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German Pages 565 [568] Year 2019
KARL CHRIST KRISE UND UNTERGANG DER RÖMISCHEN REPUBLIK
KARL CHRIST
KRISE UND UNTERGANG DER RÖMISCHEN REPUBLIK
wbg Academic
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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ISBN 978-3-534-27110-8 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-74482-4 eBook (epub): 978-3-534-74483-1
IN MEMORIAM SUSANNE CHRIST (1959-1974)
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort
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Einleitung: Die Problematik des Untergangs der Romischen Republik Die Ri.imische Republik im Geschichtsbild der Neuzeit Friihe und Spate Republik Die Beurteilung der Spaten Republik in der modernen Geschichtsschreibung Die Problematik der Anwendung des Revolutionsbegriffs Methoden und Perspektiven der neueren Forschung o
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10 Die romische Expansion im Westen zwischen 201 und 133 vo Chr. Das Ende des 20 Punischen Krieges Ausbau und lntensivierung der ri.imischen Herrschaft in Italien Die ri.imische Expansion in Spanien Numantia Struktur und Entwicklung des barkidischen und des ri.imischen Machtbereichs auf der Iberischen Halbinsel
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20 Roms Eintritt in die hellenistische Welt Die Entwicklung der hellenistischen Staatenwelt Antiochos III. von Syrien und Philipp V. von Makedonien Der 20 Makedonische Krieg Die Politik des T. Quinctius Flamininus Der Krieg gegen Antiochos III. Die ri.imische Politik gegeniiber Griechenland und Kleinasien Der 30 Makedonische Krieg Die Zerschlagung der makedonischen Monarchie Die Zersti.irung Korinths
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Inhaltsverzeichnis
Rom und das Pergamenische Reich Der Aristonikosaufstand . Der Niedergang des Seleukidenreichs Dcr Aufstand der Makkabaer Zur Beurteilung der ri:imischen Politik gegenuber den hellenistischen Mach ten .
54 56 59 61
3. Roms inn ere Entwicklung im 2. jahrhundert v. Chr. Die Veranderungen der Wirtschaftsstruktur Agrarwirtschaft . Handwerk Publicani . Sklavcrei Entwicklung der ri:imischen Fuhrungsschicht M. Porcius Cato und P. Cornelius Scipio Aemilianus Die Struktur der ri:imischen Bundesgenossenschaft Religionsgeschichtliche Entwicklungen . Die ,Bacchanalienfrevel" von 186 v. Chr. als Krisensymptom Anfange ri:imischer Literatur und Kunst .
67 67 68 79 82 89 92 102 109 111 112
4. Die Reformversuche der Gracchen Die Krise der ri:imischen Agrarwirtschaft Der Kreis der Reformer Tiberi us Gracchus . Die Absetzung des Volkstribuns Octavius Scheitern und Folgen des ersten Reformansatzes Die Reformen des C. Gracchus Die Konkurrenzdemagogie des M. Livius Drusus Der Untergang des C. Gracchus Zur Struktur der ri:imischen Politik Die historische Bedeutung der Gracchen
117 117 120 120 126 133 134 141 143 146 148
5. Die romische Politik im Zeitalter des Marius und Sulla Augenpolitische Aufgaben Der Aufstieg des Marius . Der Kimbernzug Die Heeresreform des Marius
150 150 151 154 157
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Inhaltsverzeichnis
Die Krise des Jahres 100 v. Chr. . Jahre der Reaktion . Die Bundesgenossenfrage Das Verha!tnis zwischen Senat und Ritterschaft Die Reformpolitik des M. Livius Drusus Der Bundesgenossenkrieg Die Neuordnung der romischen Bundesgenossenschaft m Italien . Der Reformansatz des P. Sulpicius Rufus Sullas erster Marsch auf Rom Das Regiment Cinnas . Der Krieg gegen Mithradates VI. von Pontos Der Biirgerkrieg Sullas Restauration 6. Der Zusammenbruch des sullanischen Systems und der Aufstieg des Pompeius . Die romische Innenpolitik nach Sulla Der Aufstand des Sertorius Die Seerauberfrage . Der Spartacusaufstand Die auBerordendichen Imperien des Pompei us Die Catilinarische Verschworung . Der 3. Mithradatische Krieg . Pompeius' Neuordnung des Nahen Ostens . Die jiidische Frage . Die Riickkehr des Pompeius und die Bildung des 1. Triumvirats
7. Caesar . Caesars 1. Konsulat Romische Innenpolitik im Schatten der Triumvirn Der Partherkrieg des Crassus Die romische Expansion in Gallien Der Biirgerkrieg. Cato und Caesar Caesars Diktatur
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164 170 172 173 174 179 182 186 188 191 193 210 217
231 231 234 240 243 251 262 268 273 276 283 291 291 300 313 319 356 378 380
X
Inhal tsverzeichnis
Die Opposition gegen Caesar Die I den des Marz . Zur Beurteilung Caesars . 8. Zur Kultur- und Geistesgeschichte des 1. ]ahrhunderts v. Chr. Allgemeine Entwicklungstendenzen . Religiose Uberzeugungen der verschiedcnen Gcsellschaftsschichten . Die Romer und die Philosophic Cicero als Vermittler griechischer Philosophic . Theaterdichtung Satire Catull Lukrez Romische Geschichtschreibung Polybios und Poseidonios Sallust . Rhetorik Cice.J .
Rechtswissenschaft Romisches Wissenschaftsverstandnis M. Terentius Varro . Die Entfaltung der romischen Kunst . 9. Octavians Aufstieg und die Begriindung des Principats Die Kompromigpolitik des Antonius nach Caesars Ermordung Octavians Eintritt in die Politik Die Bedeutung der Ideologic und die Rolle der Armee in den Auseinandersetzungen nach Caesars Tod Ciceros Riickkehr in die Politik Der Mutinensische Krieg. Das ,2. Triumvirat" Ciceros Untergang . Die Schlachten bei Philippi Die Orientpolitik des Antonius Kleopatra.
390 392 397 406 406 409 411 412 412 413 413 414 415 416 417 418 418 419 420 420 421 424 424 426 429 430 431 433 435 437 439 440
Inhaltsverzeichnis
Der Perusinische Krieg Der Vertrag von Brundisium Vergils 4. Ekloge Der Vertrag von Misenum Der Vertrag von Tarent Antonius' Partherkrieg Octavians Kampf gegen Sextus Pompeius Die Feldziige in Illyrien und Octavians ,italische" Politik Die Auseinandersetzung mit Antonius Der Principat
Anhang Zeittafel Bibliographische Hinweise Nachtrag (2000) Verzeichnis der Abbildungen mit Quellenangaben Register
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441 443 444 445 447 448 451 453 455 463 467 469 477 523 533 535
VORWORT Das allgemeine Interesse an den historischen Dbergangsepochen und Krisenzeiten ist seit den Tagen Jacob Burckhardts betrachtlich gewachsen. Umfang und Qualitat der erhaltenen Geschichtsquellen wie Intensitat und Dichte der neueren Forschung, aber auch Gegenwartsimpulse haben in gleicher Weise dazu beigetragen, daB Krise und Untergang der Romischen Republik im Mittelpunkt einer lebhaften wissenschaftlichen Diskussion stehen und zu immer neuen Analysen herausfordern. Dabei tritt freilich nicht nur eine irritierende Zersplitterung der Einzelforschung zutage, sondern auch der Trend, die Ereignisgeschichte selbst, den koharenten Ablauf des historischen Prozesses in allen Bereichen, zu vernachlassigen und sogleich die Abstraktion, beispielsweise der Theorie der sogenannten Romischen Revolution, anzustreben. Vielleicht ist es erlaubt, die Historiker, die so entschieden auf Abstraktion drangen, auf den elementaren Unterschied ihrer eigenen Situation- und derjenigen ihrer Leser- gegeniiber jener des 19. J ahrhunderts aufmerksam zu machen. Die Ereignisgeschichte wurde seinerzeit ,iiberwunden" von Gelehrten, die sie auf dem Wissensstand ihrer Zeit beherrschten. Heute ist dagegen sehr haufig zu beobachten, daB lediglich Theoreme mit ,Empirie" aufgefiillt werden oder daB erst dann, wenn die voreilig fixierte, ungepriift hingenommene und kritiklos weitergegebene Abstraktion in die Sackgasse fiihrte, Ereignisse und Verha!tnisse selbst naher untersucht werden. Dabei konnte gerade die altere sowjetrussische Forschung lehren, wohin man gelangt, wenn Fakten vernachlassigt und historische Quellen nicht mehr beriicksichtigt werden. Hier wird bewuBt ein anderer Weg gewahlt. Das Fundament dieses Buches bildet eine neue Gesamtdarstellung des historischen Prozesses zwischen 200 und 30 v. Chr., in die Analysen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geistigen Entwicklung integriert sind. Erst alle diese Elemente zusammen erlauben es, Wechselwirkungen, Verlauf und Resu!tate der Epoche als Ganzes zu erfassen und umfassend zu bewer-
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Vorwort
ten. Daraus sind Abstraktionen und Reflexionen erwachsen, stimuliert gewiB auch durch Forschungsstand und Problematik der eigenen Zeit. Der Verfasser hat sich daruber hinaus bemuht, wenigstens an einzelnen Knotenpunkten der Gesamtentwicklung die Dimension der Wissenschaftsgeschichte zu beriicksichtigen, charakteristische Wertungen der alteren Geschichtsschreibung aufzunehmen, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Neben der hier gewahlten Methode, der Verbindung von Darstellung, Analyse, Reflexion und Wissenschaftsgeschichte, bedurfen auch die Perspektiven und Proportionen des Werks einer Erlauterung. Selbstverstandlich stehen bei diesem Thema die Vorgange in der Stadt Rom und in ltalien im Mittelpunkt. Der in diesem Zeitraum sich vollziehende Aufstieg der Romischen Republik zur Weltmacht des antiken Mittelmeerraums hat indessen zur Folge, daB auch auBeritalische Entwicklungen miteinzubeziehen waren: der Niedergang der hellenistischen Staatenwelt, die Machtbildung Mithradates' VI. von Pontos, Kimbernzug und spatjudische Geschichte beispielsweise muBten in diesem Rahmen zur Sprache kommen. Andererseits waren bei der Darstellung der Romischen Geschichte gewisse Disproportionen unvermeidlich. Die Oberlieferung bietet nun einmal fur ganze J ahrzehnte nur wenige verlaB!iche Nachrichten, wahrend sie fur andere Jahre derselben Epoche in besonders dichter Konzentration vorliegt. Da der Verfasser bestrebt war, die Oberlieferung immer wieder selbst vorzufuhren, wird dieser Befund wohl noch starker fuhlbar. SchlieBlich sei ausdriicklich darauf hingewiesen, daB dieses Buch nicht an die Spezialforscher adressiert ist. Die viri eruditissimi werden hier nichts entdecken, was sie nicht ohnehin schon kennen. Die Darstellung wartet auch weder mit gewollt nonkonformistischen Wertungen noch mit dem Glasperlenspiel einer eigenen Begrifflichkeit auf. Sie mochte vielmehr in erster Linie den historisch allgemein lnteressierten, nicht zuletzt den Studierenden, die erforderlichen Informationen vermitteln und zu einer neuen Vergegenwartigung einer der wichtigsten Epochen der Romischen Geschichte anleiten. Fur die Synthese seiner Darstellung hat der Verfasser nicht nur viele Anregungen alterer und neuerer Forscher aufgenommen, sondern auch solche seiner Marburger Kollegen, Mitarbeiter und Horer. Ihnen allen weiB er sich dankbar verbunden und empfindet es als wohl schonste
Vorwort
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Genugtuung cines Hochschullehrers, daG er gezwungen ist, mit den Arbeiten der eigenen Schuler zu konkurrieren. Wie die ersten Auflagen dieses Buches (1979, 1984, 1993) zeigten, diirfte dies gelungen sein. In den Neuauflagen wurde der Text jeweils durchgesehen, die bibliographischen Angaben zum Forschungsstand erneuert und erweitcrt. Letzteres gilt auch fiir diese Edition: Wahrend die Gesamtkonzeption beibehalten werden konnte, ist besonderer Wert darauf gelegt worden, die wichtigsten Forschungen des letzten Jahrzehnts zu vermitteln. Der ,Nachtrag (2000)" folgt dabei der Disposition der ,Bibliographischen Hinweise" (S. 477ff.). Er beschrankt sich freilich notwendig auf die gri:iGeren Werke und wesentlichen Monographien; Aufsatze konnten nur in Ausnahmefallen aufgenommen werden. Sie werden indessen durch die erwahnten neueren Handbiicher und Hilfsmittel erschlossen. Der Verfasser ist Frau A. Schneider, der friiheren bewahrten Sekretarin des Fachgebietes Alte Geschichte der Philipps-Universitat, fiir ihre wertvolle Hilfe bei der Erstcllung der Satzvorlage dankbar, Helmut Neuhaus fiir Entwurf und Ausfiihrung der Kartenskizzen, B. Wichter fiir die kritische Durchsicht des Textteils, V. Losemann fiir vielfaltige Unterstiitzung, nicht zuletzt der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, die das Werk einst unter]. Bauer iibernahm und nun die Aktualisierung ermi:iglichte. Marburg/Lahn,Juni 1999
Karl Christ
Einleitung
DIE PROBLEMATIK DES UNTERGANGS DER ROMISCHEN REPUBLIK
Die Romische Republik im Geschichtsbild der Neuzeit Wenn in diesem Buch die Epoche vom Ende des Zweiten Punischen Krieges bis zur Begriindung des augusteischen Principats als Krise und Untergang der Romischen Republik verstanden, dargestellt und erortert wird, so erfordert dies eine nahere Begrundung. Die Romische Republik hat selbst im Geschichtsbild der Neuzeit einen herausragenden Platz behauptet. Noch immer wird sie gesehen als jene historische Formation, in welcher der politische Wille aller freien Burger in einer einzigartigen Weise organisiert war. Denn nach der Abschaffung der Monarchie und der Einschrankung der Adelsvormacht in den Standekampfen konsolidierte sich in dieser Republik eine staatliche Ordnung, die fur lange Zeit ein Hochstma£ der Identifizierung aller freien Burger mit ihrem Staat ermoglichte. Burgertugenden, Burgerrechte und Burgersinn waren hier so exemplarisch verwirklicht, daB sie auf vielfaltige Weise die Emanzipationsbestrebungen der Neuzeit beflugelten. Zugleich schuf diese bescheidene mittelitalische Stadt in der Organisation ihrer Bundesgenossenschaft ein neuartiges politisches Herrschaftsmodell, das ihr erlaubte, schlie£lich ganz Italien ihrer Macht nicht nur zu unterwerfen, sondern fest in ihren Machtbereich zu integrieren. Die Punischen Kriege stellten die Stabilitat der politischen Neuordnung Italiens unter Beweis; sie leiteten zugleich jenen scheinbar unaufha!tsamen Proze£ ein, in dem Rom den gesamten Mittelmeerraum zu der neuen historischen Formation des Imperium Romanum zusammenschlo£, die sich dann unter dem Principat Jahrhunderte hindurch behauptet hat. In diesem traditionellen Geschichtsbild dominiert offenkundig die Vorstellung der Einheit der Geschichte der Romischen Republik, der dann zumeist jene der romischen Kaiserzeit oder des Principats als an-
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Problematik des Untergangs der Romischen Republik
schlieBende, neue Einheit entgegengesetzt wird. GewiB gliedert man diese Einheit der republikanischen Geschichte haufig in sich auf. So wird zum Beispiel aus einer primar verfassungsrechtlichen Sicht unterschieden zwischen einem ,patrizischen Staat" der Zeit zwischen ca. 500 und 287 v. Chr., der ,klassischen Republik" (287-133 v. Chr.) und dem ,Zeitalter der Romischen Revolution" (133-31 v. Chr.). Sicher lassen sich viele Griinde fur eine solche Untergliederung ins Feld fiihren. Ein Vorzug dieser konventionellen Periodisierung liegt zum Beispiel darin, daB sie den Beginn der Reformen der Gracchen als Zasur sehr stark betont, doch steht dem der ganz evidente Nachteil entgegen, daB sie langerfristige Entwicklungen zerschneiden muB, die fiir das Verstandnis der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen, aber auch der politischen Veranderungen grundlegend sind. Sehen wir von dem auBerst problematischen Unterfangen einmal ab, die SchluBphase der Romischen Republik als ,Romische Revolution" zu verstehen, so besteht heute selbst zwischen marxistischen und sogenannten biirgerlichen Historikern wenigstens darin Einvernehmen, daB der Zeitraum des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. eine teilweise kaum merkliche und nur graduelle, teilweise aber geradezu schubartige und durchgreifende Umgestaltung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen der Romischen Republik mit sich bringt. Diese Entwicklung diirfte dann plastisch hervortreten, wenn- naturgemaB sehr vereinfacht - wesentliche Erscheinungsformen der friihen und der spa ten Republik einander gegeniibergestellt werden, wobei hier unter friiher Republik die Verhaltnisse bis in das 3., unter spater Republik jene des 2. und 1. J ahrhunderts v. Chr. bezeichnet sind.
Fruhe und Spate Republik Gehen wir von der Wirtschaftsstruktur aus, so bleibt in der friihen Republik eme weitgehende agrarische Selbstversorgung, die Subsistenzwirtschaft, vorherrschend. Der Anteil der Sklaven an der Produktion ist gering, kennzeichnend vielmehr die sogenannte patriarchalische Form der Sklaverei, das heiBt die Integration einzelner Sklaven in die Hauswirtschaft. Der Radius des Handels war in der Regel beschrankt, Ansatze der Geldwirtschaft treten erst seit dem Ende des
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4. J ahrhunderts v. Chr. und zunachst in sehr rudimentaren Formen auf. Ihre Intensivierung und volle Ausbildung erfolgt erst im Laufe des 3. Jahrhunderts v. Chr., und in der wiederholten Neuordnung des romischen Wahrungssystems finden gerade die Krisen der Punischen Kriege einen sehr bezeichnenden Niederschlag. Die spate Republik weist in diesen Feldern dagegen vollig verschiedene Strukturen auf. Gewi6 halt sich auch jetzt noch in vielen Landschaften Italiens der agrarische Kleinbetrieb, wohl in gro6erem Urnfang, als dies die Analytiker gelegentlich zur Kenntnis nehmen, aber die systematische Restauration der alten Wirtschaftsordnung konnte, nach den weitflachigen Zerstorungshorizonten gerade des 2. Punischen Krieges in Italien und unter den veranderten Bedingungen des 2. Jahrhunderts v. Chr., nicht mehr gelingen. Einerseits nahm nun die Weidewirtschaft betracht!ich zu, andererseits dehnten sich die Zellen der ,Villenwirtschaft" immer weiter aus, damit eine durch Spezialisierung und Rationalisierung iiberlegene, marktbezogene Wirtschaftsform, in der sich die alte Fiihrungsschicht deswegen besonders stark engagieren konnte, wei! ihr dafiir sowohl die notwendigen Kapitalien als auch die erforderlichen Arbeitskrafte zur Verfiigung standen. Denn erst jetzt kann man in einzelnen Regionen Siziliens, Unteritaliens und Etruriens von einer ,Sklavenhalterwirtschaft" in dem Sinne sprechen, daB auf den gro6en W eideflachen Dutzende, in den einzelnen Landgiitern ebenfalls jeweils bis zu 2 oder 3 Dutzend Sklaven eingesetzt wurden. Tausende von Kriegsgefangenen und ein systematisch organisierter Sklavenmarkt erhohten fortlaufend die Gesamtzahl der im ProduktionsprozeB befindlichen Sklaven, wobei freilich im agrarischen Sektor, im Handwerk und bei den Haussklaven jeweils vollig verschiedenartige Arbeitsbedingungen bestanden. Im Bereich der Wirtschaft kommen zur Zeit der spaten Republik noch zwei weitere, neue Faktoren hinzu: Einmal verdichtete sich nun die Verflechtung der italischen Wirtschaft in jene des gesamtmediterranen Wirtschaftsraumes in zunehmendem Ma6e, zum andern wurde die Eigengesetzlichkeit der voll entwickelten Geldwirtschaft mit den Moglichkeiten der Kapitalkonzentration und des Zinswuchers rasch fiihlbar. Neue, wirtschaft!ich aktive Gruppen kristallisierten sich heraus, zugleich boten Kriegfiihrung und Provinzialverwa!tung den Angehorigen der romischen Fiihrungsschicht die Moglichkeit zur Beschaffung
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Problematik des Untergangs der Romischen Republik
jener betrachtlichen Geldmittel, ohne die eine politische Karriere in Rom jetzt in der Regel nicht mehr moglich war. Auch fi.ir die Bereiche der auBeren Machtbildung, der auBeren Politik und der Organisation des romischen Imperiums ist ein starker Kontrast in den Erscheinungsformen der fri.ihen und der spaten Republik festzustellen. Bis zum 2. Punischen Krieg waren ltalien und dessen unmittelbares Vorfeld mit dem romischen Machtbereich identisch. Dieser, in sich relativ geschlossene Raum konnte in den abgestuften Rechtsformen der romisch-italischen Bundesgenossenschaft organisiert und beherrscht werden. Romische und latinische Kolonien reproduzierten fort und fort die gesellschaftliche und wirtschaft!iche Basis der bevorrechtigten cives Romani und ihrer latinischen Bundesgenossen, ihr Netz sicherte zugleich die Herrschaft der Romischen Republik militarisch und politisch ab. Im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. hatte Rom nun den Preis fi.ir sein immer weiter ausgedehntes Engagement zu bezahlen. Die lnterventionen in Spanien, Griechenland, Nordafrika und Kleinasien fi.ihrten aile Versuche ad absurdum, die romische Beherrschung jener Raume lediglich mit den mehr indirekten Mitteln einer Hegemonie aufrechtzuerhalten. Rom muBte schlieBlich weite Territorien in die unmittelbare Provinzialverwaltung i.ibernehmen, eine administrative und politische Aufgabe, die mit dem Instrumentarium eines immer noch aristokratisch gefi.ihrten Stadtstaates nicht mehr zu li.isen war. Der rasche Wechsel der Statthalter verhinderte kontinuierliche Planungen ebenso wie die Konsolidierung und Effizienz der Verwaltung, die in den Provinzen lange Zeit ganz offen lediglich die praedia, die Ausbeutungsobjekte des romischen Volkes, sprich seiner fi.ihrenden Schicht, sah. Die Formen der italischen Bundesgenossenschaft lieBen sich auf diese Raume erst recht nicht mehr i.ibertragen, und da die romischen Bundesgenossen zwar immer noch in erheblichem AusmaB an den Einsatzen, dagegen nicht mehr am Gewinn der romischen Expansion beteiligt waren, wurde die Bundesgenossenfrage zu einem neuen Problem der romischen Herrschaftsstruktur. Die machtpolitisch vielleicht auf den ersten Blick so imponierende Ausweitung der romischen Herrschaft im 2. und 1. J ahrhundert v. Chr. darf zudem nicht den Blick dafi.ir verstellen, welche Belastungen, Konsequenzen und Ri.ickwirkungen sich hieraus fi.ir die alte staatstragende
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Schicht der freien romischen Vollburger, das heifh der Kleinbauern und Handwerker, ergaben. Nicht die groBen, massierten Feldzuge im hellenistischen Osten oder in Nordafrika, sondern die jahre-, ja jahrzehntelangen Einsatze in Spanien haben das italische Bauerntum paralysiert, waren doch schon allein die langere Abwesenheit, Krankheit oder schwerere Verwundung des Eigentumers eines Kleinbetriebes haufig identisch mit dem Ruin seines Besitzes. Gleichzeitig wurde auch hier die Fuhrungsschicht korrumpiert. Nach den Erfahrungen unserer Zeit durfte es einleuchten, daB eine GroBmacht auch an den peripheren Problemen eines kolonialen Kriegsschauplatzes scheitern kann, in dem ihre militarische Oberlegenheit nur bedingt zum Einsatz zu bringen ist und ihre skrupellose Kriegfuhrung die tiefsten moralischen und psychologischen Reaktionen auf das Mutterland nach sich zieht, schlieB!ich fundamentale Voraussetzungen des Selbstverstandnisses der GroBmacht in Frage stel!t. Kontinuitat und Radien des militarischen Einsatzes zogen in der Zeit der spaten Republik auch eine tiefgreifende Veranderung der Heeresverfassung nach sich, diese wiederum eine solche der gesamten politischen Struktur. Hatte sich die romische Armee bisher aus einer Burgermiliz rekrutiert, die von meist alljahrlich wechselnden Kommandeuren befehligt wurde, so forderten die militarischen Aufgaben des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. langerfristig dienende Verbande, damit die Erweiterung der Rekrutierungsbasis in der romischen Gesellschaft, ebenso wie die Obertragung langfristiger Befehlsgewa!t an militarische Experten oder an Politiker, von denen eine Mobilisierung der Verbundeten auf dem speziellen Kriegsschauplatz zu erhoffen war. Wichtiger als die militartechnischen Konsequenzen, die diese Veranderung nach sich zog, waren jedoch ihre sozialen und politischen Auswirkungen. Denn sie fuhrten alsbald zur Oberlagerung und Auflosung jener Klientelverha!tnisse, die bislang Gesellschaft wie Politik der Romischen Republik entscheidend strukturiert hatten. Das wechselseitige Bindungsverha!tnis zwischen den Angehorigen der romischen Fuhrungsschicht, die auf Grund ihrer wirtschaft!ichen Macht, ihrer politischen EinfluBmoglichkeiten, ihrer Kompetenz wie ihres Sozialprestiges in der Lage waren, in wirtschaft!ichen, juristischen und sonstigen Notfallen eine wirksame Unterstutzung zu gewahren oder dem Schwache-
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Problematik des Untergangs der Ri:imischen Republik
ren zu seinem Recht zu verhelfen, und den von ihnen abhangigen Personengruppen war urspriinglich die bedeutsamste gesellschaftliche und politische Grundlinie innerhalb des romischen Staates gewesen. Da dieses Bindungsverhaltnis auch auf die auBeritalischen Gebiete der Republik ubertragen wurde, kam es zunachst zu einer betrachtlichen Ausweitung des Einflusses einzelner Geschlechter der romischen Aristokratie, die durchaus bedenkliche Entwicklungsmoglichkeiten in sich barg und zumindest das System gleichrangiger rivalisierender Krafte innerhalb der Fuhrungsschicht allein schon durch ihre Dimensionen zu sprengen drohte. Allein die entscheidende Veranderung vollzog sich an anderer Stelle und in anderen Zusammenhangen. Den Inhabern der graBen Heereskommandos wuchsen in den langerfristig dienenden Verbanden ,Heeresgefolgschaften" zu. In der Praxis erhielt die Beziehung des Soldaten zu ,seinem "Feldherrn, der sich auch urn seine Versorgung zu kummern hatte, Vorrang gegenuber den traditionellen Bindungen an den alten Patron seiner Heimat, Vorrang erst recht gegenuber den abstrakten und unpersonlichen Bindungen an Senat und Yolk, Staat und Republik. Der politische Einsatz- und MiBbrauch- der Heeresklientel muBte schon deshalb unumganglich werden, weil diese existentiell begriindet war. In dieser Heeresklientel zeichnete sich damit auch jener Machtfaktor ab, der uber das Schicksal der Republik entscheiden sollte. Der Kontrast zwischen friiher und spater Republik muB deshalb so stark betont werden, weil, rein auBerlich betrachtet, in Verfassungsnormen und Rechtskategorien die Kontinuitat uberwiegt. Noch immer lag die Souveranitat dieser Republik theoretisch bei allen freien Burgem, waren die Funktionen des Senats, die Kompetenzen der Volksversammlung, Namen und Aufgaben der Magistrate dieselben geblieben. Es zeigt sich hier, daB die lediglich formale verfassungsrechtliche Sicht die Entwicklungen der spa ten Republik ebenso schlecht in den Griff bekommt wie die rein personale. Im ersten Fall ist die Feststellung zwar richtig, daB die Inadaquanz der Mittel des Stadtstaates fur die Aufgaben des Imperium Romanum zur Krise fuhrte, aber eine solche Betrachtung wirkt lediglich abstrakt und statisch. Sie kann nicht plausibel erklaren, warum die Verfassung dieser Republik nicht der neuen Situation entsprechend weiterentwikkelt wurde, so wie das in fruheren Jahrhunderten, als Folge der Stan de-
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kampfe ebenso wie als Folge der romischen Herrschaft i.iber ganz Italien, der Fall gewesen war. Auch die i.iberwiegend personale Betrachtungsweise stofh hier an Grenzen. Es ist wohl unbestreitbar, dag in keiner Phase der Geschichte der Romischen Republik einzelne Personlichkeiten cine solch bedeutsame Rolle spielten wie gerade im 2. und 1. Jahrhundertv. Chr. Manner wie die Scipionen, Cato, die Gracchen, Marius, Sulla, Pompeius und Caesar- urn nur die N amender wichtigsten zu nennen- bestimmten wiederho!t den Kurs der romischen Politik im Innern wie im Augeren. Doch diese Namen bezeichnen zugleich auch die Grenzen der Macht einzelner Personlichkeiten, denn es gehort zu den Merkmalen der Epoche, dag die Mehrzahl der fi.ihrenden Politiker durch Gewalt endete, die Gracchen in Rom untergingen, Pompeius von einem ehemaligen Untergebenen ermordet wurde, Caesar ein Opfer auch seiner Freunde wie Cicero das der Proskriptionen des jungen Octavian, den er so sehr gefordert hatte, geworden ist. Die hier sichtbar werdende Radikalisierung der Politik erfagte in dessen nicht nur die Spitzen der politischen und militarischen Gruppierungen, sondern Tausende, ja Zehntausende von Gegnern oder auch nur begi.iterten Bi.irgern, die gerade nicht zur eigenen Gruppe gehorten. In Fanatismus und Bruta!itathielten sich Aristokraten und ihre Opponenten die Waage. Exzesse dieser Art aber waren auf die Dauer kaum denkbar, wenn es dabei lediglich urn personliche Ambitionen gegangen ware. Gerade hier wird vielmehr erkennbar, dag die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft der spa ten Republik nicht allein auf personliche Motive und auch nicht allein auf den Einflug weniger groger Einzelpersonlichkeiten zuri.ickgefi.ihrt werden kann. Sollen die damit skizzierten Entwicklungen in einer angemessenen Weise zur Darstellung kommen, so ist es erforderlich, das a!te Epochendatum 133 v. Chr. aufzugeben und weiter zuri.ickzugreifen. Tatsachlich ist eine solche Tendenz nicht neu, sondern schon seit geraumer Zeit in nicht wenigen Werken zu beobachten, die sich urn cine angemessene Einordnung des Geschehens wie urn die Analyse des sozialen Wandels in der spaten Republik bemi.ihen. Es geht dabei nicht darum, urn jeden Preis cine neue Periodisierung innerhalb der Romischen Geschichte durchzusetzen, sondern darum, jene Einheit insgesamt zu erfassen, die durch die Entwicklung selbst konstituiert wird.
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Problematik des Untergangs der Romischen Republik
Die Beurteilung der spaten Republik in der modernen Geschichtsschreibung Beurteilungen und Darstellungen der spaten Republik gehen in ihren Perspektiven und Wertungen weit auseinander. Es empfieh!t sich, hier wenigstens an die wichtigsten Positionen zu erinnern, urn dem Gegenstand auch von dieser Seite her naherzukommen. Fur Barthold Georg Niebuhr, der die Erforschung der Romischen Geschichte in der Neuzeit so entscheidend stimuliert hat, lag der Schwerpunkt seines Interesses auf der Ausbildung der friihen und klassischen Republik. Das 4. Jahrhundert v. Chr. und die Zeit des 1. Punischen Krieges waren fur ihn gleichsam die heroischen Zeitalter der Republik, die folgende Entwicklungsphase in seiner Sicht lediglich ,das Ende eines durchgefuhrten Lebens ... von dem hannibalischen Kriege an treten nur noch Anstrengungen ein, urn Krisen hervorzubringen, ein Jahrhundert nachher hort auch dieses auf". Ungeachtet dieses sehr distanzierten Verhaltnisses, das auch fur andere Gelehrte, welche die klassische Republik idealisierten, charakteristisch ist, war Niebuhr das Grundproblem der Geschichte der spaten Republik durchaus bewuBt: ,Es ist eine der irrigsten Vorstellungen, daB man glaubt, eine Verfassung bleibe dieselbe wenn die auBeren Formen dieselben bleiben: wenn die Vertheilung des Eigenthums, die ciftentliche Gesinnung, die Lebensweise sich andern, so kann ohne Anderung der Formen die Verfassung ganz verschieden werden von dem was sie war, und dieselbe Form zu einer Zeit demokratisch, zu einer anderen aristokratisch sein. Diese innere Veranderung zeigt die neuere Geschichtsschreibung sehr wenig, sie ist aber gerade eines von den Dingen die man vorzugsweise in der Geschichte ergrunden muB." Niebuhrs entschiedene Wertung hinderte ihn nicht daran, die Bedeutung jener Epochen, die ihm ,als National- und politische Geschichte ... traurig und unerfreulich" erschienen, fur die ,Weltgeschichte" durchaus anzuerkennen. Jene universalhistorische Konzeption, die spater Ranke und Burckhardt vortrugen, war im Grunde schon bei Droysen vorgebildet, der das ganze Zeitalter des Hellenismus auf die Ausbildung des Christentums bezogen hatte und damit gerade die spathellenistische Zeit als die Phase der politischen und ku!turellen Vorbe-
Die Spate Republik in der modernen Geschichtsschreibung
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reitung der Ausbreitung des Christentums in einen neuen Rang erhob. Denn in einer ahnlichen Weise wie hier wurde die Geschichte der spa ten Romischen Republik auch bei Ranke und Burckhardt vom vorgegebenen Ziel innerhalb eines universalhistorischen Rahmens bewertet. Zu den vier groGen ,Produktionen" des Romischen Reiches zahlte fiir Ranke nun einmal auch ,die monarchische Verfassung" Roms, eine neue Erhartung des aristokratischen Stadtregiments war nach seinen we!thistorischen Kriterien dagegen , unerwiinscht". In die gleiche Richtung weisen die dezidierten Worte Jacob Burckhardts: ,Es war ein Lebensinteresse der alten W e!t, daB die in fame Provinzialverwaltung des Senates aufhorte; es war ungleich wichtiger, daB der orbis terrarum nicht mehr von factiosen Intriganten ausgesogen wurde, als daG in Rom noch Republik gespie!t werden konnte." W er wie Burckhardt davon ausging, daB es Roms we!thistorische Mission war, seine graecisierte Bildung den Volkern des Westens zu vermitteln und den groBen Rahmen fiir die Ausbreitung des Christentums zu schaffen, zwang der historischen Entwicklung einen Fluchtpunkt auf, den die Handelnden selbst nicht ahnen konnten. Vor dieser Aporie steht freilich auch jede neuere universalhistorische Konzeption. Das moderne Verstandnis unserer Epoche wurde von Theodor Mommsen begriindet, der den zweiten, 1855 erschienenen Band seiner >Romischen Geschichte< unter das Signum der ,Revolution" gestel!t hatte. Behande!te dieser Band die Ereignisse von der Schlacht bei Pydna (168 v. Chr.) bis zu Sullas Tod, so der folgende, in einer Apotheose Caesars gipfelnde, ,die Begriindung der Militarmonarchie". In einem ganz neuen Stil war hier der historische Stoff mit geistigen wie mit politischen Energien aufgeladen und gleichsam dynamisiert, vor allem aber die groBe innere Krise, die nach Mommsen die romische Revolution eroffnete, konsequent ,aus den okonomischen und sozialen Verha!tnissen" abgeleitet. Mommsen brandmarkte dabei die Cliquenwirtschaft adliger ,Nullitaten" wie die MiBsrande ,einer noch unentwickelten, aber schon im Keime vom WurmfraB ergriffenen Demokratie", er fiihrte den ,Konflikt von Arbeit und Kapital" ebenso ins BewuBtsein wie ,das Meer von Jammer und Elend" bei den romischen Sklaven. HaBte er in Gaius Gracchus einen ,politischen Brandstifter" und den ,groBten der politischen Verbrecher", so geriet sein Caesarbild zur idealistischen Konstruktion. Auch bei ihm verzerrte die iiberspannte
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Problematik des Untergangs der Romischen Republik
Dimension einer ganz persi:inlichen Caesarvorstellung die Konturen und Proportionen der spaten Republik. Gegeniiber den mit Leidenschaft und in glanzendem Stil geschriebenen Banden setzten sich weder Kritik noch Ehrenrettungen durch. Mochte Carl Peter die machiavellistische Politik der Romer in der Zeit vom Ende des 2. Punischen Krieges bis zu den Gracchen aus humanistischer Sicht wesentlich scharfer geiGeln als Mommsen, Wilhelm Ihne sich fur Pompeius und Cicero engagieren, Mommsens faszinierende Gestaltung beherrschte das Geschichtsbild der folgenden Generationen. Vielleicht war Mommsens Wirkung auch mit deshalb so groG, wei! seine Auffassung innerhalb der von ihm konzipierten Gesamtdarstellung der ,Romischen Geschichte" vorgetragen worden war, einer Darstellung, welche dann freilich an einem neuralgischen Punkt - 46 v. Chr. - abbrach. Die folgenden monographisch gestalteten Werke konnten damit schon a limine nicht rivalisieren. C.]. Neumanns >Geschichte Roms wahrend des Verfalles der Republik< (Breslau 1881) ist ein aus Pietatsgriinden herausgegebenes Vorlesungsmanuskript, das ungeachtet der griindlicht>n Anlage und einzelner treffender Beobachtungen ohne groGere Resonanz bleiben muGte. Das zu Beginn unseres Jahrhunderts weit verbreitete und in mehrere Sprachen iibersetzte mehrbandige W erk von Guglielmo Ferrero >Grandezza e decadenza di Roma< (5 Bde. 1902-1907; deutsche Dbersetzung: >GroBe und Niedergang RomsThe Roman Revolution< vor. Gegenstand des Buches ist jedoch lediglich die Umwandlung der romischen Gesellschaft und des romischen Staates in der Zeit zwischen dem 1. Triumvirat Caesars, Crassus' und Pompeius' im Jahre 60 v. Chr. und dem Tode des Augustus (14 n. Chr.). Der Principat des Augustus, der hier sehr kritisch analysiert wurde, vor allem mit Hilfe der personengeschichtlichen Forschung, jener angewandten Prosopographie im Stile der ,Namier-School", wurde als Konsolidierung eines revolutionaren
Problematik der Anwendung des Revolutionsbegriffs
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Prozesses verstanden, in dessen Verlauf die Parteiganger Caesars ebenso eine Verschiebung der politischen Macht erzielt hatten wie eine Verlagerung von Besitz und Eigentum. Auch fur Alfred Heufi, dem unsere Generation eine moderne, groge Gesamtdarstellung der Geschichte Roms verdankt, ist das romische Revolutionszeitalter der ,fesselndste Abschnitt der gesamten romischen Geschichte" gewesen, den er wiederholt und ausfuhrlich beschrieb. Heug hat diese Epoche in besonderer Scharfe als dialektischen Prozeg im Sinne Hegels verstanden zwischen den Vorstogen von Revolutionaren, die ihre Funktion kaum kennen, und den Gegenschlagen der Konservativen. Er hat die einzelnen Phasen dieses Prozesses herauszuarbeiten gesucht und insbesondere den konsequenten Zug zur Militarisierung der Revolution, der dann zur Militardiktatur fuhrte, erfagt. Obwohl Heug den Vorrang der innenpolitischen Problematik unterstrich, hater doch auch die weltgeschichtliche Dimension der Epoche gesehen.
Die Problematik der Anwendung des Revolutionsbegriffs Doch vor allem ist ihm die Anwendung des Revolutionsbegriffs des 19. und 20. Jahrhunderts auf dieses Zeitalter zum Problem geworden. War schon nach dem Erscheinen des Werks von Ronald Syme zweifelhaft, ob der moderne Revolutionsbegriff zur Erfassung der spezifischen politischen und sozio-okonomischen Realitat der spa ten Republik tauglich war, so stellte sich die Frage an anderer Stelle mit noch scharferer Brisanz und mit noch weiterreichenden Folgen. Denn auch von marxistischen Historikern, wie von S. L. Uttschenko und E. Schtajerman, wurden in zunehmendem Mage die Schwierigkeiten gesehen, die sich hier aus einer undifferenzierten Anwendung des marxistischen Revolutionsmodells ergaben. Das galt sowohl fur die Bewertung der grogen Sklavenaufstande als auch fur die Einschatzung der Spatphase der Romischen Republik. N eben J. Vogt haben sich gerade sowjetrussische Forscher mit am entschiedensten von den alteren Auffassungen distanziert, die Sklavenkriege der Jahre 136-132, 104-100 in Sizilien, den Aristonikosaufstand in der Provinz Asien zwischen 133 und 129 v. Chr., andere, ungefahr gleichzeitige Erhebungen in Unteritalien und
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Problematik des Untergangs der Ri:imischen Republik
Griechenland und schlieBlich auch noch den Spartacusaufstand von 73-71 v. Chr. pauschal als eine Art universeller Revolution der antiken Sklaven und der armen Freien gegen die Sklavenhalter und damit als einen umfassend und bewuBt gefuhrten Klassenkampf zu interpretieren. Obwohl das Resultat von HeuW theoretischen Erorterungen eindeutig negativ war, zeigt doch gerade er- wie auf marxistischer Seite S. L. Uttschenko- wie schwierig es ist, sich von der gewohnten und gangigen Begrifflichkeit zu trennen. Obwohl beide Forscher den Begriff der Revolution im Rahmen ihrer geschichtstheoretischen Konzeption eindringend prazisieren und die Hindernisse deutlich machen, die seiner Anwendung in diesem Zusammenhang entgegenstehen, wenden sie ihn nach wie vor an. Es soll hier nicht auf Einzelheiten und Widersprliche der seither in Gang gekommenen theoretischen Debatte eingegangen werden, die wesentlichen Fortschritte der modernen Forschung liegen auf anderen Feldern. Denn es muB mit Nachdruck gesagt werden, daB die wichtigsten Beitrage der modernen Geschichtswissenschaft zur Epoche der spaten Republik nicht in neueren Gesamtdarstellungen, sondern in den groBen wissenschaftlichen Monographien und Spezialuntersuchungen zu finden sind.
Methoden und Perspektiven der neueren Forschung Den neuen Rang der lndividualitaten in dieser Epoche hatte bereits Hegel betont. Seit dem monumentalen Werk von W. Drumann (Geschichte Roms in seinem Dbergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung oder Pompeius, Cicero, Caesar und ihre Zeitgenossen. 6 Bde. Berlin 1834--44. 2. Auflage bearbeitet von P. Groebe, 1899-1929), in dem Geschichte in Biographien aufgelost und das dennoch als Materialsammlung unentbehrlich war, ist die personengeschichtliche Forschung aus verschiedenen, wissenschaftsgeschichtlich begriindeten Impulsen vorangetrieben worden. In zahlreichen Einzelartikeln fur Pauly-Wissowas monumentale >Real-Encyclopadie der classischen Altertumswissenschaft< und in seinen gediegenen Caesar-, Pompeius- und Cicero-Biographien hat vor all em Matthias Gelzer versucht, wissenschaftlich begriindete und sorgfaltig nuancierte Lebens-
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bilder der fuhrenden Politiker der spaten Republik zu erarbeiten. Andere wertvolle Biographien aus der Feder von H. H. Scullard, A. E. Astin, J. van Ooteghem und vielen anderen traten hinzu und dokumentierten zugleich, daB es sich bei diesem literarischen Genos nicht allein urn eine deutsche ,Fehlentwicklung" handelt. Fur die moderne prosopographische Forschung, die auch Fragestellungen der Soziologie aufgriff, ist die Einzelbiographie freilich nicht mehr als ein Mosaikstein fur vie! weitergehende Intentionen. Seit der bahnbrechenden Untersuchung von Matthias Gelzer uber ,die Nobilitat der romischen Republik" (Leipzig 1912) und der diffizilen Monographic von Friedrich Munzer uber >Romische Adelsparteien und Adelsfamilien< (Stuttgart 1920) haben fur unsere Epoche insbesondere H. H. Scullard (Roman Politics 220-150 B. C. Oxford 1951) und E. Badian (Foreign Clientelae. Oxford 1958) versucht, die Strukturen, Formen und Normen gentilizischer Gruppenpolitik sowie die Bedeutung der clientela- Kategorie auch fur den Bereich der au£eren Politik zu erfassen, T. P. Wiseman (New Men in the Roman Senate 139 B.C.-A.D. 14. London 1971) die wichtige Gruppe der sozialen ,Aufsteiger" zu ermitteln. Stand zunachst die Fuhrungsschicht im engeren Sinne, die Senatoren, im Zentrum des Forschungsinteresses, so wurden in den letzten Jahrzehnten nun auch die ubrigen sozialen Gruppen eingehender untersucht. In dem vorzuglichen Standardwerk von C. Nicolet (L'ordre equestre a l'epoque republicaine [312-43 av. J. C.] 2 Bde. Paris 1964, 1974) sind die Angehorigen des Ritterstandes erstmals systematisch erfa£t, in wichtigen Einzeluntersuchungen von P. A. Brunt und E. Badian in ihren wirtschaftlichen und politischen Aktivitaten diskutiert worden. Auch Plebs, Freigelassene, Sklaven wurden detaillierter analysiert, vor allem aber veroffentlichte P. A. Brunt eine in der Tradition Julius Belochs stehende, neue, gro£e Bevolkerungsgeschichte der spaten Republik, die es endlich erlaubt, Bevolkerungsrelationen, Heeresstarken und Machtpotential dieser Zeit prazise zu erfassen (Italian Manpower 225 B.C.-A.D. 14, Oxford 1971). Auf die Schlusselstellung des romischen Heeres wurde schon hingewiesen. Seine Rekrutierungsbasis, Zusammensetzung und Entwicklung haben insbesondere E. Gabba (Esercito e Societa nella tarda Republica Romana. Florenz 1973) und]. Harmand (L'armee et le soldat a Rome
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Problematik des Untergangs der Romischen Republik
de 107 a50 av. J. C. Paris 1967) prazisiert, dane ben liegen gerade fi.ir diesen Sektor zahlreiche andere Spezialuntersuchungen vor. Wichtiger wurden indessen die i.ibergreifenden Arbeiten, wie der V ersuch von Christian Meier, die Verfassungswirklichkeit der spa ten Republik mit dem Instrumentarium und den Kategorien der wissenschaftlichen Politik in den Griff zu bekommen, aus Wahlverhalten, Bindungswesen, ,politischer Grammatik" die gesellschaftliche und politische Struktur der Epoche zu erhellen (Res publica amissa. Wiesbaden 1966). Wirkte diese Monographic vor allem durch die Modernitat ihrer Methode und ihrer Ansatze, so imponierte die breitangelegte Untersuchung von E. S. Gruen (The Last Generation of the Roman Republic. Berkeley 1974) durch die geschlossene Systematik, mit der fi.ir den Zeitraum zwischen 78 und 49 v. Chr. politische Verbindungen, Wahlen, Rechtsprechung, soziale und politische Konflikte analysiert wurden. Eine zunehmende Beachtung fanden in den letzten Jahrzehnten die wirtschaftlichen Probleme. Im Bereich der Agrargeschichte, dem Schli.issel zum Verstandnis der ri:imischen Wirtschaft i.iberhaupt, hat die Habilitationsschrift von Max Weber (Die romische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung fi.ir das Staats- und Privatrecht. Stuttgart 1891) his heute ihren kanonischen Rang bewahrt. Doch gerade auf diesem Felde sind die Wirtschaftsstruktur, die Verbreitung der Villen, die Ausbildung des Kolonats, die W echselbeziehungen zwischen Armee und Land mit besonderer Energie bearbeitet worden. ltalienische Gelehrte wie A. Burdese und G. Tibiletti trugen wesentliche neue Erkenntnisse zur Geschichte des ager publicus vor. In A.]. Toynbees Alterswerk (Hannibal's Legacy. 2 Bde. London 1965) wie in E. M. Schtajermans Monographic (Die Bli.itezeit der Sklavenwirtschaft in der romischen Republik. Wiesbaden 1967) wurden konkrete Einzeluntersuchungen in einen groBeren Zusammenhang gestellt. Andere wichtige Forschungsaspekte mi.issen zunachst zuri.ickgestellt werden, die Eri:irterung der auBenpolitischen Fragen wie jene des sogenannten romischen Imperialismus, Beitrage der Provinzialgeschichte wie des graBen Sektors der ri:imischen Kulturgeschichte und andere mehr. Doch schon das hier skizzierte Spektrum neuerer Untersuchungsansatze und -resu!tate di.irfte deutlich machen, wie lebendig und vielseitig die moderne Forschung diesen Zeitraum bearbeitet hat. Der Verfasser hat sich in diesem Buch die Aufgabe gestellt, die Zeit
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der spaten Republik unter Beriicksichtigung des gegenwartigen Forschungsstandes in einer Synthese von Darstellung, problemgeschichtlicher Analyse und historischer Reflexion fiir einen weiteren Leserkreis zu behandeln. Es geht ihm darum, die Desintegration einer Gesellschaft, das Scheitern einer Republik, eine Epoche tiefgreifenden politischen wie wirtschaft!ichen und kulturellen W andels in moglichst wei ten Dimensionen zu erfassen. Ob es sich urn die Expansion einer GroBmacht, die Dialektik zwischen sozialen Reformen und politischer Restauration als Machtfrage, den Konflikt zwischen Gruppen- und Gesamtinteresse hande!t- den Ursachen von Krise und Untergang der Romischen Republik nachzugehen, bleibt die Leitfrage dieses Buches.
1. DIE ROMISCHE EXPANSION IM WESTEN ZWISCHEN 201 UND 133 V. CHR.
Das Ende des 2. Punischen Krieges Nach der Niederlage von Zama, der letzten groBen Schlacht des 2. Punischen Krieges (202 v. Chr.), erloschen auf karthagischer Seite aile Hoffnungen, das Schicksal doch noch zu wenden. Der Friede, den Scipio jetzt diktierte, belieg der Stadt wenig mehr als die nackte Existenz. Karthago muBte seine gesamte Kriegsf!otte bis auf 10 Schiffe abliefern und ebenso die Kriegselefanten. Es muBte sich uberdies verpflichten, in Zukunft nur noch mit romischer Zustimmung Krieg zu fuhren- und gerade diese Bestimmung sollte sich angesichts der romischen Freundschaft mit dem Numiderkonig Massinissa und angesichts der chronischen Wirren im Hinterland von Karthago wie in Numidien als eine schwere Fessel erweisen, aber auch als eine erniedrigende Provokation. Denn eine weitere Bestimmung besagte, daB Karthago den gesamten ehemaligen Besitz des Massinissa und seiner Vorfahren wieder herauszugeben hatte, und es war evident, daB hier immer neuen Forderungen Tur und Tor geoffnet war. DaB der de facto schon !angst eingetretene Verlust des gesamten ehemaligen karthagischen Kolonialbesitzes nun auch juristisch besiegelt wurde, verstand sich von selbst. Vielleicht am einschneidendsten und auch fur jeden einzelnen karthagischen Burger am fuhlbarsten aber wurde die ungeheure Kontribution, welche die Stadt in der Gesamthohe von 10 000 Talenten Silber auf die Dauer eines hal ben J ahrhunderts belastete. Wenn Karthago noch 100 Geiseln zu stellen hatte, als romisches Faustpfand fur die Einha!tung dieses Friedens, so entsprach dies freilich den Normen der Zeit. Sieht man aufs Ganze, so brachte dieser Friede des Jahres 201 v. Chr. nicht nur das Ende aller karthagischen GroBmachtpolitik, sondern er beschnitt fur die Zukunft auch die Handlungsfreiheit der Stadt in Afrika und selbst in ihrer nachsten Umgebung. Der romische Favorit Massi-
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Expansion im Westen zwischen 201 und 133 v. Chr.
nissa aber wurde von Rom ganz bewuBt deshalb zu einer relativ star ken machtpolitischen Gegenposition aufgebaut, damit Karthago durch den konstanten Rivalen in Atem gehalten wiirde. Dabei warder Numiderkonig eine Natur, die zu Dbergriffen nicht erst ermutigt zu werden brauchte. In gleicher Weise ist auch die Kontribution eine Bindung fur Jahrzehnte gewesen, denn Rom war nicht bereit, dem in seinen Augen ewig potentiellen Gegner noch einmal eine wirklich freie Entfaltungsmoglichkeit ZU gewahren. Zu tief saB der HaB gegen die Macht, die Rom so lange gedemiitigt harte. Schon von der Regelung des Jahres 201 v. Chr. her ist es deshalb nicht ohne innere Konsequenz, daB Karthago das Ende der Kontributionszahlungen im Jahre 151 v. Chr. nur urn wenige Jahre iiberlebte. In Rom konnte Scipio endlich ,in dem beriihmtesten Triumph von allen", wie Livius schreibt, in die Stadt einziehen, nicht weniger als 123 000 Pfund Silber in den Staatsschatz einbringen und dazu noch seine Soldaten aus der Beute reich beschenken. Der in Italien schon seit Hannibals Abzug im Winter 203/202 v. Chr. ausgebrannte Krieg war damit offiziell beendet, das Land wie die Stadt Rom bedurften des Friedens dringender denn je. Dennin den 17 Kriegsjahren waren Zehntausende von Ri:imern und Italikern erschlagen oder verwundet worden, weite Landstriche durch eine Kriegfiihrung, die das Land aussog und den Gegner zugleich schadigen wollte, vernichtet, angeblich rund vierhundert Ortschaften zersti:irt. Es diirfte in Siid- und Mittelitalien kaum eine Familie gegeben haben, der dieser Krieg keine Wunden schlug und keine Verluste brachte. Urn diesen hohen Preis hatte die Ri:imische Republik nicht nur iiber das militarische Genie Hannibal triumphiert, sondern auch iiber die a!te Vormacht des siidlichen und west!ichen Mittelmeerraumes. Sie triumphierre zugleich jedoch auch iiber die graBen italischen Rivalinnen. Capua, die reiche und bliihende Stadt in der Campagna, die von Rom abgefallen war, wurde als politisches Gemeinwesen ausgeli:ischt. Soweit die Einwohner nicht ausgesiedelt wurden, durften sie lediglich als Pachter ihres ehemaligen Eigentums bleiben. In dem ager Campanus gewann Rom eine der fruchtbarsten italischen Landschaften zu direktem Besitz. In einer ganz ahnlichen Weise wurde Tarent niedergedriickt. Die wichtige Hafenstadt hat sich von den Zerstorungen und Pliinderungen und der Versklavung eines GroBteils ihrer Einwohner bei der Eroberung im
Ausbau der romischen Herrschaft in Italien
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Jahre 209 v. Chr. nicht mehr erho!t. Auch ihr Landbesitz wurde konfisziert, ihre Funktion als Hafen von Brundisium, der latinischen Kolonie am Adriatischen Meer und am Ende der Via Appia, iibernommen. Ein ahnliches Schicksal harte auch Syrakus erlitten. Wichtiger aber als der territoriale und materielle Gewinn war im Faile dieser drei Gro/Sstadte die Tatsache, daiS in ihnen Stadtstaaten derselben Gro/Senordnung wie Rom selbst eliminiert waren.
Ausbau und lntensivierung der romischen Herrschaft in Italien Der Zweite Punische Krieg leitete so direkt tiber in eine Phase des Ausbaus und der Intensivierung der ri.imischen Herrschaft in Italien. Dieser Proze/S erfa/Ste dabei in srarkstem Ma/Se die bisher nur wenig beriihrten Randzonen im au/Sersten Siiden wie im au/Sersten Norden der Halbinsel. So wurden jetzt Lukanien und Bruttium, jene Landschaften, die bisher schon allein aus geographischen Grunden lediglich im Vorfeld der romischen Macht lagen, und die iiberdies bis zuletzt Hannibals reduit gebildet hatten, erheblich beschnitten. Zwischen Buxentum und Thourioi im Norden wie zwischen Hipponium und Scolacium im Siiden durchzogen fortan geschlossene romische Landstreifen den Auslaufer der Apenninhalbinsel zwischen dem Tyrrhenischen und Jonischen Meer. Die alten Durchzugsgebiete der Gebirgsstamme waren damit aufgespalten und romisch durchsetzt. In einer ahnlich systematischen Weise ging Rom gleichzeitig auch im Norden Italiens vor. Hatte man bisher in die Poebene vorgefuh!t, so wurde sie erst jetzt ganz fur Rom erschlossen. Freilich gingen hier die Kampfe auch noch nach Karthagos Kapitulation fur rund ein Jahrzehnt weiter. Denn die ke!tischen Stamme ni.irdlich des Apennins und im Zentrum der Poebene wie die ligurischen Stamme westlich von ihnen und im Kiistenstreifen der Riviera hatten sich eng mit den Karthagern eingelassen. Sie wurden auch noch immer von karthagischen Offizieren und Spezialisten unterstiitzt und hielten ihren Widerstand gegen Rom unbeirrt aufrecht. 191 v. Chr. hatte sich Rom auch hier durchgesetzt. Es begniigte sich nun nicht mehr mit der Wiederherstellung der alten Vorpostenkolonien Placentia und Cremona, vielmehr wurden im Laufe der
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Expansion im Westen zwischen 201 und 133 v. Chr.
A = ViaAppia AE = Via Aemilia AU = Via Aurelia F = Via Flaminia L = Via Latina P = Via Postumia PO = Via Popilia V
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Skizze Nr. 7: Die romischen Fernstranen
= Via Valeria
Ausbau der romischen Herrschaft in Italien
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achtziger Jahre des zweiten Jahrhunderts v. Chr. jetzt auch in Pisaurum, Parma und Mutina ri:imische Kolonien, in Bononia, Aquileia und Luca solche latinischen Rechts angelegt. Schon im Jahre 187 v. Chr. aber ist in der Via Aemilia die groBe FernverkehrsstraBe am NordfuB der Apenninen durchgezogen worden, die Placentia auf dem kiirzesten W ege mit Ariminum verband und dort an die a!te Via Flaminia anschloB. Durch die Impulse der Koloniegriindungen, die zugleich starke wirtschaft!iche Initiativen ausli:isten, und durch den AnschluB an das zentrale ri:imische Verkehrsnetz leitete die Republik im oberitalischen Raum einen ungewi:ihnlich erfolgreichen RomanisierungsprozeB ein. Die Provinz Gallia Cisalpina ist in seinem Verlauf schlieB!ich so vollstandig mit den ganz anders strukturierten Landschaften siidlich der Apenninen verbunden worden, daB sich jeder moderne Betrachter immer wieder die urspriingliche Sonderstellung des keltischen Oberitaliens ins BewuBtsein rufen muB, so konsequent wurden die Gegensatze fortan abgetragen. Der volle Einsatz ri:imischer und latinischer Krafte in diesem Raum zwang nun freilich auch zum Schutz der Flanken. Im Osten wurde im Jahre 181 v. Chr. die latinische Kolonie Aquileia am weitesten vorgeschoben und damit eine Handelsbasis geschaffen, die schon bald bis weit nach Karnten hinein ausstrah!te und sich rasch zu einer der bliihendsten Stadte Italiens entwicke!te. Eine vergleichbare Basis feh!te im Nordwesten, an der ligurischen Kiiste hinkte die ri:imische Expansion nach. Einzig in Luna, nordwest!ich von Pisa, wurde 177 v. Chr. eine Kolonie angelegt, und erst urn die Mitte des 2. Jahrhunderts ist dann auch in der Via Postumia eine StraBenverbindung zwischen Placentia und Genua geschaffen worden. An der ligurischen Kiiste verlieB sich Rom auf die traditionelle Freundschaft mit Massilia. Dies galt selbst jetzt, da die Repubik tiber Besitzungen in Spanien verfiigte, zu denen sie noch fur lange Zeit keine eigene Landverbindung besaB. Auch am FuB der Alpen blieb Rom stehen. Sie wurden erst 15 v. Chr. endgiiltig erobert.
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Expansion im Westen zwischen 201 und 133 v. Chr.
Die romische Expansion in Spanien In Spanien hatte Rom, nach Kriegsrecht, den alten Besitz der Barkiden iibernommen und arrondiert. Doch diese spanischen Territorien diirfen weder im Hinblick auf ihre Ausdehnung noch im Hinblick auf die Intensitat der romischen Herrschaft iiberschatzt werden. FlachenmaBig bildete das ri:imisch beherrschte Gebiet zunachst lediglich einen mehr oder weniger tiefen Randstreifen im Osten und Siiden der Iberischen Halbinsel. Im Siiden hatte dieser sein Kerngebiet im Raume des Baetis, im modernen Andalusien. 197 v. Chr. wurde hier die Provinz Hispania ulterior eingerichtet. Das andere Zentrum des romischen Randsaumes lag im Nordosten der Halbinsel, im modernen Katalonien. Zu diesem nordostlichen Zentrum, das in Tarraco seinen Mittelpunkt besaB, wurde ein weit nach Siiden, his iiber Cartagena hinaus vorspringender Kiistenstreifen hinzugeschlagen, als, ebenfalls 197 v. Chr., die Provinz Hispania citerior organisiert worden ist. Schon in der Obergangszeit einer improvisierten Kriegsverwaltung in die regulare Provinzialadministration lieBen die Romer die Maske des Befreiers vom punischen Joch fallen. Den spanischen Stadten und Stammen wurde rasch klar, daB sie nur den Herrn gewechselt hatten und daB der Alltag der ri:imischen Herrschaft anders aussah als die groBziigigen Gesten, mit den en sie einst Scipio fiir Rom eingenommen hatte. Der Betrieb der Bergwerke wurde sogleich intensiviert. Allein in den Gruben von Carthago nova arbeiteten nach Polybios' Angaben im zweiten Jahrhundert v. Chr. an die 40000 Sklaven. Der tagliche Gewinn wurde auf 25 000 Den are eingeschatzt. Doch es gingen nicht nur diese Anlagen wie die groBen punischen Giiter in den Besitz des ri:imischen Volkes ii her, sondern kiinftig wurden auch von der Mehrzahl der Siedlungen und Stamme regelmaBige Abgaben erhoben. Der Druck wurde so stark, daB schon bald die ersten Aufstande aufflammten, der Widerstand gegen Rom hielt Jahrzehnte hindurch an. Die Kampfe gegen Keltiberer und Lusitaner zogen sich, mit einigen Unterbrechungen, his 133 v. Chr. hin. In dem klassischen Land des Guerillakrieges und angesichts des fan atisch en Widerstandes der zahllosen kleinen Gebirgssiedlungen wie der wiederholten tiefen Einfalle lusitanischer Gruppen in das ri:imische Hinterland konnte sich die ri:imische Armee nur miihsam behaupten und nur Iangsam Erfolge erringen.
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LAT!Bruder< hervor, der fur ihn sprechen sol!: Der Dichter wei/~, da/1 allem was er schreiben mag biiswillige Blickc folgen, da/1 der Gegner Neid auch dieses Stuck verlastert, das zu schaun ihr kamt. Drum will er selbst sein Klager, ihr sollt Richter sein, ob was er tat, Verdammung oder Lob verdient. Es gibt ein Stuck des Diphilos, dem Plautus nach sein eignes schrieb, das todgeweihte Liebespaar. Beim Griechen raubt ein Jungling in des Stucks Beginn ein Madchen aus des Kupplers Haus. Die Szene fehlt bei Plautus ganz, doch unser Dichter nahm sie auf in seine 'Bruder', nachgebildet Wort urn Wort. Dies Stuck erscheint als neues heut. Erkennt ihr, ob dies ein Diebstahl heillen soli, ob nachgeholt die Szene, die ein andrer sorglos liegen lie!l. Was jene sonst in ubler Absicht ausgesprengt, dall grolle Herren beim Dichten ihm behilflich sein,
Anfange romischer Literatur und Kunst
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das halten jene fur gewalt'gen Schimpf, doch er fur hochstes Lob, wenn er der Manner Beifall hat, die euren Beifall haben und des ganzen Volks, von deren Hilf' in Krieg und Fried' und Friedenswerk zur Zeit sein Teil zu nehmen keiner sich geschamt. (Ubertragung Fr. Leo.)
Auch bei Terenz ist ein fortschreitender Zug zur Individualisierung zu fassen, obwohl auch er die eigene Produktion nur in der Auseinandersetzung mit den griechischen Vorbildern aufnehmen konnte. Bildung, Literatur und Kunst Roms blieben auch kunftig auf den Dialog mit den griechischen exempla angewiesen. Die alten italischenKrafte und Formen, die Feste, Tanze, Umzuge und Stegreifdichtung mancherlei Art gesta!tet hatten, wurden mehr und mehr uberlagert von der romischen Spielart der hellenistischen Zivilisation. In dem ,Ich bin ein Mensch, drum gilt nichts Menschliches mir fremd" (homo sum, humani nil a me alienum puto) war von Terenz eine Dberzeugung formuliert, die eine betont humanistische Haltung im besten Sinne des W ortes begri.inden konnte. Im Bereich der romischen Kunst dominierten in dieser Epoche die Nutzbauten. Jetzt erst wurden im Mortelbau, dem Gebrauch von Gugmauerwerk und der Verwendung von Bogengewolben jene technischen Voraussetzungen geschaffen, welche dann die Blutezeit der romischen Architektur begrundeten. In Rom selbst entstand erst nach der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. der erste Marmortempel, in einer Reihe von Basiliken und anderen Nutzbauten zeichneten sich bescheidene Ansatze der spateren imperialen Architektur der grogen Metropole ab. Charakteristisch fur die romischen Prioritaten ist dagegen die planmagige Anlage von Fernstragen, Brucken und Aquaedukten. Auch in Malerei, Plastik und anderen Kunstgattungen liegen erst vereinzelte, wenngleich teilweise historisch bedeutsame Werke vor, wie in den Reliefs jenes Frieses, mit dem Aemilius Paullus nach der Schlacht bei Pydna den Pfeiler einer Reiterstatue in Delphi verzieren lieg. Die Elutezeit der romischen Portratkunst sollte erst im 1. Jahrhundert v. Chr. anbrechen. Ihren Bedarf an Kunstwerken deckten die romischen Aristokraten damals auf andere Weise. Schon im 2. Punischen Krieg waren, insbesondere aus Syrakus, zahlreiche griechische Meisterwerke nach Rom
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Roms inn ere Entwicklung im 2. Jahrhundert v. Chr.
geschleppt worden, und dieser Kunstraub gro£en Ausma£es wurde dann auch im folgenden Jahrhundert fortgesetzt. M. Fulvius Nobilior, Aemilius Paullus und L. Mummius wetteiferten darin, Hunderte von Bronze- und Marmorstatuen wie Gemalde aus Griechenland nach Italien zu transportieren und damit nicht nur Rom selbst, sondern auch italische Stadte auszuschmi.icken. Skrupel kannte man bei diesen Pliinderungen nicht, die bei den Transporten eingetretenen Verluste lassen sich nicht einmal abschatzen.
4. DIE REFORMVERSUCHE DER GRACCHEN
Die Krise der romischen Agrarwirtschaft Es ist seit Theodor Mommsen iiblich geworden, in dem Jahr 133 v. Chr. gleichsam das Epochenjahr der ,Romischen Revolution" zu sehen. Auch nachdem Ronald Syme !angst andere Akzente gesetzt hat und die Bedenken gegen die Anwendung des modern en Revolutionsbegriffes wuchsen, dominiert doch noch immer jene Periodisierung, welche an dieser Stelle die Epoche des grogen Umbruchs beginnen ]agt. Tatsachlich ist der offene Ausbruch der Krise unbestreitbar. So vielfa!tig deren oben besprochene Voraussetzungen, Verflechtungen und Zusammenhange sind, in den Mittelpunkt riickte mehr und mehr die Zuspitzung der Migstande im Bereich der Agrarwirtschaft und der Eigentumsverhaltnisse, speziell die Lage auf dem ager publicus, das heigt auf jenem Land, das sich rechtlich in Staatsbesitz befand. Der ager publicus war dadurch entstanden und immer weiter ausgedehnt worden, dag der romische Staat im Zuge seiner Expansion in Italien von allen unterworfenen Stadten und Stammen stets groge Areale annektiert hatte, haufig etwa ein Drittel des feindlichen Territoriums. Das so erworbene Staatsland wurde anfanglich wohl vor all em an Kolonisten und Einzelbauern aufgetei!t, spater gestattete man dann die sogenannte Okkupation, das heigt eine Besitznahme zum Zweck der wirtschaftlichen Nutzung unter ganz bestimmten Bedingungen. Einmal durften die Okkupanten das von ihnen beanspruchte Gebiet nur dann fiir sich ausniitzen, wenn sie dafiir eine besondere, wenn auch meist bescheidene Anerkennungsgebiihr (vectigal) an die romische Staatskasse entrichteten und damit das staatliche Eigentumsrecht an dem betreffenden Grund und Boden anerkannten. Daneben werden in der Dberlieferung Hochstgrenzen von Flachen genannt, iiber die hinaus ein Einzelner oder eine Familie Staatsland nicht okkupieren und nicht bewirtschaften durfte. Meist werden diese Grenzen in Zusammenhang mit den
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Die Reformversuche der Gracchen
beri.ihmten leges Liciniae Sextiae von 367 v. Chr. gebracht, allerdings ist ein solcher Ansatz in der neueren Forschung sehr umstritten. Denn in diesen Bestimmungen war als Hi:ichstflache des von einem ri:imischen Vollbiirger okkupierbaren Landes ein Areal von 500 iugera oder 125 ha genannt, auBerdem waren Hi:ichstzahlen fiir die Viehbestande festgesetzt, die ein Einzelner auf Staatsland bei W eidewirtschaft halten durfte, namlich 100 Stuck GroBvieh oder 500 Stuck Kleinvieh. Endlich galt noch eine weitere Bestimmung, die besagte, daB bei der Bewirtschaftung des ager p;-tblicus stets neben Sklaven auch freie Arbeiter zu beschaftigen waren. Die Vertreter der konservativen Ansicht, die diese Bestimmungen noch in das 4. Jahrhundert v. Chr. datieren, muBten immer gegen den Eindruck ankampfen, daB solche Werte und Bestimmungen doch wohl eher in spatere Zeit pas sen, als in die Epoche vor dem groBen latinischen Aufstand. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich besonders der italienische Althistoriker G. Tibiletti darum bemiiht, die genannten W erte und Bestimmungen als Ergebnisse einer langen Entwicklung zu erklaren. Tibiletti suchte den Nachweis zu fiihren, daB die Weideviehzahlen zu den 500 iugera an Ackerland noch hinzuzuzahlen seien, so daB nach seiner Rechnung der Gesamtumfang des okkupierbaren Landes fiir den Einzelnen hi:ichstens ca. 2300 iugera betragen hatte- womit ein zeitlicher Ansatz im 4. J ahrhundert v. Chr. nun selbstverstandlich iiberhaupt nicht mehr zu vereinbaren ware. Er stellt sich den Verlauf der Gesamtentwicklung so vor, daB am Anfang der Ri:imischen Republik lediglich das Patriziat ein Nutzungsrecht am Staatsland besessen hatte, daB dann im Laufe der Zeit, als immer mehr agerpublicus anfiel, so viel, daB er zuletzt von den Patriziern gar nicht mehr bewirtschaftet werden konnte, der Kreis der zur Okkupation Berechtigten immer weiter ausgedehnt worden sei, bis schlieBlich die iiberlieferten Hi:ichstzahlen in der 1. Halfte des 2. J ahrhunderts v. Chr. festgelegt wurden. Diese The sen, die den EntwicklungsprozeB der Nutzung des ager publicus wohl in einer durchaus plausiblen Weise erklaren wiirden, sind derzeit noch immer Gegenstand einer regen wissenschaftlichen Diskussion. Aber wie vieles nun auch an der Entwicklung des Okkupationsrechtes auf dem ager publicus strittig ist, das eine steht fest, daB es hier im Laufe des 3. und 2.Jahrhunderts v. Chr. zu gravierenden MiBstanden gekommen war. Die Abgaben an die Staatskasse wurden ebensowenig
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geleistet wie die Bestimmungen iiber die Hochstgrenzen eingehalten. Vor allem aber waren privater Landbesitz und okkupiertes Staatsland allmahlich so sehr verfilzt, daB sich in vie! en Fallen die Herkunft und die urspriingliche Abgrenzung der Parzellen gar nicht mehr feststellen lieBen. Der romische Senat hatte hier ganz bewu£t die Ziigel schleifen lassen. Umgekehrt hatte auch die romische Binnenkolonisation schon lange aufgehort, 177 v. Chr. war in Luna die letzte Biirgerkolonie angelegt worden, in den folgenden 40 J ahren wares zu keiner Neugriindung mehr gekommen. So stellten sich die Dinge dar, als nach der Jahrhundertmitte iiber Reformplane auf dem Agrarsektor wenigstens diskutiert wurde. Bei dem ersten Reformansatz, der mit dem N amen des Laelius verbunden ist, sind freilich keinerlei Einzelheiten iiber Inhalt und zeitliche Stellung der Plane bekannt. Es ist moglich, da£ die Oberlegungen schon in das Jahr 145 v. Chr. gehoren, als Laelius Prator war und die Entlassung der Kriegsteilnehmer von 146 v. Chr. gewi£ an aile diese Probleme riihrte, aber es ist doch wahl wahrscheinlicher, da£ die beabsichtigte Initiative erst in das J ahr 140 v. Chr. anzusetzen ist, als Laelius das Konsulat bekleidete. Doch wie immer nun die Plane des von Haus a us gewi£ nicht revolutionaren Laelius beschaffen waren, sie Josten einen solch entschiedenen Widerstand der Gro£grundbesitzer, das aber hie£ der Mehrzahl der Senatoren aus, da£ sogleich klar wurde, da£ es hier zu keiner Losung auf friedlichem W ege kommen konnte. Es mu£te nach dieser ersten Stichprobe jedem Politiker bewuBt sein, da£ er den Bestand der inneren Ordnung Roms in Frage stellte, wenn er jene Probleme aufgriff. Darin liegt die eigentliche Bedeutung des Reformversuches des Laelius fiir die Folgezeit. Offensichtlich hatte man im Kreis urn den jiingeren Scipio zwar erkannt, da£ die Agrarkrise Reformen erfordere, aber dann doch der Stabilitat der inneren Ordnung den Vorrang eingeraumt und deshalb von allen Eingriffen Abstand genommen. Das erwies sich deshalb als so kurzsichtig, wei! ein Aufschieben der notwendigen Reformen an dem Widerstand der Gro£grundbesitzer nichts andern, die Not aber nur zunehmen konnte. Ferner aber auch deshalb, wei! gerade damals durch Neuerungen in der Abstimmungsprozedur eine Beeinflussung der Plebs bei den Wahlen ganz wesentlich erschwert wurde. Im Jahre 139 v. Chr. wurde fiir Wahlen namlich die geheime Abstimmung mit Stimmtafelchen anstelle der offentli-
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chen Befragung unter vie len Zeugen eingefuhrt, zwei Jahre spater dann dasselbe Verfahren auch auf die Gerichtsentscheidungen der Volksversammlungen ausgedehnt.
Der Kreis der Reformer Von allen diesen Schwierigkeiten lief~ sich nun jedoch eine weitere Gruppe von Reform ern nicht beirren, die zu Beginn der dreiGiger Jahre die Agrarprobleme und die mit diesen gekoppelten gesellschaftlichen Notstande durchdachte. Auch hier handelte es sich -wie bei Laeliusnicht urn Demagogen von der StraGe, sondern urn angesehene Mitglieder der romischen Aristokratie. An der Spitze dieses neuen Kreises stand der uberaus ehrgeizigeprinceps senatus Appius Claudius Pulcher, der 143 v. Chr. das Konsulat bekleidet und damals auch seine Tochter mit dem jungen Tiberius Gracchus verheiratet hatte. Appius Claudius Pulcher war zwar kein ubermaGig befahigter, aber jedenfalls ein sehr ehrenwerter Mann, der den Reform ern seinen groGen N amen lieh. Zu diesem Kreis gehorten weiter die heiden Bruder, der hervorragende Addsjurist Publius Mucius Scaevola, sowie Publius Licinius Crassus Dives Mucianus. Des letzteren Tochter hat spater Gaius Gracchus geheiratet, so daG der Reformerkreis auch durch familiare und verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verflochten war, Beziehungen, welche spater auch bei der Durchfuhrung der Reformen eine bedeutsame Rolle spielen sollten, doch lag darin nach romischer Adelstradition durchaus nichts AnstoGiges.
Tiberius Gracchus
Zum eigentlichen Initiator aber sollte dann Tiberius Gracchus werden. Auch er zahlte ZU einer sehr angesehenen Familie der romischen Aristokratie, die schon seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. zur romischen Nobilitat gehorte. Sein Vater, der Censor Tiberius Gracchus, hatte in den spanischen Kriegen Roms eine wichtige Rolle gespielt, denn 179/178 v. Chr. war ihm dort ein FriedensschluG mit den Keltiberern gelungen, der Rom auf jenem Kriegsschauplatz immerhin bis
Tiberius Gracchus
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153 v. Chr. Ruhe schenkte. lm Jahre 177 v. Chr. hatte der Vater der Gracchen dann als Konsul erfolgreich in Sardinien gekampft und sich danach vor all em in seiner Censur von 169 v. Chr., die er zusammen mit C. Claudius Pulcher innehatte, durch seine Strenge einen geachteten N amen verschafft. Dieser Tiberius Gracchus, der sich spater wiederholt als politischer Gegner der Scipionen betatigte, heiratete als Fiinfziger die urn dreiBig Jahre jiingere Tochter des Scipio Africanus, Cornelia, die spater beriihmte ,Mutter der Gracchen", eine der ganz wenigen Frauengestalten, deren Andenken in Rom noch nach Jahrhunderten !ebendig war. Cornelia schenkte Tiberi us Gracchus im Laufe der Jahre zwolf Kinder, von denen allerdings nur drei am Leben blieben, der 162 v. Chr. geborene Tiberius Gracchus, dessen urn neun Jahre jiingerer Bruder Gaius und eine Tochter Sempronia, die 147 v. Chr. Scipio Aemilianus heiratete. Von der Erziehung und Kindheit des spateren Volkstribuns Tiberius Gracchus ist nur wenig Gesichertes bekannt. Im Alter von zwolf J ahren verlor er seinen Vater, fiinfzehnjahrig nahm er unter Scipio Aemilianus am 3. Punischen Krieg teil und zeichnete sich dabei schon beim Sturm auf Karthago aus. Die Wende in seinem Leben brachte jedoch das Jahr 137 v. Chr., als er als Quaestor des C. Hostilius Mancinus vor Numantia zu dienen hatte. Wenn eine Angabe des Plutarch richtig ist, der sich dafiir auf C. Gracchus beruft, so hat Ti. Gracchus auf seiner Reise nach Numantia in Etrurien beobachtet, wie verodet das reiche Land darniederlag und gesehen, daB auf den Feldern und Weiden keine einheimischen Bauern, sondern fremde Sklaven arbeiteten. Zu diesen personlichen Eindriicken von der Lage der italischen Landbevolkerung kamen dann in Spanien die enttauschenden Erfahrungen mit dem romischen Heer und schlieB!ich die Mitverantwortung fur die Kapitulation des Heeres des Hostilius Mancinus in auswegloser Situation vor Numantia, eine der schmachvollsten Katastrophen, welche die romische Armee hinnehmen muBte. Es kam zuletzt dann in Rom noch die Erbitterung iiber das Verhalten der romischen Aristokratie hinzu, die den Befehlshaber und die verantwortlichen Offiziere des ungliicklichen Heeres opfern wollte, Manner, die schlieBlich nichts anderes getan hatten, als daB sie eine vollig sinnlose Vernichtung der eingeschlossenen Verbande verhinderten. Allein das spatere Wirken des Ti. Gracchus erklart sich nicht nur aus
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diesen personlichen Erfahrungen und Ressentiments, sondern auch durch die Einfiusse griechischer Philosophie und Rhetorik. Von Plutarch wird in diesem Zusammenhang einmal Diophanes aus Mytilene genannt, der bedeutendste griechische Redner der damaligen Zeit, auBerdem noch der mit Ti. Gracchus eng befreundete Stoiker Blossius von Kyme, der Hausgast der Familie des P. Mucius Scaevola war, ein Mann, der Ti. Gracchus auch einige seiner philosophischen Werke widmete und der im ubrigen nach dem Untergang des Tiberius zu Aristonikos nach Pergamon ging. In neueren Forschungen ist daneben auch auf das Vorbild Spartas und die stoische Philosophie als Impulse fur die Gesetzgebung der Gracchen hingewiesen worden. Doch Prioritat kommt ihnen wohl nicht zu, auch die Gracchen orientierten sich in erster Linie an der politischen Tradition der romischen Fuhrungsschicht. Obwohl Ti. Gracchus in dem Reformerkreis urn Appius Pulcher das bei weitem jungste Mitglied war, entfaltete er doch die starkste Dynamik und riB schlieBlich seit dem Jahre 134 v. Chr., als er fur das Volkstribunat kandidierte, die Initiative an sich. Tiberius war ein reiner und konsequenter Idealist, der nur uber geringe Erfahrungen im politischen All tag Roms verfugte und der wahrscheinlich die Interessengebundenheit und Starrheit seiner Gegner bei wei tern unterschatzte. Von der spateren Entwicklung her gesehen war die Wahl des Volkstribunats als Basis fur die Reformtatigkeit scheinbar naheliegend- und doch zugleich verhangnisvoll. Denn hier ist zunachst zu bedenken, daB das Volkstribunat in den uber zweihundert Jahren, die seit den Standekampfen verflossen waren, seine alte revolutionare Tradition weithin eingebuBt hatte. Durch die engen Bindungen des Volkstribunats an den Senat war das Amt !angst aus seiner urspriinglichen Funktion herausgenommen, und umgekehrt entsandten die Mitglieder der politisch fuhrenden Kreise stets auch ihre Vertrauensleute in das Kollegium der Volkstribunen und waren damit, bei Gefahr fur ihre Interessen, in der Lage, rechtzeitig die Verfassungsnotbremse des Vetos eines der zehn Volkstribunen ziehen zu lassen. Aber Ti. Gracchus hatte in der Praxis gar keine andere Wahl, als diese Basis ZU wahlen, denn erstens bot das Tribunat die Moglichkeit, Gesetzesantrage direkt vor das Yolk zu bringen, und zweitens brachte Tiberius allein fur dieses Amt das erforderliche Alter mit, wahrend er auf das Konsulat, das selbstverstandlich groBere
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Moglichkeiten bot, selbst im giinstigsten Fall noch rund vierzehn Jahre hatte warten miissen. Fiir einen VorstoB der Reformer war indessen die politische und personelle Lage im Jahre 133 v. Chr. nicht ungiinstig. Ein Mitglied ihres Kreises, der Jurist P. Mucius Scaevola, war fiir 133 v. Chr. zum Konsul gewahlt, dem zweiten Konsul des Jahres 133, Calpurnius Piso, waren durch den Sklavenkrieg auf Sizilien die Hande gebunden, der einfluBreichste Gegner im Senat, Scipio Aemilianus, blieb vor Numantia und war somit nicht in der Lage, personlich in die romische Innenpolitik einzugreifen. Jedenfalls hatte Ti. Gracchus bei den Wahlen zum Volkstribunat fur 133 v. Chr. Erfolg und schon bald nach dem Beginn seines Amtsjahres, am 10. Dezember134 v. Chr., begann er dann auch mit der Agitation fur sein Programm einer Agrarreform. Dabei kam ihm zustatten, daB er seine Zuhorer als geschulter Rhetor zu packen verstand und wahrscheinlich sind von ihm damals auch die provozierenden, bei Plutarch (Tiberius Gracchus, 9) uberlieferten und so oft nachgeschriebenen Satze gepragt worden: ,J edes wilde Tier, das bei uns hier in Italien lebt, hat seine Hohle, seinen Schlafplatz, seinen Schlupfwinkel. Aber die Manner, die fur dieses Italien kampfen und sterben, haben auf nichts anderes ein Anrecht, als auf Luft und Licht. Heimatlos, ohne ein Dach uber dem Kopf, irren sie mit ihren Frauen und Kindem durch das Land. Die Feldherrn lugen, wenn sie die Soldaten in der Schlacht auffordern, ihre Familiengraber und Altare gegen den Feind zu verteidigen. Denn von all' diesen romischen Mannern besitzt ja keiner mehr den Hausaltar und die Grabstatte seiner Vorfahren. Fur Luxus und Reichtum anderer setzen sie im Krieg ihr Leben ein. Herren der Welt werden sie genannt: in Wirklichkeit gehort ihnen keine einzige Scho lie." Der Gesetzesantrag, fur den Ti. Gracchus mit so ungewohnlicher Leidenschaft warb, war indessen auBerordentlich umsichtig aufgebaut und sehr sorgfaltig auf aile abgestimmt, die von den Problemen beriihrt wurden. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man zumindest hinter den Grundlinien des Reform programmes den Rat der kundigen Juris ten des Kreises vermutet. Es war schon von vornherein ein sehr geschickter Schachzug des Ti. Gracchus, daB er keine umsturzenden Neuregelungen fur den ager publicus forderte, sondern daB er lediglich die Wiederinkraftsetzung der alten Hochstgrenzen verlangte, wobei er den Okku-
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panten sogar noch entgegenkam, indem er die Besitzgrenzen in bestimmten Fallen erweiterte. Denn Ti. Gracchus wollte in seinem Akkergesetz zwar die bisherige Hi:ichstgrenze fur den Besitz an ager publicus im Umfangvon 500 iugera als Norm wieder einfuhren. Hatte der betreffende Besitzer aber Kinder, so konnte der Umfang je Kind urn weitere 250 iugera vergri:igert werden, doch sind die Einzelheiten fur diese Beriicksichtigung der Kinder umstritten. Dabei blieb das fruchtbarste Gebiet Italiens, der sogenannteager Campanus, von der Reform ausgenommen. Der zweite Teil des neuen Gesetzes beschaftigte sich mit der Einziehung und mit der N euaufteilung derjenigen Areale des ager publicus, die nach der genannten Reform frei wurden. Auf ihnen sollten kleine Bauernstellen von hi:ichstens 30 iugera = 7ha geschaffen und Neusiedlern in einer Art von ,Erbpacht" ubertragen werden, das heigt die Inhaber der neuen Siedlerstellen hatten ebenfalls eine kleine Abgabe an den Staat zu leisten, die indessen wiederum eher eine Art Anerkennungsgebuhr als eine wirkliche Belastung darstellte. Im ubrigen sollten die kleinen Landlose zu unveraugerlichem Besitz ubertragen werden. Die Einschrankung des freien Verfugungsrechtes warder Hebel, mit dem Tiberi us die angestrebte Wirkung erzielen wollte. Urn diese Konsequenzen der Reform in die Wege zu leiten, sollte eine aus drei Mannern bestehende Kommission gebildet werden, die Triumviri agris dandis adsignandis, wie sie dann zuerst hiegen, oder die Triumviri agris iudicandis adsignandis, wie sie spater benannt wurden. Jedenfalls hatte diese Kommission die Neuverteilung der an den Staat zuriickfallenden Parzellen zu organisieren und die neuen Siedlungsstellen mit der ausdrucklichen Auflage zuzuteilen, dag diese nicht veraugerlich waren. Der Gesetzesentwurf, den Ti. Gracchus selbstverstandlich schon vor der entscheidenden Abstimmung in der Volksversammlung propagierte, li:iste eine lebhafte Diskussion aus und in allen Bevi:ilkerungsteilen wurden jetzt lange aufgestaute Gefuhle, Wunsche oder Befurchtungen wach. Dag die Mehrzahl der Kleinbauern und Plebejer fur das Gesetz eintrat, war vorauszusehen, wohl kaum dagegen die vollig kompromiglose und geschlossene Ablehnung des Reformvorschlages durch die Senatoren und Grundbesitzer. Denn die Vorlage hob zwar einerseits alte Gewohnheitsrechte wieder auf, andererseits bot sie den bisherigen Okkupanten aber doch auch eine gewisse Kompensation, denn das okku-
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pierte Land sollte in betrachtlichem Umfang nunmehr in ihr endgultiges Eigentum ubergehen. W enn man nuchtern abwagt und die Interessenlage beri.icksichtigt, so standen dem Reformplan vornehmlich zwei Schwierigkeiten entgegen. Erstens waren die Besitzverhaltnisse auf dem ager publicus wei thin unklar, denn das okkupierte Land war inzwischen zu einem betrachtlichen Teil schon durch mehrere Han de gegangen; echter Privatbesitz undager publicus lieBen sich gar nicht mehr in allen Fallen auseinanderziehen. Zweitens aber beri.icksichtigte die Reform wahrscheinlich nicht in ausreichendem MaBe, daB auf dem okkupierten Land zum Teil erhebliche Investitionen vorgenommen worden waren, in Bauten, Kanalisation, Bodenmelioration und so fort. DaB dafur Entschadigungen vorgesehen waren, wird lediglich von Plutarch erwahnt- auf jeden Fall war die Entschadigungsfrage fur die ehemaligen Okkupanten des ager publicus allem Anschein nach nicht befriedigend gelost worden. Der Haupteinwand der Nobilirat war indessen die Tatsache, daB hier im Prinzip das Kleinbauerntum auf Kosten der Nobilirat gestarkt werden sollte. Es war zudem iiberhaupt eine offene Frage, ob die inzwischen nach Rom ubergesiedelten, ehemaligen freien Bauern und die ubrigen Proletarier wirklich noch einmal zu einem lebensfahigen Bauerntum formiert werden konnten. Im Endergebnis sind solche Zweifel nur allzusehr bestatigt worden. Dennin vielen Fallen haben die Neusiedler ihre klein en Hofe sparer wieder verkauft, so bald sie dazu nur ein Recht und die Moglichkeit hatten. SchlieBlich sind auch jene Bedenken nicht vollig zu zerstreuen, die sich gegen den Weg richteten, den Ti. Gracchus damals einschlug. Denn der ubliche Weg fur einen solchen Gesetzesantrag sah doch wohl zunachst die Vorberatung im Senat vor. Nach den Vorgangen unter Laelius hat Ti. Gracchus die sen W eg aber gar nicht erst in Erwagung gezogen, sondern den Antrag sofort vor das Volk gebracht, so wie das rund 100 Jahre vor ihm auch C. Flaminius mit seinem Siedlungsgesetz getan hatte. Damit war der Gesetzesantrag des Ti. Gracchus in eine ganz bestimmte Tradition gestel!t und von allem Anfang an zu einer Kampfvorlage geworden. Die Volksversammlung des Fri.ihjahrs 133 v. Chr., auf der uber die Vorlage abgestimmt werden so lite, nahm dann freilich einen ganz anderen Verlauf, als die Reformer erwartet hatten. Zunachst begri.indete
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Ti. Gracchus in ausfi.ihrlicher Weise seinen Gesetzesantrag in einer beri.ihmten Rede, die als eine der klassischen Staatsreden des A!tertums lange Zeit bekannt war, einer Rede, deren Grundlinien aus Appian und Plutarch noch zu rekonstruieren sind. Aber in dem Augenblick, als Ti. Gracchus nun befahl, den zur Abstimmung gelangenden Gesetzesentwurf vorzulesen, legte sein Kollege im Volkstribunat, M. Octavius, vollig i.iberraschend sein Veto ein und erreichte damit die Auflosung der Volksversammlung.
Die Absetzung des Volkstribuns Octavius Auf diese Weise hatte die romische Aristokratie mit einem vollig !egalen Mittel zunachst die Vertagung der Abstimmung erzwungen und damit aber auch schon zu erkennen gegeben, auf welche Art sie die Vorlage aufha!ten wol!te. Denn solange Octavius an seinem Veto festhie!t, konnte Ti. Gracchus die Abstimmung nicht vornehmen lassen. Durch den Schritt des Octavius und durch die Erkenntnis der Sackgasse, in die man geraten war, erhitzten sich die Gemi.iter immer starker. Fi.ir Tiberius war zudem die Frage, ob das Gesetz durchkam oder nicht, auch personlich eine Frage der politischen Existenz. Eine neue Katastrophe konnte er sich als junger Politiker einfach nicht leisten. Wie sehr sich die Atmosphare der politischen Auseinandersetzung jetzt verscharfte, geht am besten daraus hervor, daB nun auch Ti. Gracchus nach allen Richtungen interzedierte und die Magistrate an ihren Amtshandlungen hinderte, wodurch er zwar den Staatsapparat lahmlegte, fiir sein Gesetz aber nati.irlich i.iberhaupt nichts erreichte. Auf heiden Seiten griff man gleichzeitig zu fast theatralischen Mitteln, urn Eindruck zu machen: Die Nobilitat legte Trauer an, Ti. Gracchus, der als Volkstribun sakrosankt war, fi.ihrte eine Waffe zur Verteidigung mit sich. Nachdem beide Seiten sound ahnlich Stimmung gemacht hatten, war ein geordneter Verlauf der nachsten Volksversammlung, die erst nach einiger Zeit anberaumt worden war, schon von vornherein ausgeschlossen. Da es auf jener Versammlung gleich anfangs zu Tumulten kam, redeten einige Manner Tiberius zu, er solle doch den Senat einschalten. Obwohl dessen Entscheidung nach Lage der Dinge nicht im Sinne von Ti. Gracchus ausfallen konnte, wollte dieser doch nichts unver-
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sucht lassen. Er ging deshalb den Versuch ein, der prompt ergebnislos endete. Nach dem Scheitern dieses Versuches war Tiberius indessen entschlossener denn je, seine Sache auf Biegen oder Brechen durchzusetzen. Er ging wieder in die Volksversammlung zuriick und machte dort bekannt, dag er das romische Volk fiir den nachsten Tag noch einmal zu einer Volksversammlung einberufe, und zwar so lie Punkt 1 der Tagesordnung sein Antrag fur ein Ackergesetz sein, bei einem weiteren Veto des Octavius aber solle auch iiber dessen Absetzung abgestimmt werden. Bei der Beurteilung der Handlungsweise des Octavius ist zu beriicksichtigen, dag in der Generation vor den Gracchen lediglich ein tribunizisches Veto bekannt ist und dag bei Kontroversen der Tribunen untereinander in der Regel das Volk entschied. In der von Tiberius fiir den folgenden Tag einberufenen Volksversammlung wurde dann auch tatsachlich so verfahren, nachdem die letzten Einigungsversuche gescheitert waren. Octavius hie!t sein Veto aufrecht und Ti. Gracchus stellte daraufhin den Antrag, das romische Volk moge den von ihm gewah!ten Volkstribunen wieder absetzen, wei! dieser sein Amt gegen die lnteressen des Volkes benutzt habe. Nach Plutarch sollen die Schliisselsatze der Argumentation des Ti. Gracchus so gelautet haben: ,Der Tribun ist ein heiliger unverletzlicher Magistrat, wei! er dem Volk geweiht und zum Schutz des Volkes berufen ist. Wenn er nun aber seiner Bestimmung untreu wird, wenn er sich gegen das Volk vergeht, dessen Macht schmalert und es an der Ausiibung seines Stimmrechtes hindert, dann nimmt er sich selbst seine Wiirde, wei! er sie nicht zu dem Zweck gebraucht, fiir den er sie erhie!t. Wahrhaftig, wenn er mit Recht durch Stimmenmehrheit das Volkstribunat erhielt, mit wieviel mehr Recht wird er dann durch einen einstimmigen Besch]ug abgesetzt." (Tiberius Gracchus, 15.) Der Antrag des Tiberius wurde tatsachlich von allen 35 Tribus angenommen, die Abrogation des Octavius sofort vollstreckt - der damit zum Privatmann wurde. Als Tribun ist er einige Zeit spater durch einen gewissen Mucius ersetzt worden, der natiirlich keine Schwierigkeiten bereitete. Nach diesem revolutionaren Akt, der in der romischen Dberlieferung immer als eine seditio beurtei!t wurde, hatte Ti. Gracchus fiir sein Ackergesetz freie Hand. Es wurde nun rasch angenommen und sogleich sind auch die drei Mitglieder der Ackerkommission bestimmt
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worden, namlich Ti. Gracchus selbst, sein Bruder Gaius - obwohl dieser gerade in Spanien weilte und erst zwanzig Jahre a!t war und als dritter schlieG!ich der Schwiegervater des Ti. Gracchus, Appius Claudius Pulcher. Damit war Ti. Gracchus auf dem Gipfel seiner Laufbahn angelangt, einige Tausend Menschen gaben ihm das Geleit. Allein der Triumph in der Ackergesetzgebung war mit der Absetzung des Octavius teuer erkauft. Dieser bedenkliche Schritt schadete Tiberi us wie dem Reformgedanken auGerordentlich, denn viele Romer, die durchaus bereit waren, Reformen auf legalem Wege zu unterstutzen, wurden jetzt durch die Anwendung revolutionarer Mittel abgestoGen und auf die Seite der Gegner gedrangt. Denn die Vorstellung, daG ein Inhaber eines Amtes primar den Interessen des ri:imischen Volkes zu dienen habe, und wenn er das nicht tue, auch wieder absetzbar sei, entsprach lediglich griechischen Gedankengangen, die sich in starker Vergri:iberung mit dem modernen Begriff der Volkssouveranitat vergleichen lassen, Gedankengangen, die mit stoischen Einflussen erklart werden- mit den ri:imischen Vorstellungen uber das Wesen der Magistratur jedoch nicht zu vereinigen sind. Denn eine ,Volkssouveranitat" hat es in Rom nie rein - oder nur ganz theoretisch gegeben. Vor allem den ri:imischen Senatoren muGte es als vi:illig unzumutbar erscheinen, sich den souveranen Entscheidungen jener Plebs zu unterwerfen, die sich inzwischen in Rom gebildet hatte, einer Plebs, die !angst nicht mehr mit der freien Burgergemeinde der Anfange identisch war. Wenn man die Verfassungsvorstellungen des Ti. Gracchus konsequent zu Ende dachte, war in Zukunft zudem nicht mehr der Senat das maGgebende Gremium im ri:imischen Staat, sondern die Volksversammlung, und das weitere Schicksal des Ti. Gracchus wie das spatere des Gaius lehren bereits, daG dann auch die Reformer selbst von diesem Gremium abhangig werden muGten, daG sie zu immer gri:iGeren Zugestandnissen geni:itigt werden konnten, fur die die moderne Errungenschaft der ,Gefalligkeitsdemokratie" ein Euphemismus ist. Man ki:innte nun einwenden, daG es fur Absetzungen damals ein naheliegendes Beispiel gab. Denn im Jahre 137 v. Chr. wurde in Spanien der Proconsul A. Aemilius Lepidus, der erfolglos gegen die Vaccaeer operiert hatte, vom Senat abberufen und durch einen anderen Befehlshaber ersetzt. Doch kann der Fall des Lepidus deshalb nicht als Praze-
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denzfall gelten, wei! es sich bei ihm lediglich urn einen Promagistrat hande!te, wahrend der Fall des Octavius tatsachlich der erste, aus historischer Zeit bekannte Fall einer abrogatio eines Magistrats darstellt. Sie mufhe deshalb an die Grundlagen der romischen Verfassung riihren, wei! man bei konsequentem Vorgehen nach demselben Prinzip ja auch einen Konsul oder Prator im Amtsjahr absetzen konnte. Eine andere Frage ist es, ob es fur Ti. Gracchus nach dem Einspruch des Octavius nicht doch noch einen Weg gab, urn auf legalem Wege zum Ziele zu kommen. Ernst von Stern hat in diesem Zusammenhang einmal gemeint, Tiberius hatte doch nur zu warten brauchen. Naturlich hatte Octavius bis zum Ende seines Amtsjahres immer wieder interveniert. Aber nach Ansicht von Sterns hatte das romische Yolk im Sommer 133 v. Chr. doch nur Volkstribunen zu wahlen brauchen, welche sich auf das Reformprogramm des Ti. Gracchus verpflichteten und nach dem 10. Dezember 133 v. Chr. ware dann fur das neue Kollegium der Weg frei gewesen, den Antrag des Ti. Gracchus erneut zur Abstimmung vorzulegen. Aber von Stern hat dazu bereits selbst eingeraumt, daB man eben nirgendwo inmitten einer revolutionaren Hochstimmung warten konne oder Geduld habe. In der >Weltgeschichte< hat Leopold von Ranke diese Vorgange so aufgefaBt: ,Man erlebte jetzt, daB die allgemeinen Ideen des Jahrhunderts in die romische Republik eindrangen, es war die erste politische Einwirkung ihrer Ku!turverbindung mit Griechenland." Nachdriicklich spricht Ranke von dem ,politischen Idealism us", der bei Ti. Gracchus erstmals begegnet, und folgert: ,Die Sache hat auch fur die Nachwelt ein groBes Interesse; denn Gegensatze, wie die angedeuteten, gibt es immer, und was man Fortschritt nennt, ist mit einer strengen Beobachtung der bestehenden Gewohnheiten und Zustande unvereinbar. Die moderne Bewegung der Welt ist von diesem Idealismus groBenteils ausgegangen . . . " Es ware ein voreiliger SchluB, auf Grund der eingetretenen Entwicklung die ,Schuld" fur den Ausbruch der ,Revolution" gleichsam zu personalisieren und sie allein Tiberi us Gracchus anzulasten. Denn so vie! ist gewiB, daB auch das Festha!ten des M. Octavius an seinem Veto als Bruch der romischen Verfassungstradition interpretiert werden kann. Konsequenten Legalisten muB sich im Gegenteil die Erkenntnis aufdrangen, daB O(;tavius weitaus starker gegen die Tradition verstieB als
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Tiberius Gracchus. Jedenfalls begann von seinem Veto an auf heiden Seiten eine praktisch irreversible Eskalation. Erst in ihrem Rahmen wurde Tiberius Gracchus, wie man gesagt hat, ,das klassische Exempel" fiir den Schritt von der Reform zum Umsturz. Die Reformtatigkeit des Ti. Gracchus ist keineswegs von Anfang an als Kampf der Armen gegen die Reichen, noch weniger als ,Klassenkampf" zu verstehen. Ein Vorgehen, das sich durchaus in Einklang mit der bestehenden Gesellschaftsordnung bringen lieg, ja zu deren Regeneration beitragen mugte, wurde durch die Ma£nahmen der Gegenseite immer starker radikalisiert. Ti. Gracchus tei!t somit das Schicksal nicht weniger junger Menschen der verschiedensten Generationen, die erst angesichts des starren und kompromi£losen Widerstandes einer herrschenden Schicht, die sich aus Prinzip allen Versuchen entgegenstemmt, Mi£stande und Not innerhalb des jeweiligen Gesellschaftssystems zu beheben, radikalisiert werden und schlie£lich die Briicken zu ihrer eigenen gesellschaftlichen Gruppe abbrechen. In der Sache warder Kampf des Ti. Gracchus gegen M. Octavius sowohl ein Kampf gegen das Vetorecht seines Kollegen, damit gegen Kompetenz und Unantastbarkeit des Volkstribunats, als auch ein Kampf gegen den formaljuristisch durchaus moglichen Einsatz des Volkstribunats im Interesse der Nobi!itat. Denn auch dieses Beispiel sollte Schule machen. Wie eindrucksvoll der Abstimmungserfolg des Ti. Gracchus in der Volksversammlung auch gewesen war, seine Sache hatte doch schon bald darunter zu lei den, da£ sich die Anhangerschaft der Reformer zerstreute. Die Reformeuphorie des Anfangs war rasch verflogen. Die Bauern, die Tiberius' srarkster Riickhalt gewesen waren, zogen zur Vorbereitung ihrer Erntearbeiten nach Hause, wahrend sich in Rom selbst zugleich der Widerstand gegen den Reformer versteifte. Im Senat machte man kein Hehl daraus, da£ manTi. Gracchus nach Ablauf seines Amtsjahres wegen der Verletzung der sacrosanctitas des Volkstribunen und wegen der Erregung ganz Italiens belangen wolle. Es kam zu hitzigen Wortwechseln, bei denen Tiberius gelegentlich auch den kiirzeren zog. Fiir ihn konnten lediglich die Ergebnisse der Ackerkommission sprechen, aber deren Arbeit gewann nur Iangsam Gestalt, und schon bald sah sich Tiberius zudem gezwungen, durch Erganzungsgesetze die eingetretenen Schwierigkeiten zu beheben, ein Zeichen dafiir, da£ die praktischen Schwierigkeiten der Aufgabe von den Reformern
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nicht geni.igend beri.icksichtigt und weithin wohl auch ganz einfach unterschatzt worden waren. Die Schwierigkeiten und Reibungen ergaben sich vor allem an folgenden Stellen: Wie schon angedeutet wurde, muBte die Kommission zunachst in weitem AusmaB Eigentumsverhaltnisse i.iberpri.ifen. Da hier unter Umstanden endlose Prozesse zu erwarten waren, lieB Ti. Gracchus der Kommission auch das Recht der richterlichen Untersuchung und der Entscheidung aller strittigen Faile i.ibertragen. Die Kommission wurde damit Richter in eigener Sache und muBte sich auf lange Sicht vielfaltigen An griff en aussetzen- doch war eine Forcierung der Bodenreform unter den gegebenen Verhaltnissen wohllediglich auf diesem Wege mi:iglich. Noch heftiger als gegen dieses Erganzungsgesetz wurden aber die Reaktionen gegen ein zweites. Denn das nachste Problem, das schon bald auftauchte, war die materielle Ausri.istung der neuen Siedler. Mit der Obertragung von Grund und Boden allein war es bei ihnen nicht getan, zur Bewirtschaftung der zugewiesenen Parzellen verfi.igten diese Leute weder i.iber das erforderliche Gerat noch i.iber die erforderlichen Kapitalien. In diesem AugenbEck muBte das attalidische Erbe wie ein Geschenk des Himmels erscheinen, denn aus den graBen Einnahmen der ehemaligen pergamenischen Monarchie konnten, nach der Ansicht der Reformer, Ieicht die Mittel fi.ir die materielle Ausri.istung der neuen Bauern gewonnen werden. Aber indem Ti. Gracchus eine solche Verwendung dieser Mittel in der Volksversammlung beschlieBen lieB, griff er in traditionelle Aufgabenbereiche und Kompetenzen des Senates ein, dem von alters her die Verwaltung der Provinzen ebenso zustand wie die Aufstellung des Staatshaushaltes. Er muBte sich erneut durch den Weg provoziert fi.ihlen, den Ti. Gracchus auch hier eingeschlagen hatte, einen Weg, der den Senat bei entscheidenden innen- und wirtschaftspolitischen Fragen praktisch ausschloB. Damit war die Kluft zwischen dem Tribunen und dem Senat uni.iberbri.ickbar geworden, man traute jetzt auf seiten des Senates Ti. Gracchus offensichtlich alles zu und verdachtigte ihn, daB er von einer pergamenischen Gesandtschaft ein Diadem und ein Purpurgewand angenommen hatte, also offensichtlich nach dem Ki:inigtum strebte. Auf der anderen Seite muBten es sowohl die Verwirklichung der
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Agrarreform als auch die Prozegdrohungen im Sen at Tiberi us Gracchus nahelegen, eine Iteration seines Volkstribunates zu betreiben, obwohl eine solche Wiederholung ungesetzlich war. Die letzte bekannte Iteration des Volkstribunats lag damals i.iber zweihundert Jahre zuri.ick, vor allem legte seit 342 v. Chr. ein Gesetz ein zehnjahriges Intervall fi.ir die Wiederbekleidung eines Amtes fest. Die Verlangerung einer Magistratur auf zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Amtsjahre hatte es in Rom zuletzt nur in einer ausgesprochenen Krisensituation, beim Konsulat der Jahre 215 und 214 v. Chr. gegeben. So war hier also eine An derung der W ahlbestimmungen, das heigt eine Verfassungsanderung notwendig, fi.ir die es jedoch im zweiten Konsulat des Scipio Aemilianus ein gewisses Vorbild gab, denn Scipio war ja gleichfalls im Jahre 134 v. Chr. zum zweitenmal zum Konsul gewah!t worden, obwohl erst im Jahre 151 v. Chr. die Iteration des Konsulats generell untersagt worden war. Doch Ti. Gracchus bemi.ihte sich gar nicht urn die erforderliche Dis pens, der Senat sah sich erneut bri.iskiert. Zugleich wurde immer deutlicher, dag dieser Mann sich nicht mit einem einzigen Reformgesetz zufriedengab, sondern konsequent eine Phase immer weiter fi.ihrender und sehr komplexer innercr Reformen eroffnet hatte. Denn fi.ir die Wahlen zum Volkstribunat des Jahres 132 v. Chr. versuchte Tiberius Gracchus seine Anhangerschaft systematisch zu verbreitern. Er sprach nach allerdings etwas problematischen Nachrichten mit ncuen Gesetzesvorhaben jetzt insbesondere die Masse der hauptstadtischen Plebs an, warf unter anderem die Frage einer weiteren Verki.irzung der Dienstzeit in die Diskussion, jene der Zusammensetzung der Geschworenengerichte, sowie andere Projekte, die ihm unter der stadtischen Bevolkerung Beifall bringen mugten. Denn die Hauptschwierigkeit erwuchs fi.ir Ti. Gracchus jetzt daraus, dag die Wahlen fi.ir das Volkstribunat des folgenden J ahres mitten in die Erntezeit fielen, so dag er deshalb auf die Untersti.itzung und auf die Stimmen seiner treuesten Anhanger nicht zahlen konnte. Diese waren ohnehin nach der Verabschiedung des Ackergesetzes zunachst saturiert und standen einem zweiten Amtsjahr ihres Volkstribunen teilweise gleichgi.iltiger gegeni.iber als im Vorjahr dem ersten.
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Scheitern und Folgen des ersten Reformansatzes Die Wahlversammlung des Sommers 133 v. Chr. verstrickte sich schon am ersten Tag in formalrechtliche Streitigkeiten, die eine Yerschiebung der Wahl auf den nachsten Tag erforderlich rnachten, aber doch bereits erkennen liel~en, daB die Gegner des Ti. Gracchus seine Wiederwahl mit allen Mitteln verhindern wiirden. Wahrend am folgenden Tag die Yolksversammlung am Kapitolinischen Tempel stattfand, tagte der Sen at zur gleichen Zeit im benachbarten Tempel der Fides. Die Yolksversammlung nahm dann schon von Anfang an einen tumultuarischen Yerlauf; offensichtlich wurden gleichzeitig im Senat unzutreffende Geriichte iiber die dortigen Yorgange kolportiert und die Senatoren damit bis zum Fanatismus aufgehetzt. Wahrend der amtierende Konsul, P. Mucius Scaevola, der ja selbst ein Angehoriger des Reformkreises war, durch groBte Zuriickha!tung aile Gewa!takte vermeiden wollte, riB der Pontifex maxim us P. Scipio Nasica Serapio die Mehrheit der Senatoren mit sich. An der Spitze seiner fanatischen Anhanger stiirmte er vom Fidestempel den Hugel hinab und trieb die Parteiganger des Ti. Gracchus auseinander. In der Yolksversammlung brach eine Panik aus. Nachdem die Leibwache des Ti. Gracchus zusammengeschlagen und an die 200 Menschen geti:itet worden waren, floh alles auseinander, Ti. Gracchus fand unter den Schlagen zweier anderer Tribunen den Tod, seine Leiche wurde in den Tiber geworfen. Die Reformbewegung hatte ihren groBen Martyrer, eine Tatsache, die die Zukunft iiberschatten sollte. Die Bedeutung des Tribunats und des Todes des Ti. Gracchus hat am eindrucksvollsten Cicero gewiirdigt, der in de republica (I, 19, 31) schrieb, daB Wirken und Tod des Ti. Gracchus das romische Yolk in zwei Teile, oder in zwei Parteien, aufgespalten haben. Das hat Ti. Gracchus selbst indessen wohl am wenigsten gewollt, und deshalb sind auch noch immer Theodor Mommsens Satze giiltig, der den Reformer einst so charakterisierte: , . . . ein leidlich fahiger, durchaus wohlmeinender, konservativ patriotischer Mann, der eben nicht wuBte, was er begann, der im besten Glauben, das Yolk zu rufen, den Pobel beschwor und nach der Krone griff, ohne es selbst zu wissen, bis die unerbittliche Konsequenz der Dinge ihn unaufha!tsam drangte in die demagogisch-tyrannische Bahn ... "
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Die Katastrophe des Ti. Gracchus zog rasch weitere Kreise ins Verderben. Unter dem Vorsitz der beiden Konsuln von 132 v. Chr., P. Popillius Laenas und P. Rupilius, trat ein Standgericht in Tatigkeit, das eine blutige Nachlese unter allen Verdachtigen hielt. Fi.ir aile Zukunft war damit die Frage der Ackergesetzgebung diskreditiert, eine sachliche Diskussion der Probleme danach auch nicht mehr moglich. Dennoch ging die Verwirklichung der Agrarreform weiter. Crassus Mucianus wurde zunachst als dritter Mann in die Kommission nachgewahlt, nach dem Tode des Crassus und des Appius Claudius Pulcher im Jahre 130 v. Chr. dann M. Fulvius Flaccus und C. Papirius Carbo. Hinter diesem W echsel in der Zusammensetzung der Ackerkommission verbirgt sich eine nicht unwichtige Entwicklung. Denn jetzt, nach 130 v. Chr., lag die Kommission ganz in der Hand junger Manner. Der EinfluB der besonnenen, alteren Politiker und der konservativen Forderer der Reform ging damit zuri.ick, die jungen, aktiven und auch durch das Scheitern des Ti. Gracchus und aile anderen Ri.ickschlage ungebrochenen Politiker bestimmten den Kurs, in zunehmendem MaBe aber C. Gracchus, der ununterbrochen als Triumvir tatig war.
Die Reformen des C. Gracchus Der 154 v. Chr. geborene C. Gracchus war beim Tode des Vaters fi.inf Jahre alt und stand deshalb von Anfang an vie! starker unter dem EinfluB seiner Mutter als sein Bruder Tiberius. Umgekehrt kommt die enge Bindung zwischen der Mutter und dem letzten, ihr noch gebliebenen Sohn auch in den Auszi.igen eines Briefes der Cornelia an C. Gracchus zum Ausdruck, die bei Cornelius Nepos i.iberliefert wurden: ,Dberhaupt, wann wird einmal Ruhe kommen?"- heiBt es darin,Wird unsere Familie einmal aufhoren, wahnwitzig zu sein? Wird einmal damit haltgemacht werden konnen? Werden wir einmal aufhoren, nicht zufrieden zu sein, ehe wir nicht Ungemach leiden und bereiten? Werden wir einmal in Scham versinken, den Staat zu verwirren und aufzuri.ihren? Aber wenn das auf keine Weise kommen kann, nun, so bewirb Dich urns Tribunat, wenn ich tot bin. Du magst tun, was Dir beliebt, so ich es nicht fi.ihle. Wenn ich tot bin, wirst Du mir Totenopfer bringen und die Gottheit Deiner Eltern anrufen. Wirst Du Dich dann
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nicht schamen, Segen von den Gottern fiir die zu erflehen, den en Du, da sie lebendig und gegenwartig waren, den Riicken gekehrt hast?" 134 v. Chr. hat C. Gracchus seinen Schwager Scipio Aemilianus nach Numantia begleitet, 133 v. Chr. wurde er, wie bereits gesagt, in absentia zum Mitglied der Ackerkommission ernannt. Er kehrte daraufhin nach Rom zuriick, war jedoch bei der Ermordung des Bruders nicht anwesend. In den nachsten Jahren trat C. Gracchus dann vor allem als Redner hervor, so schon 132 v. Chr. bei der Verteidigung seines Freundes Vettius, 131 v. Chr. hielt er eine noch wichtigere politische Rede, er unterstiitzte den Antrag des Carbo, der eine Iteration des Tribunats fiir die Zukunft ermoglichen sollte. Doch ungeachtet der Unterstiitzung des C. Gracchus wurde Carbos An trag damals abgelehnt, erst ein spaterer fiihrte in dieser Sache dann zum Erfolg. Wie schon in der Frage der Iteration des Volkstribunats, so nahm Scipio Aemilianus auch sonst gegen den Reformerkreis Stellung. Am schwersten wog dabei die Tatsache, daB er sich 130/129 v. Chr. zum Fiirsprecher der Bundesgenossen machte. Denn die italischen Bundesgenossen Roms wurden von dem Wirken der Ackerkommission je Ianger desto mehr betroffen und dies in ganz einseitiger Weise. Einst waren auch die Bundesgenossen zumindest zum Teil zur Okkupation desager publicus zugelassen worden, jetzt aber blieben die neuen Siedlerstellen einzig den romischen Vollbiirgern vorbehalten. Die Bundesgenossen hatten somit nur das Land fiir die Reformen herauszugeben, profitierten aber nicht von ihnen. Scipio machte sich nun zum Sachwalter all ihrer Beschwerden und erreichte 129 v. Chr. auch, daB der Ackerkommission die richterliche Entscheidungskompetenz wieder entzogen wurde. Die Entscheidung fie! in Zukunft den amtierenden Konsuln zu. Scipios plotzlicher Tod im selben Jahre vergiftete die Atmosphare dann noch weiter, denn selbstverstandlich wurden C. Gracchus und die Reformer als Schuldige oder zumindest Hintermanner am Tode Scipios verdachtigt. Aile Parteien betrieben eine immer lebhaftere Agitation. Als die Bundesgenossen nach dem Tode ihres Patrons in Rom rumorten, brachte der Volkstribun Pennus im Jahre 126 oder 125 v. Chr. ein Gesetz ein, das Nichtbiirgern die Niederlassung in Rom verbot und diejenigen, die sich niedergelassen hatten, auswies, eine MaBnahme, die gegen den Zug der Zeit gerichtet und die auf lange Sicht nie beizubehalten war.
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Auf der anderen Seite ist der Entzug der Gerichtskompetenz von den Reformern nicht einfach passiv hingenommen worden. Sie wurden im Gegenteil jetzt auch in der Bundesgenossenfrage geradezu zum Sprung nach vorwarts gezwungen. Denn ohne Zweifel war die Reform in Zukunft dann am raschesten voranzutreiben, wenn man das Rechtsgefalle in Italien iiberhaupt beseitigte und allen Italikern das ri:imische Biirgerrecht verlieh. Hier setzte 125 v. Chr. erstmals Fulvius Flaccus an, der damals Konsul und zugleich Mitglied der Ackerkommission war, und der sich in Zukunft bis zu seinem Untergange im Jahre 121 v. Chr. als besonders radikaler Vorkampfer der Reformen erweisen sollte. Flaccus legte 125 v. Chr. einen Gesetzesentwurf vor, der allen Bundesgenossen nach eigener Wahl entweder das volle ri:imische Biirgerrecht oder nur das Provocationsrecht iibertragen sollte. Aber der Antrag scheiterte, der Egoism us der Romer siegte- die Folge war, daB sich die auf einem Hugel i.iber dem Liristal gelegene Stadt Fregellae, das moderne Arce, in der Nahe von Monte Cassino, gegen Rom erhob. Fregellae muBte regelrecht belagert werden, es fie! durch Verrat, die Stadt selbst wurde zersti:irt, ihre Bewohner in der Ebene angesiede!t. C. Gracchus war unterdessen im Jahre 126 v. Chr. zum Quaestor gewah!t und dem Statthalter von Sardinien zugeteilt worden. Er kam damit in eine Provinz, in welcher sowohl sein U rgroBvater als auch sein Vater tatig gewesen waren und bewahrte sich dort in militarischen wie in administrativen Aufgaben. Zugleich war er aber politisch kaltgestellt, so daB dem ri:imischen Senat sein Aufentha!t in Sardinien gar nicht lange genug dauern konnte. 124 v. Chr. kehrte C. Gracchus deshalb aus eigenem EntschluB nach Rom zuriick, von den alten Anhangern ebenso leidenschaftlich begriiBt, wie von den Gegnern gehaBt. Die Censoren zogen Gaius sogleich zur Rechenschaft, wei! er seinen Posten ohne Erlaubnis verlassen hatte und Gaius hie!t deshalb zu seiner Rechtfertigung zwei beriihmte Verteidigungsreden, die eine vor den Censoren, die andere vor der Volksversammlung. Er konnte dabei immerhin darauf hinweisen, daB er statt der i.iblichen zehn Jahre Militardienst zwi:ilf, und statt der einjahrigen Quaestur eine zweijahrige abgedient hatte und wurde deshalb auch freigesprochen. Ebenso miBgliickte der Versuch, ihm die Schuld an dem Aufstand von Fregellae in die Schuhe zu schieben, doch zeigen bereits diese beiden Vorgange zur Geniige, daB der ri:imische Senat dem zukiinftigen Wirken des C. Gracchus mit gri:iBter
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Besorgnis entgegensah und nichts unversucht lief~, urn diesem den Wiedereintritt in die Politik zu verbauen. Es ist wichtig, sich klarzumachen, daB sich die folgende Tatigkeit des C. Gracchus von Anfang an in einer ganz anderen politischen Atmosphare abspielte, als die seines Bruders. Nach zehnjahrigen Kampfen, nahezu pausenloser Agitation und gegenseitiger Verketzerung waren die Fronten tief verhartet. Mehr noch, von C. Gracchus erwartete man geradezu Racheakte und neuen Umsturz. Denn Rache war nun einmal nach ri:imischen Normen ein Akt der pietas. Octavian verfuhr spater nicht anders gegeniiber den Caesarmi:irdern. Unter solchen Vorzeichen stellte sich C. Gracchus im Sommer 124 v. Chr. den Wahlen zum Volkstribunat, die wiederum unter groBer Beteiligung der Stadt- und Landbevi:ilkerung stattfanden. Dennoch wurde Gaius aber erst als vierter Kandidat gewahlt. Die Initiative, die Gaius in den beiden aufeinanderfolgenden Tribunaten von 123 und 122 v. Chr. entfaltete, schlug sich dann in einer ganzen Reihe von neuen Gesetzen nieder, wobei Gesetze von sozialer mit solchen von politischer Zielsetzung gekoppelt waren. In welch verschiedene Richtungen die Einzelvorsti:iBe auch auf den ersten Blick zielten, sie waren dennoch Teil eines komplexen und langfristigen, sorgfaltig abgestimmten Reformprogramms. Auf breiter Front sollte die von Tiberi us Gracchus begonnene Reform jetzt weiter vorangetrieben werden, und dies in ganz offener Opposition gegen den Senat, dessen Herrschaft Gaius Gracchus systematisch zuriickdrangen wollte. Wahrend der Inhalt der wichtigsten Gesetze des C. Gracchus wenigstens in den Grundziigen einigermaBen gesichert ist, stellen die genauere Chronologie und die Reihenfolge der einzelnen Gesetze die groBe crux der neueren Forschung dar. Obereinstimmung ist in dieser Kontroverse vorlaufig nicht erzielt, wir folgen hier der communis opinio, nach der die wichtigsten Gesetze des C. Gracchus, die lex agraria, die lex frumentaria und die lex iudiciaria, schon in das Jahr 123 v. Chr. gehi:iren, und gleich zu Beginn des Tribunats durch Gaius' Redede legibus promulgatis begriindet wurden. Die lex agraria kniipfte am unzweideutigsten an die Politik des Bruders an. Ihr wichtigster Inhalt war, daB die Ackerkommission die richterlichen Kompetenzen wieder zuriickbekam. W esentlich problematischer ist die lex frumentaria, die ganz auf die stadtri:imische Plebs zuge-
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schnitten war. Sie bestimmte, dag den romischen Biirgern allmonatlich Getreide zu einem wohlfeilen Preis zur Verfiigung gestellt wurde, und zwar ein Modius (1 Modius = 10 1 /2 1) zu 6 1/3 Assen. Diese Neuerung war nun in jeder Hinsicht sehr folgenschwer, denn sie verpflichtete den Staat, stets geniigend Getreide vorratig zu halten und den billigen Abgabepreis durch staatliche Zuschiisse ZU ermoglichen. Es kann sein, dag dem Antrag akute Versorgungsschwierigkeiten der Stadt Rom mit Brotgetreide zugrunde lagen und dag deshalb der stabile Brotpreis zu einem Politikum geworden ist. Von den spateren Entwicklungen und Erfahrungen a us hat man die lex frumentaria des Gaius Gracchus haufig als Beginn der Korruption des romischen Volkes bezeichnet. Aus solcher Perspektive bedeutete sie einen besonders tiefen und revolutionaren Einschnitt der romischen lnnen- und Wirtschaftspolitik. lnnerhalb der antiken Verhaltnisse nimmt sich diese lex jedoch anders aus. Denn vor allem im griechischen Bereich gehorte es schon immer zu den vornehmsten Aufgaben einer Polis, fiir eine angemessene und wohlfeile Versorgung ihrer Burger mit Lebensmitteln zu sorgen. So liegt beispielsweise ein Gesetz aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. aus Samos vor, das ahnliche Ziele verfolgt wie das Gesetz des Gaius. lm iibrigen zog die lex Jrumentaria eine ganze Kette von weiteren Magnahmen nach sich, die gleichzeitig in Angrifl genommen werden mug ten. Dazu gehort erstens die Anlage von grog en Getreidespeichern, der Sempronia horrea, und weiter der planmagige Ausbau von Zufahrtsstragen. So gab diese lex Jrumentaria den Anstog zu einem Programm oflentlicher Bauten, an denen Tausende Arbeit und Verdienst finden mugten. Der amerikanische Gelehrte H. C. Boren hat deshalb wiederholt auf diese Seite der gracchischen Reformen hingewiesen und daran erinnert, dag damit nach langerer Pause wieder eine rege Bautatigkeit in der Stadt und in ihrer Umgebung begann, die insbesondere bei der so stark angewachsenen stadtischen Bevolkerung einer positiven Aufnahme sicher war. Nicht bedacht war wohl dagegen, dag gerade dieses Gesetz die Konzentration einer iiberwiegend unproduktiven Bevolkerung in Rom selbst noch weiter verstarken mugte. Das unumgangliche Bauprogramm erforderte naturgemag den Einsatz betrachtlicher finanzieller Mittel, fiir die die Steuern der Provinz Asia eingesetzt wurden, wobei C. Gracchus zu der Neuregelung griff, diese Steuern nicht mehr wie bisher in der Provinz selbst an einheimi-
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sche oder romische Interessenten verpachten zu lassen, sondern diese Steuern kiinftig in Rom von den Censoren an romische publicani, das heigt an die in der Regel aus Rittern bestehenden Steuerpachtgesellschaften zu verge ben. Die publicani waren im iibrigen bei Dberschreitungen von den Provinzialen juristisch nur sehr schwer zu belangen, denn der standige Repetundengerichtshof war nur fiir die romischen Magistrate zustandig. Zumindest indirekt waren somit von den Auswirkungen der lex frumentaria auch schon die Ritter betroffen, direkt war dies bei der lex iudiciaria der Fall. Bei dieser lex ist jedoch der urspriingliche Inhalt nicht vollig klar. Denn nach Plutarch besagte sie, dag zu den 300 senatorischen Geschworenen 300 Ritter hinzugefiigt wurden, wahrend bei Varro, Velleius Paterculus und anderen Autoren einfach von einer Dbertragung der Gerichte an die Ritter gesprochen wird. Wie die antike Dberlieferung, so ist im Prinzip auch die moderne Forschung dariiber geteilter Ansicht, ob die Geschworenen nur zur Halfte oder ganz aus den Reihen der Ritter stammten. Ailem Anschein nach sagen jedoch kiinftig in dem bisher rein standischen Gerichtshof fiir die Repetundenprozesse, in der quaestio perpetua de repetundis, nur Ritter, so dag die Ritter damit in den Repetundenprozessen zuRich tern iiber die Statthalter gemacht wurden. Bei den Interessenverflechtungen innerhalb des Ritterstandes konnten die publicani somit kiinftig mimiebige Statthalter durch den Repetundengerichtshof unter Druck setzen lassen, wahrend umgekehrt die Statthalter auf solche Pressionen zum Schad en der betreffenden Provinz schon von vornherein Riicksicht nahmen. Die lex iudiciaria ist mit all ihren Nebenwirkungen schon von den Zeitgenossen als ein tiefer £ingriff in die romische Verfassungs- und Rechtstradition empfunden worden, doch offensichtlich hat C. Gracchus ebendies gewollt. Denn bei Cicero wird in de legibus (III, 20) sein Dictum iiberliefert, dag er mit dem Richtergesetz die Dolche auf den Markt geworfen habe, mit denen sich Senatoren und Ritter gegenseitig zerfleischen soilten. Zu diesem, schon 123 v. Chr. beschlossenen Kern des Reformprogramms kamen dann noch weitere Gesetzesantrage, die zum einen Teil durch das bisherige Schicksal der Reformen und durch die Katastrophe des Tiberius erklart werden, zum anderen durch ganz bestimmte Migstande, die Gaius beheben wollte. Zur ersten Gruppe, bei der somit
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auch personliche Motive eine groBe Rolle spielten, gehoren die Antrage fur die lex de abactis und fur die lex de provocatione. Die lex de abactis sah vor, daB fur einen Politiker, dem das romische Volk durch Abrogation sein Amt entzogen hatte, in Zukunft auch aile ubrigen Staatsamter versperrt sein sollten. Die lex war somit ganz offensicht!ich gegen M. Octavius gerichtet, ist jedoch von Gaius wieder zuriickgezogen worden, nachdem sich seine Mutter fur Octavius verwandt harte. Dagegen wurde die lex Sempronia de provocatione durchgesetzt, obwohl sich starker Widerstand gegen den Antrag erhob und obwohl auch dieses Gesetz von den Vorfallen der jungsten Vergangenheit ausging. Denn die lex Sempronia de provocatione verbot die Verurteilung romischer Burger zur Todesstrafe ohne Gerichtsverfahren und ohne VolksbeschluB. Sie so lite so mit aile Wege abschneiden, die geeignet waren, das Provocationsrecht der romischen Burger zu umgehen, und richtete sich deshalb auch gegen P. Popillius Laenas, der als Konsul von 132 v. Chr. gegenuber den Anhangern des Ti. Gracchus in seinem Sondergericht gegen jenes Provocationsrecht verstoBen harte. Popillius Laenas ging deshalb ins Exil, wahrend die lex Sempronia de provocatione auch bei spateren politischen Prozessen eine wichtige Rolle spielen sollte. Zur zweiten Gruppe von Gesetzen, die sich besonderer MiBstande annahmen, zahlt die sogenannte lex militaris. Sie setzte erstens fest, daB den Soldaten kunftig die Bekleidung vom Staat ohne Anrechnung auf die Lohnung zur Verfugung gestellt werden muBte, zweitens, daB junge Leute unter siebzehn Jahren nicht mehr eingezogen werden durften. Als zweites Gesetz kann man in diesem Zusammenhang die lex Sempronia de provinciis consularibus anfuhren, obwohl diese zugleich eine deut!iche Spitze gegen den romischen Senat aufwies. Sie besagte, daB jeweils schon vor den Konsulwahlen die Provinzen bestimmt wurden, welche dann die Konsuln des nachsten Jahres zu ubernehmen hatten und schloB damit Manipulationen in der Zuweisung der Provinzen im Hinblick auf die Amtstrager weithin aus. Vermut!ich noch in das Jahr 123 v. Chr. gehoren dann auch die grundsatzlichen Antrage, die die Anlage neuer Kolonien zum Gegenstand hatten, wahrend die Ausfuhrungsbestimmungen dafur vermutlich erst 122 v. Chr. verabschiedet, und die Projekte selbst ebenfalls erst von 122 v. Chr. an verwirklicht wurden. Ohne Zweifel fand dieser Teil des Reformprogramms die starkste Resonanz und zugleich auch besonders
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groBen Widerstand. In Italien selbst stand fiir die Anlage neuer Kolonien nur mehr sehr wenig Raum zur Verfiigung. So muBte sich C. Gracchus hier mit der Griindung von zwei neuen Kolonien begniigen, von den en die eine- Colonia N eptunia- in Scolacium, die andere, Colonia Minervia, in Tarent eingerichtet wurde. DaB dazuhin auch nach Forum Sempronii in Umbrien, dem modernen Fossombrone, Kolonisten geschickt wurden, ist lediglich eine moderne Vermutung. Wahrend sich die heiden siiditalischen Kolonien in gewohnten Bahnen bewegten und keine besondere Erregung hervorriefen, lagen die Dinge bei der dritten, von Gaius Gracchus beantragten Kolonie ganz anders. Denn sie sollte als Colonia Iunonia in Karthago gegriindet werden, sie war somit die erste romische Kolonie auf afrikanischem Boden und daher schon als Projekt lebhaft umstritten. Dies war auch deswegen der Fall, weil Gaius Gracchus neben dem einst verfluchten Zentrum Karthagos nicht weniger als 6000 Kolonisten ansiedeln wollte, wozu auch ltaliker zahlen soli ten, und weil diese Kolonisten dann jeweils 200 iugera zu vollem Eigentum iibertragen bekamen, fiir romische Verhaltnisse somit eine sehr groBziigig bemessene Flache. Da das Projekt bald im Mittelpunkt der Diskussion stand, wurde seine Verwirklichung fiir C. Gracchus eine Prestigefrage und damit spitzten sich hier die Gegensatze noch weiter zu.
Die Konkurrenzdemagogie des M. Livius Drusus Dem Senat war schon im Jahre 123 v. Chr. ein geschickter Schachzug gelungen, indem er M. Livius Drusus, einen jungen, wendigen und sehr aktiven Angehorigen der Scipionengruppe, zum Volkstribunat kandidieren und wahlen lielt M. Livius Drusus schlug nun - wieweit von seinen Gesinnungsgenossen gelenkt, IaBt sich nicht sicher sagen- gegeniiber C. Gracchus eine ganz andere Taktik ein, als elf Jahre zuvor M. Octavius. Er wahlte nicht die Methode der Obstruktion, sondern jene der ,Konkurrenzdemagogie", wie man sein Verhalten charakterisiert hat. Denn wahrend C. Gracchus zu Beginn des Jahres 122 v. Chr. fur 70 Tage von Rom abwesend war, urn in Karthago an Ort und Stelle die Griindung der Colonia Iunonia zu leiten, wurde seine Stellung in Rom von Livius Drusus systematisch unterminiert. Da eine Kolonisa-
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tion im Ausland nie popular sein konnte, schlug Livius Drusus kurzerhand die Anlage von zwolf weiteren Kolonien zu je 3000 Siedlern in Italien vor, wobei es sich urn einen rein propagandistischen Antrag handelte, denn Grund und Boden stand fur diese zwolf Kolonien gar nicht zur Verfugung- das Projekt ist denn auch nie verwirklicht worden. Zweitens beantragte Livius Drusus die Befreiung der Pachter von den kleinen Pachtbetragen an den Staat, drittens die Gleichstellung der im romischen Heer dienenden Latiner mit den romischen Vollburgern und parallel dazu ihre Befreiung von der Priigelstrafe. Bei seinen Antragen ruhmte sich Livius Drusus seines Einvernehmens mit dem Senat und gleichzeitig lief~ er ausstreuen, dag er die Ausfuhrung seiner Plane nicht personlich uberwachen wolle wie Gaius Gracchus, der dadurch naturlich schmutzige Hande bekam. Livius Drusus stilisierte sich auf diese Weise sehr geschickt zum selbstlosen Reformer, er lief Gaius Gracchus den Rang ab und zeigte aller Welt, dag es auch noch andere Methoden der Reform geben konne, als die von den Gracchen praktizierten. Gaius Gracchus sah sich deshalb nach seiner Ruckkehr von Karthago einer vollig veranderten politischen Lage gegenuber; er war nun selbst gezwungen, die Bundesgenossenprobleme in weiterem Rahmen anzugehen, wenn er die politische Initiative zuriickgewinnen wollte. Dber den genauen Wortlaut seiner Antrage sind wir nicht unterrichtet, nach Velleius Paterculus hatte er fur aile Italiker das romische Burgerrecht gefordert, nach den anderen Quellen jedoch nur fur die Latiner. Vermutlich brachte Gaius zwei Antrage ein, wobei nach dem ersten die Latiner das volle romische Burgerrecht, nach dem zweiten die ubrigen Bundesgenossen Stimmrecht in Rom erhalten soli ten. Zum Anfuhrer der Opposition gegen die sen neuen kraftigen Vorstog in der romischen Burgerrechtspolitik wurde bald der Konsul Fannius, des sen Wahl Gaius Gracchus selbst mit Nachdruck unterstutzt hatte. Und Fannius setzte sich durch. Da wahrend der Abstimmung mit Unruhen der interessierten Latiner und der ubrigen Bundesgenossen zu rechnen war, durften sie wahrend der Abstimmung eine Funfmeilenzone urn Rom uberhaupt nicht betreten, und da F ann ius mit einer Rede de sociis et nomine Latino den Egoismus der Vollburger weckte, wurden die heiden Antrage des C. Gracchus abgelehnt.
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Der Untergang des C. Gracchus Damit war sein Ansehen aufs starkste erschuttert, sein Einflu£ ging standig zuruck, fur ein drittes Amtsjahr wurde er nicht wiedergewah!t. Fur 121 v. Chr. waren zwei ausgesprochene Gegner des Gaius Gracchus zu Konsuln gewah!t worden, Q. Fabius Maximus und L. Opimius, der sich in Rom bald mit dem ganzen Gewicht seiner Amtsgewa!t hinter die antigracchische Partei gestellt hat. Das letzte Amt, das Gaius nun noch innehatte, war das des Triumvirn der Ackerkommission, sein letztes gro£es Projekt, an das er sich in diesem Augenblick mit aller Kraft klammerte, war die Kolonie in Karthago. Aber auch seine Gegner konzentrierten darauf nun ihren Widerstand. Zunachst machten sie in sehr geschickter Weise sakralrechtliche und religiose Bedenken geltend: angeblich war schon die Vermessung der Kolonie unter ungunstigen Vorzeichen erfolgt, jetzt hatten Wolfe die Grenzsteine verschleppt, ein Gutachten der Auguren in dieser Sache war naturlich negativ, zuletzt brachte ein Volkstribun Minucius Rufus als Strohmann des Senats den Antrag ein, die einschlagige lex Rubria uber die Koloniegriindung in Karthago wiederaufzuheben. Gaius Gracchus ergriff diesen Fehdehandschuh. Seine Anhanger wie seine Gegner waren bald in eine neue Entscheidungspsychose versetzt, so da£ der Zusammensto£ fast unvermeidlich wurde. Am Morgen des Abstimmungstages hie!t sich Gaius Gracchus mit seinen bewaffneten Anhangern auf dem Kapitol auf, woes in der Nahe des Juppitertempels zu einem sehr folgenschweren Z wischenfall kam. W ohl auf Grund eines Mi£verstandnisses wurde dabei ein gewisser Antullius von einem ubereifrigen Anhanger des Gaius Gracchus erschlagen, und dieser Vorfall genugte, urn die Volksversammlung auf dem Kapitol zu sprengen und Opimius die letzten Konsequenzen ziehen zu lassen. Er mobilisierte fur den nachsten Tag die Ritter mit je zwei bewaffneten Sklaven und lie£ sich dann am nachsten Morgen durch das sogenannte Senatus consultum ultimum, das damals zum erstenmal praktiziert wurde, nach der beruhmten Forme! vide ant consules ne quid detrimenti res publica capiat, die Vollmacht erteilen, entsprechend dem besonderen Staatsnotstand aile fur die Sicherheit des Staates erforderlichen Ma£nahmen zu ergreifen. Wie immer man auch die praktische staatsrechtliche Bedeutung des senatus consultum ultimum bewertet, zwei Resu!tate waren auf jeden
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Fall gegeben. Einmal war die augenblickliche Situation offiziell zum Notstand erkl:irt, zum andern das Vorgehen des Konsuls sanktioniert. Urn Rechenschaft zu geben, wurden Gaius Gracchus und Fulvius Flaccus in aller Form vor den Senat geladen, doch kamen beide der Ladung nicht nach, sondern besetzten mit ihrem bewaffneten Gefolge den Aventin, das alte Zentrum der Plebs. Ihr Aufruf an die Sklaven zur Unterstiitzung der Bewegung, ein typischer Verzweiflungsschritt ri:imischer Politiker, verpuffte vi:illig; das Schicksal der Reformer war damit nicht aufzuhalten. Der Konsul Opimius hatte seine Krafte inzwischen auf dem Kapitol zusammengezogen und nachdem Verhandlungen gescheitert waren, allen Dberlaufern Straflosigkeit zugesichert. Dann lieg er unter dem Schutz kretischer Bogenschiitzen den Aventin stiirmen und damit der Rache ihren Lauf. C. Gracchus konnte zwar noch iiber den Tiber fliehen, lieg sich dann jedoch von einem Sklaven den Tod geben, als er eingeho!t wurde. Seinen Kopf wog Opimius mit Gold auf, auch Gaius' Leiche wurde schliemich in den Tiber geworfen. Die Hauser des Gaius Gracchus und des Fulvius Flaccus, der gleichfalls den Tod fand, wurden abgerissen, rund 250 Anhanger der Reformer im Kampf erschlagen, 3000 weitere angeblich spater hingerichtet. Natiirlich blieben die Reformen zunachst noch iiber den Untergang der Reformer hinaus in Kraft, sie wurden aber alsbald doch Zug urn Zug zerschlagen oder verfalscht. Schon kurze Zeit nach dem T ode des Gaius Gracchus hat man zunachst die auf dem ager publicus neugeschaffenen kleinen Bauernstellen zum vi:illig freiziigigen Besitz ihrer Inhaber erklart, das heigt, diese Parzellen waren jetzt veraugerlich und aile diejenigen, die inzwischen die Lust am selbstandigen Bauerntum verloren hatten, waren selbstverstandlich nur zu gerne bereit, ihr Areal an die benachbarten GroBgrundbesitzer zu verkaufen und in die Stadte abzuwandern. lm Jahre 118 v. Chr. wurde dann eine weitere Verteilung von ager publicus generell verboten und damit gleichzeitig die Ackerkommission aufgeli:ist. Weitere sieben Jahre spater, 111 v. Chr., ist der SchluBstrich unter die Reform en gezogen worden. Auch die rest!ichen vectigalia fiir Teile des ager publicus, namlich die Abgaben sowohl fur a!tokkupiertes als auch fiir neu assigniertes Land an die Staatskasse wurden damals beseitigt. Damit wurden nun auch die a!tokkupierten Territorien des ehemaligen Staatslandes in frei verfiigbaren Privatbesitz iibergefiihrt und
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schlie!Uich regelte, gleichsam im Epilog dazu, em Gesetz von 109 v. Chr. auch noch die endgi.iltige Vermessung des freigegebenen Landes, so daB kunftig juristisch an den Besitzrechten nicht mehr zu rutteln war. Es gab danach in Italien kein Land mehr fur eine eventuelle Wiederaufnahme der ri:imischen Binnenkolonisation, letzte Dberbleibsel der einst so ausgedehnten Staatslandereien existierten nur noch in den ausgesparten Besitzungen von Kampanien. Nach diesem Entwicklungsgang, der praktisch entscheidende Positionen der Reformen wiederaufhob, bereitet es betrachtliche Schwierigkeiten, die bleibende Auswirkung der Reformtatigkeit der Gracchen auch nur annahernd abzuschatzen. Fur die erste Phase der Reformen scheinen die Censuszahlen von 131 und 125 v. Chr. immerhin einen Anhaltspunkt zu bieten. Denn uberraschenderweise nahm danach die Zahl ri:imischer Burger in den betreffenden sechs J ahren urn rund 76 000 Person en zu. Der Census von 131 v. Chr. nennt 318 823, derjenige von 125 v. Chr. 394 736 ri:imische Burger. Dieser schubartige Zuwachs ist sehr haufig als direktes Ergebnis der Reformen bewertet worden, die Interpretation im einzelnen jedoch sehr umstritten. Nach der negativen Seite hin wollte Julius Beloch die uberraschend hohe Zahl von 125 v. Chr. mit der Annahme eines Schreibfehlers von 394 ... statt 294 ... aus der Welt schaffen, doch scheint mit dieser Gewaltli:isung keine befriedigende Erklarung gefunden zu sein. Umgekehrt ging in der positiven Deutung Ernst von Stern am weitesten. Er zog von dem Zuwachs von 76 000 neuen Burgern 16 000 ab, die er als naturlichen Zugang, durch Freilassungen usw. erklarte, so daB rund 60000 ubrig blieben, in denen er die Zahl der Neusiedler zu fassen glaubte. Stern ging dann aber auch noch einen Schritt weiter, indem er jedem der 60 000 30 Morgen Land zuwies und so darauf kam, die GroBe der von der Reform betroffenen Flache auf ca. 415000ha zu schatzen. Lassen sich schon gegen diese Rechnung viele Einwande geltend rnachen, denn es bleibt zu bedenken, daB das Anwachsen der Burgerzahl auch durch eine Senkung des fur den Heeresdienst geforderten Mindestvermi:igens erklart werden kann, so gibt es vollends kein Indiz dafur, in welchem AusmaB die Neusiedlung wieder ruckgangig gemacht wurde, in welchem AusmaB die Inhaber der neugeschaffenen Parzellen diese wieder preisgaben. Immerhin steht eines fest: Den wirklich siedlungswilligen Kraften eri:iffneten die Agrarreformen und die Kolonien
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Die Reformversuche der Gracchen
der Gracchen noch einmal die Moglichkeit, mit staatlicher Hilfe kleine und mittlere Bauernstellen zu erwerben. Auf diesem Sektor ist die dringendste Not durch die Gracchen tatsachlich gelost worden, das Agrarproblem war danach zunachst nicht mehr aktuell. Allerdings zeigte sich aber sogleich, dag die Agrarreform jene weitergehenden Erwartungen, die die verschiedensten Kreise an sie gekniipft hatten, nicht erfiillte. Die alte staatstragende Schicht des romischen Bauerntums lieg sich nicht mehr regenerieren, ebensowenig die stadtromische Plebs vollig auflosen. Ganz anders lagen die Dinge nach dem Scheitern der Gracchen in der Bundesgenossenfrage. Denn hier waren die Probleme in Rom zwar diskutiert und ins Bewugtsein gefiihrt worden, aber im Grunde weitgehend auch aus ganz opportunistischen Motiven der einzelnen Politiker. Am Ende wurden die !angst iiberfalligen Reformvorschlage jedenfalls abgelehnt und die Bundesgenossen konnten nur feststellen, dag sie von Rom keine durchgreifende Verbesserung ihrer Lage zu erwarten hatten. Umgekehrt lehrte sie das Los von Fregellae, womit sie bei einer offenen Erhebung rechnen mugten.
Zur Struktur der romischen Politik Am bedenklichsten aber waren die Folgen der Vorstoge der Gracchen auf lange Sicht auf dem Gebiet der innerstaatlichen Ordnung und der gesamten inneren Politik. Der Versuch des C. Gracchus, die Ritter zu politisieren und sie zu Verbiindeten gegen den Senat zu gewinnen, war am Ende ebenso gescheitert wie derjenige, die Volksversammlung als politisch maggebendes Gremium zu benutzen. Aber in heiden Fallen waren sich die politischen Partner des C. Gracchus ihrer Krafte und ihrer Moglichkeiten bewugt geworden, die Gracchen hatten hier bleibende Gegensatze hinterlassen. Am starksten traten diese Gegensatze, die alsbald die innere Einheit des romischen Staates zu sprengen drohten, in dem Antagonismus zwischen den sogenannten Optimaten und den Popularen in Erscheinung, in jenen heiden Fronten, von denen sich die eine an den Sen at und die Nobilitat anschlog, die andere an Yolk und Volksversammlung und von dieser Basis aus, und selbstverstandlich unter der Parole, fiir die Interessen des Volkes einzutreten, politisch wirk-
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sam wurde. Nach einer beri.ihmten Definition Mommsens wollten die Optima ten den Willen der Besten, die Popularen den der Gemeinde zur Geltung bringen. Dabei ist freilich immer zu beri.icksichtigen, dag auch die fuhrenden popularen Politiker in der Regel von Haus aus Angehorige des Adels waren, die sich lediglich zu Stimmfuhrern der Plebs aufwarfen. Eine demokratische Partei im modernen Sinne hat es in Rom nicht gegeben, mit modern en Parteien haben Optima ten und Popularen nach Definition und Tradition nichts zu tun, die Vorstellung eines Zweiparteiensystems im Rom der spaten Republik ware ein klassischer Irrtum. Christian Meier wies zu Recht darauf hin, dag das Geflecht der politischen Beziehungen in der spaten Republik in Wirklichkeit sehr vie! komplizierter war und eben keine geschlossenen Gruppen kannte, die in jeder Frage prinzipiell einheitlich gestimmt hatten. Die Tatsache, dag jeder Senator im grogen und kleinen praktisch Tausende von Verbindungen (necessitudines) hatte, fuhrte dazu, dag sich solche necessitudines sehr oft iiberschnitten, so dag zum Beispiel haufig der Fall eintrat, dag bei den Magistratswahlen von ein und demselben Wahler zwei miteinander verfeindete Politiker mit vollig verschiedenen Anschauungen gewahlt wurden. Politische Macht und politischer Einflug wurden somit nicht tiber geschlossene, einheitlich votierende Gruppen artikuliert, sondern durch sich iiberlagernde Netze von Querverbindungen geleitet, die den Einzelnen mit seiner Familie, ad-hoc-Gruppierungen aus sachlichen oder personlichen Gri.inden, auch mit alten Faktionen oder den Interessengemeinschaften der Stande und der sozialen Gruppen verb an den. Es mug sodann noch einmal betont werden, dag wir die letzten Ziele der Gracchen nicht kennen. Wenn Theodor Mommsen einst die Auffassung vertreten hatte, d~ Gaius Gracchus ein unbeschranktes Volkstribunat auf Lebenszeit und die Beseitigung der Republik durch eine ,napoleonisch absolute Monarchie" erstrebt hatte, so gehen solche apodiktischen Augerungen vie! zu weit. Richtig gesehen ist indessen der allgemeine Zusammenhang. Denn die Bewegung der Gracchen lehrt, dag die stadtromische plebs nicht aus eigenem Antrieb aktiv wurde, ebensowenig wie die verarmten Bauern, dag sie gar nicht in der Lage war, ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Forderungen und Vorschlage selbst zu formulieren. Noch immer wurde sie von Angehorigen der
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Fuhrungsschicht, die sich ihrer Interessen - aus welchen Grunden auch immer - annahmen, mobilisiert. Die gesellschaft!ichen, politischen und verfassungsrecht!ichen Voraussetzungen und Strukturen forderten so fur jede weiterreichende Reform den Initiator und Sachwalter, nach herkommlicher politischer Terminologie den ,Demagogen" oder , Tyrannen". Ohne Kontinuitat in Fuhrung und Ausfuhrung aber waren groBe Reformen nicht zu verwirklichen, die Massenbewegungen verbanden sich mit einzelnen Politikern, sprengten die aristokratischen Normen und stellten zuletzt jene Verbindung zwischen popularer Basis und Monarchie her, die in Mommsens Caesarbild ins Uberdimensionale gesteigert wurde.
Die historische Bedeutung der Gracchen Historische, einmalige Atmosphare laBt sich kaum je rekonstruieren. Doch aus der Uberlieferung wird das Neue evident, das die Epoche der Gracchen mit sich brachte. Von ihnen, insbesondere von C. Gracchus, wurden nahezu aile Aspekte der groBen Krise, militar- und bevolkerungspolitische wie wirtschaft!iche, Bundesgenossenfrage wie Sklavenproblem in eine breite und intensive offentliche Diskussion gebracht, Leidenschaften der Armen wie der Besitzenden, der Privilegierten wie der Benachteiligten geweckt und entzundet. Mochten Thematik und Inha!t wie Zielsetzungen ihrer Reformen teilweise auf breites Verstandnis stoBen, so ist es urn die gewahlten Metho den anders bestellt. Hier sind die Gracchen auch ein Beispiel fur die Verstrickung von Reform ern in die formalen wie recht!ichen Prinzipien und Traditionen einer Verfassung. Der verfassungspolitische Minimalkonsens wurde von ihnen in Frage gestellt, traditionelle Rechte des Senates beschnitten, diese Korperschaft immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Hier wurde ganz bewuBt der Nachweis gefuhrt, daB entscheidende staatspolitische MaBnahmen auch ohne und gegen den Senat durchgefuhrt werden konnten. Die Gracchen wollten allem Anschein nach keinen gewaltsamen Umsturz von Gesellschaft, Verfassung und Staat, sie haben ihn jedenfalls nicht planmaBig vorbereitet. Doch sie fuhrten Situationen herbei, die durchaus in einen Umsturz munden konnten. Agitation und Gewa!t
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solchen Ausma~es hatte es in Rom seit den Standekampfen nicht mehr gegeben. Von den Gracchen fiihrt auch ein Weg zu den anarchischen Verha!tnissen im Rom der fiinfziger Jahre des 1. Jahrhunderts v. Chr. unter Clodius und Milo. Die Gracchen blieben Gestalten, die durch ihr Wirken, die Konsequenz ihres Handelns, die personliche Lauterkeit und nicht zuletzt durch ihr Schicksal immer wieder Emotionen freisetzten, die Sache der Popularen belebten, den Ha~ wie die politische Phantasie ihrer Gegner entziindeten. Antike Dberlieferung wie moderne Forschung haben urn diese Personen einen breiten Saum von einseitigen Wertungen und Sehweisen gelegt, so dag es immer schwerer wird, die historische Realitat adaquat zu erfassen. Die Faszination der Namen wird bleiben.
5. DIE ROMISCHE POLITIK IM ZEITALTER DES MARIUS UND SULLA
Auflenpolitische Aufgaben Obwohl in Rom die Probleme der inneren Auseinandersetzung auch noch nach der Niederwerfung der Gracchen im Vordergrund standen, sind dariiber doch die Aufgaben der auBeren Politik nicht vernachlassigt worden. Es wurde bereits erwahnt, daB im Jahre 129 v. Chr. die schwierige Aufgabe der Dberfiihrung der ehemaligen pergamenischen Gebiete in den Provinzialstatus bewaltigt war. Ein erstes Mal ist hier kurz darauf hinzuweisen, daB Rom seit dem Jahre 125 v. Chr. auch im Siiden der heutigen Provence engagiert blieb, daB 121 v. Chr. die Provincia Narbonensis eingerichtet wurde, 118 v. Chr. die Kolonie Narbo Martius im heutigen Narbonne- Vorgange, auf die spater im Zusammenhang mit der Vorgeschichte von Caesars Kampfen in Gallien noch ausfiihrlicher zuriickzukommen sein wird. Daneben war Rom in jenen J ahren auch noch an anderen Stell en des west!ichen Mittelmeers zu militarischen Einsatzen genotigt, so auf Sardinien und auf den Balearen, wo im Jahre 123 v. Chr. die Piratennester ausgehoben und bald danach dann in Palma und Polentia zwei romische Biirgerkolonien angelegt wurden. Doch die Hauptaufgaben der romischen Grenzverteidigung sollten sich alsbald in ganz anderen Raumen abzeichnen: erstens auf der Balkanhalbinsel durch die VorstoBe der Skordisker, zweitens in Nordafrika durch den sog. Jugurthinischen Krieg oder den Numidischen Erbfolgekrieg, wie ihn einst Mommsen bezeichnete, und drittens an der italischen Nordgrenze und in Siidgallien durch den Zug der Kimbern. Auf der Balkanhalbinsel drang der thrakische Stamm der Skordisker, der selbst in seinem Gebiet an der unteren Save und an der Donau von seinen Nachbarn vorwartsgedrangt wurde, in immer neuen VorstoBen in romisches Gebiet ein. Voreilig gefeierte romische Abwehrerfolge, wie derjenige, der im Jahre 119 v. Chr. dem C. Metellus den Siegesbeinamen Delmaticus einbrachte, erwiesen sich rasch als nichtig; im Jahre
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114 v. Chr. stiegen die Skordisker nach einem Sieg iiber den romischen Konsul bis in die Gegend von Delphi vor. Auch in den Abwehrkampfen der folgenden Jahre war ein Metellus fiihrend beteiligt, so wie die gens der Caecilii Metelli in diesem Jahrzehnt iiberhaupt die entscheidende Rolle in der romischen Politik innehatte. Denn zwischen den J ahren 119 und 109 v. Chr. hielt stets entweder ein Angehoriger dieses Geschlechts oder doch zumindest ein ZU seinem Kreis ZU zahlender romischer Politiker jeweils eine der heiden Konsulstellen inne. Zu ihrem machtigsten Verbiindeten wurde damals M. Aemilius Scaurus, der wahrscheinlich urn das Jahr 102 v. Chr. dann auch eine Tochter des C. Metellus geheiratet hat, Caecilia Metella, eine Dame, mit der sich spater auch Sulla vermahlte. M. Aemilius Scaurus selbst wurde 115 v. Chr.princeps senatus und 109 v. Chr. Censor. Auch durch diesen Riickhalt wurden die Meteller zu einer der angesehensten und einflugreichsten Adelsfaktionen der Zeit nach den Gracchen, und an sie lehnte sich deshalb anfangs auch ein junger Mann an, der freilich bald seine eigenen W ege gehen wollte: Gaius Marius.
Der Aufstieg des Marius Der urn das Jahr 157 v. Chr. in Cereatae, einem kleinen Ort im Gebiet von Arpin urn, geborene C. Marius kam als Kind einer ziemlich unbekannten Familie zur Welt, die nach Velleius zum Ritterstand gehort haben soU, doch ist dies immer wieder bestritten worden. Jedenfalls wuchs Marius auf dem Lande in einfachen Verhaltnissen auf. Gezeichnet war Marius indessen nicht nur durch diese Herkunft, sondern auch durch seine Abneigung gegen griechische Bildung, die er in Bausch und Bogen verwarf. Von seinen Ressentiments gegen die Aristokratie hater sich auch spater nie frei machen konnen. Doch war Marius auf alle Falle der geborene Soldat, der dann auch im romischen Heer seinen Weg gemacht hat. Er taucht zum erstenmal134/133 v. Chr. unter Scipio Aemilianus vor Numantia auf, somit in einer inhomogenen und iiberforderten Armee, in der er durch seine Harte und Tapferkeit bald giinstig auffallen mugte. Von Scipio wiederholt ausgezeichnet, begann Marius dann eine Karriere, iiber deren einzelne Etappen wir durch ein Elogium (Dessau 59) informiert sind.
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Die romische Politik im Zeitalter des Marius und Sulla
Danach wurde Marius Kriegstribun, spater Augur und Quaestor, im Jahre 119 v. Chr. endlich Volkstribun. Seine Kandidatur ist damals von dem Konsul L. Caecilius Metellus tatkraftig unterstutzt worden, dennoch nahm Marius, nachdem er erst einmal gewahlt worden war, darauf keine Rucksicht mehr, sondern zeigte sich als ausgesprochener Einzelganger, der sich vollig undiplomatisch verhielt, nicht nur gegenuber der Aristokratie, sondern auch gegenuber dem romischen Volk. Zum ersten Eklat fuhrte seine Vorlage der lex Maria de suffragiis, durch die Marius den technischen Ablauf der Stimmabgabe verbessern wollte. Durch diese Lex sollten namlich die Brucken, welche die abstimmenden Burger bei der Abgabe ihrer Stimmtafelchen zu passieren hatten, verengt werden, so daB die Tafeln nicht einzusehen waren. Der Antrag wurde jedoch offensichtlich von der Nobilitat als Herausforderung empfunden, wei! deren Mitglieder damit urn die Moglichkeit gebracht wurden, sich den Wahlern zu nahern und sie beim Wahlakt ZU beeinflussen. Der Konsul L. Aurelius Cotta lieB daher den An trag durch den Senat ablehnen und Marius vorladen. Doch der war nicht einzuschuchtern und drohte nun seinerseits, gleich beide Konsuln, Aurelius Cotta wie seinen Gonner Caecilius Metellus, verhaften zu lassen, wenn sie bei ihrer Opposition blieben. Da keiner der ubrigen Volkstribunen zu einer Intercession gegen Marius zu bewegen war, muBte der Sen at seinen BeschluB tatsachlich zuriicknehmen. Ebenso unabhangig wie hier erwies sich Marius bald darauf gegenuber der Plebs, indem er sich gegen den auBerst popularen Vorschlag stemmte, die Getreideverteilung zu erweitern- und auch dabei Sieger blieb. Eine solch obstinate Haltung war man in Rom nicht gewohnt und Marius erhielt deshalb auch die Rechnung fur seine Unbefangenheit schon bald prasentiert: Er fie! bei seinen Bewerbungen urn die kurulische wie urn die plebejische Adilitat mit Glanz durch und erreichte auch die Pratur im Jahre 115 v. Chr. nur mit denkbar groBter Mi.ihe und als letzter der gewahlten Kandidaten. Aber das Jahr darauf konnte er sich dann als propraetorischer Statthalter der Provinz Hispania ulterior eindeutig bewahren und der eigentliche Durchbruch gelang ihm dann schlieB!ich im Jugurthinischen Krieg. Die Romer hatten nach der Zerstorung Karthagos im Jahre 146 v. Chr. lediglich den Hauptteil des ehemaligen Territoriums der Stadt in den Provinzialstatus uberfuhrt, das benachbarte numidische
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Konigreich, das seit 148 v. Chr. von Micipsa regiert wurde, hlieh dagegen als Kliente!staat erhalten. Zahlreiche italische Handler und Unternehmer lief~en sich dort nieder, vor allem im Ostteil des Konigreichs nahm das Land einen spi.irharen wirtschaft!ichen Aufschwung. Allein mit dem Tode Micipsas im Jahre 118 v. Chr. hrach fi.ir Numidien eine Zeit schwerster Wirren an. Micipsa hatte fi.ir die Thronfolge seine heiden Sohne sowie seinen Neffen und Adoptivsohn Jugurtha vorgesehen, und sich der Illusion hingegehen, daB diese drei jungen Manner das Land in Eintracht regieren wi.irden. Dazu konnte es aher deswegen nicht kommen, wei! Jugurtha die weitaus starkste Personlichkeit der drei Nachfolger war, dazu ein vollig skrupelloser Politiker- aher ein hervorragender Soldat, der sich im Numantinischen Krieg als Reiterfi.ihrer ausgezeichnet hatte und seither i.iher zahlreiche, wertvolle Verhindungen ZU romischen Politikern der ji.ingeren Generation verfi.igte. Die Chronik der Wirren und Verhrechen in Numidien wie jene der romischen Skandale, Niederlagen und Korruption sollen hier nicht nachgezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund vollzog sich jedenfalls der Aufstieg des Marius zum Konsul und zum erfolgreichen Oherhefehlshaher. Aher auf dem numidischen Kriegsschauplatz konnte sich auch dessen spaterer groBer Gegner ein erstes Mal hervortun, L. Cornelius Sulla, der aus einer alten patrizischen Familie stammte, unter Marius als Quastor diente und hier nun die Auslieferung Jugurthas erwirken konnte, die den Krieg heendete. Hier hlieh hei Marius gewiB ein Stachel zuri.ick, doch ihm selhst immer noch Ruhm genu g. Denn inzwischen war er fi.ir 104 zum zweitenmal zum Konsul gewah!t worden und er konnte dieses zweite Konsulat schlieBlich am 1. Januar 104 v. Chr. mit einem Triumphzug heginnen. Jugurtha ist dahei mit seinen heiden Sohnen als Gefangener mitgefi.ihrt worden, er starh jedoch kurz darauf im romischen Staatsgefangnis. Nach Dauer, Ausdehnung und Verlauf warder Jugurthinische Krieg scheinhar nur ein widerlicher Kolonialkrieg und es ist vielleicht nicht so fort einsichtig, warum er von Sallust als ein exemplum der romischen Krise ausgewah!t und heschriehen wurde. Doch gerade dieser Krieg enthi.illte die Bestechlichkeit und Korruption der romischen Fi.ihrungsschicht, die selhst dort eine engstirnige Interessenpolitik verfolgte, wo diese fi.ir den romischen Staat auBerordentlich gefahrlich war. Selten wurde so massiv manipuliert wie hier, selten Recht und Moral so offen
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Die romische Politik im Zeitalter des Marius und Sulla
mit FiiBen getreten. Das militarische Versagen der mediterranen GroBmacht Rom ist ahnlich deklassierend wie im Falle von Numantia. Die Mangel in Rekrutierungssystem, Ausbildung und Politik sind aber von Marius ganz enthiillt worden. Auf Grund dieser Erfahrungen hat Marius denn auch spater die Konsequenzen gezogen und sich zur Verbreiterung der Rekrutierungsbasis, zur Verbesserung der Ausbildung und zum direkten Eingriff in die romische Politik entschlossen. Nicht zuletzt aber hat gerade dieser Kolonialkrieg die romische lnnenpolitik tief erregt, erneut die Leidenschaften provoziert, neue Gegensatze aufgenssen.
Der Kimbernzug Wahrend dieser Vorgange in Afrika (116-106 v. Chr.) wurde die Romische Republik auf einem dritten Kriegsschauplatz gebunden und bedroht, in den Kampfen gegen die Kimbern und die mit diesen verbiindeten germanischen und keltischen Gruppen. Nach der traditionellen Ansicht wird auch heute noch zumeist angenommen, daB sich die urspriingliche Heimat der Kim bern auf der so g. Kimbrischen Halbinsel im Norden von Jutland befand, daB auch die Teutonen in ihrer Nachbarschaft an der Nordseekiiste gesiedelt hatten, die Ambronen mit der Insel Amrum zu verbinden sind. Allein die Frage nach der Heimat dieser Stamme und auch diejenige ihrer ethnischen Zugehorigkeit (Kelten-Germanen) sind in den vergangenen J ahrzehnten Gegenstand einer lebhaften und noch nicht abgeschlossenen Diskussion der skandinavischen und der deutschen Altertumsforschung und Archaologie geworden. Da nicht feststeht, welche Bodenfunde iiberhaupt als ,kimbrisch" anzusprechen sind, muBten bisher alle Versuche scheitern, den genauen W eg des Kimbernzuges auf archaologischer Grundlage zu rekonstruieren. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann lediglich gesagt werden, daB urn 120 v. Chr. das Gebiet der Boier in Bohmen beriihrt wurde, daB die Kim bern dann die mittlere Don au erreichten, wo sie auf den sich stan dig versteifenden Widerstand der Skordisker trafen, daB sie darauf schlieBlich den Raum der Ostalpen beriihrten und in die von den Tauriskern besiedelten Gebiete in Karnten einfielen, das heiBt in eine damals durch Gold- und Eisenerzgewinnung besonders stark entwickelte und aufgebliihte Landschaft.
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Der Kimbernzug
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Siedlungsgebiet der Kim bern
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Ausgangsgebiet der ___ --l> Zug der Teutonen Wanderung (vermutet) 0 100 200 300 km
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Zug der Kim bern
Zug der Kim bern
-·-- -·> undTeutonen
Skizze Nr. 7· Zug der Kimbern und Teutonen
Grenze des ri:imischen Herrschaftsbereichs
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Die romische Politik im Zeitalter des Marius und Sulla
Die mit Rom befreundeten Taurisker erbaten romische Hilfe; 113 v. Chr. wurde ein romisches Heer unter dem Konsul Gnaeus Papirius Carbo nach Norden entsandt, aber bei Noreia, das man zumeist siidlich von Klagenfurt sucht, vernichtend geschlagen. Allein der damals in Rom bereits befurchtete Einfall nach Italien blieb aus, die Kimbern und Teutonen schwenkten nach Westen ab und durchstreiften das nordliche Alpenvorland. Jetzt schlossen sich ihnen die Tiguriner und Tougener an, keltische Stamme, die zur Gruppe der Helvetier gehorten, die damals noch immer den groBeren Teil Siidwestdeutschlands besetzt hielten. Etwa urn das Jahr 110 v. Chr. iiberschritten diese wandernden Stamme schlieB!ich den Oberrhein und drangen nun in mehreren Kolonnen in Gallien ein. Die Romer, die die Ziige der Invasoren seit Noreia stets aufmerksam verfolgt hatten, waren dadurch gezwungen, ein wei teres Heer unter dem Konsul von 109 v. Chr., M. Iunius Silanus, in den Raum der Provence zu entsenden, urn dort die seit rund einem J ahrzehnt eingerichtete Provincia Narbonensis zu verteidigen. Auf die Bitte der Kim bern, ihnen Siedlungsland zuzuweisen gingen die Romer nicht ein, Silanus wagte im Rhonetal eine neue Schlacht, die wiederum verlorenging. Allein auch diesmal stieBen die Kimbern nicht nach, sondern sie durchstreiften jetzt das Innere Galliens, wo sich die Bewohner in die befestigten Siedlungen der oppida zuriickzogen. Gleichzeitig unternahmen die Tiguriner einen VorstoB ins Gebiet der Volcae urn T olosa-Toulouse, sie wurden dort zwar im Jahre 107 v. Chr. zuerst von L. Cassius Longinus zuriickgeschlagen, konnten dann aber an der Garonne den Konsul toten und sein Heer unters Joch treiben. Die Lage spitzte sich rasch weiter zu. Am 6. Oktober des Jahres 105 v. Chr. wurden die heiden romischen Befehlshaber, Cn. Mallius und Q. Servilius Caepio, die sich auf keine gemeinsamen Aktionen einigen konnten, ostwarts der Rhone bei Arausio (Oranges) vernichtend geschlagen. Angeblich sollen damals 80000 Romer den Tod gefunden haben, auf jeden Fall war dies fur Rom die schwerste Niederlage seit Cannae. Ein Heer, das Germanen und Kelten gewachsen war, stand nun nicht mehr zur Verfugung, Italien sah sich jedem An griff schutzlos preisgegeben, die Erinnerung an die Kelteneinfalle und an die Schlacht an der Allia drangten sich jedermann auf. Selbstverstandlich klammerte man sich in jenen Stunden mit den letzten Hoffnungen an Marius, der
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deshalb auch fur das Jahr 104 v. Chr. zum zweitenmal zum Konsul gewahlt wurde. Es sollte sich bald herausstellen, daB Marius auch dieser schwierigen Situation gewachsen war. Tatkraftig unterstutzt von Sulla, der auch jetzt noch und bis zum Jahre 101 v. Chr. unter ihm diente, ging Marius sofort an die Aufstellung eines neuen, funf Legionen starken Heeres. Als sein groBtes Gluck erwies sich allerdings das, was niemand voraussehen konnte: Die Germanen und Kelten verfolgten auch diesmal den geschlagenen Gegner nicht, sie verfolgten auch diesmal keine bestimmten politischen oder militarischen Fernziele, sondern die Kim bern fielen jetzt in Spanien ein, wahrend die ubrigen Stamme ihre Plunderungszuge in Gallien fortsetzten. Dari.iber gewann Marius Zeit, urn das neue romische Heer zu organisieren und urn es auf eine neue Taktik zu drillen.
Die Heeresreform des Marius Marius hatte schon fur den Krieg gegen Jugurtha auf Freiwillige aus der untersten, besitzlosen Gruppe romischer Burger, der capite censi, zuri.ickgegriffen und damit die Rekrutierung fur die romischen Legionen auf den letzten, aber doch sehr graBen Bereich romischer Burger ausgedehnt, der bisher nicht erfaBt worden war. Dasselbe Prinzip wandte er auch jetzt an, und mit nicht geringerem Erfolg als im Jahre 107 v. Chr. Denn inzwischen hatte der einfache Mann zu Marius Vertrauen gefaBt, er wuBte, daB ihm unter Marius zwar harter Drill bluhte, aber doch auch gerechte Behandlung und nicht zuletzt Belohnungen und Beute. Die Heeresreform des Marius bedeutete jedoch zugleich die Preisgabe der traditionellen Heeresverfassung der Romischen Republik. Sie zog den SchluBstrich unter die Geschichte der romischen Biirgermiliz, die fur die militarischen Aufgaben eines Weltreiches nicht mehr tauglich war. Zur Bewaltigung dieser imperialen Aufgaben boten sich auf lange Sicht nur zwei Losungen an, entweder der Riickgriff auf ein Soldnerheer, wie es die hellenistischen Konigreiche und Karthago eingesetzt hatten, oder die Bildung eines langfristig dienenden, im Kern nationalen Heeres, das sich dann allerdings nicht mehr nur aus dem Besitzbiirgertum erganzen konnte. Auch die wiederholten friiheren Senkungen des
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Census der fiinften, untersten Vermogensklasse hatten nicht ausgereicht, urn das Problem auf Dauer zu losen und die Rekrutierungsbasis langfristig in ausreichendem Umfange zu verbreitern. Sie spiegelten lediglich die generelle Krise der Struktur der romischen Militarorganisation wider. Dam it war nun freilich auch off en eingestanden, da~ die Reform en der Gracchen das Ziel einer Regeneration des romischen Heeres in den alten Formen nicht erreicht hatten, und umgekehrt mu~ten sich sehr bald die alten Agrarprobleme in neuem, militarischem Gewand wieder prasentieren. Denn da die Romische Republik Veteranen nicht die Abertausende von Stellen der einfachen Verwaltungslaufbahn des Zivildienstes bieten konnte wie die modernen Staaten, gab es nur eine Moglichkeit, die Masse der neuen langfristig dienenden Berufssoldaten zu versorgen, namlich entweder mit Hilfe einer Ansiedlung auf klein en Anwesen oder durch eine entsprechende finanzielle Abfindung. Die so neu rekrutierten Legionen bildete Marius indessen auch in ihrem Aufbau urn. Hatten sie bisher in drei, verschieden bewaffneten Treffen gekampft, so wurden sie nun in zehn Kohorten von je 600 Mann aufgegliedert, diese Kohorten wiederum in sechs Centurien. Die taktische Einheit bildete im Gefecht fortan die Kohorte, als ein relativ starkes, aber doch elastisch bewegliches Glied des gro~eren Verbandes der Legion. Aber Marius begniigte sich als alter Troupier nicht mit solcher Reorganisation im Gro~en, sondern er kiimmerte sich gleichzeitig personlich urn aile Einzelheiten der Bewaffnung, Ausbildung und Kampfweise. So begann jetzt ein systematischer Drill, fiir den teilweise die Waffeniibungen der Gladiatorenschulen zum Vorbild dienten; urn die Beschaffenheit des Pilum soli sich Marius ebenso Gedanken gemacht haben wie urn das Schleppen der Lasten. Die Soldaten des Marius hatten W affen, Schanzzeug und Gepack selbst zu tragen in einem U mfang, da~ sie schlieG!ich als Marianische Maultiere, muli Mariani, bezeichnet wurden. Doch andererseits kannte Marius die Bedeutung der verschiedensten Faktoren des militarischen Lebens, er verlieh jeder Legion einen silbernen Adler als gemeinsames Ehrenzeichen und er legte vor allem den Grund fiir die hervorragende Auslese der romischen Centunonen. Obwohl die Schlagkraft und Gefechtsbereitschaft dieses neuen romischen Heeres schlie~lich auch die Erwartungen des ruhelosen und immer passionierten Befehlshabers befriedigen mu~ten, der seit
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104 v. Chr. Jahr urn Jahr zum Konsul wiedergewahlt wurde, wei! man nur ihm den Sieg iiber die Kim bern zutraute und diese eben ausblieben, lie!~ der Druck auf die Soldaten nicht nach. Marius lieg jetzt vielmehr einen Kana! von Aries aus zum Meer bauen, bis in die Gegend des heutigen Fos, einen Kana!, dessen Zweck es war, Transportschiffen den Weg durch das stark versandete Rhonedelta zu ersparen und eine direkte und reibungslose Versorgung des Heeres an der unteren Rhone zu sichern. Es ist dies die beriihmte fossa Mariana, die spater zum Vorbild beispielsweise der fossa Drusi am Niederrhein und auch anderer groger Kanalanlagen des romischen Heeres geworden ist. Wahrend so eine neue romische Armee gebildet wurde, deren Organisation und Taktik bis auf die Zeit Caesars bestehen blieben, und wahrend man in der Gallia Narbonensis und in Oberitalien dem neuen Zusammenprall mit den Germanen entgegensah, wurden die romischen Provinzen und Rom selbst von anderen Vorgangen erschiittert. Im Zusammenhang mit der Mobilisierung weiterer Verstarkungen fiir den Kampf gegen die Kimbern hatte Marius im Jahre 104 v. Chr. einen SenatsbeschluG erwirkt, der die romischen Statthalter verpflichtete, fi.ir die Freilassung aller widerrechtlich Versklavten zu sorgen. Den Anstog dazu hatte ein Hinweis des bithynischen Konigs Nikomedes III. gegeben. Denn nachdem dieser, wie die meisten der Klientelkonige, von Marius urn die Gestellung von Hilfstruppen gebeten worden war, hatte Nikomedes geantwortet, dag die Mehrzahl aller waffenfahigen Bithynier von den Steuerpachtern geraubt und in die romischen Provinzen versklavt worden sei. Das mochte weit i.ibertrieben sein, aber offensichtlich lagen dieser Entschuldigung des bithynischen Herrschers doch Tatsachen zugrunde. Als nun der romische Statthalter auf Sizilien, P. Licinius Nerva, die erwahnten Untersuchungen in Angriff nahm und die dortigen Sklavenhalter erkannten, welches Ausmag von Freilassungen bevorstand denn N erva hatte innerhalb weniger T age 800 Sklaven die Freiheit zugesprochen - , stemmten sich die Sklavenbesitzer dem mit allen Mitteln entgegen. Der Statthalter sistierte die Untersuchungen; das Ergebnis waren neue, groge Sklavenaufstande auf der Insel. Dieser zweite Sizilische Sklavenaufstand war fi.ir die Romer in der Krisenphase des Kimbernkrieges besonders lastig und nur unter grogen Schwierigkeiten einzudammen. Die Vorstoge der romischen Befehlshaber gegen die Zen-
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tren der Erhebung brachten zunachst keine entscheidenden Erfolge. Erst im Jahre 101 v. Chr. gelang es Manius Aquilius, einem der Legaten des Marius, diesen Aufstand endgultig niederzuschlagen. Die romische Innenpolitikkam in denJahren nach 104 v. Chr. immer starker in den Bann des L. Appuleius Saturninus. Dieser politisch auEerordentlich ehrgeizige, ja von seinem Streben nach politischem EinfluE und politischer Macht ganz besessene junge Mann aus einer Familie des niederen Adels war im Jahre 104 v.Chr. als quaestor Ostiensis fur die Getreideversorgung Roms verantwortlich und wurde deshalb zum Sundenbock gemacht, als es in der Hauptstadt zu einer Verteuerung des Brotgetreides kam. Der Senat lieE ihn kurzerhand absetzen und an seine Stelle als eine Art von Sonderbevollmachtigten eines seiner angesehensten Mitglieder ernennen, den ehemaligen Censor M. Aemilius Scaurus. Appuleius Saturninus konnte diese Briiskierung nicht verwinden, er wurde nun zum Inbegriff eines popularen Politikers und stellte sich ganz hinter Marius, dessen Interessen er alsbald in der hauptstadtischen Politik wahrnahm. Furs erste lieE sich Saturninus zum Volkstribunen fur das Jahr 103 v. Chr. wahlen, und bereits in diesem ersten Tribunatsjahr zeigte er, was die Aristokratie kunftig von ihm zu gewartigen hatte. Gemeinsam mit seinem Amtskollegen C. Norbanus brachte er zunachst die Schuldigen an der Katastrophe von Arausio, Mallius und Caepio, vor Gericht, dann erwirkte er die Verabschiedung einer lex Appuleia de maiestate, durch die ein Gerichtshof fur aile Vergehen gegen die maiestas des romischen Volkes eingerichtet wurde. Politisch bedeutsam an dieser Neuerung war, daE fortan in der Praxis ein aus Rittern konstituierter Gerichtshof uber die erfolglosen romischen Heerfuhrer zu Gericht saE, denen man ein Vergehen gegen die maiestas des romischen Volkes vorwarf. Mit einem weiteren Gesetzesantrag in der Getreideverteilung erlitt Saturninus wahrscheinlich Schiffbruch, dagegen kam er mit einer anderen Initiative, an der Marius sehr vie! gelegen sein muEte, trotz heftigen Widerstandes durch. Durch VolksbeschluE lieE Appuleius den Veteranen des Marius, die zur Versorgung anstanden, in Afrika 100 iugera groEe Guter zuweisen. Auf das Heer des Marius konnte diese Sicherung seiner Belange in einem kritischen Augenblick nur gunstige Ruckwirkungen haben, denn inzwischen reifte auch in Gallien die Entscheidung heran.
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Im Herbst des Jahres 103 v. Chr. waren die Kimbern aus Spanien wieder nach Gallien zuriickgekehrt, wo sie sich im Raum der unteren Seine mit den iibrigen germanischen und ke!tischen Kraften vereinigten und schlie!Slich den Plan fa!Sten, im Friihjahr 102 v. Chr. in getrennten Ziigen in Italien einzufallen. Dazu sollten die Teutonen und Ambronen rhoneabwarts marschieren und dann entweder iiber die savoyischen Passe oder langs der Kiiste nach Italien eindringen, die Kimbern iiber den Brenner vorstoBen, die Tiguriner und wohl auch die Tougener durch die julischen Alpen, also von Nordosten her, gegen die Apenninhalbinsel vorgehen. Marius lie£ zum Schutze Norditaliens den Kollegen in seinem vierten Konsulat, Q. Lutatius Catulus, mit lediglich zwei Legion en zuriick, doch stand bei diesem Korps auch der erfahrene L. Sulla, wahrend Marius selbst vier Legionen an die untere !sere vorschob und dort in einem festen Lager stehenblieb. Wenn die Teutonen und Ambronen beabsichtigt haben soli ten, durch die savoyischen Passe nach Italien vorzusto£en, so war ihnen dieser Weg jedenfalls versperrt, andererseits zogerte Marius noch immer, den Gegner anzugreifen. Er lie£ ihn vielmehr an sich vorbei, rhoneabwarts weiter nach Siiden ziehen, iiberho!te ihn aber dann doch auf der inneren Linie im Vorland oder durch die Taler der Franzosischen Kalkalpen und stellte sich in der Nahe von Aquae Sextae (Aix-en-Provence) erneut bereit. Der Sinn dieses ganzen Manovers konnte nur sein, die Ambronen und Teutonen in die Gegend der alten Kiistenstra£e zu ziehen, urn sie dort in einer Landschaft, die den Romern vollig vertraut war und an dem Platz, an dem Marius es wollte, zu schlagen und zu vernichten. Als erste liefen die Ambronen in ihr Verderben, kurz darauf die Teutonen, die auch noch in ihrem Riicken von einer vorher von Marius bereitgestellten Abteilung von 3000 Mann angegriffen, eingekesse!t und aufgerieben wurden. In der Zwischenzeit hatte sich jedoch die Lage bei dem Korps des Catulus ziemlich bedrohlich entwicke!t. Die romische Heeresabteilung war hier zuerst das Etschtal aufwarts bis in die Gegend von Trient vorgegangen, hatte dann aber, frontal von den Kimbern angegriffen und in ihren riickwartigen Verbindungen vermutlich schon durch die Tiguriner bedroht, einen fluchtartigen Riickzug antreten miissen und sich erst am Po, in der Linie Cremona-Placentia wieder sammeln konnen. Die Kim bern waren damit einen Winter lang die Herren der Poebene, doch mu£ten sie friiher oder spater mit dem romischen Gegenangriff rechnen.
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Die ri:imische Polirik im Zeitalter des Marius und Sulla
Marius, im Jahre 101 v. Chr. zum funftenmal Konsul, hatte aile verfugbaren Truppen an sich gezogen, als er im Sommer des Jahres 101 v. Chr. von Placentia aus mit rund 55 000 Mann gegen die Kimbern vorging. Bei Vercellae, auf den Raudischen Feldern, die nach neueren Untersuchungen am unteren Po in der Nahe von Rovigo zu suchen sind, kames am 30. Juli zur entscheidenden Schlacht, in der lange Zeit die Legionen des Catulus allein den Druck der Germanen und Kelten auszuhalten hatten, bis endlich der von Marius befehligte Umfassungsflugel eingriff und den Untergang der Kimbern besiegelte, die noch in ihrem Wagenlager bis zum Letzten kampften. Nur die Tiguriner konnten sich nach Norden absetzen und, verfolgt von Sulla, in das Gebiet der heutigen Schweiz entkommen. Nach den Aussagen der Oberlieferung sollten uber 100000 Kimbern erschlagen oder gefangengenommen worden sein, aber nach den Aussagen der Oberlieferung begann auch schon auf dem Schlachtfeld ein Streit daruber, ob Catulus oder Marius bzw. der Flugel des Catulus oder die Truppen des Marius den entscheidenden Anteil am Siege fur sich in Anspruch nehmen konnten, und dieser Streit fand alsbald in der Schrift des Catulus de consulatu suo, spater dann wohl auch in Sullas Memoiren seinen literarischen Niederschlag. Immerhin haben schon die Zeitgenossen den Erfolg in erster Linie dem Marius zugeschoben und aile Ehren auf ihn gehauft. Marius selbst verstand sich jedoch zu der sympathischen Geste, seinen Triumph gemeinsam mit Catulus zu feiern, aber er allein galt als der dritte Grunder Roms, ihm allein brachte man im Hochgefuhl der Siegesstimmung wie einem Gott Trankopfer dar, ihn allein nannte man Vater des Vaterlands. Marius stand auf dem Gipfel seiner Laufbahn und doch zugleich auch an dem Punkt, an dem die Entscheidung uber seine zukunftige Stellung im romischen Staate fallen muBte. Denn selbstverstandlich gewannen in Rom jetzt wieder die innenpolitischen Fragen den Vorrang vor den militarischen Belangen. An der Schwierigkeit, uberragende militarische Erfolge in dauernden politischen EinfluB umzumunzen, waren vor Marius schon die Scipionen und andere groBe Feldherren der Republik gescheitert. Es war die Frage, ob ausgerechnet der homo nov us Marius hier eine glucklichere Hand zeigen wurde. Zunachst betrieb Marius mit allen Mitteln seine Kandidatur fur sein sechstes Konsulat im Jahre 100 v. Chr., aber die Opposition, der er
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dabei trotz des noch kaum verklungenen Siegesjubels begegnete, muBte ihm bereits zeigen, wie schwierig und zerkli.iftet das politische Terrain in der Hauptstadt unterdessen geworden war. Die Gegensatze, die Marius dort vorfand, waren selbstverstandlich noch immer die alten, prinzipiellen, von optimatischen wie popularen Politikern genutzten. Aber sie waren im Jahre 102 v. Chr. noch zusatzlich durch das Verhalten von Marius' altern Gegner aus Afrika, Q. Caecilius Metellus Numidicus vertieft worden. Dieser hatte damals, zusammen mit seinem Vetter, C. Caecilius Caprarius, die Censur bekleidet und die Gelegenheit dazu beni.itzen wollen, urn den Volkstribunen von 103 v. Chr., Appuleius Saturninus, und C. Servilius Glaucia, den Protagonisten der Ritter, aus dem Senat zu stoBen, angeblich wegen ihres unsittlichen Lebenswandels. Appuleius nahm das nicht hin, sondern er putschte die romische Plebs auf und inszenierte einen bedenklichen Krawall, his schlieBlich der Vetter des Numidicus einlenkte. Doch die ganze innenpolitische Atmosphare Roms blieb danach vergiftet. N och im selben J ahr 102 v. Chr. hat man in Rom auch eine energische Aktion gegen das immer starker i.iberhandnehmende Seerauberunwesen im ostlichen Mittelmeer beschlossen und dem beri.ihmten Redner M. Antonius ein prokonsulares Imperium i.ibertragen, damit dieser von Sti.itzpunkten an der pamphylischen und westkilikischen Ki.iste aus eine systematische Zerschlagung der Piratennester vornehme. 101 v. Chr. wurden dann auch die Statthalter der benachbarten Provinzen, die Klientelkonige und die mit Rom verbi.indeten Stadte durch ein eigenes Gesetz zu ri.icksichtslosem Vorgehen gegen die Seerauber verpflichtet. Neben den personlichen Motiven gab es fiir Marius nun allerdings auch durchaus sachliche Gri.inde, die ihm ein weiteres Konsulat und damit die Behauptung der politischen Fi.ihrung nahelegen muBten. Sie erwuchsen aile aus seinen Verpflichtungen gegeni.iber seinem Heer, das heiBt Marius muBte jetzt dafi.ir sorgen, daB seine Soldaten die ihnen in Aussicht gestellten Kleingi.iter auch tatsachlich erhielten und daB auch die Bundesgenossen, die unter ihm gedient hatten, zu ihrem Rechte kamen. Zunachst, unmittelbar nach Vercellae, war Marius dabei offensichtlich ziemlich groBzi.igig und pauschal verfahren, ohne es mit Rechtsfragen und mit seiner Verantwortung gegeni.iber dem romischen Volk allzu genau zu nehmen. Marius hatte das vori.ibergehend von den Kimbern okkupierte Land einfach als romisches Staatseigentum kas-
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siert, urn es spater verteilen zu lassen, andererseits an 1000 Sold aten a us der umhrischen Stadt Camerinum, die sich hesonders ausgezeichnet hatten, mit einem Zug das romische Bi.irgerrecht verliehen. Als man ihm deshalh spater Vorhaltungen machte, soli Marius erwidert hahen, er hatte i.iher dem Larm der Waffen das Gesetz nicht horen konnen, Ausdruck einer Schlagfertigkeit, die sonst ganz und gar nicht seine Sache war. Als Rivale gegen Marius' Kandidatur urn das sechste Konsulat des Jahres 100 v. Chr. hatte sich Marius' alter Feind Q. Caecilius Metellus Numidicus gemeldet, und in ihm verfi.igte die Nohilitat i.iher einen ehenso unerschrockenen wie charaktervollen Fi.ihrer ihrer Sache, denn Metellus war ein Mann, der seinen Prinzipien und seiner Linie treu hlieh, der zu keinerlei Kompromissen bereit war, der zwar zunachst unterlag, aher jedenfalls das Kampffeld in anderem Stile verlieg als der Sieger Marius. Man hat spater hehauptet, dag Marius nur durch Wahlhestechungen zu seinem neuen Konsulat gekommen ware und dadurch, dag seine Leute die Bi.irgerversammlungen i.iherwachten und heherrschten. Wie immer es darum hestellt ist, Marius wurde zusammen mit dem vollig unprofilierten Valerius Flaccus zum Konsul gewah!t, wohei auch diesmal Saturninus und Glaucia aile Mittel der Demagogie und der politischen Pression, die die heiden so skrupellos heherrschten, fi.ir Marius einsetzten. A her wessen sich Marius von diesen heiden Mannern dann spater zu versehen hatte, mugte ihm schon nach dem Verlauf der Wahl fi.ir das Volkstrihunat des Jahres 100 v. Chr. klargeworden sein. Dafi.ir hatte namlich wiederum Saturninus kandidiert, der auch schlieglich gewah!t wurde, allerdings unter Terror. Sein designierter und ganz unhequemer Kollege Nonius wurde von den Schlagern und Stechern, die Glaucia und Saturninus mohilisiert hatten, vor aller Augen niedergemacht.
Die Krise des jahres 100 v. Chr. Da fi.ir das Jahr 100 v. Chr. Marius zum Konsul, Glaucia zum Prator und Saturninus zum Volkstrihun gewah!t worden waren, verfi.igten diese drei Manner i.iher aile Amtshefugnisse, urn einen einheit!ichen po!itischen Willen zu verwirklichen- wenn es einen sol chen gegehen hatte. Denn urn die eigenti.imliche Entwicklung des Jahres 100 v. Chr. zu
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verstehen - eines der erregendsten Jahre der romischen Geschichte ist es notwendig, die Stellung und die Ziele der drei Manner naher zu charakterisieren. Saturninus und Glaucia waren als aktive und ehrgeizige Realisten in eine Art von Interessengemeinschaft getreten, die sich im politischen Alltag immer wieder von neuem bewahrte. Beide verstanden es hervorragend, den politischen Apparat in Gang zu bringen, schlagkraftige Terrorgruppen zu organisieren, den Mob der Stra~e und die Volksversammlung aufzuputschen und die breite Offentlichkeit unter Druck zu setzen. Bei heiden war die Frontstellung gegen die Aristokratie gegeben, beide brauchten aber Marius, das Idol der entlassenen Soldaten und der Bi.irgerschaft, als Aushangeschild fi.ir ihre Machenschaften und als eine Art Auftraggeber. Marius dagegen hatte Schwierigkeiten, seine politischen Verpflichtungen einzulosen. Er war seinen Helfern zuerst gewi~ dafi.ir dankbar, dag sie seine Plane Wirklichkeit werden lie~en, doch mu~ten ihn in zunehmendem Ma~e die Methoden jener Manner absto~en. Dem Heerfi.ihrer, der die romische Armee reorganisiert hatte, waren Zucht und Ordnung und Respekt vor jeder Autoritat in Fleisch und Blut i.ibergegangen, ein Terrorregiment wollte er im Jahre 100 v. Chr. nicht ausi.iben. Deshalb distanzierte sich Marius von Saturninus und Glaucia auch sobald er erkannte, da~ beide seinen Namen mi~brauchten und da~ der Stra~enkampf zum Normalzustand zu werden drohte. Im Auftrage und ganz gewi~ mit Billigung des Marius brachte Saturninus zunachst zwei Gesetze ein, ein Ackergesetz, eine lex Appuleia agraria, und ein Gesetz i.iber die Anlage neuer Kolonien, eine lex Appuleia de coloniis, moglicherweise im Wege einer Sammelvorlage, einer lex satura, doch die Einzelheiten dieser technischen Prozedur sind strittig. Strittig ist auch die Vorlage eines neuen Getreidegesetzes, das die Abgabe von Getreide an die hauptstadtische Bevolkerung zu noch billigeren Preisen als bisher dekretierte. N ach der lex agraria wurden die den Kimbern abgenommenen Gebiete zur Aufteilung an die Veteranen bestimmt, dabei handelte es sich wohl hauptsachlich urn die Landstriche im Pogebiet. Au~erdem sollten neue Kolonien in Sizilien, Achaia, Macedonia, in Afrika und Korsika angelegt werden, und Marius wurde dazuhin das Recht eingeraumt, in jeder Kolonie einer bestimmten Zahl von Einwohnern das romische Bi.irgerrecht zu verleihen. Spuren dieser Kolonisationstatigkeit sind in Afrika sowohl epigraphisch als auch ar-
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chaologisch belegt: Nach dem Ausweis von Inschriften fiihrten beispielsweise die Siedlungen von Thibaris und Uchi Maius noch im 3. Jahrhundert n. Chr. den Cognomen Mariana, in Thuburnica wurde Marius auBerdem als Grunder der Kolonie geehrt. Offensichtlich hat Saturninus jedoch den zu erwartenden Widerstand der Nobilitat richtig eingeschatzt und deshalb mit dem Gesetz die Klausel verbunden, die Senatoren miiBten innerhalb von fiinf Tagen einen Eid auf das Gesetz ablegen - oder ins Exil gehen. Schon die Abstimmung iiber dieses Gesetz fiihrte zu Tumulten, denn da in Rom niemand dafiir zu begeistern war, hatte Saturninus vorsorglich Parteiganger des Marius und Interessenten zusammentrommeln lassen und mit deren Hilfe die Vorlage dann auch durchgepeitscht. Aller Widerstand half nichts. Kollegen des Saturninus, die ihr Veto gegen das Gesetz einlegen wollten, riB man mit brachialer Gewalt von der T ribiine herab, stadtische und landliche Kniippelgarden jagten sich hin und her, der Einwand, es habe gedonnert und der ganze Abstimmungsvorgang sei deshalb null und nichtig, wurde gar nicht erst beachtet, am En de behaupteten die Schlager des Saturninus das Feld- und das Gesetz wurde angenommen. Damit war Marius selbst nun freilich in eine auBerordentlich peinliche Lage gebracht worden. Denner hatte jetzt das Gesetz im Senat vorzulegen und gleichzeitig zu der Frage der Eidesleistung Stellung zu nehmen. Sein Verhalten in dieser Sache wurde von folgenden Gesichtspunkten bestimmt: Der Sache nach hatte Marius gar keine andere Wahl, als sich mit dem Gesetz zu identifizieren - wollte er nicht seine alten Soldaten vor den Kopf stoBen. Der Form nach konnte sich Marius mit einem so zustande gekommenen Gesetz in keinem Falle abfinden wollte er nicht zum Vollstreckungsorgan seiner Helfer werden und als ein Magistrat gelten, der den Terror aus Schwache und Feigheit deckte. Urn aus diesem Dilemma herauszukommen, hatte es politischer und diplomatischer Fahigkeiten bedurft, aber auch einer Charakterstarke, wie sie Marius versagt waren. Doch zu den genannten Gesichtspunkten kommt schlieBlich noch ein dritter hinzu, der von vielen Beurteilern der Vorgange schon im Altertum zum ausschlaggebenden gemacht worden ist. Denn da von vornherein klar sein muBte, daB Q. Caecilius Metellus den geforderten Eid nie ablegen wiirde, konnte man Saturninus und Marius unterstellen, daB
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mit der Eidesforderung von allem Anfang an heahsichtigt war, Metellus ins Exil zu treihen. Die heiden wichtigsten Berichte uher die folgenden Vorgange, diejenigen von Appian und Plutarch, weichen zwar in einigen Einzelheiten voneinander ah, lassen aher den Hergang in der Hauptlinie ziemlich eindeutig erkennen: Danach hielt Marius hei der Vorlage des Gesetzes im Senat eine Rede, in der er sich zwar zum Inhalt des Gesetzes hekannte, aher einen Eid darauf ahlehnte, es sei denn, er werde durch Gewalt dazu gezwungen. Daraufhin legte sich auch Metellus fest mit der Erklarung, daB er den Eid nie leisten werde, da das Gesetz nicht rechtmaBig zustande gekommen sei. Danach wurde die Senatssitzung geschlossen. Doch vier Tage spater trat der Senat erneut zusammen. Inzwischen hatte Saturninus die Veteranen aufgeputscht und eine geschickte Propaganda entfaltet mit dem Ten or, daB das ganze Gesetz an der Haltung des Marius zu scheitern drohe. Jedenfalls sah sich der Konsul dem starksten Druck der StraBe ausgesetzt. Es rachte sich nun, daB Marius die alten Sold aten nie direkt an die politische Kandare genommen hatte, so daB er jetzt zum Gefangenen seiner Werkzeuge wurde. Marius fie! nun urngewiB nicht, wei! er- wie Plutarch schreiht, ,Lugen fur Tuchtigkeit und Gewandtheit angesehen hatte" - , sondern wei! er sich, wie schon in seinem Volkstrihunat, mit keiner der Parteien ganz identifizieren konnte, nicht mit der Nohilitat, aher auch nicht mit den StoBtrupps des Saturninus. Nach Appian sol! Marius geauBert hahen, daB man dem Druck des Volkes nachgehen musse, er wurde deshalh den Eid auf das Gesetz unter dem Vorheha!t leisten, daB es ein Gesetz sei, das heiBt vorhehalt!ich seiner VerfassungsmaBigkeit und Rechtsgultigkeit, und er empfahl auch den uhrigen Senatoren, es so zu halten. Daraufhin legte er selhst im Saturntempel den Eid auf das Gesetz ah, unter Zeitdruck schworen auch die uhrigen Mitglieder des Senats, mit einziger Ausnahme des Metellus, der nach Rhodos in die Verhannung ging. Marius mochte allen Ernstes gehofft hahen, auf diese Weise gegenuher heiden Seiten sein Gesicht ZU wahren, in Wirklichkeit hatte er sein Prestige ganz verloren und aile Parteien vor den Kopf gestoBen. Die Senatoren fiih!ten sich getauscht und hintergangen, das Yolk hatte kein Versrandnis fur die Kapitu!ation vor den radikalen Gruppen, die sen war Marius zu kompromiBhereit gewesen. A us den Verstrickungen solcher Vorwurfe fand Marius nicht mehr heraus. An den Wahlen fur die Magi-
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straturen des Jahres 99 v. Chr. sollte sich das in aller Deut!ichkeit von neuem zeigen. Appuleius Saturninus und Servilius Glaucia waren langst entschlossen, ihren Weg jetzt auch ohne Marius zu gehen. Sie wollten sich deshalb auch fur das J ahr 99 v. Chr. durch eine Magistratur sichern, Saturninus druckte seine Wahl fur ein drittes Tribunatsjahr tatsachlich durch. Glaucia kandidierte fur das Konsulat, obwohl er damit gegen die Verfassungsnormen verstiefS. Doch als es auch bei dieser Wahl zu neuen Wirren kam und ein Gegenkandidat L. Memmius von den Anhangern Glaucias ermordet wurde, war der Bogen uberspannt. Der romische Senat beauftragte die Konsuln, dafur einzutreten, daiS imperium und maiestas des romischen Volkes bewahrt blieben. Marius nahm daraufhin off en Partei fur Ordnung und Gesetz- aber das hiefS in diesem Augenblick auch fiir die Interessen der Nobilitat und aller Besitzenden. Senatoren und Ritter griffen zu den Wallen, Freiwillige wurden von Marius ausgerustet, die Anhangerschaft des Saturninus und Glaucia hatte unterdessen das Kapitol besetzt. Sie wurde eingeschlossen und zur Kapitulation gezwungen, nachdem die Wasserversorgung abgeschnitten war. Marius liefS dann die alten Verfechter seiner Interessen in die Kurie schaffen, urn sie dort durch eine Art von Schurzhaft dem HafS der Stunde zu entziehen. Aber auch die fanatisierten Teile des Stadtvolkes und der Nobilitat ahnten solche Absichten und machten allem ein En de, indem sie das Dach der Kurie abdeckten und die Gefangenen mit Ziegeln steinigten. Damit war nun zugleich das politische Schicksal des Marius besiegelt. Schon rund ein J ahr spater wurde Metellus aus seiner Verbannung zuruckgeholt, wahrend Marius selbst eine Reise nach Kappadokien und Galati en antrat, angeblich urn ein Gelubde an die GrofSe Mutter zu erfullen, in Wirklichkeit urn fur einige Zeit der stadtromischen Politik fern zu sein. Politisch war Marius zunachst ein toter Mann. Das Jahr 100 v. Chr. hatte erwiesen, daiS von Marius keine bleibende und konstruktive Losung der politischen Schwierigkeiten und der politischen Krise Roms zu erwarten war. Das Jahr ist aber nicht nur zum Testjahr seiner Begabung und seiner Moglichkeiten geworden, sondern daruber hinaus auch zu dem J ahr, in dem Vorzuge wie Mangel der romischen Verfassung in besonders deut!icher Weise ans Licht traten. Die Geschlossenheit von politischer und militarischer Fuhrung hatte in der Romischen Republik fruher haufig dazu gefuhrt, daiS die Politiker, die
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kraft ihrer Magistratur die Heere und Flotten zu kommandieren hatten, als Befehlshaber erbarmlich versagten. In Marius zeigte sich die gegenlaufige Entwicklung. Die militarischen Aufgaben des Imperiums hatten in ihm einen homo novus an die Spitze des Staates gebracht, der das Konsulat nur auf Grund seiner Leistung als militarischer Spezialist erreichte. Die Annahme, daB ihm mit der Bekleidung des Konsulats zugleich auch spezifische politische Qua!itaten zuwachsen wiirden, war selbstverstandlich eine Illusion. Nur war Marius auf diesen Weg gezwungen worden, denn gerade seine Heeresreform ni:itigte den Befehlshaber, entweder selbst Politiker zu werden und dann fiir die Versorgung seiner Truppen zu kampfen, oder Politiker zu finden, die das fiir ihn iibernahmen. Die a!te ri:imische Bauernmiliz hatte Versorgungsprobleme solcher Art natiirlich nie aufgeworfen, wei! die Legionare am Ende jedes Dienstjahres wieder auf ihre Bauernhi:ife zuriickgekehrt waren. Erst die Heeresreform des Marius hatte diese neuen Aufgaben des Feldherrn als eine bleibende Belastung fiir die Zukunft mit sich gebracht und den Feldherrn gezwungen, ob er wollte oder nicht, seine Versprechungen auch zu verwirklichen. Selbstverstandlich stand ihm dafiir in dem neuen Heere ein Instrument zur Verfiigung, das sich auf die verschiedenartigste Weise auch politisch einsetzen lieB, auch der homo novus verfiigte jetzt iiber eine Klientel neuer Art, damit iiber ein Gegengewicht gegen das seitherige Monopol der Aristokratie - nur hat Marius hier die letzten Konsequenzen ebensowenig gezogen, wie rund vierzig Jahre spater Pompeius, der dann ja auch den Politiker Caesar brauchte, urn die Versorgung seiner Veteranen zu sichern. Es ist deshalb vi:illig verfeh!t, iiber das Wirken des Marius den Begriff der Militarmonarchie zu setzen, ganz einfach deshalb, wei! Marius zum Monarchen alles feh!te. Marius hat nie auf lange Sicht politische Konzeptionen mit allen Mitteln zu verwirklichen gesucht, er war kein Staatsmann und erst recht kein politischer Fiihrer, sondern er hat- wie spater Pompeius auchnach der Erfiillung seiner militarischen Aufgaben sein Heer entlassen und versucht, mit den herki:immlichen Mitteln der spa ten Republik, auf dem Wege iiber populare Politiker und iiber die Volksversammlung, die ihm gestel!ten Aufgaben zu li:isen. Aber Saturninus war kein ,politischer Adjutant" des Marius, sondern ein Demagoge, der die von ihm organisierte Plebs zuletzt auch unter eigener Flagge und ohne jede
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Riicksicht auf Marius einsetzte. Die indirekte Methode politischer Einflugnahme, die Marius erproben wollte, war schon hier als untauglich erwiesen; sie sollte sich spater unter Pompeius noch einmal als untauglich zeigen, wei! Pompeius wie Marius den Bruch der republikanischen Verfassung im entscheidenden Augenblick nicht wagen wollte. Gewagt haben diesen Bruch sowohl Sulla als auch Caesar, der gerade in diesem Jahre 100 v. Chr. geboren wurde.
jahre der Reaktion In der ri.imischen Innenpolitik erharteten nach dem Untergang des Saturninus und nach dem Abgang des Marius wieder die konservativen Krafte ihren Einfiug, his im Jahre 91 v. Chr. in M. Livius Drusus ein im Grunde konservativ gesinnter Reformpolitiker neue Wirren ausli.iste, die dann den Bundesgenossenkrieg der Jahre 91-88 v. Chr. nach sich zogen. Wahrend des Bundesgenossenkrieges traten die innerri.imischen Gegensatze zunachst zuriick, populare und optimatische Politiker stemmten sich gemeinsam dem Druck der Bundesgenossen entgegen, einem Druck, der Rom nun freilich urn einen hohen Preis zu jenen Zugestandnissen zwang, die die Reformer schon vor J ahrzehnten auf friedlichem Wege hatten geben wollen. Aber dieser Krieg fiihrte dann auch wieder Marius und Sulla ins Licht der Offentlichkeit und der Politik, und als er schliegJich beendet war, klafften die miihsam verdeckten inneren Gegensatze erst recht wieder auf. Dennoch kam es auch jetzt nicht so fort zu einer endgiiltigen Entscheidung, sondern als wichtigstes Problem erwies sich nun der Kampf gegen Mithradates VI. von Pontos, was schon allein daraus ersicht!ich wird, dag Marius wie Sulla den Oberbefehl in diesem Kriege mit allen Mitteln an sich reigen wollten. Im Schatten dieses Krieges kames in Rom selbst zum Zwischenspiel der Herrschaft Cinnas, die jedoch bei Sullas Riickkehr aus dem Osten in sich zusammenbrach und schliemich durch Sullas systematische Restauration ersetzt wurde. Sieht man auf diese Gesamtentwicklung, so sind es in den neunziger und achtziger J ahren des 1. J ahrhunderts v. Chr. wohl zu einem grog en Teil wieder die a! ten Fragen und Probleme, die zur Diskussion stehenaber doch zuerst auch neue Manner, die das Geschehen bestimmen, und
Jahre der Reaktion
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so Iaf~t sich jedenfalls nicht sagen, da{; die romische Politik nach dem Scheitern der von popularen Politikern in Gang gebrachten Reformversuche, gleichsam der Eigengesetzlichkeit der Entwicklung gehorchend, notwendig in Sullas Restauration einmiinden mu{;te. Gerade die erste Halfte unseres Zeitabschnittes la{;t hier vielmehr ganz andere Ansatzpunkte erkennen. Die ri:imische Innenpolitik zeigte nach der Niederwerfung der radikalen Gruppen urn Saturninus und Glaucia zunachst zwar nicht mehr die stiirmische Erregung der Zeit urn die Jahrhundertwende, doch auch in den folgenden, relativ ruhigeren Jahren herrschte keine innere Harmonie. Die politische Atmosphare wurde vielmehr durch Intrigen und Winkelziige aller Art bestimmt, die Chance, jetzt zu einer Konsolidierung der inneren Verhaltnisse zu kommen, nur zu bald vertan. Schon kurze Zeit nach der triumphalen Riickkehr des Metellus Numidicus aus dem Exil begann die Abrechnung mit den Anhangern des Marius und Saturninus in Gestalt einer politischen Justiz. Als erster wurde im Jahre 98 v. Chr. der Volkstribun des Vorjahres, P. Furius Philus, belangt, wei! dieser damals gegen einen ersten Antrag, den Metellus zuriickzurufen, sein Veto eingelegt hatte. Er wurde vom aufgeputschten Pi:ibel erschlagen. Glimpflicher kam dessen ehemaliger Amtskollege Sextius Titius weg, den man verbannte, wei! er in seinem Haus noch immer ein Bild des Saturninus aufbewahrte. Auch ein Vetter des Saturninus mu{;te damals in die Verbannung gehen, angeblich wei! er die Ermordung seines Verwandten beklagt hatte. Offensicht!ich herrschte damals in Rom ein politisches Klima, das ungefahr der Epoche der Majestatsprozesse in der ri:imischen Kaiserzeit entspricht, wie wir sie aus Tacitus kennen. Immerhin lag aber den Abrechnungsprozessen aus dem Anfang der neunziger Jahre des l.Jahrhunderts v.Chr. doch ein gewisses System zugrunde, wie am besten die lex Caecilia-Didia aus dem Jahre 98 v. Chr. zeigt, die einen juristischen Eckstein der Reaktion auf die Vorgange des Jahres 100 v. Chr. darstel!t. Es handelt sich dabei urn ein Gesetz, das gleichsam die verfassungsrecht!ichen Lehren und Konsequenzen aus den Vorsto{;en des Saturninus zog und das in Zukunft allen ahnlichen Versuchen einen Riegel vorschieben wollte. Die lex Caecilia-Didia, die ihren Namen nach den heiden Konsuln des Jahres 98 v. Chr., Q. Caecilius Metellus und T. Didius tragt, setzte gewissermallen eine neue Geschaftsordnung fur
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die romischen Volksversammlungen fest, wozu nach den Vorgangen der letzten Jahre ja Grund genug vorhanden war, eine Geschaftsordnung, deren wichtigste Punkte besagten, daB 1. in Zukunft keine Zusammenfassung verschiedenartiger Gesetzesantrage in einer sog.lex satura mehr erfolgen durfe und daB 2. zwischen der Bekanntgabe eines Antrages und der Abstimmung daruber in der Volksversammlung stets ein bestimmter zeitlicher Intervallliegen musse. Ziel dieser Bestimmungen war ganz offenkundig, einmal durch die Methode der Einzelabstimmung eine Wiederholung fruherer Vorfalle auszuschalten, als auf dem Wege tiber eine lex satura auch Neuerungen beschlossen wurden, die bei einer gesonderten Abstimmung nicht angenommen worden waren, die aber- garniert mit anderen Gesetzen- schmackhaft gemacht worden waren. In Zukunft muBten somit aile Pakete von Reformgesetzen aufgeschnurt und diese einzeln zur Diskussion gestellt werden. Urn die Diskussion der Gesetzesantrage und damit urn die Moglichkeit, Dberraschungscoups auszuschalten, ging es bei Punkt 2, aber freilich nicht urn die Diskussion allein. Denn die Tendenz dieser Bestimmung war ganz und gar nicht ,demokratisch", sondern diese Bestimmung so lite es selbstverstandlich in erster Linie dem romischen Senat erlauben, rechtzeitig GegenmaBnahmen gegen unwillkommene Antrage zu treffen. Sie so lite verhindern, daB der Senat, wie unter Saturninus geschehen, einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.
Die Bundesgenossenfrage Von den vielfaltigen Problemen der romischen Politik, die in den neunziger Jahren zur Losung anstanden, aber im allgemeinen fast nur dilatorisch behande!t wurden, kommt zwei Themenkreisen eine besondere Bedeutung zu, namlich 1. dem Verha!tnis Roms ZU den Bundesgenossen, 2. dem Verha!tnis zwischen Sen at und Ritterschaft, und in heiden Fallen hande!te es sich urn Probleme, die schon von den Gracchen aufgeworfen worden waren und die jetzt unter neuen Vorzeichen wieder begegnen. An die Bundesgenossenfrage hatten sowohl Marius als auch Saturninus geruhrt, doch zu einem einheit!ichen, dem Problem gerecht werdenden Vorgehen konnte man sich in Rom nicht verstehen. Zunachst verfolgten hier die heiden Censoren des Jahres 97 v. Chr.,
Das Verhaltnis zwischen Senat und Ritterschaft
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L. Valerius Flaccus und M. Antonius, eine durchaus fortschritt!iche Linie, indem sie oflensicht!ich zahlreichen, in Rom ansassigen ltalikern das romische Burgerrecht zuerkannten. Aber schon zwei Jahre spater fie! man in das andere Extrem. Die heiden Konsuln des Jahres 95 v. Chr., L. Licinius Crassus und Q. Mucius Scaevola, setzten in der lex Licinia-Mucia durch, daG aile diejenigen Italiker, die sich durch falsche Angaben die Eintragung in die Burgerliste - und damit das romische Burgerrecht- erschlichen hatten, aus Rom auszuweisen seien. An sich war diese lex vom romischen Standpunkt aus durchaus verstandlich und selbstverstandlich auch vollig legal, nur war dabei uberhaupt nicht bedacht worden, wie die Durchfuhrung einer solchen lex in der Praxis auf die von ihr Betroflenen wirken muGte: Jeder Neuburger wurde uberpriift, viele verdachtigt, aile Italiker irritiert, kurzum, es wurden wegen einiger Schuldiger samtliche Bundesgenossen beleidigt, indem man sie in der kurzsichtigsten Art vor den Kopf stieG.
Das Verhaltnis zwischen Senat und Ritterschaft Senat und Ritterschaft waren Ende des Jahres 100 v. Chr., angesichts der letzten Aktionen des Saturninus, in eine Notstandsgemeinschaft gedrangt worden, die fur einen Augenblick die Tatsache vergessen lieG, daG die Ritter !angst zu einem selbstandigen politischen Faktor geworden waren und daG sich ihre wirtschaft!ichen Interessen auf die Dauer mit den Ambitionen der Senatsaristokratie nicht voll in Einklang bringen lieGen. Immerhin war auch hier fur einen Augenblick die Chance zu KompromiG oder Ausgleich gegeben, und fur einen Augenblick mochte die Fuhrungsschicht hoflen, daG die Solidaritat der Besitzenden auch in der Zukunft zu einem engeren Zusammengehen der heiden Stande fuhren konnte. Doch dazu sollte es nicht kommen, gerade in der Provinz Asia ging nun die Saat der Gracchen auf. Im Jahre 94 v. Chr. hatte Q. Mucius Scaevola, der schon genannte Konsul des Jahres 95 v. Chr., die Stattha!terschaft in der Provinz Asia erhalten und sich dort durch die Reorganisation der Verwaltung und besanders durch eine ungewohnlich saubere Amtsfuhrung groGe Verdienste erworben. Die Leidtragenden dieses neuen Kurses der romischen
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Provinzialverwaltung in Asia waren selbstredend die Steuerpachter und Ritter, die denn auch alsbald ihre Konsequenzen zogen. Zum Ziel ihrer Angriffe wahlten sie sich indessen nicht den untadeligen Aristokraten Mucius Scaevola, sondern dessen Freund, P. Rutilius Rufus, der schon im Jahre 105 v. Chr. als homo novus das Konsulat bekleidet hatte, der Scaevola wahrend dessen Statthalterschaft als Legat diente und dann auch dessen Nachfolger wurde, ein ebenfalls auBerst korrekter Magistrat, der Scaevolas Kurs weiterverfolgt hatte. Es war ein Hohn auf Recht und Gesetz, daB die aus Rittern zusammengesetzte quaestio perpetua de repetundis im Jahre 92 v. Chr. ausgerechnet gegen diesen Mann einen Repetundenproze£ eri:iffnete und auch seine Verurteilung durchsetzte. Der Proze£ mu£te die Aristokratie zum Handeln drangen und eine neue Eri:irterung aller gravamina, wie auch der Verfassung, ausli:isen. Wie vor 133 v. Chr., so gab es auch diesmal im ri:imischen Senat einen Kreis von angesehenen Mann ern, der die zutage getretenen Mi£stande auf dem Wege friedlicher Evolution beseitigen wollte, und so wie damals gab es auch jetzt einen jungen Mann, der diesen gema£igten Reformern das Heft aus der Hand nahm. Zu den ersteren, der aristokratischen Reformergruppe, gehi:irten der princeps senatus, M. Aemilius Scaurus, dem vor allem an einer Gerichtsreform lag, weiter die ehemaligen Censoren L. Licinius Crassus und M. Antonius; der junge Reformpolitiker war M. Livius Drusus, der Sohn jenes M. Livius Drusus, welcher im Jahre 122 v. Chr. den Gaius Gracchus durch seine Konkurrenzdemagogie ausgestochen hatte. Wie weit die Dinge inzwischen gediehen waren, zeigt wohl am besten die T atsache, daB Livius Drusus diesmal von einer konservativen Plattform aus nicht wenige Projekte wieder aufgriff, die einst die Gracchen ventiliert hatten. Doch es ist eine irrefuhrende Vereinfachung, in ihm lediglich den ,konservativen Revolutionar" zu sehen.
Die Reformpolitik des M. Livius Drusus Wie Gracchus, so war auch Livius Drusus reich und unabhangig, und wie dieser verfolgte er das Ziel, sein umfassendes politisches Reformprogramm mit allen Mitteln zu li:isen. Durch Ausgleich wollte er sowohl die Spannungen zwischen Senat und Rittern beheben als auch das Ver-
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haltnis zu den Bundesgenossen. Doch Livius Drusus war klar, daB er diese Ziele nur dann erreichen konnte, wenn durch andere Zugestandnisse der Boden dafi.ir bereitet worden war, so daB sein Programm, schematisiert, einem Zweistufenplan entsprach, wobei in der ersten Stufe taktische Schritte eingeleitet wurden, urn das romische Volk erst einmal an die Kandare zu bekommen, wahrend die Hauptprobleme erst der zweiten Stufe seiner Initiative vorbehalten sein sollten. Die Voraussetzungen fi.ir diese Reformtatigkeit waren sehr gunstig, denn erstens wurde Livius Drusus fur das Jahr 91 v. Chr. mit einer eindrucksvollen Mehrheit zum Volkstribun gewahlt, und was noch weit wichtiger war, auch die ubrigen neun Tribunen machten ihm zunachst keine Schwierigkeiten. Zweitens aber hatte Livius Drusus zuerst auch einen starken Ruckhalt im Senat. Die Popularitat des Drusus stieg rasch an, als nacheinander die alten Forderungen der popularen Politiker wieder ans Licht geriickt wurden, als die Parol en , Verbilligung des Getreides fur die romischen Burger", ,Siedlung auf dem ager publicus" und ,Anlage von Kolonien" wieder aufgeworfen wurden und als diesem Programm dann bald auch Taten folgten. Denn der Preis fur das vom Staat in Rom abgegebene Getreide wurde tatsachlich urn die Halfte herabgesetzt, so wie dies wahrscheinlich schon Saturninus geplant hatte. Nach einer Notiz in der Natura/is Historia des Alteren Plinius (33, 56) gewann man die Mittel dafur durch eine konsequente Geldverschlechterung, das heiBt dadurch, daB man den Silbermunzen 1/s Kupfer beimischte. Durch zwei neue Gesetze, von denen eines von einem Kollegen des Drusus, Saufeius, eingebracht wurde, sollten sodann die Landverteilung und die Siedlungstatigkeit wieder belebt werden, wobei nach altern Modell zwei Kommissionen, eine Zehner- und eine Funferkommission, mit der Durchfuhrung beauftragt waren, denen Livius Drusus in heiden Fallen angehorte. Wenn dabei auch angeblich an die Wiederaufnahme aller alteren Kolonisationsprojekte gedacht war, so Standen im Mittelpunkt wiederum Italien und die benachbarten Inseln. Durch eine Inschrift aus Vibo in Bruttium erfahren wir von einer neuen Erfassung des dortigenagerpublicus. Daneben mogen vor allem die einst ausgesparten Gebiete in Kampanien und insbesondere der einst von Bundesgenossen okkupierte ager publicus herangezogen worden sein. Erst nach diesen Vorlagen kamen dann die fur Livius Drusus ent-
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scheidenden Antrage vor die Volksversammlung, zuerst ein An trag, der die Zusammensetzung der standigen Gerichtshi:ife auf eine neue Grundlage stellen so lite. Drusus schwebte hier der Kompromifl vor, da!l diese standigen Gerichtshi:ife kiinftig aus gemischten Geschworenengruppen gebildet werden sollten, dall sie also nicht mehr wie bisher Monopol eines Standes blieben. Wie sich Livius Drusus die Bildung dieser Gerichtshi:ife im einzelnen dachte, ist nicht vi:illig zu klaren, da die Uberlieferung hierfiir widersprechende Angaben bietet. Aber wahrscheinlich sollte die Neuregelung so erfolgen, dag zunachst dreihundert Persi:inlichkeiten aus den fiihrenden Familien des Ritterstandes in den Senat aufgenommen wiirden, so dag der Senat damit insgesamt sechshundert Mitglieder aufgewiesen hatte, und dag die Gerichtshi:ife danach in Zukunft aus diesem neuen Senat gebildet worden waren. Auf lange Sicht hatte sich diese Li:isung vielleicht tatsachlich bewahren ki:innen, doch fur den Augenblick war Drusus' Vorschlag beiden Standen zuwider. Den Senatoren migfiel die schubartige Erganzung, die ihrem W esen nach etwas ganz anderes war als die bisher von Fall zu Fall iibliche Aufnahme einzelner homines novi. Freiwillig waren die Senatoren niemals zu solch weitgehenden Reformen zu bewegen, sie sind dann in anderer Weise erst spater durch Sulla und Caesar oktroyiert worden. Umgekehrt hatten die Ritter inzwischen erkannt, we!che W affen ihnen die Gerichtshi:ife. boten, und zugleich ahnten sie, da!l sie bei einer Aufnahme in den Senat zuletzt doch den kiirzeren ziehen mull ten. Dennoch ging auch dieser Gesetzesantrag iiber die neue Zusammensetzung der Gerichtshi:ife zunachst durch, und Livius Drusus nahm jetzt Besprechungen mit Fiihrern und Vertretern der Bundesgenossen auf, unter anderem mit Quintus Pompaedius Silo, dem Anfiihrer eines Geheimbundes der Marser, urn dort das Terrain zu sondieren und urn sich notfalls die Unterstiitzung der Italiker in den innerri:imischen Auseinandersetzungen zu sichern. Denn !angst waren in Rom wie in den Tagen des Saturninus und Glaucia von beiden Seiten Terrorgruppen gebildet worden, !angst waren Strallenkampfe wieder eine Alltagserscheinung, und !angst hatte vor allem der Konsul L. Marcius Philippus ganz entschieden gegen Drusus Stellung bezogen. Die Senatoren begannen von dem Volkstribun abzuriicken, obwohl sich immer noch einzelne seiner Freunde, wie der Redner Crassus, ver-
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zweife!t fur ihn einsetzten. Doch seine Sache war inzwischen durch die Stra~enkampfe diskreditiert und durch seine Kontakte zu den Italikern dazuhin auch noch verdachtig geworden. Es niitzte Livius Drusus nicht einmal mehr etwas, als er seinen Gegenspieler im Sen at, Marcius Philippus, vor einem Anschlag der Italiker warnte, sondern der ri:imischen Offentlichkeit zeigte dies nur, wie weit er selbst in die Plane der Italiker eingeweiht war, obwohl es wahrscheinlich nicht richtig und zumindest umstritten ist, da~ sich Livius Drusus und die Italiker bereits durch eidliche Verpflichtungen aneinandergekettet hatten. Schliemich holte der Konsul zum entscheidenden Gegenschlag aus. Er kundigte ganz offen an, da~ er im Senat den An trag stellen werde, die gesamte Gesetzgebung des Livius Drusus deswegen annullieren zu lassen, weil sie gegen die lex Caecilia-Didia versto~e, nach welcher die Vorlage einer lex satura untersagt war. Damit hatte Marcius Philippus die Auseinandersetzung sehr geschickt von der Ebene der Sachfragen auf die der Verfahrensweise geschoben, und zweifellos bot Drusus hier der Gegenseite eine breite Angriffsflache. Doch der Erfolg der Gegenseite war durch die sen Schachzug allein nicht zu erklaren, er erklart sich nur dadurch, da~ unterdessen alle Gruppen von Livius Drusus abgeriickt waren, der Senat wie die Ritter, aber auch das Volk, das befurchtete, bei einer fortschrittlichen Regelung der Italikerfrage, wie man sie Drusus zutraute, seine alten Privilegien zu verlieren. Auf die Ankiindigung des Konsuls hin kames zu neuen Wort- und Schlagwechseln, doch mit brachialer Gewa!t lie~ sich Drusus' festgefahrene Sache nicht mehr weiterfuhren. Eine gewa!tsame Aktion ware jetzt nur noch mit Hilfe der Italiker mi:iglich gewesen, und davor scheute Drusus zuriick. Er lie~ seine Anhanger zwar in Rom auf die Stra~e gehen, aber den letzten Schritt, den gro~en bewaffneten Aufstand mit Hilfe der Italiker, wagte er dann doch nicht. Auch hier wollte Drusus lediglich vermitteln, offensichtlich in der Hoffnung, dadurch Schlimmeres zu verhiiten. Von einer solchen innenpolitischen Stellung aus konnte Livius Drusus im ri:imischen Machtkampf nicht siegen, am 13. September 91 v. Chr. unterlag er trotz der Unterstiitzung des Crassus in der entscheidenden Abstimmung im Senat, seine Gesetze wurden fur ungiiltig erklart, kurze Zeit spater wurde Livius Drusus dann von einem Unbekannten in seinem eigenen Hause ermordet, eine Tat, die zwar le-
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diglich einen politisch bereits geschlagenen Mann beseitigte, dennoch aber zu einem Fanal wurde. Die Bedeutung der Initiativen des Livius Drusus vom Jahre 91 v. Chr. liegt darin, daB er noch einmal versuchte, vor allem die Bundesgenossenfrage in Anlehnung an den Senat zu li:isen. Es hande!te sich dabei, wie man erst spater in aller Klarheit sah, urn den letzten V ersuch, die Krise durch Reform en von oben zu meistern, wahrend sich die Wolken eines Burgerkrieges bereits tiber Italien zusammenballten. Was fur die Gracchen in den Jahren 133 und 123 v. Chr. die Agrarprobleme gewesen waren, war fur Livius Drusus die Italikerfrage. Urn sie waren seine weiteren Gesetzesvorschlage gruppiert, welche wie diejenigen des C. Gracchus das gesamte politische System Roms erschuttern muBten und eine umfassende Reform in FluB bringen sollten. Gescheitert ist Livius Drusus, wei! er wie C. Gracchus die verschiedensten Probleme zugleich anpacken muBte, auch wei! er in Zeitnot war und die explosive Situation bei den Bundesgenossen richtiger einschatzte als die Mehrzahl der ri:imischen Politiker. Die Vielzahl der gleichzeitig betriebenen Projekte potenzierte naturgemaB auch die Zahl seiner Gegner, die sich ihm aus den verschiedensten Motiven entgegenstemmten und die nicht zuletzt von dem Argwohn profitierten, daB Livius eine uberragende, das GleichmaB der Republik sprengende Stellung zufallen musse, wenn seine Plane verwirklicht wurden. Zum Scheitern war Livius Drusus aber auch deshalb verurtei!t, wei! er sich auf keine geschlossene und organisierte Anhangerschaft stutzen konnte, wei! er keine Heeresgefolgschaft hinter sich hatte, sondern im Grunde rivalisierende Gruppen gleichzeitig fur seine Sache einsetzen wollte, den letzten Schritt, die offene Mobilisierung der Italiker, aber nicht tat. Auch in diesem Faile wollten die politischen Gegner des Drusus ihren Sieg his zur letzten Konsequenz ausnutzen und brachten sich gerade deshalb urn den Erfolg. An eine politische Losung der Bundesgenossenfrage dachte in diesem Augenblick kein Mensch, im Gegenteil setzte am Jahresende der Volkstribun Q. Varius Hybrida durch, daB eine nur aus Rittern bestehende Sonderkommission eingesetzt wurde, die aile diejenigen feststellen und vor Gericht ziehen sollte, die mit den Bundesgenossen konspiriert hatten. Dieses Sondergericht wurde rasch auBerst aktiv: Manner wie L. Calpurnius Bestia, der Konsul des Jahres
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111 v. Chr., und C. Aurelius Cotta, der spater, im Jahre 75 v. Chr., das Konsulat bekleiden so lite und als enger Freund des Livius Drusus galt, wurden ins Exil getrieben, andere, wie der beriihmte Redner M. Antonius, konnten sich nur durch ihre Redekunst retten. Auch viele sonstige Parteiganger des Drusus wurden ins Verderben gezogen, doch wurde das Mag schliemich voll, als die Senatskommission ihre Tatigkeit selbst noch auf italische Stadte ausdehnte, urn dort nach Schuldigen zu forschen. Der Bundesgenossenkrieg Das gegenseitige Migtrauen hatte sich !angst so weit vertieft, dag eine einzige falsche Reaktion genugen mugte, urn einen wei ten Brand zu entfachen. Dazu sollte es in der Stadt Asculum in Picenum kommen, als sich der romische Prator Servilius in der Stadt aufhie!t und sich in der angespannten Lage besonders ungeschickt benahm. In einer Art von Psychose schlug man dort deshalb nicht nur den Servilius nieder, sondern auch aile Romer, deren man habhaft werden konnte, und verhinderte damit endgultig eine friedliche Losung der Krise. Als danach eine Abordnung von Bundesgenossen in Rom Beschwerden uber die bisherige Behandlung unterbreiten wollte, wurde sie erst gar nicht angehort. Die Romer wollten sich nicht mehr in Verhandlungen einlassen, ehe nicht fur die Verbrechen von Asculum Genugtuung geleistet worden war. Umgekehrt waren die Vorgange in Asculum fur die Bundesgenossen das Zeichen zur allgemeinen Erhebung geworden. Wie ein Lauffeuer breitete sich der Aufstand gegen Rom aus. Schon bald zeichneten sich als die heiden Zentren der Erhebung die heiden grogen Stammesgruppen der Marser, im Osten und Norden von Rom, und der Samniten, im Sudosten, ab. Von diesen heiden Hauptherden aus griff der Aufstand rasch in die Nachbargebiete uber underfagte insbesondere das sudliche Kampanien, Lukanien und Apulien. Dagegen fand die Erhebung in anderen Gebieten so gut wie keine Resonanz: Latium, Etrurien, Umbrien und das nordliche Kampanien hielten Rom auch jetzt die Treue, ebenso die griechischen Stadte Suditaliens. Dieser Radius des Aufstandes zeigt, dag in der Erhebung letzten Endes auch die jahrhundertealten Gegensatze zwischen Oskern und Latinern wiederaufgelebt waren, und ebendies erklart zugleich die bemerkens-
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werte innere Geschlossenheit des Aufstandes wie den Fanatismus der Aufstandischen, die sich jetzt nach Iangen Benachteiligungen und vielen Briiskierungen ihre Selbstandigkeit zuriickholen wollten. Fiir Rom wurde der Aufstand, der von 91-88 v. Chr. andauerte und der als Bundesgenossenkrieg (bellum sociale) oder Marsischer Krieg bezeichnet wird, nicht deshalb gefahrlich, wei! er eine so weite Ausdehnung annahm, sondern deshalb, wei! es sich hier urn keine spontane Erhebung hande!te, sondern urn einen seit geraumer Zeit vorbereiteten Ausbruch von ehemaligen Bundesgenossen, die sowohl iiber eine hervorragende militarische Kampfkraft und Schulung verfiigten als auch zumindest iiber Rudimente einer eigenen staat!ichen Organisation. Die ersten Zellen der Erhebung waren selbstverstandlich die Stadte und Stamme gewesen, und aus ihnen waren dann die Vereinigungen der heiden gro£en Stammesverbande, der lateinisch sprechenden Marser und Sabeller in Mittelitalien wie der oskisch redenden Samniten mit ihren Nachbarstammen im Siidosten der Halbinsel, hervorgegangen. Schon in einem friihen Stadium der Erhebung traten in heiden Stammesverbanden militarische Fuhrer hervor, welche die Vorbereitungen fur den Kampf koordinierten und spater auch den Einsatz der Truppen leiteten. Es hande!te sich dabei bei den Marsern urn den schon genannten Q. Pompaedius Silo, bei den Samniten urn C. Papius Mutilus. Doch blieben die Aufstandischen bei dieser lockeren Vereinigung der Stamme nicht stehen, sondern sie organisierten sich in einer spezifischen Kriegsverfassung zu einem eigenen Bundesstaat. Dieser erhielt in der etwa 120km ostlich von Rom gelegenen Stadt Corfinium, die jetzt mit dem programmatischen Namen ltalia benannt wurde, als Hauptstadt einen neuen Mittelpunkt. Ein Senat von fiinfhundert Mitgliedern wurde gebildet, in dem aile beteiligten Stamme vertreten waren, der Senat selbst ernannte eine Art von Exekutivausschu£ mit diktatorischen Vollmachten, und dieser Ausschu£ setzte wiederum alljahrlich die Wahl von zwei Konsuln fest, die vermutlich von der Heeresversammlung vorgenommen wurde. Das erste Ziel dieses neuen Bundesstaates mu£te die militarische Behauptung sein, die Einzelheiten der Administration traten nach Lage der Dinge vollig in den Hintergrund zugunsten einer effektiven militarischen Organisation. Ihr dienten letzten En des auch die Miinzen, die der neue Staat ausgab, Miinzen, welche zwar in Gewicht und Miinzstan-
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dard den romischen Denaren glichen, in ihren Legenden jedoch an die Stelle von ROMA den Namen von IT ALIA im Lateinischen, oder von VITELIV im Oskischen setzten. Die Munzbilder dieser Emissionen zeigten entweder Nachahmungen bekannter romischer Typen wie der Dioskuren, oder Neuschopfungen, wie jenes besonders eindrucksvolle, pathetische Bild, in dem ein italischer Stier die romische Wolfin niederwirft. Da sich die Vorfalle von Asculum im Spatherbst des Jahres 91 v. Chr. ereignet hatten, konnte Rom zunachst nur mit einer NotmaBnahme antworten. Man ubertrug dem ehemaligen Prator Cn. Pompeius Strabo, dem Vater des spateren Pompei us Magnus, einem Manne, der selbst in Picenum ausgedehnte Landereien besa£, das Kommando uber eine Legion und gab ihm den Auftrag, mit ihr gegen Asculum vorzugehen. Allein Pompeius' Versuch, die Stadt einzuschlie£en, scheiterte vollig, schon nach kurzer Zeit war Pompei us Strabo von weit uberlegenen picenischen Verbanden auf Firm urn zuriickgeworfen, und dort wurde er nun seinerseits belagert. Den Winter uber betrieben beide Parteien mit allem Nachdruck ihre Rustungen, denn in Rom war in zwischen klar geworden, daB es hier urn die Existenz des ganzen politischen Systems gin g. Deshalb wurden jetzt aile inneren Gegensatze zuruckgestellt und zu Konsuln fur das Jahr 90 v. Chr. zwei Manner gewahlt, die sich in den vorangegangenen Wirren nicht allzu sehr exponiert hatten, L. Iulius Caesar (Strabo) und P. Rutilius Lupus, ein Vetter des Marius. Populare wie optimatische Politiker stellten sich fur die Kommandeurposten zur Verfugung, und da sich nach der militarischen Ausgangslage von Anfang an zwei verschiedene Kriegsschauplatze abzeichneten, hatte man in Rom die Moglichkeit, je einen Konsul mit dem Oberbefehl uber eine Front zu beauftragen. P. Rutilius Lupus erhielt das Kommando gegen die Marser in Mittelitalien. Ihm unterstanden unter anderem Marius und Cn. Pompeius Strabo als die bekanntesten Heerfuhrer dieses Schauplatzes, wahrend dem zweiten Konsul, L. Iulius Caesar im Sudosten, an der Front gegen die Samniten, unter anderen Sulla und der Konsular T. Didius beigegeben waren. Die Gesamtzahl der von Rom wahrend des Winters 91/90 v. Chr. mobilisierten Streitkrafte wird auf rund 150000 Mann geschatzt, von welchen allerdings nur wenig mehr als die Halfte romische Burgersoldaten waren, der Rest bestand aus Hilfstruppen aus dem gan-
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zen Reiche, denn aus Afrika wie aus Spanien und Kleinasien hatten die Romer Verstarkungen herangeschafft, urn den Marsern und Samniten gewachsen zu sein, deren Gesamtstarke auf rund 100 000 Mann berechnet wurde.
Die Neuordnung der romischen Bundesgenossenschaft in ltalien Auf eine Schilderung der Kampfhandlungen im einzelnen sei hier verzichtet. Jedenfalls war die Gesamtbilanz des Jahres 90 v. Chr. fi.ir die Romer alles andere als gi.instig. Man konnte sich lediglich damit zufriedengeben, dag der erste Anlauf der Aufstandischen aufgefangen und, wenn auch unter schweren eigenen Verlusten, zuri.ickgeschlagen worden war. Doch schon jetzt wurde deut!ich, dag die militarische Lage nur dann zu stabilisieren und eine weitere Ausdehnung der Erhebung nur dann zu verhindern war, wenn so fort grogere politische Zugestandnisse an die treu gebliebenen oder erneut aktiv auf romischer Seite kampfenden Bundesgenossen gemacht wurden. Anfangs hatte man sich dabei noch mit Einzelmagnahmen beholfen. So lieg der Volkstribun L. Calpurnius Piso zwei neue Tribus einrichten, in die jene Verbi.indeten aufgenommen werden sollten, welch en die romischen Befehlshaber wegen ihrer Tapferkeit das voile romische Bi.irgerrecht verliehen hatten. Durch ein spezielles Gesetz wurde dane bender etrurischen Stadt Tuder korporativ das romische Vollbi.irgerrecht verliehen, was Tuder vornehmlich seiner wichtigen Verkehrslage zuzuschreiben hatte. Doch der Konsul L. Iulius Caesar, der im Spatherbst des J ahres 90 v. Chr. nach Rom zuri.ickkehrte, war sich !angst dari.iber im klaren, dag die Krise mit solch homoopathischen Mitteln nicht mehr zu losen war. Der Konsul brachte deshalb eine lex I ulia de civitate sociis danda ein, die in der Frage der Bi.irgerrechtspolitik nun nicht nur einen Schritt, sondern einen Sprung nach vorne bedeutete. Denn diese lex gewahrte zunachst allen treu gebliebenen italischen Gemeinden korporativ das volle Bi.irgerrecht, weiter raumte sie den Konsuln und den i.ibrigen Inhabern eines Imperiums das Recht ein, das volle romische Bi.irgerrecht auch an Hilfstruppenteile zu verleihen, wenn diese es sich auf dem Schlachtfeld verdient hatten. Eine Inschrift (Dessau 8888) belegt, dag diese Bestimmung der Lex sehr bald angewandt wurde, denn auf dieser
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Rechtsgrundlage hat Pompeius Strabo schon im Lager vor Asculum spanischen Reitern das romische Biirgerrecht verliehen. Bot die lex Iulia praktisch nur Belohnungen fiir die treuen Anhanger Roms, so sollte eine im Friihjahr 89 v. Chr. von den beiden Volkstribunen M. Plautius Silvanus und C. Papirius Carbo eingebrachte lex Plautia Papiria die Aufstandischen selbst ansprechen. Denn diese Lex sicherte nun jedem Einzelbiirger aus Bundesgenossenstadten das volle romische Biirgerrecht zu, wenn er sich innerhalb von sechzig T agen personlich beim praetor peregrinus in Rom darum bewarb. Hier hatten also nicht die einzelnen Gemeinden die Moglichkeit, ihren Status zu verbessern, sondern gerade der einzelne Biirger, der bisher in vie len Fallen der Leidtragende war, wenn der Rat seiner Heimatstadt die Sache der Aufstandischen unterstiitzte und die lex Iulia deshalb fiir ihn nicht galt. Mit diesen relativ groBziigigen Angeboten hatte Rom endlich die schlimmsten MiBstande in seinem Verhaltnis zu den Bundesgenossen bereinigt und diesen damit gleichzeitig die wichtigsten politischen Angriffspunkte genommen. Inzwischen lieB man auf romischer Seite aber auch mit den militarischen Anstrengungen nicht nach, und noch im Winter 90/89 v. Chr. begannen die neuen Offensiven, in denen sich vor allem Sulla besonders ausgezeichnet hat. Als der Konsul Pompeius Ende des Jahres 89 v. Chr. nach Rom zuriickkehrte, zog er mit seiner lex Pompeia iiberdies auch noch fiir ganz Norditalien den SchluBstrich unter die bisherige Entwicklung, indem er den Bewohnern der Gebiete diesseits des Po, der Cispadana, die das romische Biirgerrecht noch nicht besaBen, dieses verlieh, den Gemeinden jenseits des Po, der Transpadana, aber das latinische Biirgerrecht als Vorstufe des vollen romischen Biirgerrechts, das ihnen dann freilich erst Caesar iibertragen sollte. Mit den Gesetzen von 90 und 89 v. Chr. war die alte, mehrstufige Pyramide der romischen Bundesgenossenschaft im Italien siidlich des Po eingeebnet, das friihere, mehrschichtige Rechtssystem mit den verschiedenen Rechtsstellungen der einzelnen Gemeinden nivelliert, aus allen freien Biirgern waren romische Vollbiirger geworden mit einziger Ausnahme derer, die auch 89 v. Chr. noch im Aufstand gegen Rom verharrten, nach ihrer Kapitulation fiir einige Jahre als dediticii galt en, bis dann im folgenden Biirgerkrieg auch sie das voile romische Biirgerrecht
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erlangen konnten. Diese staatsrechtlichen Konsequenzen sind auf lange Sicht weit wichtiger geworden als die Einzelheiten der Behauptung Roms und der Niederschlagung des Aufstandes. Denn das Staatsgebiet der Stadt Rom war jetzt mit dem Bereich Italiens bis zum Po identisch, aile latinischen und bundesgenossischen Gemeinden waren in Vollbi.irgergemeinden umgewandelt und in die Kategorie jener municipia civium Romanorum i.iberfi.ihrt worden, deren Stellung fri.iher skizziert wurde. N ach einigen Jahren ging Rom in diesem Gleichschaltungsakt noch einen Schritt weiter und fi.ihrte in den neugeschaffenen Municipia auch eine einheitliche Verwaltungsordnung ein, indem in jedem Municipium ein Kollegium von vier Beamten an die Spitze der Gemeindeverwaltung gestellt wurde, die quattuorviri, die jahrlich zu wahlen waren- und dieses sog. Quattuorvirat ist dann geradezu das Modell fi.ir die Verfassungsform aller italischen Stadte geworden. Ganz gewig konnte man den hier in Rede stehenden Vorgang nach modern en Magstaben etwa als Schritt vom Gemeindestaat zum Territorialstaat oder gar in den Kategorien des 19. Jahrhunderts vom Gemeindestaat zum Nationalstaat bezeichnen. Aber hier gilt es scharfer zu sehen und auch die Besonderheiten und Mangel der romischen Ordnung zu beach ten. Denn bezeichnenderweise gab Rom auch jetzt die Fiktion nicht auf, dag der alte romische Stadtstaat nur wenig verandert weiter bestehe, obwohl romische Vollbi.irger nun doch auch in den Hunderten von Gemeinden und Stadten Italiens sagen, die das voile romische Bi.irgerrecht zusatzlich zu ihrer verbrieften Gemeindeautonomie erhalten hatten. Die Hauptstadt Rom entwickelte fi.ir den Bereich ltaliens keinerlei Reprasentativsystem, sondern hielt immer noch an den alten stadtromischen Rechten fest. Die fi.ir modernes Denken so logische und scheinbar unvermeidliche Konsequenz aus der Regelung von 90 und 89 v. Chr. zog Rom nicht; eine reprasentative Vertretung der einzelnen Municipien in der romischen Volksversammlung oder im romischen Sen at stand nie zur Debatte. Es blieb vielmehr bei den alten, traditionellen Losungen, die eine Ausi.ibung der maggebenden politischen Rechte an die personliche Anwesenheit in Rom banden. Im i.ibrigen suchten die konservativen Politiker schon bald die praktische Bedeutung der Bi.irgerrechtsverleihungen gleichsam durch die ,Ausfi.ihrungsbestimmungen" wieder zu unterlaufen, indem sie bei der Zuteilung der Neuburger an die einzelnen Tribus die Gefahr einer Ma-
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jorisierung der Altburger und Stadtri:imer an die Wand malten und die politischen Auswirkungen der Burgerrechtsverleihungen dadurch aufzufangen versuchten, da~ sie die Neuburger in mi:iglichst wenige Tribus einweisen wollten. Diese Frage der Tribuszugehi:irigkeit der Neuburger sollte in den folgenden Jahren den Zankapfel der ri:imischen Innenpolitik darstellen. Trotz all dieser Einschrankungen, Widerstande und Unzulanglichkeiten aber waren die Auswirkungen der Gesetze von 90 und 89 v. Chr. doch tief: Auf lange Sicht bildete sich fortan ein noch starkeres GemeinschaftsbewuBtsein der Vollburger der italischen Halbinsel aus und eine Lebens- und Denkweise, fur welche die Betatigung im heimatlichen Municipium nicht mehr im Widerspruch stand zur Zugehi:irigkeit zum ri:imischen Staatsverband. Die Konsulwahlen fur das Jahr 88 v. Chr. fanden statt, als aile diese Probleme leidenschaft!ich diskutiert wurden, zugleich aber auch in einem Augenblick, da zuerst einmal militarische Aufgaben zu li:isen waren. Die nachst!iegende mu~te die Niederkampfung der letzten Aufstandsherde in Italien sein, die gri:iBere und lohnendere Aufgabe aber war zugleich die schwierigere, namlich der Kampf gegen Mithradates VI. von Pontos, auf dessen Vorgeschichte und Entwicklung spater im Zusammenhang einzugehen ist. Immerhin hatte die Offensive des pontischen Ki:inigs inzwischen schon Griechenland in Mit!eidenschaft gezogen, so daB eine ri:imische Gegenaktion jetzt nicht mehr Ianger aufzuschieben war. Man wahlte deshalb zu Konsuln fur das Jahr 88 v. Chr. einmal Sulla, dem wenig spater auch die Provinz Asia als Kriegsschauplatz samt dem Oberbefehl im Kampf gegen Mithradates VI. zugesprochen wurden. Neben Sulla wurde ein wenig profilierter Optimat, Q. Pompeius Rufus, in das hi:ichste Staatsamt berufen, ein Mann, dem man immerhin zutraute, daB er mit der Bereinigung des Bundesgenossenkrieges fertig wurde. Zur beherrschenden Gestalt des Jahres 88 v. Chr. schien damit Sulla geworden zu sein, doch ehe die militarischen Aufgaben in Angriff genommen werden konnten, kam es in Rom selbst zu erregten inneren Auseinandersetzungen, die bald aile anderen Probleme in den Hintergrund drangten. Den Nahrboden dafur gaben dabei nicht nur die Burgerrechtsfragen ab, sondern in erster Linie die wirtschaft!ichen Schwierigkeiten, in denen sich Rom nunmehr befand. Durch die Offensive Mithradates' VI. waren die Einnahmen aus Asia ausgefallen, die riesigen
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Rustungsausgaben hatten die Staatskasse !angst erschopft, durch die Zerstorungen, die der Krieg in Italien weithin nach sich zog, war auch die Schuldenlast fur viele Burger so hoch angestiegen, da£ man in Rom zu deflationaren Ma£nahmen griff, den Metallwert des Asses auf die Halfte reduzierte, damit zugleich die Schulden zu einem gro£en Teil herabsetzte. Als sich der Stadtprator L. Sempronius Asellio, bei dem die Glaubiger vorstellig geworden waren, mit die sen Ma£nahmen praktisch identifizierte und sie fur rechtens erklarte, wurde er wahrend eines Opfers ermordet, die Taterindessen nicht verfolgt, wei! die romischen Magistrate nur neue und gro£ere Ausschreitungen befurchteten.
Der Reformansatz des P. Sulpicius Rufus Indessen war die Ermordung des Prators nur ein Vorspiel, und die romische Offentlichkeit wurde erst recht erregt, als der Volkstribun P. Sulpicius Rufus mit seiner Agitation begann. Sulpicius Rufus war einstein Mitarbeiter und Freund des 91 v. Chr. ermordeten Livius Drusus gewesen, er war zugleich ein hervorragender Redner, aber auch ein Mann, der den Appell an die Gewalt nicht scheute. Denn Sulpicius Rufus gefiel sich darin, sich bei seinen Auftritten von sechshundert jungen Rittern, als einer Art Gegensenat, begleiten zu lassen, und was weit gefahrlicher war als diese Marotte, er hatte rund 3000 Mann als bewaffneten Anhang zur Verfugung. Gestutzt auf dieses Korps suchte er seine Anhangerschaft nach allen Richtungen zu erweitern; er warb sowohl urn die Ritter als auch urn die einstigen Gefolgsleute des Marius und mu£te sich dazu schlie£lich auch mit dem bald siebzigjahrigen Marius verbunden, denn nur so konnte Sulpicius Rufus hoff en, sich gegen Sulla und die Nobilitat durchzusetzen. Unter ihm wurde das Volkstribunat letztmals ganz bewu£t zur Basis fur weitreichende innere Reformen gewahlt. Sulpicius' Programm war deshalb auch auf den ersten Blick wenig homogen, und es wird nur dann verstandlich, wenn man bedenkt, da£ es von vornherein sehr verschiedenartige Interessentengruppen miteinander verbinden sollte. Von den vier Gesetzesantragen, die Sulpicius Rufus innerhalb kurzer Zeit vorlegte, war der erste fur die Augen der Ritter berechnet. Er sah vor, da£ jeder aus der Senatorenliste gestrichen
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wurde, der uber 2000 Denare Schulden gemacht hatte. Nach dem zweiten Antrag sollten aile Personen zuriickgerufen werden, die durch die lex Varia ins Exil getrieben worden waren, also jene Politiker, die angeblich oder tatsachlich mit den italischen Bundesgenossen in Verbindung getreten waren, das aber hief~, die alten Anhanger des Livius Drusus. Wahrend sich gegen diese heiden Gesetzesantrage wenig einwenden lieg, ihre Annahme Sulpicius aber einige Sympathien einbringen mugte, handelte es sich bei dem dritten und vierten Antrag ganz eindeutig urn politische Kampfmagnahmen, bei welchen Sulpicius von Anfang an mit der scharfsten Opposition der Nobilitat und insbesondere Sullas zu rechnen hatte. Denn in einem dritten Antrag wollte der Tribun die gleichmagige Verteilung aller Neuburger und aller Freigelassenen auf samtliche romischen Tribus durchsetzen und damit die Diskussion urn die Einweisung der Neuburger in der denkbar fortschrittlichsten und fur die Italiker gunstigsten Weise beenden. Durch einen vierten Antrag so lite schliemich der Oberbefehl gegen Mithradates VI. Sulla entzogen und Marius ubertragen werden. Obwohl dieser vierte Antrag nach Appians Zeugnis als letzter eingebracht wurde und zunachst noch nicht zur offenen Diskussion gestellt war, war er von Sulpicius Rufus schon friih ins Auge gefagt worden, denn nur auf diese Weise konnte der Tribun Marius und dessen Anhang fur sich gewinnen. Konsuln und Nobilitat verhinderten nun die Abstimmung uber diese Antrage ganz planmagig, zuletzt durch die Anordnung eines iustitium, das heifh durch die feierliche Sistierung aller Staatsgeschafte und ein Verbot aller Volksversammlungen, wei! angeblich aus sakralrechtlichen Grunden das Latinerfest wiederholt werden musse. Doch Sulpicius Rufus rig daraufhin die Geduld, er rief das Yolk trotzdem zusammen, und als die heiden Konsuln die Versammlung auflosen wollten, kames zu Tatlichkeiten, in deren Verlauf Sulla schliemich ausgerechnet im Hause des Marius Zuflucht suchen mugte. So dem Tumult entronnen, gab Sulla nach, er hob das iustitium wieder auf und begab sich nach Nola, wo das fur den mithradatischen Krieg bestimmte Heer bereitgestellt war. Es ist die Frage, ob Sulla den weiteren Gang der Dinge in der Hauptstadt richtig beurteilte, denn dort peitschte jetzt Sulpicius Rufus sehr rasch aile seine Antrage durch, nun auch den vierten, der das Kommando im Ostfeldzug an Marius ubertrug und der damit eine Lage schuf, mit welcher Sulla offenkundig nicht gerechnet hatte.
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Sullas erster Marsch auf Rom
Die sechs Legionen, die vor Nola lagen, hatten zwar zunachst die Aufgahe, die Stadt vollends auszuhungern, aher im uhrigen waren sie fur den Kampf gegen Mithradates VI. hestimmt, das heilh fur einen Feldzug, der fur jeden einzelnen ein hohes Ma£ von Beute und Gewinn in Aussicht stellte. Als deshalh zwei Kriegstrihunen vor Sulla erschienen, die ihm den jungsten Volksheschlu£ mitteilten und von ihm das Heer uhernehmen wollten, urn es spater Marius zu uhertragen, reagierte Sulla prompt, indem er an die Instinkte des einfachen Mannes appellierte. Er hrauchte der Mitteilung des Volksheschlusses und damit des Kommandowechsels nur die Bemerkung hinzuzufugen, da£ Marius naturlich mit gro£er Wahrscheinlichkeit andere Formationen gegen Mithradates fuhren wurde, urn seine Armee his zur offenen Empi:irung zu treihen. Denn die Armee, nicht er, forderte dank dieser geschickten Regie jetzt den Marsch auf Rom, Sulla erschien mehr als der Mitgerissene und nicht als der Anstifter. Fur nicht wenige der von den Vorgangen unmittelhar hetroffenen Politiker und Offiziere kam Sullas Reaktion vi:illig uherraschend. An sie hatten offensichtlich weder Sulpicius Rufus noch Marius gedacht, und dem alten Militar, der die Psyche der Sold aten ja gut genug kannte, kann man hier den Vorwurf nicht ersparen, da£ er die Bedeutung des Kommandowechsels fur die Truppe erkennen mu£te und da£ deshalh zumindest sein persi:inliches Erscheinen in Nola erforderlich gewesen ware. Der Kommandowechsel war ein so schwerwiegender Vorgang, da£ sich Marius hier nicht auf untergeordnete Offiziere verlassen durfte. Zu seinen Gunsten ist lediglich die Tatsache anzufuhren, da£ die ganz offene Befehlsverweigerung des Konsuls und der Truppe in ri:imischer Sicht so ungeheuerlich waren, da£ die senatorischen Offiziere der Armee von Nola his auf einen nicht mitmachten. Der Marsch auf Rom wurde dadurch jedoch nicht heeintrachtigt, und er war auch nicht mehr durch die zwei Pratoren und die Gesandtschaft aufzuhalten, die Sulpicius und Marius den Aufstandischen entgegenschickten, urn sic entweder doch noch zur Raison zu hringen, oder urn doch wenigstens das Schlimmste zu verhuten. An eine ernsthafte Verteidigung Roms war freilich gar nicht zu denken, von drei Seiten riickte Sullas Armee in die Stadt ein, und nur hinter dem Esquilinischen Tor lei-
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steten Mariusanhanger von Hausdachern herab vor allem mit Steinwurfen Widerstand, der jedoch rasch gebrochen wurde, als Sulla die Hauser in Brand schie£en lie£ und zu erkennen gab, da£ es ihm auch auf einen gro£en Stadtbrand gar nicht ankam. Zum erstenmal in der Geschichte Roms hatte damit ein eigenes Heer die Hauptstadt eingenommen und besetzt, zum erstenmal diktierte praktisch ein Milirarbefehlshaber seinen Willen. Marius, Sulpicius Rufus und zehn andere Fuhrer der Gegenpartei wurden sogleich als Staatsfeinde geachtet und fur vogelfrei erklart, alle von Sulpicius Rufus eingebrachten Gesetze wieder aufgehoben. Fur eine systematische innere Reform des Staates fehlte Sulla jetzt dagegen einfach die Zeit. Er und sein Heer drangten zum Kampf gegen Mithradates und sahen in dem Marsch auf Rom nur eine lastige Verzi.igerung ihrer Absichten. So wollte Sulla lediglich durch einige Sicherheitsma£nahmen erreichen, da£ wahrend seiner bevorstehenden Abwesenheit die Agitation von Volkstribunen unterbunden und die Gesetzgebungstatigkeit der Volksversammlung unter Kontrolle gehalten wurde. Dazu verfugte er, da£ in Zukunft alle Vorlagen der Volkstribunen an die Volksversammlung vorher vom Sen at zu billigen war en und da£ die Antrage dann nicht mehr wie bisher in den Tribuskomitien, sondern in den Ieichter zu uberwachenden Centuriatkomitien behande!t werden soli ten. Die Konsulwahlen fur das Jahr 87 v. Chr., die Sulla persi.inlich leitete, mu£ten dann freilich bereits die ersten Zweifel daran aufkommen lassen, ob Sullas Improvisationen ihren Zweck erfiillen wiirden. Zwar war der eine der beiden neugewahlten Konsuln, Cn. Octavius, ein durchaus zuverlassiger Optimat, der andere dagegen, L. Cornelius Cinna, wohl wie Sulla Patrizier, aber ein Mann, der gar kein Hehl daraus machte, da£ er auf der Gegenseite stand. Wenigstens dies war auch Sulla klar, aber da er nicht wagte, direkt in den Wahlvorgang einzugreifen oder die Wahl Cinnas annullieren zu lassen, glaubte er sich dadurch sichern zu ki.innen, da£ er Cinna in der feierlichsten Form einen Eid darauf schwi.iren lie£, nichts an der provisorischen Ordnung Sullas zu andern. Damit gab sich Sulla zufrieden, und nachdem er im Winter 88/87 v. Chr. letzte Dispositionen fur die Niederschlagung der noch schwelenden Aufstandsherde in Italien gegeben hatte, brach er zu Anfang des J ahres 87 v. Chr. zu seinem Feldzug gegen Mithradates VI. auf,
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indem er sein Heer von Brundisium aus auf die Balkanhalbinsel ubersetzte. W enn Sulla glaubte, in ltalien auch nur einigerma£en stabile Verhaltnisse zu hinterlassen, so war dies freilich die reine Illusion. Denn von den Fuhrern der Gegenseite hatte man lediglich Sulpicius Rufus abgefangen und erschlagen. Marius gluckte eine abenteuerliche Flucht, die mit ihren W echselfallen im Altertum haufig nacherzah!t und auch entsprechend ausgeschmuckt worden ist. In Rom begannen nach Sullas Abreise sogleich neue Unruhen. Wie vorauszusehen war, hielt sich Cinna durch seinen Eid nicht gebunden. Er brachte erneut den Antrag ein, so wie dies ein Jahr zuvor Sulpicius Rufus gewollt hatte, die Neuburger auf aile Tribus zu verteilen. Sein Kollege Octavius leistete energischen Widerstand, es kam zu neuen Tumulten in der Volksversammlung und auf den Stra£en- doch Sieger blieb wider Erwarten Octavius, der nun Cinna zum Staatsfeind erklaren lie£. Allein dieser rasch errungene Erfolg war nicht von Dauer, denn Cinna floh uber Praeneste zu der vor Nola stehenden Legion. Schon unterwegs hatten sich ihm zahlreiche Neuburger angeschlossen, wei! der abgesetzte Konsul ihre Sache verfochten hatte, und auch die Truppen vor Nola gingen zu ihm uber. Damit schlugen die Wogen der militarischen lnsurrektion jetzt auf das sullanische Rom zuriick. Marius wurde verstandigt und landete in Etrurien, wo sich aus Sklaven rasch eine weitere Legion formierte, die Neuburger lie£en seine und Cinnas Scharen in kurzer Zeit lawinenartig anwachsen, soda£ beide Heere von Norden und Suden gegen Rom vorgehen und die Stadt einschlie£en konnten, die von Pompeius Strabo und Octavius nur matt verteidigt wurde. In ihrem lnneren brachen uberdies auch noch Seuchen aus, den en Tausende zum Opfer fielen, zuletzt auch Pompeius Strabo, dessen Rolle in der damaligen Situation oft verdachtigt wurde. Nach mancherlei Manovern kapitulierte der Senat schlie£lich in der aussichtslosen Lage, noch vor dem Jahresende zogen Cinna und Marius in die eroberte Hauptstadt ein, wobei Marius das Stadttor nicht eher durchschritt, bis eine eilig einberufene Volksversammlung seine Verbannung wieder aufgehoben hatte. Einmal in der Stadt, lie£en Cinna und Marius der Rache ihren Lauf. FunfTage lang hielten die Truppen und Banden ihre Abrechnung. Der amtierende Consul Octavius fand ebensowenig Gnade wie der gro£e Redner M. Antonius. Marius' Amtskollege von 102 und 101 v. Chr.,
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Q. Catulus, wurde zum Tode verurteilt, einige andere Aristokraten und politische Gegner gleichfalls niedergehauen oder in den Tod getrieben, Sulla selbst geachtet, sein Haus gepliindert, sein Vermogen kassiert, wahrend sich seine Frau Caecilia Metella mit knapper Not nach Griechenland durchschlagen konnte. Nachdem dieser Terror ausgeklungen war, ernannten sich Cinna und Marius zu Konsuln fiir das J ahr 86 v. Chr., womit Marius nun sein siebtes Konsulat bekleidete. Er iibte es freilich kaum zwei Wochen aus, denn schon am 13. Januar 86 v. Chr. ist Marius an einer Lungenentziindung gestorben.
Das Regiment Cinnas Damit war Cinna zum alleinigen Herrn iiber Rom und Italien geworden, es begann die sogenannte dominatio Cinnae, die bis zu Cinnas Ermordung im Jahre 84 v. Chr. andauern sollte, als Alleinherrschaft eines Politikers, der in einer sehr souveranen Weise mit den Institutionen der romischen Verfassung umsprang, seine Macht aber doch zu konsolidieren verstand und auch eine ganze Reihe von durchaus fortschrittlichen MaBnahmen verwirklichte. Cinnas Regierung ist spater, nach dem endgiiltigen Triumph Sullas, in den schwarzesten Farben gezeichnet worden, und der eigenwillige Nachfolger des Livius Drusus und Marius kam dann auch in den neueren Darstellungen nicht immer zu seinem Recht, bis neuerdings eine objektivere Betrachtung an Boden gewann. Cinna sicherte sich die Kontinuitat seiner Herrschaft auf eine sehr einfache Weise, indem er sich Konsulwahlen nicht mehr stellte. Er bekleidete das Konsulat vielmehr selbst ununterbrochen bis zum Jahre 84 v. Chr. und gab sich nach dem Tode des Marius auch selbst einen Kollegen im Amt, zunachst den L. Valerius Flaccus, nach dessen Ermordung ernannte er dann fiir 84 v. Chr. Cn. Carbo zum Konsul. Cinnas Regierung stellten sich zwei sehr verschiedenartige Aufgabenbereiche. Zunachst muBte Cinna versuchen, EinfluB auf den Krieg gegen Mithradates VI. zu bekommen und, wenn dies nur irgend moglich war, dabei Sulla auszumanovrieren. Dann aber hatte sich Cinna mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu befassen, die ihn als Erbschaft des Bundesgenossenkrieges erwarteten, und er hatte die Einweisung der Neuburger in die Tribus abzuschlieBen.
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Von diesen Aufgaben war die erste die ungleich schwierigere, denn von ihrer Losung hing schliemich das Schicksal des ganzen Systems in Italien ab. Gelang es Sulla, im Osten allein mit Mithradates VI. fertig zu werden, so wurde er bald genug an der Spitze seiner siegreichen Armee und wahrscheinlich mit einer betrachtlichen Beute nach Italien zuriickkehren und sich dort vermutlich auch durchsetzen, wenn nicht rechtzeitige Gegenmagnahmen getroffen wurden. Fur ein unmittelbares Vorgehen gegen Sulla, der inzwischen Athen belagerte, reichten Cinnas Krafte jedoch bei weitem nicht aus. Fur einen Einsatz im Osten konnte Cinna im Jahre 86 v. Chr. ganze zwei Legionen aufstellen, wahrend Sulla uber ein auf ihn eingeschworenes Heer von funf Legionen verfugte. Angesichts dieser Lage wurde deshalb im Sommer 86 v. Chr. Cinnas Amtskollege Valerius Flaccus mit den zwei Legionen auf die Balkanhalbinsel in Marsch gesetzt, urn dort die sehr delikate Aufgabe zu losen, entweder- im Idealfall- mit Sulla gemeinsam gegen Mithradates zu operieren und dabei nach Moglichkeit auch noch Sullas Truppen auf seine Seite zu ziehen. Oder aber, wenn dies nicht mi:iglich war, urn auf eigene Faust gegen Mithradates Krieg zu fuhren, nicht dagegen gegen Sulla. Wir werden spater sehen, daB diese reichlich komplizierte Intervention in den mithradatischen Krieg am En de vi:illig scheiterte und dag ihr Scheitern Cinnas Regiment und dessen Erben tatsachlich in den Untergrund riK In der inneren Politik sind Cinna dagegen ganz eindeutige Erfolge nicht abzusprechen. Ein allgemeiner SchuldenerlaB, der alle Schulden auf ein Viertel der Schuldsumme reduzierte, zeigt, welche drastischen Magnahmen erforderlich waren, urn die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Dem gleichen Ziele galten die KontrollmaBnahmen fur die in den letzten J ahren eingefuhrten minderwertigen Geldsorten, die sogenannten plattierten oder gefutterten Silbermunzen, die jeweils einen Kupferkern aufwiesen und dariiber einen freilich noch immer ansehnlichen Silberiiberzug, Munzen, die somit ein echtes, vollwertiges Silberstuck vortauschten und die bald den ganzen Zahlungsverkehr in Unordnung brachten, da sie zu betriigerischen Manipulationen, privaten Falschungen und so fort geradezu einluden. Die ganze Misere konnte erst behoben werden, als der Prator Marius Gratidianus staatliche Munzprufstellen einrichten lieB, die den Geldumlauf wieder einigerma-
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Ben in Ordnung brachten. Nur Iangsam gelang es dagegen, die Burgerrechtsreformen zu verwirklichen. Die Ergebnisse des Census von 86 v. Chr. waren dabei alles andere als befriedigend, erst im Jahre 84 v. Chr. ist die Verteilung der Neuburger auf die 35 Tribus dann auch tatsachlich durchgefuhrt worden.
Der Krieg gegen Mithradates VI. von Pontos Wie wichtig diese Ergebnisse der Regierung Cinnas fur die Folgezeit auch geworden sind, die entscheidende Initiative war !angst Sulla zugefallen. Hier ist deshalb zunachst auf die Erhebung des pontischen Konigs Mithradates VI. und deren Vorgeschichte zuriickzugreifen. Der ost!iche Teil der Sudkuste des Schwarzen Meeres und das anschlieBende gebirgige Hinterland ostlich des Halys, der Raum, den man als Pontos im weiteren Sinne bezeichnet, war im Altertum sowohl durch seinen Viehreichtum als auch durch seine Bodenschatze beriihmt, vor allem durch die Eisen-, Kupfer- und Silbergruben des Ostens. Das Gebiet hatte sein Eigenleben bis in die Alexanderzeit bewahrt, und obwohl ihm in Trapezunt und Sinope machtige griechische Kolonien vorgelagert waren, wurde das Landesinnere von griechischer Ku!tur kaum beeinfluBt. Dort bestimmten vielmehr iranische Adelige auf ihren Burgen oder in kleinen, befestigten Residenzen das politische Alltagsgeschehen, und eines jener Adelsgeschlechter, die Dynastie eines Mithradates, begann zu Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr., von einem Stutzpunkt Kimiata in Paphlagonien aus, mit dem konsequenten Aufbau einer Konigsmacht. Als erstes Zentrum wurde die Residenz Amasia ausgebaut, die spatere Heimat des Geographen Strabo, und gerade durch Strabo sind wichtige N achrichten auch uber die altere Geschichte von Pontos uberliefert worden. Wie lebendig in Amasia die iranischen Krafte noch waren, geht am deut!ichsten daraus hervor, daB sich in der Zitadelle von Amasia neben dem Konigspalast ein groBer Altar fur Ahuramazda erhob, den die Griechen als Zeus Stratios bezeichneten. Neben den Adelsburgen und den koniglichen Residenzen sind als wichtigste Siedlungselemente des Landes die zahlreichen Dorfer und machtigen Tempel hervorzuheben, Tempel, welche zugleich als Wirt-
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schaftseinheiten im Sinne der Tempelstaaten des Vorderen Orients organisiert waren. Zela und Komana sind auf diese Weise auch zu wichtigen Handelsmittelpunkten geworden. Wahrend Mithradates I., der wahrscheinlich im 1ahre 281 v. Chr. den Ki:inigstitel angenommen hatte und bis 266 v. Chr. regierte, lediglich das Kerngebiet des pontischen Ki:inigreiches konsolidierte, konnte dessen zweiter Nachfolger, Mithradates II., seine Oberherrschaft bereits iiber die bedeutenden Kiistenstadte Amastris und Amisos ausdehnen, wobei Amisos jedoch auch weiterhin noch ein relativ groBes MaB an Eigenstandigkeit behielt. Die Etappen der weiteren Ausbreitung der Macht dicser Dynastic sollen hier nicht im einzelnen besprochen werden. 1edenfalls versuchten pontische Ki:inige, wie etwa Pharnaces I. im 2. 1ahrhundert v. Chr., schon friih in Kleinasien cin GroBreich aufzurichten. Doch gelang dies erst Mithradates VI., der nach geradezu abenteuerlichen Anfangen dieses Projekt verwirklichen konnte, wei! sich inzwischen die ri:imische Politik in Kleinasien !angst diskreditiert hatte. Die erste giinstige Gelegenheit, seinen EinfluBbereich zu erweitern, erwuchs Mithradates VI., der urn 114 v. Chr. den Thron bestiegen hatte, ohne sein Zutun durch einen Hilferuf des bosporanischen Ki:inigs und der Stadt Chersonesos (Sewastopol auf der Krim), die von skythischen Stammen immer heftiger bedrangt wurden. Mithradates nutzte diese Chance sofort aus und sandte seinen General Diophantos mit einem Expeditionskorps auf die Krim. lnnerhalb von rund drei 1ahren hat Diophantos nicht allein die Skythen zuriickgeworfen, sondern praktisch das gesamte Gebiet des Bosporanischen Ki:inigreiches mit den a! ten griechischen Kolonien auf der Krim und den Kiistenstrichen urn das Asowsche Meer unter pontische Herrschaft gebracht. Welchen Machtzuwachs das fiir Mithradates VI. bedeutete, zeigt am besten die von Strabo (VII, 311) iiberlieferte Hi:ihe des Tributs, den dieser pontische Briickenkopf im Norden des Schwarzen Meeres alljahrlich zu leisten hatte: Es hande!te sich dabei urn 180 000 Medimnen (ca. 60 I) Getreide und 200 Talente Silber. Selbstverstandlich kam fiir Mithradates VI. jetzt alles darauf an, die Verbindung zu den Gebieten im Norden des Schwarzen Meeres zu sichern. Dazu gab es zwei Wege, entweder mit Hilfe einer Landverbindung, das heiBt durch einen Landkorridor langs der Nordgrenze Armeniens iiber die Landschaft Kolchis und den Kiistenstrich am SW-Abfall
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des Kaukasus oder durch die Sicherung der Seeherrschaft tiber das ganze Schwarze Meer, die jedoch nur dann endgiiltig abgestiitzt war, wenn Mithradates VI. auch die Meerengen am Bosporus beherrschte. Der pontische Konig hat zunachst mehr oder weniger planma!Sig den ersten W eg verfolgt, indem er die Kolchis eroberte, die ihm zugleich fur den Schiffsbau wichtige Rohstoffe und Materialien in der Gestalt von Holz, Harz und Hanf einbrachte. Er hat sich danach Kleinarmenien, das hei!St die Gebiete nordlich und westlich des obersten Euphrat unterworfen, seinen Einflu!S auch tiber das Hinterland der Kolchis, Iberien, ausgedehnt; nur an der Kaukasuskiiste konnte Mithradates VI. den Bogen nicht schlie!Sen. N achdem das Pontische Reich auf diese Weise im Norden und Nordosten bis an die Grenzen des Moglichen ausgeweitet worden war, wandte sich Mithradates VI. dem Siiden und dem Westen zu. Im letzten Jahrzehnt des 2. J ahrhunderts v. Chr. war in ganz Kleinasien die Lage fur einen weiteren Expansionsversuch au!Serordentlich giinstig. Im Konigreich Kappadokien, im Siidosten von Kleinasien, in dem schon Mithradates V. Einflu!S genommen hatte, brachen bald nach der Ermordung Ariarathes VI. innere Wirren aus, die den pontischen Konig zur Intervention geradezu einluden. In Galatien und Paphlagonien war durch die Zersplitterung der Stamme und Dynasten kein geschlossener Widerstand zu erwarten, gefestigt stand lediglich das Konigreich Bithynien da, aber auch dessen Konig Nikomedes II. war von den Romern enttauscht, wei! die romischen Unternehmer und Geldleute in seinem Reich zu einer Landplage geworden waren. So blieb die romische Provinz Asia als militarischer wie politischer Gegenpol, und tiber die Zustande in jener Provinz soli sich Mithradates VI. auf einer IncognitoReise, vermutlich im Jahre 107 v. Chr., selbst informiert haben. Die Eindriicke, die er dort in sich aufnahm, waren jedenfalls nicht dazu angetan, ihn von einer Fortsetzung seiner militarischen und politischen Aktivitat abzuhalten. Urn das Jahr 106 v. Chr. hatte Rom zudem in Numidien und Gallien andere Sorgen, so daiS eine romische Gegenaktion vorlaufig kaum zu befiirchten war. A us dieser Lage zog Mithradates VI. die Konsequenzen. Mit dem bithynischen Konig Nikomedes II. schlo!S er ein Biindnis ab, beide Herrscher fielen zunachst in Paphlagonien ein und teilten das Land unter sich auf. Durch romische Proteste lie!S sich Mithradates VI. nicht storen, auch dann nicht, als
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seine Bestechungsversuche bei den romischen Senatoren nicht den Erfolg zeitigten, den er erwartet hatte. Als nachste Beute haben die heiden Aggressoren dann das Kappadokische Reich ins Auge gefaBt, doch hier wurde der Teufel von Beelzebub uberspielt. Denn Nikomedes II. kam Mithradates VI. durch einen genialen Schachzug zuvor, indem er kurzentschlossen die kappadokische Konigin Laodike heiratete und das Land besetzte. Daran zerbrach selbstverstandlich die bithynisch-pontische Koalition, in Kappadokien selbst war die Thronfolge fur rund anderthalb Jahrzehnte in einer geradezu sagenhaften Weise umstritten, denn beide Seiten, Bithynien wie Pontos, prasentierten untergeschobene Kinder als Anwarter auf den kappadokischen Thron und schoben die Entscheidung uber die Legitimirat dann auch noch dem angewiderten romischen Senat zu, der es immerhin erreichte, daB die bithynischen und pontischen Truppen das Land urn 95 v. Chr. wieder raumen muBten. Trotz dieses schweren Ruckschlages gab sich Mithradates VI. in der kappadokischen Frage jedoch noch immer nicht zufrieden, er suchte jetzt einen anderen Weg, urn dennoch zum Ziele zu kommen. 94/93 v. Chr. verbundete er sich mit dem Konig Tigranes von Armenien, dem er zugleich eine seiner Tochter zur Frau gab. Tigranes fie! von Osten her in Kappadokien ein, verjagte den von den Romern inthronisierten Konig Ariobarzanes und setzte statt dessen wiederum einen Sohn Mithradates' VI. auf den Thron. Dies warder Augenblick, in dem Sulla als Propraetor von Kilikien aus erstmals mit dem EinfluBbereich Mithradates' VI. in Beruhrung kam. Denn Sulla erhie!t damals vom romischen Senat den Auftrag, im Sommer des Jahres 92 v. Chr. in Kappadokien einzumarschieren und Ariobarzanes wieder auf seinen Thron zuruckzufuhren. Er hat die sen Auftrag dann auch ohne groBere Schwierigkeiten ausgefuhrt, und doch vermochte auch Sulla nicht, in Kappadokien eine dauerhafte politische Losung durchzusetzen. Schon ein J ahr spater fie! Mithradates VI. erneut in Kappadokien ein, trieb Ariobarzanes ins Exil nach Rom und setzte seinen eigenen Kandidaten wieder ein. Man konnte deshalb Sullas Intervention im Jahre 92 v. Chr. als einen praktisch ergebnislosen Eingriff in die kappadokischen Wirren ubergehen, wenn sie nicht aus anderen Grunden von sehr groBer Bedeutung ware. Einmal war dies der erste VorstoB eines romischen Heeres in den
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Osten Kleinasiens, gleichzeitig trafen aber Sulla und sein kappadokischer Schiitzling Ariobarzanes damals am oberen Euphrat mit einer Gesandtschaft des parthischen GroBkonigs Mithridatesii. zusammen. Es war dies somit die erste direkte Fiihlungnahme zwischen den heiden GroBmachten, und in dieser Bedeutung ist das Treffen bereits im Altertum voll gewiirdigt worden. Ungefahr gleichzeitig gliickte Mithradates VI. ein spektakularer Erfolg in Bithynien. Dort hatten nach dem To de Nikomedes' II. im Jahre 94 v. Chr. ebenfalls Thronwirren begonnen, die schlieBlich dazu fiihrten, daB ein abgeschlagener Pratendent Sokrates bei Mithradates VI. von Pontos Zuflucht suchte, der denn auch, wie zu erwarten war, seinem neuen Schiitzling in Bithynien zur Macht verhalf, wahrend der rechtmaBige Konig, Nikomedes IV., nach Rom floh, wo er wie sein kappadokischer Kollege Ariobarzanes urn romische Unterstiitzung nachsuchte. Damit hatte Mithradates VI., der jetzt- gestiitzt auf seinen armenischen Verbiindeten Tigranes, gestiitzt vor all em aber auf sein groBes, durch Soldner erganztes Heer- praktisch ganz Kleinasien, mit Ausnahme der romischen Provinz Asia und der Siidkiiste beherrschte, in romischen Augen den Bogen iiberspannt, und insbesondere hatte man in Rom nach den ersten Erfolgen im Bundesgenossenkrieg die Han de wenigstens wieder so weit frei, daB man sich der Probleme Kleinasiens annehmen konnte. Der romische Senat beschloB daher zu Beginn des Jahres 89 v. Chr., daB die heiden rechtmaBigen Herrscher in Bithynien und Kappadokien wieder eingesetzt werden sollten, und entsandte zu diesem Zweck eine Gesandtschaft in den Osten, an deren Spitze Manius Aquilius stand, vermutlich der Sohn jenes romischen Politikers, der einst nach der Niederwerfung des Aristonikosaufstandes die Provinz Asien eingerichtet hatte, somit der Angehorige einer Familie, die auch durch ihre Klientel an den Vorgangen in Asia interessiert und auf dem laufenden gehalten worden war. Mithradates VI. mochte gehofft haben, daB die Romer durch den Bundesgenossenkrieg fur geraume Zeit von jeder weiteren Einmischung in Kleinasien abgehalten wiirden, und wenn er selbst wahrscheinlich mit den abgefallenen italischen Bundesgenossen Roms in Verbindung trat, so mochte dahinter die Absicht stehen, den Aufstand zu nahren und Rom ganz bewuBt abzulenken. Denn politisch zeigte sich Mithrada-
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tes VI. gerade in jenen Jahren ebenso wen dig wie skrupellos. Da er rasch registrierte, daB sich die politische Konstellation fur ihn nach der Niederwerfung des Bundesgenossenaufstandes ganz entscheidend verschlechtert hatte, leistete er dem romischen Legaten Manius Aquilius keinen Widerstand und sah untatig zu, wie der Statthalter der Provinz Asia, Gaius Cassius, die heiden Konige wiedereinsetzte. Seinen Sohn hatte Mithradates VI. aus Kappadokien abberufen, der bithynische Usurpator Sokrates, der sich in seinem Lande ehenfalls nicht halten konnte, wurde durch Mord aus dem Wege geraumt. Damit war in Kleinasien jene politische Ordnung wiederhergestellt, mit der sich die Romer identifiziert hatten, und Manius Aquilius konnte sich mit dem Erreichten zufriedengeben. Es ist nicht recht erfindlich, warum er das nicht tat, sondern den Druck auf Mithradates VI. jetzt auch noch verstarkte. Denn dem pontischen Konig wurde nun eine Wiedergutmachungsforderung prasentiert, und als dieser jede Zahlung ablehnte, hetzte Manius Aquilius die heiden wiedereingesetzten Konige zum Angriff gegen Mithradates VI. auf, indem er ihnen romische Hilfe in Aussicht stellte. Indessen lehnten die heiden Klientelkonige eine solche Zumutung zunachst ah, doch der hithynische Konig NikomedesiV. gehorchte schlieBlich, vermutlich, weil er selhst stark verschuldet war und unter dem Druck der romischen Glaubiger zuletzt gar keine andere Wahl hatte, als diese Offensive zu wagen. Manius Aquilius' Initiative ist gelegentlich nur durch seine personliche Habgier erklart worden, vielleicht hat er doch die tatsachliche Starke Mithradates VI. falsch beurteilt und gehofft, die sen immer weiter zuriickdrangen zu konnen, nachdem der pontische Konig ein erstes Mal nachgegeben hatte. Nach dem kurzlebigen Erfolg von Sullas Intervention in Kappadokien muBte der verantwortliche romische Politiker dieses Mal selbstverstandlich in hochstem MaBe daran interessiert sein, endlich eine definitive Stabilisierung der kleinasiatischen Machtegruppierung zu erreichen. Zunachst hatte es durchaus den Anschein, als wiirde diese Politik der starken Hand die erwarteten Erfolge auch einhringen. Denn der bithynische Konig fand zunachst hei seinem Einfall in die von Mithradates VI. hesetzten paphlagonischen Gehiete tim Amastris keinerlei Widerstand; Mithradates VI. begniigte sich mit einem diplomatischen Protest
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gegen die Plunderung seines Territoriums bei Manius Aquilius, einem Protest, der mit der Forderung verbunden war, die Romer sollten entweder Nikomedes IV. fur dessen Aggression selbst bestrafen oder ihm, Mithradates, eine Bestrafung erlauben. Mit diesem sehr geschickten diplomatischen Schachzug waren die Romer propagandistisch uberspielt. Sie waren jetzt gezwungen, Farbe zu bekennen, und hatten nur zu wahlen zwischen einer Desavouierung des Nikomedes, oder einem Krieg gegen Mithradates VI., der nun in jedem Faile, als der von Rom Angegriffene, die offendiche Meinung fur sich beeinflussen konnte. Da die romische Antwort, wie von Mithradates erwartet worden war, fur ihn nicht befriedigend ausfiel, antwortete er mit dem erneuten Einmarsch in Kappadokien. Damit war der Krieg zwischen Rom und Mithradates VI. ausgelost. Die Romer schickten die Gesandten des Konigs Ende des Jahres 89 v. Chr. uber die Grenze, nachdem sie zuvor noch einmal vergeblich die Forderung erhoben hatten, Mithradates salle sich aller Eingriffe in Bithynien und Kappadokien enthalten. Im Friihjahr 88 v. Chr. begann die militarische Auseinandersetzung auf breiter Front. Offensichdich hat der romische Befehlshaber Manius Aquilius dabei die Starke jenes Heeres vollig unterschatzt, das Mithradates VI. unterdessen aufgeboten hatte. Eines Heeres, das nach Appians Angaben rund 250000 Mann zu FufS und 40000 Kavalleristen umfafSte, aufSerdem 130 Sichelwagen. Selbst wenn diese Zahlen weit ubertrieben sein sollten, wares den Rom ern samt ihren Verbundeten doch etwa urn das Doppelte uberlegen. Denn zu den Kerntruppen aus Pontos und Kappadokien hatte Mithradates VI. schon seit lang em Soldner angeworben, wo er sie nur finden konnte, Skythen, Thraker, Kelten von der unteren Donau und viele andere, und diese kampfkraftigen Soldaten waren seit geraumer Zeit von griechischen und pontischen Offizieren ausgebildet worden, so daiS von der pontischen Armee auch schwierige Aufgaben gemeistert werden konnten. Wie ein Kartenhaus brach die romische Herrschaft uber ganze Landschaften Kleinasiens zusammen, Mithradates VI. zog unangefochten durch ganz Bithynien und Phrygien und glich diesen Zug nun sehr bewufSt an den Alexanderzug an. Er machte in denselben Orten Station, in denen einst der grofSe Makedone gelagert hatte, trug angeblich einen Mantel Alexanders d. Gr. und umgab sich zu all dem hin auch noch mit
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einem spezifischen Dionysosmythos. Dionysoszug und Alexanderzug wurden so von Mithradates VI., dem neuen Dionysos, unter neuem Vorzeichen verwoben. Fi.ir den Konig, der sich schon auf der Taurischen Chersones zum Schutzherrn der Griechen gegen die Barbaren aufgeworfen hatte, war die Proklamation einer neuen Befreiung, diesmal vom romischen Joch, eine Selbstverstandlichkeit. Die Parole zi.indete vornehmlich bei den unteren Schichten der Bevolkerung, die die romische Verwaltung nie ganz fi.ir sich gewonnen hatte. So warder Widerstand gegen Mithradates VI. gering, auch deshalb, wei! die Romer selbst nur an wenigen Stellen zu einer entschlossenen Verteidigung i.ibergingen. Gaius Cassius zog sich alsbald von Apamea aus bis nach Rhodos zuri.ick, der andere Statthalter, Oppius, wurde von den Bi.irgern von Laodikea ausgeliefert, als diese sahen, daiS Mithradates'VI. Belagerung der Stadt ihren Untergang nach sich ziehen wi.irde. Im i.ibrigen trugen die sehr berechnende Behandlung der Gefangenen und das groJSzi.igige Verhalten des Konigs in den von ihm befreiten Stadten bald die schonsten Fri.ichte. GrofSe Teile von Lykien und Pamphylien fielen Mithradates VI. kampflos zu, und als er von Laodikea aus das Maandertal abwarts zog, wurde er in Tralles ebenso begeistert begri.ifSt wie in Magnesia am Maander und endlich auch in Ephesos, wo Mithradates dann zunachst residierte, wahrend seine Heerfi.ihrer die Offensive nach Norden und Si.iden weiter vorantrieben. Nur in wenigen Stadten, wie in Magnesia am Sipylos in Lydien, an einigen Platzen an der karischen Ki.iste und in Festungen des Landesinnern, hatten die pontischen Truppen Widerstand zu brechen, einzelne Orte hielten sich bis zum Ende des Krieges. Der ungli.ickliche Manius Aquilius konnte Pergamon zwar noch rechtzeitig verlassen, ehe auch diese Stadt kapitulierte, und nach Mitylene fliehen. Doch dort wurde auch er ausgeliefert, erniedrigt und verhohnt, schlieJSlich in Pergamon grausam getotet. Der Erfolg dieser Offensive des pontischen Konigs, die in einem Jahre die romische Herrschaft in ganz Kleinasien bis auf wenige Widerstandszellen ausgeloscht hatte, wird nur dadurch verstandlich, daiS es dem Konig gelang, die offentliche Meinung fi.ir sich ZU mobilisieren und den i.iberall schwelenden HaJS gegen die Romer zu wecken und aufzuputschen. Es ist schon fri.iher darauf hingewiesen worden, daiS sowohl die romische Provinzialverwaltung als auch die publicani gerade die
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Provinz Asia hemmungslos ausgebeutet hatten, so daB hier geniigend Ziindstoff vorhanden war, den Mithradates VI. jetzt in Brand setzen konnte. Im Laufe einer Generation waren Zehntausende von Italikern in die neue Provinz gegangen, neben Stadtromern auch besonders viele Handler, Kaufleute und Gewerbetreibende aus siiditalischen Stadten, die jetzt aber allesamt auf den Nenner Romer und Italiker gebracht wurden. Vor allem wurde den Romern und Italikern ihre groBe Zahl zum Verhangnis. In dem von Mithradates VI. , befreiten" Kleinasien waren sie eben keine Minderheit, die Mithradates iibersehen oder die ihm gleichgiiltig sein konnte. Der pontische Konig durfte auch niemals hoffen, diese Romer und Italiker innerlich fur sich zu gewinnen, der miBtrauische Monarch muBte in ihnen vielmehr eine kompromiB!ose Oppositionsgruppe wittern, die nur auf die nachste Gelegenheit warten wiirde, urn sich gegen ihn zu erheben. Im iibrigen waren die Romer und Italiker in der Regel reich, und auch dieser Reich tum stach Mithradates VI. in die Augen. Denn seine Befreierrolle hatte es ihm bisher nicht erlaubt, seine Mittel durch Pliinderungen und Brandschatzungen zu erganzen. Von Ephesos aus sandte Mithradates VI. an aile pontischen Stadtkommandanten und an aile stadtischen Korperschaften in der ganzen Provinz Asia den Befehl, am 30. Tage nach dem Datum des Erlasses samtliche Romer und Italiker, Manner wie Frauen und Kinder, Freie wie Sklaven zu toten und ihre Leichen unbestattet liegen zu lassen. Eigentum und Besitz der Romer und Italiker sollten zur einen Halfte an Mithradates, zur anderen an die betreffenden Stadte oder an die Marder fallen. Sklaven wurden dazuhin durch Zusicherungen von Belohnungen gegen ihre Herren aufgehetzt, Schuldner gegen ihre Glaubiger. Umgekehrt waren jenen schwerste Strafen angedroht, die die zu Totenden versteckten oder Ermordete bestatteten. Dieser sogenannte Blutbefehl von Ephesos, der eines der ganz wenigen aus dem Altertum bekannten systematischen Massaker an einer Minoritat dekretierte, wurde dann auch tatsachlich im ganzen Lande schlagartig durchgefiihrt. Einzig in Kos sollen wenigstens die in den Asklepiostempel gefliichteten Romer mit dem Leben davongekommen sein, wahrend in anderen graBen Sradten, wie in Ephesos und Pergamon, nicht einmal die Asyle der groBen Heiligtiimer Sicherheit boten. In groBerem AusmaB und offen wagte niemand dem Terror entgegenzutreten, wahrend das Blutbad zugleich
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Abertausende mit der Sache des Konigs verband. Die angeblich 80 000 ermordeten Romer und Italiker stellten die starkste Klammer zwischen dem pontischen Konig und der befreiten Provinz dar, umgekehrt muBte man annehmen, daB es fur die Romer in Zukunft ein Paktieren mit Mithradates VI. nicht mehr geben konnte. Noch im Herbst des Jahres 88 v.Chr. hatte MithradatesVI. seine Offensive jedoch auch schon iiber Kleinasien hinaus vorgetragen. Der Versuch, Rhodos einzunehmen, scheiterte zwar, doch was weit wichtiger werden sollte, die pontische Flotte errang die Seeherrschaft in der Agais, unterwarf der Reihe nach die griechischen Inseln, und schon erhielt Mithradates VI. die Nachricht, daB er selbst in Athen mit der Unterstiitzung seiner Sache rechnen konne. Dort war ein gewisser Aristion die treibende Kraft. Er erreichte es, daB er von seinen Anhangern, die sich aus der unteren Biirgerschicht rekrutierten, beauftragt wurde, mit Mithradates VI. Kontakt aufzunehmen. Der Demagoge wurde vom Konig selbstverstandlich in Gnaden und Ehren aufgenommen und kehrte dann mit dessen Segen und vielen Versprechungen als groBer Mann zuriick. Mit allem Pomp zog er in Athen ein, wo ihm die Wogen der Begeisterung entgegenschlugen. Denn auch in Athen waren die einfachen Leute die romische Herrschaft langst leid, die Mas sen riefen Aristion zum Strategen aus, der Abfall von Rom war eine beschlossene Sache. Der Demagoge, der von diesen Stromungen hochgetragen wurde, entpuppte sich indessen schon bald als ein neuer Tyrann, der sich schlieBlich mit einer Leibwache von 2000 Mann umgab, das Volk zu immer neuen Ausschreitungen gegen Romerfreunde und Reiche aufstachelte und dank der Mittel, die ihm Mithradates VI. zur Verfiigung stellte, bald auch mit einer graBen Miinzemission begann, einer der beriihmtesten Serien der athenischen T etradrachmen neuen Stils, die seinen N amen trug, in Legende und Wappen hauptsachlich aber den Konig MithradatesVI. herausstellte. Den eigentlichen Riickhalt des athenischen Demagogen bildete selbstverstandlich das von dem fahigen Archelaos kommandierte pontische Expeditionskorps, das schlieBlich auch Delos eingenommen hatte, wo es wegen des entschiedenen Widerstandes zu einem neuen Blutbad kam, dem angeblich rund 20000 Italiker zum Opfer fielen, und zur Zerstorung der Stadt, deren Beute Mithradates VI. briiderlich mit dem athenischen Tyrannen teilte.
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Der athenische Kriegshafen Piraeus wurde von Archelaos besetzt, der pontische Briickenkopf in Griechenland rasch weiter ausgedehnt, nach den Landungen pontischer Truppen schlossen sich auch die lnsel Euboea, die Achaeer, Teile von Boeotien und einige andere Stadte der Sache des Mithradates VI. an. Die ganze Balkanhalbinsel wurde von dem Brand ergriffen, denn pontische Agenten hetzten auch die Thraker auf und ban den damit den Statthalter von Makedonien, der so nur ein kleines Korps nach Boeotien werfen konnte, das sich dort tap fer gegen Aristion und Archelaos schlug und damit Sulla wenigstens die ungehinderte Landung und die freie Entfaltung seiner Truppen sicherte. Die Lage in Griechenland war so fiir die Romer ziemlich kritisch, als Sulla im Friihjahr 87 v. Chr. mit seinen fiinf Legionen in Epirus landete und von dort aus den Vormarsch nach Osten antrat. Denn nach dem Umschwung in Rom konnte Sulla mit einem nennenswerten Nachschub nicht mehr rechnen, er mugte sein Heer praktisch aus dem Lande verpflegen und auch die Mittel fiir die Besoldung in Griechenland selbst fliissig machen, er mugte augerdem seine Ausriistung in Griechenland erganzen und alles fehlende Gerat an Ort und Stelle beschaffen. So wurden allein zehntausend Paare von Mau!tieren requiriert, urn die notwendigen Transportarbeiten durchzufiihren. Fiir Griechenland selbst begann so eine neue Zeit der Not, denn zu den Kriegsparteien, die das Land wie Heuschreckenschwarme heimsuchten, kamen noch andere lnvasoren hinzu, die jetzt im Triiben fischten, so der thrakische Stamm der Maider, der einen Pliinderungszug bis in die Gegend von Delphi unternahm, und auch Piraten, die in Epidauros Zersti:irungen anrichteten. Mit Begeisterung wurde Sulla deshalb nicht begriigt, und die skrupellose Pliinderung der Tempelschatze von Delphi, Epidauros und Olympia warb ihm erst recht keine Freunde. Dennoch machte Sullas entschlossene Kriegfiihrung auf die Griechen Eindruck, zahlreiche Stadte in Mittelgriechenland kehrten bereits jetzt wieder unter die ri:imische Herrschaft zuriick. Da das groge pontische Landheer, das von Mithradates VI. auf dem W ege ii ber Thrakien und Makedonien in Marsch gesetzt wurde, zunachst noch nicht in Griechenland selbst eingreifen konnte, warf Sulla aile seine Krafte gegen Athen, das er bald ebenso hermetisch einschlog wie den Piraeus. Fiir diese Belagerung scheute Sulla vor keiner Anstrengung und vor keinem Frevel zuriick. Zum Bau der Belagerungsmaschinen wurden riicksichtslos auch heilige Haine ab-
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geholzt. Ober und unter der Erde traten bald alle militartechnischen Hilfsmittel in Titigkeit, aber schon die ri:imischen Versuche, den Piraeus im Sturm zu nehmen, scheiterten. Solange die Athener noch geni.igend zu essen hatten, reizten sie Sulla mit ihrem losen Mundwerk bis aufs Blut. Sullas weiBe Gesichtsfarbe, die durch einen roten Ausschlag nur noch auffallender war, gab AnlaB zu dem Spitznamen ,mehlbestaubte Maulbeere". Die Geschichten, die man sich i.iber den Lebenswandel seiner vierten Frau Caecilia Metella erzah!te, gaben Stoff zu drastischen Zoten. - Aber als der Hunger immer gri:iBer wurde, verging den Athenern das Lachen, und als Sulla schlieB!ich in einem nacht!ichen Oberraschungsangriff am 1. Marz 86 v. Chr. in die Stadt eindrang, waren die entkrafteten Bewohner zu einem entschiedenen Widerstand gar nicht mehr fahig. Die StraBenkampfe endeten in Stri:imen von Blut und in ausgedehnten Pli.inderungen, in denen sich die Belagerer fur alle Strapazen schadlos hielten. Es fehlte nicht vie!, und die ganze Stadt ware niedergebrannt worden, doch schlieBlich ki.indigte Sulla an, daB er die Lebenden urn der Toten willen zu schonen gedenke. DerTyrann Aristion konnte sich mit seinen Kerntruppen auf der Akropolis noch einige Zeit halten, der Piraeus wurde von Archelaos nach einem erneuten Angriff Sullas geraumt und der Kriegshafen von den Rom ern dann system atisch zersti:irt, obwohl Sullas Quaestor L. Licinius Lucullus in der Zwischenzeit bereits mit dem Aufbau einer ri:imischen Kriegsflotte begonnen hatte. Die nachsten Entscheidungen muBten dann freilich im Landesinnern fallen, denn in zwischen war auch das pontische Landheer herangeri.ickt, dem Sulla wahl Anfang Mai 86 v. Chr. in der Nahe von Chaironeia entgegentrat, das heiBt in jener Gegend, in der 338 v. Chr. Philipp II. von Makedonien die Athener und ihre V erbi.indeten vernichtend geschlagen hatte. Obwohl die pontische Armee angeblich vi erma! so stark war wie die Streitkrafte Sullas, wurde sie vollstandig besiegt, ihre Sichelwagen waren ins Leere gestoBen, ihre zahlenmaBige Oberlegenheit nicht zur Entfaltung gekommen. Immerhin entkam ein pontisches Korps von 10 000 Mann unter der Fi.ihrung des Archelaos nach Chalkis, das jetzt zur wichtigsten Basis des Mithradates in Griechenland geworden war. Sullas Sieg bei Chaironeia war fi.ir ihn doppelt wertvoll, wei! in diesem Augenblick in seiner ni:irdlichen Flanke die Vorhut des Valerius Flaccus auftauchte, also jenes Heeres, das Cinna zum Kampf gegen Mithrada-
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tes VI. nach Griechenland geworfen hatte, aber auch zu dem Zweck, Sullas Truppen von ihrem Feldherrn weg und auf die Seite der neuen romischen Regierung zu ziehen. Nach der Einnahme von Athen und nach dem Sieg von Chaironeia dachten naturlich Sullas Soldaten gar nicht daran, ihren Feldherrn zu verlassen. Es liefen im Gegenteil Leute des Flaccus zu Sulla uber, so daB Cinnas Reprasentant die Aussichtslosigkeit seiner Mission einsah und sein Heer kurzerhand nach Norden in Marsch setzte, urn es gegen die Meerengen und gegen Mithradates' Basis in Kleinasien zu fuhren. Fur Sulla aber ergab sich schon nach wenigen W ochen abermals eine neue milirarische Lage, als eine weitere pontische Armee mit angeblich 80000 Mann unter Fiihrung des Dorylaos in Chalkis landete und sich dort mit den Resten des Heeres des Archelaos vereinigte. Im Herbst waren die vereinigten pontischen Streitkrafte his in die Ebene von Orchomenos in Boeotien vorgestoBen, wo Sulla einen neuen Sieg iiber sie errang, nachdem er durch die Anlage von Graben die Einsatzmi.iglichkeit der iiberlegenen pontischen Kavallerie stark reduziert hatte. Damit war die Entscheidung in Griechenland gefallen, fur das Friihjahr 85 v. Chr. bereitete Sulla den Dbergang nach Kleinasien vor. Dort war Mithradates VI. unterdessen durch die Entwicklungen in Griechenland gezwungen worden, die Maske des Befreiers fallenzulassen. Die Notwendigkeit, einerseits seine eigene Herrschaft im Lande zu stabilisieren, andererseits erhebliche Riistungen gegen die beiden im Anmarsch befindlichen romischen Heere durchzufuhren, lieBen den Druck der pontischen Herrschaft immer starker anwachsen, gleichzeitig aber auch die MiBstimmung unter der griechischen Bevolkerung. Nach den schweren Niederlagen in Griechenland witterte Mithradates uberall Verrat und antwortete mit furchtbaren Repressalien. Mit der Freiheit der griechischen Stadte war es im iibrigen schon !angst vorbei, an ihre Spitze hatte Mithradates VI. vielfach, zum Beispiel in Ephesos, Tralles und Kolophon, Stadtkommandanten mit unbeschrankten Vollmachten gesetzt, die in den Augen der Griechen geradezu Tyrannen waren. Die Provinz selbst wurde in einzelne Bezirke zerlegt, die Satrapen leiteten, doch bildeten diese organisatorischen MaBnahmen lediglich den groBen Rahmen; die Atmosphare des Alltagslebens wurde von den Giinstlingen des Konigs, Denunzianten und Intriganten aller Art beherrscht.
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Dieses widerliche Klima verschlechterte sich noch zusehends, als MordanschLige auf Mithradates entdeckt wurden, und dieser daraufhin zum prophylaktischen Terror iiberging. Vornehme Galater wurden als erste hingerichtet. Besonders schwer wollte Mithradates VI. dann die Bewohner von Chios treffen, dessen Sympathien fur die ri:imische Sache bekannt war en. Dort wurde die ganze Bevi:ilkerung deportiert und ware in die Kolchis gebracht worden, wenn sie nicht wahrend ihres Transports von den Biirgern der Stadt Heraklea am Pontos, die nicht unter pontische Herrschaft gekommen war, befreit worden ware. Die entschlossene und brutale militarische Niederwerfung aller schwankenden griechischen Stadte, der Terror gegen Verrater oder Verschwi:irer oder diejenigen, die man Mithradates als solche bezeichnete, war indessen nur die eine Seite des verzweifelten Versuchs, die pontische Herrschaft mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten. Denn auf der anderen Seite scheute Mithradates VI. auch nicht vor einer tiefgreifenden gesellschaft!ichen Umwalzung zuriick. Da er wuBte, daB er nur in den untersten Schichten der Bevi:ilkerung eine gri:iBere Zahl von Anhangern find en konnte, haute er darauf seine weiteren Plane auf. Als im Herbst des Jahres 86 v. Chr. eine groBe Abfallbewegung von Mithradates einsetzte und Stadte wie Ephesos, Tralles, Smyrna, Sardis, Kolophon und einige andere sich gegen die pontische Herrschaft erhoben, da proklamierte Mithradates VI. fur die ihm noch verbliebenen Stadte die vi:illige Freiheit und Autonomie, dazuhin aber in diesen Stadten auch einen allgemeinen SchuldenerlaB, eine Neuverteilung des Landes, er gab ferner den Beisassen (Meti:iken) jeder Stadt das volle Biirgerrecht und schenkte den Sklaven die Freiheit. Die reichen Burger antworteten daraufhin mit neuen Verschwi:irungen, die jedoch in der Regel verraten wurden und Hunderten das Leben kosteten. Im iibrigen waren, ahnlich wie wahrend des Aristonikosaufstandes, nun auch diejenigen griechischen Stadte, die sich selbst befreit hatten, gezwungen, den unteren Schichten Zugestandnisse zu machen. Den so erregten Gebieten naherte sich nun im Winter 86/85 v. Chr. zunachst das Korps des Flaccus. In den heiden Legionen des cinnanischen Heeres war die Stimmung trotz der Pliinderungen, die ihnen in Makedonien gestattet worden waren, alles andere als glanzend. Da Flaccus tiber keinerlei militarische Erfahrung verfiigte und als Diplomat versagt hatte, war es fur Fimbria, den Vertrauensmann Cinnas, ein
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leichtes, die Armee gegen Flaccus aufzuputschen. Flaccus wurde schlieGlich am Bosporus erschlagen, und Fimbria begann danach alsbald mit einer auGerst energischen Kriegfiihrung gegen Mithradates VI., der in der Zwischenzeit jedoch schon iiber seinen Befehlshaber Archelaos in erste Verhandlungen mit Sulla eingetreten war. Fimbria ahnte davon nichts, sondern setzte seine VorstoGe mit groGter Tatkraft fort, aber auch mit einem Terror, der dem des pontischen Konigs in nichts nachstand. So wurde die bliihende Stadt Nikomedia in Bithynien gepliindert und auch in anderen Stadten schwere Zerstorungen angerichtet. Nachdem ein gleichnamiger Sohn Mithradates'VI. am Rhyndacus von Fimbria vernichtend geschlagen worden war, leistete die pontische Armee keinen nennenswerten Widerstand mehr. Fimbria konnte so gar Pergamon einnehmen und Mithradates VI. bis nach Pitane an der Kaikosmiindung verfolgen. Dort war unterdessen auch die von Lucullus unter groG en Schwierigkeiten aufgestellte romische Flotte Sullas aufgetaucht, und hatte diese Flotte nun mit Fimbrias erfolgreichem Korps zusammengearbeaet, so ware es moglich gewesen, den pontischen Konig gefangenzunehmen. Fimbria hat einen solchen Vorschlag tatsachlich gemacht, doch Lucullus lehnte ab. Die innerromischen Parteigesichtspunkte wogen bereits schwerer als der Kampf gegen einen auBeren Feind vom Schlage des Mithradates, der so noch einmal entkommen konnte. Fimbria setzte danach seinen Marsch durch die Nordwest-Teile Kleinasiens fort; die Stadte, die ihm ihre Tore nicht freiwillig offneten, wurden eingenommen und gepliindert, so auch Ilion, wo damals selbst der ehrwiirdige Tempel der Athena Ilias in Flamm en aufging. Doch mit all die sen Erfolgen arbeitete Fimbria auf langere Sicht nur Sulla in die Hande. Denn angesichts der neuen romischen Siege und in Anbetracht seiner in Asien inzwischen hoffnungslos gewordenen Lage, die sich von Tag zu Tag verschlechterte, als auch noch Lucullus' Flotte in Aktion getreten war, war Mithradates VI. langst zum Frieden entschlossen. Aber die sen Frieden machte er mit Sulla. Nachdem den ganzen Winter 86/85 v. Chr. iiber Verhandlungen gelaufen waren, in die immer wieder Archelaos als Vermittler eingeschaltet worden war, und nach mancherlei Verzogerungen kames schlieBlich im Friihjahr 85 v. Chr. in der Stadt Dardanos in der Troas zu einer personlichen Begegnung zwischen Sulla und dem pontischen Konig, in de-
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ren Verlauf Mithradates VI. die Friedensbedingungen Sullas akzeptierte. Diese sahen vor, daB Mithradates alle seit Kriegsbeginn gemachten Eroberungen wieder preisgab, also nicht nur die Provinz Asia raumte, sondern auch Bithynien, Galatien, Pamphylien und Kappadokien, erst recht die Inseln und seine letzten Stellungen in Griechenland. Zweitens hatte Mithradates auch alle Gefangenen und inhaftierten Griechen freizugeben und die Dberlaufer auszuliefern. Drittens hatte er eine Kriegsentschadigung von 2000 Talenten zu bezahlen und Sulla auBerdem 70 Schiffe zu iibergeben. Nikomedes und Ariobarzanes wurden in ihre Konigreiche wieder eingesetzt. Mit gegenseitigen Umarmungen ging das Treffen von Dardanos zu End e. Sullas Soldaten waren dariiber nicht begeistert, denn die Liquidation dieses ersten Mithradatischen Krieges und die Rache fur die Zehntausende von ermordeten Romern und Italikern hatten sich die Truppen wie die romische Bevolkerung selbstverstandlich anders vorgestellt. Aber Sulla schob alle Zweifel an der Richtigkeit des Friedensvertrages mit der Bemerkung beiseite, daB er zu schwach sei, urn gleichzeitig gegen Mithradates und gegen Fimbria Krieg fiihren zu konnen, eine Bemerkung, die man nach Lucullus' Verhalten vor Pitane nur als Augenwischerei bezeichnen kann. Wie prekar dieser FriedensschluB war, wuBte Sulla im iibrigen selbst, denn er vermied es absicht!ich, den Vertrag schrift!ich fixieren zu lassen. Aber er hatte ganz einfach kein Interesse daran, die Herrschaft Cinnas in Rom sich noch weiter konsolidieren zu lassen und gegen Mithradates VI. einen Vernichtungskrieg zu fiihren, der sich vornehmlich in den Kernlandschaften des Konigreiches Pontos lange Zeit in erbitterten Formen hinziehen konnte. Sulla war vielmehr daran gelegen, die Kampfe im Osten moglichst rasch zu been den und die Provinz Asia neu zu organisieren, urn mit den dort gewonnenen Hilfsmitteln dann nach Italien zuriickkehren zu konnen. Nach dem Abkommen mit Mithradates VI. muBte dazu zuerst Fimbria ausgescha!tet werden. Auch dies gliickte Sulla schneller, als man nach Fimbrias groBen Erfolgen erwarten konnte. Sulla schloB Fimbria bei Thyateira, im Osten von Pergamon, ein, doch wahrend Fimbria zum Widerstand bis zum AuBersten entschlossen war, liefen seine Soldaten zu Sulla tiber. Im Asklepiosheiligtum von Pergamon machte Fimbria seinem Leben ein Ende, seine beiden Legionen wurden zwar von Sulla iibernommen, aber
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bei dessen Heimkehr nach ltalien m der Provinz zuri.ickgelassen. Die Provinz Asia selbst fand freilich auch jetzt noch keine Ruhe. Es war selbstverstandlich, daB Sulla sofort daranging, aile gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuerungen des pontischen Konigs wieder ri.ickgangig zu machen, MaBnahmen, die neue Wirren schufen und zu neuen Verfolgungen und Hinrichtungen fiihrten. Es war ebenso selbstverstandlich, daB Sulla aile diejenigen Stadte unterwarf und bestrafte, die sich fur Mithradates VI. besonders stark engagiert hatten wie z. B. Mytilene, und daB er andererseits jene Stadte belohnte und ihnen die Freiheit schenkte, die gegen Mithradates oder Fimbria Stellung genommen hatten, wie Rhodos, Stratonikeia, Magnesia am Sipylos, Ilion, Chios und einige andere. Aber es muBte iiberraschen, welche Lasten Sulla der Provinz als Ganzem nun aufbiirdete. Sie sollte zunachst 20 000 Talente an Kriegskosten aufbringen, also den zehnfachen Betrag dessen, was Mithradates selbst zu zahlen hatte. Mit der Aufgabe, dieses Geld ziigig einzutreiben, betraute Sulla seinen bewahrten Quaestor Lucullus, die Provinz wurde dazu in 44 Sprengel eingeteilt. Fiir viele Gemeinden bedeuteten die hieraus resultierenden Abgaben den finanziellen Ruin; sie sahen sich gezwungen, sogar die offentlichen Gebaude, wie die Theater, als Sicherheit zu verpfanden, und hatten an den Zinslasten noch 10 Jahre spater abzutragen. Ob Sulla dazuhin wirklich auch noch die Steuern der vergangenen fiinf Jahre nachzahlen lieB, ist nicht vollig sicher. Wahrscheinlich ist dieser Betrag in der Summe der 20 000 Talente bereits enthalten. Sicher ist dagegen, daB den Provinzialen auch noch die sehr groBziigig bemessene Versorgung von Sullas Heer aufgeladen wurde. Wahrend des Winters 85/84 v. Chr. wurden die romischen Truppen namlich als Dauergaste einzeln in Privathausern untergebracht. Die Soldaten waren dabei nicht nur mit Bekleidung (ein Alltagsgewand und ein Gewand zum Ausgehen), Kost und Logis zu versorgen, sondern die Quartierwirte hatten iiberdies jedem Mann noch taglich 16 Drachmen zu zahlen, den Centurionen sogar 50. Aile diese MaBnahmen waren von Sulla wie der FriedensschluB mit Mithradates VI. letzten En des schon im Hinblick auf die bevorstehende Auseinandersetzung mit Cinna getroffen worden, die nun mehr und mehr in den Vordergrund trat. Jetzt, im Winter 85/84 v. Chr., wurde
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der endgultige Bruch vollzogen. Cinna begann in groBem MaBstab zu rusten, er beabsichtigte, sein Heer im Fruhjahr 84 v. Chr. auf die Balkanhalbinsel zu werfen, wei! er die Entscheidung dort suchen und Italien die Schrecken des Burgerkrieges ersparen wollte. Allein da Sullas starke Flotte schon vor der Sudwestkuste Illyriens operierte, muBte Cinna die Oberfahrt seiner Truppen weiter in den Norden verlegen und die Transporte in Ancona verladen. Als es dabei Schwierigkeiten gab, kames unter den zur Verladung vorgesehenen Verbanden zu einer Meuterei, Cinna wurde erschlagen. Sein Amtskollege im Konsulat, Carbo, hatte jetzt das ganze Jahr 84 v. Chr. tiber damit zu tun, die Regierung der Partei Cinnas wieder zu festigen, was endlich auch gluckte. Fur das J ahr 83 v. Chr. wurden Gaius Norbanus und L. Cornelius Asiagenus zu Konsuln gewah!t, beides Manner, deren politische Loyalitat groBer war als ihre militarische Begabung. An einen Griechenlandfeldzug konnten die Erben Cinnas jetzt naturlich uberhaupt nicht mehr denken, doch setzten sie ihre Rustungen unvermindert fort und konnten so fur das Jahr 83 v. Chr. schlie£lich ein Massenheer von angeblich 100000 Mann aufbieten, das Sullas Verb an de durch seine zahlenmaBige Oberlegenheit niederwerfen sollte. Sulla selbst hatte seine Ruckkehr wahrenddessen nicht beschleunigt, obwohl er schon seit 84 v. Chr. wieder in Griechenland war, wo er sich zuerst in Euboea einer Badekur unterzog, sich in A then feiern lieB, als Kenner auch nicht vergaB, Kunstwerke und andere Ku!turguter fur den Abtransport nach Italien auszusuchen, worunter sich auch die beruhmte Bibliothek des Bibliophilen Apellikon von Teos befand, in die auch die Werke des Aristoteles und Theophrast gekommen waren. Daneben nahm sich Sulla die Zeit, sich in die Mysterien von Eleusis einweihen zu lassen.
Der Biirgerkrieg
Erst im Fruhjahr 83 v. Chr. trat er dann zur Invasion Italiens an. Sulla hatte sein Heer vorher darauf vereidigt, auch in Italien unter seinem Kommando zu bleiben und im Heimatland nicht zu plundern. Allem Anschein nach war er entschlossen, die militarischen Aktionen auf das unbedingt Notwendige ZU beschranken, im ubrigen hoffte er gerade
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durch diszipliniertes, aber schnelles und entschiedenes Vorgehen zum Erfolg zu kommen. Sullas Landung bei Brundisium erfolgte ohne Widerstand, und schon dort stellten sich ihm die ersten romischen Aristokraten mit ihren Klienten zur Verfiigung, so der Konsular Metellus Pius, der bald ein selbstandiges Kommando iibernahm, M. Licinius Crassus, der spatere Triumvir, aber auch viele andere. Denn kaum hatte Sulla seine Fahne auf italischem Boden entfaltet, da brachen die alten innenpolitischen Gegensatze wieder auf, und Carbo hatte schon bald auch noch den Widerstand gegen eine zweite Front zu organisieren, die sich in Picenum gebildet hatte. Dort war der junge, damals zweiundzwanzigjahrige Cn. Pompei us auf Sullas Seite getreten, hatte aus eigener Initiative ein betrachtliches Heer angeworben, dessen Gros sich aus dem Anhang seines Vaters Pompeius Strabo rekrutierte und das immer weiter anwuchs, so daB es bald starkere Krafte der regularen Regierung band und damit vom Kampf gegen Sulla abzog. Die militarischen Auseinandersetzungen konzentrierten sich bald auf den Raum urn Capua und an den Albaner Bergen, erfaBten jedoch auch weitere Teile Mittelitaliens. Die verlustreichen Kampfe zogen sich bis in das Jahr 82 v. Chr. hin. Erst am 2. November dieses Jahres entbrannte vor dem Collinischen Tor im Nordosten Roms die letzte groBe Schlacht dieses Krieges. Zehntausende von Samniten und Angehorigen anderer oskischen Stammesabteilungen sollen in dieser Schlacht gefallen sein, doch fur Sulla war immer noch nicht geniigend Blut geflossen. Als sich damals die romischen Senatoren im Bellonatempel versammelten, urn eine Rede Sullas zu horen, schreckten sie die Todesschreie der mehreren Tausend Gefangenen auf, die Sulla zu gleicher Stunde auf dem Marsfeld abschlachten lieB. Die Senatoren wurden von Sulla damit beruhigt, es handele sich nur urn die Ziichtigung einiger schlimmer Leute, die Herren mochten sich nur auf seine Rede konzentrieren. Mit Sullas Sieg am Collinischen Tor war auch das Schicksal des seit langem eingeschlossenen Praeneste besiegelt. Dort gab sich der junge Marius selbst den Tod, die tapfere Besatzung wurde nach ihrer Kapitulation ebenfalls niedergemacht. Bald darauf lieB Sulla in Praeneste eine Veteranenkolonie anlegen, und jetzt entstand auch jene monumentale Anlage des terrassenformig am Berg angelegten Fortunaheiligtums, eine der eindrucksvollsten architektonischen Leistungen der spa ten Republik.
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Die Rache Sullas und seiner An hanger war freilich noch immer nicht befriedigt. Sie machte nicht einmal vor den Toten halt, denn Marius' Gebeine wurden aus dem Grab gerissen und in den Anio gestreut, seine Siegesdenkmaler zusammengeschlagen. Wahrend zunachst die faktisch unkontrollierten Abrechnungen seiner Parteiganger weitergingen, stellten sich fur Sulla selbst drei gro£e Aufgabenkreise. Als erstes stand die Frage der Legalisierung seiner Macht an, denn staatsrechtlich betrachtet befand sich Sulla in diesem Augenblick vollig auBerhalb des romischen Staatsgefuges. Er galt noch immer als geachtet, hatte sein Imperium usurpiert und bekleidete rechtens keine romische Magistratur. Als zweiter Aufgabenkreis ergab sich die Systematisierung der Rache und der Strafma£nahmen, denn nur auf diesem W ege konnte Sulla die Erwartungen seiner Anhanger und seines Heeres, das zuletzt an die 120000 Mann umfaBt haben soli, auf die Dauer befriedigen. Als dritter Aufgabenkomplex harrten endlich die Probleme der Neuordnung der romischen Staatsverfassung ihrer Losung, einer Neuordnung, die von ihm so zu regeln war, daB in Zukunft nicht nur seine eigene Stellung, sondern in erster Linie auch diejenige der romischen Aristokratie nicht mehr aus den Angeln gehoben werden konnte. Die Legalisierung seiner Stellung hatte Sulla schon in der Senatssitzung im Bellonatempel erreicht, als ihn die Senatoren als Proconsul anerkannten und aile jene Entscheidungen und MaBnahmen ausdrucklich billigten, die Sulla gegen die auBeren und inneren Gegner getroffen harte. Die weiteren Schritte besorgte fur Sulla dann der auf Sullas Initiative zum interrex ernannte princeps senatus L. Valerius Flaccus. Dieser lie£ die acta Sullae, aile kraft magistratischer Kompetenz getroffenen Anordnungen Sullas, nun auch vom romischen Volk riickwirkend fur rechtens erklaren, eine MaBnahme, wie sie in Rom auch spater nach Burgerkriegen und ahnlichen Vorgangen durchgefuhrt wurde und zum Beispiel auch in der sogenannten Bestallungsurkunde Kaiser Vespasians zu finden ist. Nach den Traditionen des romischen Staatsrechtes ware es die Aufgabe des interrex gewesen, moglichst rasch neue Konsulwahlen durchfuhren zu lassen oder nach funf Tagen dann selbst einen neuen interrex zu bestimmen. Doch Sulla teilte L. Valerius Flaccus schriftlich mit, seiner Ansicht nach sei die Lage des Staates im Augenblick zu verworren, als daB sie durch die Wahl von Konsuln bereinigt werden konne. Sulla
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schlug deshalb seinerseits vor, durch die Volksversammlung die Zustimmung zur Ernennung eines Diktators zur Neuordnung des Staates einzuholen, eines Diktators, dessen Amtszeit lediglich durch die Erfi.illung seiner Aufgabe begrenzt werden sollte. Und urn jedes Mi£verstandnis auszuschalten, fi.igte Sulla dem auch noch hinzu, da£ er selbst bereit ware, das Amt dieser Diktatur zu i.ibernehmen, falls er gewah!t werden sollte. Valerius Flaccus verstand denn auch sofort den nicht gerade zarten Wink; Sulla wurde zum dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae ernannt. Dam it gab es in Rom nach rund einhundertzwanzigjahrigem Intervall wieder einen Diktator, doch mit der alten Diktatur der klassischen Romischen Republik hatte die Diktatur Sullas lediglich N amen und au£ ere Formen gemein. Zwar war auch Sulla ernannt und formell beauftragt worden, zwar ernannte er sich nach wenigen Tagen einen magister equitum in der Person des Valerius Flaccus, zwar lie£ auch er 24 Liktoren vor sich herziehen, zwar war auch ihm ein klarer Auftrag i.ibergeben, wie ihn die alten Diktatoren in Notzeiten besessen hatten- doch dieser Auftrag war weit umfassender als aile friiheren, er war so dehnbar, da£ praktisch aile Bereiche der Politik und des Lebens unter ihm begriffen werden konnten. Der neue Diktator Sulla erhie!t das Recht, Gesetze auch ohne die Mitwirkung des romischen Volkes und Senates ZU erlassen, ein Recht, von dem er allerdings, soweit wir wissen, keinen Gebrauch machte. Doch der entscheidende Unterschied gegeniiber allen fri.iheren Diktaturen hestand darin, da£ die zeit!iche Befristung der Diktatur ganz in das Ermessen des Diktators selbst gelegt war. Auch hier sollte sich zeigen, da£ Sulla seine Kompetenzen nicht iiberzog und die Diktatur wesentlich friiher niederlegte, als seine Freunde und die Gegner erwartet hatten. Aber im Prinzip war hier die enge zeit!iche Begrenzung der Diktatur- fri.iher praktisch auf das fiir die Kriegfiihrung in Betracht kommende Sommerhalbjahr oder auf eine eng abgegrenzte Aufgabe durchbrochen worden, und hier war nun der W eg gezeigt, der dann unter Caesar zu den Iterationen der Diktatur und schlie£lich zum dictator perpetuo, zum Diktator auf Lebenszeit, fi.ihren sollte. Als Diktator verstand sich Sulla selbst jedoch lediglich als i.ibergeordnete Instanz des romischen Staatsapparates. Im Gegensatz ZU Cinna war er an einer dauernden Bekleidung des Konsulates nicht interessiert; fi.ir
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das Jahr 81 v. Chr. lieg er sogleich Cn. Cornelius Dolabella und M. Tullius Decula zu Konsuln wahl en, von den en der erste ein Patrizier war, der sich in der Schlacht am Collinischen Tor besonders hervorgetan hatte, der zweite ein wenig bekannter Plebejer. 80 v. Chr. hat Sulla das Konsulat dann selbst zusammen mit Metellus Pius innegehabt, 79 v. Chr. wieder ein Patrizier und ein Plebejer, namlich Appius Claudius Pulcher und P. Servilius Vatia. Das Besondere an den heiden Konsulpaaren von 80 und 79 v. Chr. ist die Tatsache, dag es sich in heiden Fallen urn Paare handelt, die miteinander verwandt waren, sogenannte Geschwisterkinder. Erst nachdem seine eigene Stellung legalisiert, Konsulat und auch aile iibrigen Magistraturen fur das Jahr 81 v. Chr. ordnungsgemag besetzt waren, feierte Sulla dann seinen Sieg in den traditionellen, aber auch in neuen Formen. Am 29. Januar 81 v. Chr. hielt er zuerst seinen Triumph tiber Mithradates VI. ab, der besonders durch die groge Beute an Gold und Silber, die man im Zuge mitschleppte, sein Geprange erhielt. Doch am folgenden Tage zog Sulla noch einmal zum Kapitol, urn dort den von dem jungen Marius nach Praeneste ausgelagerten Tempelschatz wieder in feierlicher Form zu deponieren. Auf die Romer machte dabei Sullas Begleitung den tiefsten Eindruck. Denn mit ihm zogen, bekranzt, in festlichen Gewandern und mit ihren Frauen und Kindem aile diejenigen Aristokraten, die vor Cinna ins Exil geflohen waren und denen Sulla nun die Riickkehr ermoglicht hatte. Sie priesen Sulla daher als ihren ,Retter und Vater", hier wurde ihm eine echte Verehrung entgegengetragen, die durchaus mit der kurzen, enthusiastischen Verehrung des Marius im Jahre 101 v. Chr. zu vergleichen ist und die eine Vorstufe bildet fur die allgemeine Ehrung des Augustus im J ahr 2 v. Chr. als pater patriae, eine Ehrung, die ZU einem bleibenden Element der romischen Kaisertitulatur und damit der Principatsidee werden sollte. In dieselbe Richtung wiesen dann auch noch weitere Ehren, auf die Sulla damals Anspruch erhob. So forderte er in einer Volksversammlung, in welcher er nach dem Triumph seine Erfolge und Taten berichtet hatte, fur sich den offiziellen Beinamen Felix, damit einen Beinamen, der ganz ahnlich wie die offiziellen Siegerbeinamen, wie das African us und Asiaticus der Scipionen oder das Numidicus des Metellus, seinen Trager aus dem Durchschnitt der Aristokratie heraushob, aber auch geradezu eine Schliisselstellung fur Sullas Selbstverstandnis besitzt.
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An weiteren auffallenden Ehrungen fur Sulla sind dann die Errichtung einer vergoldeten Reiterstatue auf dem Forum neben der Rostra zu nennen, die erste, die in Rom errichtet wurde und die die lapidare Widmung enthielt L. Cornelio, L. (ucii) filio, Sullae imperatori felici, eine Ehrung, die durch ein besonderes Munzbild bekanntgemacht worden ist und die in ahnlicher Form spater dann auch fur Pompeius, Caesar und Augustus wiederholt wurde. Endlich beschloB man alljahrlich vom 26. Oktober bis 1. November abzuhaltende Siegesspiele fur Sulla, die ludi Victoriae Sullanae, die gleichfalls den Auftakt bildeten fur die groBen wiederkehrenden Spiele Caesars und der romischen Kaiser. Doch der Alltag wurde in Rom nicht durch diese glanzende AuBenseite der Siegesfeiern bestimmt, sondern durch Sullas systematische Abrechnung. W enn Appians Bericht zutrifft, hat Sulla schon wenige Tage nach der Schlacht am Collinischen Tor in einer Volksversammlung das ganze romische Volk zur aktiven Mithilfe an der Liquidation der Anhanger Cinnas und aller seiner politischen Gegner aufgerufen. }edenfalls war eine seiner ersten Regierungshandlungen als Diktator die gesetzliche Systematisierung der Verfolgung durch die lex Cornelia de proscriptione. Darin wurde verfugt, daB aile diejenigen geachtet wurden, zum Tode verurtei!t und ihres Vermogens beraubt waren, die nach dem Mai 83 v. Chr. im Lager der Popularen gedient oder diese auch nur unterstutzt hatten. Bei Senatoren wurden dabei noch die Sohne und Enkel der Betroffenen bestraft, denn diese soli ten wohl die Pflichten, aber nicht mehr die politischen Rechte ihres Standes besitzen. Die Sklaven der Geachteten wurden freigelassen, als Cornelii bezeichnet und damit fur jeden erkennbar in ein spezifisches Klientelverhaltnis zu ihrem ,Befreier" gebracht. Es sol! sich dabei urn nicht weniger als 10 000 Person en gehandelt haben. Am abstoBendsten war jedoch die ganze Art und Weise, wie die gesamte Bevolkerung gegen jene Opfer mobilisiert wurde, denn die romischen Burger waren verpflichtet, den Behorden den Aufentha!t von Geachteten zu melden. Auf deren Kopfe wurde eine Belohnung von 12 000 Denaren ausgesetzt, den Sklaven, welche ihre Herren auslieferten, wurde dariiber hinaus die Freilassung zugesprochen. Umgekehrt war mit der Todesstrafe bedroht, wer einen der Geachteten versteckte. Die Namen der Geachteten wurden in Iangen Listen offentlich angeschlagen, proskribiert nach einem terminus technicus des Geschaftsle-
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hens. Am ersten Tage wiesen diese Listen 80 Namen auf, die von den Namen der Konsuln der heiden letzten Jahre, 84 und 83 v. Chr., angefi.ihrt waren. Am zweiten und dritten Tage folgten angehlich jeweils 220 Namen. SchlieGlich sollen insgesamt rund 4700 Romer den Proskriptionen zum Opfer gefallen sein, darunter etwa 2000 Senatoren und Ritter. lm i.ihrigen verhinderten diese Listen die Willkur der Anhanger Suilas nur scheinhar, denn nicht wenige Namen wurden einzig aus personlichen Grunden eingetragen, andere erst nachtraglich daraufgesetzt, wenn die Opfer hereits erschlagen waren. Vor allem hliehen die politischen Kriterien fi.ir die Proskriptionen je Ianger desto weniger hestimmend. Da die romischen Burger aufgerufen waren, auch vergessene N amen zu nennen, traten die persi:inlichen Motive immer starker in den V ordergrund. Wie die folgenden Prozesse zeigten, etwa derjenige, in dem Cicero fur Sextus Roscius aus Amerina auftrat und in dem er mit nicht geringem Mut einen Privatsekretar Sullas, L. Cornelius Chrysogonus, helastete, lieGen sich die Vertrauten Sullas in der uhelsten Weise dazu verfi.ihren, vollig unschuldige Leute auf die Listen zu setzen, nur wei! sie deren Gut ersteigern wollten. Denn ohwohl der Erlos aus den kassierten Vermogen und aus der Versteigerung der Liegenschaften an sich dem Staate zufloG und nach der Liviusperiocha 89 auch den hetrachtlichen Betrag von 350 Million en Sesterzen fur die Staatskasse ergah, war Sulla hei vielen Versteigerungen personlich zugegen, und immer wieder sorgte er dafi.ir, daG die hetreffenden Gi.iter seinen Gi.instlingen meist unter dem Preis zugeschanzt wurden. Deren Raffgier aher kannte hei diesen einmaligen Gelegenheiten keine Grenze, auch der spatere Triumvir M. Licinius Crassus hat damals die Grundlagen zu seinem Reichtum gelegt, aher selhst Sullas eigene Familie und seine Verwandten sorgten dafi.ir, daG sie nicht zu kurz kamen. Sullas Verfolgung traf indessen nicht nur Einzelne, sondern schlieGlich auch ganze Gemeinden. Denn kollektiv wurden jetzt auch aile jene Stadte hestraft, die von den Sullanern erohert werden muGten. Appian herichtet das so, als ware Sulla gegen diese Stadte erst dann vorgegangen, als keine der fuhrenden oder reichen Personlichkeiten, die mit Marius oder Cinna sympathisiert hatten, mehr zu helangen waren. In Wirklichkeit verfolgte Sulla mit diesem Vorgehen von Anfang an das Ziel, Siedlungsland und Haushesitz fur seine rund 100 000 Veteranen zu
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schaffen. Deshalb wurden in den betroffenen Stadten in Etrurien und Samnium Tausende von Haus und Hof vertrieben, ihr Besitz Veteranen iibereignet, die bezeichnenderweise in den verschiedenen Ortschaften und Stadten stets geschlossen angesiedelt wurden und die dann auch Sulla iiber den Tod hinaus die Treue hielten. Sullanische Kolonien sind bezeugt unter anderem fur Pompeji, Praeneste, Nola, Interamnia, Faesulae, Clusium und Arretium. Die Proskriptionen, die schlieBlich am 1. Juni 81 v. Chr. beendet wurden, stellten in ihrer Systematik und in ihrem AusmaB fiir romische Begriffe etwas Unerhortes dar. Natiirlich hatte es auch schon vorher eine Verfolgung fiihrender Politiker gegeben, hatte Sulla bei seinem ersten Marsch auf Rom 88 v. Chr. ebenso geachtet wie nachher Marius und Cinna; gewiB hatte es bei der Niederwerfung der Erhebungen der Gracchen und nach der Ermordung des Livius Drusus Blutjustiz und Verbannung gegeben, doch vergleichbare systematische Massenverfolgungen waren bislang unbekannt. Sulla ahmte hier offenkundig vollig unbekiimmert Mithradates VI. nach, der die Massenabschlachtungen politischer Gegner ebenso vorgefiihrt hatte wie die Aussetzungen von Belohnungen fiir Denunzianten und den Appell an die niedrigsten menschlichen Instinkte. Greueltaten solchen AusmaBes werden nicht vergessen. Die Proskription, die Niedermetzelung politischer Gegner und die Enteignung ganzer Gemeinwesen waren damit in die Methodik der romischen Biirgerkriege eingebracht, und sie waren stets gegenwartig, als dann nach der Mitte des J ahrhunderts neue groBe inn ere Auseinandersetzungen begannen.
Sullas Restauration Als dritter Aufgabenkomplex lag vor Sulla endlich der Neuaufbau der staatlichen Verwaltung und Verfassung, der ganz in reaktionarem Sinne erfolgte, im i.ibrigen aber durch eine ahnliche innere Geschlossenheit und Systematik gekennzeichnet wird, wie sie bei den Proskriptionen und bei der Veteranenversorgung zu beobachten waren. Nachdem durch die Proskriptionen die alten politischen Gegner in den fi.ihrenden Schichten Roms physisch und materiel! vernichtet und nachdem durch die Enteignungen, Kontributionen und StrafmaBnahmen aller Art auch
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die italischen Zentren der Gegenseite zerschlagen waren, ging es Sulla bei der N eukonstituierung des Staates vor all em urn zwei Dinge: Erstens wollte er durch Eingriffe in die bisherige Verfassung verhindern, dag sich demagogische oder politische Vorstoge der popularen Politiker wiederholten, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder erfolgt waren. Das heigt, Sulla mugte die Kompetenzen des Volkstribunats ebenso beschneiden wie jede monopolartige Einflugnahme der Ritter auf die Rechtsprechung. Zweitens aber hatte Sulla fur eine Erweiterung und Erhartung der Herrschaft der romischen Aristokratie zu sorgen, denn nur dann, wenn hier eine durchgehende Reorganisation des Senates, der Amterlaufbahnen und der Reichsverwaltung erfolgte, bestand eine begrundete Aussicht, dag sich die durch die jungsten Aderlasse schwer gezeichnete alte Fuhrungsschicht auch in Zukunft halten konnte. Zunachst zu den repressiven Magnahmen: Hier wurde das Volkstribunat zwar nicht vollig abgeschafft, aber es wurde doch politisch amputiert. Die Haupttatigkeit der Volkstribunen war kunftig rein defensiv. Sie konnten wohl nach wie vor den einzelnen Bi.irger gegen den Migbrauch magistratischer Amtsgewalt sichern, aber Antrage auf Volksbeschlusse durften die Tribunen in Zukunft nur noch nach vorheriger Vorberatung und Zustimmung des Senates stellen. Das ganze Amt war nicht zuletzt deswegen unansehnlich geworden, wei] seine Inhaber keine weitere Magistratur mehr bekleiden konnten. Fur die Amterlaufbahn romischer Politiker sollte das Volkstribunat so absichtlich zu einem toten Geleise werden. Die Neuordnung der Rechtsprechung mugte von der Beseitigung der bisher praktisch allein von den Rittern beherrschten Geschworenengerichte ausgehen. Aber der Zwang zur Neuordnung war hier gleichbedeutend mit dem erstmaligen Aufbau einer umfassenden Strafrechtspflege. Dazu sind insgesamt acht standige Geschworenengerichtshofe geschaffen worden, die jeweils nach den wichtigsten Verbrechenskategorien getrennt waren, also Gerichtshofe de repetundis, de maiestate, de sicariis (Meuchelmorder) et veneficis (Giftmischer), de falsis, de iniuriis und so fort, GerichtshOfe, die jeweils von einem Prator geleitet wurden und deren Geschworene sich durchweg aus Senatoren zusammensetzten. lm i.ibrigen wurden bei Sullas Neuordnung aber nicht nur die Geschaftsverteilung und die Zusammensetzung der romi-
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schen Geschworenengerichtshofe festgesetzt, sondern auch das Gerichtsverfahren selbst bis in aile Einzelheiten geregelt. Der Reorganisation der Amterlaufbahnen und der Provinzialverwaltung galten die lex Cornelia de magistratibus und die lex Cornelia de provinciis ordinandis. In der ersten wurden in einer ahnlich systematischen Weise, wie dies im Jahre 180 v. Chr. durch die lex Villia annalis geschehen war, die Reihenfolge, der zeit!iche Abstand und das Mindesta!ter der romischen Amterlaufbahn fixiert. Zum Teil wurden dabei wahrscheinlich lediglich die a!ten Bestimmungen neu eingescharft, jedenfalls als Mindesta!ter fur die Bekleidung der Pratur das 40. Lebensjahr, fur das Konsulat das 43. festgesetzt, ferner ein mindestens zehnjahriges Intervall zwischen erstem und zweitem Konsulat. Aber weit wichtiger war anderes. Durch die stark angewachsenen Aufgaben in Verwa!tung und Jurisdiktion- allein fur die Rechtsprechung waren nach Sullas Neuordnung acht Pratoren erforderlich- hatte es sich als notwendig erwiesen, die Zahl der Amtstrager bedeutend zu erhohen. So gab es kunftig 20 Quaestoren und acht Pratoren, wahrend die Zahl der Konsuln selbstverstandlich unverandert blieb. Diese Vermehrung der wichtigstcn Magistraturen stand auch im Zusammenhang mit der ganz planmaBigen Erganzung des Senates. Hierbei ist zunachst zu berucksichtigen, daB der romische Senat in den achtziger Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. durch den Bundesgenossen- und den Burgerkrieg an die 200 Mitglieder, darunter 24 Konsulare und 60 Pratorier eingebuBt hatte, nicht zuletzt aber eine ganze Reihe seinerprincipes. Dieser AderlaB erklart es wenigstens zum Teil, daB die Korporation zur Ausubung ihrer Fuhrungsfunktionen nicht mehr fahig war. Aber auch die Tatsache, daB sie durch die groBen Parteiungen in den inneren Auseinandersetzungen zerrissen wurde, ist zu bedenken, wenn man konstatiert, daB selbstandige Initiativen des Senates die Ausnahme darstellten, die wirklich entscheidenden Impulse vielmehr bereits von Einzelnen, politischen Gruppen, nicht zuletzt von den Heeren ausgingen. Furs erste hatte Sulla die stark zusammengeschmolzene Korperschaft mit einem Schlage durch die Zuwahl von 300 neuen Senatoren, die in ihrer Mehrzahl urspriinglich aus dem Ritterstande stammten oder sich als Offiziere ausgezeichnet hatten, auf insgesamt 600 Mitglieder gebracht. Dabei ist auch hier der von Sulla eingeschlagene W eg bemerkenswert, denn der Diktator legte der romischen Tribusversammlung cine Liste
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seiner 300 neuen Kandidaten vor und lief~ dann tiber jeden Namen gesondert abstimmen. Doch Sulla begnugte sich nicht mit diesem einmaligen grogen ,Pairsschub", sondern er regelte auch die Erganzung des Senates fur die Zukunft neu. Bisher hatten jeweils die Censoren diese Erganzung aus den dafur berechtigten Familien nach freiem Ermessen vorgenommen, wenn gegen den betreffenden Mann keine nota censoria vorlag, das heigt wenn keine Einwande gegen seine Lebensfuhrung erhoben worden waren. Sulla setzte jetzt fest, dag in Zukunft jeder, der die Quaestur bekleidet hatte, automatisch auch in den romischen Senat aufgenommen wurde. Gleichzeitig wurden die Censoren auch ihres Rechtes der lectio senatus beraubt, in Sullas System pagte die Censur ganz einfach nicht mehr, das Amt sollte zwar nicht formell abgeschafft werden, doch praktisch auslaufen. Nachdem in den achtziger Jahren (89 oder 81 v. Chr.) endlich auch die Verhaltnisse in Oberitalien durch die Einrichtung der Provinz Gallia cisalpina eine abschJiegende Ordnung gefunden hatten, setzte die lex Cornelia de provinciis ordinandis fest, dag die romischen Obermagistrate in Zukunft ihr eigendiches Amtsjahr in der Regel in Rom selbst zuzubringen und dag sie dann erst im Jahre darauf als Prokonsuln beziehungsweise Propratoren die Leitung einer Provinz zu ubernehmen hatten. Diese Kombination von Stadt- und Reichsverwaltung ist in der neueren Forschung zum Teil mit groger Emphase gewurdigt worden. Sie mug jedoch, wie demgegenuber Ernst Meyer hervorgehoben hat, sehr nuchtern betrachtet werden. Es war nicht so, dag damals die Stellung der romischen Magistrate zugunsten der Pro magistrate geschwacht wurde, dag in Zukunft die Heereskommandos allein und ausschlieB!ich in die Hande von Promagistraten gelegt worden waren und dag die Zehnzahl der Provinzen ihre Statthalter in einem automatischen Prozeg immer aus den je acht Pratoren und zwei Konsuln bezogen hatte. Vielmehr haben auch nach Sulla noch Konsuln und Pratoren in ihrem Amtsjahr Provinzen ubernommen und Heere befehligt, und die Zahl der Oberbeamten entsprach auf die Dauer deshalb jener der Provinzen nicht, wei! sich verschiedene Magistrate nicht zur Dbernahme einer Promagistratur bereitfanden und wei! vor allem fur die in den nachsten J ahrzehnten hinzukommenden neuen Provinzen keine zusatzlichen neuen Magistraturen eingerichtet worden sind. Die Moglichkeit, eine einjahrige Provinzialstatthalterschaft zur Regel zu mach en, war deshalb
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schon nach kurzer Zeit nicht mehr gegeben. Es blieb auch spater bei Statthalterschaften von mehrjahriger Dauer. Ungeachtet der hier geauBerten Reserven waren die lex Cornelia de provinciis ordinandis und die mit ihr im Zusammenhang stehende lex Cornelia de magistratibus aber doch Marksteine in der Verwaltungsgeschichte der romischen Provinzen und des romischen Staates. Ahnlich weitausgreifende Reformma£nahmen haben spater erst wieder Caesar und Augustus in die Wege geleitet. Es ist fiir Sulla charakteristisch, da£ er daneben in einem besonderen Gesetz die Amtshoheit der romischen Magistrate noch einmal ausdri.icklich einscharfte und absicherte. Seine lex Cornelia de maiestate kni.ipfte an ein ahnliches Gesetz des Appuleius Saturninus an, verlieh ihm jedoch einen ganz neuen Akzent, indem es anstelle der maiestas des romischen Volkes und der Volkstribunen gerade die maiestas des Senates und aller romischen Magistrate abschirmte. Denn dieses Gesetz drohte jedem einen Majestatsproze£ an, der einen romischen Magistrat in der Ausi.ibung seiner amtlichen Tatigkeit behinderte oder ihn oder den Senat nicht mit der gebi.ihrenden Ehrfurcht behandelte oder ihn beleidigte. Durch die planma£ige Erganzung des Senates, die Ausweitung seines Einflusses auch i.iber die Strafgerichtsbarkeit, durch die Vermehrung der Magistraturen und durch die Reorganisation der Provinzialverwaltung, durch die Knebelung des Volkstribunats und durch andere Verfassungsanderungcn, die eine erneute Mobilisierung des Volkes und der Ritterschaft gegen die Aristokratie verhinderten, und nicht zuletzt durch die lex de maiestate, hatte Sulla so alles Erdenkliche getan, urn im Sinne der Optimaten eine kontinuierliche Herrschaft der romischen Aristokratie zu sichern. Akute Gefahren drohten seiner Ordnung indessen nicht von au£en, sondern von seinen fiihrenden Mitkampfern, die Sulla zunachst durch sein stets gro£zi.igiges Entgegenkommen verwohnt hatte und die sich nun in eine neue Ordnung einfi.igen sollten, der sich freilich auch Sulla selbst zu unterwerfen gedachte. Zu einem ersten fiir Sulla sehr unangenehmen Zusammensto£ kames dabei schon im Jahre 81 v. Chr., bald nach dem Ende der Kampfe, mit Q. Lucretius Ofelia, der zwei Jahre vorher das sinkende Schiff der Popularen gerade noch rechtzeitig verlassen und sich dann als Leiter der Belagerung von Praeneste hervorgetan hatte. Obschon Ofelia in diesem
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Augenblick noch kein senatorisches Amt bekleidet hatte, glaubte er doch auf Grund seiner V erdienste urn die Sache Sullas ein Konsulat des Jahres 80 v. Chr. fur sich fordern zu konnen. Sulla lehnte dies ab, doch Ofelia stellte sich auch ohne das Placet des Diktators in einer Volksversammlung als Kandidat fur das Konsulat vor. Sulla war dabei zwar nicht personlich anwesend, aber er wurde so fort von dem Vorfall unterrichtet und schickte daraufhin eine Abteilung ab, die Ofella auf Sullas Befehl an Ort und Stelle niederschlug. Als es danach zu Protestkundgebungen des erregten Volkes kam, bekannte sich Sulla ganz often zu der Tat, die zeigte, dag er an dem System seiner Ordnung vorlaufig nicht ungestraft rutteln lassen wollte. W esentlich problematischer und nach Ofellas Schicksal geradezu u berraschend entwickelte sich dagegen Sullas Verhaltnis zu dem jungen Cn. Pompeius. Cn. Pompeius, der Sohn jenes Cn. Pompeius Strabo, der einst wahrend des Bundesgenossenkrieges als Befehlshaber in Picenum hervorgetreten war, hatte im Jahre 83 v. Chr. als zweiundzwanzigjahriger in seiner Heimat aus der Klientel und den Veteranen seines Vaters eine Privatarmee mobilisiert, mit dieser den Kampf gegen Carbo aufgenommen und sich in einer oft geschilderten Szene Sulla an der Spitze dieser Truppen zur Verfugung gestellt. Denn als Sulla in der zweiten Halfte des Jahres 83 v. Chr. personlich nach Mittelitalien kam, baute der junge Pompeius sein Privatheer in Paradeformation auf und meldete Sulla dieses Korps. Sulla soli dabei jedoch vom Pferde gesprungen sein under soli den jungen Pompeius wie einen Gleichgestellten als Imperator begriigt haben. Sulla wird sich zu diesem Schritt entschlossen haben, wei! in jenem Augenblick der Endkampf in Italien erst noch bevorstand, so dag fur Sulla alles darauf ankommen mugte, sich eine so schlagkraftige Truppe auch fur die Zukunft zu erhalten. Fur die Zeitgenossen warder Vorgang freilich unerhort. Denn einmal war hier erstmals eine Privatarmee oder eine private Heeresgefolgschaft, die ein Erbe aufgestellt hatte und nicht ein alter Feldherr wie Marius, offiziell anerkannt worden. Zweitens aber warder Ehrentitel Imperator hier auf einen jungen Mann, einen adulescentulus, wie Cicero spater sagte, ubertragen worden, der nicht einmal eine einzige romische Magistratur bekleidet hatte, wahrend der lmperatortitel nach den Prinzipien des romischen Staatsrechtes bisher nur einem siegreichen Feldherrn verliehen worden war, der eine Magistratur innehatte oder doch zumindest
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Inhaber eines imperium war. Durch Sullas Verhalten ist Pompeius so nicht als untergeordneter Kommandeur respektiert, sondern als selbstandiger Befehlshaber anerkannt worden. Sulla hat die Dienste, die ihm Pompei us leistete, dann auch nach der Einnahme Roms und nach der Legalisierung seiner Herrschaft groGziigig honoriert. Das imperium des jungen Mannes wurde vom Senat ausdriicklich gebilligt, der junge Pompei us dazuhin auch noch in einer politischen Ehe verwandtschaft!ich mit Sulla verbunden, indem ihm dieser seine Stieftochter Aemilia zur Frau gab. An dieser Verbindung lag Sulla so vie!, da£ er beide Partner zwang, ihre bereits bestehenden Ehen zu !asen und diese neue Ehe einzugehen, die dann allerdings nicht von Ianger Dauer war, da Aemilia schon bald darauf starb. Zunachst blieb Pompeius auch weiterhin ein loyaler Gefolgsmann Sullas, und da sich die letzten Reste der popularen Opposition nach der Erstickung des Widerstandes in ltalien nach Afrika und nach Spanien durchgeschlagen hatten, wurde Pompeius noch im Jahre 81 v. Chr. mit der Aufgabe betraut, den Widerstand in Sizilien und Afrika zu brechen. Sizilien fie! fast kampflos in seine Hand, wenig spater wurde ihm dort der gefangene Carbo vorgefiihrt, der mit seiner Flotte wieder auf Sizilien gelandet war. Pompei us lie£ ihn hinrichten. Im groGen und ganzen hielt sich seine Verfolgung der Gegner jedoch in vertretbaren Grenzen, so da£ es ihm rasch gelang, seine Macht zu stabilisieren und umfassende Riistungen fiir die kommenden Kampfe voranzutreiben. Schlie£/ich hatte der junge Pompeius ein Heer von sechs Legionen zu seiner Verfiigung, das er auf 120 Kriegsschiffen und rund 800 Lastkahnen nach Africa iibersetzte. In dieser improvisierten, dennoch aber mit gro£er Umsicht durchgefiihrten Landungsoperation erwies sich der junge Pompeius wie schon bei der Aufstellung seiner Privatarmee als hervorragender Organisator, und in dieser Eigenschaft ist er auch bis zu seinem Untergang kaum iibertroffen worden. Angeblich hat Pompeius seine Aufgabe in Africa dann innerhalb von 40 Tagen geli.ist. Das fiir ihn ungleich schwerer wiegende Problem stel!te sich indessen erst nach seinem Riickmarsch nach Utica. Dort erhielt Pompeius zu Anfang des J ahres 80 v. Chr. von Sulla den Befehl, fiinf seiner Legionen sofort zu ent!assen und mit der letzten die Ankunft des fiir Africa bestimmten neuen Statthalters abzuwarten. Die Ausfiihrung dieses Befehls hatte praktisch die Aufli.isung seines Heeres bedeutet, der junge
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Pompeius ware zum bloBen Spielball geworden, aber er hatte sowohl von seinem Vater als auch von Sulla selbst die Lektionen des innenpolitischen Machtkampfes gelernt. Als Pompeius in der Heeresversammlung Sullas Order bekanntgab, kames zu einem Tumult. Die Soldaten weigerten sich, diesem Befehl nachzukommen. Sie akklamierten ihren jungen Feldherrn als lmperator Pompeius Magnus und erklarten, daB sie nur mit ihm zusammen heimkehren wol!ten. Sulla, der zuerst an einen offenen Aufstand glaubte und schon iiber den Arger jammerte, den ihm gerade junge Manner, wie vor kurzem der junge Marius und jetzt der junge Pompeius bereiteten, muBte schlieBlich darin einwilligen, daB Pompeius sein ganzes Heer selbst zuriickfiihrte. Doch fiir diesen KompromiB hatte er bald zu biiBen. Denn es war ein TrugschluB, wenn Sulla glaubte, den Ehrgeiz des jungen Mannes durch eine besonders ehrenvolle BegriiBung des Pompeius bei dessen Ankunft in ltalien befriedigen zu konnen. Pompeius gab sich auch damit nicht zufrieden, daB ihn Sulla nun in aller Offentlichkeit als Magnus anredete, womit Pompeius' Eintritt in die Alexandertradition gleichsam offiziell besiegelt war, sondern der junge Heerfiihrer bestand zu all dem noch darauf, einen Triumph abhalten zu diirfen. Es niitzte Sulla nichts, daB er auf die traditionellen Richtlinien fiir einen Triumph hinwies, darauf, daB auch dem alteren Scipio Africanus im Jahre 206 v. Chr. nach seinen Siegen in Spanien kein Triumph zugebilligt worden sei, wei! er damals keine Magistratur bekleidet hatte. Pompei us war durch aile diese Argumente nicht zu beeindrucken und lieB das Wort fallen, daB die aufgehende Sonne im Volke groBere V erehrung genieBe als die untergehende. Sulla gab schlieBlich wiederum nach, und am 12. Marz 79 v. Chr. hat Pompeius seinen Triumph iiber den numidischen Usurpator Hiarbas dann auch tatsachlich gefeiert. In Sullas System stand Pompeius danach wie ein erratischer Block, und er gefiel sich iiberdies noch in seiner Rolle, die er bis zum letzten Effekt provozierend ausspielte, indem er demonstrativ im Ritterstand blieb und auch so zu erkennen gab, daB er sich in das von Sulla aufgebaute Senatsregime nicht einreihen lassen wollte, sondern seine hervorragende Stellung einzig und allein seiner personlichen Leistung zu verdanken glaubte. Damit waren aber die Grundlinien der sullanischen Ordnung schon im Jahre 79 v. Chr. durchbrochen. Sulla hatte zu erkennen gegeben, daB die Ziigel gelockert waren, bald danach gab er sie
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ganz aus der Hand. lm F ruhsommer 79 v. Chr. lids Sulla eine Volksversammlung einberufen, in der er seine Diktatur in aller Form niederlegte und sich wie jeder andere Obermagistrat zur offentlichen Rechtfertigung seiner Amtsgeschafte bereit erklarte. Als sich aus der vollig uberraschten Menge niemand zum Wort meldete, buchte Sulla dies als seine offizielle Entlastung. Er entlie!S seine Liktoren und ging als Privatmann nach Hause, wahrend die Leitung des Staates damit in die Hande der Konsuln zuriickgegeben war. Man kann Sullas oft behandeltes Verhalten, das spater nur noch einmal bei der Abdankung Diokletians eine vergleichbare Nachahmung fand, wahl nur aus seiner durch und durch aristokratischen Grundhaltung verstehen. Sulla war kein Mann, der sich in blo!Ser Reprasentation oder in Alltagsgeschaften aufreiben wollte. Seiner ganzen Art nach mu!Sten ihm die nur ehrgeizigen und nur flei!Sigen Menschen zuwider sein. Er war auch darin ein echter Aristokrat, daiS er sich nicht vollig mit seinem politischen W erk identifizierte, sondern sich von ihm distanzierte, als die Grundlinien der neuen Ordnung ausgefluchtei: waren. Spatestens seit dem Friihjahr 79 v. Chr. mu!Ste Sulla nach den Erfahrungen des Rosciusprozesses und nach den Erfahrungen mit dem jungen Pompeius aber klargeworden sein, daiS auch seine eigene Sache durch die Verbrechen der Mitarbeiter befleckt wurde und daiS die Beibehaltung der direkten Fuhrung des Staates in endlose Auseinandersetzungen mit ehrgeizigen oder rivalisierenden Politikern ausmunden wurde oder in eine nackte Gewaltherrschaft, die Sulla als Dauerlosung ebenfalls verabscheute. Nach seinem Rucktritt zog sich Sulla auf sein Gut in der Nahe von Puteoli am Golf von Neapel zuriick. Dart stellte er die 22 Bucher seiner Memoiren fertig und befa!Ste sich mit den Planen fur den Wiederaufbau des kapitolinischen Juppitertempels und fur ein Tabularium am Kapitol. Besondere Sicherheitsvorkehrungen hielt er nicht fur notwendig, seine zuverlassigste Sicherung durfte er in seinen Veteranen sehen, von denen einige auch in der Nahe seines Gutes angesiedelt worden waren. Die politischen Entwicklungen nahmen in Rom freilich bald einen anderen Verlauf, als Sulla lieb war, doch resignierend fugte er sich darein, daiS fur das Jahr 78 v. Chr. in M. Aemilius Lepidus ein Mann zum Konsul gewahlt wurde, gegen dessen Kandidatur Sulla selbst Stellung genommen hatte. Sulla mu!Ste hier noch erie ben, daiS sein Regiment von
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Lepidus bereits kritisiert wurde und daB sich Ansatze einer neuen Opposition zu formieren begannen. Aber all dem wurde Sulla entrissen, als er zu Anfang des Jahres 78 v. Chr. starb, nachdem seine Gesundheit schon vorher stark zerriittet war. Nach einigem Hin und Her beschloB der romische Senat ein Staatsbegrabnis, das alles bisher Bekannte in den Schatten stellte und das in seinen wichtigsten auBeren Formen zugleich zum V orbild fiir die feierlichen Kaiserbegrabnisse des Principats geworden ist. Bei einem Mann, dessen politische Leistung so stark personlich gepragt ist wie im Faile Sullas, ist es lohnend, die Beurteilungen der modernen Forschung zu vergleichen. Niebuhr hat einst das ganze Unterfangen Sullas rundherum abgelehnt, sein ,constituirendes Wirken" fiir sinnlos erklart und lediglich die Neuordnung der Verwaltung wenigstens teilweise positiv bewertet. Im iibrigen war Niebuhr der Ansicht , ... was Sulla wollte, konnte gar nicht helfen, es war eine todte Restitution dessen was untergegangen war wei! es kein Leben mehr hatte, er rief die alten Formen der Republik zuriick und glaubte, daB sie Bestand haben wiirden. Er dachte wie in Tiecks verkehrter Welt die Welt zuriickschieben zu konnen da wo sie seiner Meinung hatte stehen bleiben so lien." Bei Mommsen, der gerade Sulla eines seiner glanzendsten Portrats gewidmet hat, ist die Ablehnung der sullanischen Restauration vielleicht noch scharfer formuliert als bei Niebuhr- allerdings mit einem wesentlichen Unterschied. Denn die Schuld daran, daB diese Restauration keinen einzigen neuen staatsmannischen Gedanken aufwies, trug nach Mommsen nicht Sulla, sondern - urn Mommsen zu zitieren ,die seit Jahrhunderten als Clique regierende und mit jedem Jahr mehr der greisenhaften Entnervung und Verbissenheit verfallende romische Aristokratie insgesamt" -,so daB nach Mommsens Dberzeugung alles, was an Sullas Restauration schal und was an ihr verbrecherisch ist, auf die romische Aristokratie zuriickfallt. Konsequent lautet denn Mommsens SchluBurteil, das Sulla gleichsam auf Kosten der romischen Aristokratie entlastete, so: , ... Nie wieder hat eine tief gesunkene und stetig tiefer sinkende Aristokratie, wie die romische damals war, einen Vormund gefunden, der so wie Sulla willig und fahig war ohne jede Riicksicht auf eigenen Machtgewinn fur sie den Degen des Feldherrn und den Griffe! des Gesetzgebers zu fiihren. Es ist freilich ein Unterschied, ob ein Offizier aus Biirgersinn das Scepter ver-
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schmaht oder aus Blasiertheit es wegwirft; aber in der vi:illigen Abwesenheit des politischen Egoismus - freilich auch nur in diesem einen verdient Sulla"- nach Mommsen- ,neben Washington genannt zu werden." Diese Sicht erlaubte es Mommsen, die Persi:inlichkeit Sullas durchaus positiv zu wurdigen. Er war fur ihn ,eine von den wunderbarsten, ... eine einzige Erscheinung in der Geschichte, physisch und psychisch ein Sanguiniker, der an sich vom Leben nichts als heiteren Genu!~ begehrte, der erfullt war vom Aberglauben des glucklichen Spielers, ein Mann, der sich urspriinglich auch in seiner politischen Laufbahn nicht anstrengen wollte, und der sich dann fast wider Willen als brillianter Offizier, geschickter Organisator und als treuer Sachwalter der Aristokratie bewahrte" ... ,die Geschichte wird gerechter gegen ihn sein mussen als er es sich selber war und ihn in eine hi:ihere Reihe stellen als in die der blollen Favoriten der Fortuna." Der moderne Betrachter wird indessen auch jenen Satz Mommsens nicht uberlesen, in dem er ihm als schwerwiegendsten politischen Fehler die i:iffentliche Verhi:ihnung der Humanitat durch die Proskriptionen vorwarf. In den weiteren Perspektiven von Rankes >W eltgeschichte< wurde Sulla vie! starker mit der Erscheinung der Monarchie verbunden. Fur Ranke war Sulla, mit gewissen Vorbehalten, ,der erste Monarch im republikanischen Rom", aber an seiner Persi:inlichkeit konnte sich Ranke nicht erwarmen. Bei einem Vergleich der Leistungen des M:uius und Sullas gab Ranke sogar Marius den Vorzug. A us die sen drei reprasentativen Au!lerungen durfte hervorgehen, dafl sich Sullas Persi:inlichkeit und Werk kaum auf einen knappen und einfachen Nenner bringen lassen. Der Aristokrat aus Anlage und Prinzip, der zugleich ein tuchtiger und erfolgreicher General war, hat sein Heer ganz anders als Marius von allem Anfang an als Interessenverband behandelt. Sullas naturlicher Selbstsicherheit entsprach die Unbedingtheit seines Einsatzes und spater auch die Rucksichtslosigkeit seiner Methoden. Aber der Mann, der nicht davor zuriickschreckte, zur Wahrung der eigenen dignitas sein Heer in Marsch zu setzen und den Burgerkrieg zu eri:iffnen, kannte auf politischem Gebiet kein anderes Ziel als die vollkommene und konsequente Restauration des ri:imischen Adelsstaates, ein Programm, das er tatsachlich auch so luckenlos und so systematisch verwirklichte, dall dieses extrem konservative System gerade wegen seiner Harte und Starrheit in entscheidenden Teilen schon bald der
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Auflosung verfiel. Schon zehn Jahre spater wurden die politische Amputation des Volkstribunats und die neue Zusammensetzung der Gerichtshofe wieder riickgangig gemacht und die praktisch beseitigte Censur wieder eingefiihrt. Sullas Luxusgesetz aber war schon deswegen eine Halbheit, wei! es nicht vorgelebt wurde. Mit dem Scheitern der Restauration Sullas aber waren im Prinzip auch bereits aile jene Ansatze ad absurdum gefiihrt, mit denen die romische Fiihrungsschicht die groBe Krise zu bewaltigen gedachte. Es hatte sich erwiesen, daB kurzfristige Delegation der Macht nicht mehr ausreichte, urn diese Krise zu meistern. Es war danach eine Fiktion, an die Moglichkeiten der verfassungspolitischen Perfektionierung innerhalb des alten Rahmens zu glauben. Sullas groBe Chance kehrte nicht mehr wieder, und das Scheitern seiner Restauration Iehne zugleich die Grenzen jeder Restauration zu erkennen. Ziehen wir am SchluB dieses Kapitels eine kurze Zwischenbilanz, so ist davon auszugehen, daB im historischen BewuBtsein die Bedeutung der Jahrzehnte zwischen 121 und 78 v. Chr. nicht so eindeutig akzentuiert ist wie jene der vorangehenden und der folgenden Zeit. Das Jahrzehnt der Gracchen und die Diktatur Caesars haben im allgemeinen starker fasziniert als diese Phase der romischen Geschichte, die durch immer neue Reformansatze, verschleppte und nicht geloste Aufgaben, auBenpolitische Riickschlage und zuletzt doch wieder neue Triumphe gekennzeichnet wird. Das Verstandnis der inneren Zusammenhange, der Interdependenz romischer Innen- und AuBenpolitik wurde zudem noch dadurch erschwert, daB zentrale Entwicklungen wie zum Beispiel die Bundesgenossenfrage isoliert, andere, wie die Entwicklung der Heeresstruktur oder der Verfassung weithin personalisiert, das heiBt ganz auf die Entwicklungen der Personlichkeiten des Marius und Sulla reduziert wurden. Dabei muB es doch gerade hier darauf ankommen, einerseits die ganze Breite der einander iiberlagernden Problemkreise ebenso zu beriicksichtigen wie andererseits die Kontinuitat des Wechselspiels zwischen Reforminitiativen und reaktionarer Verhartung und der Eskalation der Einsatze und Mittel. Ernst Badian hat auf die allgemeinen Zusammenhange hingewiesen, die das halbe Jahrhundert zwischen den Gracchen und Sulla kennzeichnen und die ihm gerade fiir unsere Gegenwart eine besondere Aktualitat verleihen. Er geht dabei von zwei Feststellungen aus: Einmal erschienen vielen Optimaten offensicht!ich
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auch die bescheidensten und nur allzu berechtigten, ja geradezu unvermeidbaren Reformansatze bereits als Revolution, jede Veranderung der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Verfassungsstruktur als eine Veranderung zum Schlechteren. Diese Einstellung entsprach nicht nur schichtenspezifischen Interessenlagen, sie entsprach ebenso eindeutig den Traditionen der romischen Fi.ihrungsschicht, ihrem Selbstverstandnis wie ihrer Ideologie. Die zweite Beobachtung, die Badian hervorhob, IieBe sich auch bei anderen Reformbestrebungen inmitten revolutionarer Konstellationen, das heiBt der Zuspitzung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Konflikte bis zum offenen Ausbruch des Bi.irgerkrieges oder des Klassenkampfes aufzeigen. Es ist die Tatsache, daB in vielen Fallen kompromiBbereite Reformer die unmittelbaren und die indirekten Folgen ihrer Initiativen ebensowenig vorausgesehen haben wie die konsequenten Revolutionare. In diesem Zusammenhang ist nicht Sulla, sondern Marius die bemerkenswerteste Figur. Der erfolgreiche militarische Spezialist und Feldherr hat das geschaffen, was heute zumeist als die Heeresgefolgschaft der spaten Republik bezeichnet wird. Konkrete militarische Aufgaben in Numidien und Gallien zwangen ihn zum Aufbau jenes Heeres, das zum wichtigsten Machtinstrument der spaten Republik werden sollte. Doch an die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen und Folgen seiner organisatorischen MaBnahmen hat Marius wohl keinen Augenblick gedacht. Jedenfalls hater gezogert, die Konsequenzen aus der von ihm herbeigefi.ihrten Entwicklung zu ziehen, Konsequenzen, die freilich dann erst von Caesar rigoros und vollig skrupellos gezogen worden sind. Indessen steht Marius in seiner Anerkennung der Bindungen anTradition und System nicht allein. Sie begegnet, wenn auch in einer im einzelnen unterschiedlichen Starke, bei Tiberius Gracchus ebenso wie bei Livius Drusus oder bei Cinna, und sie dokumentiert damit auch die spezifischen Voraussetzungen aller wirklich revolutionaren Ansatze in der spa ten Republik- oder mit anderen Worten, wenigstens bis zu einem gewissen Grade das, was in einem Teil der neueren Forschung, freilich stark verki.irzt, als die ,Krise ohne Alternative" (Christian Meier) bezeichnet worden ist. In Rom stellten Reformer, die aile Bri.icken hinter sich abbrachen, wie
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Appuleius Saturninus und spater Catilina, die Ausnahme dar. In der Regel wurde stets versucht, die Krisen innerhalb der bestehenden Strukturen zu iiberwinden. Diese Versuche erwiesen sich freilich nicht selten schon deswegen als von Anfang an aussichtslos, wei! die Reformer iiber keine organisierte und konstante Anhangerschaft verfiigten, sondern sich von Projekt zu Projekt urn immer neue, wechselnde Interessentengruppen bemiihen muBten. Aber mehr noch als das Scheitern dieser haufig genug zersplitterten Ansatze trug das Verhalten der Reaktion, die hartnackige Opposition des Octavius, der aggressive Gegenterror eines Scipio Serapio, das repressive Vorgehen gegen die Anhanger des Livius Drusus, gar nicht zu reden von den Proskriptionen Sullas, zu jener Verscharfung der Konfliktlage bei, die dann die Biirgerkriege des 1. Jahrhunderts v. Chr. charakterisieren so lite. Noch qualender als diese durch nichts zu beschonigenden Entwicklungen sind freilich die Beobachtungen eines Verhaltens, das unserer eigenen Zeit nicht fremd ist, die Tatsache, daB Konfliktherde wie soziale oder politische Aufgaben wohl erkannt und gesehen werden, daB aber dennoch Losungen der Probleme immer wieder hinausgeschoben werden, so lange, bis sich die Desintegration des Systems als Preis des Aufschubs erwies.
6. DER ZUSAMMENBRUCH DES SULLANISCHEN SYSTEMS UND DER AUFSTIEG DES POMPEIUS
Die romische lnnenpolitik nach Sulfa Die Restauration Sullas hatte die romische Senatsaristokratie noch einmal in den Stand gesetzt, ihre Herrschaft ungehindert auszuuben, und gleichzeitig aile verfassungsmaBigen Voraussetzungen erfullt, urn diese Herrschaft fur lange Zeit abzusichern. Die Vorwurfe, die mangegen Sullas System erheben kann, richten sich denn in der Regel auch nicht gegen die Unvollkommenheit der neuen Ordnung, sondern meistens dagegen, daB dieses System zu starr, zu einseitig, eben nur reaktionar war. Doch nachdem Sulla die Diktatur niedergelegt hatte, lautete die entscheidende Frage in der romischen lnnenpolitik nicht, ob Sullas Staatsordnung nicht zweckmaBigerweise durch diese oder jene Bestimmung zu modifizieren ware, sondern die entscheidende Frage war, ob die romische Aristokratie nach dem Ausscheiden Sullas uberhaupt genugend qualifizierte Politiker aufwies, die sich fur dieses System und damit fur die Sache der Aristokratie bedingungslos einsetzen wurden. Denn was immer man auch gegen Sulla vorbringen kann, das zumindest hatte er getan. Es wurde bereits gesagt, daB Sulla noch in seinem letzten Lebensjahr die Agitation gegen seine Ordnung erlebte und daB umgekehrt gerade Sullas entschiedene Stellungnahme gegen M. Aemilius Lepidus mit am meisten dazu beigetragen hatte, daB dieser im Jahre 78 v. Chr. Konsul wurde. Selbstverstandlich blieb Lepidus seinem oppositionellen Kurs dann auch als Konsul treu. Er stemmte sich nicht nur erfolglos gegen Sullas Staatsbegrabnis, sondern warf bald Gesetzesvorschlage in die offentliche Diskussion, die ihm vor allem die Sympathien und die Stimmen der alten Anhanger des Cinna und Marius einbringen muBten. So soli ten fur die Konfiskationen Entschadigungen gezahlt werden, die Verbannten sollten wieder zuriickkehren, die von Sulla abgeschaffte Verteilung von verbilligtem Getreide wollte Lepidus gleichfalls wieder-
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einfuhren. Welche letzten Ziele Lepidus mit solchen Projekten zu erreichen versuchte und ob es solche letzten Ziele uberhaupt gab, lalh sich nicht ausmachen. Das politische Klima der Tagespolitik wurde jedenfalls erneut erhitzt; in Etrurien sahen enteignete Grundbesitzer in Lepidus' Wirken das Signal zur Selbsthilfe, zu GewaltmaBnahmen und zum Aufstand gegeben. In der Gegend von Faesulae (Fiesole) in Etrurien kam es zu einer offenen Erhebung der ehemaligen Eigentumer, die die sullanischen Veteranen wieder von ihrem alten Besitz vertrieben, zu einer Erhebung, die bald so groBes AusmaB annahm, daB der romische Senat die beiden Konsuln Lepidus und Catulus dorthin entsandte, urn den Aufstand niederzuschlagen. Allein auf Grund der politischen Ambitionen des Lepidus war an ein gemeinsames Handeln der beiden hochsten romischen Beamten gar nicht zu denken: Lepidus machte aus seinen Sympathien fur die Aufstandischen kein Hehl und zogerte auch nicht, es zum offenen Bruch mit seinem Kollegen Catulus kommen zu lassen. Der hilflose Senat wuBt~ sich keinen anderen Rat, als die beiden Konsuln durch einen Eid zu verpflichten, Frieden zu halten. Lepidus leistete zwar diesen Eid, doch hatte er von seiner Auslegung sehr personliche Vorstellungen. Da ihm als Provinz Gallien zugefallen war- und zwar vermutlich Cisalpina ebenso wie Transalpina - , schickte er seinen Legaten Marcus Iunius Brutus, den Vater des spateren Casarmorders, nach Oberitalien, urn dort Truppen aufstellen zu lassen. Lepidus organisierte so in Norditalien eine groBe personliche Machtbasis, und er zogerte auch nicht, von dort aus zu einem neuen Marsch auf Rom anzutreten. Als im Fruhjahr 77 v. Chr. in Rom das Anrucken der Verbande des Lepidus gemeldet wurde, verfugte die Stadt nicht einmal tiber verantwortliche Magistrate, da Lepidus die rechtzeitige Abha!tung von Wahlen hintertrieben hatte. So wurde sein Kollege Catulus vom Senat als Prokonsul mit der Leitung der Gegenaktionen betraut und auch dazu ermachtigt, gemaB dem senatus consult urn ultimum zu handeln. Aber da man gleichzeitig auch die Truppenbereitstellungen des Marcus Iunius Brutus in Oberitalien zerschlagen wollte und dafur keinen geeigneten Befehlshaber zur Hand hatte, griff man auBerdem auch noch auf Pompeius zuruck, der, staatsrechtlich gesehen, in diesem Augenblick lediglich Privatmann war. Ihm wurde nun ein propratorisches Imperium
Die romische Innenpolitik nach Sulla
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verliehen und der Auftrag ertei!t, die Verbande des Iunius Brutus niederzuwerfen und aufzulosen. Tatsachlich konnten sowohl Catulus als auch Pompeius ihre Ziele wider Erwarten schnell erreichen. Catulus warf die bereits bis zur Milvischen Briicke vorgestoBenen Verbande des Lepidus zuriick, wahrend Pompeius in einem blitzartigen VorstoB aus Picenum seinen Gegner Marcus Iunius Brutus in Mutina zur Kapitu!ation zwang und ihn dann auf eigene Verantwortung toten lieB, ein Ereignis, das 30 Jahre spater von Caesar wieder aufgegriflen wurde. Nachdem so die Truppen des Lepidus in Oberitalien zerschlagen waren, wandte sich Pompeius mit seinem Korps nach Siiden und traf bei Cosa an der etrurischen Kiiste auf den vor Catulus zuriickweichenden Lepidus. Lepidus wurde erneut geschlagen, doch rettete er sich mit einem groBen T eil seiner T ruppen von Cosa aus nach Sardinien, wo er bald darauf starb. Seine Anhanger wichen unter Fiihrung von Perperna nach Spanien aus, urn sich dort Sertorius anzuschlieBen und auf diese Weise den Kampf gegen die legale romische Regierung fortzusetzen. Im romischen Senat konnte man sich damit zufriedengeben, daB es schon innerhalb eines Jahres gelungen war, den ersten Anschlag auf die sullanische Verfassung zu vereiteln und mit dem Putsch des Lepidus fertigzuwerden. Aber fertiggeworden war man mit dieser Krise letzten Endes nur deshalb so rasch, wei! man Pompeius mit einem Imperium ausgestattet und diesen damit in seinem SelbstbewuBtsein erneut bestarkt hatte. Prompt prasentierte Pompeius auch diesmal die Rechnung. Denn als er von dem Prokonsul Catulus in aller Form aufgefordert wurde, sein Heer zu entlassen, da verweigerte Pompeius den Gehorsam und stellte seinerseits die Gegenforderung, daB man ihm ein neues Imperium zum Kampf gegen Sertorius in Spanien iibertrage. Catulus blieb demgegeniiber hart und hatte zweifellos einen gesunden Instinkt dafiir, daB jetzt mit den auBerordentlichen Imperien SchluB sein miisse und daB sich der Senat den Pompeius nicht immerfort als auBerordentlichen Feldherrn mit eigenem Heer leisten konne. Aber Pompeius' Vorschlag kam fiir die Mehrzahl der Senatoren gerade im richtigen Augenblick. Denn der Kampf gegen Sertorius, auf des sen Vorgeschichte sogleich zuriickzukommen ist, dauerte nun schon Jahre lang an. Im Osten hatte man sich gegen die Seerauber, in Makedonien und Dalmatien gegen Einfalle von Nachbarstammen zu schlagen, so daB der Senat gleichzeitig
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vier verschiedene Kriegsschauplatze zu uberwachen hatte. Den Ausschlag gab, daB auch die beiden Konsuln diese Fulle von Problemen nicht meistern konnten, so daB Pompei us sein prokonsulares Imperium tatsachlich erhielt.
Der Aufstand des Sertorius Sein neuer Gegner, Q. Sertorius, sollte ihm freilich das AuBerste abverlangen. Sabinischer Herkunft, wahrscheinlich urn 122 v. Chr. geboren, hatte sich Sertorius schon fruh als Offizier in den Kampfen gegen die Germanen, Keltiberer und im Bundesgenossenkrieg ausgezeichnet. Der ehrgeizige junge Mann, der zunachst auf der Seite der Nobilitat stand, konnte indessen nicht dariiber hinwegkommen, daB er 88 v. Chr. bei seiner Kandidatur fur das Volkstribunat scheiterte. Er wechselte daraufhin die Seite und wurde jetzt zum energischen, wenn auch gelegentlich eigenwilligen Anhanger Cinnas. In des sen Gefolge erhielt er die Pratur und machte dann wieder nach Sullas Ruckkehr 83 v. Chr. von sich reden, als er die Stadt Sues sa besetzte und damit den von dem Konsul L. Scipio abgeschlossenen Waffenstillstand brach. Nachdem Sertorius im Jahre 83 v. Chr. neue Truppen in Etrurien ausgehoben hatte, schoben die leitenden Manner den unbequemen Untergebenen nach Spanien ab, indem sie ihm die Provinz Hispania citerior unterstellten. Offensichtlich hat sich Sertorius keine Illusionen daruber gemacht, daB die Sache der alten Anhanger Cinnas in ltalien nicht gerade zum Besten stand und daB deshalb auch ihm selbst sehr rasch der Boden unter den FuBen weggezogen werden konnte. So ist es wohl zu erklaren, daB Sertorius so fort mit allen Mitteln die Bevolkerung seiner Provinz fur sich zu gewinnen suchte, daB er Steuern und andere Belastungen erlieB und sich ganz bewuBt groBzugig, entgegenkommend und leutselig gab. Es steht jedenfalls fest, daB er jetzt und auch spater zu den Bewohnern der Pyrenaenhalbinsel die denkbar besten Kontakte hatte und daB er den richtigen Ton traf, urn die Keltiberer und Lusitaner fur sich zu begeistern. Doch Sertorius' Lage wurde rasch kritisch, als er von Sulla geachtet wurde und als schon 81 v. Chr. der von Sulla eingesetzte Statthalter C. Annius erschien, ein Mann, der den Auftrag hatte, die Pyrenaenhalbin-
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sel von den Anhangern des Marius und Cinna zu saubern. Fiir Sertorius kam das einem T odesurteil gleich, und man wird es ihm wohl nicht verdenken konnen, da£ er jetzt nicht einfach widerstandslos kapitulierte, sondern den Kampf fortsetzte und sich seine Bundesgenossen dort suchte, wo sie zu finden waren. Es ist jedenfalls einigerma£en inkonsequent, Sertorius einen Vorwurf daraus zu machen, da£ er jetzt Verbindungen zu den kilikischen Seeraubern aufnahm, denn schlie£lich hatte ja auch Sulla keinen Augenblick gezogert, den Krieg gegen Mithradates VI. mit einem Kompromi£ zu been den und sein Kriegspotential fiir den Biirgerkrieg durch die von Mithradates gewonnenen Mittel zu verstarken. Am Krafteverhaltnis in Spanien anderte sich jedoch damit nichts. Sertorius wurde nicht nur aus seiner Provinz, sondern bald auch aus der Pyrenaenhalbinsel vertrieben, er soli einen Augenblick geplant haben, von der Baetismiindung aus zu den Inseln der Seligen zu segeln, das hei£t entweder nach Madeira oder auf die Kanarischen Inseln zu fliichten. Doch gelangte dieser Plan nicht zur Ausfiihrung, sondern Sertorius betatigte sich fiir kurze Zeit als ziemlich selbstandiger Soldnerfiihrer in Mauretanien. Da brachte das Jahr 80 v. Chr. die gro£e Wendung. Damals erschienen Gesandte lusitanischer Stamme bei Sertorius, die ihn einluden, die Leitung ihres Aufstandes gegen Rom zu iibernehmen. Sertorius akzeptierte das Angebot, er landete noch im gleichen J ahr in Gades und pflanzte damit die Fahne der Erhebung gegen die sullanische Verwaltung der Pyrenaenhalbinsel auf. Hinter ihn stellten sich sowohl die spanischen Stamme als auch die Marianer, somit zwei sehr verschiedenartige Kraftegruppen, doch konnte Sertorius auf keine von ihnen verzichten, wenn er seine Sache zum Erfolg fiihren wollte. In dieser Kraftekonstellation liegt es begriindet, da£ Sertorius sowohl auf romische als auch auf einheimische Belange Riicksicht nehmen mu£te, liegt es begriindet, da£ seine Machtstellung ein eigenartiges romisch-iberisches Geprage erhie!t, das Sertorius vielerlei Mi£deutungen aussetzen mu£te. Denn die Lusitaner und Ke!tiberer, die an den innerromischen Auseinandersetzungen selbstverstandlich iiberhaupt nicht interessiert waren und die in Sertorius in erster Linie einen hervorragenden militarischen Fachmann berufen hatten, der ihren Freiheitskampf zum Erfolg fiihren so lite, wollten sich von Sertorius keine andere Form romischer Herrschaft aufzwangen lassen. Andererseits aber war Serto-
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rius in den Augen der Sullaner ein Hochverrater, der spanische Starnrne gegen Rom rnobilisierte, und selbst in der Sicht rnancher seiner alten Anhanger liefs er sich vie! zu weit mit den Lusitanern und Iberern ein. Zuerst stand und fie! seine Sache freilich mit rnilitarischen Erfolgen, und solche gluckten Sertorius der Reihe nach. Mehrere sullanische Statthalter und Befehlshaber, selbst der fahige Q. Caecilius Metellus, wurden geschlagen, Sertorius konnte seinen Machtbereich irnrner weiter ausdehnen, 77 v. Chr. wurden bereits weite Teile der Landschaften am Ebro von ihrn beherrscht. Urn diese Zeit hatte Sertorius zudern seinen Machtbereich weitgehend organisiert. Er schuf sich einen eigenen Senat von rund 300 Mitgliedern, der nur aus Rom ern hestand, das heifh in erster Linie aus den person lichen Vertrauten und F reunden des Sertorius, die ihren neuen Rang sornit seiner Gunst verdankten. Aus deren Reihen ernannte er dann auch Magistrate, Quastoren und Pratoren. Der Senat des Sertorius stand so seinern Wesen nach dern fruher erwahnten Gegensenat des Sulpicius Rufus weit naher als der rornischen Korperschaft, denn Angehorige des regularen rornischen Senatorenstandes waren in ihrn naturgernaB nur in verschwindend geringer Anzahl vertreten. Von den ubrigen organisatorischen MaBnahrnen, die Sertorius darnals traf, ist irnrner wieder seine Einrichtung einer Schule fur junge iberische Adlige in Osca am FuB der Pyrenaen, wo sich auch die Residenz des Sertorius befand, diskutiert worden. Nach Plutarch sollten dort Knaben und junge Manner aus den fuhrenden Farnilien der iberischen Starnrne in rornischer und griechischer Wissenschaft ausgebildet underzogen werden. Man hat diese Einrichtung als Akadernie bezeichnet und als weitsichtige kulturpolitische Tat gefeiert. Wahrscheinlich ist sowohl den Zoglingen als auch ihren Eltern in Aussicht gestel!t worden, daB die Jungen spater in fuhrenden Stellungen Verwendung fin den wurden. Fur Sertorius spielte bei der Einrichtung der Schule dagegen sicher auch der Gedanke eine Rolle, daB ihrn die Grundung einer solchen Anstalt Geiseln in die Hand geben wurde, die fur ihn zugleich eine erwunschte Sicherung gegen den irnrner zu befurchtenden Abfall spanischer Starnrne darstel!ten. Das idyllische Bild der Adelsschule von Osca verliert jedoch seinen padagogischen Glanz vollig, wenn man bedenkt, daB Sertorius die iberischen Zoglinge zuletzt brutal niederrnetzeln lieB, als seine Herrschaft ins W anken geriet. 77 v. Chr. lag das jedoch noch in der Ferne, und auch Pornpeius' Ein-
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treffen auf der Pyrenaenhalbinsel im Fruhjahr 76 v. Chr. anderte an der Gesamtlage zunachst nur sehr wenig. Pompeius gelangen lediglich einige klein ere Erfolge, wahrend seine erste gri.iBere Offensive gegen Lauro, im Norden von Carthago Nova, vi.illig scheiterte. In den Jahren 76 und 75 v. Chr. erzie!te dann Metellus und nicht Pompeius die bedeutsamen militarischen Erfolge gegen die Anhanger des Sertorius. Urn diese Zeit wares Sertorius klargeworden, daB sich die Kampfe ihrer Krise naherten; er lieB sich deshalb im Winter 76/75 v. Chr. auf Verhandlungen mit Mithradates von Pontos ein, die offensicht!ich zwar zu einem AbschluB kamen, freilich nicht mehr effektiv wurden. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daB die propagandistische Bedeutung dieses Bundnisses gri.iBer war als die faktischen Auswirkungen. Mi.iglicherweise gewann Sertorius dadurch auch bei den kilikischen Seeraubern weiterhin an Ansehen, nur darf man nicht vergessen, daB er durch eine Koalition mit Mithradates VI. und den Seeraubern gleichzeitig in Italien aile Sympathien verlor. Im Jahre 75 v. Chr. hatten sich nach wiederholten schweren und wechselvollen Kampfen die Korps des Metellus und des Pompeius vereinigt. In der Nahe von Sagunt stieBen sie auf Sertorius, der dort dank der unerschiitterlichen Ha!tung des Metellus eine eindeutige Niederlage erlitt. Doch Sertorius wechse!te daraufhin lediglich Schauplatz und Taktik. Da fur ihn eine Kriegfuhrung im Raume der Ostkiiste und offene Feldschlachten gri:iBeren AusmaBes nicht mehr in Betracht kamen, li.iste er sein geschlagenes Heer auf und organisierte im ke!tiberischen Binnenland, vor allem im weiteren Umkreise von Numantia einen Guerillakrieg, der Metellus und Pompeius schwer zu schaffen machte. Pompeius forderte deshalb vom ri:imischen Senat betrachtliche Verstarkungen und drohte fi.ir den Fall, daB sie nicht gewahrt wi.irden, seinen Abmarsch aus Spanien an. Tatsachlich wurden ihm deshalb im Fri.ihjahr 74 v. Chr. zwei neue Legionen und ansehnliche Geldmittel zur Verfi.igung gestellt, so daB Metellus und Pompeius in diesem Jahre zum systematischen Angriff auf die von Sertorius beherrschten Platze und Festungen im Landesinnern i.ibergehen konnten. Nacheinander wurden die wichtigsten Stadte und Ortschaften besetzt, die Krafte des Sertorius bri.ickelten ab, in seinem eigenen Lager brachen Gegensatze auf, schlieB!ich formierte sich eine von Perperna organisierte Opposition seiner Senatoren. Sertorius wurde 72 v. Chr. von Perperna ermordet.
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Die verzweifelte Situation der Aufstandischen wurde dadurch jedoch nicht verandert, im Gegenteil fand der Verrat Perpernas im Heere keinen Beifall, der eine Teil der Insurgenten lief jetzt auseinander, der andere gehorchte dem neuen Fi.ihrer nur widerwillig. Metellus sah den Kampf gegen die Sertorianer fiir entschieden an und i.iberlieB es Pompeius, den letzten Akt allein zu spielen. Pompeius besiegte Perperna denn auch noch einmal und lieB den Gegner hinrichten, als dieser in seine Hand gefallen war. 71 v. Chr. waren auch die letzten Widerstandsherde, darunter das besonders erbittert, bis zum Kannibalismus verteidigte Calagurris im Norden von Osca, gefallen. Im i.ibrigen zeigte sich Pompei us dann jedoch bei der Reorganisation des Aufstandsgebietes auBerordentlich groBzi.igig. Den ehemaligen aufstandischen Gemeinden wurden in der Regel hohe Kontributionen auferlegt, besonders hartnackige Gegner aber nicht nach dem sonstigen usus, oder nach Sullas Vorbild, erschlagen, sondern lediglich umgesiedelt. So nahm zum Beispiel das damals neuangelegte Lugdunum Convenarum im Norden der Pyrenaen solche unzuverlassigen Elemente auf. Diesen Strafen entsprachen auf der anderen Seite Belohnungen. Durch die lex Gellia-Cornelia des Jahres 72 v. Chr. waren Metellus und Pompeius ermachtigt worden, Provinzialen, die sich urn die romische Sache besondere Verdienste erworben hatten, nach Zustimmung des Kriegsrates das romische Bi.irgerrecht zu verleihen. Auf diese Weise erhielt zum Beispiel der Vater des Historikers Pompeius Trogus sein romisches Bi.irgerrecht, aber auch der aus Gades stammende L. Cornelius Balbus, der dann unter Caesar zu einer wichtigen Personlichkeit werden sollte und schlieBlich im Jahre 40 v. Chr. als erster Provinziale das Konsulat erreichte. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen, mit denen sich Pompeius in Spanien eine starke Klientel schuf. Es ist alles andere als Zufall, daB Caesar spater gerade in Spanien am langsten gegen die Anhanger des Pompeius zu kampfen hatte, denn noch dessen Sohne haben dort von dem Ansehen ihres Vaters profi tiert, das dieser sich durch seine Neuordnung des Landes nach dem AbschluB des Sertoriuskrieges errungen hatte. Schon in Spanien zeigten sich sowohl die Grenzen der militarischen Begabung des Pompeius als auch seine gelegentlich geradezu theatralisch anmutende Art, die personlichen Erfolge zu stilisieren. Denn es steht wohl auBer Frage, daB von den heiden romischen Feldherren Me-
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tellus die ungleich glanzendere Rolle spielte. Nach seinen anfanglichen Niederlagen und insbesondere nach der Schlacht von Sagunt hat Pompeius das auch ausdrucklich anerkannt; nach dem Treffen von Sagunt, in dem sein Flugel besiegt worden war, wollte er sich Metellus in aller Form unterordnen. Aber bei der Neuregelung der Provinzialverfassung war Pompeius in seinem Element wie spater auch im hellenistischen Osten, und als er im Jahre 71 v. Chr. Spanien wieder verlie£, da waren aile Ruckschlage vergessen und kein Mittel zu schlecht, urn den Ruhm des jungen Mannes zu propagieren. Auf dem Col Perthus, dem unweit der Kuste gelegenen Pyrenaenpa£, lie£ Pompeius ein imposantes Siegesdenkmal errichten, dessen Inschrift besagte, daB Pompeius in dem Raum zwischen den Alpen und der au£ersten Grenze der Provinz Hispania ulterior nicht weniger als 876 Stadte unterworfen hatte. Die Gestalt des Sertorius hat die modern en Historiker immer wieder fasziniert. Niebuhr bezeichnete ihn als ,einen der fleckenlosesten Charaktere der damaligen Zeit", fur Mommsen war Sertorius ,einer der gro£ten, wo nicht der gro£te Mann, den Rom bisher hervorgebracht, ein Mann, der unter glucklicheren Umstanden vielleicht der Regenerator seines Vaterlandes geworden sein wurde". Demgegenuber brandmarkte H. Berve Sertorius als Hochverrater. Aus der Sicht der Partei Cinnas, die Sulla vollig legal geachtet hatte, konnte jedoch auch Sertorius Legalitat fur sich in Anspruch nehmen. Die Institutionalisierung der konkreten Burgerkriegssituation in einem iberisch-romischen ,Sertorius-Reich", eine Konzeption, die A. Schulten nachzuweisen suchte, konnte hingegen nicht gelingen. Wie bereits Ranke betonte, lie£en sich auf die Dauer die vollig divergierenden Interessen der romischen Anhanger des Sertorius nicht mit jenen der ke!tiberischen Bevolkerung zur Deckung bringen. Wieder 1. Mithradatische Krieg so zeigte auch der Sertoriusaufstand, welche Dimensionen Burgerkriege innerhalb des Imperiums dann annehmen muBten, wenn das jetzt bereitstehende Potential des romischen Machtbereiches konsequent und rucksichtslos im Interesse einer Partei mobilisiert wurde. Die kompromi£lose Radikalisierung eines Parteistandpunktes konnte kunftig dazu fuhren, daB die Unterworfenen und Beherrschten, die ,Foreign Clientelae" und selbst die Gegner Roms gegen die Stadt Rom und gegen Italien eingesetzt wurden. Die Kon-
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stellation des Sertoriusaufstandes sollte im Prinzip unter Caesar und Antonius wiederkehren, die immer starker werdenden Verflechtungen zwischen den innerri::imischen Gegensatzen und den Kraften und Machtmitteln des ganzen Reiches liegen sich nicht mehr aufli::isen. Andererseits darf auch nicht ubersehen werden, dag die sullanische Partei Sertorius nur mit Hilfe eines Pompeius niederwerfen konnte und daB sie damit schon in diesem Kampf ihr eigenes System selbst aufgegeben hatte.
Die Seerauberfrage Von den Ereignissen der 70er Jahre stellt der Sertoriuskrieg wohl den Vorgang dar, der die Zeitgenossen am srarksten beschaftigt hat, aber er war fur den ri::imischen Senat nur eines der vie len augenpolitischen Probleme, mit denen er sich damals auseinanderzusetzen hatte. Wahrend sich der Kampf gegen Sertorius seinem Hi::ihepunkt naherte, in den Jahren 78-74 v. Chr., war die Provinz Makedonien wiederholt den £infallen benachbarter thrakischer Stamme ausgesetzt gewesen, und erst der Bruder des Lucullus, M. Terentius Varro, konnte schlieB!ich in einem Gegenangriff zur unteren Don au vorstogen, die Stamme der Besser und Dardaner unterwerfen und auch an der W estkuste des Schwarzen Meeres vorfuhlen. Die weitraumigste Gefahr aber stellten nach wie vor die Seerauber dar. Es wurde bereits erwahnt, daB schon 102/101 v. Chr. unter dem Kommando des Prators M. Antonius ein erster Versuch unternommen worden war, unter Mobilisierung auch der Flotten der verbundeten Ki::inigreiche und Stadte des hellenistischen Ostens die Seerauber auszurauchern, doch war jener Versuch gescheitert. In den J ahren des Mithradatischen Krieges und in der Zeit darnach hatten die Seerauber ihren Radius immer weiter ausgedehnt; sie beherrschten bald nicht nur die Sudkuste und Teile der Westkuste Kleinasiens, sondern dazuhin auch die syrische Kuste; Kreta war ein ausgesprochener Stutzpunkt fur die Kaperfahrten der verschiedenen Seerauberflottillen, die in den 70er J ahren aber !angst auch schon an der ligurischen, nordafrikanischen und italischen Kuste aufgetaucht waren. Aile ri::imischen Gegenaktionen hatten zunachst nur regional begrenzte Erfolge zu buchen. So gelang es beispielsweise P. Servilius in den J ahren 78-76 v. Chr. von einer Basis in Pamphylien aus einen Sau-
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berungsfeldzug in dem benachbarten Isaurien erfolgreich durchzufiihren und eine ganze Reihe der im Gebirge nur schwer zuganglichen Schlupfwinkel der Seerauber auszuheben. Es gelang ihm damit auch, die romische Provinz Kilikien zu vergroBern, aber die Seerauber wurden dadurch kaum beeindruckt. 75 v. Chr. fie! der junge Caesar auf einer Reise nach Rhodos voriibergehend in ihre Hand, sie fingen zwei romische Propratoren mit ihren ganzen Staben ab, tauchten unbekiimmert in Ostia auf und nahmen schlieB!ich auch noch die Tochter des M. Antonius in deren Villa bei Misenum gefangen. Im Jahre 74 v. Chr. beauftragte der Senat schlieB!ich den Sohn des Befehlshabers von 101 v. Chr., den Prator M. Antonius, den Vater des spateren Triumvirn und letzten Gegners Octavians, mit einer neuen systematischen Offensive gegen die Piraten und stattete ihn dazu mit einem besonderen, umfassenden Imperium aus. Der Befehlsgewalt des Antonius wurde jetzt der gesamte Kiistensaum des Mittelmeeres in einer Tiefe von 75 km unterstellt, dabei so lite Antonius diesel ben Befehlsbefugnisse erhalten wie die iiblicherweise dort kommandierenden Prokonsuln. Doch die davon betroffenen Kiistenbewohner verspiirten zunachst nur neue Belastungen, denn Antonius betrieb wohl ziemlich riicksichtslose Riistungen, wurde aber der Seerauber dennoch nicht Herr. Seine Operationen an der spanischen und ligurischen Kiiste zeitigten wiederum nur begrenzte Ergebnisse, vor Kreta wurde Antonius in einer Seeschlacht besiegt, und als er 71 v. Chr. starb, waren nennenswerte Fortschritte nicht erzie!t worden. Der neue Anlauf in den Kampfen gegen die Seerauber wurde dann jedoch auch noch von anderen administrativen Veranderungen begleitet. Schon im Jahre 96 v. Chr. war die Cyrenaika nach dem To de des letzten Herrschers an Rom gefallen, doch hatte Rom iiber zwanzig Jahre lang praktisch alles beim alten gelassen, das aber hieB, daB die griechischen Stadte ihre Selbstverwaltung behielten. Jetzt erst, im Zusammenhang mit der Offensive gegen die Seerauber im Jahre 74 v. Chr., bequemte man sich in Rom dazu, in der Cyrenaika die Provinzialverwaltung einzurichten, wei! man nur auf diese Weise ein Festsetzen der Seerauber an diesem Teil der nordafrikanischen Kiiste verhindern konnte. Gleichzeitig wurden auch in Kleinasien drohende Gefahren erkennbar. Dort hatte schon ein Jahr nach dem Ende des ersten Mithradatischen Krieges der romische Statthalter von Asia, Murena, neue Kampfe
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mit Mithradates VI. ausgelost, den sogenannten 2. Mithradatischen Krieg der Jahre 83-81 v. Chr., der durch Sullas Intervention zwar auf der Basis des Friedens von Dardanos wieder abgebrochen wurde, Mithradates aber erneut provoziert und gereizt hatte. Es war ganz unvermeidlich, daB der Machtbereich des pontischen Konigs wahrend und nach dem Bi.irgerkriege zum Zufluchtsort der Gegner Sullas wurde, die dem Konig Roms Schwache in den dunkelsten Farben malten und Mithradates zu einem neuen Waffengang mit Rom ermutigten. Das Zusammenwirken mit den kilikischen Seeraubern und der Vertrag mit Sertorius sind in jener Atmosphare entstanden. Mithradates begann jedenfalls erneut mit betrachtlichen, auf lange Sicht betriebenen Ri.istungen, und wenn auch sein Projekt einer groBen Allianz mit Sertorius schlieBlich gescheitert war, so wurde dies doch durch die Machterweiterung seines Schwiegersohnes, des armenischen Konigs Tigranes, mehr als kompensiert. Denn schon 83 v. Chr. hatte Tigranes die Reste der seleukidischen Territorien in Syrien und Kilikien annektiert, 77 v. Chr. gri.indete er dann auch in dem si.idlich des W ansees gelegenen Tigranokerta eine neue Residenz, die der Mittelpunkt eines armenischen Gro£reiches werden sollte, das den Parthern ihren Vorrang streitig machte. Die Lage in Kleinasien anderte sich indessen schlagartig, als im Jahre 74 v. Chr. der bithynische Konig Nikomedes IV. starb und Rom ahnlich wie im Faile des pergamenischen Reiches sich auf das Testament des Konigs berief und Anstalten machte, Bithynien in romische Verwa!tung zu i.iberfi.ihren. Mithradates nahm eine solche Veranderung des Krafteverha!tnisses in Kleinasien nicht hin und fie! unter dem Vorwand, fi.ir den i.ibergangenen Sohn Nikomedes' IV. zu kampfen, in Bithynien ein. Gleichzeitig lieB er seine Truppen jedoch auch in Kappadokien und in der romischcn Provinz Asia einmarschieren, wofi.ir ihm ein Vertreter des Sertorius propagandistische Handlangerdienste leistete. So war auf breiter Front der 3. Mithradatische Krieg eroffnet. In Rom wurden die Gefahren der neuen Aggression des pontischen Herrschers diesmal nicht unterschatzt, sondern die beiden Konsuln des Jahres 74 v. Chr. mit der Leitung der Gegenma£nahmen beauftragt. Wahrend M. Aurelius Cotta die neu einzurichtende Provinz Bithynien i.ibertragen wurde, erhie!t sein Amtskollege L. Licinius Lucullus, der sich einst schon als Quastor Sullas in Kleinasien ausgezeichnet hatte, die Provinzen Asia und Kilikien zugewiesen. Auf den Verlauf des 3. Mithradatischen Krie-
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ges ist spater naher einzugehen, zunachst mug hier die Entwicklung in Rom und ltalien wahrend der siebziger Jahre besprochen werden. Es wurde oben gezeigt, dag es der Senatsaristokratie gelungen war, mit dem Umsturzversuch des Lepidus ebenso fertigzuwerden wie mit der Erhebung des Sertorius. Doch auch an anderen Stellen wurden in jenen Jahren Hebel angesetzt, urn das Gefuge der sullanischen Restauration wieder aus den Angeln zu heben. So versuchte schon im Jahre 76 v. Chr. der Volkstribun Cn. Sicinius dem Volkstribunat wieder seine alten Kompetenzen und damit seinen alten Rang zuriickzugeben, und wenn er mit seiner Initiative auch furs erste scheiterte, so blieb dieses Them a doch im Gesprach. Auch vor der sullanischen Ordnung der Gerichtshi.ife, die in der Praxis durch eine Reihe von provozierenden Fehlurteilen korrumpiert worden war, machte die offentliche Kritik nicht halt, und es war deshalb nur den vielfaltigen augenpolitischen Aufgaben jener Jahre zuzuschreiben, wenn der prinzipielle Kampf gegen Sullas Restauration nicht schon weit fruher gri.igere Ausmage annahm. Offensichtlich kames zu allem hin im Jahre 73 v. Chr. in Roin durch die Auswirkungen des 3. Mithradatischen Krieges und die Aktivitat der Seerauber zu ernsten Versorgungsschwierigkeiten, die die heiden Konsuln zwangen, ein neues Getreidegesetz vorzulegen, die lex Terentia Cassia frumentaria, die eine monatliche Verteilung von 5 Modii = l0 1/2l Getreide zu dem schon von C. Gracchus festgelegten Preis von 6 1 /3 As sen an etwa 40 000 ri.imische Burger garantieren sollte. Wahrend damit durch staatlichen Eingriff eine ernste Versorgungskrise und mi.iglicherweise auch Unruhen unter der stadtri.imischen Bevi.ilkerung verhindert wurden, sah sich die Ri.imische Republik in ltalien selbst durch eine andere Gefahr bedroht.
Der Spartacusaufstand Der groge Sklavenaufstand, der Spartacusaufstand, der im Jahre 73 v. Chr. begann und der bald zum gri.igten und gefahrlichsten Sklavenaufstand anwuchs, den Rom je zu bewaltigen hatte, unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den bisher besprochenen Sklavenkriegen in Sizilien und Kleinasien. Denn dieser Aufstand ging nicht von breiten, unterdruckten Massen aus, sondern von einer begrenzten Zahl von Spe-
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zialisten. Da die romische Bi.irgerschaft ungefahr seit dem Jahre 105 v. Chr. groBe offentliche Gladiatorenspiele erwartete, in denen Gladiatoren in den verschiedenartigsten Bewaffnungen, zum Teil auch mit Dreizack und Netz oder nur mit Dolchen ausgeri.istet, miteinander urn ihr Leben kampften, waren bald Gladiatorenschulen entstanden, in denen die Sklaven in einer umfassenden Weise zu hochqualifizierten Meistern der einzelnen Kampfarten ausgebildet wurden. In einer dieser Gladiatorenschulen in Capua wares im Jahre 73 v. Chr. zu einer Sklavenverschworung gekommen, die entdeckt wurde, aber dazu fi.ihrte, daB etwa 70 Sklaven ausbrachen und sich am Vesuv festsetzten. Von dort aus unternahmen diese kapuanischen Fechter Pli.inderungszi.ige in die benachbarten reichen Landstriche Campaniens, nach und nach wuchs ihre Zahl betrachtlich an. An ihrer Spitze stand der aus Thrakien stammende Spartacus, der einst cine Zeitlang im romischen Heer gedient hatte, dann desertiert war und nach seiner Ergreifung und Versklavung zuletzt als Fechtlehrer in Capua wirkte. Der Kerngruppe der aufstandischen Sklaven gehorten sodann cine ganze Reihe von Kelten und Germanen an, ehemalige Kriegsgefangene, die wie Spartacus selbst i.iber auBergewohnliche militarische Qualitaten verfi.igten. Als Fi.ihrer der Erhebung werden neben Spartacus auch noch die heiden Gallier Krixos und Oinomaos genannt, die zum Teil eine ziemlich selbstandige Rolle spielten. Denn es gehort weiter zu den besonderen Kennzeichen einer Erhebung, daB sie in Spartacus wohl einen hochqualifizierten Anfi.ihrer besaB, dennoch aber nicht straff durchorganisiert war. Zu einem bedingungslosen Gehorsam haben sich jene Sklaven nicht verstehen konnen, sondern Spartacus auch in wichtigen strategischen Entscheidungen ihren Willen aufgezwungen, obwohl dieser ganz erstaunliche militarische Erfolge errang. Da sich die Sklavenkompanie auf dem Vesuv halten konnte, liefen ihr bald von weit und breit die Unzufriedenen jeden Standes zu, nicht nur Sklaven, sondern auch einzelne verarmte freie Bauern und Landarbeiter, selbstverstandlich aber auch Gesindel und Strauchdiebe, die in erster Linie am Pli.indern und Beutemachen interessiert waren und sich von Spartacus deshalb angezogen fi.ihlten, wei! er stets fi.ir eine gerechte Verteilung der Beute sorgte. Die genaue Relation der einzelnen Gruppen laBt sich nicht ermitteln. Jedenfalls wurden die Scharen des Spartacus je Ianger desto bunter. An einem waren sie freilich allesamt nie
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interessiert, an einer systematischen Neuordnung der romischen Gesellschaft. Andererseits ware es falsch, in der Anhangerschaft des Spartacus lediglich eine groge Rauberbande zu sehen. Eine solche Kriminalisierung verkehrt Ursachen und Folgen der riicksichtslosen Sklavenausbeutung in ltalien. Ware die Lage der italischen Sklaven in jenen Jahren wirklich so idyllisch gewesen, wie es die Beschoniger der Institution wahrhaben wollen, so ware der Zustrom, den Spartacus fand, vollig unbegreiflich. Denn jedem Sklaven, der sich Spartacus anschlog, war klar, dag er sein Leben verwirkt hatte, wenn er wieder in romische Hand fie!. Diese Tatsache erklart mit den Fanatismus der folgenden Kampfe. Das ganze Unternehmen hatte als lokal eng begrenzte Erhebung begonnen. Da jedoch keine ausreichenden Polizeikrafte zur Verfiigung Standen und anfangs mit ganz unzureichenden Truppenkontingenten gegen die Sklaven vorgegangen wurde, konnten sich die Aufstandischen behaupten, ihre Bewaffnung erganzen und ihre Kampfkraft immer weiter erhohen. Ein Proprator, der mit immerhin schon 3000 Mann versuchte, die Sklaven auf dem Vesuv einzuschlieBen, wurde nach einem iiberraschenden Durchbruch geschlagen. Die Verbande der Aufstandischen zogen darnach pliindernd durch ganz Kampanien und Lucanien und zersprengten alles, was sich ihnen in den Weg stellte; auch die Armee des Prators P. Varinius wurde von ihnen vollig aufgerieben. Angeblich soli die Zahl der Aufstandischen damals bis auf 70000 Mann angewachsen sein. In Rom beauftragte man daraufhin die beiden Konsuln des J ahres 72 v. Chr., mit je 2 Legionen gegen die Sklaven vorzugehen, doch gliickte zunachst nur ein Teilerfolg, als eine grogere Sklavenabteilung unter Fiihrung des Krixos in Apulien am Monte Gargano vernichtet wurde. Spartacus zog dagegen mit dem Gros seiner Anhanger durch Samnium und Picenum nach Norden, wo er in der Nahe von Mutina auch noch den Statthalter des cisalpinen Gallien, der ihn hier erwartete, schlagen konnte. Wenn es den Aufstandischen nur darum gegangen ware, sich gemeinsam ihre Freiheit zu erkampfen, so stan den ihnen jetzt nach dem Sieg bei Mutina die Wege nach Gallien, Germanien oder Thrakien offen. Vermutlich hat Spartacus selbst auch tatsachlich dieses Ziel verfolgt, wurde aber von der Mehrheit seiner Anhanger damals gezwungen, sie wieder
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nach Mittel- und Si.iditalien zuri.ickzufi.ihren. Begreiflicherweise fiihlten sich die Sklaven nach dieser Serie von Siegen jetzt als Herren der Lage; sie dachten nur an das Heute, wollten auch die Fri.ichte ihrer Siege geniegen, das aber hieg weiter pli.indern und rauben. Wellen der Furcht und des Schreckens gingen dem erneuten Anmarsch der Sklavenscharen voraus. Der Senat beschlog, die Abwehr dem fahigsten Mann zu i.ibertragen, der gerade zur Stelle war, dem Prator M. Licinius Crassus, der sich zuletzt unter Sulla ausgezeichnet hatte. Crassus zog schlieglich auch ein Heer von 6-8 Legion en zusammen, das heigt ein Heer derselben Grogenordnung wie jenes, mit dem spater Caesar Gallien unterwarf. Aber dieses Heer war zunachst erst einmal zu disziplinieren, bis es zu einem zuverlassigen Instrument im Kampf gegen die Sklaven werden konnte, so panischen Schrecken hatten die Exgladiatoren und deren Schuler den Rom ern inzwischen eingejagt. Da fiir Spartacus ein An griff auf Rom ebensowenig in Betracht kam wie einst fiir Hannibal, zog er erneut weit im Osten an Rom vorbei nach Si.iditalien, wo er den Obergang nach Sizilien zu erzwingen suchte. Moglicherweise waren dazu Verbindungen mit den Seeraubern aufgenommen worden; aber fiir eine Evakuierung der Zehntausende reichte der tatsachlich zur Verfi.igung stehende Schiffsraum nicht aus, und die Versuche der Sklaven, auf Flog en die Strage von Messina zu passieren, waren zum Scheitern verurtei!t. Fi.ir Crassus aber war jetzt die Gelegenheit gi.instiger denn je, den Aufstand einzudammen und ihn in Bruttium ausbrennen zu lassen. Durch eine ausgedehnte Befestigungsanlage zwischen dem Ionischen und Tyrrhenischen Meer schlog er die Sklaven im Gebiet des Silawaldes ein, wahrend auf Sizilien der Statthalter Verres die Ki.iste befestigen lieg, urn eine Landung zu verhindern. Doch noch im Winter 72/71 v. Chr. durchbrach Spartacus die bruttischen Befestigungslinien und stieg nun in der Rich tung auf Brundisium vor, wahrscheinlich, urn von dort aus nach Griechenland zu entkommen. Crassus ersuchte daraufhin den romischen Senat, erstens den aus Makedonien gerade zuri.ickkehrenden Statthalter M. Terentius Lucullus von Brundisium aus zum Eingreifen gegen die Sklaven zu veranlassen, zweitens aber auch Pompeius, der sich mit seinem Heer auf dem Ri.ickmarsch aus Spanien befand, von Oberitalien aus diejenigen Sklavengruppen angreifen zu lassen, die sich nach Norden durchschlagen wi.irden. Unter der konzentrischen Offensive dieser drei romischen Be-
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fehlshaber wurden endlich die Verbande des Spartacus aufgerieben, nachdem schon vorher einzelne Abteilungen, die sich selbsrandig gemacht hatten, von Crassus vernichtet worden waren. In einem letzten grogeren Gefecht in Apulien fand schlie£lich auch Spartacus selbst kampfend den Tod. Dann begann die Jagd auf die Versprengten und eine unbarmherzige Strafaktion, in deren Verlauf Crassus an die 6000 Gefangene langs der Via Appia kreuzigen lieg. Pompeius kam gerade noch rechtzeitig, urn in Oberitalien eine durchgebrochene Schar von 5000 Mann aufzufangen und zu vernichten. Er zogerte auch nicht, sich selbst den endgiiltigen Abschlug des Sklavenkrieges zuzuschreiben. Schon das Altertum hat dem ehemaligen Fechtmeister Spartacus die Bewunderung nicht versagt, einem Manne, dem es immerhin gelungen war, einen voilig improvisierten Gladiatorenausbruch zu einer Bewegung anwachsen zu lassen, die eine Weltmacht zur augersten Anspannung ihrer Krafte zwang. Innerhalb der Geschichtsauffassung des historischen Materialism us wares naheliegend, aus einigen Formulierungen bei Appian, in denen von der Beteiligung von Freien am Aufstand des Spartacus die Rede ist, auf eine Art von Kampfbiindnis der Sklaven und der armen Bauern gegen die Sklavenhalter zu schliegen. Doch von einer solchen unzulassigen Vereinfachung ist die neuere sowjetrussische Forschung, vor ailem S. L. Uttschenko, !angst abgeriickt. W endet man moderne Kategorien an, so gab es unter den Anhangern des Spartacus einen wohl unreflektierten, handfesten Kriegskommunismus, der keiner besonderen ideologischen Begriindung bedarf. Soweir erkennbar ist, fehlten der Bewegung nicht nur aile Theorien, sondern eben auch ein klares, fur aile in gleicher Weise bindendes Ziel. Wie der tschechische Althistoriker P. Oliva zu Recht betonte, konnten die Sklaven weder ein Revolutionsprogramm aufsteilen noch an eine durchgehende Veranderung der Produktionsverhaltnisse denken. In letzter Konsequenz blieb ihnen nur der Ausbruch aus dem romischen Machtbereich. Vom Result at her gesehen rachte es sich, dag Spartacus keine monarchische Steilung beansprucht hatte wie Aristonikos, Eunus oder Tryphon. Es ist nicht ohne innere Konsequenz, daB die Riickschlage der Erhebung in dem Augenblick begannen, als ihre Einheit zerbrach, und daB die Niederlage und das Scheitern unvermeidlich wurden, als Spartacus vor Mutina nachgab und sich auf neue Pliinderungsziige einlieB.
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Sehr niichtern sind auch die unmittelbaren Folgen des Spartacusaufstandes einzuschatzen. Es ist zu sehr vereinfacht, wenn man in ihm gleichsam die Initialziindung zur Entwicklung des Kolonats, der auf Pacht beruhenden neuen Form der Abhangigkeit personalrechtlich jedoch freier Arbeiter erblickt, obwohl die bereits vorhandenen Tendenzen in dieser Richtung verstarkt wurden. Dagegen nahm die Rationalisierung und Effektivierung der Villenwirtschaften zu. Die eingesetzten Sklavengruppen wurden fortan bewuBt klein gehalten, einheitliche nationale Zellen aufgelost, die Solidarisierung auf jede nur denkbare Weise erschwert. Auch in politischer Hinsicht diirfen die Folgen dieses Aufstandes nicht iiberschatzt werden. Es kann keine Rede davon sein, daB die romische Fiihrungsschicht jetzt bereit gewesen ware, ihre eigene politische Macht zugunsten einer Militardiktatur selbst zu beschneiden. Die Wirren der folgenden Jahrzehnte sind vielmehr gerade darauf zuriickzufiihren, daB sie das nicht tat und auch nicht daran dachte, zugunsten eines Militardiktators abzudanken. Dazu muBte sie erst mit Gewalt gezwungen werden. Unbestreitbar ist indessen die Tatsache, daB das Schicksal des Spartacus, nach K. Marx des ,famosesten Kerls, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat", zu einem Fanal und mit zum wichtigsten Element der revolutionaren Tradition in der Neuzeit geworden ist. Schon am Vorabend der Franzosischen Revolution war er der Held von oftgespielten Tragodien, Lessing wandte sich dem Them a ebenso zu wie Grillparzer, Hebbel und viele andere. Die Statuen von Foyatier und Barrias in Paris, der Operntext von Arnold Ruge, die Thematik von Balletten und ,Spartakiaden", die programmatische Obernahme des N amens durch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg fur ihre Gruppe im Jahre 1915 wie durch die marxistische Studentenbewegung markieren die wichtigsten Stationen einer Wirkungsgeschichte, die wahl keineswegs abgeschlossen ist. In die Freude iiber das Ende der Erhebungen des Sertorius und Spartacus mischte sich in Rom die Besorgnis iiber die zukiinftigen Plane des Pompei us, der sein Heer weiterhin zusammenhielt, angeblich nur deshalb, wei! er mit ihm wieder einmal einen Triumph feiern wollte. Der siegreiche junge Feldherr gab sich indessen ziemlich bescheiden, denn er suchte in aller Form darum nach, ihn ausnahmsweise von den Verordnungen Sullas iiber die Amterlaufbahn zu befreien und ihm schon jetzt
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eine Bewerbung urn das Konsulat fiir das Jahr 70 v. Chr. zu gestatten. Die Befreiung war deshalb notwendig, wei! Pompei us weder das erforderliche Mindestalter aufwies, noch die iibrigen Sprossen der magistratischen Stufenleiter je betreten hatte. Aber dem Inhaber eines prokonsularischen Imperiums konnte man diese Bitte schlieBlich ebensowenig abschlagen wie seine Forderung nach einem Triumph, vor der einst schon Sulla kapituliert hatte. SchlieB!ich standen hinter Pompei us nicht nur dessen Truppen, sondern !angst auch groBe Teile des Volkes, die Pompeius dadurch fi.ir sich gewonnen hatte, daB er versprach, er werde sich fiir die Wiederherstellung des Volkstribunats mit seinen urspri.inglichen Rechten einsetzen. Dank dieser Konstellation wurde Pompeius ohne Schwierigkeit zum Konsul fiir das J ahr 70 v. Chr. gewah!t, mit ihm zusammen Crassus, der sich noch kurz vor der Wahl mit Pompei us arrangiert hatte. Das Konsulat des Pompeius und Crassus hat indessen nicht die tiefgreifenden Veranderungen in der romischen Politik herbeigefiihrt, die groBe Teile der Zeitgenossen erwarteten, aber in die sullanische Ordnung schlugen die beiden ehemaligen Parteiganger Sullas neue breite Breschen. Als erstes machte Pompeius sein Versprechen wahr underneuerte das Volkstribunat in seinen alten Formen. Das zweite groBe innenpolitische Ereignis dieses Jahres war die Wiederbelebung der Censur, die sogleich von den beiden Konsuln des Jahres 72 v. Chr. ausgeiibt wurde und mit einer Sauberung des Senates begann, der nicht weniger als 64 Mitglieder zum Opfer fielen. Daneben wurde die Offentlichkeit durch den groBen ProzeB in Atem geha!ten, den damals Cicero als Sachwa!ter sizilischer Gemeinden gegen den ehemaligen Prator von Sizilien, Gaius Verres, einleitete. Dieser hatte sich in den Jahren 73-71 v. Chr. jede Art von Vergehen zuschulden kommen lassen bis zur zynischen Hinrichtung romischer Bi.irger, die sich iiber ihn beschweren wollten. Verres fiih!te sich anfangs seiner Sache vollig sicher, er besaB zahlreiche Gonner und Freunde, konnte den beriihmten Redner Hortensius als Verteidiger gewinnen und sich auf seine Querverbindungen verlassen. Aber das Tatsachenmaterial, das Cicero nach seinen Recherchen in Sizilien zusammengetragen hatte, war auch fi.ir die Gegenseite so erdriickend, daB Cicero gar nicht mehr dazu kam, seine bereits ausgearbeitete actio secunda vorzutragen; Verres hatte die Flucht ins Exil vorgezogen. Die Verrinen, die Cicero publi-
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zierte, sind deshalb eine zwar einseitige, aber trotz aller Abstriche erni.ichternde Anklage gegen die Exzesse der ri:imischen Provinzialverwaltung. Gleichzeitig aber schuf dieser SkandalprozeB die Atmosphare fi.ir ein neues Richtergesetz, das im Jahre 70 v. Chr. von dem Prator Lucius Aurelius Cotta vorgelegt wurde und das die von Sulla geschaffene Monopolstellung der Senatoren in den Geschworenengerichten wieder beseitigte, indem es ein Gesamtkollegium von 900 Geschworenen schuf, von denen 300 Senatoren, 300 Ritter und 300 Aerartribunen sein sollten, wobei es sich bei diesen Aerartribunen wohl urn Personen handelt, deren Vermi:igen knapp unter dem Mindestsatz der Ritter lag, also etwa 300--400 000 Sesterzen betrug. Die Wechselwirkung zwischen VerresprozeB und dieser lex Aurelia ist evident. Einerseits begi.instigte Ciceros Einleitung des Prozesses mit all ihren Enthi.illungen das Zustandekommen der lex Aurelia, andererseits gab es nach der Verabschiedung der lex Aurelia und nach der Neuzusammensetzung der Gerichtshi:ife fi.ir Verres keine Hoffnung auf Freispruch oder Verschleppung mehr. Der Verlauf des Konsulatsjahres war indessen fi.ir die beiden Konsuln ungeachtet ihrer verwirklichten Plane in mancher Hinsicht enttauschend. Dennin den politischen Alltagsgeschaften harte Pompeius ganz klar versagt, und obwohl er in den kommenden Jahren persi:inlich von der Erneuerung des Volkstribunates am meisten profitieren sollte, ist es doch eine offene Frage, ob er wirklich eine Politik auf lange Sicht betrieben hat. Zu allem hin war die Aktionsgemeinschaft der beiden Konsuln bereits im Jahre 70 v. Chr. zerbrochen, der Konflikt nur notdi.irftig i.iberdeckt worden. Wahrend Crassus mit stan dig wachsendem MiBvergni.igen auf die Erfolge und auf das Prestige des Pompeius sah, obwohl er selbst den ri:imischen Sen at besser zu behandeln wuBte, wartete Pompeius auf neue auBerordentliche Aufgaben. Fi.ir den Mann, der schon bisher von einem auBerordentlichen Kommando zum anderen geschritten war, besaB die regulare Amterlaufbahn keine Anziehungskraft. Soweir war Pompeius' Handlungsweise durchaus konsequent. Denn selbstverstandlich wares mit seiner Sonderstellung und mit seinem Vorrang in dem Augenblick vorbei, in dem er in das Glied der ri:imischen Senatoren zuri.icktrat und sich wie jeder andere Politiker den Normen der Kollegialitat und Annuitat beugen muBte.
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Die auflerordentlichen !mperien des Pompeius Deshalb trat Pompeius auch jetzt, nach seinem Konsulat, keine prokonsularische Statthalterschaft an, wie dies das sullanische Gesetz gefordert hatte, sondern er blieb in Rom und hielt sich bereit, urn im Bedarfsfalle zur Verfugung zu stehen. Dieser trat dann auch nach drei Jahren ein, als einer der Anhanger des Pompeius, der Volkstribun A. Gabinius, dafur pladierte, endlich durch die Schaffung eines neuen Oberkommandos mit auJ;erordendichen Vollmachten die leidige Seerauberfrage zu liquidieren. Denn nach dem Scheitern des M. Antonius waren gegen die Piraten keine weiteren Fortschritte mehr erzielt worden. Diese erholten sich im Gegenteil inzwischen von Verlusten und Ruckschlagen und sollen insgesamt uber rund 1000 Schiffe verfugt haben. Lediglich auf Kreta hatte im Jahre 69 v. Chr. der Konsul Q. Caecilius Metellus mit 3 Legionen eine systematische Sauberungsaktion begonnen, die sich durch Grausamkeit und Terror auszeichnete, dennoch aber erst 67 v. Chr. endete und mit der Annektion der Provinz Kreta ausklang. Das Gesetz uber die Einsetzung eines Feldherrn gegen die Seerauber, das Gabinius im Januar 67 v. Chr. vorschlug, orientierte sich selbstverstandlich an dem 7 Jahre zuvor fur M. Antonius eingerichteten Imperium, obwohl die Kompetenzen des neuen Oberbefehlshabers nahezu in jedem wichtigen Punkt noch weiter gehen sollten. So war als Amtsdauer fur den Inhaber dieses neuen prokonsularen Imperiums ein Zeitraum von 3 J ahren vorgesehen, wozu sogleich zu sagen ist, daJ; dieser Inhaber in dem Gesetz nicht mit seinem Namen genannt wurde, obwohl jedermann wuJ;te, daJ; dieses Imperium ebenso klar und unmiJ;verstandlich auf Pompeius zugeschnitten war wie einst im Jahre 82 v. Chr. die Diktatur auf Sulla. Dem Inhaber des Imperiums sollten Legaten unterstellt sein, die selbst ein pratorisches Imperium innehatten, und auch 2 Quastoren. Wahrend Gabinius zunachst 15 solcher propratorischer Legaten gefordert hatte, setzte Pompeius spater, nachdem das Gesetz angenommen war, eine Erhohung der Zahl his zu 24 durch. Ahnlich entwickelten sich die Dinge bei der Fixierung der ohnehin starken Flotte und Armee, die dem Befehlshaber zugewiesen wu~de. Hier konnte Pompeius schlieJ;lich 500 Schiffe, 120000 Infanteristen und 5000 Kavalleristen komman-
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dieren. AuBerdem wurden ihm Barmittel in Hohe von 36 Millionen Denaren gewahrt und ein unbegrenzter Kredit eroffnet. Es handelte sich hierbei urn das groBte Potential, das Rom bisher jemals einem einzelnen Befehlshaber anvertraut hatte. Der Opposition, die sich im Senat gegen diesen Antrag des Gabinius formierte, war selbstverstandlich klar, daB der Kampf gegen die Seerauber auBerordentliche Mittel und MaBnahmen erforderte. Wenn sich der romische Senat geschlossen - mit Ausnahme Caesars, der seit seiner Quastur im Jahre 69 v. Chr. ebenfalls Senator war und damals erst allmahlich hervorzutreten begann- gegen die lex Gabinia stemmte, so geschah dies in erster Linie aus prinzipiellen Gri.inden. Mannern wie dem Redner Hortensius galt es als ausgemacht, daB nicht alles einem einzigen iibertragen werden diirfe. Sie sahen, daB ein solches Gesetz grundsatzlich die alten Regeln der Kollegialitat und der Annuitat der romischen Magistraturen beseitigen wiirde, nur wuBten auch sie keinen Rat, wie die imperialen Aufgaben Roms mit den herkommlichen Normen der Stadtstaatsverwaltung zu losen seien. Die Person des Pompeius spielte in der ganzen Diskussion nicht einmal die entscheidende Rolle, und wie sich zeigen sollte, war bei Pompeius ein MiBbrauch seiner Machtstellung auch gar nicht zu befi.irchten. Aber da der Senat nur auf seinem Nein beharrte und nie konstruktive Losungen etwa der Art erwog, den Pompeius als eine Art von bevollmachtigten Reichsfeldherrn in die romische Verfassung einzubauen, konnte er sich schon in dieser Frage nicht behaupten. Es kam auch jetzt zu Szenen, die an die Tage der Gracchen erinnerten, und zu Tumulten, in denen sowohl der Gesetzesinitiator Gabinius als auch der Konsul C. Piso in Lebensgefahr gerieten. Auch das alte Spiel, die Volkstribunen gegeneinanderzuhetzen, fand seine Wiederholung. Doch Gabinius ergriff die entsprechenden GegenmaBnahmen und schickte sich an, seinen intercedierenden Kollegen L. Trebellius in derselben Weise, wie es einst Ti. Gracchus mit M. Octavius vorgefi.ihrt hatte, abwahlen zu lassen. Als schon 17 von den 35 Tribus fi.ir die Abrogation des Trebellius gestimmt hatten und des sen Lage somit aussichtslos geworden war, gab Trebellius nach, und unter weiteren Demonstrationen der Massenhysterie wurde die lex Gabinia dann auch angenommen und kurz darauf das Oberkommando, wie vorauszusehen war, an Pompeius i.ibertragen, der wahrend der entscheidenden Vorgange ganz
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im Hintergrund geblieben war. Die ganze Entwicklung verlief indessen so recht nach seinem Sinne, denn zu den Wesenszi.igen des Pompeius gehorte eben, daB er sich immer wieder bitten lieB und daB er das direkte und aktive Engagement in der Tagespolitik vermied. lm Faile der lex Gabinia war alles nach seinen Erwartungen abgelaufen, 5 Jahre spater sollten sich die Grenzen dieser politischen Taktik deutlich erweisen. Fi.ir den Augenblick kannte der Enthusiasmus des romischen Volkes keine Grenzen, das Vertrauen in die Fahigkeiten des Pompeius war so groB, daB der Kornpreis in Rom sofort sank. Pompeius hat dieses Vertrauen auch nicht enttauscht, sondern durch eine sorgfaltig vorbereitete Koordination der Krafte und Mittel, durch ein planmaBiges Zusammenwirken der von ihm ernannten Ki.istenbefehlshaber mit einer starken, offensiv eingesetzten Flotte seinen Auftrag in verhaltnismaBig kurzer Zeit erfi.illt. Nachdem die Ki.istensicherung aufgebaut war, begann die systematische Sauberung der Kiisten im Westteil des Mittelmeeres; Pompei us ging zuerst gegen die Piraten an den sizilischen, nordafrikanischen und sardinischen Kiisten vor, das heiBt in jenen Gewassern, die fur die Versorgung ltaliens am wichtigsten, zugleich aber von der eigentlichen Basis und vom Zentrum der Seerauber in Kilikien am weitesten entfernt waren. lnnerhalb von 40 Tagen konnte Pompeius im westlichen Mittelmeer die Sicherheit der Seefahrt wieder gewahrleisten, gewiB ein groBer Erfolg, der jedoch auch dadurch zu erklaren ist, daB sich die Piraten angesichts der Konzentration der romischen Streitkrafte ZU Lande und zur See nun groBenteils wieder auf ihre heimischen Stiitzpunkte zuriickzogen. Der schwierigere Teil der Sauberungsaktion stand noch bevor, ihn begann Pompeius von Brundisium aus an der Spitze eines Geschwaders von 60 Schiffen. Nach kurzen Zwischenstationen in A then und auf Rhodos, wo Pompeius auch mit Poseidonios zusammenkam, wurde das Netz urn die kilikische Kiiste enger gezogen, und vor Korakesion (dem modern en Alaja) kam es dann auch zu der einzigen groBeren Seeschlacht der ganzen Polizeiaktion, in der Pompeius siegte. Nach diesem Treffen galt es, die in den kilikischen Bergen nur schwer zuganglichen Piratennester und Festungen zu besetzen und zu schleifen, was Pompei us ebenfalls in kurzer Zeit gelang; angeblich soli auch im Osten die ganze Aktion sieben Wochen nach der Ausfahrt aus Brundisium zum AbschluB gekommen sem.
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Zu diesem raschen Erfolg trugen vornehmlich zwei Faktoren bei. Erstens gelang es Pompeius tatsachlich, bei der Zusammenfassung der romischen Machtmittel durch ein Hochstma£ von personlichem Entgegenkommen aile Reibungen auf ein Minimum zu reduzieren, denn ganz ohne Kompetenzkonflikte ging es auch diesmal nicht ab. Zweitens aber schlug Pompeius in der Frage der Behandlung der Seerauber einen anderen Kurs ein als Metellus auf Kreta. Er zeigte Milde und Ma£igung und brachte gerade damit immer wieder gro£ere Gruppen von Piraten zur Unterwerfung. Er billigte den Seeraubern gleichsam ein Notwehrrecht zu, lie£ die 20 000 Personen, die schlie£lich in seine Hand gefallen waren, nicht hinrichten und auch nicht versklaven, sondern siedelte sie planma£ig im so g. ebenen Kilikien an, in Stadten wie in Soloi, das nun in Pompeiopolis umbenannt wurde, in Mallos, Adana und vermutlich auch noch an anderen Stell en des ost!ichen T eils von Kilikien, somit in einem Gebiet, das in diesem Augenblick, staatsrecht!ich betrachtet, immer noch zum Seleukidischen Reich gehorte, de facto zuletzt jedoch unter armenischer Herrschaft gestanden hatte. Im ganzen hellenistischen Osten und auch in Rom selbst waren die Erfolge des Pompeius begeistert begri.i£t worden, und seine Vertrauensleute in der Hauptstadt verstanden es meisterhaft, diese Stimmung fi.ir einen neuen Vorsto£ auszunutzen, in dem Pompeius ein neues Imperium i.ibertragen werden so lite. Da der 3. Mithradatische Krieg trotz aller Siege des Lucullus noch immer zu keinem befriedigenden Abschlu£ gelangt war, schien es naheliegend, Pompeius, der ja bereits im Osten wei!te und auch im Winter 67/66 v. Chr. nicht nach Rom zuri.ickgekehrt war, mit der Liquidation dieser !angst i.iberfalligen militarischen Aufgabe zu betrauen. Der Volkstribun C. Manilius brachte den Antrag ein, das romische Volk moge den Oberbefehl in dem Krieg gegen Konig Mithradates VI. von Pontos und gegen Tigranes von Armenien dem Pompeius i.ibertragen und diesem dazu zu seinem bisherigen Imperium auch noch die Provinzen Bithynien und Kilikien unterstellen. Auch gegen diese lex erhob sich im Senat wie im Jahre zuvor ein leidenschaft!icher Widerstand, nicht zuletzt deswegen, wei! der Senat sah, da£ die Republik durch solche ,Bestallungsgesetze" selbst abdankte und da£ das alte Fi.ihrungsgremium mehr und mehr aus der Leitung seiner wichtigsten traditionellen Aufgaben hinausgedrangt wurde und die entscheidende
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Initiative den groBen Mannern wie Pompeius, deren Handlangern und der Volksversammlung zufiel. Aber der Verlauf der Diskussion urn die lex Manilia zeigte sehr bald, daB sich diesmal auch eine ganze Reihe von Senatsmitgliedern zu dem An trag bekannten, nicht nur so hervorragende Experten wie P. Servilius Isauricus, sondern auch der Prator des Jahres 66 v. Chr., der homo novus M. Tullius Cicero, der sich damals in der groBen Staatsredede imperio Cn. Pompeii zu einem beredten Sachwalter des Pompeius machte. So war es am Ende keine Frage, daB auch dieses Gesetz durchging. Es wurde von allen 35 Tribus angenommen, Pompeius iibte sein Kommando schon im Friihjahr 66 v. Chr. aus. N ach dem Konsulat des Crassus und Pompeius im Jahre 70 und nach der Obertragung der beiden auBerordentlichen Imperien an Pompeius in den J ahren 67 und 66 v. Chr. war die ri:imische Innenpolitik durch die Stellung zur Restauration Sullas bestimmt. Die allgemeine Unzufriedenheit mit der Herrschaft der Senatsaristokratie und die besondere Ablehnung der eigentlichen NutznieBer Sullas, der factio paucorum, konnten sich nun entweder an Crassus oder an Pompeius ankristallisieren, die sich in ihrer gemeinsamen Ablehnung der Senatsherrschaft immer wieder nur bedingt einig waren und in erster Linie an den Aufbau ihrer eigenen politischen Fiihrungsstellung dachten. Wahrend jedoch Pompeius nach der lex Manilia zunachst saturiert war, muBte Crassus am meisten daran interessiert sein, noch vor der Riickkehr seines Rivalen aus dem Osten in Rom die Schliisselposition einzunehmen. Dazu waren ihm alle Mittel und alle Partner recht, auch L. Sergius Catilina, der zweifellos zur bekanntesten Gestalt der inneren Geschichte Roms aus jenen Jahren geworden ist. Der 108 v. Chr. geborene Catilina war lediglich zwei Jahre alter als Cicero und Pompeius; im Biirgerkrieg trat er rechtzeitig unter die Fahnen Sullas, wahrend sein Bruder und sein Schwager auf der Gegenseite standen und desh:tlb in den Proskriptionen ihr Leben verloren. Ob Catilina selbst an den Hinrichtungen seiner Verwandten beteiligt war, ist nicht vi:illig sicher. Sicher brachte Catilina jedoch auf ausdriicklichen Befehl Sullas Marius' Neffen, den Marius Gratidianus, urn, den er wie ein Menschenopfer am Grabe des von Marius zum T ode verurteilten Lutatius Catulus niederstreckte. Indessen ist dies nicht das einzige Verdienst Catilinas urn die Sache Sullas gewesen, denn die von Sulla in den
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Sattel gehobenen Aristokraten begunstigten zunachst Catilinas Aufstieg Schritt fur Schritt. Dag Catilina verschwenderisch war und dag man ihm aile moglichen Amouren nachsagte, konnte seinem Ansehen in der Gesellschaft jener Jahre nicht ernstlich schaden. Im Jahre 68 v. Chr. erreichte Catilina jedenfalls die Pratur, anschliegend ubernahm er die Provinz Africa, wo er vor allem wieder zu Geld kommen wollte. Bei dem Versuch, in moglichst kurzer Zeit moglichst vie! fur sich herauszuschlagen, mug sich Catilina indessen BJogen gegeben haben, denn ehe er selbst noch im Sommer 66 v. Chr. von Afrika zuriick war, hatten bereits Gesandte der Provinz in Rom gegen ihn Klage erhoben, so dag ein Repetundenverfahren gegen ihn eroffnet wurde. Damit war seine Karriere furs erste erledigt, denn als sich Catilina als Kandidat fur das Konsulat des Jahres 65 v. Chr. bewerben wollte, wurde seine Kandidatur von dem die Wahlleitenden Konsul nicht zugelassen. Eine personliche Animositat gegen Catilina war dabei wohl gar nicht im Spiele, der leitende Beamte wollte lediglich zuerst den A usgang des gegen Catilina schwebenden Repetundenverfahrens abwarten. Aus Catilinas Sicht sahen die Dinge jedoch anders aus. Er mugte feststellen, dag ihn die Senatsaristokratie nicht deckte, und er sah sich offensichtlich schon durch die Einleitung des Repetundenprozesses verraten. Nach den Jahren der Korruption und Rechtsbeugung wares allerdings ein Novum, dag sich die factio paucorum nicht mehr vor ein angegriffenes Mitglied stellte, so wie sie dies zuletzt noch im Verresprozeg getan hatte. Aber nach den Niederlagen in jenem Prozeg und in der Frage der grogen Imperien war die Senatsaristokratie in die Defensive gedrangt und von der Absicht beherrscht, sich zunachst zuriickzuhalten und moglichst wenig Angriffspunkte zu liefern. Deshalb lieg sie auch dem Prozeg gegen Catilina seinen Lauf, einem Prozeg, zu dem es moglicherweise in anderen Jahren nicht gekommen ware. Catilina zog daraus seine Konsequenzen und suchte nun bei anderen politischen Kraften Ruckendeckung zu finden, das heigt er schlog sich jetzt an Crassus an. Die Gelegenheit, im Triiben zu fischen, schien zudem urn die Jahreswende von 66/65 v. Chr. augergewohnlich gunstig. Denn die beiden fur das J ahr 65 v. Chr. bereits gewah!ten Konsuln Autronius und Sulla wurden noch vor dem Antritt ihres Konsulats der Wahlbestechung uberfuhrt und deshalb durch zwei andere Senatoren, Manlius Torqua-
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tus und Aurelius Cotta, ersetzt. Allein die wiederabgesetzten, designierten Konsuln Autronius und Sulla nahmen diese Strafe nicht hin, sondern gingen ein Komplott ein, das zu einem Staatsstreich fiihren so lite. Man plante ziemlich often, die Ersatzkonsuln gleich zu Beginn ihres Amtsjahres ermorden zu lassen, und zwar sollte dabei Catilina an der Spitze eines Sklaventrupps eine fiihrende Rolle spielen. Allerdings war er gar nicht der Drahtzieher des ganzen Unternehmens, so daB es sehr anfechtbar ist, wenn man dieses Komplott von Ende 66 v. Chr. als die 1. Catilinarische Verschworung bezeichnet. Denn der wichtigste Mann im Hintergrund war wohl ohne Zweifel Crassus, der sich vermutlich der Hoflnung hingab, nach dem Staatsstreich eine diktatorische Vollmacht in Rom zu erlangen und auf diese Weise zu einer Stellung zu kommen, welche jener des Pompeius wenigstens ungefahr gleichrangig war. Doch die Staatsstreichplane wurden verraten, und der Anschlag unterblieb. Die Zusammenhange sind freilich nie ganz aufgedeckt worden, denn die eingesetzte Untersuchungskommission lieB die Nachforschungen versanden, oflensichtlich setzten sich die kompromittierten Politiker durch. Crassus griff nun nacheinander eine ganze Reihe von Planen auf, urn irgendwie doch noch ein Gegengewicht gegen Pompeius zu schaflen, doch kam er mit keinem seiner Projekte ans Ziel. Er wurde zwar im Jahre 65 v. Chr. zusammen mit Q. Catulus zum Censor gewahlt und wollte bei dieser Gelegenheit die Transpadaner als Vollbiirger erfassen, doch scheiterte das am Widerspruch seines Kollegen Catulus, so daB fur Crassus lediglich ein Alibi und die Sympathien der Landschaft blieben, seine Censur aber ohne jedes Resultat verlief. Ebenso miBgliickte der Versuch des Crassus, durch Cn. Calpurnius Piso in Spanien eine Armee aufstellen zu lassen, urn damit iiber ein groBeres Heer zu verfiigen, das Pompeius nicht unterstand. Doch mit dem Tode Pisos war auch dieser Plan zu begraben. SchlieB!ich glaubte Crassus in A gyp ten einen neuen Ansatzpunkt seiner politischen Aktivitat gefunden zu haben. Er bestritt, daB dort Ptolemaios Auletes, der Oboeblaser, der Vater der Kleopatra, rechtmaBiger Inhaber des Konigsthrones sei, wei! schon dessen Vorganger sein Reich testamentarisch den Romern vermacht hatte, und Crassus lieB deshalb durch einen Volkstribun den Vorschlag einbringen, das Land in
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Besitz zu nehmen. Vermutlich hoffte Crassus dabei, daB Caesar, der in jenem Augenblick eng mit Crassus zusammenarbeitete, mit der Lei tung der Finanz- und Steuerprobleme betraut wi.irde; inwieweit er Agypten daneben als Basis gegen Pompeius beni.itzen wollte, laBt sich nicht ausmachen. Doch auch in diesem Faile vermochte es Crassus nicht, die erforderliche Mehrheit hinter sich zu bringen. Das lag sicher nicht nur an Cicero, der mit seiner Rede De rege Alexandrino auch in diese Diskussion eingriff, sondern vornehmlich am Widerstand der von Catulus aufgeputschten Optimaten, die sowohl von dem Rechtstitel nicht i.iberzeugt waren, den Crassus beanspruchte, als auch nicht von der Selbst!osigkeit und Opportunitat des ganzen Projektes. Es ist fi.ir Crassus charakteristisch, daB er bald hier, bald dort plante und spekulierte, aber nirgendwo eine groBe staatsmannische Linie erkennen lieB und schon gar nicht die Konsequenz, die erforderlich gewesen ware, urn in jenen Jahren eine dauernde Fi.ihrungsposition aufzubauen und zu behaupten. lnzwischen war jedoch im Laufe des Jahres 65 v. Chr. auch der RepetundenprozeB gegen Catilina vori.ibergegangen und hatte, wahrscheinlich durch eine Bestechung des Anklagers, zu Catilinas Freispruch gefi.ihrt. Damit war fi.ir die sen wieder die Bahn frei; im Sommer des Jahres 64 v. Chr. kandidierte er fi.ir das Konsulat von 63 v. Chr., mit ihm freilich auch C. Antonius, ein Bruder des Prators von 74 v. Chr., und Cicero. Der Ausgang der Wahl war lange Zeit ziemlich off en, denn hinter Catilina und C. Antonius stand Crassus mit seinem immensen Reichtum, wahrend Cicero insbesondere bei allen gemaBigten Gruppen, bei den Rittern wie beim italischen Bi.irgertum, den Anhangern des Pompeius und auch bei Teilen der Nobilitat Sympathien genoB. Ciceros Chancen stiegen aber vor allem auch deswegen, wei! der homo nov us aus Arpinum, der zunachst gegeni.iber allen Angehi:irigen der Aristokratie im Hintertreffen stand, mit der ganzen Kraft seiner lntelligenz und seiner Beredsamkeit einen energischen Wahlkampf fi.ihrte. Selbstverstandlich ri.ihrte auch im Wahlkampf des Jahres 64 v. Chr. jeder Bewerber Schmutz i.iber die Gegner auf, wo er ihn fand, und vor allem Cicero machte damit Eindruck. In seiner Kandidatenrede im Senat, der beri.ihmten Rede in toga candida, zog er die Vergangenheit Catilinas ins Licht und schwelgte geradezu darin, die Ermordung des Marius Gratidianus in Erinnerung zu rufen und Catilina zu einem Manne
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zu stempeln, von dem man alles befiirchten mugte. Dages damit seine eigene Bewandtnis hatte, zeigt wahl am besten die Tatsache, dag Cicero selbst vorher eine Zeitlang die Absicht gehabt hatte, sich mit Catilina gegen C. Antonius zu verbiinden. Jedenfalls verfehlte Ciceros Rhetorik ihren Eindruck nicht, Catilina fiel bei der Wahl zum Konsulat durch, zu Konsuln fiir das Jahr 63 v. Chr. wurden Cicero und C. Antonius gewahlt. Noch ehe indessen Ciceros beriihmtes Konsulatsjahr begann, hatte wiederum Crassus eine Initiative ergriffen und versucht, durch den Volkstribun P. Servilius Rullus ein neues Ackergesetz durchzubringen. Dabei war an die Schaffung einer Zehnerkommission gedacht, deren Amtszeit zwar auf 5 Jahre festgesetzt war, die aber iiber augerordentlich weitgehende Vollmachten verfiigen sollte. So wollte Rullus die grogen Domanen des romischen Staates in den romischen Provinzen verkaufen lassen, der Kommission auch offentliche Mittel und Kriegsbeute zur Verfiigung stellen, damit sie daraus den Ankauf und die Verteilung von Siedlungsland in Italien finanzieren konne. Das Gesetz hatte jener Zehnerkommission, welche Crassus beherrschen wiirde, praktisch das Verfiigungsrecht im Siedlungswesen eingeraumt. Die einschlagigen Probleme mugten selbstverstandlich wieder in dem Augenblick aktuell werden, in dem Pompeius mit seinem Heer aus dem Osten zuriickkam und die Versorgung der Veteranen zu gewahrleisten hatte. Auch diesmal opponierte Cicero mit seinen 3 Red en de lege agraria (contra Rullum), auch diesmal stemmte sich der Senat den letztlich Crassus' Interessen dienenden Vorschlagen entgegen, und auch diesmal scheiterte das Projekt. Das Jahr 63 v. Chr. war dann durch mehrere politische Prozesse angefiillt, in denen Caesar als Anklager in den Vordergrund trat, so in einem Prozeg gegen den Ritter C. Rabirius, in dem es urn den Migbrauch des Senatus consultum ultimum zur Zeit des Saturninusaufstandes im Jahre 100 v. Chr. ging, und in einem anderen gegen den ehemaligen gallischen Statthalter C. Piso. In beiden Fallen iibernahm Cicero erfolgreich die Verteidigung. Doch auf anderem Felde brachte das J ahr 63 v. Chr. Caesar dann doch einen personlichen Triumph, indem es ihm gelang, seine Wahl zum Pontifex maximus durchzusetzen. Es war unschwer zu erkennen, dag Caesar mehr und mehr eine selbstandige Rolle zu spielen gedachte. Auch seine Unterstiitzung des Volkstribuns T. La-
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bien us, desselben Mannes, der spater einer seiner wichtigsten Befehlshaber in Gallien werden so lite, jetzt aber als dezidierter Parteiganger des Pompeius operierte, lieB ahnen, daB er gegeniiber Pompeius zum Einlenken bereit war, so daB man von diesem Einschwenken bereits eine Linie zum Triumvirat des Jahres 60 v. Chr. ziehen kann. Die erregenderen Ereignisse des J ahres stan den freilich erst noch bevor, und sie wurden dadurch ausgelost, daB Catilina im Sommer 63 v. Chr. noch einmal urn das Konsulat kandidierte und wiederum durchfiel. Da sich Catilina schon vor der Wahl iiber das geringe AusmaB seiner Chancen im klaren war, da er wuBte, daB ihm das Konsulat nach seinen bisherigen vergeblichen Anlaufen auch jetzt keineswegs sicher war, und da er endlich auch die Starke der Opposition gegen seine Kandidatur durchaus richtig einschatzte, hatte er vor der Wahl eine leidenschaft!iche Agitation entfa!tet und offensichtlich versucht, durch radikale Forderungen aile Unzufriedenen hinter seiner Fahne zu versammeln. Neben anderen Drohungen gegen die Machthaber und die Reichen operierte Catilina besonders mit dem Vorschlag einer allgemeinen Schuldentilgung, der selbstverstandlich in weiten Kreisen auf fruchtbaren Boden fie! und hauptsachlich auch auf jene Veteranen Sullas zugeschnitten war, die ihre kleinen Giiter in der Zwischenzeit heruntergewirtschaftet hatten und bankrott gegangen waren. Natiirlich machte ein solches Programm Eindruck, natiirlich wurde so die Offentlichkeit in die hochste Erregung versetzt, aber gleichzeitig wurden dadurch auch den breiten Kreisen des Besitzbiirgertums die Augen dariiber geoffnet, wessen sie sich von Catilina zu versehen hatten. Cicero attakkierte seinen alten Gegner schon vor der Wahl im Senat wegen dieser Agitation, doch Catilina blieb starr und antwortete nur mit Drohungen. Die ganze Atmosphare und die Entwicklung in den kommenden Monaten werden im iibrigen nicht durch eine im Verborgenen organisierte und dann iiberraschend ausbrechende Verschworung charakterisiert, sondern dadurch, daB Catilina iiber seine Vorhaben gar keinen Zweifel aufkommen lieB, dadurch, daB man von ihm einen Putsch mit Sicherheit erwarten konnte, so daB Cicero rechtzeitig mit der Dberwachung Catilinas und seiner Anhanger beginnen konnte. Mit anderen Worten hat sich Catilina durch den Weg, den er einschlug, selbst am meisten ge-
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schadet. Er war nun einmal, wie ihn Ranke treffend kennzeichnete, ,ein Bramarbas des Umsturzes". Fur Catilina besiegelte die 2. Wahlniederlage das Scheitern all seiner Versuche, auf legalem Wege zum hochsten Staatsamt zu gelangen. Fiigte er sich dem Spruch der Volksversammlung, so war er in jedem Faile politisch ein toter Mann, von dem sich auch seine !angst fanatisierten Anhanger wieder abgewandt hatten. Catilina hat seine Handlungsweise spater aber selbst in einem bei Sallust (Catilina, c. 3) iiberlieferten Brief auch noch mit einem anderen Argument zu rechtfertigen gesucht. Er begriindet dort sein Vorgehen damit, daB er lediglich Krankungen und Beschimpfungen erfahren hatte, daB er urn die Friichte seiner Anstrengungen und Miihen gebracht worden sei und daB er die ihm gebiihrende Stellung, den ihm gebiihrenden status dignitatis nicht hatte erlangen konnen, man konnte prazisieren: nicht auf legalem Wege hatte erlangen konnen. Er fahrt dann fort: ,So habe ich denn meiner Gewohnheit entsprechend und wei! es hier urn ein allgemeines Anliegen geht, die Sache der Z uriickgesetzten, der miseri, iibernommen: publicam miserorum causam pro mea consuetudine suscepi. Ich habe das getan, nicht etwa wei! ich die auf meinen Namen gemachten Schuld en nicht hatte bezahlen konnen, sondern wei! ich sah, wie unwiirdige Elemente zu hohen Ehren kamen, wahrend ich selbst durch falsche Verdachtigungen ausgestoBen wurde. Ich habe somit durchaus ehrenhafte Ziele verfolgt, in der Hoffnung, dadurch meine mir noch verbliebene Ehre wahren zu konnen." Mit diesem Ziel der Wahrung der eigenen dignitas beriihrt sich Catilina mit Pompeius und Caesar, fur die spater dieses Problem in noch weit hoherem MaBe galt, wei! diese Manner unvergleichlich groBere Leistungen aufzuweisen hatten als Catilina. Denn gerade in den Fallen des Pompeius und Caesars sollte sich zeigen, daB die nach den romischen Adelsbegriffen durchaus legitime Wahrung der Dignitat der graBen Einzelpersonlichkeit, von der Leistungen erwartet wurden, die tiber die Fahigkeiten der regularen Magistrate weit hinausgingen, innerhalb der Normen der spaten Republik nicht mehr moglich war.
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Die Catilinarische Verschworung N ach Catilinas Scheitern bei der Wahl fur das Konsulat des Jahres 62 v. Chr. begannen er und der engere Kreis seiner Anhanger mit den Vorbereitungen fur eine gewaltsame Obernahme der Macht. In Catilinas nachster Umgebung fand man dabei wohl einige Aristokraten, wie P. Cornelius Lentulus (cos. 71) und C. Cornelius Cethegus, sowie weitere zornige junge Manner der romischen jeunesse donc;e, in der Hauptsache aber doch gescheiterte Existenzen und Unzufriedene aller Art. Selbst Frauen sind in das Unternehmen eingeweiht worden, darunter jene Sempronia, der Sallust eine bewundernde Charakterisierung zuteil werden liels. Die Verschworer hatten zunachst in Rom fur den 28. Oktober 63 v. Chr. einen bewaffneten Aufstand mit Brandstiftungen geplant. Gleichzeitig sollten aber auch in Nordetrurien, Kampanien und Apulien Erhebungen stattfinden, wobei man besonders mit Manlius rechnete, der in Etrurien unter den Veteranen Sullas einen betrachtlichen Anhang besafS, so daiS sich dort schon sehr friih der wichtigste auBerromische Brennpunkt des Staatsstreiches abzeichnete. Im iibrigen konnte die Gruppe urn Catilina zwar in Rom und in Italien groBere Unruhen hervorrufen, wei! vor allem in der Hauptstadt keine Truppen standen, aber eine Chance, sich auf die Dauer zu behaupten, war schon von Anfang an nicht gegeben, da Pompeius' Armee bei wei tern iiberlegen war und auch die Provinzen in dies em Augenblick treu zur legal en Regierung Standen. Die Aussichtslosigkeit des ganzen Unternehmens mufS schlieB!ich auch Crassus klar geworden sein, der seinen alten Parteiganger zwar zunachst auch hier unterstiitzt hatte, sich dann jedoch zuriickzog und in der Nacht vom 20./21. Oktober Cicero von den geplanten Aktionen der Verschworer unterrichtete, von denen er selbst erst durch anonyme Briefe Nachricht erhalten haben wollte. Diese Unterlagen und Hinweise waren fur Cicero deshalb so besonders wertvoll, wei! er damit am nachsten Morgen im Senat erstmals handgreifliche Zeugnisse vorlegen und seine Ausfuhrungen tiber die Staatsstreichplane Catilinas auch belegen konnte. Denn die ganze Schwierigkeit der Lage hestand fur Cicero darin, daB er sein Vorgehen juristisch einwandfrei absichern muBte. Er muBte im Senat Catilinas Plane beweisen, denn nachdem er diesen politischen Gegner nun schon
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so lange Zeit verketzert hatte und nachdem iiber dessen angebliche Plane schon so viel geredet worden war, hatte der Senat die ganze Sache zunachst auf die leichte Schulter genommen und Ciceros Angaben keinen Glauben geschenkt. Die Dinge nahmen jedoch eine neue Wendung, als Cicero am21. Oktober 63 v. Chr. seine Unterlagen prasentierte und als gleichzeitig auch noch ein ehemaliger Prator meldete, daB Manlius in Etrurien bereits Truppen aushebe. Der Senat beschloB jetzt das senatus consultum ultimum, das Cicero die Moglichkeit bot, aus seinem Gefolge Wachmannschaften aufzustellen und die wichtigsten Punkte der Stadt besetzen zu lassen. Der 28. Oktober verlief darnach ohne Zwischenfalle, offenkundig hatte Catilina die stadtromischen Anschlage zunachst abgeblasen, wahrend in den anderen Stiitzpunkten der Erhebung alles seinen vorgesehenen Gang lief. Als Catilina auf Grund eines Aufruhrgesetzes von L. Aemilius Paul! us angeklagt wurde, spielte er weiterhin den Biedermann und erbot sich, bei einem Senator in freiwilliger Haft zu bleiben. Ende Oktober trafen jedoch in Rom Nachrichten ein, die erkennen lieBen, daB in Etrurien die Erhebung schon begonnen hatte und daB sie an anderen Stellen Italiens, besonders in Apulien und Capua, jeden Augenblick losbrechen konne. Erst jetzt liefen auch auBerhalb Roms die militarischen GegenmaBnahmen an. Nach Faesulae, dem Wohnsitz des Manlius, nach Apulien, Capua und Picenum wurden Kommandeure abgesandt, zum Teil Feldherrn, die vor der Stadt auf eine Entscheidung iiber ihren Triumph gewartet hatten, zum Teil fahige Pratoren, die Truppen aushoben und bald iiber ansehnliche Streitkrafte verfiigen konnten, denn immerhin hatten die Anhanger Catilinas in Italien ungefahr 10000 Mann zusammengebracht. Die Brennpunkte der Erhebung verlagerten sich durch diesen Gang der Ereignisse in die Zentren auBerhalb Roms, Catilina versuchte noch am 1. November durch einen Oberfall Praeneste in seinen Besitz zu bringen, das fur ihn eine wertvolle Basis in der Nahe Roms gewesen ware, doch scheiterte der Plan, da die Stadt stark bewacht war, nachdem Cicero den italischen Gemeinden entsprechende VorsichtsmaBnahmen empfohlen hatte. In der Nachtvom 5./6. November kamen die Verschworer dann noch einmal in Rom mit Catilina zusammen, der ihnen die jetzt vorgesehenen MaBnahmen auseinandersetzte. Am Morgen des 7. November sollte
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Cicero ermordet werden, Catilina wol!te sich dann zu dem in Etrurien versammelten Heer begeben, wahrend Lentulus, Cethegus und andere die fur Rom selbst vorgesehenen Aktionen leiten sollten. Doch der Mordanschlag wurde vereitelt, eine Fiihlungnahme der Verschworer mit einer Gesandtschaft der Allobroger verraten, die stadtromischen Anfiihrer der Erhebung- auBer Catilina, der Rom rechtzeitig verlassen harte- am 3. Dezember 63 v. Chr. inhaftiert. Vom Senat wurde zunachst beschlossen, daB die einwandfrei iiberfuhrten Verschworer in Haft bleiben sol!ten und daB zu Ehren Ciceros ein staatliches Dankfest zu veranstalten sei. Damit harte nun Cicero sein erstes Ziel erreicht. Erfiillt von triumphalem Selbstgefiihl wandte er sich in der 3. Catilinarischen Rede wiederum an das Volk, einer Rede, die mit der nicht gerade bescheidenen Einleitung beginnt: ,Den Staat, Quiriten, und euer aller Leben, euer Hab und Gut, eure Frauen und Kinder, und dieses Domizil des beriihmtesten Reiches, die gliicklichste und schonste Stadt, seht ihr am heutigen Tage durch die hochste Gnade der unsterblichen Gorter gegen euch und durch meine Anstrengungen, MaBnahmen und Gefahren den Flammen und dem Schwert, ja fast dem Rachen des Verderbens entrissen und euch bewahrt und wiederhergestel!t." Es folgt dann ein lebendiger Bericht tiber die letzten Vorgange, wobei sich Cicero urn den Nachweis bemiihte, daB alles gemaB dem giiltigen Recht zugegangen sei. Nachdem er die eigene Tat in einen fast weltgeschicht!ichen Rang erhoben harte, seine Leistung in einem Atemzug mit der Griindung der Stadt durch Romulus nannte, versuchte Cicero schlieB!ich auch fur die Zukunft den Schutz des romischen Volkes fur seine Person zu beschworen. Zum wichtigsten Problem wurde in den nachsten Tagen die Frage, was mit den bisher iiberfiihrten und inhaftierten funfVerschworern geschehen so lie, und tiber sie wurde dann in der beriihmten Senatssitzung vom 5. Dezember 63 v. Chr. beraten. Dber den Ablauf dieser denkwiirdigen Sitzung sind wir relativ genau unterrichtet. Ihre Hohepunkte waren das Pladoyer des designierten Konsuls Junius Silanus fur die Todesstrafe, eine glanzende Rede Caesars, der dieser Auffassung geschickt widersprach, Ciceros sogenannte 4. Catilinarische Rede, in der sich der amtierende Konsul offenkundig fur die Hinrichtung der Dberfiihrten durch einen moglichst einstimmigen SenatsbeschluB sichern wollte,
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und endlich die Rede Catos, der schlieg]ich die Todesstrafe durchsetzte. Die grogen Antagonisten der Sitzung waren so nicht Silanus und Caesar, wie man nach der 4. Catilinarischen Rede meinen ki:innte, sondern Caesar und Cato. Diese Tatsache mugte rund zwanzig Jahre spater den Zeitgenossen des Bi.irgerkriegs nach Caesars Ermordung in noch anderem Lichte erscheinen als den Zeitgenossen der Verschwi:irung Catilinas, und hier liegt deshalb auch mit ein Grund fiir Sallusts Wahl dieses Gegenstandes. Sallust kames auf die Gegeni.iberstellung von Caesar und Cato an, er war von beiden Mann ern formlich praokkupiert. Die Qualitaten und Charaktere Caesars und Catos wurden von Sallust gleichsam als komplementar verstanden. Wahrend Caesar als Vertreter der Milde, der misericordia agiert, wird an Cato i.iber all em die lntegritat seines Lebens geri.ihmt. Der Einwand, der aus der Caesarschilderung herauszulesen ist, gilt Caesars ri.icksichtslosem Streben nach persi:inlicher Macht, der Einwand gegeni.iber Cato gilt dessen nur moralischer Betrachtungsweise, dem Fehlen einer grogzi.igigen, auch die Zukunft beherrschenden, fortschritt!ichen Politik, die bei Caesar zumindest in Ansatzen vorhanden war. In der beri.ihmten Konfrontation des 54. Kapitels ist diese Beurteilung ausgefiihrt: ,Beide kamen aus dem Adel, und sie waren etwa in einem Alter. An Beredsamkeit gaben sie einander nicht vie! nach, und Ruhm zeichnete beide in gleichem Mage aus, doch jed en in seiner Weise. Caesar war geachtet und geehrt wegen seiner Liebenswi.irdigkeit und Freigebigkeit, Cato, wei! er in seiner Lebensfiihrung unantastbar gewesen ist. Caesar war bekannt fi.ir seine Persi:inlichkeit und seine Milde, Cato hat sich durch seine Strenge Achtung verschafft. Caesar gewann mit Geschenken, mit Helfen und Verzeihen seinen Ruhm, Cato, wei! er niemals Geschenke gemacht hat. Zu Caesar fliichteten aile Bedrangten, vor Cato haben aile Leute mit schlechtem Gewissen gezittert. Caesar war anpassungsfahig, Cato ist nie von seinen Grundsatzen gewichen. Caesars Tatigkeit ging nach augen: er arbeitete immer und fand Tag und Nacht keine Ruhe. Er vergag i.iber seinen Freunden seinen eigenen Vorteil und verschenkte alles, was des Schenkens wert war. Fi.ir sich wi.inschte er eine hohe Stellung, ein Heer und einen neuen Krieg, urn mit seiner militarischen Begabung glanzen zu ki:innen. Cato hat ganz nach innen gelebt; er mi.ihte sich urn Selbstbeherrschung und Wi.irde, und
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eine strenge Lebensfi.ihrung ist ihm alles gewesen. Er eiferte nicht mit dem Reichen urn Reichtum, nicht im Parteihader mit dem Ehrsi.ichtigen, er hat sich in Tatkraft mit dem Ti.ichtigen, in Ehrenhaftigkeit mit dem Redlichen, in Selbstlosigkeit mit dem Unbescholtenen gemessen. Cato wollte Iieber gut sein als scheinen und je weniger er sich darum ki.immerte, ein beri.ihmter Mann zu werden, urn so beri.ihmter wurde er von selbst." (Obertragung Br. Heck.) Es ist keine Frage, daB diese Gegeni.iberstellung Sallusts nach dem Scheitern Caesars und Catos geschrieben wurde, zu einer Zeit, da sich die Perspektiven gegeni.iber dem Jahre 63 v. Chr. !angst verschoben hatten, als beide Manner zum erstenmal in einer grundsatzlichen Frage aufeinandergepral!t waren. Sallusts Konfrontation macht im i.ibrigen vollig klar, daB es zwischen zwei so verschiedenen Naturen keine Gemeinschaft geben konnte, und sie laBt deshalb auch die spatere leidenschaftliche Auseinandersetzung urn den toten Cato begreifen. Die Senatssitzung vom 5. Dezember schloB zwar mit einer klaren Entscheidung im Sinne Ciceros ab, aber auch mit einem Tumult, denn Caesar konnte nur unter dem Schutz des Konsuls den Sitzungssaal verlassen. Er hat sich deshalb auch fi.ir den Rest des Jahres politisch zuri.ickgehalten.- Die 5 Catilinarier wurden noch am Abend des 5. Dezember unter betrachtlichen SicherheitsmaBnahmen hingerichtet. Das romische Volk war dari.iber bis zuletzt im unklaren gelassen worden, und die auf dem Forum versammelte Menge erfuhr davon erst durch das eine Wort, das ihr Cicero zurief, als er von der Hinrichtung kam: , vixerunt" - sie haben gelebt. Die Liquidation der Verschworer in Rom und die Harte und Entschlossenheit, mit welcher der Senat gegen die Catilinarier Stellung genommen hatte, blieb nicht ohne Auswirkung auf den Gang der Ereignisse in Etrurien, wo inzwischen Catilina selbst den Oberbefehl i.ibernommen und aus seinen Anhangern ein Heer von 2 Legionen gebildet hatte. Da sich ein Vormarsch auf Rom verbot, wandte sich Catilinanach Norden, in der Hoffnung, nach Gallien ausbrechen zu konnen, aber bei Pistoria ste!lten ihn schlieB!ich die Streitkrafte des Senats im J anuar 62 v. Chr. zur entscheidenden Schlacht, in der er, bis zuletzt tapfer kampfend, seinen U ntergang fan d. In der modernen A!tertums- und Geschichtswissenschaft ist die Catilinarische Verschworung lange Zeit sehr kontrovers beurtei!t worden.
Die Catilinarische Verschworung
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Stand fiir Th. Mommsen ganz die moralische Achtung der Person Catilinas im Vordergrund, aber auch die Disqualifikation Ciceros, so suchte Arthur Rosenberg nachzuweisen, daB Catilina ,eine durchaus ernsthafte Personlichkeit gewesen ist, die fiir ein wiirdiges Ziel, die Entschuldung der italischen Bauernschaft ihr Leben hingegeben hat". Demgegeniiber war Catilina fiir H. Delbriick ,ein ruchloser Abenteurer, der die anarchistisch-revolutionaren Elemente der Stadt und !taliens fiir einen Gewa!tstreich auszunutzen gedachte". Wenn es auch vollig verfeh!t ware, Catilina zum Vorkampfer einer bestimmten sozialen Gruppe und zum Verfechter eines konkreten sozialen Programms zu sti!isieren, so liegt die Bedeutung dieser Erhebung doch darin, daB sie das ganze AusmaB und die Vielfa!t der Verelendung und Unzufriedenheit groBer Bevolkerungsgruppen in Rom selbst wie in Italien enthiillt. Bankerotte und politisch gescheiterte Mitglieder der Fiihrungsschicht verbanden sich mit Gliicksrittern wie mit den ehemaligen Soldaten Sullas, die ihren Kleinbesitz nicht hatten halten konnen, mit besitzlosen oder verelendeten Existenzen der verschiedensten Schichten. Dieses Potential neuer Biirgerkriege aber war auch durch die Niederschlagung der Catilinarischen Verschworung nicht beseitigt worden. Das Jahr 62 v. Chr. stand in Rom vollig im Schatten der bevorstehenden Riickkehr des Pompeius aus dem Osten. Da einer seiner Vertrauensleute, der fiir 62 v. Chr. gewah!te Volkstribun Quintus Metellus Nepos, schon bald nach seinem Amtsantritt gegen die Hinrichtungen des 5. Dezember 63 v. Chr. und gegen Cicero Stellung genommen hatte, und da Nepos auch von Caesar unterstiitzt wurde, als er fiir Pompeius, dessen Kommando sich seinem Ende naherte, weitere Wirkungsmoglichkeiten zu schaffen suchte, waren neue Unruhen unvermeidlich. Nepos wollte fiir Pompeius zunachst den Auftrag erreichen, in Italien die Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, worunter praktisch die Bereinigung der Catilinarischen Verschworung zu verstehen war, und als dem der Boden entzogen war, suchte er durchzusetzen, daB sich Pompeius in absentia fur das Konsulat des Jahres 61 v. Chr. bewerben konne. Beidem trat Cato entgegen. Es kam zu neuen Priigeleien und schlieBlich dazu, daB der Senat sowohl dem Prator Caesar als auch dem Volkstribun Metellus Nepos die Ausiibung ihrer Amtsgeschafte untersagte.
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Wahrend Metellus nach Kleinasien ging, urn dort Pompeius Meldung zu erstatten, blieb Caesar in Rom und blieb amEnde auch Sieger, nachdem eine groGere Volksmenge drohend seine Wiedereinsetzung gefordert hatte. Er blieb auch Sieger, als seine Gegner noch einmal versuchten, ihm wegen seiner Beziehungen zu Catilina den ProzeG zu machen. Aber zur politisch entscheidenden Figur in Rom muGte En de des J ahres 62 v. Chr. dann Pompeius werden, als er mit seinen Truppen in Brundisium landete und die Frage eines neuen Bi.irgerkrieges vollig offen war.
Der 3. Mithradatische Krieg An dieser Stelle ist nun zuri.ickzugreifen und der Verlauf des 3. Mithradatischen Krieges nachzutragen, der Verlauf jenes Krieges, den Pompeius seit dem Jahre 66 v. Chr. zu Ende fi.ihrte, der jedoch, wie fri.iher bereits erwahnt wurde, schon im Jahre 74 v. Chr. ausgebrochen war, nachdem Mithradates VI. den Romern den Besitz ihrer neuen Provinz Bithynien streitig gemacht hatte. Auf romischer Seite war zunachst P. Licinius Lucullus der maGgebende Befehlshaber, der schon nach zwei Jahren Mithradates VI. auf sein Stammland zuri.ickwerfen und in Pontos eindringen konnte. Nach schweren Kampfen wurde Mithradates VI. zur Flucht nach Armenien, und da der armenische Konig Tigranes seinen Schwiegervater nicht auslieferte, Lucullus zu einer Offensive auch gegen dieses Konigreich gezwungen. Zwar konnte er dabei 69 v. Chr. die Hauptstadt Tigranokerta einnehmen, doch als dann im folgenden Jahre ein VorstoG gegen das armenische Hochland vorangetrieben wurde, meuterte das romische Heer. Gleichzeitig schlug auch in Rom selbst die Stimmung gegen Lucullus urn, der sich durch eine rigorose Neuordnung der Steuer- und Finanzverwaltung in der Provinz Asia bei einfluGreichen Kreisen der Fi.ihrungsschicht unbeliebt gemacht hatte. Allein nach der Kommandoenthebung des Lucullus kames in Kleinasien zu schweren militarischen Riickschlagen, 67 v. Chr. wurde das romische Expeditionskorps bei Zela besiegt, Mithradates VI. konnte in Pontos erneut FuG fassen. In jener Situation war in Rom auf Grund der lex Manilia des Jahres 66 v. Chr. der Oberbefehl an Pompeius iibertragen worden. Auch diesmal bewahrte sich Pompeius in der Meisterung
Der 3. Mithradatische Krieg
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einer weitgespannten Organisation. Zu seinen militarischen Vorbereitungen des neuen Feldzuges gehorten die Mobilisierung von Hilfstruppen in groBtem AusmaB ebenso wie die Sicherung der gesamten Ki.iste des ostlichen Mittelmeeres durch die romische Flotte, von der phonikischen Ki.iste bis zu den Meerengen. Zu den politischen Vorbereitungen zah!te unter anderem die Fi.ihlungnahme mit dem parthischen GroBkonig Phraates III., den Pompeius zum Einfall in armenisches Gebiet aufstache!te, wahrend er selbst die Euphratgrenze zu respektieren versprach. Schon aus den ersten MaBnahmen des Pompeius geht hervor, daB er seine Aufgabe in denkbar weitestem Rahmen zu losen gedachte; seine Plane umspannten den ganzen Raum zwischen Kilikien und Bithynien im Westen, Krim und Kaukasus im Norden, dem Kaspischen Meer und dem Parthischen Reich im Osten, Syrien, Palastina und dem Nabataerreich im Si.iden. Es ist bis zu einem gewissen Grad auch verstandlich, wenn Pompei us von allen bisherigen Ergebnissen und Regelungen nichts hie!t, womit er freilich in jeder Hinsicht vollige Handlungsfreiheit gewann. Pompeius begann seinen Vormarsch gegen Pontos von Kilikien aus. Nachdem er die Bereitstellung seines Heeres abgeschlossen hatte, ging er gegen die am oberen Halys versamme!te Armee des Mithradates VI. vor. Es gelang ihm, bis nach Kleinarmenien vorzufi.ihlen und Mithradates ins Lykostal zuri.ickzudrangen, wo er den Konig in der Nahe der spateren Stadt Nikopolis einschloB, und zwar durch eine Befestigungsanlage von rund 28 km Umfang. Immerhin standen Pompeius dafi.ir rund 50000 Mann zur Verfi.igung, wahrend die Armee des Mithradates in der Zwischenzeit auf insgesamt i.iber 30000 Mann angewachsen war. Pompeius hatte gehofft, Mithradates und sein Heer durch die groBe Circumvallation schlieB!ich zu einer letzten Entscheidungsschlacht oder zur Kapitu!ation zu bringen, doch zerschlugen sich diese Plane, als Mithradates VI. nach anderthalb Monaten ein nacht!icher Ausbruch gelang. Der Konig strebte bereits dem Euphrattal zu und wollte von dort aus armenisches Gebiet erreichen, da wurde er von Pompeius in einer mondhellen Nacht angegriffen, geschlagen, sein Heer bis auf geringe Gruppen von Versprengten aufgerieben. Aber Mithradates VI. selbst konnte auch diesmal entkommen, wobei ihm allerdings das armenische Territorium versperrt wurde, wei! dort inzwischen innere Wirren ausgebrochen waren, nachdem sich der gleichnamige Sohn des Konigs Ti-
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granes gegen seinen Vater erhoben hatte und dieser vermutete, da6 Mithradates VI. dabei seine Hande mit im Spiele hatte. So kames zu der iiberraschenden Entwicklung, da6 jetzt im armenischen Reich von Konig Tigranes ein Preis auf den Kopf seines Schwiegervaters ausgesetzt wurde, so da6 dieser gezwungen war, sein Heil in anderer Richtung zu suchen. Mithradates VI. schlug sich deshalb in die Landschaft Kolchis am Siidfu6 des Kaukasus durch. Den Winter 66/65 brachte er mit seinem kleinen Gefolge in der entlegenen Griechenstadt Dioskurias zu. Obwohl Ende des Jahres 66 v. Chr. mit gro6er Wahrscheinlichkeit feststand, da6 sich Mithradates VI. jetzt den von seinem Sohn Machares regierten pontischen Besitzungen auf der Krim zuwenden wiirde, konzentrierte Pompeius seine Anstrengungen auf Armenien. Dort kam er deshalb zu einem raschen Erfolg, wei! der junge Tigranes in seinem Aufstand auch die Unterstiitzung des parthischen Gro6konigs Phraates III. gewinnen konnte, der nun intervenierte, so da6 dem alten Konig Tigranes schlieB!ich keine andere Wahl blieb, als sich den Romern zu unterwerfen. Tigranes erschien selbst im romischen Lager vor Artaxata, legte dort seine Herrschaftsabzeichen nieder und bat Pompeius kniefallig urn Gnade. Dieser lie6 ihn an seiner Seite Platz nehmen, wahrend auf der anderen der Sohn des Tigranes sa6. Dann verkiindete Pompeius seine Entscheidung. Das a!te armenische Stammland, aber eben nur dieses, durfte Konig Tigranes behalten, die Landschaft Sophene am Oberlauf des Euphrat, das hei6t das Gebiet west!ich und nordwest!ich der voriibergehenden Hauptstadt Tigranokerta, sollte an den jungen Tigranes fallen, aile iibrigen Au6enbesitzungen, die sich der alte Tigranes im Laufe der Jahre in Kilikien, Syrien und Phonikien unterworfen hatte, kamen unter romische Hoheit. Die Kriegsentschadigung von 6000 Talenten oder 36 Millionen Denaren, die der armenische Konig daneben noch aufzubringen hatte, war zwar betracht!ich, doch schenkte Tigranes dariiber hinaus noch jedem romischen Soldaten weitere 50, jedem Centurio 1000 und jedem Kriegstribunen 6000 Denare. Die Entscheidung, die Pompeius hier vor Artaxata getroffen hat, ist fiir die spatere romische Orientpolitik von gro6ter Bedeutung geworden. Denn da eine direkte Eingliederung des armenischen Berglandes in das romische Reich und eine Einrichtung der romischen Provinzialverwa!tung hier iiberhaupt nie in Betracht kommen konnten, gab sich Pompeius mit der Schaffung eines armenischen Kliente!staates zufrie-
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den. Tigranes wurde in den Rang eines amicus et socius populi Romani erhoben, der ri:imische Einflug iiber Armenien somit in politischen und diplomatischen Bindungen befestigt, womit freilich gleichzeitig das bisher durchaus gute Verhaltnis zum Parthischen Reich auf das schwerste belastet wurde. Denn als sich Pompei us mit dem Konig Tigranes arrangiert hatte, fie! die gemeinsame Frontstellung der beiden Grogreiche gegen Armenien selbstverstandlich ebenso weg wie die gemeinsame Unterstiitzung des jungen Tigranes, der auch Schwiegersohn des parthischen Konigs war, gegen seinen Vater. Der parthische Konig Phraates III. mugte schon bald feststellen, dag sich die Romer an die Abmachung vom Friihjahr 66 v. Chr., als Pompeius den Euphrat als beiderseitige Interessengrenze fixiert hatte, nicht mehr hielten. Romische Offiziere unternahmen Streifziige in das Gebiet jenseits des Flusses. Die zwischen Armenien und dem Partherreich liegende und von beiden Reichen beanspruchte Landschaft Gordyene siidlich des Wansees lieg Pompeius wenig spater besetzen, auch zu dem Fiirstentum Osrhoene nahm er direkte Kontakte auf. So beginnt sich schon hier jene politische Losung abzuzeichnen, die Pompei us verfolgte, und die Stellung, die er selbst einzunehmen gedachte. Vom Kaukasus bis nach Palastina sollte eine Kette von romischen Klientelstaaten vor das Parthische Reich gelegt werden, so dag Rom nicht durch neue, groge Verwaltungsaufgaben belastet wiirde und dennoch in die Lage versetzt war, den gesamten Nahen Osten politisch zu beherrschen. Pompei us selbst aber gefiel sich am meisten in der Rolle des Mannes, der die grogen, grundsatzlichen Entscheidungen traf, der Streitfalle notfalls durch Kommissionen schlichten Jieg, bei dem die Gesandtschaften der Herrscher und Stammeshauptlinge erschienen, dem von allen gehuldigt wurde. Lucullus hatte die Phantasie der Romer durch seinen Vorstog in das armenische Hochland ein erstes Mal erregt, Pompeius wollte den Vorganger auch darin iibertreffen. Im Friihjahr 65 v. Chr. ginger deshalb zunachst gegen die siidlich des Kaukasus lebenden Stamme der Albaner und Iberer vor, gegen die Bewohner des Kuratales im Gebiete von Aserbeidschan und Georgien. Hier hatte Pompeius indessen hartesten Widerstand zu brechen; sowohl der Albanerkonig Oroises als auch der Ibererkonig Artokes mugten in anstrengenden Marschen gestel!t und unter schweren Verlusten geschlagen werden. Pompeius hatte in diesen
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Kampfen nun aber auch Gebiete erreicht, die fur antike Vorstellungen ganz am Rande der Oikoumene lagen, Gebiete, die nicht einmal Alexander d. Gr. betreten hatte, dessen Erinnerung damals wieder so stark beschworen wurde, daB man glaubte, auch mit den Amazonen in Beruhrung gekommen zu sein. Bis auf einen Dreitagesmarsch kam Pompeius damals an das Kaspische Meer heran, dann zwangen ihn angeblich Skorpione, den Vormarsch gegen Hyrkanien einzustellen und nach Kleinarmenien zuruckzukehren. Aber auch so hatte er durch seinen Marsch an das En de der bekannten Welt groBen Eindruck gemacht und seine angebliche Alexandernachfolge erneut bekraftigt. Im Winter 65/64 und im Fruhjahr 64 v. Chr. wandte sich Pompeius dann der Einnahme der letzten Stutzpunkte und Burgen Mithradates VI. zu, wobei ihm gri:iBere Schatze in die Hand fie len. Dann bezog er in Amisos ein Hauptquartier und ging nun daran, in Pontos, aber auch in den anderen Landschaften Kleinasiens eine systematische Verwaltungsneuordnung durchzufuhren. Seine erste Sorge muBte dabei dem Aufbau der Verwaltung in dem Territorium des ehemaligen Ki:inigreiches Pontos gelten. Ein Grundzug dieser Neuordnung war, daB nur die fruchtbarsten Landschaften des pontischen Reiches von Rom unmittelbar annektiert wurden, ein groBer Teil des Landes wurde jetzt zur Provinz Bithynien hinzugeschlagen. Ein zweiter Grundzug war die Einrichtung von Stadtbezirken, Politien, als Verwaltungssprengeln. Dazu wurde jeweils einer gri:iBeren Stadt das weitere Hinterland zugeordnet, die Stadte somit als Verwaltungszentren und Mittelpunkte von Verwaltungsbezirken eindeutig herausgeste!lt. Diese Neuordnung der pontischen Zivilverwaltung stutzte sich selbstverstandlich auf die bisher schon bestehenden gri:iBeren Stadte; so wurden nun Heraklea, Amastris, Sinope, Amisos und Amasia als Politien organisiert und ihnen allen gri:iBere Gebiete attribuiert. Doch neben diesen funf alten Stadten griindete Pompei us gleichzeitig sechs neue, die ebenfalls dazu ausersehen waren, die Funktion eines solchen Verwaltungsmittelpunktes zu ubernehmen. So wurde jetzt westlich von Amasia ein gri:iBeres Dorf in die Stadt Neapolis umgewandelt, sudlich von Sinope ein Pompeiopolis gegrundet, im Suden von Amisos, am ZusammenfluB von Iris und Lykos die Stadt Eupatoria in Magnopolis umbenannt, Kabira zu Diospolis verwandelt, auch Zela zu
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einem neuen stadtischen Mittelpunkt erhoben und endlich im Halystal ein Megalopolis geschaffen, vielleicht im Raume des spateren Sebasteia. Matthias Gelzer hat darauf hingewiesen, dag diese Verwaltungsneuordnung in Pontos in ihrer Gesamtstruktur mit jenen Magnahmen zu vergleichen ist, welche der Vater des Pompeius durch die lex Pompeia Ende des Jahres 89 v. Chr. in der Gallia Transpadana verwirklicht hat, andererseits aber auch darauf, dag hier an die Stadtgri.indungen Alexanders d. Gr. und der Diadochen angeschlossen wurde bis herab zu den Prinzipien der Namengebung fiir die neuen Stadte. Die hellenistische Stadt wurde hier somit ganz bewugt als wichtigste Zelle der romischen Provinzialverwaltung verwandt. Andererseits gab Pompeius damals durch eine lex Pompeia den Stadten der Provinz Bithynien-Pontus das einheitliche Modell einer stadtischen Selbstverwaltung, die nach dem Briefwechsel des jiingeren Plinius mit Trajan noch im 2. Jahrhundert n. Chr. bestand und respektiert wurde. Diese stadtische Selbstverwaltung sah vor, dag aile freien Bewohner der betreffenden Stadt das Bi.irgerrecht ihrer Heimatstadt bekamen und dag die Stadt ihr Biirgerrecht dari.iber hinaus nur solchen Personen neu verleihen konnte, die noch nicht das Bi.irgerrecht einer anderen Stadt der Provinz besagen. Die stadtischen Beamten wurden jeweils durch Volkswahl gewahlt, und zwar waren nur Burger i.iber dreigig Jahren wahlbar; die gewesenen Beamten bildeten zusammen den Stadtrat, der jedoch von Censoren iiberwacht wurde. Im Prinzip schlog dieses Modell der lex Pompeia somit an hellenistische Normen an, verband damit jedoch die echt romische Institution der iiberwachenden Censoren.
Pompeius' Neuordnung des Nahen Ostens Versucht man die Vielfalt der einzelnen Magnahmen des Pompeius bei seiner Neuordnung des hellenistischen Ostens in schematische Linien zu vereinfachen, so ist festzuhalten, dag Stadte und Klientelfiirsten die beiden wichtigsten Pfeiler seiner Reform darstellten. Die Forcierung der stadtischen Siedlung, die sich in Kilikien schon nach der Liquidation der Seerauberfrage zeigte, und die zielbewugte Erweiterung der stadtischen Verwaltung als wichtigstes Glied der Provinzialverwaltung in Pontos waren natiirlich auf die Gebiete der romischen Provinzen be-
tv!i ttelldndisches fvfeer Lehnsstaaten Roms, teils vergr6Bert, teils verkleinert, teils neugebildet Von Pompei us hinzuerworbene Provinzen
Skizze Nr. 8: Die Neuordnung des Ostens durch Pompei us
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schrankt, aber diese Provinzen sollten nach dem Willen des Pompeius kiinftig ganz Kleinasien umfassen mit Bithynien im Norden, Asia im Westen und dem erneut vergroBerten Kilikien im Siiden Kleinasiens. Doch wie sich bald zeigte, wollte Pompeius diesem direkt verwalteten romischen Kiistensaum dann auch noch Syrien und Palastina angliedern, bis hinab zur Grenze des ptolemaischen Agypten. Fiir das ganze Vorfeld dieser Provinzen, das heiBt fiir das ganze Innere Kleinasiens und fiir den schon skizzierten Grenzsaum gegeniiber dem Parthischen Reich aber wahlte Pompei us die Institution der Klientelstaaten, die zwar offiziell als mit Rom verbiindet und befreundet galten, auch noch ein betrachtliches MaB von innerer Unabhangigkeit besaBen, dennoch aber unter romischer Obhut standen und deshalb auch nicht mehr im Besitz der vollen Souveranitat waren. Diese Institution bot Pompeius die Moglichkeit, sich die betreffenden Konige und Fiirsten personlich zu verbinden und ihre Treue zu Rom durch Gebietszuweisungen zu belohnen. Dies geschah zum Beispiel im Falle des galatischen Fiirsten Deiotarus, der den Konigstitel erhielt, aber zu seinem galatischen Stammland jetzt auch noch die Landstriche im ostlichen Pontos bis hiniiber nach Trapezunt bekam. Ahnlich wurden Brogitaros iiber Teile von Ostgalatien und Kleinarmenien eingesetzt, Attalos und Pylaimenes im Besitz des paphlagonischen Binnenlandes bestatigt, Ariobarzanes in Kappadokien anerkannt, Antiochos I. in Kommagene und so fort. Nachdem zu Beginn des Jahres 64 v. Chr. in Amisos der Aufbau dieses Vasallensystems begonnen worden war, eines Systems, das dann auch in den folgenden J ahren noch weiter erganzt werden sollte, schickte sich Pompei us noch im Friihjahr 64 v. Chr. zu einem Zug nach Syrien an. Den Winter 64/63 v. Chr. verbrachte er wahrscheinlich in Antiochia. Dort ist Pompeius dann mit einer ganzen Reihe von wichtigen politischen Problemen konfrontiert worden, die zeigten, daB das entscheidende Wort in allen bedeutenden politischen Fragen des N ahen Ostens bereits damals von Rom gesprochen wurde. In Syrien, wo nur noch ein kleiner Kern als Dberbleibsel des alten seleukidischen Reiches von Antiochos XIII. regiert wurde, hatte Lucullus diesen letzten seleukidischen Herrscher in seinem Besitz bestatigt. Pompeius entschied auch hier anders und iiberfiihrte dieses Gebiet in die unmittelbare romische Verwaltung; es bildete den Ausgangspunkt
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der jetzt entstehenden, wesentlich groBeren romischen Provinz Syria. Von allen groBen und kleinen Streitfragen, die an Pompeius in Antiochia herangetragen wurden, sollte indessen die judische Frage, das heiBt die Thronstreitigkeiten innerhalb des Hauses der Hasmonaeer am folgenschwersten werden.
Die jiidische Frage Die Familie der Hasmonaer hatte in der Zeit nach dem Makkabaeraufstand urn Jerusalem ein unabhangiges Konigtum geschaffen, das sehr bald eine aktive Rolle in der Politik des Nahen Ostens zu spielen gedachte. Tatsachlich verteidigten die Hasmonaer ihre Unabhangigkeit erfolgreich gegen alle Unterwerfungsversuche der Seleukiden, tatsachlich gelang es ihnen auch, ihre Macht bald auch uber nichtjudische Nachbarlandschaften auszudehnen, allerdings urn einen hohen Preis. Denn je starker diese politische Aktivitat der Hasmonaer wurde und je starker sie ihr Konigtum befestigten, desto weiter muBten sie sich von jenen religiosen und nationalen Triebkraften und Traditionen entfernen, aus denen einst der Aufstand des Judas Makkabaus erwachsen war. Das Ergebnis dieser Entwicklung waren der Zerfall der hasmonaischen Dynastic in Thronwirren, wie sie auch in den ubrigen spathellenistischen Monarchien eine Alltagserscheinung waren, und gleichzeitig der Zerfall der inneren wie der religiosen Einheit des J udentums. Denn fur die inn ere Politik und fur das religiose Leben Israels im spaten 2. und im 1. Jahrhundert v. Chr. ist charakteristisch, daB die grundlegende Gemeinsamkeit der religiosen Dberzeugungen zuriicktrat hinter der Aufspaltung in verschiedene religiose Gruppen, von denen die beiden Richtungen der Sadduzaer und der Pharisaer nur die bekanntesten sind, wahrend von den mancherlei gleichzeitig entstandenen Sekten die Gruppe der Essener vornehmlich durch die aufsehenerregenden Handschriftenfunde vom Toten Meer eine starkere Beachtung fanden. Die Sadduzaer hatten ihren starksten Ruckhalt in der judischen Priesterschaft Jerusalems. Sie hielten insbesondere in formaler Hinsicht an der alten kultischen Dberlieferung fest, stellten sich aber gleichzeitig hinter die politischen Ziele der hasmonaischen Dynastic, so daB man diese Rich tung des J udentums als legitimistisch in weiterem Sinne bezeichnen
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kann. Auch die Sadduzaer waren selbstverstandlich streng schriftglaubig, aber im politischen und kulturellen All tag den T agesforderungen gegenuber sehr vie! aufgeschlossener als die mit ihnen rivalisierenden Pharisaer. Die Pharisaer gingen den W eg der Verwelt!ichung ihres Ki:inigshauses nicht mit und zogen sich im Gegenteil ganz auf das Gesetz zuruck. Fur sie kam alles darauf an, ausschlieBlich den Geboten Gottes zu dienen, Gottes Gebot in einer rigorosen und kompromi~lo sen Weise zu befolgen- ohne jedes Zugestandnis an politische Opportunitat. Dieses ganz bewu~te Absetzen vom politischen Alltag fuhrte dann naturgema~ auch zur Bildung kleiner Konventikel und Sekten, die in klosterahnlichen Gemeinschaften lebten, wie der Gemeinde von Qumran, in deren Leben wir durch die seit 1947 entdeckten Handschriften Einblick erhielten. Dort in Qumran, am Westufer des Toten Meeres, hestand seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. his in die Zeit des gro~en judischerr Aufstandes von 66-70 n. Chr. eine klosterartige Siedlung, deren Bewohner ihre Schriften zuletzt in den Hi:ihlen am Toten Meer versteckten. Diese Handschriften, die als "Dead Sea Scrolls" zu einem festen Begriff geworden sind, umfassen Teile des Alten Testamentes, liturgische Bucher und Werke, die der apokalyptischen Literatur zuzuweisen sind, vor allem aber auch eine Lebensordnung der Gemeinde von Qumran, die sich durch ein ungewi:ihnlich hohes Ethos auszeichnet und die zugleich ein fundamentales Zeugnis fur die religii:isen Stri:imungen in der Umwelt des Neuen Testamentes ist. Einige Satze mogen dies verdeut!ichen: ,Das sind die Gebote fur die ganze Volksgemeinde mit Kindem und Frauen: Leben in der Ordnung der Gemeinde, Gott suchen mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, tun, was gut und recht vor ihm ist, wie er durch Moses und aile seine Diener, die Propheten, befohlen hat; alles lieben, was er erwahlt hat, aber alles has sen, was er verworfen hat; sich fernhalten von allem Bi:isen, aber festhalten an allen guten Werken; Wahrheit, Gerechtigkeit und Recht im Lande uben, aber nicht Ianger im Starrsinn eines schuldbeladenen Herzens und lusternen Augen wandeln, da~ man jegliches Bose tue; alle, die willig sind, Gottes Gebote zu erfullen, in den Bund der Treue zu bringen, urn in Gottes Ratschlu~ zusammengeschlossen zu sein; fromm vor ihm zu wandeln gemag allen Offenbarungen ihrer Zeugenversammlungen; aile Kinder des Lichtes lieben, jeden nach seinem
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Los in Gottes Ratsch]ug, aber aile Kinder der Finsternis hassen, jeden nach seinem Schuldanteil an Gottes Rache." (Dbertragung von H.-J. Kraus.) Hinter dieser Lebensordnung, die von einer Einteilung der Menschheit in ,Kinder des Lichts" und ,Kinder der Finsternis" ausgeht, stehen selbstverstandlich alte dualistische Auffassungen, steht aber auch die Welt der Apokalyptik, die seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. in zunehmendem Mage das Selbstverstandnis des spa ten J udentums pragte, steht ein ganz bestimmtes Verhaltnis zur Geschichte, das nicht ohne Einflug blieb auf spatere, christliche Einstellungen zur Geschichte iiberhaupt. Dieses eigenartige Verstandnis der Geschichte ist vor allem bei Daniel greifbar. Offenkundig wurden in dem Augenblick, als die Juden unter Antiochos IV. schwere Verfolgungen erlitten, altere jiidische Geschichtsvorstellungen wieder aufgegriffen, die den Ablauf der ganzen Weltgeschichte als eine Abfolge der Herrschaft groger Weltreiche verstanden. Diese jiidischen Vorstellungen beriihrten sich selbstverstandlich mit alten W eltzeitalterlehren und mit anderen dualistischen Geschichtsauffassungen des A!ten Orients, in denen die Geschichte als Kampf zwischen den Kraften Gottes und den Kraften des Bosen verstanden worden ist. N ach der bei Daniel zu fassenden spatjiidischen Geschichtsauffassung sch]og an die Abfolge der vier grogen W eltreiche die Gottesherrschaft an. Die jiidischen Zeitgenossen des Antiochos IV. waren der Dberzeugung, dag mit dem Untergang und mit den Freveln dieses seleukidischen Konigs die Abfolge der We!treiche beendet sei und dag die Gottesherrschaft nahe bevorstehe. Diese Geschichtsauffassung blieb im iibrigen auch noch dann vorherrschend, als die Endzeit der Gottesherrschaft nach Antiochos IV. nicht eintraf, die Bilder blieben giiltig und wurden dann auf das Romische Reich iibertragen. Durch die b]oge Umbenennung der vier geschichtlichen Weltreiche wares moglich, die Gesamtkonzeption an die neue politische Lage anzupassen. Fiir das Selbstverstandnis und fiir die Lebenseinstellung der Frommsten des spateren Judentums hatte dieses Geschichtsverstandnis augerordentlich weitreichende Folgen. Denn da das Kommen Gottes und das Ende der Geschichte so nahe waren, wurde das aktive politische Handeln praktisch weitgehend diskreditiert. Man war des Glaubens, dag Gott die Geschichte auch ohne jedes menschliche Mitwirken zum Ende fiihren
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wi.irde, und sah deshalh die eigene Aufgahe lediglich darin, in konsequenter und reiner Treue zu den Gesetzen und Gehoten Gottes dieses Ende zu erwarten. Mit den Gegensatzen der einzelnen religiosen Gruppen verflocht sich seit dem Jahre 67 v. Chr. ein Thronstreit zwischen den heiden hasmonaischen Prinzen Hyrkanos und Aristohulos. Hyrkanos hatte es verstanden, die Untersti.itzung des henachbarten Reiches der nahataischen Araher zu gewinnen, das in Petra seinen Mittelpunkt hatte; sein Gegner Aristohulos versuchte dagegenschon fri.ihzeitig, durch groge Geldgeschenke die romischen Legaten fi.ir sich einzunehmen. Als Pompei us zu Beginn des Jahres 63 v. Chr. nach Damaskus kam, suchte ihn dort eine groge Gesandtschaft von zweihundert Juden auf, die ihn dazu hestimmen wollte, keinen der heiden Hasmonaerprinzen als Konig zu hestatigen, mit dem Argument, dag die Juden ja auch fri.iher nie einen Konig gehaht hatten, sondern nur einen Hohenpriester aus dem Hause Zadoks. Die Zadokiden allein waren deshalh die rechtmagigen Fi.ihrer der Juden, die Hasmonaer hatten sich ihr Konigtum lediglich angemagt. Gleichzeitig vertraten in Damaskus aher auch Hyrkanos und Aristohulos ihre Interessen personlich. Ohwohl Pompeius schon hier von der augerst aktiven und aggressiven Art Aristohuls ahgestogen wurde, wollte er sich in dem Streit selhst zunachst noch nicht festlegen. Dazu kam, dag Pompeius in diesem Augenhlick an der Lage der Juden weit weniger interessiert war als an seinem Plan, in einem zi.igigen Vormarsch in das Reich der nahataischen Araher vorzustogen, dessen Konig Aretas zu unterwerfen und schlieB!ich his an das Rote Meer vorzuri.icken. Pompeius hehandelte die ji.idische Frage deshalh zunachst dilatorisch. Er teilte den heiden Hasmonaerprinzen mit, dag er ihren Streitfall nach seiner Ri.ickkehr von der Expedition gegen die N ahataer entscheiden werde, ordnete aher zugleich an, dag ihn die heiden Prinzen auf dieser Expedition hegleiten sollten. Von diesem Verhalten des Pompeius war Aristohulos am meisten enttauscht, wei! seine grogzi.igigen Geschenke nicht die erwartete Wirkung gezeitigt hatten. Er fli.ichtete deshalh zuerst in eine Festung im Norden von Jerusalem, dann nach Jerusalem selhst. Pompei us zog ihm nach und war in Jericho angelangt, als dort Boten hei ihm eintrafen, die ihm den Untergang Mithradates VI. meldeten. Inmitten neuer Plane und Ri.istungen warder alte Monarch schlieB!ich durch
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eme Erhebung seines Sohnes Pharnakes zum Freitod gezwungen worden. Dam it war jener Herrscher abgetreten, der rund dreiBig Jahre lang in immer neuen Antiufen die romische Herrschaft in Kleinasien und Griechenland in Frage gestellt hatte, der gegen die bereits konsolidierte W e!tmacht Roms groBartige politische und militarische Kombinationen entwarf, der in seine Plane die Unzufriedenheit der Griechen in Kleinasien und im Mutterland ebenso einbezog wie die Aufstande der Italiker und des Sertorius und zuletzt noch das Potential Galli ens. Es ist eine bezeichnende Tatsache, daB gerade dieser Konig einer Randmacht der hellenistischen W e!t die ausgedehnteste Gegenbewegung gegen die romische Expansion in die W ege lei tete, daB er den erbittertsten Widerstand aber nur an der Peripherie des hellenistischen Ku!turbereiches zu organisieren vermochte. Es ist oft gesagt worden, daB dieser Konig im Grunde zwei Welten angehorte, der hellenistischen, mit deren Formen und Technik er sein Konigtum umgab, dan eben aber doch auch einer vitalen, ungeziigelten orientalischen Welt, die sein Konigtum so oft zum reinen Despotismus werden lie£, von dem eine befriedigende Neuordnung fremder Gebiete deshalb auf die Dauer nicht zu erwarten war. Eine echte Alternative ZU der romischen Beherrschung des Nahen Ostens war mit Mithradates VI. somit nicht gegeben. Dagegen hat er Rom ohne Zweifel zum vollen Einsatz im Osten gezwungen und dazu, daB seine romischen Gegenspieler Sulla, Lucullus und Pompeius mit Vollmachten ausgestattet werden muBten, die weit iiber die republikanischen Normen hinausgingen. Nachdem Pompeius vor Jericho die Nachricht vom Tode Mithradates VI. erha!ten hatte, verbot sich der geplante VorstoB gegen die nabataischen Araber und der Zug zum Roten Meer von selbst, denn Pompeius muBte jetzt daran denken, die Neuordnung des Nahen Ostens moglichst rasch zum AbschluB zu bringen. Allerdings wollte er noch die jiidische Frage entscheiden und schien dabei auch bald zum Ziel zu kommen, als sich ihm Aristobul vor Jerusalem unterwarf. Aber offensicht!ich hatte Aristobul seine Anhanger bereits nicht mehr fest in der Hand, denn als der romische Legat Gabinius die Stadt Jerusalem besetzen wollte, leistete ihm die Partei des Aristobulos fanatischen Widerstand. Da sich in Jerusalem selbst die Anhanger des Hyrkanos auf die Seite der Romer schlugen und gegen die Leute des Aristobulos vorgin-
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gen, konnten sich diese in der Stadt nicht mehr halten. Sie zogen sich deshalb in den stark befestigten Tempelbezirk zuriick und hielten dort ihren entschlossenen Widerstand aufrecht. Pompeius mufhe den Tempelbezirk regelrecht belagern lassen und aus Tyros schweres Belagerungsgerat heranschaffen, urn die Befestigungstiirme niederzureigen. Den Romern machte den tiefsten Eindruck, dag die eingeschlossenen Juden auch jetzt das Sabbatgebot einhielten, und sie bauten darauf schlieB!ich auch nach dreimonatiger Belagerung ihren Plan zum entscheidenden Angriff auf den Tempelbezirk auf. Der Sturm gelang, angeblich wurden etwa 12 000 Verteidiger niedergeschlagen. Fiir die J uden wares indessen ein noch weit grogeres Verbrechen, dag Pompei us, sein Gefolge und auch andere neugierige Romer, die sich davon iiberzeugen wol!ten, ob die Juden wirklich einen bildlosen Kultus ausiibten, ob sie wirklich kein Gottesbild verehrten, den Tempel und selbst das Allerheiligste betraten. Das hatte zuvor nur Antiochos IV. gewagt. Immerhin mug man Pompeius zugute halten, dag er sich am Tempelschatz und an den Tempelgeraten nicht vergriff, sondern im Gegenteil dafiir sorgte, dag der Tempel gereinigt wurde und dag schon am folgenden T age die traditionellen Opfer wiederaufgenommen werden konnten. Die Juden haben Pompeius freilich die Schandung ihres Ternpels nicht verges sen, fiir die Fromm en gehorte er in die Reihe der grog en Frevler wie vor ihm Antiochos IV. und nach ihm Nero. Den Juden erschien es deshalb als ein Gottesgericht, als Pompeius fiinfzehn Jahre spater an der agyptischen Kiiste den Tod fand; fiir sie war dieser Tod die lange aufgeschobene Strafe fiir menschliche Anmagung, Dberheblichkeit und fiir das am Tempel von Jerusalem begangene Sakrileg. Nach der Niederwerfung der Anhanger Aristobuls ging Pompeius dann an die systematische Neuordnung der Verwaltung im syrisch-palastinensischen Raum. Der Streit der Hasmonaerprinzen hatte sich praktisch selbst entschieden; Hyrkanos wurde als Hoherpriester anerkannt, sein Bruder Aristobulos und dessen Kinder blieben in Haft, sie wurden fiir den Triumph in Rom aufgespart. Das hasmonaische Konigtum ist dagegen nicht mehr erneuert worden, der hasmonaische ')taat wurde ganz bewugt zerschlagen. Dem Hohenpriester von Jerus iem, dem Leiter der Jerusalemer Kultgemeinde, der seinerseits unmittelbar dem romischen Provinzialstatthalter untergeordnet war, blieben kiinftig lediglich noch die alte Provinz Juda und die Gebiete am mittleren
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und sudlichen Jordan, Peraa und Galilaa unterstellt, Gebiete, deren Bewohner iiberwiegend an dem Kult Jerusalems teilnahmen. Der Hasmonaer war so mit in ganz konsequenter Weise nur noch zum Vorsteher einer grogeren Kultgemeinschaft gemacht worden, nicht mehr zum Konig. Das zeigte sich vor all em daran, dag das von den Hasmonaern unterdriickte Samaria als eine eigene Kultgemeinschaft anerkannt wurde. Es zeigte sich aber auch erst recht in der Behandlung der einstmals freien, von den Hasmonaern unterworfenen Stadte an der Kiiste und im mittleren und ostlichen Ostjordanland, die nun allesamt ihre Gemeindeautonomie zuriickerhielten und die sich jetzt in dem Verband der Zehnstadte, der Dekapolis, zusammenschlossen. In die sen Stadten, meist hellenistischen Griindungen, begann jetzt eine neue Ara; in ihnen sah man in Pompeius nicht den Unterdriicker und Frevler, sondern den Befreier; deshalb wurden dort kunftig die Jahre von dieser Befreiung des Jahres 63 v. Chr. an als pompeianische Ara gezahlt. Allerdings war diese Freiheit nur relativ, denn entscheidend wurde, dag Pompeius Palastina mit Syrien als neue Verwaltungseinheit und Provinz Syria zusammenschlog, eine Provinz, in der somit die alten westlichen Kernlande des Seleukidenreiches erneut zusammengefagt waren. In Syrien lieg Pompeius M. Aemilius Scaurus mit 2 Legion en zuriick. Pompeius selbst trat noch im Spatjahr 63 v. Chr. den Riickmarsch nach Amisos an. Dort warteten auf ihn bereits Gesandte des Mithradatessohnes Pharnakes, die ihm die Unterwerfung ihres Konigs meldeten und die zugleich Geschenke prasentierten, die freilich nach einem etwas merkwurdigen Geschmack ausgewahlt waren. Denn der unterwiirfige Pharnakes lieg Pompeius nicht nur eine groge Anzahl von wertvollen Kleidern und W aflen aushandigen, dazu Sklaven und Geiseln, sondern auch die Leute, die vor rund fiinfundzwanzig J ahren den Konsular Manius Aquilius ausgeliefert hatten, und- den einbalsamierten Leichnam seines Vaters Mithradates VI. Pompeius weigerte sich freilich, die Leiche des toten Gegners auch nur anzusehen, er lieg sie vielmehr in allen Ehren in Sinope beisetzen. Pharnakes hat indessen mit seiner Geschenkkollektion und mit der Unterwerfung den gewiinschten Erfolg erzielt. Er wurde als Freund und Bundesgenosse des romischenVolkes im Besitz seines Bosporanischen Konigtums bestatigt, das dam it, so wie es einst schon Lucullus geplant hatte, endgultig als romischer Vasallen-
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staat anerkannt worden war. Lediglich die Stadt Phanagoreia, in welcher der letzte groge Aufstand gegen Mithradates VI. ausgebrochen war, ist a us dem Bosporanischen Konigtum ausgegliedert und zur freien Stadt erhoben worden. Im Winter 63/62 v. Chr. hat Pompeius dann die oben skizzierte Verwaltungsneuordnung in Pontos und in den Nachbargebieten weiter vorangetrieben und die Mittel fiir die Verteilung der Beute bereitstellen lassen, die aile Erwartungen i.ibertrafen. Denn nicht weniger als 96 Millionen Den are wurden nun verteilt, wobei sich die Satze von 1500 Denaren fiir den einfachen Mann bis zu 1 Million Denare fi.ir die Legaten staffelten. Wahrend das Heer fiir den Ri.icktransport nach Italien zusammengezogen wurde, lieg sich Pompeius auf einer Reise durch die wichtigsten Stadte der Provinz Asia feiern. Im Dezember 62 v. Chr. landete er mit seinem Heer in Brundisium. Seine Erfolge sprachen nun fiir sich selbst. Pompei us hatte in den sechs J ahren, in den en er von Rom abwesend war, die Seerauber ausgeschaltet und Mithradates VI. niedergeworfen, er hatte eine Verwaltungsorganisation entworfen, die fiir absehbare Zeit den romischen Einflug im Nahen Osten garantierte und dennoch fi.ir Rom keine unzumutbaren Belastungen mit sich brachte. Er hatte im Gegenteil die jahrlichen Einki.infte Roms aus dem Osten von 200 Millionen auf 340 Millionen Sesterze hinaufgeschraubt und ungeachtet seiner grogzi.igigen Beuteverteilung doch auch noch 480 Millionen Sesterze in den Staatsschatz i.iberwiesen. Pompeius selbst tat alles, urn diese Leistungen den Romern vor Augen zu fiihren, und lieg sich deshalb auch mit seinem Triumph bis zum 29. September des Jahres 61 v. Chr., bis zu seinem eigenen Geburtstag Zeit, urn ihn umfassend vorzubereiten.
Die Riickkehr des Pompeius und die Bildung des 1. T riumvirats Inzwischen wurden seine Veteranen gleich nach der Landung entlassen, womit die Befi.irchtungen zerstreut waren, Pompeius konne, wie einst Sulla, mit der Armee gegen Rom ziehen, urn dort die politische Fi.ihrung des Staates zu gewinnen. Urn so groger war die Begeisterung, mit welcher der zuri.ickkehrende Feldherr auf seinem Wege nach Rom und bei seiner Ankunft in der Stadt gefeiert wurde. Seine erste Rede an
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den Senat gipfe!te in der Feststellung, daG er gegen zweiundzwanzig Konige gekampft und daG er die Provinz Asia, die er als Grenzland iibernommen habe, nun als gesicherte Binnenprovinz zuriickgebe. Auch der spate Triumph, der dritte, den Pompei us feierte, fuhrte dann zwei Tage lang in den bunten Reihen der gefangenen Konige und Prinzen, in den abenteuerlichen Gestalten der Seerauberfuhrer, in dem Prunk der Beute, in zahlreichen Abbildungen und erklarenden Inschriften das AusmaG der Taten des Pompeius vor Augen. Nur darf man die Folgen nicht iiberschatzen: Ciceros maGlos aufgebauschte Selbstinterpretation seiner Rettung des Vaterlandes hatten den Senat mit neuem Selbstgefuhl erful!t und ein wenn auch bescheidenes Gegengewicht gegen Pompei us geschaffen, der sich jetzt mit dem politischen Alltag konfrontiert sah und der sich, wie schon im Jahre 70 v. Chr., in einer Welt behauptcn wol!te, deren Gesetze und Praktiken ihm immer fremd blieben. Denn fur die romische Innenpolitik waren Ruckkehr und Triumph des Pompei us gleichsam nur die Feiertage, der politische Al!tag wurde von anderen Kraften und anderen Problemen beherrscht. Im Spatjahr 62 v. Chr. ist die romische Offentiichkeit zunachst durch den Clodiusskandal erregt worden, in dem ein wagemutiger Streich eines Angehorigen der stadtromischen Aristokratie zu einem Politicum ersten Ranges wurde. Der designierte Quastor P. Clodius Pulcher war fur seinen ungezugelten Lebenswandel und fur sein undiszipliniertes Verhalten schon immer bekannt gewesen. Sein Meisterstuck gedachte er Ende des Jahres 62 v. Chr. zu liefern, als er wahrend des Festes zu Ehren der Frauengottheit Bona Dea, eines Festes, zu dem nur Frauen Zugang hatten und das damals im Hause des Stadtprators und Pontifex maxim us C. Iulius Caesar stattfand, als Frau verkleidet eindrang, angeblich, urn sich so der Gattin Caesars, Pompeia, zu nahern. Clodius wurde entdeckt, er konnte sich wohl noch dank der Hilfe einer Sklavin aus dem Staub rnachen- doch begann damit auch der Skandal. Zunachst wurde in Rom eine ganze Zeitlang diskutiert, ob man Clodius wegen des Sakrilegs vor einen Sondergerichtshof stellen konne oder nicht. Clodius selbst hatte offensichtlich SpaG an der Entwicklung, wie sie die Dinge jetzt nahmen. Er gab sich als Verfolgten der Optimaten, stilisierte sich selbst gleichzeitig zum Vorkampfer der Popularen gegen die optimatische Willkur und organisierte sich zu allem hin bald auch noch eine schlagkraftige Kniip-
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pelgarde, die in den nachstcn Jahren wiederholt die StraBen Roms beherrschen sollte. Der Skandal erreichte aber erst seinen eigentlichen Hi:ihepunkt, als der Sondergerichtshof schlieBlich doch konstituiert wurde und als es Clodius dann gelang, mit den von Crassus zur Verfugung gestellten Geldern die Mehrzahl der Richter, nicht weniger als 31, zu bestechen und mit dieser Rechtsbeugung einen Freispruch zu erzielen. Die Bedeutung des Clodiusprozesses ist indessen nur dann richtig zu wurdigen, wenn man beriicksichtigt, daB durch ihn die Atmosphare der ri:imischen lnnenpolitik erneut schwer belastet wurde. Da Clodius bei seiner Agitation keinerlei Hemmungen kannte, wurden die Fuhrer und Reprasentanten der Senatsaristokratie reihenweise beleidigt, auch Cicero, der in seiner Eitelkeit so Ieicht zu verletzen war und tiber dessen GroBtaten sich Clodius selbstverstandlich entsprechend mokierte. Cicero rachte sich, indem er wahrend des Prozesses ein gefalschtes Alibi des Clodius platzen lieB, nur legte er sich damit auch eine Feindschaft zu, an der er in den nachsten Jahren sein Teil zu tragen hatte. Bemerkenswert prompt und kiihl hatte Caesar auf den Vorfall in seinem Hause reagiert, an dem seine Frau Pompeia wahrscheinlich ganz unschuldig war. Er lieB ihr so fort die Scheidung iibermitteln, und als er daraufhin im Senat angesprochen wurde, wei! seine Reaktion iiberraschte, soli er sein Verhalten damit begriindet haben, ,daB seine Angehi:irigen von Verdacht ebenso frei sein muBten wie von Verbrechen". Das Ende des Prozesses hat Caesar gar nicht abgewartet. Kaum waren die propratorischen Provinzen fur das Jahr 61 v. Chr. ausgelost, da setzte er sich, schon fast fluchtartig, in das ihm zugefallene Hispania ulterior ab, so bedrangten den mit rund 25 Millionen Verschuldeten seine Glaubiger, die nur eine Biirgschaft des Crassus voriibergehend besanftigt hatte. Die eigentlichen Tractanden der ri:imischen lnnenpolitik waren zu Be ginn des J ahres 61 v. Chr. jedoch von Pompeius gestellt, dem es jetzt darauf ankommen muBte, die Versorgung seiner Veteranen zu sichern und die Zustimmung des Senats zu seiner Verwaltungsneuordnung im hellenistischen Osten zu erhalten. Beide Angelegenheiten hatten sich bei einer geschickten Behandlung und Bearbeitung der zustandigen politischen Gremien wahrscheinlich unschwer durchsetzen lassen, da Pompeius in der Sache nichts Unbilliges wollte. Sein Fehler war nur,
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daiS er die Vertretung seiner Antrage in die falschen Hande legte und auch selbst keinerlei Geschick in der Behandlung des Senates zeigte. Der Volkstribun Lucius Flavius erwies sich als Sachwalter des Pompeius ebenso ungeeignet wie der Konsul L. Afranius, dem Pompeius durch ziemlich massive Bestechungen fiir das Jahr 60 v. Chr. zum Amt verholfen hatte. Der Volkstribun Lucius Flavius hatte zum Zwecke der Landbeschaffung fiir Pompeius' Veteranen ein Agrargesetz vorgelegt, das alles andere als revolutionar war. Das beni:itigte Siedlungsland so lite dies mal vom Staate aufgekauft und dazu fiir die Dauer von fiinf J ahren auf die durch Pompeius neu hinzugekommenen Abgaben aus dem Osten zuriickgegriffen werden, so daiS die Finanzierung des Projektes gesichert war. Urn dem An trag aber auch in Rom selbst die notwendige Resonanz zu verschaffen, war vorgesehen, daiS bei der Verteilung des Landes auch Interessenten der besitzlosen ri:imischen Plebs beriicksichtigt werden sollten. Allein die Senatsaristokratie stemmte sich einem solchen Projekt in ihrer iiberwiegenden Mehrheit entgegen, sie befiirchtete offensichtlich, daiS mit der Verwirklichung dieses Plans wiederum Pompeius beauftragt werden ki:innte, den man gerade wieder mit allen Mitteln in die Normen der politischen GrofSenordnung Roms zuriickzwingen wollte. Es sollte jetzt SchluiS sein mit den aufSerordentlichen Imperien und allen Sonderauftragen. Einzig Cicero gewahrte dem Antrag seine Unterstiitzung, aber auch er in erster Linie aus persi:inlichen Motiven. Aus ganz persi:inlichen Motiven widersetzte sich dem anderen Vorschlag des Pompei us, seine VerwaltungsmaiSnahmen en bloc zu billigen, dessen Vorganger Lucius Lucullus. Lucullus beharrte darauf, daiS die von Pompeius getroffenen Verfiigungen im Senat Punkt fiir Punkt heraten werden miiiSten und daiS der Senat insbesondere aile jene Anordnungen sehr genau zu iiberpriifen hatte, in den en voriibergehende Regelungen des Lucullus verandert worden waren. Andere profilierte Senatsmitglieder, so der Konsul Metellus Celer und Metellus Creticus stieiSen in dasselbe Horn, auch bei ihnen iiberwogen die persi:inlichen Beweggriinde. Metellus Celer war ein Halbbruder der Mucia, von der sich Pompei us gerade getrennt hatte, Metellus Creticus trug dem Pompeius dessen Erfolg im Seerauberkrieg nach. Aber auch Cato und Crassus stimmten gegen die von Pompeius erstrebte Li:isung. Pompeius sah sich so von der Senatsaristokratie zuriickgestofSen und mufSte schliefS-
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lich auch noch erleben, daB Cato ihm, dem Magnus und dreifachen Triumphator, die Hand einer Verwandten versagte, deren Vormund Cato war. Die Dinge entwickelten sich dann geradezu zur Groteske, als L. Flavius den Widerstand des Konsuls Metellus Celer gegen sein Agrargesetz zu brechen versuchte. Flavius lieB im Sommer des Jahres 60 v. Chr. den Konsul auf Grund seiner tribunizischen Gewalt kurzerhand einsperren, doch es zeigte sich, daB Metellus Celer dadurch nicht zu erschiittern war. Er berief vielmehr den Senat zu einer Sitzung ins Gefangnis ein und hatte schon damit die offentliche Meinung auf seiner Seite. Allein Flavius setzte sich in die Tiir des Gefangnisses, und da er selbst sakrosankt war, hoffte er auf diese Weise den zur Sitzung schreitenden Senatoren den Zugang zu versperren. Doch Metellus Celer hatte Humor und lieB jetzt an einer anderen Stelle die Mauer aufbrechen, urn dem Senat dennoch einen Eingang zu verschaffen. Pompeius sah ein, daB er in dieser Kraftprobe nie zum Erfolg kommen wiirde und lieB deshalb das ganze Projekt vorlaufig resignierend ruhen. Die politische Konstel!ation in Rom nahm eine neue Wendung, als im Sommer des Jahres 60 v. Chr. Caesar aus Spanien zuriickkehrte. Caesar hatte sich als Ziel seiner Tatigkeit als prokonsularischer Stattha!ter der Provinz Hispania ulterior gesetzt, auf aile Faile einen Triumph zu erreichen, wobei die zu erhoffende Kriegsbeute gleichzeitig zur Begleichung seiner Schulden dienen muEte. So stiirzte er sich sofort nach seiner Ankunft in der Provinz in den Kampf gegen einige Stamme siidlich des Duero, nahm dann nach einem FlottenvorstoB nach Norden die Stadt Brigantium im Gebiet der Kallaiker ein, wo er von seinen Truppen zum Imperator ausgerufen wurde. SchlieE!ich kamen aile auf ihre Kosten: die Hauptstadt, wei! Caesar aus seiner Beute ansehnliche Summen an die Staatskasse iiberwies, die Truppen und Offiziere, wei! sie von Caesar in angemessenem MaBe an der Beute beteiligt wurden, Caesar selbst, der seine Finan zen sanierte und dem der Senat zu guter Letzt auch noch einen Triumph zuerkannte. Die Bedeutung der administrativen MaBnahmen des Prokonsuls Caesar wird man daneben nicht iiberschatzen diirfen. Sicher griff er hier und dort bei MiEsranden ein. Er bemiihte sich beispielsweise urn die Ablosung der Kriegsentschadigungen aus den Tagen des Sertoriuskrieges sowie urn eine Neufassung des Schuldendien~tes, die in des sen bei wei tern nicht so einschneidend war wie die von Lu-
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cull us in Asia verki.indete. Bis zur sogenannten Reichspolitik Caesars ist es jedenfalls von der spanischen Statthalterschaft noch ein weiter Weg. Caesar hat sie wohllediglich als Station einer ri:imischen Karriere gesehen, deren nachste Stufe das Konsulat des Jahres 59 v. Chr. werden mufhe. Ehe noch sein Nachfolger eingetroffen war, stand Caesar deshalb im Sommer 60 v. Chr. wieder vor Rom, urn seinen Triumph vorzubereiten und urn sich gleichzeitig urn das Konsulat fiir das nachste J ahr zu bewerben. Fi.ir diese Bewerbung war seit 63 v. Chr. die persi:inliche Anwesenheit des Kandidaten in Rom selbst erforderlich. Andererseits verlor Caesar sein Imperium und damit sein Recht auf den Triumph, wenn er die geheiligte Stadtgrenze, das pornerium, i.iberschritt. Da der Wahltag fri.iher lag, als Caesars vorgesehener Triumphzug stattfinden konnte, kam Caesar in Schwierigkeiten. Er suchte beim Senat urn eine Entbind ung von der persi:inlichen Anwesenheitspflicht fi.ir die Bewerbung zum Konsulat nach und harte auch durchaus reelle Chancen, diese Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Doch gab es auch dafi.ir Terminschwierigkeiten, da praktisch nur eine einzige Senatssitzung zur Verfi.igung stand, urn einen BeschluB in dieser Sache herbeizufi.ihren. Auch hier stellte sich Cato Caesar in den Weg, indem er seine Monsterrede so lange ausdehnte, bis die Dunkelheit angebrochen war und die Sitzung geschlossen werden muBte. Wieviel Caesar nun immer an seinem Triumph gelegen war, noch mehr lag ihm am Konsulat. Ohne Zi:igern i.iberschritt er deshalb das pomerium und meldete seine Kandidatur an. Die Wahl fi.ir die heiden Konsulate des Jahres 59 v. Chr. ist darm von den interessierten Gruppen unter Einsatz aller Mittel gefi.ihrt worden. Caesar hatte sich schon fri.ihzeitig mit einem reichen Schi.itzling des Pompeius, Lucius Lucceius, zusammengeschlossen, einem Manne, der zwar i.iber die erforderlichen Mittel, aber i.iber keinerlei politischen Anhang verfi.igte und den Caesar damit koderte, daB er ihm erlaubte, die Wahlgelder in beider Namen auszuzahlen. Cato und andere Mitglieder der Nobilirat bauten gleichzeitig Marcus Calpurnius Bibulus als Kandidaten auf und zeigten sich dabei auch nicht knauserig im Einsatz ihrer Gelder, wie diese Gruppe i.iberhaupt bestrebt war, mi.t allen Kniffen Caesars Position einzuengen und seine Wirkungsmi:iglichkeit zu beschneiden. Ein probates Mittel gab ihr dabei das Gesetz des C. Gracchus in die Hand, das besagte, daB jeweils noch vor der Wahl der neuen
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Konsuln deren spatere Provinzen festgelegt werden soli ten. Fiir die zukiinftigen Konsuln des Jahres 59 v. Chr. lieGen sich die Senatoren besonders provozierende Aufgaben einfallen, namlich die Abgrenzung der staat!ichen Waldungen und Triftwege -silvae callesque -. Unter solchen Vorzeichen wurden Caesar und Bibulus zu Konsuln fiir das Jahr 59 v. Chr. gewahlt. Das ungleich wichtigere Ereignis a us der zweiten Halfte des J ahres 60 v. Chr. hangt indessen mit der verstandlichen Reaktion des Pompeius und Caesars auf die Obstruktion der Nobi!itat zusammen, wobei sich Caesar als die treibende Kraft erwies. Denn nach Catos Vorgehen und nach der weiteren Briiskierung durch die Fest!egung seiner Provinz war Caesar klargeworden, daG er sich allein gegen den geschlossenen Widerstand der Senatsaristokratie nicht wiirde behaupten konnen. Caesar war mit seinem Anhang vie! zu schwach, urn es mit den untereinander vielfaltig verbundenen Klientelgruppen der Nobilitat aufnehmen zu konnen. Was er benotigte, waren machtige Bundesgenossen. Als solche boten sich sowohl Pompei us als auch Crassus an. Pompei us fiir seine Ziele zu gewinnen, war verhaltnismaGig einfach, denn Pompeius war gleichfalls iiber die Behandlung erbittert, die ihm von seiten der Nobilitat zuteil geworden war. Anders lagen die Dinge bei Crassus, der sich seit 70 v. Chr. von Pompeius immer weiter distanziert hatte und der noch in der Frage der Anerkennung der VerwaltungsmaGnahmen des Pompei us zuletzt mit der Nobilitat gegen seinen alten Kollegen gestimmt hatte. Dennoch kam das von Caesar angestrebte Biindnis schlieG!ich zustande. Die drei Politiker gelobten einander, ,in der Politik nichts zu unternehmen, was einer der drei 'miBbillige"'. Das war zwar eine sehr weite und dehnbare Forme!, aber es sollte sich bald erweisen, daG das Triumvirat seine Bewahrungsprobe im politischen Alltag hestand. Die drei Politiker brachten in ihr Privatbiindnis sehr verschiedenartige Krafte ein. Pompeius die groBe Gefolgschaft des letzten Krieges, die ihren alten Feldherrn noch immer stiirmisch feierte, wenn er in der Offentlichkeit auftrat, und die nur nicht verstand, warum sich Pompeius in der romischen Politik nicht durchsetzen konnte, Crassus die Geldmittel, die zuletzt in der romischen Innenpolitik alles moglich gemacht hatten, Caesar vor allem die wichtige Basis eines groBen Staatsamtes fiir das Jahr 59 v. Chr., im iibrigen jene kiihne und ungewohnli-
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che militarische und politische Begabung, die in ihrem vollen AusmaG freilich erst spater hervortreten sollte. Die Bedeutung des privaten Paktes dieser drei Manner des 1. Triumvirates ist schon bald gesehen worden. Schon fiir Asinius Pollio begann das Zeitalter des groGen Biirgerkrieges im Jahre 60 v. Chr. Niemand wird den revolutionaren Charakter dieses Schrittes leugnen, nur wird man stets zu beriicksichtigen haben, daG gerade die profilierten Fuhrer der Senatsaristokratie am meisten zum ZusammenschluG der drei Politiker beigetragen haben. Das Machtstreben und der EinfluG der drei principes wurde fiir die Ri:imische Republik gerade deshalb so gefahrlich, wei! diejenigen, die sich als Verfechter der republikanischen Tradition aufgeworfen hatten und fiihlten, den hervorragenden Mannern verwehrten, ihre dignitas im Rahmen der Republik zu sichern. Der Vorwurf, daG die Behandlung der Drei durch den Sen at kurzsichtig und unrealistisch war, wird sich kaum entkraften lassen. Einen ZusammenschluG mehrerer Politiker samt ihrer Klientel und ihres Potentials hatte die Ri:imische Republik schon wiederholt erlebt, wenn auch nicht in den Dimensionen des Jahres 60 v. Chr. Allein der entscheidende Unterschied zu friiheren ahnlichen Konstellationen liegt darin, daG sich diese drei Manner nicht lediglich zur Durchsetzung konkreter EinzelmaGnahmen und zur Erreichung bestimmter Nahziele verbanden, sondern daG sie konsequent und riicksichtslos eine langfristige und kontinuierliche gemeinsame Machtausiibung anstrebten, die auf lange Sicht die traditionelle Herrschaft des Senates neutralisieren muGte. Eine so starke Machtposition konnte in die republikanische Struktur nicht mehr integriert werden. Gelang die Konsolidierung dieses Paktes, so war die Ri:imische Republik beseitigt. Wie sich aus dem Riickblick zeigt, fiihrte in Rom der Weg zu Diktatur und Principat iiber die Triumvirate.
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Caesars 1. Konsulat Wenn die modernen Betrachter in der Regel vom Jahre 60 v. Chr. an mit dem sogenannten 1. Triumvirat als einer festen GroBe rechnen, die seither zum beherrschenden Faktor der romischen Politik wurde, so galt eine solche Perspektive fi.ir die Zeitgenossen nicht. In ihren Augen war nach wie vor der in den Hintergrund gedrangte Pompeius der wichtigste Mann im Staate, das Zusammenspiel der Drei wurde erst allmahlich sichtbar, und die Rolle, die Caesar dabei zukam, wurde fast allgemein unterschatzt. Caesars erstes Konsulat, in dem er mit seinem alten personlichen Gegner Bibulus zusammenzuarbeiten hatte, muBte jedoch nach Catos Herausforderung von allen Seiten als eine Machtprobe verstanden werden. Dabei lieB sich scheinbar zunachst fi.ir Caesar alles ganz gut an. Er gab sich Mi.ihe, seinen Kollegen Bibulus durch ausgesuchte Hoflichkeit zu gewinnen, doch kames rasch zur Konfrontation, als Caesar dem Senat ein neues Ackergesetz vorlegte, das schon Ende des Jahres 60 v. Chr. propagiert worden war, ein Ackergesetz, das in mancher Hinsicht an die Vorlagen des Rullus aus dem Jahre 63 und des Flavius aus dem Jahre 60 v. Chr. ankni.ipfte, aber auch die Lehren aus jenen gescheiterten Projekten zog. Bei dem an die Siedler zu verteilenden Land so lite der gesamte Staatsbesitz in Italien erfaBt werden, mit Ausnahme des verpachteten ager publicus in Kampanien. Daneben sollte eine Verteilungskommission von 20 Mitgliedern, in die Caesar nicht gewahlt werden konnte, eine Kommission, die einen geschaftsfi.ihrenden AusschuB von fi.inf Mitgliedern besetzte, durch Kauf moglichst vie! Land aus privatem Besitz fur die neue Siedlungswelle bereitstellen. Urn diese groBe staatliche Kaufaktion aber auch den Verkaufern annehmbar zu machen, wurde ausdri.icklich festgesetzt, 1. daB der augenblickliche Besitzstand an Grund und Boden nicht i.iberpri.ift, sondern vom Staate anerkannt wurde, 2. daB bei den Verkaufsverhandlungen von dem Wert auszugehen sei, der beim letzten
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Caesar
Census festgestel!t worden war, soda£ die Kommission nicht die Moglichkcit hatte, den Preis herabzudriicken und ein korrekter Handel gcwahrleistct war. Die Mittel fiir die gro£e Kaufaktion sollten wiederum der von Pompeius eingebrachten Beute und den neuen Abgaben des Ostens entnommen werden, so da£ der romische Staatshaushalt nicht zusatzlich belastet wurde. Endlich wurde bestimmt, da£ die Neusiedler den Boden 20 Jahre lang nicht verau£ern konnten; erst darnach ginger praktisch in ihr volles, frei verfiigbares Eigentum iiber. Nachdem Caesar diesen Gesetzentwurf im Senat bekanntgemacht hatte, erklarte er sich sogleich bereit, Verbesserungsvorschlage zu beriicksichtigen, aber Verbesserungsvorschlage hatten die Senatoren nicht zu machen, und in eine sachliche Diskussion des ausgereiften Antrages Caesars wol!ten sie auch gar nicht eintreten. Sie waren im Prinzip gegen Caesars Projekt, wei! es Pompei us in die Han de arbeitete und Caesar bei einer Annahme gro£es Prestige verschaffen mu£te. N achdem die ersten Senatoren schon auf Zeitgewinn aus waren, gab Cato einmal mehr die Parole, da£ am Bestehenden nichts geandert werden diirfe, und setzte daraufhin dann abermals zu einer Erschopfungsrede an. Fiir Caesar war dies, nach dem Rededuell vom Jahre 63 v. Chr. und nach Catos Obstruktion vor der Konsulwahl fiir 59 v. Chr., eine neue Provokation, die ihm zugleich zeigte, da£ es mit der Senatsaristokratie keine sachliche Zusammenarbeit geben konnte. Er versuchte zunachst Cato unter Druck zu setzen, indem er den Dauerredner abfiihren lie£, aber als die Mehrzahl der Senatoren Cato folgte, lie£ er ihn wieder frei mit der Ankiindigung, da£ er jetzt das Gesetz ohne Senatsbeschlu£ der Volksversammlung zur Abstimmung vorlegen werde. Auf den Contionen, den Versammlungen vor der Abstimmung, ersuchte Caesar wiederum urn sachliche Verbesserungsvorschlage, doch ohne Erfolg. Als er dem opponierenden Bibulus immer starker zusetzte, verlor dieser schlie£lich seine Fassung und die Maske, indem er dem Volk zurief: ,Ihr werdet das Gesetz in diesem Jahre nicht bekommen, und wenn ihr es auch aile wollt!" Caesar lie£ daraufhin Pompeius und Crassus zugunsten des Gesetzes sprechen, und es machte gro£en Eindruck, da£ Pompeius dabei seine Bereitschaft erklarte, notfalls fiir das Gesetz zu den Waffen zu greifen. Die Abstimmung gestaltete sich dann zu einem neuen Kraftakt, in dem man auf heiden Sci ten vor keinem Mittel zuriickschreckte. Bibulus suchte durch fortgesetzte Himmelsbeob-
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achtung und durch Manipulationen mit dem Kalender eine Ahstimmung in den Comitien zu verhindern, Caesar ging dariiher hinweg, heraumte die Volksversammlung trotzdem an, Pompeius zog Veteranen zusammen, und als Bihulus am Wahltage Caesar unterhrechen wollte, war dies nur das Signal zu Tumulten schlimmster Art. Bihulus wurde zuerst lediglich mit Mist heworfen, aher dann wurden er und die zu ihm stehenden Volkstrihunen und Aristokraten wie Cato von einem hewaffneten Schlagerkommando des Vatinius verpri.igelt und weggejagt, das Ackergesetz Caesars daraufhin angenommen. Wie heiden Gesetzen des Appuleius Saturninus aus dem Jahre 100 v. Chr., so muBten auch diesmal alle Senatoren einen Eid auf das Gesetz Caesars ahlegen, wozu Cato freilich nur durch Ciceros Zureden gehracht werden konnte. Die Vorgange urn Caesars 1. Ackergesetz lieBen die kompromiBlosen Haltungen der heiden Parteien ehenso deutlich hervortreten wie die Praktiken und Methoden, die sie in dieser Auseinandersetzung anzuwenden gedachten. Die Senatsaristokratie wollte durch die Ohstruktion des Bihulus und durch Catos Geschaftsordnungsmanover, das heiBt mit scheinhar vollig legalen Methoden jede Losung der groBen Prohleme verhindern, solange sie von Caesar kam. Caesar war umgekehrt entschlossen, seine Antrage mit allen Mitteln durchzuhringen, er setzte sich iiher die traditionellen verfassungsrechtlichen Bindungen ehenso hinweg wie iiher die politisierten, vorgehlich religiosen Hindernisse, er schreckte vor gewaltsamen Eingriffen ehensowenig zuriick wie vor dem direkten Appell an die Volksversammlung. Die hier zutage tretende Konstellation sollte auch fur das ganze weitere Konsulatsjahr Caesars hestimmend hleihen, und darin lag nun allerdings eine evidente Veranderung der politischen Institutionen Roms. Populare Gesetze, wie es das Ackergesetz Caesars war, wurden einstmals der Volksversammlung von Volkstrihunen vorgelegt, von den Gracchen his zu Sulpicius Rufus war dies in Rom die Norm gewesen, die dann Sulla mit der Entmachtung des Trihunats gesprengt hatte. Jetzt ging die Initiative zu popularer Gesetzgehung vom Konsulat aus, wahrend der Senat, wie zur Zeit der Gracchen, des Appuleius Saturninus und des Livius Drusus, in der Gesetzgehung praktisch iiherspielt wurde. Diese Ausschaltung des Senats sollte, wie gesagt, kein Einzelfall hleihen. Kurze Zeit nach der Vorlage des 1. Ackergesetzes griff Caesar ei-
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nen Antrag der publicani fi.ir die Provinz Asia auf, die eine Herabsetzung ihrer Pachtsumme erbeten hatten. Auch dieser Antrag wurde von Caesar direkt der Volksversammlung vorgelegt und, obwohl der Senat ein halbes Jahr zuvor das Gesuch der publicani zuri.ickgewiesen hatte, von der Volksversammlung die Ki.irzung in Hi:ihe von einem Drittel der ganzen Schuldsumme auch gebilligt. Altruistisch ist Caesars VorstoB in dieser Frage freilich nicht gewesen, denn sowohl er selbst als auch Crassus waren an den Pachtgesellschaften beteiligt und haben aus diesem Erfolg deshalb auch persi:inlichen Gewinn gezogen. Gleichzeitig wurde dann auch die Frage der Anerkennung von Pompeius' VerwaltungsmaBnahmen im Osten gesetzlich geregelt, auch hier nicht zuletzt deswegen, weil Caesar auf Lucullus den massivsten Druck ausgei.ibt hat. Fi.ir den ri:imischen Senat waren die Folgen dieser Initiative noch schwerwiegender als die des Ackergesetzes. Denn die Durchfi.ihrungsmaBnahmen der Bestatigung muBten sich in einer ganzen Reihe von neuen Staatsvertragen mit kleinasiatischen Vi:ilkerschaften, Ki:inigen und Tetrarchen niederschlagen, die nun aber nicht, wie bisher i.iblich, vom Senat, sondern von der Volksversammlung auf Antrag des Volkstribuns Vatinius beschlossen wurden. Die Senatoren erregten sich dabei nicht nur deswegen, weil Vatinius in dieser Angelegenheit ziemlich groBzi.igig und selbstherrlich vorging, sondern am meisten dari.iber, daB hier ganz ahnlich wie im Falle des pergamenischen Erbes zur Zeit der Gracchen das alte Monopol des Senates fi.ir die Fragen der auswartigen Beziehungen und der Finanzverwaltung durchbrochen war. Wie souveran und egoistisch die Triumvirn in Caesars Konsulatsjahr die auswartigen Beziehungen i.iberhaupt behandelten, zeigt am besten der Fall des ptolemaischen Ki:inigreiches in Agypten. Caesar und Crassus hatten schon im Jahre 65 v. Chr. die Einziehung A gyptens betrieben in der Hoffnung, daB sich fi.ir Caesar in diesem Zusammenhang eine attraktive Position erringen lasse, und sich dabei auf ein angebliches Testament Ptolemaios XI. gesti.itzt. In der Zwischenzeit hatte sich jedoch der ptolemaische Herrscher Ptolemaios XII., der den offiziellen Beinamen Neos Dionysos fi.ihrte, aber unter seinem inoffiziellen, Auletes, der Oboeblaser, bekannter geworden ist, urn die Sache der Triumvirn einige Verdienste erworben. Wahrend des Feldzuges des Pompeius in Judaa hatte Ptolemaios XII. 8000 Reiter besoldet, im Jahre 59 v.Chr. soll er Caesar und Pompei us mit 6000 Talenten oder 36 Million en Dena-
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ren unter die Arme gegriffen haben. Bei einem Konig, der in Rom Anleihen aufnahm, urn es den fiihrenden Politikern recht zu machen, konnte von Absetzung selbstverstandlich keine Rede sein. Auf Caesars Antrag gingen deshalb Senat und Yolk mit dem Ptolemaer ein neues Biindnis ein. Im Marz des Jahres 59 v. Chr. zeigte ein politischer Prozeg gegen Ciceros Kollegen im Konsulat des Jahres 63 v. Chr., gegen Gaius Antonius, der wahrscheinlich wegen seiner Verfehlungen als Statthalter von Makedonien vor dem Repetundengerichtshof angeklagt worden war, wie verworren die inneren Fronten Roms damals verliefen. Die Anklage wurde von Caesar und Crassus unterstiitzt, deswegen entschlog sich Cicero, seinen friiheren Kollegen zu verteidigen, obwohl er von dessen infamia iiberzeugt war. Nicht genug damit, er beniitzte die Gelegenheit seiner Rede dazu, urn die augenblickliche politische Situation in schwarzen Farben zu schildern, wobei er sich iiber die Konsequenzer. einer solch offenen Opposition ganz sicher nicht im klaren war, sondern seine Charakterisierung der Gegenwart wohl eher als ein rhetorisches Ablenkungsmani:iver betrachtete. Cicero hatte seine mutigen Worte urn die Mittagszeit gesprochen, schon drei Stunden spater war Ciceros gefahrlichster persi:inlicher Gegner, P. Clodius, von einem Plebejer adoptiert und damit in der Lage, sich urn das Volkstribunat zu bewerben. An sich war eine solche Anderung des Stan des- die transitio ad plebemnach dem geltenden ri:imischen Zivilrecht eine besonders zeitraubende Angelegenheit, wei! mit ihr sowohl die pontifices als auch die Kurien befagt werden mug ten. Caesar und Pompeius, der Konsul und pontifex maximus und der Augur, machten aus dem Akt eine Farce, die selbstverstandlich jederzeit anfechtbar war, doch zunachst wurde Clodius Plebejer. Auch im Antoniusprozeg zog Cicero den kiirzeren, da sein Mandant wohl mit Recht verurteilt worden ist. Die Triumvirn, besonders Caesar, haben im iibrigen aile erdenklichen Anstrengungen unternommen, urn Cicero auf ihre Seite zu ziehen und auf jeden Fall immer den offenen Bruch mit dem grogen Redner und Konsular zu vermeiden gesucht, wei! sich dieser schon von Haus aus nie vi:illig und ausschlieB!ich mit der Senatsaristokratie identifizieren konnte. So hatte bereits im Dezern her 60 v. Chr. Caesars praefectus Jab rum oder Adjutant, Cornelius Balbus, bei Cicero einen Besuch gemacht und ganz offen zu erkennen gegeben, dag Caesar beabsichtige,
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mit Crassus und Pompeius zusammenzuarbeiten, aber auch seinen, das heifh Ciceros, Rat fur sein Konsulat wunsche. Und noch nach dem AntoniusprozeB boten Pompeius und Caesar Cicero eine Stelle in der Z wanzigerkommission fur das Ackergesetz an; Caesar offerierte Cicero uberdies auch eine Legatenstelle. Cicero schlug beide Angebote jedoch aus, ganz gewiB nicht nur deshalb, wei! er jede aktive Zusammenarbeit mit den Herren der Stunde vermeiden wollte, sondern wei! er die Krafte, die hinter ihm selbst stan den, bei wei tern uberschatzte, so sehr uberschatzte wie die Realitat derconcordia-ordinum-Idee, von der Cicero so oft gesprochen hatte, daB er notwendig an sie glauben muBte. lmmerhin ist Ciceros Reaktion im Friihjahr 59 v. Chr. zugleich ein Beweis dafur, daB die Nobilitat ihre Sache noch lange nicht verloren gegeben hatte. Verschiedene Vorfalle zeigten ganz im Gegenteil, daB sich Caesar und Pompeius mit ihrer konsequenten MiBachtung von Tradition und Gesetz auf die Dauer keineswegs einhellige Sympathie erwerben konnten, sondern sich vielmehr selbst in eine allmahlich sehr prekare Lage brachten. Caesars Amtskollege Bibulus sabotierte den Geschaftsgang dadurch, daB er ab April sein Haus nicht mehr verlieB und dieses otium cum dignitate nun dazu benutzte, urn durch eine ganze Serie von bissigen und enthullenden Edikten und Schriften in Caesars Vergangenheit hineinzuleuchten. Diese ,archilochischen Edikte", wie sie Cicero einmal bezeichnete, erfreuten sich, wie das ganze genos der Enthullungsliteratur uber Amts- und Wurdentrager, selbstverstandlich groBter Beliebtheit, und gelegentlich fuhrte ihr Aushang in den engen StraBen Roms sogar zu Verkehrsstockungen. Zum eigent!ichen Wortfuhrer und Protagonisten der Opposition aber wurde der junge Gaius Scribonius Curio, der Sohn des Konsulars Curio, ein zorniger junger Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm. Diese offene Opposition verfehlte ihren Eindruck ebensowenig wie die indirekte der Senatoren, die jetzt in immer groBerer Zahl den Senatssitzungen fernblieben und so dem Consul Caesar aile Resonanz nahmen. Viele von ihnen folgten dem Beispiel Ciceros, der nun aufs Land zog. Offensichtlich war inzwischen auch Pompeius von der ungewohnlichen Dynamik Caesars irritiert worden, und da er unterdessen saturiert war, erlebte die politische Zusammenarbeit der drei Politiker schon jetzt ihre erste Krise. Doch Caesar fing sie zunachst einmal durch eine neue politische Ehe auf, indem er seine einzige Tochter Iulia kurz vor
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deren schon geplanter Hochzeit zwang, ihre Verlobung aufzulosen und den rund dreigig Jahre alteren Pompei us ZU heiraten, eine Ehe, die trotz allem dann aber besonders ghicklich geworden ist und die, wie sich zeigen sollte, auch tatsachlich die Erwartungen Caesars erfi.illte. Im April 59 v. Chr. hat Caesar eine neue gesetzgeberische Initiative ergriffen und als Erganzung seines ersten Ackergesetzes ein zweites, die lex de agro Campana, eingebracht, ein Gesetz, das vorsah, dag der sogenannte ager Campanus, das heigt jenes Areal von immerhin etwa 500 km 2 , das nach der Kapitulation von Capua im Jahre 211 v. Chr. in romisches Staatseigentum gekommen war, an ungefahr 20 ooo romische Bi.irger, und zwar besonders an Veteranen und Kinderreiche, aufgetei!t werden so lite. In diesem Zusammenhang ist auch Capua, das im Hannibalischen Kriege seine politische Selbstandigkeit verloren hatte, als romische Bi.irgerkolonie und damit als selbstandige politische Gemeinde wieder neu konstituiert worden. Die lex de agra Campana sollte gleichsam als eine Art von Sofortmagnahme Siedlerstellen schaffen, nachdem sich herausgestellt hatte, dag Caesars erstes Ackergesetz nur sehr Iangsam Resu!tate erbringen konnte, wei! die anzuwendenden Verfahren augerordentlich langwierig waren. Allerdings brachte die lex de agra Campana auch schwere Eingriffe in die wirtschaft!iche Lage der campanischen Pachter mit sich und schlieBlich fi.ir die romische Staatskasse den Ausfall eines wichtigen Einnahmepostens. Doch auch hier war Catos Widerspruch nutzlos, mit Hilfe der Koloniegri.indung und der agrarpolitischen Sofortmagnahme auf dem ager Campanus vergrogerten Pompeius und Caesar ihre Gefolgschaft betracht!ich. Die sich srandig versteifende Haltung der inneren Opposition zwang die Triumvirn jedoch, auch fi.ir die Zukunft Vorsorge zu treffen, denn bereits war in den Kreisen der Senatsaristokratie angeki.indigt worden, dag aile Amtshandlungen Caesars ungesetzlich seien und dag man ihm deshalb nach Abschlug seines Amtsjahres den Prozeg machen wi.irde. Es war daher nach Lage der Dinge klar, dag auch Caesar fi.ir sich ein langfristiges imperium erstrebte, so wie es zuletzt mehrmals fi.ir Pompeius beschlossen oder zumindest zu beschliegen versucht worden war. Allein die Analogiefalle erleichterten Caesars Plane keineswegs, denn die Mehrheit des Senats wollte grundsatzlich keinen neuen grogen Imperien mehr zustimmen, ain allerwenigsten fi.ir Caesar, von dem man sich nach den ersten gewa!tsamen Vorstogen seines Konsulats fi.ir die
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Zukunft nichts Gutes erwartete. Die romischen Aristokraten mochten sich dariiber amiisieren, dag man die Konsuln des Jahres 59 v. Chr. mit den Waldern und Triften Italiens abgespeist hatte, nur ging diese Rechnung nicht auf. Ob Caesar von allem Anfang an ein ganz bestimmtes Imperium fiir sich erstrebt hat, ist zweifelhaft. Aber die Lage in Gallien entwicke!te sich ohne Caesars Zutun so, dag sich ein solches Imperium fiir den gallischen Kriegsschauplatz vertreten lieg, und dort griff Caesar zu. Auf die Vorgeschichte von Caesars gallischem Krieg ist spater naher einzugehen, hier mug der Hinweis geniigen, dag in Gallien seit dem Jahre 62 v. Chr. Unruhen ausgebrochen waren, dag imJahre 61 die Haeduer, die traditionellen Verbiindeten, Roms Schutz gegen die Sequaner erbeten hatten, dag der germanische Heerkonig Ariovist schon friiher iiber den Rhein gegangen war und die Unruhe dieser Bewegung auch bereits die Helvetier erfagt hatte. Schon im Jahre 60 v. Chr. hatte man in Rom den heiden Konsuln Metellus Celer und L. Afranius noch wahrend ihres Konsulates die Provinzen Gallia cisalpina und Gallia transalpina iibertragen und so einen Prazedenzfall fiir Caesar geschaffen. Denn wahrscheinlich im Mai 59 v. Chr., nach anderer Ansicht schon Anfang April- die genaue Chronologie der Gesetzgebung Caesars ist sehr umstritten - , legte der Volkstribun Vatinius der romischen Volksversammlung die beriihmte lex Vatinia vor. In dieser lex war vorgesehen, dag Caesar so fort die Provinz Gallia cisalpina und augerdem Illyricum iibertragen wurden, ferner 3 Legionen, und dag ihm das Recht zuerkannt wurde, seine Legaten selbst zu ernennen. Dieses prokonsulare imperium wurde zunachst fiir die Dauer von 5 Jahren zuerkannt, das Gesetz enthie!t eine Klausel, wonach vor dem 1. Marz 54 v. Chr. iiber Caesars Provinz nicht verhande!t werden durfte. Kurze Zeit darnach starb Metellus Celer, der Statthalter der Provincia Narbonensis, und daraufhin brachte nun Pompeius, diesmal im Senat, den Antrag ein, Caesar zu seinem vom Yolk bereits verliehenen imperium fur Gallia cisalpina und Illyricum jetzt auch noch die Provinz Gallia transalpina mit einer weiteren Legion zu iibertragen. Allerdings sollte Caesars Befehlsgewalt in der Transalpina erst am 1. Januar 58 v. Chr. beginnen und der jahrlichen Erneuerung bediirfen. Wiederum leistete Cato erbitterten Widerstand, aber auch das sarkastische Wort von dem Tauschbandel mit Provinzen und Tochtern, das er damals fallenlieg,
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anderte nichts an der T atsache, daB Caesar auch die Provinz T ransalpina erhielt. Damit verfiigte Caesar iiber eine Basis, von der er sowohl auBenpolitisch als auch innenpolitisch die weitreichendsten Operation en einleiten konnte. Die bereits weitgehend romanisierte Provinz Gallia cisalpina bot ihm gute Moglichkeiten zu einer zusatzlichen Rekrutierung von Soldaten; schon ein J ahr spater lieB Caesar dort zwei neue Legionen aufstellen. Von der Provinz Gallia transalpina aus konnte sich Caesar selbstverstandlich jederzeit in die innergallischen Wirren einschalten, und dort sind ihm dann die groBen Aufgaben zugewachsen. Doch gleichzeitig eroffnete ihm das Imperium iiber Illyricum auch auf der Balkanhalbinsel weite militarische Perspektiven fiir eine Auseinandersetzung mit dem dakischen Konig Burebistas, der gerade damals seine Macht immer weiter ausgedehnt hat, so daB es nur noch eine Frage von Jahren sein konnte, bis sich Rom mit dem dakischen Reich auf der Balkanhalbinsel urn die von beiden Seiten beanspruchten Landstriche an der unteren Donau schlagen muBte. Fiir die romische Politik war jedoch die Tatsache noch weit wichtiger, daB Caesar von seiner oberitalischen Basis aus jederzeit mit starken Kraften in Rom selbst eingreifen konnte und daran, daB diese Basis auch tatsachlich in solcher Absicht gewahlt worden war, lieB Caesar selbst keinerlei Zweifel aufkommen. Denn nach einer Angabe in Suetons Caesarvita soll Caesar im Senat triumphierend und zugleich drohend geauBert haben, daB er nunmehr trotz der Opposition seiner Gegner das bekommen habe, was er sich gewiinscht hatte, und daB er ihnen von dort aus allen auf die Kopfe springen werde. Doch die Opposition war noch lange nicht gebrochen, und nur in dem verzweifelten Bemiihen, wenigstens ihre Fuhrer mundtot zu rnachen, laBt sich wohl Caesars Verhalten in der sogenannten Vettiusaffare vom Juli 59 v. Chr. verstehen. Damals versuchte ein gewisser Lucius Vettius, der von Caesar drei Jahre zuvor ins Gefangnis geworfen worden war, den schon erwahnten Protagonisten der Opposition gegen die Triumvirn, den jungen Gaius Scribonius Curio, in ein angeblich geplantes Attentat auf Pompei us hineinzuziehen, urn ihn zu kompromittieren. Aber das Komplott scheiterte, und als Vettius deswegen vor Gericht gestellt werden sollte, wurde er im Gefangnis tot aufgefunden. Das Geriicht war nicht aus der Welt zu schaffen, daB sich seine Auftraggeber
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auf diese Weise seiner entledigt hatten. Seine Auftraggeber, das aber hieB wohl in erster Linie Vatinius, in zweiter Linie wahrscheinlich auch Caesar. In dem raschen Wechsel von weitsichtigen gesetzgeberischen MaBnahmen, offenkundigen Gewaltakten und primar egoistischen Planen, wie er fur einen groBen Teil von Caesars erstem Konsulatsjahr charakteristisch ist, bedeutete dann im August 59 v. Chr. die Vorlage cines julischen Repetundengesetzes, die Vorlage der lex Julia repetundarum, cine echte, selbst von Cato nicht bestrittene, staatsmannische Leistung. In der Hauptsache brachte dieses julische Gesetz keine entscheidenden Neuerungen, sondern cine uberzeugende, klare Zusammenfassung des bereits gultigen Rechts fur die Repetundenprozesse, prazise Bestimmungen sowohl der strafbaren Handlungen als auch der dem Gesetz unterworfenen Personen, schlieB!ich cine Neuordnung des ProzeBablaufs sowie cine Reihe von prinzipiell wichtigen Bestimmungen fur die Provinzialverwaltung, Bestimmungen, die sich gerade aus der scharferen Definition der Tatbestande ergeben hatten. Das Gesetz behielt seine Gultigkeit wahrend der ganzen romischen Kaiserzeit, noch im Codex Iustinianus wird darauf Bezug genommen.
Romische lnnenpolitik im Schatten der Triumvirn Die Triumvirn hatten rechtzeitig sicherzustellen versucht, daB ihr EinfluB in Rom auch in der Folgezeit gewahrleistet war und deshalb in dem Schwiegervater Caesars, L. Calpurnius Piso, und in Aulus Gabinius zwei Kandidaten fur das Konsulat des folgendcn Jahres prasentiert. Allein dabei machte Bibulus neue Schwierigkeiten, es gelang Caesars Kollegen sogar, cine Verschiebung der Konsulwahlen auf den 18. Oktober zu erreichen und damit die Gegenkandidaten des Gabinius und Piso von der immer starker anwachsenden Stimmung gegen Pompeius und Caesar profitieren zu lassen. Doch Pompeius und Caesar steigerten nach dieser Herausforderung nur noch ihre Anstrengungen; letzte Intrigen gegen Gabinius scheiterten, die Kandidaten der Triumvirn wurden gewahlt. Allerdings warder Sieg nicht vollstandig, denn zu Pratoren waren auch so profilierte Optimaten wie Lucius Domitius Ahenobarbus und Gaius Memmius gewah!t worden, die schon bald darauf im
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Senat die Frage zur Diskussion stellten, ob nicht aile Amtshandlungen des Konsuls Caesar wegen Verfassungswidrigkeit zu kassieren waren. Caesar ste!lte sich zunachst drei Tage lang allen Angriffen und verteidigte die Legalitat seiner lex agraria vor allem mit dem naheliegenden Argument, daB sich aile Senatoren eidlich gebunden hatten, diese lex zu befolgen. Einer endgi.iltigen Entscheidung entzog sich Caesar dann jedoch dadurch, daB er die geheiligte Stadtgrenze, das pomerium, i.iberschritt und damit als Trager seines Imperiums zunachst nicht mehr zu belangen war. Unterdessen hatte jedoch P. Clodius seine Tatigkeit als Volkstribun aufgenommen, und schon bald nach dem 10. Dezember 59 v. Chr. riB er nun die Initiative in der romischen Innenpolitik an sich. In rascher Folge peitschte er in der Volksversammlung eine Serie von vier Gesetzen durch, die ihm samtlich ein hohes MaB von Popularitat sichern muBten, andererseits aber sehr weitreichende Folgen hatten. Ein neues Getreidegesetz bestimmte, daB das bisher vom Staat zur Verfi.igung gestellte verbilligte Getreide in Zukunft kostenlos abgegeben wurde. AuBerdem wurde die Zahl der Bezugsberechtigten so weit erhoht, daB sie 12 Jahre spater auf 320000 angewachsen war. Schon nach kurzer Zeit muBte ein Fi.inftel des ganzen romischen Staatshaushaltes fi.ir diese Getreideabgabe eingesetzt werden. Ein zweites Gesetz brachte die Wiedereinfi.ihrung der collegia, das heiBt die Erlaubnis zur Neugri.indung und Weiterfi.ihrung aller vereinsartigen Zusammenschli.isse, die im Jahre 64 v. Chr. verboten worden waren, wei! diese Zirkel der romischen Plebs zu den wichtigsten Zellen fi.ir aile Abstimmungen und damit zu den Zellen der Wahlbeeinflussung geworden waren. Ein drittes Gesetz des Clodius legte fest, daB in Zukunft kein Magistrat die Staatsgeschafte durch Ergebnisse der Himmelsbeobachtung, angeblich schlechte omina und so fort, das heiBt mit anderen Worten mit den Method en des Bibulus, unterbrechen durfte, ein viertes Gesetz bestimmte, daB Senatoren in Zukunft nur noch dann aus dem Senat gestoBen werden konnten, wenn beide Censoren dari.iber derselben Meinung waren und wenn eine ordentliche richterliche Untersuchung des Falles stattgefunden hatte. Den aufsehenerregendsten Antrag brachte Clodius dann erst einige Zeit spater ein, als Caesar bereits die Stadt verlassen hatte. Es war sein Gesetzesvorschlag, daB derjenige, der einen romischen Bi.irger ohne
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formelles Gerichtsurteil toten lasse oder toten lief~, geachtet werde. Clodius versuchte damit eine alte lex Sempronia mit riickwirkender Giiltigkeit wieder zu erneuern und griff hierdurch selbstverstandlich auch implicit Ciceros Handlungsweise im Jahre 63 v. Chr. an. Cicero erkannte das auch sofort, verlor aber offensichtlich die Nerven und gab seine im Jahre 63 v. Chr. so miihsam errichtete Position geradezu fl uchtartig auf. Denn wie friiher erwahnt wurde, wares Cicero damals tatsachlich gelungen, den ganzen Senat nach Catos Rede auf seinen Kurs festzulegen. Hinter dieser, allein von Caesar nicht geteilten Position, war Cicero gedeckt. Allerdings ist es andererseits verstandlich, daiS Cicero in diesem Augenblick nur die eigene Gefahrdung sah. Da er sich seit dem Jahre 63 v. Chr. in vollig iibertriebener Form zum Retter der Stadt stilisiert hatte, da er noch Ende 59 v. Chr. der Illusion vertraute, es wiirde ganz Italien zusammenstromen, urn ihn, den Retter der Stadt, den Schopfer der Eintracht der Stande, der concordia ordinum, vor den von Clodius drohenden Gefahren in Schutz zu nehmen, bezog er jetzt auch folgerichtig das Clodische Gesetz auf sich allein. In seiner Monomanie kam ihm keinen Augenblick der Gedanke, daiS er die Solidaritat aller gefahrdeten Senatoren herstellen und auf diese vertrauen konnte. Es kam bald zu Demonstrationen und Gegendemonstrationen, in den en die inzwischen von Clodius formierten Banden das Feld beherrschten. Aile Versuche Ciceros, durch Pompeius oder die Konsuln Schutz zu erhalten, scheiterten. Wie ein Kartenhaus brach Ciceros Traumwelt zusammen. Selbst wohlmeinende Freunde und Aristokraten rieten ihm, sich erst einmal ins Exil zu begeben und dort in Sicherheit die weitere Entwicklung abzuwarten. Urn den 10. Marz 58 v. Chr. fluchtete Cicero aus Rom, am folgenden Tage wurde der Antrag des Clodius angenommen, Ciceros gro!Ses Haus auf dem Palatin gepliindert und in Brand gesetzt, ebenso sein Landhaus bei Tusculum. Schon kurze Zeit darnach wurde Cicero dann geachtet, wei! er angeblich einen gefalschten Senatsbeschlu!S habe aufzeichnen und darnach romische Burger ohne Urteilsspruch habe toten lassen. Ciceros Vermogen sollte eingezogen, jeder bestraft werden, der einen Antrag auf Beseitigung dieses Gesetzes stel!te. Aber Cicero wurde in dieser Situation von alten Freunden Hilfe zuteil, obwohl Clodius seinem Antrag bald eine weitere Bestimmung hin-
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zufugte, wonach der Bereich der Achtung erst 500 Meilen jenseits von Italien en den so lite und jeder mit Strafen bedroht wurde, der Cicero unterstutzte. Dber Lucanien, Brundisium und Dyrrhachion reiste Cicero nach Thessaloniki, wo er bei dem Sohn eines Landsmannes, der gerade den Posten eines Quastors der Provinz Macedonia verwaltete, zunachst Aufnahme fand. Kurze Zeit nachdem auf diese Weise Cicero ins Exil getrieben war, brachte es Clodius auch fertig, Cato aus der Stadt zu entfernen. Er wahlte dazu einen W eg, auf dem Cato seine Hal tung nur muhsam behaupten konnte, einen W eg, den Clodius offensichtlich mit geradezu teuflischer List abgesteckt hatte. Denn da der ri:imische Staatshausha!t nicht zuletzt wegen der Gesetzgebung des Clodius in betracht!iche Schwierigkeiten gekommen war, sah sich Clodius gezwungen, neue Mittel zu beschaffen und verfiel deshalb auf den Gedanken, das Ki:inigreich Cypern einzuziehen, das damals von einem Bruder des agyptischen Ki:inigs Ptolemaios Auletes regiert wurde. Auf diesen Ptolemaerki:inig war Clodius ohnehin nicht gut zu sprechen, wei! er nicht das erforderliche Li:isegeld fur den Loskauf geschickt hatte, als Clodius selbst vor Jahren in die Hand der kilikischen Seerauber gefallen war. Jetzt griff Clodius diese a!te Geschichte auf, behauptete, der Ptolemaer sei ein Helfershelfer der Seerauber, sein Ki:inigreich musse daher eingezogen werden. Er fuhrte einen entsprechenden Volksbeschlug herbei und lieg dann zur Erledigung dieser Aufgabe Cato einen Sonderauftrag als quaestor pro praetore erteilen und ihn dane ben auch noch mit der Ruckfuhrung von Verbannten nach Byzanz betrauen. Da Cato bisher immer aus Prinzip gegen die Dbertragung augerordentlicher Kommandos gewesen war, bereitete es Clodius und Caesar ein diabolisches Vergnugen, dag er sich nun selbst einer solchen Aufgabe stellen und dem Volksbeschlug gehorchen mugte. Obwohl Cato kein nennenswerter Stab zur Verfugung stand, konnte er seine Pflichten ohne gri:igere Schwierigkeiten erfiillen, wei! sich der cyprische Konig Ptolemaios noch vor Catos Eintreffen auf der Insel das Leben nahm. Die Einziehung des ki:iniglichen Vermi:igens fiihrte Cato dann mit jener Gewissenhaftigkeit durch, die man an ihm gewohnt war. Er konnte immerhin 7000 Talente an die ri:imische Staatskasse abfiihren. Allerdings fie! in Catos Befriedigung iiber den Verlauf seiner Aktion der Wermutstropfen: Wie viele vorsichtige Leute hatte Cato von seiner Ab-
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rechnung gleich zwei Ausfertigungen herstellen lassen, doch auf der Riickreise gingen beide Exemplare ohne sein Yerschulden verloren, so daB der Musterknabe fast zur lacherlichen Figur geworden war. Im Herbst des Jahres 56 v. Chr. konnte Cato nach Erfiillung seiner Aufgabe wieder nach Rom zuriickkehren, wo er von Senat und Yolk schon an der Tibermiindung begeistert begriiBt wurde. Cicero hatte auf seine Heimreise nicht so lange zu warten brauchen, aber sein Exil dauerte doch wesentlich Linger als er geglaubt hatte. Obwohl seine Freunde in Rom schon bald eine lebhafte Agitation fur seine Riickkehr entfachten und obwohl vor allem Pompeius die Demagogic des Clodius und die pausenlosen Dbergriffe und Gewa!ttaten von dessen Banden !angst leid war, wurde noch im Januar 57 v. Chr. von Clodius' Leuten eine Yolksversammlung auseinandergesprengt, die iiber die Riickberufung Ciceros abstimmen so lite. Cicero fie! daraufhin in die schwersten Depressionen, fuh!te sich von allen verraten und machte selbst seinem Freund Atticus Yorwurfe, der Cicero und dessen Familie in der groBzugigsten Weise unterstiitzt hatte und nichts unversucht lieB, urn Ciceros Riickkehr zu bewirken. Die Lage anderte sich erst in dem Augenblick, als im Sommer 57 v. Chr. auch die Gegner des Clodius, der Yolkstribun T. Annius Milo und dessen Kollege P. Sestius, ebenfalls Priigelgarden organisierten und mit ihnen nach wilden StraBenschlachten den Terror des Clodius brechen konnten. Erst darnach setzte sich Pompeius an die Spitze einer neuen Aktion zur Riickberufung Ciceros. Senat, Yolksversammlung, die italischen Municipien wurden planmaBig bearbeitet, am 4. August 57 v. Chr. traten die Centuriatcomitien zusammen, in denen das Gesetz i.iber die Riickberufung Ciceros verabschiedet wurde, einen Monat spater, am 4. September, zog Cicero unter dem Jubel der romischen Bevi:ilkerung wieder in Rom ein. Yerurteilung, Exil und Riickkehr hatten Cicero durch ein stiirmisches Auf und Ab von Enttauschungen, Hoffnungen, Zweifeln, HaB, Selbstkritik und neuen Erwartungen gefiihrt. Jetzt lag das alles hinter ihm, und schon in den zwei groBen Reden vor dem Sen at und dem Yolk gab Cicero in alter Beredsamkeit seine Deutung der Yorfalle, stilisierte der Redner den Riickschlag des Politikers zu einem neuen Erfolg urn. Diese Reden Ciceros entha!ten freilich ungeheuerliche Satze und Behauptungen, so findet sich in der Rede vor dem Senat Ciceros beriihmte
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Selbstidentifizierung mit dem Staat: ,Mit mir waren die Gesetze im Exil, mit mir die Gerichte, mit mir die Rechte der Beamten, mit mir die auctoritas des Senats, mit mir die Freiheit, mit mir auch die Fruchtbarkeit der Felder, mit mir alle heiligen Satzungen und Bindungen der Mensch en und Gotter." In der gleichen Rede hatte er schon vorher behauptet, daB er gerade durch sein Exil nur neues BlutvergieBen verhindert habe und daB die Preisgabe seiner eigenen Sicherheit dem Staat zum Heil gereicht habe. Mit solchen Mitteln schuf Cicero auch urn seine Verbannung einen neuen M ythos, und in der spateren Rede Pro Sestio war daraus dann die letzte Konsequenz gezogen in den Worten: ,Ich habe also den Staat durch mein Fortgehen gerettet, ihr Richter; Ich habe von euch und euren Kindem Mord, Verwiistung, Brand und Pliinderung durch meinen Schmerz und meine Trauer abgewendet, und als einzelner Mann habe ich zweimal den Staat gerettet: einmal durch meine ruhmvolle Tat, dann durch meine leidvolle Triibsal." Cicero gab vor zu glauben, daB ihn der Tag der Riickkehr mit der Unsterblichkeit in Beriihrung gebracht habe. In der von Senat, Rittern, Biirgerschaft und von den italischen Sradten gemeinsam beschlossenen Riickberufung sah er seinen consensus omnium bonorum wiederhergestellt und maB der einmaligen politischen Konstellation damit eine Bedeutung bei, die ihr in Wirklichkeit nie zukam. Selbstverstandlich wurde neben der Selbststilisierung dann auch Pompeius in den Himmel gehoben, gleichsam zum groBten Mann aller Zeiten erklart. Daran war lediglich soviel richtig, daB Cicero seine Riickberufung tatsachlich teilweise dem Einsatz und dem Prestige des Pompeius zu verdanken hatte und daB Pompeius in diesem Augenblick, wahrend Caesar in Gallien war, zur wichtigsten Personlichkeit des politischen Lebens in Rom wurde. Pompeius fieberte schon !angst einem neuen groBen Sonderauftrag entgegen, da ihm das stillere Wirken in den bisherigen Bahnen keine rechte Befriedigung gewahrte, und erhielt dazu nun im September 57 v. Chr. eine passende Gelegenheit. Im Sommer 57 v. Chr. war in Rom die Getreideversorgung zusammengebrochen, woraus Clodius selbstversrandlich sofort Kapital schlug, indem er erklarte, das sei lediglich auf die Menschenauflaufe bei der Riickkehr Ciceros zuriickzufiihren und Anfang September schlieB!ich eine regelrechte Hungerrevolte in
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Gang brachte. Wahrend dieser Unruhe kam dann Pompeius' Name in die Diskussion, wei! man von ihm allein eine schnelle organisatorische Bewaltigung der Krise erhoffen konnte. Die beiden Konsuln und Cicero hatten deshalb die offentliche Meinung ganz auf ihrer Seite, als sie fur Pompeius ein neues langfristiges prokonsulares Imperium zur umfassenden Bewaltigung der Schwierigkeiten in der Getreideversorgung beantragten. Auch diese neue Aufgabe hat Pompeius dann sehr tatkraftig angepackt und umfassend gelost. Er fuhrte nicht nur in kurzer Zeit die notwendigen Getreidemengen nach Rom, sondern regelte gleichzeitig auch die Erfassung der Bezugsberechtigung fur die kostenlose Getreideverteilung und schuf so auf einem Sektor Ordnung, dem auch noch Caesar und Augustus und die romischen Kaiser stets ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden mufhen; denn die cura annonae, die seit den Tagen der Gracchen zu einem Politicum ersten Ranges geworden war, wurde mehr und mehr zur vornehmsten innenpolitischen Fursorgeaufgabe der fuhrenden romischen Politiker zugunsten der stadtromischen Bevolkerung. Trotz dieses eindeutigen Erfolges des Pompeius blieb seine Stellung nicht unangefochten. Sein Vorhaben, im Spatjahr 57 v. Chr. mit der Ruckfuhrung des aus Alexandria gefluchteten Konigs Ptolemaios XII. beauftragt zu werden, scheiterte, die ganze Angelegenheit fuhrte nur zu neuen inneren Komplikationen und konnte von Pompeius zunachst nicht bereinigt werden, so daG der agyptische Herrscher fur einige Zeit im Asyl beim Artemistempel von Ephesos lebte, und erst im Jahre 55 v. Chr. im Auftrage des Pompeius von dem syrischen Statthalter Aulus Gabinius wieder nach Agypten zuruckgebracht werden konnte. Neben diesen Vorgangen dauerten die StraGenkampfe zwischen den Banden des Clodius und Milo an, und auch im Fruhjahr 56 v. Chr. beherrschte Clodius die offentliche Buhne. Ihm war es gelungen, fur dieses J ahr zum Adil gewahlt zu werden, und in dieser Eigenschaft lieG er nun seinem Rivalen Milo wegen Gewaltverbrechens den ProzeG rnachen, ein Verfahren, das Clodius auf dem Gipfel der Demagogic sah. Denn nach allen StraGenschlachten, Brandstiftungen und Wahlbehinderungen wurde die Verhandlung gegen Milo am 6. Februar 56 v. Chr. zu einem einzigen Skandal. Zuerst wurde Pompeius niedergebriillt, der sich zu Milos Gunsten auGern wollte, dann aber auch Clodius. Nach
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stundenlangen Tumulten organisierte Clodius dann das beliebte Frageund Antwortspiel politischer Rhetorik, wobei ihm die Menge im Sprechchor antwortete. Nach dem von Cassius Dio (39, 19, 1) gegebenen Bericht fragte Clodius seine Leute: Wer ist ein zugelloser Imperator? - und alles briillte ,Pompeius". -An welchem Mann muB man den Mann suchen?- ,Pompeius"- Wer kratzt sich mit einem Finger am Kopf?- ,Pompeius"- Wer laBt die Plebs Hungers sterben?,Pompeius"- Wer will nach Alexandrien gehen?- ,Pompeius".Zuletzt schlieB!ich: Wen wollt Ihr? - Alles rief ,Crassus". - Das weitere ging dann in einer neuen, wusten Schlagerei unter. Die ganze Szene ist nun nicht nur fur die Entwicklung der antiken po!itischen Kampfmethoden bedeutsam, sondern sie ist ein bezeichnendes Beispiel dafur, daB Clodius !angst seine eigene Politik machte. Indessen liegt seine herausragende Bedeutung im Felde der politischen Methodik. Da ihm weder eine Heeresgefolgschaft zur Verfugung stand noch eine hinreichend groBe personliche Klientel, hat er noch einmal systematisch die stadtromische plebs in weitestem Umfang mobilis~ert und dabei auch nicht gezogert, selbst das Potential der Sklaven fur seine Interessen einzusetzen. Gerade durch die vollig skrupellose und dynamische Aktivitat des Clodius, durch die vehemente Radikalisierung der stadtromischen Politik wurde die Unzulanglichkeit der republikanischen Institutionen wie die Veranderung der gesellschaft!ichen Basis in der Hauptstadt offenkundig. In den Zellen der collegia kristallisierte sich jetzt der zuvor amorphe politische Wille der untersten Schichten der romischen Gesellschaft in zuvor nie erreichter Konzentration und Starke. Wie die sorgfaltigen Analysen von E. S. Gruen erwiesen haben, steht dem auf der anderen Seite eine ganz erstaunliche Versteifung der hierarchischen Struktur der fuhrenden Gesellschaftsschichten entgegen. Von den 61 Konsuln der Zeit zwischen 78 und 49 v. Chr. stammten nur sieben aus Familien, die zuvor noch keinen Konsul gestellt hatten. Noch immer waren somit Familienzugehorigkeit, Patronage und die vielfa!tigen Verbindungen innerhalb des Systems der Nobilitat fur eine politische Karriere bestimmend. Eine nennenswerte 'soziale Mobilitat' ist in jenen Jahrzehnten fur die oberen Stufen der Hierarchie nicht festzustellen; der Widerspruch zwischen der wirtschaftlichen und sozialen Realitat ist eklatant. Zudem hatte gerade die Formierung des ersten Triumvi-
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rats die Krafte der Nobilitat aufgeri.ittelt. Die Triumvirn als die gemeinsamen Gegner liel~en die traditionellen Konflikte innerhalb der alten Aristokratie zuri.icktreten, und ein Mann wie Cato sorgte dafiir, daB es zumindest mit Caesar keinen KompromiB gab. Angesichts dieser Konstellation muBte Clodius zu einem Katalysator jener Spannungen werden, welche die stadtromische Politik erfi.illten. Er hat gewiB nicht die Romische Republik zerstort, aber durch ihn sind jene anarchischen Zustande provoziert worden, mit den en das Senatsregiment nicht mehr fertig wurde. Mogen auch berechtigte Zweifel daran bestehen, ob Clodius eine klare politische Programmatik verfolgte, so ist es doch falsch, die Urteile seines alten Gegners Cicero nachzusprechen und ihn lediglich als Bandenfi.ihrer zu kriminalisieren. Der Erfolg der Agitation des P. Clodius ist schlieB!ich nur verstandlich, wenn in Rechnung gestel!t wird, daB sich die reaktionare Politik der romischen Nobilitat als unfahig erwiesen hatte, die dringenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Rom zu losen. Zu Beginn des Jahres 56 v. Chr. war Clodius berni.iht, das Triumvirat auseinanderzusprengen. Scheinbar war dieses Ziel jetzt ganz in seine Reichweite geri.ickt, denn Crassus war inzwischen ziemlich in den Hintergrund getreten, gegeni.iber den Imperien Caesars und Pompeius' war seine Stellung ziemlich unbedeutend, und den Optirnaten wares zuletzt auch gelungen, Cicero von Pompeius im besonderen und den Triumvirn im allgemeinen wieder abzuziehen. Im Fri.ihjahr 56 v. Chr. exponierte sich Cicero im Rahmen des Sestiusprozesses gegeni.iber dem ehemaligen Volkstribunen Vatinius in der denkbar gefahrlichsten Weise; sein V crsuch, sich mit Caesar und Pompei us gut zu stellen, aber deren Parteiganger- wie Vatinius- zu attackieren, konnte auf die Dauer nicht gli.icken und ebensowenig der Plan, die Bestimmungen i.iber den ager Campanus zu revidieren. Denn die im Fri.ihjahr 56 v. Chr. wirklich maBgebende politische Initiative hatte inzwischen !angst Caesar ausgelost, dem die bedenkliche innenpolitische Entwicklung der letzten Monate nicht entgangen war. Seine Gegner taten zudem ihr Bestes, urn ihn zu raschem Handeln zu drangen, in erster Linie L. Domitius Ahenobarbus, der bereits wissen lieB, daB er sich fi.ir das Konsulat des Jahres 55 v. Chr. bewerben wolle und der dazu das Kampfprogramm verki.indete, er wi.irde als Konsul Caesar von seinem Kommando entheben. Caesar hatte nach groBen Er-
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folgen in Gallien den Winter 57/56 v. Chr. zuerst in Illyricum zugebracht, dan11 war er zu Beginn des Jahres 56 nach Aquileia gegangen, von don aus spater nach Ravenna, wo er zunachst insgeheim mit Crassus zusammentraf. Kurze Zeit daraufkam es dann im April 56 v. Chr. in Luca zu einer langeren Geheimkonferenz zwischen Caesar und Pompems. Matthias Gelzer hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daB das Zusammentreffen der drei Triumvirn in der hier geschilderten, etappenweisen Form abgelaufen sei- wie sie sich a us Ciceros Angaben rekonstruieren laBt - , doch schon im Altertum ist bei Plutarch und bei Appian jene Vorstellung einer groBen und in sich geschlossenen ,Konferenz von Luca" vertreten worden, die als die eindrucksvollere Form auch die i.iberwiegende Zahl der neueren Darstellungcn beherrscht. Darnach waren in Luca aus AnlaB der Geheimbesprechung von Crassus, Pompei us und Caesar nicht weniger als 200 Senatoren zusammengestromt und ebenso 120 Liktoren, so daB man demnach glauben mi.iBte, Luca sei fi.ir einige Zeit zum Regierungssitz geworden. Weit wichtiger als der auBere Ablauf und als dieser auBerc Rahmen war indessen der Inhalt der Abmachungen zwischen den drei Triumvirn, handelte es sich dabei doch urn eine sehr konsequente langfristige politische Planung, in welcher die groBen Fragen der romischen Politik auf Jahre hinaus entschieden wurden. Als erstes wurde festgelegt, daB im Jahre 55 v. Chr. Pompeius und Crassus das Konsulat bekleiden soliten. Damit war Domitius Ahenobarbus i.iberspielt, und Caesar brauchte nicht zu befi.irchten, in absehbarer Zeit seines Kommandos entsetzt und vor Gericht gezogen zu werden. Aber auch Pompeius und Crassus wurden von Caesar an dem Zustandekommen ihres neuen Konsulates interessiert, denn es war vorgesehen, daB sie sich beide in ihrem Konsulat neue groBe Sonderkommandos von fi.infjahriger Dauer i.ibertragen lassen sollten. Durch diese Planung wurde selbstverstandlich dem neuen Krafteverhaltnis ebenso Rechnung getragen wie der Entwicklung in den militarischen und politischen Wechselbeziehungen unter den Triumvirn selbst. Im Jahre 60 v. Chr. war Caesar fi.ir Pompeius und Crassus lediglich als designierter Konsul wichtig. Dber eine eigene, nennenswerte Gefolgschaft verfi.igte Caesar damals nicht, noch weniger i.iber ein militarisches Prestige, das man mit dem des Pompeius hatte vergleichen konnen.
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Jetzt, im Fri.ihjahr 56 v. Chr., hatten sich die Gewichte vollig verschoben. Wahrend Pompeius' Erfolge im Osten allmahlich verblaBten, war Rom noch immer erfi.illt vom Widerhall der Siege Caesars in Gallien. Ende des Jahres 57 v. Chr. hielten Caesar wie die romische Offentlichkeit die Unterwerfung Galliens fi.ir abgeschlossen, man hatte zu Caesars Ehren ein fi.infzehntagiges Dankfest beschlossen und damit die normalen Ehrungen verdreifacht, wahrend sie fi.ir Pompeius nur verdoppelt worden waren. Selbst Cicero hatte sich kurze Zeit vor der Konferenz von Luca wiederholt in dem Sinn geauBert, daB die militarischen Erfolge Caesars aile fri.iheren VerstoBe gegen die romische Verfassung getilgt hatten. Caesars Heer konnte jetzt in die Waagschale geworfen werden, ja Pompeius und Crassus muBten bei dieser Gelegenheit feststellen, daB sie fi.ir die Konsulwahlen fi.ir das Jahr 55 v. Chr. auf dieses Heer angewiesen waren. So wurde abgesprochen, daB der Wahltermin solange hinausgeschoben werden sollte, bis Caesar eine groBere Zahl von Urlaubern entbehren konnte, deren Stimmen dann auf der Wahlversammlung den Ausschlag geben muBten. Hatten von den bisher genannten Absprachen Pompei us und Crass us den i.iberwiegenden Nutzen, so war Caesar freilich alles andere als ein Altruist. Zur Kompensation der fi.ir Pompeius und Crassus vorgesehenen Machtsteigerung war vielmehr vorgesehen, daB auch sein eigenes Imperium in den gallischen Provinzen urn weitere fi.inf Jahre verlangert werden so!lte. Die Triumvirn wo!lten ferner durchsetzen, daB i.iber die Neuverteilung aller von ihnen beanspruchten Provinzen generell nicht vor dem 1. Marz des Jahres 50 v. Chr. im romischen Senat verhande!t werden so!lte. Nach dem damals gi.iltigen Verfassungsrecht bedeutete das fi.ir Caesar aber praktisch, daB er seine Provinzen bis Ende des Jahres 49 v. Chr. behalten, im Jahre 48 v. Chr. sich dann durch ein wei teres Konsulat fi.ir absehbare Zeit gegen aile theoretisch moglichen Angriffe sichern konnte. Wie wir spater noch sehen werden, ist die Frage der Beendigung von Caesars gallischem Kommando nach einigen Jahren jedoch zum auslosenden Moment des Bi.irgerkriegs geworden. Man hates oft ausgesprochen, daB die Abmachung von Luca Caesars Geist verrate, und wie weit hier nun auch seine Vorstellungen von den Triumvirn i.ibernommen oder mitgetragen wurden oder nicht, auf aile Faile hat Caesar das Triumvirat mit neuem Leben erfi.illt. Die Wirren des stadtromischen Kleinkriegs muBten gegeni.iber dem einheit!ich ge-
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lenkten Willen der Triumvirn als zweitrangig erscheinen, und schon damals wares vielen ri:imischen Politikern klar, da~ fiir die Zukunft die Entscheidungen dieser drei Manner wichtiger waren als die Beschliisse aller regularen Magistrate und Gremien. Wir brauchen hier nicht iiber die allgemeine, von unserer Gegenwart gestellte Frage zu reflektieren, wieweit sich auf die Dauer die kollektive Fiihrung einer Weltmacht bewahren kann, fiir einen Augenblick schien es auch im Rom des 1ahres 56 v. Chr. so, da~ eine solche kollektive Fiihrung tatsachlich auf lange Sicht durchaus stabile Verhaltnisse herbeifiihren konnte, die historische Erfahrung Roms sah in Wirklichkeit dann jedoch anders aus. Selbstverstandlich standen auf dem Programm der Beratungen von Ravenna und Luca nicht nur die bisher behandelten gro~en Fragen, sondern ebenso zahlreiche kleinere iiber die Methoden und Wege des weiteren Vorgehens und Personalia aller Art. Dutzenden von Parteigangern wurden Stellen zugeschanzt oder in Aussicht gestellt, andere, wie Cicero, beschlo~ man unter gemeinsamen Druck zu setzen. Im Faile Ciceros war dies sehr erfolgreich, denn als im Sommer 56 v. Chr. im ri:imischen Senat iiber die Provinzen fiir die Konsuln des 1ahres 55 v. Chr. verhandelt wurde, kamen dabei selbstverstandlich auch die gallischen Provinzen Caesars zur Sprache, doch exponierte sich Cicero jetzt mit seiner gro~en Rede de provinciis consularibus fiir die Sache Caesars. Die Konsulwahlen fiir das 1ahr 55 v. Chr. gingen dann freilich nicht so glatt vonstatten, wie es sich die Triumvirn wiinschten. Die Wahlversammlung konnte erst im 1anuar 55 v. Chr. stattfinden, und selbst dann vermochte man den Gegenkandidaten Lucius Domitius Ahenobarbus nur mit Terror aus dem Felde zu schlagen. Zu einem weiteren Skandal sind darnach die Wahlen fiir die Pratur geworden, urn die sich Cato beworben hatte. Dessen sehr populare Kandidatur konnte von Pompeius nur durch den Hinweis auf angeblich vernommene Donnerschlage verhindert werden, und nur durch eine wiederholte Wahlbestechung gri:i~ ten Ausma~es gelang es dann, statt Cato den ergebenen Erfolgsmann der Triumvirn P. Vatinius in die Pratur wahlen ZU lassen. Ziemlich reibungslos ging dagegen die Obertragung der neuen Imperien fiir Pompeius und Crassus vor sich, denn vier Tote, viele Verwundete und ein von Crassus persi:inlich schwer verletzter Senator waren im Rom des 1ahres 55 v. Chr. eine relativ geringe Verlustquote fiir ein Gesetz sol-
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chen Ranges. Auf Antrag des Volkstribuns C. Trebonius sind fur die Konsuln des J ahres zuerst lediglich die Provinzen Spaniens auf der einen und Syrien auf der anderen Seite fur die Dauer von funf J ahren bestimmt worden, augerdem sollten sie das Recht zu umfassenden Rekrutierungen, Kriegserklarung und Friedensschlug erhalten. Als diese Provinzen dann ausgelost wurden, fiel das Los so, wie es die heiden Triumvirn gewunscht hatten, Crassus erhielt Syrien, Pompeius die heiden Spanien. Urn die gleiche Zeit wurde auch Caesars Imperium, wie vorgesehen, urn funf Jahre verlangert. Nach dem sturmischen Beginn verlief das zweite gemeinsame Konsulat des Pompeius und Crassus verhaltnismagig ruhig. Vor allem Crassus begann schon bald mit einer grogen Rekrutierungswelle und bereitete ziemlich often einen Partherkrieg vor, der sich indessen keiner Beliebtheit erfreute. Dazuhin entsandten die heiden Konsuln alsbald Legaten in ihre Provinzen, die diese fur sie ubernehmen sollten. Pompei us delegierte den L. Afranius und M. Petreius nach Spanien, dessen Boden er wahrend seines Prokonsulats uberhaupt nie betrat, angeblich weil das die ihm ubertragene cura annonae nicht zulieg, in Wirklichkeit, weil er die Entwicklungen in Rom aus nachster Nahe beobachten wollte, urn dort bei Bedarf jederzeit eingreifen zu ki.innen. Die heiden Konsuln versuchten sodann durch einige Gesetze gegen Wahlbestechung und Verwandtenmord sowie durch eine Verscharfung der Bestimmungen fur die Richterauswahl Symptome der allgemeinen Korruption des Staates zu beseitigen, zu einem systematischen Vorgehen fanden sie dagegen keine Zeit. Das groge Ereignis dieses Konsulats war im Oktober 55 v. Chr. die Einweihung des neuen Pompeiustheaters auf dem Marsfeld. Die ganze Anlage war augerordentlich grogzugig und doch in sich geschlossen geplant und durchgefuhrt. Hinter dem Szenarium lagen die Porticus Pompei, eine groge Wandelhalle urn einen Garten, und die Curia Pompei, ein daran angelehnter Sitzungssaal. Fiir den Tempelbau und die ganze riesige Anlage hatte Pompeius naturgemag einen betrachtlichen T eil der Beute aus dem Osten zur Verfiigung gestellt, und an diese grogen Siege sollten jene Grogbauten nicht weniger erinnern wie die grogen prunkvollen Festspiele, mit denen das Theater eroffnet wurde. Trotz allem war jedoch die optimatische Opposition gegen die Triumvirn noch keineswegs gebrochen. Es gelang ihr vielmehr bei den
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Beamtenwahlen fi.ir das Jahr 54 v. Chr. diesmal doch L. Domitius Ahenobarbus in das Konsulat und Cato in die Pratur zu bringen, aber die starkste Resonanz fand sie bei ihrer Kritik an Crassus' Partherkrieg. Zwei Volkstribunen wollten Crassus' Auszug wegen unheilverki.indender Omina i.iberhaupt verhindern, und als Crassus dann dennoch aufbrach, ricf ihm der Volkstribun Ateius am Stadttor vor einem brennenden Altar in archaischen Formeln furchtbare Fli.iche nach. Der ganze Zug des Crassus wird in der Dberlieferung dann immer wieder von bosen Vorzeichen, Warnungen, miBachteten Unheilsdrohungen und so fort begleitet, selbstverstandlich in der Hauptsache von vaticinia ex eventu. Tatsache ist indessen, daB der Partherkrieg des Crassus in Rom keinen Augenblick popular war- und dies war er nun nicht nur aus dem Ri.ickblick nach der Katastrophe von Carrhae, die dann freilich vie! dazu beitrug, urn das ganze Unternehmen von Anfang an zu verdunkeln, sondern schon von der ersten Stunde an. Dem Mann auf den StraBen Roms wurde von der Opposition gegen dieT riumvirn klargemacht, daB es fi.ir diesen Krieg keinen ausreichenden Kriegsgrund gab. Die Bestimmungen des romischen Fetialrechts fi.ir die Kriegserklarung waren hier nicht beachtet worden, ein bellum iustum war hier somit nicht gegeben. Es war fi.ir die Opposition ein leichtes, das ganze Unternehmen als AusfluB von Crassus' Geld- und Ruhmgier zu diskreditieren. Es gibt jedenfalls nur wenige romische Operationen, die in der Dberlieferung so konsequent und systematisch ZU Lasten des fi.ihrenden romischen Politikers verdunkelt worden sind wie Crassus' Partherkrieg, und man wird deshalb stets beri.icksichtigen mi.issen, daB das Scheitern des Partherkrieges auch die Beurteilung des Mannes mitbestimmt hat, der sich einst in der Schlacht am Collinischen Tor immerhin als ein tapferer Offizier bewahrt hatte.
Der Partherkrieg des Crassus Crassus brach mit seiner Armee noch im Winter 55/54 v. Chr. von Brundisium aus auf, zog dann im Landmarsch durch Kleinasien und ging schlieB!ich an der Spitze eines Heeres von wahrscheinlich sieben Legionen bei Zeugma i.iber den Euphrat. In Parthien hatte sich damals
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nach langeren inneren Wirren Konig Orodes II. durchgesetzt, und offensicht!ich spielte bei den Dberlegungen des Crassus die Tatsache eine Rolle, dag dessen Herrschaft noch nicht vollig konsolidiert war. Die Romer waren schon einige Zeit vorher in die parthischen Thronstreitigkeiten verwickelt worden, als der Bruder des Orodes II. bei ihnen Asyl gesucht hatte, aber der romische Senat hatte es dem Vorganger des Crassus in Syrien, Gabinius, untersagt, sich in die parthischen Thronwirren einzumischen. Crassus fand bei seinem Vorstog des Jahres 54 v. Chr. zunachst keinen starkeren Widerstand. Er riickte deshalb zuerst gegen Carrhae vor und marschierte dann einen N ebenf!ug des Euphrat, den Belich, en dang bis nach Nikephorion. In dem bisher durchzogenen Landstreifen ostlich des Euphrat waren die Romer von den Bewohnern der alten hellenistischen Militarsiedlungen gut aufgenommen worden, Crassus lieg in den grogeren Orten starkere Besatzungen, setzte seinen Vormarsch jedoch von Nikephorion aus nicht weiter fort, obwohl ihm moglicherweise ein sofortiger Angriff gegen Seleukia und Ktesiphon die Chance zu einem raschen Erfolg geboten hatte. W enn Crassus ihn nicht fiihrte, so wohl deshalb, weil er inzwischen festgestellt hatte, dag seine Kavallerieverbande fiir diesen Kampf gegen die gerade kavalleristisch weit iiberlegenen Parther vollig unzureichend waren. Crassus zog sich statt dessen mit dem Gros seines Heeres in seine Provinz Syrien in die Winterquartiere zuriick. Wahrend des Winters 54/53 v. Chr. verfolgte der Triumvir dann vor allem zwei Ziele. Einmal versuchte er von dem armenischen Konig Artavasdes und von anderen Verbiindeten die Gestellung von grogeren Reiterverbanden zu erreichen. Auch Crassus' Sohn Publius Crassus stieg damals mit einer 1000 Mann starken Abteilung ke!tischer Reiterei zu seinem Vater, so dag Crass us hoff en konnte, im Jahre 53 v. Chr. in dieser Waffengattung wesentlich starker zu sein als im Vorjahr. Zum anderen suchte Crassus die Finanzierung des Krieges fiir die nachsten Jahre sicherzustellen, griff dazu freilich auch auf die Tempelschatze seiner Provinz zuriick, so auf den grogen Schatz des Atargatisheiligtums von Hierapolis und auf den des Tempels von Jerusalem, aus dem angeblich Edelmetall im Werte von 10 000 Tal en ten abtransportiert wurde. Da Crass us bei die sen Konfiskationen personlich anwesend war, setzte er sich selbstverstandlich schwersten Verda.chtigungen aus.
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Als Crassus dann sein Heer im Fri.ihjahr 53 v. Chr. fiir einen neuen Vorsto£ ins Parthische Reich bereitstellte, hatte sich die militarische Gesamtlage vi:illig verandert. Der parthische Gro£ki:inig hatte die Zeit geniitzt, urn die starken, aber nur Iangsam zu mobilisierenden Krafte seines Reiches an die W estgrenze zu werfen und wollte schon dort den Einfall des Gegners auffangen. Wahrend er selbst gegen Armenien vorging und damit Artavasdes an jeder Unterstiitzung des Crassus hinderte, war ein Mitglied aus dem Fiirstenhaus der Suren, ein Mann, der in der Oberlieferung lediglich als der Surenas bezeichnet wird, mit dem Befehl iiber ein gro£es Heer betraut worden, das im Osten des Euphrat versammelt war und bereits die an der Belichlinie exponierten ri:imischen Besatzungen bedrangte. Ohne Ri.icksicht auf diese neue Feindlage ging Crassus mit seinen rund 40 000 Mann auch dies mal bei Zeugma iiber den Euphrat, folgte dem Flu£lauf nur kurze Zeit, urn dann durch die Sandwiisten nach Osten gegen den Belich vorzugehen. Nach den antiken Quellen soli Abgar von Osroene dabei Crassus in die Faile des Surenas gelockt haben. An fang Mai traf Crassus am Belich tal auf die feindlichen Truppen, ca. 30 km si.idlich von Carrhae entbrannte der Kampf. Crass us lie£ sein Heer ein Karree bilden und hoffte, da£ an diesem groBen geschlossenen Block der ri:imischen Legionen aile Angriffe der parthischen Kavallerie abprallen wiirden. Aber die Romer hatten bald am meisten unter dem pausenlos auf sie niedergehenden Ffeilhagel der Parther zu leiden, soda£ Crass us seinem Sohn den Befehl zu einem Gegenangriff mit der ri:imischen Kavallerie, Hilfstruppen und 8 Kohorten gab, einem Korps, das das Vorfeld der ri:imischen Stellung von den parthischen Reitern und den Bogenschiitzen ZU Fu£ und ZU Pferde saubern so lite. Die Parther zogen sich zunachst vor diesem An griff des Publius Crassus zuriick, lock ten dam it aber den ri:imischen Verb and nur immer weiter vom Gros weg, urn ihn dann einzuschlie£en und trotz hartester Gegenwehr bis auf wenige Gefangene niederzumachen. Publius Crassus selbst wurde in dem Gefecht schwer verwundet und lie£ sich zuletzt von seinem eigenen Diener den Tod geben. Nach diesem ersten Erfolg setzten die Parther ihre Angriffe auf die romische Hauptmacht mit noch gro£erem Elan fort, die Hoffnungen der Romer, da£ die Gegner ihren Pfeilvorrat endlich verschossen hatten, erwiesen sich als haltlos, denn der parthische Befehlshaber fiihrte mit einem Korps von 1000 Kamelen
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standig neue Pfeile zu, so daB die Romer erst mit Anbruch der Nacht Ruhe fanden. Ihre Moral war !angst gebrochen, Crassus apathisch geworden, so daB zwei seiner Befehlshaber, unter ihnen der spatere Caesarmorder Cassius, einen Kriegsrat einberiefen, in dem der sofortige Abmarsch nach Carrhae beschlossen wurde, wahrend man die 4000 Verwundeten zuriicklieB. Nach einigen Tagen Aufentha!t in Carrhae setzte Crassus den Ruckzug fort, doch wurde er selbst mit dem Kern des Heeres von einem verraterischen Fuhrer in ein sumpfiges Gelande gelockt und dort auf einem Hugel von den Parthern eingeschlossen. Nur kleinere romische Abteilungen, unter anderem ein von Cassius gefuhrtes Detachement, konnten sich nach Syrien durchschlagen, fur die romische Hauptmacht gab es kein Entrinnen mehr. Die vollig demoralisierten und uber ihre Offiziere erbitterten romischen Truppen wollten jetzt wenigstens ihr Leben retten und zwangen deshalb Crassus, Verhandlungen aufzunehmen. Crassus wuBte, daB er dabei in den Tod ging, under wurde dann auch zusammen mit seinem treuen Legaten Octavius niedergemacht, als er sich weigerte, ein Pferd zu besteigen, auf dem ihn die Parther in ihr Lager schaffen wollten. Die ubrigen romischen Truppen ergaben sich darnach meist kampflos, nur einigen Tausend Versprengten und Fluchtenden gelang der Durchbruch nach Syrien, wahrend groBe Teile der gefangengenommenen Romer von den Parthern sudlich des Aralsees in Merv angesiedelt wurden. Der parthische GroBkonig Orodes hatte in der Zwischenzeit auch den armenischen Konig zum Frieden gezwungen und diesen FriedensschluB durch die Vermahlung des parthischen Prinzen und Thronfolgers Pacoros mit einer armenischen Prinzessin besiegeln lassen. Die Feierlichkeiten waren in vollem Gange, und zwar sahen die Konige und ihre Gaste gerade einer Auffuhrung der Bakchen des Euripides zu, als der mesopotamische Satrap Silakes als Sieges bote eintraf und den abgeschlagenen Kopf des Crassus vor Orodes niederlegte. Dann kam es zu jener bei Plutarch uberlieferten Szene, daB der Schauspieler Iason wahrend der Vorfuhrung den Kopf des romischen Feldherrn als Theaterutensil anstelle der Pentheusmaske benutzte und ihn in der Hand hielt, wahrend er die Verse des Euripides deklamierte: ,Ich komme aus den Bergen und bringe nach Haus eine Ranke, die frisch ist geschnitten, ein Wildbret edel und gut."
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Wider Erwarten haben die Parther ihren Sieg zunachst nicht ausgenutzt, der siegreiche parthische Feldherr Surenas wurde schon bald nach Carrhae von Orodes ermordet, wobei es nicht sicher ist, ob Orodes in ihm einen Rivalen fur sein Konigtum sah oder ob er ihn gerade deswegen bestrafte, weil Surenas zu keiner groBeren Offensive uber den Euphrat antrat. Erst im Jahre 51 v. Chr. begann dann ein groBer Einfall der Parther in Syrien, ein Einfall, der auch Cicero beriihrte, weil dieser damals Statthalter von Kilikien war und von der Peripherie her zeitweilig mit gri:iBter Sorge die Entwicklung in Syrien verfolgte. Doch kam es zu keiner langeren Okkupation, von Cassius wurden die Parther schon bald wieder zuruckgeschlagen, und das romisch-parthische Verhaltnis trat dann in eine neue Phase ein, als Pompeius in seinem Kampf gegen Caesar den Orodes zum Verbundeten zu gewinnen suchte. Die Schlacht von Carrhae war nicht nur eine der gri:iBten Niederlagen, die Rom uberhaupt erlitt, sondern auch eine Katastrophe, die im spateren romischen wie im modern en europaischen Geschichtsbild stets lebendig blieb. Erstaunlicherweise war die unmittelbare Resonanz bei den Zeitgenossen jedoch keineswegs so intensiv. Wenn Carrhae nicht als Fanal fur die ti:idliche Bedrohung durch eine neue W eltmacht empfunden wurde, wenn man in Rom nach Carrhae nicht sofort an einen Rachekrieg gegen das Parthische Reich dachte, so erklart sich das aus drei Grunden: Erstens warder Partherkrieg des Crassus, wie schon gesagt worden ist, keine Angelegenheit aller Romer, sondern die Sache eines politischen Fuhrers und nur einer politischen Partei, derjenigen der Triumvirn, die sich mit dem Feldzug des Crassus identifiziert hatten. Zweitens aber belastete man mit der Katastrophe einzig den nie popularen toten Crassus, man glaubte gleichsam, daB er durch seinen Untergang nur seine eigene Schuld gesuhnt habe und hielt das nur fur billig. Drittens aber war Rom schon kurze Zeit nach Carrhae von den Sorgen urn den drohenden Burgerkrieg erfullt, und gerade die fuhrenden Politiker und Militars hatten sich in die sen naherliegenden Kampfen aufTod und Leben zu schlagen. Nach Lage der Dinge muBten die Parther in den inneren Wirren Roms auf die Partei der Republikaner setzen, erst recht, als seit dem Jahre 47 v. Chr. dann auch Anzeichen fur einen neuen Kriegsplan Caesars gegen das Parthische Reich erkennbar wurden. Jetzt erst, gegen Ende von Caesars Leben, konnte die Vorstellung ,Rache fur Carrhae"
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auftauchen, jetzt erst griff Caesar die Plane des Crassus zu einer groBen milirarischen Offensive gegen das Parthische Reich wieder auf. Die ganz eigentiimliche Verflechtung des romisch-parthischen Verhaltnisses mit der romischen Innenpolitik hatte sich schon in Pompeius' Versuch verdichtet, gegen Caesar parthische Hilfe zu gewinnen, sie verdichtete sich noch einmal, als nach der Schlacht von Philippi, 42 v. Chr., der jiingere Labienus auf parthischer Seite zusammen mit dem parthischen Prinzen Pacoros gegen Rom Krieg fiihrte und im Jahre 39 v. Chr. weit in Kleinasien eingefallen war. Mit den Erfolgen des Legaten M. Antons, des beriihmten Ventidius Bassus, der im Jahre 38 v. Chr. schlieB!ich auch Pacoros besiegen konnte, wird dieses Kapitel der romischen Geschichte dann abgeschlossen. Fiir Marcus Antonius verband sich darnach die endgiiltige Abrechnung mit den Verbiindeten seiner innerpolitischen Gegner mit der Wiederaufnahme der Plane Caesars und Crassus'. Dabei ist nun freilich bemerkenswert, daB Marcus Antonius nicht nur eine milirarische Losung der parthischen Frage gesucht hat, sondern zumindest zeitweilig auch eine diplomatische. Er warder erste, der die Riickgabe der bei Carrhae verlorenen romischen Feldzeichen und Gefangenen forderte und dafiir den Parthern seinerseits Frieden und Freundschaft bot. Er hat damit die augusteische Alternative bereits skizziert, und umgekehrt muBte dann im Jahre 20 v. Chr. gerade die emphatische Propagierung des Sign is receptis durch Augustus, das heiBt die tatsachliche Riickgewinnung von Feldzeichen und Gefangenen, die Katastrophe von Carrhae erneut ins BewuBtsein rufen und fur immer mit der Geschichte des Principats verbinden. Oft ist die Oberlegung angestellt worden, wie sich wohl ein erfolgreicher Partherkrieg des Crassus auf den weiteren Gang der Romischen Geschichte ausgewirkt hatte. Einzelne Gelehrte, wie etwa Eduard Meyer, haben auf die groBen Perspektiven hingewiesen, die ein solcher Partherkrieg der romischen Republik eroffnet hatte, wei! Rom dann ja auf die Bahnen Alexanders d. Gr. und damit zu einer erneuten Aufnahme hellenistischer Tendenzen gedrangt worden ware. Kritiker wie Matthias Gelzer stieBen dagegen aile derartigen Oberlegungen zuriick und hielten jedes ahnliche Unternehmen fiir verfehlt und verhangnisvoll. Zweifellos hat hier der historische Erfolg iiber richtig und falsch mitentschieden, und es ist bezeichnend, daB die prinzipielle Frage nach einer sol-
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chen historischen Berechtigung gegenuber Caesars Krieg in Gallien wei taus seltener erhoben wurde. Bei der Bewertung von Caesars Kriegen in Gallien besteht vielmehr fur eine universalhistorische oder fur eine geschichtsphilosophische Betrachtungsweise vie! eher die Gefahr, auf Grund der spateren europaischen Kulturentwicklung, auf Grund der Romanisierung Galliens und im Hinblick auf die spatere Ausbildung einer chrisdich-romanischen und chrisdich-germanischen Welt, also von der historischen Gesamtentwicklung her, die Notwendigkeit der Eroberung Galliens zu fordern. Die mod erne historische Forschung kann jedoch Caesars Eindringen in Gallien nicht mehr nur in den Perspektiven des 19. Jahrhunderts als Erfullung einer historischen Kulturmission bewerten, sie stellt seine Kampfe und seine Ziele vielmehr zunachst in den Rahmen der romischen Politik in Gallien, und sie versucht zweitens die innere Struktur des von Caesar unterworfenen Galliens scharfer zu erfassen, als dies vor dem Be ginn der gro!Sen Ausgrabungen und vor der Erhellung der Spadatenezivilisation, vor der Erschlie!Sung der Zivilisation der oppida moglich war.
Die romische Expansion in Gallien Fur den modernen Betrachter des romischen Expansionsprozesses ist es uberraschend, daiS die Landverbindung zwischen Italien und den nach dem Ende des 2. Punischen Krieges eingerichteten spanischen Provinzen von den Romern erst au!Serordendich spat in unmittelbare romische Verwaltung genommen wurde. Dabei besa!S der Raum der heutigen Provence immer eine besondere Lagegunst, zog er doch Phoeniker und Karthager ebenso an wie die Griechen aus Phokaea, die urn 600 v. Chr. Massilia grundeten, die benachbarten Iberer, Ligurer, Kelten ebenso wie die Etrusker und die Italiker, so daiS es hier zu ungewohnlich intensiven kulturellen Beriihrungen und Oberlagerungen kam, wie sie nur ganz wenige andere historische Kernlandschaften des Altertums aufzuweisen haben, beispielsweise Sizilien. Die romische Zuriickhaltung wird dadurch erklart, daiSes eine, Gallia Graeca" gab. Wenn Cicero in de republica die griechische Kolonisation in dem Satz beschrieb, daiS gewisserma!Sen den Ackern der Barbaren ein Kustensaum Griechenlands angewoben sei, so gilt dies auch fur
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die von Massilia ausstrahlende griechische Kolonisation im Westen. Massilia hat seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. an der ligurischen und iberischen Kiiste seinerseits eine ganze Kette von kleineren Kolonien und Stiitzpunkten angelegt bis hinab zum Kap de Ia Nao. In das Landesinnere warder Radius der massiliotischen Expansion demgegeniiber verhaltnismaBig gering. Immerhin gab es auf dem Boden von A vignon und Cavaillon massiliotische Stiitzpunkte, und auch die modernen Ausgrabungen- etwa von Saint Blaise und Glanum = S. Remy-en-Provence - haben schliissig bewiesen, wie stark der griechische EinfluB auf dem Boden der heutigen Provence besonders im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. gewesen ist. Die so bezeugte Entfaltung Massilias und seiner Kolonien profitierte selbstverstandlich in besonderem MaBe vom Niedergang der Handelsrivalen, das heiBt der Etrusker und der Phoeniker, und in beiden Fallen hatten dies die Griechen der Gallia Graeca dem Eingreifen Roms zu verdanken. So ergaben sich spatestens seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. aus einer Interessengemeinschaft freundschaft!iche Beziehungen zwischen Massilia und Rom, die dann freilich auch dazu fiihrten, daB Massilia wiederholt an die militarische Hilfe Roms appellierte. Als Massilia ri:imische Unterstiitzung gegen die Expansion der Barkiden auf der Pyrenaenhalbinsel erbat, endete die romische Intervention mit der Errichtung der heiden spanischen Provinzen. Als Massilia im 2. Jahrhundert v. Chr. dann Unterstiitzung gegen die Angriffe der benachbarten ligurischen und ke!tischen Starn me erbat, endete diese romische Intervention schlieB!ich mit der Errichtung der Provincia N arbonensis. Die gemeinsame Front Roms und Massilias gegen Kelten und Ligurer war im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. zu einer festen Tradition geworden. Im hannibalischen Kriege harte Scipios Vater im Jahre 218 v. Chr. voriibergehend Massilia als Basis fur seine Operationen gewahlt, wahrend sich umgekehrt gerade die ligurischen Stamme eng an Hannibal anschlossen und Rom einen besonders erbitterten Widerstand leisteten. Aber Rom schob sich dann wahrend des 2. Jahrhunderts v. Chr. immer naher an den Raum der heutigen Provence heran. Im Jahre 181 v. Chr. schlug Aemilius Paullus die urn Genua siedelnden ligurischen Stamme vernichtend, im Jahre 154 v. Chr. leistete Rom den massiliotischen Pflanzstadten Antipolis und Nikaia gegen den Druck
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der ligurischen Deciates Hilfe, 125 v. Chr. kames dann angesichts einer gri:iBeren keltisch-ligurischen Koalition gegen Massilia zu einer neuen ri:imischen Intervention im Vorfeld von Massilia, die bald bleibende Spuren hinterlassen sollte. In diesen Kampfen ging Rom unter Fiihrung des Fulvius Flaccus und Sextius Calvinus zuerst gegen den Stamm der Salluvier im Norden von Massilia vor. Nach deren Niederwerfung ist dann im Jahre 122 v. Chr. auf dem Boden des heutigen Aix-en-Provence ein Castellum Aquae Sextiae angelegt worden, das damit die erste standige und geschlossene ri:imische Niederlassung in Gallien iiberhaupt wurde, ein Castellum, des-
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sen innere Entwicklungsgeschichte weithin unbekannt ist, das aber am Ende der Romischen Republik die Rechte einer latinischen Kolonie besafS, ein Castellum, das durch Marius' Sieg von 102 v. Chr. bald fur jeden Romer zu einem festen Begriff werden sollte. Die nachsten romischen VorstofSe beruhrten dann bereits die Starn me der Allobroger im lseretal und der mit diesen verbundeten Arverner in den Cevennen und der Auvergne. Cn. Domitius Ahenobarbus und Q. Fabius Maxim us erzielten hier die entscheidenden Erfolge, der arvernische Konig Bituitos wurde geschlagen, die Vorherrschaft der Arverner damit gebrochen, gleichzeitig mit den Haeduern, den nordlichen Nachbarn der Arverner und Allobroger, ein festes Freundschaftsverhaltnis begriindet, das fortan in der romischen Gallienpolitik eine Konstante darstellte. In den folgenden Jahren, zwischen 120 und 117 v. Chr. hat L. Domitius Ahenobarbus dann die romischen Besitzungen im Raume der Rhone nach Sudwesten abgerundet und somit einen geschlossenen Landkorridor zwischen Spanien und den AI pen hergestellt, in dem lediglich das Gebiet der befreundeten Stadt Massilia als grofSe Enklave eingelagert war. Worauf es Rom dabei in erster Linie ankam, zeigt am besten die Tatsache, dafS in der Via Domitia sofort eine durchgehende FernstrafSe angelegt wurde. Von ihr stammt- 20 Meilen von N arbo entfernt- der alteste romische Meilenstein auf gallischem Boden. Der Sohn des L. Domitius Ahenobarbus hat dann zusammen mit L. Licinius Crassus die Kolonie Narbo Martius gegrundet, auf dem Boden des heutigen Narbonne, dessen Hafen im 14. Jahrhundert n. Chr. versandet ist, wahrend die romische Kolonie Narbo Martius noch an dem Golf lag, aus dem heute der Strandsee von Sigean wurde. Cicero hat die Burgerkolonie von N arbo einmal als W arte und Bollwerk des romischen Volkes bezeichnet und damit auch zum Ausdruck gebracht, dafS es sich hier urn den starksten siedlungspolitischen Einsatz handelte, zu dem die Romische Republik vorlaufig im Suden Galliens uberhaupt bereit war. Die seit 121 v. Chr. etappenweise organisierte provincia Narbonensis weist nach dem geschilderten historischen W erdegang eine sehr eigenartige Struktur auf. Die beiden Pfeiler, die den romischen Machtbereich abstutzten, bildeten die Kolonie Narbo Martius und Massilia. Die scheinbar periphere Lage der Provinzhauptstadt wird verstandlich, wenn man bedenkt, daiS Narbo und Massilia einander wie die Brenn-
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punkte einer Ellipse bedingten. Die Abgrenzung der neuen Provinz zum Binnenland hin war zunachst mehr oder weniger off en, sie konnte nur an wenigen Stellen, wie an den Cevennen, einer echten geographischen Grenze folgen. Wahrend der romische Macht bereich im Westen von Narbo bald bis tiber Toulouse und den Oberlauf der Garonne hinaus vorgeschoben wurde, verlief die Grenze der Provinz an der Rhone zwischen Lyon und Vienne, sprang dann jedoch als Ergebnis der Kampfe gegen die Allobroger weit nach Osten, bis an das Siidwestende des Genfer Sees vor. Es ware indessen falsch, wenn man die Funktion der provincia Narbonensis nur darin sehen wollte, daB in ihr die Landverbindung zwischen der Iberischen Halbinsel und Italien in systematischer Weise abgesichert und durch ein breites Vorfeld abgerundet wurde. Sondern es kommt hinzu, daB auch hier, ganz ahnlich wie im Faile Kleinasiens die romische Provinz Asia, ein groBer, unmittelbar verwalteter romischer Briickenkopf die Basis abgeben sollte fur die indirekte Beherrschung eines tiefen Vorfeldes. Dazu dienten die Biindnisse, die Rom bald mit den Aquitanern und den Nitiobrogen an der Garonne abschloB, dazu diente vor allem aber das schon erwahnte Freundschaftsbiindnis mit den Haeduern, die jetzt nach dem Niedergang des arvernischen Primats zur fuhrenden Macht in Ost- und Mittelgallien aufstiegen und so zu Roms machtigsten Partnern im freien Gallien geworden waren. Ganz gewiB ging mit dieser EinfluBnahme die sehr erfolgreiche Aktivitat romischer Kaufleute parallel. Cicero hat es jedenfalls ein halbes Jahrhundert spater in seiner Verteidigungsrede fur den Statthalter Fonteius als allgemein bekannt dargestellt, daB Gallien voll von romischen Kaufleuten sei und daB in Gallien kein Pfennig umgedreht werde, der nicht durch die Bucher der romischen Kaufleute gehe. Aber wie der Kimbernkrieg zeigte, war Rom auch aus eigenstem Interesse gezwungen, die Entwicklungen im freien Gallien sehr aufmerksam zu verfolgen, denn die Ereignisse der Jahre 110-102 v. Chr. hatten klar erwiesen, daB - wenn man von den belgischen Stammen absieht - kein Stamm des freien Galliens stark genug war, urn eine solche germanische Invasion abzuwehren, die sich schlieBlich immer wiederholen konnte. Auf der anderen Seite starkten natiirlich die Erfolge des Marius das romische Prestige in Gallien auBerordentlich, und fur geraume Zeit trugen sie dazu bei, daB sich die keltischen Stamme mit der romischen
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Herrschaft als dem kleineren Dbel abfanden. Das anderte sich jedoch ZU An fang des 1. J ahrhunderts v. Chr. sehr rasch, als die romischen Unternehmer und Statthalter, wie der von Cicero verteidigte M. Fonteius, der 76-74 v. Chr. die Verwaltung der Narbonensis leitete, eine reine Ausbeutungspolitik betrieben, in deren MiGstande gerade Ciceros Verteidigungsrede Einblick gewahrt. Fast gleichzeitig wurde Roms militarisches Ansehen durch die wiederholten Rtickschlage im Sertoriuskrieg erschtittert, 79 v. Chr. griff en die Aquitaner so gar das Heer des Statthalters der Narbonensis an, als dieses aus Spanien zuriickkehrte, und selbst im freien Gallien blieb Roms Autoritatsschwund nicht ohne Rtickwirkung. Urn die Mitte der 70er Jahre unternahm der Arverner Celtillus noch einmal einen Anlauf zur Zusammenfassung der arvernischen Krafte und damit zur Wiederherstellung der arvernischen Suprematie tiber Gallien, der zwar wieder aufgefangen werden konnte, aber doch bereits erkennen lieG, wie prekar das romische System der indirekten Beherrschung unterdessen auch in Gallien geworden war. Bald darnach, En de der 60er Jahre, brach dieses System dann endgtiltig zusammen. Schon 10 Jahre vorher war die traditionelle, schwelende Feindschaft zwischen den Haeduern und den Sequanern, die damals das Obere ElsaG und die Franche Comte besiedelten, erneut offen ausgebrochen. Auf der Suche nach Untersttitzung in diesem Kampf urn die Vorherrschaft in Ostgallien hatten sich die Sequaner an den Suebenftirsten Ariovist gewandt, der daraufhin im Jahre 72 oder 71 v. Chr. mit seinen V erbanden tiber den Rhein ging, zunachst das untere ElsaG in Besitz nahm und dann endlich auch im Jahre 61 v. Chr. bei Admagetobriga die Haeduer entscheidend schlug. Mit der Vorrangstellung der Haeduer wares danach vorbei. Die bisher bei den Haeduern ftihrende politische Gruppe unter Diviciacus verlor ihren EinfluG, statt dessen setzte sich dort Dumnorix, der Bruder des Diviciacus durch, der einen sequanerfreundlichen und zugleich romfeindlichen Kurs steuerte. Die romfeindliche Bewegung griff dann jedoch auch noch auf die Allobroger tiber, die sich nach der Catilinarischen Verschwi.irung gegen Rom erhoben und 61/60 v. Chr. erneut niedergeworfen werden muGten. Aber der neue, sehr dynamische Faktor im politischen und milirarischen Kraftespiel Galliens blieb fortan Ariovist, dessen Expansionsbestrebungen bald auch schon die Helvetier bertihrten und dort den EntschluG zur Auswanderung ausli.isten.
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Man war in Rom iiber alle diese Entwicklungen rechtzeitig informiert worden, denn im Herbst des Jahres 61 v. Chr. warder Haeduer Diviciacus personlich nach Rom gereist, urn den romischen Senat gleichsam in letzter Stunde zur Intervention zu bewegen. Doch unmittelbar nach dem Ende der Kampfe im Osten mochte man sich in Rom zu einem massiven und umfassenden Einsatz nicht verstehen. Man delegierte deshalb die Verantwortung fur die Wahrung der romischen Interessen und fiir die Sicherung des romischen EinfluBbereiches praktisch an den Statthalter der Provinz Gallia Narbonensis. Der Senat beschloB, daB der jeweilige Statthalter der N arbonensis nach MaBgabe der Staatsinteressen und der Moglichkeiten, die Haeduer und die iibrigen Freunde des romischen Volkes verteidigen solle. Damit war selbstverstandlich impliziert, daB' der romische Statthalter mit seinem Heer die Grenzen der Provinz iiberschreiten konnte, eine Bestimmung, die spater bei der Frage der Kompetenz Caesars zum Eingriff in die Entwicklungen im freien Gallien noch eine wichtige Rolle spielen sollte, im Augenblick jedoch iiberhaupt kein Resu!tat zeitigte. Offensicht!ich war man in Rom im Falle der Auseinandersetzung zwischen Haeduern und Sequanern nicht bereit, durch eine betrachtliche militarische Intervention den status quo ante wiederherzustellen. Der sibyllinische SenatsbeschluB des Spatjahres 61 v. Chr. war fiir den konkreten Streitfall deswegen so nichtssagend, wei! Rom auch mit den Sequanern schon seit langem freundschaft!iche Beziehungen aufgenommen hatte, was unter anderem daraus hervorgeht, daB der Sequanerkonig Catamantaloedes vom romischen Senat den Titel eines amicus populi Romani erhalten hatte. So war dieser BeschluB, mit dem Rom auf die Niederwerfung seines wichtigsten Partners in Gallien und auf die unbequemen Vorstellungen des Diviciacus antwortete, in Wirklichkeit wenig mehr als ein diplomatisches Alibi, das Rom helfen sollte, gegeniiber Diviciacus und den a!ten Haeduerfreunden das Gesicht zu wahren. A us dieser Zuriickhaltung wurde man in Rom freilich aufgeriitte!t, als man dort zu Beginn des Jahres 60 v. Chr. von den Auswanderungsplanen der Helvetier horte. A us dem Briefwechsel Ciceros mit Atticus (I, 19, 2) geht hervor, daB in Rom mit einer groBeren militarischen Auseinandersetzung gerechnet wurde. Jedem der heiden Konsuln Afranius und Metellus wurden damals eine der heiden gallischen Provinzen noch wahrend ihres Konsulatsjahres iibertragen, Rekrutierungen wurden
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vorgenommen und zu den Stammen des freien Galliens Gesandte delegiert, die von diesen verlangten, die Helvetier auf keinen Fall zu unterstiitzen. Aber wie sehr auch Metellus auf einen Triumph hoffte, schon im Mai des 1ahres 60 v. Chr. hatten sich die drohenden Wolken wieder verzogen. Ariovist tat dazu noch ein iibriges, urn die romischen Politiker vollends zu beruhigen, denn er nahm im 1ahre 60 v. Chr. mit Metellus Celer freundschaft!iche Beziehungen auf, die der Senat ein 1ahr spater unter dem Konsul Caesar besiegelte, indem er Ariovist zum rex et amicus populi Romani ernannte. Caesars Eingreifen in Gallien wurde durch die Plane der Helvetier provoziert, ihr Siedlungsgebiet im Schweizer Mittelland zu raumen und neue Wohnsitze im Gebiet derSantonen zu suchen. Noch zu Beginn des 1. 1ahrhunderts v. Chr. hatten die Helvetier das Gebiet zwischen Rhein, Main und Herzynischem Wald innegehabt, dort waren sie Nachbarn der Boier gewesen. Unter germanischem Druck wurden die Helvetier dann aus Siidwestdeutschland in die Sackgasse des Schweizer Mittellandes hineingetrieben. Die einst von ihnen in Siidwestdeutschland besiedelten Gebiete nennt der Geograph Claudius Ptolemaeus noch in der Mitte des 2. 1ahrhunderts n. Chr. ,das von den Helvetiern verlassene Land". Es ist wichtig, sich den Zusammenhang der Bevolkerungsbewegung im 1. 1ahrhundert v. Chr. im Ganzen klar zu machen, zu sehen, daB der Obergang Ariovists iiber den Oberrhein, die Abwanderungen von Helvetiern und Boiern Teil einer groBen Bevolkerungsverschiebung sind, deren letzte Ursachen nicht mit Sicherheit ermittelt werden konnen. Im Marz des 1ahres 58 v. Chr. hatten sich die Helvetier endgiiltig zu ihrem mit groBter Umsicht vorbereiteten Auswanderungszug entschlossen. Sie hatten ihre Siedlungen zerstort, urn alle Briicken hinter sich abzubrechen und urn den wahrscheinlich nachdrangenden Germanen moglichst wenig zu hinterlassen. Nach Lage der Dinge bot sich ein Durchzug durch das Gebiet der Allobroger siidwest!ich des Genfer Sees als giinstigste Losung an, die Helvetier muBten dazu den Randsaum der romischen Provinz passieren. So bald Caesar von der Bereitstellung der Helvetier horte, eilte er nach Genava (Genf) und traf erste GegenmaBnahmen. Er muBte zunachst auf Zeitgewinn ausgehen, denn es waren gar keine ausreichenden romischen Krafte zur Stelle, urn die Helvetier am
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Durchmarsch durch die Provinz zu hindern. Andererseits waren die Helvetier - nach Caesars Angaben handelte es sich urn insgesamt 368 000 Personen, nach den Resultaten der modern en Forschung wohl eher urn rund 150 000, dabei etwa ein Viertel Waffentrager- an einer Gewaltlosung keineswegs interessiert, wei! sie mit groBem TroB, mit Wagen und ihrer ganzen Habe auswandern wollten. Eine helvetische Gesandtschaft erbat deshalb auch von Caesar in aller Form die Erlaubnis zum Durchmarsch. Caesar schob seine Antwort zunachst bis zum 13. April hinaus und beniitzte diese Verhandlungspause dazu, urn eilends Verstarkungen heranzufiihren und urn gleichzeitig die Enge zwischen dem Genfersee und dem Jura durch einen 28,5 km Iangen und 4,80 m hohen Wall mit Graben und Wachttiirmen zu verriegeln. Bei Avully wurde cines der caesarischen Sperrforts ausgegraben. Die Genfer Rhonebriicke war von den Romern schon vorher abgebrochen worden. Doch die Helvetier drangten nun, mit Duldung der Sequaner, durch den Pas de !'Eel use hinaus und ergossen sich in breiter Bahn in das Gebiet zwischen Rhone und Saone. Sie mochten glauben, daB sie mit dieser Umgehung des romischen Gebietes aile Reibungen mit den Romern vermeiden wiirden, doch war das deshalb eine Tauschung, wei! erstens der romische Senat, wie erwahnt worden ist, im Jahre 61 v. Chr. dem jeweiligen Statthalter der Narbonensis ausdriicklich den Schutz der Haeduer ans Herz gelegt hatte, und die Hacduer waren die nachsten Nachbarn der Sequaner, auf die die Helvetier jetzt stoBen muBten. Zweitens aber war Caesar !angst zu einer massiven militarischen Intervention entschlossen. Er hat selbst, als er spater, im Jahre 51 v. Chr., seine Feldzugsberichte in der Gestalt publizierte, wie sic heute im bellum Gallicum vorliegen, sein Vorgehen ganz bewuBt gerechtfertigt, aber auch das ganze Unternehmen zugleich absichtlich in einen hohen geschichtlichen Rang erhoben. Caesar beschwor wiederholt die Erinnerung an den Kimbernzug und stellte sein eigenes Handeln damit zu Marius parallel, was von der Sache her zunachst keineswegs gegeben war. Denn eine ernste militarische Gefahr stellten die Helvetier fiir die Provinz N arbon ens is keineswegs dar. Allerdings ist nicht zu bestreiten, daB sich die romische Politik gegeniiber Gallien in dieser Situation tatsachlich in einer schwierigen Lage befand. Wenn Rom sich nur defensiv verhielt, wenn es sich ledig-
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lich darauf beschrankte, das Territorium seiner eigenen Provinz zu verteidigen und zu kontrollieren, so war jetzt, nach dem Vordringen Ariovists und nach dem Abzug der Helvetier, die insbesondere auf die Haeduer gesti.itzte, indirekte Beherrschung der Gallia Comata nicht mehr moglich. Wollte man jedoch das Inn ere Galliens und vornehmlich das Vorfeld der N arbonensis auch weiterhin beherrschen, so gab es zu Caesars Handeln kaum eine Alternative. Caesar i.ibertrug den unmittelbaren Grenzschutz seinem Legaten Titus Labienus, der zu seinem bedeutendsten Unterfi.ihrer in Gallien werden sollte, und be gab sich selbst in die Gallia Cisalpina, wo er so fort mit der Aushebung von zwei neuen Legionen begann, indem er ziemlich gro£zi.igig die dortige Bevolkerung als romische Vollbi.irger einstufte. Mit die sen beiden Legionen vereinigte er jene drei ihm unterstellten, die bisher bei Aquileia standen, und eilte dann mit seinem ganzen Heer nach Norden. Als er die Grenze seiner Provinz bereits i.iberschritten hatte, lieferten ihm Gesandte der Haeduer und deren Nachbarn zu allem hin auch noch den erwi.inschten Vorwand zum Eingreifen im freien Gallien, denn nati.irlich wurden diese Stamme von den durchziehenden Helvetiern zum T eil geschadigt, und als ein starkes romisches Heer zur Stelle war, suchten sie deshalb urn dessen Schutz nach. Caesar stie£ ein erstesmal auf die Helvetier, als diese gerade beim Ubergang i.iber die Saone waren. Erste Verhandlungen scheiterten. Nach den volltonenden Reden, die bei Caesar wiedergegeben sind, nimmt sich der weitere Ablauf der Dinge freilich etwas merkwi.irdig aus. Denn die Helvetier setzten zunachst unter Fi.ihrung des Divico ihren Marsch nach Norden ungestort fort, wahrend Caesars Heer zwei Wochen lang in einem Achtungsabstand von ca. 8 km folgte. Die Lage der Romer verschlechterte sich noch, denn es kam zu Schwierigkeiten in der Getreideversorgung, die die Verbi.indeten Roms i.ibernommen hatten, soda£ Caesar schlie£lich die Verfolgung der Helvetier abbrechen und Bibracte aufsuchen mu£te, die gro£te Stadt der Haeduer. Das 27 km westlich von Autun gelegene Bibracte nahm auf den vier Hi.igeln des rund 800 m hohen Mont Beuvray immerhin ein Areal von etwa 135 ha ein, es war von Wall und Graben umgeben, die eine Gesamtlange von etwa 5 km erreichten. Die Helvetier sahen in Caesars Anlehnung an diese machtige Haeduerstadt ein Eingestandnis der Schwache und nahmen nun selbst die Ver-
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folgung auf. Rund 22 km siidlich vom Mont Beuvray kam es zu einem erbitterten Kampf, der praktisch unentschieden endete. Wohl zogen sich die Helvetier in der Nacht nach der Schlacht nach Norden in das Gebiet der Lingonen im Raume von Dijon zuriick, aber auch Caesars Verbande waren so schwer angeschlagen, daB sie drei Tage zur Auffrischung beni:itigten, so daB an eine sofortige Verfolgung gar nicht zu denken war. Caesar iibte deshalb auf die Lingonen starksten Druck aus, indem er eine U nterstiitzung der Helvetier als feindseligen Akt erklarte, der einer Kriegserklarung gleichkame. Die hohen Verluste und die uniiberwindlichen Verpflegungsschwierigkeiten ni:itigten die Helvetier dann schlieB!ich zur Kapitu!ation. 6000 Verbigener, die sich nicht beugen wollten und dem Rhein zustrebten, wurden schonungslos zusammengehauen, die Oberlebenden des ganzen Zuges, etwa 110 000 Menschen, in das jiingst verlassene Land zuriickgeschickt. Nach dem AbschluB des Helvetierkrieges im Friihsommer 58 v. Chr. trafen bei Caesar in Bibracte die Vertreter der benachbarten gallischen Stamme ein, die ihm einmal den Dank fiir sein Eingreifen abstatteten, ihm zum anderen aber nach einer Geheimkonferenz durch den Mund des Haeduers Diviciacus die Bitte vortrugen, Caesar mi:ige sie vor dem Druck und der weiteren Expansion Ariovists beschiitzen. Damit emstand fiir Caesar eine neue Lage. Denn wie erwahnt wurde, hatte der ri:imische Senat mit auf Caesars Betreiben ein Jahr zuvor Ariovist zum rex et amicus populi Romani ernannt. Die Absichten, die Caesar und der Senat damit verfolgten, lassen sich nicht bis zum letzten klaren. }edenfalls wollte man angesichts der fluktuierenden Entwicklung in Gallien Ariovist zum Verbiindeten gewinnen und ihn deshalb zumindest als potentiellen Gegner ausschalten. Nunmehr, nach dem Helvetierkrieg, muB Caesar erkannt haben, daB ihm eine konsequente W eiterfiihrung der Beschiitzerrolle fiir die Haeduer und deren Nachbarn die gri:iBere Mi:iglichkeit gab, die Situation in Gallien auch weiterhin zu beherrschen. Allerdings ging das nur zu Lasten der Freundschaft mit Ariovist. Es ist immer wieder bemerkt worden, daB Caesars Schilderung seines Verhaltens gegen Ariovist im Jahre 58 v. Chr. auBergewi:ihnlich sorgfaltig stilisiert ist, wei! Caesar jetzt nicht nur einen radikalen Kurswechsel in seinen eigenen Beziehungen zu Ariovist zu vertreten, sondern den
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Krieg gegen die Sueben iiberhaupt zu rechtfertigen hatte. Zwischen den Zeilen von Caesars eigenem Bericht, vor allem aber aus der parallelen Darstellung Cassius Dios geht hervor, daB Caesars innenpolitische Gegner ihm tatsachlich den Vorwurf gemacht haben, er hatte ohne ausreichenden Grund und ohne Auftrag des Senates, lediglich urn seinen eigenen Ehrgeiz zu stillen, einen Krieg gegen einen amicus populi Romani gefiihrt. Deswegen wird bei Caesar die Gefahr, die Ariovist angeblich fur die gallischen Stamme bedeutete, so sehr vergri:ibert, deswegen wird ihm die Absicht unterstellt, immer neue germanische Verbande i.iber den Rhein zu fiihren, urn mit ihrer Hilfe mi:iglichst weite Gebiete Galli ens zu unterwerfen und so wieder einmal an das Kim berntrauma geriihrt und daraus die Pflicht zu mi:iglichst raschem Eingreifen abgeleitet. Deswegen wird Ariovist vor allem aber auch persi:inlich verketzert, er war, nach Caesars Zeichnung, von Hybris befallen, arrogant und einfach unertraglich geworden. Die Tatsachen sprechen jedoch eine andere Sprache, schon diejenigen, die Caesar selbst mitteilen muB, fiigen sich nicht in sein Bild. Ariovists Machtbereich dehnte sich noch immer nur verhaltnismaBig wenig iiber Kolmar hinaus aus, nicht einmal in der wichtigsten Stadt der Sequaner, in Vesontio (Besan"on) standen suebische Truppen. Es laBt sich nachtraglich nicht mehr mit Sicherheit ausmachen, ob Caesar im Jahre 58 v. Chr. durch die iibertriebenen Berichte der keltischen Verbiindeten diipiert wurde, wei! diese ihn gegen Ariovist ausspielen wollten, oder ob er sich von Ariovists Stellung und Absichten tatsachlich selbst ein falsches Bild gemacht hat. In jedem Faile suchte und wollte Caesar den Krieg gegen Ariovist, wenn er auch Ariovists Verhalten in den folgenden Verhandlungen geradezu provozierend darstellt. Nachdem Ariovist die persi:inliche Begegnung, die Caesar vorgeschlagen hatte, abschlug, wei! er seinen Machtbereich nicht verlassen wollte, lieB ihm Caesar durch Gesandte ziemlich weitgehende Bedingungen stellen, deren Annahme allein den weiteren Be stand der Freundschaft mit Rom garantieren wiirde. Caesar forderte einmal die Ri.ickgabe der Geiseln, die Ariovist und die Sequaner von den Haeduern erhalten hatten, er forderte weiter die Unterlassung aller feindseligen Handlungen gegen die Haeduer und deren Verbiindete, eine sehr dehnbare Auflage, die jederzeit den AnlaB zur weiteren Einmischung in den Machtbereich Ariovists bot, und endlich den Verzicht auf die Dberfiih-
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rung neuer germanischer Gruppen in das linksrheinische Gebiet. Ariovist lehnte solche Zumutungen ab. Nach Meldungen, die Caesar von den Haeduern und Treverern erhie!t, iiberschritten wie zur Herausforderung weitere Germanen den Rhein. Daraufhin besetzte Caesar in raschem VorstoG Vesontio, wo es nun allerdings zu einer Krise in seinem Heere kam. Offensicht!ich wurde jetzt den Stabsoffizieren klar, daG ein Krieg gegen Ariovist unvermeidlich geworden war. Caesar unterstel!t ihnen nur Furcht, und begeistert waren die Mitglieder der stadtri:imischen Aristokratie bestimmt nicht, als ihnen die Sequaner ausma!ten, mit wem sie es jetzt zu tun bekommen wiirden. Aber in dem ausfiihrlichen Parallelbericht Cassius Dios werden auch Vorbeha!te sichtbar, die sich im juristischen Felde bewegten. Danach wurde im ri:imischen Heer dariiber diskutiert, daG es sich bei dem bevorstehenden Kampf urn keinen gerechten Krieg handele, sondern lediglich urn ein Unternehmen Caesars, der hier seinen Ehrgeiz befriedigen wol!te, nicht urn einen von Senat und Volk beschlossenen Krieg. In dieser ziemlich kritischen Situation berief Caesar eine Versammlung aller hi:iheren Offiziere einschlieG!ich der Centurionen ein. In seiner Ansprache legte er dar, daG alles fur eine militarische Auseinandersetzung mit Ariovist vorbereitet sei, auch die Verpflegung, mit der es im Helvetierkrieg Schwierigkeiten gegeben hatte. Die vom Gegner drohende Gefahr wurde in geschickter Weise re!ativiert, Kritik an dem beabsichtigten Unternehmen zur Feigheit gestempe!t, und mit einem psychologisch auEerordent!ich geschickten SchluG sprengte Caesar dann die Solidaritat der Zi:igernden auf, indem er erklarte, wenn ihm sonst niemand folgen wiirde, werde er dennoch mit der 10. Legion allein abmarschieren. Zu ihr habe er Vertrauen, und sie werde dann seine cohors praetoria sein. Es ist dies eine der Szenen, in der wir Caesar als Psychagogen seiner Offiziere und Soldaten erleben, und ein gut Teil seiner Erfolge ist auch spater auf die hier so plastisch zum Ausdruck kommende Fahigkeit zuriickzufiihren, mit auGerordentlicher Einfiihlungsgabe, geistiger Klarheit und Kraft seine Soldaten und Offiziere anzusprechen und zu iiberzeugen. So riG er auch jetzt sein Heer mit sich, eine Woche spater standen die Romer im Oberen ElsaG nur noch einen Tagesmarsch von Ariovists Lager entfernt. Die topographische Fest!egung der folgenden Vorgange ist
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a us Caesars Angaben nicht mit letzter Sicherheit moglich, zumeist wird das Geschehen in das Oberelsag verlegt. Eine letzte Unterredung zwischen Caesar und Ariovist scheiterte; die Entscheidung mit den Waffen war unvermeidlich geworden. Nach ziemlich komplizierten Bewegungen am Vogesenrand, in denen sich Ariovist als ein taktisch ebenburtiger Gegner erwies, kam es dann Anfang September 58 v. Chr. zu einer fur beide Seiten verlustreichen Schlacht, in der die Germanen besiegt und tiber den Rhein zuriickgetrieben wurden. In Ariovist traf Caesar mit einer Gestalt zusammen, die auch fur die Geschichte der Germanen und damit fur die deutsche Geschichte von nicht geringer Bedeutung geworden ist, denn die einschlagigen Kapitel des ersten Buches von Caesars bellum Gallicum enthalten zugleich die a!testen Nachrichten tiber fruhes germanisches Heerkonigtum. Aus Caesars Angaben geht ganz eindeutig hervor, dag Ariovist nicht als Reprasentant eines geschlossenen Stammes zu verstehen ist, sondern als Fuhrer einer Gefolgschaft, in der zwar Sue ben den Kern stellten, daneben aber auch noch Haruden, Triboker, Nemeter, Sedusier und Markomannen beteiligt waren. Ziel dieser Scharen war die Landgewinnung, deshalb benotigten und anerkannten sie einen stark en Anfiihrer. W enn Ariovist in den antiken Quellen als rex bezeichnet wird, so selbstverstandlich nicht nur deswegen, wei! Ariovist vom romischen Senat als rex et amicus populi Romani anerkannt und geehrt worden war, sondern auf Grund seiner tatsachlichen Machtstellung. A us Caesars Bericht ist weiter zu erkennen, dag Ariovist nicht nur als Feldherr und Heerfuhrer vollig selbstandig und autoritativ hande!te, sondern in gleicher Weise auch auf dem Gebiete der augeren Politik. Wenn er im ubrigen neben seiner suebischen Frau auch noch eine Schwester des norischen Konigs Voccio geheiratet hatte, so hande!t es sich auch dabei urn eine rein politische Verbindung. Ariovists Machtbereich, wie er sich schlieglich im Elsag herausgebildet hatte, ist somit in erster Linie als Versuch einer immer weiter ausgedehnten Landnahme zu verstehen. Geiseln und Tribute waren die wichtigsten Mittel, mit denen Ariovist seine Macht abzusichern und seine Landnahme zu konsolidieren gedachte. Von ihm lassen sich deshalb Verbindungslinien zum spateren germanischen Heerkonigtum ziehen. Caesar durfte sich riihmen, dag es ihm gelungen war, innerhalb eines Sommers zwei groge Kriege zu beenden. Aber dag dies alles in seinen
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Augen lediglich der Auftakt zu militarischen Bewegungen in wesentlich weiteren Dimensionen sein sollte, geht unzweideutig daraus hervor, daiS er sein Heer im Gebiet der Sequaner die Winterquartiere beziehen lie£, es also nicht in seine Provinz zuriickfuhrte. In der Reichweite der sechs Legionen lagen zwar zunachst einmal die besiegten Gegner, die Helvetier und die German en Ariovists. Aber die neue militarische Basis im Gebiet der Sequaner bot zugleich auch die Moglichkeit zu neuen tiefen VorstofSen in das Innere Galliens. So haben denn auch gerade die kriegerischen Stamme der Belger, die nordlich der Seine und Marne siedelnden ke!tischen Stamme, die von Caesars Offensive bisher noch nicht direkt beruhrt worden waren, zweifellos die Anwesenheit und Oberwinterung eines romischen Heeres im freien Gallien als eindeutige Herausforderung verstanden. Caesar selbst hatte den Winter 58/57 v. Chr. dazu verwandt, in der Provinz Gallia cisalpina Recht zu sprechen und selbstverstandlich die stadtromische Entwicklung genau beobachtet, gleichzeitig aber auch zwei weitere Legionen ausgehoben, die noch im Marz des Jahres 57 v. Chr. tiber die Alpen zogen. Da Caesar dariiber informiert worden war, daiS sich die Belger gegen ihn zusammenschlossen und bereits Truppen versammelten, ginger durch die Champagne zunachst gegen das Gebiet der Remer, urn Reims, vor, konnte hier jedoch kampflos die Unterwerfung des ganzen Stammes entgegennehmen. Auch die ubrigen sudlichen Stamme der Belger, so die Suessionen urn Soissons, die Bellovaker urn Beauvais nordlich der Seine, und die Ambianer im Raume von Amiens, konnten verha!tnismafSig rasch unterworfen werden. Doch an der Sambre anderte sich das Bild. In der Gegend von Maubeuge hatten die Nervier ihr Heer bereitgestellt und auch die Truppen der benachbarten Atrebaten und Viromanduer an sich gezogen. Wahrend die romischen Truppen noch sudlich des Flusses mit dem Bau eines Lagers beschaftigt waren, traten die Nervier ZU einem uberraschenden An griff an. Fur geraume Zeit sah es so aus, als wurde diese sogenannte Nervierschlacht mit einer vollstandigen Niederlage der Romer enden, und die eigentliche Krise des T ages fing nicht Caesar auf, sondern die romischen Unterfuhrer. Zu neuen schweren Kampfen kam es dann urn eine befestigte Stadt der Atuatuker in der Nahe von Namur. Deren Bewohner hatten sich zunachst zum Schein ergeben, in der Nacht darauf aber die romischen
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Truppen uberfallen. Es folgte deshalb ein blutiges Gemetzel und eine drastische Strafaktion. Denn Caesar lieg die uber 50 000 Einwohner versklaven und ihr Hab und Gut versteigern, urn durch diese Terrormagnahme auch die Nachbarn vor weiteren Treuebriichen abzuschrecken. Damit war auch in Nordgallien der erste entschiedene Widerstand gebrochen, und Caesar konnte daran denken, seinen Einflugbereich weiter auszudehnen und zu erharten. Dazu diente eine Expedition des jungen Crassus in den Raum der Normandie und der Bretagne, vor allem aber die weitgefacherte Dislokation der Winterlager der romischen Legionen fur den Winter 57/56 v. Chr. Offensicht!ich gab sich Caesar der Hoffnung hin, dag damit die Widerstandskraft der ke!tischen Stamme auch in West- und N ordgallien bereits endgultig geschwacht sei, er schickte sich deshalb an, die letzten noch nicht bezwungenen Randgebiete nun ebenfalls zu unterwerfen und gleichzeitig fur eine bessere Verbindung zwischen Gallien und Italien zu sorgen. Allein ein Vorstog des Legaten Servius Sulpicius Galba in das Wallis scheiterte. Caesar selbst hatte den Winter 57/56 v. Chr. in Illyricum und in der Gallia cisalpina verbracht und dabei eine ungewohnlich lebhafte innenpolitische Aktivitat entfa!tet, die schliemich in den bereits friiher besprochenen Abmachungen von Ravenna und Luca zwar zur Erneuerung des Triumvirats fuhrte, Caesar aber jedenfalls vorlaufig auch festhie!t. Die W echselwirkung zwischen innerer und augerer Politik trat in jenen Monaten besonders deut!ich zutage, denn es zeigte sich, dag die militarische Behauptung Galliens von Oberitalien aus nicht zu leiten war. Schon wahrend des Winters 57/56 v. Chr. wares im Gebiet der Veneter, an der Sudkuste der Bretagne, zu Vorfallen gekommen, die Caesars Beurteilung der militarischen Lage in Gallien und eben auch seine Siegesmeldungen von Ende 57 v. Chr. Lugen straften. Denn dort wurden romische Offiziere, die Getreide requirieren sollten, gefangengesetzt und als Pfand gegen die Geiseln ausgespie!t, die der Stamm hatte stellen mussen. Das alles war jedoch erst der Anfang, denn wahrend des Winters ergriff die Aufstandsbewegung auch die Nachbarstamme im Norden der Loire, und die eben erst aufgerichtete romische Herrschaft drohte schon jetzt wieder zusammenzubrechen. Da Caesar fur die Kampfe des Jahres 56 v. Chr. in Gallien gleichsam auf der inneren Linie operieren konnte, bildete er aus seinem Heer funf Kampfgruppen, die vom Zentrum Galliens aus in aile bedrohten Land-
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schaften vorstieBen und dabei Aufstandische oder noch nicht unterworfene Stamme zur BotmaBigkeit brachten. Den HauptstoB gegen die Veneter lei tete Caesar selbst. Doch wie erfolgreich die Offensive zu Lande gegen diesen Stamm auch war, die Entscheidung fie! erst verhaltnismaBig spat, und zwar erst dann, als die von Decimus Brutus befehligte ri:imische Flotte in die Kampfe eingriff und die venetischen Schiffe zersti:irt hatte. Die Veneter gaben ihre Sache daraufhin verloren und kapitulierten. Doch Gnade gewahrte Caesar in diesem Falle nicht, er lieB den Rat des Stammes hinrichten, die iibrige Bevi:ilkerung in die Sklaverei verkaufen. Wahrend dieser Vorgange hatten auch Caesars Legaten neuen Lorbeer an ihre Adler geheftet. Der junge Crassus war mit einem relativ kleinen Kontingent weit in den Siiden vorgestoBen, er hatte sich gegen ein zahlenmaBig iiberlegenes Heer der aquitanischen Stamme durchgesetzt und damit eine ganze Reihe von ihnen zur Unterwerfung gebracht, so daB jetzt auch das ni:irdliche Vorfeld der Pyrenaen bis zur Garonne in Caesars Herrschaftsbereich einbezogen war. Daneben hatten andere Legaten auch in der Normandie, im Gebiet der Belger und in den Landschaften am Rhein die Lage soweit wiederhergestel!t, daB Caesar noch im Herbst einen An griff gegen die Morini am Kana! unternehmen konnte, der freilich wegen der auBerordentlichen Gelandeschwierigkeiten nicht den gewiinschten Erfolg erzie!te. Die Vorgange des Winters 57/56 v. Chr. hatten Caesar gelehrt, wie prekar die romischen Positionen an der Peripherie Galliens noch immer waren und welche AusmaBe dort ein lokaler Aufstand in kiirzester Frist annehmen konnte. Schon in die Erhebung der Veneter hatten auch Kelten aus Britannien auf der Seite der Aufstandischen eingegriffen, und in dem Feldzug des Spatjahres 56 v. Chr. gegen die Mariner war dann die Insel erneut in Caesars Blickfeld geriickt. Mi:iglicherweise faBte Caesar schon damals den Plan, Britannien zumindest einmal zu erkunden, doch wuchs ihm dann in den ersten Wochen des Jahres 55 v. Chr. an ganz anderen Stellen seines Machtbereichs eine dringlichere Aufgabe zu. Selbst vorwartsgedrangt von den Sue ben hatten die U sipeter und Tencterer den mittleren Rhein iiberschritten. Caesar reagierte diesmal rascher als im Vorjahr, ging gleich zu J ahresanfang zu seinem Heer und warf alle verfiigbaren Truppen, darunter auch starke ke!tische Reiterverbande in den Raum der unteren Mosel, urn einer Wiederholung von
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Entwicklungen vorzubeugen, wie sie Rom mit Ariovist erlebt hatte. Es kam auch hier zunachst ZU Verhandlungen, in deren Verlauf Gesandte der Usipeter und Tencterer von Caesar die Erlaubnis zur Ansiedlung westlich des Rheins erbaten, ein Ansinnen, das Caesar jedoch kategorisch ablehnte. Statt des sen schlug er den Gesandten seinerseits vor, ihre Stamme soli ten sich ins Gebiet der Ubier, die gleichfalls von den Sue ben bedroht wurden, auf rechtsrheinischem Gebiet wenden. W enn Caesar mit diesem Vorschlag sich nicht lediglich ein Alibi fi.ir sein spate res Verhalten sichern wollte, so ki.innte dahinter der Plan stehen, aus Usipetern, Tencterern und Ubiern einen von den Ri.imern gesti.itzten rechtsrheinischen Bri.ickenkopf zu bilden, der stark genug war, urn dem Druck der Sueben standzuhalten. Die Gesandten der U sipeter und Tencterer lehnten Caesars Vorschlag jedenfalls nicht rundweg ab, sondern sie erbaten zunachst einen dreitatigen Waffenstillstand, wahrenddessen Caesar seinen Vormarsch nicht fortsetzen sollte und sie selbst die Entscheidung ihrer Stamme herbeifi.ihren und mel den wollten. Doch Caesar setzte seinen Marsch fort, und nach einer neuen, vergeblichen Fi.ihlungnahme der Gesandten kam es dann auch bereits zu einem ersten Treffen zwischen der germanischen und der keltischen, fi.ir Caesar fechtenden Reiterei. Obwohl die keltischen Reiterschwadronen sechsmal so stark waren wie die Germanen, wurden sie von den Usipetern und Tencterern auseinandergesprengt. Der Schock, den diese Niederlage Caesar versetzte, mag vielleicht wenigstens zum Teil sein vollig skrupellose~ Verhalten wahrend der folgenden Tage erklaren, entschuldigen wird er es freilich nicht. Offensichtlich waren die fi.ihrenden Manner der beiden germanischen Stamme nach wie vor an einer friedlichen Losung ihrer Schwierigkeiten interessiert. Sie suchten deshalb Caesar am Tage nach dem Gefecht in seinem Lager auf und entschuldigten sich in aller Form mit dem Ziel, einen neuen Waffenstillstand zu erlangen. Allein Caesar nahm keinerlei Entschuldigung an, er lieB aile Vornehmen der beiden Stamme gefangensetzen und darnach den Angriff gegen das Lager der vollig i.iberraschten Germanen eroffnen. An einen organisierten Widerstand war auf seiten der fi.ihrerlosen Usipeter und Tencterer gar nicht zu denken, es kam zu einem wilden Gemetzel und schlieBlich zur Flucht der Germanen, wobei sich Caesar spater im Stile Sullas ri.ihmte, er habe 430000 Personen verjagt und dabei selbst keinen Mann verloren. Nach diesem
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Akt der Perfidie liel~ er dann jedoch den Adel der heiden Stamme wieder frei. Immerhin war dieses Vorgehen wenigstens der innerromischen Opposition gegen Caesar zu vie!. Als amEnde des Jahres 55 v. Chr. im romischen Senat i.iber ein neues Dankfest fi.ir Caesar verhande!t wurde, griff daher Cato Caesars Verhalten gegeniiber den Usipetern und Tencterern auf. Er forderte Caesars Auslieferung an die Germanen, und wenn er das auch nicht erreichte, so beschloB der Senat doch die Einsetzung einer Untersuchungskommission, i.iber deren Wirken jedoch nichts bekannt ist. Da Caesar mit dem Gros seines Heeres bereits am Mittelrhein stand, wollte er diese Konzentration seiner Verbande auch zu einer Demonstration gegeni.iber den rechtsrheinischen Germanen benutzen. Von diesen hatten bisher lediglich die Ubier freundschaft!iche Kontakte zu Caesar aufgenommen, wahrend sich die ni:irdlich von den Ubiern siedelnden Sugambrer weigerten, den W eisungen Caesars zu entsprechen und die zu ihnen gef!i.ichteten Reiter der Usipeter und Tencterer auszuliefern. Die starkste Macht jenseits des Rheins aber stellten nach wie vor die Sue ben dar. Angesichts dieser Lage entschloB sich Caesar zu einem Rheini.ibergang. Im Neuwieder Becken wurde in der fi.ir antike Verha!tnisse erstaunlich kurzen Zeit von zehn Tagen eine feste Rheinbri.icke erbaut, Caesar fi.ihrte sein Heer hini.iber und hie!t sich immerhin achtzehn T age lang im rechtsrheinischen Gebiet auf. Z u einer Beri.ihrung mit dem Gegner ist es dabei freilich nicht gekommen. Das Hauptziel der Demonstration war ohnehin lediglich der Nachweis, daB der Rhein fi.ir die ri:imischen Legionen kein Hindemis darstellte und die rechtsrheinischen Stamme jederzeit mit einem neuen VorstoB der Romer rechnen muBten, obwohl die ri:imische Rheinbri.icke nach der Ri.ickkehr der Truppen Caesars wieder abgebrochen worden ist. Auch gegeni.iber Britannien ergriff Caesar noch im Spatjahr 55 v. Chr. die Initiative, und wenn sich auch die Operation dieses Jahres schon aus zeit!ichen Grunden im relativ begrenzten Rahmen eines ErkundungsvorstoBes halten muBte, so gingen Caesars Plane hier letzten Endes doch wesentlich weiter als gegeni.iber den rechtsrheinischen Germanen. Das Unternehmen vom Herbst des Jahres 55 v. Chr. kann indessen nur als militarische Aufklarungsaktion verstanden werden, fi.ir eine dauernde Besetzung waren die heiden Legionen, die Caesar i.iber den Kana! fiihrte, vie! zu schwach.
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So gering die faktischen Resultate waren, so stark war die Resonanz des Unternehmens in Rom. Denn aus stadtri.imischer Perspektive hatte Caesar auf der geheimnisvollen Insel eine terra incognita am Ran de der Welt betreten: Wie Pompeius im Osten, so hatte er nun im Westen die ri.imische Herrschaft bis zum auBersten Ende der Oikoumene vorangetragen. Mit den VorstoBen ins rechtsrheinische Germanien und nach Britannien war ideologisch das imperium sine fine, die Herrschaft Roms i.iber den gesamten orbis zumindest als Anspruch angemeldet. Auch Caesar war damit in jenen weiteren Rahmen eingetreten, den Pompei us mit der Aufnahme der Alexanderideologie im hellenistischen Osten aufgerichtet hatte. Es konnte gar nicht ausbleiben, daB ri.imische Heerfi.ihrer, die dem ri:imischen Imperium so weite und periphere Gebiete angegliedert hatten, in W eltreichsvorstellungen hineinwuchsen, wie sie der alten Republik fernlagen, und daB diese Manner auch fi.ir sich selbst einen neuen Rang beanspruchten. Mi.iglicherweise hat Caesar jenes starke Echo Roms aber bereits in Rechnung gestellt, als er den VorstoB nach Britannien plante und dann die Resonanz des Zuges durchaus richtig eingeschatzt, eine Resonanz, die am deutlichsten darin zum Ausdruck kommt, daB der Senat diesmal ein Dankfest von zwanzig Tagen fi.ir Caesar beschloB. Offensichtlich war inzwischen aber auch Caesar selbst von dem Projekt einer Invasion in Britannien gepackt worden. Die Insel und nicht Gallien beherrschte jetzt sein Denken, und zwar so ausschlieB!ich, daB Caesar i.ibersah, daB die Basis fi.ir dieses Unternehmen keineswegs endgi.iltig gesichert war. Noch im Winter 55/54 v. Chr. wurde eine Flotte gebaut, die groB genug war, urn fi.inf Lcgionen und 2000 Reiter, eine Streitmacht, die rund dreimal so groB war wie das Korps vom Herbst 55 v. Chr., nach Britannien hini.iberzuschaffen. Caesar selbst hatte wahrend des Winters 55/54 v. Chr. in der Gallia cisalpina Recht gesprochen, er war darnach gezwungen, in seinem illyrischen Befehlsbereich fi.ir Ordnung zu sorgen und muBte dort Einfalle der Pirusten, die vermudich in der Gegend der Bucht von Cattaro beheimatet waren, zuri.ickwerfen. Erst im Fri.ihsommer 54 v. Chr. naherte sich der Bau der Invasionsflotte seinem AbschluB. Doch inzwischen waren in Gallien Ereignisse eingetreten, die die Durchfi.ihrung des ganzen Unternehmens in Frage stellten.
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Durch die Konzentration der romischen Verbande im augersten Nordwesten Galliens war Caesar in anderen Teilen des Landes die Kontrolle vollig entglitten. Diese Situation hatte der Trevererfiirst Indutiomarus ausgeniitzt, urn seine Verpflichtungen gegeniiber den Romern einzustellen und statt dessen die Verbindung zu den rechtsrheinischen Germanenstammen wiederaufzunehmen. Wahrend sich die romische Flotte im Hafen von Boulogne versammelte, nutzte Caesar die noch verfiigbare Zeit bis zur Einschiffung der Verbande zu einem iiberraschenden Vorstog in das Gebiet der Treverer, urn den Abfall des Indutiomarus schon im Keirn zu ersticken. Das gliickte auch, aber es war die Frage, ob sich der von Caesar bei den Treverern eingesetzte Vertrauensmann Cingetorix auf die Dauer wiirde halten konnen. Die Krise bei den Treverern war kaum bereinigt, als Caesar es mit einer neuen zu tun bekam, die diesmal von dem Haeduerfiirsten Dumnorix ausging. Dumnorix hatte zuerst in seiner Heimat Unruhen ausgelost, doch gefahrlicher wurde seine Agitation am Kana!. Dort hatte Caesar die fiihrenden Manner aller gallischen Stamme zusammenkommen lassen, wei! er sie als Geiseln auf seiner Britannienexpedition mitnehmen wol!te, urn damit wahrend seiner Abwesenheit die Ruhe in Gallien zu sichern. Dumnorix konspirierte nun mit seinen Schicksalsgefahrten, und als die Einschiffung der Truppen endlich in Gang kam, ritter kurzerhand mit seinem Gefolge von dannen. Caesar beurtei!te die hier drohende Gefahr so ernst, dag er seine Reiterei wieder an Land setzen und Dumnorix verfolgen Jieg, der dann auch eingeho!t und getotet wurde. Aile diese Vorfalle miissen Caesar freilich auch gelehrt haben, dag er gar nicht daran denken konnte, etwa jahrelang aile seine Krafte fiir eine Unterwerfung Britanniens einzusetzen, doch von der fiir 54 v. Chr. geplanten Expedition ging er nach den so umfangreichen und kostspieligen Vorbereitungen auch nicht ab. Fiir die Stamme auf der Insel kam die neue romische Invasion freilich nicht mehr iiberraschend. Eine grogere Zahl von ihnen hatte sich Cassivelaunus unterstel!t, dem Anfiihrer der Catuvellauni, die damals in Hertfordshire ansassig waren, und diese zuerst im Hintergrund stehende Koalition sollte sich dann als Caesars gefahrlichster Gegner erweisen. Zunachst jedoch lieg sich fur Caesar alles gut an, die Landung gliickte, ein erstes Treffen in der Gegend von Canterbury wurde zu seinen Gunsten entschieden. Doch dann mugte er an die Kiiste zuriickkehren, wo die Flotte erneut schwere Verluste erlitten
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hatte, und als er nach dieser Verzogerung den Vormarsch in Richtung auf die Themse und damit in Richtung auf den Machtbereich des Cassivelaunus wieder aufnahm, waren dort !angst aile verfiigbaren Krafte mobilisiert. Allerdings konnte Caesar nun auch von der Zersplitterung der Stamme auf der Insel profitieren. Die mit den Catuvellauni verfeindeten Trinovantes in Essex unterwarfen sich Caesar, der sich damit in seiner nordostlichen Flanke auf einen befreundeten Stamm stiitzen konnte. SchlieB!ich wurde dann auch das befestigte Zentrum des Cassivelaunus erobert. Zu guter Letzt gab Cassivelaunus nach, er sicherte die Gestellung von Geiseln und die Leistung von Tributen zu, doch war das auch alles, was Caesar erreichen konnte. Es lief~ sich darnach zwar der Anschein aufrechterhalten, dag der Siidostteil der Insel wenigstens nominell unter romische Herrschaft gekommen war, an eine standige Besetzung oder gar an einen romisch verwalteten Briickenkopf aber war iiberhaupt nicht zu denken, die Beute war gleich Null. Nach seiner Riickkehr mugte Caesar iiberdies bald feststellen, dag sich die Lage in Gallien trotz aller Vorsichtsmagnahmen bedenklich verschlechtert hatte. Eine augergewohnlich karge Ernte hatte nicht zum wenigsten dazu beigetragen, dag die Requisitionen der Romer als besanders driickend empfunden wurden, und an vielen Stell en wares deshalb zu neuer politischer Agitation gegen die romische Herrschaft gekommen. So war beispielsweise bei dem Stamm der Carnuten, nordlich des Loirebogens, der von Caesar inthronisierte Konig Tasgetius ermordet worden, aber auch andernorts garte es unter den keltischen Stammen Galliens. Caesar bezog deshalb zunachst selbst in Samarobriva (Amiens) sein Hauptquartier und verteilte dann die Winterlager der einzelnen Legionen in einem weiten Umkreis iiber das ganze nordostliche Gallien. Ziel dieser Magnahme war selbstverstandlich auch die Erleichterung der Verpflegung, aber in erster Linie doch wohl die umfassende militarische Sicherung des ganzen Gebietes, in dem die romische Herrschaft wieder abzubrockeln begann. Wie sich bald herausstellte, hatte der Treverer Indutiomarus die Monate von Caesars Abwesenheit dazu benutzt, urn eine groge Erhebung zu organisieren, die nun im Winter 54/53 v. Chr. an mehreren Stellen zugleich ausbrach. Die weit auseinandergezogenen romischen Winterlager boten dazu denkbar giinstige Gelegenheiten.
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Das am weitesten nach Norden vorgeschobene romische Lager befand sich bei Atuatuca, im Gebiet der Eburonen, im Raume von Li.ittich. Der Eburonenfi.ihrer Ambiorix brachte es fertig, die dort stationierten rund eineinhalb Legionen aus ihrem Lager zu Iocken und nahezu vollstandig zu vernichten. Die Nachricht vom Erfolg der Eburonen rief nun die benachbarten Nervier auf den Plan, eine Entwicklung, die schlecht zu Caesars Bericht i.iber das Jahr 57 v. Chr. pafh, als er die Nervier vollig aufgerieben haben wollte. Die Nervier gingen jetzt gegen jenes Lager vor, das Ciceros Bruder Quintus im Raume von N amur angelegt harte und schlossen diesen dort ein. In Eilmarschen gelang es Caesar jedoch mit zwei Legion en von Samarobriva aus die Verb an de des Quintus Cicero herauszuhauen. Nicht weniger gefahrlich war die gleichzeitige Erhebung bei den Treverern, die Indutiomarus selbst leitete, gegen den sich der fahige Labienus nur mit groBter Mi.ihe durchsetzen konnte. Erst als es gelungen war, Indutiomarus zu toten, ebbte die Erhebung im Osten Galliens ab, doch Caesar gab sich i.iber die Stimmung bei den gallischen Stammen keinen Illusionen hin. Mit allen Mitteln betrieb er deshalb die Verstarkung seines Heeres. In der Gallia Cisalpina wurden wiederum drei neue Legionen fiir Caesar aufgestellt, darunter eine, die zwei Jahre zuvor fiir Pompeius ausgehoben worden war, und die dieser nun Caesar praktisch auslieh. Damit konnte Caesar im Jahre 53 v. Chr. in Gallien insgesamt zehn Legionen einsetzen, eine starkere Armee als jemals zuvor, zusammen rund 50 000 Mann. Er war entschlossen, mit diesen Streitkraften jeden Widerstand in riicksichtslosem Terror zu brechen und gleichzeitig fiir die Aufstande des Vorjahres Rache zu nehmen. Nacheinander wurden Nervier, Senonen, Carnuten, Treverer und Menapier niedergeworfen. Darnach ging Caesar wieder an den Rhein zuriick, urn den FluB noch einmal zu i.iberschreiten und urn durch diese Demonstration jedes weitere Eingreifen der Sue ben in die bevorstehenden Kampfe in Gallien zu vereiteln. Praktisch hielt sich jedoch auch der VorstoB des Jahres 53 v. Chr. in demselben Rahmen wie derjenige von 55 v. Chr., mit der einzigen Ausnahme, daB Caesar diesmal einen Teil der Rheinbriicke stehenlieB, gewiB urn zu demonstrieren, daB ein neuer Rheini.ibergang jederzeit im Bereich des Moglichen liege. Nachdem die Eburonen auf diese Weise von allen Seiten her isoliert
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waren, begann Caesar mit seiner systematischen Strafaktion, zu der auch die N achbarn der Eburonen eingeladen waren. Hier wurde jetzt in einem gnadenlosen Kolonialkrieg ein ganzer Stamm praktisch ausgerottet. Lediglich Ambiorix hatte sich dem Zugriff der Romer entziehen konnen, seine Macht war dagegen vollig zerschlagen. Im Herbst des Jahres 53 v. Chr. berief Caesar dann einen neuen Land tag in die Hauptstadt der Remer, nach Durocortorum (Reims) ein. Auch dieser Land tag stand im Zeichen der Abrechnung mit den Aufstandischen, denn der Fuhrer der Erhebung bei den Senonen, Acco, wurde dort in schimpflicher Weise hingerichtet. Die Senonen selbst muBten in ihrem Gebiet fur den Winter 53/52 v. Chr. nicht weniger als sechs Legionen aufnehmen, wahrend zwei ihre Winterquartiere weiter im Osten, bei den Lingonen, hatten, die heiden letzten bei den Treverern standen. Im Gegensatz zum Vorjahr kehrte Caesar im Herbst des Jahres 53 v. Chr. zu seiner Jurisdiktionstatigkeit in die Provinz Gallia Cisalpina zuriick. Nachdem so weite Gebiete der zentralen, ost!ichen und nordlichen Landschaften Galliens wahrend des ganzen Jahres 53 v. Chr. von den romischen Terrorexpeditionen heimgesucht worden waren, mochte Caesar glauben, daB damit aller Widerstand gegen die romische Herrschaft endgultig gebrochen sei. In Wirklichkeit hatten aber gerade die Vorgange dieses J ahres mit den Serien von Versklavungen, Brandschatzungen und Plunderungen auch den Gegnern Roms in die Hande gearbeitet. Denn sie konnten nun auf diese neuen Methoden der romischen Herrschaft hinweisen und zur Verteidigung der Freiheit Galliens aufrufen. Schon wahrend des Winters 53/52 v. Chr. wurden im Gebiet der Carnuten, in Cenabum (Orleans) romische Kauf!eute ermordet, ebenso ein romischer Ritter, der dort als Caesars Beauftragter fur die Verproviantierung der Truppen seinen Sitz hatte. Es war im ubrigen kein Zufall, daB der Aufstand gegen Caesar gerade in einem Augenblick ausbrach, als seine Stellung auch in Rom selbst immer schwieriger wurde, denn nach der Ermordung des Clodius zeichnete sich dort immer klarer die gemeinsame Frontstellung der Optimaten und des Pompeius gegen Caesar ab. In Gallien traten an die Spitze des Aufstandes zwei Manner, die ursprunglich keineswegs dezidierte Romerfeinde waren. Commius, der die Erhebung im Norden, bei den Belgern, organisierte, der Fuhrer der Atrebaten, war von Caesar einst ebenso geehrt worden wie der Arver-
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ner Vercingetorix, den Caesar offiziell zum amicus ernannt hatte. Doch jetzt galten aile diese Bindungen nicht mehr, Vercingetorix konnte die Arverner zum Krieg bewegen, seine rasch begeisterten Anhanger riefen ihn zum Konig aus, auch die N achbarstamme schlossen sich an. Vercingetorix lie£ sich Geiseln geben und setzte Art und Umfang der Truppenkontingente fest, welche die einzelnen Stamme zu stellen hatten. Der junge Vercingetorix entpuppte sich schon in kiirzester Zeit als hervorragender, umsichtiger Feldherr und Organisator, dessen Autoritat zunachst einzig darin begriindet war, da£ er einer angesehenen arvernischen Adelsfamilie entstammte. Schon sein Vater Celtillus hatte einst vergeblich das Konigtum fiir sich erstrebt. Vercingetorix' Absicht war zunachst offensichdich, Caesar iiberhaupt am Eingreifen in Gallien zu hindern. Denn kaum waren die ersten aufgebotenen Truppen versammelt, da lie£ er diese bereits unter der Fiihrung des Lucterius gegen die Gallia Narbonensis vorgehen. Er selbst wandte sich gleichzeitig mit anderen Verbanden gegen die Bituriger, die bisher unter dem Einflu£ der Haeduer standen und deshalb zunachst mit dem Anschlu£ an die Sache der Aufstandischen gezogert hatten. Wie weit die Faden der Erhebung diesmalliefen, geht am besten daraus hervor, da£ parallel zu diesen Vorgangen von Drappes im Gebiet der Senonen ein Partisanenkrieg entfacht wurde, der bald die Versorgung des romischen Heeres ernsthaft gefahrdete. Als Caesar Ende Februar 52 v. Chr. in der Gallia Narbonensis erschien, war Lucterius bereits im Begriff, Narbo zu belagern. An ein Eingreifen im lnneren Galliens war fiir Caesar deshalb zunachst iiberhaupt nicht zu denken, er mu£te mit Milizen und Rekruten die Grenze der alten romischen Provinz sichern, verhie!t sich aber keineswegs blo£ defensiv, sondern zog mit dies em letzten Aufgebot im Gebiet der He! vier durch die verschneiten Cevennen und bedrohte durch diesen Sto£ in die Flanke des Lucterius zugleich das Zentrum der Aufstandischen in der Auvergne. Der taktische Gegenzug hatte vollen Erfolg. Die Aufstandischen konzentrierten jetzt ihre Verbande im Gebiet der Arverner, Caesar konnte in Gewaltritten iiber Vienne das Plateau von Langres erreichen, wo im Gebiet der Lingonen die beiden siidlichsten Legionen iiberwintert hatten. Von dort aus gab er Befehl zur Versammlung des ganzen romischen Heeres in Gallien bei Agedincum. Vercingetorix hatte in der Zwischenzeit mit der Belagerung von Gorgobina begonnen, einem be-
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festigten Platz der boiischen Gruppe, die Caesar dort im Jahre 58 angesiedelt harte, so daB die Behauptung von Gorgobina damit auch zu einer Prestigefrage fur Caesar werden muBte. Vor allem iiberraschte Caesar die Aufsrandischen aber damit, daB er mit seiner Armee schon jetzt im Friihjahr groBere Operationen begann, wahrend Vercingetorix und seine Anhanger gehofft hatten, Caesar wiirde noch his zum friihen Sommer in den Winterlagern stehenbleiben, wei! die Verproviantierung seines groBen Heeres auf dem Marsch naturgemaB auBerordentlich hohe organisatorische Anstrengungen erforderlich machte. In iiberraschendem Angriff konnte zunachst Cenabum (Orleans) wieder eingenommen werden, die Stadt, in der man das erste Zeichen zur Erhebung gegeben hatte, und die deshalb jetzt auch mit besonderer Harte bestraft wurde. Sie wurde niedergebrannt, ausgepliindert, die Einwohner versklavt, wobei Caesar auch hier die ganze Beute seinen Truppen iiberlieB. Nach weiteren, kleineren Erfolgen stieB Caesar dann gegen Avaricum vor (Bourges), die Hauptstadt der Bituriger. Auf der Gegenseite hatte unterdessen Vercingetorix versucht, seine Anhanger auf ein einheitliches und systematisches Vorgehen gegen die romische Offensive festzulegen. Da er erkannt harte, daB die romischen Legionen wahrscheinlich jede offene Feldschlacht fiir sich entscheiden wiirden, setzte er auf eine Zermiirbungstaktik, die die Romer zwingen sollte, in Landschaften zu operieren, in denen alles zerstort worden war, wahrend die leichtbewaffneten, beweglichen Truppen der Kelten und die keltische Reiterei gleichzeitig den Nachschub der Romer unterbinden sollten. Eine solche Taktik konnte gewiB zum Erfolg fiihren, und es zeigte sich im iibrigen tatsachlich schon bald, wie sehr die Truppen Caesars unter ihr zu leiden hatten. Aber zu ihrem Gelingen waren sehr schwerwiegende Opfer erforderlich, die Vernichtung aller Vorrate, die Zerstorung der Siedlungen. Dennoch gelang es Vercingetorix zunachst, seine Anhanger auf diesen Kurs zu bringen, der nun vor allem von den Biturigern einen hohen Preis forderte, da deren Land jetzt zum Kriegsschauplatz geworden war. Die Bituriger waren zwar bereit, rund zwanzig ihrer groBeren Siedlungen niederzubrennen, nicht dagegen ihre Hauptstadt A varicum, wei! sie die Ansicht vertraten, daB Avaricum, das auf drei Seiten von FluB!aufen und Siimpfen umgeben war, auch Ieicht zu verteidigen sei. Vercingetorix blieb deshalb, gegen seine Dberzeugung,
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mit der Feldarmee der Aufstandischen in der Nahe von Avaricum in einem befestigten Lager stehen, wahrend Caesar mit der Belagerung der Stadt begann. Diese fuhrte trotz tapferer Gegenwehr der Eingeschlossenen bald zum Erfolg, an die 40000 Menschen sollen niedergemacht worden sein, als die Romer schlieGlich in die Stadt eindrangen. Obwohl die Sache der Aufstandischen durch den Fall von Avaricum einen schweren Ruckschlag erlitten hatte und obwohl sich Caesars Versorgung durch die in Avaricum erbeuteten Vorrate schlagartig verbessert hatte, blieb Vercingetorix' Autoritat unerschuttert. Er konnte im Gegenteil darauf hinweisen, daG die Verteidigung der Stadt gegen seinen Willen erfolgt war, und seine Anhanger gehorchten auch seinen Appellen zu neuen Rustungen und zu weiterer Unterstutzung aller Art. Die Krise wurde somit aufgefangen, die Erhebung dehnte sich im Gegenteil immer weiter aus. Selbst aus dem Raume der mittleren Garonne trafen nun Reiterkontingente der Nitiobroger ein, die deren Konig Teutomagus herangefuhrt hatte. Durch eine ganze Reihe von Gesandtschaften lieG Vercingetorix auch die Fuhrer der noch schwankenden gallischen Stamme bearbeiten, dabei wares sicher sein groGter Triumph, daG sich jetzt selbst bei den Haeduern eine starke Partei fur den Aufstand entschied. Caesars nachstes Angriffsziel war das etwa 7 km sudlich von Clermont-Ferrand gelegene Gergovia. Diese am starksten befestigte Stadt im Gebiete der Arverner war auf einem allseits abfallenden Plateau schon durch ihre naturliche Verteidigungsgunst ausgezeichnet. Da es Vercingetorix gelang, seine Streitkrafte noch rechtzeitig vor Caesars Anrucken in die Festung zu werfen, hatte Caesar dort mit einem sich stan dig versteifenden Widerstand zu rechnen, und Caesars Lage wurde vollends prekar, als nun auch ein groGer Teil der Haeduer abfiel und eine groGe romische Proviantkolonne ausplunderte. Es gluckte Caesar zwar verhaltnismaGig rasch, mit dem Abfall seiner bisher treuesten Verbundeten fertig zu werden, abervor Gergovia wurde seine Lage von Tag zu Tag aussichtsloser. Ein letzter Versuch, die feindlichen Befestigungen im Sturm zu nehmen, scheiterte unter schweren romischen Verlusten, und kaum hatte Caesar die Belagerung aufgehoben, da wurde ihm bereits eine neue Hiobsbotschaft zugestellt. Denn inzwischen hatten aufstandische Haeduer einen Dberfall auf Noviodunum (Nevers) an der Loire unternommen und damit einen der
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wichtigsten Etappenplatze der Romer besetzt. In Noviodunum befanden sich gro£e Getreidemagazine, ein Pferdedepot, ein Teil der Kriegskasse, und vor allem hatte Caesar dort auch die Geiseln untergebracht, die ihm die verschiedenen galliS{;hen Stamme als U nterpfand ihrer T reue ausgeliefert hatten. Caesar blieb lediglich der Riickzug iiber die Loire nach Norden, bei Agedincum konnte er sich mit den vier Legionen vereinigen, die bisher Labienus an der Seine befehligt hatte. Macht und Ansehen des Vercingetorix hatten nun ihren Zenit erreicht. In Bibracte wurde ein Landtag aller aufstandischen gallischen Stamme abgehalten, auf dem nur die Remer und Lingonen fehlten, die auch jetzt noch als Letzte treu zu den Romern hielten, ferner die Treverer, die sich mit Germanen herumschlugen, einige weitere Stamme und die Vertreter Aquitaniens, ein Landtag, auf dem aber jedenfalls der iiberwiegende Teil der Bevolkerung Galliens durch Fiirsten oder Gesandte reprasentiert war. Vercingetorix wurde erneut als Oberbefehlshaber anerkannt, die Enttauschung der Haeduer, daB ihnen der Oberbefehl versagt wurde, ging in dem allgemeinen Begeisterungstaumel iiber das Ausma£ der Erhebung unter. Vercingetorix wollte auch in Zukunft an der einmal gewahlten Taktik festhalten, einer off en en Feldschlacht ausweichen und Caesars Heer zuerst durch Aushungerung miirbe machen. Gleichzeitig lie£ er jedoch durch die Haeduer und durch deren Nachbarstamme im Raum nordwest!ich der Rhone und der Cevennen den Angriff auf die romische Provinz Gallia Narbonensis eroffnen. Durch diese Aktivitat und durch die Streifziige der keltischen Reiterei wurden Caesars riickwartige Verbindungen zur Gallia Narbonensis und zur Gallia Cisalpina praktisch abgeschnitten. Die militarische Lage wurde fiir ihn immer kritischer, denn sein Heer war jetzt im Inneren Galliens isoliert und nicht mehr imstande, die gefahrdeten Provinzen zu sichern. Jede Niederlage des groBen romischen Feldheeres mu£te verhangnisvolle Folgen haben, selbst eine Einkesselung der Legionen lag durchaus im Bereich des Moglichen. Allein mit den Schwierigkeiten wuchs auch Caesars Leistung, er hat selten entschlossener und iiberlegener gefiihrt als in dieser gro£en Krise des Jahres 52 v. Chr. Eine Ruhepause im Gebiet der Lingonen hatte Caesar im Sommer 52 v. Chr. dazu beniitzt, urn germanische Reiter anzuwerben und so die kavalleristische Oberlegenheit der Kelten wenigstens teilweise ausgegli-
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chen. Dann zog er mit seinem Heer nach Siiden, zunachst in das Land der Sequaner, urn jederzeit in die Entwicklungen auf dem Boden der Narbonensis eingreifen zu konnen. Im Raum von Dijon wurde sein Heereszug iiberraschend von der keltischen Reiterei angegriffen, aber die Romer hielten diesem Oberfall nicht nur stand, sondern sie warfen im Gegenangriff mit den germanischen Rei tern die ihres Sieges allzu sicheren Kelten zuriick und wendeten damit zugleich die ganze militarische Lage. Denn auf die Verbande des Vercingetorix wirkte der Schock dieser vollig unerwarteten Niederlage so nachha!tig, da£ Vercingetorix auf den befestigten Stiitzpunkt Alesia, ein oppidum im Gebiet der Mandubier, zuriickgehen mu£te. Caesar setzte mit seinen Verbanden sofort nach und begann auch sogleich mit der Belagerung der ke!tischen Siedlung, wozu rund 17 km lange Feldbefestigungen erforderlich waren. Nach den Ausgrabungen Napoleons III. kann kein Zweifel dariiber bestehen, da£ sich das von Caesar belagerte Alesia auf dem Mont Auxois bei Alise-St.-Reine befand, wo auf einem flachen, langgestreckten Plateau von 1700m Lange und 70 m Breite, etwa 160-170 m iiberdem Tal, die Oberreste des Oppidums einwandfrei identifiziert wurden, im Tal aber auch die ausgedehnten Feldbefestigungen Caesars. Vor der volligen Einschlie£ung von Alesia hatte Vercingetorix seine fur die Verteidigung des Oppidums ungeeignete Kavallerie detachiert und den Befehl zur sofortigen Mobilisierung des gesamten Heeres der Aufstandischen zur Befreiung Alesias gegeben. Damit spitzten sich die Dinge vor Alesia bald dramatisch zu. Wahrend die Eingeschlossenen zunachst zuversicht!ich, dann immer ungeduldiger auf das Eintreffen des Entsatzheeres warteten, mu£te Caesar seine Einschlie£ungslinie nun auch noch durch zusatzliche Anlagen nach au£en sichern. Zu einer durchgehenden und ausreichenden Besetzung aller Verteidigungsanlagen nach innen und aullen geniigten die romischen Verbande indessen keineswegs. Nach iiber einem Monat, als sowohl in Alesia als auch im romischen Lager schon die Verpflegung knapp wurde, tauchte das grolle keltische Entsatzheer im Westen auf. Fi.ir dieses Heer, das unter dem Kommando des Atrebaten Commius, der Haeduer Viridomarus und Eporedo:-ix, •md des Arverners Vercassivelaunus focht, werden in der Oberlieferung und gerade bei Caesar selbst wieder einmal astronomische Ziffern genannt: Nach Caesar umfallte das Entsatzheer der Kelten rund 250000 Mann, wahrend Plutarch
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Caesar
und Strabo noch hohere Za:hlen nennen. An diesen Werten wurde freilich schon friih gezweife!t, so von Napoleon I. in seinem beriihmten >Precis des guerres de CesarGeschichte der KriegskunstAnticatO< eine Apologie gegeniiber dem Schatten des groBen Feindes. Dariiber hinaus aber nahm Caesar auf die offentliche Meinung und insbesondere auf jene der Senatoren keine Riicksicht mehr. Da sich so viele der Aristokraten als kauflich erwiesen hatten, ist diese Verachtung zumindest teilweise verstandlich. Was in Caesars Augen allein zahlte, war das Heer, und dieses entscheidenden Machtfaktors glaubte er sich sicher zu sein. Nach Philippi trat hier eine neue Lage ein; eine Restauration der Republik hatte jetzt keine Chancen mehr. Die Zeit der einfachen, Ieicht einzuhammernden Parolen, die gerade in ihrer Grobschlachtigkeit die Reali tat so besonders stark verdeckten, war voriiber. Die neue Konstellation erforderte diffizilere Sprachregelungen, in dem sich bald anbahnenden Machtkampf unter den Triumvirn muBte die Ideologie immer wichtiger werden. Antonius und Octavian hatten nach Philippi zunachst weder die Zeit noch den Willen, langfristige Programme aufzustellen oder weitraumige Regelungen zu treffen. Beide grenzten ihre nachsten Aufgaben lediglich provisorisch ab. Da der Sieg bei Philippi offensicht!ich ein Verdienst des Antonius war, spielte er jetzt auch die wichtigere Rolle und wahlte sich die Aufgaben aus, die ihn anzogen. Dies war die Neuordnung des Ostens und die Beitreibung der Geldmittel, die zu Veteranenversorgung und Truppenentlohnung erforderlich waren. Inzwischen sollte Octavian gegen Sextus Pompei us Krieg fiihren und auBerdem die Landzuteilungen an die immerhin rund 100000 Veteranen in Italien fortsetzen. Er hatte damit Aufgaben zu iibernehmen, die ihn groBen
Die Orientpolitik des Antonius
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Gefahren aussetzten und ihn auch schwer belasten mugten. Schon die Niederwerfung des Sextus Pompeius war nicht mi:iglich ohne neue groge Flottenrustungen. lm Seekrieg war Sextus Pompeius zudem ein nicht zu verachtender Gegner. Aber auch die Bodenenteignungen in ltalien konnten zu Aufstanden und bewaffnetem Widerstand fuhren, Octavian wurde jedenfalls so oder so nur neuen Hag ernten.
Die Orientpolitik des Antonius Antonius hielt sich den Winter 42/41 v. Chr. uber noch in Griechenland auf und setzte dann nach Kleinasien uber, urn dort mit der Neuordnung der Verwaltung und dem Einzug der von ihm beni:itigten Gelder zu beginnen. Wahrscheinlich uber Bithynien zog er nach Ephesos, wo er nun seinerseits den griechischen Stadten der Provinz die schwersten Lasten aufburdete. Auch nach Iangen Verhandlungen blieb er dabei, dag im Verlaufe von zwei 1ahren noch einmal die Abgaben von neun 1ahren im voraus an ihn abzufuhren seien, eine Forderung, die fur die betroffenen Stadte noch schwerer wog als die des Cassius, die siegerade erst erfullt hatten. Die ehemaligen Anhanger der Caesarmi:irder, die sich Antonius unterwarfen, wurden im allgemeinen begnadigt. Fur ihn schoben sich nun immer starker die Aufgaben der politischen Reorganisation des Ostens in den Vordergrund. Denn durch die wiederholten Wirren der Burgerkriege, zuerst zwischen Pompeius und Caesar, jetzt zwischen Caesarmi:irdern und Caesarianern, war die einst von Pompeius errichtete Ordnung der ri:imischen Herrschaft im Nahen Osten !angst a us den Fugen geraten. Der einzige zuverlassige Klientelfurst, den Antonius im syrischen Bereich vorfand, war Herodes von 1udaa, der jedoch seinerseits den Ruckhalt an Antonius benotigte, wei! er sich nur so gegen seine innenpolitischen Gegner halten konnte. Antiochos von Kommagene mugte dagegen schon wegen seiner Verwandtschaftsbeziehungen zu den armenischen und parthischen Dynastien als unzuverlassig gelten. Chalkis und andere wichtige Stadte hatten sich den Caesargegnern und den Parthern angeschlossen. Auch der Kurs der agyptischen Politik war fur Antonius nicht durchschaubar.
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Octavians Aufstieg und die Begriindung des Principats
Kleopatra Da Agypten seit altersher im syrischen Bereich politisch interessiert war, wollte sich Antonius vor allen weiteren Entscheidungen zunachst Klarheit i.iber die Ziele der agyptischen Konigin verschaffen und lud diese deshalb zu einem Treffen nach Tarsos ein. So kames zu der beri.ihmten Begegnung, die bei Plutarch - und spater in Shakespeares >Antonius und Kleopatra< --so farbenprachtig ausgemalt ist, einer Begegnung, die freilich alles andere war als lediglich der Auftakt zu einem privaten Liebesspiel. Auf heiden Seiten wurden vielmehr sehr handfeste politische Ziele erstrebt: Antonius muBte darauf dringen, Agypten als sichere Basis fi.ir seine politische Reorganisation des ganzen Vorderen Orients wiederzugewinnen. Kleopatra aber hatte nicht allein die agyptische Politik der letzten Jahre zu rechtfertigen, sondern sie wollte dazuhin auch noch versuchen, die Stellung ihres Landes zu starken. Da sie noch immer mit einer sehr starken Opposition im eigenen Lande zu tun hatte, die sich hinter ihre Schwester Arsinoe stellte, warder Ri.ickha!t an Rom fi.ir sie ein Mittel, urn die eigene Position zu sichern. Beide Parteien drapierten sich dazuhin mit dem religionspolitischen Zeremoniell der spathellenistischen W e!t. Antonius, indem er sich als Dionysos feiern lieB und als Gri.inder einer Friedensordnung, die dem gemeinsamen Wohle dienen sollte, Kleopatra als Aphrodite, die gleichfalls das Heil ganz Asiens bewirken wollte. Das Ergebnis der Begegnung von Tarsos war indessen eine sehr ni.ichterne Abstimmung der beiderseitigen politischen Interessen: Kleopatra wurde erneut als Konigin Agyptens anerkannt, ihre Schwester Arsinoe hingerichtet, bei der Neuordnung Syriens und Palastinas auf die agyptischen Interessen Ri.icksicht genommen. Urn diesen Preis aber hatte Antonius in Agypten einen zuverlassigen Partner gefunden, der sich in den kritischen Augenblicken der folgenden Jahre auch voll bewahrte. Antonius brachte den Winter 41/40 v. Chr. in Agypten zu. Als er das Land im Fri.ihjahr 40 v. Chr. wieder verlieB, waren in Syrien die Parther eingefallen und in Italien ein neuer Bi.irgerkrieg im Gange. Nachdem Octavian noch im Winter 42/41 v. Chr. nach Italien zuri.ickgekehrt war, sah er sich dort rasch anwachsenden Schwierigkeiten gegeni.iber. Die Veteranen forderten nicht nur ihre Abfindungen und ihre Landlose, sie forderten vor allem eine schnelle Erledigung ihrer
Der Perusinische Krieg
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Versorgung und waren argwohnisch, dabei ungerecht behande!t zu werden. Dies galt vor allem fur die Veteranen des Antonius, und hier kam es deshalb sehr rasch zu erheblichen Reibungen, weil sich sowohl Fulvia, die Frau des Antonius, als auch Lucius Antonius, dessen Bruder, und Manius, ein Sonderbeauftragter des Antonius in ltalien, in die Abwicklung der Aufgaben Octavians einmischten. Lucius Antonius, Manius und Fulvia wiegelten nicht nur die Truppen und die Befehlshaber des Antonius gegen Octavian auf, sondern in gleicher Weise auch die vielen Enteigneten und Anhanger der Caesarmorder, fur alle wurde jetzt Octavian zum Ziel vielfaltiger Angriffe. Lucius Antonius, der im Jahre 41 v. Chr. das Konsulat bekleidete, warf sich uberdies auch noch zum Huter der Verfassung auf.
Der Perusinische Krieg Der Konflikt eskalierte rasch. Die Befehlshaber M. An tons begannen mit ihren gro£en Truppenverbanden gegen Octavian zu manovrieren. Wieweit die Anfuhrer der Fronde gegen Octavian wirklich im Einvernehmen mit Antonius handelten oder wieweit sie nur glaubten, dessen In teres sen zu vertreten, hat sich nie mit Sicherheit feststellen lassen. Fur das W echselspiel der Schlagworte und Parolen ist es bezeichnend, da£ nun auch L. Antonius die Devise der Pietas auf seine Munzen setzen lie£ und sich damit unter neuem Vorzeichen auf denselben Begriff berief, den auch Octavian in seinen Anfangen als Motiv der Rache an den Caesarmordern herausgestellt hatte. Antonius selbst hat in den im Sommer 41 v. Chr. ausgebrochenen Wirren keine offene Stellung bezogen. Das einzige, worauf sich Manius bei seiner Scharfmacherei stutzen konnte, war ein Brief M. An tons, in dem dieser die vieldeutige Anweisung gab, da£ in dem Augenblick Krieg zu fuhren sei, wenn seine dignitas verletzt wurde. Mi£trauen und Unsicherheit bestimmten deshalb auch das Verha!ten bei den Anhangern M. Antons, die nicht in der Lage waren, ihre ganz betracht!ichen Krafte, immerhin rund 13 Legionen und 6500 Reiter, zu koordinieren. Es gelang Octavian im Gegenteil, eine Vereinigung der feindlichen Korps zu verhindern und L. Antonius in Perusia einzuschlie£en. Ende Februar 40 v. Chr. mu£te Perusia kapitulieren, die ubrigen Ver-
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bande der Gegner Octavians zogen sich an die Peripherie Italiens zuruck. Auch in seinem Verhalten nach diesem Sieg zeigte Octavian dann jene berechnende Entschlossenheit, die auf der Gegenseite nie festzustellen war. L. Antonius und die mit diesem in Perusia gefangengenommenen Truppen erhielten Pardon und wurden freigelassen, die einfachen Burger der Stadt erhielten freien Abzug. Zu weiteren Zugestandnissen war Octavian dagegen nicht bereit. Perusia wurde den Truppen Octavians zur Plunderung iibergeben und dann zerstort, alle in die Stadt gefluchteten Anhanger der Caesarmorder, darunter zahlreiche Senatoren und Ritter sowie der gesamte Stadtrat von Perusia wurden hingerichtet. Dieses grausame Exempel des Terrors ist dann sofort von der Propaganda der Gegenseite noch weiter aufgebauscht worden. Danach habe Octavian die 300 Opfer am J ahrestag von Caesars Ermordung als Menschenopfer an einem Altar des Divus Julius hinrichten lassen. Dberliefert wird in diesem Zusammenhang jedoch ein wahrscheinlich authentisches Wort Octavians, der den urn Gnade bitten den Verurteilten zynisch und konsequent mit den beiden Worten geantwortet haben soll: ,moriendum est". Wie immer es urn solche Einzelheiten bestellt ist, das Vorgehen gegen Perusia wurde Octavian nie verziehen. Es durfte sich auch empfehlen, an dieser Stelle ins BewuBtsein zu rufen, wie rasch sich innerhalb von vier J ahren die offentliche Meinung iiber Octavian vollig verandert hatte. Im Jahre 44 v. Chr. hatte es an Sympathien fiir den jungen Erben Caesars in weiten Kreisen nicht gefehlt; nicht ihm, sondern Antonius hatte damals der HaB der Caesargegner gegolten. Vier Jahre spater aber waren mit dem Namen Octavians nicht nur der Verrat an Cicero, Proskriptionen und Enteignungen, sondern auch die Grausamkeit der Abschlachtung der Gefangenen von Perusia verbunden. Die Sympathien eines GroBteils der Bevolkerung galten langst Antonius, der zumindest als das kleinere Dbel galt, als der groBziigigere Mensch und nach seinem Sieg bei Philippi als der bessere Feldherr. Auf Antonius richteten sich deshalb auch nach dem Untergang Perusias aller Augen. Es war undenkbar, daB er diesen Schlag hinnehmen wiirde. Doch Antonius erfuhr von der Katastrophe in Perusia erst in dem Augenblick, als er seine Flotte vor der Siidkuste Kleinasiens konzentrierte, urn von dort aus den Widerstand gegen die Parther aufzubauen.
Der V ertrag von Brundisium
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Deren Offensive harte inzwischen betrachtliche Erfolge erzielt. In ganz Syrien war die romische Abwehr zusammengebrochen, groBere romische Einheiten gingen zu Q. Labienus iiber, der mit seinen Verbanden weit ins Innere Kleinasiens vorstieB. Antonius verfiigte nicht iiber die erforderlichen Truppen, urn sofort mit einer Gegenoflensive zu beginnen. Er lieB daher den parthischen Einfall auslaufen und reiste nach Athen, wo er mit Fulvia und Munatius Plancus zusammentraf, die ihm die Einzelheiten der Vorgange in Italien berichteten. Die schwer erkrankte Fulvia ist bald darauf gestorben.
Der Vertrag von Brundisium Die Auseinandersetzung in Italien schien ein noch gri:iBeres AusmaB anzunehmen, als Sextus Pompei us mit Antonius Fiihlung nahm und als sich auch die militarische Lage vor Brundisium zuspitzte. Allein die Truppen, die sich hier gegeniiberlagen, erzwangen einen neuen KompromiB. In dem Anfang Oktober 40 v. Chr. abgeschlossenen Vertrag von Brundisium wurden die Herrschaftsbereiche der Triumvirn neu abgegrenzt. Antonius erhielt die i:istlichen Provinzen zugesprochen, Octavian die westlichen. Die Trennungslinie zwischen den beiden Machtbereichen sollte in der Hi:ihe von Skodra in Dalmatien verlaufen, das heiBt praktisch mit der Binnengrenze zwischen den Provinzen Illyricum und Macedonia identisch sein. Lepidus wurde vi:illig in den Hintergrund gedrangt und mit den nordafrikanischen Provinzen abgefunden. Italien nahm auch diesmal eine Sonderstellung ein, denn dort sollten sowohl Antonius als auch Octavian Soldaten anwerben diirfen. Im iibrigen zog Octavian jetzt auch einen SchluBstrich unter die Verfolgung jener Republikaner, die auf seiten des L. Antonius gegen ihn gekampft hatten und gestand ihnen Amnestie zu. Von den weiteren Abmachungen ist die Absprache iiber die Konsulate der folgenden Jahre hervorzuheben und die Tatsache, daB der neue Pakt zwischen Antonius und Octavian diesmal auch durch eine politische Ehe besiegelt wurde, Antonius nahm Octavians Schwester Octavia zur Frau.
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Octavians Aufstieg und die Begriindung des Principats
Vergils 4. Ekloge
Mit dem FriedensschluB von Brundisium und einem der Friedensvermittler, mit Asinius Pollio, ist eines der beriihmtesten Gedichte des europaischen Kulturkreises verbunden, Vergils 4. Ekloge. In der Dbersetzung von Hildebrecht Hommel mogen einige Verse den Gehalt des Gedichts in Erinnerung rufen: Ihr Musen Siziliens, ein wenig Gri:illeres Iaiit uns besingen! Nicht jeden erfreut niedriges Tamariskengebiisch, wenn sich unser Lied schon in Waldern ergeht, dann sollen die Walder des Konsuls wiirdig sein. Das letzte Zeitalter ist schon angebrochen, von dem die cumaische Sibylle singt, der grolle Ablauf der Zeiten gebiert sich ganz von neuem. Schon kehrt auch die J ungfrau wieder, kehrt wieder die Herrschaft Sa turns. Schon steigt ein neues Geschlecht vom hohen Himmel hernieder. Du, keusche Lucina, sei gnadig dem eben geborenen Knablein, mit dessen Erscheinen sogleich das eiserne aufhi:iren wird und auf der ganzen Welt erstehen wird ein goldenes Geschlecht. Schon herrscht Dein Bruder Apollo. Mit dem Antritt Deines Konsulats wird dieses herrliche Zeitalter anheben, mit Deinem Konsulat, Pollio, und werden hervorzutreten beginnen die grollen Weltenmonate. Unter Deiner Agide werden, wenn noch Spuren unserer Verworfenheit iibrigbleiben, sie durch ihr Verli:ischen von ewigem Schrecken die Lande erli:isen. Jener Knabe wird gi:ittliche Existenz annehmen und wird schauen, wie Halbgi:itter sich unter die Gi:itter mischen, und wird selbst ihnen erscheinen, und er wird den durch die Mannestugenden der Vater befriedeten Erdkreis regieren.
Das Gedicht ist nicht zu losen von der Zeit nach den groBen Erschiitterungen der Biirgerkriege und von dem Augenblick, da sich mit der neuen Einigung der Triumvirn und der EheschlieBung zwischen Antonius und Octavia iiberschwenglichste Erwartungen verkniipften. Die modernen Spekulationen iiber die Identifizierung des Kindes konnten zu keiner allgemein akzeptierten Losung fiihren. Das Besondere an dem Gedicht aber liegt darin, daB es immer wieder als religiose Prophetie verstanden wurde und daB wohl spatestens in constantinischer Zeit die
Der Vertrag von Misenum
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Beziehung zu Christus hergeste!lt worden ist, jene Beziehung, die dann spater auch Augustin, Notker Balbulus und Dante aufgenommen haben.
Der Vertrag von Misenum Mit dem Frieden von Brundisium waren noch langst nicht aile politischen und militarischen Probleme Italiens gelost. Nicht geregelt waren insbesondere die Beziehungen zu Sextus Pompeius, der sich auch nach Brundisium wieder durch Oberfalle, Pliinderungen und die Storung der italischen Getreideversorgung in Erinnerung brachte. Als es in Rom unter dem Druck von Teuerung und Steuererhohungen zu Unruhen gekommen war, nahmen Antonius und Octavian mit Sextus Pompeius Fiihlung. Im Friihjahr 39 v. Chr. erreichten sie den AbschluG eines Vertrages, der in der Regel als Vertrag von Misenum bezeichnet wird. In ihm wurden die groGen Inseln, Sizilien, Sardinien und Korsika, an Sextus Pompeius iibertragen, dazuhin so lite dieser von Antonius auch noch die Peloponnes erhalten, so daG er iiber die Basen einer weitgespannten Seeherrschaft verfiigen konnte. Daneben erhielt Sextus Pompeius eine hohe finanzielle Entschadigung fiir die Konfiskation seines Eigentums zugestanden, das Konsulat wurde ihm in Aussicht gestellt und wie Antonius und Octavian so lite auch er die Wiirde eines Augurn erhalten, so daG er in magistratischen und priesterlichen Ehrenamtern mit den Triumvirn nahezu auf dieselbe Stufe geste!lt war. Zur vollen Gleichberechtigung verstanden sich Antonius und Octavian dagegen nicht, das Triumvirat wurde nicht zum Quattuorvirat erweitert. Urn diesen hohen Preis sagte Sextus Pompeius die Einstellung aller Obergriffe zu. Die vielen Fliichtlinge, die sich in jenem Augenblick bei ihm befanden, erhielten die freie Riickkehr und die Wiedereinsetzung in ihren friiheren Besitz zugesichert. Jetzt erst schien der SchluGstrich unter die Folgen des letzten Biirgerkriegs gezogen zu sein. Als Antonius und Octavian nach Rom zuriickkehrten, wurden sie deshalb stiirmisch gefeiert und obwohl sie den Vertrag von Misenum weithin unter den starken Pressionen der offentlichen Meinung abgeschlossen hatten, schrieb die Bevolkerung Roms das Arrangement doch der staatsmannischen Kunst der beiden Triumvirn zu. Erst nach dem AbschluG des Vertrages von Misenum konnte sich An-
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tonius auf die Aufgaben im Osten des Reichs konzentrieren, wobei die Abwehr der parthischen Einfalle im Vordergrund stand. Die Einfalle des Fruhjahrs 40 v. Chr. unterschieden sich von denen friiherer Jahre in vielfacher Hinsicht. Einmal standen an der Spitze der Invasionstruppen in dem parthischen Prinzen Pacoros und in dem Romer Q. Labienus zwei ungewohnlich befahigte militarische Fuhrer und Organisatoren. Sodann verfugten die Parther in ihrer schwer gepanzerten Kavallerie uber eine vorzugliche Angriffstruppe. Und schlieB!ich waren die Angriffe der von Pacoros und Labienus befehligten StoBkeile gut aufeinander abgestimmt und nicht als reine Plunderungszuge angelegt, sondern als Auftakt zu einer endgultigen Okkupation der romischen Besitzungen im Vorderen Osten. Im Friihjahr 40 v. Chr. fielen Syrien, groBe Teile Kleinasiens und Palastinas in die Hand der Invasoren, erst im Fruhjahr 39 v. Chr. eroffnete Ventidius Bassus von der Provinz Asia aus eine zugige Gegenoffensive. In einem Gefecht am Taurus fie! Labienus, die Parther konnten uber den Euphrat zuriickgeworfen werden, auch Syrien wurde wieder besetzt. Zu Beginn des Jahres 38 v. Chr. wollte Pacoros das Kriegsgluck jedoch wieder wenden. Allein Ventidius Bassus schlug die Parther im Raume von Antiochia erneut, Pacoros selbst fand den Tod, seine Reiter zogen sich wiederum in wilder Flucht uber den Euphrat zuruck. Bassus war auf dem Hohepunkt seiner Karriere angelangt. Dem Emporkommling, angeblich einem ehemaligen Maultiertreiber, der sich in der Armee hochgedient hatte, war es gelungen, den parthischen Prinzen zu besiegen. Bassus wurde ein Triumph zugebilligt, und wie aus den ,Attischen Nachten" des Aulus Gellius hervorgeht, berauschte sich das romische Selbstgefuhl noch lange Zeit daran, daB gerade dieser Mann als erster Rache fur Carrhae genommen hatte. Antonius verlie£ Italien erst gegen Ende des Jahres 39 v. Chr., nachdem ihm Octavia eine Tochter Antonia geboren hatte. Er bezog zunachst in Athen sein Hauptquartier, von dort aus ergingen die ersten W eisungen zur Reorganisation der romischen Herrschaft in Kleinasien, dort wurden auch die Plane fur das weitere Vorgehen gegen die Parther konzipiert. Antonius konnte wohl Samosata einnehmen und den unzuverlassigen Antiochos von Kommagene durch dessen Bruder Mithridates ersetzen, der Legat C. Sosius schlieB!ich im Sommer 37 v. Chr. auch Jerusalem zuriickgewinnen, doch immer wieder wurde Antonius
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gleichzeitig in die Krisen des Westens verstrickt. Nachdem im Jahre 38 v. Chr. ein erster Versuch Octavians, die Seeherrschaft des Sextus Pompei us zu brechen, gescheitert war, kam es im Friihjahr 37 v. Chr. zu einer neuen Begegnung der beiden Triumvirn in Tarent. Gegen das Versprechen, vier Legionen an Antonius abzugeben, ein Versprechen, das nie einge!Ost wurde, konnte Octavian 120 Kriegsschiffe von Antonius ubernehmen, der vermudich nicht unglucklich war, sich dieser kostspieligen und fur einen Partherkrieg ziemlich nutzlosen Geschwader entledigen zu ki:innen.
Der Vertrag von T a rent lm Vertrag von T arent wurde dann auch die inzwischen abgelaufene Amtsdauer der Triumvirn urn weitere funf Jahre verlangert. AuBerlich betrachtet waren so die Risse in den Beziehungen zwischen den beiden Mannern noch einmal gekittet worden. Doch schon im Herbst 37 v. Chr. brach eine neue Kluft zwischen ihnen auf, die dann nicht mehr zu uberbriicken war. Ehe Antonius in den Osten absegelte, urn an Ort und Stelle die letzten Vorbereitungen fur den Partherkrieg zu treffen, entlieB er seine Frau Octavia, urn sich erneut Kleopatra zuzuwenden. In Rom hatte er diese Verletzung kollektiven Empfindens nicht einmal dann vergessen machen ki:innen, wenn es sich bei Octavia nicht urn eine der charaktervollsten Frauen der ri:imischen Gesellschaft jener Zeit gehande!t hatte. Zur Vorbereitung des fur den Sommer 36 v. Chr. geplanten Feldzugs gegen Parthien sicherte Antonius in einer umfassenden Weise seine Basis. Das System seiner Neuordnung des ganzen Nahen Ostens zeichnete sich bald ab: Die Zahl der ri:imischen Provinzen wurde von funf auf drei reduziert; die drei in sich geschlossenen und auch relativ homogenen Provinzen Asia, Bithynien und Syrien bildeten kunftig das Fundament der ri:imischen Beherrschung des Ostens. Als bevorzugter Partner nahm dan eben Agypten eine Sonderstellung ein. Kleopatra erhielt zu ihren alten Besitzungen Cypern hinzu, mehrere Stadte an der Kuste des sogenannten Rauhen Kilikien, einen GroBteil der syrischen Kuste, auBerdem das Gebiet von Chalkis. Ferner wurden ihr wirtschaft!ich bedeutsame Rohstoffvorkommen ubereignet wie die Balsamhaine bei Jericho
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und das Erdpechmonopol vom Toten Meer, das fur Agypten deshalb von besonderer Bedeutung war, wei! Erdpech zur Einbalsamierung von Leichen benotigt wurde. Wenn damit auch die Anspriiche Kleopatras, vor allem in Judaa, noch lange nicht befriedigt waren, so hatte sie doch nichts Geringeres erreicht als die Restitution der agyptischen Macht in jenem Umfang, den sie in den Tagen des II. Ptolemaers, auf einem Hohepunkt der Expansion, besessen hatte. Auf einer dritten Stufe, unterhalb der romischen Provinzen und des weitgespannten agyptischen Territoriums, standen dann vier neue Klientelkonige, Herodes von Judaa, Archelaos von Kappadokien, Amyntas, dem Galatien, Pisidien, Lykaonien sowie Teile der ehemals romischen Provinz Kilikien als neues, gro£es Klientelkonigreich im Innern Kleinasiens zugeschlagen worden waren, und endlich Polemo, der neue Konig von Pontus und Kleinarmenien. Betrachtet man dieses System als Ganzes, so handelt es sich dabei keineswegs urn eine Verschleuderung von romischem Besitz, so wie dies spater die Gegner des Antonius dargestel!t haben, sondern urn eine ausgewogene, klare Neuordnung der Verwaltung, die fahige Personlichkeiten und starke Machte an die Sache des Antonius band. Es wurde bereits oben angedeutet, da£ Antonius' Verhaltnis zu Kleopatra nicht allein durch die Gefiihle eines willenlosen Liebhabers bestimmt wurde, so hat lediglich Octavian die Beziehung spater darstel!en lassen. Andererseits galten hier jedoch auch nicht nur rationale und politische Kriterien, denn gerade im Winter 37/36 v. Chr. hat Antonius die drei Jahre zuvor geborenen Zwillinge der Konigin als seine Kinder anerkannt. Sie erhielten jetzt die anspruchsvollen Namen Alexander Helios und Kleopatra Selene. Antonius' Partherkrieg Im Friihjahr 36 v. Chr. kam die gro£e Offensive gegen das Parthische Reich in Gang. Antonius beabsichtigte, seine Verbande in Armenien bereitzustellen, urn von Norden her gegen die Zentren der parthischen Macht vorzugehen. Der Feldzugsplan selbst wurde Caesar zugeschrieben, und falls dies nicht zutraf, so konnte sich Antonius mit einer solchen Behauptung doch zumindest auf die Autoritat des gro£en Feldherrn berufen und aile Kritik an seinem Vorgehen zum Verstummen
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bringen. Durch einen Vorsto£ gegen die im Vorfeld des Kaukasus siedelnden Stamme hatte ein Legat des Antonius zudem die militarischen Voraussetzungen fur die gro£e Offensive geschaffen. Voraussetzung fur ihr Gelingen war jedoch die Loyalitat des armenischen Ki:inigs Artavasdes, von dem Antonius schon bald verraten wurde. Obwohl das Heer des Antonius nicht weniger als 16 Legionen, rund 10000 Mann spanischer und gallischer Kavallerie sowie betrachtliche Kontingente der mit Rom verbundeten Klientelstaaten umfa£te, konnten die ausgedehnten riickwartigen Verbindungen, der gro£e Tro£ und der Belagerungspark nicht ausreichend gesichert werden. Die Belagerung der Hauptstadt von Media Atropatene, Phraaspa, scheiterte, der Winter brach ein, Antonius hatte keine andere Wahl, als den Ruckmarsch nach Armenien anzutreten. Ungeachtet der pausenlosen Angriffe der parthischen Reiterei schlugen sich die erschi:ipften ri:imischen Truppen nach Syrien durch; die Leitung dieses schwierigen Ruckzuges ist eine der gri:i£ten militarischen Leistungen des Antonius uberhaupt gewesen. Die Verluste, welche die Armee des Antonius im Jahre 36 v. Chr. erlitten hatte, werden auf rund ein Drittel aller Teilnehmer des Zuges geschatzt. Da Kleopatra noch mitten im Winter gro£e Mengen an Bekleidung und Versorgungsgut nach Syrien schickte, hob sich jedoch die Stimmung der Truppen bald wieder, Antonius ging daran, Rustungen fur einen neuen Feldzug voranzutreiben, mit dem er die Scharte des J ahres 36 v. Chr. auswetzen wollte. Ursprunglich hatte er beabsichtigt, schon im Sommer 35 v. Chr. in Armenien einzugreifen, urn den Verrater Artavasdes zu bestrafen. Doch dazu kam es nicht, wei! der inzwischen von Octavian besiegte Sextus Pompeius in Asien Zuf!ucht nahm, dort neue Unruhen hervorrief und von Antonius' Legaten Titius niedergeworfen werden mu£te. So konnte Antonius die Offensive gegen Armenien erst im Friihjahr 34 v. Chr. eri:iffnen. Das Land wurde rasch besetzt, Artavasdes geriet in Gefangenschaft, die armenischen Stadte und Tempel wurden riicksichtslos ausgeplundert, hier hielten sich die ri:imischen Truppen fur das Fiasko des Partherfeldzuges schadlos. Antonius konnte glauben, in Armenien sowohl uber eine starke Eckbastion zum Schutze der ri:imischen Ostgrenze zu verfugen als auch uber eine gut abgeschirmte Ausgangsbasis fur weitere Angriffe gegen das Parthische Reich. Seinen Triumph uber Armenien hielt Antonius gegen Ende des J ahres
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34 v. Chr. in Alexandria ab. Auf einem goldenen Wagen, mit dem Efeukranz geschmiickt und dem Thyrsosstab in der Hand, das heiBt mit den bekannten Attributen des Dionysos, zog Antonius in Alexandria ein. Vor ihm lief in goldenen Ketten der gefangene armenische Konig mit seinen Familienangehorigen und anderen Vornehmen. Hinter dem W agen des Antonius wurde die Beute zur Schau gestellt, dann folgten die Truppen. Ziel des Zuges warder Sarapistempel, das Heiligtum der Schutzgottheit der Ptolemaer, vor dem Kleopatra inmitten ihres Gefolges auf einem Thron Platz genommen hatte, urn den Zug und die Huldigung der Gefangenen zu erwarten. Damit waren aile Elemente des traditionellen romischen Triumphes neu stilisiert und neu bezogen. Es triumphierte nicht der siegreiche Imperator im romischen Triumphalgewand, sondern der Neos Dionysos. Dank und Opfer galten nicht dem romischen Iuppiter Optimus Maximus, sondern der agyptischen Gottheit und der ptolemaischen Konigin. NutznieBer des Triumphes wurden jetzt nicht die romischen Burger, sondern die Bevolkerung Alexandrias, die nun auch nach romischer Sitte fest!ich bewirtet wurde. Doch damit nicht genug. Auf den alexandrinischen Triumph folgte nach einigen Tagen im Gymnasion der Stadt ein Staatsakt, der in romischen Augen und erst recht in den Brechungen der Propaganda Octavians nicht weniger herausfordernd war als der Triumph. Denn dort proklamierte Antonius Kleopatra als ,Konigin der Konige"; Caesarion, der von Antonius ausdriicklich als Sohn Caesars und der Kleopatra bezeichnet wurde, erhie!t den analogen Rang eines ,Konigs der Konige". Dann wurden auch die Kinder Kleopatras und des Antonius in feierlicher Form in eigene Konigreiche eingesetzt. Alexander Helios ist dabei neben Armenien und Medien auch alles Land jenseits des Euphrat zugesprochen worden, seiner Zwillingsschwester Kleopatra Selene wurde Kyrene verliehen, dem im Jahre 36 v. Chr. geborenen Ptolemaios Philadelphos Phoenikien, Kilikien und die syrischen Gebiete bis zum Euphrat. Die Neugliederung der Ostgebiete war damit zu ihrem AbschluB gelangt. Neue Miinzserien brachten den Ereignissen des Jahres 34 v. Chr. sogleich die weiteste Publizitat. Auf ihnen feierte Antonius seine Leistung mit der lapidaren lateinischen Legende ,Armenia devicta", wahrend sich Kleopatra gleichzeitig ihres neuen Ranges riihmte oder als ,neue Isis" erhohen lieB. Fiir das Jahr 33 v. Chr. hatte Antonius urspriinglich eine weitere
Octavians Kampf gegen Sextus Pompeius
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Offensive an der Ostgrenze geplant, die Truppen noch immer in Armenien konzentriert. Am Araxes suchte er den medischen Konig auf und verband ihn sich durch einen neuen Freundschaftsvertrag. Da lid~ ein provozierendes Schreiben Octavians in Antonius den Entschlug reifen, die Offensive gegen die Parther bis auf wei teres zuruckzustellen und zuerst die Entscheidung im Westen herbeizufuhren, die sich inzwischen als unaufschiebbar erwiesen hatte. Antonius verlegte deshalb das Gros seines Heeres, insgesamt 19 Legionen, in den Westen Kleinasiens und betrieb gleichzeitig mit alter Tatkraft die Aufstellung einer neuen grogen Flotte, wozu auch Kleopatra ihr Teil beisteuerte. Zuletzt lagen nicht weniger als 800 Einheiten fur Antonius bereit.
Octavians Kampf gegen Sextus Pompeitts lm Westen des Romischen Reichs wares nach dem Vertrag von Misenum (39 v. Chr.) sehr rasch zu neuen Reibungen zwischen Octavian und Sextus Pompeius gekommen, eine neue militarische Auseinandersetzung wurde unumganglich. Allein im Jahre 38 v. Chr. scheiterte ein erster lnvasionsversuch Octavians in Sizilien unter betrachtlichen Verlusten, Octavian verlor nahezu die Halfte seiner Schiffe, Sextus Pompeius konnte sich behaupten und der ,Sohn Neptuns", wie er sich jetzt emphatisch nannte, mochte hoffen, dag Octavian die Lust an weiteren Abenteuern zur See vergangen ware. Doch inzwischen war M. Vipsanius Agrippa aus dem Norden zuruckgekehrt, wo er fur Octavian Gallien verwaltet, dabei den Rhein uberschritten und die Ubier aus ihren rechtsrheinischen Sitzen in die Gegend von Koln umgesiedelt hatte. In ihm stand Octavian nun ein fahiger Organisator und, wie sich zeigen sollte, auch ein glanzender Admiral zur Verfugung, ein immer loyaler Gehilfe und Freund, der aile Mittel der See- und Waffentechnik ebenso souveran beherrschte wie die wichtigsten Sparten der Ingenieurwissenschaften, kurz, der richtige Mann, urn aus der verfahrenen Situation der Niederlage gegen Sextus Pompeius wieder herauszufuhren. Agrippa nahm die Aufstellung neuer Flottengeschwader in die Hand, und nachdem Octavian die bereits erwahnten 120 Schiffe von Antonius erhalten hatte, begann sich das Krafteverha!tnis bald wieder zu seinen Gunsten zu verschieben. Dennoch griff er Sextus Pompeius erst im
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Hochsommer 36 v. Chr. an. Nach geradezu dramatischen Wechselfallen beendete schlieB!ich Agrippa mit seinem Seesieg bei N aulochos diesen Krieg. Von angeblich etwa 300 Schiff en konnte Sextus Pompeius zuletzt nur noch 17 retten. Mit ihnen erreichte er zwar noch Messana, floh dann aber weiter, pli.inderte das Heiligtum der Hera Lacinia aus und ging zuletzt in Kleinasien zugrunde, nachdem aile seine Versuche, von Antonius aufgenommen zu werden oder von den Parthern Untersti.itzung zu erhalten, gescheitert waren. In Sizilien aber muBte sich Octavian auch noch in einem unerwarteten Nachspiel behaupten, als Lepidus, der aus Afrika mit 12 Legionen gelandet war, mit den geschlagenen Verbanden des Sextus Pompeius gemeinsame Sache machte und von Octavian die Raumung Siziliens verlangte. Allein die letzte Konsequenz eines neuen Bi.irgerkriegs riskierten die Truppen des Lepidus nicht. Als Octavian fest blieb, lieBen sie ihren Befehlshaber fallen, der jetzt seiner Macht als Triumvir entkleidet wurde, bis zu seinem Tode jedoch Pontifex maximus blieb, obwohl er im politischen Leben Roms in den folgenden Jahren keine Rolle mehr spie!te. Nicht geringere Schwierigkeiten als die Niederwerfung des Lepidus bereitete Octavian dann cie Befriedigung der Anspri.iche der Truppenmassen, die jetzt auf Sizilien lagerten und die aile, ob sie nun bislang fi.ir Octavian, Sextus Pompeius oder Lepidus gefochten hatten, von dem Sieger Octavian Belohnungen oder doch zumindest die Sicherung ihrer Existenz erwarteten. Doch Octavian konnte die Ansatze einer groBen Meuterei niederschlagen und die kritische Situation durch Entlassungen, Abfindungen und Entlassungszusagen bereinigen. Der eigentliche Sieger, M. Agrippa, wurde durch eine corona rostrata ausgezeichnet, eine goldene, mit Schiffsvorderteilen geschmi.ickte Krone, die spater auch auf Mi.inzen wiederholt abgebildet worden ist. In Rom erwies man aile Ehren dagegen Octavian. Erst jetzt umgab ihn ein Prestige, das sich wenigstens bedingt mit demjenigen des Antonius vergleichen lieB. Die stets latente Drohung neuer Piraterie, die Sextus Pompeius verkorpert hatte und unter der auch der einfache Bi.irger leiden muBte, war jetzt von Rom genommen, das Meer wieder frei, die Zufuhr von Getreide sichergestellt. So gewahrte man Octavian eine Ovatio, den ,kleinen Triumph", beschloB die Errichtung cines Ehrenbogens und die Aufstellung einer golden en Statue mit einer Widmungs-
Die Feldzi.ige in Illyrien und Octavians ,italische" Politik
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inschrift, welche besagte, daB der Friede zu Lande und zur See wiederhergestellt sei. Man beschloB ferner den Jahrestag von Naulochos festlich zu begehen, ubertrug Octavian diesacrosanctitas der Volkstribunen und das Recht, einen Lorbeerkranz zu tragen. Octavian seinerseits gab die Losung aus, die man in den vergangenen Jahren schon so oft gehort hatte, daB die Burgerkriege voriiber seien.
Die Feldzuge in Illyrien und Octavians ,italische" Politik Es lag fur Octavian nahe, seinen Sieg uber Sextus Pompeius als eine Leistung fur ganz Italien zu stilisieren und dieselbe Sprachregelung galt dann auch fur die Unternehmungen der Jahre 35-33 v. Chr., die illyrischen Feldzuge. Sieht man aufs Ganze, so umspannten die Operationen dieser Jahre den weiten Bogen von Montenegro bis nach Savoyen, Emona (Laibach) wurde dabei ebenso erreicht wie Siscia (Sisak), der Raum urn Split wie der von Skodra. In seinem Bericht an den romischen Senat konnte Octavian deshalb nach dem AbschluB der Kampfe eine lange Reihe von Stammen als besiegt und unterworfen melden; die Romer wurden mit Namen konfrontiert, die ihnen ebenso fremd waren wie einst die Stamme Galliens, die Caesar zwanzig Jahre zuvor zu Ciceros Verwunderung in Rom bekanntgemacht hatte. Als Octavian im Jahre 35 v. Chr. zur Eroffnung des illyrischen Feldzuges aufbrach, kursierten in Rom allem Anschein nach Geruchte, die von einem Feldzug nach Britannien wissen wollten. Moderne Spekulation wares, die illyrischen Feldzuge als Auftakt eines Krieges gegen die Daker zu betrachten. Octavian wurde dabei unterstellt, daB er die sogenannten letzten Plane Caesars wiederaufnehmen wurde. In Wirklichkeit war die Eroffnung solch weitgespannter Operationen angesichts der so stark belasteten Beziehungen zu Antonius ganz undenkbar. Der illyrische Schauplatz bot Octavian statt dessen bescheidenere, aber doch vielfa!tige Moglichkeiten, die gegebene politische und milirarische Situation am zweckmaBigsten zu nutzen. Der Feldzug lieB sich einmal ungezwungen aus Octavians Programm ,Frieden und Sicherheit fur Italien" ableiten und im Zuge der ganz allgemeinen, systematischen Reorganisation des Landes vertreten. Er bot sodann die Moglichkeit, das noch immer relativ groBe Heer Octavians, immerhin rund 100000
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Octavians Aufstieg und die Begriindung des Principats
Mann, zu beschaftigen und seine Schlagkraft unter schwierigen Kampfbedingungen zu erhohen. Der wichtigste Vorzug der illyrischen Operationen aber lag darin, daG sich die Kampfhandlungen bei einer Verscharfung der Krise mit Antonius jederzeit wieder abbrechen lieGen und daG es ein groBes Risiko fi.ir Octavian auf jenem Schauplatz nicht gab. Selbst im schlimmsten Falle konnten lediglich lokale MiBerfolge und Schwierigkeiten eintreten. Katastrophen, wie sie Antonius gegen die Parther hinnehmen muBte, setzte sich Octavian nicht aus. Die, vereinfacht gesagt, prononciert ,italische" Politik Octavians, die fi.ir die zweite Halfte der dreiBiger Jahre kennzeichnend ist, schlug sich in vielen einzelnen Aktionen und MaGnahmen nieder, die isoliert gesehen wenig bedeuten, in der Zusammenschau dagegen eine klare Linie aufweisen. So wurde gegen die Banden vorgegangen, die ganze Landstriche verunsichert hatten, Steuer- und Pachtschulden erlassen, Belastungsmaterial aus den zuri.ickliegenden J ahren vernichtet, urn einen SchluGstrich unter die alten Rechnungen zu ziehen, und selbst die in der Praxis stark beschnittenen Rechte der romischen Magistrate sind jetzt soweit wiederhergestellt worden, als sie Octavians EinfluG nicht gefahrdeten. In dem allen wie in mancherlei anderen Schritten zeigte sich Octavian als ein Meister politischer Stilisierung und Integration. Es gelang ihm, seinen seit Mutina so schwer belasteten Ruf wiederherzustellen und politisch an Boden zu gewinnen. Wahrend Antonius aus der italischen Politik vollig verdrangt war, beeinfluBte Octavian die offentliche Meinung nachhaltig. An Ansehen gewann er endlich in den Feldzi.igen der Jahre 35-33 v. Chr. auch als militarischer Fi.ihrer. Wenner dabei seine Verletzungen auch nicht im Nahkampf erlitt, so stand er doch selbst im Gefecht und hinterlieG einen anderen Eindruck als bei Philippi. SchlieBlich ist auch er zu einem der groGen Bauherren Roms geworden und hat diese Tatigkeit, wie sein Tatenbericht zeigt, durchaus in politischem Sinne verstanden. Im Jahre 33 v. Chr. lieG er die Porticus Octavia, die einst von einem Vorfahren Octavians gestiftet worden war, wiederaufbauen und in dieser Halle dann auch jene Feldzeichen aufstellen, welche Gabinius einst 48 v. Chr. an die Dalmater verloren hatte und die er selbst 33 v. Chr. zuri.ickholte. Hier setzte jenerwahre Ku!tus mit wiedergewonnenen Feldzeichen ein, der dann im Jahre 20 v. Chr., nach der Ri.ickgabe der bei Carrhae an die Parther verlorenen Zeichen,
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seine Wiederaufnahme erlebte, so daB darin ein fiir die augusteische Zeit spezifisches Leitbild der politisch-militarischen Ideenwelt zu erblicken ist. Im gleichen Jahre iibernahm Agrippa freiwillig die Adilitat, lieB in dieser Funktion die Aqua Marcia reparieren und zusatzlich die Aqua Julia erbauen, so daB die Wasserversorgung der Hauptstadt nun in der groBziigigsten Weise und zugleich in eindrucksvollen architektonischen Formen gelost war. Parallel dazu ging die Wiederherstellung alter Tempel. Der restaurative Charakter des von Octavian eingeschlagenen romisch-italischen Kurses erklart schlieBlich auch die Vertreibung von Astrologen und Magiern, eine MaBnahme, die in mancher Hinsicht die Grundziige der spateren augusteischen Religionspolitik bereits vorwegnimmt. So sind in nahezu allen Sektoren des staatlichen Lebens bereits in dies en J ahren erste Ansatze der spateren systematischen Ordnung erkennbar.
Die Auseinandersetzung mit Antonius Octavian bekleidete im Jahre 33 v. Chr. zum zweitenmal das Konsulat. Schon zu J ahresbeginn verscharfte er das politische Klima, indem er in vehementer Weise die Ostpolitik des Antonius an griff. Der dadurch ausgeloste Propagandakrieg erreichte seinen Hohepunkt, als Antonius sein Heer in Kleinasien versammelte. In seiner Antwort an Octavian beklagte er sich, daB dieser die Abmachung von Brundisium nicht einhalte, daB seine Veteranen bei den Landzuweisungen benachteiligt wiirden, Octavian ihm keine Rekrutierung in Italien erlaube und daB er Lepidus aus seinem Amt verdrangt hatte. Dieser politische Schlagabtausch war jedoch nur die eine Seite der Kampagne, denn gleichzeitig wurde mit allen Mitteln verleumdet und diskreditiert. Jetzt setzte vor allem die Verteufelung Kleopatras ein, die sich noch immer in Antonius' Lager aufhielt und den Triumvirn damit schwer kompromittierte. Denn in romischen Truppenlagern war nun einmal die Anwesenheit einer Frau ein Skandal, und diesen Skandal schlachteten Octavians Anhanger weidlich aus. Auch sonst bot Antonius Angriffspunkte genug. Seine Neuordnung des romischen Klientelstaatensystems wurde als Ausverkauf der romischen Herrschaft interpretiert,
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man zah!te die Statuen und Bucher zusammen, die er harte nach Alexandria schaffen lassen. Octavian lieg sich ironisch vernehmen, die im Osten eroberten Gebiete miigten doch wohl zur Versorgung der Veteranen des Antonius ausreichen und traf damit ins Schwarze, denn im anderen Faile mug ten die Landbesitzer erneut urn ihre Giiter und Acker fiirchten. Im Jahre 32 v. Chr. spitzte sich dann die Entwicklung in Rom selbst zu, einmal, wei! fiir dieses Jahr in Cn. Domitius Ahenobarbus und C. Sosius seit langem zwei ausgesprochene Vertrauensmanner des Antonius zu Konsuln gewah!t worden waren, zum andern, wei! bei scharfer staatsrecht!icher Definition die Amtszeit der Triumvirn am 31. Dezember 33 v. Chr. ablief. Allerdings konnten sie ihr Amt nach dem Vorgang des Jahres 37 v. Chr. auch dariiber hinaus beibehalten und Antonius fiihrte daher auch den Titel eines Triumvirn weiter, wahrend Octavian auf ihn verzichtete, da er ohnehin fiir 31 v. Chr. zum Konsul designiert war. Sosius begann seine Tatigkeit im Senat erwartungsgemag mit einer grundsatzlichen Erklarung zugunsten des Antonius, in der er aile gravamina vorbrachte, die seine Partei gegeniiber Octavian ins Feld fiihren konnte. Er gab dabei auch das Angebot des Antonius bekannt, auf die Triumviralgewalt zu verzichten, wenn Octavian ein gleiches tue, unterdriickte jedoch einen anderen Antrag des Antonius, in dem dieser seine acta im Orient, somit in erster Linie die Vergabe der Territorien, vom Sen at besratigt wissen wol!te. Da dieser Antrag jedoch auf keinerlei Zustimmung rechnen konnte und Sosius die Haltung des Senates richtig einschatzte, wurde dariiber erst gar nicht verhandelt. Statt dessen beantragte Sosius ein Tadelsvotum gegen Octavian, gegen das jedoch sogleich ein Volkstribun intervenierte. Octavian war in jener Senatssitzung nicht anwesend, er erschien dann aber in der nachsten Sitzung mit einem grogen Gefolge von Freunden und Sold aten und rig so fort die Initiative an sich, indem er die antiromische Po!itik des Antonius brandmarkte und dafiir handgreifliche Beweise zu erbringen versprach. Die Anhanger des Antonius brachen daraufhin die politische Auseinandersetzung im Senat und in Rom ab; beide Konsuln und iiber 300 der insgesamt rund 1000 Senatoren flohen nach Ephesos. Die Konstellation des Jahres 49 v. Chr. schien sich zu wiederholen, doch Antonius nutzte die Chance nicht, die sich ihm hier
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bot. Da er sich von Kleopatra nicht trennte, konnte er sich auch nicht zum Vorkampfer der legalen romischen Staatsautoritat aufwerfen. Aile Vorhaltungen seiner Anhanger waren vergeblich. Im Fri.ihjahr 32 v. Chr. verlegten Antonius und Kleopatra ihr Hauptquartier nach Samos, wo wiederum prunkvolle Feste zu Ehren des neuen Dionysos stattfanden. Im Mai begab sich das Paar nach Athen, wo nun auf Kleopatra noch groBere Ehren gehauft wurden als wenige Jahre zuvor auf Octavia. So ist damals beispielsweise auf der Akropolis eine Statue der Kleopatra mit den Attributen der Isis errichtet worden. Gegeni.iber Octavia aber zog Antonius nun auch noch die letzte Konsequenz, indem er ihr den Scheidungsbrief zusandte und ihr befahl, sein Haus zu verlassen. Die personliche Bri.iskierung Octavians wurde in dieser Situation zu einer kollektiven und zu allem hin kolportierte man in Rom auch noch die Nachricht, daB Kleopatra bereits die Schwurformel gebrauche , ... so wahr ich einst auf dem Kapitol Recht sprechen werde". Solche Berichte und Geri.ichte leisteten der Propaganda Octavians erwi.inschten Vorschub, und dies erwies sich als notwendiger denn je, denn popular warder bevorstehende Bi.irgerkrieg keineswegs. Er wares urn so weniger, als die seit Mitte 32 v. Chr. einsetzenden Ri.istungen fi.ir jeden einzelnen Romer neue Belastungen nach sich zogen. Da die freien Bi.irger einen betrachtlichen Teil ihres Einkommens, die Freigelassenen ihres Vermogens abzuliefern hatten, kames in mehreren Stadten Italiens zu offenen Unruhen, die nur durch massiven militarischen Terror unterdri.ickt werden konnten. Die Bevolkerung schickte sich zuletzt in einen scheinbar unvermeidlichen Machtkampf, wobei sie lediglich davon i.iberzeugt war, daB Octavian eben doch die Sache Italiens vertrete. Urn dies zu belegen aber war Octavian kein Mittel zu schlecht. Er hatte in Erfahrung gebracht, daB das Testament des Antonius, das dieser bei den Vestalinnen hinterlegt hatte, als Belastungsmaterial gegen ihn verwendet werden konnte und zogerte deshalb keinen Augenblick, das Schriftsti.ick in seine Hande zu bringen. Er las es dann vor Senat und Volksversammlung vor und machte auf diese Weise bekannt, daB Antonius noch in seinem Testament die Regelungen des Jahres 34 v. Chr. ausdri.icklich erhartete und daB er angeordnet hatte, seine Leiche nach Alexandria zu schaffen und ihn an der Seite Kleopatras beizusetzen, falls
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er in Rom sterben sollte. Es war ein demonstrativer Akt, da~ Octavian ungefahr gleichzeitig mit dem Bau des monumentalen, in seiner Grundstruktur noch heute erhaltenen Mausoleums in Rom beginnen lie~, das fur die Ausgestaltung der Ideologie seines Systems spater von gro~er Bedeutung werden sollte, im Augenblick jedoch auf sinnfalligste Weise seine Verwurzelung in der Hauptstadt vor Augen fiihrte. Octavian hatte den Machtkampf gegen Antonius somit konsequent als italischen Krieg gegen Kleopatra stilisiert. Unter Beachtung aller Vorschriften fur die Fiihrung eines bellum iustum wurde deshalb auch der letzte Schritt getan und Kleopatra, nur ihr, in den feierlichen Formen des Fetialrechtes der Krieg erkl:irt. Als Vorsteher der Fetialen, das hei~t der fur eine Kriegserklarung zustandigen Priesterschaft, warf Octavian am Bellonatempel eine mit Blut befleckte Lanze auf feindliches Land, so wie dies bei iiberseeischen Kriegen in der Regel fingiert wurde. Er selbst aber lieg sich in ganz ltalien und in den Provinzen des W estens einen Treueid leisten. Wie immer dieser Treueid zu verstehen ist, ob als genereller Gefolgschaftseid, als sogenannter Feldherrneid oder ob er in die Tradition jener Eide zu stellen ist, wie sie die romische Bevolkerung und der Senat unter Caesar leisteten, in jedem Falle wurde durch ihn die kollektive Bindung des ganzen Westens an Octavian in feierlichster Form sanktioniert. lm Friihjahr 31 v. Chr. kamen Heere und Flotten in Bewegung. Agrippa nahm im Handstreich Korkyra, Octavian selbst setzte mit rund 80000 Mann nach Epirus tiber, landete bei Toryne und riickte von dort aus an die ambrakische Bucht heran. Dort lag die zahlenmagig weit iiberlegene Flotte des Antonius vor Anker. Eine umfassende Blockade zeigte rasch ihre Wirkung, bei den Eingeschlossenen machte sich Mangel an Lebensmitteln bemerkbar. Vergebens bot Antonius wiederholt eine Landschlacht an; die Reihen seiner Anhanger lichteten sich bereits durch Desertion. Am 2. September 31 v. Chr. wagte Antonius dann endlich die Seeschlacht. In einer halbmondformigen Formation stellten sich seine grogen, hohen und schwer beweglichen Kriegsschiffe mit ihren 8-10 Ruderreihen vor der Einfahrt zur Bucht auf. Zuriickgestaffelt sammelte sich Kleopatras Geschwader von 60 agyptischen Schiffen mit der Kriegskasse. Die rund 400 schnellen Liburner Agrippas und Octavians mit ihren 1-3 Ruderreihen zogen die geschlossene Linie der Flotte des Antonius auseinander, durchstie~en immer wieder die feind-
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Golf von Ambrakia Parginosuala Pt .
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-Lagunen 4 8km
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Skizze Nr.lJ: Aktium
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lichen Geschwader und rissen sie auf. Wahrend sich beide Parteien festgebissen hatten, stieB plotzlich Kleopatra mit ihren Schnellseglern durch eine Lucke der heiden Fronten und entfloh nach Siiden. Antonius eilte ihr nach, wei! er seine Sache !angst so untrennbar mit Kleopatras Person und Macht identifiziert hatte, daB ihm kaum eine andere Wahl blieb. Der Ablauf der Schlacht, die ihren Namen nach dem Vorgebirge von Aktion tragt, ist in vielen Einzelheiten unklar. GewiB ist, daB Antonius den Durchbruch erzwingen wollte, denn seine Schiffe hatten wahrend des Kampfes ihre Segelausriistung an Bord, eine in antiken Seeschlachten ungewohnliche MaBnahme, die auch erklart, warum die Fliichtigen nicht verfolgt oder gar eingeholt werden konnten. Ebenso gewiB ist, dag sicher im Landheer, vielleicht auch in der Flotte des Antonius Verrat am Werk war. Die 19 eingeschlossenen Legion en des Antonius kapitulierten jedenfalls nach wenigen Tagen. Was folgte, war ein bitterer, aber konsequenter Epilog. Nach der schnellen Unterdriickung einer Veteranenmeuterei in Brundisium fuhr Octavian im Sommer des Jahres 30 v. Chr. iiber Korinth nach Syrien. Unterstiitzt von dem jiidischen Konig Herodes zog er durch die Sinaihalbinsel, nahm Pelusion, die alte agyptische Grenzfestung, und stellte endlich am Hippodrom von Alexandria Antonius zur letzten Schlacht. Antonius' Flotte und Reiterei gingen zum Gegner iiber, das FuBvolk wurde geschlagen, Antonius selbst wahlte den Freitod. Am 1. August 30 v. Chr. zog das romische Heer in Alexandria ein. Die agyptischen Truppen in der Kyrenaika hatten schon vorher vor den von Westen her angreifenden Legionen des Cornelius Gallus kapituliert. Kleopatra sah rasch, dag fiir sie selbst und ihre Kinder nichts mehr zu erhoffen war. So wahlte auch sie den To d. Hans Volkmann hat zu Recht auf die religiosen Motive fiir die Wahl der Todesart durch Schlangen biB hingewiesen. Denn die Aspis, die Urausschlange, galt als heiliges Tier des Sonnengottes Amon Ra. Wer an ihren Bissen starb, galt als zu den Gottern erhoben. DerTod dieser Frau wirkte in Rom befreiend, ja erlosend. Nach Aktium war keine rechte Siegesfreude aufgekommen; jetzt schrieb Horaz sein nunc est bibendum, ein Gedicht, das noch ganz im Banne des ,fatale monstrum" steht und endet im Schaudern vor diesem Tod. Die drangenden Probleme wurden von Octavian rasch entschieden.
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Potentielle Gegner wie Antyllos, der alteste Sohn des Antonius, und Caesarian wurden aus dem Wege geraumt. Agypten erhielt einen Starthalter aus dem Ritterstand, Senatoren wurde das Betreten des Landes verboten. Die ungeheure Beute gestattete Belohnungen, Schenkungen und Abfindungen gri:iBten Stils. Selbst die friiher an die Veteranen verteilten Acker wurden jetzt den einstigen Besitzern bezahlt. Von Agypten aus kehrte Octavian dann in langsamem Zug durch Syrien, Kleinasien und Griechenland nach Rom zuri.ick. Das Manifest seiner Erfolge war ihm auf den massenhaft ausgestoBenen neuen Munzen jener Tage in eindrucksvollen Bildern und in den Legenden AEGYPTO CAPT A und ASIA RECEPTA (Nach der Niederwerfung Agyptens und der Wiederaufnahme Asiens) schon vorausgeeilt. Vom 13. bis zum 15. August des Jahres 29 v. Chr. feierte er endlich in Rom den groBen dreifachen Triumph tiber die Dalmater, fur Aktium und die Eroberung Agyptens. Die Stadt und die Provinzen, Parteiganger, Senat und Heer erwarteten nun seine MaBnahmen. Denn jetzt lag es einzig in seiner Hand, die Macht zu gebrauchen. Niemand konnte in diesem Augenblick ahnen, daB er sie noch tiber 40 Jahre lang ausiiben wiirde und daB es ihm gelingen sollte, ein Herrschaftssystem durchzusetzen, das Jahrhunderte bestand. Bei dem zuletzt geschilderten ProzeB der Jahre 44-30 v. Chr. handelte es sich der Sache nach, urn mit M. Rostovtzeff zu sprechen, urn die schrittweise Errichtung einer verkappten Militarmonarchie innerhalb des bestehenden ri:imischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Aile Anklange an moderne ,Agenten"-Theorien sind hier irrefuhrend. Octavian war weder der Geschaftsfiihrer der herrschenden ,Klassen", etwa der GroBgrundbesitzer oder der Ritter, noch gar der Agent der freien Armen. Vielmehr formierte er aus der politischen und militarischen Erbmasse Caesars eine Heeresgefolgschaft. Es gelang ihm langfristig auch, jene Parteiganger des ermordeten Diktators aus allen sozialen Schichten, aus Senatoren- und Ritterstand wie aus den Gruppen der Kleinbauern und Handwerker zu mobilisieren, die letzten Endes zur Hinnahme der beherrschenden Machtstellung Octavians bereit waren, wei! damit die bestehende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung garantiert werden konnte. Die Schliisselrolle des Heeres ist hier abstrakt wie deskriptiv betont worden. Voraussetzung dafur war jedoch, innerhalb ri:imischer Kategorien, die Umwandlung der Armee aus einer Bur-
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germiliz zu jener Heeresgefolgschaft, zu der sie seit den Tagen der Reformen des Marius werden mugte und damit die grundlegende Veranderung der Sozialstruktur des Heeres der spaten Republik. Eine zweite Voraussetzung fur Octavians Erfolg war die Existenz jener Interessenkumulierung auf seiten der Caesarianer, die Existenz jenes Kartells von Nutzniegern des Systems Caesars, das Ronald Syme so uberzeugend analysiert hat. Nicht eine caesarianische ,Programmpartei", sondern romisch gedacht eine Klientel, identifizierte sich keineswegs aus altruistischen odersentimentalen, sondern aus sehr handfesten politischen und wirtschaft!ichen Interessen mit der Sache und dem System Caesars, ehrgeizige oder korrumpierte Aristokraten wie die dynamischen Ritter, Bankiers, Geschaftsleute aller Art, Centurionen und Berufssoldaten. Die Schwierigkeiten in der Erfassung der Entwicklung nach 44 v. Chr. resu!tieren nicht zuletzt daraus, dag die Kampfe der Triumvirn die alten politischen und sozialen Gegensatze, vereinfacht gesagt, diejenigen zwischen Optimaten und Popularen, uberlagerten, jene Gegensatze, deren Nutznieger einst Caesar selbst gewesen war. Aber aile genannten Faktoren und Voraussetzungen konnte nicht nur Octavian allein ausnutzen, sondern in gleicher Weise jeder ehemalige Unterfuhrer Caesars, in erster Linie Antonius. Und rein militarisch gesehen blieb Antonius bis in die Mitte der dreigiger Jahre stets uberlegen. Es gab fur ihn genugend Gelegenheiten, Octavian auszuschalten, sei es schon im Jahre 44 v. Chr., sei es im bellum Perusinum, sei es urn 40 v. Chr. und auch noch danach, zum Beispiel durch ein Zusammengehen mit Sextus Pompei us. Als dann Antonius schlieglich zum endgultigen Bruch gezwungen wurde, war freilich Octavians Machtstellung !angst konsolidiert. Zu den beiden hier besonders herausgestel!ten Faktoren der Machtbildung Octavians, zur Formierung einer Heeresgefolgschaft und zur Mobilisierung groger Teile der alten Caesaranhanger in den verschiedensten Gruppen der Gesellschaft, kam aber noch jener dritte Faktor hinzu, der mit allen Vorbehalten als Ideologie bezeichnet worden ist, das konsequente Ausspielen von legitimierenden, verschleiernden oder denunziatorischen Parolen, die einen so wesentlichen Anteil an der Formierung und Integration des Machtbereiches Octavians hatten. Angepagt an die jeweilige Situation und berechnet fur wechselnde gesellschaft!iche und politische Gruppen, hat Octavian nacheinander die Pie-
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tas gegenuber dem Adoptivvater, die Rache fur Caesar, die Sicherheit und Ruhe ltaliens und schlieB!ich den Kampf gegen den Verrater am Primat Roms beschworen. Seine mit allen Mitteln demonstrativ herausgestellte italische Restaurationspolitik, die ihn zum Garanten der bestehenden Ordnung im Sinne der Caesarianer werden lie!~, war deshalb so erfolgreich, wei! sie im Einklang mit den Wunschen und den Hoffnungen eines groGen Teiles der italischen Bevolkerung stand. Denn was nutzten die armenischen Siege des Antonius dem italischen Kleinburger, wcnn gleichzeitig Sextus Pompeius die Getreideversorgung Roms unterbinden konnte, wenn Banden die italischen StraGen beherrschten, die Sklaven auGer Kontrolle gerieten und die Ruckkehr eines siegreichen Antonius nur neue Enteignungen, Unsicherheiten und Belastungen nach sich ziehen muGte. Aile diese Faktoren und Aspekte zusammen durften erklaren, warum sich schlieB!ich Octavian durchsetzen konnte.
Der Principat Der Principat des Augustus ( = Octavians ), jenes politische System, das seit dem Jahre 30 v. Chr. Gestalt gewann, wird im Bereiche des romischen Staates und der romischen Gesellschaft nicht durch den abrupten Oktroi einer neuen Verfassung- wie in den Tagen Sullas - , im Bereich der romischen AuGenpolitik nicht durch die Konzeption und Realisierung eines einheitlichen, ,imperialistischen" Generalplans charakterisiert. W enn es zu solchen Vorstellungen kam, so deswegen, wei! Konsistenz und Kontinuitat dieses Systems, verbunden mit monokratischen Perspektiven, eine solche Betrachtungsweise und Wertung nahelegen konnten. In Wirklichkeit ist es gerade ein bezeichnendes Merkmal der augusteischen Ordnung, daG sie einem EntwicklungsprozeG gleicht, in dem viele Teilaspekte zunachst offenblieben, Losungen allmahlich ausreiften, in allen entscheidenden Positionen der Machtverteilung und der Machtausubung die Kontinuitat jedoch nie in Frage gestellt war. Blieb die Romische Republik bis in ihre Spatphase durch die Autoritat der Senatsherrschaft und eine, wenn auch nur partielle, politische Mitwirkung aller freien Burger gepragt, so kames nun zur Entpolitisierung von Sen at und Yolk. An materiellen Kompensationen feh!te es da-
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bei nicht, doch neu begriindetes Sozialprestige blieb in Zukunft an das System des Principats gebunden und trug gerade zu des sen Verfestigung bei. Waren einst Annuitat und Kollegialitat bestimmende Normen fiir die Bekleidung aller Magistraturen durch die ri:imische Fi.ihrungsschicht gewesen, somit der rasche Wechsel vielfaltig rivalisierender Personen die Regel, so wurde jetzt die durch Monopolisierung des militarischen Kommandos und der Klientel, unvergleichliche materielle Mittel sowie eine immer weiter anwachsende Zahl von Helfern und Abhangigen gesicherte Machtkonzentration des Princeps bestimmend. An die Stelle der rudimentaren republikanischen Verwaltungszellen trat jetzt eine effektive Administration, die auch den sozialen Aufsteigern, insbesondere Rittern, Militars und Freigelassenen, reiche Chancen bot. Die Grundstrukturen der Gesellschaftsordnung blieben dagegen erhalten, die Institution der Sklaverei wurde ebensowenig tangiert wie die Funktion der Stadte als der wichtigsten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zellen des Imperiums. Es lafh sich ganz im Gegenteil sagen, daB das alte sozio-i:ikonomische System in seinen Grundzi.igen konserviert und ausgebaut wurde, da£ der Urbanisierungsproze£ erst jetzt seine gri:i£te Dynamik gewann, die volle Integration aller Reichsteile in den Verband des Imperium Romanum erst jetzt erreicht worden ist. Erst unter dem Principat wurde die Koharenz des Imperiums verwirklicht. Allein Kontinuitat wie Diskontinuitat der Strukturen wurden durch eine systematische Erneuerung der republikanischen Fassade verstellt. Beim augusteischen Principat handelt es sich- im Gegensatz zur vollig offenen Machtausi.ibung der Diktatur Caesars- nach Entstehung und Wesen urn ein verdecktes Machtsystem. Der Princeps war von Anfang an dazu gezwungen, seine Machtstellung zu legitimieren, seine persi:inliche Qualifikation einzuhammern und die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung, die restitutio rei publicae, ZU behaupten- wahrend in der Verfassungswirklichkeit die absolute Macht des Princeps unbestritten, die Verquickung von Staat und domus principis, Frau, Kindem, Verwandten, Helfern bis herab zu Freigelassenen und Sklaven, offensichtlich war. Dariiber muBte es zur Ausbildung jener Ideologie kommen, die zum Wesen des augusteischen Principats gehi:irt, in zunehmendem Ma£e dann aber auch zu jenem politischen Klima, das durch
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Widerspriiche vielfaltigster Art, Verstellung und Heuchelei, Adulation und Opportunismus, Anpassung wie Korruption, Beeintrachtigung freier geistiger Entfaltung und die Vergiftung der gesellschaft!ichen Beziehungen durch Denunzianten und Majestatsprozesse gekennzeichnet wurde, kurzum, zur Lebenswirklichkeit der Welt des Tacitus. Die Unentbehrlichkeit republikanischer Elemente und der republikanischen Tradition stand fiir Octavian von Anfang an fest; die politische Tradition der Romischen Republik blieb jedoch auch auf andere Weise noch lange eine Reali tat. Waren zu Be ginn der Krisenphase der Republik die mores maiorum mobilisiert worden, urn einer scheinbar dekadenten Gegenwart die heroisierten Vorbilder der Anfange und der Entfaltung des romischen Staates entgegenzuhalten, so verdichtete sich seit den Tagen Caesars der politische Antagonismus in einer neuen Polarisierung. Gegen jede Form der Alleinherrschaft, gegen die Diktatur Ca.esars wie gegen den Principat des Augustus, wurde nun die bald idealisierte Verfassungsstruktur der Republik beschworen. Erst allmahlich wuchs die Einsicht, dag die alten republikanischen Normen keine zeitlosen Werte waren. Die politische Opposition gegen den Principat berief sich noch lange auf die republikanische Tradition, doch spatestens seit den Flaviern (69-96 n. Chr.) wares irreal und utopisch, an eine Restituierung der Senatsherrschaft zu glauben. Kritik am Principat wurde mehr und mehr zur Kritik an den Personen der Principes. Die Metamorphose einer Staatsform war, nicht zuletzt mit Hilfe einer Ideologie, gelungen. In seinem Vortrag iiber >Das Individuum und das Allgemeine< hat Jacob Burckhardt ,die grogen Manner der sonstigen historischen Weltbewegung" zu erfassen gesucht. Im Hinblick auf sie konstatierte er: ,Die Geschichte liebt es bisweilen, sich auf einmal in einem Menschen zu verdichten, welchem hierauf die Welt gehorcht. Diese grog en Individuen sind die Koinzidenz des Allgemeinen und des Besondern, des Verharrenden und der Bewegung in Einer Personlichkeit. Sie resumieren Staaten, Religionen, Kulturen und Krisen." Jacob Burckhardt wugte, dag ,noch gar nie eine Macht ohne Verbrechen gegriindet worden" ist, aber er hielt jene grog en Individuen dennoch fiir ,notwendig, damit die weltgeschicht!iche Bewegung sich periodisch und ruckweise frei mache von blogen abgestorbenen Lebensformen und von reflektierendem Geschwatz". Der Name Octavians fallt bei Burckhardt in diesem
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Octavians Aufstieg und die Begriindung des Principats
Zusammenhang nicht, doch wer wol!te bezweifeln, daB dessen geschichtliche Funktion in jenen Satzen gLinzend erfaBt worden ist. Die moderne A!thistorie ist von personalistischen Perspektiven und Bewertungen der SchluBphase der Romischen Republik und der Entstehungsphase des augusteischen Principats weit entfernt. Sie hat gerade in den letzten Jahrzehnten die politischen, gesellschaft!ichen und wirtschaft!ichen Veranderungen wie die Konstanten jener erregenden Epoche scharfer und umfassender analysiert, als dies friiheren Forschergenerationen mi.iglich war, sie hat insbesondere den dynamischen ProzeB innen- und auBenpolitischer Wechselwirkungen sichtbar gemacht. Dabei ist indessen ebenso deut!ich geworden, daB ein adaquates Verstandnis des Untergangs der Romischen Republik ohne eine gebuhrende Berucksichtigung der entscheidenden Personen, Caesar und Augustus, unmi.iglich ist.
AN HANG
Schlacht bei Zama
Errichtung der Provinzen Hispania citerior und ulterior
202
197
Westlicher Mittelmeerraum und Nordafrika
Provinz Gallia cisalpina
Bacchanalienfrevel Cato Censor; Plautus t Scipio African us t Anlage der Kolonie Aquileia
191
186 184 183 181
Rom und Itdien
ZEITTAFEL
183
Hannibal
t
200-197 2. Makedonischer Krieg 197 Niederlage Philipps V. von Makedonien bei Kynoskephalai ,F reiheitserkHirung" 196 fiir Griechenland durch T. Quinctius Flamininus 191-188 Krieg Roms gegen Antiochos III. 189 Niederlage Antiochos' III. von Syrien bei Magnesia, Feldzug des Manlius Volso gegen die Galater 188 Friede von Apamea
Ostlicher Mittelmeerraum
146
Zerstorung Karthagos, Provinz Africa
154-133 Kampfe in Spanien 149-146 3. Punischer Krieg
Westlicher Mittelmeerraum und Nordafrika
Lex Villia annalis
Cato Censorius
in Sizilien
t
Ausweisung griechischer Rhetoren und Philosophen ,Philosophengesandtschaft"; Karneades, Kritolaos, Diogenes in Rom
136-132 1. Sklavenkrieg
149
155
161
nach 168 Polybios in Rom 166-160 Terenz, Komodien
180
Rom und Italien
148 146
166
Provinz Macedonia Zerstorung Korinths
Beginn des Makkabaeraufstandes
iiber Perseus von Makedonien
171-168 3. Makedonischer Krieg 168 Romischer Sieg bei Pydna
Ostlicher Mittelmeerraum
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Provinz Gallia Narboncnsis
121
96
Kyrene fallt durch Erbschaft an Rom
112-105 Jugurthinischcr Krieg
Fall von Numantia
133 Tib. Gracchus VolkstribunLucilius, Satircn
91-89
91
Reformpolitik des Livius Drusus Bundesgenossenkrieg
107, 104-100 Marius Konsul 104-100 2. Sizilischer Skla venkrieg 100 Reformansatze des L. Appuleius Saturninus und Servilius Glaucia
113-101 Kampfe gegen Kimbern und Teutonen
129 Scipio Aemilianus t 123-122 C. Gracchus Volkstribun 121 Senatus consultum ultimum; C. Gracchus t
133
urn 120 urn 117
Polybios t Monsunschiffahrt nach Indien
Ki:inigreich Pergamon fallt als Erbschaft Attalos' III. an Rom 132-129 Aristonikos-Aufstand 129 Provinz Asia
133
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N
77-72
Kampfe des Pompeius gegcn Scrtorius
Westlicher Mittelmeerraum und Nordafrika
73-71 70
Spartacus-A ufscand Pompeius und Crassus Konsuln; Prozeil gegen Verres
Cinna crschlagen Biirgerkrieg Sullas Diktatur Ciccros 1. Rede (pro Quinctio) Sulla t
84 83-81 82-79 81 78
Marius
t
Sullas 1. Marsch auf Rom
86
88
Rom und ltalien
67
69
74
86
88-64
Einfall des Lucullus in Armenien Seerauberkrieg des Pompei us
Bithynien fal!t durch Erbschaft an Rom
Kriege Roms gegen Mithradates VI. von Pontus Pliinderung Athens durch Sulla
Ostlicher Mittelmeerraum
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Landungen in Britannien Caesars Rheiniibergange
55, 54
55,53
Caesar in Gallien
58-50
Lukrcz t; Catull t Ermordung des Clodius; Pompeius Consul sine collcga
Biirgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius
49-48
Ciceros Konsulat; Catilinarische Vcrschworung 1. Triumvirat (Pompeius, Crassus, Caesar) Caesars 1. Konsulat Beginn dcr Aktivitat des Clodius, Verbannung Ciceros ,Konferenz von Luca" Cicero: de ora tore, de republica, de legibus
um 54 52
56 55-52
59 58
60
63
51
53
63
66-63
Untergang des Crassus bei Carrhae Poseidonius von Apamea
Neuordnung des Ostens durch Pompeius Ende des Seleukidenreichs
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46
Schlacht bei Thapsus; Cato Uticcnsis t
Westlicher Mittelmeerraum und Nordafrika
Erster Provinziale Konsul; Vertrag von Brundisium; Vergils 4. Ekloge Vertrag von Misenum Vertrag von Tarent Seesieg des M. Agrippa i.iber Sextus Pompeius bei Naulochos
40
39 37 36
43
15. 3. Ermordung Caesars Mutinensischer Krieg 2. Triumvirat (Antonius, Octavian, Lepidus) Proskriptionen, Ermordung Ciceros
44 43 43-33
48-47, 45-44 Caesar Diktator
Rom und I talien
36
42
48/47
48
Partherfeldzug des Antonius
Schlacht bei Philippi
Schlacht bei Pharsalus; Untergang des Pompeius Caesar in Agypten
Ostlicher Mittelmeerraum
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Treueid des Wcstens fi.ir Octavian
13. 1. ,Bcgri.indung des Principats"
32
27
t
Sallust
35
31 30
35-33
2. 9. Schlacht bei Actium Einnahme von Alexandria, Tod des Antonius und der Kleopatra
Illyrische Feldzi.ige Octavians
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BIBLIOGRAPHISCHE HINWEISE VERZEICHNIS DER AnKURZUNGEN
Abh. AdW. ANRW. BEFAR. Dessau '~d.
GWU. HZ. JHS. JRS. JWG. MEFR. NOr. OGIS. PBSR. RE. REA RGWG. SB. SOH I. WaG. ZRG.
Abhandlung Akademie dcr Wissenschaften Aufstieg und Niedergang der Romischen Welt. Hrsg. von H. Temporini und W. Haase. Berlin 1972 ff. Bibliotheque des Ecoks Fran~aises d' Athenes et de Rome H. Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae Herausgeber Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historische Zeitschrift Journal of Hellenic Studies Journal of Roman Studies J ahrbuch fiir Wirtschaftsgeschichte Melanges de !'Ecole Fran