und auch generelle Kriterien für zukünftige Rahmenprogramme" festlegten 9o . Das zusammen mit der Entschließung verabschiedete Rahmenprogramm hingegen hält er für nicht substantiiert genug 91 . Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß die Präzision der Formulierung und der Grad der Konkretisierung oder Substantiierung Auskunft über das Vorliegen und den Umfang einer Verbindlichkeit geben, während der Grad der Beachtung von Verfahrensvorschriften als Hinweis auf den Willen der Urheber, die Verbindlichkeit der Entschließung als eine rechtliche zu gestalten, verstanden werden kann. c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs Eine in sich geschlossene Rechtsprechung des Gerichtshofs zur rechtlichen Bedeutung von Entschließungen des Rates besteht nicht und kann auch in Zukunft nicht erwartet werden, da sich - wie schon mehrfach betont - allgemeine, für alle Entschließungen gültige Aussagen kaum treffen lassen. Vielmehr ist stets eine Einzelfallprüfung erforderlich. Dennoch sind einige Urteile des Gerichtshofs auszumachen, die Hinweise auf die rechtliche Bedeutung einzelner Entschließungen des Rates geben. Eine Gesamtschau dieser Urteile vermag einen Eindruck 87 Ergebnis einer Abfrage der EG-Datenbank CELEX. 88 ABI. EG C 208/1. 89 Vgl. Grabitz/ Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 83; eher ablehnend GBTE/ Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 296. 90 Glaesner, Einführung, 51. 91 Ebd.
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
267
von der unterschiedlichen rechtlichen Bedeutung der Entschließungen des Rates zu vermitteln. Zu beginnen ist mit einer Entschließung des Rates, die dieser am 3. November
1976 in Den Haag faßte und die die Ausdehnung der mitgliedstaatlichen Fischerei-
zonen auf 200 Meilen zum Gegenstand hatte 92. Nicht amtlich veröffentlicht ist die Anlage VI zu dieser Entschließung 93 , in der die Mitgliedstaaten angewiesen wurden, grundsätzlich keine einseitigen Maßnahmen zur Erhaltung ihrer Fischbestände zu treffen und, falls dies doch notwendig werden sollte, vor Ergreifung solcher Maßnahmen die Billigung der Kommission einzuholen und diese fortwährend zu konsultieren. Die Anlage VI zu der sog. Haager Entschließung, im folgenden nur noch "Entschließung", war Gegenstand mehrerer Verfahren vor dem Gerichtshof. In allen Entscheidungen ging der Gerichtshof davon aus, daß die Entschließung für die Mitgliedstaaten bindende Rechtswirkung entfalte. So stellte er fest, es sei unstreitig, daß die Entschließung für die Mitgliedstaaten verbindlich sei 94, diese müßten die in der Entschließung aufgestellten verfahrensrechtlichen und materiellen Bedingungen erfüllen 95 . Folgerichtig bezeichnete der Gerichtshof die Entschließung als "Rechtsakt"96 und rechnete die Bestimmungen der Entschließung zu den "materiellen und formellen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts" 97. Über die Ursache der Verbindlichkeit ist allerdings keine völlige Klarheit zu erlangen 98 . Zwar stimmte der Gerichtshof ausdrücklich der Kommission zu, die Entschließung konkretisiere Mitwirkungspflichten, "die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag durch ihren Beitritt zur Gemeinschaft übernommen" hätten 99. Ob aber deshalb die Verbindlichkeit der Entschließung aus Art. 5 EWGV folgt oder aber aus der Entschließung selbst, bleibt offen. Als Ergebnis kann festgestellt werden, daß Entschließungen des Rates, die als Konkretisierung der Mitwirkungspflicht aus Art. 5 EWGV erscheinen, zumindest über Art. 5 EWGV verbindliche Rechtswirkung für die Mitgliedstaaten entfalten können 100. 92 ABI. EG C 195/1 (1981). 93 Abgedruckt etwa in dem Urteil vom 16. Februar 1978, Rs. 61/77 (Kommission / Irland), Slg. 1978,417 (446). 94 Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rs. 32/79 (Kommission / Vereinigtes Königreich), Slg. 1980, 2403 (2432). 95 Urteil vom 14. Februar 1984, Rs. 24/ 83 (Gewiese und Mehlich), Slg. 1984, 817
(832).
96 Slg. 1980, 2437 (Anm. 94). 97 Urteil vom 30. November 1982, Rs. 287/81 (Noble Kerr), Slg. 1982,4053 (4073). 98 Zutreffend Glaesner, Einführung, 50. 99 Urteil vom 4. Oktober 1979, Rs. 141/78 (Frankreich/Vereinigtes Königreich), Slg. 1979,2923 (2942); vgl. auch - obschon nicht mit gleicher Deutlichkeit - Urteil vom 16. Februar 1978 in der Rs. 61/77, Slg. 1978,417 (449 f.). 100 Allerdings ist darauf zu achten, daß den Entschließungen, die keine rechtliche Verbindlichkeit entfalten, nicht generell über Art. 5 EWGV, "sozusagen durch die Hintertür rechtliche Wirksamkeit" (Bothe, FS Schlochauer, 772) verliehen wird.
268
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Eine andersartige rechtliche Bedeutung gestand der Gerichtshof einer Entschließung des Rates in dem Urteil vom 4. Februar 1975 in der Rs. 169/73 (Compagnie Continentale) 101 zu. In diesem Fall hatte der Rat in einer Entschließung die Marktteilnehmer über den Inhalt einer von ihm geplanten Verordnung informiert, um es ihnen frühzeitig zu ermöglichen, sich auf die neuen Bestimmungen einzustellen. Er unterließ es dabei aber, auf eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts hinzuweisen, welche die aus dem Verordnungsentwurf ersichtliche Regelung zum Nachteil der Marktteilnehmer zu beeinflussen vermochte und sich später tatsächlich in negativer Weise auswirkte. In der daraufhin angestrengten Schadensersatzklage eines betroffenen Unternehmens warf der Gerichtshof dem Rat dann auch vor, er hätte "auf das Vorhandensein der strittigen Vorschrift hinweisen und im Hinblick auf deren mögliche Anwendung einen Vorbehalt machen müssen" 102. Der Gerichtshof ließ die Klage zwar letztlich an der fehlenden Kausalität des pflichtwidrigen Unterlassens des Rates für den eingetretenen Schaden scheitern, es zeigt sich aber, daß Entschließungen, auch wenn sie keine rechtliche Verbindlichkeit erzeugen, insofern eine rechtliche Wirkung entfalten können, als sie als haftungsbegründendes Verhalten des Rates in Betracht kommen. Andere Entscheidungen des Gerichtshofs betonen eher die politische Bedeutung einzelner Entschließungen. In dem Urteil vom 15. Juni 1978 in der Rs. 149/77 (Defrenne) 103 bezeichnete er die Entschließung des Rates vom 21. Januar 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm 104 als Präzisierung des in den Artikeln 117 und 118 EWGV enthaltenen sozialpolitischen GesetzgebungsprogrammslOS. In dem Urteil vom 13. Dezember 1979 in der Rs. 44/79 (Hauer) 106 qualifizierte er die Entschließung des Rates vom 21. April 1975 über die Neuorientierung zur Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Tafelweinmarkt 107 als "Rechtsakt, der die Gemeinschaftspolitik auf diesem Gebiet erkennen" lasse 108. Auch in dem Urteil vom 3. Februar 1976 in der Rs. 59/75 (Manghera) 109 gestand der Gerichtshof einer Entschließung des Rates hauptsächlich politische Bedeutung zu. Hinsichtlich eines in der Entschließung genannten Termins für die Beseitigung bestimmter staatlicher Ausschließlichkeitsrechte stellte er fest, ein solcher Termin könne nicht der im Vertrag gesetzten Frist vorgehen 110. Aus den genannten Entscheidungen läßt sich somit einerseits folgern, daß Entschlie101 102 103 104
105 106
107 108 109 110
Sig. 1975, 117. Ebd., S. 135. Sig. 1978, 1365. ABI. EG C 13 / 1. Sig. 1978, 1365 (1378). Sig. 1979, 3727. ABI. EG C 90/1. Sig. 1979, 3727 (3748). Sig. 1976, 91. Ebd., S. 102.
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
269
ßungen des Rates für die Planung der Gemeinschaftspolitik von (politischer) Bedeutung sein können, und andererseits, daß im EWG-Vertrag enthaltene Bestimmungen nicht durch einfache Entschließung außer Kraft gesetzt werden können. d) Die rechtliche Bedeutung der Entschließungen Sofern Entschließungen des Rates nicht primär - wie im seltenen Fall der oben erwähnten "Haager Entschließung" - in ihrer Wirkung Rechtsakten der in Art. 189 EWGV beschriebenen Art gleichkommen, sondern hauptsächlich eine politische Bedeutung besitzen, sind sekundäre Rechtswirkungen dennoch nicht ausgeschlossen. Anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs wurde bereits die mögliche Bedeutung von Entschließungen des Rates für die Artikel 5 und 215 EWGV herausgearbeitet. Neben ihrer Bedeutung im Rahmen der Gemeinschaftstreue und ihrer Eignung als haftungsbegründendes Verhalten können Entschließungen des Rates noch weitere sekundäre Rechtswirkungen erzeugen. Derartige Rechtswirkungen lassen sich mit dem aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht entlehnten Begriff der "Tatbestandswirkung" umschreiben 111. Hier kann allerdings nur ein Ausschnitt der rechtlichen Ansatzpunkte für derartige Wirkungen erörtert werden. Insbesondere wird die mögliche Bedeutung von Ratsentschließungen für Ermessensentscheidungen des Rates 112 und für die Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof 113 nicht näher behandelt. Vielmehr soll im folgenden zunächst die Rolle der Ratsentschließungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren näher betrachtet werden. Anschließend wird anhand von Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 128 EWGV untersucht, inwiefern der Gerichtshof Entschließungen des Rates zur Ausfüllung von Tatbestandsmerkmalen gemeinschaftsrechtlicher Normen heranzieht. aa) Die Rolle der Entschließungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren
Das gemeinschaftliche Rechtsetzungsverfahren beginnt nicht erst mit der Vorlage förmlicher Vorschläge durch die Kommission. Vielmehr ist ein Kommissionsvorschlag bereits das Ergebnis eines von vielen Seiten beeinflußten politi111 Jabloner / Okresek, Österr. Z. öffentl. Recht und Völkerrecht 34 (1983), 221, übertragen diesen Begriff in den Bereich des Völkerrechts, um die sekundären Effekte sog. "soft-law-Akte" zu beschreiben; zum Begriff vgl. näher Erichsen, in: Erichsen /
Martens, 220; Koja, 533. 112 Vgl. dazu GA Lenz, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1988,855 (887, Ziff. 59). 113 Vgl. Urteil vom 24. Oktober 1973, Rs. 43/72 (Merkur), Slg. 1973, 1055 (1072). Everling, Probleme, 425, vertritt die Auffassung, Entschließungen könnten zur Auslegung
der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakte herangezogen werden, sofern deutlich werde, daß sich der Rat tatsächlich von ihnen habe leiten lassen.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
sehen Selektionsprozesses 114. Die Praxis zeigt, daß das "Initiativmonopol" der Kommission 115 nur in förmlicher Hinsicht ein Monopol ist. Inhaltlich nimmt der Rat vor allem durch Entschließungen Einfluß auf die Gestalt zukünftiger Gemeinschaftspolitiken 116. Bedeutsam werden solche Entschließungen naturgemäß vor allem in Politikfeldern, die vom Gemeinschaftsrecht noch wenig erschlossen sind. Andererseits sind Entschließungen des Rates an die gemeinschaftliche Verbandskompetenz gebunden. Daraus erklärt sich, daß Entschließungen des Rates im Bildungsbereich in erster Linie die berufliche Bildung betreffen, während Entschließungen mit Bezug zum allgemeinen Bildungswesen regelmäßig zusammen mit den im Rat vereinigten Regierungsvertretern verabschiedet werden 117. Die politische Initiativbefugnis des Rates ist nicht nur ein Phänomen der Praxis, sondern hat im EWG-Vertrag ihren Niederschlag gefunden 118. Nach Art. 152 EWGV kann der Rat die Kommission auffordern, "die nach seiner Ansicht zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele geeigneten Untersuchungen vorzunehmen und ihm entsprechende Vorschläge zu unterbreiten". Von seiner Befugnis, Vorschläge von der Kommission anzufordern, hat der Rat in Entschließungen auch zuweilen Gebrauch gemacht ll9 . Durch die Verabschiedung von Entschließungen erfüllt der Rat somit die auch ihm obliegende politische Aufgabe der "Konkretisierung unbestimmter Zielbestimmungen des Vertrages" 120. bb) Die Tatbestandswirkung von Entschließungen des Rates im Rahmen von Art. 7 Abs.l EWGV
Tatbestandswirkung entfalten Entschließungen des Rates dadurch, daß sie als "rechtserhebliche Tatsachen" 121 im Rahmen gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften Beachtung verlangen. Ein prägnantes Beispiel für die Tatbestandswirkung von Entschließungen gab der Gerichtshof in dem Urteil vom 13. Februar 1985 in der Rs. 293/83 (Gravier) 122. Um zu begründen, daß der Zugang zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrages falle und somit dem Vgl. dazu näher Glaesner, Einführung, 38 ff. Grabitz / Hummer, Kommentar zum EWGV, Art. 155 Rdnr. 40. 116 So auch Dewost, 328; allgemein Wellens / Borchardt, ELR 1989,302 f.; Glaesner, Einführung, 39. 117 VgI. oben Abschnitt A. III. 1. b) des ersten Teils. 118 So auch Beutler / Bieber / Pipkorn / Streit, 120: Mit der Verabschiedung von Ratsentschließungen habe Art. 152 EWGV als vertragsgemäßes Mittel der Einflußnahme auf die Kommission besondere Bedeutung erlangt. 119 VgI. etwa Entschließung vom 18. Dezember 1990 über die Entsprechungen der beruflichen Befähigungsnachweise, ABI. EG C 109/ 1 (1991), in der der Rat die Kommission ersucht, "Vorschläge zu unterbreiten und dabei dieser Entschließung ... Rechnung zu tragen" [Ziff. 5 b)]. 120 Bleckmann, FS Kutscher, 28. 121 Jabloner / Okresek, Österr. Z. öffentI. Recht und Völkerrecht 34 (1983), 221. 122 Slg. 1985, 593. 114 115
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
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Diskriminierungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EWGV unterliege, zog der Gerichtshof den Entwicklungsstand der in Art. 128 EWGV angesprochenen gemeinsamen, sich schrittweise entwickelnden Berufsausbildungspolitik heran. Den Entwicklungsstand der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik wiederum ermittelte der Gerichtshof anhand verschiedener gemeinschaftlicher Texte, u. a. der Entschließung des Rates vom 11. Juli 1983 über die Berufsausbildungspolitik in der Europäischen Gemeinschaft während der achtziger Jahre 123. Die Entschließung dient demnach allein dazu, zusammen mit den anderen vom Gerichtshof herangezogenen Akten Auskunft über den Entwicklungsstand der gemeinsamen Berufsausbildungspolitik zu geben. Rechtswirkungen entfaltet sie nicht unmittelbar, sondern allein mittelbar dadurch, daß sie zur Konkretisierung des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrages beiträgt 124. Erst die Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 EWGV zeitigt rechtliche Wirkung: Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit sind im Anwendungsbereich des EWG-Vertrages verboten.
3. Entschließungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten a) Kompetenzbereich Entsprechend der oben für den Rat getroffenen Feststellung, daß dieser in seiner Befugnis, Entschließungen zu fassen, auf den Bereich der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz beschränkt ist, gilt für die Befugnis der Mitgliedstaaten prinzipiell eine komplementäre Beschränkung auf den ihnen verbliebenen Kompetenzbereich, allerdings mit zwei Einschränkungen. Zum einen enthält das Gemeinschaftsrecht selbst verschiedene Bestimmungen, die ein gemeinsames Handeln der Regierungen der Mitgliedstaaten erfordern 125, die also nicht an den satzungsrechtlichen Status der Mitgliedstaaten, sondern an ihre Eigenschaft als Partner eines völkerrechtlichen Vertrages 126 anknüpfen. Zum anderen ist umstritten, ob die Mitgliedstaaten im Wege zwischenstaatlicher Abkommen vorgehen dürften, wenn ein Handeln auch auf Art. 235 EWGV gestützt werden könnte 127. Beide Einschränkungen sollen hier nicht weiter behandelt werden, die erste, weil aufgrund der vertraglichen Fundierung des gemeinsamen mitgliedstaatlichen Handeins kaum Probleme auftreten dürften, die zweite, weil sie eher theoretischer als praktischer Natur zu sein scheint.
ABl. EG C 193/2. Vgl. dazu auch Abschnitt A. III. 3. a) aa) des zweiten Teils a. E. 125 Vgl. Z. B. Art. 167, 168 a, 216 EWGV, Art. 11 FusV, Art. 1 Abs. 2 EIß-Satzung. 126 Zur Unterscheidung zwischen vertraglichen und satzungsrechtlichen Elementen in Verträgen zur Errichtung internationaler Verbände Mosler, ZaöRV 1966,5. 127 Ablehnend GBTE/ Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 181 f.; prinzipiell zustimmend Hilf, Maßnahmen, 252; Gulmann, 244 f. 123
124
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich b) Merkmale der Entschließungen
Die Entschließungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten auch hier werden nur solche des kulturellen Bereichs untersucht - weichen hinsichtlich der Art der Veröffentlichung nicht von den Ratsentschließungen ab: Sie werden im Amtsblatt der EG, Ausgabe C, unter der Rubrik ,,(Mitteilungen), Rat" bekannt gemacht. Damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten aber schon. Soweit ersichtlich, nimmt keine der Entschließungen auf die Verträge oder den EWG-Vertrag Bezug. Allenfalls wird gelegentlich auf Dokumente des Europäischen Rates verwiesen 128. Auch darüber hinaus lassen sich kaum formale Merkmale feststellen. Auffällig ist allerdings, daß ein - wenn auch kleiner - Teil der Entschließungen die "Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" als Urheber ausweist 129, während der überwiegende Teil die "im Rat vereinigten Minister" als Urheber bezeichnet. Es mag zwar zutreffen, daß diese Formulierungen die Auffassung der Minister von der unterschiedlichen Nähe der Entschließungen zum Gemeinschaftsrecht widerspiegeln 130. Diese Unterschiede können aber nur marginal sein, nehmen doch die Regierungsvertreter auch im ersten Fall ihre gemeinsame Eigenschaft als Vertreter der Mitgliedstaaten der EG in Anspruch. Es handelt sich daher in erster Linie um eine terminologische Abweichung l31 • c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind im Hinblick auf Entschließungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vor allem zwei Entscheidungen hervorzuheben: das Urteil vom 8. April 1976 in der Rs. 43/75 (Defrenne)I32 und das Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rs. 44/84 (Hurd) 133. In dem erstgenannten Urteil bestätigte der Gerichtshof die von ihm schon für Entschließungen des Rates vertretene Auffassung 134, daß eine Entschließung einen vom EWG-Vertrag festgelegten Endtermin nicht hinausschieben könne. Dafür sei die Einhaltung des Vertragsänderungsverfahrens erforderlich 135. Die Vorverlegung einer vertraglichen Frist im Wege einer Entschließung der Mitgliedstaaten kann nach Ansicht des Gerichtshofs allerdings u. U. anders zu beurteilen sein 136. 128 Vgl. z. B. Entschließung vom 17. Februar 1986 über die Einrichtung von grenzüberschreitenden Kulturreiserouten, ABI. EG C 44 /2; Entschließung vom 6. Juni 1974 über die Zusammenarbeit im Bereich des Bildungswesens, ABI. EG C 98/2. 129 Vgl. oben Abschnitt C. III. 1. a) des ersten Teils. 130 In diesem Sinn Wellens / Borchardt, ELR 1989, 299. 131 So wohl auch Kaiser, FS Ophüls, 115. 132 Slg. 1976, 455. 133 Slg. 1986,29. 134 Vgl. oben Abschnitt C. III. 2. c) dieses Teils a. E. 135 Slg. 1976, 455 (478).
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
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Die zweite Entscheidung betrifft zwar nicht speziell eine als "Entschließung" bezeichnete Handlung der Regierungsvertreter, ist jedoch auch hier von Bedeutung. In dieser Entscheidung mußte sich der Gerichtshof zu der Frage äußern, ob die zur Gründung der Europäischen Schulen getroffenen Übereinkünfte der Mitgliedstaaten gemäß Art. 177 EWGV als Handlungen der Gemeinschaftsorgane anzusehen seien und daher seiner Auslegungsbefugnis unterlägen. Hierzu stellte der Gerichtshof fest, die Gründung der Europäischen Schulen beruhe weder auf den Gemeinschaftsverträgen noch auf Handlungen der Organe, sondern auf völkerrechtlichen Übereinkommen der Mitgliedstaaten. Daß diese Übereinkommen Verbindungen zur Gemeinschaft und zum Funktionieren ihrer Organe aufwiesen, genüge für sich allein nicht, um sie als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts zu betrachten, für dessen einheitliche Auslegung in der gesamten Gemeinschaft der Gerichtshof zuständig sei 137. Dabei kann für die getroffenen Feststellungen nicht als entscheidend angesehen werden, daß die streitigen Übereinkommen nicht zu einem wie auch immer definierten Bereich des "Gemeinschaftsrechts" zu zählen waren - der Begriff "Gemeinschaftsrecht" findet im EWG-Vertrag keine Verwendung - , als maßgebend ist vielmehr anzusehen, daß der Gerichtshof keine Möglichkeit sah, die Übereinkommen gemäß Art. 177 EWGV als "Handlungen der Organe der Gemeinschaft" zu qualifizieren. Daraus folgt, daß es im Hinblick auf eine rechtliche Einordnung der Entschließungen der Regierungsvertreter unergiebig und allenfalls von deskriptivem Wert ist, allgemeine Erörterungen über die Frage anzustellen, ob solche Handlungen der Regierungsvertreter dem "Gemeinschaftsrecht" zuzurechnen seien 138. Von Interesse ist allein, welchen Anwendungsbereich die einzelnen Vertragsvorschriften eröffnen 139. Vor diesem Hintergrund muß auch die Qualifizierung der gemeinsamen Handlungen der Regierungsvertreter als "uneigentliche Ratsbeschlüsse" 140 oder "unei136 Ebd.:" ... unbeschadet der Wirkungen, die sie gehabt hat, soweit sie die vollständige Durchführung von Art. 119 fördern und beschleunigen sollte, ... ". 137 Slg. 1986, 29 (76 f.). 138 So aber Millarg, EuR 1972, 181, der den Begriff des "tertiären Gemeinschaftsrechts" geprägt hat; ihm zustimmend Hiermaier, 100; Bothe, FS Schlochauer, 762; Zuleeg, JöR 1971, 21; Kaiser, FS Ophüls, 124, mit der unklaren Feststellung, die Beschlüsse der im Rat vereinigten Regierungsvertreter seien im weiteren Sinn "Beschlüsse der Gemeinschaften" und "eine der Quellen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften"; Bebr, SEW 1966, 534; richtig dagegen Bülow, 32; Wuermeling, 80 ff.; Magiera, Jura 1989, 596, der die hier behandelten Entschließungen als Handlungen bezeichnet, die lediglich Bezug zum Gemeinschaftsrecht hätten, und sie von den im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen gemeinsamen Rechtshandlungen der Mitgliedstaaten abgrenzt, die er zum Gemeinschaftsrecht im weiteren Sinn rechnet. 139 Vgl. Z. B. Art. 155 EWGV: Anwendung "der von den Organen auf Grund dieses Vertrags getroffenen Bestimmungen"; Art. 169 Abs. 1 EWGV: Verstoß eines Mitgliedstaats "gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag"; Art. 175 Abs. 1 EWGV: Unterlassen der Beschlußfassung "unter Verletzung dieses Vertrags"; Art. 177 Abs. 1 Buchst. a) EWGV: "Auslegung dieses Vertrags".
18 Niedobitek
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
gentliche Organbeschlüsse" 141 als irreführend bezeichnet werden, unterstellt sie doch begrifflich eine nicht erweisbare Zugehörigkeit der Handlungen zum Gemeinschaftsrecht. Gleiches gilt für die Feststellung, die gemeinsamen Handlungen der Regierungsvertreter befänden sich "im Dunstkreis" des EG-Rechts und seien zum "Besitzstand der Gemeinschaften" zu rechnen 142. d) Die rechtliche Bedeutung der Entschließungen Entschließungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten können, da sie den Gemeinschaftsorganen nicht zuzurechnen sind, unmittelbare Rechtswirkung nur im zwischenstaatlichen Bereich entfalten. Dies ist der Fall, wenn sie als völkerrechtliche Verträge anzusehen sind. Dann unterliegen sie den einzelstaatlichen Bestimmungen über den Abschluß solcher Verträge 143. Das Grundgesetz enthält in Art. 59 Abs. 2 GG insofern zwei unterschiedliche Regelungen. Während Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung in Form eines Bundesgesetzes bedürfen, wird für Verwaltungsabkommen lediglich auf die Vorschriften über die Bundesverwaltung verwiesen. Dabei ist zu beachten, daß die Mißachtung des verfassungsrechtlich gebotenen Verfahrens die völkerrechtliche Geltung des Abkommens gemäß Art. 27 WVK grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Sofern durch eine Entschließung der Regierungsvertreter lediglich eine nicht-rechtliche Verbindlichkeit geschaffen werden sollte, findet Art. 59 Abs.2 GG keine Anwendung: Diese Vorschrift betrifft allein die Begründung, Änderung oder Aufhebung rechtlicher Beziehungen 144. Zwar können die Entschließungen der Regierungsvertreter unmittelbare Rechtswirkung nur im zwischenstaatlichen Bereich entfalten, indessen sind diese Akte nicht geschützt vor Ausstrahlungen des Gemeinschaftsrechts. In dem Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rs. 44 /84 (Hurd) 145 hielt der Gerichtshof eine Anwendung von Art. 5 EWGV für möglich, wenn eine Maßnahme zur Durchführung eines von den Mitgliedstaaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Verträge geschlossenen Übereinkommens "die Anwendung einer Bestimmung der Verträge oder des davon abgeleiteten Rechts oder das Funktionieren der Gemeinschaftsorgane behindern würde" 146.
140 141 142
143 144 145 146
Vgl. etwa Wagner, 229; Nicolaysen, Europarecht I, 130. Vgl. etwa Zuleeg, Das Recht der EGen, 28. So Oppermann, Europarecht, 186. L.-J. Constantinesco, 546. MDHS / Maunz, Kommentar zum GG, Art. 59 Rdnr. 11. Slg. 1986, 29. Ebd., S. 81.
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
275
4. Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Regierungsvertreter zugleich
a) Kompetenzbereich Handeln die Regierungsvertreter im Rat "uno actu" 147 als Gemeinschaftsorgan Rat und als im Rat vereinigte Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, so haben sie die Möglichkeit, den gemeinschaftlichen wie den mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich auszuschöpfen. Zwei Gründe kommen für eine "gemischte" Beschlußfassung in Betracht: Zum einen können die Regierungsvertreter oder auch nur einzelne von ihnen 148 hinsichtlich des Inhalts einer Entschließung der Auffassung gewesen sein, es werde tatsächlich sowohl der gemeinschaftliche als auch der mitgliedstaatliche Kompetenzbereich berührt 149. Zum anderen können Zweifel an der zutreffenden Verbandskompetenz - sei es im Hinblick auf die gesamte Entschließung, sei es im Hinblick auf einzelne ihrer Teile - für die Wahl der "gemischten" Beschlußform ausschlaggebend sein 150. Dadurch kann zwar nicht der Nichtigkeitsgrund der Unzuständigkeit gemäß Art. 173 Abs. 1 S. 2 EWGV vermieden 151, wohl aber die vollständige, d. h. die gemeinschaftsrechtliche und die völkerrechtliche, Nichtigkeit abgewendet werden. Sofern sich der Entschließung eindeutig entnehmen läßt, welche ihrer Teile jeweils welcher Funktion der Regierungsvertreter zuzurechnen sind, kann für eine rechtliche Beurteilung eine gedankliche Aufspaltung der Entschließung in zwei Handlungen mit zwei verschiedenen Urhebern vorgenommen werden 152. Läßt sich eine solche Trennung aber nicht vornehmen, bleibt nur übrig, den vollen Text der Entschließung sowohl dem Rat als auch den Regierungsvertretern zuzurechnen. Dieser Auffassung scheint auch der Gerichtshof zu sein, der in dem Urteil vom 24. Oktober 1973 in der Rs. 9/73 (Schlüter) 153 die Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 22. März 1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft 154 als "Entschließung des Rates" bezeichnete und ihren Inhalt auf Rechtswirkungen untersuchte, auf die sich die Gemeinschaftsangehörigen vor Gericht berufen könnten 155.
Begriff bei Masler, ZaöRV 1966,7. Everling, Probleme, 418: "Gemischte" Beschlußform bei Uneinigkeit der Regierungsvertreter über die Verbandskompetenz; Beispiel bei Bathe, FS Schlochauer, 762. 149 So etwa Wellens / Barchardt, ELR 1989,299. 150 So etwa Magiera, Jura 1989,596. 151 So aber Grabitz / Schweitzer, Kommentar zum EWGV, Art. 146 Rdnr. 18. 152 So wohl auch Wuermeling, 243 f. 153 Slg. 1973, 1135. 154 ABI. EG C 28/1. 155 Slg. 1973, 1135 (1160). 147
148
18*
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
b) Merkmale der Entschließungen Die im kulturellen Bereich angenommenen Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zeichnen sich durch eine relative Formfreiheit aus; insbesondere wird als Rechtsgrundlage allenfalls auf "die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften" verwiesen 156 und fast nie auf den EWG-Vertrag 157 Bezug genommen. Für den Bildungsbereich läßt sich die Besonderheit feststellen, daß eine große Anzahl der Entschließungen ausdrücklich zwischen den auf Gemeinschaftsebene und den auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten durchzuführenden Maßnahmen trennt und die innerstaatliche Durchführung der Maßnahmen teilweise unter den Vorbehalt der "jeweiligen bildungspolitischen Leitvorstellungen und Strukturen" 158 oder zusätzlich der "verfassungsrechtlichen und finanziellen Möglichkeiten" der Mitgliedstaaten stellt 159. Derartige Vorbehalte verleihen nicht nur der Auffassung der Regierungsvertreter Ausdruck, daß nunmehr der mitgliedstaatliche Kompetenzbereich berührt wird, sie indizieren auch, daß auf zwischenstaatlicher Ebene wie auf Gemeinschaftsebene eine rechtliche Verbindlichkeit nicht angestrebt wurde. c) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs Entscheidungen des Gerichtshofs speziell zur rechtlichen Qualität von Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Regierungsvertreter sind nicht ersichtlich. Der Gerichtshof scheint, wie schon oben festgestellt, für die Zwecke der gemeinschaftsrechtlichen Prüfung den Umstand der "gemischten" Beschlußfassung zu ignorieren und die Entschließung als eine solche allein des Rates zu behandeln 160, ein Vorgehen, daß sich aus der Trennung der gemeinschaftlichen und der mitgliedstaatlichen Verbandskompetenz und der daraus folgenden Begrenzung der Rechtsprechungsgewalt des Gerichtshofs ergibt. d) Die rechtliche Bedeutung der Entschließungen Eine rechtliche Bedeutung kann den Entschließungen des Rates und der im Rat vereinigten Regierungsvertreter entweder aus den Gründen zukommen, die 156 Vgl. z. B. Entschließung vom 3. Juni 1985 mit einem Aktionsprogramm zur Förderung der Chancengleichheit für Mädchen und Jungen im Bildungswesen, ABI. EG CI66/1. 157 Vgl. aber Entschließung vom 9. Juni 1986 über die Verbrauchererziehung in Primar- und Sekundarschulen, ABI. EG C 184/21. 158 Vgl. z. B. Entschließung vom 24. Mai 1988 zur europäischen Dimension im Bildungswesen, ABI. EG C 177 / 5. 159 Vgl. z. B. Entschließung vom 22. Mai 1989 über die schulische Betreuung der Kinder von Binnenschiffern, Zirkusangehörigen und Schaustellern, ABI. EG C 153/1. 160 Vgl. oben Abschnitt C. III. 4. a) dieses Teils a. E.
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
277
für Entschließungen des Rates dargestellt wurden 161, oder aus den Gründen, die für Entschließungen der Regierungsvertreter bezeichnet wurden 162. Enthält eine Entschließung für beide Instanzen trennbare Teile, können Rechtswirkungen auch aus beiden Gruppen von Gründen zugleich abgeleitet werden. Nicht angängig erscheint es, die "gemischte" Beschlußfassung schlechthin für ungeeignet zu halten, Rechtswirkungen zu erzeugen, weil für "das Gemeinschaftsrecht relevante Akte ... nur durch die Institutionen der Gemeinschaft gesetzt werden" könnten 163. Nach dem oben gesagten 164 liegt die Besonderheit der "gemischten" Beschlußfassung gerade nicht darin, daß die im Rat vereinigten Regierungsvertreter im Kompetenzbereich der Gemeinschaft tätig werden wollen, sie vielmehr aufgrund unklarer Kompetenzlage vorsorglich und "uno actu" mit einem entsprechenden Ratsbeschluß einen weiteren Beschluß fassen. Dabei wird die Rechtswidrigkeit des einen oder des anderen Beschlusses bewußt in Kauf genommen. Man könnte sich das Fehlen der zum Zeitpunkt der Beschlußfassung unklaren Verbandskompetenz sogar als auflösende Bedingung jedes der in der Entschließung vereinigten Akte vorstellen. IV. Mitteilungen der Kommission
1. Einleitung Die Kommission bezeichnet eine Vielzahl ihrer Handlungen als "Mitteilung", deren Charakter derart unterschiedlich ist, daß von vornherein bezweifelt werden muß, ob man überhaupt von einer Handlungsform sprechen kann. So lassen sich etwa Mitteilungen feststellen, die in Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen erforderlich werden und über den Eintritt bestimmter Ereignisse berichten 165. Andere Mitteilungen geben von der Kommission getroffene Entscheidungen bekannt 166. Wieder andere Mitteilungen ergehen im Rahmen der Vorbereitung von Entscheidungen, etwa in Wettbewerbs- 167 oder in BeihilfesaVgl. Abschnitt C. III. 2. d) dieses Teils. Vgl. Abschnitt C. III. 3. d) dieses Teils. 163 So Glaesner, Umwelt, 4. 164 Vgl. Abschnitt C. III. 4. a) dieses Teils. 165 Vgl. Z. B. die Mitteilung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3832/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur Anwendung allgemeiner Zollpräferenzen im Jahr 1991 für Textilprodukte mit Ursprung in Entwicklungsländern, ABI. EG C 116/2 (1991), in der die Erschöpfung bestimmter Kontingente bekannt gemacht wird. 166 Vgl. Z. B. die Mitteilung gemäß Art. 115 EWGV, ABI. EG C 161/6 (1990), in der die Kommission über eine Ennächtigung Italiens infonniert, bestimmte, in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befindliche Waren von der Gemeinschaftsbehandlung auszunehmen; Mitteilung betreffend eine staatliche Beihilfe, ABI. EG C 159/13 (1990), in der die Kommission die Einstellung eines Verfahrens nach Art. 93 Abs.2 EWGV gegen Spanien bekannt gibt. 167 Vgl. Z. B. die Mitteilung gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates, ABI. EG C 116/6 (1991), in der die Kommission alle betroffenen Dritten im Hinblick 161
162
278
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
chen 168. Die bisher genannten Mitteilungen betreffen im engeren Sinn die Verwaltungstätigkeit der Kommission und können als "Informations-Mitteilungen" 169 bezeichnet werden. Eine weitere Gruppe bilden Mitteilungen, man könnte von "Leitlinien-Mitteilungen" sprechen 170, die die Rechtsprechung des Gerichtshofs in bestimmten Bereichen aus der Sicht der Kommission und ihr zukünftiges Verhalten, insbesondere bei der Verfolgung von Vertragsverletzungen seitens der Mitgliedstaaten, darlegen 171. Beide bisher genannten Gruppen von Mitteilungen scheinen im kulturellen Bereich keine Rolle zu spielen. Hier dominieren vielmehr die "Programm-Mitteilungen" 172. Darunter sind Mitteilungen zu verstehen, in denen - mehr oder weniger konkret - Pläne für das künftige Vorgehen der Kommission in einem bestimmten Bereich entwickelt und den anderen Gemeinschaftsorganen, aber auch etwa den "interessierten Kreisen" 173, zur Diskussion vorgelegt werden 174. Es versteht sich von selbst, daß diese Mitteilungen auch Ausführungen zum Gemeinschaftsrecht aus der Sicht der Kommission enthalten und dadurch in gewisser Weise den Leitlinien-Mitteilungen ähneln; indessen dienen die Programm-Mitteilungen einem anderen Zweck und sind von den Leitlinien-Mitteilungen deutlich zu unterscheiden. Ob und inwieweit diesen Programm-Mitteilungen rechtliche Bedeutung zukommt, soll im folgenden näher untersucht werden.
auf eine beabsichtigte Freistellung binnen einer bestimmten Frist zur Stellungnahme auffordert. 168 Vgl. z. B. Mitteilung über die Staffelung der Erdgaspreise in den Niederlanden, ABI. EG C 327/3 (1983), in der alle Beteiligten vor Einleitung eines Verfahrens nach Art. 93 Abs. 2 EWGV zur Stellungnahme binnen einer bestimmten Frist aufgefordert wurden; vgl. dazu Urteil des Gerichtshofs vom 28. Januar 1986, Rs. 169/84 (Cofaz), Slg. 1986, 391 (410). 169 Der Begriff wurde übernommen von Meier, FS Steindorff, 1306. 170 So Meier, FS Steindorff, 1306; zu dieser Form der Mitteilung vgl. auch Schmitt von Sydow, 667 ff.; Ayral, 677 f. 171 Vgl. z. B. Mitteilung über die Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Februar 1979 in der Rs. 120/78 ("Cassis de Dijon"), ABI. EG C 256/2 (1980); vgl. auch den allgemeinen Hinweis der Kommission im Weißbuch "Vollendung des Binnenmarktes", KOM (85) 310, Ziff. 155, auf die Notwendigkeit eines systematischeren Vorgehens bei der Beseitigung von ungerechtfertigten Handelshemmnissen und auf die zu diesem Zweck beabsichtigten Mitteilungen, "in denen die Rechtslage ... erläutert wird". 172 Zum Begriff Meier, FS Steindorff, 1305, Fn. 22. 173 Vgl. Mitteilung der Kommission: Grünbuch über Urheberrecht und die technologische Herausforderung, KOM (88) 172, S. 16. 174 Zu den Mitteilungen im kulturellen Bereich vgl. im einzelnen oben Teil 1, jeweils die Abschnitte zur Tätigkeit der Kommission.
C. Bedeutung einzelner Handlungsformen im kulturellen Bereich
279
2. Die rechtliche Bedeutung von Mitteilungen a) Die Bedeutung der Mitteilungen im Rechtsetzungsverfahren Zu ihrer Praxis, Programm-Mitteilungen vorzulegen, stellte die Kommission in ihrer Mitteilung "Die institutionelle Struktur der Gemeinschaft" vom 14. Oktober 1981 175 fest, sie lege dem Europäischen Parlament und dem Rat "normalerweise Mitteilungen vor, in denen die wichtigsten Probleme des behandelten Bereichs dargelegt" seien 176. Sie beabsichtige, diese Praxis zu intensivieren, um ihre Vorschläge im Lichte der auf diese Weise eingeleiteten politischen Debatte auszuarbeiten 177. Hieraus wird deutlich, daß ein formeller Vorschlag der Kommission - wie schon oben anläßlich der Frage nach der Rolle der Ratsentschließungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren festgestellt 178 - nicht Ausgangs-, sondern Schlußpunkt einer Kommissionsinitiative ist. Mitteilungen sind ein Instrument der Kommission, ihre in Art. 1553. Spiege1stf. EWGV in allgemeiner Form normierte Aufgabe zu erfüllen, "am Zustandekommen der Handlungen des Rates und des Europäischen Parlaments mitzuwirken" 179. Aber auch die Mitteilungen selbst stellen nicht erst den Beginn einer Kommissionsinitiative dar, sondern schließen die von den Dienststellen der Kommission geleisteten Vorarbeiten ab 180. Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß Programm-Mitteilungen eine zwar vertraglich nicht ausdrücklich geregelte, aber wohl vorausgesetzte, jedenfalls aber zulässige Handlungsmöglichkeit der Kommission darstellen, um ihre Initiativbefugnis wahrzunehmen. Solche Mitteilungen, wie auch sonstige Verlautbarungen während des Willensbildungsprozesses, sind in der Regel weder bestimmt noch geeignet, unmittelbare Rechtswirkungen zu erzeugen 181. Ausgeschlossen ist dies indessen durch die Bezeichnung als "Mitteilung" nicht 182: Auch hier gilt, daß es für die Frage der rechtlichen Wirksamkeit nicht entscheidend auf die Bezeichnung einer Handlung ankommt 183.
m Bull. EG Beil. 3/82. 176 177
178 179
180 181 182 183
Ebd., S. 10. Ebd.
Vgl. Abschnitt C. III. 2. d) aa) dieses Teils. Vgl. näher Grabitz / Schweitzer, Kommentar zum EWGV, Art. 155 Rdnr. 40. Vgl. näher Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 488 ff. So auch L.-J. Constantinesco, 579. Zutreffend Oppermann, Europarecht, 187. Vgl. dazu oben Abschnitt C. 11. 2. b) dieses Teils.
280
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
b) Weitere Ansatzpunkte für eine rechtliche Bedeutung der Mitteilungen Werden zwar unmittelbare rechtliche Wirkungen von Programm-Mitteilungen in der Regel auszuschließen sein, so kommen doch gewisse "Tatbestandswirkungen" 184 in Betracht. Der dargestellte funktionale Zusammenhang von Mitteilungen und späteren Vorschlägen der Kommission könnte es nämlich erlauben, mittelbare Rechtswirkungen der Kommissionsvorschläge auch den Mitteilungen zuzuschreiben. Zwei Möglichkeiten mittelbarer Rechtswirkung von Kommissionsvorschlägen sollen im folgenden erörtert werden. In seinem Urteil vom 30. September 1982 in der Rs. 108/81 (Amylum) 185 zog der Gerichtshof u. a. einen Vorschlag der Kommission heran, um darzulegen, daß ein Wirtschaftsunternehmen sich gegenüber der Rückwirkung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Die Klägerin habe schon vor Erlaß des streitigen Rechtsakts durch die Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags im Amtsblatt von der vorgesehenen Rückwirkung erfahren 186. Damit folgte der Gerichtshof GA ReischI , der in seinen Schlußanträgen festgestellt hatte, der Kommissionsvorschlag stelle "für die Frage des Vertrauensschutzes sicher ein relevantes Element" dar 187. Während es in diesem Fall darum ging, ein behauptetes Vertrauen unter Hinweis auf einen Kommissionsvorschlag abzulehnen, betraf die Entscheidung vom 12. Juli 1989 in der Rs. 161/88 (Binder) 188 die umgekehrte Frage, ob durch einen - vom Rat schließlich nicht angenommenen - Kommissionsvorschlag Vertrauen begründet werden konnte. Der Gerichtshof schloß dies in dem konkreten Fall mit der Erwägung aus, daß die Klägerin des Ausgangsverfahrens als gewerbliche Wirtschaftsteilnehmerin, die im wesentlichen Im- und Exportgeschäfte tätige, "sich durch die Lektüre der einschlägigen Amtsblätter Gewißheit über das auf seine Geschäfte anwendbare Gemeinschaftsrecht" verschaffen müsse 189. Hinzu kommt, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Vertrauen auf Handlungen der Gemeinschaftsorgane dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Organe die Handlungen im Rahmen ihres Ermessens ändern können 190. Dies ist aber bei Kommissionsvorschlägen vor ihrer Annahme durch den Rat nach Art. 149 Abs. 3 EWGV jederzeit möglich.
Vgl. zum Begriff oben Abschnitt C. III. 2. d) dieses Teils. Slg. 1982,3107. 186 Ebd., S. 3133. 187 Ebd., S. 3149. 188 Slg. 1989,2415. 189 Ebd., S. 2439. 190 Urteil vom 14. Februar 1990, Rs. C-350 /88 (Delacre / Kommission), Slg. 1990, 1-395 (1-426). 184 185
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
281
Doch selbst wenn man einem Kommissionsvorschlag auch für die Frage der Begründung von Vertrauen Bedeutung zumessen wollte, wäre fraglich, ob die genannten Wirkungen ohne weiteres auf Mitteilungen der Kommission übertragen werden könnten. Dagegen sprechen vor allem zwei Gründe. Zunächst befinden sich Mitteilungen in wesentlich größerer Feme zu den später zu erlassenden Rechtsakten, so daß sie schon deshalb kaum geeignet sind, Vertrauen im Hinblick auf ein bestimmtes Verhalten der Gemeinschaftsorgane zu zerstören oder zu begründen. Entscheidend erscheint aber die Tatsache, daß Programm-Mitteilungen der Kommission regelmäßig nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht werden 191 und daher mangels allgemeiner Adressierung als Anknüpfungspunkte für ein Vertrauen Dritter nicht in Betracht kommen. Hier wie stets ist aber letztlich eine Prüfung sämtlicher Umstände im Einzelfall maßgeblich. Eine weitere Möglichkeit mittelbarer Rechtswirkung von Kommissionsvorschlägen resultiert aus der grundsätzlichen Struktur der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Oben wurde als Beispiel für die dem Gemeinschaftsrecht innewohnende Dynamik das gemeinschaftliche Rechtsetzungsverfahren im Bereich konkurrierender Kompetenzen angeführt und dargelegt, daß sich durch ihre Wahrnehmung eine konkurrierende Gemeinschaftskompetenz in eine ausschließliche wandelt 192. Es stellt sich damit die Frage, ob schon die Übermittlung eines Kommissionsvorschlags an den Rat auf einem bestimmten Gebiet als Wahrnehmung einer konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz angesehen werden kann. Dafür könnte das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1981 in der Rs. 804/79 (Kommission / Vereinigtes Königreich) 193 sprechen, in dem der Gerichtshof bestimmte Vorschläge der Kommission als "Ausgangspunkt eines abgestimmten gemeinschaftlichen Vorgehens" bezeichnet hatte 194. Zwar betraf die Entscheidung eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz 195, dies hindert jedoch nicht die Anwendung der erwähnten Feststellung auch im Bereich einer konkurrierenden Kompetenz. Jedoch wird man die Vorlage eines Kommissionsvorschlags nicht generell ausreichen lassen können, um den Übergang einer konkurrierenden in eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz zu bewirken, da solche Vorschläge u. U. gar nicht oder erst nach langer Zeit oder in völlig veränderter Form angenommen werden. Allerdings scheint eine solche Deutung im Einzelfall nicht ausgeschlossen zu sein.
191 Vgl. als Ausnahme etwa Mitteilung zum Ausbau der europäischen Nonnung Maßnahmen zur schnelleren technologischen Integration in Europa, ABI. EG C 20 (1990). 192 Vgl. Abschnitt A. 1. 4. a) dieses Teils a. E. 193 Sig. 1981, 1045. 194 Ebd., S. 1075. 195 Vgl. ebd., S. 1075 f.: "Da es sich um ein der Zuständigkeit der Gemeinschaft vorbehaltenes Gebiet handelt, auf dem die Mitgliedstaaten fortan nur noch als Sachwalter des gemeinsamen Interesses tätig werden können ... ".
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Damit stellt sich auch hier die Frage, ob eine gleiche Wirkung schon den Mitteilungen der Kommission zugemessen werden kann. Dagegen ist grundsätzlich wiederum der regelmäßig nur vorbereitende Charakter der Mitteilungen einzuwenden. Mitteilungen legen nicht nur Rechtsetzungsprogramme der Kommission dar, sondern befassen sich auch häufig mit der Frage, ob überhaupt eine Gemeinschaftsregelung getroffen werden soll. Zumindest in letztgenanntem Fall kann von der Wahrnehmung einer konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz nicht die Rede sein. Im Fall relativ konkreter Rechtsetzungsprogramme mag dies im Einzelfall anders sein. V. Entschließungen des Europäischen Parlaments
1. Erscheinungsformen und Anwendungsbereich Entschließungen sind nicht nur im kulturellen Bereich, sondern generell die typische Handlungsform des Europäischen Parlaments. Es lassen sich grundsätzlich zwei Gruppen von Entschließungen unterscheiden. Eine Gruppe wird von Entschließungen gebildet, die im Rahmen des gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahrens erforderlich werden, sei es aufgrund obligatorischer oder fakultativer Anhörung des Europäischen Parlaments, sei es im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit nach Art. 149 Abs. 2 EWGV, und die daher als "legislative Entschließungen" 196 bezeichnet werden. Die andere Gruppe umfaßt Entschließungen, die aus eigener Initiative des Parlaments verabschiedet werden und "InitiativEntschließungen" genannt werden können. Sie setzen entweder einen Entschließungsantrag von Mitgliedern des Parlaments 197 oder einen Initiativbericht eines Parlamentsausschusses 198 voraus. Während der Anwendungsbereich der ersten Gruppe von Entschließungen vom EWG-Vertrag vorgegeben ist, entbehrt die zweite Gruppe einer vertraglichen Erwähnung. Dennoch macht das Parlament von der Möglichkeit, Initiativ-Entschließungen zu fassen, ausführlich Gebrauch, nicht zuletzt auch im kulturellen Bereich 199. Dabei überschreitet das Parlament zuweilen in eindeutiger oder weniger deutlicher Weise die Grenzen der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz, ohne daß dies hier näher dargelegt werden soll. Nach dem oben zur Zulässigkeit des HandeIns der Gemeinschaftsorgane gesagten 200 verläßt das Parlament damit den Rahmen seiner Befugnisse. Nicht zugestimmt werden kann Klein in seiner Vgl. Art. 36 Abs. 5 GO-EP. Vgl. Art. 63 GO-EP. 198 Vgl. Art. 121 GO-EP. 199 Vgl. jeweils die das Europäische Parlament betreffenden Abschnitte im ersten Teil der Arbeit. 200 Vgl. Abschnitt C. 11. 3. dieses Teils. 196 197
C. Bedeutung einzelner Handlungsfonnen im kulturellen Bereich
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Überlegung, die "Inanspruchnahme von Zuständigkeiten durch das Europäische Parlament auf Befassung mit politischen Vorkommnissen in aller Welt" 201 könne durch ein "Auslegungs-agreement der Mitgliedstaaten" gerechtfertigt sein 202. Denn die Mitgliedstaaten sind auch dann zur Beachtung der Gemeinschaftsrechtsordnung verpflichtet, wenn sie einvernehmlich zusammenwirken; für Änderungen des Gemeinschaftsrechts sind sie auf das Vertragsänderungsverfahren nach Art. 236 EWGV angewiesen 203 . Abzulehnen ist auch Bleckmanns Ansatz, aus dem im Gemeinschaftsrecht verankerten Demokratieprinzip zu schließen, das politische Mandat des Parlaments gestatte es diesem, Entschließungen zu völlig außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der EG liegenden Themen zu fassen 204. Nicht erweislich ist nämlich, daß das Demokratieprlnzip die Überschreitung der gemeinschaftlichen Verbandskompetenz erforderte. Auch bedeutet es eine Verkennung der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu argumentieren, im Vertrag sei nichts enthalten, das Themen einschränke, die auf Parlamentstagungen debattiert und angenommen würden 205. Daß derartige Kompetenzüberschreitungen mangels rechtlicher Bedeutung grundsätzlich nicht justitiabel sind, ändert nichts an ihrer Rechtswidrigkeit. Eine gewisse Erweiterung erfuhr die Bindung des Parlaments an die gemeinschaftliche Verbandskompetenz allerdings durch die EEA. In Art. 30 Abs. 4 S. 1 EEA ist eine enge Beteiligung des Europäischen Parlaments an der EPZ vorgesehen. Nach Art. 30 Abs. 4 S. 2 EEA trägt die Präsidentschaft der EPZ dafür Sorge, "daß die Auffassungen des Europäischen Parlaments bei dieser Arbeit gebührend berücksichtigt werden". Eine Überschreitung der Verbandskompetenz der Gemeinschaft wird daher häufig durch die Einbindung des Parlaments in die EPZ gerechtfertigt werden können. Darüber hinaus wird man dem Parlament das Recht zugestehen müssen, sich zu Themen zu äußern, die seiner Auffassung nach im Wege der Vertragsänderung in den gemeinschaftlichen Zuständigkeitsbereich einbezogen werden sollten, auch wenn sich im Rahmen des Vertragsänderungsverfahrens das Anhörungsrecht des Parlaments nach Art. 236 Abs. 2 EWGV dem Wortlaut nach nur auf bereits vorliegende Vertragsänderungsentwürfe der Kommission oder der Mitgliedstaaten bezieht. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß das Europäische Parlament befugt ist, "schlichte Parlamentsbeschlüsse"206 in Form von Entschließungen zu fassen, daß es dabei aber grundsätzlich, d. h. im Rahmen der vorstehend beschrieKlein, Vertragsauslegung, 105. 202 Ebd., 104. 203 So auch Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 18. 204 Bleckmann, Europarecht, 59. 205 So Elles, 413. 206 Zum Begriff Steinberger, VVDStRL 50 (1991), 33; für das deutsche Verfassungsrecht Magiera, Parlament und Staatsleitung, 210 ff. 201
284
3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
benen Weiterungen, an die Verbandskompetenz der Gemeinschaft gebunden ist und diese Befugnis - wie Magiera für das deutsche Verfassungsrecht festgestellt hat 207 - nicht in einer die autonomen Zuständigkeiten der anderen Organe beeinträchtigenden Weise wahrnehmen darf.
2. Die Rolle der Entschließungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren Initiativ-Entschließungen des Europäischen Parlaments spielen ebenso wie Entschließungen auf Ratsebene und Mitteilungen der Kommission eine Rolle im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahren. Häufig scheinen Gemeinschaftsaktionen auf eine Entschließung des Parlaments zurückgeführt werden zu können, wie dies etwa für die gemeinschaftliche Tätigkeit im engeren Kulturbereich anzunehmen ist 208. Eine eindeutige Kausalität wird allerdings in der Regel schwer nachzuweisen sein 209. Hier zeigt sich erneut, daß das Initiativmonopol der Kommission auf die Vorlage formeller Vorschläge zur Einleitung des Rechtsetzungsverfahrens beschränkt ist. Im Vorfeld solcher Vorschläge kann das Europäische Parlament seine Vorstellungen zur Geltung bringen, denn über ein "Ideen-Monopol" verfügt die Kommission nicht 21O •
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich I. Einleitung
Die Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich lassen sich nicht nur auf der Grundlage des geltenden Rechts, sondern auch im Hinblick auf die bevorstehenden Vertragsänderungen erörtern. Zwar ist eine Vertragsänderung zugunsten gemeinschaftlicher Kompetenzen im kulturellen Bereich, insbesondere im Bereich der Kultur im engeren Sinn, als wahrscheinlich anzusehen 1, indessen sind die konkrete Gestalt der Änderungen und der Zeitpunkt Magiera. Parlament und Staatsleitung, 217. Vgl. oben Abschnitt C. II. 3. des ersten Teils; so allgemein auch Glaesner, Einführung, 40. 209 So auch Jacobs / Corbett, 181. 207
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Jacobs / Corbett, 180.
Vgl. Titel XV (Tourismus) und Titel XIX (Kultur) der den EWG-Vertrag betreffenden Vorschriften des "Entwurfs eines Vertrages über die Union" der luxemburgischen Präsidentschaft, in englischer Sprache veröffentlicht in Europe - Agence Internationale, Documents No. 1722/ 1723 vom 5. Juli 1991; vgl. nunmehr Titel IX (Kultur) des 3. Teils des EG-Vertrages i. d. F. des am 7. Februar 1992 unterzeichneten Vertrages I
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts
285
ihres Inkrafttretens ungewiß. Darüber hinaus würde eine Diskussion der Wünschbarkeit kultureller Kompetenzen auf Gemeinschaftsebene den Rahmen der vorliegenden Arbeit verlassen. Es ist daher geboten, die Frage der Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich allein auf der Grundlage des geltenden Rechts zu behandeln. Diese Frage ist für die drei Sektoren des kulturellen Bereichs, den Bildungsbereich, den Wissenschaftsbereich und den Bereich der Kultur im engeren Sinn, nicht gleichermaßen von Interesse. Während der Bildungs- und der Wissenschaftsbereich über mehr oder weniger gesicherte vertragliche Fundamente verfügen, entbehrt der Bereich der Kultur im engeren Sinn einer vertraglichen Erwähnung fast völlig 2 • Insbesondere für diesen Bereich stellt sich daher die Frage, welchen Raum das Gemeinschaftsrecht für eine Weiterentwicklung bietet. Die bisherige Entwicklung des Gemeinschaftsrechts hat gezeigt, daß die fehlende vertragliche Erwähnung einer Materie die Gemeinschaftsorgane nicht zu hindern vermochte, neue Bereiche für eine gemeinschaftliche Politik zu erschließen. Im folgenden soll daher erörtert werden, ob und inwieweit der engere Kulturbereich für eine eigenständige Gemeinschaftspolitik in Betracht kommt, die sich nicht nur gleichsam als "Nebeneffekt"3 der Wahrnehmung vertraglicher Zuständigkeiten darstellt 4 und die über punktuelle, einer Rechtsgrundlage entbehrende und möglicherweise auch nicht bedürfende finanzielle Fördermaßnahmen der Kommission 5 hinausgeht 6 . Dabei soll in einem ersten Schritt beispielhaft dargestellt werden, wie die Erschließung neuer Politikbereiche in der Gemeinschaftspraxis erfolgt. Anschließend wird aus rechtlicher Sicht die Möglichkeit der Entwicklung einer "flankierenden Politik" im engeren Kulturbereich erörtert.
über die Europäische Union, in englischer Sprache veröffentlicht in Europe - Agence Internationale, Documents No. 1759/1760 vom 7. Februar 1992. 2 Vgl. oben Abschnitte A. 1., B. 1. und C. 1. des ersten Teils. 3 So Grabitz / Sasse, 97, zu den vor der EEA bestehenden Möglichkeiten der Berücksichtigung von Umweltproblemen im Rahmen der gemeinschaftlichen Kompetenzwahrnehmung. 4 Vgl. dazu näher Abschnitt A. 11. dieses Teils. 5 Vgl. zu diesen Aktivitäten näher Abschnitt C. III. 2. des ersten Teils a. E.; FIeseh, EG-Informationen 5/1991, 3. 6 Kritisch Fiedler, 172 f., zu der Frage, ob sich diese finanziellen Aktivitäten der Kommission noch unterhalb der Schwelle "neuer bedeutender Gemeinschaftsaktionen" im Sinne von Ziff. IV. 3. c) der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens, ABI. EG C 194/ I (1982), befinden, jenseits der der Erlaß einer Grundverordnung für die Verwendung der in den Haushalt eingesetzten Mittel Voraussetzung ist; vgl. auch Glaesner, Einführung, 40, mit dem Hinweis auf eine Protokollerklärung zu dieser Bestimmung, derzufolge unter "neuen bedeutenden Gemeinschaftsaktionen" nicht Pilotaktionen der Kommission zu verstehen seien.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
11. Die Entwicklung "flankierender Politiken" der Gemeinschaft
Der Begriff der "flankierenden Politiken" hat sich eingebürgert, um eigenständige, in den Gründungsverträgen nicht ausdrücklich angesprochene, von den Gemeinschaftsorganen aber dennoch beanspruchte Politikfelder zu kennzeichnen 7. Das Moment der "Flankierung", das "schützende, von der Seite deckende"8 Element der angesprochenen Politiken weist darauf hin, daß die Eigenständigkeit dieser Politikbereiche nicht so weit geht, keinen Bezug zur Integration der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten aufzuweisen. Vielmehr liegt die Funktion dieser Politiken offenbar gerade darin, den Integrationsprozeß abzusichern und zu stützen. Die Entwicklung einer "flankierenden Politik" soll im folgenden anhand des Bereichs des Umweltschutzes näher dargestellt werden, da dieser Bereich durch die Rechtsetzung der Gemeinschaftsorgane, aber auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs eine solche Entwicklung besonders gut veranschaulicht. Der politische Anstoß für die Entwicklung einer Umweltpolitik auf Gemeinschaftsebene ging von der Pariser Gipfelkonferenz vom 19. bis 21. Oktober 1972 aus. In der Schlußerklärung betonten die Staats- und Regierungschefs "die Bedeutung einer Umweltpolitik in der Gemeinschaft" und forderten die Gemeinschaftsorgane auf, "bis zum 31. Juli 1973 ein Aktionsprogramm mit einem genauen Zeitplan auszuarbeiten"9. Dieser Passus der Schlußerklärung ist als Konkretisierung der einleitenden Bemerkungen anzusehen, welche u. a. der Notwendigkeit Ausdruck verliehen, die wirtschaftliche Expansion nicht als Selbstzweck anzusehen; diese müsse ihren Niederschlag in einer Verbesserung der Lebensqualität und des Lebensstandards finden 10. Zur Verwirklichung des Aktionsprogramms hielten es die Staats- und Regierungschefs für angezeigt, "alle Bestimmungen der Verträge, einschließlich des Artikels 235 des EWG-Vertrags, weitestgehend auszuschöpfen" 11. Die vorstehende Schilderung verdeutlicht die Vorgehensweise auf Gemeinschaftsebene: Ausgangspunkt gemeinschaftlicher Tätigkeit ist nicht der EWGVertrag und die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten dieser eröffnet; Ausgangspunkt ist vielmehr das Erkennen eines materiellen Problems, welches aufgrund seiner gemeinschaftsweiten Dimension oder wegen seiner Bedeutung für den Integrationsprozeß einer Behandlung auf Gemeinschaftsebene zugeführt werden soll. Der Bereich des Umweltschutzes ist wegen des grenzüberschreitenden Potentials von Umweltverschmutzungen 12 ein besonders einleuchtendes Bei7 Vgl. etwa L.-J. Constantinesco, 256 ff.; Lauwaars, EuR 1976, 100; Beutler / Bieber / Pipkorn / Streif, 77 f.; Böhm, 328. 8 Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 1982, Stichwort "flankieren". 9 EG-Gesamtbericht 6/ 1972, S. 14. 10 Ebd., S. 8. 11 Ebd., S. 18.
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts
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spiel 13. Erst in einern zweiten Schritt wird geprüft, welche Handlungsmöglichkeiten das Gemeinschaftsrecht für die gemeinschaftsweite Lösung des jeweiligen Problems zur Verfügung stellt. Die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts werden so in den Dienst politischer Zielsetzungen gestellt; die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinschaftsorgane im Rahmen der jeweiligen politischen Zielsetzung werden durch die Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen vertraglichen Befugnisnormen beschränkt. Im Umweltbereich wurden vor allem die Artikel 100 und 235 EWGV als Rechtsgrundlage herangezogen, teils jeweils allein 14, teils gemeinsam 15. Hinsichtlich der Anwendung von Art. 100 EWGV sind kaum rechtliche Einwände denkbar 16. Auch der Gerichtshof hielt es für "keineswegs ausgeschlossen, daß Umweltschutzbestimmungen ihre Rechtsgrundlage in Art. 100 EWG-Vertrag finden" könnten 17, da mangels einer Angleichung einzelstaatlicher umweltschutzrechtlicher Bestimmungen der Wettbewerb spürbar verfalscht werden könnte 18. War die Anwendung von Art. 100 EWGV im Bereich des Umweltschutzes von dem Erfordernis einer unmittelbaren Auswirkung einzelstaatlicher Vorschriften auf den Gemeinsamen Markt abhängig, eröffnete Art. 235 EWGV den Gemeinschaftsorganen eine Handlungsmöglichkeit in Fällen, in denen die "unmittelbare Beziehung zum Gemeinsamen Markt ... kaum erkennbar" war l9 , die also den Schutz der Umwelt um ihrer selbst willen betrafen 20. Legislatorischer Gipfelpunkt war insofern die "Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten"21. Im Hinblick auf das in Art. 235 EWGV vorausgesetzte Gemeinschaftsziel wurde in den Erwägungsgründen ohne weitere Begrün12 Dazu Scheuing, EuR 1989, 153; Behrens, 22. 13 Vgl. etwa Haneklaus, DVBI. 1990, 1136: Angesichts drängender Umweltprobleme habe die Gemeinschaft beschlossen, eine Umweltpolitik zu entwickeln; Scheuing, EuR 1989, 153: Der Erkenntnis, daß gemeinschaftliche Lösungen geboten gewesen seien, hätten sich die Staats- und Regierungschefs nicht entziehen können; Grabitz / Zacker, NVwZ 1989,297: Auf europäischer Ebene sei die Umweltproblematik schon früh erkannt worden. 14 Vgl. etwa Richtlinie des Rates vorn 20. März 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung, ABI. EG L 76/ 1 (Art. 100); Richtlinie des Rates vorn 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABI. EG L 103 / I (Art. 235). 15 Vgl. etwa Richtlinie des Rates vorn 4. Mai 1976 betreffend die Verschrnutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft, ABI. EG L 129/23. 16 So auch Nicolaysen, Environmental policy, 112. 17 Urteil vorn 18. März 1980, Rs. 91 /79 (Kommission /Italien), Slg. 1980, 1099 (1106). 18 Ebd. 19 So Zuleeg, ZfW 1975, 136. 20 So Usher, 5. 21 ABI. EG L 103 / 1.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
dung ausgeführt, die Erhaltung der im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten wildlebenden Vogelarten sei "für die Verwirklichung der Gemeinschaftsziele auf den Gebieten der Verbesserung der Lebensbedingungen, einer harmonischen Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit in der gesamten Gemeinschaft und einer ständigen und ausgewogenen Expansion im Rahmen des Gemeinsamen Marktes erforderlich" 22. Aufschlußreicher ist dagegen die Begründung für die Heranziehung von Art. 235 neben Art. 100 EWGV in der "Richtlinie des Rates vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschrnutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe"23: Es sei notwendig gewesen, "in Verbindung mit dieser Angleichung der Rechtsvorschriften eine gemeinschaftliche Aktion auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der Lebensqualität durchzuführen"24. Diese Formulierung verweist auf das erste Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz vom 22. November 1973 25, in dessen Erwägungsgründen festgestellt wird, daß die in Art. 2 EWGV normierte Aufgabe der EWG, eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft sowie eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung zu fördern, künftig "ohne eine wirksame Bekämpfung der Umweltverschmutzungen und der Umweltbelastungen, ohne eine Verbesserung der Lebensqualität und ohne Umweltschutz nicht denkbar" sei. 26 . Die Verbesserung der Lebensqualität und der Schutz der natürlichen Umwelt gehörten zu den wesentlichen Aufgaben der Gemeinschaft 27. Wenn diese Formulierungen auch noch einen Zusammenhang zwischen der in Art. 2 EWGV erwähnten Wirtschaftsentwicklung und -ausweitung und dem gemeinschaftlichen Umweltschutz herstellten, so wurde doch wenig später in dem Aktionsprogramm ausdrücklich auf die in der Präambel des EWG-Vertrages angesprochene Verbesserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen Bezug genommen 28. Damit war einer selbständigen Umweltpolitik der Gemeinschaft der Weg gebahnt, deren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Dimension der Gemeinschaft offenbar nur noch darin bestand, daß die Verwirklichung dieser wirtschaftlichen Dimension "ohne eine Verbesserung der Lebensqualität und ohne Umweltschutz nicht denkbar" erschien 29 .
22 Ebd., sechster Erwägungsgrund. 23 ABI. EG L 20/43. 24 Ebd., fünfter Erwägungsgrund. 25 ABI. EG C 112/ 1; angenommen als "Erklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten". 26 Ebd., vierter Erwägungsgrund. 27 Ebd., fünfter Erwägungsgrund. 28 Ebd., Anhang, Teil I, Einleitung. 29 Vgl. Anm. 26; Hervorhebung hinzugefügt.
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Der Gerichtshof bestätigte die Zulässigkeit der Entwicklung einer "flankierenden Politik" im Umweltbereich in dem Urteil vom 7. Februar 1985 in der Rs. 240/83 (ADBHUpo mit der Feststellung, die in jenem Fall umstrittene Richtlinie des Rates falle in den Rahmen des Umweltschutzes, "eines wesentlichen Zieles der Gemeinschaft"31. Diese Formulierung scheint auf die dritte Erwägung der Präambel zum EWG-Vertrag Bezug zu nehmen, in der die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ebenfalls als "wesentliches Ziel" bezeichnet wird. Damit stand fest, daß der Umweltschutz nicht nur ein im Rahmen und in den Grenzen der übrigen Vertragsvorschriften mitzubedenkendes Thema, sondern selbst ein "im Allgemeininteresse liegendes Ziel" darstellte, welches den vertraglichen Grundfreiheiten Schranken zu setzen vermochte 32 • Danach war es auch folgerichtig, den Umweltschutz als "zwingendes Erfordernis" anzuerkennen, welches die Anwendung von Art. 30 EWGV und damit die Warenverkehrsfreiheit beschränken konnte 33. Ihre "Krönung" erfuhr die "flankierende Umweltpolitik" der Gemeinschaft durch ihre ausdrückliche Verankerung im EWG-Vertrag durch die EEA 34. Kehrt man an den Ausgangspunkt der geschilderten Entwicklung, zur Pariser Gipfelkonferenz 1972, zurück, so zeigt sich, daß der dort manifestierte politische Wille, eine eigenständige Gemeinschaftspolitik im Umweltbereich zu verfolgen, mit Hilfe des Gemeinschaftsrechts und mit Billigung des Gerichtshofs realisiert wurde. Verallgemeinert man diese Feststellung, so läßt sich für die Praxis folgern, daß die Entwicklung "flankierender Politiken" der Gemeinschaft letztlich von dem gemeinsamen politischen Willen der Mitgliedstaaten zur Durchführung einer bestimmten Politik abhängt. Dabei kommt Art. 235 EWGV die Funktion zu, als rechtliche Grundlage für diejenigen Aktionen zu dienen, die über den Rahmen der übrigen Vertragsvorschriften hinausgehen und dadurch die "flankierenden Politiken" in besonderer Weise prägen. Die in der Rechtsetzungspraxis vor Inkrafttreten der EEA feststellbare Zunahme der Anwendung von Art. 235 EWGV35 zeigt, daß sich die Gemeinschaft verstärkt Aufgabenbereichen zuwandte, deren umfassende Behandlung auf Gemeinschaftsebene durch die übrigen Vertragsvorschriften nicht gewährleistet schien. Vorbehaltlich einer Änderung der Verträge 36 30 Sig. 1985, 531. 31 Ebd., S. 549. 32 Ebd., im Hinblick auf den "Grundsatz der Handelsfreiheit". 33 Urteil des Gerichtshofs vom 20. September 1988, Rs. 302/ 86 (Kommission / Dänemark), Sig. 1988,4607 (4630). 34 Vgl. Art. 25 EEA, ABI. EG L 169/11 (1987). 35 Vgl. Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 9; zur Entwicklung bis zum 1. 9.1975 vgl. Everling, EuR 1976, Sonderheft, 6 ff. 36 Gemäß dem "Entwurf eines Vertrages über die Union", Europe - Agence Internationale, Documents No. 1722/1723 vom 5. Juli 1991, sollte Art. 235 EWGV folgende Fassung erhalten: ,,(1) Should it prove that attainment of one of the objectives of the Community calls for action by the Community in one of the fields covered by Articles 19 Niedobitek
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
ist zu erwarten, daß sich im Zuge der Vollendung des Binnenmarktes die geschilderte Tendenz erneut verstärken wird. Dieser empirische Befund mag die Bedeutung einer rechtlichen Erörterung der Entwicklungsmöglichkeit einer "flankierenden Politik" im engeren Kulturbereich relativieren. Entbehrlich macht er eine solche Erörterung indessen nicht, denn das Recht ist das Mittel zur Verwirklichung der politischen Vorstellungen auf Gemeinschaftsebene.
111. Entwicklungsmöglichkeiten einer "flankierenden Politik" der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 235 EWGV Die Frage nach den Entwicklungsmöglichkeiten einer "flankierenden Politik" im kulturellen Bereich erfordert eine Untersuchung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 235 EWGV als der für die Erschließung neuer Politikfelder maßgebenden Vorschrift. Nach Art. 235 EWGV erläßt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften, wenn "ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich (erscheint), um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen, und ... in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen (sind)" . Alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 235 EWGV werfen in gewissem Umfang Probleme auf und mögen die Antwort auf die Frage nach den Möglichkeiten einer "flankierenden Politik" im engeren Kulturbereich beeinflussen. Das "Kernproblem für die Auslegung" besteht aber in der Frage nach den ,,zielen der Gemeinschaft"37, deren Verwirklichung Art. 235 EWGV dient. Durch seine tatbestandliehe Orientierung an den Gemeinschaftszielen unterscheidet sich Art. 235 EWGV grundlegend von allen anderen Befugnisnormen des Vertrages. Daher soll die Untersuchung im folgenden auf das Tatbestandsmerkmal der "Ziele der Gemeinschaft" konzentriert werden. Anschließend wird kurz erörtert, welche
3 [and 3 a] and this Treaty has not provided the necessary powers, the Council shall, acting unanimously on a proposal from the Commission and after receiving the assent of the European Parliament, adopt the appropriate measures while taking into account the principle of subsidiarity as defined in Article 3 b. (2) The Council shall determine, under the conditions laid down in paragraph 1, what shall be covered by decisions to be taken by qualified majority." In dem schließlich am 7. Februar 1992 unterzeichneten Text wurde Art. 235 unverändert gelassen; vgl. den Vertrag über die Europäische Union, in englischer Sprache veröffentlicht in Europe - Agence Internationale, Documents No. 1759 / 60 vom 7. Februar 1992. 37 So Everling, EuR 1976, Sonderheft, 9, der allerdings nicht - wie Art. 235 EWGV - von den Zielen "der Gemeinschaft", sondern von Zielen "des Vertrages" spricht.
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts
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Bedeutung der in Art. 235 EWGV ausgesprochenen Bindung gemeinschaftlicher Maßnahmen an den "Rahmen des Gemeinsamen Marktes" zuzumessen ist.
2. Das Erfordernis eines Ziels der Gemeinschaft im kulturellen Bereich a) Die Ziele der Gemeinschaft Der Frage nach den Zielen der Gemeinschaft im Sinne von Art. 235 EWGV soll in zwei Schritten nachgegangen werden. In einem ersten Schritt wird untersucht, welche Ziele der Gemeinschaft überhaupt gesetzt sind, in einem zweiten Schritt, ob der Begriff des Ziels in Art. 235 EWGV über einen gegenüber dem im ersten Schritt ermittelten Umfang der Gemeinschaftsziele abweichenden, insbesondere beschränkten Inhalt verfügt.
aa) Die Ziele der Gemeinschaft allgemein Der EWG-Vertrag setzt der Gemeinschaft Ziele bzw. stellt ihr Aufgaben 38 unterschiedlichen Abstraktionsgrades 39 , wobei Gründe für eine Unterscheidung der Ziele "der Gemeinschaft" von den Zielen "des Vertrages" nicht ersichtlich sind 40 • Im zweiten bis vierten Teil des Vertrages sind der Gemeinschaft Ziele gesetzt, die man als spezielle 41 oder sektorielle 42 Ziele bezeichnen kann. Ziele allgemeiner Art enthalten entsprechend der Einteilung von Magiera die Präambel zum EWG-Vertrag und die Grundsätze des ersten Vertragsteils 4 3, Während hinsichtlich der Gruppe der speziellen Vertragsziele, aber auch im Hinblick auf Art. 3 EWGV44, keine weiteren Probleme erkennbar sind, verdienen Art. 2 EWGV und die Präambel zum EWG-Vertrag eine nähere Betrachtung. 38 Eine Unterscheidung der Ziele von den Aufgaben der Gemeinschaft erscheint nicht möglich; vgl. Magiera. GS Geck, 514; GTE 1Zuleeg. Kommentar zum EWGV, Art. 2 Rdnr. 1, unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1987, Rs. 126/86 (Zaera), Slg. 1987,3697 (3715), in dem der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem die Aufgabe der Gemeinschaft beschreibenden Art. 2 EWGV von den in dieser Vorschrift genannten Zielen spricht. Aus theoretischer Sicht ist allerdings zuzugeben, daß eine Aufgabe stets der Erfüllung eines Ziels dient; vgl. Köck. FS Seidl-Hohenve1dern,
280.
Dazu Magiera. GS Geck, 514. Henckel von Donnersmarck. 51, Fn. 44, meint, aus der unterschiedlichen Terminologie im EWG-Vertrag für Art. 235 EWGV Schlußfolgerungen ziehen zu können; kritisch dazu zu Recht Behrens. 270; richtig daher auch Everling. Anm. 37. 41 So Magiera. GS Geck, 514. 42 So L.-J. Constantinesco. 274. 43 Vgl. Magiera. GS Geck, 514. 44 Der Gerichtshof hat in dem Urteil vom 12. Juli 1973 in der Rs. 8/73 (MasseyFerguson), Slg. 1973, 897 (907), festgestellt, Art. 3 EWGV enthalte Ziele der Gemeinschaft; so auch schon in dem Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rs. 61 72 (Continental Can), Slg. 1973,215 (244). 39
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
Was die Vorschrift des Art. 2 EWGV angeht, ist nicht strittig, daß sie überhaupt Ziele der Gemeinschaft enthält. Dies ist auch vom Gerichtshof anerkannt, der in dem Urteil vom 29. September 1987 in der Rs. 126/86 (Zaera)45 im Zusammenhang mit Art. 2 EWGV von den "darin genannten Ziele(n)" spricht 46 . Probleme bereitet indessen die Frage, ob die in Art. 2 EWGV genannten fünf allgemeinen Ziele der Gemeinschaft, die "durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten" erreicht werden sollen, allein wirtschaftlicher Natur sind. Diese Frage hat vor allem Bedeutung für das in Art. 2 EWGV zuletzt genannte allgemeine Ziel, "engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind", ein Ziel, welches auch eine kulturelle Komponente beinhalten könnte. SteindorJfetwa vertritt die Auffassung, gemäß Art. 2 EWGV sei "die Gemeinschaftskompetenz auf Wirtschaft beschränkt"47. Dafür stützt er sich u. a. auf das Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 1974 in der Rs. 36/74 (Walrave/ Koch)48, in dem der Gerichtshof ausgeführt hatte, sportliche Betätigungen unterfielen angesichts der Ziele der Gemeinschaft nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 des Vertrages ausmachten 49 . Fast wörtlich wiederholte der Gerichtshof diese Feststellung in dem Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rs. 196/87 (Steymann)5°.
Hieraus allerdings zu folgern, die Gemeinschaft verfolge nur wirtschaftliche Ziele, geht zu weit. Zu bedenken ist nämlich, daß es in den genannten Entscheidungen allein um die rechtliche Einordnung des Verhaltens von Privatpersonen und um die Anwendbarkeit einzelner Vertragsvorschriften ging. Fraglos erfordern es die wirtschaftlichen Ziele des Art. 2 EWGV nicht, die nicht-wirtschaftlichen Betätigungen von Privatpersonen in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts einzubeziehen. Nur so sind die Ausführungen des Gerichtshofs zu verstehen. Eine darüber hinausgehende grundsätzliche Äußerung zur Reichweite von Art. 2 EWGV war durch die jeweiligen Sachverhalte nicht angezeigt. Daher ist festzustellen, daß Art. 2 EWGV für eine Beschränkung der dort genannten fünf allgemeinen Ziele auf wirtschaftliche Vorgänge keine Hinweise gibt. Insbesondere das Ziel der Förderung engerer Beziehungen zwischen den in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten ist nicht auf die Förderung wirtschaftlicher Beziehungen beschränkt 51 . 45 Sig. 1987, 3697. 46 Ebd., S. 3715. 47 Steindorff, Grenzen, 37; ebenso Böhm, 107. 48 Sig. 1974, 1405. 49 Ebd., S. 1418. 50 Slg. 1988,6159 (6172). 51 So auch GTE / Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Art. 2 Rdnr. 16; Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 2 Rdnr. 8.
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts
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Hinsichtlich der Präambel zum EWG-Vertrag läßt sich kaum bestreiten, daß sie überhaupt Ziele enthält, ja die Präambel enthält geradezu "Endziele"52 bzw. "langfristige Zielvorgaben" 53. Bestritten wird allerdings zuweilen, daß es sich bei diesen Zielen um solche der Gemeinschaft handele. So hat offenbar als erster Gericke die Auffassung vertreten, die Ziele der Präambel könnten allein den Vertragsparteien zugeordet werden, nicht aber der durch den EWG-Vertrag gegründeten Gemeinschaft. Die Präambel bereite die Gründung der EWG gedanklich vor und bewege sich in einem gleichsam vorgemeinschaftlichen Feld. Die Formulierung von Gemeinschaftszielen beginne erst ab Art. 1 EWGV54. Diese Auffassung fand 55 und findet noch heute Anhänger 56. Aber schon die Formulierungen Gerickes belegen dessen Zweifel an der von ihm gebildeten Konstruktion: Indem "die Vertragsparteien den Willen, den Entschluß, ... , die Absicht (bekundeten), bestimmte Ziele zu verwirklichen, (blieben) dies zunächst ihre eigenen nationalen Ziele - gemeinsame Ziele zwar, denn sonst hätte es nicht zum Vertragsschluß kommen können, aber doch nicht schon unmittelbar Ziele der Gemeinschaft als supranationaler Institution"s7. Auch Gericke scheint gespürt zu haben, daß die gemeinsamen Ziele der Mitgliedstaaten auch Ziele der Gemeinschaft sind, wenn auch nicht zunächst, d. h. wohl vor Vertragsschluß, und möglicherweise nicht schon unmittelbar. Gegen die Auffassung Gerickes ist dann auch eingewandt worden, in den meisten Fällen seien die Ziele der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft identisch 58. Dieser Einwand geht indessen nicht weit genug. Was die in der Präambel formulierten Ziele angeht, so besteht nicht nur in den meisten, sondern in allen Fällen Identität zwischen den Zielen der Mitgliedstaaten und denen der Gemeinschaft. Die in der Präambel niedergelegten Ziele der Gesamtheit der Mitgliedstaaten sind die Ziele der Gemeinschaft, sie verkörpern den "Fundamentalwillen der Gemeinschaft"59. Hier gelten sinngemäß die Ausführungen zu der in der Literatur teilweise vorgenommenen Unterscheidung zwischen einer "Politik der Gemeinschaft" und einer "gemeinsamen Politik"60. Die Präambel ist nicht lediglich ein dem Vorfeld des EWG-Vertrages zuzurechnendes Dokument, welches zu Motiven und Erwartungen herabgestufte 61 gemeinsame Ziele der Mitgliedstaaten nie52
L.-J. Constantinesco, 274.
Langeheine, EuR 1983,231. Gericke, 32 f. 55 Schumacher, AWD 1970,542; Tomuschat, EuR 1976, Sonderheft, 61, Fn. 65, hielt die Auffassung Gerickes für "bisher nicht widerlegt". Später zählte er die Präambel ohne weiteres zu den Zielen der Gemeinschaft; vgl. ders, F.I.D.E. Reports, 30. 56 Vgl. etwa Dorn, 114. 57 Gericke, 33; kursive Hervorhebungen eingefügt. 58 So Behrens, 268. 59 So Matthias, 21. 60 Vgl. Abschnitt A. IV. 2. b) aa) des zweiten Teils. 61 V gl. zu diesen Begriffen etwa Schumacher, AWD 1970, 542. 53
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
derlegt, sondern ein zwar abstrakt gefaßter, aber dennoch rechtlich verbindlicher Bestandteil des Vertrages 62. Der Gerichtshof bestätigt diese Auffassung, indem er die Präambel als Auslegungsmittel heranzieht 63 und ihr darüber hinaus ausdrücklich Aufgaben, d. h. Ziele, der Gemeinschaft entnimmt, deren Wahrnehmung den Gemeinschaftsorganen obliege 64. Mittelbar wird diese Auslegung auch durch Art. 131 Abs. 3 EWGV bestätigt 65 , der von den "in der Präambel dieses Vertrags aufgestellten Grundsätzen" spricht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dient der Begriff "Grundsatz" entsprechend dem Sprachgebrauch des Vertrages dazu, "bestimmte Vorschriften als grundlegende Bestimmungen zu kennzeichnen" 66. Unzulässig sei es, diesen Begriff auf den Rang eines unbestimmten Hinweises zu reduzieren 67 • Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sowohl Art. 2 EWGV als auch die Präambel zum EWG-Vertrag für die Ermittlung von Zielen der Gemeinschaft heranzuziehen sind. Die Ziele der Gemeinschaft unterliegen dabei der gleichen Dynamik, wie sie dem Gemeinschaftsrecht insgesamt innewohnt 68 , d. h. die Ziele können einen Bedeutungswandel vollziehen 69 und heute Maßnahmen zulassen oder erfordern, die gestern noch nicht in Betracht gezogen werden konnten.
bb) Ziele der Gemeinschaft im Sinne von Art. 235 EWGV Eine gesonderte Behandlung der Frage nach den Zielen der Gemeinschaft im Sinne von Art. 235 EWGV im Anschluß an die vorangegangene Erörterung der Ziele der Gemeinschaft bedarf der Rechtfertigung, bietet doch die Formulierung des Art. 235 EWGV keinen Anhalt dafür, daß mit den Gemeinschaftszielen hier etwas anderes gemeint sein könnte als oben dargestellt. Art. 235 EWGV spricht nicht von "mittelbaren" oder "unmittelbaren" Zielen, nicht von "allgemeinen" oder "besonderen" Zielen, nicht von "abstrakten" oder "konkreten" Zielen, sondern nur von "Zielen". Wenn dennoch die aufgeworfene Frage zu erörtern ist, so liegt der Grund in manchen in der Literatur unternommenen Versuchen, den Anwendungsbereich von Art. 235 EWGV mit Hilfe eines verengten Zielbegriffs 62 Magiera, GS Geck, 515; GTE / Zuleeg, Kommentar zum EWGV, Präambel Rdnr. 1; Schepers, ELR 1981, 356 ff. 63 Vgl. etwa Urteil vom 13. Juli 1966, Rs. 32/65 (Italien / Kommission), Sig. 1966,
457 (483): "Die gesamten Bestimmungen des Artikels 85 müssen daher im Zusammenhang mit den in der Präambel zum Vertrag niedergelegten Grundsätzen gesehen und von ihnen her ausgelegt werden". 64 Gutachten 1 /76 vom 26. April 1977, Sig. 1977,741 (758). 65 So auch Magiera, GS Geck, 515. 66 Urteil vom 8. April 1976, Rs. 43/75 (Defrenne), Slg. 1976,455 (475). 67 Ebd. 68 Vgl. dazu Abschnitt A. I. 4. dieses Teils. 69 So etwa Behrens, 269; Henckel von Donnersmarck, 50 f.
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts
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zu beschränken. Es wird die Gefahr gesehen, daß durch einen "Rückgriff' auf die Präambel zur Ennittiung von Gemeinschaftszielen im Sinne von Art. 235 EWGV "alle speziellen Kompetenzgrenzen hinweggeschwemmt" würden 70 bzw. eine ,,Mißachtung der vorgegebenen Strukturen"7' erfolgen könnte. Als erstes Argument für eine Beschränkung des Ziel begriffs in Art. 235 EWGV ist die Behauptung zu untersuchen, die in Art. 2 EWGV und in der Präambel fonnulierten Ziele seien zu allgemein 72. Wie aber schon eingangs festgestellt, unterscheidet Art. 235 EWGV nicht zwischen allgemeinen und besonderen Zielen. Die Allgemeinheit der Zielsetzung ist mithin kein geeignetes Kriterium für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 235 EWGV, solange nicht dargelegt wird, inwiefern gerade die Allgemeinheit des Ziels seiner Einsetzung im Rahmen von Art. 235 EWGV entgegensteht. Darüber hinaus ist fraglich, ob die einzelnen Ziele der Präambel und des Art. 2 EWGV wirklich so allgemein sind wie vorgebracht wurde. Schwartz hat für die Präambel dargelegt, daß dies für die weitaus meisten der dort genannten Ziele nicht der Fall ist 73. Aber auch hinsichtlich des von Schwartz für nicht hinreichend präzise gehaltenen Ziels der Präambel, "die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker zu schaffen", ist anzunehmen, daß es als Ziel im Sinne von Art. 235 EWGV in Betracht kommt. Denn es versteht sich für dieses wie auch für alle anderen Ziele der Präambel von selbst, daß sie - das eine mehr, das eine weniger - der Konkretisierung bedürfen. Diese Konkretisierung erfolgt durch den jeweiligen auf Art. 235 EWGV gestützten Rechtsakt des Rates, dessen Aufgabe es also ist, die Konkretisierung vorzunehmen. Eine weitere Beschränkung des Zielbegriffs in Art. 235 EWGV wird aus Art. 2 EWGV hergeleitet. Diese Vorschrift stellt für die Verwirklichung der durch sie nonnierten fünf allgemeinen Ziele zwei Mittel zur Verfügung: die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Daraus wird gefolgert, die in Art. 2 genannten Ziele dürften nur durch diese beiden Mittel verwirklicht werden 74 , der Zielbegriff enthalte gewissennaßen eine immanente Beschränkung auf die erwähnten Instrumente 75 . Eine Entscheidung des Gerichtshofs scheint dieser Auffassung auf den ersten Blick 70 Zuleeg, Der Staat 1978,43. 71 Henckel von Donnersmarck, 50. 72 Für Art. 2 EWGV vgl. Everling. EuR 1976, Sonderheft, 9; zur Präambel vgl. etwa Gericke. 32. 73 GBTE/ Schwartz. Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 119. 74 So etwa Steindorff, Grenzen, 47; GBTE/ Schwartz. Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 81; Everling. EuR 1976, Sonderheft, 11; Gericke, 24; Grabitz / Grabitz. Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 23. 75 In diesem Sinn offenbar Fiedler, 168. der zwar anerkennt. daß die Ziele des Art. 2 EWGV sehr weit gefaßt seien, aber dafür eintritt, unter Art. 235 EWGV nur solche Aktivitäten zu subsumieren, "die zumindest mittelbar die Wirtschaft beeinflussen".
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
recht zu geben 76. In dem Urteil vom 29. September 1987 in der Rs. 126/86 (Zaera)77 stellte er fest, die in Art. 2 EWGV genannten Ziele seien mit dem Bestehen und dem Funktionieren der Gemeinschaft verknüpft, ihre Verwirklichung müsse "das Ergebnis der Errichtung des Gemeinsamen Marktes und der fortschreitenden Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten sein" 78. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß die Entscheidung nicht die Frage der Reichweite der Gemeinschaftskompetenz, sondern die anders gelagerte Frage zum Gegenstand hatte, ob die allgemeinen Ziele des Art. 2 EWGV den Staaten konkrete Rechtspflichten auferlegen bzw. dem einzelnen subjektive Rechte verleihen könnten. Dies lehnte der Gerichtshof mit der oben zitierten Begründung ab. Damit unterstrich er letztlich nur die Eigenart von Zielbestimmungen als Beschreibungen von in der Zukunft erstrebten Zuständen, deren Verwirklichung eben noch aussteht und daher als Ansatzpunkt für gegenwärtige Rechte und Pflichten nicht in Betracht kommt. Weitergehende Schlüsse, insbesondere hinsichtlich der der Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Mittel zur Verwirklichung der Vertragsziele, sind der Entscheidung nicht zu entnehmen.
Everling begründet seine Auffassung, die Ziele im Sinne von Art. 235 EWGV müßten im Lichte der in Art. 2 EWGV genannten zwei Instrumente einschränkend ausgelegt werden, mit einem sprachvergleichenden Argument. Aus dem französischen Vertragstext, der das deutsche Wort ,,ziele" mit "objets", nicht aber mit "objectives" wiedergibt, folgert er, daß Art. 235 EWGV die "Ziele in ihrer durch die Vertragsgegenstände konkretisierten Form" meine 79. Der sprachliche Vergleich dient hier aber offensichtlich nicht als Begründung, sondern zur Absicherung einer vorgefaßten Meinung. Andernfalls hätte Everling die anderen Vertragssprachen heranziehen und feststellen müssen, daß etwa die englische Fassung von "objectives" spricht, obwohl auch im Englischen das Wort "objects" mit einem dem französischen "objets" vergleichbaren Inhalt zur Verfügung stand, daß der italienische Vertragstext von "scopi" spricht, ein Begriff, der mit "Ziele" oder "Zwecke", aber nicht mit "Gegenstände" übersetzt werden kann, und daß der niederländische Begriff "doelstellingen" ebenfalls mit "Zielsetzungen" zu übersetzen ist. Ein Vergleich der Vertragstexte, die alle gleichermaßen verbindlich sind 80 , führt demnach zu keinem eindeutigen Ergebnis. Grabitz meint allerdings, die von Everling vorgenommene Auslegung werde durch die Systematik des Vertrages bestätigt 81 . Art. 235 EWGV sei eine Kompetenznorm und habe als solche die Funktion, der Erfüllung der Aufgaben der Auf diese Entscheidung beruft sich Steindorff, Grenzen, 46 f. 77 Sig. 1987, 3697. 78 Ebd., S. 3715 f. 79 Everling, EuR 1976, Sonderheft, 10; Hervorhebung hinzugefügt; ihm zustimmend Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 22. 80 Grabitz / Schweitzer, Kommentar zum EWGV, Art. 248 Rdnr. 5. 81 Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 23. 76
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts
297
Gemeinschaft zu dienen, wie sie am allgemeinsten in Art. 2 EWGV mit "Errichtung des Gemeinsamen Marktes" und "Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten", konkreter in den Tätigkeitsbereichen des Art. 3 EWGV und in einzelnen anderen Vertragsbestimmungen umschrieben seien. Darauf weise auch die Formulierung von Art. 235 EWGV hin, die Verwirklichung der Ziele müsse "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes" erforderlich sein. Damit sei jedenfalls ausgesagt, daß die Ziele einen Bezug zu den in Art. 2 EWGV allgemein umschriebenen Aufgaben haben müßten 82. Gegen diese Auffassung sind folgende Einwände zu erheben. Indem Grabitz die Funktion von Art. 235 EWGV als Kompetenznorm beschreibt, setzt er schon einen beschränkten Aufgabenbegriff voraus, um dessen Begründung es gerade geht. Außerdem zieht Grabitz zum Beweis seiner Auslegung ein anderes Tatbestandsmerkmal des Art. 235 EWGV heran, nämlich das der Zielverwirklichung "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes" 83. Dies verdeutlicht, daß der Begriff des Gemeinschaftsziels allein für die vorgenommene beschränkende Auslegung offensichtlich nichts hergibt. Wenn Art. 235 EWGV aber die ,,ziele der Gemeinschaft" als selbständiges Tatbestandsmerkmal einsetzt, so sind diese Ziele auch selbständig, d. h. ohne Rückgriff auf andere Tatbestandsmerkmale, zu ermitteln. Demnach ist davon auszugehen, daß der Begriff des Gemeinschaftsziels in Art. 235 EWGV alle Ziele der Gemeinschaft meint, wie sie oben dargestellt wurden. Art. 235 EWGV hebt sich, wie erwähnt, gerade durch seine Bezogenheit auf die Ziele der Gemeinschaft von den übrigen Vertragsbestimmungen ab und stellt insofern - neben der "Errichtung eines Gemeinsamen Marktes" und der "Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten" - gewissermaßen ein weiteres Mittel zur Verwirklichung der Gemeinschaftsziele dar. Die Stellung von Art. 235 EWGV in der Vertragssystematik unterstützt die hier vertretene Auffassung: Als "allgemeine" Bestimmung 84 steht er gleichsam "vor der Klammer". Der Begriff des Gemeinschaftsziels in Art. 235 EWGV kann daher nicht an die in Art. 2 EWGV vorgesehenen Instrumente gebunden werden. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 235 EWGV ist mithin über den Zielbegriff nicht erreichbar. Dafür kommt allenfalls die in Art. 235 EWGV vorgesehene Bindung gemeinschaftlicher Maßnahmen an den "Rahmen des Gemeinsamen Marktes" in Betracht 85. 82 Ebd.; so auch GBTE/ Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 81: Die fünf Hauptziele des Art. 2 EWGV dürften nicht mit Hilfe von Art. 235 EWGV durch Maßnahmen gefördert werden, die sich nicht einem dieser beiden Mittel zurechnen ließen. Das Instrumentarium des Art. 2 EWGV dürfe nicht übersprungen werden. 83 Auch Bleckmann, Europarecht, 207, zieht dieses Tatbestandsmerkmal bereits zur näheren Bestimmung der Gemeinschaftsziele heran. 84 Art. 235 EWGV befindet sich im sechsten Teil "Allgemeine und Schlußbestimmungen" und ist keine Schlußbestimmung. 85 Dazu unten Abschnitt D. III. 3.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich b) Zielsetzung der Gemeinschaft im kulturellen Bereich
Nachdem feststeht, daß Ziele der Gemeinschaft nicht nur in den speziellen Vertragsvorschriften, sondern auch in der Präambel und in Art. 2 EWGV enthalten sind, und daß diese Ziele keinen immanenten Beschränkungen durch Art. 2 EWGV unterliegen, ist noch zu klären, welche vertraglichen Zielsetzungen für eine "flankierende Politik" der Gemeinschaft im kulturellen Bereich nutzbar gemacht werden können. In der Literatur wird zuweilen die Auffassung vertreten, die Vergemeinschaftung der Kultur setze ein neues Ziel voraus, welches im geltenden Gemeinschaftsrecht nicht enthalten sei. Art. 235 EWGV gestatte aber die Aufstellung neuer Ziele nicht 86 • Andere Stimmen in der Literatur ziehen aus der Realität des Gemeinschaftsrechts die eher pragmatische Schlußfolgerung, wenn schon die Vergemeinschaftung des Umweltschutzes möglich gewesen sei, so sei es nur folgerichtig, gleiches für den Bereich der Kultur gelten zu lassen 87. In der Minderzahl befinden sich die Stimmen, die einer Anwendung von Art. 235 EWGV auf kulturelle Sachverhalte eher positiv gegenüberstehen 88 • Im Hinblick auf eine etwaige kulturelle Zielsetzung sind die Präambel und Art. 2 EWGV näher zu untersuchen. In der Präambel kommen vor allem als Ziele in Betracht, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammen schluß der europäischen Völker zu schaffen und die stetige Besserung der Lebensbedingungen anzustreben, welche beide durch ihre weite Fonnulierung die kulturelle Dimension nicht ausschließen 89. In Art. 2 EWGV weist vor allem das Ziel, engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, über den wirtschaftlichen Bereich hinaus und bietet für eine kulturelle Ausgestaltung Raum. Während das Ziel der Verbesserung der Lebensbedingungen die Gestalt eines kulturellen Ziels noch im unklaren läßt - obschon der Begriff der Lebensbedingungen fraglos auch eine kulturelle Dimension aufweist - , läßt sich aus dem Ziel engerer Verbindungen zwischen den Völkern bzw. Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ein kulturelles Ziel mit hinreichender Genauigkeit bestimmen. Danach ist es als Aufgabe und damit Ziel der Gemeinschaft anzusehen, das gegenseitige Kennenlernen der verschiedenen Kulturen zu fördern, etwa durch Austauschprogramme, Förderung der Fremdsprachenkenntnisse oder Förderung des Tourismus. Eine Einebnung der Unterschiede der Kulturen ist von dieser Zielsetzung nicht gedeckt. Denn die gegenwärtige und zukünftige Existenz verschiedener Kulturräume wird vorausgesetzt, genauso wie die Existenz verschiedener europäischer Völker in der Präambel bzw. verschiedener Staaten in Art. 2 EWGV vorausgesetzt wird.
86
207. 87 88
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Vgl. etwa L.-J. Constantinesco, 260; im Ergebnis ebenso Bleckmann, Europarecht, So Tomuschat, F.I.D.E. Reports, 30; Fiedler, 169; de Wüte, Cultural policy, 204. Vgl. etwa Schröder, 55. So auch Magiera, Emergence, 16.
D. Entwicklungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsrechts'
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Eine Absicherung der kulturellen Zielsetzung der Gemeinschaft erfolgte durch die EEA. In deren Präambel verliehen die Vertragsschließenden ihrem Willen Ausdruck, die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten "gemäß der Feierlichen Deklaration von Stuttgart vom 19. Juni 1983 in eine Europäische Union umzuwandeln". Art. 1 EEA setzt der Gemeinschaft ausdrücklich das Ziel, zusammen mit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit "zu konkreten Fortschritten auf dem Wege zur Europäischen Union beizutragen". Damit wurde das Ziel, den Zusammenschluß der europäischen Völker zu erreichen, in rechtlich bindender Weise konkretisiert 90. Die in der Präambel erwähnte Feierliche Deklaration von Stuttgart 91 enthält einen Abschnitt ,,3.3. Die kulturelle Zusammenarbeit", der - wie die Deklaration insgesamt - seit der EEA eine verbindliche Zielbestimmung der Gemeinschaft darstellt92 • Rechtsakte im engeren kulturellen Bereich wurden bislang nur selten aufgrund von Art. 235 EWGV erlassen. Die wenigen Rechtsakte allerdings, die hier genannt werden können, weisen darauf hin, daß die Gemeinschaftsorgane und über den Rat - auch die Mitgliedstaaten dem oben entwickelten kulturellen Gemeinschaftsziel entsprechende Vorstellungen haben. So heißt es in dem Beschluß des Rates vom 16. Juni 1988 über die erste Phase des Aktionsprogramms "Jugend für Europa" zur Förderung des Jugendaustauschs in der Gemeinschaft 93, der Jugendaustausch stelle ein geeignetes Mittel dar, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten besser kennenzulernen 94 . Als habe man sich damit zu weit vorgewagt, wird allerdings hinzugefügt, der Jugendaustausch trage "sOmit zur Ausbildung und zur Vorbereitung Jugendlicher auf das Erwachsenen- und Erwerbsleben bei". Deutlicher ist die Sprache in dem Beschluß des Rates vom 28. Juli 1989 über ein Aktionsprogramm zur Förderung der Fremdsprachenkenntnisse in der Europäischen Gemeinschaft (LINGUA)95. Dort wird der Vorteil besserer Fremdsprachenkenntnisse u. a. dahingehend beschrieben, diese förderten das Verständnis und die Solidarität unter den Völkern, aus denen sich die Gemeinschaft zusammensetzen werde, wobei gleichzeitig die sprachliche Vielfalt und der kulturelle Reichtum Europas erhalten blieben 96 . Daher ist festzustellen, daß im Rahmen der beschriebenen kulturellen Zielsetzung der Gemeinschaft die Entwicklung einer "flankierenden Politik" der Ge90 So auch Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, EEA Rdnr. 12; ders., Integration 1986, 97. 91 BuH. EG 6 - 1983, S. 26 ff. 92 So wohl auch Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, EEA Rdnr. 12, der davon spricht, die Deklaration sei in den Rang einer verbindlichen Zielbestimmung "der europäischen Einigung" erhoben worden. 93 ABI. EG L 158/42. 94 Ebd., neunter Erwägungsgrund. 95 ABI. EG L 239/24. 96 Ebd., achter Erwägungsgrund.
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
meinschaft im kulturellen Bereich - vorbehaltlich einer Prüfung der weiteren Tatbestandsmerkmale des Art. 235 EWGV - in Betracht kommt. Dies leuchtet ein, scheint doch die gegenseitige Durchdringung der europäischen Kulturen für eine "Flankierung" des Integrationsprozesses besonders geeignet zu sein. Die Mitgliedstaaten haben die Notwendigkeit einer Flankierung des Integrationsprozesses durch gemeinschaftliche Maßnahmen im kulturellen Bereich offenbar erkannt und - wenn auch noch zögerlich - mit der Verabschiedung entsprechender, auf Art. 235 EWGV gestützter Rechtsakte begonnen. Zieht man abschließend die Parallele zur Entwicklung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik, so läßt sich nicht behaupten, die gemeinsame Kulturpolitik befinde sich noch im Anfangsstadium. Der Gerichtshof hat den Mitgliedstaaten jüngst das Recht zugestanden, zum Schutz bestimmter kultureller Interessen unter gewissen Voraussetzungen den Grundfreiheiten Schranken zu setzen 97, wie er auch den Umweltschutz als zwingendes Erfordernis anerkannt hatte 98 . Außerdem hat er in dem Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rs. 242/ 87 (ERASMUS)99 die Verwirklichung eines Europas der Bürger zu den allgemeinen Zielen der Gemeinschaft gezählt 100 und dadurch die oben beschriebene kulturelle Zielsetzung der Gemeinschaft in allgemeiner Weise bestätigt, wie er auch den Umweltschutz als (wesentliches) Ziel der Gemeinschaft bezeichnet hatte 101. Die zu erwartende Aufnahme eines ausdrücklichen kulturellen Ziels in den EWG-Vertrag im Wege der Vertrags änderung würde die Parallele zum Bereich des Umweltschutzes vervollständigen.
3. Zielverwirklichung "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes" Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob der Entwicklung einer flankierenden Politik im engeren Kulturbereich aus der Bindung der auf Art. 235 EWGV gestützten Maßnahmen an den "Rahmen des Gemeinsamen Marktes" Hindernisse erwachsen können. Dieses Tatbestandsmerkmal ist immer noch umstritten 102, die Argumente sind im wesentlichen ausgetauscht 103 und neue Argumente für die eine oder andere Ansicht nicht mehr zu erwarten. Hinzu kommt, daß es sich hier in erster Linie um eine wissenschaftliche Kontroverse ohne praktische Relevanz zu handeln scheint. Dennoch soll im folgenden der Versuch einer kurzen Stellungnahme unternommen werden. Dabei wird davon ausgegangen, daß dem Tatbestandsmerkmal "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes" 97 Vgl. Abschnitte B. 11. 2. und 4. a) cc) des zweiten Teils. 98 Vgl. näher Abschnitt D. 11. dieses Teils. 99 Slg. 1989, 1425.
Ebd., S. 1456; zum Begriff "Europa der Bürger" vgl. Niedobitek, 2-7. Vgl. näher Abschnitt D. 11. dieses Teils. 102 Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 54. 103 Vgl. den Überblick zum Meinungsstand von GBTE/ Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 141 ff. 100 101
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eine eigenständige Bedeutung zukommt 104. Wenn Everling das Merkmal für "entbehrlich" hält lOS, so nur deshalb, weil er bereits die "Ziele der Gemeinschaft" in Art. 235 EWGV in einer Weise einschränkend interpretiert, die allenfalls von dem hier behandelten Merkmal geleistet werden könnte. Die umfassende Zielbezogenheit von Art. 235 EWGV, wie sie oben dargestellt wurde, würde eine empfindliche Einbuße erleiden, wären die Gemeinschaftsorgane nach Art. 235 EWGV auf Maßnahmen beschränkt, die die Errichtung des Gemeinsamen Marktes im Sinne von Art. 2 EWGV, insbesondere unter Aussparung des zweiten dort genannten Instruments der Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, zum Gegenstand haben oder sich sogar nur unmittelbar auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken 106. Daher wird in der Literatur vorgeschlagen, in Art. 235 EWGV nicht den Begriff des Gemeinsamen Marktes aus Art. 2 EWGV einzusetzen, sondern hier einen weiteren Begriff zugrunde zu legen 107, insbesondere die Annäherung der Wirtschaftspolitik einzubeziehen, die "bei der Anwendung des Art. 235 EWGV nicht ausgeschlossen sein" könne 108. Die Entwicklung eines von Art. 2 EWGV abweichenden Begriffs des Gemeinsamen Marktes in Art. 235 EWGV ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn anders eine sinnvolle Interpretation des fraglichen Tatbestandsmerkmals unmöglich erscheint. Dies ist indessen nicht der Fall. Die Notwendigkeit, einen erweiterten Begriff des Gemeinsamen Marktes zu bilden, ergibt sich nämlich nur, wenn man die Bindung gemeinschaftlicher Maßnahmen an den "Rahmen des Gemeinsamen Marktes" als gegenständliche Begrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 235 EWG V auffaßt 109. In diesem Fall wären etwa bei enger Betrachtung des "Gemeinsamen Marktes" Maßnahmen zur Koordinierung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftpolitik unzulässig. Gegen diese Auffassung spricht aber, daß dann die Erwähnung der Ziele der Gemeinschaft in Art. 235 EWGV überflüssig gewesen wäre, wie auch Art. 100 EWGV keine Bezugnahme auf die Gemeinschaftsziele enthält. Da aber Art. 235 EWGV die Ziele der Gemeinschaft als Tatbestandsmerkmal nennt, ist davon auszugehen, daß die Zielverwirklichung, nicht aber die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes im Vordergrund der Vorschrift steht 110, daß also Art. 235 So auch Eiden, 110. Everling, EuR 1976, Sonderheft, 11. 106 So Tomuschat, EuR 1976, Sonderheft, 65. 107 So etwa M. Seidel, DVBI. 1989,445: Art. 235 EWGV umfasse die Gesamtaufgaben der Gemeinschaft, insbesondere die Koordinierung der Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik sowie vor allem diejenigen Aktivitäten, die aus Gründen der Flankierung des Integrationsprozesses notwendigerweise von der Gemeinschaft übernommen werden müßten. 108 So Nicolaysen, Europarecht I, 134. 109 Zutreffend Grabitz / Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 EWGV Rdnr. 57. 104
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3. Teil: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts im kulturellen Bereich
EWGV offensichtlich einen anderen Zweck als Art. 100 EWGV verfolgt. Art. 235 EWGV mag - wie Schwartz richtig festgestellt hat - zur Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes beitragen, Zweck dieser Vorschrift ist dies indessen nicht 111 • Eine gegenständliche Beschränkung von Art. 235 EWGV auf Maßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zum Gegenstand haben, kann daher nicht angenommen werden. Die Notwendigkeit einer gegenüber Art. 2 EWGV erweiterten Interpretation des Begriffs des Gemeinsamen Marktes in Art. 235 EWGV besteht nicht. Wenn aber der Begriff des Gemeinsamen Marktes in Art. 235 EWGV dem in Art. 2 EWGV verwendeten gleichzuhalten ist 112 , fragt sich, welche Bedeutung der Wendung "im Rahmen" des Gemeinsamen Marktes zukommt. Da eine gegenständliche Beschränkung auf das mittelbare oder unmittelbare Funktionieren des Gemeinsamen Marktes ausgeschlossen wurde, kann nur angenommen werden, daß diese Wendung allein die Aufgabe hat, Maßnahmen zu verhindern, die die Grundstrukturen und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes stören 113. Andere Vertragssprachen drücken diese Aufgabe deutlicher als der deutsche Vertragstext aus. So heißt es im französischen Text" ... dans le fonctionnement du marche commun ... ", im englischen Text" ... in the course of the operation of the common market ... " und im italienischen Text " ... nel funzionamento deI mercato commune ... ". Auf Art. 235 EWGV gestützte Maßnahmen müssen sich also harmonisch in den vertraglich vorgegebenen Rahmen des Gemeinsamen Marktes einfügen 114. Das Ziel der Errichtung und des guten Funktionierens des Gemeinsamen Marktes beansprucht damit Vorrang vor den anderen Gemeinschaftszielen. Die Formel "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes" hat daher letztlich allein die Funktion, für den Anwendungsbereich von Art. 235 EWGV eine Rangfolge der Gemeinschaftsziele festzulegen und den Gemeinschaftsorganen die Beachtung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes gewissermaßen als bei jeglicher Zielverfolgung mitzubedenkende Querschnittsaufgabe zu überantworten. Nach alledem lassen sich aus der Bindung der Zielverwirklichung an den "Rahmen des Gemeinsamen Marktes" für die Verwirklichung einer flankierenden Politik im engeren Kulturbereich keine nennenswerten Hindernisse ableiten. Verboten sind lediglich Maßnahmen, die eine Rückentwicklung des Gemeinsamen Marktes zur Folge haben würden 115. 110 So auch Böhm, 111; a. A. Henckel von Donnersmarck, 43: Angelpunkt des Art. 235 EWGV sei die Formel "im Rahmen des Gemeinsamen Marktes". 111 GBTE / Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 156. 112 So auch GBTE/ Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 149. 113 So etwa auch Magiera, GS Geck, 519; GBTE / Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 161; Grabitz/Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 62;
Gericke, 43. 114 115
So auch GBTE / Schwartz, Kommentar zum EWGV, Art. 235 Rdnr. 158. Vgl. Magiera, GS Geck, 519.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen 1. Gemeinschaftliche Aktivitäten im kulturellen Bereich lassen sich schon früh nachweisen, nehmen jedoch in allen drei Sektoren des kulturellen Bereichs etwa seit Beginn der achtziger Jahre erkennbar zu (1. Teil, A. 11. / 111.; B. 11. / I1I.; C. 11. / I1I.). 2. Vor allem auf Ratsebene zeichnet sich die gemeinschaftliche Tätigkeit im kulturellen Bereich durch einen großen Variationsreichtum aus. Urheber sind die Minister als Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ohne (1. Teil, C. III. 1. a.) und unter Bezugnahme auf ihr Zusammentreten im Rat (1. Teil, A. 11. 1. a.; C. III. 1. b.), weiterhin - in "gemischter" Form - als Rat und im Rat vereinigte Regierungsvertreter gemeinsam (etwa 1. Teil, A. III. 1. a.; C. III. 1. c.) und schließlich als Gemeinschaftsorgan Rat allein (etwa 1. Teil, A. III. 1. b.; B. 11. 1. b.; C. III. 1. d.). Als Urheber einer Handlung auf Ratsebene ist stets die Instanz anzusehen, die im Titel des jeweiligen Aktes als Urheber ausgewiesen ist (3. Teil, C. III. 1. b.). Im Fall der "gemischten" Entschließungen muß der Inhalt des Aktes grundsätzlich sowohl dem Rat als auch den im Rat vereinigten Ministern vollständig zugerechnet werden (3. Teil, C. III. 4. a.). Die Vielfalt der Urheber, insbesondere die "gemischte Formel", ist Ausdruck der im kulturellen Bereich bestehenden Unklarheiten über die Kompetenz der Gemeinschaft. 3. Nicht nur hinsichtlich der auf Ratsebene auftretenden Urheber gemeinschaftlicher Aktivitäten, auch hinsichtlich der Handlungsformen ist eine große Vielfalt feststellbar. Neben verbindlichen Rechtsakten der in Art. 189 EWGV genannten Art sind insbesondere "Entschließungen" zu verzeichnen, deren rechtliche Qualifikation Probleme aufwirft. Allgemeine Regeln lassen sich insofern nicht aufstellen; stets ist die Auslegung jeder einzelnen Entschließung erforderlich, um die Frage zu beantworten, ob ihr überhaupt Verbindlichkeit zukommt und wenn ja, ob diese Verbindlichkeit rechtlicher Art ist (3. Teil, C. 11. 1. / 2.). 4. Die Frage der rechtlichen Wirksamkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane ist grundsätzlich von der Frage ihrer Rechtmäßigkeit zu trennen: Die rechtliche Wirksamkeit ist Zulässigkeitsvoraussetzung der gegen eine Handlung gerichteten Klage, während die Frage der Rechtmäßigkeit der Handlung über die Begründetheit der Klage entscheidet (3. Teil, C. 11. 2. c.). 5. Das Gemeinschaftsrecht enthält keine Bereichsausnahme hinsichtlich des kulturellen Bereichs (3. Teil, A. I. 2. c.).
304
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen
6. Die Kompetenzen der Gemeinschaft sind überwiegend funktional ausgestaltet, d. h. nicht an bestimmte Sachbereiche gebunden. Das "Hineinwirken" in mitgliedstaatliche, nach Sachkriterien gegliederte Kompetenzbereiche ist notwendige Folge der vertragsgemäßen Kompetenzwahrnehmung durch die Gemeinschaftsorgane. Auswirkungen der Kompetenzwahrnehmung in den Sachbereichen mitgliedstaatlicher Kompetenz, etwa im kulturellen Bereich, sind daher nicht zu beanstanden (3. Teil, A. I. 2. c.). 7. Die Gemeinschaftsorgane handeln im kulturellen Bereich wie auch sonst aufgrund der ihnen vertraglich zugewiesenen Befugnisse. Dieser Umstand rechtfertigt nicht die Annahme, dem Gemeinschaftsrecht liege ein "Prinzip" zugrunde, welches die Befugnisse der Gemeinschaftsorgane einschränken könne. Der Umfang der Befugnisse ergibt sich allein aus der Auslegung der einzelnen Vertragsvorschriften (3. Teil, A. I. 3.). 8. Bei der Wahrnehmung gemeinschaftlicher Kompetenzen im kulturellen Bereich sind die Gemeinschaftsorgane nicht an eine ausschließlich wirtschaftliche Betrachtungsweise gebunden, sondern berechtigt und verpflichtet, die kulturelle Dimension des jeweiligen Sachverhalts zu berücksichtigen (3. Teil, A. 11. 2.). Es verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, die Behandlung der dabei auftretenden Fragen in einen kulturpolitischen Rahmen einzuordnen. Auch ist es unbedenklich, wenn die Gemeinschaftsorgane von ihren Befugnissen vorrangig aus kulturpolitischen Gründen Gebrauch machen (3. Teil, A. 11. 3.). 9. Die Kompetenzausübung durch die Gemeinschaftsorgane ist im kulturellen Bereich wie in allen anderen Bereichen an die Grundrechte des Gemeinschaftsrechts gebunden (3. Teil, A. III. 2.). Außerdem sind die Gemeinschaftsorgane verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Befugnisse die völkerrechtlichen Bindungen der Gemeinschaft zu beachten (3. Teil, A. III. 4.). 10. Dagegen obliegt den Gemeinschaftsorganen keine Pflicht, bei der Kompetenzausübung auf den mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich Rücksicht zu nehmen: Nicht zu erwarten ist, daß der Gerichtshof den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Frage der Kompetenzabgrenzung auf das Verhältnis EG / Mitgliedstaaten anwenden wird (3. Teil, A. III. 3. c. aa.). Gleiches gilt für den Grundsatz der Gemeinschaftstreue (3. Teil, A. III. 3. c. bb.). Auch das Subsidiaritätsprinzip stellt im geltenden Gemeinschaftsrecht keine zugunsten der Mitgliedstaaten zu berücksichtigende Schranke der Kompetenzausübung dar. Weder hat es in Art. 130 r Abs. 4 EWGV eine besondere Ausprägung erfahren, noch liegt es dem Gemeinschaftsrecht allgemein zugrunde (3. Teil, A. III. 3. c. cc.). 11. Der einzelstaatliche Handlungsspielraum für die Gestaltung einer Kulturpolitik wird vor allem durch das allgemeine Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und durch die vertraglichen Grundfreiheiten
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Thesen
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beschränkt. Das Erfordernis inländischer Staatsangehörigkeit kann im Einzelfall bei Maßnahmen gerechtfertigt sein, die der staatlichen Selbstdarstellung dienen, nicht jedoch bei Maßnahmen, die die Repräsentation des nationalen Kulturraums betreffen (3. Teil, B. 11. 2. b. aa.). Nicht offensichtlich auf die Staatsangehörigkeit abstellende, aber das gleiche Ergebnis bewirkende Maßnahmen der Mitgliedstaaten können im Einzelfall zulässig sein, wenn sie durch einen objektiven Grund, etwa in Form der Repräsentation des nationalen Kulturraums, gerechtfertigt sind (3. Teil, B. 11. 2. b. bb.). Darüber hinaus gestattet das Gemeinschaftsrecht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter bestimmten Voraussetzungen Beschränkungen der vertraglichen Grundfreiheiten durch unterschiedslos anwendbare Regelungen, die auf kulturpolitischen Gründen beruhen. Dabei läßt der Gerichtshof allerdings nicht die allgemeine Behauptung eines Mitgliedstaats ausreichen, eine nationale Regelung sei aus kulturpolitischen Gründen erforderlich. Vielmehr ermittelt der Gerichtshof das dahinter stehende konkrete Interesse und prüft umfassend die Verhältnismäßigkeit der nationalen Regelung (3. Teil, B. 11. 3. b.). 12. Art. 235 EWGV kommt als Grundlage einer "flankierenden Politik" der Gemeinschaft im kulturellen Bereich in Betracht. Die in Art. 235 EWGV genannten Ziele sind nicht auf den wirtschaftlichen Bereich beschränkt, umfassen vielmehr auch das Ziel kulturellen Austauschs und gegenseitigen Kennenlernens der europäischen Kulturen (3. Teil, D. II1.).
20 Niedobitek
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Sachregister (Kursive Zahlen verweisen auf HauptfundsteIlen.) Abgestimmte Verhaltensweisen siehe Verhaltensweisen Akte betr. den Beitritt neuer MS 262 f. Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich (siehe auch Politik im engeren Kulturbereich) 59 f., 68 f. - Ausgangspunkt 60 Aktionsprogramm - auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technologie 45 - für das Europäische Jahr des Fremdenverkehrs 66 - für die Berufsbildung Jugendlicher 35, 124, 126 f. - im Bildungsbereich 26 f., 39 - ,,Jugend für Europa" 124, 299 - sozialpolitisches 268 - zur Förderung der beruflichen Weiterbildung 36 Alimentationsprinzip 78 Allgemeinbildender Unterricht siehe Anwendungsbereich Allgemeinbildung, Praxis auf Gemeinschaftsebene (siehe auch Schulbildung) 28 f. Allgemeininteresse, Rechtfertigung nat. Maßnahmen 147 f., 159 ff., 162 f., 249 ff. - Aufwertung historischer Reichtümer 147,251 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke siehe Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - kulturpolitische Gründe 148, 161 f., 250ff· - nicht-kommerzieller Charakter des Rundfunks 161 - Umweltschutz 289 - Verbot der Rundfunkwerbung 160
- Verhältnis zu Art. 56 EWGV 160 Allzuständigkeit 191 Amtsblatt der EG 265, 272, 280 f. Anerkennung - beruflicher Befähigungsnachweise 29, 38 f., 41 f. - von Diplomen und Studienzeiten, akademische 37, 42 Anhörung des Europäischen Parlaments 124 Ansässigkeit des Leistungsempfängers 147,154, I55J.. 157 Anwendungsbereich des EWG-Vertrages 103f., 112ff. - allgemeinbildender Unterricht 116 - Einbeziehung einer Materie 115 - Konkretisierung seines Umfangs 270 f. - persönlicher 103 f., 113 f., 123 - sachlicher 103, 113 f. - Zugang zum öffentlichen Bildungswesen 113 ff. Arbeitnehmer - Architekten als 173 - Begriff 76, 93 ff. - Bildungsrechte der 89 ff. - gemeinschaftsrechtliche Begriffsbildung 76, 79, 93 f. - und Beamtenstatus 78 Arbeitnehmerfreizügigkeit (siehe auch Grundfreiheiten ) - Bildungsrechte aus der Inanspruchnahme 89 ff. - Hindernisse für die Inanspruchnahme 87,89,98 f., 101 f. - im öffentlichen Bildungswesen 75 ff. - Parallele zur Niederlassungsfreiheit 105 Architekten, Freizügigkeit für 173 f. Art. 2 EWGV siehe Wirtschaftsleben und Ziele
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Sachregister
Art. 5 EWGV - Grundlage der Gemeinschaftstreue 230 - Konkretisierung mitgliedstaatlicher Pflichten 181,241, 267, 274 Art. 7 EWGV (siehe auch Diskriminierungsverbot) - Abs. 1 siehe Anwendungsbereich - Abs. 2 als Rechtsgrundlage 121 f. Art. 30 EWGV - Anwendung auf kulturelle Güter 138 ff. - Auswirkungen auf Kulturpolitik der MS 141 ff. - Grundsätze 137 f. Art. 36 EWGV 58, 135 f., 143 ff., 159, 248f. - enge Auslegung 136, 248 - weite Auslegung 144, 159, 162, 184 Art. 48 Abs. 4 siehe Beschäftigung Art. 56 EWGV 158 Art. 57 EWGV 167 f. Art. 128 EWGV - Anwendungspraxis 37, 125 ff. - Auslegung (siehe auch Berufsausbildung[spolitikJ) 115 ff., 126Jf., 271 Art. 189 EWGV 252, 259, 261 Art. 235 EWGV 168 - Anwendungsbereich 294 ff. - Anwendungspraxis 36 f., 46, 49, 121 f., 126 f., 266, 286 ff., 299 f. - Rechtsgrundlage flankierender Politiken 289 ff. - subsidiäre Anwendbarkeit 121, 127 - Vertragssystematik 200 f. - Zielbezogenheit 201, 297 - Ziele im Sinne von 290 f., 294 ff. Aufenthaltsrecht - für alle Gemeinschaftsbürger 151 f. - für Studenten 38, 120 ff. - für Touristen siehe Touristen Aufgaben der Gemeinschaft 190 ff., 194 - und Ziele 192, 260 - wesentliche 288 Ausbildungsförderung - als "Bildungssubvention" 118 - als soziale Vergünstigung 91 f., 94 f. - Art. 12 VO 1612/68 90, 97 Jf. - G1eichbehandlung aller Gemeinschaftsbürger 118 ff.
Ausfuhr von Kunstgegenständen, Behinderung siehe Kunstgegenstände Auslegung des Gemeinschaftsrechts - Analogie 235 - Bedeutung von Protokollerklärungen 166 f. - bei Ausnahmevorschriften 200, 248 - durch den EuGH 204 f. - dynamische 206 - effet utile 132, 205 - Einfluß des Völkerrechts 200 - grundrechtskonforme 220 f. - implied powers 260 - kompetenzbeschränkende 200 - Präambel zum EWGV als Auslegungsmittel 294 - teleologische 97, 204 - Umkehrschluß 235 - wertende Rechtsvergleichung 217, 219 - Wortlaut 167,204 Ausnahmen siehe Grundfreiheiten, Bereichsausnahme, Auslegung Ausschuß - für den Fremdenverkehr 65 f. - für kulturelle Aktivitäten 69 - für Kulturfragen 64 Ausübung - öffentlicher Gewalt 85 f. - selbständiger Erwerbstätigkeit 175 Außenkompetenz 204 Beamtenstatus - Alimentationsprinzip 78 - Staatsangehörigkeitserfordemis 83 - und Angestelltenverhältnis 83 f. Begriffsbildung, gemeinschaftsrechtliche 76, 78, 85 f., 90, 93 f., 116 - Vermutung für 79 Bereichsausnahme im kulturellen Bereich 195, 197,221 Berufsausbildung - Abgrenzung zur Allgemeinbildung 117 - Befugnisse der Gemeinschaft 127 ff. - Begriffgem.Art.128EWGV91,116ff· - Zugang zur 113 Berufsausbildungspolitik, gemeinsame - Aufstellung allg. Grundsätze 127 Jf., 130 ff. - Befugnis zur Durchführung 127 ff.
Sachregister - Beschluß des Rates 27 f., 125, 131 - Mitwirkungspflichten der MS 125, 131 f. - schrittweise Entwicklung 113, 131,271 Berufsbildung - Praxis auf Gemeinschaftsebene 27 f., 30, 31, 34 ff., 40 f. - Programme der Gemeinschaft 124 ff. Berufsschulen 90 f. Berufssportler, Freizügigkeit für 170 ff. Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung 78 ff. - alternative / kumulative Voraussetzungen 80 f. - Begriff 79 ff. - funktionale / institutionelle Begriffsbildung 79 f. - gemeinschaftsrechtliche Begriffsbildung 78 f. - Zuordnung einzelner Stellen 81 f., 82 f. Beschluß, Handlungsform des Rates 125 Beschlußfassung, "gemischte" 27, 32 ff., 34, 45, 63 f., 275 ff - Kritik des Europäischen Parlaments 31 f. Beschränkungsverbot - Dienstleistungsfreiheit als 157 f., 249 - Warenverkehrsfreiheit als 249 Bestimmungen, unterschiedslos anwendbare 138 ff., 143, 158, 162 f. - gleich bzw. ungleich belastende 143 - produkt- bzw. marktbezogene 142 f. Bezeichnung einer Organhandlung 165, 256, 261 Bildung im allgemeinen, Praxis auf Gemeinschaftsebene 34, 39 Bildungsbereich - Anfänge gemeinschaftlicher Tätigkeit 25 ff. - Begriff 24, 43 - Praxis auf Gemeinschaftsebene 24 ff. - Programme der Gemeinschaft 124 ff. - umfassender Ansatz 30 f., 39, 43 - Verbandskompetenz der Gemeinschaft 31 - Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit 32 ff. - Vertragsvorschriften 24 f., 285
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Bildungsminister der MS, Zusammentreffen - erstmaliges 25 - regelmäßiges 27 Bildungspolitik der MS 76 Bildungsrechte - für alle Gemeinschaftsbürger 106 ff. - für selbständig Erwerbstätige und ihre Angehörigen 105 f. - für Wanderarbeitnehmer und ihre Angehörigen 89 ff. Bildungswesen, nationales - als Teil der nat. Kultur 24 - Aufgabe 109 ff. - Finanzierung 109 ff. - Teilnahme am Unterricht siehe Teilnahme - und passive Dienstleistungsfreiheit siehe Dienstleistungsfreiheit Bindungswille - allgemein 254 - rechtlicher 255, 261, 265 BRITE/EURAM-Programm 53 Bücher - Berücksichtigung ihrer Besonderheiten 179 f. - Förderung auf Gemeinschaftsebene 64, 71 - Preisbindung siehe Preisbindung Bundesstaatsprinzip siehe Kompetenzausübung COMETT-Programm 36 f., 124 f., 127 contractum ad contrahendum 131 COST 45, 54 f. Demokratieprinzip 283 Dienstleistungen - Begriff 108 ff., 149 - Entgegennahme beim Erbringer siehe Dienstleistungsfreiheit, passive - Erfordernis der Grenzüberschreitung 146 f., 154, 155 f. - Erfordernis einer Leistungsbeziehung siehe Leistungsbeziehung - grenzüberschreitende Fernsehsendungen 152 ff. - öffentliche Bildungsangebote 108 ff. - Werbemitteilungen 154
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Sachregister
Dienstleistungsfreiheit (siehe auch Grundfreiheiten) - als Beschränkungsverbot siehe Beschränkungsverbot - Begünstigte 106 ff., 146 - im engeren Kulturbereich siehe Kulturbereich - Inanspruchnahme von Dienstleistungen 150 - passive 106 Jf., 146, 148 - Begriff 106 - und öffentliches Bildungswesen 108 ff. - und grenzüberschreitendes Fernsehen 152 ff. - und Urheberrecht 159 - Zielsetzung 147, 150 - Zulässigkeit von Beschränkungen 157 ff., 163 Dienstleistungsverkehr, Arten 145 f. Diskriminierungen 83, 143 - mittelbare (versteckte, materielle) 83, 85, 157 f., 242, 245 Jf., 249 f. - umgekehrte 100, 139 - und gerechtfertigte Differenzierungen 171, 242f, 244, 246 - unmittelbare (offene, formale) 85, 138, 157 f., 242, 243 Jf. Diskriminierungsverbot - als Schranke nat. Kulturpolitik 241, 242Jf. - Beschränkung seines Geltungsbereichs 171 f. - im Bildungsbereich 112 ff. - im Kartellrecht 177, 183 - Konkretisierung durch spezielle Vertragsvorschriften 170, 247 Dynamik - des Gemeinschaftsrechts 202 Jf. , 237, 294 - gemeinschaftlicher Rechtsetzung 203 f. - staatlicher Integration 202 effet utile siehe Auslegung EG-Beamte als Arbeitnehmer 104 Ehegatte eines Arbeitnehmers, Bildungsrechte 10 1 ff. Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts 216 f., 225 Empfangerhorizont 255
Empfehlungen 259 f. EMRK - Bindung der EG 217 f. - Rechtserkenntnisquelle 217 ff. Entgelt gern. Art. 60 EWGV 154 - Begriff 109 - Erfordernis der Grenzüberschreitung 155 - Finanzierung aus Steuermitteln 157 - "in der Regel gegen ... " 109, 112 - öffentlich-rechtliche Gebühren 156 - Wesen 109, 156 - Zahlung durch Dritte 155 f. Entschließung über F + E-Rahmenprogramme 51, 266 Entschließungen - auf Ratsebene 252, 261 Jf. - rechtliche Bedeutung 261 - Urheber 263 f. - der Regierungsvertreter - Kompetenzbereich 271 - Merkmale 272 - Rechtsprechung des EuGH 272 ff. - Rechtswirkungen 274 - Urheber 272 - des Europäischen Parlaments - Arten 282 - Rolle im Rechtsetzungsverfahren 284 - des Rates 264 ff. - Kompetenzbereich 264 - Merkmale 265 f. - Rechtsprechung des EuGH 266 ff. - Rechtswirkungen 266 f., 269 Jf. - Rolle im Rechtsetzungsverfahren 269 f. - des Rates und der Regierungsvertreter - Kompetenzbereich 275 - Merkmale 276 - Rechtsprechung des EuGH 276 - Rechtswirkungen 276 f. - Urheber 275 Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts (siehe auch Gemeinschaftsrecht, schrittweise Entwicklung) 118, 120, 129, 205, 222 - Einschätzungsvorrang des Gerichtshofs 120 EPOCH-Programm 53 ERASMUS-Programm 37, 124 ff. Erforderlichkeit
Sachregister - gern. Art. 49 EWGV 101 - Merkmal der Verhältnismäßigkeit 148, 219 Erleichterung der Ausübung selbständiger Tätigkeiten 167 f. Ermessen - bei der Rechtsetzung 228 - im Rahmen gemeinsamer Politiken siehe Politik - rechtmäßige Ausübung 211 Erwerbszweck gern. Art. 52 EWGV 84, 109 ESPRIT-Programm 52 EURATOM-Forschung 47, 50 EURATOM-Krise 45, 48 EUREKA 55 Europa der Bürger 66, 300 Europa der Forscher 53 Europäische Schulen siehe Schulen Europäisches Parlament - Bildungsbereich, Aktivitäten 31 f., 42 f. - engerer Kulturbereich, Aktivitäten 60 f., 73f. - Wissenschaftsbereich, Aktivitäten 49 f., 56 f. EUROTECNET-Programm 36 f., 124 Familienangehörige - von Arbeitnehmern, Bildungsrechte 97 ff. - von selbständig Erwerbstätigen, Bildungsrechte 105 f. FAST-Programm 54 Fernsehanstalten - Unternehmen im Sinne des Kartellrechts 177 - wettbewerbsrechtliche Stellung 176 ff. - Zulässigkeit von Monopolen 177 f. Fernsehen, hochauflösendes 66 Fernsehrichtlinie 67, 162 ff., 208, 222, 237 - GATI-Konformität 240 - nato Programmvorschriften siehe Programmvorschriften - Notwendigkeit 162 - Recht des Sendestaats siehe Sendestaat - und Urheberrecht 68, 72, 163 - Vorgeschichte 70, 162 Fernsehsendungen - als Dienstleistungen 152 ff. 22 Niedobitek
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- und EWG-Vertrag 152 f. - Zulässigkeit von Beschränkungen 157 ff. "Festung Europa" 237 Filme, Vermarktungsbeschränkung für siehe Videokassetten Filmförderung, nationale - offene Diskriminierung 243 ff. - versteckte Diskriminierung 245 ff. - wirtschaftliche Bedeutung 244 Filmproduktion, Schutz nationaler 141 Finanzielle Förderung im Kulturbereich siehe Förderung Finanzierung gemeinschaftlicher Maßnahmen 125 Finanzierungskompetenz 132 flankierende Politik siehe Politik Föderalismus siehe Kompetenzausübung FORCE-Programm 36, 124 Förderung im engeren Kulturbereich, finanzielle 72 f., 240, 285 Form einer Organhandlung 256 Forschungs- und Technologiepolitik (siehe auch Wissenschaftsbereich) - Eigenständigkeit 46 - inhaltliche Grundlage 45 - rechtliche Grundlage 47 - umfassender Ansatz 46, 49 f., 55 ff. Forschungsminister der MS 44 Forschungsprogramme 46 - Rahmenprogramme 50 ff., 55 - spezifische Programme 52 ff. Forschungsraum, europäischer 57 Fortwirkung von Arbeitnehmerrechten 94 ff. Frauen, Fördermaßnahmen im Bildungsbereich 40 Freie Berufe 84, 173 Freizügigkeit - Begriff - allgemeiner Sprachgebrauch 107, 146, 148 - im Sinne des EWGV 75, 105, 169 - Bildungsrechte aus der Inanspruchnahme 87 ff. - für Architekten siehe Architekten - für Berufssportler siehe Berufssportler - für Fremdenführer siehe Fremdenführer - für Kunstmaler siehe Kunstmaler
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Sachregister
- für Touristen siehe Touristen - im Bildungsbereich 75 ff. - im engeren Kulturbereich 169 ff. - Zweck 87 Fremdenführer, Freizügigkeit für 146 ff. Fremdenverkehr, Praxis auf Gemeinschaftsebene 65 f., 71 Fremdsprachenkenntnisse, Fördermaßnahmen 36, 298 Fremdsprachenlektoren - als Arbeitnehmer 77 - Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung 82 - Diskriminierungsverbot 83 GATT 238 ff. - Bindung der Gemeinschaft 238 - Meistbegünstigung 240 - und Fernsehrichtlinie siehe Fernsehrichtlinie - Ziel 239 Ge- und Verbotsnormen 194, 196,241 Gegenseitigkeitsabkommen 174 Gemeinsame Forschungsstelle 45 ff., 50 - Forschungsprogramme 54 Gemeinsame Kernforschungsstelle siehe Gemeinsame Forschungsstelle Gemeinsame Politik siehe Politik Gemeinsamer Markt siehe Markt Gemeinsamer Zolltarif siehe Zolltarif, Gemeinsamer Gemeinschaftsinteresse 210 f. Gemeinschaftsrecht - Anwendung auf kulturelle Sachverhalte 153,169 f., 175 f., 198,201,207 - Begriff 273 - primäres / sekundäres 107, 114, 151 - schrittweise Entwicklung 113, 115, 131, 205 Gemeinschaftstreue siehe Kompetenzausübung "Gemischte" Beschlußfassung siehe Beschlußfassung, "gemischte" Genomanalyse, Forschungsprogramm 53 Gerichtshof der EG, Kompetenz 254 f., 273 Gewinnerzielungsabsicht 84, 109 f. Globalabtretung von Urheberrechten siehe Verwertungsgesellschaften
Globalzugang zum Gesamtrepertoire siehe Verwertungsgesellschaften Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen" 70, 110 Gründe, zwingende, Rechtfertigung nationaler Maßnahmen 138 f., 141 f. - Regelung von Arbeits- und Verkaufszeiten 142 - Schutz des Buches als Kulturträger 139 - Umweltschutz 289 - Unterstützung der Filmproduktion 140 f. Grundfreiheiten - als Beschränkungsverbote 249 f. - als Diskriminierungsverbote 247 f. - als Schranken nat. Kulturpolitik 141 ff., 241,247 ff.
- Ausnahmen von vertraglichen 134, 152 f. Grundrechte im Gemeinschaftsrecht 214 ff. - als Abwehrrechte 214 - Bedeutung im kulturellen Bereich 214 f. - Entwicklung 215 ff. - Glaubens- / Bekenntnisfreiheit 221 - internationale Verträge 217 f., 222 - Maximalstandard 216 f. - Meinungsfreiheit 161 - rein wirtschaftliche 221 - Rechtsprechung des BVerfG 218 f. - Religionsfreiheit 221 - Rundfunkfreiheit 222 - Schranken der 219 f. - Verfassungstraditionen der MS 217 f., 222 - Wesensgehalt der 219 f. Grundsatz der "begrenzten Einzelermächtigung" 191, J 99 ff. - Bedeutung für Organhandlungen 258 f. - formale Bedeutung 199, 201 - materielle Bedeutung 200 - Synonyma 199 Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, allgemeine 216, 220, 228 Güter, kulturelle - Begriff 133 - Doppelnatur 71, 207 - und Zollunion 135 ff. - Warenverkehrsfreiheit für 133 ff.
Sachregister - wirtschaftliche Bedeutung 133 Haager Entschließung 267, 269 Haftung der Gemeinschaft 268 Handel - Begriff 176 - zwischen MS 180 Handelsbeeinträchtigung, Spürbarkeit 182 Handelsbeschränkungen 138 f., 141 Handelsfreiheit, völkerrecht!. Grundsatz 236 f., 238 ff. Handlungen der Organe - rechtlicher Charakter 254 ff., 266 - Rechtmäßigkeit 258 ff. - Verbindlichkeit 253 J, 266 Handlungsforrnen, rechtliche Bedeutung 252 ff. Haushaltsverfahren, Verhältnis zum Rechtsetzungsverfahren 132 f. Hauslehrer, Niederlassungsrecht 85 Hochauflösendes Fernsehen siehe Fernsehen Hochschulnetz, Europäisches 37, 125 Hochschulstudium als Berufsausbildung 117 Identität, nationale 244 f. implied powers siehe Auslegung Industriepolitik 240 Inhalt einer Organhandlung 256 Initiativmonopol siehe Kommission Integration - im Aufnahmestaat 98 ff. - positive / negative 119 f. Jugend für Europa, Austauschprogramm 65 Jugendliche, Förder- bzw. Austauschmaßnahmen 33 ff., 65 Kartellrecht - Anwendbarkeit auf Fernsehanstalten siehe Fernsehanstalten - Spürbarkeit von Handelsbeeinträchtigungen siehe Handelsbeeinträchtigung - staatliche Eingriffe in den Wettbewerb 180 f. - und Globalabtretung von Urheberrechten siehe Verwertungsgesellschaften 22*
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- und Globalzugang zum Gesamtrepertoire siehe Verwertungsgesellschaften - und Preisbindung von Büchern siehe Preisbindung - und Pressevertriebssysteme siehe Pressevertriebssysteme - und urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften 185 ff. - und Wahrnehmung von Urheberrechten 183 ff. - Unternehmen 177 Kind eines Wanderarbeitnehmers - Eigenschaft als 98 - Rechte im Bildungsbereich 28 f., 97 ff. Kommission - Bildungsbereich, Aktivitäten 30 f., 39 ff. - Empfehlungsbefugnis 259 - Initiativmonopol 259, 270, 279, 284 - Kulturbereich, engerer, Aktivitäten 59 f., 68 ff. - Mitteilungen siehe Mitteilungen - Vorschläge 269 f., 279 - Wissenschaftsbereich, Aktivitäten 47 ff., 54 ff. Kompetenz, Begriff 189 f., 194 Kompetenzausübung im kulturellen Bereich - Behandlung kultureller Besonderheiten 207 ff. - Schranken 213 ff. - Bundesstaatsprinzip 225 - Gemeinschaftstreue 229 ff. - Grundrechte 214 ff. - Grundsatz des Föderalismus 225 - Kompetenzbereich der MS 223 ff. - Subsidiaritätsprinzip 231 ff. - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 226 ff. - Völkerrecht 236 ff. Kompetenzausübungsschranke 214 Kompetenzausweitung 189 Kompetenzbegrenzung - aus der Bezeichnung als "Wirtschaftsgemeinschaft" 134, 188 f., 195, 197 - Bemühungen der MS 189 - durch Schwerpunktbildung 197, 223 Kompetenzen siehe Organkompetenz und Verbandskompetenz Kompetenznorrnen, negative 214
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Sachregister
Kompetenzverteilung - zwischen Bund und Ländern 192 f., 196, 223 - zwischen Gemeinschaft und MS - allgemein 191 ff. - im Bereich der Bildungspolitik 118 f. - im Bereich der Sozialpolitik 118 f. - im kulturellen Bereich, Grundsätze 188 ff. Konkurrenz, kumulative 203 Kontinuität zwischen Beruf und Studium siehe Fortwirkung von Arbeitnehmerrechten Kultur - Begriff 21 f., 57 f., 141, 195, 214 - Pflege der nationalen 246 f. Kulturaustausch 298 Kulturbereich, engerer - Aktion der Gemeinschaft siehe Aktion - Anfange gemeinschaftlicher Tätigkeit 59 ff. - Begriff 57 f., 60, 169 - Dienstleistungsfreiheit im 145 ff. - Entschließungen, Beteiligung des Rates 64 - Freizügigkeit im 169 ff. - Politik auf Gemeinschaftsebene siehe Politik - Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit 62 ff. - Vertragsvorschriften 58 - Warenverkehrsfreiheit im 133 ff. - Wettbewerbsrecht im siehe Wettbewerbsrecht Kulturelle Besonderheiten, Behandlung auf Gemeinschaftsebene siehe Kompetenzausübung Kulturelle Güter siehe Güter, kulturelle Kulturgut - europäisches 60, 249 - nationales gern. Art. 36 EWGV 58,135, 248f Kulturhoheit - der Bundesländer 224 - der EG 22
Kulturpolitik - Begriff 141, 189 - der Gemeinschaft 188,210, 212f - der Kommission 60 - der MS 141, 161 f. - als rechtfertigendes Allgemeininteresse siehe Allgemeininteresse - gemeinschaftsrechtliche Vorgaben 240 ff. - Zuständigkeit 241, 251 Kunstdozentin - als Arbeitnehmer 77 - Erfordernis von Sprachkenntnissen 83 Kunstgegenstände - Begriff im Sinne des Gern. Zolltarifs 137 - Behinderung der Ausfuhr 134 ff. - Zollfreiheit 136 f. - zollrechtliche Bedeutung des Kunstwertes 137 Kunstmaler, Freizügigkeit für 175 Legitimation der EG 191,215,221 Lehrer - als Arbeitnehmer 77 f. - als Beamte 77, 83 - als Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung 82 f. Lehrkräfte - als Arbeitnehmer 75 ff. - als Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung 82 f. Leistungsbeziehung, Merkmal der Dienstleistung 154 f. - Verhältnis zur Entgeltbeziehung 155 f. Leistungsempfänger, Begünstigte der Dienstleistungsfreiheit 106 ff., 146 f. LINGUA-Programm 36, 124, 299 Markt, Gemeinsamer 295 f. - Begriff 301 f. - im Rahmen des (Art. 235 EWGV) 297, 300 ff. Marktbeherrschende Stellung siehe Stellung Maximalstandard siehe Grundrechte MEDIA-Programm 67 f., 240
Sachregister Medizin und Gesundheitswesen, Forschungsprogramm 53 Mißbrauch - der Dienstleistungsfreiheit 151 - von Arbeitnehmerrechten 94 f. Mitteilungen der Kommission - Arten 277 f. - Handlungsform im kulturellen Bereich 277 ff. - Instrument zur Erschließung neuer Politikfelder 47,54 f., 68 f., 278 - Rechtswirkung 279 ff. - Rolle im Rechtsetzungsverfahren 279 Mittel- und Osteuropa, Unterstützungsmaßnahmen 38 Mobilität im Hochschulbereich, Praxis auf Gemeinschaftsebene 37 f. MONITOR-Programm 54 Monopole, kartellrechtliche Zulässigkeit 177 f. - gesetzliche 178 Nationalmannschaften - offene Diskriminierung 243 ff. - wirtschaftliche Bedeutung 170 ff. Nichtigkeitsklage - Aktionsprogramm für die Berufsbildung Jugendlicher 35, 126 f. - COMETI-Programm 37, 127 - ERASMUS-Programm 37, 126 - RL über das Aufenthaltsrecht der Studenten 38, 123 f. Niederlassungsrecht (siehe auch Grundfreiheiten) - Begriff 84 - Beschränkungen im Bildungsbereich 85 f. - Bildungsrechte aus der Inanspruchnahme 105 f. - für Architekten siehe Architekten - im Bildungsbereich 84 ff. - Immobilienerwerb im Rahmen des 175 - Umfang 85 - unmittelbare Geltung 174 - Vergleichbarkeit mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit 105 Normen, technische, Maßnahmen im Fernsehbereich (siehe auch Fernsehen) 66, 70
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Organkompetenz 190, 198 ff. Parlamentsbeschlüsse, schlichte 283 f. Personenverkehrsfreiheit 105, 107 Politik - Begriff 212 - flankierende 286 ff. - gemeinsame 128[. 192,293 - Ermessen des Rates 131 - im Bereich der Berufsausbildung siehe Berufsausbildungspolitik - im engeren Kulturbereich (siehe auch Aktion) 59 f., 61, 68, 290 ff. Politikfelder, neue - Ansatz der Kommission 30 f., 48, 60, 69 - Gemeinschaftspraxis 286 ff. - Rolle des Europäischen Parlaments 74 Präambel - zum EWGV 288 ff. - als Zielbestimmung 291, 293 ff. - zur EEA 299 Preisbindung von Büchern - als Kulturpolitik 209 - durch staatliche Anordnung 138 f., 180 f. - durch Vereinbarung 179 f. - nationale Systeme 180 - und Warenverkehrsfreiheit 138 f. - und Wettbewerbsrecht 179 ff. - Wettbewerbspolitik im Bereich der 181 Presseerzeugnisse - Besonderheiten des Vertriebs 183 - Ermäßigung des Posttarifs 139 f. - Steuererleichterungen 139 f. Pressevertriebssysteme, wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit 182 f. Prinzip siehe Grundsatz Programme im Bildungsbereich 124 ff. Programmvorschriften für Fernsehsendungen, Zulässigkeit nat. 163 f. Protektionismus 237 f. - im kulturellen Bereich 237 ff. Protokollerklärungen 67, 166 f. Querschnittskompetenzen 193, 195 Quotenregelung (siehe auch Fernsehrichtlinie) - europäische 67 f. - GATI-Konformität 240
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Sachregister
- Rechtmäßigkeit 167 f., 208, 222 - und Grundsatz der Handelsfreiheit 237 - Verbindlichkeit 165 ff. - Vorgeschichte 164 f. - nationale 168 RACE-Programm 53 Rat - Bildungsbereich, Aktivitäten 27 ff., 34 ff. - Empfehlungsbefugnis 259 - Entschließungen 264 ff. - Kulturbereich, engerer, Aktivitäten 59, 65 ff. - und nationale Interessen 210 - Wissenschaftsbereich, Aktivitäten 45 ff., 50 ff. Rat und Regierungsvertreter gemeinsam - Bildungsbereich, Aktivitäten 26 f., 32 ff. - Kulturbereich, engerer, Aktivitäten 63 ff. - Wissenschaftsbereich ,Aktivitäten 44 f. Ratsbeschlüsse, uneigentliche 273 f. Rechtsangleichung 209 f. - im Umweltbereich 287 f. - und Kulturpolitik der MS 209. Rechtsfortbildung 206, 217 Rechtsgemeinschaft, EG als 189, 215 Rechtsgrundlage, Wahl der richtigen 35, 37 f., 121 ff., 126 f. - Bedeutung für das EP 124, 127 - und Abstimmungsmodus 127 Rechtspersönlichkeit der EG 190 Rechtsstaatsprinzip 215 - Geltung im Verhältnis Bund / Länder 229 - Geltung im Verhältnis EG / MS 227 Rechtsvergleichung, wertende siehe Auslegung Regierungsvertreter - allein, Aktivitäten im engeren Kulturbereich 62 - Entschließungen 271 ff. - im Rat vereinigt - Bildungsbereich, Aktivitäten 25 f. - engerer Kulturbereich, Aktivitäten 62 f. Religion und Gemeinschaftsrecht 195, 221 Richtlinie betreffend
- Anerkennung von Hochschuldiplomen 39,41 - Aufenthaltsrecht 38, 152 - Aufenthaltsrecht der Studenten 38, 120 ff. - Aufhebung der Beschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassung 107 - grenzüberschreitendes Fernsehen siehe Fernsehrichtlinie - schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern 29, JOO f. - Sondervorschriften für Ausländer 107, 123 Rückwirkung von EuGH-Urteilen 117, 205 f. Rundfunkstaatsvertrag 163 Sachgebietszuständigkeiten 192 ff. schlichte Parlamentsbeschlüsse siehe Parlamentsbeschlüsse Schrittweise Entwicklung des Gemeinschaftsrechts siehe Gemeinschaftsrecht Schulbildung, Praxis auf Gemeinschaftsebene 32 f., 40 Schulen, Europäische 273 Schulgebühr, diskriminierende 100 Schulzeugnisse, fehlende Koordinierung 98 SCIENCE-Programm 53 Selbständige und ihre Angehörigen, Bildungsrechte 105 f. Sendestaat, Bedeutung in der Fernsehrichtlinie 163 f. soft law 252 f. Sonntagsverkaufs- / -arbeitsverbot 141 ff.. 251 Souveränität, staatliche 238 Soziale Vergünstigungen siehe Vergünstigungen SPES-Programm 53 Sportler siehe Berufssportler Spürbarkeit siehe Handelsbeeinträchtigung Staatlichkeit - der Bundesländer 224 f. - der EG 191 Stellung, marktbeherrschende 178 - Mißbrauch 186 Stellungnahmen siehe Empfehlungen
Sachregister STEP-Programm 53 Steuermittel, Finanzierung öffentlicher Leistungen 109 ff. - als Entgelt 157 Studenten, Aufenthaltsrecht der 38, 120 ff Studienförderung siehe Ausbildungsförderung Studiengebühr, diskriminierende (siehe auch Schulgebühr) 103, 113 Studienreferendare - als Arbeitnehmer 76 - als Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung 82 Subsidiaritätsprinzip 34, 39, 51, 70 - als Rechtsprinzip 234 ff. - als Schranke für Maßnahmen der EG 231 ff. - Beachtung durch die Gemeinschaftsorgane 232 - Begriff 56, 232 J. - im kulturellen Bereich 233 - und Art. 130 r Abs. 4 EWGV 234 f. - Ursprünge 233 - Verankerung im Gemeinschaftsrecht 231 - Wesen 234 Tatbestandswirkung 269, 270 J., 280 Technische Normen siehe Normen, technische Technologischer Wandel siehe Wandel, technologischer Teilnahme am Unterricht im öffentlichen Bildungswesen 113 f. - Aufenthaltsrecht für die 38, 120 ff. Teleologie 202 TEMPUS-Programm 38 Touristen - Aufenthaltsrecht für 151 f. - Begriff 149 ff. - Freizügigkeit für 148 ff. traite cadre, EWGV als 203, 227 Umweltpolitik 286 ff., 298, 300 uneigentliehe Ratsbeschlüsse siehe Ratsbeschlüsse Universität als Berufsschule 90 f. Universitätsstudium als Berufsausbildung 117
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Unternehmen - funktionaler Begriff im Kartellrecht 177 - gern. Art. 90 Abs. 2 EWGV 185 f. Unterrichtsanstalten, Gründung von 85 Unterschiedslos anwendbare nationale Bestimmungen siehe Bestimmungen Urheberrecht - Bestand und Ausübung 144, 159, 183 ff. - Globalabtretung, kartellrechtliche Zulässigkeit siehe Verwertungsgesellschaften - Praxis auf Gemeinschaftsebene 68, 71 f. - Schutzobjekt von Art. 36 EWGV 144 f., 159 - und Fernsehrichtlinie siehe Fernsehrichtlinie - und Kartellrecht siehe Kartellrecht - und Kulturpolitik 209 - Verwertungsmöglichkeiten 145 Verbandskompetenz der Gemeinschaft 190,191 ff. - Abgrenzung nach dem Schwerpunkt 197, 223 - Abgrenzung zur staatlichen Verbandskompetenz 191 - als Grenze jeglichen Organhandeins 259 f., 264, 270 - Arten 192 ff. - ausschließlich / konkurrierend 203 J., 281 - Auswirkungen im nationalen Recht 196, 223, 228 - Begriff 191,194,214 - im kulturellen Bereich 194 ff. - rein wirtschaftliche Ziele 207 ff., 292 - Wesen 192 Verfahren der Zusammenarbeit 124 Verfassungstraditionen siehe Grundrechte Vergünstigungen, soziale - Ausbildungsförderung 91 f., 94 f. - Begriff 91 - Bildungsrechte für Ehegatten von Wanderarbeitnehmern 102 f. - Stipendien im Rahmen bilateraler Kulturabkommen 92 f. Verhaltensweisen, abgestimmte 182 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
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Sachregister
- allg. Grundsatz des Gemeinschaftsrechts 228 - Begriff 219, 226 - Geltung im Verhältnis EG / MS 227 ff. - grundrechtsähnliche Wirkung 226 f. - Herleitung aus dem deutschen Recht 226, 229 - Iustitiabilität 228 f. - Schranke für Maßnahmen der EG siehe Kompetenzausübung - Schranke für nationale Maßnahmen 148, 158, 162, 245, 247, 251, 251 f. Verordnung 1612/68 28 f., 87 ff. - Art. 7 Abs. 2 91 ff. - Art. 7 Abs. 3 89 ff. - Art. 12 97 ff. - Begriff des Arbeitnehmers 93 ff. - Ziel von Art. 7 96 Verträge, internationale - Entschließungen der Regierungsvertreter als 274 - über Europäische Schulen 273 - über Grundrechtsschutz siehe Grundrechte - über Handelsfreiheit 238 Vertragsänderungen, bevorstehende 284 f. Vertrauensschutz 280 f. Verwertungs gesellschaften, urheberrechtliche - Begriff 185 - Globalabtretung von Urheberrechten 186 - Globalzugang zum Gesamtrepertoire 186 f. - und Kartellrecht siehe Kartellrecht - Unternehmen gern. Art. 90 Abs. 2 EWGV siehe Unternehmen Videokassetten, Vermarktungsbeschränkung für Filme als 140 f., 250 Völkerrecht 236 ff., 254 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 204
Wandel, technologischer, Maßnahmen im Bildungsbereich 36 f. Wanderarbeitnehmer siehe Arbeitnehmer Ware, Begriff 134 f.
Warenverkehrsfreiheit (siehe auch Grundfreiheiten) - Auswirkungen auf die Kulturpolitik der MS 141 ff. - im engeren Kulturbereich siehe Kulturbereich - und Buchpreisbindung siehe Preisbindung - und grenzüberschreitendes Fernsehen 152 f. Warenzeichenrecht, nationales 184 Weiterbildung, Praxis auf Gemeinschaftsebene 35 f., 40 Werbemitteilungen als Dienstleistungen 154 Wettbewerbsrecht im engeren Kulturbereich (siehe auch Kartellrecht) 176 ff. Wiener Vertragsrechtskonvention 274 Wirtschaftsgemeinschaft siehe Kompetenzbegrenzung Wirtschaftsleben gern. Art. 2 EWGV 76 f., 84,109,170,177, 195,207,288,292 Wirtschaftspolitik, Annäherung der 295 f. Wissenschaftsbereich (siehe auch Forschungs- und Technologiepolitik) - Anfange gemeinschaftlicher Tätigkeit 44 ff. - Begriff 43 - Praxis auf Gemeinschaftsebene 43 ff. - Verstärkung gemeinschaftlicher Tätigkeit 50 ff. - Vertragsvorschriften 43 f., 285 Wohnsitzerfordernis gern. Art. 12 va 1612/6899 f.
Zeitungen, Zeitschriften siehe Presseerzeugnisse Ziele der Gemeinschaft (siehe auch Verbandskompetenz) 170, 193 f., 291 ff. - Art. 2 EWGV 291 f., 295 - im engeren Kulturbereich 298 ff. - im Sinne von Art. 235 EWGV siehe Art. 235 EWGV - Konkretisierung 295 - Mittel zur Verwirklichung 295 ff. - Präambel zum EWGV siehe Präambel - und Aufgaben 192,291 - wesentliche 289, 300
Sachregister Zielverwirklichungszuständigkeiten 193 f., 196 Zoll- und Handelsabkommen, allg. siehe GATI Zölle und Abgaben gleicher Wirkung 135 f. Zollfreiheit von Kunstgegenständen, Sinn 137 Zolltarif, Gemeinsamer, Anwendung auf kulturelle Güter 136 f. Zollunion
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- und kulturelle Güter siehe Güter, kulturelle - Verhältnis zu Art. 30 ff. EWGV 136 Zugang zum öffentlichen Bildungswesen, gleicher 103, 112 ff. - Ausbildungsförderung zur Deckung von Einschreibegebühren 118 - Aufenthaltsrecht für den 120 ff. - Begriff 119 Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs 100f.