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German Pages 458 Year 2021
Pamela Nölleke-Przybylski
Kreativität in der Unterhaltungsproduktion Die soziale Praxis der Produktion fiktionaler und nonfiktionaler Fernsehsendungen
Kreativität in der Unterhaltungsproduktion
Pamela Nölleke-Przybylski
Kreativität in der Unterhaltungsproduktion Die soziale Praxis der Produktion fiktionaler und nonfiktionaler Fernsehsendungen
Pamela Nölleke-Przybylski Wien, Österreich Zugl.: Eichstätt, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Dissertation, 2019
ISBN 978-3-658-35213-4 ISBN 978-3-658-35214-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Danksagung
Der Weg bis zur Fertigstellung dieser Arbeit war lang. Viele Menschen waren Teil dieses Weges. Sie haben mich begleitet, inspiriert, unterstützt, motiviert, bestärkt, konstruktiv kritisiert, beraten, verpflegt, beherbergt, amüsiert, wenn nötig abgelenkt und aufgefangen. Es würde den Rahmen sprengen, sie alle hier mit Namen zu nennen. Ich vertraue darauf, dass ich Ihnen schon unterwegs klarmachen konnte, dass sie den Prozess mit ihrem Rat, ihrem Feedback, ihrer Gesellschaft und ihrer Freundschaft wesentlich bereichert und möglich gemacht haben. Explizit erwähnen möchte ich hier nur einige wenige Personen (ohne damit meine Dankbarkeit gegenüber all den namentlich Ungenannten zu relativieren): Ich danke meinem Dissertationsbetreuer Klaus-Dieter Altmeppen für seine freundschaftliche Geduld und die lehrreiche, motivierende und persönlich bestärkende Begleitung. Dank gilt auch an meinen Zweitbetreuer Andreas Will für sein kurzfristiges Engagement und sein Interesse an der Arbeit. Von Herzen dankbar bin ich für die Fürsorge und Unterstützung meiner Familie. Für sie ist das selbstverständlich und für mich ist es gerade auch deshalb wichtig, das explizit zu erwähnen. Worte können kaum greifen, wie dankbar ich vor allem Daniel bin: Ohne ihn hätte ich gleich mehrfach aufgegeben, an jedem zweiten Satz gezweifelt und das Leben, das ja nebenbei noch lief, nicht gelebt. Und Livia und Josefine: Ohne sie hätte ich nie den Punkt gesetzt. Ihr seid das, was zählt.
V
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2 Praxistheoretische Anlage der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Was ist Praxistheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Bourdieus Theorie der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.1 Grundzüge der theoretischen Sichtweise und zentrale Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.2 Bourdieu’sche Analysen kultureller Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Giddens’ Strukturationstheorie: Grundzüge und zentrale Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Kopplung der Strukturbegriffe: Kombination des Ressourcen- und Kapitalbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Soziale Praktiken (und Handlungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Institutionalisierung und Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 10 15 17
3 Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung für das Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 (Fernseh-)Unterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Definition von Fernsehunterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Differenzierung von Unterhaltungsinhalten . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion . . . . . . . . . . . 3.2.1 Ökonomische Parameter I: Produktspezifika und Kostenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ökonomische Parameter II: Wertschöpfung und Branchensektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 24 31 39 40 51 63 63 70 77 87 88 92
VII
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.2.3 Struktur des Produktionsmarktes: Sender und Produzent*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Organisation der Produktionen: Projektnetzwerke . . . . . . . 3.3 Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung . . . . 4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen . . . . . 4.1.1 Definitionen und Träger von Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1.1 Begriffliche Definitionen von Kreativität . . . . . . . 4.1.1.2 Kreativitätsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1.3 Domänenspezifität der Kreativität . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Von der Kreativitätsmessung zur Kreativitätsbewertung: Wie lässt sich Kreativität messen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Kreativitätsebenen: Wie lassen sich unterschiedliche Formen von Kreativität unterscheiden? . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Kreativität und Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet und was beeinflusst Kreativität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Mikroebene: Charakteristika kreativer Personen & die Rolle intrinsischer Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Meso- und Makroebene: Einflussfaktoren auf Ebene des Praxisfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Kreative Wirtschaft und Kreativwirtschaft . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Kreativität und Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Management von Kreativität als betriebliche Ressource . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Paradoxität der Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Kreative Praxis und kreatives Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zusammenfassung: Kreativität als Beobachterkonzept . . . . . . . . . . 5 Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . 5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Kreativitätsinseln: Pockets of Creativity in der Unterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Sendungsentwicklung als kreativer Prozess . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Unsicherheiten und Risiken in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97 106 111 117 119 120 121 123 131
134 140 144 149 151 157 165 166 171 174 176 186 192 195 196 198 210 216
Inhaltsverzeichnis
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld von Standardisierung und Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Kreativität, Produktionsformeln, Genre- und Gattungskonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Innovationen in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . 5.2.2.1 Formate und Formathandel: Imitation statt Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2 (Neue) Produktionsstrukturen: Steigerung ‚kreativer‘ Effizienz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Die Bewertung von Unterhaltungssendungen als kreative Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input . . . 5.3.1 Rollen, Tätigkeitsprofile & Rollenselbstverständnis der Medienschaffenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.1 Differenzierung formaler Funktions- und informeller Handlungsrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.2 Selbstverständnis zwischen Geschäftssinn und Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.3 Bewältigung von Identitäts- und Intrarollenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.4 Reflexion: Medienschaffende als „symbol creators“ und die Besonderheit der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Handlungs- und Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.1 Teamarbeit, temporäre Kollaboration und die Rolle praktischen Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.2 Befristete Anstellung, Freiberuflichkeit und Networking-Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.3 Selbstverwirklichung, Selbstausbeutung und die Hierarchisierung personeller Inputs . . . . 5.3.3 Feldspezifische Kreativitätsdefinition: Verständnis von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.1 Die Bedeutung von Kreativität in der Unterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.2 Allgemeine Definitionen von Kreativität und kreativen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
221 222 231 241 245 248 258 259 260 272 285
294 298 298 301 306
310 311 312
X
Inhaltsverzeichnis
5.3.3.3 Spezifische Dimensionen und Kategorien von Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.4 Träger und Ebenen von Kreativität . . . . . . . . . . . . 5.3.3.5 Kreativitätsmanagement: Determinanten auf organisationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Zusammenfassung: Kreativität und Kommerz in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kreativität als soziale Praxis im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320 334 341 344 347 347 358
7 Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung . . . . . . . . 7.1 Implikationen für die Forschung: Überlegungen zu einer theoriegeleiteten Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Implikationen für das Management der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
397
377 384
Abbildungsverzeichnis
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
1.1 2.1 2.2 2.3
Abbildung 3.1 Abbildung 3.2
Abbildung 3.3 Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
3.4 3.5 4.1 4.2
Abbildung 4.3 Abbildung 4.4
Abbildung 4.5 Abbildung 4.6 Abbildung 5.1
Struktur der Dissertation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dimensionen der Dualität von Struktur . . . . . . . . . . . . . . Komponenten einer sozialen Praktik . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekursive Hervorbringung von sozialen Praktiken in Praxiskomplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungsbaum der Unterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . Identifikation von Unterhaltungssendungen über ihren Wirklichkeitsbezug und den gestalterischen Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbegriffe zur Klassifikation und Charakterisierung von Fernsehinhalten . . . . . . . . . . . . . . . Die Sektoren der Fernsehbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Prozess der Fernsehproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreativitätsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierungen von Kreativitätsebenen in ihrer Relation zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemmodell der Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren der Arbeitsumgebung auf Kreativität in Relation zum Komponentenmodell der Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente des „KEYS Assessing the Climate for Creativity“-Befragungsinstruments . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf Kreativität auf organisationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Positionen im Projektnetzwerk der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 38 49 54 73
76 78 93 94 130 142 147
159 161 162 262
XI
XII
Abbildung 5.2 Abbildung 5.3
Abbildung 5.4 Abbildung 5.5
Abbildung 6.1 Abbildung 6.2 Abbildung 6.3 Abbildung 6.4 Abbildung 7.1
Abbildungsverzeichnis
Rollen im kreativitätsintensiven Prozess . . . . . . . . . . . . . . Dimensionen des Rollenselbstverständnisses von Film- und Fernsehproduzent*innen und Wichtigkeit der Berufsrollen in der Selbstwahrnehmung . . . . . . . . . . Relation der Träger von Kreativität in der Unterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Determinanten von Kreativität in der Unterhaltungsproduktion auf Mikro- und Mesoebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekursive Beziehung zwischen Branchenpraktiken und organisationalen Praktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komponenten sozialer Praxis der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bausteine und Ausprägungen kreativer Praxis im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . Charakterisierung der Kreativitätsträger in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Facetten des Kreativitätsmanagements in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
270
277 339
342 349 357 369 373 389
Tabellenverzeichnis
Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle
3.1 4.1 5.1 5.2
Tabelle 5.3 Tabelle 5.4 Tabelle 5.5
Tabelle 5.6 Tabelle 5.7
Programmsparten und Sendungsgattungen . . . . . . . . . . . . . . . Paradoxien der Kreativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (kreative) Elemente der Fernsehserienproduktion . . . . . . . . . (kreative) Elemente der Produktion von Unterhaltungssendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierung informeller Handlungsrollen in der populärkulturellen Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung und von Produzent*innen und Sendern bewertete Wichtigkeit der Berufsrollen . . . . . . . . . . Tätigkeiten von Produzent*innen – Anteil, den die genannten Tätigkeiten nach eigener Einschätzung einnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typen von Produzent*innen und Sendervertreter*innen . . . . Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion . . . . . . . .
87 178 204 206 267 275
278 279 334
XIII
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Einleitung
Da ist es endlich: das kreative Selbstbewusstsein der deutschen Fernsehunterhaltungsproduktion. Nahezu 100 Drehbuchautor*innen forderten im Juni 2018 mit ihrer Initiative „Kontrakt 18“ die ‚kreative Kontrolle‘ über ihre Arbeit zurück (vgl. Kontrakt 18). Sie wollen teilhaben am internationalen Aufschwung der Qualitätsserien, die gekennzeichnet sind durch spezifische Erzähl- und Produktionsweisen (vgl. z. B. Krauß 2018; McCabe und Akass 2007; Schlütz 2016). Während Medienschaffende in den USA ‚das goldene Zeitalter des Fernsehens‘ einläuteten, seien deutsche Fernsehredakteur*innen von „zynischer Mittelmäßigkeit“ getrieben, kritisierte die SZ-Journalistin Katharina Riehl noch im Januar 2014. Es gebe große Autor*innen in Deutschland, aber man lasse sie einfach nicht (vgl. Riehl 2014). „Kontrakt 18“ ist ein Zeichen dafür, dass diese Prämisse wankt. Nachdem die Branche selbst lange neidisch auf entsprechende Produktionen aus dem angloamerikanischen und skandinavischen Raum blickte, wächst mit dem Serienboom auch in der deutschen Fernsehunterhaltungsbranche das Selbstbewusstsein der Medienschaffenden im Bereich Fiktion. Insbesondere Auftraggeber*innen außerhalb des linearen Free TV fordern dieses Potenzial heraus (vgl. Mantel 2017; Niemeier 2018): „Deutschland ist ein sehr aufregender Markt, […] kreativ gesehen“, urteilte Ende 2018 eine für internationale Produktionen zuständige Netflix-Managerin (vgl. Lückerath 2018). Auch der deutschen Fernsehunterhaltung traut man also mittlerweile durchaus zu, Qualitätsserien herzustellen. Auch hier entsteht so genanntes Quality TV. Deutsche Fernsehunterhaltungsproduktion ist jedoch weit mehr als das. In populären und wissenschaftlichen Reflexionen zur Fernsehunterhaltung tritt neben das Narrativ des Qualitäts-, jenes des Schrottfernsehens: Quality TV nebst Trash TV (vgl. Klaus 2015). Insbesondere Diskussionen zu so genannten Hybridformaten des Reality TV ranken sich um Qualität, Ethik, Moral und Unmoral, guten und schlechten (Programm-)Geschmack (vgl. z. B. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_1
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Einleitung
Weiß und Ahrens 2012; Klaus 2006; Klaus und Röser 2008; Lünenborg et al. 2011; Mikat 2012). Der Erfolg dieser oft kritisch beäugten Sendungshybride zeigt laut Eck (2011): Die Kreativität der Branche steht unter einem „Spardiktat“. Die beiden Narrative des Qualitäts- und des Schrottfernsehens besetzen jeweils ein Ende der Wertschätzungsskala. An dem einen Ende blüht Kreativität, an dem anderen vertrocknet sie. Ist solch eine Sichtweise zutreffend? Ja und nein. Diskussionen zum Raum, zum Maß und zu den Grenzen der Kreativität in der Branche verhandeln tatsächlich ihren Status quo – jedoch weit über diese beiden Narrative hinaus. Die benannten Narrative fassen den Fokus der Kreativitätsdiskussion zu eng – ganz abgesehen davon, dass sie sich auf Programmgattungen beziehen, die lediglich ein Fragment fiktionaler und nonfiktionaler Fernsehunterhaltungsproduktion beleuchten. Sie setzen jedoch einen wichtigen Impuls, um den Begriff der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion genauer zu betrachten. Denn dieser verhandelt nicht nur die Qualität(en) der Branche, sondern prägt viel grundsätzlicher ihr Wesen. Der Terminus Kreativität wabert durch Beschreibungen und Analysen der Fernsehunterhaltungsproduktion als etwas, das in der ‚DNA‘ der Branche verankert sei (vgl. Küng 2007a, S. 27). Kreativität charakterisiert den Produktionsprozess (vgl. z. B. Becker et al. 2011; Zabel 2009, S. 40 f.) und die in der Produktion Tätigen (vgl. z. B. Fröhlich 2010b, S. 67), ihr Selbstverständnis (vgl. von Rimscha und Siegert 2011, S. 1022) und ihre Tätigkeit (vgl. z. B. Hesmondhalgh 2013; Hesmondhalgh und Baker 2011; Paterson 2010). Der für die Branche so zentrale Begriff ermöglicht, wie diese Arbeit aufzeigen möchte, einen analytischen und systematischen Blick auf ein Feld von gesellschaftlicher Relevanz. Unterhaltende Fernsehinhalte begeistern und polarisieren, weil sie – je nach Perspektive und Programm zur Freude oder Erschütterung der Kritiker*innen – Populärkultur sind (vgl. Caldwell 2008, S. 2; Hermes 2006; Goldbeck 2004; Mikos 2003). Sie dominieren das Programmprofil der reichweitenstärksten TVSender (vgl. Krüger 2012, S. 476; 2015, S. 146, 2018, S. 177; Maurer et al. 2020, S. 249), erreichen regelmäßig ein Millionenpublikum und gehören zu den meistgenutzten Programmgattungen sowohl im linearen als auch im nonlinearen Fernsehen (vgl. Zubayr und Gerhard 2018; Zubayr et al. 2020). Fernsehunterhaltung wird regelmäßig in medienjournalistischer Berichterstattung kommentiert, kritisiert und damit zusätzlich zum Gegenstand öffentlicher Kommunikation gemacht (vgl. Klaus und Röser 2008, S. 266 f.). Populärkulturelle Inhalte haben das Potenzial, die Grundlage einer Analyse komplexer gesellschaftlicher und kultureller Zusammenhänge zu bilden (vgl. Ahrens et al. 2014). Sie thematisieren und diskutieren Themen, die die Gesellschaft bewegen (vgl. z. B. Feil 2006, S. 174 f. Hermes 2006, S. 38), und sind selbst diskutierter Gegenstand der
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Einleitung
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Alltagskultur (vgl. Kumpf 2011; von Rimscha und Siegert 2008, S. 13). Fernsehmacher*innen sind überzeugt: „Unterhaltung ist nicht nur Ausgleich, sondern spiegelt auch Strömungen in der Gesellschaft wider.“ (Amgarten 2008, S. 117) Nicht nur die Öffentlichkeit – wenn sich der Dortmunder Oberbürgermeister beispielsweise über klischeehaften Darstellungen der Stadt und ihrer Bewohner im Tatort beschwert (vgl. Dell 2019) –, sondern auch die Mediengesetzgebung (vgl. Lischer 2014, S. 41) und die Forschung (vgl. z. B. Altmeppen 2008, S. 47; Kelly und Boyle 2011, S. 244; Mikos 2011, S. 58 f.; von Rimscha und Siegert 2011, S. 1010) trauen der Fernsehunterhaltung zu, Weltbilder, Stereotype, Werte, Einstellungen und Identitätsarbeit zu prägen. Unterhaltungsinhalte erfüllen folglich genauso wie informierende, journalistische Inhalte eine gesellschaftliche Funktion (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 39). Journalismus und Unterhaltungsproduktion übernehmen dabei – nicht trennscharf, aber im Schwerpunkt – unterschiedliche Aufgaben für die Gesellschaft. Daher können an diese beiden Felder auch nicht dieselben Leistungsanforderungen gestellt werden (vgl. Altmeppen 2007b, S. 152). Sie bedürfen jeweils spezifischer analytischer Zugänge und Perspektiven (vgl. Altmeppen et al. 2010, S. 12). All dies sind Indizien für die gesellschaftliche Bedeutung und Breitenwirkung unterhaltender Fernsehsendungen. Es verwundert daher nicht, dass sich die Rezipient*innenforschung umfassend mit der (potenziellen) Wirkung und gesellschaftlichen Bedeutung unterhaltender Fernsehinhalte befasst (vgl. z. B. Gassmann et al. 2003; Schlütz et al. 2013; für einen Überblick vgl. z. B. Gleich 2011; 2013). Daran anknüpfend kritisierte Hesmondhalgh (2002) noch zur Jahrtausendwende einen verengten Fokus auf „the creativity of audiences“ (ebd., S. 5, Herv. d. Verf.). Mittlerweile hat eine zunehmende Zahl von Forscher*innen auch die Produzent*innen und den Produktionsprozess populärkultureller Inhalte in den Blick genommen. Die klassischen, teils recht frühen produktionssoziologischen, meist ethnographisch oder auch interviewbasiert angelegten Studien zur Film- und Fernsehproduktion von Cantor (1988), Ettema (1982), Gitlin (1994), Intintoli (1984), Powdermaker (1951), Ryan (1991) oder Tunstall (2001a) werden mittlerweile durch eine Vielzahl aktuellerer, empirischer Analysen der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. z. B. Bloore 2013; Caldwell 2008; Grindstaff 2002; Hesmondhalgh und Baker 2011; Kelly und Boyle 2011; Mayer 2011; Roberts 2011) auch außerhalb des angloamerikanischen Raums (vgl. z. B. Redvall 2013b, Zhang und Fung 2014) ergänzt. In der deutschsprachigen Forschung ist der Gegenstand aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher, organisationstheoretischer und medienökonomischer Perspektive analysiert worden – mit einem Fokus auf Organisations- und Branchenstrukturen einerseits (vgl. Altmeppen et al. 2007;
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Fröhlich 2010b; Lantzsch 2008; Sydow und Windeler 2004a; von Rimscha 2010) und vereinzelt auch auf die Ebene der in der Unterhaltungsproduktion Tätigen (vgl. z. B. von Rimscha und Siegert 2010; 2011) sowie die tatsächliche Produktionspraxis (vgl. Klug und Schmidt 2016; Knöhr 2018; Krauß 2018) andererseits. Darüber hinaus hat die Arbeitssoziologie die Mikroebene der Kommunikator*innen in diesem Feld umfassend in den Blick genommen (vgl. z. B. Bührmann und Dierschke 2012; Marrs und Boes 2003; Marrs 2007; Schiek und Apitzsch 2013; Schulz et al. 2013; Windeler und Wirth 2004; Wirth 2010). Den wachsenden Forschungskorpus bewertet Hesmondhalgh (2013) als „a good thing“ (ebd., S. 7). Schließlich sind eine Analyse und ein Verständnis medialer Inhalte kaum möglich, ohne den Blick auch auf die Kommunikator*innen auszuweiten (vgl. auch Born 2000, S. 405): „After all, symbol creators are the primary workers in the making of texts. Texts, by definition, would not exist without them […]. This does not mean that we should romantically celebrate the work of all musicians, authors, film-makers and so on. Symbolic creativity can enrich people’s lives, but often it is banal or mediocre. Sometimes it meekly serves power, or it promotes commercialism over creativity and knowledge.” (Hesmondhalgh 2013, S. 7, Herv. i. O.)
Dem Gedanken folgend, den Hesmondhalgh in diesem Zitat – wohlgemerkt nicht exklusiv für das Unterhaltungsfernsehen, sondern für kulturelle Branchen insgesamt1 – formuliert, befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Struktur des Produktionsprozesses, der Arbeitsweise und dem Selbstverständnis der in der Unterhaltungsproduktion Tätigen. Im Fokus stehen damit die Bedingungen, Prozesse und Personen der Fernsehunterhaltungsproduktion in Deutschland. Der Zugang zu diesem Forschungsfeld erfolgt über einen Begriff, der eingangs bereits herausgestellt wurde und den auch das Zitat von Hesmondhalgh in den Fokus rückt: Kreativität. Ein Verständnis der Mechanismen der Fernsehunterhaltungsproduktion setzt ein Verständnis der Bedeutung und Rolle von Kreativität in diesem Feld voraus. Mittels des Konzepts der Kreativität ist es möglich, einen spezifischen theoretischen Zugang zu diesem Feld zu entwickeln. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dieses Argument zu explizieren, es zu untermauern und vor diesem Hintergrund die Charakteristika der Fernsehunterhaltungsproduktion herauszuarbeiten. Die vorliegende Arbeit ist sozialtheoretisch, kommunikations- und kulturwissenschaftlich verankert und knüpft zugleich an die Medienmanagementforschung 1
Ein ausführlicherer Blick auf die Begriffe der Kultur- und Kreativwirtschaft (cultural and creative industries) erfolgt in Abschnitt 4.3.1.
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Einleitung
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an. Damit arbeitet sie auch die Besonderheit des Medienmanagements (vgl. Mierzjewska und Hollifield 2006, S. 40) heraus. Die Arbeit konzeptualisiert, beschreibt und analysiert die Fernsehunterhaltungsproduktion als eigenes Praxisfeld – aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive soll damit ein breiteres Verständnis der Kommunikator*innen, ihres Selbstverständnisses, der Arbeitsprozesse, in die sie eingebunden sind, sowie der Normen, Prinzipien und Werte, denen sie folgen und sich verbunden fühlen, generiert werden. Dies alles ist Wissen, das ein besseres Verständnis der Entstehungsbedingungen populärkultureller Inhalte mit ihrem entsprechenden Einfluss auf die Rezipient*innen ermöglicht (vgl. auch Nicoli 2010, S. 30). Zugleich generiert die Arbeit praxisrelevantes Wissen, weil sie Strukturen der Organisation und Koordination kultureller Produktion offenlegt und damit letztlich eine Analyse des Managements von Kreativität und Kreativen sowie seiner Bedingungen vollzieht. Ziel der Arbeit ist es, die Unterhaltungsproduktion und die darin tätigen Medienschaffenden mit Hilfe des Begriffs der Kreativität (besser) zu verstehen – der Prämisse folgend, dass Kreativität charakterisierendes Merkmal des Feldes ist. Die Assoziation des Kreativen mit der Populärkultur ist längst auch in der Forschung verankert. In Studien zum Journalismus (vgl. Berglez 2011; Fulton und McIntyre 2013; Malmelin und Virta 2016; Nylund 2013), zur Fernsehproduktion (vgl. Doyle und Paterson 2010; Hutton et al. 2005; Kerrigan 2010; Nicoli 2010; Paterson 2010; Zoellner 2013) und mitunter auch spezifisch zur Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Berkeley 2003; Becker et al. 2011; Karow 2011) ist Kreativität impliziter oder expliziter Untersuchungsgegenstand. Lediglich vereinzelt wenden Forscher*innen dabei die vorrangig sozialpsychologisch fundierten Modelle und Konzepte der Kreativitätsforschung auf den Gegenstand an (vgl. Bloore 2013; Kerrigan 2013; Kerrigan und McIntyre 2010). Häufiger nutzen sie einfache Kreativitätsdefinitionen oder einzelne Kreativitätstests (vgl. z. B. von Rimscha 2017) und greifen auf lediglich implizite Kreativitätskonzepte, d. h. implizite Definitionen durch die Forschenden selbst, zurück. Auf Grundlage dieser Betrachtungen haben sich Grundzüge kreativer Arbeit als einer spezifischen Beschäftigungs- und Tätigkeitsform herausgebildet (vgl. z. B. Christopherson 2008; Hesmondhalgh und Baker 2011). Dennoch besteht kein Konsens in der Frage, wie man Kreativarbeit definiert (vgl. Schiek und Apitzsch 2013, S. 186). Die benannten Untersuchungen exemplifizieren, wie sich mediale Produktion mittels des Kreativitätsbegriffs systematisieren und qualifizieren lässt. Der bestehende Forschungskorpus zeigt folglich auch, dass über Kreativität ein analytischer Zugang möglich ist. Zugleich offenbart er, dass konsistente theoretische Zugänge fehlen und häufig gar nicht explizit definiert wird, was Kreativität im Feld medialer Produktion eigentlich ist. Dem Feld wird zumeist unreflektiert
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Einleitung
Kreativität attribuiert. Jede*r (Forschende) hat schließlich ganz selbstverständlich eine Vorstellung davon, was kreativ ist und was Kreativität bedeutet (vgl. Dresler 2008, S. 16). Vor diesem Hintergrund arbeitet die vorliegende Arbeit systematisch die Frage auf: Was ist Kreativität und welche Rolle spielt sie in der Fernsehunterhaltungsproduktion? Zwei Facetten des Kreativitätskonzepts prägen die Grundannahmen der Arbeit und leiten daher die Beantwortung dieser Frage: Kreativität dient einerseits als analytischer Zugang zur Fernsehunterhaltungsproduktion. Kreativität wird andererseits als Charakteristikum dieses Feldes beschrieben und herausgearbeitet. Die Ausführungen münden in Empfehlungen für eine empirische Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion als einem Praxisfeld, das sich qualitativ durch kreative Praxis auszeichnet. Die Analyse dient darüber hinaus als Grundlage, um Empfehlungen für das Management der Fernsehunterhaltungsproduktion abzuleiten. Überlegungen dazu, wie sich Kreativität im Feld befördern lässt, sind Teil dieser Reflexion. Die vorliegende Arbeit beabsichtigt jedoch nicht, ein Patentrezept für Kreativitätssteigerungen in dieser Branche zu präsentieren. Primäres Ziel der Analyse ist nicht, Kreativität im Feld zu steigern, sondern das Feld qua feldspezifischer Kreativität zu verstehen. Die Argumentation fußt vorrangig auf einer extensiven Literaturanalyse. Die Arbeit verfolgt eine dezidierte Aufarbeitung des Forschungsstandes und eine Reflexion der bisher erfolgten theoretischen Arbeit. Ergänzend reichert eine Sekundäranalyse von Leitfadeninterviews mit in der Unterhaltungsproduktion tätigen Medienschaffenden die Erkenntnisse an. Sie greift die theoretischen Prämissen, die aus der Analyse empirischer und theoretischer Forschung abgeleitet werden, auf und trägt daher wesentlich zur Beantwortung der forschungsleitenden Frage bei. Im Sinne einer empiriebasierten Theorie legt die Arbeit auf eine umfassende Betrachtung des Untersuchungsgegenstandes wert. Konkret mündet dieses Anliegen in den in Abbildung 1.1 dargestellten Aufbau der Argumentation: Kern der literaturanalytischen Leistung ist neben einer Bestimmung und Skizze der Fernsehunterhaltungsproduktion als Untersuchungsgegenstand (vgl. Kapitel 3) eine umfassende Betrachtung des Forschungsstandes zur Kreativität (vgl. Kapitel 4). Die vorliegende Arbeit beabsichtigt über die Konzepte der Kreativitätsforschung den Blick für vielfältige Zugänge zum Feld zu öffnen. Sie skizziert Träger, Ebenen und Quellen der Kreativität, setzt das Konzept in Beziehung zu den Begriffen der Ökonomie und Kultur und arbeitet heraus, wie die Paradoxität der Kreativität das Verständnis für das Phänomen erweitern kann. Die Arbeit setzt im Kreativitätskapitel zugleich einen Fokus auf kreative Praxis als einen spezifischen Zugang, der sich aus der praxistheoretischen Rahmung der Arbeit ergibt. Die in der Kreativitätsforschung dominierenden analytischen Ebenen des Prozesses, des Produkts und der Person dienen dazu, die Literatursynthese
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Einleitung
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 1.1 Struktur der Dissertation
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und die Sekundäranalyse zur Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion zu strukturieren (vgl. Kapitel 5). Die Darstellung schlüsselt auf, welche Form Kreativität in diesem Feld annehmen kann, welche Themen sie in den Vordergrund rückt und mit welchen feldcharakteristischen Aspekten sie assoziiert ist. Die sekundäranalytisch basierten Ausführungen zum feldspezifischen Kreativitätsverständnis greifen das Verständnis von Kreativität als Beobachterkonzept auf und konkretisieren noch weiter, was Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist und sein kann. Als Rahmen der Betrachtung fungiert die theoretische Grundausrichtung der Untersuchung: Die Praxistheorie leitet die Analyse des Gegenstandes an (vgl. Kapitel 2). Die vorliegende Arbeit baut dabei vorrangig auf den Arbeiten von Pierre Bourdieu und Anthony Giddens sowie den übergreifenden Konzeptionen zur Praxistheorie durch Andreas Reckwitz und Theodore R. Schatzki auf. Sie arbeitet zentrale Argumente der praxistheoretischen Sichtweise als Begriffs- und Analyseinstrumentarium heraus. Dieses Instrumentarium leitet eine Synthese zur Beschreibung der Fernsehunterhaltungsproduktion und der Kreativität in diesem Feld aus praxistheoretischer Perspektive an (vgl. Kapitel 6). Die Argumentation mündet abschließend in eine Ableitung von Implikationen für Forschung und Praxis (vgl. Kapitel 7).
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Eine angemessene Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion setzt aufgrund ihrer Besonderheiten die Schaffung eines eigenen Forschungsfeldes Unterhaltungsproduktion (oder auch Unterhaltungsbeschaffung und -produktion) voraus (vgl. Altmeppen et al. 2010, S. 12 f.; vgl. auch Abschnitt 3.3) – dies impliziert auch und vor allem die Entwicklung, Anpassung und/oder Anwendung passender Theoriekonzepte und theoretischer Sichtweisen. Theoretische Fundierung ist auch deshalb wichtig, „um empirische Ergebnisse in nachhaltiger verwendbare Aussagen zu transferieren“ (Altmeppen et al. 2010, S. 13). Die vorliegende Arbeit nimmt daher eine praxistheoretische Perspektive ein. Im Folgenden werden die wesentlichen Eigenschaften der Praxistheorie, welche keineswegs als homogene Theorie verstanden werden darf, skizziert. Die Beschreibung dieser Element erfolgt im Wesentlichen auf Basis der Ausführungen von Andreas Reckwitz (2002, 2003) sowie Theodore R. Schatzki (1996, 2001b) (vgl. Abschnitt 2.1 und 2.3). Eine Spezifizierung jener praxistheoretischen Terminologie, der sich diese Arbeit bedient, erfolgt in einem zweiten Schritt auf Basis der Theorie der Praxis von Pierre Bourdieu und der Strukturationstheorie von Anthony Giddens – und damit auf Basis zweier Sozialtheoretiker, die, neben anderen (vgl. Reckwitz 2003, S. 286), das Verständnis von einer Praxistheorie wesentlich geprägt haben (vgl. Abschnitt 2.2). Aufbauend auf dieser Betrachtung beschreibt Abschnitt 2.3 konkreter was soziale Praktiken – insbesondere in Relation zum Handlungsbegriff – sind und auch wie sie für eine empirische Analyse greifbar werden. Da sich die vorliegende Arbeit einem organisationalen Produktionskontext widmet, interessiert zudem, wie und wann von organisationalen Praktiken gesprochen werden kann (vgl. Abschnitt 2.4).
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_2
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2.1
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Was ist Praxistheorie?
Eine praxistheoretische Betrachtung macht das sozialtheoretische Henne-EiProblem zum Prinzip: Es ist nicht erkennbar, ob Struktur das Handeln oder das Handeln die Struktur bestimmt, weil sich beides rekursiv konstituiert. Praxistheorie setzt ihren Fokus auf „strukturierte Aktivität und damit Handeln und Struktur zugleich“ (Koch et al. 2016, S. 170). Mit dem Rückgriff auf eine praxistheoretische Denkweise kann der häufig auch in der Kommunikationswissenschaft problematisierte Mikro-Makro-Dualismus theoretischer Perspektiven (vgl. Löffelholz 2004, S. 57; Löffelholz et al. 2004, S. 259; Neuberger 2004, S. 287 f.; Röttger 2005, S. 12) aufgehoben werden. Die Praxistheorie überwindet diesen Dualismus zugunsten einer „Dualität“ (Giddens 1997, S. 77) von Handeln und Struktur (vgl. Giddens 1984; 1997), von Habitus und Feld (vgl. Bourdieu 1976), zugunsten einer Verbindung von Mikro- mit der Makro- bzw. Mesoebene (vgl. auch Golsorkhi et al. 2010b; Whittington 2011, S. 185). Sie wählt folglich „einen ‚dritten Weg‘ des Analysezugangs“ (Raabe 2016, S. 340; vgl. auch Schwingel 2009, S. 43) neben (oder eher jenseits) individualistischer und strukturalistischer Ansätze. Praxistheorien beleuchten nicht einfach den Raum zwischen Subjekt und Objekt, zwischen individuellem Handeln und gesellschaftlicher Struktur, sondern sie koppeln diese beide Ebenen. Diese Kopplung erfolgt über den Fokus auf soziale Praktiken. Die sozialen Praktiken sind der ‚Ort des Sozialen‘ (vgl. Reckwitz 2002, S. 246, 2003, S. 286) – ihre Bezeichnung als „soziale“ Praktiken ist damit eine Tautologie, weil eine Praktik als das Soziale stets sozial ist (vgl. Reckwitz 2002, S. 250). Der Fokus sozialwissenschaftlicher Forschung fällt damit auf die „über Zeit und Raum geregelten gesellschaftlichen Praktiken“ (Giddens 1997, S. 52). Subjekte drücken sich in den sozialen Praktiken überhaupt erst als Subjekte mit ihren jeweils praxisrelevanten Eigenschaften aus; Strukturen wirken als Strukturen nur in und durch soziale Praktiken (vgl. auch Coulter 2001, S. 36). Vereinfacht gesagt: Strukturen und Subjekte finden nur im Tun (der Menschen) statt. Der Fokus auf soziale Praktiken entspricht damit einem Fokus auf das Doing – praxistheoretisch informierte Forschung analysiert entsprechend das doing culture (vgl. Hörning und Reuter 2004), doing strategy (vgl. Golsorkhi et al. 2010b, S. 4; Jarzabkowski et al. 2007, S. 13), doing gender (vgl. Reckwitz 2003, S. 285, mit Verweis auf Butler 1990; 1993) oder auch „doing journalism“ (Raabe 2016, S. 347, Herv. i. O.). Reckwitz arbeitet – nach eigener Wertung skizzenhaft und programmatisch – die leitenden Annahmen der Praxistheorie als einem „konzeptuellen Idealtypus“ (Reckwitz 2003, S. 284) heraus. Dabei verweist er im Wesentlichen auf
2.1 Was ist Praxistheorie?
11
drei Grundelemente dieser sozialtheoretischen Perspektive (vgl. ebd., S. 290 ff.). Demnach betont die Praxistheorie (1) die Materialität des Sozialen, indem sie die Bedeutung des Körpers (der Handelnden) und jene der im Handeln angewandten Artefakte hervorhebt. Sie stellt darüber hinaus (2) die implizite Logik des sozialen Lebens heraus im Kontrast zur Konzeption des Handelns „als Ausführung vorausgegangener Gedanken“ (Raabe 2016, S. 341) und damit als in der Tendenz „zu rational, zu logisch, zu bewusst“ (ebd.). Soziale Praxis ist sodann geprägt von (3) Routinisierung1 und Unberechenbarkeit gleichermaßen, ohne dass diese beiden Facetten sozialer Struktur im Widerspruch zueinander stünden (vgl. Reckwitz 2003, S. 294). Diese drei Grundelemente einer praxistheoretischen Sichtweise werden im Folgenden weiter ausgeleuchtet. Eine Spezifizierung erfahren sie darüber hinaus in den Folgekapiteln – jede*r Praxistheoretiker*in füllt diese Charakteristika schließlich mit eigener Terminologie und Gewichtung. Materialität des Sozialen & die Verortung des Subjekts Praxistheorie (er)fasst das Subjekt als Träger*in einer Praktik (vgl. Reckwitz 2002, S. 250). Diese Trägerschaft drückt sich auf unterschiedlichen Ebenen aus. Sie ist zu allererst ein spezifischer Typus körperlicher Bewegung. Sie zeigt sich auf extrakorporaler Ebene zudem über die An- und Verwendung von Artefakten. Materielle Ressourcen werden durch und im Gebrauch zum (Bestand-)Teil von Praktiken. Eine Praktik reicht jedoch über Anwendungen des Materiellen und Körperbewegung hinaus und umfasst genauso „certain routinized ways of understanding, knowing how and desiring“ (Reckwitz 2002, S. 250). Wenngleich die Schlussfolgerung nahe läge, ist diese mentale Ebene aus praxistheoretischer Perspektive keine Eigenschaft des Individuums, sondern eine Eigenschaft der Praktik (vgl. ebd.). Das Subjekt kann potenziell seine gesamte Sozialisation, seinen gesamten Wissenshorizont in die Praxis einbringen, wird dabei aber nur auf das in der Situation relevante Wissen, die relevanten Fertigkeiten zurückgreifen. Eine praxistheoretische Analyse betrachtet das Subjekt als „a bodily and mental agent“ (Reckwitz 2002, S. 250) und fasst ihn auf diese Weise als integralen Teil von Praktiken. Mit ihrem Interesse für die körperlich und mental (sowie materiell) ausgedrückten Praktiken gewährleistet sie zugleich, dass die Essenz des Geschehens – Körper und Geist, wie und nur insofern sie im Vollzug einer Praktik eine Rolle spielen – im Fokus bleibt. Die Akteur*innen sind ohne Praktiken, die Praktiken ohne Akteur*innen nicht denkbar (vgl. auch Jarzabkowski et al. 2007, S. 10).
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Zur Unterscheidung des Routine- vom Gewohnheitsbegriff vgl. Abschnitt 2.3
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Der Körper eines Subjekts ist Treffpunkt des Handelns und Denkens, er ist Treffpunkt individuellen Tuns und sozialer Einflüsse (vgl. Schatzki 2001a, S. 8). Praxis ist immer auch Körperlichkeit nach innen und nach außen. Performativität als Körperlichkeit nach außen meint den „Vollzug[.] von Praktiken“ (Reckwitz 2003, S. 290). Auf dieser Ebene ist die Praktik intersubjektiv nachvollziehbar – schlichtweg, weil und wenn ein*e Akteur*in wahrnimmt (sieht, hört, fühlt), dass jemand etwas tut – und folglich ‚sozial verständlich‘ (vgl. ebd.; auch Raabe 2016, S. 345). Körperlichkeit besteht darüber hinaus nach innen: Schon allein für spezifische Körperbewegungen bedarf es eines spezifischen, verkörperten Wissens (vgl. Reckwitz 2003, S. 290). Materialität als Charakteristikum einer praxistheoretischen Sichtweise erfasst nicht nur den menschlichen Körper, sondern auch Objekte (vgl. ebd., S. 290). Das Verständnis (der Reproduktionsmechanismen) von Praktiken setzt ein Verständnis der daran gekoppelten ‚materiellen Konfigurationen‘ (vgl. Schatzki 2001a, S. 3) voraus. Sowohl der Körper als auch Artefakte sind nicht Hilfsmittel, sondern konstitutives Element der Praktiken (vgl. Lengersdorf 2011, S. 69). Ändern sich Artefakte, ändern sich potenziell auch die Praktiken (vgl. Raabe 2016, S. 346). Beispiele dafür sind technische (Neu-)Entwicklungen, die bestimmte Arbeitsprozesse verändern, vereinfachen oder beschleunigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gewisse Artefakte routinisierte Arten des Gebrauchs nahelegen, aber nie festlegen. Auch variieren der Anlass und Kontext des Gebrauchs. Ein Artefakt steht folglich auch nicht automatisch für eine bestimmte Praktik (vgl. Jarzabkowski et al. 2007, S. 10). Implizite Logik der Praxis & Praxis als Kultur Mit dieser Materialisierung des Sozialen in den Körpern und Artefakten im Vollzug sozialer Praktiken und nicht im Subjekt an sich und im Objekt an sich, überwindet die Praxistheorie den Dualismus nicht nur von Subjekt und Objekt, sondern auch von Geist und Körper (vgl. Reckwitz 2003, S. 291, auch Wacquant 1996, S. 40). Es geht folglich weder darum, was der*die Handelnde wie und warum tun möchte. Genauso wenig geht es darum, wie und warum die objektive Welt sein*ihr Handeln determiniert. Beide Ebenen sind verwoben (vgl. Raabe 2016, S. 341 f.). Letztlich erfolgt damit eine Betonung der „implizite[n] Logik der Praxis“ (Reckwitz 2003, S. 291). Gemeint ist damit, „dass Handeln im Rahmen von Praktiken zuallererst als wissensbasierte Tätigkeit begriffen werden kann, als Aktivität, in der ein praktisches Wissen, ein Können im Sinne eines ‚know how‘ und eines praktischen Verstehens zum Einsatz kommt“ (Reckwitz 2003, S. 292, Herv. i. O.).
2.1 Was ist Praxistheorie?
13
Nach Reckwitz fließen im praktischen Wissen drei Elemente –Bedeutungszuschreibungen, das Wissen um kompetente Vorgehensweisen und ein „motivational-emotionales Wissen“ (2003, S. 292) – zusammen. Diese drei Elemente des praktischen Wissens verarbeiten die kulturellen Codes, die das Handeln bedingen (vgl. ebd., S. 292 f.). Praxistheorie verschränkt damit „Handlungsweisen und Signifikationsprozesse[.]“ (Keller 2011, S. 62). Praxis ist Kultur und Kultur ist Praxis (vgl. Lengersdorf 2011, S. 66), weil sich in den Praktiken vermittelt über den praktischen Sinn Kultur ausdrückt (vgl. Reckwitz 2003, S. 293 f.). Diese Sichtweise unterstreicht noch einmal, warum das (praktische) Wissen nicht dem Subjekt, sondern einer Praktik zugeordnet werden muss (vgl. ebd., S. 292). Der Fokus auf den impliziten Charakter des (kulturvermittelten und vermittelnden) praktischen Wissens verdeutlicht, dass es sich dabei nicht (unbedingt) um ein verbal explizierbares Wissen handelt. Das heißt, dass es Handelnden nicht unbedingt diskursiv zugänglich ist – praktisches Wissen ist in diesem Sinne nicht oder nur begrenzt beschreibbar. Davon unbenommen bleibt, dass Handelnde ex post durchaus in der Lage sind, einen Grund für ihr Handeln zu nennen (vgl. Giddens 1997, S. 53); nur beschreiben sie damit nicht unbedingt das praktische Wissen, sondern verbalisieren ihre Handlungsrationalisierung (vgl. Abschnitt 2.2.2). Das praktische Wissen kann daher auch nicht mit Rationalität gleichgesetzt werden. Anders gesagt: Was jemand tut, folgt einer praktischen, nicht unbedingt aber einer rationalen Logik (vgl. Schatzki 2001b, S. 50). Zugleich sind das Handeln und die dieses Handeln einbettenden Praktiken aber nicht willkürlich, weil es genau diese praktische Logik ist, die das Handeln und die Praktiken organisiert und verbindet (vgl. ebd.). Offenheit und Routinisierung der Praxis Soziale Praktiken definieren sich wesentlich darüber, dass sie routinisiert 2 sind (vgl. z. B. Golsorkhi et al. 2010b, S. 4; Jarzabkowski et al. 2007, S. 10; Reckwitz 2002, S. 249; Swidler 2001, S. 74 f.; von Arx 2008, S. 40). Letztlich ist dies ein Schlüsselaspekt, um in den sozialen Praktiken ein Ordnungsprinzip des Sozialen zu identifizieren und um zu verstehen, warum, wann und wie sich spezifische Praxiskomplexe als differenzierbare „Teile“ des Sozialen fassen und beschreiben lassen. Grundsätzlich sind Praktiken, die sich als solche im Einzelnen durchaus spezifiziert fassen lassen, stets an (weitere) soziale Praktiken gekoppelt, d. h. sie sind in größere Praxiskomplexe eingebettet (vgl. Raabe 2016, S. 340, Reckwitz 2003, S. 289). Verwobene Praxiskomplexe wiederum konstituieren Praxisfelder. Solch ein Feld lässt sich beschreiben als „eigenständiger sozialer und zugleich 2
Zur Diskussion des Routinebegriffs in der Praxistheorie vgl. Abschnitt 2.3
14
2
Praxistheoretische Anlage der Arbeit
kultureller Zusammenhang“ (Raabe 2016, S. 340). Dieser Zusammenhang ergibt sich wesentlich aus dem Modus der Wiederholung. Praktiken und Praxiskomplexe verfestigen sich, wenn und indem sie sich mehr oder weniger wiederholen. Dieses Mehr-oder-Weniger ist wesentlicher Knackpunkt der Praxistheorie (vgl. Golsorkhi et al. 2010b, S. 3) und weder einheitlich noch eindeutig spezifizierbar (vgl. Reckwitz 2003, S. 297). Tatsächlich wiederholt sich eine soziale Praxis nie oder nur in absoluten Ausnahmefällen in identischer Form (vgl. ebd., S. 295). Dahingegen ist eine Variation einzelner Praktiken oder ganzer Praxiskomplexe der Regelfall. Praxis ist zwar routinisiert, zugleich aber auch offen. Praktiken werden grundsätzlich als veränderbar definiert und zugleich als jene Elemente qualifiziert, die soziale Ordnung herstellen (vgl. Schatzki 2001b, S. 53). Reckwitz (2003, S. 294–296) beschreibt vier Eigenschaften des Sozialen, die begründen, warum soziale Praxis offen ist: (1) Der Kontext sozialer Praxis ist nie gänzlich bekannt. Das praktische Wissen der Akteur*innen kann nie alle Aspekte des Handlungskontextes erfassen. Folglich ist es auch denkbar, dass eine Praktik scheitert. (2) Der Fokus auf den Praxisvollzug impliziert Zeitlichkeit. Zeitlichkeit umfasst nach Reckwitz sowohl Zukunftsungewissheit als auch das Potenzial zur Sinnverschiebung. Ein Beispiel einer Sinnverschiebung sind Handlungsunterbrechungen: Bricht ein*e Akteur*in eine bestimmte Handlung und damit ggfs. auch Praktik3 ab und setzt sie zu einem späteren Zeitpunkt fort, ist diese Fortsetzungshandlung an andere Prämissen geknüpft als es die Ursprungshandlung war (vgl. auch Schütz und Luckmann 2003, S. 191). (3) Praktiken sind keine starren Komplexe, sondern „lose gekoppelt“ (Reckwitz 2003, S. 295, Herv. i. O.). Sie sind nur bedingt oder gar widersprüchlich aufeinander abgestimmt. Folglich sind Praktikenkomplexe nach innen, d. h. innerhalb eines Feldes, mitunter nicht homogen. Darüber hinaus haben sie nach außen keine festen Sinngrenzen: Eine Praktik kann in mehreren Feldern eine Rolle spielen. Ein Beispiel ist die Praktik des Befragens, die zum Journalismus gehört, genauso wie zur Markt- und Meinungsforschung (vgl. Raabe 2016, S. 349). (4) Die lose Kopplung von Praktiken auf der Ebene des Feldes findet ihr Äquivalent in den Akteur*innen: Subjekte sind praxeologisch gedacht „lose gekoppelte[.] Bündel[.] von Wissensformen“ (Reckwitz 2003, S. 295 f., Herv. i. O.). Damit ist auch der Wissensvorrat eines Subjekts nicht homogen und vereint ggfs. Widersprüchliches. 3
Zur Beziehung von Handlung und Praktik vgl. Abschnitt 2.3
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
15
Vor diesem Hintergrund sind die Bedingungen für die Entstehung von Praxisformen dynamisch (vgl. Hillebrandt 2009, S. 390). Spezifische Kontexte, spezifische Gegenstände, spezifisches Know-how legen spezifische Praktiken nahe, aber sie determinieren sie nicht (vgl. Jarzabkowski et al. 2007, S. 10). Soziale Ordnung ist laut Praxistheorie demnach in steter Bewegung, zerfällt aber nicht in Chaos und Willkür. Der Praxisvollzug kann niemals umfassend und endgültig gelingen und auch nie umfassend und endgültig scheitern (vgl. Lengersdorf 2011, S. 71). Das Ergebnis der Praxis liegt damit ein Stück weit im Ungewissen. Es stellt sich die Frage, ob Praktiken, wenn sie ‚ausgeübt‘ werden, wenn sie ‚stattfinden‘, eher auf eine (ähnliche) Wiederholung und damit Rekonstruktion oder doch auf Veränderung und Innovation hinauslaufen (vgl. Reckwitz 2003, S. 297). Anthony Giddens und Pierre Bourdieu wird bei dieser Frage eine unterschiedliche Tendenz in ihren Konzepten zugeordnet (vgl. Raabe 2008, S. 365). Dieser Unterschied wird im folgenden Kapitel kurz skizziert. Der Fokus der Ausführungen liegt jedoch darauf, die praxistheoretische Perspektive dieser Arbeit über die Terminologien von Bourdieu und Giddens weiter zu konkretisieren.
2.2
Terminologien praxistheoretischer Ansätze
Grundlage der hier ausgearbeiteten praxistheoretischen Sichtweise sind Konzeptualisierungen von Pierre Bourdieu und Anthony Giddens gleichermaßen. Der Rückgriff auf die Konzepte spezifischer Theoretiker erlaubt es, die praxistheoretische Grundlage zu festigen, da die Praxistheorien (im Plural) aufgrund ihrer Diversität nicht alle gleichzeitig gelten können: Trotz der oben skizzierten Gemeinsamkeiten, „practice thought encompasses multifarious and often conflicting intuitions, conceptions, and research strategies“ (Schatzki 2001a, S. 14). Die Theoriekonzepte von Bourdieu und Giddens gelten als zwei grand theories unter den Praxistheorien (vgl. Reckwitz 2000, S. 282) und stehen jeweils exemplarisch für eine praxistheoretische Sichtweise (vgl. Bongaerts 2007, S. 247, 254) mit wohlgemerkt jeweils unterschiedlichen Foki. Reckwitz schreibt Bourdieu einen eher strukturalistischen und Giddens einen akteurtheoretischen Fokus zu (vgl. Reckwitz 2000, S. 283). Raabe (2008) grenzt Bourdieus Betonung des Vorreflexiven von Giddens Fokus auf das Reflexive sogar als „zwei entgegengesetzte Pole des praxistheoretischen Diskurses“ (ebd., S. 365) voneinander ab. Postill (2010) verortet die Diskrepanz zwischen den beiden Sozialtheoretikern in ihrer Einstellung zum Interaktionismus. Giddens hebt in seinem Konzept die Interaktion (als Kopplung von Handeln und Struktur) hervor und betont die Ko-Präsenz
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
(vgl. Giddens 1997, S. 120). Demgegenüber lehne Bourdieu den Interaktionismus mit Verweis auf die Bedeutung jener Relationen zwischen Akteur*innen, die jenseits direkter Interaktion liegen, ab (vgl. Postill 2010, S. 16). Wie auch Postill sieht die Autorin dieser Arbeit jedoch keine ‚logische Inkompatibilität‘ (vgl. ebd.) zwischen Bourdieus Betonung dieser unsichtbarer Relationen und der Einsicht, dass Interaktionen eine wesentliche Rolle spielen können. Letzteres ist besonders für den Gegenstand dieser Arbeit anzunehmen: Gerade weil die Fernsehunterhaltungsproduktion auf Kollaborationen basiert (vgl. Abschnitt 3.2.4 und 5.1), rücken Interaktionen von Medienschaffenden in den Fokus einer Analyse des Feldes. Grundsätzlich wird hier davon ausgegangen, dass Giddens Angebot einer Sozialontologie, d. h. eines „theoretische[.][n] Vokabulars“ (Reckwitz 2003, S. 284), wesentliche Bausteine einer Analyse sozialer Praktiken in der Fernsehunterhaltungsproduktion bieten kann, während die von Bourdieu ausgearbeitete Terminologie, wie Bourdieu selbst unterstreicht, keinen ontologischen Anspruch hat, sondern Resultat und Spiegel spezifischer, empirischer Erkenntnisse ist (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 140 f., 195). Während Giddens seine Praxistheorie nicht von der Empirie, sondern aus der Kritik bestehender Sozialtheorien ableitet (vgl. auch Giddens 1997, S. 30 ff.; Wacquant 1996, S. 19, Fn. 4; 55, Fn. 53), gilt Bourdieus Arbeit als paradigmatisches Beispiel dafür, wie Theorie aus der Empirie heraus gebildet wird (vgl. Hillebrandt 2009, S. 371 f.). Theorie sei für ihn ein „Wahrnehmungs- und Handlungsprogramm“, welches „sich nur in der empirischen Arbeit offenbart“ (Bourdieu und Wacquant 1996, S. 197). Folglich bleibe seine Terminologie ein empirisches Handwerkszeug (vgl. Bourdieu 1989, S. 396). Für die Betrachtung des Feldes der Fernsehunterhaltungsproduktion stellen Bourdieus Erkenntnisse und Begriffe auch aufgrund seiner Betrachtungen der kulturellen Produktion (vgl. Abschnitt 2.2.1.2) eine wertvolle Basis dar. Die vorliegende Arbeit ist inspiriert von Bourdieus Sichtweise, Erkenntnisse der Forschenden seien letztlich Konstruktionen der Forschenden, die durch Empirie gewonnen werden (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 99 f.). Mit den Worten von Wiedemann und Meyen (2013) gilt: „Wer mit Bourdieu arbeitet, will weder beweisen noch widerlegen, dass es so etwas wie einen Habitus, soziale Felder oder soziales und kulturelles Kapital gibt. Diese Denkwerkzeuge werden vielmehr genutzt, um die soziale Welt zu analysieren […].“ (Ebd., S. 9).
Dieser Sichtweise folgend lässt sich trotz der beschriebenen Differenzen beider Theoretiker für eine Vereinbarkeit der Perspektiven Bourdieus und Giddens’
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
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argumentieren (vgl. dazu beispielsweise auch Jarzabkowski 2005, S. 188). Ihre praxistheoretischen Ansätze sollen nicht in einer neuen Theorie verbunden, sondern als Analyseinstrumentarium kombiniert werden. Dabei sticht eine Orientierung an den Denkkonstrukten Bourdieus hervor. Giddens’ Ontologie liefert zugleich wichtige Ergänzungen zum Kapital- und Strukturbegriff und ein differenziertes Verständnis des Handlungsbegriffs. Vor diesem Hintergrund sollen die theoretischen Konzepte von Bourdieu und Giddens, die die hiesige theoretische Position inspirieren und prägen, im Folgenden skizziert werden.
2.2.1
Bourdieus Theorie der Praxis
Bourdieu hat sein praxeologisches Vokabular auf Basis empirischer Studien entwickelt. Seine zentralen Begriffe Habitus, Feld, Kapital und soziale Praxis beschreiben, wie das Denken und Handeln einzelner Akteur*innen durch deren Position in der Gesellschaft geprägt wird und wie zugleich die Akteur*innen mit ihrem Denken und Handeln die gesellschaftlichen Strukturen prägen (vgl. Eikhof 2011, S. 15). Bourdieus Vokabular konstituiert Teil-Theorien der sozialen Welt, die einander ergänzen und daher einen theoretischen Rahmen für eine extensive Analyse des Sozialen bieten (vgl. Schwingel 2009, S. 21 f.).
2.2.1.1 Grundzüge der theoretischen Sichtweise und zentrale Begriffe Was Bourdieu als Theorie der Praxis bezeichnet ist letztlich eine „theory of the mode of generation of practices“ (Bourdieu 2003, S. 72). Hillebrandt (2009) benennt als „Gegenstand der Bourdieu’schen Soziologie der Praxis“ (ebd., S. 375) die Frage „wie innerhalb der Relation zwischen dem Habitus […] und dem Feld […] Praxisformen entstehen“ (ebd.). Wie entstehen also Praktiken und warum nehmen sie eine spezifische Art und bestimmte Form an? Ein Schlüsselelement zur Beantwortung dieser Frage ist der Habitus. Der Habitus sind jene Schemata des Wahrnehmens, des Denkens und des Handelns, die sich der Mensch im Zuge seiner (Lebens-)Erfahrung angeeignet hat (vgl. Bourdieu 1998a, S. 41 f.; Schwingel 2009, S. 62). Die Habitusformen wirken als. „Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte Strukturen, die geeignet sind, als strukturierende Strukturen zu wirken, mit anderen Worten: als Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Repräsentationen, die objektiv ‚geregelt‘ und ‚regelmäßig‘ sein können, ohne im geringsten das Resultat einer gehorsamen Erfüllung von Regeln zu sein; die objektiv ihrem Zweck angepaßt [sic!] sein können, ohne
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
das bewußte [sic!] Anvisieren der Ziele und Zwecke […] vorauszusetzen, und die […] kollektiv abgestimmt sein können, ohne das Werk der planenden Tätigkeit eines ‚Dirigenten‘ zu sein.“ (Bourdieu 1976, S. 165, Herv. i. O.; vgl. u. a. auch Bourdieu 1993b, S. 98 f.)
Folglich erschafft der Habitus Praxisformen, die als objektiv regelmäßig und zweckmäßig sowie mit anderen Akteur*innen abgestimmt erscheinen, jedoch de facto keineswegs das Ergebnis einer bewussten Regelmäßigkeit, Zweckverfolgung und Abstimmung sind. Dies impliziert zugleich, dass intentionales Handeln, d. h. Handeln, das von spezifischen, individuellen Intentionen geleitet ist, eher eine Ausnahme denn den Regelfall darstellt (vgl. mehr dazu auch in Abschnitt 2.3). Bourdieu beschreibt den Habitus daher auch als praktischen Sinn: „Der Habitus ist jener Praxissinn, der einem sagt, was in einer bestimmten Situation zu tun ist.“ (Bourdieu 1998a, S. 41 f.). Dieser Praxissinn ist die „vorweggenommene[.] Anpassung an die Erfordernisse eines Feldes“ (Bourdieu 1993b, S. 122). Der praktische Sinn, der dem Habitus ‚entspringt‘, macht die Akteur*innen handlungsfähig, ohne dass sie explizit wüssten, woher diese „geistigen und körperlichen Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsschemata“ (Wacquant 1996, 36 f.), die miteinander verwoben sind, kommen (vgl. Schwingel 2009, S. 62 f.). Der Habitus ist nicht Charakter, sondern Produkt der Geschichte (vgl. Bourdieu 1989, S. 406; auch Bourdieu 1993b, S. 101). Das Feld ist ‚objektivierte‘ Geschichte, der Habitus wiederum ‚einverleibte‘ Geschichte (vgl. Bourdieu 1993b, S. 122) – opus operatum und zugleich modus operandi (vgl. z. B. Bourdieu 1976, S. 209): „Wie und warum Menschen handeln (modus operandi), wird durch die persönliche Lebensgeschichte bestimmt (opus operatum).“ (Wiedemann et al. 2012, S. 231) Die Geschichte definiert die Mittel und Grenzen des Denkbaren. Sie determiniert die Praxis jedoch nicht. Die in Habitus und Feld niedergelegte Geschichte fungiert vielmehr als ein Prisma. Dieses Prisma bricht, d. h. es übersetzt äußere Ereignisse und prägt damit, warum und wie feldexterne Zwänge auf die Praxis des Feldes wirken (vgl. Bourdieu 1993a, S. 208). In Konsequenz dieser Argumentation stellt Bourdieu zwar heraus, dass Praktiken niemals identisch sind, aber durchaus dazu tendieren, Strukturen zu reproduzieren (vgl. Bourdieu 1976, S. 165). Der Habitus gewährleistet „die Übereinstimmung und Konstantheit der Praktiken im Zeitverlauf viel sicherer als alle formalen Regeln und expliziten Normen zu gewährleisten suchen“ (Bourdieu 1993b, S. 101). Diese Sichtweise hat Bourdieu wiederholt den Vorwurf eingebracht, über die Hintertür des Habitus doch wieder den Strukturalismus und Determinismus einzuschmuggeln (vgl. Reckwitz 2003, S. 283, 297). Der Habitus sei zu statisch, um sozialen Wandel erklären zu können (vgl. z. B. Schäfer 2012,
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
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S. 36). Bourdieu weist solche Vorwürfe über einen Hinweis auf die Variabilität von Praktiken, die maßgeblich über den Habitus konstituiert werden, und die Dynamik des Habitus selbst zurück (vgl. auch Bongaerts 2007, S. 255). Praktiken sind variabel, weil sie dem relationalen Charakter des Habitus entspringen, der sich „in der Beziehung zu einem Feld“ (Bourdieu 1989, S. 406, Herv. i. O.) realisiere. Der Habitus bringt weder „unvorhergesehene[.] Neuschöpfung“ (Bourdieu 1993b, S. 103) noch „mechanische[.] Reproduktion“ (ebd.) hervor. Die vollzogenen Praktiken bewegen sich kontextabhängig dazwischen. Welche Praktiken vollzogen werden, hängt nicht nur von den Entstehungsbedingungen des Habitus ab, sondern auch von den Bedingungen in actu, d. h. im konkreten Moment des Praxisvollzugs (vgl. Bourdieu 1993b, S. 104 f.). Folglich kann „ein und derselbe Habitus je nach Zustand des Feldes zu höchst unterschiedlichen Praktiken […] führen“ (Bourdieu 1989, S. 406). Nach Bourdieu ist jedoch nicht nur die sich aus dem Habitus ergebende Praxis, sondern auch der Habitus selbst variabel (vgl. auch Schwingel 2009, S. 66): Der Habitus ist „in unaufhörlichem Wandel begriffen“ (Bourdieu 1989, S. 406). Werden seine inkorporierten Erwartungsstrukturen mit Unerwartetem konfrontiert, reagiert der Habitus (vgl. ebd., S. 406 f.). Die habituellen Dispositionen einer Person entwickeln sich mit der sozialen Laufbahn einer Person kontinuierlich weiter. Sozialisation und Werdegang sind wichtige Bausteine des Habitus (vgl. Bongaerts 2011, S. 115; Bourdieu 2001, S. 340). Der Habitus verändert sich beständig, wenngleich nie vollständig (vgl. Bourdieu 1993b, S. 193), schließlich bleibt die Geschichte haften. Auf diese Weise bleiben Felder bestehen und transformieren sich nie gänzlich. Es ist jedoch nicht der Habitus allein, der Praktiken formt und begründet. Praxis ergibt sich vielmehr aus dem „Zusammentreffen von Habitus und Feld“ (Bourdieu 1993b, S. 122). Felder sind der strukturierte Rahmen der Praxis. Diese Praxis wird vom Habitus generiert, jedoch stets in Bezug auf das Feld und in Abhängigkeit von dem spezifischen Feld. Habitus und Feld bedingen und formen einander folglich gegenseitig. Felder bestehen nur in und durch soziale Praktiken. Die Struktur der Felder legt den Akteur*innen Zwänge auf, da das Feld Regeln (den Nomos, siehe unten) einschließt und Ressourcen, in Bourdieus Worten Kapital, erfordert (vgl. Schwingel 2009, S. 83 ff.). Dieser Logik folgend wirken externe Einflüsse und Zwänge – wie oben bereits erwähnt – nicht direkt auf die Feldakteur*innen, sondern vermittelt über das Feld (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 137). Das heißt: Externe Einflüsse werden feldspezifisch verarbeitet. Bourdieu hat Felder in seinem theoretischen Konzept auch als Kräfte-, Kampf sowie Spielfelder beschrieben (vgl. Schwingel 2009, S. 96). Felder als Spielfelder verfügen über spezifische Spielregeln. Diese Spielregeln müssen nicht explizit
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
kodifiziert sein. Am Spiel teilzunehmen, d. h. Teil des Feldes zu sein, bedeutet lediglich, den grundlegenden Regeln des Spiels zu folgen. Diese Regeln sind die basalen Funktionsgesetze des Feldes, der so genannte Nomos: „To speak of the field is to name this microcosm, which is also a social universe […], a universe that is somewhat apart, endowed with its own laws, its own nomos, its own law of functioning, without being completely independent of the external laws.“ (Bourdieu 2005, S. 33, Herv. i. O.)
Der Nomos ist das „Differenzierungsprinzip“ (Bongaerts 2011, S. 119) eines Feldes. Er ist tautologisch konzipiert (z. B. für das künstlerische Feld als ‚l’art pour l’art‘, vgl. Bourdieu 2001, S. 203, 344) und „grenzt den sachlichen Bereich ab, um den es in der Praxis des Feldes geht“ (Bongaerts 2011, S. 119). Er definiert folglich die sachliche Autonomie eines Feldes (vgl. ebd.). Mittels Nomos setzt das Feld Grenzen und eröffnet zugleich Spielräume. Während der Nomos die Spielregeln setzt, sind weitere Elemente konstitutiv, um am Spiel teilzunehmen und damit Teil des Feldes zu werden. Die Teilnahme an einem Spiel erfordert zum einen, dass ein*e Akteur*in in das Spiel investiert: Diese Investition meint eine ‚emotional kognitive Involviertheit‘ (vgl. Benson und Neveu 2005b, S. 3), „eine Besetzung (im psychoanalytischen Sinn) des Spiels, die illusio (von ludus, Spiel)“ (Bourdieu und Wacquant 1996, S. 128, Herv. i. O.). Die Illusio impliziert eine gemeinsame Überzeugung, einen gemeinsamen Glauben in den Sinn des Spiels (doxa): Diese Doxa wiederum steht für das „heimliche Einverständnis“ (ebd., Herv. i. O.) der Feldakteur*innen, für ein Universum stillschweigender Voraussetzungen, die wir akzeptieren und die strukturieren, was im Feld passiert (vgl. Benson und Neveu 2005b, S. 3; Bourdieu 2005, S. 37). Folglich handelt es sich um „Spielvoraussetzungen“ (Bourdieu 1993b, S. 122). Die Illusio ist die Anerkennung dieser Voraussetzungen, das ‚Interesse‘ am Spiel (vgl. ebd.). Interesse darf hier jedoch nicht intentionalistisch oder utilitaristisch missverstanden werden (vgl. Bourdieu 1993c, S. 113; Wacquant 1996, S. 47; auch Abschnitt 2.3). Vielmehr ist die interessierte Teilnahme am Spiel das, was passiert, wenn Habitus und Feld interagieren. Nur über dieses Interesse funktioniert das Spiel. Aus Perspektive der Feldakteur*innen bezeichnet die Illusio folglich auch „eine gewisse Form der Identifikation mit dem Spiel“ (Bourdieu 2001, S. 360). Jedes Feld verfügt folglich nicht nur über einen spezifische Nomos, sondern auch über eine spezifische Doxa (vgl. Bourdieu 2005, S. 37). Beispielsweise akzeptieren wir als Teile des Wissenschaftsfeldes gewisse Gegensätze und Kategorien (vgl. ebd.). Solche impliziten Schemata konstituieren die Doxa: Diese
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
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Schemata organisieren die Welt um die sozialen Akteur*innen herum. Die Zugehörigkeit zu einem Feld setzt eine Anerkennung der feldspezifischen Prinzipien von Vision und Division voraus. Zugleich drückt sich die Partizipation im Feld darüber aus, dass jede*r Feldakteur*in letztlich danach strebt, das eigene Universum, die eigenen Visionen und Divisionen im Feld als legitime Kategorien durchzusetzen (vgl. Bourdieu 2005, S. 37). Folglich macht die Doxa das Spiel erst möglich, es hält das Spielfeld zusammen – zugleich ist sie Basis für die Konflikte des Feldes (als Kampffeld). Der Kampf um die Durchsetzung oder Aufrechterhaltung bestimmter Visionen und Divisionen ist das, was das Feld ausmacht. Die Idee kontinuierlichen Kampfes neben der gleichzeitigen Notwendigkeit einer gemeinsamen Doxa konstituiert keinen Gegensatz (vgl. ebd., S. 36): „Es wird oft vergessen, daß [sic!] Kampf die Übereinkunft der Antagonisten über das voraussetzt, was […] den Kampf wert ist […].“ (Bourdieu 1993c, S. 109) Wie oben bereits erwähnt, erfolgt diese Übereinkunft nicht explizit, sondern implizit: Wer mitspielt, akzeptiert stillschweigend automatisch auch die Doxa (vgl. ebd.). Der Kampf zielt nicht auf eine Zersetzung des Feldes – ganz im Gegenteil ist er (auch) Reproduktion. Akteur*innen, die in diesen Kampf einsteigen, reproduzieren „den Glauben an den Wert dessen, was in diesem Feld auf dem Spiel steht, je nach Feld mehr oder weniger vollständig […]“ (Bourdieu 1993c, S. 109). Über den internen Kampf gelingt es einem Feld, sich in Relation zu anderen Feldern von diesen abzugrenzen. Dennoch sind die Grenzen eines Feldes nicht gesetzt, sondern dynamisch (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 135), da die Feldakteur*innen beständig an ihnen rütteln. Indem die Akteur*innen die Sinngrenzen des Feldes beständig aufs Spiel setzen, definieren sie, was zum Feld gehört und was nicht (vgl. Bourdieu 2001, S. 353–355). Felder sind nicht in einer funktionalen Hierarchie angeordnet (vgl. Hanitzsch 2007, S. 257), da jeder untergliedernde Schritt von einem allgemeineren Feld zu einem Sub-Feld „einen echten qualitativen Sprung“ (Bourdieu und Wacquant 1996, S. 135) darstellt. Ob ein Feld tatsächlich ein eigenes Feld konstituiert, hängt von seiner Autonomie ab. Dabei meint Autonomie keine völlige Unabhängigkeit von externen Kräften, sondern schließt immer auch eine partielle Abhängigkeit ein (vgl. Bourdieu 1993a, S. 201), die im Feld variiert und vom autonomen zum heteronomen Pol des Feldes zunimmt. Felder definieren sich stets relativ und relational (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 126; Hanitzsch 2007, S. 246, 257; Wacquant 1996, S. 34 f.). Ein weiterer zentraler Begriff Bourdieus ist in diesem Zusammenhang das Kapital. Bourdieu (1983) beschreibt drei Formen von Kapital: das ökonomische, das kulturelle und das soziale Kapital. Zusätzlich lässt sich eine vierte Form von
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Kapital in seinen Werken identifizieren: das symbolische Kapital. Bourdieu leitet seine Kapitaltheorie von der Kritik an der Verwendung des Kapitalbegriffs in der ökonomischen Theorie ab: Letztere reduziere das Kapital auf die Beziehung von Wirtschaftsgütern und ignoriere daher andere Formen sozialen Handels, die genauso wie ökonomischer (ergo primär monetärer) Handel, mit einem Eigeninteresse der Akteur*innen verknüpft seien (vgl. ebd., S. 184). Aus diesem Grund konstituiert das ökonomische Kapital als Kapital, das sich direkt in Geld konvertieren lässt, lediglich eine Form von Kapital. Kulturelles Kapital hat drei Sub-Formen. Es kann als inkorporiertes, als objektiviertes oder aber als institutionalisiertes kulturelles Kapitel wirken. Inkorporiertes kulturelles Kapital bezieht sich auf jegliche Form von sowohl formeller als auch informeller Bildung. Es „ist ein Besitztum, das zu einem festen Bestandteil der ‚Person‘, zum Habitus geworden ist; aus ‚Haben‘ ist ‚Sein‘ geworden“ (ebd., S. 187). Objektiviertes kulturelles Kapital bezieht sich auf kulturelle Güter wie Bilder und Bücher, aber auch Instrumente und Maschinen. Solche Gegenstände stellen auch ein ökonomischen Kapital dar, können jedoch auch als kulturelles Kapital wirken, wenn sie an inkorporiertes kulturelles Kapital geknüpft werden: Letzteres erlaubt „die eigentliche Aneignung“ (ebd., S. 188) des dann nicht nur ökonomischen, sondern auch kulturellen Gutes. Nur ein Kunstkenner kann beispielsweise die Besonderheit eines spezifischen Kunstwerks erfassen. Nur jemand mit technischen Wissen kann eine bestimmte Maschine bedienen. Institutionalisiertes kulturelles Kapital bezieht sich schließlich auf Titel, z. B. akademische Titel. Es ist eine Art institutionalisierter Macht, die andere Personen dazu bringt, die Personen mit Titel zu achten. Soziales Kapital bezieht sich schließlich auf die Ressourcen, die ein*e Akteur*in aus ihrem*seinem sozialen Netzwerk ziehen kann. Diese Ressourcen basieren auf nicht notwendigerweise institutionalisierten Beziehungen zu anderen Menschen. Symbolisches Kapital wird als vierte Form des Bourdieu’schen Kapitals gefasst (vgl. Schwingel 2009, S. 92; Willems 2007, S. 224). Jedoch nutzt Bourdieu diese Kapitalform zumeist, um mit ihr die Anerkennung einer der anderen Kapitalformen zu bezeichnen. Symbolisches Kapital ist dann jenes ökonomische, kulturelle und/oder soziale Kapital, das Reputation, Anerkennung und Prestige in einem Feld generiert (vgl. auch Gomez 2010, S. 144). Symbolisches Kapital spielt daher im Kontext eines spezifischen Feldes eine Rolle. Es ermöglicht es, den Akteur*innen herauszustechen, da es „in part a distinctive, differential capital“ (Bourdieu 2005, S. 39) ist. Ein Feld legt fest, „welche Kapitalmischung Erfolg verspricht“ (Wiedemann et al. 2012, S. 231). Die Kämpfe in einem Feld sind daher die Kämpfe der Akteur*innen um eine Akkumulation von symbolischem Kapital, da es jenes Kapital ist, dass es ihnen ermöglicht, sich zu profilieren:
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
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„To exist in a field […] is to differentiate yourself“ (Bourdieu 2005, S. 39). Nicht gänzlich trennscharf, in der Tendenz aber quer zum symbolischen Kapital ist dabei auch das feldspezifische Kapital4 zu fassen, d. h. jenes Kapital, das „in Verbindung mit einem bestimmten Feld, also in den Grenzen dieses Felds, einen Wert hat“ (Bourdieu 1993c, S. 108) und demnach im Fokus der Kämpfe um Kapitalakkumulation in einem spezifischen Feld steht. Wie sind Bourdieus Begriffe und Konzepte zusammengenommen miteinander verwoben? Ein Feld spiegelt die sozialen Strukturen, genauer gesagt die materiellen, kulturellen und sozialen Existenzbedingungen, welche in habituellen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsstrukturen transformiert und zugleich verinnerlicht werden. Diese habituellen Strukturen, d. h. der Habitus, wird sowohl individuell als auch kollektiv erworben. Das heißt, im Habitus steckt nicht nur Individual-, sondern auch Kollektivgeschichte (vgl. Bourdieu 2006, S. 215 f.). Der Habitus generiert und strukturiert soziale Praktiken, welche wiederum in einem strukturierten Raum – dem Feld – stattfinden und zugleich soziale Strukturen konstituieren. Folglich verbindet und vermittelt der Habitus (zwischen) Praktiken und Struktur. Als „modus operandi“ (Bourdieu 1976, S. 164, 178 f., 209) bestimmt der Habitus den Handlungsraum der Akteur*innen. Dieser Raum bietet Platz für (limitierte) Innovation: Der Habitus erlaubt die Entstehung einer unendlichen Zahl unterschiedlicher Praktiken von jedoch begrenzter Unterschiedlichkeit. Der Raum wird jedoch nicht nur durch den Habitus bestimmt, sondern auch durch die Art und den Umfang des Kapitals, über das ein*e Akteur*in verfügt. Kapitalverfügung, gesellschaftliche Positionierung und Habitus bedingen sich hier gegenseitig. Der Habitus „übersetzt […] gesellschaftliche Positionen in äußere Erscheinungsformen, Denken und Handeln“ (Eikhof 2011, S. 25). Die Position hängt zugleich jedoch von dem zur Verfügung stehendem Kapital ab: Das Kapital prägt daher, welche Praktiken über den Habitus produziert werden können – und zugleich welcher Habitus sich überhaupt ausprägen kann (vgl. ebd.). Die unterschiedlichen Kapitalformen konstituieren Machtressourcen: Kämpfe in einem Feld sind Kämpfe, die auf die Akkumulation von Kapital zielen (vgl. 4
Wacquant (1996) assoziiert das feldspezifische mit dem symbolischen Kapital, wenn er als Beispiel für jene Kapitalsorte, die in einem Feld eine spezifische Wirkung entfaltet, „die kulturelle Autorität im künstlerischen Feld, die wissenschaftliche Autorität im wissenschaftlichen Feld, die priesterliche Autorität im religiösen Feld“ (ebd., S. 37, Herv. d. Verf.) benennt. Dahingegen grenzen Meyen und Riesmeyer (2009, S. 41 f.) das journalistische Kapital als spezifisches Kapital des journalistischen Feldes vom symbolischen Kapital ab, mit der Begründung, dass bestimmte Kapitalformen (z. B. Recherchekompetenz) unabhängig von der Anerkennung dieses Kapitals durch andere Feldakteur*innen, für das Feldkapital von grundlegender, charakteristischer Bedeutung ist, da nur dieses Kapital überhaupt zur journalistischen Arbeit befähigt.
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Bourdieu 1993c, S. 108). Kapital ermöglicht es den sozialen Akteur*innen, in einem Feld zu existieren (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 128). Die Position der Akteur*innen und ihre Strategien (vgl. zum Strategiebegriff Abschnitt 2.4) in einem Feld sind abhängig von ihrem Kapital. Kapitalbesitz ist immer nur in Relation zu den anderen von Bedeutung. Über mehr Macht verfügt nur, wer mehr hat als die anderen oder über bedeutenderes Kapital verfügt als die anderen (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 128). Folglich sind auch Positionen immer relational zu denken. Je nach Position, d. h. je nach Kapitalausstattung, zielt ein*e Akteur*in „either at conserving or transforming the structure of relations of forces that is constitutive of the field“ (Bourdieu 2005, S. 30). Daraus folgt: „Practices can be considered as agents’ position-taking“ (Gomez 2010, S. 142).
2.2.1.2 Bourdieu’sche Analysen kultureller Produktion Bourdieu (2001, vgl. auch 1993a) liefert mit seiner Analyse der „Regeln der Kunst“ eine fundierte Skizze des Feldes kultureller Produktion und damit einen wichtigen Ansatzpunkt und eine erkenntnisreiche Basis für eine theoretische Untersuchung der Fernsehunterhaltungsproduktion. Dies liegt daran, dass Bourdieu das im Fokus dieser Arbeit stehende Feld zwar nicht explizit, jedoch implizit in seine Betrachtungen einbezieht. Bourdieus eigene Ausführungen zur massenmedialen Produktion und hier insbesondere zum Journalismus und zum Fernsehen sind eher dünn und zuweilen eher polemischen denn empirischen Ursprungs. Sein Konzept eines Feldes der kulturellen Produktion ist jedoch bereits theoretisch und empirisch für den Journalismus (vgl. z. B. Benson und Neveu 2005a; Hanitzsch 2004; 2007, 2016; Marlière 1998; Meyen und Riesmeyer 2009), partiell auch für die Film- und Fernsehproduktion (vgl. Hesmondhalgh 2006; Piñón 2011) sowie andere Formen kommerzialisierter kultureller Produktion (vgl. Eikhof 2011; Eikhof und Haunschild 2007) adaptiert und reflektiert worden. Bourdieu beschreibt das Feld der kulturellen Produktion (er bezieht sich dabei auf professionelle kulturelle Produktion) als bestehend aus zwei Sub-Feldern: dem Feld der eingeschränkten Produktion und dem Feld der Massenproduktion (vgl. Bourdieu 2001, S. 203, 344 f.). Beide Felder unterscheiden sich voneinander in ihrem Grad an Autonomie gegenüber dem Machtfeld, in ihrem Umfang an ökonomischem und in ihrem Umfang an feldspezifischem, symbolischem Kapital. Sie markieren damit zwei Seiten des Feldes kultureller Produktion zwischen einem autonomen und einem heteronomen Pol. Die eingeschränkte Produktion ist hochgradig autonom, umfasst wenig ökonomisches, dafür aber einen hohen Grad an feldspezifischem, symbolischem Kapital. Dieses Subfeld folgt dem „Prinzip der internen Hierarchisierung“ (Bourdieu 2001, S. 345, Herv. i. O.), d. h. die Kulturproduzent*innen streben nach einer feldspezifisches Anerkennung durch
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Ihresgleichen – damit ist die Anerkennung höher, je unbekannter ein*e Kulturproduzent*in dem breiten Publikum ist (vgl. ebd.). Symbolische Macht, d. h. jene, die sich aus der Verfügungsgewalt über symbolisches Kapital ergibt, erhalten jene, die sich den für das Feld spezifischen Funktionsregeln unterwerfen (vgl. ebd., S. 350). Das Feld der Massenproduktion kultureller Güter (das die Massenmedien, damit auch den Journalismus und – wenngleich nicht explizit – die Unterhaltungsproduktion einschließt) wiederum hat einen niedrigen Grad an Autonomie und wird folglich als heteronom charakterisiert. Dieses Subfeld folgt dem „Prinzip der externen Hierarchisierung“ (ebd., S. 345, Herv. i. O.), d. h. der kommerzielle Erfolg und eine breite gesellschaftliche Bekanntheit leiten die in der Kultur Tätigen an (vgl. ebd.). Anders formuliert: Das Feld der Massenproduktion ist nach Bourdieu „subject to outside rule“ (Hesmondhalgh 2006, S. 214). Trotz der deutlichen Differenzierung beider Subfelder ist keines von beiden gänzlich autonom oder gänzlich heteronom. Vielmehr sind die Felder intern ausdifferenziert zwischen zwei Polen, an denen auf der einen Seite eine ökonomische und auf der anderen Seite eine artistische Logik dominiert (vgl. Eikhof und Haunschild 2007): „Each field is thus structured around the opposition between the so-called heteronomous pole representing forces external to the field (primarily economic) and the ‚autonomous‘ pole representing the specific capital unique of that field (e.g., artistic or scientific skills).“ (Benson und Neveu 2005b, S. 4).
Entsprechend dieser Idee differenziert Bourdieu auch das journalistische Feld in zwei unterschiedliche Pole und spricht dabei von einerseits ‚reinen‘ und andererseits ‚kommerziellen‘ journalistischen Akteur*innen – letztere arbeiteten im Fernsehbereich, erstere im Printjournalismus (vgl. Bourdieu 2005, S. 42). Mit dem Autonomiegrad, den Bourdieu für das journalistische Feld zwischen den Printjournalist*innen auf der einen Seite und den Fernsehmacher*innn auf der anderen Seite aufspannt, variiert auch das spezifische Profil der Produzent*innen auf der einen und ihres Publikums auf der anderen Seite. Für das Feld künstlerischer Massenproduktion hält Bourdieu fest, dass sich die Kulturproduzent*innen auf der autonomen Seite des Feldes – er meint hier konkret die Produzent*innen bürgerlicher Kunst – „durch gesellschaftliche Herkunft und Werdegang ebenso wie durch Lebensstil und literarische Affinitäten“ (Bourdieu 2001, S. 348 f.) von jenen auf der heteronomen Seite des Feldes – beispielhaft nennt er hier „Autoren von Heimatromanen“ (ebd., S. 349) – unterscheiden. Äquivalent dazu unterscheide sich auch das jeweilige Publikum dieser Kulturproduzierenden in „Umfang und soziale[r] Qualität“ (ebd., S. 348). Die Größe des Publikums ist
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für Bourdieu direktes Spiegelbild für die Position, die ein*e Produzent*in im Feld kultureller Produktion einnimmt: Je breiter das Publikum, desto ausgeprägter ist das heteronome Prinzip, das auf die Kulturproduzierenden wirkt, d. h. desto stärker werden sie von der Nachfrage und vom Kommerz beeinflusst (vgl. ebd., S. 345). Daher basiert auch Bourdieus medienspezifische Abgrenzung des reinen vom heteronomen Journalismus nicht zuletzt auf der angenommenen Breitenwirkung der Medienformen: „Je breiter das Publikum ist, auf das ein Presseorgan oder überhaupt ein Kommunikationsmedium zielt, je stromlinienförmiger muß [sic!] es sich verhalten […].“ (Bourdieu 1998b, S. 62 f.) Für Bourdieu ist, wie oben bereits angedeutet, die Größe des Publikums entscheidend für den Grad der Abhängigkeit eines Feldes vom Markt (vgl. Bourdieu 2001, S. 345). Vor diesem Hintergrund ist das Fernsehen für Bourdieu „the most heteronomous sector of journalism“ (Bourdieu 2005, S. 42), es verkörpere die „forces of commercial heteronomy“ (ebd., S. 43), weil es einer „Diktatur der Einschaltquote“ (Bourdieu 1998b, S. 22) unterliege. Das Urteil, das er über das Fernsehen spricht, ist vernichtend: Es sei eine „besonders schädliche Form symbolischer Gewalt5 “ (ebd., S. 21). Bourdieu hat sich dabei nicht explizit mit unterhaltenden Fernsehinhalten auseinandergesetzt. Wenn er sich auf das Fernsehen bezieht, dann lediglich auf Journalismus. „[The] rest of television, outside journalism, across its many genres including documentary, drama, comedy, ‚light entertainment‘, reality television […]“ (Hesmondhalgh 2006, S. 221) bleibt unberücksichtigt. Es ist anzunehmen, dass er diese Bereiche kaum weniger kritisch betrachten und als noch heteronomer einordnen würde. Schließlich ist die Orientierung am Massenpublikum, die die Unterhaltungsbranche charakterisiert (vgl. Altmeppen 2007b, S. 148), für ihn grundsätzlich negativ konnotiert. Entsprechend münde der beständige Wettbewerb des Journalismus um möglichst breite Aufmerksamkeit aus seiner Perspektive in Uniformität (vgl. Bourdieu 1998b, S. 62 ff., 2005, S. 44). Hesmondhalgh (2006, S. 225) kritisiert diese Perspektive: Mit Blick auf den hohen Grad an Nachfrageunsicherheit, mit dem sich das Feld der Massenproduktion konfrontiert sieht, 5
Bourdieu definiert symbolische Gewalt als „jene Form der Gewalt, die über einen sozialen Akteur unter Mittäterschaft dieses Akteurs ausgeübt wird“ (Bourdieu & Wacquant 1996, S. 204). Er meint damit, dass Menschen die Welt einfach so akzeptieren, weil sie sie als natürlich ansehen. Als natürlich bzw. selbstverständlich betrachten sie sie wiederum, weil sie kognitive Strukturen darauf anwenden, welche aus eben dieser Welt entstanden sind. Dies sei die unerbittlichste Form der Beeinflussung, weil sie sich einfach aus der Ordnung der Dinge ergibt: „Aufgrund der Tatsache, daß wir in eine soziale Welt hineingeboren werden, akzeptieren wir eine Reihe von Postulaten oder Axiomen, die sich von selbst verstehen und keines mühseligen Lernprozesses bedürfen. […] Von allen Formen der ‚unterschwelligen Beeinflussung‘ ist die unerbittlichste die, die ganz einfach von der Ordnung der Dinge ausgeübt wird.“ (Ebd., S. 205)
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sei Bourdieus Sichtweise zumindest in Teilen unangemessen. Und – so viel sei an dieser Stelle bereits vorweggenommen – die artistische Logik des Feldes prägt, wenngleich von der ökonomischen dominiert, dieses wesentlich mit (vgl. Kapitel 5). In jedem Fall ist jedoch der Fokus, den Bourdieu mit seiner Sichtweise auf das Publikum dirigiert, berechtigt: Kulturelle Produktion kann nur über eine Integration sowohl der Produzent*innen als auch Konsument*innen verstanden werden (vgl. Bourdieu 1993a, S. 200). Es sind die Konsument*innen, die Bourdieu mit einem Element assoziiert, das für sein Feldkonzept zur kulturellen Produktion eine wichtige Rolle spielt: Die Beziehung zwischen dem Raum der Produzent*innen und dem Raum der Konsument*innen setzt er in Analogie zum Verhältnis des Feldes der kulturellen Produktion zum Feld der Macht (vgl. Bourdieu 2001, S. 395). Das Feld der Macht ist weniger als ein übergreifendes und damit besonders großes Feld zu verstehen, das bestimmte Felder umfasst und damit in seine Logik gänzlich einrahmt. Bourdieu verortet das Feld der kulturellen Produktion zwar selbst im Feld der Macht, definiert das Feld der Macht zugleich jedoch als. „Raum der Kräftebeziehungen zwischen Akteuren oder Institutionen, deren gemeinsame Eigenschaft darin besteht, über das Kapital zu verfügen, das dazu erforderlich ist, dominierende Positionen in den unterschiedlichen Feldern (insbesondere dem ökonomischen und dem kulturellen) zu besetzen“ (Bourdieu 2001, S. 342).
Es ist der Ort, an dem die Inhaber*innen unterschiedlicher Machtmittel (d. h. Kapitalsorten) Auseinandersetzungen austragen, in denen es darum geht, den relativen Wert der unterschiedlichen Kapitalsorten zu verändern respektive zu bewahren (vgl. ebd.). Dieser Definition folgend setzt er das Machtfeld quer zu den Feldern kultureller Produktion. Es ist kein Feld in eigentlichem Sinne, sondern ein allgemeiner Raum, der die Beziehungen der Felder zueinander beeinflusst (vgl. Couldry 2003, S. 666). Der Begriff des Machtfeldes dient damit als „ein Substitut-Begriff für ‚herrschende Klasse‘“ (Fuchs-Heinritz und König 2005, S. 155). Betrachtet man das Feld der kulturellen Produktion als Kampffeld, so rückt jener Kampf in den Fokus, in dem es darum geht zu definieren, wer berechtigterweise als Kulturproduzent*in, konkreter als Künstler*in, als Schriftsteller*in, als Journalist*in gilt (vgl. Bourdieu 2001, S. 353 f.). Gerade für jene Bereiche, die als offen zugänglich erscheinen, ist dies leicht nachvollziehbar. Bourdieu spricht hier von einem geringen Ausmaß an Kodifizierung, d. h. einem geringen Grad an formalisierten Zugangsvoraussetzungen (vgl. ebd., S. 358). Journalist*in darf
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in unserer Gesellschaft, allein schon im Sinne eines freien Zugangs zu Medienberufen, im Sinne der Meinungs- und Pressefreiheit, jede*r werden und sich grundsätzlich auch jede*r nennen. Aber ist jede Person, die sich so nennt, dann auch wirklich ein*e „richtige*r“ Journalist*in? Ein*e Schriftsteller*in braucht Blatt und Papier oder einen Computer, um Texte zu schreiben. Jede*r kann auf diese Weise schriftstellerisch tätig werden. Aber ist damit auch jede*r ein*e richtige*r Schriftsteller*in? Gerade mit der technischen Entwicklung und Digitalisierung erscheint der Zugang zu solchen Berufsfeldern kultureller Produktion noch leichter. Tatsächlich ist dies nur die halbe Wahrheit. Eine journalistische Tätigkeit setzt u. a. entsprechende Ressourcen voraus, z. B. Recherchezeit, aber auch Recherche- und Schreibkompetenz und natürlich eine breitenwirksame Distributionsplattform, idealerweise ein etabliertes Medium, um Journalismus zu sein. Schriftstellerei ist an irgendeine Form verlegerischer Verbreitung gekoppelt. Ein Feld wird damit nicht beliebig, sondern aus seiner Geschichte heraus auf Basis spezifischer Annahmen und Prinzipien, zugrunde gelegter Strukturen6 begründet und geformt. Die Grenzen des Feldes werden dynamisch jedoch darüber gesetzt, wie die Feldakteur*innen, die Visionen und Divisionen, d. h. den so genannten Nomos des Feldes, auslegen. Das heißt: Über ihr Verständnis vom Feld definieren sie das Feld. Und dieses Verständnis vom Feld ist wesentlich verankert in der Vorstellung von der eigenen (Funktions-)Rolle. Letztlich will jede*r der Prototyp der eigenen Rolle sein. Wer sich als Künstler*in versteht, wertet auf der Grundlage dessen, was und wie er*sie ist, ob auch jemand anderes in seinen*ihren Augen als Künstler*in gelten kann. Dreh- und Angelpunkt dieser Definition ist das autonome Prinzip eines Feldes (vgl. Bourdieu 2001, S. 354). Dieses Prinzip leitet den Kampf an. Tautologisch konzipiert, z. B. als l’art pour l’art, ist es zugleich aber in gewisser Weise auch sein Ergebnis. Die Frage, wer als Künstler*in gilt, sagt schließlich auch etwas darüber, was Kunst überhaupt ist. Berücksichtigt man diese Felddynamik, heißt das, dass die Bezeichnung von Künstler*innen als Künstler*innen, von Schriftsteller*innen als Schriftsteller*innen, von Journalist*innen als Journalist*innen streng genommen nur eine Momentaufnahme ist. Dies hat, stellt Bourdieu heraus, Konsequenzen für eine empirische Erforschung eines Feldes: Das Feld ist ein beständiger Definitionskampf (vgl. ebd., S. 353) und eine ermittelte Definition der Kulturproduzent*innen entspricht damit lediglich „dem jeweiligen Stand des Kampfes um die legitime Definition“ (ebd., S. 355). Noch stärker zeigt sich die Dynamik und Variabilität eines Feldes und der in ihm geltendem Visionen und Divisionen auf Ebene der Gattungen, ihrer Erzählprinzipien 6
Dieser Strukturbegriff wird in der vorliegenden Arbeit mithilfe von Giddens‘ Vokabular (vgl. folgenden Abschnitt 2.2.2) operationalisiert.
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und Produktionstechniken (vgl. ebd., S. 357). Schon allein durch den Zugang neuer Feldakteur*innen verändern sich diese beständig (vgl. ebd.). Und diese Veränderung hält, wie oben bereits für Felder allgemein angedeutet, das Feld am Leben. Die Definitionskämpfe reproduzieren „den Glauben an das Spiel, das Interesse an ihm und an dem, was dabei auf dem Spiel steht“ (ebd., S. 360). Das heißt: Sie reproduzieren die Illusio, die letztlich den Wert von Kunstwerken und ihre Hierarchie bestimmt (vgl. ebd., S. 363). Die jeweils vertretenen Visionen und Divisionen sind gekoppelt an Positionen. Gerade in wenig institutionalisierten Feldern – das literarische und künstlerische Feld sind laut Bourdieu wenig institutionalisiert – sind diese Positionen weniger an Institutionen, denn an spezifische Individuen gekoppelt (vgl. Bourdieu 2001, S. 365). Es sind sodann die Eigenschaften der individuellen Feldakteur*innen, die die Positionen ausdrücken (vgl. ebd.). Diesen Positionen entsprechen bestimmte „Positionierungen“ (vgl. ebd., S. 365 f.). Das, was Bourdieu als Positionierungen beschreibt, spezifiziert er in einem recht breiten Verständnis beispielsweise als künstlerische Werke, Produkte, spezifische Handlungen, aber auch Gattungen und Stile (vgl. ebd., S. 366, 368). Anknüpfend an die obige Argumentation sind die Positionierungen stets Ergebnis eines Konflikts (vgl. ebd., S. 368). Die spezifische Logik eines Feldes drückt sich im „Raum aktueller und potentieller Positionen und Positionierungen“ und über diesen aus (vgl. ebd., S. 367). Folglich lässt sich die spezifische Logik eines Feldes über eine Analyse der Feldakteur*innen sowie ihre gleichermaßen individuellen wie auch kollektiven Handlungen und Werke identifizieren. Der Raum der Positionen (Feld) korrespondiert mit dem Raum der Dispositionen (Habitus) einer*eines Feldakteurin*Feldakteurs (vgl. ebd., S. 375). Vom Habitus einer Person hängt ab, welche Positionen im Feld für ihn*sie überhaupt realisierbar, attraktiv und annehmbar sind (vgl. ebd., S. 374 f.). Nicht für jede Art kultureller Produktion reichen das Wissen und die Fertigkeiten einer Person. Nicht jedes Genre entspricht ihrer Neigung. Damit lässt sich beispielsweise argumentieren und ermitteln, dass die Form und der Charakter eines spezifischen (Kunst-)Werks auch in der Person, die dieses produziert (hat), begründet liegt (vgl. ebd., S. 369). Der Raum der Positionen und Positionierungen spannt den Raum des Möglichen auf (vgl. ebd., S. 371). Das heißt: Die bisher vollzogenen Positionierungen, konkreter gefasst die bisher produzierten Kunstwerke oder auch Medienprodukte, die verwirklichten Stile, die bestehenden Organisationen legen implizit fest, wo Feldakteur*innen anknüpfen, wovon sie sich abgrenzen, was sie erweitern, wogegen sie ansteuern können. Die Dynamik, die im beständigen Definitionskampf steckt und durch diesen ausgelöst wird, darf und soll aber nicht den Anschein erwecken, Feldgrenzen
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seien beliebig gesetzt und verschiebbar. Die Skizze der zentralen Begriffe Bourdieus (vgl. Abschnitt 2.2.1.1) hat gezeigt, dass es im Kern um Wechselwirkungen und um eine rekursive Kopplung von Feldstrukturen und individuellen Dispositionen (Habitus) geht. Und die Teilnahme am (Definitions-)Kampf des Feldes setzt eine Akzeptanz der Doxa und des Nomos – die wiederum ja ausgehandelt werden – immer auch voraus. Folglich kann Bourdieus (2001, S. 198 ff.) Konnotation des autonomen und heteronomen Pols mit „Kunst und Geld“ (ebd., S. 198) als Richtschnur für eine Betrachtung kultureller Produktion beibehalten werden. Diskussionswürdig, weil mit der Art kultureller Produktion variierend, bleibt das Verhältnis dieser beiden gleichsam im Feld wirksamen Logiken. Problematisch an Bourdieus Betrachtung erscheint, dass er das Feld der Kulturproduktion in seiner Skizze sehr groß fasst und damit dem Gesamtfeld eine gemeinsame Logik auferlegt, die die Differenzen, Differenzierungen und Heterogenitäten der vielfältigen Subfelder übergeht. Wenig überraschend stellt er daher auch fest, dass es für ihn kaum andere Felder als jene der kulturellen Produktion gibt, in denen der Antagonismus zwischen gegensätzlichen Positionen derart ausgeprägt sei (vgl. ebd., S. 346). Aus dieser breiten Perspektive, die sich am Ideal des l‘art pour l’art orientiert und breite Rezeption als Entwertung eines Werkes fasst (vgl. ebd., S. 404), resultiert dann jedoch auch, dass er den Journalismus erratischerweise als (viel zu) homogen beschreibt, wie schon Marlière (1998) kritisierte. Meyen und Riesmeyer (2009) folgern in ihrer, theoretisch auf Bourdieus Konzept gebetteten Journalist*innenstudie (vgl. ebd., S. 20, 38, 103, 114, 126, 252 f.), dass sich die Dichotomisierung des journalistischen Feldes, wie Bourdieu sie vornimmt, in einen kommerziellen (d. h. heteronomen) Pol auf der einen und einen intellektuellen (als autonomen) Pol auf der anderen Seite so nicht halten lasse. Gerade das ökonomische Kapital sei jenes, welches das (organisationale) journalistische Kapital (z. B. mehr Zeit für Recherche, (Recherche-)Kompetenzen, Reputation, Kontaktnetzwerke) stärken und erweitern könne. Bourdieu weist – wenngleich er von seiner (normativen) Hierarchisierung des kulturellen und ökonomischen Kapitals nicht ablässt – tatsächlich auch selbst darauf hin, dass „der Zugang zu symbolischen Profiten […] an ökonomische Voraussetzungen gebunden ist“ (Bourdieu 2001, S. 343). Er geht in diesem Zusammenhang auf die Funktionsrollen der Verleger*innen und Galerist*innen ein, die in ihrer Beziehung zu Schriftsteller*innen und Künstler*innen als „Doppelgestalten“ (ebd., Herv. i. O.) fungierten. Über sie „dringt die Logik der ‚Ökonomie‘ bis ins Herz des Universums der Produktion für Produzenten vor“ (ebd.). Dieser Verweis macht deutlich, wie aufschlussreich die Individuen und die durch diese verkörperten Rollen und Positionen – stets in Relation zu den anderen – für das Verständnis eines Feldes sind. An diesen Gedanken knüpft auch die vorliegende Arbeit an, wenn sie an
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der Ebene der Individuen und ihrem organisationalen Zusammenhang (als jeweils eigenem Praxisfeld, vgl. Abschnitt 2.4) ansetzt, um herauszuarbeiten, was die Fernsehunterhaltungsproduktion als eigenständiges Feld auszeichnet. Zwei hier beschriebene Facetten seiner Skizze leiten die Identifikation und Beschreibung eines Feldes der Unterhaltungsproduktion dabei besonders an: Dies ist zum einen (1) die Beschreibung der Kulturproduktion als Feld, in dem eine künstlerische und eine ökonomische Logik spannungsgeladen gekoppelt sind, und zum anderen (2) der Hinweis auf die Interdependenzen der Produkte, der Macher*innen und der Arbeits- und Produktionsumstände.
2.2.2
Giddens’ Strukturationstheorie: Grundzüge und zentrale Begriffe
Eine Anwendung auf die Organisationsforschung, die einen wichtigen Kontext der vorliegenden Analyse bildet, hat die Praxistheorie insbesondere über die Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1997) erfahren (vgl. Reckwitz 2003, S. 285; siehe für einen Überblick z. B. Ortmann et al. 2000, S. 342 f.). Das Potenzial seiner Theorie für die Beschreibung und Erklärung inter- und intraorganisationaler Strukturen sowie Funktionsweisen organisationaler Kommunikation und medialer Produktion hat explizit auch die Kommunikationswissenschaft erkannt (vgl. z. B. Altmeppen 2006; Röttger 2005). Es sind Konzepte einer strukturationstheoretisch inspirierten bzw. informierten Theorie des Journalismus (vgl. Altmeppen 2007a; 2006; Altmeppen und Arnold 2013; Wyss 2004) und der Unterhaltungsproduktion (vgl. Altmeppen 2008; Altmeppen et al. 2010) entstanden. Zahlreiche, für die vorliegende Arbeit relevante Untersuchungen zu Ablauf, Strukturen und Mechanismen der Fernseh(unterhaltungs)produktion basieren auf der Strukturationstheorie (vgl. v. a. Sydow und Windeler 2004a; auch Altmeppen et al. 2007; Lantzsch 2008; vgl. auch Abschnitt 3.3) oder aber sind zumindest strukturationstheoretisch informiert (vgl. Fröhlich 2010b). Die Nutzung des Giddens’schen Begriffsinstrumentariums gewährleistet damit einerseits die Anschlussfähigkeit der vorliegenden Untersuchung an die bisherige Forschung. Insbesondere ist es andererseits jedoch das ontologische Potenzial der Strukturbegriffe als ein „universales Basisvokabular des Sozialen“ (Reckwitz 2007, S. 323), das eine Nutzung der Strukturationstheorie sinnvoll erscheinen lässt. Die Konzeption von Struktur als Regeln und Ressourcen ist eine wertvolle Grundlage für eine empirische Erfassung eben dieser Struktur. Diese, wie auch weitere grundlegende Begriffe der Strukturationstheorie – darunter die auch in anderen praxistheoretischen Sichtweisen zentrale Rekursivität – sollen daher hier skizziert werden.
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Die Strukturationstheorie überwindet den Dualismus von Individualismus und Strukturalismus, der sich im Dualismus von Handeln und Struktur spiegelt, über das „Theorem der Dualität von Struktur“ (Giddens 1997, S. 77), welches diesen Dualismus ersetzt: Diese Strukturdualität beschreibt, dass sich Handeln und Struktur in Abhängigkeit zueinander gegenseitig bedingen, d. h. Handeln schafft, es modifiziert und reproduziert Struktur und bezieht sich zugleich auf diese Struktur; zugleich entsteht Struktur aus dem Handeln und strukturiert es zugleich, weil es Handlungen ermöglicht und orientiert. Diese Dualität verwirklicht sich in den sozialen Praktiken, d. h. letztere sind die Verknüpfung von Handeln und Struktur (vgl. ebd., S. 77 f.). Soziale Praktiken fangen die beständige, nicht auflösbare Wechselwirkung der beiden Elemente in der „zirkuläre[n] Figur der Rekursivität“ (Ortmann et al. 2000, S. 315) auf. Dass sich das gesellschaftliche Leben durch einen rekursiven Charakter, ein „rekursive[s] Wesen“ auszeichnet, bedeutet, dass „die Strukturmomente des sozialen Handelns – mittels der Dualität von Struktur – aus eben den Ressourcen, die sie konstituieren, fortwährend neu geschaffen werden“ (Giddens 1997, S. 37). Die in und durch soziale Praktiken abgebildete Dualität von Handeln und Struktur ist der Prozess der Strukturierung. Handeln als Handlungsfluss Das Handeln muss in dieser Betrachtung als Handlungsfluss und reflexiv gesteuert verstanden werden. Mit Reflexivität ist „der Umstand gemeint, daß [sic!] die Handelnden auf den fortlaufenden Prozeß [sic!] des gesellschaftlichen Lebens steuernden Einfluß [sic!] nehmen“ (Giddens 1997, S. 53). Vereinfacht formuliert beschreibt Reflexivität „die Fähigkeit […] zu verstehen, was man tut, während man es tut“ (Quandt 2005, S. 82). Das heißt: Akteur*innen steuern kontinuierlich den Fluss ihrer Aktivität und kontrollieren dabei routinemäßig auch den Kontext (vgl. Giddens 1997, S. 55). Voraussetzung für die Reflexivität ist die Bewusstheit (knowledgeability) als eine Art „Einsichtsfähigkeit“ (Wyss 2004, S. 309). Diese bezeichnet „[a]lles, was die Akteure über die Umstände ihres eigenen Handelns und das anderer Akteure wissen (glauben) und worauf sie sich in der Produktion und Reproduktion dieses Handelns beziehen“ (Giddens 1997, S. 429). Dieses Wissen wiederum ist praktisch, d. h. stillschweigend, oder aber diskursiv, d. h. artikulierbar, verfügbar (vgl. ebd.). Tatsächlich hat das meiste Wissen jedoch praktischen Charakter. Nur über das praktische Bewusstsein als praktisches Wissen funktioniert überhaupt die soziale Welt (vgl. ebd., S. 144). Dieses praktische Wissen ermöglicht es den Akteur*innen erst, „sich innerhalb der Routinen des gesellschaftlichen Lebens zurechtzufinden“ (ebd., S. 55; vgl. auch ebd., S. 36). Routine versteht Giddens dabei nicht im engeren Sinne einer Routinehandlung, sondern als ein Fundament institutioneller Reproduktion (vgl. Abschnitt 2.4).
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Auf Grundlage des Reflexivitäts-Konzepts und seiner Kopplung an die Bewusstheit der Menschen betrachtet Giddens zweckgerichtetes Handeln als Element des Menschseins (vgl. ebd., S. 53): „Ein menschliches Wesen zu sein, heißt, ein zweckgerichtet Handelnder zu sein, der sowohl Gründe für seine Handlungen hat, als auch fähig ist, diese Gründe auf Befragung hin diskursiv darzulegen (oder auch: sie zu verbergen).“ (Giddens 1997, S. 53).
Dabei betont er, zweckgerichtetes Handeln sei nicht die Summe getrennter, spezifischer Motive oder Intentionen, sondern diesen einzelnen Motiven enthoben: Handeln sei ein beständiger Fluss und damit auch nicht in einzelne Handlungen aufspaltbar (vgl. ebd., S. 53 f.). Folglich bedeutet dies, dass Akteur*innen nicht unbedingt immer genau das erreichen, was sie erreichen wollen, und andererseits auch Dinge tun, ohne überhaupt eine Absicht zu verfolgen (vgl. ebd., S. 60). Deutlicher wird dies, wenn man die Begriffe in den Blick nimmt, die Giddens nutzt, um die Bedingungen und den Kontext des Handelns zu spezifizieren. Er differenziert analytisch zwischen der Rationalisierung und der Motivation einer Handlung sowie der reflexiven Steuerung des Handelns (vgl. Giddens 1997, S. 55 ff.). Reflexive Steuerung meint die Steuerung des eigenen Handelns und des Kontextes – wie auch die Erwartung, dass andere ihr Handeln reflexiv steuern (vgl. ebd.). Die Handlungsrationalisierung impliziert ein „theoretisches Verständnis“ (ebd., S. 56) für die Ursachen des Handelns (vgl. ebd., S. 55 f.). Danach gefragt können Akteur*innen eine Absicht benennen, aber dies bedeutet nicht, dass sie diese vor der Handlung als eben diese festgesetzt haben (vgl. Giddens 1997, S. 431). Die Handlungsmotivation verweist in Abgrenzung dazu auf Bedürfnisse statt auf Ursachen. Diese Bedürfnisse repräsentieren für den*die Akteur*in häufig unbewusste Motive (vgl. Giddens 1997, S. 56 f.). Motive stehen für Gesamtpläne. Sie haben nur selten eine direkte Auswirkung auf das Handeln, d. h. dass das Alltagsverhalten zum Großteil „nicht direkt motiviert“ (Giddens 1997, S. 100) sei. Zu handeln bedeutet folglich auch nicht, Dinge mit einer bestimmten Intention zu tun – wenngleich es auch intentionale Handlungen geben kann (vgl. ebd., S. 61). Handeln meint schlichtweg, dass Akteur*innen über das „Vermögen [verfügen], solche Dinge überhaupt zu tun“ (Giddens 1997, S. 60). Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das Handeln auch Folgen haben kann, die nicht beabsichtigt waren. Gleichgültig ob intendiert oder nicht-intendiert gehandelt wurde, gibt es Folgen des Tuns, über die die Akteur*innen keine Macht haben (vgl. ebd., S. 61 f.). In einem
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Rückkopplungsprozess können diese unbeabsichtigten Folgen in Handlungsbedingungen münden, die die Akteur*innen nicht als solche erkennen (vgl. ebd., S. 58, 79). Struktur als Regeln & Ressourcen In der Folge reproduziert oder verändert der*die Akteur*in mit seinem*ihrem Handeln Struktur, ohne diese dabei stets bewusst in eine bestimmte Richtung zu modifizieren. Schließlich wird dieses Handeln ja zugleich auch von dieser Struktur bestimmt. Genau genommen wird soziales Handeln nicht durch soziale Akteur*innen hervorgebracht, „sondern von ihnen mit Hilfe eben jener Mittel fortwährend reproduziert […], durch die sie sich als Akteure ausdrücken“ (Giddens 1997, S. 52, Herv. i. O.). Struktur ermöglicht Handeln und schränkt es zugleich ein: Auch Handlungsfreiheit ist in Strukturen eingeklammert und nur in diesen möglich (vgl. ebd., S. 222 f., 227). Folglich ist Struktur nicht mit Zwang gleichzusetzen, zugleich ist sie aber, da strukturelle Momente weit in Raum und Zeit ausgreifen, durch individuelle Akteur*innen auch nicht wirklich veränderbar (vgl. Giddens 1997, S. 78). Vor diesem Hintergrund kann eine strukturationstheoretische Betrachtung die Trägheit organisationaler Veränderungen, z. B. die eher langsame Adoption digitaler Arbeitsorganisations- und Gestaltungsmöglichkeiten in der Transformation des Journalismus zum Onlinejournalismus (vgl. Kaltenbrunner und Meier 2013, S. 287), erklären (vgl. Wyss 2004, S. 316). Um die Möglichkeiten und Grenzen struktureller Veränderungen besser greifen zu können, müssen die Einzelkomponenten von Struktur, wie Giddens sie konzipiert, berücksichtigt werden. Giddens schlüsselt Struktur über die Begriffe der Regeln und Ressourcen und die daran gekoppelten drei analytischen Dimensionen der Signifikation und Legitimation (die sich in Regeln ausdrücken) sowie der Herrschaft (qua Ressourcennutzung und -verfügbarkeit) auf. Davon ausgehend lässt sich Struktur auch empirisch differenzieren. Giddens beschreibt zwei Aspekte von Regeln: Sie konstituieren Sinn (Signifikation) und/oder sind gekoppelt an Sanktionen (Legitimation). Eine Regel kann auch beide Facetten abbilden (vgl. Giddens 1997, S. 71 f.). Die Ebene der Signifikation kann dabei als „nach innen gerichtet[.]“ (Quandt 2005, S. 107) verstanden werden, d. h. sie unterstreicht den generativen Charakter einer Regel, der vor allem normative Elemente (vgl. Giddens 1997, S. 45), die Befähigung zum Handeln (vgl. Quandt 2005, S. 107; Raabe 2005, S. 161) und Kommunikation als Teildimension des Handelns hervorhebt (vgl. Abbildung 2.1). Die in Regeln abgebildete Strukturdimension der Legitimation wiederum wirkt tendenziell eher nach außen (vgl. Quandt 2005, S. 107), da sie die Teildimension der Sanktionierung im Handeln betont. Die Kenntnis gesellschaftlicher Regeln kommt v. a. im
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praktischen Bewusstsein zum Ausdruck: Regeln befolgen wir quasi routinemäßig (vgl. Giddens 1997, S. 73 f.). Andererseits darf eine Routinehandlung nicht als Regel missinterpretiert werden (vgl. ebd., S. 71). Regeln auszuführen heißt nicht, sie auch artikulieren zu können – wer sie diskursiv benennt, interpretiert sie bereits (vgl. ebd., S. 74) – und Regeln zu kennen bedeutet wiederum nicht, sie auch ausführen zu können (vgl. Quandt 2005, S. 107). Regeln können analytisch differenziert werden, wirken letztlich aber stets nur als Regelkomplexe und in Kopplung an spezifische Ressourcen (vgl. Giddens 1979, S. 65, 1997, S. 69). In diesem Sinne zeichnen sich soziale Praktiken nicht durch einzelne Regeln oder einzelne Ressourcen aus, sondern „are situated within intersecting sets of rules and resources“ (Giddens 1979, S. 82). Über Ressourcen zu verfügen bedeutet, etwas umgestalten zu können (vgl. Giddens 1997, S. 86). Giddens spezifiziert allokative Ressourcen als jene, die eine Herrschaft über Objekte, Güter oder materielle Phänomene ermöglichen. Konkret bezieht er sich dabei auf „[m]aterielle Aspekte der Umwelt“ wie Rohmaterialien (ebd., S. 316), auf Produktionsmitteln und Technologie, und die mittels dieser Ressourcentypen produzierten Güter (vgl. ebd.). Vorrangig als immaterielle Ressourcen treten autoritative Ressourcen in Erscheinung, da diese die Herrschaft über Personen ermöglichen. Im Einzelnen zählen zu solchen autoritativen Ressourcen die räumliche und zeitliche Organisation sozialen Handelns, die „Koordination vieler Menschen in einer Gesellschaft“ (ebd., S. 318, Herv. i. O.) sowie die „Organisation von Lebenschancen“ (ebd., S. 316). Letzteres schließt Fähigkeiten und Fertigkeiten mit ein (vgl. ebd., S. 318). Diese Differenzierung spaltet sich an der (Im-)Materialität der Ressourcen auf. Dennoch ist es schlüssig, auch von immateriellen allokativen und materiellen autoritativen Ressourcen auszugehen (vgl. z. B. Frommann 2014, S. 61, Fn. 211 mit Verweis auf Becker 1996, S. 131 f.; Röttger 2005, S. 13). Für mediale Handlungsfelder lässt sich dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Digitalisierung illustrieren: Beispiele für allokative Ressourcen sind in diesem Feld nicht nur das verfügbare Budget oder die Studioräume eines Senders, sondern auch immateriell vorliegende Produktionssoftware. Die Hierarchie in einer Redaktion, die Reputation einer journalistischen Organisation oder auch das Vertrauen, das die Effektivität unterhaltender Produktion in Projektnetzwerken gewährleistet, sind als immaterielle Ressourcen klassische Beispiele für autoritative Ressourcen in medialen Handlungsfeldern (vgl. Altmeppen 2007b, S. 139, 2006, S. 53 f.; Quandt 2005, S. 184; Wyss 2004, S. 315). Koordination und Administration findet zunehmend jedoch technologiegestützt und damit mittels spezifischer Soft-, aber auch Hardware und damit materiell verankert statt. Herrschaft hängt von der Mobilisierung der beschriebenen Ressourcentypen ab. Auf Interaktions- respektive Handlungsebene geht es dabei um Macht:
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Akteur*innen üben mittels Ressourcen Macht aus. Giddens (1997, S. 314) definiert den Begriff Macht niedrigschwellig als „die Fähigkeit, Ergebnisse herbeizuführen; ob diese Ergebnisse mit rein partikularen Interessen verknüpft sind oder nicht, gehört nicht zum Kern ihrer Definition“. Macht ist Medium für Freiheit, hat zugleich aber auch einen Zwangscharakter (vgl. ebd.). Herrschaft (als Strukturdimension) und Macht (als Dimension des Handelns) sind integrale Bestandteile sozialer Gemeinschaften und dürfen daher nicht rein negativ als „ein an sich schädliches Phänomen“ (ebd., S. 85) betrachtet werden. In jedem Handeln steckt Macht, d. h. jedes Handeln ist Ressourcenanwendung und damit Machtausübung (vgl. ebd., S. 67). Dies bedeutet zugleich, dass Macht nur mittels Ressourcen wirksam wird (vgl. ebd., S. 316). Sie existiert folglich nicht losgelöst davon. Zugleich sind aber selbst die Ressourcen nicht außerhalb des Handelns existent: Erst im Handeln – genauer gesagt in und durch die sozialen Praktiken als Verwirklichung von Struktur (vgl. ebd., S. 77 f.) – werden materielle Objekte ebenso wie immaterielle Ressourcen, z. B. die hierarchisch hohe Stellung einer Person, zu Ressourcen im Sinne Giddens‘ (vgl. ebd., S. 77 f.). Das heißt: Handelnde Individuen oder auch Organisationen müssen „Ressourcen zu solchen erst machen“ (Ortmann et al. 2000, S. 331). Gleiches gilt für Regeln, da auch sie nur in und durch soziale Praktiken bestehen: „Eine Norm beispielsweise materialisiert sich […] immer erst und immer nur dann, wenn sie Handeln prägt.“ (Schimank 2007, S. 125). Analyse sozialer Systeme und Struktur Soziale Systeme bilden sich „einzig in der und durch die Kontinuität sozialer Praktiken“ (Giddens 1997, S. 137) ab. Folglich verfügen sie nicht über eine Struktur (im Singular), welche – den obigen Ausführungen folgend – lediglich in der menschlichen Bewusstheit und „im Handeln exemplifiziert“ (ebd., S. 432) existiert. Vielmehr weisen soziale Systeme Strukturmomente auf, da Struktur in und durch die Anwendung von Regeln und Ressourcen im Moment der Anwendung existiert (vgl. ebd., S. 69). Der Begriff des Strukturmoments darf dabei jedoch nicht als flüchtig missinterpretiert werden. Ganz im Gegenteil bezeichnet er „[s]trukturierte Aspekte sozialer Systeme, insbesondere institutionalisierte Aspekte, die sich über Raum und Zeit hinweg erstrecken“ (ebd., S. 432). Strukturmomente ermöglichen es folglich, dass sich soziale Praktiken reproduzieren (vgl. ebd., S. 68 f.). In diesem Sinne können soziale Systeme als organisierte soziale Praktiken oder auch institutionalisierte Praktiken gefasst werden. Einer Gesamtgesellschaft zugrundeliegende Organisationsprinzipien können nach Giddens wiederum über den Begriff der Strukturprinzipien gefasst werden (vgl. ebd., S. 41, 235, 240), während der Begriff der Strukturen (im Plural) spezifische,
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
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„isolierbare“ (ebd., S. 69) „Regeln-Ressourcen-Komplexe [bezeichnet], die an der institutionellen Vernetzung sozialer Systeme beteiligt sind“ (ebd., S. 240, Herv. i. O.). Anknüpfend an diese Hierarchisierung unterschiedlicher Begriffe der institutionellen Analyse vom Umfassenden (Strukturprinzipien) zum Spezifischen (Strukturmomente) ergibt sich für eine strukturationstheoretisch angeleitete Forschung aufgrund der Übertragbarkeit der Strukturbegriffe (Regeln & Ressourcen) auf alle Ebenen die Möglichkeit, zu untersuchen, ob und wie institutionalisierte Praktiken zur Systemreproduktion beitragen (vgl. ebd., S. 45 f.). Übertragen auf den Gegenstand dieser Arbeit ginge es folglich um die Frage, inwieweit auf Subjektebene beobachtete Praktiken das Feld der Unterhaltungsproduktion reproduzieren. Damit ist die Analyse des Handelns und der Interaktionen der Akteur*innen sogleich eine Analyse der Strukturierung sozialer Systeme (vgl. ebd., S. 77). In einer empirischen Betrachtung konkreter Interaktionen rücken konkrete Ausformungen von Struktur in den Fokus. Genauer gesagt zeigt sich dabei, wie bestimmte Regeln und Ressourcen „in Interaktionen zur Geltung kommen“ (Giddens 1997, S. 81). Dieses ‚Wie‘ erfasst Giddens mit dem Begriff der „Strukturierungsmodalitäten“ (ebd.) (im Englischen: modalities; vgl. Giddens 1979, S. 81): „Modalitäten werden in Interaktionssituationen einer bestimmten Struktur entlehnt, indem Regeln und Ressourcen in Anwendung gebracht werden.“ (Röttger 2005, S. 14) Sie sind situativ, räumlich und zeitlich adaptierte bzw. spezifizierte „strukturelle[.] Handlungsbedingungen: situativ ge-/erfüllte, ergänzte/ersetzte Regeln und Ressourcen“ (Ortmann et al. 2000, S. 330, Fn. 14; vgl. auch Frommann 2014, S. 65). Da sie als „coupling elements“ (Giddens 1979, S. 81) zwischen Handeln und Struktur, zwischen Subjekt und Objekt vermitteln (vgl. Ortmann et al. 2000, S. 330), bezeichnen Altmeppen (2007a, S. 292, 298 f.) und Wyss (2004, S. 312) sie in der Anwendung auf den Journalismus auch als „Vermittlungsmodalitäten“. Äquivalent zu den Strukturdimensionen der Signifikation, Herrschaft und Legitimation, die sich in den Handlungsdimensionen der Kommunikation, Machtausübung und Sanktionierung spiegeln, unterscheidet Giddens die Modalitäten der interpretativen Schemata, Machtmittel und Normen (vgl. Abbildung 2.1). Die oben beispielhaft benannten Ressourcen in medialen Handlungsfeldern sind folglich streng genommen keine Beispiele für Ressourcen der Herrschaftsordnung, sondern vielmehr Beispiele für spezifische Machtmittel als Modalitäten medialer Produktion in der Strukturdimension der Herrschaft. Der Rückgriff auf interpretative Schemata auf Ebene der Interaktion ermöglicht Kommunikation als eine Kommunikation von Sinn, die über bloßes Sprechen, d. h. über den bloßen kommunikativen Akt, hinausgeht. Sie sind Mittel der Herstellung kognitiver Ordnung
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Quelle: Wyss 2004, S. 312; 2016, S. 273 basierend auf Giddens 1997, S. 81 unter Integraon von Frommann 2014, S. 59 (basierend auf Becker 1996, S. 141)
Abbildung 2.1 Dimensionen der Dualität von Struktur
in und über Interaktion (vgl. Altmeppen 2006, S. 32; Ortmann et al. 2000, S. 320; Röttger 2005, S. 13). Über Normen wiederum sanktionieren Akteur*innen ihr eigenes Handeln und jenes anderer Akteur*innen, d. h. sie bewerten das Handeln (vgl. Ortmann et al. 2000, S. 320). Dabei sind normative Sanktionen keineswegs strukturalistisch zu verstehen (vgl. Giddens 1997, S. 83). Mit dem Begriff der accountability (Verantwortlichkeit) beschreibt Giddens (1997, S. 82 f.), dass und wie sich interpretative Schemata und Normen überschneiden: Weil Menschen für ihr Handeln verantwortlich sind, verdeutlichen sie den Sinn ihres Handelns und verweisen zugleich auf die normativen Regeln dieses Handelns. Dies unterstreicht noch einmal die der Struktur inhärente Kopplung und rein analytische Trennung aller drei Struktur- und Handelnsdimensionen (vgl. ebd., S. 84). Folglich stehen auch die in Abbildung 2.1 beispielhaft gelisteten Modalitäten medialer Produktion nie allein für jene Strukturdimension, der sie zugeordnet sind. Vielmehr heben die benannten Strukturierungsmodalitäten jeweils eine der Dimensionen in besonderer Weise hervor, drücken sich zugleich aber stets auch über die jeweils anderen beiden Dimensionen aus.
2.2 Terminologien praxistheoretischer Ansätze
2.2.3
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Kopplung der Strukturbegriffe: Kombination des Ressourcen- und Kapitalbegriffs
Die Strukturbegriffe, die Giddens mit seiner Differenzierung von Regeln und Ressourcen als Strukturen der Signifikation, Legitimation und Herrschaft begründet, sind für die praxistheoretische Analyse eines Feldes von hohem Wert, weil sie Struktur analytisch greifbar machen. Sie zerlegen Struktur in Komponenten, die in empirisch generierten Erkenntnissen nachgezeichnet werden können – wohlgemerkt mit jener Einschränkung, dass sich empirisch ermittelte Strukturierungsmodalität nie uneingeschränkt nur einer spezifischen Strukturdimension zuordnen lassen. Über die Kopplung des Giddens’schen Vokabulars mit Überlegungen Bourdieus zu unterschiedlichen Kapitalformen und seinen indirekten Ausführungen zu Regeln der Praxis lässt sich die analytische Breite solch einer Strukturanalyse noch erweitern. Äquivalent zu Giddens’ Benennung von Regeln und Ressourcen als Struktur lassen sich die in Bourdieus Theorie der Praxis beschriebenen „Kapitalformen und impliziten ‚Regeln‘ als zwei Struktur(bildungs)formen differenzieren, die beide in objektivierter und inkorporierter Form wirksam werden“ (Dederichs und Florian 2004, S. 79, Herv. i. O.). Was Giddens mit Regeln der Signifikation und Legitimation beschreibt, ist letztlich das, was Bourdieu über die Begriffe des Nomos, der Doxa und der Illusio greift. Das Bourdieu‘sche Vokabular verweist dabei in besonderer Deutlichkeit auf den impliziten Charakter von Regeln (vgl. ebd., S. 80 f.). Der Habitus als sozialer Sinn verkörpert diese impliziten Regeln (vgl. ebd., S. 80). Auf Ebene der Machtmittel, d. h. der Ressourcen, tragen die beiden Autoren durch Strukturbegriffe mit einem Informationswert auf jeweils unterschiedlicher Ebene bei. Die Differenzierung von autoritativen und allokativen Ressourcen weist drauf hin, wofür die Ressourcen genutzt werden, d. h. ob es sich um Ressourcen zur Ausübung von Macht über Menschen oder aber Dinge handelt (vgl. Abschnitt 2.2.2). Es geht um die Frage, was mit dem Einsatz der Machtmittel erreicht werden soll. Die mit der Differenzierung beider Typen assoziierte Unterscheidung materieller und immaterieller Ressourcen – die sich, wie oben ausgeführt, gerade in digitalisierten Kontexten nicht uneingeschränkt durchhalten lässt – verdeutlicht dahingegen, womit etwas erreicht wird (vgl. Frommann 2014, S. 61, Fn. 211). Bourdieus Kapitalbegriffe (vgl. Abschnitt 2.2.1.1) befinden sich auf derselben Ebene, weil sie Auskunft über die Eigenschaften, den Charakter einer Ressource geben und nur indirekt darüber, wofür die Ressource eingesetzt wird. Beide Informationsebenen sind natürlich in beiden Begriffstypen implizit. Folglich ist es analytisch ertragreich, beide Ansätze zur Differenzierung von Struktur zu berücksichtigen. Damit stehen analytisch einerseits zwei Formen
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
von Ressourcen qualifiziert entlang ihres Zwecks zur Verfügung: (1) autoritativadministrativ Ressourcen als politische Machtmittel und (2) allokative Ressourcen als ökonomisch-technische Machtmittel (vgl. Becker 1996, S. 141). Daneben steht andererseits Bourdieus Differenzierung von Kapitalformen entlang ihres Charakters: (1) ökonomisches Kapital, (2) soziales Kapital, (3) kulturelles Kapitel. Die Berücksichtigung von Giddens’ Differenzierung von Struktur erlaubt darüber hinaus einen erweiterten Blick auf das, was symbolisches Kapital meint. Über die faktisch untrennbare Kopplung von Regeln und Ressourcen ist es möglich, eine Brücke zur Idee eines spezifischen symbolischen Kapitals als felddefinierend zu schlagen: Regeln und Ressourcen als Verkörperung der Strukturdimensionen der Signifikation, Herrschaft und Legitimation setzen Anerkennung voraus, um strukturmodifizierend eingesetzt werden zu können. Die spezifischen, als Machtmittel anerkannten Ressourcen werden letztlich nur in Verbindung zu Regeln der Sinnkonstitution und Sanktionierung als eben solche anerkannt, weil sie in ihrem Einsatz abhängig sind von spezifischen Regeln. Grundsätzlich ist es überlegenswert, von Bourdieus Differenzierung ausgehend, von Ressourcen zu sprechen – ohne die Gültigkeit seiner Kapitalformen als Überbegriffe anzutasten. Saalmann (2012, S. 104 f.) sieht darin eine Möglichkeit, kreative Prozesse noch detaillierter zu analysieren und zu erklären, ohne den Kapitalbegriff allzu sehr zu verwässern, da sich spezifische Ressourcen für spezifische Situationen nachzeichnen lassen. Darüber hinaus bewertet er den „Begriff der Ressourcen [als, Anm. d. Verf.] weniger verfänglich (weil nicht so einseitig auf eine bestimmte ökonomische Logik bezogen)“ (ebd., S. 104, Herv. i O.).
2.3
Soziale Praktiken (und Handlungen)
In den vorhergehenden Kapiteln wurde bereits an mehreren Stellen auf einzelne Elemente sozialer Praktiken verwiesen. Demnach bestehen Praktiken in und aus Körperbewegungen, Gedanken und dem Wissen der Subjekte (vgl. Abschnitt 2.1). Bourdieu spricht vom Habitus als praktischem Sinn (vgl. Abschnitt 2.2.1), Giddens betont die maßgebliche Steuerung des Handelns durch das praktische Bewusstsein (vgl. Abschnitt 2.2.2). Teil sozialer Praktiken sind bestimmte Machtmittel (einschließlich physischer Artefakte) (vgl. Abschnitt 2.1), spezifischer gefasst bestimmte Kapitalformen, die als inkorporierte und objektivierte Sozialität erfasst und differenziert in allokative und autoritative Ressourcen gekoppelt an Regeln Struktur beschreiben (vgl. Abschnitt 2.2.3). Soziale Praktiken sind Ergebnis der Kopplung dieser Charakteristika der strukturellen und individuellen
2.3 Soziale Praktiken (und Handlungen)
41
Ebene. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, diese Komponenten sozialer Praktiken zu sortieren, zum Teil auch noch weiter zu spezifizieren. Dafür wirft das Kapitel explizit noch einmal den Blick auf den Begriff der Handlung als Baustein sozialer Praktiken. Daran gekoppelt rücken die Begriffe der Intentionalität, des (Handlungs)Sinns und der Reflexivität in den Fokus. Letztlich besteht das Ziel auch darin, den Begriff einer sozialen Praktik so zu fassen, dass er sich konkret auf einen Gegenstand anwenden und darüber hinaus auch empirisch übersetzen lässt (vgl. Abschnitte 6.1, 6.2 und 7.1). Reckwitz (2002, 2003) verweist mit seiner Definition einer sozialen Praktik explizit auf die Komponenten, die diese als solche definieren. Eine einzelne Praktik typisiert er als. „a routinized type of behavior which consists of several elements, interconnected to one other: forms of bodily activities, forms of mental activities, ‘things’ and their use, a background knowledge in the form of understanding, know-how, states of emotion and motivational knowledge“ (Reckwitz 2002, S. 249).
Eine Praktik besteht aus allen diesen miteinander verwobenen Elementen und kann nicht auf ein einzelnes dieser Elemente reduziert werden (vgl. ebd., S. 250). Praktiken sind diese Komponenten einschließende „Verhaltensroutinen“ (Reckwitz 2003, S. 289). Weil sie an diese Komponenten gekoppelt und durch diese konstituiert sind und weil sie einen routinisierten Charakter haben, d. h. weil sie auf ein Handeln verweisen, das „in seinem Ablauf über eine gewisse Zeitspanne hinweg durch ein Gesamtmuster bestimmt ist“ (von Arx 2008, S. 40), grenzen sie sich von rein spontanen Aktivitäten und Körperbewegungen ab (vgl. ebd.). Kennzeichnend für soziale Praktiken ist folglich eine Routinisierung menschlichen Handelns und Verhaltens und seine Musterhaftigkeit. In diesem Sinne fungiert eine einzelne Praktik als eine Art Schablone, die durch unterschiedliche menschliche Handlungsakte gefüllt werden kann (vgl. Reckwitz 2002, S. 250). Die Handlungsakte, die eine Praktik (aus)füllen, spezifiziert Schatzki als „bodily doings and sayings” (Schatzki 2001b, S. 48), d. h. körperlich ausgedrücktes Tun und/oder Sprechen. Praktiken setzen dabei keine Sprechhandlungen voraus, sondern können sich auf nicht-diskursives Handeln beschränken (vgl. Schatzki 2002, S. 77). Visuell, auditiv und/oder taktil wahrnehmbaren Körperbewegungen und Sprechakte sind Kernbestandteil einer Praktik. Diese Elemente für sich sind das, was demnach auch rein „‚spontane‘ Vorgänge[.]“ (von Arx 2008, S. 40) konstituieren könnte. Praktiken reichen jedoch darüber hinaus. In Abgrenzung zu solchen von außen wahrnehmbaren, quasi nackt betrachteten
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Aktivitäten – als Beispiele benennt Schatzki (2001b, S. 48) hier die Aktivitäten ‚Worte aufschreiben‘ oder ‚das Lenkrad drehen‘ – sind Praktiken eben diese Aktivitäten in ihrem Kontext gekoppelt an die im Handeln relevanten Regeln und Ressourcen. Es sind die oben auch im Zitat von Reckwitz aufgezählten Komponenten sozialer Praxis, die eine einzelne Praxis kontextualisieren. Diese Kontextualisierung fasst Schatzki als „organization“ im Sinne spezifischer Organisationsprinzipien. Schatzki (2001b, S. 48, 2002, S. 71) spricht von (1) „activity“ – gemeint sind damit die wahrnehmbaren Bewegungs- und Sprechakte – und (2) „organization“ als den zwei Dimensionen von Praktiken. Der organisierte Charakter von Praktiken lässt sich auf zwei Ebenen erfassen: Auf der Ebene des einzelnen Handlungsaktes bestimmt er die Kontextualisierung dieses einzelnen Aktes und macht diesen selbst zu einer Praktik. Auf der Ebene eines Handlungsbündels beschreibt er, wie und warum mehrere Sprech- und Bewegungsakte irgendwie zusammenhängen (vgl. Schatzki 2002, S. 77). Es ist diese zweite Ebene eines Handlungsbündels, die Schatzki in den Fokus rückt, wenn und weil er eine Praktik nicht auf Ebene einer einzelnen Handlung, sondern auf Ebene eines „organized nexus of actions“ (ebd., S. 71) definiert. Mit dem Begriff „actions“ bezeichnet er menschliche Handlungsakte auf drei Hierarchie-, weil Aggregationsebenen als Bausteine einer sozialen Praktik: Grundelement sind die oben bereits benannten „doings and sayings“. Diese ‚doings & sayings‘ stellen als eine organisierte Verbindung bestimmte Aufgaben („tasks“) dar. Mehrere Aufgaben zusammen wiederum ergeben ein Projekt („project“). Erst die Kombination aus diesen drei Ebenen ergibt eine Praktik: „A practice […] embraces a set of hierarchically organized doings/sayings, tasks, and projects“ (Schatzki 2002, S. 73). Über solch eine breite Perspektive wird die Idee von einer Praktik als Schablone greifbar: Verschiedene Handlungsakte können ein- und dieselbe Praktik ausfüllen (vgl. ebd.). Ein bestimmtes Tun und Sprechen kann je nach Situation und Kontext eine bestimmte soziale Praktik ergeben oder Teil dessen sein. Dieselbe soziale Praktik kann durch unterschiedliches Tun und Sprechen begründet werden. Die Regelmäßigkeit der Muster wird auch durch irreguläre, einmalige oder spontane Aktivitäten (vgl. Schatzki 2001b, S. 49, 2002, S. 74), die – begründet durch die prinzipielle Offenheit der Praxis (vgl. Abschnitt 2.1) – Praktiken simultan zur Routinisierung prägen, nicht in Frage gestellt (vgl. ebd.). Für organisationale Kontexte können Schatzkis Begriffe basierend auf den Beispielen, die er liefert – er wendet sie dezidiert auf die medizinische Kräuterproduktion an (vgl. Schatzki 2002, S. 73–82) –, als einzelne Bewegungsund Sprechakte, darauf aufbauende Arbeitsschritte und wiederum daraus resultierende Arbeitsvorgänge übersetzt werden (vgl. Altmeppen 1999, S. 93). Für die
2.3 Soziale Praktiken (und Handlungen)
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journalistische Produktion ließe sich, in Rückgriff auf die Operationalisierung bisheriger empirischer Studien dazu (vgl. Altmeppen 1999, S. 211 ff.; Quandt 2005, S. 440 ff.), der Arbeitsschritt (also die Aufgabe) „Artikel verfassen“ beispielsweise in Einzelhandlungen wie „ein Telefonat führen“, „am PC tippen“, „Notizen durchblättern“ aufschlüsseln – das Beispiel zeigt, wie schwierig zuweilen eine (empirische) Grenzziehung zwischen Körperbewegung und Handlung (erfasst in ihrem Kontext) ist – und als eine Untereinheit des Vorgangs (also Projekts) „Hörfunkbeitrag erstellen“ beschreiben. Dennoch wäre es verkürzt, lediglich die Hörfunkbeitragserstellung oder gar einen übergeordneten Produktionsprozess als Praktik zu qualifizieren. Schatzkis Ausführungen sollten nicht als Disqualifikation einzelner Handlungen zu Nicht-Praktiken gelesen werden. Er zeigt vielmehr, wie voraussetzungsvoll die Erfassung sozialer Praktiken ist. Die hierarchische Aufschlüsselung von Handlungen als Bausteine sozialer Praktiken kann als Anleitung zur systematischen Analyse von Praktiken (im Plural) dienen. Die als solche spezifizierte einzelne soziale Praktik (im Singular) ist eine rein analytische Kategorie, weil eine Praktik nur durch ihre Einbettung in soziale Praxis als solche erkennbar ist. Das Interesse der Praxistheorie richtet sich auf den Handlungszusammenhang und damit auf den „Strom der Reproduktion typisierter Praktiken“ (Reckwitz 2003, S. 294, Herv. d. Verf.). Tatsächlich gilt für die Frage, was eine Praktik ist, kein bestimmter Schwellenwert in der Anzahl einzelner Bewegungsund Sprechakte. Entscheidend ist vielmehr der Charakter dieser Handlungsakte als einem organisierten Ganzen, das aufgrund seines routinisierten Charakters als ein Letztelement, als „‚kleinste Einheit‘ des Sozialen“ (Reckwitz 2003, S. 290) wahrgenommen wird. Damit fällt der Blick zurück auf die oben bereits erwähnten Organisationsprinzipien von Praktiken. Schatzki beschreibt drei Organisationsprinzipien, die über die „practical intelligibility“ (vgl. ebd. S. 49 f.), die ‚praktische Verständlichkeit‘, abgebildet werden (vgl. Schatzki 2001b, S. 50, 2002, S. 77). Demnach fußt diese praktische Verständlichkeit, die den Handelnden vermittelt, welches Handeln (für sie) Sinn ergibt, auf den ‚understandings‘ als „abilities“ (Schatzki 2001b, S. 51) im Sinne einer ‚Ausführungskapazität und -fähigkeit‘ (vgl. Schatzki 2002, S. 79). Gemeint ist ein Know-how im eigentlich Wortsinne, d. h. das Wissen darum, wie man etwas tut (vgl. Schatzki 2001b, S. 51). In der praktischen Verständlichkeit wirken spezifische Regeln (‚rules‘) – damit meint Schatzki kodifiziertes Recht, genauso wie Daumenregeln und Normen – mittelbar auf das Handeln (vgl. ebd., S. 52). Besonders geprägt werde die Handelnden jedoch über teleologische Elemente, d. h. „orientations towards ends“ (ebd.), wie auch affektive Elemente, d. h. „how things matter“ (ebd.). Schatzki bezeichnet diese Elemente zusammengenommen als ‚teleoaffektive‘ Struktur (vgl. ebd., S. 53).
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Die teleoaffektive Struktur legt den Akteur*innen „in normativer Weise“ nahe, „welche Ziele durch die Hervorbringung der sozialen Praktik erreicht werden sollen oder können“ (Hellmann 2010, S. 128, Fn. 465). Die Spezifizierung der ‚practical intelligibility‘ durch Schatzki findet ihr Äquivalent in Reckwitz‘ Aufschlüsselung praktischen Wissens über die drei Elemente des interpretativen, methodischen und motivational-emotionalen Wissens (vgl. Abschnitt 2.1). Praktiken sind Wissensverarbeitung: kollektives und individuelles Wissen treffen hier als Sinndeutungen aufeinander (vgl. von Arx 2008, S. 26, 40). Ein Ansatzpunkt für eine weitere, differenzierte Betrachtung des für die Praxis wichtigen Wissens ist die Beschreibung unterschiedlicher Formen des Wissensvorrats durch Schütz und Luckmann (2003). Gerade Überlegungen zu Formen des Routinewissens oder auch des Rezeptwissens erscheinen hier interessant für eine Untersuchung kreativer Praxis. Schließlich sind es solche Formen, die – wie im Fall des Rezeptwissens als „‚automatisiert‘ und ‚standardisiert‘“ (ebd., S. 158) qualifiziert werden – als der Kreativität entgegenstehend erscheinen, weil kreatives Handeln offen ist (vgl. Abschnitt 4.5). Tatsächlich lässt sich Routinewissen als mit Intuition assoziiert herleiten – und Intuition ist wiederum eine Fertigkeit, die für Medienschaffende an kreative Entscheidungsfindung gekoppelt ist (vgl. Abschnitt 5.3.2.1). Darüber hinaus ist jegliche Praxis routinisiert (vgl. Ausführungen unten) – und damit auch kreative Praxis. Mittels des Begriffs der teleoaffektiven Struktur, die nach Schatzki maßgeblich bestimmt, wie die eine Praktik im Kern charakterisierenden Muster geformt und zusammengehalten werden, diskutiert er implizit die Rolle der Intentionalität, (persönlicher) Ziele und Motive für den Vollzug sozialer Praktiken. In dieser Diskussion lässt sich ein spezifischer, von klassischen Handlungstheorien abweichender Beitrag der Praxistheorie zur Analyse des Sozialen verorten (vgl. Reckwitz 2003, S. 294). Intentionalität ist aus praxistheoretischer Perspektive kein Kriterium, um Handeln als solches zu definieren und von Verhalten abzugrenzen (vgl. z. B. Schimank 2007, S. 123). Die praxistheoretische Betrachtung des Handelns löst die Intentionalität von den Akteur*innen und verschiebt sie auf die Ebene der Praxis. Teleologische Elemente können in Praktiken eine Rolle spielen, sie tun dies jedoch keineswegs als Interessen einer Einzelperson, sondern als sozial konventionalisierte Motive (vgl. Reckwitz 2003, S. 293). Intentionalität ist damit in soziale Praktiken eingebettet (vgl. ebd.). Wie sich dies auf Ebene des Subjekts ausdrückt, ist in Giddens’ Handlungsbegriff (vgl. Abschnitt 2.2.2) beschrieben. Giddens (1997, S. 53, 431) spezifiziert, dass sich Handeln nicht additiv aus einzelnen unterscheidbaren Handlungen und daran gekoppelten (Einzel-)Intentionen ergibt, sondern sich als jeweils spezifischer Handlungsfluss darstellt. Dieser Handlungsfluss ist nicht von dem, was
2.3 Soziale Praktiken (und Handlungen)
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Handelnde beabsichtigen, gänzlich entkoppelt. Er ist aber auch nicht Ergebnis spezifizierbarer Absichten. Im Handlungsfluss wirkt die „zweckgerichtete oder intentionale Natur des menschlichen Handelns“ (ebd., S. 431) vermittelt über die reflexive Steuerung des Handelns (vgl. ebd.). Im praxistheoretischen Sinne bringen Menschen Handlungen zwar nicht hervor. Sie drücken sich jedoch über diese Handlungen in rekursivem Bezug auf die Strukturen als Akteur*innen aus (vgl. ebd., S. 52). Dieses ‚sich ausdrücken‘ erfolgt über die reflexive Steuerung des Handelns. Die Reflexivität als „Fähigkeit [der Akteur*innen, Anm. d. Verf.], zu verstehen, was sie tun, während sie es tun“ (ebd., S. 36) operiert in weiten Teilen auf der Ebene des praktischen Bewusstseins. Dieses verweist auf das stillschweigende Wissen um adäquate Handlungsweisen. Zuweilen ist die Reflexivität aber auch diskursiv zugänglich. Die Handlungsrationalisierung befähigt die Akteur*innen, wenn sie danach gefragt werden, ihr Handeln zu begründen (vgl. ebd., S. 56, 431). Der Grund und eine damit benannte Intention stehen jedoch nicht vor, sondern hinter einem Handlungsakt: Da eine Intention als spezifizierter Grund für ein Handeln erst reflexiv erfasst werden kann und damit nicht dem Handeln vorausgeht, sondern sich vielmehr aus dem Handlungsfluss ergibt, kann sie von den Handelnden lediglich ex post aus diesem Handlungsfluss herausgefiltert und als persönliches Interesse (um)interpretiert werden (vgl. Hellmann 2010, S. 128; Reckwitz 2003, S. 293). Das Spektrum persönlich verwirklichter Interessen ist dabei nicht in den Eigenschaften des Individuums, sondern der Praxis niedergelegt: Der*die Handelnde ist ‚Teilnehmer*in‘ (vgl. Schatzki 2001b, S. 54, vgl. auch Abschnitt 2.1) in Praktiken und folglich in der „Auswahl möglicher Ziele und Gründe beschränkt […] durch die sozialen Praktiken, an denen er teilhat“ (Hellmann 2010, S. 128). All dies schließt nicht gänzlich aus, dass eine Person ex ante eine Intention formuliert, diese dann auch in actu bewusst verfolgt und sie erfolgreich umzusetzt (vgl. Bongaerts 2007, S. 258; Giddens 1997, S. 61). Dieser Fall ist nur schlichtweg äußerst selten: Dass die Person mit ihrem Tun genau das erreicht, was sie erreichen will, ist aufgrund der sozialen Einbettung ihres Handelns unwahrscheinlich (vgl. Schimank 2007, S. 124 f., 136; auch Giddens 1997, S. 61 ff.). Handeln ist dennoch nicht willkürlich. Intentionalität ist ein auf Ebene sozialer Praxis verankerter Prozess und als solcher auch Bezugspunkt der Handlungsrationalisierung (vgl. Giddens 1997, S. 54). Um eine voluntaristische Missinterpretation zu vermeiden, bezeichnet Giddens Handeln jedoch nicht als intentional, sondern zweckgerichtet. Im englischen Original spricht Giddens von Akteur*innen als „purposive agents“ (Giddens 1984, S. 3). Handeln ist zweckgerichtet, weil es reflexiv ist. Dass Handeln reflexiv ist, bedeutet vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation, dass es im vorrangig impliziten, aber auch explizit
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
artikulierbaren Wissen um die Bezugspunkte und Umstände des eigenen Handelns gründet. Zweckgerichtetheit bildet sich damit wesentlich über das praktische Wissen ab und impliziert folglich, dass das Handeln sinnvoll ist. Sinn ergibt das Handeln in und durch seine rekursive Kopplung an Regeln und Ressourcen (vgl. Altmeppen 2006, S. 23). Quandt (2005) argumentiert, dass die Strukturen, auf die sich das Handeln rekursiv bezieht, eben aufgrund dieser Rekursivität, aufgrund des „generativen Charakter[s] von Strukturen für Handeln“ (ebd., S. 115) ‚sinnstiftend‘ wirken. Das praktische Wissen ist Produkt dieser Rekursivität und damit konstitutiv für die Sinnstiftung. Mittels Bourdieus Begriff des praktischen Sinns wird dies besonders deutlich. Der praktische Sinn umfasse laut Krämer (2013, S. 202) gleich mehrere Bedeutungen des Begriffs Sinn. Er verweist auf einen Sinn als einem „inner guide“ (ebd.). Zugleich gibt der praktische Sinn einer Situation und der eigenen Positionen einen Sinn oder besser gesagt: er zieht einen Sinn daraus – auf Englisch schreibt Krämer der praktische Sinn „makes sense of a situation and one‘s position“ (ebd., Herv. i. O.). Damit liefert der praktische Sinn quasi intuitiv eine Interpretation der Situation (vgl. ebd.) und präsentiert dem Subjekt damit sogleich mögliche und unmögliche, d. h. adäquat auf die Strukturen reagierende und dazu passende Handlungen. Die im Habitus als praktischem Sinn verankerten Schemata des Handelns, des Bewertens und der Wahrnehmung (vgl. Wacquant 1996, S. 36 f.), die sich auf Basis der Struktur gebildet haben und zugleich auf diese zurückwirken (vgl. Abschnitt 2.2.1), münden folglich in Handlungen, die „ohne ausdrücklichen Grund und ohne bedeutende Absicht eines einzelnen Handlungssubjekts gleichwohl ‚sinnhaft‘, ‚vernünftig‘“ (Bourdieu 1976, S. 179, vgl. auch Bourdieu 1993b, S. 115 f.) erscheinen. Die Praxisformen, Praktiken respektive praktischen Handlungen – Bourdieu (1976, S. 139, 167) verwendet beide Begriffe zuweilen synonym, meint damit aber stets die zur Praktik kontextualisierte Handlung – erwecken damit die „Illusion einer [d. h. ihrer, Anm. d. Verf.] Zielgerichtetheit“ (Bourdieu 1993b, S. 116). Vor diesem Hintergrund stellt strategisches Handeln in Bourdieus Terminologie den Normalfall dar (vgl. zum Strategiebegriff aus praxistheoretischer Perspektive Abschnitt 2.4). Die Bourdieu’sche Argumentation entspricht damit Giddens’ Begründung des zweckgerichteten Charakters des Handelns (als Verhaltensstrom) über die auf der Bewusstheit basierende Rekursivität: Die Zweckgerichtetheit ergibt sich aus dem praktischen Sinn – wenngleich Bourdieu ablehnt, von zweckgerichteten Praktiken zu sprechen und stattdessen auf ihre Zweckmäßigkeit verweist (vgl. Bourdieu 1993b, S. 122). Damit schwächt Bourdieu die Rolle der Intentionalität für die soziale Praxis noch einmal ab. Reckwitz untermauert diese Sichtweise mit der Feststellung: „Für die Praxistheorie ist es nicht die vorgebliche Intentionalität,
2.3 Soziale Praktiken (und Handlungen)
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sondern die wissensabhängige Routinisiertheit, die das einzelne ‚Handeln‘ ‚anleitet‘“ (Reckwitz 2003, S. 293) Bongaerts (2007) schlüsselt diese Routinisiertheit weiter auf, um deutlich zu machen, dass Bourdieu mit seinem Habitus „den Zugang zu einem von den klassischen Sozialtheorien nicht erfassten Phänomenbereich eröffnet“ (ebd., sS. 256). Diesen bisher unbeachteten Phänomenbereich identifiziert er über eine Unterscheidung von Routine und Gewohnheit. Routine meint „ein ursprünglich bewusst trainiertes Handeln“ (Bongaerts 2007, S. 256) und steht damit für „automatisierte, also auch routinierte Handlungsvollzüge“ (ebd.). Bourdieu rücke jedoch nicht diesen Handlungsmodus, sondern vielmehr die Gewohnheit in den Fokus (vgl. ebd.). Der Habitus verweise auf einen „sozialen ‚Instinkt‘“ (Willems 2007, S. 219) für angemessenes Handeln und Verhalten. Und dieser Instinkt ist nicht Ergebnis bewusster, sondern „präreflexive[r], leiblich/körperliche[r] Einübung sozial relevanter Verhaltensweisen“ (Bongaerts 2007, S. 256). Da der Habitus nach Bourdieu „primärer und damit fundamentaler Tätigkeitsmodus in der sozialen Welt“ (ebd., S. 258) ist, ist die Gewohnheit und nicht die Routine hauptsächlicher Tätigkeitsmodus. Dies bedeutet nicht, dass Routine eine untergeordnete Rolle spielt. Bongaerts geht es vielmehr um die Feststellung, dass auch der Routine letztlich Gewohnheit zugrunde liegt. Der Habitus ermöglicht und begründet sowohl Routine-, als auch Gewohnheitshandeln (vgl. ebd., S. 259). Bongaerts‘ Argumentation bewegt den von Bourdieu beschriebenen Tätigkeitsmodus tatsächlich ein Stück weg von jenem, den Giddens herausstellt, wenn dieser ihn als reflexiv gesteuert charakterisiert. Bongaerts‘ Argumentation folgend ist Praxis laut Bourdieu tatsächlich auch und sogar vorrangig vorreflexiv. Die Rolle des Vorreflexiven ist ein strittiger Punkt der Praxistheorie (vgl. Reckwitz 2003, S. 297). Was bedeuten die bisherigen Ausführungen für eine Analyse sozialer Praktiken im Kontext der vorliegenden Arbeit? Die vorliegende Arbeit folgt der Annahme, dass jemand vielleicht in der Lage sein mag, das eigene Handeln zu verstehen und ggfs. entsprechend zu erklären und zu beschreiben, aber dass dies nicht unbedingt auf alle Facetten des Handelns, d. h. alle sinnstiftenden Facetten der kontextualisierten Handlung, zutrifft. Das dahinterstehende (praktische) Wissen ist – wie beispielsweise ja Giddens (1997, S. 44 f.) ausdrücklich als Rat an die empirische Sozialforschung betont – diskursiv nur selten (er)fassbar. Eine Praktik, als ihrem Wesen nach zweckmäßig, erscheint ex post dennoch immer irgendwie begründbar. Davon unberührt bleibt, dass in einer Analyse von Praktiken in organisationalen Zusammenhängen die Reflexivität und damit die reflexive Steuerung des Handelns in den Fokus rückt, da die Organisation selbst als reflexive Strukturation (vgl. Abschnitt 2.4) beschrieben werden kann und organisationale Routinen durch ihre Co-Konstitution für die Organisationsmitglieder klarer erkennbar werden. Gerade
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
in ihrem Wesen nach interaktionaler Praxis bedienen sich die handelnden Individuen der reflexiven Steuerung des Handelns (vgl. Giddens 1997, S. 116). Routinen (im engeren Sinne bewusst eingeübten Verhaltens) rücken damit mitunter in den Vordergrund des Erkenntnisinteresses, ohne die Bedeutung der Gewohnheit für das Soziale in Frage zu stellen. Zusammenfassung: Konstituenten sozialer Praktiken Vor dem Hintergrund der erfolgten Argumentation lassen sich soziale Praktiken zusammenfassend mit implizitem Verweis auf ihre empirische Erfassbarkeit wie folgt spezifizieren: Eine soziale Praktik kann Verhalten und Handlung gleichermaßen sein. In der Regel ist aber von sozialen Praktiken im Plural die Rede, da sie zusammenhängend die Interaktion von Habitus und Struktur spiegeln. Soziale Praktiken stehen für gewisse Verhaltens- und Handlungsmuster, gewisse Muster von Akten des Sprechens und Tuns. Von sozialen Praktiken zu sprechen, bedeutet auch, vom ‚Handeln‘ und von ‚Handlungen‘ zu sprechen (vgl. Altmeppen und Arnold 2013, S. 17). Eine soziale Praktik ist jedoch mehr als eine Handlung und Praxis ist mehr als Handeln – Praktiken konstituieren die Relevanzstruktur des Handelns. Der Fokus richtet sich dabei auf die Frage, wie sich im Tun einer Person (oder Personengruppe) Subjektivität und Struktur zugleich ausdrücken. In den sozialen Praktiken zeigen sich das Individuum und die Struktur zugleich. Soziale Praktiken werden über die Performativität des Handelns, die neben der Inkorporiertheit des Wissens eng mit der Körperlichkeit sozialer Praktiken verbunden ist, empirisch beobachtbar (vgl. Reckwitz 2003, S. 290). Die Performativität zeigt sich in den Handlungen und den Verhaltensweisen der Akteur*innen. Beobachtungen von Praktiken erfassen folglich Handlungen und Verhaltensweisen der Akteur*innen. Als soziale Praktiken erhalten diese Handlungen und Verhaltensweisen aber nur durch die Berücksichtigung des inkorporierten Wissens und der sich in Praktiken kristallisierenden Strukturen (als Regeln und Ressourcen im Sinne Giddens’) Geltung. Was Quandt (2005, S. 86–95) als Handlung mit ihren spezifischen Komponenten – Raum, Zeit, involvierte Personen, Ressourcen, übergeordneter Kontext – aufschlüsselt, kann in seiner Bedeutung auch als Element einer sozialen Praktik oder gar als eigene soziale Praktik beschrieben werden. Der Begriff Handlung, wie er hier verwendet wird, meint zunächst aber eine zeitlich und räumlich bestimmbare individuelle Aktivität einer handelnden Person. Die Kombination dieser Handlung, der ‚doings‘ und/oder ‚sayings‘ (vgl. Schatzki 2002, S. 73) – Quandt (2005, S. 89) bezeichnet diese als „Handlungstypik“ – mit dem inkorporierten Wissen, dem Habitus, mit den Artefakten (wenn vorhanden), mit den (weiteren) Ressourcen bzw. dem Kapital der involvierten Akteur*innen
2.3 Soziale Praktiken (und Handlungen)
49
und den greifenden Regeln der Legitimation und Sinnkonstitution ergibt zusammen die Elemente, die essenziell für die Bestimmung sozialer Praktiken sind. Abbildung 2.2 illustriert die aus diesen Ausführungen folgenden Komponenten einer sozialen Praktik.
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 2.2 Komponenten einer sozialen Praktik
Die Darstellung repräsentiert eine rein analytische Differenzierung von Elementen, weil diese in Wirklichkeit miteinander verwoben sind und sich gegenseitig bedingen. Dies gilt für die Elemente innerhalb des Hexagons. Sie können analytisch in Materialität und Immaterialität respektive Geist, in inkorporierte und objektivierte Sozialität differenziert werden. Das heißt, man kann durchaus versuchen, die Elemente jeweils als Eigenschaften einer Person und als Eigenschaften der sozialen Umgebung analytisch zu erfassen. Der Habitus ist aber nie (nur) Eigenschaft des Menschen, sondern inkorporiert beispielsweise kognitive Ordnung als interpretative Schemata. Kapital bzw. Ressourcen sind nie bloße Eigenschaften der Außenwelt – beispielsweise als Artefakte – sondern auch „Eigenschaften“ einer Person, inkorporiertes Kapital und damit Teil des Habitus. Sogleich bestimmen die Ressourcen mit, welcher Habitus als Schemata des Denkens, Wahrnehmens und Handelns sich überhaupt ausbilden. Selbstredend sind Schemata des Denkens auch an den Regeln, den Normen orientiert (ihr Produkt und ihre Zielgröße), wenngleich nicht explizit. So ist auch das, was Schatzki als Aufgabe und Projekt beschreibt, nicht bloß eine Charakterisierung des Kontexts und damit der Praktik als solche, sondern ergibt sich immer auch aus spezifischen
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
interpretativen Schemata und Normen, aus impliziten Regeln angemessenen Handelns, angemessener Aufgabenerfüllung. Die Schemata des Habitus bringen diese Aufgaben und Projekte erst hervor, werden von diesen aber auch geprägt und überhaupt erst konstituiert. Praxistheoretisch nicht gänzlich korrekt, weil dies eine Trennung beider Ebenen impliziert, könnte man vereinfacht davon sprechen, dass sich Habitus und Kontext aufeinander abstimmen. Eine als einzelne Handlung identifizierte Aktivität kann in Verbindung mit diesen Elementen bereits eine eigene soziale Praktik ergeben. Zu betonen ist an dieser Stelle noch einmal, dass sowohl ‚Handlung‘ als auch ‚soziale Praktik‘ rein analytische „Beobachterkonstrukt[e]“ (Quandt 2005, S. 83) darstellen, deren Identifikation schon allein dadurch erschwert wird, dass sie als solche nur durch ihre Einbettung in soziale Praktiken und soziale Praxis bzw. Handeln als Fluss erkennbar sind. Praktiken sind das analytische Element routinisierten respektive habitualisierten Handelns: In einer Betrachtung der Performativität von Praktiken kann man daher nur von Praxis sprechen statt von einer Praktik. Letztlich können Handlungen (eine) Praktik(en) ergeben, aber diese Praktiken sind erst in der Reflexion des Kontextes als solche analytisch bestimmbar, weil erst im Verlauf oder gar im Nachgang klar wird, wo eine Handlung andockt, wohin sie führt und zu welchem Komplex routinisierten Verhaltens sie gehört. Zugleich legen das Erkenntnisinteresse eines*einer Forschenden, der Untersuchungsgegenstand und die Analyseebene einen groben Rahmen dafür fest, wie groß (im Sinne einer räumlichen, zeitlichen und sachlichen Ausdehnung) bzw. klein einzelne Praktiken sind. „Für Strategieprozessforscher ist ‚ein Meeting veranstalten‘ eine Praktik, während für Konversationsforscher ‚ein Räuspern‘ eine Praktik sein kann.“ (von Arx 2008, S. 40) Der Begriff ist qua definitionem unscharf, dadurch aber flexibel anwendbar. Ganz im Sinne einer (von Bourdieu inspirierten) praxeologischen Vorgehensweise ist es am Ende die Empirie, die darüber entscheidet, was eine einzelne Praktik ist. Unterschiede in der festgelegten bzw. ermittelten Größe einer einzelnen Praktik beeinträchtigen die Validität einer Untersuchung nicht, da letztlich der Zusammenhang, in den eine Praktik eingebettet ist, das Entscheidende ist. Diese Betonung des Praxiszusammenhangs ist jenes Charakteristikum einer praxistheoretischen Sozialanalyse, das den Unterschied zur Handlungstheorie markiert (vgl. Reckwitz 2003, S. 294), weil sie das Soziale damit dem Handeln der Einzelperson enthebt.
2.4 Institutionalisierung und Organisation
2.4
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Institutionalisierung und Organisation
Wenn es darum geht, soziale Praktiken zu beschreiben, die ein bestimmtes organisationales Feld konstituieren, dann muss beleuchtet werden, wie Aspekte der Institutionalisierung und der Organisation über die Praxistheorie beschrieben werden (können). Der praxeologische Blick zeichnet sich dadurch aus, dass er „statt rationalistischer Entscheidungskonstellationen von Individuen kontinuierlich-rekursive Verhaltensroutinen für den Organisationsalltag [als, Anm. d. Verf.] paradigmatisch“ (Reckwitz 2003, S. 285) erachtet. Damit stehen nicht explizite institutionelle Normen, sondern vielmehr die auch diese Normen verarbeitenden informellen Praktiken und die Interpretationsarbeit der Organisationsmitglieder im Fokus (vgl. ebd.). Der informelle und interpretative Charakter des organisationalen Praxisvollzugs mag das Bild einer instabilen Organisation vermitteln, tut gerade dies jedoch nicht. Er hebt lediglich die Variabilität und Heterogenität sowie punktuelle Widersprüchlichkeit (manchmal stehen bestimmte Anforderungen einander unvereinbar gegenüber) der Praxis hervor (vgl. ebd., S. 295). Dies liegt auch in den Organisationsmitgliedern mit ihren individuellen Profilen begründet und hebt damit die Bedeutung der Organisationsmitglieder für eine Organisation und für die Ausformung der Organisationspraxis hervor. Organisationen sind dennoch zwar nicht unveränderbar, aber stabil. Organisationen sind spezifizierbare übergeordnete Praxiszusammenhänge, die über die basale Routinisierung hinaus eine raumzeitliche Ausdehnung (als Institutionalisierung) und eine spezifische Regelhaftigkeit aufweisen. Das heißt, diese Praxiskomplexe sind an spezifische Spielregeln gekoppelt und in spezifischen Ressourcenkomplexen fundiert. Dieses Argument soll über eine Aufschlüsselung der verwendeten Begriffe – Institutionalisierung, Organisation sowie daran gekoppelt Routinisierung und Regelbildung – wie sie in praxistheoretischen Konzepten skizziert und/oder basierend auf diesen hergeleitet werden können, verdeutlicht werden. Ausgangspunkt einer Erörterung von Institutionalisierung und Organisation aus praxistheoretischer Perspektive ist der Begriff der Routine bzw. Routinisierung. Letztere charakterisiert eine Praktik als Praktik (vgl. insbesondere Abschnitt 2.3). Jegliche soziale Praktik ist per se routinisiert, auch wenn sie nicht institutionalisiert ist. Jedoch ist Routinisierung der Startpunkt für Institutionalisierung. Die Routine gemeinsamen Handelns (beispielsweise in einem organisationalen Kontext) mündet in Typisierung und damit in einem ersten Schritt hin zur Institutionalisierung (vgl. Altmeppen 2013, S. 135; von Arx 2008, S. 31). Insbesondere in der Betrachtung eines zusammenhängenden Komplexes sozialer Praxis, wie er ein Feld und damit eine Organisation als Feld (siehe unten) grundlegend definiert, tritt deutlich hervor, wie und dass „der Sozialwelt
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
die basale Eigenschaft der Routinisiertheit zukommt“ (Reckwitz 2003, S. 294). Routine begründet Reproduktion und „Institutionen sind solche nämlich nur kraft ihrer fortwährenden Reproduktion“ (Giddens 1997, S. 111 f.). Institutionalisierte Praktiken sind jene, „die am weitesten in Raum und Zeit ausgreifen“ (ebd., S. 74). Diese raum-zeitliche Ausdehnung von Praktiken speist sich aus ihrer Routinisierung und Regelmäßigkeit. Dennoch darf Routine nicht als soziale Stabilität missinterpretiert werden (vgl. ebd., S. 141). Routinisierung erfasst ein breites Konzept von Musterhaftigkeit, impliziert aber keineswegs Replikation. Es geht um die Frage, wie soziale Ordnung trotz Wandel hergestellt wird (vgl. ebd.) Der Begriff der Institutionalisierung ist konstitutiv für das Verständnis von Organisationen aus praxistheoretischer Perspektive. Institution ist nicht mit Organisation gleichzusetzen, dennoch müssen sie in Relation zueinander bestimmt werden. Die institutionenökonomische Sicht auf beide Begriffe beschreibt Organisationen als Subeinheit von Institutionen (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 81). Dabei erscheinen „Institutionen als ‚Spielregeln‘ […], während Organisationen wichtige ‚Spieler‘ bilden“ (Dogruel 2013, S. 272). Solch einer hierarchisierten Sicht folgend können Organisationen (empirisch) als Beobachtungseinheit einer Institution gefasst werden: Die Analyse von Organisationen gibt Auskunft über Institutionen (vgl. Wooten 2015, S. 376). Tatsächlich ist diese Sichtweise an das praxistheoretische Denken anschlussfähig. Bedeutend ist jedoch, dass die Praxistheorie die rekursive Kopplung beider Einheiten hervorhebt. Mehr noch umrahmt die Institution eine Organisation aus praxistheoretischer Perspektive nicht bloß (vgl. Dogruel 2013, S. 272 f.), sondern durchzieht sie. Altmeppen (2006) verdeutlicht dies in Rückgriff auf Schimanks (1996) Begriff der institutionellen Ordnung, den er strukturationstheoretisch auf mehreren Ebenen zur Organisation verortet: Organisationen können selbst „institutionelle Ordnungen darstellen und zugleich Initiator und Ergebnis institutioneller Ordnungen sein“ (Altmeppen 2006, S. 30). Organisationen übernehmen nicht nur Spielregeln, der auf sie rekursiv wirkenden Institutionen, sondern verfügen auch über eigene Spielregeln, die institutionelle Ordnungen konstituieren und modifizieren können. Institutionen bilden sich in Reaktion auf „wiederholende[.] Handlungsproblem[e]“ (von Arx 2008, S. 31, mit Verweis auf Knoblauch 2005, S. 159) aus. Sie schaffen Ordnung (vgl. Altmeppen 2006, S. 30), weil und indem sie „auf Dauer gestellte, wechselseitig erwartbare Problemlösungen“ (Neuberger 2004, S. 296) darstellen. Jedoch bedürfen institutionelle Ordnungen als Problemlösungen einer Übersetzung, um in einer Organisation adäquate Ordnung herzustellen: Branchenpraktiken werden beispielsweise durch spezifische Produktionsunternehmen in eine eigene Organisationslogik übersetzt und angepasst, weil eine ‚wörtliche‘
2.4 Institutionalisierung und Organisation
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Übersetzung nicht funktionieren würde (vgl. Wooten 2015, S. 376). Organisationen sind schließlich nicht nur in Felder eingebettet, sie lassen sich jeweils auch als eigene Felder fassen (vgl. Bourdieu 2006, S. 209). Eine Organisation als Praxisfeld verfügt über feldspezifische „Konvertierungsregeln“ (Hofbauer 2010, S. 34), die darüber entscheiden, wie Einflüsse von außen verarbeitet werden und was als symbolisches Kapital gilt. Nur, wer über die feldspezifischen „Distinktionswerte bzw. Formen symbolischen Kapitals“ (ebd., S. 32) verfügt, hat Zugang zum Machtfeld, d. h. „‚Führungsfeld‘“ (ebd., S. 33), einer Organisation (vgl. 32 f.). Mit Eintritt ins Feld erfahren Akteur*innen damit auch, was von ihrem Kapital als Organisationskapital gilt (vgl. ebd., S. 34). Durch die Erfahrung, die die Organisationsmitglieder im Feld machen, d. h. „[d]urch die wiederholte praktische Erfahrung des sozialen Raums und seiner Struktur […] verinnerlichen [sie, Anm. d. Verf.] die symbolische Ordnung des Feldes“ (ebd.) und werden damit zu Träger*innen von Dispositionen, die zusammen einen Organisationshabitus bilden (vgl. ebd.). Sowohl das Organisationskapital als auch der Organisationshabitus drücken sich in spezifischen organisationalen Praktiken aus. Aufgrund der rekursiven Kopplung der genannten Elemente ist die Differenzierung jedoch ohnehin eine rein analytische. Organisationale Praktiken bezeichnen das jeweils für eine Organisation typische „Repertoire an Praktiken“ (von Arx 2008, S. 42). Organisationspraktiken sind jene Praxiskomplexe, die die Organisation als solche konstituieren. Organisationen sind folglich „‚soziale Felder‘, in denen Praktiken ‚der Sache nach‘ zusammenhängen und aufeinander abgestimmt sind“ (Reckwitz 2003, S. 295). Die „jeweilige Logik der Handlungspraxis“ (Raabe 2016, S. 349), d. h. der konkrete Vollzug des Handelns in einer Organisation, orientiert sich an den „übergeordneten Praxiszusammenhängen“ (ebd.), die eine Organisation mit ihrer spezifischen Positionierung darstellt. In diesem Sinne zeichnen sich organisationale Praktiken aus durch. „einen dualen Charakter: Auf der einen Seite orientieren sie das Handeln der Akteure als eine Art ‚background knowledge‘, auf der anderen Seite stellen sie die eigentliche Aktivität – die Praktik selbst – dar, welche von einer Vielzahl von Akteuren ausgetragen wird“ (Martin und Hansen 2010, S. 65).
Der Zusammenhang und die Beziehung dieses dualen Charakters der Praxis, wie er sich auch in einer Organisation als eigenem Praxisfeld ausdrückt, wird in Abbildung 2.3 verdeutlicht: Organisationale Praxiskomplexe dienen als implizite Entwürfe sozialer Praxis. Gebrochen durch das habituelle Prisma des einzelnen Organisationsmitglieds – hier wirken persönliche, auch feldexterne und mitunter
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Quelle: adapert von Hellmann 2010, S. 132, 137
Abbildung 2.3 Rekursive Hervorbringung von sozialen Praktiken in Praxiskomplexen
dem Feld entgegengesetzte Dispositionen (vgl. Hofbauer 2010, S. 35) – speist sich die hervorgebrachte Praktik aus dem impliziten Praxisentwurf. Gerade weil sie sich daraus speist, wird sie als zweckmäßige Praktik in einer spezifischen Situation des organisationalen Kontextes hervorgebracht. Dies impliziert sogleich, dass Praktiken stets nur analytisch aus einem Praxiskomplex herauslösbar und nur in ihrer Einbindung in einen Praxiskomplex verstehbar sind: Das Lesen eines Romans als herausgelöste Handlung kann für das Wälzen der schulischen Pflichtliteratur durch einen Schüler stehen, als Romanlektüre eine entspannende Freizeitbeschäftigung darstellen oder aber auf die kritische Begutachtung des Buches für eine filmische Adaption durch eine*n Medienschaffende*n verweisen. Erst im Kontext – und in diesem Beispiel wird auch deutlich, dass damit neben dem eigentlichen ‚doing‘ das Profil der Person, die räumliche Infrastruktur und sonstige konkrete Ressourcen usw. erheblich sind – erschließt sich (für den Beobachter) der Zweck. Der konkrete Praxisvollzug wirkt wiederum rekursiv auf die Praxisentwürfe zurück. Diese rekursive Kopplung lässt sich über die rekursive Verbindung von inkorporierter und objektivierter Sozialität erklären. Tatsächlich reicht die Organisation bzw. Routinisierung von Praktiken – was Schatzki (2002, S. 71, 73) als „organized“ bezeichnet, findet sein Äquivalent in Reckwitz‘ Beschreibungen der Praxis als „routinisiert“ – über die individuelle Ebene hinaus. Das heißt, dass Bedeutungen und Beziehungen von Praktiken untereinander
2.4 Institutionalisierung und Organisation
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laut Schatzki vorrangig über Interaktionen verfestigt werden. Dies ist vor allem für Organisationen als kollektive Praxis anzunehmen (vgl. Ortmann et al. 2000, S. 318). Martin und Hansen (2010) charakterisieren die beiden Ebenen von Praxisentwurf und Praxisvollzug in Rückgriff auf Feldman und Pentland (2003) als ‚ostensiv‘ und ‚performativ‘ und rücken dabei den Routinebegriff in den Fokus. Die beiden Facetten organisationaler Praktiken sind in diesem Sinne „ostensive und performative Bestandteile von Routine“ (Martin und Hansen 2010, S. 65). Der ostensive Aspekt bezieht sich auf den Idealtypus der Routine, während der performative Aspekt die tatsächlich ausgeführte Routine bezeichnet (vgl. ebd.). „Der Routinecharakter […] des Alltagslebens […] ‚ereignet sich‘ nicht einfach. Er ‚wird‘ vielmehr durch die Formen der reflexiven Steuerung des Handelns […] ‚vollzogen‘.“ (Giddens 1997, S. 116). Wer in der Organisation als Organisationsmitglied handelt, reproduziert die Organisation, selbst wenn er sie irritiert, ein Stück weit verändert, den Organisationsprinzipien zuwiderhandelt. Eine Praktik ‚hält es aus‘, in ihrem Muster gestört zu werden (vgl. Schatzki 2001b, S. 49). Schließlich ist diese Zuwiderhandlung nur eine solche, weil sie sich an spezifischen Organisationsprinzipien reibt und ihr Bestehen damit voraussetzt und bestätigt. Natürlich ist nicht alles, was ich in einer Organisation tue, organisationale Praxis. Wer Regeln und Ressourcen in erheblichem Ausmaß in Frage stellt oder gar zerstört, disqualifiziert sich als Organisationsmitglied. Organisation ist ein Rahmen, in dem Bewegung möglich ist, aber nicht grenzenlos. Zu berücksichtigen ist auch, dass auch und gerade in einer Organisation als Komplex kollektiver Praxis unintendierte Handlungsfolgen und transintentionale Effekte wahrscheinlich sind (vgl. Ortmann et al. 2000, S. 318; Schimank 2007, S. 125). Der obigen Argumentation folgend, lässt sich eine Organisation als spezifisches Feld und damit als spezifischer institutionalisierter Praxiskomplex, in dem sich Handeln und Struktur, Habitus und Feld simultan ausdrücken, skizzieren. Die Rekursivität der praxistheoretischen Sichtweise bildet beide Facetten des Organisationsbegriffs als ‚Organisiertheit‘ und ‚Organisieren‘ adäquat ab (vgl. Ortmann et al. 2000, S. 315). Unscharf bleibt in dieser Betrachtung, wo und wie sich der Unterschied zwischen einem organisationalen und einem organisationsübergreifenden Feld zeichnen lässt. Tatsächlich erscheinen Organisationen im Vergleich zu organisationsübergreifenden, institutionalisierten Feldern als abgrenzbare, bewusst konzipierte Einheiten mit einem eindeutig explizierten Ziel (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 80). Einer praxistheoretischen Sichtweise folgend ist es essenziell, die Rolle des Impliziten auch in der organisationalen Praxis zu berücksichtigen: Der Bourdieu‘schen Sichtweise folgend ist der Organisationshabitus vorrangig an implizites Wissen koppelt (vgl. Hofbauer 2010, S. 34)
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und das Erlernen organisationaler Praktiken auch als unbewusste Imitation konzipiert (vgl. Sieweke 2014, S. 32 f.). Dennoch ist für diese Arbeit die Konzeption von Organisation als reflexive Strukturation (vgl. Ortmann et al. 2000) besonders fruchtbar, weil sie verdeutlicht, warum und wie wesentliche Elemente organisationaler Praxis methodisch tatsächlich auf diskursiver Ebene gefasst werden können. Ortmann et al. (2000) argumentieren, dass die Organisation als Einheit nicht bloß – wie jede Struktur im Sinne der Strukturation – in einer Strukturdualität besteht, die Handeln und Struktur zirkulär koppelt. Organisation ist vielmehr diese wechselseitige Beziehung ergänzt durch die Reflexion eben dieser Beziehung: „[…] [W]enn wir zu stutzen und zu fragen beginnen – ‚Was wiederholt sich da eigentlich? Das gibt es doch ein Muster […]‘ – und Strukturation reflektiert praktizieren, dann wird aus Strukturation – in nuce – Organisation. Organisation ist Strukturation, die ihre Naivität, ihre Naturwüchsigkeit, ihre Unschuld verloren hat – reflexive Strukturation.“ (Ortmann et al. 2000, S. 315).
Damit wird das Verständnis von Reflexivität (vgl. Abschnitt 2.2.2) auf die organisationale Ebene gehoben und zugleich institutionalisiert: „In Organisationen ist Reflexivität institutionalisiert, nämlich die Reflexion auf die Strukturation kollektiven Handelns – was nicht heißen soll, dass sie ein Ausbund an Rationalität wären.“ (Ortmann et al. 2000, S. 322, Herv. i. O.) Damit sind nicht nur die Praktiken einer Organisation, sondern auch der reflexive Mechanismus der Praxishervorbringung institutionalisiert, d. h. räumlich und zeitlich auf Dauer gestellt. Giddens selbst spezifiziert Organisationen über die reflexive Selbststeuerung (vgl. Giddens 1997, S. 256). Diese reflexive Selbststeuerung meint den Rückkopplungseffekt, der vom Wissen der Akteur*innen um die Reproduktionsmechanismen des eigenen Feldes beeinflusst wird (vgl. ebd., S. 431). Die Reflexivität auf organisationaler Ebene kann durchaus dazu führen, dass sich die Reproduktionsmechanismen in explizierten Regelwerken (als Interpretationen (!) der Spielregeln, vgl. Giddens 1997, S. 73) niederschlagen, weil die reflexive Selbststeuerung einer Organisation ganz wesentlich „von der Aufarbeitung von Informationen“ (ebd., S. 256) abhängt – diese Informationsaufarbeitung dient der „Sicherung der Einflussnahme auf die Bedingungen der sozialen Reproduktion“ (ebd.). Daher ist auch die Speicherung von Information wichtig. Dieser Argumentation folgend ließen sich Organisationsrollen bzw. die Spezifizierung dieser Organisationsrollen als eine indirekte Form der Informationsspeicherung und -weitergabe beschreiben, weil eine Rolle mit spezifischen Aufgaben, Einflechtungen in die Organisation und Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten
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verbunden ist. Organisationsrollen implizieren damit nicht nur eindeutig definierte interne Positionierungen (vgl. ebd., S. 260), die an die Rolleninhaber*innen spezifische Rechte und Pflichten als Rollenerwartungen koppeln (vgl. ebd., S. 138). Organisationsrollen speichern zugleich Wissen um die organisationalen Reproduktionsmechanismen. Dieses Wissen hat in erheblichem Maße impliziten Charakter. Vor dem Hintergrund der Konzeption einer Organisation als reflexive Strukturation ist jedoch davon auszugehen, dass das Wissen hier in besonderem Maße auch explizierbar ist. Menschen sind nicht nur in der Lage, ihr Handeln mittels Reflexivität zu steuern, sondern verfügen auch über die Fähigkeit, „auf der Ebene diskursiven Wissens […], ‚diese Steuerung zu steuern‘“ (ebd., S. 82). Folglich ist das diskursiv verfügbare Wissen über das Handeln im Unternehmen und die Prozessabläufe in Unternehmen jenes, welches die Organisation als reflexive Strukturation im Kern und als Gerüst (wenn auch nicht ausschließlich) konstituiert. Wie eine Organisation funktioniert, kann folglich in bedeutendem Maße erfragt werden. Die Bedeutung des Impliziten bleibt davon unberührt. Die Hervorhebung der Reflexivität in der Betrachtung einer Organisation als reflexive Strukturation betont die Regelhaftigkeit sozialer Praxis. Reflexivität impliziert die Verarbeitung von Regeln des Handelns (vgl. Quandt 2005, S. 108). Damit multipliziert ein organisationaler Kontext die Verarbeitung der Regelhaftigkeit. Regeln, Regelmäßigkeiten und Regelhaftigkeit spielen in der praxistheoretischen Sichtweise eine bedeutende Rolle (vgl. Abschnitt 2.2.1, 2.2.2 und 2.3). Grundlegend definiert beschreiben sie „Verfahrensweisen des Handelns, Aspekte der Praxis“ (Giddens 1997, S. 73, Herv. i. O.). Regeln des gesellschaftlichen Lebens sind „Techniken oder verallgemeinerbare Verfahren […], die in der Ausführung/Reproduktion sozialer Praktiken angewendet werden“ (ebd.). Giddens hat Regeln (wie in Abschnitt 2.2.2 beschrieben) über eine Differenzierung als Regeln der Sinnkonstitution und Legitimation spezifiziert, die sich in feldspezifischen Strukturierungsmodalitäten meist in Kombination ausdrücken. Der Regelbegriff ist damit facettenreich und keineswegs auf explizierbare Regeln zu reduzieren. Genauso entspricht Routinehandeln nicht automatisch einer Regel. Die Wiederholung und Wiederholbarkeit von Handlungen ist jedoch gerade für organisationale Prozesse von Bedeutung. Quandt definiert Regeln daher auf strukturationstheoretischer Grundlage als ein überindividuelles Muster des Handelns, gar als Moment und Ergebnis eines „‚Erstarren[s]‘ des Zyklus von Handeln und Regeln/Ressourcen“ (Quandt 2005, S. 109), womit er explizit meint: „[E]s werden keine Regelveränderungen hervorgebracht, die Strukturen bleiben erhalten, es werden immer wieder dieselben Handlungen repliziert.“ (Ebd.) Für solch ein Erstarren, d. h. dafür, dass sich Regeln bilden, sind eine hohe Quantität und Qualität angewandter Muster oder aber ein in der Arbeitsstruktur begründeter
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
Regelungsbedarf entscheidend (vgl. Quandt 2002, S. 242, 2005, S. 109). Mit dem Ziel, bloße Handlungswiederholung von Handlungsregeln zu unterscheiden, differenziert Quandt zwischen Mustern, Schemata und Regeln: „Als Muster sei eine wiederkehrende Folge von Handlungs- bzw. Elementsequenzen und -assoziationen zu verstehen. Schemata sind individuelle, dauerhafte Muster mit hoher Erwartbarkeit. Sie sind einzelnen Individuen zurechenbar. Regeln sind überindividuell, dauerhafte Muster mit hoher Erwartbarkeit. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht einzelnen Individuen zurechenbar sind, sondern für mehrere Individuen Geltung erlangen.“ (Quandt 2005, S. 110).
Der Schema-Begriff verdeutlicht, was dem Individuum zuzuordnen ist: Individuen zeigen Schemata, wenn sie häufig nach bestimmten Mustern handeln. Wenn viele Akteur*innen diese Schemata teilen, dann werden diese zu Regeln. Dieser Schema-Begriff ist durchaus mit jenem vereinbar, der einer Spezifizierung des Habitus entspricht. Schließlich sind die Schemata des Habitus inkorporierte Sozialität. Schemata eines Organisationshabitus haben folglich den Charakter von Regeln im Sinne Quandts. Strategien und strategisches Handeln in Organisationen Im Kontext der Organisationsanalyse hat die Managementforschung Strategien aus praxistheoretischer Perspektive in den Blick genommen. Der Strategy-asPractice-Ansatz (vgl. z. B. Golsorkhi et al. 2010a; Jarzabkowski 2005; Johnson et al. 2007; Whittington 2011) macht den Blick auf den Vollzug organisationaler Praxis durch menschliches Handeln für eine Betrachtung von Strategieentwicklung und vor allem Strategievollzug fruchtbar. Er schaut sich Strategien als Tun, als ‚doing’ an (daher spricht er auch von strategizing statt von strategy). Zumeist nur implizit adaptiert er dabei auch die Perspektive auf Strategie und strategisches Handeln, wie sie bei den Praxistheoretikern selbst zugrunde gelegt wird. Grundsätzlich ist die lineare Umsetzung von Plänen im Sinne eines strategischen Managements in einer Organisation aus praxistheoretischer Perspektive unwahrscheinlich. Grund dafür sind nicht nur die transintentionalen Effekte, die das menschliche Handeln grundsätzlich durchziehen (vgl. Schimank 2007, S. 125) und kollektives Handeln, wie oben benannt, besonders charakterisieren. Lineare Strategieumsetzung durch einzelne Organisationsmitglieder ist kaum denkbar, weil die Intention und damit auch die Normativität des Handelns in den Praktiken und nicht im Subjekt verortet ist: „[…] [D]ie ‚Normativität‘ des Handelns kann praxeologisch nicht als ‚handlungsanleitende Sollens-Regeln‘ verstanden werden. Nur innerhalb des weit über Normen
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hinausgehenden praktischen Wissens können auch implizite normative Kriterien im Sinne eines sozial ‚angemessenen‘ Praktizierens wirksam werden.“ (Reckwitz 2003, S. 293).
Die „wissensabhängige Routinisiertheit“ (ebd.) leitet das Handeln. Dies bedeutet sogleich, dass strategisches Handeln in praxistheoretischer Diktion von individueller Intention entbunden, jedoch keineswegs willkürlich ist und daher auch nicht gänzlich an den Zielen, die eine Organisation verfolgt, vorbeiführt (vgl. Whittington 2011, S. 183). Das praktische Wissen, das die Praxis wesentlich anleitet, begründet ihre Angemessenheit. In Bourdieu’scher Sichtweise „[…] leitet der praktische Sinn ‚Entscheidungen‘, die zwar nicht überlegt, doch durchaus systematisch, und zwar nicht zweckgerichtet sind, aber rückblickend durchaus zweckmäßig erscheinen“ (Bourdieu 1993b, S. 122). Strategie ist nicht rational kalkuliert: Vielmehr generiert der Habitus strategische Praxis. Der Habitus erzeugt Praxisformen, die ‚objektiven Sinn‘ ausstrahlen ohne ‚subjektive Intention‘ einzuschließen (vgl. Bourdieu 1993b, 115 f.). Er ermöglicht Handlungen „die objektiv wie Strategien organisiert sind, ohne das Ergebnis einer echten strategischen Absicht zu sein“ (Bourdieu 1993b, S. 116; vgl. auch Meier 2004, S. 61). Die Dispositionen, die ein Feld produziert, und das „System objektiver Möglichkeiten“ (Bourdieu 2001, S. 361), die ein Feld aufspannt, legt den Akteur*innen bestimmte Strategien nahe. Das heißt: Strategien ergeben sich aus „der immanenten Logik des Spiels“ (ebd.). Dabei meint der Begriff der Strategien die für das Feld legitime und auf der spezifischen Illusio des Feldes gründende Art und Weise, Wünsche zu verwirklichen (vgl. ebd.). Vereinfacht gesagt sind Strategien im Bourdieu’schen Sinne feldadäquate Praktiken. Dies begründet, warum emergente Strategien auch tatsächlich als Strategien (in einem allgemeinsprachlichen Verständnis, d. h. verknüpft mit der Idee von spezifischer Zielverfolgung) wahrgenommen werden können. Strategien erscheinen in solch einer Konzeption als legitimer, als „elegant and disinterested“ (Krämer 2013, S. 203), weil ihnen die offenkundige strategische Intention fehlt (vgl. ebd.). Der Begriff des strategischen Handelns hat damit in der praxistheoretischen Betrachtung eine viel umfassendere Gültigkeit als der Strategiebegriff, wie er traditionell in der Managementforschung Anwendung findet. Strategie bzw. strategisches Management wird auch hier nicht eindeutig, sondern divergierend und mehrdimensional definiert, verweist im Kern jedoch auf jene Organisationsentscheidungen, die die dauerhafte Fähigkeit zur Leistungserfüllung und eine langfristige Ausrichtung der Organisationmitglieder auf ein bestimmtes Ziel begründen (vgl. Schaal 2010, S. 54 f.). Strategie ist die Begründung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit über ein Profil, das sich vom Mitwettbewerber
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2
Praxistheoretische Anlage der Arbeit
abhebt (vgl. Porter 1996). Tatsächlich ist es dieses klassische Konzept von Strategien, zu dem die Strategy-as-Practice-Forschung Anknüpfungspunkte sucht, um ihre Anschlussfähigkeit an den bestehenden Korpus der Managementlehre und forschung zu gewährleisten7 – Golsorkhi et al. (2010b, S. 12) kritisieren, dass die Einordnung in das bestehende Forschungsfeld noch mangelhaft sei – und um schlichtweg auch für das strategische Unternehmensmanagement relevante Aussagen generieren zu können (vgl. Jarzabkowski et al. 2007, S. 14, 18). Die Adoption einer praxistheoretischen Denke für die Managementforschung erfolgt demnach auf dem Wege, dass die Frage nach unternehmerischer Strategieerfüllung auf Ebene des Praxisvollzugs durch individuelle Organisationsmitglieder diskutiert wird. Die Praxistheorie erkennt die Leistung (und Bemühungen) der Organisationsmitglieder an – auch, wenn sie nicht in einer (vollständigen) Erfüllung strategischer Zielen münden: „Somewhere in between the poles of system imperatives and Sisyphean futility, there are actors doing their best with what they have.“ (Whittington 2011, S. 184) Dieser Gedanke ist insbesondere für eine Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus organisationalen Kontexten in die (Management-)Praxis von Bedeutung: Führungskräfte und Vorgesetzte müssen verstehen, dass Strategieumsetzung aufgrund der Offenheit und Variabilität der Praxis (vgl. Reckwitz 2003, S. 294 ff.; vgl. auch Abschnitt 2.1) nicht eins zu eins möglich ist. Hinzu kommt ein modifizierter Fokus auf jene Personen und Gruppen, die Strategie tatsächlich prägen und ‚ausüben‘. Die traditionelle Sichtweise von Strategie als einem Top-Down-Prozess und die damit einhergehende Konzentration der Strategieforschung auf das Top-Management greift einer praxistheoretischen Perspektive folgend zu kurz: Die Praxistheorie nimmt eine größere Gruppe von Akteur*innen als strategisch agierend in den Blick (vgl. Jarzabkowski et al. 2007, S. 11 f.). Damit geraten insbesondere, aber nicht nur, das mittlere Management sowie weitere Mitarbeiter*innen in den Fokus (vgl. ebd., S. 12). Dies liegt in einem veränderten Blick des Strategy-as-Practice-Ansatzes auf Strategie begründet: Strategie erscheint nicht mehr als statisch, sondern als ein fließender Sachverhalt. Sie kann nicht mehr auf der organisationalen Ebene ‚lokalisiert‘ werden, vielmehr ‚verteilt‘ sie sich auf verschiedene Ebenen (Mikrowie auch Meso) und wird als soziale Realität (re)konstituiert durch die Interaktionen interner und externer Akteur*innen (vgl. Golsorkhi et al. 2010b, S. 7). Der potenziell emergente Charakter von Strategien rückt damit in den Fokus. 7
Zu berücksichtige ist hier, dass die Strategy-as-Practice-Forschung, wie der gemeinsame Name ggfs. vermuten ließe, keine einheitliche Forschungsrichtung mit homogegen Theorieansätzen. Die Diversität praxistheoretischer Ansätze findet sich auch in diesem spezifischen Forschungsfeld wieder.
2.4 Institutionalisierung und Organisation
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Die Gemeinsamkeit praxistheoretisch informierter Strategieforschung liegt folglich darin, Strategie als dynamisches Konzept zu fassen und im Tun vieler, wenn nicht gar aller Organisationsmitglieder und damit auf der Ebene des Individuums und nicht des Unternehmens zu verorten. Je tiefer die praxistheoretische Denke greift und je konsequenter die Sichtweise auf strategisches Handeln, desto problematischer erscheint jedoch die methodologische Umsetzung – insofern Organisationspraxis mit eingegrenztem Blick auf (im engeren Sinne) strategisch relevantes Handeln untersucht werden soll. Jarzabkowski et al. (2007) reflektieren dieses Problem, wenn sie Strategie definieren als „a situated, socially accomplished activity, while strategizing comprises those actions, interactions and negotiations of multiple actors and the situated practices that they draw upon in accomplishing that activity“ (ebd., S. 7 f.) und sogleich darauf verweisen, dass solch eine breite Definition jegliche Art sozialer Aktivitäten umfasst, „to the extent that it is difficult to determine what activity is not strategic“ (ebd., S. 8). Sie versuchen die Frage, wie eine strategische von einer nicht strategischen Aktivität (und damit strategische von nicht strategischen Praktiken) unterschieden werden kann, über den Einbezug grundsätzlich strategischer Praktiken zu beantworten. Strategisch sind folglich jene Aktivitäten, die innerhalb von als strategisch verstanden Handlungskomplexen stattfinden, „such as strategic planning, annual reviews, strategy workshops and their associated discourses […]“ (ebd.). Das Problem dieser Definition ist eines, mit dem auch die Untersuchung ‚kreativer‘ Praktiken kämpfen muss, wenn sie – wie es Krämer (2012, 2014) tut – kreative Praktiken allein in jenen Tätigkeitskomplexen verortet, die im Vorfeld als kreativ qualifiziert werden. Praktiken außerhalb dieser Tätigkeitskomplexe, die kreativ, oder – um beim Thema dieses Kapitels zu bleiben – strategisch (relevant) sind, rücken aus dem Fokus. Jarzabkowski et al. (2007) behelfen sich, indem sie ihren Blick für jedes Handeln öffnen. „that it is consequential for the strategic outcomes, directions, survival and competitive advantage of the firm (Johnson et al., 2003), even where these consequences are not part of an intended and formally articulated strategy“ (Jarzabkowski et al. 2007, S. 8).
Inwieweit sich Strategie in solch einer Konzeption wirklich empirisch fassen lässt, bleibt offen (vgl. Abschnitt 7.2). Für das Thema dieser Arbeit bleibt aber festzuhalten, dass eine praxistheoretische Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion vermittels der Strategy-As-Practice-Perspektive Anknüpfungspunkte zur Strategie- und Managementforschung schafft. Diese Anknüpfungsfähigkeit ist wiederum wertvoll, wenn man die Bedeutung von Kreativität für die Strategiebildung hervorheben will. Kreativität wird als Strategie und insbesondere als
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Praxistheoretische Anlage der Arbeit
strategische Ressource diskutiert (vgl. Abschnitt 4.3.3). Folgt man einer streng praxistheoretischen Perspektive auf den Begriff strategischen Handelns, so hat wiederum jegliche kreative Praxis potenziell strategischen Charakter. Darüber lässt sich eine Verbindungslinie zwischen Analysen kreativer und strategischer Praxis ziehen, die eine klassische, rein ökonomische Sichtweise auf Strategie und damit implizit auch eine ökonomisierte Sichtweise auf Kreativität als Strategie (vgl. Abschnitt 4.3) überwinden.
3
Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung für das Fernsehen
Die Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion setzt eine Bestimmung des Gegenstandes und der ihn bestimmenden Begriffe voraus. Im Folgenden werden daher die wesentlichen Forschungsstränge zur (Fernseh-)Unterhaltung kurz skizziert, um darauf aufbauend eine Definition von Fernsehunterhaltung, der diese Untersuchung analytisch folgt, ebenso wie zentrale Begriffe zur Differenzierung von Fernsehunterhaltungsinhalten zu spezifizieren (vgl. Abschnitt 3.1). Die Beschreibung der Ökonomie und Organisation der Fernseh(unterhaltungs)produktion (vgl. Abschnitt 3.2) wiederum legt die zentralen Strukturen dieses Praxisfeldes dar und erlaubt es folglich, den Gegenstand genauer zu fassen (vgl. Abschnitt 3.3). Zugleich ist es auf Basis dieser volksund betriebswirtschaftlichen Skizze der Feldstrukturen überhaupt erst möglich, vollständig zu verstehen, warum, wo und wie Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion eine Rolle spielt. Zahlreiche hier nur kurz angesprochene Aspekte werden daher in Kapitel 5 aufgegriffen und vor dem Hintergrund des Kreativitätsthemas noch detaillierter behandelt.
3.1
(Fernseh-)Unterhaltung
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Unterhaltungsbegriff erfolgt grundsätzlich aus drei Perspektiven (vgl. Siegert et al. 2009, S. 10; von Rimscha und Siegert 2008, S. 15 f.; Wünsch 2002, S. 37): Demnach wird Unterhaltung als ein Merkmal bzw. eine Ausprägung der (1) Medienrezeption und/oder ein Merkmal des (2) Medienangebots definiert. Daneben steht – folgt man, wie von Rimscha und Siegert (2008, S. 16) es vorschlagen, einer Differenzierung der Forschungsfelder entlang der medialen Wertschöpfungskette – die Analyse der © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_3
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Unterhaltung aus der (3) Produzent*innenperspektive, d. h. die Unterhaltungsforschung als Erforschung der Unterhaltungsproduktion. Letztere Perspektive fasst Wünsch (2002) allgemeiner als Definition von „Unterhaltung aus einer sozialen Perspektive“ (ebd., S. 37). Abgeleitet vom Fokus auf den Erstellungsprozess und auf die an diesem beteiligten Kommunikator*innen sprechen Siegert et al. (2009, S. 10) wiederum spezifischer von kommunikatorbezogenen Ansätzen neben subjekt- und objektbezogenen Ansätzen. Unterhaltung lässt sich folglich definieren in Rückgriff auf drei Elemente: Subjekt, Objekt und Kommunikator*in. Was Unterhaltung letztlich ist, lasse sich daher über Befragungen von Publika (Subjektbezug), über inhaltliche Differenzierungen wie Genres (Objektbezug) oder aber die Intention der Produzent*innen (Kommunikator*innenbezug) fassen (vgl. ebd.). Letzterer Aspekt, d. h. die Intention der Produzent*innen, ihr Selbstverständnis und Profil ist in dieser Arbeit wichtiges Element in der Analyse von Unterhaltungssendungen (vgl. Abschnitt 5.3.1). Die Produktionsperspektive auf Unterhaltung darf und kann jedoch – wie die weiteren Ausführungen zeigen werden – keineswegs auf die Intention der Kommunikator*innen reduziert werden. Hinzu kommt, dass der Begriff der Intention vor dem Hintergrund der theoretischen Prämissen dieser Arbeit von den Personen entkoppelt auf die Ebene der Praxis verlagert werden muss (vgl. Abschnitt 2.3., auch Abschnitt 2.2.2). Die drei Perspektiven sollen im Folgenden kurz skizziert werden. Zu berücksichtigen ist dabei ihre Interdependenz. Die Wahl der Perspektive bestimmt den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung, kann die beiden anderen Perspektiven jedoch nie ausschließen, da sie stets zumindest implizit wirken. (1) Unterhaltung als Merkmal der Medienrezeption Die Analyse der Unterhaltung aus Perspektive der Rezeptions- und Wirkungsforschung fokussiert nicht auf das Merkmal des Programmangebots selbst (siehe Punkt (2)), sondern vielmehr auf das „Angebotspotenzial“ bzw. „eine spezifische Wirkung eines Angebots“ (Schramm 2014, S. 39). Zahlreiche theoretische Ansätze verstehen Unterhaltung – wie Wünsch (2002) zusammenfassend skizziert – „als eine (Begleit-)Erscheinung der Rezeption […], welche für das Individuum eine Funktion erfüllt, ein Bedürfnis befriedigt oder ihn als Menschen ausmacht“ (ebd., S. 27). Unterhaltung wird folglich über anthropologische, emotions- und erregungspsychologische, motivationale und erlebnisorientierte Ansätze gefasst (für weitere zusammenfassende Skizzierungen vgl. z. B. Bosshart und Macconi 1998; Früh und Wünsch 2007; Vorderer 2001). Es handelt sich dabei um individuums- respektive subjektbezogene Definitionsansätze (vgl. Wünsch 2002, S. 37; Siegert et al. 2009, S. 19), die sich mitunter gar nicht explizit mit Unterhaltung, sondern mit damit in Zusammenhang gebrachten Phänomenen
3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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beschäftigen (vgl. Wünsch 2002, S. 42). Ob ein*e Rezipient*in ein Medienangebot als unterhaltend wahrnimmt und wie sich dieses Unterhaltungserleben physisch und psychisch darstellt, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch (vgl. Schramm 2014: 39). Grundsätzlich erleben Mediennutzer*innen Unterhaltung dabei in unterschiedlichen Facetten: beispielsweise als Entspannung und Vergnügen gleichermaßen (vgl. Bosshart 2014, S. 23); als Erleben von Nachdenklichkeit gegenüber einem reinen Genusserleben (vgl. Zillich 2014, 20); als lustiges, angenehmes, aufregendes, interessantes, aktivierendes, herausforderndes etc. Angebot (vgl. Schramm 2014, S. 39). Die perspektivische Vielfalt hat Früh zur Entwicklung einer triadischdynamischen Unterhaltungstheorie veranlasst (vgl. Früh 2003a, 2003b), die vorhandene Theorien zur Unterhaltung integriert, Unterhaltung aus ihrem dichotomen Verhältnis zur Information löst (vgl. Früh und Wünsch 2007, S. 44) und die Interdependenz der Dimensionen Person, Medium und Situation für eine Analyse von Unterhaltung betont (vgl. Früh 2003a, S. 18). Unterhaltung als Rezeptionskategorie und Unterhaltung als (formal und inhaltlich definierbare) Merkmale von Unterhaltungssendungen sind interdependente Faktoren. Über die Gestaltung der inhaltlichen Merkmale (beispielsweise über die Benennung von Sendungen als Unterhaltung, vgl. Früh 2003a, S. 20) determinieren mittelbar auch die Kommunikator*innen die Unterhaltungsrezeption. Auch, wenn selbst jene, die Unterhaltung als Inhaltskategorie erforschen, kritisch bemerken, dass Unterhaltung eigentlich eine Rezeptionskategorie sei (vgl. Trebbe 2008, S. 90), so ist aus Perspektive der Rezeptionsforschung davon auszugehen, dass als Unterhaltung deklarierte Sendungen häufiger in einer Meta-Emotion der Unterhaltung münden als Informationsangebote (vgl. Schramm 2008, S. 112). Dabei resultieren unterschiedliche unterhaltende Sendungen aber auch in unterschiedlichen Arten des Unterhaltungserlebens (vgl. Bosshart 1994, S. 29 ff.; Zillich 2014, S. 20 f.). (2) Unterhaltung als Merkmal des Medienangebots Die Unterhaltungsforschung als Inhaltsforschung fokussiert laut von Rimscha und Siegert (2008, S. 16 f.) einerseits auf einzelne Sendungsgattungen und -genres (vgl. z. B. für einen Überblick über Studien der 90er-Jahre Bosshart und Macconi 1998, S. 19 ff.) und untersucht diese beispielsweise im Hinblick auf die Repräsentation von Gewalt, von spezifischen Stereotypen, Geschlechterrollen etc. Andererseits und auf einer übergeordneten Ebene befasst sie sich mit Programmund Spartenstrukturen der Fernsehsender. Diesen letztgenannten Programmstrukturanalysen geht es schließlich auch darum, Unterhaltungssendungen als solche
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3
Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
zu identifizieren. Der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AFG)1 geht es vordergründig um die – angesichts sich amplifizierender Distributions- und damit auch Nutzungswege immer kompliziertere (vgl. Hofsümmer und Engel 2013; Scharpf 2014) – Messung der Bewegtbild-Nutzungsquoten im Interesse ihrer Gesellschafter (vgl. AGF Videoforschung o. J.a). Die Codierung der Programmstruktur stellt dabei eher einen ökonomischen Interessen folgenden Zusatzaspekt dar (vgl. Gehrau 2001, S. 43; Trebbe 2008, S. 92). Dahingegen zielen (bzw. zielten) die auf rundfunkpolitischen bzw. -rechtlichen Interessen (vgl. Gehrau 2001, S. 45 ff.; Wünsch 2002, S. 40 f.) basierenden Erhebungen für die ARD/ZDFMedienkommission und die von 1998 bis 2018 durchgeführte Programmanalyse der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) auf eine Erfassung der inhaltlichen Senderprofile und auf eine systematische Beobachtung der Programmentwicklung (vgl. Weiß et al. 2019, S. 23; Weiß et al. 2020, S. 226). Der Unterhaltungsbegriff spielt dabei in der grundlegenden Differenzierung des Programmangebots eine zentrale Rolle. Genauer gesagt ging und geht es der Darstellung von Trebbe (2008) folgend dabei primär um die Identifikation jener Inhalte, die nicht als primär unterhaltend gelten. Die Programminhaltsanalysen in Deutschland (vgl. für die aktuellste ARD/ZDF-Programmanalyse Maurer et al. 2021a, 2021b) – aber auch in Österreich (vgl. z. B. Woelke 2010, 2012) und der Schweiz (vgl. z. B. Trebbe et al. 2008; Trebbe et al. 2016) – resultieren aus den rechtlich definierten Aufgaben des öffentlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Diese Regulierung wiederum gründet in den ökonomischen Spezifika des Fernsehens (vgl. folgenden Abschnitt 3.2.1): Die für die demokratische Meinungs- und Willensbildung als besonders wichtig betrachteten Informationsinhalte würden als meritorische Güter (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 141) in zu geringem Maß produziert, wenn sie den Marktmechanismen ausgesetzt würden (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 27). Die Programmforschung soll überprüfen, dass und in welchem Maße der öffentliche bzw. öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Aufgabe, insbesondere Informationsinhalte zu erstellen, nachkommt (vgl. Lischer 2014, S. 38 ff.; Trebbe 2008, S. 98). Der Hauptfokus auf Informations- und Bildungsinhalte hat zur Folge, dass Unterhaltung, obwohl sie in den entsprechenden Gesetzen explizit als Aufgabe von Public Service-Medien benannt wird (vgl. §11 Abs. 1 RStV für Deutschland oder §4 Abs. 1 ORF-G für Österreich), „zu einer Residualkategorie [wird], die übrig bleibt, wenn die
1
Die AFG firmiert mittlerweile unter dem Namen AGF Videoforschung, da sie mit der Verbreiterung ihrer Gesellschafterbasis ihre Reichweitenmessung über das Fernsehangebot auf unterschiedliche Verbreitungsmodi und -wege ausgeweitet hat.
3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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informierenden, kulturellen und bildenden Programm-Elemente identifiziert, kategorisiert und quantifiziert worden sind“ (Trebbe 2008, S. 90). Diese Grundposition hat zwei Implikationen: a. Da Information respektive Journalismus eher als Grundlage demokratisch verfasster Gesellschaften betrachtet wird (vgl. Trebbe 2008, S. 98), widmet sich auch die Forschung stärker diesem als relevanter und reputationsförderlicher wahrgenommenem Forschungsfeld und vernachlässigt die Erforschung von (insbesondere Kommunikator*innen der) Unterhaltung (vgl. von Rimscha und Siegert 2008, S. 10 f.). Während zahlreiche Untersuchungen zur Unterhaltung als Rezeptionskategorie wie auch zur Rezeption von Unterhaltungsangeboten vorliegen, sind Studien zur Produktion (fernseh-)unterhaltender Inhalte vorrangig in den angloamerikanisch geprägten Cultural Studies beheimatet, wenn auch die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft zunehmend den Blick auf die Bedingungen und Mechanismen des Erstellungsprozesses richtet (vgl. dazu auch die einleitenden Anmerkungen in Kapitel 1). b. Das Ziel, die in den Programmaufträgen benannten Elemente Information, Bildung und Unterhaltung separat zu identifizieren, führt dazu, dass Unterhaltung in der Regel in Differenzierung und Distinktion zu Journalismus (oder Information) definiert und analysiert wird (vgl. Altmeppen 2008, S. 29 f.). Generell misslingt der Ansatz, eine präzise Definition mittels Polarisierung von Information bzw. Journalismus einerseits und Unterhaltung andererseits zu formulieren, da sich beide Kategorien nicht unvereinbar gegenüberstehen. Informierende Inhalte können auch unterhaltende Elemente einschließen. Viele Journalist*innen sehen Unterhaltung als Bestandteil ihrer Informationsfunktion und/oder zusätzliche Funktion an (vgl. Altmeppen 2008, S. 44 f.; Bosshart 2007, S. 20 f.; Weischenberg et al. 2006, S. 111 f.) und theoretische Definitionen von Journalismus schließen Unterhaltung als Darstellungsform nicht aus, solange das journalistische System weiterhin seine Funktion erfüllt (vgl. Altmeppen 2007b; Weischenberg 2007). Aus Rezeptionsperspektive ist Unterhaltung sogar (fast) beständiger Bestandteil der Rezeption (vgl. Früh und Wünsch 2007, S. 44 f.). Andersherum ist die „Informationsverarbeitung sogar eine zentrale Voraussetzung für die Genese von Unterhaltungserleben“ (Schramm 2008, S. 103). „Das Gegenteil von Unterhaltung ist eben nicht Information, sondern Langeweile und das Gegenteil von Information wäre Desinformation“2 (Renner 2012, S. 85). Dröge (2001) definiert Unterhaltung 2
An dieser Stelle soll die Kritik des Desinformationsbegriffs als Verschleierung und der Nicht-Information als alternativem Vorschlag für ein Antonym des Informationsbegriffs (vgl.
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
gar – vor einem systemtheoretischen Hintergrund – als „besondere[.] Form von Information“ (ebd., S. 97), die mittelbar zu sozialer Orientierung und Meinungsbildung beiträgt. Wenn und insofern Unterhaltung einerseits und Journalismus/Information andererseits auf Inhaltsebene einander gegenübergestellt werden sollen, um die im Programmrecht verwendeten „unbestimmte[n] Rechtsbegriffe fassbar zu machen“ (Gehrau 2001, S. 50), ist dies nur über eine Differenzierung unterschiedlicher Ebenen und nur in eingeschränktem Maße explizit möglich. Die ALMProgrammanalyse löste dieses Problem über eine zweistufige Analyse: Unterhaltung wurde zunächst auf Ebene der Programmsparte – differenziert in die drei Sparten fiktionale Unterhaltung, nonfiktionale Unterhaltung und Fernsehpublizistik (vgl. Trebbe und Wagner 2016, S. 180) – separiert und in einem weiteren Schritt für die nicht eindeutig als Unterhaltung qualifizierbaren Sendungen auf Ebene der Beiträge (genauer: Beitragsarten) und der Themen identifiziert (vgl. Trebbe 2008, S. 95 ff.). Mit der Entstehung und kontinuierlichen (Weiter-)Entwicklung hybrider Sendungsformen (vgl. mehr dazu unten und in Abschnitt 5.2.1) hat diese Differenzierung jedoch an Eindeutigkeit verloren. Hybridisierung meint die Tendenz, verschiedene Genres und Gattungen über klassische Einteilungen zwischen Fiktion und Dokumentation sowie Information und Unterhaltung hinweg zu vermischen (vgl. Hallenberger 2008, S. 83; Mikos 2012, S. 52). Das Ergebnis waren und sind vielfältige, mit dem Begriff des Reality TV beschriebene Sendungsformate (vgl. z. B. Krüger 2010, S. 158; Trebbe und Beier 2016, S. 26 f.). Daher hat auch die AGF Videoforschung, die die Grunddaten für die ARD-ZDF-Sekundäranalyse liefert, ihre Methode angepasst und für die Erhebung eine Programmkategorie „Factual Entertainment/Reality“ definiert, die jenseits der drei klassischen Sparten (Information, Unterhaltung, Fiction) liegt, innerhalb dieser Kategorie aber wiederum eine Differenzierung in Information und Unterhaltung erlaubt (vgl. Weiß et al. 2020, S. 233 f.). Über diesen Umweg ist es der GöfaK Medienforschung möglich, die allgemeine Informationssparte ad acta zu legen und stattdessen die Kategorie „Journalistische Information“, für die sich die ARD/ZDF-Medienforschung besonders interessiert, vom Restprogramm abgrenzend als „ein konsistentes Teilsegment der Fernsehinformation […] zu markieren“ (ebd., S. 234). Die hierin erfassten Sendungen sind der Argumentation folgend eindeutig journalistisch, weil sie Scholl 2000, S. 406) nicht weiter ausgeführt werden. Es geht hier lediglich darum zu verdeutlichen, dass die Benennung des Antonyms von Information und Unterhaltung in der Kommunikationswissenschaft nicht auf Unterhaltung und Journalismus als Gegensatzpaar hinausläuft.
3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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„von professionellen Fernsehjournalistinnen und Fernsehjournalisten verantwortet, inhaltlich gestaltet und in journalistischen Sendungsformaten ausgestrahlt“ (ebd.) werden. Interessanterweise verweisen die Studienautoren damit auf den antizipierten Erstellungskontext als implizites Zusatzkriterium zur Definition von Journalismus – dies verdeutlicht die Interdependenz von Programminhalt und Entstehungsbedingungen. Andererseits wird mit der Einordnung des von der AGF Videoforschung als Information codierten narrativen Reality TVs als Unterhaltung (vgl. ebd., S. 235) letztere erneut zu einer Restkategorie. Wie die inhaltliche Unterscheidung von Fernsehangeboten und die Differenzierung von unterhaltenden gegenüber nicht (primär) unterhaltenden Sendungen unter Rückgriff auf ihren Realitäts- und Zeitbezug sowie die Rolle von Inszenierungen im Produktionsprozess im Einzelnen erfolgt, wird in der Spezifizierung der untersuchungsleitenden Definition von Fernsehunterhaltung genauer beleuchtet (vgl. Abschnitt 3.1.1). (3) Unterhaltung als Charakteristikum des Produktionsprozesses Die dritte Perspektive verweist auf einen heterogenen Forschungskorpus, der sich implizit oder explizit auf die Bedingungen des Produktions-/Erstellungsprozess von Unterhaltung, die gesellschaftliche Funktion dieses Erstellungsprozesses sowie der unterhaltenden Medieninhalte und/oder die Intention und das Selbstverständnis der Medienschaffenden bezieht und Unterhaltung unter Bezug auf eben diese Elemente – Produktionsprozess, Funktion und/oder Kommunikator*innenprofile – definiert. Wünsch (2002, S. 45, 47) spricht für diesen Teilbereich der Unterhaltungsforschung daher allgemeiner von einer sozialen Perspektive, die sich dadurch auszeichnet, dass sie einerseits die Funktionen der Unterhaltung für die Gesellschaft und andererseits die Produktion von Unterhaltung betrachtet. Folglich lassen sich darunter diverse systemtheoretische Ansätze (vgl. z. B. Dröge 2001; Görke 2001; 2002; Lieb 2001) und die kulturkritische Perspektive von Horkheimer und Adorno (vgl. Horkheimer und Adorno 2006; Wünsch 2002, S. 37 ff.) genauso wie organisationstheoretische Ansätze (genauer: eine strukturationstheoretische Perspektive, vgl. auch Abschnitt 3.3) und die Production-of-Culture Perspective (vgl. Peterson und Anand 2004; Peterson 2015) fassen (vgl. für diese Systematisierung auch Herbers 2013). Aufgrund ihrer Heterogenität birgt die soziale bzw. produktionsfokussierte Perspektive Einsichten zu den Bedingungen, unter denen Unterhaltungsinhalte entstehen, auf der Ebene der Individuen (Mikroebene) genauso wie auf der Ebene der Organisationen/Institutionen (Mesoebene) und der Gesellschaft bzw. des Marktes (Makroebene). Häufig sind in diesen Betrachtungen zumindest zwei Ebenen aneinander gekoppelt. Die Individuen werden häufig in und über ihre
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Einbindung in einen organisationalen Zusammenhang beschrieben. Dröge (2001) bezeichnet Unterhaltungsinhalte als „intendierte Fernsehunterhaltung“ (vgl. ebd., S. 98, Fn. 6, Herv. i. O.) und koppelt die objektbezogene Definition von Unterhaltung unmittelbar an eine kommunikatorbasierte Definition. Folgerichtig ist die Verortung von Merkmalen der Unterhaltung auf Angebotsebene eng gekoppelt an die Annahme, dass als (primär) unterhaltend zu qualifizierende Inhalte unter spezifischen Bedingungen produziert werden (vgl. z. B. Altmeppen 2008, S. 35 ff.). Studien zur Organisation der Arbeitsprozesse in der Produktion fiktionaler und nonfiktionaler Unterhaltung und zum Selbstverständnis jener, die in diesen Prozessen tätig sind, zeigen, dass Unterhaltung-Produzierende keine Journalist*innen sind (vgl. z. B. Altmeppen 2007b; Altmeppen et al. 2010; von Rimscha und Siegert 2010, 2011; Dröge 2001; mehr dazu in Abschnitt 5.3.1). Altmeppen (2006, S. 174, 2007b, S. 149, 151) spricht für die Gesamtheit jener Personen, die in Medienorganisationen tätig sind, von Medienschaffenden. Dieser Begriff soll, da er die Breite unterschiedlicher Tätigkeiten erfassen kann, die diesem Feld zuzurechnen sind, auch hier Anwendung finden. Davon unberührt bleibt die Tatsache, dass es auch Unterhaltungsjournalist*innen gibt, die dann aber eben Journalist*innen sind, die unterhaltenden Journalismus machen. Die Praktiken der Unterhaltungsproduzent*innen (respektive Medienschaffenden) und folglich der Unterhaltungsproduktion (als Praxisfeld) unterscheiden sich von den Praktiken der (Unterhaltungs-)Journalist*innen (vgl. Abschnitt 3.3). Entsprechende Ansätze und Studien betrachten nicht (nur) die Funktion von (Fernseh-)Unterhaltung für die Gesellschaft, sondern (auch) ihre Einbettung in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge. Bezugspunkt auf Makroebene wird damit der Markt. Dem Begriff der Unterhaltung als Rezeptions-, Objekt- oder Produktionsmerkmal haften bereits seit Jahrhunderten Debatten zur Kommerzialisierung medialer bzw. kultureller Inhalte an (vgl. Wünsch 2002, S. 37 f., 40).
3.1.1
Definition von Fernsehunterhaltung
Die Differenzierung zwischen subjekt-, objekt- und kommunikatorbezogenen Ansätzen ist – wie bereits angedeutet wurde – eine analytische Unterscheidung, die eine trennscharfe Anwendung der Perspektiven weder erlaubt noch beabsichtigt. Die beschriebenen Sichtweisen sind vielmehr als komplementär zu betrachten (vgl. Siegert et al. 2009, S. 10, die auf Brosius 2003, S. 76 verweisen). Die praxistheoretische Perspektive auf Unterhaltungsproduktion, die dieser Arbeit zugrunde liegt, lässt sich in einer kommunikatorbezogenen Perspektive verorten, die Fernsehunterhaltungsproduktion als durch Spezifika in Organisation
3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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und Ökonomie gekennzeichnet betrachtet (vgl. Abschnitt 3.2) und sie über diese spezifischen Eigenschaften letztlich auch definiert (vgl. Abschnitt 3.3). Aufgrund der engen Kopplung eines Inhalts an seinen Herstellungsprozess (vgl. dazu auch Abschnitte 5.1.1 und 5.2.1) und der benannten Interdependenzen zwischen der Definition von Unterhaltung als Merkmal des Medienangebots, der Medienrezeption und der Medienproduktion ist dieser kommunikatorbezogene Ansatz eng an einen objektbezogenen Ansatz gekoppelt, der die Perspektive der Rezipient*innen implizit einschließt. Für die Spezifizierung des Gegenstandes ist es daher notwendig, das Objekt, d. h. was im Verständnis dieser Arbeit als Fernsehunterhaltung verstanden wird, zu definieren. Einen pragmatischen Anknüpfungspunkt bieten die oben erwähnten, früheren Kategorisierungen der GöfaK Medienforschung für die ALM Fernsehprogrammanalyse, da diese das Programm explizit entlang des Unterhaltungsbegriffs differenzieren. Die Unterscheidung zwischen fiktionaler und nonfiktionaler Unterhaltung sowie Fernsehpublizistik ist äquivalent zur Differenzierung von Kommunikationsgattungen, die Renner (2012) entlang spezifischer Kooperationsverträge zwischen Hörer*in und Sprecher*in aufspannt (mit dem Unterschied, dass er von Journalismus statt Fernsehpublizistik spricht – letztere geht jedoch über Journalismus hinaus3 (vgl. Weiß und Schwotzer 2012, S. 42 f.; siehe unten)). Jede dieser Kommunikationsgattungen legt „einen Rahmen fest, wie die Inhalte der jeweiligen Medienbeiträge zu verstehen sind“ (Renner 2012, S. 90). Während folglich der Vertrag für fiktionale Unterhaltung die Negation der Faktizität betont (vgl. ebd., S. 96), legt der Sprecher*innen -Hörer*innen -Vertrag für den Journalismus fest, dass letzterer den Rezipient*innen für sie relevante Fakten vermittelt (vgl. ebd., S. 91). In Abgrenzung dazu betont der Kooperationsvertrag für nonfiktionale Unterhaltung den Ereignischarakter der Inhalte. Es geht nicht um die Vermittlung von Fakten, sondern „das Dazugehören zu einer Gemeinschaft“ (ebd., S. 102). Die Berücksichtigung von Renners Differenzierung ist wertvoll, weil sie begründet, warum eine objektbezogene Unterhaltungsdefinition letztlich implizit auch immer einen rezipientenorientierten Ansatz darstellt. Eine genaue 3
Die Adaption dieser noch in den ALM-Programmanalysen verankerten Differenzierung erfolgte noch vor der Implementierung methodischer Neuerungen, wie sie die GöfaK Medienforschung mittlerweile in der ARD/ZDF-Programmanalyse umsetzt (vgl. Weiß et al. 2020). Die Beibehaltung dieser (früheren) Differenzierung ist hier jedoch weiterhin sinnvoll, gerade weil die Fernsehpublizistik über den Journalismus hinausreicht und damit zum Ausdruck bringt, dass ein Sendungshybrid, wenn er denn entlang des in Abbildung 3.2 dargestellten Ansatzes zur Bestimmung der Sendungsgattung bewertet wird, einem Reality TV-Genre und zugleich prinzipiell trotzdem einem journalistischen Anspruch zugeordnet werden könnte. Dies spiegelt angemessener das (Multi)-Rollenselbstverständnis der Medienschaffenden und ihr Bewusstsein für den gesellschaftlichen Einfluss ihrer Arbeit wieder (vgl. Abschnitt 5.3.1).
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Zuordnung insbesondere hybrider Formate (obwohl er diese thematisiert, vgl. ebd., S. 96 f., 100 f., 103) ist jedoch entlang dieser Differenzierung nicht möglich. Renner bezieht sich u. a. auf Plake (2004, S. 157, 162), der den Begriff der Inszenierung nutzt, um Shows als zugehörig zur nonfiktionalen Unterhaltung zu charakterisieren. Siegert et al. (2009, S. 10 ff.; vgl. auch Siegert et al. 2014, S. 5 f.) knüpfen hier an. In Rückgriff auf Plake (2004) und Dröge (2001) definieren sie Unterhaltung mittels der Begriffe der Inszenierung, des Realitätsbezugs wie auch des Zeitbezugs. Die Intention dahinter ist die Kombination einer objektmit einer kommunikatorbezogenen Definition von Unterhaltung (vgl. Siegert et al. 2009, S. 11), die es erlaubt, auch hybride Sendungsformen in die Systematik zu integrieren (vgl. ebd., S. 12 f.). Folglich sind jene Fernsehsendungen als Unterhaltung zu klassifizieren, „die eine medieninszenierte Wirklichkeit darstellen oder eine externe, aber medial fokussierte Inszenierung aufgreifen“ (Siegert et al. 2014, S. 5). Ein Entscheidungsbaum (vgl. Abbildung 3.1) erlaubt die Kategorisierung von Sendungen als fiktionale oder nonfiktionale Fernsehunterhaltung und die Zuordnung auch neuer Genres und Gattungen (vgl. Siegert et al. 2009, S. 12). Der Inszenierungsbegriff verweist auf die (aktive) Rolle der Kommunikator*innen für die Bestimmung eines Fernsehinhalts als Unterhaltung. Inszenierung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Intention, die ein*e Medienschaffende*r verfolgt. Zwar koppelt Dröge (2001) Inszenierung eng an Intention. Demnach hat eine Unterhaltungssendung entweder fiktionalen Charakter oder – dies gilt für nonfiktionale Unterhaltung – ist gekennzeichnet durch „die Inszenierung einer Handlung, die von der Intention her nicht der Information, sondern dem Vergnügen dienen soll“ (ebd., S. 100, Herv. i. O.). Damit ist schon in ihrer Beschreibung Inszenierung nicht per se mit Unterhaltung gleichzusetzen, sondern die Inszenierung zum Zweck der Unterhaltung ist Unterhaltung. Die Definition von Fernsehunterhaltung über eine Reduktion auf das Kriterium der Inszenierung greift daher zu kurz, um Unterhaltung zu charakterisieren. Vielmehr muss die Intention zusätzlich noch stärker berücksichtigt werden; schon allein, weil der Inszenierungsbegriff selbst zu breit ist, um ihn für Unterhaltung zu reservieren. Die Intention wird den theoretischen Prämissen dieser Arbeit folgend nicht in den persönlichen Absichten der Medienschaffenden, sondern in der Praxis verortet, kann sich jedoch durchaus auch in bewussten Absichtsformulierungen, mindestens mittelbar aber im Selbstbild der Medienschaffenden widerspiegeln. Jegliche mediale Aufarbeitung von Inhalten – das nehmen die Kommunikator*innen auch selbst wahr (vgl. Grindstaff 2002, S. 250 f.) – ist eine Inszenierung (vgl. Blaes 2005, S. 64). Selbst das Dokumentarische ist nicht in der Lage, die Welt so zu zeigen, wie sie wirklich ist, da „Auswahl, Perspektiven, Schnitt etc. […] immer eine
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Quelle: Siegert et al. 2009, S. 12
Abbildung 3.1 Entscheidungsbaum der Unterhaltung
Perspektive auf das Geschehen“ (Hickethier 2007, S. 183, Herv. i. O. fett) bestimmen (siehe dazu auch die Debatte in der Dokumentarfilmforschung z. B. bei Corner 1996, S. 18 ff.). Die Wahl der Perspektive ist abhängig von den kulturellen Bedingungen und den institutionellen Zwängen der konkreten Produktionssituation. „Realität kann nicht abgebildet, wohl aber dargestellt werden.“ (Mikos 2012, S. 51) Fernsehen ist folglich immer Inszenierung, wenn auch Unterschiede in Grad, Art, Umfang und Sichtbarkeit der Inszenierung bestehen. In der Unterhaltung spielt sie sicherlich eine besondere Rolle (vgl. auch Weiß und Ahrens 2012, S. 67 f.). Selbst wenn der Inszenierungsbegriff enger gefasst für jene Ereignisse reserviert wird, die ohne das Fernsehen nicht stattfänden (vgl. Siegert et al. 2009, S. 11 f.; auch Plake 2004, S. 100), werden damit nicht nur unterhaltende Inhalte erfasst. Paradebeispiel sind (gesellschafts-)politische Talkformate. Plake (2004, S. 94) qualifiziert letztere als journalistische Formate, indem er die Kategorisierung von Fernsehinhalten um den Zeitbezug ergänzt. Letzteren koppelt er dabei
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
aber weniger an den Begriff der Inszenierung als an jenen des Realitätsbezugs. Folglich seien Inhalte, die die Wirklichkeit wiedergeben (möchten), an einen Vergangenheitsbezug gekoppelt: Wenn die Inhalte dargestellt und wiedergegeben werden, sind sie bereits geschehen (vgl. ebd., S. 95). Gesprächs- und Talkformate können folglich dann dem Fernsehjournalismus – Plake (2004, S. 99, 101 ff.) spricht statt von journalistischen von informativen Programmen – zugeordnet werden, wenn sie inhaltlich die Information über bzw. Analyse/Erläuterung eines gesellschaftlich oder politisch relevanten Sachverhalts zum Gegenstand haben und damit letztlich die Wirklichkeit wiedergeben (vgl. ebd., S. 98). Die Problematik einer eindeutigen Zuordnung des Zeitbezugs zeigt sich bereits darin, dass Siegert et al. (2009) (vgl. Abbildung 3.1) den Vergangenheitsbezug auch auf Unterhaltungsinhalte anwenden, obwohl Plake diesen zum Kriterium für informative Inhalte macht. Statt des Zeitbezugs nutzt die vorliegende Arbeitsdefinition von Fernsehunterhaltungsinhalten neben dem Wirklichkeitsbezug auch den Inszenierungscharakter des Fernsehens, jedoch in einem breiteren Sinne. Da Inszenierung Element jeder medialen Aufarbeitung ist, sollen die Begriffe der Narration und Performation helfen, den Inszenierungsbegriff zu differenzieren. Ausgangspunkt dafür ist die Spezifizierung in der ALM-Programmstudie (vgl. Weiß und Ahrens 2012, S. 62 ff.; Weiß et al. 2014, S. 5) und die in der Medien- und Kommunikationswissenschaft geführte Debatte zur Einordnung hybrider Sendungsformate des Reality TV (vgl. Keppler 1994; Klaus und Lücke 2003, S. 198 ff.). Die Unterscheidung zwischen performativen und narrativen Sendungen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Weiß und Ahrens (2012, S. 63 f.) unterscheiden in Rückgriff auf Klaus und Lücke (2003, S. 199) einerseits die narrative Realitätsunterhaltung als dokumentarisches Erzählen in serieller Dramaturgie über eine authentische oder nachgestellte Wiedergabe realer oder realitätsnaher Ereignisse und andererseits die performative Realitätsunterhaltung als „nicht-alltägliche Inszenierungen“ und Eingriffe in die Alltagswirklichkeit zumeist nicht-prominenter Menschen. Demnach ordnen sie beispielsweise Doku-Soaps als Narration, Reality-Shows wiederum als Performation ein (vgl. z. B. Weiß und Ahrens 2012, S. 67). Dass bereits zwei Jahre später in einer Kategorisierungsanpassung der ALM-Studie die zuvor als Narration eingeordneten Improvement- oder auch Coaching-Formate aufgrund der Manipulation der Situation durch die Einführung einer externen Person (z. B. eines Coaches) als performative Unterhaltung eingeordnet werden (vgl. Weiß et al. 2014, S. 5, 11), zeigt, dass der Begriff der Performation nicht auf eine Inszenierung im engeren Sinne (wie ursprünglich gedacht) reduziert werden kann. Diese Gedanken macht sich die vorliegende Arbeitsdefinition zunutze, wenn Narration und Performation – ergänzend zur spezifischen Intentionalität und
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damit Routinisiertheit der Praxis, zum Profil der Medienschaffenden und zu den Praktiken der Produktion – dazu dienen, unterhaltende von nicht-unterhaltenden Fernsehinhalten zu unterscheiden (vgl. Abbildung 3.2). Performation meint in einem ersten Schritt daher nicht in einem engeren Sinne eine Inszenierung der Gesamtsituation, die es ohne diese mediale Gestaltung nicht gäbe (bspw. in einer Show), sondern die Manipulation wesentlicher Erzählelemente, d. h. die Einführung einer normalerweise nicht vorhandenen Person, z. B. eines Coaches, oder auch die Schaffung einer experimentellen Situation, z. B. durch die Zuweisung außergewöhnlicher Rollen oder unüblicher Orte. Performation meint in einem zweiten Schritt einen inhaltlichen Fokus auf eben diese Elemente in der gestalterischen Aufbereitung. Performation zielt weniger auf Faktenvermittlung als auf die Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls (vgl. Renner 2012, S. 102), indem eine Eigenwirklichkeit präsentiert wird, die eigenen Regeln folgt (vgl. Plake 2004, S. 100). Hier wird angenommen, dass performative Fernsehsendungen sich in Handlung und Struktur von narrativen Sendungen unterscheiden. Entscheidend für die Identifikation von Unterhaltungssendungen ist folglich die Frage, ob Fernsehinhalte zum Zwecke der Narration oder zum Zwecke der Performation, oder genauer mit performativer oder narrativer Intentionalität sowie unter Bedingungen performativer und narrativer Gestaltung produziert werden. Dabei spielen den theoretischen Prämissen dieser Arbeit folgend (vgl. Kapitel 2) die Produktionsstrukturen (Regeln und Ressourcen) und die Absichten sowie das Profil der Medienschaffenden (insbesondere ihr Habitus), aber auch – wie die Fernsehprogrammforschung es beispielsweise angewandt hat (vgl. z. B. Weiß und Schwotzer 2012, S. 43) – das Thema und der Gegenstand der Sendungen eine Rolle. Zu beachten ist, dass die in Abbildung 3.2 dargestellte definitorische Ableitung von Fernsehunterhaltung weniger konstitutiver denn hypothetischer Natur ist. Die moderierenden Elemente – dargestellt in grau hinterlegten, abgerundeten Rechtecken – spielen dabei vor allem immer dann eine Rolle, wenn eine eindeutige Zuweisung nonfiktionaler Fernsehinhalte als unterhaltend oder fernsehpublizistisch nicht möglich ist. Siegert et al. (2009, S. 12 f.) gewährleisten die Zuordnung von Grenz- und Spezialfällen außerdem über den Verweis auf zentrale Inhalte und Ereignisse als entscheidend für die Qualifizierung einer Sendung. Gerade weil zahlreiche Sendungen Gestaltungselemente unterschiedlicher Genres und Gattungen integrieren können, ist dieser Fokus auf den Hauptinhalt und Gestaltungsrahmen wichtig und richtig. Als untergeordnete bzw. nebengeordnete Elemente zum Zwecke der Gestaltung können fiktionale Elemente z. B. in Reportagen oder Dokumentationen eingefügt werden, ohne dass diese damit insgesamt als fiktionale Inhalte zu qualifizieren wären. Zugleich ist dokumentarisches Material
Abbildung 3.2 Identifikation von Unterhaltungssendungen über ihren Wirklichkeitsbezug und den gestalterischen Charakter
3
Quelle: eigene Darstellung in Rückgriff auf Plake 2004, S. 93ff.; Siegert et al. 2009, S. 12f.; Weiß und Ahrens 2012, S. 63f.; Weiß et al. 2014, S. 5
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3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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Gestaltungselement von Spielfilmen und kommen Authentifizierungsstrategien, die das Filmen der Realität suggerieren (z. B. die inszenierte dokumentarische Kameraführung), in fiktionalen Produktionen zum Einsatz, ohne dass es angemessen wäre, diese als vorrangig nonfiktionale/journalistische/informative Sendung zu qualifizieren. Entsprechendes gilt für die Unterscheidung performativer und narrativer Inhalte, da auch journalistische Produktionen auf performative Elemente zurückgreifen, wenn sie Expert*innen in eine unübliche Situation bringen oder kleine Tests (z. B. Produkttests auf der Straße) durchführen, ohne dass sie damit zu einer Unterhaltungsproduktion würden. Der Fokus auf den Hauptinhalt und den dominierenden Gestaltungsrahmen ist daher entscheidend für die Einordnung von Fernsehinhalten als unterhaltend oder nicht-unterhaltend. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmung von Unterhaltungssendungen gegenüber publizistischen/journalistischen Sendungen trotz dieser Spezifizierungen von einer kontinuierlichen Dynamik geprägt ist (vgl. zur Hybridisierung von Sendungsformen Abschnitte 3.1.2 und 5.2.1).
3.1.2
Differenzierung von Unterhaltungsinhalten
Die oben skizzierte Definition von Fernsehunterhaltung problematisiert bereits die inhaltliche Differenzierung von Unterhaltungsinhalten. Sie verdeutlicht dabei, dass die Unterscheidung fiktionaler von nonfiktionaler Unterhaltung übergreifende Sammelbegriffe bildet, die – wie der Verweis auf Unterschiede in Inszenierungsart und Zeitbezug bereits andeutet – jeweils unterschiedliche Genres und Gattungen umfassen. Die Berücksichtigung von Gerne- und Gattungsdifferenzierungen ist nicht Selbstzweck, sondern wesentlich sowohl für eine Analyse von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion, als auch für die Analyse des Produktionsprozesses, da sich Genres und Gattungen auf Ebene der Produktionsstrukturen (vgl. Abschnitt 3.2.2), spezifischer: auf Ebene der Produktionsprozesse (vgl. Abschnitte 5.1.1 und 5.2.1) und der Medienschaffenden (vgl. Abschnitt 5.3.1), unterscheiden. Folgt man Bossharts Verständnis von „medienvermittelte[r] Unterhaltung als mehrdimensionales, genrespezifisches Beziehungssystem“ (Bosshart 1994, S. 28), ist eine Differenzierung der (Fernseh-)Unterhaltung über Subkategorien wie Genres und Gattungen ihrer Definition inhärent. Die Kategorisierung von Fernsehinhalten erfolgt mittels unterschiedlicher Begriffe, die es erlauben, denselben Medieninhalt in spezifischer Weise zu qualifizieren. Von besonderer Bedeutung sind in der Betrachtung von Fernsehinhalten die Begriffe Genre, Gattung, Format
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und Serie. Auch wenn die Begriffe, insbesondere der Genre- und Gattungsbegriff, uneinheitlich und synonym verwendet (vgl. Gehrau 2001, S. 71; Scheinpflug 2014, S. 68) und darüber hinaus auf unterschiedliche Kontexte angewandt werden – Genre ist eher ein Begriff der Filmwissenschaft, während die Fernsehwissenschaft ihren Fokus auf die Begriffe Serie und Formate legt (vgl. Scheinpflug 2014, S. 67) –, lässt sich auf Basis der folgenden Ausführungen ein praktikables Grundverständnis der Begriffe herausfiltern (vgl. Abbildung 3.3).
Quelle: eigene Darstellung; die Zuweisung von Beispielen zu den Begriffen basiert u. a. auf der Differenzierung von Armbruster und Mikos 2009, S. 88f.; Hallenberger 2008, S. 81; Mikos 2008, S. 263 und Scheinpflug 2014, S. 70
Abbildung 3.3 Grundbegriffe zur Klassifikation und Charakterisierung von Fernsehinhalten
Genre Der Begriff des Genres bezieht sich zumeist auf fiktionale Film- und Fernsehangebote (vgl. Gehrau 2001, S. 71; Renner 2012, S. 88; z. B. auch Trebbe und Wagner 2016, S. 214) und meint dabei. „Ordnungsschemata, mit denen sich Spielfilme hinsichtlich ihrer Handlung, ihrer räumlichen und zeitlichen Situierung, ihrer bildlichen Motive, ihres visuellästhetischen Stils, ihrer narrativen Muster und ihrer Textperspektive klassifizieren lassen“ (Borstnar et al. 2002, S. 51, zitiert nach Renner 2012, S. 88).
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Beispiele für Genres sind der Western oder der Krimi. Hallenberger (2008) differenziert Genres auf Basis eines Verständnisses von Fernsehen als Alltagsmedium. Folglich gebe es (1) „Genres, die ‚Alltag‘ von innen heraus thematisieren: Dazu zählen etwas Daily Soaps, Familien- oder Arzt- bzw. Krankenhausserien“ (Hallenberger 2008, S. 76). Auf der anderen Seite gebe es (2) „Genres, die ‚Alltag‘ aus einer Außenperspektive thematisieren“ (ebd., S. 76). Diese Außenperspektive ergebe sich beispielsweise durch „externe Bedrohungen des Alltagslebens“ (ebd.) (z. B. in Krimis) oder weil sie sich „vom Zuschaueralltag radikal unterscheiden“ (ebd.) (z. B. im Western oder Fantasyfilm). Bereits diese Differenzierung deutet das breite Spektrum fiktionaler Genres an – ein Spektrum, das sich in unterschiedlichen Produktionsbedingungen und einer großen Breite in den Produktionskosten spiegelt (vgl. ebd., S. 79). Dass der Genrebegriff über das fiktionale Fernsehen hinaus Anwendung findet, zeigt Hallenberger selbst, wenn er die Prototypen nonfiktionalen Fernsehens als Unterhaltungsgenres bezeichnet (vgl. ebd., S. 81 f.). Dass Genres nicht allein für die Beschreibung fiktionaler Film- und Fernsehinhalte relevant sind, zeigt sich insbesondere in der Abgrenzung des Genre- vom Gattungsbegriff. Über diese Unterscheidung lässt sich letztlich auch der Begriff der Gattung besser greifen. Damit verweisen Genrebegriffe grundsätzlich zumeist auf inhaltliche Charakteristika (vgl. Hickethier 2007, S. 203) – in Abgrenzung zum Fokus von Gattungen auf die Form. Für einzelne Genres lassen sich kennzeichnende narrative Grundmuster herausarbeiten, wie Hickethier (2007: 204) für den Western verdeutlicht. Charakteristisch für letzteren sei u. a. die Geschichte des stillen Heldentums von Ranchern, Cowboys, Eisenbahnarbeitern, Siedlern und Frauen. Dennoch sind diese Grundmuster (zu ihrer Rolle vgl. auch Abschnitt 5.2.1) nicht unveränderbar festgelegt. Gehrau (2001) verdeutlicht, indem er die Debatte um die Genreanalyse nachzeichnet, dass es keine einheitliche Position in der Filmwissenschaft gebe, was ein Genre letztlich ausmache: „Die meisten Ansätze argumentieren mit Sets von Merkmalen, die die einzelnen Genres definieren […]. […] Zweitens wird nach unterschiedlichen Ursprüngen und Entwicklungen der Genres gesucht. […] Einige versuchen, Genre über seinen Zweck oder – anders ausgedrückt – über seine gesellschaftliche Wirkung zu fassen.“ (Gehrau 2001, S. 22, Herv. i.O.)
Das Resultat dieser Uneinigkeit ist, dass sich Genres nicht trennscharf differenzieren lassen (vgl. Gehrau 2001, S. 23; auch Scheinpflug 2014, S. 6 ff.). Scheinpflug betont daher, dass der Begriff des Genres eindeutig dynamisch und nicht statisch verstanden werden darf (vgl. auch Mikos 2008, S. 264).
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
„Genres sind mithin keine feststehenden Begriffe, die es zu verteidigen gilt, sondern Konstrukte und als solche Symptome kultureller Prozesse, Praktiken und Diskurse der Text-/Medien-Aneignung.“ (Scheinpflug 2014, S. 8).
Debatten um Genre-Klassifikationen seien letztlich „Symptome von Machtkämpfen über die Deutungshoheit über ein Genre“ (Scheinpflug 2014, S. 8), d. h. in praxistheoretischer Perspektive ein Kampf um die Deutung von Feldstrukturen und -grenzen (vgl. Abschnitt 2.2.1.1). Darin zeigt sich zugleich die kulturelle Aktualität und Aktualisierbarkeit bestehender Genrebegriffe (vgl. Hickethier 2007, S. 204 f.), von denen einige historisch stabiler sind als andere, keiner jedoch völlig ahistorisch (vgl. Scheinpflug 2014, S. 14 f., 70). Diese Sichtweise spiegelt ein anti-essentialistisches Genreverständnis, das nach Scheinpflug (2014, S. 13) als aktueller Konsens bezüglich des Genredenkens gewertet werden kann. Entgegen der essentialistischen Genre-Theorie, die ein Genre eindeutig identifizieren will, indem sie vorgibt, die Essenz des Genres zu bestimmen, geht die anti-essentialistische Sichtweise von einem dynamischen Genrebegriff aus, der die Idee eines Genres als „stabiles Set an Konventionen“ (ebd., S. 13) zurückweist. Folglich sind Genres zumeist im Kern Hybride (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 74), d. h. sie vereinen zumindest einige Merkmale unterschiedlicher Genres (vgl. Mikos 2008, S. 266), „viele Genres überlappen sich in einzelnen Komponenten“ (Scheinpflug 2014, S. 13). Gattung Der Gattungsbegriff lässt sich besonders schwer fassen, da er zur Bezeichnung einer großen Vielfalt unterschiedlicher Kommunikationsmuster genutzt wird (vgl. Renner 2012, S. 88). Der Begriff der Mediengattung verweist in einem engen Verständnis auf spezifische Darstellungsformen, bezeichnet in einem erweiterten Sinne sowohl Darstellungsformen als auch Berichterstattungsmuster (vgl. Haas 2005, S. 226 mit Bezug auf Schmidt und Weischenberg 1994) und bezieht sich in einem weitesten Sinne auf „historisch und kulturell spezifische, gesellschaftlich verfestigte und formalisierte Lösungen kommunikativer Probleme“ (Haas 2005, S. 226). Gattungsbezeichnungen orientieren sich „an Produktionszusammenhängen (wie z. B. Werbefilm, Industriefilm oder Amateurfilm), Verwendungsbereichen (Kinder- und Jugendfilm) oder ästhetischen Dimensionen (z. B. Autorenfilm, Frauenfilm)“ (Hickethier 2007, S. 206). Dementsprechend bezeichnet eine Gattung ein „Formprinzip[…]“ (Scheinpflug 2014, S. 69), einen „Modus des Erzählens und Darstellens“ (Hickethier 2007, S. 206, i. O. fett). In Abgrenzung dazu sind Genres „historisch spezifische Textgruppen“ (Scheinpflug
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2014, S. 69) und damit „narrative Grundmuster“ (Hickethier 2007, S. 203). Letzteres könnte folglich beispielsweise eine Detektivgeschichte beschreiben, die sich in unterschiedlichen Gattungen darstellen lässt (vgl. Scheinpflug 2014, S. 69 f.). Diese Unterscheidung stellt die Begriffe der Gattung und des Genres nebeneinander – sie bezeichnen einen Medieninhalt auf derselben Ebene. Dahingegen hierarchisiert Mikos (2008, S. 263; vgl. auch Armbruster und Mikos 2009, S. 68) die Begriffe und macht Genre zu einem Subbegriff einer Gattung, folgt aber einer äquivalenten Unterscheidung von Form (Gattung) und Inhalt (Genre). Eine Gattung verweist folglich auf unterschiedliche „Verwendungs-, Journalismus-, Darstellungs- und Sendeformen“ (Mikos 2008, S. 263), Genres wiederum bilden sich um „ähnliche inhaltliche und formale Merkmale“ (ebd.). Ein Fernsehgenre ist folglich „ein Korpus, das sich nach gebündelten Häufigkeiten von inhaltlichen und formalen Kriterien beschreiben lässt“ (Armbruster und Mikos 2009, S. 79). Es bezieht sich auf die narrativ-gestalterischen Spezifika, auf die Möglichkeiten in der Gestaltung und Handlung innerhalb des Formrahmens einer Gattung (vgl. ebd.). Gehrau (2001, S. 18 f.) nutzt den Begriff der Gattungen ebenfalls zur Klassifikation der Form, Genres (jedoch reserviert für fiktionale Angebote, siehe oben) wiederum als Klassifikationen des Inhalts. „Typische Fernsehgattungen sind Filme, Serien, Magazine, Shows, Nachrichten, Übertragungen usw.“ (Gehrau 2001, S. 18) Auch er deutet an, dass Genres in Ausnahmefällen Gattungen näher bezeichnen können, wenn z. B. von einem Mystery-Magazin die Rede ist (vgl. ebd.). Grundsätzlich erfolgt in seiner Konzeption die Gruppierung nonfiktionaler Inhalte jedoch nicht über den Begriff des Genres, sondern über Themen (vgl. ebd., S. 18 f.). Sofern der Begriff Gattung für eine inhaltliche Differenzierung genutzt wird, verwischt die definitorische Grenze zum Genre (vgl. Renner 2012, S. 88). Wenn und insofern Gattung eine Form beschreiben soll, ist eine Trennung vom Inhalt jedoch auch nur schwer möglich, da aktuelle Sendungsbezeichnungen Inhalt und Form zuweilen verweben. Wohl auch deshalb ist für das nonfiktionale Fernsehen eher von Formaten als von Genres die Rede (vgl. Mikos 2008, S. 268, 270) – obwohl dieser Begriff ökonomisch konnotiert ist (siehe unten). Trotz der Gefahr begrifflicher Unschärfe nutzt die vorliegende Arbeit einen breiteren Genrebegriff, der es erlaubt, Fernsehgattungen inhaltlich zu spezifizieren oder auch zu differenzieren. Gattungen wiederum fokussieren auf die Form (siehe die Beispiele in Abbildung 3.3). Davon unberührt bleibt die Tatsache, dass die Terminologien in Anwendung auf nonfiktionales Fernsehen ggfs. nicht durchgängig trennscharf sind, da sich Form und Inhalt überlappen.
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Format Der Begriff des Formats dient – wie zuweilen der Gattungsbegriff – ebenfalls als allgemeiner Begriff, der eine Vielzahl von Sendungsarten und -formen bezeichnen kann (vgl. z. B. Trebbe und Beier 2014, S. 199). Grundsätzlich und zunehmend zeichnet er sich jedoch durch eine „Nähe zum betriebswirtschaftlichen Konzept der Marke“ (Renner 2012, S. 88) aus. Damit verschiebt der Formatbegriff den Fokus von der Rezeption (diese steht im Fokus des Gattungs- und Genrebegriffs) auf die Produktion und Distribution (vgl. Scheinpflug 2014, S. 72) und impliziert eine Standardisierung, die den Fernsehprogrammhandel und die Fernsehprogrammproduktion erleichtert (vgl. z. B. Karstens und Schütte 2013, S. 77; Mikos 2008, S. 269). In diesem Sinne nutzt auch diese Arbeit den Begriff und bezieht ihn vorrangig auf spezifizierte, handelbare Sendungskonzepte (vgl. auch Scheinpflug 2014, S. 71), jedoch unabhängig davon, ob diese Formate auch tatsächlich gehandelt werden. Formate verfügen stets über „unveränderliche Merkmale, die sie einzigartig machen“ (Armbruster und Mikos 2009, S. 68). Sie sind gekennzeichnet durch ein Set spezifischer narrativer, performativer und ästhetischer Muster, die in einem Gesamtbild wirken. Jedes neu entwickelte Sendungskonzept konstituiert damit ein neues Format (vgl. Fröhlich 2008, S. 152). Eine genauere Spezifizierung des Formatbegriffs und eine Auseinandersetzung mit dem Formatisierungstrend und dem Formathandel erfolgen in Abschnitt 5.2.2.1. Serie Eine Serie bezeichnet einerseits eine spezifische Fernsehgattung, ist jedoch auch Qualifikationsmerkmal einer Vielzahl von Fernsehsendungen, wenn nicht gar „Grundprinzip des Fernsehens“ (Schlütz 2016, S. 29). Serialität konstituiert ein Orientierungsmittel für Zuschauer*innen (vgl. Hallenberger 2008, S. 65), welches die Eigenschaft des Fernsehens als Alltagsmedium in besonderer Weise aufgreift: Unser Alltag „ist in wesentlichen Teilen seriell organisiert und das Fernsehangebot in Konsequenz ebenfalls […]“ (ebd, S. 67 f.). Serialität ist ein gerade für das Fernsehen charakteristisches „grundlegendes […] Erzählprinzip“ (Czichon und Schlütz 2016, S. 18). Sie resultiert mittelbar und unmittelbar aus ökonomischen Gründen: „Um die Produktionskapazitäten optimal auszunutzen, werden Serien nicht einzeln, sondern in Staffeln gedreht.“ (Renner 2012, S. 99) Zudem gewährleisten Serien und das Serielle eine leichtere Wiederauffindbarkeit des Angebots (vgl. ebd., S. 98) und ermöglichen so eine Publikumsbindung (vgl. Graf 2010, S. 240). In einem breiten Verständnis kann ein Großteil der Fernsehsendungen als Serien qualifiziert werden, da Serialität keine spezifische Ausstrahlungsfrequenz erfordert, sondern aus einer täglichen, wöchentlichen, monatlichen und jährlichen Staffelung (vgl. Hallenberger 2008, S. 68) oder auch einem unregelmäßigen
3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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Erscheinen (vgl. Czichon und Schlütz 2016, S. 15) resultieren kann. Ergänzend lässt sich eine Serie in einem Minimalkonsens bereits über eine „gemeinsame Komponente aller Teile der Serie“ (Scheinpflug 2014, S. 73) konstituieren, sofern diese Komponente „als konstituierendes Moment der Serie wiedererkennbar ist“ (ebd.). Schlütz spezifiziert die Definition einer Serie über die drei Kriterien der Mehrteiligkeit, der formalen, inhaltlichen und strukturellen Verknüpfung sowie der offenen Narrationsstruktur (vgl. Czichon und Schlütz 2016, S. 16; Schlütz 2016, S. 13 ff.). Im Einzelnen lassen sich anknüpfend an diese Charakteristika drei Grundformen von Serien bestimmen: die Reihe, die Episodenserie und die Fortsetzungsserie. • Eine Reihe (z. B. der Tatort) ist „eigentlich keine Serie per definitionem“ (Czichon und Schlütz 2016, S. 18, Herv. O.), da die einzelnen Folgen häufig lediglich den Titel und die Eingangssequenz, d. h. das Label, gemein haben (vgl. Hickethier 2007, S. 197), aber formal und inhaltlich unabhängig voneinander produziert werden (vgl. Feil 2006, S. 243). • Die Episodenserie beschreibt eine Serie mit abgeschlossenen Folgehandlungen. Die einzelnen Folgen sind durch das Stammpersonal, gleiche Handlungsorte und eine gleiche Handlungszeit miteinander verknüpft (vgl. Hickethier 2007, S. 196). In einer idealtypischen Definition folgt jede Episode „gedächtnislos“ (Schröter 2012, S. 29) auf die vorhergehende. In einem weiteren Verständnis der Episodenserie ist die Kombination einer episodenspezifischen mit einer übergreifenden Handlung denkbar (vgl. Czichon und Schlütz 2016, S. 17). • Im Gegensatz dazu wird die Handlung in der Fortsetzungsserie – wie der Begriff bereits impliziert – von Folge zu Folge fortgesetzt (vgl. Hickethier 2007, S. 196). In dieser Kategorie lässt sich auch der serial-Begriff des angelsächsischen Sprachgebrauchs verorten. Feil synonymisiert den Begriff mit der Bezeichnung mini series, die auf die endliche Abfolge einer geringen Zahl von Episoden (etwas sechs bis acht) einer fortgesetzten Erzählung (vgl. Feil 2006, S. 242) verweist. Czichon & Schlütz (2016, S. 17) bezeichnen mit dem Begriff der continous serials allgemeiner jegliche Form der Fortsetzungsserie. Langlaufende Serien dieses Typs werden entsprechend ihrer Ausstrahlungsfrequenz als Dailies oder Weeklies bezeichnet (vgl. Voges und Grapp 2009, S. 572). Die Daily Soap ist ein Beispiel einer langlaufenden Serie mit täglichem und zugleich endlosem, d. h. auf Unendlichkeit geplantem Charakter (vgl. Hickethier 2007, S. 197). Die Planung ‚auf Unendlichkeit‘ kann sowohl auf Episoden- wie auch auf Fortsetzungsserien zutreffen (vgl. Feil 2006, S. 244 f.) In Abgrenzung zum Unendlichkeits-Kriterium ist die Telenovela eine Fortsetzungsserie, deren Geschichte lange (etwa über 150 Folgen) erzählt
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
wird, jedoch irgendwann ein Ende findet (vgl. Hickethier 2007, S. 196; Renner 2012, S. 99). Die hochfrequent ausgestrahlten Serien verweisen auf ein für diese Arbeit besonders interessantes (potenziell intensives) Spannungsfeld zwischen starren Strukturvorgaben und kreativer Autonomie, da ihre Produktionsbedingungen als ‚industriell‘ bezeichnet werden (vgl. Feil 2006, S. 245; mehr dazu in Abschnitt 5.2.2.2). Differenzierung der Programmsparten Auf Basis der bisherigen Ausführungen lassen sich Fernsehsendungen grundsätzlich entlang der drei Programmsparten der fiktionalen Unterhaltung, der nonfiktionalen Unterhaltung und der Fernsehpublizistik gruppieren. Über die Begriffe der Gattungen, Genres und Formate ist in einem zweiten Schritt eine Differenzierung von Sendungen innerhalb dieser Programmsparten möglich. Die Fernsehpublizistik hat in fernsehjournalistischen Formen ihren „gemeinsame[n] Nenner“ (Weiß und Schwotzer 2012, S. 42). Die Differenzierung innerhalb dieser Sparte erfolgt folglich grundlegend über den Begriff der Darstellungsformen als Gattungen im engeren Sinne (Haas 2005, S. 225). Klassische fernsehjournalistische Darstellungsformen sind neben Nachrichtensendungen und diversen (auch unterhaltenden) Magazinen sowie Interview- und Talk-Sendungen auch Reportage- und Dokumentationssendungen (vgl. z. B. Renner 2012, S. 91 ff.; Weiß et al. 2018, S. 90 ff.). In der Differenzierung zwischen informierender und unterhaltender Publizistik zeigt sich die Bedeutung des in einer Sendung oder einem Beitrag behandelten Themas (vgl. Weiß und Schwotzer 2012, S. 43). Die Differenzierung von Sendungsformen innerhalb der Programmsparte der fiktionalen Unterhaltung erfolgt vorrangig über den Begriff des Genres in einem klassischen Sinne (siehe oben), d. h. die Unterscheidung entlang spezifischer narrativer und ästhetischer Parameter, um so beispielsweise Western-, Krimi-, Science Fiction-Filme und Komödien voneinander abzugrenzen (vgl. Gehrau 2001, S. 18; Mikos 2008, S. 263). Ergänzend ist eine Unterscheidung entlang der Form und Abspielplattform, d. h. eine Spezifizierung als Kino- oder Fernsehfilm oder auch Fernsehserie, möglich. Für die Programmsparte der nonfiktionalen Unterhaltung unterscheiden Renner (2012, S. 102 f.) und Hallenberger (2008, S. 81 f.) prototypisch drei Gruppen: (1) Spielshows & Quizsendungen, die aus Geschicklichkeitsspielen und Wissenstest bestehen; (2) Bunte Abende, Volksmusiksendungen, Comedy-Shows, Kabarett und Satire und (3) Talkshows, „in denen Prominente aus ihrem Leben erzählen“ (Renner 2012, S. 103). Grundlegende Merkmale dieser drei Sendungstypen sind ein*e Moderator*in, der*die durch die Sendung führt, die Existenz einer (aufwendigen) Bühne als Kulisse und das Präsenzpublikum (vgl. Hallenberger 2008,
3.1 (Fernseh-)Unterhaltung
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S. 81 f.). Da diese Unterhaltungssendungen alle, wie Renner schreibt, „durch konventionelle Regeln organisiert werden, lassen sich neue Unterhaltungsformate relativ schnell entwickeln“ (Renner 2012, S. 103, Herv. i. O. fett). So ist die Modifikation, Kombination und Weiterentwicklung bestehender Sendungsgenres und -gattungen seit Jahrzehnten beständiges Element und Basis des Portfolios insbesondere kommerzieller Sender (vgl. Hallenberger 2008, S. 82; Renner 2012, S. 103). Der hybride Charakter unterhaltender Medieninhalte, d. h. das Überschreiten und Verwischen inhaltlicher Unterscheidungen (zwischen Information und Unterhaltung; zwischen Realität und Fiktion), wird bereits seit Jahrzehnten in der Unterhaltungsforschung beschrieben (vgl. Bosshart 1994, S. 36). Zugleich ist Hybridisierung jeglicher Genre- und Gattungsbezeichnung inhärent, wenn man von einer dynamischen Definition ausgeht, die Genres nicht als fest definierte, statische Merkmalspakete versteht (siehe oben; vgl. auch Abschnitt 5.2.1). Dennoch haben Hybridisierungstendenzen mit dem Siegeszug des so genannten Reality TV (zur Definition vgl. z. B. Klaus 2006, S. 85 ff.; Klaus und Lücke 2003; Mikos 2012, S. 53), welches sich umgekehrt überhaupt erst aufgrund der „Hybridisierung als [s]einem zentralen Organisationsprinzip“ (Lünenborg et al. 2011, S. 17) so dynamisch und schnell ausdifferenziert hat (vgl. ebd.), ein besonderes Ausmaß erfahren – quantitativ wie auch qualitativ. Letzteres resultiert aus den verschleiernden Tendenzen dieser Sendungshybride, z. B. über Fiktionalisierungsstrategien in Dokudramen (vgl. Mikos 2012, S. 52) oder Authentifizierungsstrategien des Scripted Reality (vgl. Klug 2016, S. 135 f., 137 f., 141 f., 144 f., 149 f.). Anders als bisher respektieren die neuen Genre- und Gattungsmischungen die bis dahin „stabile[.][n] Grundeinteilungen […] zwischen intentional informierenden und intentional unterhaltenden Programmformen, zwischen fiktionalem und nonfiktionalem Fernsehen“ (Hallenberger 2008, S. 83) nicht mehr. Dies kann zu Irritationen in der Verständigung zwischen Kommunikator*innen und Rezipient*innen führen (vgl. Abschnitt 5.2.1). Grundsätzlich spielt sich die Debatte zu nonfiktionalen Genres und Gattungen, die sich abseits klassischer Showgenres entwickeln, auch vor dem Hintergrund der Definition von Dokumentationsgenres ab – dies zeigt sich in einschlägigen Bezeichnungen wie „Doku-Soaps“ oder „Dokuserie“. Die Definition des Dokumentarfilms als „creative treatment of actuality“ (Balcon und Grierson 1933, S. 8) verweist dabei direkt auf den Fakt, dass Dokumentationen und Dokumentarfilmen eher eine Nähe zu journalistischen/publizistischen Inhalten denn zu unterhaltenden Inhalten zugewiesen wird (vgl. Corner 1996, S. 2). Corner (2009, S. 50) beschreibt jene Sendungen, die gemeinhin als Reality TV oder Realitätsunterhaltung bezeichnet werden, als „Documentary as Diversion“: „Propagandist, expositional, or analytic goals are exchanged for modes of intensive or relaxed diversion“ (ebd.). Er definiert die
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Inhalte folglich über die von den Macher*innen beabsichtigte Funktion (für die Rezipient*innen). Hier wird eine Kopplung an die Vorstellung von Unterhaltung als Rezeptionsphänomen deutlich, welches – der Argumentation dieser Arbeit folgend und auch in Corners (2009, S. 48) Verständnis – an bestimmte Strukturen der Produktion gekoppelt ist. Letztlich und schließlich sind die klassischen inhaltlichen Einteilungen von Sendungen die Basis für ihre Zuordnung zu den Programmsparten. Dieser Idee folgend hat die ALM-Programmanalyse den benannten drei Programmsparten spezifische Standardgattungen und -genres4 zugewiesen (vgl. Tabelle 3.1) und sortiert die Hybridformate des Reality TV basierend auf diesen Zuordnungen und parallel zur Unterscheidung der drei Sparten als fiktionalisiertes, performatives und narratives Reality-TV ein (vgl. Trebbe und Beier 2016, S. 27; Weiß und Ahrens 2012, S. 62 ff.). Entscheidend ist, an welchen Standardgattungen und -genres sich die neuen Genres und Formate vorrangig orientieren, d. h. welche Elemente, Perspektive und Intention dominieren (vgl. Abschnitt 3.1.1). Da es in (reinen) Dokus-Soaps tendenziell „um Alltag, Familie, Beruf, abweichendes Verhalten, Recht und Ordnung usw.“ aus einer „private[n] Perspektive“ (Beier et al. 2014, S. 47) geht, lassen sich fernsehpublizistische Doku-Soaps nicht nur über ihre „serielle, narrative“ (Beier et al. 2014, S. 47) Form, sondern auch über ihre „gesellschaftlich relevante[n]“, wenn auch unterhaltenden Themenbezüge (vgl. Trebbe und Beier 2016, S. 45) qualifizieren. Im hiesigen Verständnis ist Narration an einen – in einem weiten Verständnis – gesellschaftlich relevanten Themenbezug gekoppelt. Ausgehend von einem rekursiven Verhältnis zwischen inhaltlichem Gegenstand einerseits sowie Produktionsstrukturen andererseits, kann davon ausgegangen werden, dass Doku-Soaps eher Unterhaltungsjournalismus denn Unterhaltungsproduktion sind (vgl. auch Abschnitt 3.3). Die Grenzziehung bleibt hier jedoch schwammig und lässt sich nur über eine Analyse der Praktiken der Produktion schärfen.
4
Bezüglich der verwendeten Terminologie fällt auf, dass die ALM-Studie selbst auf den Begriff des Formats zurückgegriffen (als allgemeine Bezeichnung einer Fernsehsendung) und nicht zwischen Genres, Gattung und Formaten, wie die vorliegende Arbeit sie versteht, differenziert hat. Eine genaue Zuweisung spezifischer Sendungen zu diesen Terminologien (wie in Abbildung 3.3 erfolgt) ist für die vorliegende Arbeit nicht ausschlaggebend – die obige Begriffsdifferenzierung dient vielmehr als Orientierung –, dennoch ist es präziser, zwischen Standardgattungen und (untergeordnet) den Genres und Formaten des Reality TV zu unterscheiden, da so verdeutlicht wird, dass diese Hybridformen bestehende Gattungen (und auch Genres) vorrangig auf Ebene der inhaltlich-narrativen Gestaltung variieren, wenngleich gerade hier die inhaltlichen Modifikationen häufig auch Veränderungen der Form begründen.
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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Tabelle 3.1 Programmsparten und Sendungsgattungen Programmsparten
Standardgaungen
Genres und Formate des Reality-TV
gesamt
Fernsehpublizisk
Nachrichtensendungen, Magazine, Reportagen/ Dokumentaonen, Interview/Talkformate, Sportsendungen
Doku-Soaps, Daily Talks
Fernsehpublizisk gesamt
Fikonale Unterhaltung
Kinospielfilme, Fernsehfilme, Fernsehserien, Zeichentrick- und Animaonsformate
Gescriptete Doku-Soaps, Gescriptete Gerichts/Personal-Help-Shows
Fikonale Unterhaltung gesamt
Nonfikonale Unterhaltung
Musiksendungen, Fernsehshows (spezifiziert als Quiz-/ Unterhaltungsshows; LateNight-/Comedy-/Sareshows; Kochshows)
Casngformate, sonsge Realityformate
Nonfikonale Unterhaltung gesamt
Gesamt
Standardgaungen gesamt
Reality-TV-Formate gesamt
Sendungen gesamt
Quelle: basierend auf Trebbe und Beier 2014, S. 199
Wie in der oben bereits skizzierten Arbeitsdefinition von Unterhaltung (vgl. Abschnitt 3.1.1) angedeutet, spielt die Art und Weise, wie Fernsehsendungen hergestellt werden und wer daran beteiligt ist, für die Spezifizierung der Fernsehunterhaltungsproduktion (und ihrer Produkte) eine wichtige Rolle. Dies soll über die folgenden Ausführungen (vgl. Abschnitt 3.2) zur Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion verdeutlicht werden. Die Kopplung einer objektbezogenen mit einer kommunikator- bzw. genauer einer produktionsbezogenen Spezifizierung von Fernsehunterhaltung erlaubt eine produktionstypologische Differenzierung von Genres und Gattungen (vgl. Abschnitt 3.2.2) sowie letztlich auch eine Spezifizierung des in dieser Arbeit fokussierten Feldes der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Abschnitt 3.3).
3.2
Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
Die Frage, unter welchen ökonomischen Bedingungen unterhaltender Fernsehcontent produziert wird, ist Voraussetzung für eine angemessene Einordnung und Bewertung der Rolle von Kreativität in diesem Prozess. An dieser Stelle erfolgt ein Überblick über die Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion, der
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
hilft, den Forschungsgegenstand (vgl. Abschnitt 3.3) zu spezifizieren. Die thematisierten Spezifika werden, wenn sie für die Untersuchung der Rolle der Kreativität von hervorgehobener Bedeutung sind, in Kapitel 5 eingängiger beleuchtet.
3.2.1
Ökonomische Parameter I: Produktspezifika und Kostenstruktur
Fernsehsendungen sind Kultur- und Wirtschaftsgüter zugleich. Medieninhalte erhalten als Kulturgüter ihren Wert nicht über objektivierbare Komponenten, sondern über eine Wertzuschreibung und eine Interpretation ihres symbolischen Gehalts durch die Rezipient*innen (vgl. Bilton 2007, S. 138; Breyer-Mayländer 2013, S. 112). Ausgehend von diesem symbolischen Charakter der Mediengüter wird ihnen eine Wirkung auf die Rezipient*innen und damit eine spezifische gesellschaftliche Funktion – konkret ein Beitrag zum Meinungsbildungsprozess sowie die Selbstbeobachtung der Gesellschaft – zugeschrieben (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 36 f.). Der Doppelcharakter medialer Güter manövriert Medienunternehmen in einen Balanceakt zwischen kulturell-publizistischer und ökonomischer Orientierung (vgl. Schwarzenbach 2006, S. 41). Dieses Spannungsverhältnis lässt sich theoretisch auf der Mesoebene über eine Unterscheidung von Medienorganisationen und Journalismus auffangen (vgl. Altmeppen 2006), die Fernsehunterhaltung(sproduktion) aber nicht abbildet. Für letztere kristallisiert sich der Doppelcharakter insbesondere auf der Mikroebene heraus (vgl. Abschnitt 5.3). Es ist nicht zuletzt die „menschliche[.] Schaffenskraft“ (Dreiskämper 2013, S. 17), die die Kulturguteigenschaft (mit)begründet. Die sozialen Praktiken und damit auch die spezifischen Bedingungen des Handelns der Organisationen und Individuen der Fernsehproduktion, die in dieser Arbeit entlang des Kreativitätsbegriffs betrachtet werden, gründen in den ökonomischen Spezifika der Fernsehunterhaltungsproduktion. Der Kreativitätsbegriff erlaubt es, den Doppelcharakter in den Fokus der Analyse zu rücken (vgl. zusammenfassend Abschnitt 5.4). Medienangebote gelten gemeinhin als Dienstleistungen, d. h. als immaterielle Güter, auch wenn nicht alle (proto)typischen Eigenschaften von Dienstleistungen im Sinne der ökonomischen Gütertheorie (vgl. z. B. Kiefer und Steininger 2014, S. 148 ff.) auf sie zutreffen. Zentral für ihre Einordnung als Dienstleistung ist der immaterielle Charakter des definitorischen Kerns medialer Produkte, d. h. ihr symbolischer, kultureller Charakter. Die Nachfrage bezieht sich „auf das immaterielle kulturelle Produkt und seine ästhetische Nutzenstiftungen“ (Kiefer 2001,
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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S. 143; vgl. auch Windeler 2004, S. 57). Hierin liegt die Kulturguteigenschaft von Medieninhalten begründet. Medienangebote können sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite verbunden sein. Konkret geht es dabei um die Frage, welche (anderen) Güter und Dienstleistungen ein Medienangebot ergänzen (Komplementärgüter) oder ersetzen (Substitutionsgüter) können. Audiovisuelle Medienangebote sind auf der Nachfrageseite verbunden, da sie immateriell vorliegen und von einem technischen Vertrieb abhängig sind (vgl. z. B. Breyer-Mayländer und Werner 2003, S. 34): Die Lieblingsserie kann nur mit einem entsprechenden Endgerät rezipiert werden. Diese Komplementarität gilt für Informationsgüter (d. h. auf Daten basierende, digitale Güter) allgemein (vgl. Clement und Schreiber 2016, S. 30). Sie sind auf eine physische Abspielquelle und/oder -fläche angewiesen. Die Digitalisierung treibt die Komplementarität folglich auch für Printprodukte voran, soweit diese digital(isiert) angeboten werden. Doch auch obwohl audiovisuelle Produkte in ihrer Produktion, Distribution und Rezeption an materielle Güter gebunden sind (z. B. an die Kamera, die für den Dreh benötigt wird, oder an den Fernsehbildschirm, der die Rezeption erst ermöglicht), besteht keine „Einheit von Inhalt und Träger“ (Siegert 2001, S. 105), d. h. ein Fernsehgerät entspricht nicht auch einer einzelnen Sendung. Dies hat zu Folge, dass audiovisuelle Inhalte die für marktfähige Güter wesentlichen Kriterien der Konsumrivalität und des Konsumausschlusses nicht vollständig erfüllen. Es besteht keine Rivalität, da der*die Rezipierende den Inhalt während der Rezeption nicht aufbraucht (wie z. B. beim Konsum eines Apfels). Folglich schränken Rezipient*innen durch ihren Konsum die Rezeption durch weitere Zuschauer*innen nicht ein. Dass der Wert insbesondere auf täglicher Basis erstellter, journalistischer Fernsehinhalte wesentlich in ihrer Aktualität liegt, kann die Nicht-Rivalität ein Stück weit, aber nicht vollständig kompensieren (vgl. von Rimscha 2015, S. 25; von Rimscha und Siegert 2015, S. 25). Darüber hinaus ist für viele Fernsehsendungen ein Ausschluss vom Konsum – Ausnahme sind Bezahlangebote – aufgrund eines allgemeinen Zugangs zu Inhalten des Free TV nicht möglich (vgl. Kiefer 2005, S. 170 f.). Dies begründet in Kombination mit der Nicht-Rivalität die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes, das nur eingeschränkt marktfähig, d. h. über den Markt handelbar ist (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 25; Karstens und Schütte 2013, S. 80). Auf dem Free TV-Markt greifen zwei Lösung(smöglichkeiten) dieses Problems öffentlicher Güter (vgl. Karstens und Schütte 2013, S. 81): (1) Die politische Lösung einer Gebührenfinanzierung (des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) und (2) die marktwirtschaftliche Lösung der Kopplung des Medienangebots an einen Werbemarkt (vgl. auch Heinrich 2010a, S. 31 f.). Erstere Lösung ergibt sich aus
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
der Meritorik einiger Fernsehinhalte. Meritorische Güter sind jene, denen von den Nutzern nicht die Bedeutung zugesprochen wird, die sie für die Gesellschaft als Ganzes haben (vgl. Schwarzenbach 2006, S. 64). Grundsätzlich gelten vorrangig informative respektive journalistische Medieninhalte als meritorische Güter, da für sie ein positiver externer Effekt angenommen wird, d. h. sie helfen dabei, gesellschaftliche Funktionen zu erfüllen (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 26). Darüber hinaus können jedoch auch (bestimmte) unterhaltende Inhalte gesellschaftsrelevante Leistungen erbringen (vgl. ebd., S. 39). Der Nutzen von Medieninhalten erschließt sich grundsätzlich nicht vor der Rezeption. Die Möglichkeit dieser Nutzenbewertung hängt von der Qualitätstransparenz des Gutes ab. Für Mediengüter greift hier das Informationsparadoxon: Um ihren Nutzen. „beurteilen zu können, müssten ihnen [den Rezipient*innen, Anm. d. Verf.] die Inhalte bereits bekannt sein, was jedoch deren Nutzung voraussetzen würde. Allerdings kann man Medieninhalte nicht ‚zurückgegeben‘, wenn die gelieferte Qualität nicht der erwarteten entspricht“ (ebd., S. 31).
Mediale Güter gelten folglich als Erfahrungs- bzw. Vertrauensgüter (vgl. BreyerMayländer 2013, S. 112 f.). Dabei ist ein*e Rezipient*in in der Lage, den Nutzen einer Unterhaltungssendung ex post dahingehend zu beurteilen, ob der Konsum ihm*ihr die gewünschte Unterhaltung, Entspannung, Ablenkung etc. verschafft hat (Erfahrungsgut). Den Nutzen einer Informationssendung wiederum kann ein*e Rezipient*in nicht vollständig erfassen, da er*sie bezüglich der meisten thematisierten Ereignisse nicht über Primärerfahrungen verfügt (Vertrauensgut). Da grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass sich Rezipient*innen eher Inhalten zuwenden, deren Nutzen sie auf Basis vorheriger Erfahrungen (dem Muster folgend: „Diese Sendung hat mich vergangene Woche gut unterhalten“) antizipieren und im Nachhinein erkennen können, treffen informative Inhalte auf eine geringere Nachfrage als es gesellschaftlich wünschenswert wäre. Folglich erfolgt medienpolitisch ein Eingriff in die Konsumpräferenzen (vgl. Schwarzenbach 2006, S. 64; von Rimscha und Siegert 2015, S. 27): Über den Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens soll garantiert werden, dass unabhängig von der Nachfrage ausreichend informative Inhalte produziert und distribuiert werden (vgl. auch Kiefer 1996, S. 20 f.). Die zweite Option einer marktwirtschaftlichen Lösung des Problems öffentlicher Güter basiert auf der Idee der Aufmerksamkeitsökonomie (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 150). Insofern die Zuschauer*innen nicht für die Rezeption eines audiovisuellen Inhalts über Abonnementmodelle oder Einzeltransaktionen zahlen – die Etablierung von Bezahlmodellen ist eine weitere Möglichkeit die
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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das öffentliche Gut Fernsehen in ein privates Gut zu transferieren (vgl. Karstens und Schütte 2013, S. 82) –, erbringen sie für die Nutzung der Inhalte zwar keine monetäre Kompensation, jedoch bezahlen sie mit ihrer zeitlich begrenzten Aufmerksamkeit. Es entstehen für sie so genannte Opportunitätskosten (vgl. Heinrich 2010a, S. 132; Kiefer und Steininger 2014, S. 53, 247). Ihre Konsumzeit summiert sich zur Publikumsreichweite, welche die Sender an die Werbekundschaft vermarkten. An dieser Stelle greift die spezifische Kostenstruktur audiovisueller Güter5 : Das Geschäft der Fernsehproduktion und -distribution basiert auf einem starken Effekt der Fixkostendegression (vgl. Heinrich 2010a, S. 121). Fernsehprodukte basieren aufgrund ihrer Immaterialität fast ausschließlich auf Fixkosten, d. h. auf von der Zahl der Produktionseinheiten (hier: Zahl der Konsumakte, d. h. Konsument*innen) unabhängigen Kosten. Der Löwenanteil der Fixkosten (nahezu 90 %, vgl. Breyer-Mayländer und Werner 2003, S. 143) entfällt dabei auf die First-Copy, d. h. die Beschaffung (z. B. Lizenzkosten) und/oder Produktion einer ersten Kopie eines audiovisuellen Produkts. Die First-Copy-Kosten sind von der späteren Ausbringungsmenge unabhängig und fallen in jedem Fall an (vgl. Grau und Hess 2007, S. 28; von Rimscha und Siegert 2015, S. 27). Sie stellen versunkene Kosten dar, weil sie so spezifisch sind, dass sie nicht/kaum auf ein anderes Produkt übertragen werden können, wenn das Ursprungsprodukt scheitert (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 120; Zabel 2009, S. 297). Der Begriff der Fixkostendegression beschreibt den Effekt, dass mit der Größe des Publikums zwar nicht die Kosten, dafür aber die Erlösmöglichkeiten steigen. Da die Grenzkosten in der Distribution von Free TV gegen Null gehen, d. h. jede*r zusätzliche Zuschauer*in in der Regel keine zusätzlichen Kosten verursacht, verdienen die Sender besser, je mehr Personen sich einen Inhalt anschauen (vgl. Ludwig 1998, S. 81; Sandmeier 1997, S. 52). Dies gilt umso mehr, da mit einer steigenden Rezipient*innenzahl die Preise für Werbebuchungen und damit die Erlöse der Programmanbieter (potenziell) steigen. Das finanzielle Risiko der Fernsehindustrie liegt demnach nicht in der Distribution, sondern in den hohen Produktionskosten (zum Risikomanagement in der Spielfilmproduktion vgl. von Rimscha 2008, S. 178 ff., auch Abschnitt 5.1.3). 5
Dabei muss berücksichtigt werden, dass mittlerweile alle Medienangebote, da sie im Kern Informationen darstellen und sich diese problemlos in binär codierte Daten übersetzen lassen, digitalisierbar und damit in immaterielle Formen konvertierbar sind (vgl. Alt und MilitzerHorstmann 2017, S. 1; Clement und Schreiber 2016, S. 24). Damit trifft die beschriebene Kostenstruktur prinzipiell auf jegliche Contentform (Text, Bild, Audio, Video) zu. Die Digitalisierung erleichtert zudem eine modularisierte Produktion, d. h. die Mehrfachnutzung einzelner First Copies oder auch First-Copy-Elemente im Produkterstellungsprozess (vgl. Grau und Hess 2007, S. 32).
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Die Kopplung von Werbe- und Rezipient*innenmarkt steht außerdem für Verbundvorteile. In der Herstellung bereits genutzte Produktionsfaktoren können für weitere Produkte eingesetzt werden. Mit dem Fernsehprogramm entstehen ‚auf einen Schlag‘ Produkte für beide Märkte (quantitative Verbundvorteile); dabei profitieren die Werbeinhalte – dies konstituiert qualitative Verbundvorteile – von der Aufmerksamkeit, Reputation und Glaubwürdigkeit der redaktionellen Inhalte (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 35). Die Möglichkeit der Parallel- und Mehrfachnutzung durch Rezipient*innen gilt auch für die Programmanbieter, die hier über Verbundvorteile der Mehrfachverwertung eines Inhalts die Fixkostendegression fortsetzen können (vgl. Heinrich 2010a, S. 123). Darüber hinaus ist eine modulare Mehrfachnutzung einzelner, insbesondere digital erzeugter Produktelemente möglich (vgl. Grau und Hess 2007; Kaspar 2006; Keuper und Wölbling 2009, S. 590).
3.2.2
Ökonomische Parameter II: Wertschöpfung und Branchensektoren
Vor dem Hintergrund der beschriebenen ökonomischen Ausgangsvoraussetzungen entstehen im Prozess der Fernsehproduktion audiovisuelle Inhalte, die nicht allein qua Entstehung ihren endgültigen Wert erlangen. Letzterer liegt in dem bereits oben benannten symbolischen Charakter als definitorischem Kern medialer Güter, d. h. letztlich in der Unterhaltung und/oder Information der Rezipient*innen. Fernsehsendungen sind zugleich Wirtschaftsgüter, deren Produktion mit der Distribution über Werbemittel, Rezipient*innenzahlungen und/oder Gebühren finanziert wird. Die ökonomische und kulturelle Ausbeutung der audiovisuellen Inhalte kann nur erfolgen, wenn die beschafften und/oder produzierten audiovisuellen Inhalte gebündelt und aufgearbeitet bzw. verpackt werden, im nächsten Schritt in einen Programmablauf eingeplant und schließlich über Kabel, Satellit, Terrestrik oder Breitband distribuiert werden (vgl. Küng 2008b, S. 54 ff.). Im Zuge der Digitalisierung der Produktions- und Vertriebswege haben sich die Möglichkeiten der Distribution amplifiziert. Im digitalisierten Vertrieb ermöglichen Telekommunikationsanbieter und Kabelnetzbetreiber die Speicherung und/oder zeitverzögerte Rezeption von Fernsehsendungen. Es sind zahlreiche Plattformen entstanden, die audiovisuelle Inhalte auf Abruf bereitstellen, wie beispielsweise kostenlose Mediatheken linearer Fernsehprogramme, kostenpflichtige, z. T. an zusätzliche Hardware geknüpfte und/oder over-the-top (OTT) verbreitete Angebote wie Netflix, Amazon Instant Prime und Maxdome (vgl. die medienanstalten 2013, S. 86, 493; Frees und van Eimeren 2013, S. 374, 380). Dennoch erfolgt
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
93
die Distribution von Fernsehsendungen auch weiterhin über die Einbindung in eine spezifische Programmumgebung bzw. ein Angebotsportfolio der jeweiligen Vertriebsintermediäre. Die Fernsehproduktion bildet folglich nur eines, wenn auch das wesentliche Glied im Wertschöpfungssystem der Fernsehindustrie (vgl. allgemein auch Zerdick et al. 2001, S. 31). Definiert nach Leistungsfeldern können Fernsehunternehmen entsprechend der traditionellen Wertschöpfungskette der Fernsehwirtschaft, wie sie auch Küng (2008b, S. 54) skizziert, in drei Kategorien eingeteilt werden: Die TV-Produktion (Erstellung, Fixierung, Beschaffung und Handel audiovisueller Inhalte), die Programmveranstaltung (Kommerzialisierung und Ausstrahlung) und die Distribution (Produktion von Endgeräten und Kundenbetreuung). Eine Vielzahl unterschiedlicher Marktakteur*innen ist in die Abläufe involviert (vgl. Zabel 2009, S. 35). Die zentralen Akteur*innen des Feldes lassen sich auch über eine sektorale Abbildung der Fernsehbranche betrachten. Zabel (2009, S. 38 ff.) teilt die Fernsehbranche in vier Sektoren (vgl. Abbildung 3.4): die (1) Wertschöpfungsstufe der TV-Produktion, die (2) Distribution, die (3) öffentliche Regulierung und (4) das Beziehungsgeflecht zwischen werbetreibender Wirtschaft und TV-Sendern. Die Sektoren sind interdependent und funktionieren jeweils nur aufgrund ihrer Kopplung. Die Unterteilung liefert jedoch eine analytische Differenzierung. Abbildung 3.4 Die Sektoren der Fernsehbranche
Quelle: vereinfacht nach Zabel 2009, S. 38
Der Prozess der Produktion von Fernsehinhalten kann idealtypisch mit sechs Schritten beschrieben werden (vgl. Abbildung 3.5): Er führt von der Ideengenerierung sowie Stoff- (Konzeption) und Projektentwicklung (Packaging) (mehr dazu vgl. Abschnitt 5.1.2) zur Pre-Produktion (d. h. Produktionsplanung und
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
-vorbereitung), Materialherstellung6 und Postproduktion (drei Schritte, die als visuelle Produktion zusammengefasst werden können) und schließlich zur Distribution (vgl. Becker et al. 2011; auch Bonhoeffer 2010, S. 16; Karow 2011, S. 124; Iljine und Keil 2000: 185; Keuper und Wölbling 2009, S. 590; vgl. für eine differenzierte Analyse des Produktionsprozesses Abschnitt 5.1).
Quelle: basierend auf Becker et al. 2011
Abbildung 3.5 Der Prozess der Fernsehproduktion
Nicht mehr Teil des Produktionsprozesses in einem engeren Sinne ist die Distribution, die sich an die benannten Prozessschritte anschließt. Dennoch wirkt sie auf die Produktion zurück, da die Art und die Bedingungen der Distribution (Technologie und Programmplanung) die inhaltliche Gestaltung beeinflussen: direkt, da Längen- oder Themenvorgaben für Sendungen existieren (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 71; Holly 2004, S. 74; Murray 2013, S. 129 ff.), und indirekt, da spezifische Programmplätze mit unterschiedlichen Budgets ausgestattet sind (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 105; Karstens und Schütte 2013, S. 146 f.; 211) und an bestimmte Publikumsvorstellungen geknüpft werden (vgl. z. B. von Rimscha und Siegert 2015, S. 35 f.). Die benannten Schritte der Fernsehproduktion spielen sich üblicherweise in einem Netzwerk zahlreicher individueller und korporativer Akteur*innen ab – mit zwei Akteursgruppen im Zentrum: Die Fernsehsender und die Produktionsfirmen kontrollieren und steuern das Netzwerk (vgl. Sydow und Windeler 2004b, S. 43; vgl. Abschnitt 3.2.4). Die Rechtehandelsunternehmen (vgl. Abbildung 3.4) sind für den Erstellungsprozess, der im Fokus dieser Arbeit steht, von Bedeutung, wenn und sofern sie als Lieferanten Formate (vgl. Abschnitt 5.2.2.1) oder auch 6
Der Schritt der Materialherstellung (meist über Dreharbeiten) wird häufig auch als „Produktion“ bezeichnet. Diese Verwendung des Terminus ergibt sich, weil er von den allgemein verwendeten Begriffen Pre- und Post-Produktion eingefasst wird. Dennoch wäre es angemessener, hier von „Dreharbeiten & Herstellung“ zu sprechen, da die Produktion den gesamten Prozess „von der ersten Stoffidee bis zu Abnahme der sendefertigen Kopie“ (Schneider 1997, S. 7) erfasst.
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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Programmkomponenten (vgl. Zerdick et al. 2001, S. 68) zuliefern. Darüber hinaus sind Rechtehändler für die Fernsehsender wichtige Zulieferer fertiger Programminhalte (vgl. Wirtz 2009, S. 383). Grundsätzlich stehen die Fernsehsender vor der Frage, ob sie die Inhalte, die sie aggregieren und distribuieren, selbst produzieren oder produzieren lassen und/oder einkaufen (Make-or-buy-Entscheidung) (vgl. z. B. Gebesmair 2015). Der Einkauf des so genannten „finished made-forTV programs“ (Lantzsch et al. 2009, S. 80 f.) wird auch als Kaufproduktion (vgl. Fuchs 2010, S. 40) oder Lizenzproduktion (vgl. Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) 2016, S. 5) bezeichnet, beschreibt jedoch eine Beschaffung im engeren Sinne: Der Sender erwirbt eine fertige Sendung direkt bei den Produzent*innen oder aber beim Rechtevermarktungsunternehmen als Zwischenhändler (vgl. Wirtz 2013, S. 460 f.), häufig im Paket in Form so genannter Output-Deals, in denen die Urheber attraktivere und weniger attraktivere Inhalte bündeln, um auch letztere verkaufen zu können (vgl. Karstens und Schütte 2013, S. 74 f., 98). Eine Sonderform der Beschaffung im engeren Sinne stellt die Programmübernahme dar, wie sie beispielsweise für die in der ARD organisierten öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten typisch sind (vgl. Wirtz 2013, S. 465). Entscheidet sich ein Sender für die Erstellung einer Sendung statt für den Erwerb eines fertigen Programms, stehen ihm als Produktionsstrategien prototypisch die Eigen-, die Auftrags- und die Ko-Produktion zur Verfügung (vgl. Fernández-Quijada 2013, S. 106; Zabel 2009, S. 59 f.; Wirtz 2013: 465). In einer Eigenproduktion erfolgt die Sendungserstellung durch den Sender selbst, d. h. in-house; in Ko- und Auftragsproduktionen sind (ausführende) Produktionsunternehmen und ggfs. weitere Distributoren involviert. Da sie mit der Ausgliederung der Produktion Fixkosten reduzieren, ziehen Sender aus Auftragsproduktionen im Gegensatz zu Eigenproduktionen Kostenvorteile und können zudem ihr finanzielles Risiko minimieren (vgl. Fröhlich 2010b, S. 33). Die besondere Bedeutung solch einer Fixkostenreduktionsstrategie ergibt sich aus der Variabilität der Produkte, die produziert werden – die Variabilität wiederum begründet die Zentralität von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Abschnitt 5.1). Jede Gattung, jedes Genre, jedes Format ist geknüpft an bestimmte inhaltlich-konzeptionelle und produktionsorganisatorische Prämissen (vgl. auch die Beschreibung von Genres als Produktionsmuster in Abschnitt 5.2.1). Diese Prämissen münden in einer produktionstypologischen Differenzierung von Fernsehunterhaltungssendungen über sechs Elemente: (1) den Repetitionstyp – hier ist eine Unterscheidung zwischen einer Einzelproduktion, einer Reihe, einer Staffel und einer fortlaufenden Produktion möglich – und das daran gekoppelte (2) Produktionsvolumen in einem spezifischen Zeitabschnitt, ebenso über den (3) Aktualitätsgrad einer Produktion, die (4) Offenheit (also auch Planbarkeit) des
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Herstellungsprozesses (eine fiktionale Produktion folgt einem Drehbuch; die journalistische Berichterstattung zu einem Ereignis wiederum verläuft ergebnisoffen), die (5) Struktur und Organisation des Fertigungsprozesses und die (6) Autonomie der Akteur*innen – auch im Verhältnis von Sender und Produzent*in (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 173 ff.; Zabel 2009, S. 46 ff.). Diese Variation mündet in einem jeweils spezifischen Produktionsmittelbedarf (vgl. auch Becker et al. 2011, S. 4). Prozesse und Strukturen variieren in der Fernsehunterhaltungsproduktion je nach Genre, die ein*e Produzent*in bzw. ein Produktionsnetzwerk bedient (vgl. Zoellner 2013, S. 5). Nicht jedes Produktionsunternehmen ist in der Lage, jede Art der Produktion zu bewältigen: Komplexe Unterhaltungsproduktionen setzen nach Meinung der Produzent*innen eine gewisse Unternehmensgröße voraus, da nur so der Zugriff bestehe auf „the sort of system to make that show happen“ (Zitat eines Branchenvertreters in GB, zitiert nach Fröhlich 2010b, S. 282). Damit sind unterschiedliche Gattungen und Genres institutionell, aber auch durch Werte, Ziele und Produktionsstile getrennt (Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 14; vgl. Tunstall 2001b, S. 195). Die Unterschiede liegen folglich insbesondere in den Produktionspraktiken und auf der Ebene der am Produktionsprozess beteiligten Medienschaffenden. Fernseh(unterhaltungs)produktion gilt als ‚people’s business‘ (vgl. z. B. Huber und Leu 2014, S. 8; Lantzsch 2008, S. 186; Zabel 2009, S. 45) und lässt sich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive als personalkosten- bzw. arbeitsintensive Produktion qualifizieren (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 101; Heinrich 2010a, S. 161; Randle und Culkin 2009, S. 94). Sie verläuft arbeitsteilig und kollaborativ und basiert auf der Kombination diverser Fähigkeiten und Wissensbestände (vgl. u. a. Becker et al. 2011; Marrs 2007, S. 96 ff.; vgl. auch Abschnitte 3.2.4, 5.3.1 und 5.3.2). Die besondere Rolle dieser individuellen Fähigkeiten resultiert schon allein aus der Tatsache, dass es in der Branche kaum formalisierte Ausbildungswege gibt (wenn auch eine zunehmende Professionalisierung der Berufsqualifikationen erfolgt) und das notwendige Wissen daher weniger formales Wissen denn Erfahrungswissen ist (vgl. Lundin und Norbäck 2009, S. 114; von Rimscha 2012, S. 133 f.; vgl. auch Abschnitt 5.3.3). Qualifiziertes Personal ist daher schwer ersetzbar – anders als ggfs. die erforderliche Technik. Folglich sind Netzwerke, die eine bedarfsspezifische Kombination spezialisierter Mitarbeiter*innen für die Dauer eines (Produktions-)Projekts ermöglichen, die dominierende Organisationsstruktur in der audiovisuellen Content-Produktion (vgl. Biernat 2008, S. 175; Windeler und Sydow 2004, S. 10 ff.; Zabel 2009, S. 38 f.; mehr dazu siehe Abschnitt 3.2.4).
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
3.2.3
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Struktur des Produktionsmarktes: Sender und Produzent*innen
Die zentralen Akteur*innen des Fernsehproduktionssektors sind – wie auch Abbildung 3.2 zeigt – die Fernsehsender und die Fernsehproduktionsunternehmen als Kontroll- und Koordinationsinstanzen des Sendungserstellungsprozesses sowie Medienschaffende diverser Spezialisierungen und Professionen, die als Zulieferer und Subunternehmen zur Sendungserstellung beitragen. Kleinere, mittlere und große Produktionsunternehmen fungieren als jener Ort, an dem der eigentliche Erstellungsprozess vorrangig stattfindet (vgl. Przybylski 2010, S. 198). Einer vergleichsweise großen Zahl von Produktionsunternehmen als Inhalte-Lieferanten stehen wenige Sender als Auftraggeber gegenüber. Dieses Machtungleichgewicht führt zu spezifischen Finanzierungsmodellen, die finanzielle Risiken für kleine Produzent*innen begründen und aufwendige Entwicklungsarbeit nicht ausreichend honorieren (vgl. Fröhlich 2010b, S. 338 f.). Eine Folge sind Konzentrationstendenzen auf dem Produktionsmarkt wie auch Verflechtungen mit Sendern bzw. Ausstrahlungsplattformen. Neben die ökonomische tritt zudem eine regionale Verflechtung der Branche. Sender-Produzent*innen-Verhältnis: Der Fernsehproduktionsmarkt als Oligopsonie Mehrere hundert Produktionsunternehmen – seit 2011 hat das Formatt-Institut (2020, S. 7, 21) beständig jedes Jahr mehr als 800 aktive Produktionsbetriebe ermittelt7 – bedienen einen durch relative publizistische und ökonomische Konzentration geprägten Fernsehsendermarkt. Das Verhältnis einer Vielzahl von 7
Einheitliche Daten zur Zahl der Unternehmen auf dem Produktionsmarkt sind aufgrund seiner heterogenen Struktur schwer zu ermitteln. Das Spektrum jener Unternehmungen, die als Teil des Fernsehproduktionssektors auf dem deutschen Fernsehmarkt qualifiziert werden könnten, reicht von Einzelpersonen zu multinationalen Konzernen. Diese Variation der Größe setzt sich im Tätigkeitsspektrum fort: Einige Unternehmungen liefern nur Teilleistungen, z. B. Postproduktion, oder fungieren nur als technischer Dienstleister (z. B. als Verleiher für Studiotechnik). Andere gewährleisten als integrierte Unternehmen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 263) den gesamten Wertschöpfungsprozess der Sendungserstellung (vgl. z. B. auch Rau und Hennecke 2016, S. 85 ff.). Die ermittelte Zahl der Unternehmen hängt folglich zunächst einmal von der Definition eines Fernsehproduktionsunternehmens ab (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 19 ff.; Formatt-Institut 2015, S. 20 f., Formatt-Institut, S. 17 f.). Doch auch obwohl die einschlägigen Studien Produktionsunternehmen grundsätzlich vergleichbar als jene Unternehmen definieren, die Fernsehsendungen, d. h. Videoinhalte, die in einem Fernsehprogramm ausgestrahlt werden, herstellen, sind die Marktdaten weder eindeutig noch vergleichbar. Die Daten der offiziellen Statistik erlauben bspw. keine trennscharfe Differenzierung zwischen Herstellung von Fernsehcontent und Hersteller*innen anderer, z. B. werblicher
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Produzent*innen gegenüber einer Handvoll (dominierender) Sender entspricht der Wettbewerbsform einer Oligopsonie (vgl. Fröhlich 2010b, S. 218). Insgesamt schwächt die gegenwärtige Marktstruktur die (Verhandlungs-)Macht der Produktionsunternehmen: Letztere haben weniger Einfluss auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit als die Sender (vgl. ebd., S. 402). Die Zahl der relevanten Ansprechpartner*innen ist für eine Produktionsfirma, die eine Produktion(sidee) anbieten möchte, auf wenige Personen reduziert (vgl. ebd., S. 213). Seit Jahren verzeichnen die Sender ARD mit den Dritten Programmen, das ZDF, RTL, Sat.1 und (zwischendurch überholt von VOX) ProSieben die vergleichsweise höchsten Publikumsmarktanteile (vgl. AGF Videoforschung o. J.b). Im Jahr 2018 verfügten sie beispielsweise gemeinsam über einen Marktanteil von 57 % (vgl. ebd.). Entsprechend fungieren diese Sender bzw. die an diese Sender gekoppelten Sendergruppen traditionell als wichtigste Auftraggeber der Produktionsunternehmen. Die Produzent*innen realisierten im Jahr 2018 Auftragsproduktionen in einem Umfang von 746.606 Minuten (vgl. Formatt-Institut 2020, S. 5). Die genannten Sender gaben davon 554.485 Minuten (also knapp 74 %) in Auftrag (vgl. ebd., S. 126) mit VOX (76.388 Minuten) und Sat.1 als wichtigste private Auftraggeber (75.848 Minuten) hinter den öffentlich-rechtlichen Sendern (vgl. ebd.). Der deutsche Produktionssektor wird entsprechend trotz der Vervielfältigung der Distributionskanäle im Zuge der Digitalisierung aktuell noch wesentlich durch die reichweitenstärksten Free-TV-Sender bestimmt, wenngleich zunehmend auch andere Sender wie TNT Serie (ein Sender des US-amerikanischen TurnerKonzerns, der zu Time Warner gehört, vgl. z. B. Fitzgerald 2017; Hachmeister und Wäscher 2017, S. 132 ff.) sowie Anbieter von On-Demand-Videoplattformen wie Amazon, Maxdome und Netflix als Auftraggeber in Erscheinung getreten sind (vgl. Hoff 2017; Lückerath 2017; Mantel 2016; Niemeier 2016) und auf regionale Auftragsproduktionen setzen wollen (vgl. Krei 2017a; Lückerath 2016). Videoinhalte (vgl. Destatis 2008, S. 431). Zudem fassen die Daten der amtlichen Wirtschaftsstatistik Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen zusammen (vgl. z. B. Destatis 2016, S. 20). Selbstständige Produzent*innen oder Producer*innen, die eher als Zulieferer*innen denn als Produktionskoordinator*innen agieren, lassen sich aus der amtlichen Statistik ggfs. über einen Mindestumsatz – wie Castendyk und Goldhammer (2012, S. 146) dies machen – herauslösen. Aber auch solch eine Mindestumsatzgrenze ist dafür kein eindeutiges Kriterium. Das Formatt-Institut (2020, S. 18) bezieht nur jene Produktionsbetriebe in seine Erhebung ein, die Sendungen mit einer Länge von mindestens 15 min produziert haben. Interessanterweise weist die Zahl von 900 klassischen Produktionsunternehmen, wie Castendyk und Goldhammer (2012, S. 26) sie für das Jahr 2011 ermittelt haben, aber in dieselbe Richtung wie jene des Formatt-Instituts (für das Jahr 2011 wurden 887 Unternehmen ermittelt; vgl. Röper 2014, S. 556). Die aktuellste Erhebung mit Zahlen für das Jahr 2018 verweist auf 884 aktive Produktionsbetriebe (vgl. Formatt-Institut 2020, S. 7).
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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Genres und Gattungen der Auftrags- und Eigenproduktionsvolumina Ein Wehrmutstropfen der zentralen Rolle privater Free-TV-Sender als Auftraggeber ist die Verschiebung ihrer Aufträge in den vergangenen Jahren hin zu kostengünstigeren Genres des Reality TV (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 57; Röper 2016, S. 515, 517). Das Entertainment-Genre – in der Definition des Formatt-Instituts sind dies diverse Showsendungen, auch Talk-Shows und Doku-Soaps (vgl. Formatt-Institut 2015, S. 151 f.) – macht seit Jahren einen erheblichen Teil aller Produktionsaufträge aus: Im Jahr 2018 waren es mit 348.255 Minuten wie beispielsweise auch schon 2014 knapp 47 % der Aufträge (vgl. ebd., S. 68, Formatt-Institut 2020, S. 86 f.). In der Befragung zum Produktionsjahr 2014 gaben die Produktionsunternehmen des Weiteren an, dass es sich bei den im Auftrag produzierten Sendungen zu 19,4 % um fiktionale Sendungen (darunter fallen in der Studie Reihen, Fernsehfilme, Serien und Comedy-Sendungen, vgl. Formatt-Institut 2015, S. 150 f.) und zu 24,1 % um informative Inhalte (Magazinsendungen, journalistische Langformate wie Reportage, Feature oder Dokumentationen, vgl. ebd., S. 152 f.) handelte (vgl. ebd., S. 68). Dieser inhaltlichen Differenzierung folgend wären mehr als zwei Drittel der Auftragsproduktionen (in Minuten) der fiktionalen und nonfiktionalen Unterhaltung zuzuordnen (vgl. ebd.) – rechnet man die 8,7 % an nicht in der Studie spezifizierbaren Programmgattungen heraus, wären es sogar fast Dreiviertel8 . Stellt man diese Zahlen jedoch der dieser Arbeit zugrundeliegenden Definition von Unterhaltung gegenüber (vgl. Abschnitt 3.1.1), ist zumindest kritisch zu berücksichtigen, dass über die Talk-Shows auch politische Gesprächsformate in die Entertainment-Kategorie einbezogen werden (vgl. ebd., S. 114 ff.) und der Doku-Soap-Begriff (vgl. ebd., S. 102 ff.) nicht nach performativen und narrativen Sendungsformen differenziert wird (und außerdem auch gescriptete Formate einschließt, die als fiktionale Unterhaltung einzuordnen wären, vgl. Weiß und Ahrens 2012, S. 66 ff.). Darüber hinaus sind in der Formatt-Studie Nachrichten und tagesaktuelle Magazine nicht enthalten, weil sie „lange Zeit die klassische Eigenproduktion“ (Formatt-Institut 2015, S. 21) waren (vgl. ebd., S. 21 f., vgl. auch Formatt-Institut 2020, S. 18) – tatsächlich werden vereinzelt auch tagesaktuelle Informationsinhalte von Sendern als Produktionsauftrag vergeben, im Falle der ProSieben Sat.1-Gruppe und RTL erfolgt dies jedoch über Produktionsunternehmen (infoNetwork bzw. die ProSiebenSatl.1 Produktion GmbH), die formal 8
Zu berücksichtigen ist hier jedoch auch, dass das zugrunde gelegte Gesamtproduktionsvolumen zwar Live-Shows (vgl. Formatt-Institut 2015, S. 151), aber keine Live-Aufzeichnungen von Events (darunter Preisverleihungen, Theateraufzeichnungen oder auch Sportereignisse) umfasst (vgl. ebd., S. 21).
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
ausgegliedert, infrastrukturell jedoch an den Sender angeschlossen und nur für diesen tätig sind (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 56). Grundsätzlich lässt sich folglich festhalten, dass sich mit den vorliegenden Erhebungen und verfügbaren Daten nicht exakt feststellen lässt, in welchem Umfang Produktionsunternehmen Inhalte herstellen, die in der Definition dieser Arbeit als (fiktionale und nonfiktionale) Unterhaltung qualifiziert werden können. Dennoch implizieren die Daten, dass Produktionsunternehmen vorrangig Unterhaltung produzieren (vgl. Zabel 2009, S. 381, auch David Graham and Associated Limited 2005, S. 164). Tatsächlich werden TV-Sender selbst primär in der Produktion zeitsensibler Inhalte wie Nachrichten tätig (vgl. Heinrich 2010a, S. 158 f.; Zabel 2009, S. 59). Die Höhe der Transaktionskosten entscheidet, ob aus Perspektive der Sender ein Outsourcing in Frage kommt (vgl. Heinrich 2010a, S. 158): Diese Transaktionskosten resultieren aus Informations-, Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten, ihre Höhe wiederum hängt wesentlich von der Häufigkeit der Transaktionen und der Unsicherheit in der Produktion ab. Die Erstellung (tages-) aktueller journalistischer Inhalte ist ereignisorientiert (vgl. Altmeppen 2007b, S. 145) und daher schwer planbar, erfolgt zugleich in hoher Frequenz. Gerade im Fall tagesaktueller, folglich journalistischer Produktionen spielt die Zeitsensibilität der Produkte eine besondere Rolle (vgl. Zabel 2009, S. 44, Fn. 32) – wenn auch für nicht-journalistische Inhalte von einem gewissen Grad an Zeitsensibilität auszugehen ist (vgl. Elberse und Eliashberg 2003). Die Erstellung mit eigenen Ressourcen ist unmittelbarer und damit (zumeist) schneller möglich. Die „Kontrolle von Qualität, Umfang und Liefertermin“ (Heinrich 2010a, S. 158) ist intern einfacher umzusetzen. Da die Produktionsfrequenz eine kontinuierliche Auslastung erlaubt, ist es für solche Produktionen ökonomisch sinnvoll, die erforderlichen Ressourcen fest an das Unternehmen zu binden. Das ist u. U. auch auf längerfristig vereinbarte, serielle Produktionen anwendbar (siehe z. B. die langjährige Serie Lindenstraße, die bis Ende 2019 im WDR produziert wurde). Für das gesamte Sendungsrepertoire wäre dies jedoch unökonomisch: Da die nötigen Produktionsmittel (Technik und vorrangig das Personal) mit jeder Gattung, jedem Genre und jeder Einzelsendung variieren (vgl. Abschnitt 3.2.2), würden diese als interne Ressourcen hohe Fixkosten begründen. Die Abwicklung journalistischer tagesaktueller Produktionen über interne Produktionsressourcen hängt auch damit zusammen, dass insbesonders öffentlichrechtliche Sender ihr Prestige und ihre Daseinsberechtigung aufgrund ihres Auftrags aus der journalistischen Berichterstattung ziehen (vgl. Formatt-Institut 2015, S. 21 f.). Journalistische und publizistische Sendungen spielen für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender eine besondere Rolle – dies zeigt sich bereits
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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in ihrem Programmprofil (vgl. z. B. Krüger 2018). Tatsächlich sind sie im Bereich journalistischer Langformate wesentliche Auftraggeber externer Produktionen (vgl. Formatt-Institut 2015, S. 126 f., vgl. auch Röper 2016, S. 520). Folglich produzieren die öffentlich-rechtlichen Sender journalistische Inhalte nicht nur in beachtlichem Umfang selbst, sondern lassen auch produzieren. Eine äquivalente Tendenz zeigt sich auch für die anderen Programmgattungen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 60 ff.). Vereinzelt erstellen die öffentlich-rechtlichen Sender auch fiktionale und nonfiktionale Unterhaltung in Eigenproduktion – Castendyk und Goldhammer (2012, S. 58) ermittelten, dass 15 % ihrer eigenproduzierten Erstausstrahlungen diesen Programmgattungen zugeordnet werden konnten. Darin zeigt sich, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten weitestgehend noch nach ihrem Producer-Broadcaster-Prinzip agieren, da sie Inhalte zum Teil selbst erstellen, zum Teil über den Markt beziehen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 254). Die privaten Sender folgen hingegen stärker dem Prinzip eines Publisher-Broadcasters (auch Commissioning-Modell genannt, vgl. Fröhlich 2010b, S. 297), d. h. sie kaufen die von ihnen ausgestrahlten Sendungen vorrangig von außen ein (vgl. ebd., S. 258; Starkey et al. 2000, S. 301). Daher stechen sie, wie oben beschrieben, als Auftraggeber gemessen an den Produktionsminuten heraus. Jedoch geben sie tendenziell günstigere Sendungen in Auftrag als die öffentlich-rechtlichen Sender (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 57; Röper 2016, S. 515). Minutenpreise und Finanzierungsstruktur Die Minutenpreise liegen für fiktionale Serien- und Filmproduktionen deutlich höher als jene für nonfiktionale Produktionen. In einer Serienproduktion kostet eine Minute durchschnittlich gut 10.000 e, in einem Fernsehfilm knapp über 15.000 e (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 97). Je nach Genre variieren die Kosten jedoch erheblich zwischen wenigen tausend Euro für eine Daily Soap oder Telenovela (z. B. 2.000 e pro Bruttominute für die Serie Bianca), mehr als 8.000 e für eine Sitcom bis hin zu mit TV-Filmen vergleichbaren Kosten für eine Action-Serie (vgl. Zabel 2009, S. 57). Ebenso können die Kosten für einzelne aufwendige Fernsehfilmproduktionen auf 40.000 bis 50.0000 e pro Minute steigen (vgl. Hallenberger 2008, S. 79; Zabel 2009, S. 57). Noch stärker fallen solche Schwankungen für Unterhaltungssendungen aus. Während aufwendige Shows zur Primetime an den Serienminutenpreis heranreichen, fallen einige Reality-TV-Produktionen auf unter 1.000 e pro Minute (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 97, Fn. 139). Dies trifft insbesondere auf Scripted Reality-Produktionen zu (die streng genommen als fiktionale Unterhaltung zu werten wären, vgl. Weiß et al. 2014, S. 5), die pro Folge mit Budgets zwischen 30.000 und 40.000 e produziert werden können und damit
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
den Minutenpreis auf 500 bis 700 e drücken (vgl. Zabel 2009, S. 57). Da Aufträge im Bereich solch kostengünstiger Produktionen zunehmen und die Sender auf höhere Effizienz in der Produktion pochen, sinken nach Auskunft der in der Untersuchung von Castendyk und Goldhammer (2012, S. 97 f.) befragten Produzent*innen die Minutenpreise. Dies gestaltet sich aus zwei Gründen problematisch: (1) Produzent*innen berichten von steigenden Personal- und Sachkosten, die jedoch über dieselben, wenn nicht gar niedrigere Budgets finanziert werden müssen (vgl. ebd., S. 98 f.); (2) mit sinkenden Minutenpreisen sinken auch die Gewinnmargen der Branche (vgl. ebd., S. 45 f.) – und das, obwohl die Fernsehproduktion grundsätzlich als margenschwaches Geschäft gilt, was auf ihre spezifische Finanzierungsstruktur zurückzuführen ist: Die Produzent*innen verdienen prozentual am Herstellungspreis und wenn dieser sinkt, sinken absolut betrachtet auch der Umsatz und damit der Gewinn. Dieses als Costs-Plus-Modell bzw. KostenPlus-Kalkulation (vgl. Doyle und Paterson 2010, S. 45; Fröhlich 2008, S. 161; Zabel 2009, S. 289) oder auch „HU-&-Gewinn-Modell“ (Castendyk und Goldhammer 2012, S. 123) bezeichnete Finanzierungsprinzip ist charakteristisch für den deutschen Markt. Es ist gekoppelt an das für Auftragsproduktionen typische Buy-Out-Modell (vgl. ebd., S. 126; Fröhlich 2008, S. 161; Przybylski 2010, S. 177), mit dem sämtliche Nutzungsrechte an den Sender übergehen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 123; Kauschke und Klugius 2000, S. 105). Die „strukturelle Machtasymmetrie“ (Fröhlich 2010b, S. 402) wiederum begründet, warum das Auftragsproduktionsmodell so stark verbreitet ist (vgl. ebd., S. 403). Dem Costs-Plus-Modell folgend beauftragt der Sender eine*n Produzenten*Produzentin mit der Produktion einer Fernsehsendung und übernimmt sämtliche Produktionskosten (vgl. Fröhlich 2010b, S. 129). Der*die Produzent*in erhält die in mehrschleifigen Budgetverhandlungen (vgl. Hock 2003, S. 69) vereinbarten Herstellungskosten, die alle anfallenden Kosten decken müssen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 124). Zusätzlich zu den Herstellungskosten erhalten die Produzent*innen sechs Prozent dieser Kosten als Handlungsunkostenpauschale (HU) sowie 7,5 % als Gewinnaufschlag (vgl. ebd., S. 123; Fröhlich 2008, S. 162; Hock 2003, S. 69). Aus dieser Gesamtsumme müssen die Produzent*innen außerplanmäßige Produktionskosten, die Firmeninfrastruktur (d. h. ggfs. projektunabhängig festangestellte Mitarbeiter*innen und Räume und Technik), ggfs. gescheiterte Projekte und die Entwicklung neuer Konzepte für die Akquise weiterer Aufträge finanzieren (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 45, 98 f.; Fröhlich 2008, S. 162). Damit besteht für die jeweiligen Produzent*innen keinerlei Anreiz, zusätzlich in die Ausgestaltung des Produkts zu investieren; für die (Weiter-)Entwicklung eines Produkts stehen ihnen (zu) wenige finanzielle Mittel zur Verfügung (vgl. Zabel 2009, S. 289, 389). Eine Vollfinanzierung bedeutet
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
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folglich nicht unbedingt, dass eine Auftragsproduktion vollständig über das Senderbudget finanziert ist – im Jahr 2011 mussten Produzent*innen für knapp jede fünfte Auftragsproduktion einen Teil der Kosten selbst tragen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 101). Die Produktionsunternehmen sind nach eigenen Angaben nicht mehr in der Lage, Kapital für die Entwicklung neuer Formate zu bilden (vgl. Fröhlich 2010a, S. 129). Gerade die Erarbeitung neuer nonfiktionaler Sendungskonzepte wird teils gar nicht (vgl. Zoellner 2013, S. 9) und wenn, dann nur mit niedrigen vierstelligen Summen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 350) entlohnt, die die Kosten der Entwicklung zuweilen nicht gänzlich abdecken (vgl. Zabel 2009, S. 69). Da mit der Finanzierung der Entwicklung häufig auch die Rechte an der Idee an den Sender übergehen und die Produzent*innen folglich keine Möglichkeit mehr haben, diese Idee ggfs. mit einem anderen Sender zu realisieren, falls der initiale Auftraggeber abspringt (vgl. ebd.), verzichten Produzent*innen teilweise auf solch eine Finanzierung (vgl. Fröhlich 2010b, S. 339, 350). Das aus dieser Situation resultierende finanzielle Risiko von (Neu-)Entwicklungen für die Produzent*innen geben diese u. U. nach unten weiter, wenn sie beispielsweise Autor*innen für fiktionale Produktionen nur noch schrittweise entlohnen (vgl. Zabel 2009, S. 69). Damit mündet die Unsicherheit ihrer Auftragslage in prekäre Beschäftigungsverhältnisse von Medienschaffenden (vgl. auch Abschnitt 5.3.2). Größere Finanzierungsflexibilität und die Chance auf weitere Erlösquellen erhält ein*e Produzent*in, wenn er*sie auf die Vollfinanzierung verzichtet, d. h. auf ein so genanntes Deficit Financing zurückgreift und dafür den Einbehalt spezifischer Verwertungsrechte aushandelt (vgl. Doyle und Paterson 2010, S. 45; Zabel 2009, S. 290). Letztlich bestimmt die Rechteverteilung maßgeblich die Machtverhältnisse in der Branche und damit die Feldstrukturen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 123; Kauschke und Klugius 2000, S. 108). Castendyk und Goldhammer (2012, S. 125 f.) haben in ihrer Produktionsstudie für das Jahr 2011 ermittelt, dass Fernsehfilme zu 100 % und journalistische Formate (Magazin, Dokumentation und Reportage) zu 94 % in Buy-Out-Auftragsproduktionen vergeben werden, Serien und nonfiktionale Unterhaltungsformate wiederum nur zu zwei Dritteln. Die Autoren führen dies auf die gesteigerte Verhandlungsmacht der Produzent*innen bei erfolgreichen Serien sowie auf die Formatabhängigkeit zahlreicher Unterhaltungssendungen zurück (vgl. auch Abschnitt 5.2.2.1). Da ein Produktionsunternehmen (als Teil eines Konzernverbundes) oder aber ein Lizenzhandelsunternehmen als Dritter die Rechte an der Lizenz hält, ist per se kein Buy-Out möglich. Eine Rechte- und Erlösteilung erfolgt darüber hinaus in Ko-Produktionen, in denen ein weiterer Akteur, bspw. ein zusätzlicher Sender oder aber eine oder
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
mehrere Förderinstitution(en), die Mit-Verantwortung für die Filmherstellung und damit neben der Finanzierung auch entsprechende Risiken übernimmt (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 118, 128; Karstens und Schütte 2013, S. 417). In solchen Modellen können Produktionsfirmen nicht nur über direkte (Auftrags-) Vergütung, sondern auch über Lizenzerlöse und Fördergelder Geld verdienen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 33). Die komplexen Finanzierungsstrukturen führen zuweilen dazu, dass, wenn ein Film als finanziert gilt, dies noch nicht heißt, dass das Geld auch vor der Produktion vorliegt; hier müssen die Produzent*innen zu Zwischenfinanzierungen greifen (vgl. ebd., S. 108). Konzentrationstendenzen und vertikale Verflechtung Im Durchschnitt produzierte ein Produktionsbetrieb im Jahr 2018 Sendungen im Umfang von 873 Minuten (vgl. Formatt-Institut 2020, S. 7). Dieser Wert darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umfang sich im Vergleich kleiner mit großen und im Vergleich abhängiger von unabhängigen Produktionsunternehmen erheblich unterscheidet. Die Branchenstruktur – wie jene der Informationsund Kommunikationsbranche insgesamt (vgl. Destatis 2016, S. 11) – ist geprägt von einer großen Mehrheit kleiner Unternehmen neben wenigen riesigen Konzernen – mit einem seit Jahren steigendem Konzentrationsgrad zugunsten letzterer (vgl. Formatt-Institut 2020, S. 24). Insbesondere kleine Produktionsunternehmen fühlen sich unterkapitalisiert (vgl. Fröhlich 2010b, S. 351). Ihnen fehlen aufgrund der beschriebenen Finanzierungsstrukturen die Ressourcen zur Entwicklungsfinanzierung; ihre Risikobereitschaft ist geringer (vgl. North und Oliver 2010, S. 31 f.). Dennoch sind sie für den Produktionsmarkt von großer Bedeutung, da ihnen größere Beweglichkeit, Fähigkeit zur Spezialisierung und damit eine höhere kreative Leistungsfähigkeit zugesprochen wird (vgl. Fröhlich 2010b, S. 263 f.; Przybylski 2010, S. 198 f.; North und Oliver 2010, S. 35) – im Gegensatz zur produktionellen Leistungsfähigkeit großer Produktionsunternehmen (Fröhlich 2010b, S. 263). Diese Sichtweise muss jedoch mit Zabels Analyse des Innovationswettbewerbs auf dem deutschen Fernsehproduktionsmarkt kontrastiert werden: Große Produktionsunternehmen könnten in diesem Wettbewerb, den er über die Zahl der inkrementalen Innovationen (zum Begriff vgl. Abschnitt 5.2.2) ermittelte, aus Synergie und Skaleneffekten Vorteile schöpfen (vgl. Zabel 2009, S. 395). Der Marktanteil (in Minuten) der größten zehn Produktionsunternehmen erreicht seit Jahren fast die Hälfte (2018 waren es 49 %) des Gesamtmarktes (vgl. Formatt-Institut 2020, S. 26). Merkmal dieser produktionsstärksten Unternehmen ist, dass sie zumeist in größere, teils internationale Konzerne eingebunden sind (vgl. Fröhlich 2010b, S. 263; Röper 2016, S. 514 f.). Darin spiegelt sich der Trend zu transnationalen und diversifizierten Medienkonzernen (vgl. Fröhlich 2010b,
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
105
S. 81). Über die großen Konzerne werden auch kleine Firmen Teil der globalen Produktionsstruktur (vgl. Hepp 2014, S. 100). Dennoch verdienen die Produktionsfirmen ihr Geld vorwiegend auf dem deutschen, d. h. inländischen Markt (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 43). Die Internationalisierung von Produktionsfirmen erfolgt weniger über Expansion, denn über (Unternehmens-)Anschluss (vgl. Fröhlich 2010b, S. 266). Die größten Produktionsunternehmen sind vorrangig horizontal, aber auch vertikal integrierte (vgl. Karstens und Schütte 2013, S. 104) Medienkonzerne. Letzteres rückt in Produktionsstudien gesondert in den Fokus der Analyse, da die firmenstrukturelle Verbindung zwischen Sender und Produzent*innen unter dem Aspekt möglicher Markt- und damit Meinungsmacht kritisch beobachtet wird. Laut Rundfunkstaatsvertrag gelten Produktionsunternehmen, an denen Sender mindestens 25 % der Anteile halten, als abhängige Unternehmen (vgl. RStV, § 28, Abs. 1). Ziel dieser Bestimmung ist, die ökonomische und publizistische Konzentration des Fernsehmarktes zu analysieren. Tatsächlich scheinen die abhängigen Produzent*innen im Vorteil: Sie produzierten 2018 mit 3.377 Minuten im Durchschnitt deutlich mehr als unabhängige Produzent*innen mit durchschnittlich 552 Minuten (vgl. Formatt-Institut 2020, S. 8, 23). Castendyk und Goldhammer (2012, S. 60) relativieren diese Sicht, indem sie, anders als das Formatt-Institut, einen relativen Abhängigkeitsbegriff anlegen, wonach die Produktion einer verflochtenen Produktionsfirma für einen Sender, mit dem sie nicht verflochten ist, als unabhängig gilt (siehe auch die Methodik des ARD-Produzentenberichts, vgl. Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) 2016, S. 6). Dabei zeigt sich, dass abhängige Unternehmen 43 % ihres Produktionsumsatzes mit nicht konzerneigenen Sendern machen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 63 f.). Davon unberührt bleibt die Feststellung, dass abhängige Produktionsunternehmen insgesamt größere Umsätze verzeichnen (vgl. ebd., S. 70). Regionale Konzentration der Produktionsbranche: Kreative Cluster Die Sektoren der so genannten Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. auch Abschnitt 4.3.1) im Allgemeinen und die Medienbranche im Speziellen ist geprägt von einer regionalen Clusterung (vgl. Söndermann 2012a, 2012b). Ein Cluster bezeichnet „critical masses […] of unusual competitive success in particular fields“ (Porter 1998, S. 78), d. h. eine geographische Konzentration von Unternehmen und Institutionen, die im Wettbewerb miteinander verbunden sind (vgl. ebd.; auch Löffel 2013, S. 130). Dieser Begriff des Clusters ist auf (die typischen) Medienstandorte anwendbar (vgl. Löffel 2013, S. 132). Medienstädte als Orte,
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3
Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
an denen sich die Medienproduktion konzentriert, sind national und grenzüberschreitend von Bedeutung (vgl. Hepp 2014, S. 124 f.; auch Söndermann 2012a, S. 5). Regionale Clusterung ist in der Fernsehunterhaltungsproduktion auf zwei Ebenen zu beobachten: Zum einen hatten Produktionsunternehmen mit Sitz in den Bundesländern NRW (36 %), Bayern (24 %), Hamburg (13 %) und Berlin (9 %) im Jahr 2014 einen gemeinsamen Marktanteil (gemessen an Sendeminuten) von knapp mehr als 80 %9 (vgl. Röper 2016, S. 516). Entsprechend sind an diesen Standorten auch gut drei Viertel aller Produktionsunternehmen beheimatet (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 136; Röper 2016, S. 512). Zum anderen wird in den genannten Bundesländern (vorrangig in NRW) auch am meisten gedreht (vgl. Röper 2016, S. 517 f.) – obwohl sich Produktionsland und Sitzland des Produktionsunternehmens häufig unterscheiden (vgl. ebd., S. 525, Endnote 6). Die regionale Clusterung von Produktionen hängt auch damit zusammen, dass sich das Personal (vgl. auch Abschnitt 5.3) an bestimmten Standorten konzentriert (vgl. z. B. Gläser 2014, S. 83; Hepp 2014, S. 128; Huber und Leu 2014, S. 8; Randle und Culkin 2009, S. 96). Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal ist, gefolgt von der Produktionsinfrastruktur, aus Perspektive der Produktionsunternehmen der wichtigste Faktor in der Bewertung eines Standortes (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 139).
3.2.4
Organisation der Produktionen: Projektnetzwerke
Netzwerkorientierung und Kollaboration sind spezifische Charakteristika von Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft (vgl. Arndt et al. 2012, S. 13 ff.; Bertschek et al. 2014, S. 49 ff.; vgl. auch Lundin et al. 2015, S. 26). Dies gilt für Verknüpfungen sowohl auf organisationaler wie auch individueller Ebene mit dem Ziel der gemeinsamen Leistungserstellung, des Wissenstransfers und/oder des persönlichen Austausches (vgl. auch Abschnitt 5.3.2). Die Variation und
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Zu berücksichtigen ist hier, dass sich dieser Wert auf Produktionsunternehmen aller Genres und Gattungen bezieht, die das Formatt-Institut in seinen zweijährlichen Erhebung berücksichtigt, d. h. Produzenten von sowohl Unterhaltungs- wie auch Informationsinhalten (vgl. Formatt-Institut 2015, S. 4, Fn. 1; vgl. zur Methode des Weiteren ebd., S. 18 ff.). Zugleich beziehen sich die Aussagen zum Produktionsland nur auf die fiktionale und nonfiktionale Unterhaltungsproduktion, da sich die Drehorte für journalistische Magazine und Langformate aus dem Berichterstattungsgegenstand ergeben und daher sehr divers sind (vgl. Röper 2016, S. 516).
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
107
Variabilität der in Prozessen der Fernsehunterhaltungsproduktion erstellten Produkte (vgl. Abschnitt 3.2.2) und folglich Praktiken erfordert Flexibilität in der Organisation. Ein netzwerkbasierter Herstellungsprozess kann variabel aufgestellt werden und ist daher flexibel. Grundsätzlich birgt er den Vorteil, dass eine kontrollierte Leistungserstellung möglich ist (wie in einer hierarchischen Koordinationsform, d. h. über eine integrierte Unternehmensstruktur) und dennoch (wie es auch für den Marktbezug charakteristisch ist) der Aufbau effizienzhemmender Fixkostenstrukturen vermieden wird (vgl. Starkey et al. 2000, S. 299). In der Fernseh(unterhaltungs)produktion nimmt diese Netzwerkorientierung10 eine spezifische Form an, die es erlaubt, dauerhaft von einem Produktionsnetzwerk zu profitieren (vgl. ebd.): Projektnetzwerke sind die Grundlage und der Rahmen des Produkterstellungsprozesses. Fernsehproduktionsunternehmen sind projektbasierte Unternehmungen (vgl. Lundin et al. 2015, 25 ff.). Ein zuweilen aus wenigen Personen bestehender Personalstamm bläht sich im Sendungserstellungsprozess zu einem Team von bis zu (mehreren) hundert Personen auf (vgl. Fröhlich 2010b, S. 216; Lundin et al. 2015, S. 47; Olsberg SPI und Nordicity 2015, S. 19; Wirth 2010, S. 12). Der*die Fernsehproduzent*in stellt produktabhängig und nachfrageorientiert das Produktionsteam aus Einzelpersonen (darunter viele Freiberufler*innen, vgl. auch Abschnitt 5.3.2.2) oder Subunternehmungen zusammen (vgl. Lundin et al. 2015, S. 47 f., 66; Sydow und Windeler 2004b, S. 46 ff.). Letztlich geht es darum, für diese temporären Produktionsnetzwerke die richtigen Leute – Producer*innen, Realisator*innen, Regisseur*innen, Autor*innen, Kameramänner &-frauen, Szenenbildner*innen, Schauspieler*innen etc. (vgl. Abschnitte 5.1.1 und 5.3.1.1) – zusammenzubringen (vgl. auch Altmeppen et al. 2010, S. 23; Brook 2005, S. 9 f.). Folge dieser nachgefragten Flexibilität des Personals ist ein hoher Anteil von teils spezialisierten Selbstständigen in der Fernsehbranche (vgl. Lundin und Norbäck 2009, S. 107; vgl. auch Abschnitt 5.3.2). Äquivalent beschreibt Hazelkorn (2001) den irischen, unabhängigen Produktionssektor als Freelance-System. Das effektive Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteur*innen erfordert Koordination (vgl. Windeler und Sydow 2004, S. 7). Diese Koordination erfolgt über Projektnetzwerke (vgl. Lundin et al. 2015, S. 47 f.), einer spezifischen Ausprägung einer projektbasierten Organisation. Altmeppen et al. (2007) haben die
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Nur vereinzelt, beispielsweise im Falle von Infrastrukturdienstleister*innen wie den Betreiber*innen von Studios, greifen die Produktionsunternehmen nicht auf netzwerkbasierte, sondern marktliche Beziehungen zurück (vgl. Wirth 2010, S. 51).
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
spezifische Ausformung dieser temporären Personalkombinationen für die formatbasierte Unterhaltungsproduktion (mehr dazu in Abschnitt 5.2.2.1) als „flowing networks“ beschrieben. Der Begriff des Projektnetzwerks trägt die Konnotation einer Wiederholung: Die interorganisationale Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen hat bereits in der Vergangenheit stattgefunden (vgl. Lundin et al. 2015, S. 32, 66). Sydow und Windeler (2004b) beschreiben diese wiederkehrenden Konstellationen auf strukturationstheoretischer Basis und verdeutlichen damit, wie und dass sich die Strukturen eines Projektnetzwerkes aus früherem, anhaltendem und wiederholtem Handeln speisen – und umgekehrt. Basierend auf Interviews mit Produzent*innen (von Fernsehserien und Wissenschaftsmagazinen), Sendervertreter*innen, Medienpolitiker*innen und Expert*innen (vgl. Windeler 2004, S. 56 f.) stellen Sydow und Windeler (2004a) fest, dass die Erstellung von Fernsehsendungen projektbasiert auf einer temporären und arbeitsteiligen Zusammenarbeit basiert (vgl. Sydow und Windeler 2004b; Windeler 2004; auch Manning und Sydow 2007; Paterson 2001, S. 204; Windeler und Sydow 2001). In der Sendungsproduktion als Projekt fungieren Sender und Produzent*innen als zentrale Akteur*innen. Die vorrangig vom Produktionsunternehmen rekrutierten und in das jeweilige Produktionsprojekt eingebundenen Personen bringen ihre Kompetenzen für die Dauer des Projekts ein. Über die Zusammenarbeit baut der*die Produzent*in als Koordinator*in einen (Ressourcen)Pool latenter Beziehungen in Form eines (Kontakt)Netzwerkes auf, das Einzelpersonen genauso wie Organisationen unterschiedlicher Professionen umfasst und mit jedem Projekt wächst (vgl. Sydow und Windeler 2004b, S. 46 ff.). Jedes einzelne Produktionsprojekt institutionalisiert für das Projektnetzwerk spezifische soziale Praktiken (vgl. Windeler 2004, S. 67), d. h. es definiert Rollen (vgl. Peterson und Anand 2004, S. 323), verfestigt die Art zu arbeiten und die Verbindungen im Projektnetzwerk (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 146) – rekursiv rekonstruieren und aktualisieren die Projektbeteiligten im Projekt die Praktiken des Projektnetzwerkes eines*einer bestimmten Produzenten*Produzentin (vgl. Windeler 2004, S. 67 f.; 2008; 2010, S. 225 f.; Windeler und Wirth 2004, S. 306). Damit entwickeln die Projektbeteiligten auch spezifisches (situativ entwickeltes und wieder abrufbares) Produktionswissen. Der*die Produzent*in wiederum generiert Koordinationswissen, um die Organisation aktuell und zukünftig effizient und effektiv gestalten zu können (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 146; Zabel 2009, S. 286 f.). Ein Projektnetzwerk ist mehr als die Addition des Wissens und der Fertigkeiten aller beteiligten Einzelpersonen: Die wiederkehrende Konstellation sichert gegenüber den Sendern als potenziellen Auftraggebern eine qualitative Differenz durch gemeinsames (Prozess)Wissen und bleibt zugleich flexibel (vgl. Starkey et al. 2000, S. 300). Aus
3.2 Ökonomie und Organisation der Fernsehproduktion
109
diesem Grund sind Produktionsunternehmen in der Umsetzung (alltäglicher) Produktionsprojekte erstaunlich effizient, wie Lundin und Norbäck (2009, S. 107) für die Fernsehbranche in Abgrenzung zu ihrer Leistung bei neuartigen strategischen Projekten feststellen. In Entwicklungs- und Strategieprojekten bewegten sich die Produzent*innen dagegen eher willkürlich, hätten keine Routinen und stellten kaum Ressourcen zur Verfügung (vgl. ebd., S. 113). Die Kriterien der Selektion der Projektbeteiligten folgen ebenfalls rekursiven Dynamiken. Neben der Passgenauigkeit von Angebot – dazu gehören die Spezialisierung der jeweiligen Produzent*innen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 261), die Art und Attraktivität der Inhalte und die Qualität des Produzent*innennetzwerks – und Nachfrage (Profil der Sender) spielt für die Frage, ob eine Kooperation zwischen Sender und Produzent*in zustande kommt, vor allem die bisherige Kooperationserfahrung und das daraus erwachsene wechselseitige Vertrauen (vgl. Lundin und Norbäck 2009, S. 107 f.; Wahbe 2012, S. 187 f., 190; Starkey et al. 2000, S. 303) eine zentrale Rolle (vgl. Windeler et al. 2004, S. 88). Die Bedeutung des Vertrauens liegt insbesondere in den Produktionsrisiken begründet: Der Output ist unscharf, nur mangelhaft antizipierbar und nicht garantiert (Stichwort: Fertigstellungsrisiko) (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 122); selbst der Input basiert in hohem Umfang auf impliziten Faktoren wie Wissen und Kommunikation (vgl. Abschnitt 5.3) und erfordert Koordination (vgl. von Rimscha 2010, S. 153 f.). Vertrauen und kreative wie auch geschäftliche Reputation (vgl. von Rimscha 2010, S. 162) sind wichtige Vehikel der Risikoreduktion, weil sie auf potenzielle Auftraggeber*innen und Investor*innen, kreatives Personal (Reputation als Arbeitgeber) und das Publikum sowie Kritiker*innen wirken (vgl. ebd., S. 252 ff.). Einerseits eröffnet die Zusammenarbeit mit bewährten Partner*innen Raum dafür, gemeinsam Risiken einzugehen (vgl. Zabel 2009, S. 286 f.). Andererseits wird sie durch die Produzent*innen als Risikoscheu der Sender wahrgenommen (vgl. Schneider 1997, S. 40). Produzent*innen haben Schwierigkeiten, einen Zugang zu Fernsehsendern zu bekommen, mit denen sie noch nicht gearbeitet haben – dies gilt aus Perspektive deutscher Produzent*innen insbesondere für öffentlichrechtliche Sender (vgl. Fröhlich 2010b, S. 260). Der (bestehende) persönliche Kontakt und eine gute Beziehung zwischen Sendern und Produzent*innen sind für das Zustandekommen und das Gelingen eines Produktionsprojekts von erheblicher Bedeutung (vgl. Fröhlich 2010b, S. 261; Iljine und Keil 2000, S. 151). Dabei bedingen sich das Auftragsproduktions- und das Buy-Out-Modell einerseits, sowie der Rückgriff auf tradierte Partnerschaften und Produktionsroutinen gegenseitig (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 124; Fröhlich 2010b, S. 357). Die ökonomische Abhängigkeit insbesondere kleiner Produktionsunternehmen resultiert in Anpassungsbestrebungen der Produzent*innen (vgl. Lundin
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
2008, S. 209; Starkey et al. 2000, S. 303): „We do what they want. They are paying the money“, zitieren Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 101) einen britischen Produzenten. Lediglich mit einem großen Unternehmen oder Konzernverbund im Rücken steigt die Verhandlungsmacht der Produzent*innen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 357 f.; North und Oliver 2010, S. 33). Von der Persistenz der Projektnetzwerke und damit verbunden der Möglichkeit, wiederholt in bekannten Personenkonstellationen arbeiten zu können, profitiert nicht nur der*die Produzent*in als Koordinator*in, sondern es profitieren auch die für das jeweilige Projekte engagierten Medienschaffenden, da letzteren die bekannten Gruppierungen als „psychological home“ (Starkey et al. 2000, S. 304) dienen können. Dennoch binden sich die Projektpartner*innen im Projektnetzwerk nicht exklusiv: Sie wollen und müssen, da ihre Anstellungsverhältnisse befristet und keineswegs garantiert sind (vgl. Hazelkorn 2001, S. 223; auch Abschnitt 5.3.2.2), für den Einsatz in anderen Projekten flexibel und offen bleiben. Zugleich will auch der*die Produzent*in als Projektkoordinator*in über die Flexibilität verfügen, einzelne Projektbeteiligte bei Bedarf auszutauschen (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 146). Trotz allem zielt ein*e Produzent*in grundsätzlich darauf, qualifiziertes Personal über die latenten Beziehungen des Netzwerks möglichst dauerhaft verfügbar zu halten (vgl. Windeler 2010, S. 226). Grundsätzlich schöpfen Sender aus der projektnetzwerkbasierten Produktionsorganisation den eingangs beschriebenen Vorteil des Mittelwegs zwischen Markt und Hierarchie: Sie greifen auf bestehende Produktionsinfrastrukturen zurück und können den Prozess beeinflussen, ohne ein finanzielles Risiko einzugehen (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 145). Letzteres liegt maßgeblich bei den Produktionsfirmen. Diese müssen sich trotz dieser wirtschaftlichen wie auch kreativen Gesamtverantwortung der Kontrolle des auftraggebenden Senders unterstellen, was zuweilen ein hohes Konfliktpotenzial birgt (vgl. Zabel 2009, S. 382). Wie stark die Kontrollbestrebungen des auftraggebenden Senders sind, hängt von zahlreichen Faktoren ab, u. a. der Qualität persönlicher Beziehungen, dem Umfang gemeinsamer Erfahrungen und der Finanzierung des Projekts. In Auftragsproduktionen, in denen ein*e Produzent*in eine Sendung in einer Total-Buy-Out-Konstellation erstellt, versucht der Sender, den Prozess in der Regel besonders eng zu überwachen (vgl. Zabel 2009, S. 288). Nicht zuletzt dieser Absicht ist es wohl zuzuschreiben, dass in der Rhetorik einiger Sendervertreter*innen eine de facto Auftragsproduktion als Eigenproduktion gelabelt wird (vgl. Przybylski 2010, S. 171). Daran gekoppelt ist die Selbstund Fremdzuschreibung von kreativer und/oder ausführender (nicht-kreativer) Rolle (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Diese Zuschreibungen und damit auch das Rollenselbstverständnis sowohl der Sendervertreter*innen als auch der Produzent*innen
3.3 Fernsehunterhaltungsproduktion
111
spielt eine wesentliche Rolle für die Frage, wie sich die Zusammenarbeit der Akteur*innen gestaltet: Fröhlich (2010b, S. 267 f., 253 f., 356) hat in ihrer Interviewstudie Hinweise darauf gefunden, dass Vertreter*innen öffentlich-rechtlicher Sender einem eher starren Entscheidungsprozess folgen mit der Tendenz zur hierarchischen Kollaboration; dabei stufen sie die beauftragten Produzent*innen ggfs. auf die Rolle zuliefernder Dienstleister*innen herab. Cantor (2001, S. 186 ff.) beschreibt in ihrer Untersuchung des Hollywood TV Producers wie das Selbstverständnis der Produzent*innen die Positionierung gegenüber dem Sender und damit die Bereitschaft, sich den Wünschen des Auftraggebers zu fügen, prägen. Dies moderiert das Maß der wahrgenommenen Kontrolle. Wie groß der Rahmen der Einflussnahme durch den Sender tatsächlich ist, hängt auch vom Genre und der Gattung einer Sendung ab: Einige Sendungsformen wie eine Daily Soap erlauben aufgrund ihrer hochfrequenten Produktionszyklen und des starren Planungsrahmens kaum Eingriffe von außen. Gattungen wie der Spielfilm, die sich durch eine große Offenheit des Prozesses auszeichnen, verleiten den Sender zu einem weitreichenden Eingriff in die Produktionsgestaltung (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 173 ff.).
3.3
Fernsehunterhaltungsproduktion
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit medialen Inhalten, die primär über Kanäle des linearen Fernsehens vermittelt werden und als primär unterhaltend verstanden werden. Die Integration des Behelfsterminus ‚primär‘ mag auf den ersten Blick als für eine klare Definition des Gegenstands unbefriedigend erscheinen. Die Betonung der Tatsache, dass die Inhalte vorrangig, aber nicht nur linear verbreitet und als unterhaltend wahrgenommen werden, trägt jedoch dem Umstand Rechnung, dass audiovisuelle Inhalte nicht mehr nur (zunächst oder zusätzlich) über und zu feste(n) Zeitslots distribuiert und konsumiert werden. Sie berücksichtigt zugleich, dass Unterhaltung vs. Information und Unterhaltung vs. Journalismus als Rezeptions- und Inhaltskategorien keine Antonyme darstellen (vgl. auch Abschnitt 3.1). Die vorliegende Arbeit greift auf eine Spezifizierung von Fernsehunterhaltung über Merkmale des Produktionsprozesses – oder genauer: über spezifische (soziale) Produktionspraktiken – zurück. Sie fokussiert die Produktion von Fernsehunterhaltung in Abgrenzung zu (auch unterhaltendem) Fernsehjournalismus. Davon unberührt bleibt die Annahme, dass auch Journalismus unterhalten kann und u. U. als unterhaltend wahrgenommen wird – nicht nur in Formen, die auch explizit als Unterhaltungsjournalismus bezeichnet werden. Laut Mikos könne sogar davon ausgegangen werden, „dass Fernsehen generell
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
Unterhaltung ist, was für die Zuschauer aber nicht im Gegensatz zu Information steht“ (Mikos 2011, S. 58). Dies ist aber nicht die Annahme, die diese Analyse leitet. Diese geht vielmehr davon aus, dass bestimmte Fernsehinhalte – wie oben bereits erläutert (vgl. Abschnitt 3.1) – eher als unterhaltend wahrgenommen werden als andere und sich auch in der Produktion von nicht primär unterhaltenden Fernsehinhalten unterscheiden: „Es gilt zwar nicht, dass nur dort, wo Unterhaltung drauf steht, immer auch Unterhaltung drin ist. Aber dort, wo Unterhaltung drauf steht, gibt es eine größere Wahrscheinlichkeit, dass für die Rezipienten auch Unterhaltung drin ist.“ (Siegert und von Rimscha 2008, S. 269).
Siegert und von Rimscha beziehen sich mit dieser Aussage nicht auf den Unterhaltungsjournalismus, sondern auf die Unterhaltungsproduktion. Und auch, wenn sie für beide gelten mag, so ist es notwendig, diese Felder voneinander abzugrenzen. Altmeppen und Arnold (2013) stellen dazu klar, dass Unterhaltungsjournalismus „eine Differenzierung des Journalismus auf der Produktionsebene“ (ebd., S. 29) ist, während Unterhaltungsproduktion ein eigenes organisationales Handlungsfeld konstituiert (vgl. ebd., S. 30). Letzteres zeichnet sich dieser Differenzierung folgend (vgl. ebd., S. 31) u. a. dadurch aus, dass es im Gegensatz zum Journalismus ergebnis- und nicht ereignisorientiert ist. Damit fördern die in den Orientierungshorizonten abgebildeten Organisationsziele und ggfs. auch Gesellschaftserwartungen (vgl. Altmeppen et al. 2010, S. 20) eine Markt- statt eine journalistische Gesellschaftsorientierung; zugleich ermöglichen und begründen sie eine quoten- und profitorientierte Planung (vgl. Altmeppen und Arnold 2013, S. 31; Altmeppen 2007b, S. 145, 149). Dies bedeutet jedoch nicht, dass neben diesen nicht noch weitere, andere Ziele die Produktion von Fernsehunterhaltung prägen und anleiten können (vgl. Altmeppen et al. 2010, S. 23) – dies gilt insbesondere für die Ebene der Medienschaffenden und die Rollenselbstverständnisse, die sich ihnen zuordnen lassen (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Um die Konsistenz mit den theoretischen Prämissen (vgl. Kapitel 2) dieser Arbeit beizubehalten, ist hier nicht von einem Handlungsfeld die Rede. Der praxistheoretische Fokus der Arbeit bedingt, dass nicht Handlungen, sondern Praktiken als das Feld konstituierend betrachtet werden. Die Fernsehunterhaltungsproduktion wird hier als Praxisfeld begriffen – ohne damit mit den Ausführungen und Gedanken anderer Autor*innen zu brechen. Ganz im Gegenteil bleibt die Anschlussfähigkeit an die bisherige Forschung erhalten, gerade da zahlreiche Studien zum Feld strukturationstheoretisch basiert bzw. informiert sind (vgl. Altmeppen 2007b; 2008; Altmeppen et al. 2010; Fröhlich 2010b; Lantzsch
3.3 Fernsehunterhaltungsproduktion
113
2008; Sydow und Windeler 2004a). In einer deskriptiven Betrachtung definiert Altmeppen Fernsehunterhaltungsproduktion basierend auf strukturationstheoretischen Überlegungen als. „ein durch spezifische Strukturen geprägtes (und diese Strukturen prägendes) organisationales Handlungsfeld, in dem soziale, kulturelle und ökonomische Interaktionen und Operationen mit dem Ziel der Kreation, Beschaffung, Produktion, Vermarktung und Distribution (national wie international) von als unterhaltend angesehenen Medieninhalten stattfinden“ (Altmeppen 2012, S. 25).
Altmeppen (2012, S. 26; vgl. auch Altmeppen et al. 2010) spricht dabei von Unterhaltungsbeschaffung und -produktion. Dass Beschaffung ein integratives Element des Fernsehunterhaltungsproduktionsprozesses ist, zeigt sich in der genaueren Betrachtung des Produktionsprozesses: Die Beschaffung von Ressourcen prägt die Sendungsentwicklung (Stichwort: Auftragsentwicklung von Konzepten oder Formatkauf; vgl. Lantzsch 2010, S. 275 und Abschnitt 5.2.2.1), die Finanzierung (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 108 f.) ebenso wie die konkrete Umsetzung eines Projekts. Letztere ist nur möglich über die Integration eines großen Pools externen Personals, das zwischen unterschiedlichen Projekten genauso wie von Produktionsschritt zu Produktionsschritt variiert (vgl. Becker et al. 2011; Karow 2011; vgl. auch Abschnitte 3.2.4 und 5.1.1).11 Folglich berücksichtigt auch die vorliegende Arbeit, dass Beschaffung dem Produktionsprozess inhärent ist, auch wenn hier schlicht von Unterhaltungsproduktion die Rede ist. Der Begriff Unterhaltungsproduktion meint hier folglich immer die Elemente Beschaffung und Produktion gleichermaßen. In Anlehnung an die zwei Stufen kultureller Produktion, die Hesmondhalgh (2013, S. 80) basierend auf Ryan (1991) beschreibt, konzentrieren sich die vorliegenden Erörterungen auf die Stufe der Kreation („creation“), die in Abgrenzung 11
Auch journalistische und dokumentarische Produktionen, die gemeinhin als Fernsehjournalismus und/oder Fernsehpublizistik (vgl. Abschnitt 3.1.2) eingeordnet werden, operieren mit flexiblem Personaleinsatz (v. a. über freie Mitarbeiter*innen, vgl. z. B. Summ 2013). Dennoch sind im aktuellen Fernsehjournalismus Arbeitsteilung und Spezialisierung (vgl. die Beschreibung unterschiedlicher Rollen in Abschnitt 5.3.1) weniger ausgeprägt als in der Fernsehunterhaltung – ganz im Gegenteil gibt es insbesondere vor dem Hintergrund digitalisierter Arbeitsprozesse, die Technologie mobiler und einfacher in der Anwendung machen, vorrangig im fernsehjournalistischen Bereich sogar die Tendenz zur Bündelung diverser Fertigkeiten und Aufgaben in einzelnen Rollen (vgl. Hazelkorn 2001, S. 217; Wintsch 2006; Zabel 2009, S. 117). Anders sieht dies für große dokumentarische Produktionen oder auch aufwendige Studioproduktionen wie politische Talkshows aus. (Personelle) Beschaffungsprozesse sind ein Charakteristikum medialer Produktion insgesamt (vgl. Gebesmair und Nölleke-Przybylski 2020, S. 593 ff.).
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Gegenstandsbestimmung: Die Produktion von Unterhaltung …
zur auf Marketing und Distribution gerichteten Stufe der Zirkulation „circulation“ die idealtypischen Phasen der Konzeption, Durchführung, Transkription und Reproduktion umfasst. Der Blick fällt dabei auf die ersten beiden Phasen der Kreation, folglich die Kern-Produktionsaktivität. Aus dem Fokus rücken dadurch Tätigkeiten der Programmplanung, des Marketings, der Öffentlichkeitsarbeit und der Distribution, was jedoch nicht gleichgesetzt werden könnte mit der Schlussfolgerung, dass in diesen Etappen des Wertschöpfungsprozesses Kreativität nicht auch eine Rolle spielt. Insbesondere im Hinblick auf Erfolgsfaktoren unterhaltender Fernsehinhalte spielen diese Stufen eine gewichtige Rolle (vgl. z. B. Sommer und von Rimscha 2013). Der Einfluss von Kreativität auf den Erfolg des Endprodukts wird aber nur dann thematisiert, wenn er auf Stufe der Kreation verortet wird. Der Fokus des Begriffs der Fernsehunterhaltungsproduktion liegt damit auf dem Prozess der Erstellung und Aufbereitung von Inhalten, d. h. auf der Entwicklung, Pre-Produktion, Produktion und Post-Produktion medialer Inhalte als Prozess der Bedeutungsenkodierung im Hall’schen Sinne (vgl. Hall 2005). Dieser Encodierungsprozess ist ein Element eines Kreislaufes von Kultur (vgl. Altmeppen 2011, S. 18). Damit sind die Distribution und Rezeption von Unterhaltung implizit, nicht jedoch explizit Teil der Untersuchung. Implizit sind sie allein schon deshalb enthalten, weil die oben skizzierten Produktionsstrukturen (vgl. Abschnitt 3.2.2) den Distributor – in der Regel ist dies der Fernsehsender – in den Prozess der Inhalteerstellung integrieren und der Distributionskontext (z. B. Image des Senders und Sendeplatz) Art und Inhalt einer Produktion wesentlich beeinflussen. Die Rezeption der Inhalte ist (implizit) konstitutiv für eine Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion, weil diese, auch wenn sie über die Charakteristika der Produktion spezifiziert wird, mit dem Begriff der „Unterhaltung“ letztlich eine Rezeptionskategorie zu einem Kernelement ihrer Selbstdefinition macht. Unterhaltende Fernsehsendung sind allein schon deshalb für die Rezipient*innen primär unterhaltend, weil die Produzent*innen dieser Inhalte, die Medienschaffenden, auch selbst letztlich Rezipient*innen sind und auf geteilte Vorstellung von Genres und Gattung zurückgreifen, um den Rezipient*innen eine Vorstellung von den ex ante nicht beurteilbaren Produkten präsentieren zu können (Stichwort: Erfahrungs- und Vertrauensgüter, vgl. Abschnitt 3.2.1) und sich darüber hinaus im Produktionsprozess auch untereinander über spezifische Anforderungen und Erwartungen ihrer Arbeit verständigen zu können (vgl. Abschnitt 5.2). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich die organisationalen Praktiken zwischen unterschiedlichen Genres unterscheiden. Produzent*innen fiktionaler wie auch nonfiktionaler Produktionen folgen unterschiedlichen Konventionen, Regeln, Mustern, Prozessen (vgl. u. a. Kerrigan und McIntyre 2010, S. 116 f.), Aufgaben und Produktionsstilen (vgl. Tunstall
3.3 Fernsehunterhaltungsproduktion
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2001b). Diese Erkenntnisse resultieren in produktionstypologischen Differenzierungen von Fernsehsendungen (vgl. Abschnitt 3.2.2) und sind anschlussfähig an eine praxistheoretische Konzeptionalisierung der Fernsehunterhaltungsproduktion, die Raum lässt für Ausdifferenzierungen eines Feldes über unterschiedliche Positionierungen der Akteur*innen im Feld (vgl. Abschnitt 2.2.1.2). Definition: Die Fernsehunterhaltungsproduktion ist ein Praxisfeld, das durch institutionalisierte Praktiken der Entwicklung, Beschaffung und Komposition vorrangig als unterhaltend wahrgenommener audiovisueller Produkte, die primär über lineare Kanäle des Fernsehens verbreitet werden, konstituiert wird. Diese institutionalisierten Praktiken sind für projektorganisationale (Sub-)Felder spezifizierbar und über die in ihnen abgebildeten Feldstrukturen und Habit¯us in unterschiedliche Genres und Gattungen differenzierbar. Insgesamt ist folglich anzunehmen, dass die Fernsehunterhaltungsproduktion ein eigenes, jedoch in sich heterogenes Praxisfeld konstituiert (vgl. mehr dazu in Abschnitt 6.1), dessen Eigenschaften auf die Spezifika der sie charakterisierenden Unterhaltung als Rezeptionskategorie und Merkmal des Inhalts gleichermaßen zurückzuführen sind. Damit hängt die Vorstellung davon, was Fernsehunterhaltungsproduktion ist, wesentlich davon ab, was als Fernsehunterhaltung (vgl. Abschnitt 3.1) verstanden wird. Die Definition von Fernsehunterhaltung durch die Fernsehprogrammforschung erlaubt einen pragmatischen Zugang zum Feld und damit zur Spezifizierung des Gegenstandes, ohne jedoch die zuweilen diffusen Feldgrenzen, die sich aus der Dynamik der Felder als Kampffelder (vgl. Abschnitt 2.2.1) ergeben, scharf skizzieren zu können. Die folgenden Kapitel arbeiten mittels des Kreativitätsbegriffs basierend auf theoretischer und empirischer Kreativitätsforschung Charakteristika des Feldes der Fernsehunterhaltungsproduktion heraus, tragen auf diese Weise zu einer Spezifizierung und Schärfung der Feldskizze bei und zeigen zugleich Desiderate auf, die ganz im Sinne der Bourdieu‘schen Feldtheorie nur empirisch gefüllt werden können (vgl. Abschnitt 7.1).
4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Die Moderne – so stellen Kurt und Göttlich (2012) fest – ist „im Kern kreativitätsversessen“ (2012, S. 12). „Die kulturelle Idee der Kreativität hat sich mittlerweile als Leitkategorie der Moderne in den Tiefenschichten unserer sozialen Institutionen und individuellen Interessen sedimentiert.“ (Ebd., S. 9) Ist eine Betrachtung der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion damit nicht auch Auswuchs dieser Versessenheit? Die Antwort lautet: Nein. Kreativität, so wird hier argumentiert, spielt eine spezifische Rolle im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion. Wie groß diese Rolle ist, ob sie über- oder unterschätzt wird, soll im Verlauf der Ausführungen erläutert werden. Die Kreativitätsversessenheit, das „Kreativitätsdispositiv“, welches Reckwitz (2011, S. 20 ff.) beschreibt, und die damit verbundene Ubiquität des Begriffs, die Wahrnehmung von Kreativität als ‚Allheilmittel‘ (Pratt und Jeffcutt 2009) und ihre Beliebtheit aufgrund der fast durchweg positiven Konnotation (vgl. Amabile et al. 2005, S. 393; Brodbeck 2008, S. 19; Sawyer 2006, S. 11) erschweren es jedoch, den Begriff zu fassen. Einige Autor*innen bemängeln die Inkonsistenz und Fragmentierung der Kreativitätsforschung (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 13; Hennessey und Amabile 2010). Und dennoch liefert die Kreativitätsforschung Einblicke in das Verständnis dieses Begriffs und Konzepts (vgl. Abschnitte 4.1, 4.1.4 und 4.2), einen Überblick über seine Instrumentalisierung insbesondere im ökonomischen Kontext (vgl. Abschnitt 4.3), wie auch Hinweise auf gemeinsame Grundparameter der Definition (vgl. Abschnitt 4.4). In seinem kleinen Sammelwerk zur Frage der Kreativitätsdefinition weist Gumbrecht hin auf den „Widerspruch zwischen der Notwendigkeit der Frage und der Unmöglichkeit einer bündigen Antwort“ (Gumbrecht 1988, S. 11). Die Kreativitätsliteratur zu durchforsten heißt, in Literatur mit hohem Potenzial
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_4
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
zur Erkenntnis und Bereicherung, aber auch zur Verwirrung und Verwunderung einzutauchen. „‚Kreativität‘ gehört zu den allseits notorisch verwendeten und definitorisch notorisch unterbestimmten Mode-Wörtern vieler Wissenschaften wie der Alltagskommunikation, insbesondere in bestimmten ‚Szenen‘. Vor allem dort weiß man offenbar schon genau, was oder wer kreativ ist – und damit ist es auch gut.“ (Schmidt 1988, S. 35)
Kreativität ist in seiner Verwendung – ob nun als Substantiv oder Adjektiv, ggfs. auch als Verb – derart divers, dass sich Forschungserkenntnisse nicht unreflektiert in einen Topf werfen lassen. Plucker et al. (2004, S. 88 f.) kritisieren, dass explizite Definitionen in Kreativitätsstudien oft fehlten (wodurch Kreativitätsmythen entstünden) und wenn Definitionen vorlägen, sich diese durchaus deutlich unterschieden. Das Ergebnis: Es würden nicht einfach Äpfel mit Birnen, sondern vielmehr würde Gemüse mit Obst verglichen. Kreativität kann Gegenstände, Menschen, Prozesse, Umgebungen, Persönlichkeiten, Handlungsformen, Organisationen charakterisieren. Sie wird als Ergebnis ebenso wie als Ausgangspunkt beschrieben und hat einen Platz in (sozial-) psychologischer, soziologischer, organisationstheoretischer, betriebswirtschaftlicher, neurobiologischer etc. Forschung. Die Diversität ist Fluch und Segen zugleich. Runco (2004b) verweist auf die (meist) mangelnde Rechtfertigung von Konflikten zwischen Forschenden, da über einen Gegenstand gestritten wird, der zwar denselben Namen trägt, aber etwas anderes meint oder zumindest etwas anderes in den Fokus setzt. Tatsächlich meint der Begriff dabei oft aber nicht etwas völlig anderes, da wir, wenn wir etwas als ‚kreativ‘ bewerten, offensichtlich gemeinsame Kriterien anlegen (vgl. Amabile 1983, S. 359). Unterschiede in den Bewertungen gründen in der Unterschiedlichkeit von Feldern und der Unterschiedlichkeit ihrer Logiken. Im Bourdieu’schen Sinne spielen zusätzlich die Positionen der Personen im Feld eine Rolle für die Frage, wer oder was als kreativ gilt. Felder sind heterogen. Da die Forschung jedoch definitorische Elemente und Komponenten von Kreativität, die als feldübergreifend verstanden werden können (vgl. Plucker und Beghetto 2004, S. 159 f.), für die Beschreibung des Phänomens ‚Kreativität‘ nutzt, sind ihre Erkenntnisse über unterschiedliche Untersuchungsobjekte hinweg erstaunlich konsistent (was nicht heißt, dass sich diese nicht auch gegenseitig relativieren (können) und – im Detail – auch mal widersprechen) (vgl. Abschnitt 4.1). Explizite und für das jeweilige Forschungsvorhaben spezifizierte Definitionen fehlen zuweilen (vgl. z. B. Feist 1998; Funke 2008; Hennessey 2003; Randel et al. 2011), Konzepte von Kreativität unterscheiden sich und dennoch ist es legitim, die Erkenntnisse aus der Kreativitätsforschung zusammenzufassen, um
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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mögliche Facetten von Kreativität aufzuzeigen. Die Kreativitätsforschung ist eine informationsreiche Basis, (auch) wenn Kreativität – wie in dieser Arbeit – in einer spezifischen Form als soziale Praxis verstanden wird (vgl. Abschnitt 6.2). Im Folgenden sollen zentrale Facetten der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kreativität skizziert und der gemeinsame Nenner – der sich u. a. über den Begriff der Paradoxität greifen lässt (vgl. Abschnitt 4.4) – herausgearbeitet werden. Es soll deutlich werden, wie trotz der Unterschiedlichkeit der Perspektiven Verknüpfungen denkbar und sinnvoll sind. So sind Überlegungen zum Verhältnis von Kultur (vgl. Abschnitt 4.1.4) oder Ökonomie (vgl. Abschnitt 4.3) und Kreativität zunächst einmal keine äquivalenten Konzepte, aber einige ihrer Ideen greifen ineinander. Eng verbunden mit diesen beiden Forschungskontexten sind Studien und Erkenntnisse zu Faktoren, die Kreativität begründen und/oder beeinflussen können (vgl. Abschnitt 4.2). Unterschiedlich stark wurzeln die unterschiedlichen Konzepte und Ergebnisse der Kreativitätsforschung in spezifischen Begriffen und Bezugsgrößen (vgl. Abschnitt 4.1), die zur Beschreibung und Analyse von Kreativität genutzt werden. Obwohl in einem anderen theoretischen Konzept beheimatet und daher auf den ersten Blick von dem, was die Kreativitätsforschung üblicherweise auszeichnet, ein Stück weit entrückt, lassen sich auch handlungstheoretische und praxistheoretische Definitionen von Kreativität an diese Träger und Begriffe anknüpfen (vgl. Abschnitt 4.5). Zusammenfassend (vgl. Abschnitt 4.6) werden schließlich jene Vorstellungen benannt, die das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis des Begriffs prägen und die Basis für die Sekundäranalyse (vgl. Abschnitt 5.3.3) und die weitere theoretische Entwicklung des Begriffs (vgl. Abschnitt 6.2) bilden.
4.1
Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
Kreativität ist kein absoluter Begriff. Kreativität ist relational und relativ: relational, weil sie nur über Bezugsgrößen greifbar und beschreibbar wird; relativ, weil sie – gekoppelt an diese Träger – nur im Kontext einer spezifischen Domäne überhaupt als Kreativität identifiziert werden kann (vgl. Abschnitt 4.1.1). Diese Abhängigkeit des Kreativitätsbegriffs von Bezugsgrößen und -kontexten bedingt, dass Kreativität über unterschiedliche Ebenen beschrieben wird (vgl. Abschnitt 4.1.3) und eine um Objektivität bemühte Messung letztlich Kontextfaktoren und Definitionselemente von Kreativität misst – nicht aber Kreativität selbst. Breite Anwendung findet daher einer konsensuale Messung und folglich auch Definition des Begriffs (vgl. Abschnitt 4.1.2).
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4.1.1
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Definitionen und Träger von Kreativität
In der Kreativitätsdefinition hat sich ein „Minimalkonsens“ (Dresler 2008, S. 15) durchgesetzt, der auch als „Standarddefinition“1 (vgl. z. B. Klausen 2010, S. 349; Runco und Jaeger 2012, S. 92) von Kreativität bezeichnet wird. Diese umfasst zwei Begriffsgruppen, die jeweils mit Synonymen zuweilen unterschiedlicher Konnotation, bestückt werden. Kreativität ist folglich neu/originell einerseits und nützlich/angemessen/effektiv/wertvoll andererseits (genauere Ausführungen zu den verwendeten Begriffen siehe unten). Plucker et al. (2004) haben in einer Analyse der Begriffsverwendung in 90 Journal-Artikeln (vor allem aus den Zeitschriften Creativity Research Journal und Journal of Creative Behavior) herausgefunden, dass, wenn eine explizite Definition von Kreativität erfolgte (was nur in 38 Prozent der Artikel der Fall war), diese zumeist die Begriffe ‚Einzigartigkeit‘ (n = 24) oder ‚Nützlichkeit‘ (n = 17) einschloss (vgl. Plucker et al. 2004, S. 88). Die Verbindung der beiden Begriffe ist für Kreativitätsdefinitionen folglich zentral. Bilton (2007, S. 5) spricht von der „duality of creativity“. Die Hervorhebung dieses Begriffsduos verweist auf den definitorischen Kern von Kreativität, d. h. die notwendigen Bedingungen für eine Kreativitätsdefinition sind damit benannt – nicht jedoch die hinreichenden. Dabei deutet diese Standarddefinition implizit auf drei (diskussionswürdige) Aspekte, die für die Beschreibung und Analyse von Kreativität berücksichtigt werden müssen (vgl. Klausen 2010, S. 349 f.; auch Vogt 2010, S. 27): 1. Die Kriterien der ‚Neuheit‘ und ‚Angemessenheit‘ gehören untrennbar zusammen. Die Begriffe werden jedoch nicht einheitlich genutzt, sondern in zahlreichen Definitionen durch Synonyme ersetzt und durch verwandte, aber auch kontrastierende Begriffe ergänzt. Folglich wird Kreativität über diverse Charakteristika und Attribute, die sich zuweilen ergänzen, aber auch widersprechen können, spezifiziert. 2. Die über das Basis-Begriffsduo und darüber hinaus benannten Charakteristika von Kreativität verweisen auf Eigenschaften von etwas oder jemandem. Kreativität kann somit nur über Träger erkannt und bewertet werden.
1
Diese Standarddefinition ist eine westliche Definition (vgl. Lubart 1999, S. 347). Da die Kreativitätsforschung und ihre Begriffe kulturell geprägt sind, gelten die hier referierten Ergebnisse nur für ein westliches Verständnis.
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
121
3. Die Kopplung von Kreativität an spezifische Träger, die als solche aber nur qua Bewertung (mehr dazu vgl. Abschnitt 4.1.2) identifizierbar sind, verdeutlicht, dass Kreativität in einem spezifischen Kontext Geltung hat. Kreativität ist daher domänen- bzw. feldspezifisch. Im Folgenden sollen diese drei Aspekte näher beleuchtet und damit das Verständnis von Kreativität, das in diese Arbeit einfließt, spezifiziert werden. Dabei wird deutlich, dass die Kriterien einer Kreativitätsdefinition (vgl. Abschnitt 4.1.1.1) letztlich nur über die Träger (vgl. Abschnitt 4.1.1.2) und die damit verbundene Kontextgebundenheit (vgl. Abschnitt 4.1.1.3) konkret beschreibbar werden.
4.1.1.1 Begriffliche Definitionen von Kreativität Zahlreiche Autor*innen verankern ihre Definition von Kreativität in den Begriffen Neuheit und Nützlichkeit (vgl. z. B. Amabile et al. 1996, S. 1162; Fröhlich 2008, S. 154; Karstens und Schütte 2010, S. 245 f.; Plucker und Beghetto 2004, S. 156; Zysno und Bosse 2009, S. 123), sprechen alternativ zur Neuheit von Originalität (vgl. Milliken et al. 2003, S. 34; Runco und Jaeger 2012, S. 92) oder betonen statt der Nützlichkeit die Effektivität (vgl. Runco und Jaeger 2012, S. 92) bzw. Angemessenheit (vgl. Amabile 1997, S. 40; Fulton und McIntyre 2013, S. 17; Sawyer 2006, S. 27), auch im Sinne einer „constraint satisfaction“ (Lubart und Guignard 2004, S. 44) – in Abgrenzung zu bizarren Ideen, die zwar neuartig und originell sein können, aber innerhalb eines spezifischen Kontextes nicht mehr anwendbar erscheinen (vgl. Runco 2015, S. 30). Im Kontrast zum Begriff der Nützlichkeit bzw. Angemessenheit ist jener des Wertes zu betrachten. Grundsätzlich erscheinen beide Begriffe eine synonyme Verwendung zu erlauben, schließlich ergibt sich auch die Nützlichkeit aus einer Wertung. Dennoch kommt eine Zuschreibung als wertvoll (vgl. Bloore 2013, S. 131, auf Basis von Boden 1994; Brodbeck 2008, S. 19) auch außerhalb praktischer Anwendbarkeit zur Geltung. Der Begriff des Wertes als Teil von Kreativitätsdefinitionen und das daran gekoppelte Adjektiv „wertvoll“ zeigen außerdem, warum Kreativität zumeist positiv besetzt ist (vgl. Brodbeck 2008, S. 19). Interessanterweise stellen Runco und Jaeger (2012, S. 92) fest, dass die Standarddefinition in der ökonomischen Debatte dahingehend variiert wird, dass von Wert („value“) statt Effektivität die Rede sei. Damit verweist der Wertbegriff doch wieder auf den Aspekt praktischer – konkreter: ökonomisierbarer – Anwendbarkeit. Letzterer Aspekt ist bereits im Begriff der Angemessenheit enthalten. Als weiteres Element zahlreicher Kreativitätsdefinitionen ist Kreativität auch Anwendung (vgl. Hutton et al. 2005, S. 17; Mumford et al. 2002, S. 708; Nijstad et al.
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4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
2003, S. 156 f.; Petersen 2003, S. 171). In Verwandtschaft zur Anwendungsidee steht die Beschreibung von Kreativität als (Prozess der) Problemlösung (vgl. Basadur 2004; Bilton 2007, S. 5; Isaksen und Treffinger 2004; Redvall 2012, S. 63). Eine Problemlösung ist dann kreativ, wenn „sie interessante Handlungsmöglichkeiten aufschließt und nicht ausschließt […]“ (Schmidt 1988, S. 47, Herv. i. O.). Das heißt: „Kreativität unterbricht Kommunikation und offeriert eine neue Fortsetzungsmöglichkeit“ (ebd., S. 47 f., i. O kursiv). Dies bedeutet letztlich, dass sich Kreativität aus einer Aufgabenstellung ergibt (vgl. Amabile 1983, S. 360; Mumford et al. 2002, S. 707). Die Bewältigung eines bestehenden Problems auf eine spezifische Art und Weise kritisieren einige Autor*innen jedoch als zu eng gefasste Vorstellung von Kreativität. Letztere sei vielmehr dadurch charakterisiert, dass sie Probleme nicht nur löst, sondern diese überhaupt erst identifiziert, setzt und definiert (vgl. Csikszentmihalyi und Getzels 1976; Gruber und Wallace 1999, S. 108 f.). Die Definition kreativer Problemlösung durch Schmidt (siehe oben) gibt bereits Hinweise auf die Art und Weise, in der die Problemdefinition und -lösung erfolgen muss, damit sie als kreativ gekennzeichnet werden kann. Neben dem oben genannten Kategorien-Duo benennen einige Autor*innen auch das Aufeinandertreffen divergierender Interessen sowie das Überwinden bestehender Regeln als Teil eines kreativen Prozesses (vgl. z. B. Bilton 2007, xiv; Zabel 2009, S. 40). Da jedoch zugleich ein gewisses Maß an Nützlichkeit bestehen muss, muss der Prozess zwar bestimmte Normen brechen, anderen jedoch auch entsprechen. Damit dies nicht in einem Widerspruch mündet, müssen unterschiedliche Kategorien von Normen angesetzt werden: „breaking with the narrow or local ones while still meeting some general requirements“ (Klausen 2010, S. 355). Entsprechend dieser Argumentation macht Kreativität „Alterität, Diskontinuität und Differenz attraktiv“ (Schmidt 1988, S. 48). Es ist eine Eigenschaft von Kreativität, dieser Abweichung Attraktivität zu verleihen – im Gegensatz zu dem Üblichen, der Routine, dem Habitualen (vgl. Vassen 2011, S. 300). Attraktivität meint dabei eine positive Bewertung bzw. irgendeine Art von Anwendbarkeit. Die Idee einer Abweichung von etwas impliziert dabei die Anbindung an etwas – folglich knüpft Kreativität zugleich an Bestehendes an (vgl. z. B.: Fulton und McIntyre 2013, S. 21; Hooker et al. 2003, S. 229; Sawyer 2006, S. 24 f.; Weisberg 2010, S. 241) und kann auch die Form einer Rekombination bestehender Elemente annehmen (vgl. Seidel 2009, S. 33 – Hargadon und Bechky (2006, S. 485) setzen Kreativität in ihrer Studie gar mit der Rekombination bestehender Ideen gleich). Anders als in Petersens Vorstellung von Kreativität als absoluter Neuheit, als Schöpfung aus dem Nichts (vgl. Petersen 2003, S. 170 f.), stellt Sawyer (2006, S. 24) fest: „There is no such thing as a completely novel work.“ Dies wird durch die konsensfähige
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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Vorstellung von Kreativität als sozialem und folglich voraussetzungsvollem, an einen Kontext andockendem Phänomen bestätigt (vgl. Abschnitt 4.1.1.3). Jedoch ist gerade mit dieser Verknüpfung an das Bestehende und das Bewährte die Frage nach dem Neuheitsgrad, der eine Bewertung als ‚kreativ‘ erlaubt, verbunden. Wie neu muss Kreativität sein, um auch als Kreativität gelten zu können? Wie neu darf sie sein, um noch angemessen zu sein? Das Mindestmaß an Neuheit und Angemessenheit für Kreativität liegt letztlich in der Beurteilung domänenvertrauter Expert*innen (vgl. Abschnitt 4.1.2). Einige Autor*innen haben diese Frage zudem ein Stück weit über die Beschreibung unterschiedlicher Ebenen von Kreativität gelöst (vgl. Abschnitt 4.1.3). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vorstellungen von Kreativität trotz unterschiedlicher Forschungskontexte ineinandergreifen. Nicht abschließend geklärt werden kann, wie viele Elemente genutzt werden müssen, um Kreativität hinreichend zu charakterisieren (vgl. Runco und Jaeger 2012, S. 95). Hier wird argumentiert, dass dies letztlich von den Eigenschaften der jeweils betrachteten Kreativität als spezifischem Phänomen eines spezifischen Kontextes abhängt.
4.1.1.2 Kreativitätsträger Erst über den Bezug auf spezifische Träger ist es möglich, die beschriebenen Charakteristika von Kreativität angemessen zu identifizieren. Kreativität festzustellen setzt eine Attribuierung voraus: Dies zeigt sich daran, dass Personen, wenn sie Kreativität frei beschreiben und definieren sollen, letztlich die Träger beschreiben (vgl. Glück et al. 2002, S. 60). Kreativität wird folglich Personen, Produkten und/oder Prozessen, zuweilen auch der Situation (alternativ bezeichnet als Press, daher ist häufig von den 3 bzw. 4 Ps die Rede) zugeschrieben (vgl. Gl˘aveanu 2014, S. 17). Die Person als Kreativitätsträger Der Ursprung der Kreativitätsforschung liegt in einer Konzeptualisierung von Kreativität über Eigenschaften von Individuen und wird einer Rede von Joy Paul Guilford zugeschrieben, die er als Präsident der American Psychological Association 1949 vor eben dieser hielt (vgl. Amabile 1983, S. 358) und 1950 im American Psychologist veröffentlichte (vgl. Guilford 1950, siehe u. a. auch Gruber und Wallace 1999, S. 95; Spiel 2003, S. 117). Auch wenn sein Ansatz, Kreativität als Eigenschaft der Person zu fassen (vgl. Guilford 1950, S. 444) und seine darauf abzielenden Kreativitätstests, mittlerweile (auch von ihm selbst, vgl. Sawyer 2006, S. 44 f. mit Verweis auf Guilford 1970; 1971) weit reichender Kritik unterzogen, überarbeitet oder zurückgewiesen wurden (vgl. Sawyer 2006, S. 44 f.), dominierte der Persönlichkeitsansatz die Kreativitätsforschung in den ersten 25 Jahren
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Forschung nach Guilfords Ansprache (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 3). Auch heute noch gibt es Forschung, die die Rolle der Persönlichkeit und auch individueller neurobiologischer Dispositionen für Kreativität unterstreicht (vgl. z. B. Chávez-Eakle et al. 2012, S. 76). Dazu gehören Vorstellungen von Kreativität als „Teil der kognitiven Standardausstattung des Menschen“ (Vogt 2010, S. 27) oder auch die Definition von Kreativität als kreatives (menschliches) Potenzial (vgl. Runco 2004b, 2015; Runco und Acar 2012). Der Persönlichkeitsansatz umfasst einen breiten Forschungskorpus, der eine Vielzahl spezifischer Eigenschaften und Fähigkeiten von Personen beschreibt, die Kreativität bedingen und fördern (können) (vgl. Abschnitt 4.2.1). Vor diesem Hintergrund wird kritisiert, dass der Eigenschaftsansatz potenzielle Kreativitätsressourcen, nicht aber Kreativität selbst erhebt (vgl. Westmeyer 2001, S. 246). Zudem bleibt in der Kopplung einer personenbezogenen Kreativitätsdefinition an Determinanten von Kreativität auf Ebene der Individuen unklar, ob die individuellen Eigenschaften Kreativität bedingen oder umgekehrt (vgl. Henry 2007a, S. 200; Hutton et al. 2005, S. 23). In der Kopplung von Kreativität an das Individuum wirkt die in ihrem Ursprung der Renaissance zugeschriebene, jahrhundertealte Vorstellung einer Verknüpfung von Kreativität mit Genie fort (vgl. Bilton 2007, S. 14; Fischer und Vassen 2011, xii; Gottschalk 2006, S. 62 f.; Guilford 1950, S. 444; Joas 1992, S. 110 f.; Nicoli 2010, S. 27). Diese konzipiert kreative Leistung als individuelle, ursprünglich göttliche, später vor allem artistische Leistung (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 3) und koppelt sie häufig an plötzliche Eingebung (vgl. Sawyer 2006, S. 19 ff.). Der Kreativitätsmythos wurde kritisiert (vgl. Dresler 2008, S. 7; Sawyer 2006, S. 18 ff.) und durch Forschung, die Kreativität als soziales Konstrukt beschreibt, als Ansatz, der die Komplexität des Geschehens unzureichend erfasst, herausgearbeitet: Weisberg (2013) verdeutlicht, dass die Vorstellung von Kreativität als einem plötzlichen Einfall durchaus ernst zu nehmen sei, jedoch ist davon auszugehen, dass auch diese Einfälle nicht aus dem Nichts kommen, sondern durch den Hintergrund, das Wissen, die Erfahrung der Person und äußere Reize begründet werden (vgl. auch die Ausführungen zur Rolle des Bauchgefühls in der Unterhaltungsproduktion in Abschnitt 5.3.2.1), d. h. selbst der Heureka-Moment ist sozial begründet und eingebettet. Hinzu kommen Forschungsergebnisse, die zeigen: Kreativität ist vor allem harte Arbeit (vgl. u. a. Brodbeck 2008, S. 20; Csikszentmihalyi 1996, S. 1; Glück et al. 2002, S. 64; Sawyer 2006, S. 54; vgl. auch Abschnitt 4.2.1).
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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Das Kollektiv als Kreativitätsträger Dass eine „Kreativitätsforschung, die in den engen Grenzen der Psychologie verbleibt, […] zu kurz [greift]“ (Westmeyer 2001, S. 242) hat schon die Sozialpsychologin Teresa M. Amabile (1982, 1983), die mit ihrer Arbeit breite Teile der Kreativitätsforschung beeinflusst hat, mit der Verschiebung ihres Forschungskontextes von der Psychologie zur Sozialpsychologie eingeräumt und anerkannt. In einer Verschiebung der psychologischen hin zu einer sozialpsychologischen Betrachtung – Küng spricht von einer zunehmenden Popularität sozialkonstruktivistischer Ansätze (vgl. Küng 2004, S. 66) – haben insbesondere in den 70-er Jahren kontextuale und soziale Faktoren für die Analyse von Kreativität an Bedeutung gewonnen (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 3). Diese sind in einem soziokulturellen Ansatz zusammengeflossen (vgl. Sawyer 2006, S. 4). Die Individuen sind für kreative Leistungen (mit-)verantwortlich, jedoch: „Their contribution, while necessary and important, is only a link in a chain, a phase in a process.“ (Csikszentmihalyi 1996, S. 7) Die Herauslösung des Kreativitätsbegriffs aus seiner Individualisierung erfolgte auf zwei Ebenen: Zum einen wurde der*die Kreative zunehmend als soziales Wesen beschrieben, das von seiner Familie, seiner Sozialisation geprägt wird und nicht isoliert handelt. Kreativität ist dabei auch ein Akt, in dessen Verlauf sich die kreative Person in unterschiedliche Positionen und Perspektiven begibt (vgl. Gl˘aveanu 2015). Zum anderen wurde der Idee kollektiver Kreativität vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt und Kreativität in Gruppen verankert bzw. als Gruppenleistung modelliert (vgl. Fischer und Vassen 2011; Hargadon und Bechky 2006; Milliken et al. 2003; Nijstad und Paulus 2003; Nijstad et al. 2003; Fischer und Vassen 2011; Zysno und Bosse 2009). Kann es Gruppenkreativität geben? Die Antworten der Literatur differieren: Nein, weil jede Kreativität letztlich auf das Individuum zurück zu führen ist (vgl. Feist 1998, S. 300; Sheremata 2000; Wagner 2003, S. 58); Ja, wobei individuelle Kreativität Teil der Gruppenkreativität sein kann bzw. in diese eingebettet ist (vgl. Fischer und Vassen 2011, S. xii ff.; Hargadon und Bechky 2006, S. 498; Woodman et al. 1993, S. 304); Ja und nur so, da Kreativität derart komplexe Leistungen erfordert, die eine Einzelperson nicht hervorbringen kann (vgl. Hutton et al. 2005, S. 27; Nylund 2013, S. 205; Nijstad und Paulus 2003, S. 338 f.). Die Gruppe wird als Träger von Kreativität beschrieben, weil die – durchaus als Mythos kritisierte (vgl. Plucker et al. 2004, S. 87) – Annahme besteht, dass sie mehr hervorbringen kann als die aggregierte Leistung der Individuen (vgl. Sawyer 2006, S. 31; Woodman et al. 1993, S. 304). Zugleich verweisen Studien, die diesen Aspekt vorrangig in Bezug auf Leistungen im Brainstorming untersucht haben (vgl. für einen Überblick Zysno und Bosse 2009, S. 126), diese Annahme als empirisch wiederlegt
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
zurück und skizzieren, wie die Gruppe zum Hemmfaktor für Kreativität werden kann (vgl. z. B. Stroebe und Nijstad 2004; zusammenfassend Isaksen und Gaulin 2005, S. 316 ff.). Zu berücksichtigen ist, dass Studien zum Brainstorming häufig Kreativität mit Ideengenerierung gleichsetzen und damit die Quantität und nicht die Qualität von Ideen sowie die Qualität ihrer Selektion und weiteren Verarbeitung untersuchen (vgl. Hennessey 2003, S. 186; Nijstad et al. 2003, S. 154 f.). Einen Brückenkopf zwischen diesen Sichtweisen bilden Untersuchungen, die sich der Frage widmen, unter welchen Bedingungen Kollektive tatsächlich kreativer sein können als die Summe der Individuen (vgl. Milliken et al. 2003, S. 35 f.; Zysno und Bosse 2009, S. 125, 127, vgl. mehr dazu in Abschnitt 4.2.1). Der Prozess als Kreativitätsträger Mit dem Einbezug sozialer und kontextualer Faktoren rückten auch die weiteren Kreativitätsträger, d. h. der Prozess, das Produkt und schließlich auch die Situation bzw. (Arbeits-)Umgebung (vgl. Küng 2008b, S. 146 f.) in den Fokus – wenngleich die Beziehung dieser Bezugsgrößen zueinander nicht einheitlich skizziert wird. Basierend auf dem personenbezogenen Fokus beziehen sich auch zahlreiche, insbesondere psychologische (vgl. Csikszentmihalyi 1999, S. 313) Betrachtungen des Prozesses als Träger von Kreativität letztlich auf mentale Prozesse – auf einen spezifischen Vorgang, der im Kopf eines Individuums abläuft (vgl. z. B. die Konzeption von Kreativität als bisoziativem Prozess bei Heckhausen 1988, S. 25 ff.). Dieser Prozess wird in Rückgriff auf Wallas (1926, 2014) klassisch in folgende Phasen zerlegt (vgl. Rothenberg und Hausman 1976, S. 71): Vorbereitung, Inkubation, Erleuchtung und Überprüfung (engl.: preparation, incubation, illumination, verification); Sadler-Smith (2015, S. 346) verweist zusätzlich auf die Phase der Andeutung (engl.: intimation), die Wallas zwischen Inkubation und Illumination verorte und darin Formen mentaler Arbeit, die sich zwischen bewussten und unbewussten Zuständen bewegen, einbeziehe. Aus neurobiologischer Perspektive sind kreative Prozesse die „Neuformierung von vorgegebenen Informationen“ (Holm-Hadulla 2014, S. 5) und schließen das Wahrnehmen, Erinnern, Denken, Fantasieren und Träumen mit ein (vgl. ebd.). Kreativität vereint divergentes und konvergentes Denken in verwobenen Denkprozessen (vgl. z. B. Sawyer 2006, S. 45). Divergentes Denken steht dabei für die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven und die Generierung unterschiedlicher Lösungen, während konvergentes Denken die Evaluation und Auswahl der Alternativen – auch basierend auf ihrer Praktikabilität – und den für Kreativität elementaren „Rückgriff auf Wissensbestände“ (Spiel 2003, S. 125) repräsentiert (vgl. Milliken et al. 2003, S. 34 f.). Äquivalent zerlegt Vogt (2010) den mentalen Kreativitätsprozess in Rückgriff auf die „drei klassischen Prozess-Komponenten kreativer Aufgaben“ von Förster
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
127
und Friedmann (2003, S. 151) in drei Stufen: „(1) Durchbrechen kontextinduzierter mentaler Sets, (2) Restrukturierung als neue globale Repräsentation und (3) Gedächtnissuche nach neuen Lösungen“ (Vogt 2010, S. 168). Auch Studien, die nicht auf eine (psychologische) Analyse einer Einzelperson beschränkt sind, implementieren die Idee von Kreativität als mentalem Prozess (vgl. Bharadwaj und Menon 2000, S. 425; Cropley und Cropley 2008, S. 364; Newcomb und Alley 1983, S. 34; Nijstad et al. 2003; Nijstad und Paulus 2003, S. 334; zu kognitiven (Prozess-)Modellen von Kreativität und Konzepten kreativer Kognition vgl. auch Vogt 2010, S. 189 ff.; Ward et al. 1999). In einer erweiterten und zunehmend verbreiteten Sichtweise, reicht der Prozess jedoch über die mentalen Phasen hinaus und schließt die Interaktion sowie die Schritte der Ideenanwendung und -implementierung mit ein. Der kreative Prozess besteht folglich aus der Ideengenerierung und der Ideenselektion sowie -umsetzung (vgl. Nijstad et al. 2003, S. 156 f.). Amabile (1983) skizziert einen fünfstufigen kreativen Prozess von „problem or task presentation“ über „preparation“ und „response generation“ zur „response validation“ und schließlich einem „outcome“ (vgl. ebd., S. 367). Der Prozess kreativer Aufgabenbearbeitung könne dabei aus unterschiedlichen Sub-Aufgaben bestehen und muss u. U. mehrfach durchlaufen werden, damit das erwünschte Ergebnis dabei rauskommt (vgl. ebd., S. 369). Cropley und Cropley (2008, S. 364) schlüsseln sieben Phasen des Prozesses auf und beschreiben ihn als initial individuellen Prozess beginnend mit der Vorbereitung (preparation) und Aktivierung (activation), d. h. dem Moment, in dem der Person die Problemstellung bewusst wird, über die eigentliche kognitive Verarbeitung (cogitation), die anschließende Lösungsfindung (illumination) und die Verifikation dieser Lösung (verification). Bereits mit der Verifikation manifestiert sich der Prozess in einem Produkt, welches anschließend in Interaktion mit anderen Personen (communication) betrachtet und letztlich durch diese bestätigt (validation) werden muss. In diesem Konzept endet der kreative Prozess folglich mit einem als kreativ – genauer: als neu, relevant, effektiv – bewerteten Produkt. Weniger die Bewertung denn eine erfolgreiche Implementierung begründet, Basadurs (2004) Modell folgend, kollektive Kreativität. Dabei findet Kreativität nicht (nur) über Interaktion, sondern vielmehr durch gemeinsames Denken statt. Basadur überträgt mentale Kreativitätsmodelle auf Modelle der Zusammenarbeit: „This creative process is a cognitive process, one that requires people to think well together in new ways and one that requires a leader to synchronize group members’ thinking.“ (Basadur 2004, S. 118) Dieser kognitiv-mentale Kreativitätsprozess besteht aus vier Stufen, die sich entweder auf die reale Welt oder aber die abstrakte Gedankenwelt einer Person beziehen (vgl. ebd., S. 112 ff.): Generating (Problemfindung), Conceptualizing (Problemdefinition), Optimizing
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4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
(Lösungsentwicklung) und Implementing (Lösungsimplementierung). Basadurs Modell zeichnet den kreativen Prozess als „ongoing cycle“ (ebd., S. 106), welcher als solcher zeigt, „that, as new problems are discovered and new solutions are subsequently developed and implemented, new problems and opportunities arise“ (ebd.). Diesen Prozess kollektiv-kognitiver Problemlösung bezeichnet er als organisationale Kreativität, die er mit einer „applied creativity“ gleichsetzt im Sinne der Fähigkeit eines Unternehmens zu Effizienz und Adaptibilität (vgl. ebd., S. 104 f.). Sein Konzept zeigt, dass und wie mit dem Blick auf die Interaktion als Bestandteil oder gar Definitionskriterium von Kreativität ein institutionellorganisationaler Kontext ins Blickfeld rückt. Kollektive Kreativität wird häufig in einem beruflichen Kontext untersucht oder verankert. Arbeitsteams werden zu Trägern organisationaler Kreativität. Die Situation & Organisation als Kreativitätsträger Dies öffnet den Blick für das soziale Setting, in dem Kreativität stattfindet und ermöglicht wird. Damit ist es möglich, Umgebungen zu beschreiben, die Kreativität begünstigen und damit selbst als kreativ gelten können. Mit Blick auf diesen Träger formuliert Vogt (2010) die Annahme, dass bestimmte Bedingungen kreative Situationen, d. h. Situationen, in denen eine Person zur kreativen Handlung statt zur Routinehandlung greift, erzeugen (vgl. für die Definition dieser kreativen Situationen Vogt 2010, S. 257). Viel häufiger beziehen sich jedoch Ausführungen zu diesem Kreativitätsträger auf vielfältige extrinsische Faktoren, die die Person, den Prozess und das Produkt in ihrer Kreativität beeinflussen können. Konkret geht es beispielsweise um Arbeitsbedingungen, die es einer Person vereinfachen oder ggfs. überhaupt erst ermöglichen, kreativ zu sein. Beschreibungen und Definitionen organisationaler Kreativität sind folglich häufig Beschreibungen von Einflussfaktoren, d. h. es geht darum, unter welchen Bedingungen organisationale Kreativität entsteht (vgl. Abschnitt 4.3.2). Einige Autor*innen – wie Basadur (2004) und Woodman et al. (1993) – liefern jedoch auch eigene Konzepte und Modelle organisationaler Kreativität. Die Vorstellung von einer Organisation als Träger von Kreativität und damit die Definition organisationaler Kreativität fällt dabei letztlich aber zurück auf die Erfassung von Personen und Prozessen, vor allem aber Produkten als Kreativitätsträgern innerhalb dieser Organisation: Kreative Organisationen sind z. B. nach Andriopoulos (2000, S. 16) und Andriopoulos und Lowe (2000, S. 734) jene ‚Wirtschaftseinheiten‘, die mit kreativen Ideen, Produkten, Prozessen und Angeboten Geld verdienen. Äquivalent beschreibt organisationale Kreativität eine Produkt-, Prozess- und Angebotskreativität, die durch menschliche Zusammenarbeit in einem komplexen sozialen Setting entstanden ist (vgl. Woodman et al. 1993, S. 293 f.).
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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Das Produkt als Kreativitätsträger Bereits in den Konzepten kreativer Prozesse und in jenen zu organisationaler Kreativität ist nicht nur die Person, sondern auch das Produkt als Kreativitätsträger mindestens implizit, z. T. auch explizit integriert. Darin spiegelt sich die Interdependenz der Kreativitätsträger (vgl. Ausführungen unten) und die Einsicht, dass sich Aussagen über kreative Prozesse letztlich nur über kreative Personen und vielmehr noch über kreative Produkte validieren lassen (vgl. Kaufman und Baer 2004, S. 12). Beispielsweise ist der kreative Prozess im Modell von Cropley und Cropley (2008, S. 364) mit dem Schritt der Verifikation ein produktgenerierender Prozess. Kreativität ist am deutlichsten und am eindeutigsten über das Produkt identifizierbar. Einige Autor*innen verweisen sogar darauf, dass Kreativität einzig und allein über das Produkt erschließbar sei (vgl. Sonnenburg 2007, S. 74; Westmeyer 2009). Die in Abschnitt 4.1.1.1 aufgeführten definitorischen Elemente von Kreativität resultieren vorrangig aus einer produktbezogenen Perspektive. Entsprechend wird Kreativität vereinzelt explizit auf Produktkreativität reduziert (vgl. Milliken et al. 2003, S. 34), zumindest aber als „productive activity“ (Fulton und McIntyre 2013, S. 18) gefasst. Vielmehr noch aber ist das Produkt Fluchtpunkt einer Mehrzahl von Kreativitätsdefinitionen: Kreativität oder, noch spezifischer, kreative Arbeit gilt als solche, insofern sie in „the generation of novel, useful solutions“ (Mumford et al. 2002, S. 707) oder aber „an outcome or product that is both novel and useful“ (Plucker und Beghetto 2004, S. 156; vgl. auch Plucker et al. 2004, S. 91) resultiert (vgl. auch Amabile 1982; 1983 und die Ausführungen zur konsensualen Kreativitätsdefinition in Abschnitt 4.1.2). Diese Sichtweise wird jedoch nicht uneingeschränkt von Kreativitätsforscher*innen adaptiert. Die Erfordernis, dass der kreative Prozess in einem Produkt mündet, betrachtet beispielsweise Klausen (2010) als zu restriktiv. Er plädiert, wie auch Howkins (2007, S. ix) dafür, dass Kreativität auch dann stattfindet, wenn der Prozess nicht in einem Produkt endet. Zugleich unterstreicht er die Fähigkeit eines kreativen Prozesses, ein eben solches Produkt hervorzubringen: „It should be possible to engage in a genuinely creative process which, for some reason or another, nevertheless fails to produce a result that is accepted as tenable, useful, or satisfying. It is thus preferable to speak instead of a process which has a propensity for resulting in a novel work.“ (Klausen 2010, S. 349, Herv. i. O.)
Runco (2004b) wiederum entfernt sich von der Produktorientierung einer Kreativitätsbetrachtung, indem er Kreativität als kreatives Potenzial (von Menschen) konzeptioniert und untersucht. Produktivität spielt darin qua definitionem keine Rolle (vgl. auch Runco 2014, S. 131 f.).
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Abbildung 4.1 Kreativitätsträger
Quelle: Eigene Darstellung
Zusammenfassend lässt sich mit Blick auf die beschriebenen Träger von Kreativität festhalten, dass diese helfen, Kreativitätsforschung zu strukturieren (vgl. Runco 2004a, S. 661 ff.). Wenngleich streitig bleibt, wer oder was der wahre Träger von Kreativität ist (vgl. Dresler 2008, S. 10; Kurt und Göttlich 2012, S. 11), ist es konsensfähig, dass vielfältige Elemente, denen das Attribut kreativ zugewiesen werden kann, berücksichtigt werden sollten. Einige Autor*innen unterstreichen, dass eine Beachtung und Verknüpfung aller genannten Träger konstitutiv ist für eine Beschreibung und Analyse von Kreativität (vgl. Mooney 1963; Woodman et al. 1993, S. 315) – nicht zuletzt, weil sie interdependent sind (vgl. u. a. die Kreativitätsdefinition von Plucker et al. 2004, S. 91), de facto nur analytisch getrennt werden können und sich gegenseitig bedingen (vgl. den relationalen Ansatz von Westmeyer 2001; 2009 und die Ausführungen in Abschnitt 4.1.4). Bereits 1961 schreibt Rhodes: „The word creativity is a noun naming the phenomenon in which a person communicates a new concept (which is the product). Mental activity (or mental process) is implicit in the definition, and of course no one could conceive of a person living or operating in a vacuum, so the term press is also implicit.“ (Rhodes 1961, S. 305, Herv. i. O.)
Folglich wenden sich zahlreiche Forscher*innen explizit nur einem dieser Träger zu, integrieren implizit jedoch auch die anderen. Die Tatsache, dass es diese Bezugsgrößen sind, die Kreativität letztlich überhaupt erst (empirisch) beschreibbar, beobachtbar, messbar und konkretisierbar machen, zeigt, dass es sinnvoll
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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sein kann, einen Akzent auf die Verwendung des Kreativitätsbegriffs in seiner adjektivischen Form zu setzen (vgl. Runco 2004b, S. 28; 2014, S. 132; Abbildung 4.1).
4.1.1.3 Domänenspezifität der Kreativität Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Kreativität über spezifische Begriffe beschrieben werden kann, dass diese Begriffe aufgrund ihres relationalen Charakters aber erst ihre abstrakte Ebene verlassen, wenn sie an einen Träger gekoppelt werden. Diese Träger sind, dies betont die sozialpsychologische Betrachtung des Phänomens, für sich nicht unbedingt als kreativ erkennbar. In dieser Forschungstradition hat sich zunehmend die Meinung durchgesetzt, dass Kreativität in komplexen sozialen Umgebunden oder gar Systemen stattfindet (vgl. Plucker und Beghetto 2004, S. 156; Seidel 2009, S. 33; Woodman et al. 1993, S. 293). Kreativität ist ein sozialer Prozess, der über vielfältige Dimensionen (d. h. auch diverse Träger einschließend) erfolgt (vgl. Bilton 2007; 2009; Passoth 2012). Diese Vorstellung von Kreativität als sozialem Konstrukt entfernt sich von Persönlichkeitsansätzen, die bestimmte Fähigkeiten und Charaktereigenschaften mit Kreativität gleichsetzen. Ein kreativer Prozess, eine kreative Person, ein kreatives Produkt und eine kreative Situation sind nur kreativ in einem klar definierten Kontext (vgl. z. B. Fulton und McIntyre 2013, S. 18; Plucker und Beghetto 2004, S. 156; Plucker et al. 2004, S. 91), d. h. in einer spezifischen Domäne (vgl. dazu Abschnitt 4.1.4). Das Bild eines Kindes mag im Schulunterricht als kreativ wahrgenommen werden, und wird gemessen an den Parametern des Kunstmarktes wohl eher belächelt. Die Definition von Kreativität ist mit der systemspezifischen Logik verknüpft (vgl. auch Luhmann 1988). Wenngleich diese Annahme auf den ersten Blick eindeutig erscheint, wird sie dennoch in der Kreativitätsforschung diskutiert. Zur Frage der Domänenspezifität2 von Kreativität stehen sich zwei theoretische Positionen gegenüber: (1) Theorien der Domänenspezifität auf der einen und (2) Theorien der DomänenAllgemeingültigkeit auf der anderen Seite (vgl. Sternberg et al. 2004, S. ix f.). Kaufman und Baer (2004) schlüsseln diese Debatte auf und fokussieren dabei insbesondere auf die Arbeiten von Amabile und Kolleg*innen (vgl. Conti et al. 1996; Ruscio et al. 1998). Dabei geht es darum, ob bestimmte Eigenschaften, die kreativen Personen (vgl. Abschnitt 4.3.1), Produkten und Prozessen zugewiesen werden, über eine Domäne hinaus Geltung haben. Ihre Betrachtung mündet in der 2
Letztlich ist diese Frage selbstverständlicherweise auch von der Definition einer Domäne abhängig (vgl. auch Kaufman und Baer 2004, S. 4, Fn. 1). Der Begriff kann sich auf die Ebene eines Praxisfeldes, aber auch auf Richtungen innerhalb eines Praxisfeldes beziehen.
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4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Feststellung, dass Kreativität zweifelsohne domänenspezifisch und zuweilen sogar aufgabenspezifisch sei und es keine hinreichenden Belege für domänenübergreifende Kreativitätsfaktoren gebe (vgl. Kaufman und Baer 2004, S. 8 f., 13 f.). Dies gelte zweifelsohne für gesellschaftlich herausragende kreative Personen, deren kreative Leistung nicht zuletzt auf ihre langjährige Erfahrung und Expertise zurückgeführt wird (vgl. dazu Abschnitt 4.1.3 und insbesondere Abschnitt 4.2). Dies gelte aber auch für alltägliche Formen von Kreativität (vgl. auch Westmeyer 2009, S. 19 f.). Leistungsstudien hätten gezeigt, dass kreative Leistung nicht zwischen verschiedenen Domänen korreliert (vgl. Kaufman und Baer 2004, S. 7). Während Conti et al. (1996, S. 388) sich überzeugt zeigen, domänenübergreifende Kreativitätsfähigkeiten von Personen gefunden zu haben (vgl. S. 388), sind diese Belege für Kaufman und Baer (2004, S. 8) eher mager. So sehr sich die Perspektiven entgegenzustehen scheinen, lassen sie sich doch vereinbaren: Es ist durchaus denkbar, dass Elemente von kreativen Produkten, Personen und Prozessen über verschiedenen Domänen hinweg eine Rolle spielen. Diese Elemente sind abstrakt betrachtet domänenübergreifend, aber erhalten erst in Bezug zu einer Domäne eine konkrete Gültigkeit: Domänenabhängigkeit besteht, weil die Domäne festlegt, wie und in welcher Form die allgemeinen Elemente von Kreativität (in der Kreativitätsdefinition) gelten und ausgestaltet werden (vgl. Kaufman und Baer 2004, S. 3; Lubart und Guignard 2004, S. 47). Es geht zugleich darum, dass bestimmte Domänen einzelne Facetten von Kreativitätsdefinitionen betonen (vgl. auch Lubart und Guignard 2004, S. 44): Die von Glück et al. (2002, S. 59) ermittelten Faktoren kreativer Produkte – Functioning (mit den Items: technically correct, useful, well-crafted, functioning, fulfilling its purpose, elaborate), Originality (mit den Items unusual, radical, surprising, original, funny, showing individual style) und Impression (mit den Items elegant, understandable, aesthetic, logical) – stehen im Einklang mit den oben beschriebenen Kreativitätsdefinitionen. Jedoch zeigte die Untersuchung, dass freie Künstler*innen die Eigenschaften kreativer Persönlichkeit (vgl. Abschnitt 4.3.1) betonen während „constrained artists“ (z. B. Grafikdesigner*innen) die Funktionalität und Psychologiestudierende die Originalität in der Kreativitätsdefinition hervorheben (vgl. Glück et al. 2002, S. 65). Letztlich ist die Betrachtung von Kreativität als soziales Phänomen untrennbar mit der Annahme ihrer Feld- bzw. Domänenspezifität verbunden: „This is precisely what makes the creative act inherently social – it must be expressed in a social context and ultimately be understood by others if it is to be creative by the definition given earlier, namely, be both novel and useful.“ (Feist 1998, S. 301)
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
133
Das ‚Verstehen durch Andere‘, von dem Feist spricht, impliziert eine Akzeptanz durch Andere, basierend auf irgendeiner Form von Bewertung. Etwas als kreativ zu bezeichnen, setzt eine Wertung voraus (vgl. Brodbeck 2008, S. 19). Die Domänenspezifität der Kreativität ist folglich gekoppelt an die Idee, dass die Kreativitätsdefinition von einer Bewertung und einer Akzeptanz durch die Domäne abhängig ist (vgl. Abschnitte 4.1.2 und 4.1.4). Die Kopplung der Kreativität an soziale Akzeptanz ist eine in der Literatur weit verbreitete Annahme (vgl. Csikszentmihalyi 1999; Küng 2008b, S. 148 f.; Westmeyer 2009), jedoch kein allgemeiner Konsens. Insbesondere jene Ansätze, die Kreativität als eine grundlegende Eigenschaft bzw. Fähigkeit von allen Menschen betrachten (vgl. z. B. Vogt 2010, S. 27) oder den Fokus auf alltägliche Leistungen in Abgrenzung zu außergewöhnlich kreativen Errungenschaften legen (vgl. Runco 2014, S. 131 f.;), stellen zwar nicht in Frage, dass Kreativität einen sozialen Kontext braucht, sie negieren jedoch, dass es eine explizite, externe Bewertung und Anerkennung braucht, um etwas oder jemanden als kreativ einzustufen (vgl. z. B. Klausen 2010, S. 355). Eng an diese Sichtweise gekoppelt ist die Frage nach der Bedeutung von Wert und Intentionalität für Kreativität. Mit dem Kriterium der Intentionalität (als Definitionskriterium für Kreativität) rückt die Absicht der Produzent*innen einer kreativen Leistung selbst an die Stelle der Bewertung durch andere (vgl. Ghiselin 1963; Klausen 2010; Weisberg 2010). Im Gegensatz dazu argumentiert Kahl (2009), dass sich der*die Produzierende nur dank der Bewertung durch andere als kreativ begreifen kann. Dieser Widerspruch zwischen den Autor*innen kann ein Stück weit aufgehoben werden, wenn – wie es die vorliegende Arbeit tut – davon ausgegangen wird, dass die Idee davon, was kreativ ist, sozial geprägt ist und damit die Bewertung anderer, also die Bewertung des Feldes, immer implizit auch in der Perspektive der produzierenden Person enthalten ist. Unabhängig von der Frage einer Bewertung weisen Forscher*innen vereinzelt explizit zurück, dass Kreativität über die Bewusstheit hinaus Intentionalität einschließt (vgl. Sawyer 2006, S. 30). An die Stelle der Absichtlichkeit, die eine gewisse Planmäßigkeit impliziert, tritt dann der Zufall. Schmidt (1988, S. 45) beschreibt Zufälle als Basis der Kreativität. Ähnlich bedeutet Kreativität nach Luhmann (1988, S. 17), Zufälle nutzbar zu machen. Der Idee von Kreativität als einem Zufallsprodukt folgend, hält er den Einfluss personeller Komponenten auf Kreativität für überschätzt (vgl. ebd., S. 18) – eine Sichtweise, der Kreativitätsforscher*innen eine Betonung der Individualität kreativer Leistungen (vgl. Wagner 2003, S. 58) und Kreativitätsdeterminanten auf Ebene des Individuums (vgl. Abschnitt 4.3.1) entgegenstellen.
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4.1.2
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Von der Kreativitätsmessung zur Kreativitätsbewertung: Wie lässt sich Kreativität messen?
Kreativität ist nicht objektiv fass- und messbar. Zwar haben Wissenschaftler*innen (insbesondere in der Psychologie) in den vergangenen 50 Jahren zahlreiche Instrumente, insbesondere so genannte ‚Paper-and-Pencil‘-Tests zur Messung persönlicher, organisationaler und produktbezogener Kreativität entwickelt (vgl. z. B. Amabile et al. 1996; Guilford 1967; Torrance 1969; für einen Überblick siehe z. B. Benedek 2008), die bis heute in der Kreativitätsforschung Anwendung finden (vgl. z. B. Çokpekin und Knudsen 2012; Cummings und Oldham 1997; Horneber 2012; Randel et al. 2011; Spiel 2003). Dennoch hat sich aus den bestehenden Instrumenten keine universal anwendbare, objektive Operationalisierung des Kreativitätsbegriffs herauskristallisiert. Populär für die Erhebung von Kreativität auf Ebene der Personen und Persönlichkeiten sind beispielsweise Tests zum divergenten Denken – Westmeyer (2001, S. 246) meint gar, dass Forschung zu persönlicher Kreativität als Forschung zu divergentem Denken reinterpretiert werden müsse. Schließlich ist Kreativität nicht mit divergentem Denken gleichzusetzen: Entsprechende Tests gelten als nicht valide, weil eine hohe Punktzahl in den Tests nicht mit kreativem Output im realen Leben korreliere (vgl. Sawyer 2006, S. 45). Entsprechend relativiert beispielsweise auch Runco (2015), der u. a. solche Tests zum kreativen Denken kommerziell vertreibt (vgl. dafür auch seine Webseite creativitytestingservices.com), ihr Aussagepotenzial: Divergentes Denken „is associated with problem solving, ideation, and creative potential“ (Runco und Acar 2012, S. 73) und sei daher keine Garantie für kreative Leistungen, könne jedoch bestimmte Leistungen voraussagen (vgl. ebd., S. 66). Tests zum divergenten Denken testeten folglich nicht Kreativität, sondern das kreative Potenzial einer Person (vgl. ebd., S. 72). Kritiker*innen haben die Schwachstellen zahlreicher Test- und Messmethoden dokumentiert (vgl. Amabile 1982; für eine Kritik organisationaler Instrumente siehe z. B. Isaksen und Lauer 2001; Isaksen et al. 1999; Mathisen und Einarsen 2004). Einige seien hier beispielhaft erwähnt. Der Gebrauch von Kreativitätstests sei nicht an operationale Definitionen gebunden, die Punkteverteilung erfolge subjektiv basierend auf intuitiven Bewertungen der Testleiter*innen statt auf objektiven Kriterien (vgl. Amabile 1982, S. 998 f.). Zudem fokussierten Tests zur Kreativität von Personen auf individuelle Unterschiede (zwischen Persönlichkeiten) und ließen damit soziale und Umgebungseinflüsse unbeachtet (vgl. ebd., S. 999; vgl. auch Westmeyer 2001, S. 241). Der Bezug zum tatsächlichen Arbeitsumfeld fehle gänzlich (vgl. Spiel 2003, S. 124). Klausen (2010, S. 348)
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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sieht in den Bemühungen, Kreativität zu messen, gar den Ursprung eines weiteren Problems, wenn Forschende das Untersuchungsobjekt (lediglich) mit jenen Merkmalen beschrieben, die sich auch tatsächlich messen ließen. Daneben leiden Kreativitätstests unter einem Henne-Ei-Problem: „[…] creativity is what creativity tests measure and creativity tests measure creativity […]“ (Plucker et al. 2004, S. 92). Bereits die Wahl von Merkmalen, die Kreativität beschreiben, setzt eine Bewertung voraus – sei es durch die Forschenden selbst, sei es durch externe Proband*innen oder Befragte, die im Vorfeld der Messinstrumententwicklung auf diese Merkmale hinweisen (vgl. Amabile 1983, S. 359). Problematisch ist dies jedoch nur, wenn diese subjektive Perspektive nicht explizit als solche benannt und erkannt wird. Tatsächlich ist nämlich nicht davon auszugehen, dass Kreativität aus der Perspektive unterschiedlicher Personen etwas völlig Unterschiedliches meint und bezeichnet. So lenkt auch Klausen (2010, S. 348) ein, unterschiedliche Personen „may concur in many of their actual judgments“; und Amabile (1983, S. 359) geht sogar grundsätzlich davon aus „that there is one basic form of creativity, one basic quality of products that observers are responding to when they call something creative, whether they are working in science or the arts“. Menschen ähneln sich in der Anwendung des Begriffs, auch wenn sie keine Definition vorgelegt bekommen; zudem: „[…] observers can say with an acceptable level of agreement that some products are more creative or less creative than others.“ (Ebd.) Eine Kreativitätsbestimmung und -messung impliziert stets einen gewissen Grad an Subjektivität (vgl. Amabile 1983, S. 360). Amabile (1982) hat aus dieser Not eine Tugend gemacht und eine konsensuale Definition von Kreativität entwickelt, welche eine Bewertungskomponente und folglich Subjektivität explizit einschließt und dadurch verhindert, dass die empirische Untersuchung von Kreativität bereits an der Begriffsoperationalisierung scheitert: „A product or response is creative to the extent that appropriate observers independently agree it is creative.“ (Amabile 1982, S. 1001) In einer streng relationalen Sichtweise, wie Westmeyer (2001; 2009) sie ansetzt, ist Kreativität damit nicht Eigenschaft von Produkten, Personen oder Prozessen, sondern eine Zuschreibung, die an die Bewertungsinstanz gebunden bleibt (vgl. Westmeyer 2001, S. 238 ff.). Dennoch verzichtet Amabile in ihrem konsensualen Ansatz nicht auf eine Definition von Kreativität. „[A]ny theoretical formulation of creativity must make assumptions about these criteria and their characteristics“ (Amabile 1983, S. 360). Forschung ist auf eine möglichst präzise Definition angewiesen, damit sie weiß, was sie untersucht (vgl. Klausen 2010, S. 348; Plucker et al. 2004, S. 92). Damit kommen die in Abschnitt 4.1.1.1 benannten definitorischen Begriffe ins Spiel:
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
„A product or response will be judged as creative to the extent that (a) it is both a novel and appropriate, useful, correct, or valuable response to the task at hand and (b) the task is heuristic rather than algorithmic.“ (Amabile 1983, S. 360)
Kreativitätsforscher*innen haben den konsensualen Ansatz in sowohl experimentellen als auch non-experimentellen Kontexten angewandt (vgl. z. B. Baer et al. 2004; Hennessey 2003; Lu und Luh 2012) und kreative Leistungen von Expert*innen, die die Forscher*innen bestimmt haben, bewerten lassen. Jedoch hat auch diese Methode Fallstricke. Amabile (1982; Amabile und Pillemer 2012, S. 6) hat daher Kriterien für eine erfolgreiche Anwendung, d. h. für eine valide Ergebnisse generierende Anwendung der so genannten ‚consensual assessment technique‘ (CAT) beschrieben: Die CAT ist dann sinnvoll, wenn die Aufgabe offen genug formuliert ist, sich nicht auf zu spezifische Fähigkeiten beruft, in einem Ergebnis/Produkt endet und dieses Produkt nicht allzu revolutionär ist, da es sonst ggfs. von den Bewertenden nicht an ihr Domänenwissen rückgekoppelt werden kann. Radikale Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.3) bleibt der CAT damit verborgen. Diese Tatsache verdeutlicht bereits, dass Kreativität nur zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Hintergrund des in diesem Moment gültigen Wissens im Feld identifiziert und als solche bewertet werden kann (vgl. Amabile 1982, S. 1010; Bilton 2007, S. 4; Kahl 2009, S. 32; Stein 1963, S. 218): Das Produkt und der Prozess gelten als kreativ nur zum Zeitpunkt der Bewertung (vgl. Westmeyer 2001, S. 238 f.). Kreativitätsdefinitionen sind folglich im Zeitverlauf variabel (vgl. Passoth 2012, S. 58). Weitere Voraussetzungen für einen sinnvollen Einsatz der CAT sind zum einen Expert*innen als Bewerter*innen, die ausreichend domänenerfahren sind (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 6) – welcher Erfahrungsumfang als ausreichend gilt, hängt dabei auch sehr von der Domäne ab (vgl. Kaufman und Baer 2012, S. 89). Lu und Luh (2012, S. 332) merken kritisch an, dass gerade die Rekrutierung passender Expert*innen sehr aufwendig und schwierig sein kann. Zum anderen müssen Studien, die die CAT einsetzen, die Inter-Bewerter-Reliabilität3 (als Konstrukt-Reliabilität) erfassen (vgl. z. B. Baer et al. 2004; Christiaans 2002; Kaufman et al. 2008; Lu und Luh 2012) und einen 3
Wie noch in Abschnitt 5.2.3 argumentiert wird, können Rezipient*innen durchaus legitime Bewerter*innen von Medienprodukten sein, da sie auf eine lange Erfahrung als Rezipient*innen zurückgreifen können – wenngleich sie auf Ebene der Medienproduktion Lai*innen sind. Wie schwer jedoch die Grenze zwischen Expert*innen und NichtExpert*innen/Lai*innen bzw. zwischen legitimen und nicht-legitimen Bewerter*innen zu ziehen ist, zeigt die Studie von Lu und Luh (2012). Die Autor*innen haben in ihrer Studie, in der sie Produktdesigns auf ihre Kreativität hin bewerten ließen, eine höhere Inter-BeurteilerReliabilität für die Nicht-Expert*innen als für die Expert*innen ermittelt. Tatsächlich sind ihre Nicht-Expert*innen, da es sich um Designstudierende handelte, aber keineswegs – wie
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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spezifischen Mindestwert darin erreichen (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 6; Amabile 1982, S. 1002). Wichtig sei dabei, dass die Reliabilität nicht dadurch verzerrt werde, dass den Expert*innen eine Kreativitätsdefinition vorgeben werde (vgl. Amabile 1982, S. 1000). Tatsächlich kombinieren einige Studien die Bewertung durch Expert*innen mit einer Bewertung über vorgegebene Parameter (vgl. z. B. Oldham und Cummings 1996; Somech und Drach-Zahavy 2013; Sosik et al. 1999; Yi et al. 2013). Damit erheben auch die Expert*innen streng genommen nicht Kreativität, sondern Aspekte, die von Forscher*innen als Kreativitätsbestandteile benannt werden. Insbesondere in dem Wunsch, die Bewertung auch quantitativ auszudrücken, beziehen sich einige Autor*innen bei der Wahl ihres Zugangs zu Kreativität nicht selten auf mehr als eine definitorische Perspektive, d. h. sie integrieren beispielsweise Kreativitätstests und fragen zugleich Kreativitätsverständnisse ab (vgl. Spiel 2003). Diese Multioptionalität in der Kreativitätsmessung greift Batey (2012, S. 59, 61) auf, um Möglichkeiten und Methoden der Kreativitätsmessung entlang unterschiedlicher Analyseebenen (individuelle, Team-, Organisations- und Kulturebene), entlang unterschiedlicher Kreativitätsfacetten (d. h. entlang der vier Kreativitätsträger) und entlang unterschiedlicher Ansätze (objektive Messung, Selbst- und Fremdbewertung) zu systematisieren. Über die Felder der daraus resultierenden dreidimensionalen Matrix ist es jeweils möglich, sich an Kreativität aus einer spezifischen Perspektive heranzutasten – z. B. als objektive Messung der Produktkreativität (beispielsweise operationalisiert über Auszeichnungen) auf Ebene des Individuums. Es ist jedoch nicht möglich, Kreativität in seiner Komplexität durch einen einzelnen Zugang zu erfassen (vgl. ebd., S. 63) Gerade für die vermeintlich objektiven Messmethoden, die Kreativität über Eigenschaften von Menschen, Personen oder Prozesse operationalisieren, ist jedoch die oben erwähnte Kritik zu berücksichtigen: Streng genommen messen sie tatsächlich nicht Kreativität, sondern eben diese Eigenschaften, d. h. ähnliche, verwandte oder irgendwie mit Kreativität assoziierte Konzepte. In jedem Fall ist es wichtig, dass Kreativitätsforscher*innen den Zugang, den sie zur Messung
Lu und Luh (2012, S. 336) selbst anmerken – als Feld-Noviz*innen zu bewerten. Lediglich solche Noviz*innen, d. h. Personen mit gar keiner Ahnung vom Feld, sind eindeutig nicht-geeignete Bewerter*innen mit – darauf verweisen erste entsprechende Studien – vermutlich eher niedrigerer Inter-Bewerter*innen-Reliabilität (vgl. Kaufman und Baer 2012, S. 85). Schon allein, um eine Messung nicht ad absurdum zu führen, müssen das Kriterium ausreichender Erfahrung und das Kriterium eines Mindestwerts in der Reliabilität eng aneinander gekoppelt werden – schließlich ist noch nicht ausreichend belegt, dass eine Gruppe von Ahnungslosen einen fremden Gegenstand letztlich doch übereinstimmend beurteilt.
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
von Kreativität wählen, spezifizieren und (vermeintlich) objektive von subjektiven Bewertungen trennen, da diese, einer Untersuchung von Randel et al. (2011, S. 6 f.) folgend, nicht miteinander korrelieren. Die Anwendung einer konsensualen Definition von Kreativität schließt implizite Definitionen mit ein. Letztere beziehen sich auf nicht explizit artikulierte Vorstellungen davon, was Kreativität ist und welche Elemente sie auszeichnen. Wenn jemand als Experte*Expertin für seine*ihre Domäne Kreativität bewerten soll, greift er*sie auf Vorstellungen davon zurück, was kreative Personen, Prozesse, Produkte, Situationen u. ä. auszeichnet. Dass diese Vorstellungen vorhanden sind, zeigt sich in der Problemlosigkeit, mit dem der Begriff im Alltag angewandt wird (vgl. Dresler 2008, S. 16). Die Vergleichbarkeit dieser nicht explizierten Vorstellungen ist auf die „soziale[.] Natur von Sprache und damit [die] […] soziale[.] Einbettung jeder sprachlichen Konstruktion“ (Westmeyer 2001, S. 247) zurückzuführen. Werden in Studien Kreativitätsverständnisse abgefragt (vgl. dazu Banks et al. 2002; Glück et al. 2002; Spiel 2003), werden damit implizite Definitionen von Kreativität, die in einem spezifischen Kontext Anwendung finden können, eruiert. Dass diese Definitionen nicht allgemeingültig gefasst, sondern nur über Kreativitätsträger spezifiziert werden (vgl. Glück et al. 2002, S. 60) und dabei simultan unterschiedliche Bezugspunkte haben können (vgl. Chávez 2012, S. 18, En. 2), schmälert ihre Bedeutung nicht. Amabile (1982, S. 1010; vgl. z. B. auch Baer et al. 2004; Christiaans 2002; Kaufman et al. 2008; Lu und Luh 2012) hat hohe Inter-Beurteiler-Reliabilitäten in ihren auf konsensualen Definitionen von Kreativität beruhenden Studien ermitteln können. Dies lässt den Schluss zu, dass sich Kreativitätsverständnisse im Vergleich unterschiedlicher Domänen durchaus unterscheiden können (vgl. Glück et al. 2002, S. 64 ff.; Kaufman et al. 2010, S. 11), sich aber innerhalb einer Domäne sehr ähneln. Kritisch müssen implizite Definitionen – wie auch folglich die oben beschriebene konsensuale Definition – vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Kreativitätsmythen in der Bevölkerung noch stark verbreitet sind (vgl. Sawyer 2006, S. 18). Und dennoch sind sie für jene, die sie anwenden, real (vgl. Kaufman und Baer 2004, S. 11 f.). Kreativitätsmythen sollten daher, wenn sie Teil eines impliziten Kreativitätsverständnisses sind, das u.U. das Selbstverständnis prägt, berücksichtigt werden. Grundsätzlich müssen implizite Definitionen dahingehend differenziert betrachtet werden, ob sie in Fremdbewertungen (wie bei der CAT) oder aber in Selbstauskünften wirken. Es macht einen Unterschied, ob jemand die Kreativität einer anderen Person oder aber die eigene Kreativität bewerten soll. Die Erhebung von Kreativität über Selbstauskünfte einerseits und leistungsbasierte Bewertungen (durch Dritte) andererseits sind häufig verwendete Messmethoden,
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
139
sie führen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen (vgl. Lubart und Guignard 2004, S. 52 f.): Selbstbewertungen münden in verallgemeinerbaren Konzeptionen von Kreativität, während Fremdbewertungen eine domänenspezifische Perspektive auf kreatives Verhalten hervorheben. Selbstbewertungen korrelieren zwar mit Tests zu divergentem Denken (vgl. Davis et al. 2011, S. 198 mit Verweis auf Furnham et al. 2008), jedoch weder mit Fremdbewertungen durch Expert*innen (vgl. Kaufman et al. 2010) noch mit den Ergebnissen unterschiedlicher Methoden zur Messung kreativer Problemlösung (vgl. Reiter-Palmon et al. 2012). Wie und ob Menschen ihre Leistungen selbst als kreativ bewerten, hat ein anderes Aussagepotenzial: Solche Selbsteinschätzungen verweisen auf kreative Identität und darauf, wie sehr jemand Kreativität, kreative Leistung und Kreativ-Sein schätzt (vgl. Davis et al. 2011, S. 198). Tierney und Farmer (2002) greifen diesen Aspekt in ihrem Konzept kreativer Selbstwirksamkeit (creative self-efficacy) auf, welche sie definieren „as the belief one has the ability to produce creative outcomes“ (ebd., S. 1138). Selbstwirksamkeit meint in der Psychologie „die subjektive Überzeugung, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenzen […] bewältigen zu können. Personen mit hoher S[elbstwirksamkeitserwartung] sind überzeugt, ihre Umwelt aufgrund ihrer Kompetenzen beeinflussen zu können. Sie gehen schwierige Aufgaben eher an und verfolgen sie mit mehr Ausdauer als dies weniger selbstwirksame Personen tun, wodurch sich S[elbstwirksamkeitserwartung] indirekt auf Leistung auswirkt.“ (Warner 2018)
Selbstwirksamkeit ist als ein „capacity judgment“ (Tierney und Farmer 2002, S. 1138) spezifischer als das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen (vgl. ebd.). Entsprechend besagt das Konzept kreativer Selbstwirksamkeit als ein ‚handlungsspezifisches‘ Selbstwirksamkeitskonzept (vgl. Warner 2018; vgl. auch Dayan et al. 2013, S. 227; Tierney und Farmer 2002, S. 1139), dass der Glaube an eigene kreative Fertigkeiten und die eigene kreative Leistungsfähigkeit die Motivation zum Kreativ-Sein steigern und sogar die Chance auf tatsächliche kreative Leistungen erhöhen kann (vgl. Chen et al. 2015). Dies zeigt sich in der Studie von Randel et al. (2011). Zugleich legen andere Untersuchungen nahe, dass Menschen begrenzt zuverlässig und fähig sind, ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen (vgl. Zell und Krizan 2014, S. 111). In jedem Fall aber korreliert kreative Selbstwirksamkeit mit der Bewertung eigener Leistungen als kreativ (vgl. Reiter-Palmon et al. 2012, S. 113). Selbstauskünfte sind somit nicht als valide Methode zur Kreativitätsmessung zu sehen, jedoch trotz allem von Bedeutung für eine Untersuchung von Kreativität in einem organisationalen Kontext: Die Bewertung der eigenen kreativen Leistungsfähigkeit verweist darauf, ob eine
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Person über die Motivation zum Kreativ-Sein verfügt – und Motivation ist integraler Aspekt (persönlicher) Kreativität (vgl. Abschnitt 4.2.1). Selbstauskünfte insgesamt beschreiben darüber hinaus Kreativität als (potenziell) identitätsprägendes Merkmal und damit auch als Teil eines Rollenselbstverständnisses (vgl. Abschnitt 5.3.1).
4.1.3
Kreativitätsebenen: Wie lassen sich unterschiedliche Formen von Kreativität unterscheiden?
Die Hinwendung der Kreativitätsforschung zu Themen des Alltags – wie beispielsweise die Erforschung der Rolle von Kreativität in der Erziehung und (Schul-)Bildung (vgl. z. B. Amabile 1979; Hennessey 1996; 2003) – einerseits und die Anwendung des Kreativitätsbegriffs auf historisch als einzigartig zu qualifizierende Leistungen von Personen, Personengruppen oder Organisationen andererseits (vgl. Abschnitt 4.1.4), verweist bereits darauf, dass Kreativität auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt werden kann. Die Unterscheidung von Kreativitätsebenen (vgl. Abbildung 4.2) ist dabei der Versuch, die Plausibilität und Anwendbarkeit des Begriffs zu erhalten und einer Verwässerung des Begriffs zum Allgemeinplatz entgegenzuwirken. In einer Definition auf der Mikroebene des Handelns und Verhaltens gerät Kreativität zu einem Grundcharakteristikum menschlichen Verhaltens (siehe dazu auch spezifische handlungstheoretische Konzepte, vgl. Abschnitt 4.5). Danach ist Kreativität das, was uns zu Menschen macht (vgl. Csikszentmihalyi 1995). Journalist*innen beschreiben beispielsweise ihre Kreativität auch als das, was sie von Algorithmen, die in der journalistischen Produktion an Bedeutung gewinnen, unterscheidet (vgl. van Dalen 2012). Kreativität ist Basis für die Entwicklung unserer Kultur (vgl. Funke 2008, S. 35). Kreativität verschafft uns das Gefühl, „that we are living more fully than during the rest of life“ (Csikszentmihalyi 1996, S. 2). Sie begründet persönliche Zufriedenheit (vgl. Giddens 1991, S. 40 f.). Die Betrachtung von Kreativität auf dieser Ebene taugt wenig dazu, besondere kreative Leistungen und Leistungsfähigkeit zu beschreiben. Der Betrachtung dieser alltäglichen, grundmenschlichen Kreativität als so genanntes ‚small c‘ (kleines k) stellen Kreativitätsforscher*innen daher die Betrachtung des ‚big C‘ (großes K) gegenüber. Diese – durchaus auch kritisierte (vgl. Runco 2014, S. 131 f.) und erweiterte (vgl. Kaufman und Beghetto 2009) – Differenzierung geht laut Merrotsy (2013, S. 131 f.) auf Stein (1987) zurück, wenngleich sie häufig Csikszentmihalyi (1996; 1998) zugewiesen werde, der sich vorrangig um eine Konzeptualisierung des ‚big C‘ verdient gemacht hat. Das ‚big C‘ steht für
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
141
kreative Leistungen mit hoher gesellschaftlicher Implikation. Es steht für jene Kreativität, die Kultur verändert (vgl. Abschnitt 4.1.4) und ist hochgradig voraussetzungsvoll (vgl. Abschnitt 4.2.1). Zwischen dem kleinen und dem großen K spannt sich ein Kontinuum, das vorrangig nicht qualitativ differenzieren will zwischen einer besseren und schlechteren Kreativität. Sicherlich ist das große K wertend betrachtet bedeutender, weil es weiter reichende Konsequenzen hat. Grundsätzlich geht es in dieser Differenzierung aber um die Unterscheidung von Kreativitätsgraden entlang des sozialen Kontextes, d. h. des sozialen Wirkkreises dieser Kreativität (vgl. Plucker und Beghetto 2004, S. 158). Äquivalent beschreibt Amabile (1983) ein Kontinuum verschiedener Formen von Kreativität, das von einer als „garden variety“ bezeichneten Kreativität auf der einen Seite zu einer als „historically significant“ (ebd., S. 361) beschriebenen Kreativität an dem anderen Ende reicht. Boden (1994, S. 76 f.) spricht von einer psychologischen in Abgrenzung zur historischen Kreativität. Die psychologische Kreativität bezeichnet das wertvolle Neue für den einzelnen Menschen. Das wertvolle Neue der historischen Kreativität ist neu für alle Menschen (vgl. auch Dresler 2008, S. 12). Das Kontinuum zwischen historisch bedeutsamer Kreativität auf der einen Seite und der ‚garden variety‘-Kreativität, d. h. der Allerwelts-Kreativität, auf der anderen Seite, lässt sich über das Ende der Allerwelts-Kreativität hinaus gedanklich erweitern bis zu jenem Punkt, an dem die Leistung nicht mehr als kreativ, sondern nur noch als gewöhnlich wahrgenommen wird. In diesem Sinne definieren Lubart und Mouchiroud (2003) Kreativität als Problemlösung über eine Unterscheidung zwischen „canned“ und „creative problem solving“ (ebd., S. 142), d. h. zwischen Problemlösungskonzepten aus der Konserve und kreativer Problemlösung. Kreativität kann demnach als eine spezifische Form der Problemlösung beschrieben werden. Sie schließt jedoch nicht jegliche Problemlösung ein. Lubart und Mouchiroud (2003) gehen von einem Kontinuum zwischen diesen beiden Extrema aus. Ähnlich stellt auch Amabile für die Differenzierung kreativer und gewöhnlicher Leistung fest, „that the distinction between the two types of performance is not a sharp one“ (Amabile 1983, S. 372). Die Beschreibung dieses Kontinuums ist äquivalent zu ihrer oben benannten Abstufung von Kreativität zwischen Allerwelts-Kreativität auf der einen und historisch bedeutender Kreativität auf der anderen Seite. Streng genommen bildet diese Differenzierung zwischen gewöhnlicher und kreativer Leistung ein eigenes Kontinuum, da die kreative in Abgrenzung zur gewöhnlichen Leistung erst einmal nicht qualitativ als alltäglich oder historisch bedeutend bewertet wird. Laut Sawyer (2006, S. 29) betrachte die Kreativitätsforschung jedoch grundsätzlich nur Formen des großen K, weil die Idee des kleinen K zu schwammig und
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 4.2 Differenzierungen von Kreativitätsebenen in ihrer Relation zueinander
konzeptuell nicht greifbar, weil kaum von nicht-kreativem Handeln unterscheidbar sei. Auch Westmeyer (2009) problematisiert die Unterscheidung von großem und kleinem K, indem er letzteres mit einer Eigenschafts-Kreativität gleichsetzt, die angesichts der mittlerweile allgemein angenommen sozialen Verankerung von Kreativität als inadäquat erscheint. Tatsächlich ist die Gleichsetzung von kleinem K und Eigenschafts-Kreativität keineswegs zwangsläufig – auch das kleine K wird als sozial kontextualisiert wahrgenommen (vgl. Dresler 2008, S. 12; vgl. auch Kaufman und Baer 2004, S. 6), wenngleich eine assoziative Kopplung des kleinen K an die Psychologie der Einzelperson erhalten bleibt (vgl. Boden 1994, S. 76). Angemessen ist wohl davon auszugehen, dass die Kreativitätsforschung ihren Fokus auf jene verschiedene Kreativitäten setzt, die auf dem Kreativitätskontinuum in der Tendenz hin zum großen K reichen. Schließlich sind die Referenzpunkte für die Bewertung kreativer Leistungen, wie eingangs erwähnt,
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
143
sehr heterogen und reichen von Mal- und Bastelaufgaben (vgl. Amabile 1979) bis hin zur Analyse von Leistungen bedeutender Wissenschaftler*innen und Künstler*innen der (Zeit-)Geschichte (vgl. z. B. Gardner 1993; 1997). Zugleich ist die Betrachtung von Kreativität auf Ebene individueller Eigenschaften und psychologischer Prädispositionen verkürzt, insbesondere dann, wenn Kreativität als domänenspezifisch gefasst wird und daher nie unabhängig von einer Domäne als Bezugsgröße bestehen kann (vgl. Westmeyer 2009, S. 22). Eine Differenzierung, die diese unterschiedlichen Qualitäten über zwei Ebenen abbildet, liefert Maslow (1973), der zwischen einer primären, einer sekundären und einer integrierten Kreativität unterscheidet. Joas (1992) greift diese Differenzierung zur Spezifizierung seines Kreativitätsbegriffs auf. Primäre Kreativität ist verankert in und resultiert aus kognitiven „Primärprozesse[n]“ (Maslow 1973, S. 147). Diese Primärprozesse bezeichnen Prozesse „der Phantasie und Vorstellungskraft, des Spielerischen und Enthusiastischen“ (Joas 1992, S. 372). In der Betrachtung von Maslows Differenzierung muss bedacht werden, dass er eindeutig einem persönlichkeitszentrierten Ansatz von Kreativität folgt. Er versteht Kreativität grundsätzlich als „das allgemeine Erbgut jedes Menschen“ (Maslow 1973, S. 141). Er spricht von einer Selbstverwirklichungs-Kreativität in Abgrenzung zur „Kreativität des besonderen Talents“ (vgl. ebd., S. 143). Das Konzept primärer Kreativität koppelt er eng an diese Selbstverwirklichungs-Kreativität. Hier geht es um Inspiration und Imagination. In einer Vorstellung von Kreativität als sozialem Konstrukt, wie sie diese Arbeit annimmt, ist primäre Kreativität folglich weniger eine eigene Kreativitätsform denn eine wichtige Komponente. Über einen Moment der Wirklichkeitserprobung bildet sich aus der primären die sekundäre Kreativität. Letztere beschreibt die „Produktion von Neuem in der Welt, seien dies technische oder wissenschaftliche, auch viele künstlerische und alltagspraktische Problemlösungen“ (Joas 1992, S. 372). Die Integration primärer und sekundärer Kreativität mündet potenziell im dritten Typus, der integrierten Kreativität (vgl. ebd., S. 373). „Aus dieser Kreativität entstehen die großen Werke der Kunst, Philosophie und Wissenschaft.“ (Maslow 1973, S. 149) Da Maslow die sekundäre Kreativität auch in Abgrenzung zur integrierten Kreativität spezifiziert als eine, bei der es sich im Wesentlichen handele „um die Konsolidierung und Entwicklung von Ideen anderer Menschen“ (ebd., Herv. d. Verf.), lässt sich seine Differenzierung von sekundärer und integrierter Kreativität äquivalent setzen zur Unterscheidung von Kreativitätsformen, die Ghiselin (1963) vorgenommen hat. Er unterscheidet zwischen absoluter Originalität als Typus höchster kreativer Leistung und einer Erweiterung des Bestehenden als nachgeordneter Form. Nicht als Kreativität, sondern als Einfallsreichtum („resourcefulness“) bezeichnet er die Anwendung von Bekanntem, auch in einem neuen
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Kontext. Die beiden Kreativitätsformen ließen sich als radikale in Abgrenzung zu einer inkrementalen Kreativität bezeichnen (vgl. Gilson et al. 2012). Diese zwei Grundformen entsprechen einer verbreiteten Differenzierung von Innovationsgraden, was angesichts der engen Assoziation der beiden Begriffe Kreativität und Innovation (vgl. Abschnitt 4.3.2) wenig überrascht. Pardo (2010) greift die Unterscheidung dieser beiden Kreativitätsformen implizit auf, wenn er für die Filmproduktion zwischen Kreierendem und Kreativem und damit zwischen Kreation und Kreativität unterscheidet. Über diese Unterscheidung möchte er die mit kreativer Leistung assoziierten Handlungsrollen im Filmproduktionsprozess unterscheiden. Kreierende (z. B. Autor*innen, Regisseur*innen oder auch Komponist*innen) sind demnach jene, die aus dem Nichts etwas gestalten – „creation ex nihilo“ (ebd., S. 15, Herv. i. O.). Kreative (z. B. Producer*innen, aber auch Kameraleute oder Cutter*innen) sind diejenigen, die in einem Moment sekundärer Kreation das Geschaffene nutzen, anwenden, weiterverarbeiten, transformieren (vgl. ebd., S. 15 f.). Diese Unterscheidung erscheint aufgrund ihrer breiten Konzeption als wertvolle analytische Differenzierung für die Betrachtung der Fernsehunterhaltungsproduktion in dieser Arbeit. Grundsätzlich ist es schwierig, eine klare Schablone von Kreativitätsebenen für eine Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion zu adaptieren. Dennoch ist die Differenzierung zweier Haupttypen bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer graduellen Differenz – verschiedene Kreativitäten unterscheiden sich nicht absolut, sondern graduell – für eine Spezifizierung des Kreativitätsbegriffs sinnvoll.
4.1.4
Kreativität und Kultur
Die Unterscheidung von Kreativitätsebenen (vgl. Abschnitt 4.1.3) ist nicht äquivalent zur Unterscheidung von Kreativitätsträgern (vgl. Abschnitt 4.1.1) zu sehen, sondern liegt quer dazu. Einer einzelnen Person kann gleichermaßen eine alltägliche wie auch eine historisch signifikante kreative Leistung zugeordnet worden. Das gleiche gilt prinzipiell auch für Produkte, Prozesse wie auch kreative Situationen bzw. Umgebungskonfigurationen. Die als historisch qualifizierte Kreativität, die einer Person oder Personengruppe zugeordnet wird, ist der Anknüpfungspunkt für die Definition von Kreativität als Veränderung von Kultur. Csikszentmihalyi (1996, S. 8) rückt den Träger „Mensch“ in den Fokus, wenn er die Kreativitätsdefinition mit dem Kulturbegriff verknüpft. Die Erforschung der Kreativität entlang spezifischer Persönlichkeiten darf dabei nicht als Kreativitätsforschung, die einem nicht mehr gültigen Eigenschaftsansatz (Stichwort: kreatives Genie, vgl. Abschnitt 4.1.1) folgt, missinterpretiert werden. Ganz im Gegenteil ist die
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
145
personenbezogene Kreativitätsforschung, wie Csikszentmihalyi sie betreibt, eine Erforschung sozialer Kontexte und Faktoren (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 4 f.). Seine Erkenntnisse dazu, wie voraussetzungsvoll Kreativität ist, sind eine klare Abkehr vom Mythos des kreativen Genies, welches durch göttliche Eingebung plötzlich in der Lage ist, zu kreieren, hin zur Berücksichtigung der Arbeit und Anstrengung, die hinter kreativen Leistungen steckt (vgl. Csikszentmihalyi 1996, S. 1; siehe auch Bilton 2007, S. 14; Brodbeck 2008, S. 20; Glück et al. 2002, S. 64; Sawyer 2006, S. 54). Csikszentmihalyi konzeptualisiert Kreativität als Kulturveränderung über ein Systemmodell, das die Beziehung dreier analytischer Elemente zueinander beschreibt: Kreativität ergibt sich demnach aus der Wechselwirkung zwischen einem Individuum (oder einer Gruppe von Individuen), einem Feld und einer kulturellen Domäne (vgl. Abbildung 4.3). Das Individuum (bzw. die Gruppe) steht nicht im Zentrum des Modells, sondern wirkt als gleichberechtigte Komponente. Kreativität ist kein individuelles, sondern vielmehr ein ‚systemisches‘ Phänomen (vgl. Csikszentmihalyi 1996, S. 23): „[…] creativity does not happen inside people’s heads, but in the interaction between a person’s thoughts and a sociocultural context.“ (Ebd.) Dieser Kontext gliedert sich in zwei Subsysteme: die Domäne als einer Unterkategorie der Kultur und das Feld als einer Unterkategorie der Gesellschaft. Kreativität findet statt, wenn ein Individuum (oder eine Gruppe) eine ‚symbolische Domäne‘ verändert: „New songs, new ideas, new machines are what creativity is about.“ (Ebd., S. 8) Genauer gesagt bezieht sich die Veränderung nicht oder nicht unbedingt auf die Gesamtdomäne, sondern auf ihre Grundbausteine, die so genannten Memes (vgl. auch Hooker et al. 2003, S. 230; auch Hennessey 2003, S. 192, mit Verweis auf Dawkins 1976). „The analogy to genes in the evolution of culture are memes, or units of information that we must learn if culture is to continue. Languages, numbers, theories, songs, recipes, laws, and values are all memes that we pass on to our children so that they will be remembered. It is these memes that a creative person changes […].“ (Csikszentmihalyi 1996, S. 7, Herv. d. Verf.)
Die Memes sind Träger von ‚Handlungsanweisungen‘ (vgl. Hooker et al. 2003, S. 230). Sie sind Ausgangspunkt kreativer Leistung, weil sich eine Neuerung immer auch auf das bereits Bestehende beziehen muss (vgl. ebd., S. 229). Kultur gibt die Symbolsysteme vor, aus denen Kreativität entsteht (vgl. Hennessey 2003, S. 192). Die Veränderung einer Domäne über ihre Memes wird aber nur dann wirksam, wenn das dritte Element des Kreativitätssystems, das Feld, diese Veränderung anerkennt. Vereinfacht gesagt: „[I]f enough of the right people see the
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
change as an improvement, it will become part of the culture.“ (Csikszentmihalyi 1996, S. 7) Die ‚richtigen Leute‘ sind jene, die das Feld im Kern ausmachen. Allgemein gesprochen handelt es sich um die ‚Gatekeeper‘ oder auch die „social organization of the domain“ (Hooker et al. 2003, S. 230). Beispielhaft beschreibt Csikszentmihalyi für das Feld der Kinematographie, dass sich dieses aus Produzent*innen, Investor*innen, Regisseur*innen, Kritiker*innen, Autor*innen, Branchenverbänden etc. zusammensetzt: „These are the people who can decide whether a new film or a new cutting technique is or is not worth including into the domain of cinematography.“ (Csikszentmihalyi 1995) Das Feld verkörpert die Autorität zur Selektion wertvoller Neuerungen (vgl. Kerrigan und McIntyre 2010, S. 121). Die herbeigebrachte Veränderung eines domänenzugehörigen Memes muss bedeutsam sein – und diese Bedeutsamkeit resultiert aus der Anerkennung durch das Feld, aus einer sozialen Bewertung (vgl. Hooker et al. 2003, S. 228). Kreativität ist folglich eine Art kultureller Evolution (vgl. ebd., S. 230). Mit dem Moment der Akzeptanz und Anerkennung wird die Neuerung Teil des bestehenden Domänenrepertoires und damit Bezugspunkt für mögliche weitere Neuerungen. Die Möglichkeit zur Veränderung einer Domäne hängt wesentlich davon ab, wie zugänglich das Feld ist und wie stark ihre Memes strukturiert und vor allem kodifiziert sind (vgl. Csikszentmihalyi 1995). Starre Strukturen und etablierte Codes reagieren stärker auf Veränderungen. Eine neue Formel erschüttere die konsensbasierte Physik stärker als ein neuer Ansatz in der tendenziell heterogenen Psychologie (vgl. ebd.). Die Bewertung einer bestimmten Leistung und ihre Anerkennung als wertvolle Veränderungen einer Domäne durch das Feld erfolgt stets zu einem spezifischen Zeitpunkt. Das Verständnis von Kreativität ist abhängig vom aktuell herrschenden Geschmack und Kunstverständnis. Denkbar ist, dass eine (populär-)kulturelle Leistung zum Zeitpunkt ihres Entstehens als unbedeutend und damit unkreativ erachtet und erst später als bedeutsame, kreative Arbeit hervorgehoben wird (vgl. Newcomb und Alley 1983, S. 34). Schließlich ist die Domäne selbst ein dynamisches Konstrukt, das einer beständigen Veränderung unterliegt (vgl. Kahl 2009, S. 34). Westmeyer (2001; 2009), der ähnlich wie Csikszentmihalyi ein systematisches Konzept von Kreativität skizziert (vgl. auch Spiel 2003, S. 132), das er selbst als relationale Sichtweise beschreibt, hebt in seinem Konzept daher auch den Zeitbezug hervor. Im Fokus steht nicht der Zeitpunkt der Leistungserstellung, sondern der Zeitpunkt der Bewertung dieser Leistung als kreativ (vgl. Westmeyer 2001, S. 239). Gleichsam wie in Csikszentmihalyis Systemmodell ist etwas kreativ qua Bewertung (vgl. ebd., S. 235). Dies entspricht der konsensualen Definition von Kreativität, wie Amabile (1982) sie gesetzt hat (vgl. Abschnitt 4.1.2). Bezüglich des Feldes und der Domäne hebt Westmeyer die Inhomogenität dieser
4.1 Was ist Kreativität? Begriffsverständnis und Bezugsgrößen
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Quelle: basierend auf Csikszentmihalyi 1999, S. 315
Abbildung 4.3 Systemmodell der Kreativität
Subsysteme hervor. Ein Feld bestehe aus Subgruppen, die potenziell miteinander konkurrieren, und zugleich kontrollierten diese Subgruppen unterschiedliche Teilbereiche der Domäne (vgl. Westmeyer 2001, S. 237). Die Konsequenz daraus sei, dass man davon ausgehen müsse, dass die Bewertung eines Produkts als kreativ in einem Feld uneinheitlich erfolgen könne (vgl. ebd.). Für eine Kreativitätsanalyse, die sich der Logik einer konsensualen Definition von Kreativität über das Feld anschließt, ist diese Einsicht zunächst unbefriedigend. Letztlich erkennt sie jedoch die Variabilität und Dynamik eines Feldes an, die ja bereits in einer praxistheoretischen Sichtweise auf dieses eingeschrieben ist (vgl. Kapitel 2). Des Weiteren erlaubt es die Praxistheorie, Praxisfelder auf unterschiedlichen Ebenen zu fassen – auf Ebene einer ganzen Branche, einer spezifischen Produktionstradition oder eines Unternehmens. Letztlich ist es wichtig, für eine feldabhängige Kreativitätsdefinition transparent darzustellen, wer genau das bewertende Feld konstituiert. Grundsätzlich müssen in einer Betrachtung des Verhältnisses von Kreativität und Kultur noch zwei weitere Facetten dieser Beziehung erwähnt werden: Zum einen ist das Kreativitätsverständnis grundsätzlich kulturell eingefärbt (vgl. Hennessey 2003, S. 193). Der Kreativitätsbegriff, wie er in der vorliegenden Arbeit beschrieben und über vielfältige Forschungsarbeiten spezifiziert wird, ist ein westlicher Kreativitätsbegriff. Selbstkritisch reflektierend muss die Forscherin feststellen, dass die Struktur der Forschungsstand-Aufarbeitung diese Sichtweise
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
widerspiegelt. Die westliche Sichtweise definiert Kreativität als „product-oriented, originality-based phenomenon“ (Lubart 1999, S. 347) und ist abzugrenzen von einer (fern)östlichen Sichtweise, welche Kreativität beschreibt „as a phenomenon of expressing an inner truth in a new way or of self-growth“ (ebd). Hier treten „emotional, personal, and intrapsychic elements“ (Sawyer 2006, S. 342) von Kreativität in den Fokus. Die kulturellen Unterschiede in Kreativitätsdefinitionen spiegeln sich bereits in der Sprache. Hennessey (2003, S. 194 ff.) stand beispielsweise für eine Vergleichsstudie von saudiarabischen und US-amerikanischen Kindern vor dem Problem, dass sie den Kreativitätsbegriff nicht adäquat ins Arabische übersetzen konnte. Mögliche Deutungsunterschiede durch Sprache lassen sich bereits erahnen, wenn man die deutschen und englischen Begriffe „kreativ“ und „creative“, „kreieren“ und „create“ einander gegenüberstellt. Die andere Facette der Beziehung von Kreativität und Kultur liegt in der Assoziation kreativer Leistung mit Kultur in einem engeren Sinne, mit Leistungen im Bereich der Kunst und Hochkultur. In allgemeinen Kreativitätsdefinitionen herrscht ein ‚art bias‘ (vgl. Gl˘aveanu 2014). Kreativität wird mitunter gleichgesetzt mit dem, was Künstler*innen tun (vgl. Gottschalk 2006, S. 62). Diese Neigung drückt sich nicht nur in Konzepten der Kultur- und Kreativwirtschaft aus, die als solche über Kreativität bzw. einen kreativen Akt definiert werden (vgl. Abschnitt 4.3.1). Sie steckt implizit auch in Differenzierung von Kreativitätsarten entlang unterschiedlicher thematischer Domänen. Supranationale Konzepte zur Kultur- und Kreativwirtschaft, wie sie die Europäische Kommission – entwickelt durch das Beratungsunternehmen KEA European Affairs (2006, S. 42) – oder auch die UNDP und UNCTAD (2010, S. 3) vorlegen, differenzieren mit einer kulturellen (cultural creativity), unternehmerischen (entrepreneurial creativity), technologischen (technological creativity) und wissenschaftlichen Kreativität (scientific creativity) vier Formen von Kreativität. Von Rimscha und Przybylski (2012, S. 88) verweisen auf eine analytische Differenzierung kultureller, unternehmerischer und technischer Kreativität. Die wissenschaftliche Kreativität lässt sich mitunter nur schwer von der kulturellen Kreativität abgrenzen, sofern letztere nicht auf Kunst reduziert werden soll. Sie lässt sich folglich zwischen einer kulturellen und technologischen bzw. technischen Kreativität, welche einen problemorientierten Lösungs- und den Erfindungsprozess betont (vgl. ebd., S. 88 f.), ansiedeln. Das Konzept technischer Kreativität muss dabei an den Rand einer Kreativitätskonzeption gerückt werden, da Amabile (1982, S. 1004) zeigen konnte, dass technische Güte – operationalisiert u. a. über die Ordentlichkeit und Organisiertheit einer Leistung – und Kreativität unterschiedlichen, trennscharfen Dimensionen zuzuordnen sind, wenngleich technische Güte und Kreativität in Expert*innenbewertungen durchaus korrelieren (vgl. Amabile 1979, S. 227). Eine
4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet …
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entrepreneurial creativity setzt ihren Fokus auf Innovationen (vgl. Holm-Hadulla 2014, S. 7; KEA European Affairs 2006, S. 41) und ist damit in der Tendenz breiter als die cultural creativity, weil sie sich allgemein auf die Konzeption „of new combinations of hitherto independent elements“ (Dayan et al. 2013, S. 225) in Managemententscheidungen (vgl. Ford und Gioia 2000, S. 714 f.) und diversen betriebswirtschaftlichen Kontexten beziehen kann. Spezifischer wird sie vorrangig Personen zugeordnet, die sich durch Unternehmertum im Schumpeter’schen Sinne auszeichnen (vgl. Abschnitt 4.3.2). Die differenzierten Kreativitätsformen sind im Sinne der vorliegenden Arbeit rein analytische Differenzierung, weil sie sich je nach Gegenstand überlappen können. Vor diesem Hintergrund erscheint für diese Arbeit insbesondere das Konzept kultureller Kreativität, das den Prozess der Symbolkombination zu neuen Formen erfasst und damit beschreibt, worum es in der Medienproduktion im Produkterstellungsprozess im Kern geht, von besonderem Interesse. Die hiesigen Ausführungen knüpfen an die Vorstellung an, dass Kreativität und, spezifischer gesprochen, kulturelle Kreativität „refer[s] to issues of great importance concerning the potential value of culture in people’s lives“ (Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 2). Gerade die praxistheoretische Denkweise schließt gut an diese Idee der Verknüpfung von Kreativität und Kultur an, weil sie es ermöglicht, Kultur als Praxis zu fassen und damit als etwas, das sich in kreativer Praxis ausdrückt.
4.2
Komponenten & Determinanten: Was begründet und was beeinflusst Kreativität?
Große Teile der Kreativitätsforschung befassen sich mit der Frage, wie, wann und woraus sich Kreativität ergibt. Bereits eine Beschreibung jener Komponenten, die Kreativität konstituieren (vgl. Abschnitt 4.1.1), ist weniger eine Beschreibung dessen, was Kreativität selbst ist, als der Einflussfaktoren und Quellelemente des Konstrukts Kreativität. Folglich liegt eine große Bandbreite an Ergebnissen zu Komponenten und Determinanten sowie Quellen von Kreativität vor. Problematisch ist dabei grundsätzlich, dass mit der Ermittlung von Einflussquellen auf Kreativität eine Definition letzterer zuweilen nur unzulänglich oder gar nicht erfolgt. Nichtsdestotrotz können anhand der Ergebnisse empirischer und theoretischer Forschung eine Vielzahl von Faktoren beschrieben werden, die Kreativität auf der Mikroebene der Individuen, der Mesoebene der Organisationen sowie der Makroebene des Markts und der Gesellschaft beeinflussen bzw. bedingen können. Tatsächlich wird kreative Leistung als soziales Konstrukt moderiert durch eine Vielzahl von Variablen der Umgebung und Person (vgl. z. B. Förster und
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Friedmann 2003, S. 149; Kerrigan und McIntyre 2010, S. 113; Lubart 1999, S. 339). Wie für die Kreativitätsdefinitionen und -konzepte, die oben beschrieben wurden, gilt dabei, dass diese Variablen keine festgelegten Charakteristika der Einheit Kreativität darstellen. Vielmehr spiegeln sie, welche Einflüsse und welche Quellen Kreativität in bestimmten Kontexten bestimmen und stützen können (vgl. Klausen 2010, S. 358). Aus dem „Sachverhalt, daß [sic!] man Kreativität nicht wollen und ihre Entstehung nicht planen kann“ (Gumbrecht 1988, S. 11) ergibt sich dabei die Einsicht, dass die dargestellten Determinanten kreativer Leistung lediglich als Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für Kreativität erhöhen können, zu verstehen sind. Kreativität ist nicht objektivierbar (vgl. Abschnitt 4.1.2) und feldspezifisch (vgl. Abschnitte 4.1.1 und 4.1.4). Erkenntnisse aus der Literatur zu Komponenten und Determinanten von Kreativität liefern daher immer nur Hinweise auf potenzielle Einflussquellen, weil sie streng genommen nur für das jeweils untersuchte Feld gelten. Dies gilt umso mehr, da die Ermittlung von kreativitätsfördernden und -hemmenden Elementen häufig an unterschiedliche Definitionen von Kreativität gekoppelt ist. Dort, wo Studienautor*innen selbst die Kreativitätsdefinition ihrer Quellen nicht nachzeichnen, wird es schwierig, Inhalte noch verlässlich entlang der jeweils genutzten Kreativitätsdefinition zu ordnen. Auch die meisten Metaanalysen zu Einflussfaktoren auf Kreativität zeichnen die jeweiligen Definitionen nicht nach (vgl. z. B. Andriopoulos 2001; Damanpour 1991). Die Aggregation von Ergebnissen ist jedoch nicht als uneingeschränkt negativ zu betrachten. Wenngleich eine Verallgemeinerung ermittelter Einflussfaktoren fragwürdig ist (vgl. Klausen 2010, S. 358), zeigt Damanpour (1991, S. 582) beispielsweise, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Studien zum Einfluss verschiedener Faktoren auf Innovation in Unternehmen weitgehend stabil sind. Dass eine Aggregation von Ergebnissen legitim sein kann, verdeutlicht auch Feist (1998), wenn er aus seiner Metaanalyse von Studien zu Persönlichkeitseigenschaften kreativer Menschen folgert, dass diese ein konsistentes und klares Portrait kreativer Personen liefern „regardless of which measure or taxonomy was used to assess personality or creativity“ (ebd., S. 299). Im Folgenden sollen die in einer Vielzahl von Studien ermittelten Einflussfaktoren auf Kreativität nicht en detail aufgelistet und referiert werden. Eine recht aktuelle und detailliert auch nach Analyseebene der zusammengefassten Studien aufgeschlüsselte Übersicht über Einflussfaktoren liefern beispielsweise Anderson et al. (2014). Die folgenden zwei Subkapitel zeichnen vielmehr wesentliche globale Dimensionen von Einflussfaktoren nach und bieten beispielhafte Aufschlüsselungen. Ziel ist es, analytische Systematisierungen vorzustellen, die zentrale kreativitätsbedingende Faktoren im Überblick skizzieren.
4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet …
4.2.1
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Mikroebene: Charakteristika kreativer Personen & die Rolle intrinsischer Motivation
Eine systematische Darstellung jener Faktoren, die Kreativität auf Ebene der einzelnen Person beeinflussen, liefert Amabile (1983) mit ihrem Komponentenmodell der Kreativität. Das Modell skizziert drei Elemente, die in Kopplung aneinander Kreativität ermöglichen: (1) domänenrelevante Fertigkeiten (domainrelevant skills), (2) kreativitätsrelevante Fertigkeiten (creativity-relevant skills, „later renamed ‚creativity-relevant processes‘“ (Amabile und Pillemer 2012, S. 10)) und die (3) Aufgabenmotivation (task motivation) (vgl. Amabile 1983, S. 362 f.). Das Zusammenfließen dieser drei Elemente konstituiert eine „creativity intersection“ (Amabile 1997, S. 42, vgl. auch Hennessey 2003, S. 182). Wichtige Säule kreativer Leistung sind domänenrelevante Fertigkeiten. Gemeint sind damit „factual knowledge of the domain in question“ (Amabile 1983, S. 363). Dieses Wissen schließt Fakten, Prinzipien und Paradigmen der Domäne ein, ebenso wie das Wissen um spezifische Meinungen und zentrale Talente, aber auch technische Fertigkeiten sowie Fähigkeiten, die von Vorteil in einer spezifischen Domäne sein können (vgl. ebd.; Amabile 1997, S. 42). Ein Beispiel dafür ist „[…] a composer’s ability to hear in imagination all the instruments playing together“ (Amabile 1983, S. 363). Diese Komponente bezeichnet Amabile daher in späteren Publikationen auch als Expertise (vgl. z. B. Amabile 1997, S. 42; 1998, S. 87). Das spezifische Wissen um die Mechanismen, Techniken, Prinzipien, Routinen und Normen einer Domäne sind zentraler Baustein kreativer Leistung (vgl. auch Berglez 2011, S. 459; Mumford et al. 2002, S. 710; Negus und Pickering 2004, S. 17; Stamm 2003, S. 2). Dies wird auch in Rückbezug auf das Systemmodell von Csikszentmihalyi (vgl. Abschnitt 4.1.4) deutlich: Eine Modifikation von Memes einer Domäne setzt ihre Kenntnis voraus. Regelbruch ist nicht möglich, ohne die Regeln zu kennen (vgl. Csikszentmihalyi 1995). Kreativität im Sinne eines großen K als weitreichende, kulturelle Leistung braucht daher auch Zeit. Mehrere Autor*innen (vgl. Hooker et al. 2003, S. 229; Kaufman und Baer 2004, S. 5; Sternberg et al. 1997, S. 16) verweisen hier auf eine ZehnJahres-Regel, welche nach Gardner (1993) besagt, dass „significant innovations or reorientations occur[…] at approximate decade-long intervals after an initial decade in which the skills of one’s trade have been mastered“ (ebd., S. 214). Gardner sieht diese Regel durch seine Beispiele Albert Einstein, Sigmund Freud, Pablo Picasso u. a. bestätigt, die nach zehn Jahren Tätigkeit in ihrer Domäne den Durchbruch (z. B. Einstein mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie) erreicht hätten (vgl. ebd., S. 371). Kaufman und Baer (2004) stellen dabei sogar fest, dass
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
„this [die zehn Jahre, Anm. d. Verf.] is just the time needed to prepare oneself for the kind of paradigm-shifting creative work that may one day come to be acknowledged as the work of genius. The actual creative work follows this 10-year (or longer) period of practice and study, making the time required for such creative performance even longer“ (ebd., S. 5).
Kreative müssen sich Kreativität folglich langwierig erarbeiten. Kreativität ist in diesem Sinne auch harte Arbeit (vgl. z. B. Sawyer 2006, S. 53). Zu dieser Sichtweise passen die – wie er selbst sagt – ‚polemischen‘ Ausführungen Langenbucher (2008, S. 392) zu erstklassigen Journalist*innen, die sich mit ihrer Arbeit über den ‚alltäglichen‘ Journalismus hinaus einer ‚originären Kulturleistung‘ verdient gemacht haben. Seine Ausführungen verdeutlichen, dass der Ausbruch aus der Routine (die er offenbar mit Kreativität assoziiert), erst nach einer langen Tätigkeit im Feld möglich ist, wenn sich auch die (hierarchische) Position verbessert hat: „[…] [B]evor man es darin [im Journalismus, Anm. d. Verf.] zu einer wirklichen Meisterschaft bringt, steht die professionelle Ochsentour.“ (Ebd.) Zu den kreativitätsspezifischen Fertigkeiten, die Amabile aus psychologischen Forschungsergebnissen extrahiert (vgl. Amabile 1983, S. 362 ff.; siehe für einen Überblick Küng 2008b, S. 150), gehören spezifische Denkweisen: Erweiterung des Wahrnehmungsfeldes, Überwinden bekannter Denkpfade, Vermeidung vorschneller Urteile und Antworten, Nutzung weiter Kategorien sowie eine genaue Erinnerungsgabe und der Ausbruch aus vorgegebenen Leistungsmustern. Außerdem gehören dazu bestimmte Heuristiken, die die Entwicklung neuer Ideen erlauben und spezifische Persönlichkeitseigenschaften, z. B. Unabhängigkeit, das Aushalten von Frustration oder Nonkonformität im Denken. Amabiles Erkenntnisse basieren auf Erhebungen, die Kreativität konsensual definieren (vgl. Abschnitt 4.1.2). Argumentativ anschlussfähig, weil einer domänenspezifischen Kreativitätskonzeption und zumindest implizit einer konsensualen Definition folgend, sind die Erkenntnisse von Csikszentmihalyi. Er beschreibt Eigenschaften von Persönlichkeiten, die historisch signifikant kreative, weil kulturverändernde Leistungen erbracht haben, als Eigenschaften kreativer Persönlichkeiten. Zu diesen Eigenschaften gehört unter anderem neben einem hohen Maß an Energie und einer komplexen Persönlichkeit auch eine Kopplung gegensätzlicher Eigenschaften: Kreative Menschen sind demnach offen, experimentierfreudig, verspielt und zugleich – wenn notwendig – sehr diszipliniert und fokussiert; sie sind extrovertiert und introvertiert, kooperativ und kompetitiv (vgl. Csikszentmihalyi 1995). Darin spiegelt sich auch ein paradoxaler Charakter der Kreativität (vgl. Abschnitt 4.4).
4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet …
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Amabile (1983, S. 364 f.) argumentiert, dass kreativitätsrelevante Fertigkeiten bzw. Prozesse durch Lehre, Training und Erfahrung verfestigt bzw. erweitert werden können. Dieses Training muss auf die Domäne abgestimmt sein (vgl. Lubart & Guignard 2004, S. 51). Als aktuelle Ergänzung kreativitätsrelevanter Prozesse verweisen Amabile und Pillemer (2012, S. 11) auf Erkenntnisse von Amabile und Kolleg*innen zur Bedeutung von Emotionen für Kreativität (vgl. Amabile et al. 2005). In dieser Studie haben die Forscher*innen eine lineare Beziehung zwischen positiven Emotionen (affect) und Kreativität ermitteln können (vgl. ebd., S. 391; vgl. auch St-Louis und Vallerand 2015). Der Zusammenhang sei zyklisch: positive Gefühle führen zu Kreativität und Kreativität zu positiven Gefühlen (vgl. Amabile et al. 2005, S. 392 ff.). Amabile (1983, S. 363) weist darauf hin, dass nicht alle aus der Literatur extrahierten Eigenschaften und Fähigkeiten, die als kreativitäts- oder domänenrelevante Fertigkeiten gelten, zugleich zutreffen müssen. Dennoch müssen alle drei Komponenten in irgendeiner Form bestehen. Damit wird eine verkürzte Synonymisierung von Kreativität mit Persönlichkeitseigenschaften zurückgewiesen. Das Komponentenmodell bestätigt, dass eine Beschränkung auf Persönlichkeitseigenschaften nicht ausreiche: „[…] [R]esearchers might more profitably view creativity as a process (evidenced by products) that can be influenced by both internal and external factors – by cognitive skills, work habits, and social-environmental variables – as well as by personality dispositions.“ (Ebd., S. 373)
Zugleich bleiben Erkenntnisse zu Persönlichkeitseigenschaften, die Kreativität beeinflussen, relevant, weil sie zumindest potenziell wirkende Eigenschaften und Fähigkeiten skizzieren. Wenn auch alle drei Komponenten notwendig sind, um kreative Leistung zu ermöglichen, so sticht doch eine der Komponenten als zentrales Element kreativer Handlung und Leistung heraus: Die Aufgabenmotivation (task motivation) ist „the most important determinant of the difference between what a person can do and what he or she will do“ (Amabile 1983, S. 366). Das Können einer Person werde durch die kreativitäts- und domänenrelevanten Fertigkeiten bestimmt; die faktische Umsetzung dieses Könnens wiederum basiere auf den Fertigkeiten und der Aufgabenmotivation (vgl. ebd.). Letztere bestehe aus grundsätzlich bestehendem Interesse an und einer Präferenz für eine Aufgabenstellung sowie der – selbst wahrgenommenen – Motivation, sich mit dieser Aufgabe auseinanderzusetzen (vgl. ebd.). „Creative problem-solving abilities are useless, if one lacks the desire to solve the problem.“ (Lubart und Mouchiroud 2003, S. 133). Motivation ist jedoch nicht gleich Motivation. Entscheidend ist die Unterscheidung
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Während letztere (An)-Reize von außen meint, „e.g., the promise of rewards or praise, or the threat of failing to meet a deadline or receiving a negative evaluation“ (Amabile und Pillemer 2012, S. 7), steht erstere für den inneren Antrieb: „A person is said to be intrinsically motivated to engage in an activity if such engagement is viewed as an end in itself and not as a means to some extrinsic goal.“ (Amabile 1983, S. 366) Aus diesem Grund setzt Küng (2008b, S. 151) die intrinsische Motivation mit dem von Csikszentmihalyi (1996; 2000) beschriebenen Konzept des ‚Flow‘ gleich (vgl. Küng 2008b, S. 151). Csikszentmihalyi (2000) selbst konzeptioniert das ‚Flow‘-Erlebnis als ein „neues Modell der intrinsischen Motivation“ (ebd., S. 31). Er beschreibt den ‚Flow‘-Zustand als jenen, in dem Handlung und Bewusstsein verschmelzen (vgl. ebd., S. 61), in der sich die „Aufmerksamkeit auf ein beschränktes Stimulusfeld“ (ebd., S. 64) zentriert und der*die Handelnde ‚sich selbst verliert‘, weil er*sie von der Aktivität gefangen ist (vgl. ebd., S. 66). Im ‚Flow‘ zu sein bedeute zudem, dass die Person „ihre Handlungen und die Umwelt unter Kontrolle hat“ (ebd., S. 68 f.) und wie automatisch genau weiß „was ‚gut‘ und was ‚schlecht‘ ist“ (ebd., S. 71). Zuletzt zeichne sich das ‚Flow‘-Erlebnis noch dadurch aus, „daß [sic!] es keine Ziele oder Belohnungen zu benötigen scheint, welche außerhalb seiner selbst liegen“ (ebd., S. 72). In diesem letzten Kriterium des Flow-Erlebnisses zeigt sich seine Nähe zur intrinsischen Motivation. Und aufgrund dieser engen Verbindung zwischen intrinsischer Motivation und ‚Flow‘, wird letzterer auch immer wieder mit Kreativität in Verbindung gebracht (vgl. Csikszentmihalyi 1996; 2000, S. 75). Kreative Tätigkeiten – Csikszentmihalyi nennt dafür beispielhaft künstlerische (Tanz und Komposition) und wissenschaftliche (medizinische Forschung) Tätigkeiten – ermöglichen ein ‚Flow‘-Erleben (vgl. Csikszentmihalyi 2000, S. 59 f.). Kerrigan (2010, S. 11) identifiziert in der Selbstanalyse ihres kreativen Schaffens (als Dokumentarfilmproduzentin) solch einen Flow-Moment. Da ‚Flow‘ immer auch ein positives Erleben bezeichnet, passt diese Erkenntnis auch zu dem oben bereits benannten Zusammenhang von positivem Affekt und Kreativität (vgl. Amabile et al. 2005). Einen statistischen Zusammenhang zwischen Flow und Kreativität haben auch Sosik et al. (1999) für softwarebasierte Gruppenarbeiten ermitteln können: ‚Flow‘ korreliert mit Kreativität – vorausgesetzt in dieser digitalen Arbeitsumgebung ist Anonymität gewährleistet (vgl. ebd., S. 251 f.). Die ermittelte Bedeutung der Anonymität passt zu Erkenntnissen über eine kreativitätsfördernde Umgebung: Anonymität verhindert Scham, wenn eine Idee zurückgewiesen wird und vermittelt der Person daher ein Gefühl von Sicherheit. ‚Psychologische Sicherheit‘, d. h. das Wissen, für Fehlleistungen nicht abgestraft zu werden, motiviert Menschen wiederum dazu, innovativ zu bleiben, auch wenn sie mal scheitern (vgl.
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Amabile und Kramer 2011, S. 107). Die Bedeutung des Sicherheitsgefühls für das Einsetzen des Flow-Zustandes und intrinsische Motivation betont auch Csikszentmihalyi, wenn er Bedingungen für einen ‚Flow‘-Zustand beschreibt. Demnach ist es wichtig, dass eine gestellte Aufgabe auch von der Person zu bewältigen ist: „Flow scheint nur dann aufzutreten, wenn eine Aufgabe im Bereich der Leistungsfähigkeit des Ausführenden liegt.“ (Csikszentmihalyi 2000, S. 62, Herv. i. O.) Zu schwere Aufgaben verursachen Sorge oder sogar Angst. Zugleich erzeugen Aufgabenanforderungen unterhalb des Leistungsniveaus einer Person Langeweile oder – im Extremfall – ebenfalls Angst (vgl. ebd., S. 75). Insgesamt hängen kreative Leistungen davon ab, ob die Anforderungen einer Aufgabe zu den Fähigkeiten der Person passen (vgl. Lubart und Guignard 2004, S. 49). Die intrinsische Motivation ist Dreh- und Angelpunkt von Kreativität – dies zeigen Laborexperimente und Untersuchungen der tatsächlichen Arbeitsumgebung gleichermaßen (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 57). Amabile (1997, S. 46; 1998, S. 79) spricht daher auch von dem „Intrinsic Motivation Principle of Creativity“. Zahlreiche Studien berücksichtigen dieses Prinzip (vgl. z. B. Basadur 2004, S. 120; Bloore 2013, S. 159 f.; Hennessey 2003, S. 183) oder haben es empirisch bestätigt (vgl. de Jesus, Saul Neves et al. 2013; Gilson et al. 2012, S. 181). Das Prinzip unterstreicht nicht nur die Bedeutung der intrinsischen Motivation, sondern verweist zugleich auf die kreativitätshemmenden Effekte extrinsischer Motivation: „In other words, a primarily intrinsic motivation to engage in an activity will enhance creativity, and a primarily extrinsic motivation will undermine it.“ (Amabile 1983, S. 366) Dies erfolgt, wenn die extrinsischen Faktoren den motivationalen Zustand von der intrinsischen in die extrinsische Motivation verschieben (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 7). Bereits in einer Studie von 1979 stellt Amabile den negativen Einfluss von Bewertung (als extrinsischem Reiz) auf die kreative Leistung von College-Studentinnen heraus. Jene Probandinnen, die einer externe Bewertung ihrer Papiercollagen erwarteten, erstellten künstlerische Werke, die von Expert*innen als weniger kreativ bewertet wurden als die Werke jener Studentinnen, die keine Bewertungen erwarteten (vgl. Amabile 1979, S. 221). Bereits hier zeigte sich jedoch eine Ausnahme: Studentinnen, die genaue Anweisungen bekamen, wie eine kreative Collage auszusehen habe, erbrachten trotz erwarteter Bewertung keine weniger kreative Leistungen. In der Begründung dieser Erkenntnis liegt auch ihre Krux: Amabile sieht darin den Beleg, dass der positive Effekt extrinsischer Belohnung auf die kreative Leistung lediglich bei algorithmischen im Gegensatz zu heuristischen Aufgaben zu finden sei. Jedoch wäre das Ergebnis einer algorithmischen Aufgabenstellung der konzeptionellen Definition Amabiles (1983, S. 360) folgend qua definitionem ja gar keine Kreativität (vgl. ebd., S. 371).
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Die Relativität des Effekts extrinsischer Motivation zeigte sich in weiteren Studien: Trotz zahlreicher Belege für die negativen Effekte extrinsischer Motivation (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 55 f.; Deci et al. 1999, S. 653), ist der Effekt nicht absolut (vgl. auch Davis et al. 2011). Amabile (1983, S. 372) verweist daher auf drei Bedingungen, unter denen extrinsische Zwänge Kreativität fördern können: (1) Eine kreative Lösung ist das Ziel und zugleich ist das Individuum in einer Domäne so erfahren, dass es bereits persönliche Lösungsalgorithmen für ein Problem hat. (2) Das Individuum kann die Salienz des extrinsischen Ziels reduzieren. (3) Die hohe intrinsische Motivation eines Individuums überdeckt die extrinsische Motivation. Zudem kommt es auf die Art der extrinsischen Reize an, beispielsweise ob eine Evaluation einen kontrollierenden oder informierenden Charakter hat (vgl. Shalley und Perry-Smith 2001, zitiert in Amabile und Pillemer 2012, S. 7 f.). Außerdem spielt es eine Rolle, in welchem Moment des kreativen Prozesses der extrinsische Reiz erfolgt (vgl. Caniëls et al. 2014, S. 101 f.). Trotz allem bleibt das Postulat der positiven Effekte intrinsischer und der negativen Effekte extrinsischer Motivation in der Forschung erhalten (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 7). Aufgabenmotivation als Komponente kreativer Leistung meint folglich primär und vor allem intrinsische Motivation. Letztlich sind diese Effekte auf Ebene des Individuums Ausgangspunkt für die Identifikation von kreativitätsfördernden wie auch -hemmenden Faktoren auf Meso- und Makrobene (vgl. Abschnitt 4.2.2). Gerade die Motivationsforschung hat nach Sawyer (2006, S. 54) daher wesentlich dazu beigetragen, dass sich ein soziokultureller Kreativitätsansatz durchgesetzt hat. Amabile beschreibt die soziale Umgebung sodann auch als Teil ihrer Komponententheorie: Die soziale Umgebung kann jede der drei intra-individuellen Komponenten beeinflussen, der unmittelbarste Effekt ergebe sich aber immer auf die motivationale Komponente (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 10). Amabile impliziert bereits, dass das Modell auf Ebene des Individuums, aber auch auf Gruppenebene Gültigkeit besitzt (vgl. Amabile 1997, S. 53). Zysno und Bosse (2009) haben diese Idee aufgegriffen, weitergeführt und die drei Komponenten in Gruppen durch unterschiedliche Personen abbilden lassen. Die Autoren wenden sich der bereits zu einem „sozialen Stereotyp[.]“ (ebd., S. 124) gewachsenen Idee, Gruppen seien erfolgreicher/produktiver als Individuen, zu. Sie setzen sich kritisch mit den Ergebnissen zahlreicher Studien zu Brainstorming-Gruppen auseinander, wonach das Leistungsniveau von Gruppen unter den Nominalleistungen verblieben ist (vgl. ebd., S. 125, 127). Zysno und Bosse identifizieren hier eine Forschungslücke: Die mangelnde Leistungsfähigkeit von Gruppen werde mit Produktionsblockierungen, Abbrüchen von Ideenpfaden und Motivationsverlusten erklärt (vgl. ebd., S. 127), jedoch sei „[d]ie Reanimation der ursprünglichen
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Hoffnung […] [dass Gruppen kreativer seien als Individuen, Anm. d. Verf.] nicht absolut aussichtslos“ (ebd., S. 129), da die Möglichkeiten der Gruppengestaltung noch nicht erforscht worden seien. Letzteres nehmen die Autoren in Angriff, indem sie basierend auf Amabiles Komponentenmodell drei Rollen (Ideator, Modulator, Animator = IMA-Rollengefüge) identifizieren, die es hypothetisch in einer Gruppe geben müsste, damit Kreativität entsteht. In ihrem Experiment formen sie Dreiergruppen willkürlich oder basierend auf Rollenselbsteinschätzungen der Probanden (Rollenselektion) und statten die Gruppen mit oder ohne eine explizite Rollenzuweisung aus. Im Ergebnis zeigt sich dann tatsächlich, dass neben der Kommunikationsmodalität (also ob es sich um eine Face-to-Face-, eine Electronic-Brainstorming- oder eine Nominalgruppe handelte) auch der Grad der Implementierung des Drei-Rollen-Konzepts einen Einfluss auf das Ideenvolumen und die Ideendichte hat. Während sich bei den Nominalgruppen stabile Ergebnisse zeigten, reagierten vor allem die Face-to-Face-Gruppen sehr sensibel auf die Rollenselektion und -identifikation: Jene Gruppen, die nicht basierend auf den Rollenselbsteinschätzungen der Gruppenmitglieder zusammengestellt wurden und auch keine explizite Rollenzuweisung erhielten, lieferten das geringste Ideenvolumen. Die nach Selbsteinschätzung selektierten und mit ihren Rollen instruierten Gruppen lieferten das höchste Ideenvolumen. Ähnlich wie Zysno und Bosse (2009) beschreibt auch Basadur (2004, S. 114 f.), dass unterschiedliche Personen unterschiedliche Elemente des kreativen Prozesses verkörpern können und dass über eine Rollenzuordnung, die individuellen Präferenzen folgt und zugleich dafür sorgt, dass alle notwendigen Rollen besetzt werden, Kreativität in Gruppenkontexten gesteigert werden kann. Hargadon und Bechky (2006, S. 494 f.) übertragen das Komponentenmodell von Amabile ebenfalls auf eine kollektive Ebene, indem sie herausstellen, wie die unterschiedlichen Gruppenmitglieder eine große Bandbreite domänenrelevanter Fähigkeiten abdecken und in hilfsbereiter, von Austausch geprägter, reflektierender Interaktion intrinsische Motivation untereinander fördern können. Die Gruppe kann die Kreativität eines einzelnen Gruppenmitglieds fördern, wenn letzteres vom Wissen, der Motivation und der Unterstützung der anderen profitieren kann (vgl. Hooker et al. 2003, S. 242).
4.2.2
Meso- und Makroebene: Einflussfaktoren auf Ebene des Praxisfeldes
Kreativitätsforscher*innen sind sich einig, dass zur Erfassung kreativitätsbedingender Faktoren die individuellen Aspekte nicht getrennt von der Umgebung
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
des Individuums betrachtet und bewertet werden können (vgl. z. B. Lubart und Mouchiroud 2003, S. 138; Oldham und Cummings 1996, S. 626). Kreativität als soziales Konstrukt unterliegt Einflüssen des Kontextes und der Situation – nicht zuletzt, weil diese Einflüsse auf die Ebene des Individuums (vgl. Abschnitt 4.2.1) zurückwirken. Die Bewertung von Kreativität erfolgt nicht nur affektiv und gruppenspezifisch, sondern variiert in organisationaler Dimension, sowie historisch und kulturspezifisch (vgl. Amabile 1982, S. 1011; Holm-Hadulla 2014, S. 4; Sawyer 2006, S. 16; Schmidt 1988, S. 40). In den Fokus rücken damit Elemente der Meso- und der Makroebene. Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen liegt auf der Mesoebene, weil sich in dem theoretischen Verständnis dieser Arbeit relevante Determinanten auf Gesellschaftsebene mittelbar in den Strukturen der Unternehmen, d. h. auf der Mesoebene, abbilden (vgl. Abschnitt 2.1). Mittlerweile sind einige Studien erschienen, die sich explizit mit Einflussfaktoren auf Kreativität auch in Kontexten medialer Produktion beschäftigen (vgl. Banks et al. 2002; Becker et al. 2010; Doyle und Paterson 2010; Fröhlich 2008; Küng 2008b, S. 144 ff.; Paterson 2010). Für eine vollständige Betrachtung der Vielzahl organisationaler Einflüsse auf Kreativität soll auf die einschlägigen Metaanalysen verwiesen werden (vgl. z. B. Anderson et al. 2014; Andriopoulos 2000, 2001; Damanpour 1991; Mumford et al. 2002; Woodman et al. 1993). An dieser Stelle werden insbesondere die Ergebnisse zu kreativitätsfördernden und -hemmenden Faktoren in der Medienproduktion beispielhaft benannt und in Ergebnisse der Kreativitätsforschung zu solchen Einflussfaktoren eingeordnet. Einen systematischen Zugang zu kreativitätsbedingenden Faktoren liefert erneut Amabile, die dabei das Komponentenmodell der Kreativität auf Ebene einer Person oder Personengruppe in Beziehung setzt zu drei Gruppen von Einflussfaktoren auf organisationaler Ebene (vgl. dazu auch Gebesmair und Nölleke-Przybylski 2020, S. 603 f.): (1) den Praktiken des mit Managementaufgaben betrauten Personals, (2) den im Unternehmen verfügbaren Ressourcen und (3) der organisationalen Motivation (vgl. Abbildung 4.4). Die drei Determinanten rahmen die folgende Betrachtung zu Einflussfaktoren auf organisationaler Ebene ein. Sie sind von besonderem Interesse, weil sie Studien entstammen, die eine konsistente Kreativitätsdefinition – eine konsensuale Messung von Kreativität über das, was Feldexpert*innen als Kreativität bewerten (vgl. Abschnitt 4.1.2) – anlegen. Dennoch leistet gerade Amabiles (1997) Konzept einer „componential theory of organizational creativity and innovation“ (ebd., S. 52) der Vermischung der Kreativitäts- und Innovationsforschung Vorschub, weil es beide Begriffe aneinander koppelt. Ihre Erkenntnisse zu Faktoren, die Kreativität auf Ebene der Organisation beeinflussen, bettet sie auf die Annahme, dass individuelle und Teamkreativität organisationale Innovation nähren, bedingen und ermöglichen
Abbildung 4.4 Einflussfaktoren der Arbeitsumgebung auf Kreativität in Relation zum Komponentenmodell der Kreativität
Quelle: Amabile 1997, S. 53; erweitert um Amabile 1997, S. 52ff.; Modell entwickelt basierend auf Amabile et al. 1996
4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet … 159
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
(vgl. Amabile et al. 1996, S. 1155; Amabile 1997, S. 53). Kreativitätsdeterminanten auf organisationaler Ebene sind in ihrer Sprechart folglich Einflussfaktoren auf Innovation. Kreativität ist damit ein personengebundenes Phänomen; Kreativität auf organisationaler Ebene entspricht Innovation. Amabile vertritt und inspiriert damit die weit verbreitete Annahme einer konsekutiven Beziehung von Kreativität als Ideenentwicklung und Innovation als Ideenimplementierung (vgl. Abschnitt 4.3.2). Daher entstammen Erkenntnisse zu kreativitätsfördernden Einflussfaktoren auf organisationaler Ebene Studien zur organisationalen Innovation (vgl. z. B. Bharadwaj und Menon 2000; Damanpour 1991; Levine et al. 2003). Amabile belegt diese Begriffskopplung empirisch nicht. Çokpekin und Knudsen (2012, S. 311 f.) stellen wiederum fest, dass Kreativität die Produkt-, jedoch nicht die Prozessinnovation fördere. Tatsächlich sind die Elemente der Arbeitsumgebung, die Amabile mit ihrem Team als kreativitätsfördernd oder -hemmend identifiziert und in einem als „KEYS Assessing the Climate for Creativity“ (vgl. Abbildung 4.5) bezeichneten Befragungsinstrument für Praxis und Forschung (vgl. z. B. Hsu und Fan 2010) zur Messung des Grades, in dem die Arbeitsumgebung Kreativität stützt, verpackt hat, aber nicht aus Studien zu Innovationen in Unternehmen, sondern aus Untersuchungen kreativer Teamarbeit und kreativer Projekte entstanden. Demnach werden in Projekten, die als kreativ bewertet werden, die als positiv und negativ wirkend identifizierten Elemente als solche deutlich salienter bewertet als in weniger kreativen Projekten (vgl. Amabile et al. 1996, S. 1163). Die KEYS-Skalen repräsentieren „aspects of organizational work environment perceptions that are likely to influence the generation and development of creative (i.e., novel and useful) ideas“ (ebd., S. 1162). Die Einflussfaktoren sind damit Faktoren, die lediglich mittelbar Innovation beeinflussen und unmittelbar auf „creative project work by teams of individuals“ (ebd., S. 1155) wirken. Es geht hier nicht um eine objektive Messung der in den KEYS-Skalen abgebildeten Arbeitsbedingungen, sondern um die subjektive Wahrnehmung dieser Bedingungen. Es ist die Wahrnehmung der Arbeitsumgebung, die entscheidend ist für eine kreativitätsfördernde Wirkung (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 54 f.; auch Amabile et al. 2004, S. 26) – vor allem vermittels eines positiven Effekts auf die intrinsische Motivation (vgl. Abschnitt 4.2.1). Amabile et al. (1996, S. 1158–1162) gruppieren die für die KEYS ermittelten Einflussfaktoren in fünf Kategorien: Kreativitätsanreize, Autonomie bzw. Freiheit, Ressourcen, Zwänge, organisationale Hürden. Diese fünf Kategorien finden sich in anderer Anordnung auch in anderen primären und sekundären Erhebungen organisationaler Einflussfaktoren auf Kreativität. Diese Kategorien erweiternd sollen, lose anknüpfend an Fröhlich (2008, S. 157 ff.) und ihre durch eigene Erkenntnisse aus der nonfiktionalen Fernsehunterhaltungsproduktion erweiterte
4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet …
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Quelle: basierend auf Amabile et al. 1996, S. 1159
Abbildung 4.5 Elemente des „KEYS Assessing the Climate for Creativity“Befragungsinstruments
Übersicht (angelehnt an Andriopoulos 2001 und Damanpour 1991), im Folgenden wesentliche organisationale Determinanten und Einflussquellen auf Kreativität in den Dimensionen Organisationsklima, Führungsverhalten, Ablauforganisation, Rollen & Kompetenzen, Prozessablauf , Gruppenzusammensetzung, personelle Ressourcen sowie finanzielle und zeitliche Ressourcen skizziert werden. Dieses Dimensionen lassen sich, wie Abbildung 4.6 zeigt, in die drei Hauptkomponenten, die Amabile in ihrem Modell beschreibt (vgl. Abbildung 4.4), einpflegen. Gleichzeitig wird eine Beziehung zum Komponentenmodell individueller Kreativität hergestellt. Zentrales Element einer kreativitätsfördernd wirkenden Umgebung ist ein Organisationsklima, das Innovationen und Kreativität aktiv befördert. Der Begriff des Organisationsklimas beschreibt eine organisations-, zuweilen teamspezifische Ausprägung organisationaler Kultur (vgl. Hennessey 2003, S. 191). Amabile setzt
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 4.6 Einflussfaktoren auf Kreativität auf organisationaler Ebene
diesen Aspekt daher auch als eigene Hauptkomponente organisationaler Innovation (vgl. Abbildung 4.4). Eine auf oberster Managementebene verankerte und durch untergeordnete Ebenen unterstützte Innovationsorientierung wirkt positiv auf die Teamkreativität in Unternehmen (vgl. Amabile 1997, S. 52). Innovationsorientierung als gemeinsames Ziel und die Offenheit aller beteiligten Personen (vgl. Fröhlich 2008, S. 164 f.) halten das Team zusammen. Diese Orientierung bildet sich wesentlich über eine offene Kommunikation von Informationen und Ideen ab (vgl. Amabile 1997, S. 52). Interne Kommunikation ist wichtig, um Ideendiffusion zu ermöglichen. Externe Kommunikation wiederum ermöglicht es, Konzepte und Ideen von außen zuzulassen (vgl. Fröhlich 2008, S. 168). Es ist davon auszugehen, dass sie insbesondere in der primär in Netzwerken organisierten audiovisuellen Produktion eine große Rolle spielt. Hinweise darauf liefern Aussagen von Fernsehproduzent*innen, dass externe Information und Kontakte wichtig seien (vgl. ebd.). Banks et al. (2002) haben festgestellt, dass Kreativität in IT-Unternehmen „often […] was located outside the firm itself in a network of freelancers, external experts and collaborators“ (ebd., S. 626). Dies legt nahe, dass
4.2 Komponenten & Determinanten: Was begründet …
163
sich in der audiovisuellen Produktion aufgrund ihrer Netzwerkstruktur ähnliche Effekte finden. Element eines kreativitätsförderlichen Organisationsklimas ist darüber hinaus die Anerkennung von Leistungen im Allgemeinen (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 45) und kreativer Leistung im Spezifischen; dies schließt eine faire Bewertung – auch von Fehlschlägen – mit ein (vgl. Amabile 1997, S. 52). Fehler und Momente des Scheiterns können als Teil ideenexplorierender Prozesse sogar kreativitätsförderlich wirken (vgl. Andriopoulos und Lowe 2000, S. 736 f.). Laut Amabile und Kramer (2010; 2011) steckt der zentrale Einflussfaktor auf intrinsische Motivation in der Wahrnehmung von Fortschritt in der eigenen Tätigkeit: „[…] [M]aking progress in one’s work – even incremental progress – is more frequently associated with positive emotions and high motivation than any other workday event.“ (Amabile und Kramer 2010, S. 44) Die beschriebenen Elemente verweisen bereits implizit auf das Führungsverhalten. Dieses co-konstituiert die Dimension organisationaler Motivation und ist zugleich Element kreativitätsfördernder Managementpraktiken. Eine Vielzahl von Studien hat sich mit dem Einfluss der Führung und spezifischer Führungsstile auf Kreativität beschäftigt (vgl. z. B. Amabile et al. 2004; Gilson et al. 2012; Herrmann und Felfe 2013; Oldham und Cummings 1996; Shalley und Gilson 2004; Sosik et al. 1999). Ein demokratisch-kollaboratives Führungsverhalten, uneingeschränkte Interaktion zwischen Management und Mitarbeitenden, fachliche und emotionale Unterstützung der Mitarbeitenden, vertrauensvolle Kommunikation, Respekt, ein offener Dialog und eine Empfänglichkeit für Ideen haben einen positiven Effekt auf Kreativität in Organisationen (vgl. Amabile 1997, S. 54; Amabile et al. 2004, S. 25; Andriopoulos 2001, S. 834; Fröhlich 2008, S. 166; Killebrew 2005, S. 103 f.; Küng 2007b, S. 3; Paterson 2010, S. 3). Wichtig ist dabei Klarheit in der Planung und im Feedback (vgl. Amabile 1997, S. 54). Kollaborative Führung ist eben nicht mit der Abwesenheit von Führung gleichzusetzen. Kreative müssen wissen, in welche Richtung es gehen soll (vgl. Amabile et al. 2004, S. 25; Paterson 2010, S. 3). Gerade in der Ideengenerierungsphase ist ein demokratischer Führungsstil wichtig (vgl. auch Hesmondhalgh 2002, S. 56 und Nylund 2013, S. 206), mit der Ideenimplementierung rückt ein hierarchischer Führungsmodus in den Fokus (vgl. Caniëls et al. 2014, S. 105). Ein kreativitätsförderndes Management setzt klare Ziele, gewährt zugleich jedoch Autonomie zur Erreichung dieser Ziele (vgl. Amabile 1997, S. 54; Amabile und Kramer 2011, S. 104): Bedeutsam ist folglich der Freiraum auf der Ebene von Rollen & Kompetenzen. „[F]actory-style production is widely felt to be inimical to the kinds of creativity to make profits“ (Hesmondhalgh 2002, S. 56), dahingegen fördern Arbeitsbedingungen, die Freiheit in der Ideenentwicklung (vgl. Killebrew 2005, S. 104)
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
ebenso wie Entscheidungs- und Handlungsfreiheit sowie Autonomie gewähren, die intrinsische Motivation der Beschäftigten – in diesen Zusammenhang fällt die hohe Bedeutung kreativer Autonomie in der kulturellen Produktion, die Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 62 ff.) für eben diese konzeptualisieren (vgl. Abschnitt 5.3.1.3). Eng gekoppelt an die Bedeutung von Autonomie und Freiheit ist die Wahrnehmung von Sicherheit im Job: Organisationsmitglieder müssen sich in der autonomen Ausführung ihrer Tätigkeit sicher fühlen, damit sich ein kreativitätsfördernder Effekt einstellt (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 107). Arbeitsmarktunsicherheit und freiberufliche Strukturen, wie sie die Fernsehproduktion prägen (vgl. Abschnitt 5.3.2.2), können hier negativ wirken (vgl. Doyle und Paterson 2010, S. 41; Paterson 2010, S. 6; auch Spiegelaere et al. 2014, S. 319). Positive Effekte können von längerfristigen Arbeitsverträgen ausgehen (vgl. Andriopoulos 2001, S. 837), wie Küng (2008b, S. 156) sie beispielsweise als Besonderheit für die in der Serienentwicklung erfolgreiche HBO beschreibt. Küng (2008a, S. 6, 11) benennt mit Pixar ein weiteres Beispiel der Fernsehproduktionsbranche, das seinen hohen, kritikergelobten Produktionsoutput einer besonderen Aufbauorganisation zu verdanken habe. Grundlegend sprechen Befunde dafür, dass eine flexible, wenig hierarchische, funktional differenzierte Organisationsstruktur kreativitätsfördernd wirkt (vgl. Andriopoulos 2001, S. 837; Koppetsch 2006a, S. 164; Vogt 2010, S. 271). Fröhlich (2008, S. 157 f.) identifiziert den Trend, dass vor allem große Konzerne die Innovationstätigkeit in ihrer Ablauforganisation verankern, während kleinere Unternehmen, in denen die Inhaber*innen häufig selbst einen kreativen Hintergrund haben, individuelle Aspekte von Kreativität betonen. Eine ideale Gestaltung des Prozessablaufs gibt es nicht: Klare Ablaufstrukturierung und intuitives Vorgehen (vgl. auch Abschnitt 5.3.2.1) werden von Fernsehproduzent*innen gleichsam als kreativitätsfördernd benannt (vgl. Fröhlich 2008, S. 159). Zudem wirkt die Entkopplung von Ideenentstehung und -bewertung kreativitätsfördernd, ebenso wie eine sinnvolle Aufgabenverteilung und eine adäquate Integration der Teammitglieder (vgl. ebd.). Im engen Zusammenhang zur Prozessgestaltung steht daher auch die Gruppenzusammensetzung. Eine Gruppe von Menschen, die in einem Projekt zusammenarbeiten, ist keine schlichte Anhäufung von Individuen, sondern vielmehr ein sozialer Kontext, der kreatives Verhalten bestimmt. Dieser soziale Kontext fördert Kreativität, wenn die Teammitglieder über jeweils unterschiedliche professionelle und persönliche wie auch funktionelle Hintergründe verfügen (vgl. Basadur 2004; Caniëls et al. 2014, S. 104 f.; Fröhlich 2008, S. 153; Küng 2007b, S. 3; Nijstad und Paulus 2003, S. 327; Somech und Drach-Zahavy 2013) – vorausgesetzt, die Gruppenmitglieder sind miteinander als ein effektives Team in gegenseitigem Vertrauen, offener
4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität
165
Kommunikation und konstruktiver Kritik verbunden (vgl. Amabile 1997, S. 54). Dazu passen auch die Ergebnisse aus einer Befragung von Medienschaffenden in der britischen Fernsehproduktionsbranche, wonach die Befragten die Teamarbeit im Allgemeinen und im Spezifischen die Zusammenarbeit mit qualifizierten Kolleg*innen, insbesondere aber das Vertrauen zwischen Kolleg*innen und einen aktiven Ideenaustausch als zentral für eine kreative Arbeitsumgebung beschrieben (vgl. Doyle und Paterson 2010, S. 42; Paterson 2010, S. 3). Positiv beeinflussen können Führungskräfte kollektive Kreativität, wenn sie die unterschiedlichen Problemlösungsstile der Teammitglieder berücksichtigen (vgl. Basadur 2004, S. 103) und Rollen im kreativen Prozess definieren (vgl. Abschnitt 4.2.1). Gerade zu Beginn eines kreativen Prozesses ist es von Seiten des Vorgesetzten wichtig, den Blick für die Bedeutung und Vorteile der Gruppenheterogenität zu schärfen (vgl. Milliken et al. 2003, S. 54) Theoretisch wird ein starker Zusammenhang zwischen verfügbaren personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen und Innovations-Output angenommen (vgl. Fröhlich 2008, S. 160). In einer Vielzahl von Studien folgten Forscher*innen dabei auch der Prämisse, dass der Konflikt von kommerziellen und kreativen Interessen eine die Medienorganisationen wesentlich formende Kraft sei (vgl. dazu auch Abschnitt 5.4). Roberts (2010, S. 761 ff.) weist zurück, dass sich diese Elemente unvereinbar gegenüberstehen und einen organisationalen Konflikt hervorbringen. Tatsächlich zeigen empirische Ergebnisse, dass kommerzielle Einschränkungen (finanzielle und zeitliche Ressourcengrenzen) die Ergebnisorientierung und einen erfolgreichen Abschluss eines kreativen Prozesses fördern können (vgl. Kerrigan und McIntyre 2010, S. 117). Vollständige Budgetfreiheit und fehlende Terminvorgaben können den Prozess hingegen gegebenenfalls sogar negativ beeinflussen (vgl. Amabile 1998, S. 82; Amabile und Kramer 2011, S. 105; Fröhlich 2008, S. 160 f.). Entscheidend für einen kreativitätsfördernden Effekt auf organisationaler Ebene ist folglich, dass ausreichend Personal, Budget, Zeit und Infrastruktur zur Verfügung stehen (vgl. Amabile 1997, S. 53 f.; Amabile und Kramer 2011, S. 104). Eine Adäquanz von Ressourcen lässt sich, weil sie per se relativ ist, nie ex ante und universal exakt benennen.
4.3
Die Ökonomisierung der Kreativität
Der in der Psychologie verwurzelte Begriff der Kreativität ist zunehmend auch in eine ökonomische Rhetorik eingebunden. Insbesondere in und durch Diskussionen zur Kultur- und Kreativwirtschaft wird Kreativität als ökonomischer Faktor wahrgenommen. Daneben steht eine auch in der wirtschaftswissenschaftlichen
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Literatur zunehmende Erörterung der Rolle von Kreativität für die Wirtschaft insgesamt – als charakterisierendes Grundelement und Begründung wirtschaftlicher Dynamik. Ihre ökonomische Relevanz erhält die Kreativität dabei vorrangig aus ihrer Beziehung zum Innovationsbegriff. Diese impliziert ein Verständnis von Kreativität als Ressource im Leistungserstellungsprozess, die einem Management und damit auch einem gewissen Grad an Planbarkeit zugänglich wird. Die (Debatte um die) Ökonomisierung der Kreativität ist für die vorliegende Arbeit, die Kreativität im Zusammenhang eines profitorientierten Produktionsprozesses untersucht, von Bedeutung, weil sie den Kreativitätsbegriff von der Ebene des Individuums auf jene des Unternehmens und des Marktes zieht.
4.3.1
Kreative Wirtschaft und Kreativwirtschaft
Kreativität wird in der Kreativwirtschaft zum Teil des Ökonomischen (vgl. Krämer 2012, S. 109). Die Kultur- und Kreativwirtschaft selbst ist „eine volkswirtschaftliche und mithin politische Kategorie“ (ebd., S. 110). Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Wirtschaftsbereichen hat im Kontext politisch initiierter Debatten zugenommen. Die Bedeutung dieser Wirtschaftssektoren wird mit der Digitalisierung, ihrem Einfluss auf die Gesellschaft und den damit verbundenen Anforderungen einer erhöhten Wandlungs- und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft begründet: Kultur und Kreativität werden zu Schlüsselwörtern für eine New Economy und die Fähigkeit, den Herausforderungen einer digitalisierten Informationsgesellschaft zu begegnen (vgl. auch KEA European Affairs 2006). Schließlich gelten „Innovationen als Kernkompetenz der Kultur- und Kreativwirtschaft“ (Knetsch et al. 2016, S. 3) und Kreativität als Quelle und Treiber des sozialen und ökonomischen Wandels, des Wohlstands und Wachstums (vgl. Hartley 2005, S. 1 f.; Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 3; KEA European Affairs 2009). Folglich zielen die diversen, internationalen Initiativen zur Kultur- und Kreativwirtschaft auf eine Bewertung ihrer Bedeutung für die Gesamtwirtschaft (vgl. Arndt et al. 2012; Bertschek et al. 2014; EY 2014; UNDP und UNCTAD 2010; UNESCO und UNDP 2013, S. 164 ff.). Die verwendeten Konzepte und Begriffe gründen in der gesellschafts- und kulturkritischen Perspektive der Frankfurter Schule in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts (vgl. Hartley 2005, S. 10; Wünsch 2002, S. 39). In ihren Ausführungen zur Kulturindustrie unterziehen Horkheimer und Adorno die Massenproduktion kultureller Güter einer kritischen Betrachtung (vgl. Horkheimer und Adorno 2006, erstveröffentlicht 1947). Aktuelle Diskussionen bedienen sich des Plurals und sprechen von Kulturindustrien. Sie heben die Trennung der
4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität
167
Begriffe Kultur und Kreativität auf – fokussieren zuweilen auf letzteren, weil er universaler und damit weniger angreifbar wirkt (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 3) – und setzen diese stattdessen in eine (Abhängigkeits-)Beziehung zueinander. Folglich ergibt sich Kreativität aus Kultur – wie im Konzept einer „culture-based creativity“ der Europäischen Kommission (vgl. KEA European Affairs 2009) – oder aber Kreativität bildet den Kern und Ursprung von Kultur (vgl. Hartley 2005, S. 18). Die Kopplung der Begriffe ist schon allein aufgrund der Kulturabhängigkeit der Kreativitätsdefinition nachvollziehbar (vgl. Amabile 1982, S. 1011; Sawyer 2006, S. 16), eine rekursive Beziehung mit Blick auf systemische Definitionen von Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.4) logisch. Die genaue Verortung der Begriffe in Beschreibungen spezifischer Wirtschaftsbereiche variiert jedoch. Demnach werden je nach Fokus die beschriebenen Wirtschaftszweige als kreative und/oder kulturelle, aber auch als Erfahrungs-, Inhalte- oder CopyrightIndustrien oder Branchen bezeichnet. Die unterschiedlichen Bezeichnungen gehen einher mit einer unterschiedlichen Zahl an Unternehmen, die in diese Konzepte integriert werden (vgl. KEA European Affairs 2006, S. 45 ff. für eine Liste unterschiedlicher Konzepte). Unter Verwendung unterschiedlicher Terminologien ist das Thema in Ländern auf der ganzen Welt Teil der politischen Agenda. Die Perspektiven in der Beschäftigung mit den Kultur- und Kreativindustrien reichen von Abhandlungen, die auf eine gesamtgesellschaftliche Rolle von Kreativität fokussieren und die digitalisierte Gesellschaft als eine weitgehend auf Kreativität basierende interpretieren (vgl. Florida 2003; Hartley 2005; Howkins 2007), bis hin zu Konzepten, die ihre Betrachtung auf spezifische Branchen reduzieren. Richard Florida (2003) entwirft die Idee einer „creative class“, die unser gegenwärtiges ökonomisches und kulturelles Leben dominiere. Hartley (2005) argumentiert unterstützend, dass die zunehmende Aufmerksamkeit, die diesem Thema zuteilwird, der Logik einer „new economy“ geschuldet sei, da zunehmend statt materieller Güter Konnektivität in Verbindung mit immaterieller Information die Weltwirtschaft beherrsche. Nach Hartley (2005) stehen die „creative industries“ für „the conceptual and practical convergence of the creative arts (individual talent) with cultural industries (mass scale), in the context of new media technologies (ICTs) within a new knowledge economy“ (ebd., S. 5). Er beschreibt Kreativität als Input- statt Outputfaktor und ist folglich nicht in der Lage, präzise abzugrenzen, welche Unternehmen zu den Kreativindustrien zählen (vgl. ebd., S. 26 ff.). Grundsätzlich hat sich in aktuellen Konzepten der Akzent verschoben: vom Fokus auf den öffentlichen Charakter der Güter auf den Input für das Produkt, d. h. den schöpferischen Akt (vgl. Krämer 2012, S. 110 f.). Obwohl solch inputgeleitete Betrachtungen in eine Abgrenzungsproblematik führen können, weil sie sich für die Begründung sowohl breiter als auch enger Konzepte
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
eignen, ist der schöpferische bzw. kreative Akt Kern und Anknüpfungspunkt für eine Identifikation kultureller und/oder kreativer Wirtschaftssektoren sowie ihr verbindendes Element. Die Creative Industries Task Force (CITF) des DCMS, die mit ihrem im Creative Industries Mapping Document beschriebenen Konzept die Debatte über die Kreativwirtschaft wesentlich prägt (vgl. Banks et al. 2002, S. 256), definiert die Kreativwirtschaft („creative industries“) demnach als „those industries which have their origin in individual creativity, skill and talent and which have a potential for wealth and job creation through the generation and exploitation of intellectual property“ (Department for Culture, Media & Sport (DCMS) 2001, S. 5).4 Diese Perspektive auf die Kultur- und Kreativwirtschaft mit Kreativität im Zentrum findet international Anwendung (vgl. Banks et al. 2002, S. 256 f.). Das DCMS hat auch das für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Deutschland erarbeitete Konzept einer Kultur- und Kreativwirtschaft wesentlich beeinflusst (vgl. Söndermann et al. 2009). Es identifiziert 13 Sub-Sektoren: advertising, architecture, art and antiques market, crafts, design, designer fashion, film and video, interactive leisure software, music, the performing arts, publishing, software and computer services, television and radio (vgl. Department for Culture, Media & Sport (DCMS) 2001). Das Bundesministerium für Wirtschaft und 4
Seit dem Jahr 2013 koppelt das DCMS (in einer Anpassung der eigenen Methodologie, vgl. Department for Culture, Media & Sport (DCMS) 2013a) die Identifikation kreativer Branchen an die Identifikation kreativer Beschäftigungen: Wenn eine Branche einen gewissen Anteil an kreativ Beschäftigten überschreitet, gilt sie als kreativ (vgl. Department for Culture, Media & Sport (DCMS) 2014, S. 34; vgl. auch Bakhshi et al. 2013). Dieser Schwellenwert liegt bei 30 Prozent, d. h. wenn 30 Prozent der Beschäftigten identifiziert werden als „people doing creative jobs“ (Department for Culture, Media & Sport (DCMS) 2013b, S. 4), dann empfiehlt das DCMS eine Klassifizierung dieser Branchen als kreativ (vgl. ebd., S. 4, 11). Die Identifikation und Selektion der als kreativ zu qualifizierenden Berufe bzw. Berufsgruppen ist dabei Gegenstand ‚professioneller Beurteilung‘ (professional judgement) (vgl. ebd., S. 9). Die Ausführungen lassen die Schlussfolgerung zu, dass eine Beschäftigung in diesem Prozess professioneller Beurteilung dann als kreativ bewertet wird, wenn sie zur „origination of expressive value“ (Skillset 2011, S. 5) beiträgt. Konkreter sind insbesondere die Tätigkeiten von „specialist artists, professionals or creative individuals“ (ebd., S. 7) als kreative Beschäftigungen zu beurteilen. Genauere Erläuterungen fehlen. Folglich ist davon auszugehen, dass bestehende Konzepte zur Kultur- und Kreativwirtschaft nicht auf empirischen Erhebungen als kreativ angenommener Arbeit beruhen, sondern auf der antizipierten, erfahrungsbasierten Einschätzung dieser Tätigkeiten als kreativ. Implizite und folglich subjektive Kreativitätsdefinitionen sind also die Basis scheinbar objektivierter Daten. Dies soll den Wert dieser Einschätzungen keineswegs schmälern. Die Art und Weise, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft identifiziert wird, unterstreicht vielmehr die Legitimität und vor allem Praktikabilität eines Verständnisses von Kreativität als Beobachterkonzept (vgl. Abschnitt 4.6).
4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität
169
Technologie schließt diese Sub-Sektoren mit ein, fasst sie jedoch in elf Kernbranchen bzw. Teilmärkten (Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt, Software/Games-Industrie) zusammen (vgl. Söndermann et al. 2009, S. 23). Trotz signifikanter Unterschiede der Konzepte in Terminologie, Umfang und Begriffsdefinition ist ihnen gemein, dass sie die Medien als Teil dieser Industrien beschreiben und sie über das Konzept des schöpferischen/kreativen Aktes mit dem Begriff der Kreativität verknüpfen. Der Forschungsstand zur Medienproduktion kann folglich um Wissen zu den Organisationen und den Individuen in diesem Bereich erweitert werden. Konzepte der Kultur- und Kreativwirtschaft liefern Hinweise auf spezifische Charakteristika einer Branchengruppe (vgl. Caves 2000; 2003; Hesmondhalgh 2013; zusammenfassend z. B. Zabel 2009, S. 41 ff.), über die sich die Mechanismen dieser Branchen besser analysieren lassen. Problematisch ist jedoch der in ökonomischen Kontexten inflationäre Gebrauch des Kreativitätsbegriffs, der seine Verwässerung befördert (vgl. Pratt und Jeffcutt 2009, S. 3). Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 2) kritisieren den ‚Missbrauch‘ der Begriffe Kreativität und kreativ durch die Politik und sprechen basierend auf den Ausführungen von Schlesinger (2007) von einer ‚Kreativitäts-Doktrin‘. Sie selbst gebrauchen den Begriff adjektivisch, um so konkrete kreative Aktivitäten und damit kreative Arbeit zu definieren (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 2; mehr dazu vgl. Abschnitt 5.3.1). Die ‚Ökonomisierung‘ der Kreativität kann auch abseits der Debatten um die Kultur- und Kreativwirtschaft verortet werden. Kreativität als unternehmerische Ressource und als Element organisationaler Leistung (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 49) und Leistungsfähigkeit wird in organisations- und managementtheoretischer, aber auch sozial- und wirtschaftspsychologischer Literatur nicht ausschließlich jenen Unternehmen zugeordnet, die weitestgehend als Teil der kulturellen bzw. kreativen Industrien verstanden werden. Entscheidender ist hier der Bezug auf spezifische Unternehmen, unternehmerische Funktionsbereiche, Abteilungen oder Tätigkeiten, die sich in hohem Maße der Problemlösung (ein Beispiel sind Consulting-Unternehmen, vgl. Hargadon und Bechky 2006) oder (Produkt)Entwicklung (vgl. Amabile und Kramer 2011) widmen. Noch weiter reicht die Annahme, dass Kreativität über alle oder zumindest zahlreiche Unternehmensbereiche hinweg für das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens wichtig sei – vor allem unter dem Eindruck eines dynamischen Marktes (vgl. Ko und Butler 2007; Dayan et al. 2013, S. 225). Entsprechend dieser Idee modelliert Basadur (2004, S. 103) Kreativität (im organisatorischen Kontext) als „applied creativity“, als angewandte Kreativität, die die Grundlage für die Anpassungsfähigkeit eines
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Unternehmens darstellt: „Adaptablity is driven by organizational creativity […].“ (Ebd., S. 104) Und Adaptibilität werde in einer sich verändernden Welt immer wichtiger: „Adaptability allows an effective organization to master the process of changing its routines deliberately and continually.“ (Ebd.) Kreativität ist in seiner Argumentation ein Mittel, mit dem Unternehmen Veränderungsprozesse bewältigen können (vgl. Basadur 2004, S. 104). Äquivalent bezeichnet Amabile Innovation, die durch Kreativität erst ermöglicht wird (vgl. Abschnitte 4.3.2 und 4.2.2), als „absolutely vital for long-term corporate success“ (Amabile 1997, S. 40). Darin spiegelt sich die Idee, dass Kreativität grundsätzlich in jedem Unternehmen wichtig ist (vgl. Amabile 1997, S. 40; Howkins 2007, S. xi; Mumford et al. 2002) und sich die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft wie auch der Medienbranche nicht in der Art, sondern vielmehr in der Quantität benötigter Kreativität abheben (vgl. Küng 2008b, S. 145, 2004, S. 66; vgl. dazu Kapitel 5). Auch ein hoher Anteil empirischer und theoretischer Literatur zu Faktoren auf Mesoebene, die (organisationale) Kreativität beeinflussen (können), geht davon aus, dass sich die Erkenntnisse grundsätzlich auf Unternehmen unterschiedlicher Branchen anwenden lassen (vgl. Abschnitt 4.2.2). Dies gilt auch für Konzepte eines kreativen Entrepreneurship, die Gründer (vgl. Horneber 2012), aber auch Innovatoren (vgl. z. B. Fillis und Rentschler 2010) generell als kreativ bezeichnen – in Abgrenzung zu Ansätzen, die die die Bezeichnung des kreativen Entrepreneurs für jene Entrepreneure aufheben, die in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig sind (vgl. Henry 2007a; 2007b; UNDP und UNCTAD 2010, S. 11). Dass sich entsprechende Diskussionen dabei natürlich auch mit der Diversität des Entrepreneurbegriffs auseinandersetzen müssen, kann und soll an dieser Stelle nicht weiter problematisiert werden. Grundsätzlich wird kreativen Entrepreneuren in der Literatur neben basalem unternehmerischen Wissen und Geschick ein hohes Maß an Kreativität attribuiert. Diese Herausstellung des Entrepreneurs als Treiber oder gar Quelle wirtschaftlicher Kreativität verweist auf den Ursprung zahlreicher Ausführungen zur Kreativität in der Wirtschaft: Joseph Schumpeter hat den Begriff Kreativität – in der deutschen Ausgabe von „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ (vgl. Schumpeter 1993) ist von ‚schöpferischer‘ Zerstörung die Rede, die englische Originalausgabe jedoch spricht von ‚creative‘ destructions (vgl. Schumpeter 1942) – mit seinen Ausführungen zur wirtschaftlichen Entwicklung verknüpft. Schumpeter identifiziert Unternehmer „als Träger kreativen wirtschaftlichen Handelns“ (vgl. Petersen 2003, S. 178), weil sie „die Wirtschaftssubjekte [sind], deren Funktion die Durchsetzung neuer Kombinationen ist und die dabei das aktive Element sind“ (Schumpeter 1952, S. 111). Spezifische, eher auf Selbstverwirklichung, Ehrgeiz und Gestaltungsfreude, denn auf ökonomische Belohnung zielende Motive
4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität
171
treiben die Unternehmer*innen an (vgl. ebd., S. 138 f.) – jenseits eines reinen Kosten-Nutzen-Kalküls (vgl. Petersen 2003, S. 179). Dies verweist auf die Bedeutung intrinsischer Motivation, die Kreativität wesentlich konstituiert (vgl. Abschnitt 4.2.1). Die Durchsetzung neuer Kombinationen versteht Schumpeter als wirtschaftliche Entwicklung (vgl. Schumpeter 1952, S. 99 f.). Dabei ist von Bedeutung, dass diese Kombinationen diskontinuierlich und nicht kontinuierlich, also graduell auftreten. Die diskontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung synonymisiert Schumpeter mit dem Begriff der Innovation (vgl. Schumpeter 1961, S. 94): Innovationen kombinieren „Faktoren auf eine neue Art“ (ebd., S. 95), bestehen folglich „in der Durchführung neuer Kombinationen“ (ebd.). Da Schumpeter wirtschaftliche Entwicklung an schöpferische respektive kreative Zerstörung koppelt (vgl. Schumpeter 1993, S. 137 f.) mündet in der Lesart der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur damit kreative Zerstörung in Innovationen (vgl. Abschnitt 4.3.2). Ebenfalls an diesen Gedanken Schumpeters anknüpfend beschreibt Petersen (2003) wirtschaftliche Entwicklung als Kreativität in der Wirtschaft. Diese Kreativität kann sich in Rückbezug auf Adam Smith, Karl Marx und Schumpeter auf das (1) Erfinden, die (2) Bereitstellung neuer Produkte und Dienste, das (3) Wecken und Befriedigen neuer Bedürfnisse, die (4) Umgestaltung der Arbeits- und Produktionsorganisation wie auch die (5) Eroberung einer neue Bezugsquelle von Rohstoffen und Halbfabrikaten beziehen (vgl. Petersen 2003, S. 173 ff.). In diesem Sinne ist Kreativität in der Wirtschaft gleichzusetzen mit Entwicklung, Erweiterung und Rekombination. Die beschriebenen Formen lassen sich durchaus auf das Konzept einer unternehmerischen Kreativität („entrepreneurial creativity“) übertragen (vgl. Abschnitt 4.1.1). Kreativität ist damit für jegliche Bereiche unternehmerischen Wirkens von Bedeutung (vgl. auch Howkins 2007, S. xi).
4.3.2
Kreativität und Innovation
Die Ökonomisierung der Kreativität ergibt sich in der Literatur wesentlich aus einer Kopplung des Kreativitäts- an den Innovationsbegriff. Letzterer findet dabei zumeist auf einen ökonomischen Kontext Anwendung. Nicht nur in der Medienmanagementliteratur und der medienökonomischen Literatur (vgl. Fröhlich 2008, S. 154, 2010b, S. 29; Küng 2008a, S. 5 f.; Malmelin und Virta 2015, S. 1042) werden beide Konzepte als zwei Schritte eines Prozesses modelliert. Amabile beschreibt Kreativität als „root of innovation“ (1996, S. 1178), als ‚ersten Schritt‘ hin zur Innovation, welche wiederum die „successful implementation of those novel, appropriate ideas“ (Amabile 1997, S. 40) bezeichnet. Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur zur organisationalen Bedeutung von Kreativität knüpft häufig an diese Definition an (vgl. Maier et al. 2007, S. 155; Paterson 2010, S. 2;
172
4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Mumford et al. 2002, S. 708; Pratt und Jeffcutt 2009, S. 3; Stamm 2003, S. 1, 8). Innovation als Implementierung ist darin das ökonomische Ergebnis von Kreativität als Prozess der Ideengenerierung. Fröhlich (2010b) stellt dabei klar, dass die Unterscheidung der Begriffe als zwei Stufen eines Prozesses „rein analytisch [ist], da im wirtschaftlichen Handeln beide Prozesse verbunden sind“ (ebd., S. 29). Die zweistufige Betrachtung der Beziehung zwischen Kreativität und Innovation betont eine ergebnisbezogene Perspektive auf letztere (vgl. Howkins 2007, S. ix), ohne jedoch die Perspektive auf ein Verständnis von Innovation als Produktinnovation zu verengen – schließlich ist Implementierung auch ein Prozess. Dennoch fassen einige Autor*innen dieses prozessuale Innovationsverständnis noch breiter und Kreativität als Untereinheit, als eine Zutat von und für Innovationen (vgl. Disselkamp 2012, S. 53, 57, 76 ff., 99 ff.; Hentschel 2013; Mühlemeyer und Ripp 2013, S. 229; Somech und Drach-Zahavy 2013, S. 685; Zabel 2009, S. 127; Woodman et al. 1993, S. 293). Damit bezeichnet Innovation ein übergreifendes Konzept, das die Ideenentwicklung und die erfolgreiche Marktumsetzung (vgl. Hentschel 2013), den „technology push und den demand pull“ (Hauschildt und Salomo 2011, S. 4) kombiniert. Diese Definitionen verweisen nicht nur darauf, dass Innovation aus ökonomischer Perspektive neben Implementierung auch den Prozess davor umfassen kann, sondern auch auf die Bedeutung der Nachfrage, d. h. auf eine Bewertung bzw. Akzeptanz als notwendiges Element für die Qualifizierung einer Innovation als Innovation. Letztere ist – genauso wie Kreativität – ein relationaler und relativer Begriff und damit flexibel auf unterschiedliche Gegenstände und Kontexte anwendbar, zugleich aber nicht übergreifend gültig (vgl. auch die Kreativitätsdefinition in Abschnitt 4.1.1). Über die Betrachtung eines Produkterstellungsprozesses hinaus, wird Innovation als ein komplexer, mehrdimensionaler Prozess unter Beteiligung unterschiedlicher Akteur*innen definiert (vgl. Hekkert et al. 2007). Analytisch lassen sich Innovationen in betrieblichen Kontexten näher – je nach Ansatz – als Produkt-, Prozessoder soziale Innovationen (vgl. z. B. Zabel, S. 169 ff. mit Verweis auf Thom 1980, S. 35), über ihren Anwendungskontext (vgl. z. B. als marktliche, strukturelle und kulturelle Innovationen bei Disselkamp 2012, S. 26 ff.), über ihre Bedeutung oder aber auch ihren Neuheitsgrad (inkrementale vs. radikale/disruptive Innovationen) bestimmen (vgl. Kempf et al. 2007, S. 216, 219; Zabel 2009, S. 129 f.). Die ökonomische Analyse und Konzeptualisierung von Innovationen stellt den bisher am weitesten entwickelten und umfangreichsten Forschungskorpus (vgl. Dogruel 2013, S. 138), jedoch lässt sich die angedeutete Komplexität einer Innovation nur unter Berücksichtigung unterschiedlicher (Forschungs-)Domänen erfassen. Bereits Schumpeters Beschreibung wirtschaftlicher Entwicklung als Durchsetzung neuer Kombinationen (vgl. Abschnitt 4.1.1), welche als initiale
4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität
173
Definition von (Prozess-)Innovationen gilt (vgl. z. B. Brodbeck 2008, S. 18; Thome 2008, S. 28; Zabel 2009, S. 131), erweitert nicht nur die ökonomische Perspektive auf Innovationen, sondern eröffnet letztlich unterschiedliche, über die ökonomische Perspektive hinausreichende Anwendungsbereiche (vgl. Dogruel 2013, S. 251) und damit Raum für die Spezifizierung eines soziologischen oder auch künstlerisch-kulturellen Innovationsbegriffs (vgl. Zabel 2009, S. 134). Dogruel (2013, S. 138) berücksichtigt Innovationskonzepte unterschiedlicher Forschungsstränge, um letztlich im Rückgriff auf die ökonomische und soziologische Innovationsforschung Medieninnovationen als „multi-level social negotiation process“ (Dogruel 2015, S. 162) zu definieren (vgl. zur Definition von Medien- und Fernsehinnovationen Abschnitt 5.2.2). Grundsätzlich zeigen sich in der Differenzierung und der Spezifizierung unterschiedlicher Innovationsformen zahlreiche Parallelen zur Definition von Kreativität. Hierin liegt eine Wurzel für die Synonymisierung der Begriffe. Dennoch lässt sich Innovation als ein breiteres – wenn auch nicht komplexeres – Konzept als Kreativität beschreiben (vgl. Küng 2008b, S. 149): Der Kreativitätsbegriff betont die menschliche Leistung (vgl. Disselkamp 2012, S. 53), ohne dabei die Einbettung in einen direkten Interaktionskontext (d. h. ein Team) und einen weiteren sozialen Kontext (z. B. Arbeitsbedingungen, gesellschaftliche Bedingungen) außer Acht zu lassen. Der Innovationsbegriff wiederum legt die Betonung auf betriebliche bzw. institutionelle oder gesellschaftliche Prozesse. Bereits darin drückt sich aus, dass beide Begriffe in unterschiedlichen Forschungstraditionen beheimatet sind – Kreativität in der Psychologie, Innovation in der Betriebswirtschaftslehre (vgl. Küng 2008b, S. 149). In der vorliegenden Studie geht es um Kreativität und weniger um Innovation. Sie greift auf die Tradition der Kreativitätsforschung zurück und modelliert Kreativität als soziale Praktik(en) aus einer prozessualen Perspektive. Der Fokus liegt damit auf der Mikro- in ihrer Kopplung zur Mesoebene und weniger auf der Meso- in der Kopplung zur Makroebene wie bei Innovationen, die sich immer im Bezug zum (Gesamt-)Markt als solche beweisen müssen. Dennoch bleiben Fragen zur Innovationsdefinition und zum Innovationswettbewerb (vgl. Abschnitt 5.2.2) in der Fernseh(unterhaltungs)produktion für die Argumentation von Interesse, auch wenn Kreativität als sich in sozialen Praktiken entfaltend kein Synonym für Innovation darstellt und ebenso nicht (unbedingt) linear in einer Innovation mündet. Einer ergebnisbezogenen Betrachtungen von Innovationen – als innovative Produkte – folgend ist es durchaus folgerichtig und logisch, Kreativität als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für Innovationen zu bezeichnen (Becker et al. 2010, S. 108; vgl. Fröhlich 2008, S. 154). Nicht alles Kreative mündet jedoch in einer Innovation. Kreativität impliziert immer
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4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
auch ‚Trial-and-Error‘ (vgl. auch Brodbeck 2008, S. 23) und Freiheit in gegebenenfalls sehr engen Strukturen, die aus Perspektive einer höheren Ebene (des Endprodukts) nicht mehr als solche wahrnehmbar ist: Einzelne Prozesselemente und (Teil-)Ergebnisse eines Prozesses können als kreativ gelten, ohne dass das Gesamtergebnis/Endprodukt als innovativ gilt (vgl. Karow 2011, S. 215).
4.3.3
Management von Kreativität als betriebliche Ressource
Wenn Kreativität an den Innovationsbegriff gekoppelt wird, wird sie als Innovationsquelle zu einer Ressource, die jedes Unternehmen dauerhaft braucht, weil Innovationen wiederum seine Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten (vgl. Disselkamp 2012, S. 15; Mühlemeyer und Ripp 2013, S. 229; Hentschel 2013, S. 161; vgl. auch Abschnitt 4.3.2). Damit verheißt Kreativität insbesondere für das Management „alluring prospect“ (Bilton 2011, S. 205). Kreativität spielt dabei nicht nur als Vorstufe einer Invention und/oder Produktinnovation eine wichtige Rolle, sondern im Sinne einer entrepreneurial creativity allgemein. Dies zeigt sich beispielsweise in einem Wandel des Business Process Management hin zu sozialen Faktoren – auch hin zu Kreativität (vgl. Karow 2011, S. 1). Die Ökonomisierung der Kreativität verweist folglich auf den Wunsch, Kreativität einer Planung und gezielten Gestaltung zu unterwerfen. Ziel ist es, Trial-and-Error-Prozesse zu stoppen, weil sie als zu ineffizient gelten (vgl. Hentschel 2013, S. 162 f.). Ausdruck dieses Rationalisierungswunsches ist der Einsatz von Kreativitätstechniken wie Brainstorming, Brainwriting, Mind Mapping u. a. (für eine Darstellung unterschiedlicher Methoden siehe z. B. Disselkamp 2012, S. 101 ff.; Hentschel 2013, S. 165; Mühlemeyer und Ripp 2013, S. 237 ff.). Unbenommen der Kritik an entsprechenden Techniken – insbesondere das Brainstorming wurde dafür kritisiert, dass es, wenn überhaupt, die Quantität, aber nicht die Qualität von Ideen in die Höhe treibe (vgl. Bilton 2009, S. 27; Hennessey 2003, S. 186; Nijstad et al. 2003, S. 153 f.; Zysno und Bosse 2009, S. 125, 127) – ist die Frage, ob sie (ähnlich stellt sich dies für die Messmethoden dar, vgl. Abschnitt 4.1.2) tatsächlich Kreativität fördern und produzieren oder nicht vielmehr nur ein Element von Kreativität, beispielsweise Ideensammlung und assoziatives Denken. Qua definitionem lässt sich Kreativität als etwas Neues, noch nicht Existentes schließlich nicht planen. Gegenstand von Planung können höchstens Elemente sein, von denen angenommen wird, dass sie Kreativität in bestimmten Kontexten fördern können (vgl. Abschnitt 4.2). Kreativität selbst wird einer Steuerung erst dann zugänglicher, wenn sie gekoppelt an spezifische Träger als betrieblich Ressource modelliert und dadurch
4.3 Die Ökonomisierung der Kreativität
175
greifbarer wird. Die Literatur zur ressourcenbasierten Strategielehre charakterisiert Unternehmensressourcen, die einen Wettbewerbsvorteil begründen können. Sie gibt damit auch Hinweise darauf, wie Kreativität aussehen muss, d. h. welche Form sie annehmen muss (vgl. Barney 1991; 2001), um in eine nachhaltig verwertbare Kernkompetenz von strategischem Wert konvertiert werden zu können (vgl. Wirtz 2009, S. 62). Nachhaltig verwertbar und folglich nachhaltig strategisch wertvoll ist eine Unternehmensressource dann, wenn sie strukturellen Wandel auf Markt- und Unternehmensebene überlebt; vielmehr noch, wenn sie es einem Unternehmen ermöglicht, den Dynamiken des Marktes erfolgreich zu begegnen. Miller und Shamsie (1996) haben in ihrer ressourcenorientierten Analyse für die Hollywood-Filmbranche herausgearbeitet, dass das Wissen um den Umgang mit Kreativität tatsächlich eine solche, nachhaltig wertvolle Unternehmensressource darstellt. Diese Schlüsselfolgerung leiten sie von einer Differenzierung zwischen eigentums- und wissensbasierten Ressourcen ab. Eigentumsbasierte Ressource werden durch Eigentumsrechte, wissensbasierte Ressourcen durch Wissensbarrieren vor Imitation durch andere Unternehmen geschützt (vgl. ebd., S. 521). Jeder dieser beiden Ressourcentypen kann die Form einer diskreten, d. h. für sich allein stehenden, oder aber systemischen, d. h. in ein Ressourcennetzwerk eingebundenen, Ressource annehmen (vgl. Küng 2008b, S. 116). Nach Miller und Shamsie (1996, S. 527) verlieren eigentumsbasierte Ressourcen, wenn sich Märkte und Branchen wandeln, schnell an Wert. Wissensbasierte Ressourcen hingegen „may actually help a firm adapt its offerings to a changing environment […]“. (Ebd.) Es sind folglich wissensbasierte Ressourcen und dabei insbesondere systemische wissensbasierte Ressourcen, die ein Medienunternehmen braucht, um sich im Wettbewerb zu behaupten (vgl. ebd., S. 538). Spezifiziert für die Filmindustrie „the discrete knowledge-based resources of each studio lie in the creative and technical skills that it has been able to build up“. (Ebd., S. 532, Herv. d. Verf.) Die Fähigkeit eines Unternehmens, diese Expertise zu integrieren und zu koordinieren, macht aus diesen diskreten Ressourcen systemische Ressourcen (vgl. ebd., S. 527). Systemische Ressourcen sind jene, die eine Kernkompetenz des Unternehmens begründen (vgl. Küng 2008b, S. 116). Aus dieser Argumentation lässt sich die Schlussfolgerung ableiten, dass die Fähigkeit zur Integration und Koordination von Kreativität in der Form von kreativer Expertise eine Kernkompetenz von Medienunternehmen darstellt. Kreative Expertise ist an die Medienschaffenden gekoppelt und drückt sich in ihrer Interaktion aus (vgl. Gander et al. 2007, S. 607 f.). Abgeleitet von den unterschiedlichen Trägern von Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.1.2), kann letztere über ein Personal-, Prozess- und Produktmanagement gesteuert und geplant werden. In den Fokus rückt dabei das Management des Personals, weil letzteres Kreativität verkörpert (vgl. Bergener und Voigt
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4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
2012, S. 167) und dadurch materialisiert. Die benannten Managementbereiche bleiben dabei jedoch interdependent, weil der Personaleinsatz als Aufbauorganisation immer auch Ablauforganisation impliziert und die Produktentwicklung auf einen Prozess verweist, der – dies gilt für die personenbasierte Medienbranche in besonderem Maße (vgl. Abschnitte 3.2.2 und 5.3.3.4) – durch das Wissen, die Fertigkeiten und die Vision des Personals vorangetrieben wird (vgl. für Empfehlungen zum Kreativitätsmanagement in der Fernsehunterhaltungsproduktion Abschnitt 7.2).
4.4
Paradoxität der Kreativität
Kreativität hat qua definitionem einen paradoxalen Charakter. Mit Schmidts (1988) Worten ist die Hypothese einer „Paradoxalität als durchgehende Struktur von kreativen Leistungen“ (ebd., S. 38 f.) das „konsensfähige[.] Resultat bisherigen Nachdenkens über Kreativität“ (ebd, S. 38). Die Anerkennung dieses Merkmals und damit die Adoption einer paradoxalen Perspektive auf Kreativität, erlauben es, ihre diversen, konkurrierenden und teils antonymen Definitionsmerkmale miteinander zu verknüpfen, statt sie einander gegenüber zu stellen. Darauf aufbauend lässt sich ein Analyseraster für Paradoxien der Kreativität entwickeln. In diesem Raster zeigt sich die Paradoxität des Kreativen auf unterschiedlichen Ebenen: Auf Ebene des Phänomens selbst (und dabei differenziert nach Trägern: Person, Produkt, Prozess, Organisation) und auf Ebene jener Kontexte, denen viel Kreativität zugeschrieben wird. Eine Paradoxie „denotes contradictory yet interrelated elements – elements that seem logical in isolation but absurd and irrational when appearing simultaneously“ (Lewis 2000, S. 760; vgl. auch Kaudela-Baum et al. 2014, S. 43; Smith und Lewis 2011, S. 387). In ihrer Simultaneität sind diese Elemente trotz ihrer Unvereinbarkeit unaufspaltbar, da sich die Paradoxie dadurch auflösen würde (vgl. Engel 2009, S. 118). Die Spannung zwischen den Elementen kann in und aufgrund ihrer Interdependenz nicht durch eine Wahl der einen oder anderen Seite aufgelöst werden (vgl. Lüscher und Lewis 2008, S. 229). Die vorliegende Arbeit folgt einem breiten Paradoxie-Begriff, der auch Ambiguität einschließt, nicht aber den Widerspruch, und so die Untrennbarkeit gegensätzlicher Elemente betont (vgl. Engel 2009, S. 117 f.). Ein Paradoxon ist gekennzeichnet durch eine „Unvereinbarkeit zwischen Elementen“ (ebd., S. 118) – ähnlich wie der Widerspruch, der für gegensätzliche Elemente steht, die jedoch, anders als in der Paradoxie nicht simultan bestehen müssen, sondern entscheidbar differenziert werden können (vgl. ebd.). In diesem Sinne ist Kreativität ein Paradoxon. Dies
4.4 Paradoxität der Kreativität
177
impliziert nicht, dass keine analytische Trennung – diese ist ja mit der Definition von Abweichung (neu) einerseits und Anpassung (angemessen) andererseits (vgl. Abschnitt 4.1.1) bereits verbalisiert – möglich wäre. Solch eine Trennung ist tatsächlich auch praktisch anwendbar, wenn z. B. das Management in Organisationen Strategien der Differenzierung anwendet, um Paradoxien zu bewältigen (vgl. Lüscher und Lewis 2008, S. 236; auch Abschnitt 5.3.1.3). Zugleich könnte man argumentieren, dass es ja durchaus möglich wäre, Angemessenheit und Neuheit isoliert voneinander zu betrachten und als in sich geschlossene Einheiten anzusehen. Dies ist sicherlich richtig, nur sind diese Elemente dann nicht mehr Elemente von Kreativität, weil letztere nur durch die untrennbare Kopplung beider existiert. Diesen Sachverhalt soll die paradoxale Sichtweise auch für jene dualen Konzeptionen (z. B. neu und wertvoll) von Kreativität betonen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt als Antonyme erscheinen. Kreativität selbst repräsentiert ein Paradoxon, vielmehr noch aber evoziert sie vielfältige Paradoxien und Situationen der Paradoxität, d. h. des ParadoxSeins. Tabelle 4.1 stellt im Überblick die Paradoxien der Kreativität dar und zeigt damit, wie und wo genau dieser Charakter auf die Träger und auf den Erörterungsgegenstand dieser Arbeit durchdrückt: Kreative Arbeit, kreative Industrien und das zwischen diesen eingebettete Kreativitätsmanagement lassen sich über unterschiedliche Paradoxien analysieren und definieren. Grundsätzlich können Paradoxien folglich, wie bereits angedeutet, als ein Element von Kreativitätsdefinition gefasst und für unterschiedliche Träger in ihrer Paradoxität spezifiziert werden (vgl. dazu auch die Aufschlüsselung paradoxaler Dimensionen nach Träger und Prozessschritt durch Cropley und Cropley 2012, S. 38). Auf prozessualer Ebene – diese bezieht sich in ihrem Ursprung häufig auf mentale Prozesse, ist aber auch auf Ebene interaktionaler Prozesse ermittelt worden – vereint Kreativität Divergenz und Konvergenz, Schaffen & Zerstören, Ordnung & Chaos (vgl. Cropley und Cropley 2012, S. 34; Holm-Hadulla 2013, S. 298; Klausen 2010, S. 355). Die Erfassung dieser Paradoxien profitiert von einer interdisziplinären Betrachtung, da sie über unterschiedliche Disziplinen hinweg, wie es sich im eingangs aufgeführten Zitat von Schmidt (1988, S. 38 f.) bereits spiegelt, als charakteristisch für Kreativität wahrgenommen werden. Die Kreativitätsforschung „is marked by contradictory findings that are nonetheless simultaneously true“ (Cropley und Cropley 2008, S. 356). Kreativität ist nur möglich, wenn Einzelpersonen, Teams und Organisationen die Paradoxien tolerieren (vgl. Bilton 2007, S. 23). Auf Ebene des Individuums verweisen einige Forscher*innen auf die Ambiguitätstoleranz als zentrale Eigenschaft kreativer Personen (vgl. Schmidt 1988, S. 46; Wagner 2003, S. 80 f.). Ambiguitäts- oder auch Ambivalenztoleranz stehen für Ansätze, Techniken und
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4
Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Tabelle 4.1 Paradoxien der Kreativität (1) Paradoxien in Kreavitätsdefinionen
„Paradoxalität als durchgehende Struktur von kreaven Leistungen“ (Schmidt 1988, S. 38f.)
(1a) Paradoxien der Standarddefinion; Träger: Produkt
qua definionem ist Kreavität Abweichung (neu) und Anpassung (angemessen) zugleich
(1b) Paradoxien zwischen Regelbefolgung und Regelbrechung; Träger: Prozess
Konvergenz & Divergenz; Schaffen & Zerstören (vgl. Cropley und Cropley 2012, S. 34; Klausen 2010, S. 355) » Prozessierung von Paradoxien (vgl. Holm-Hadulla 2013, S. 298)
(1c) Kreavität erfordert Tolerierung von Paradoxien; Träger: Person, Team, Organisaon
Auf Ebene der Person & auf Ebene der Organisaon (vgl. Bilton 2007, S. 23) Ambiguitätstoleranz als Eigenscha Kreaver (vgl. Wagner 2003, S. 80f.); auch Schmidt (1988) spricht von „bewußten [sic!] Ambiguitätstoleranzen“ (ebd., S. 46)
(1d) paradoxale Persönlichkeit als Voraus- kreaves Handeln = „Offenhalten der Instabilität kogniver Prozesse“ (Schmidt 1988, S. 47); vgl. setzung für Kreavität; Träger: Person auch Cropley und Cropley 2008, S. 359f.; Cropley und Cropley 2012, S. 34; Csikszentmihalyi 1995
(2) Paradoxien in der kreaven Arbeit (2a) Paradoxon der Selbstverwirklichung... ...als Basis der Selbstausbeutung (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 7) » normave Sicht (2b) Paradoxien der Identätsregulierung (2c) Paradoxien in Kollaboraonen
geschäliche schälic vs. arssche Identät verstanden als synergesch (vgl. Gotsi et al. 2010) schäli
(2c-1) „dual identy“ als Lösung des Problems „distance paradox“ = „coupling or de coupling creave id d all ide iden and roune work“ (Cohendet und Simon 2007, S. 598) (2c-2) interdisziplinäre kreave Kollaboraonen sind paradoxal, weil sie auf Kooperaon und Konflikt gleichermaßen basieren (vgl. Chan et al. 2011, S. 176) (2c-3) Konkurrenz und Vertrauen in Zusammenarbeit (vgl. Paterson 2010, S. 6f. ) (2c-4) Autonomie sowohl des Individuums als auch der Gruppe wirken auf den Gruppenzusammenhalt und die Gruppeneffekvität (vgl. Langfred 2000, S. 581) (2c-5) Diversität notwendig, um webewerbsfähig zu sein, aber Risiko (siehe 2c-2) (vgl. DeFillippi et al. 7 51 7, S. 514; 5 2007, Basse-Jones 2005)
(3) Paradoxien kreaver Branchen (3a) Paradoxien der Produkonsorganisaon
(3a-1) Paradoxon: „temporary enterprises sustaining a permanent industry“ (DeFillippi und Arthur 1998, S. 128) » über Projektnetzwerke aufgelöst (vgl. Windeler und Sydow 2001, S. 1052) (3a-2) Gander et al. 2007: Gefahr der Ressourcenkontaminaon
(3b) Dualität der Feldlogik
(3b-1) „cultural form“ & „economic commodity“ (Cantor 1988, S. xxxi; vgl. Kapitel 5.4) zugleich (3b-2) „paradoxical twist“ » „in order for culture to be sold it must be shown to be (parally) external to the economic system“ (Nicoli 2010, S. 28) (3b-3) ökonomische Logik bedroht arssche Logik (vgl. Eikhof und Haunschild 2007, S. 534ff.)
(3c) Paradoxales Verhältnis zwischen Mikro- Divergenz der Feldlogik drückt sich aus in Habitus vs. Feld; Handeln vs. Struktur und Mesoebene; zwischen Mikro- und In Ind Individuum (Kreavität) vs. Organisaon (Ökonomie) (vgl. Kapitel 4.3.1 und 4.3.2) Makroebene Ku Kun Kunsreiheit auf Makroebene vs. Selbst-Ökonomisierung der Künstler*innen (vgl. Eikhof und Haunschild 2007, S. 529) (3d) Paradoxon des Webewerbs
(5a) Webewerb, der Freiheit garaneren soll, führt in der kulturellen Produkon zu Uniformität (vgl. Bourdieu 2005, S. 44)
eme e en ge (4) Paradoxien und Kreavitätsmanagement on (4a) Paradoxien DES Managements von Kreavität » Management selbst als paradoxal
„die an sich unverfügbare, unberechenbare Kreavität [als] […] Gegenstand der Planung und Berechnung.“ (Petersen 2003, S. 184) » Effizienzsteigerung & mehr Kontrolle würde der Kulturund Kreativwirtscha die Basis ihres Daseins entziehen (vgl. Banks 2010, S. 317)
(4b) Paradoxien IM Management von Kreavität » Paradoxien, die dem Management begegnen
(4b-1) Notwendigkeit einer Balance von ‚high‘ und ‚low management pressure‘ im kreaven Prozess (vgl. Cropley und Cropley 2012, S. 34) (4b-2) nicht die medialen Produkte, sondern das Management der Produkon ist kreav, weil es g Gegensätze und Spannungen vereinbaren muss (vgl. Bilton 2007, S. 20) Am Ambidextrie als Lösung für Spannung zwischen ‚facilitang creavity’ und ‘economic viability’: ( aadaptability ambidexterity; (2) alignment ambidexterity (vgl. Wu und Wu 2016) (1)
(4c) Paradoxien des Managements allgemein
Quelle: eigene Darstellung
Pa Paradoxität des performing, belonging und organizing im Management organisaonalen Wandels (Lüscher und Lewis 2008; Lüscher et al. 2006) » Notwendigkeit einer paradoxical lens (vgl. Lewis 2000, S. 774; Lüscher und Lewis 2008, S. 231; Smith und Lewis 2011, S. 398)
4.4 Paradoxität der Kreativität
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Instrumente, über die Führungspersonen divergente Anforderungen an ihre Tätigkeit in Einklang bringen können (vgl. Kaudela-Baum et al. 2014, S. 45; vgl. dazu auch Lüscher et al. 2006, S. 493; Lüscher und Lewis 2008, S. 230). Der Unterschied in der Anwendung eines paradoxalen Ansatzes im Unternehmensmanagement allgemein im Vergleich zur Betrachtung von Kreativität und dem Management von Kreativität im Spezifischen ist jedoch, dass Paradoxien der Kreativität nicht aufgelöst werden dürfen, wenn man Kreativität erhalten will. Demgegenüber sollen Paradoxien des Managements auf lange Sicht häufig (dies gilt nur eingeschränkt für das Innovationsmanagement) beseitigt werden, wenngleich sie zum bestehenden Zeitpunkt ggfs. nicht auflösbar erscheinen und daher als solche angenommen werden sollten. Diese Notwendigkeit des Erhalts des Paradoxalen wird beispielsweise deutlich in Schmidts (1988) Beschreibung einer paradoxalen Persönlichkeitsstruktur als Voraussetzung für Kreativität. Grundsätzlich verortet er dabei Kreativität in „den kognitiven Mechanismen“ (ebd., S. 41) des Individuums. Die Arbeitsweise des Gehirns basiere auf Konnektivität (vgl. ebd., S. 41 f.). Immer „wenn Konnektivitätserweiterungen von externen Beobachtern als unerwartet erkannt und bewertet werden, können sie vom Beobachter in Bezug auf seine Erwartungsstandards als ‚kreativ‘ erfahren werden“ (ebd., S. 45). Vereinfacht gesagt: Unerwartete kognitive Leistungen sind kreative kognitive Leistungen. Zu letzteren ist das Individuum fähig, wenn es Differenzen und Asymmetrien nicht nur ausbalanciert, sondern Paradoxalitäten basierend auf „bewußten [sic!] Ambiguitätstoleranzen produktiv […] macht“ (ebd., S. 46). Kreativität bedeutet also, Paradoxalitäten der kognitiven Operationen zu nutzen, um Neues herzustellen – und das über die notwendige Gleichgewichtsherstellung hinaus. Davon leitet Schmidt eine Definition kreativen Handelns ab, welches er versteht „als (bewußtes [sic!] oder unbewußtes [sic!]) Offenhalten der Instabilität kognitiver Prozesse“ (ebd., S. 47). In Schmidts Beschreibung der paradoxalen Persönlichkeitsstruktur (vgl. auch Cropley und Cropley 2008, S. 359 f.) passen die Einsichten Maslows (1973), der einem persönlichkeitszentrierten Ansatz von Kreativität folgend über kreative Menschen sagt: „Sie sind alle Integratoren, imstande, Getrenntes und sogar Gegensätzliches zu einer Einheit zu verschmelzen“ (ebd., S. 145). Genauso wie Csikszentmihalyi (1995) hat Maslow (1973, S. 145) ermittelt, dass kreative Menschen Eigenschaften vereinen, die unvereinbar scheinen, z. B. Egoismus und Selbstlosigkeit, Zurückhaltung und Ambition. Cropley und Cropley (2012, S. 34) differenzieren diese Eigenschaften in einer Metaanalyse bisheriger Forschung zusammenfassend aus: Kreative vereinen demnach konvergentes und divergentes Denken, reaktive und proaktive Motivation, adaptive und innovative Persönlichkeiten sowie bewahrende und generative Gefühle.
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Anknüpfend an das Erkenntnisinteresse dieser Analyse, die sich auf Prozesse des Kreativ-Seins in einem spezifischen organisationalen Kontext richtet, treten jene Paradoxien in den Fokus, die für die Kreativitätsträger in eben solch einem Kontext gelten. Folglich geht es wesentlich um als paradoxal ermittelte und beschriebene Charakteristika kreativer Arbeit (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 2). Der Blick auf die kreative Arbeit rückt die analytische Ebene der Individuen und jene des Teams (d. h. die Mikroebene in ihrem Übergang zur Mesoebene) in den Vordergrund. Kreative Arbeit ist in besonderer Weise an intrinsische Motivation gekoppelt (vgl. Abschnitt 4.2.1) und kann über diese Selbstverwirklichung erwirken, die sich – paradoxerweise – letztlich aus einer Selbstausbeutung speist (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 7; ausführlicher dazu Abschnitt 5.3.2). Über ihre potenzielle (Rück-)Wirkung auf die persönliche und berufliche Motivation, die Wahrnehmung guter, befriedigender Arbeit sowie persönlichen Glücks (vgl. Baudson und Dresler 2008, S. 12; Banks und Hesmondhalgh 2009, S. 417 f., Sternberg et al. 1997, S. 17 f.) und zugleich als Ausdruck des Persönlichen und der Persönlichkeit (vgl. auch Abschnitt 5.3.1) wirkt Kreativität im Arbeitskontext auf die Identität der Menschen. Grundsätzlich sehen sich Organisationsmitglieder u. U. mit der Herausforderung konfrontiert, persönliche und berufliche oder auch unterschiedliche berufliche Identitäten in ihrer Beziehung zueinander auszuhandeln (vgl. Alvesson und Willmott 2002). In der kreativen Arbeit geht es dabei um den Widerstreit und die notwendige Balance zwischen kreativer und geschäftlicher Identität (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Ein paradoxaler Ansatz kann helfen, diese Identität als synergetisch wahrzunehmen (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 799). Cohendet und Simon (2007, S. 598) betrachten eine „dual identity“ als Lösung für das Problem des „distance paradox“. Der Begriff der ‚dualen Identität‘ meint dabei, dass Projektbeteiligte zwar in einzelnen Projekten arbeiten, sich jedoch zugleich ihrer projektübergreifend bestehenden ‚kreativen Community‘ – gemeint ist damit äquivalent zu Berufsrollen die Unterscheidung zwischen Drehbuchautor*innen, Spieledesigner*innen, Programmierer*innen etc. als je eigene ‚Community‘ (vgl. ebd., S. 590) – verbunden fühlen (vgl. ebd., S. 598). Das Distanzparadoxon verweist auf die Tatsache, dass Unternehmen versuchen, das problematische Verhältnis von Kreativität einerseits und Effizienz andererseits darüber zu lösen, dass kreative Aufgaben von Routineaufgaben gelöst werden. In ihrer Studie zu einem Videospiel-Unternehmen übertragen die Autoren diese Paradoxität der Aufgaben auf „the routine works required in the management of projects“ einerseits „and the creative works done within communities“ (ebd., S. 599) andererseits. Projektmanagement erscheint damit als Routinetätigkeit, der Austausch in der Community wiederum als Kreativität, weil letzterer den Austausch von Erfahrungen und Ideen innerhalb der eigenen Profession und beruflichen Rolle ermöglicht. Über die duale
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Identität ist es den Individuen möglich, ihre kreativen Aufgaben und Routineaufgaben zu vereinen. Die duale Identität, die in sich bereits paradox ist, hilft damit, die Paradoxität des Aufgabenfeldes fruchtbar zu machen. Paradoxitäten kreativer Arbeit gründen insbesondere in der kollaborativen Arbeitsweise, die eine Vielzahl kreativer Arbeitsfelder (inklusive der Unterhaltungsproduktion, vgl. Abschnitte 3.2.4, 5.1 und 5.3) charakterisiert. Chan et al. (2011, S. 176) beschreiben interdisziplinäre kreative Kollaborationen auf Basis einer ethnografischen Untersuchung der Zusammenarbeit zwischen (Computer-) Wissenschaftler*innen und Künstler*innen (New Media Artists) als paradoxal, weil sie auf Kooperation und Konflikt gleichermaßen (vgl. auch Smith und Berg 1987) basieren. Ähnlich findet sich in den Arbeitsbedingungen kreativ Tätiger (im Fernsehen) das Paradoxon, dass sie in der auf Freiberuflichkeit basierten Branche in ständiger Konkurrenz zu den anderen stehen, für Rekrutierung und Zusammenarbeit zugleich jedoch Vertrauen notwendig ist (vgl. Paterson 2010, S. 6 f.; vgl. auch Abschnitt 5.3.2.2). Nicht auf kreative Arbeit beschränkt, aber auch auf sie anwendbar ist das, was Langfred (2000, S. 581) als ‚Paradoxon des Selbstmanagements‘ beschreibt: Für kollaborative Arbeit besteht die Notwendigkeit, die Autonomie sowohl des Individuums als auch der Gruppe zu fördern und entsprechend auszubalancieren, weil beide Elemente zugleich auf den Gruppenzusammenhalt und die Gruppeneffektivität wirken. Explizit für kollaborative Produktion kreativer Produkte gilt, dass die Teams aus stets neuen, in sich hoch diversen personellen Kombinationen bestehen müssen – allein schon, um die spezifischen Bedürfnisse eines Produktionsprojekts nachfrageorientiert befriedigen zu können (vgl. Abschnitt 3.2.4), insgesamt aber, um wettbewerbsfähig zu sein. Zugleich sind neue Personenkonstellationen jedoch stets ein Risiko, weil sie nicht bewährt sind und die Heterogenität Ursprung für Spannungen sein kann (vgl. DeFillippi et al. 2007, S. 514; Bassett-Jones 2005). Die dynamische und fluktuative Konstitution von Teams schafft, obwohl sie Notwendigkeit und Risiko zugleich ist, auf Ebene der organisationalen Netzwerke tatsächlich Beständigkeit: Temporäre Kollaborationsnetzwerke gewährleisten die Kontinuität kreativer Branchen (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 3a). Das Paradoxon der „notion of temporary enterprises sustaining a permanent industry“ (DeFillippi und Arthur 1998, S. 128) wird mit der strukturationstheoretischen Konzeption von Projektnetzwerken aufgelöst (vgl. für die Interdependenz von Branchen- und Netzwerkpraktiken Windeler und Sydow 2001, S. 1052; zu Projektnetzwerken insgesamt Abschnitt 3.2.4). Gander et al. (2007) beschreiben am Beispiel der Musikindustrie ein weiteres Paradoxon der Medienproduktion, welches sich auf der Intersektion zwischen intra- und interorganisationaler Ebene befindet: Die
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typische netzwerkartige Kooperation der kreativen Branche kann in einem Paradoxon münden, wenn sich ergänzende Ressourcen zugleich einander feindlich („hostile“) gegenüberstehen, z. B. wenn die Unterschiedlichkeit beider Partner, die die Zusammenarbeit erst sinnvoll macht, durch die Zusammenarbeit nivelliert wird (vgl. ebd., S. 610, 619). Im Allianzmanagement geht es folglich darum, wie die Diversität zusammengebracht und zugleich für den jeweiligen Partner bewahrt werden kann – ein sehr anspruchsvolles Unterfangen, weil sich die Diversität aus weichen Faktoren (Wissen, auch Produktions- und damit Produktwissen) speist (vgl. ebd., S. 620). Die geschilderten Paradoxien interorganisationaler Zusammenarbeit ergeben sich aus der Art der Arbeits- und Produktionsorganisation und nicht vorrangig aus der Tatsache, dass es sich um kreative Kollaborationen handelt, wenngleich die Multidimensionalität der Ansprüche an kreative Leistung eben genau solch eine Kollaborationsform begünstigt. Hebt man den Blick auf die Ebene des Gesamtfeldes, d. h. betrachtet man kreative Branchen globaler, so tritt ein übergreifendes, die Branche konstituierendes Paradoxon zutage (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 3b). Das oben beschriebene Spannungsverhältnis der Definitionskriterien von Kreativität mit der Abweichung/Neuheit auf der einen und der Anpassung/Angemessenheit auf der anderen Seite wird in einer Cultural Industries-Perspektive auf die Dichotomie von kreativ (neu) vs. kommerziell (angemessen) übertragen, wobei das Verhältnis dieser beiden Begriffsduos zueinander nicht gänzlich parallel ist – schließlich ist „kreativ“ bereits eine Kopplung von Neuheit und Angemessenheit. Spricht man von einer kreativen bzw. artistischen neben einer kommerziellen Logik lässt sich jedoch im Sinne der Bourdieu’schen Feldtheorie (vgl. auch Abschnitt 2.2.1) ein Kontinuum zwischen diesen beiden Logiken konzipieren. Das heißt: Was im Feld passiert, changiert zwischen den beiden Logiken. Die Betonung der einen Seite zu Ungunsten der anderen Seite ist denkbar. Die Kopplung lässt sich im paradoxalen Sinne aber nicht lösen. Produkte der kreativen Branchen sind „cultural form“ und „economic commodity“ (Cantor 1988, S. xxxi; vgl. Abschnitt 5.4) zugleich. Nicoli (2010, S. 28) spricht von einem „paradoxical twist“, wonach „in order for culture to be sold it must be shown to be (partially) external to the economic system“. Dies leitet sich genau aus jenem Funktionsprinzip des Feldes ab, das Bourdieu für die kulturelle Produktion beschreibt (vgl. Abschnitt 2.2.1.2): Demnach ziehe das Feld der Kunst seine Glaubwürdigkeit grundsätzlich aus „seiner materiellen Uninteressiertheit“ (Bourdieu 2001, S. 342). In Feldern kommerzialisierter Kulturproduktion ist diese Uninteressiertheit jedoch zugleich zwangsweise an ein (wenngleich nach außen hin gegebenenfalls verstecktes) Interesse an der Ökonomie gekoppelt. Mitunter kann die ökonomische Logik die artistische Logik auch bedrohen, womit sich das Feld selbst in Frage
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stellen könnte: Die Vermarktung artistischer Motivation läuft Gefahr, eben diese zu zerstören, weil es mit der Vermarktung schwerer wird, den artistischen Wert eines Werkes zu legitimieren (vgl. Eikhof und Haunschild 2007, S. 534 ff.). Die Divergenz der Feldlogik drückt sich zumeist aus im Verhältnis von Habitus und Feld, von Handeln und Struktur. Konkret bildet sich das Paradoxon dann im Verhältnis von Mikroebene auf der einen und Meso-/Makroebene auf der anderen Seite ab (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 3c). Die Individuen gelten – dies spiegelt sich in der Definition der Branche über den schöpferischen Akt des Individuums (vgl. Abschnitt 4.3.1) – als Träger der Kreativität, während die Medienorganisation vereinfacht gesprochen das Ökonomische vertritt, weil sie vom Prinzip der Wirtschaftlichkeit abgeleitete Sollensvorgaben spiegelt (vgl. Altmeppen 2006, S. 34 f., basierend auf Schimank 1996, S. 246 f.): Der Kreative will kreativ sein und sich gestalterisch ausleben; das Unternehmen setzt dem Grenzen, konstituiert Zwänge und stellt Anforderungen, damit dieses gestalterische Ausleben monetarisiert werden kann. DeFillippi fasst dies als „creative autonomy versus corporate control“ (2009, S. 14). So eingängig diese idealtypische Dichotomie auch erscheint, so vereinfachend ist sie. Tatsächlich haben die Feldakteur*innen die Kommerzialität ihrer kreativen Arbeit verinnerlicht (vgl. Abschnitt 5.3.3). Und dennoch ist ein konfliktäres Verhältnis nicht auszuschließen (vgl. Abschnitt 5.3.1). Interessant ist, wenn und dass der Widerstreit zwischen Kreativität auf individueller und Ökonomie auf organisationaler Ebene auf den ersten Blick absurderweise verkehrt werden kann, wenn die Individuen Strategien der Selbst-Ökonomisierung anwenden, während ihnen organisational und gesellschaftlich künstlerischer Freiraum gewährt wird. Diese Paradoxie haben Eikhof und Haunschild (2007, S. 529) empirisch ermittelt für die Beziehung von Kunstfreiheit des Theaters zur SelbstÖkonomisierung von Schauspieler*innen. Das paradoxale Verhältnis zwischen der Autonomie des Individuums und der Interdependenz der Individuen als Teil einer Organisation, genauso wie der Interdependenz zwischen Organisationen lässt sich über die enge Kopplung von Habitus und Feld (vgl. dazu auch Dederichs und Florian 2004, S. 90) genauso wie über die Beziehung von Handeln und Struktur in einem „action::structure paradox“ (Poole und van de 1989, S. 564) theoretisch klären. Bereits darin wird die Angemessenheit dieser theoretischen Perspektive für eine Betrachtung der Fernsehunterhaltungsproduktion (als Feld kreativer Produktion) hervorgehoben (vgl. Abschnitt 6.1). Die Problematik, die entsteht, wenn die ökonomische Logik des Feldes die kreativ-künstlerische verdrängt, bildet sich auch in einer Art Paradoxon des Wettbewerbs ab, auf das Bourdieu (2005, S. 44) verweist. Er stellt fest, dass der vorrangig ökonomisch induzierte Wettbewerb, der ja Freiheit garantieren soll, in
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
der kulturellen Produktion zu Uniformität führe. Trotz der Polemik, die zuweilen hinter seinen Ausführungen steht (vgl. dazu Bourdieu 1998b), bedeutet diese Sichtweise für das Management von Kreativität (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 4a), dass Tendenzen der Effizienzsteigerung und zunehmender Kontrolle in der Lage sind, den kreativen Branchen letztlich die Basis ihres Daseins zu entziehen (vgl. Banks 2010, S. 317). Die Aufmerksamkeit, die der Kreativitätsbegriff in der Wirtschaft bekommt „ist in sich paradox: Sie macht die an sich unverfügbare, unberechenbare Kreativität zu einem Gegenstand der Planung und Berechnung“ (Petersen 2003, S. 184). In diesem Sinne ist das Kreativitätsmanagement paradoxal, zugleich begegnet es als Management von Kreativität diversen Paradoxien (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 4b). Das Management kreativer Prozesse muss laut Cropley und Cropley (2012, S. 34) eine Balance zwischen ‚high‘ und ‚low management pressure‘ halten, d. h. Offenheit für Fehler suggerieren, keinen zeitlichen Druck ausüben, neue Perspektiven belohnen und zugleich Lösungswünsche klar umreißen, Deadlines setzen und genaue Ergebnisse erwarten (vgl. auch Gebert et al. 2010). Bilton (2007, S. 20) geht sogar so weit, für die Medienproduktion zu behaupten, nicht die Medienprodukte, sondern das Management der Produktion sei kreativ, weil es Gegensätze und Spannungen vereinbaren müsse. Ein Lösungsansatz für den Umgang mit diesen Divergenzen, die sich in einer paradoxalen Kopplung nicht auflösen, sondern nur begleiten lassen, ist die Ambidextrie (auch „Beidhändigkeit“) (vgl. z. B. Kaudela-Baum et al. 2014, S. 43 f.). Ambidextrie betont Parallelität, während ein Paradoxon die Simultaneität hervorhebt. Die Ambidextrie ist die Kopplung von Widersprüchen, Paradoxie ist widersprüchliche Kopplung. Sie ist gerade für das Management kreativer Branchen ein wertvoller Ansatzpunkt, weil sie die Ansprüche der Branche in ihrer Divergenz erfasst (vgl. z. B. auch Maijanen und Virta 2017). Damit werden konkrete Ansatzpunkt für das Management sichtbar. Vor diesem Hintergrund sind die Vorschläge von Wu und Wu (2016) zu betrachten, die explizit für „creative industry organisations“ die Ansätze einer (1) „adaptability ambidexterity“ sowie einer (2) „alignment ambidexterity“ vorschlagen. Ersterer Ansatz, die ‚AdaptibilitätsAmbidextrie‘, erlaubt es Unternehmen, Koordination und Kontrolle auf der einen Seite mit Kreativität auf der einen Seite abzustimmen. In diesem Zusammenhang bezieht sich die Förderung der Kreativität auf die Exploration neuer Produkte für den zukünftigen Erfolg, während parallel dazu die aktuelle Produktion (also die alltägliche Kreativität, vgl. Abschnitt 5.1) angemessen erschlossen werden muss (vgl. ebd., S. 2389). Die ‚Angleichungs-Ambidextrie‘ wiederum bezieht sich auf die Gegenwart, die aktuelle Situation des Unternehmens und den Anspruch, Kreativität in der Entwicklung mit der ökonomischen Umsetzbarkeit und den ökonomisch vorgegeben Rahmenbedingungen des Entwickelns und Produzierens zu
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harmonisieren (vgl. ebd., S. 2388). Insbesondere im Ansatz der AdaptibilitätsAmbidextrie wird implizit bereits deutlich, warum Ambidextrie über kreative Branchen hinaus als wertvoller Ansatz für das Innovationsmanagement gilt (vgl. Andriopoulos und Lewis 2009; Kaudela-Baum et al. 2014, S. 66 ff.; Markides und Chu 2009). Der Ansatz beschreibt Strategien, die es einem Unternehmen ermöglichen, das aktuelle Geschäft und die altbewährte Existenzgrundlage zu sichern und sich zugleich zu erneuern, um auch in Zukunft bestehen zu können (vgl. z. B. O’Reilly und Tushman 2013). Er wird daher, genauso wie eine paradoxale Perspektive, auf organisationales Handeln und das Management von Unternehmen insgesamt angewandt, besonders jedoch auf Betrachtungen organisationalen Wandels. Damit schließt sich der Kreis zur Definition organisationaler Kreativität (vgl. Abschnitt 4.3.1) als Wandlungsfähigkeit (vgl. z. B. Basadur 2004, S. 104) und der Tatsache, dass die Grenzen zwischen Studien, die sich mit organisationaler Kreativität, Innovationen und Organisationswandel beschäftigen, häufig verwischen (vgl. auch Abschnitte 4.2.2 und 4.3.2). Dies bedeutet zugleich, dass Studien zu organisationalen Paradoxien, die nicht explizit Kreativitätsmanagement oder kreative Branchen in den Blick nehmen, dennoch ebenfalls auf genau diese Bereiche anwendbar sind (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 4c). Lüscher und Lewis (2008) sowie Lüscher et al. (2006) beschreiben unterschiedliche Paradoxien im Management organisationalen Wandels, die die oben beschriebenen teilweise aufgreifen oder verallgemeinern: Paradoxien des „performing“ beziehen sich auf die Ebene der (Führungs-)Rollen (vgl. Lüscher und Lewis 2008, S. 230, 236) und konkret darauf, wie „contradictory demands disrupt self-conception“ (Lüscher et al. 2006, S. 493). Paradoxien des „belonging“ beziehen sich auf die Teamebene, z. B. die Frage, wie Teamgefühl geschaffen, Gemeinsamkeiten gestärkt werden und Diversität zugleich aufrechterhalten und fruchtbar gemacht wird (vgl. Lüscher und Lewis 2008, S. 231). Paradoxien des „organizing“ wiederum liegen quer zu den anderen beiden Aspekten, weil sie allgemeiner das Spannungsverhältnis zwischen dem Neuen und dem Bestehenden bezeichnen (vgl. ebd., S. 233). Wenn das Management diese Paradoxien nicht als solche benennt, sondern vielmehr eine paradoxale Perspektive annimmt – Paradoxie als ‚Linse‘ statt als Label (vgl. auch Lewis 2000, S. 774; Smith und Lewis 2011, S. 398) – kann sie einen praktikablen Umgang, eine „workable certainty“ (Lüscher und Lewis 2008, S. 235) damit schaffen. Die paradoxale Perspektive setzt den Fokus weg vom Denken in Dilemmata und einem Entweder/Oder auf die Verknüpfung der Elemente (vgl. ebd., S. 229, 231). In dieselbe Richtung argumentieren – darauf wurde oben bereits verwiesen – Gotsi et al. (2010, S. 782 f., 799 f.) für das Identitätsmanagement in der kreativen Arbeit (vgl. Abschnitt 5.3.1.3).
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
In der Beschreibung all diese Paradoxien kommt jeweils ein unterschiedliches Konzept, ein unterschiedlicher Bezugspunkt oder ein unterschiedliches Verständnis von Kreativität zu tragen. Paradoxien sind Merkmal von Kreativität und ihren Trägern ebenso wie Ergebnis von Kreativität. Die meisten der dargestellten Paradoxien ergeben sich, weil kulturelle Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.4) ökonomischen Bedingungen unterworfen wird. Einige Paradoxien (vgl. Tabelle 4.1, Punkt 1, 2c, 4c) gelten jedoch auch für andere Kreativitätsformen, wie z. B. die „entrepreneurial creativity“, zu der in einem breiten Verständnis das Management organisationalen Wandels gehört.
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Kreative Praxis und kreatives Handeln
Die in dieser Arbeit verwendeten praxistheoretischen Konzepte liefern auch selbst Definitionen von und Diskussionen über Kreativität. Diese Konzepte bzw. Debatten sollen im Folgenden kurz skizziert werden, um aufzuzeigen, dass die vorliegende Arbeit Kreativität als (raum-zeitlich-sachlich begrenzbare) soziale Praxis, jedoch nicht als grundsätzlichen Modus sozialer Praxis versteht. Es sind genau diese beiden Sichtweisen auf Kreativität, die sich praxistheoretisch herleiten lassen (vgl. Schäfer 2012, S. 20): Zum einen lässt sich die Offenheit, Variabilität und Unberechenbarkeit der Praxis als kreatives Potenzial jeglicher Praxis deuten. Zum anderen wird Kreativität – eine prozessuale Perspektive auf letztere betonend – als soziale Praxis, als Komplex spezifischer Praktiken im Vollzug konzipiert. Ein kreatives Potenzial, das jegliche Praxis grundsätzlich durchzieht, deutet Bourdieu an, wenn er seinen Habitus gegenüber den oben bereits erwähnten (vgl. Abschnitt 2.2) Starrheitsvorwürfen als „generative, um nicht zu sagen kreative Kapazität“ (Bourdieu und Wacquant 1996, S. 154) verteidigt. Entsprechend haben einige Autoren den Vorwurf an Bourdieu, sein Habitus stehe für einen versteckten Strukturalismus, hinsichtlich der Frage diskutiert, wie ‚kreativ‘ der Habitus denn sei und wie viel ‚Kreativität‘ letztlich in ihm stecke (vgl. Bongaerts 2007; Ebrecht 2004; Passoth 2012; Saalmann 2012; Schäfer 2012). Der Habitus, wie Bourdieu ihn konzeptualisiert, als zwar begrenztes System von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata von jedoch unbegrenzter Variabilität (vgl. Abschnitt 2.2.1.1), „[funktioniert] nicht als Regelautomat […] [des Handelns, Anm. d. Verf.], sondern als mehr oder minder kreativer Generator einer unzählbaren Vielfalt von […] sozialen Praktiken“ (Bongaerts 2007, S. 255, Herv. d. Verf.). Saalmann (2012, S. 101) unterstreicht dieses Argument mit Verweis auf eine Definition von Kreativität als etwas, das an Vorhandenes anknüpfe – als Rekombination
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des Bestehenden oder aber als gänzlich Neues, das dennoch auf Vorhandenem basiere. Der Habitus biete nun ein solch breites Repertoire an Vorhandenem, dass auch viel Variation möglich sei: „Je komplexer die Struktur, desto größer kann eine Neuerung sein, ohne den Bestand des Gesamten in Frage zu stellen – und welches strukturierte System könnte umfangreicher sein, als eine gesamte Lebensweise, die vom strukturierten Habitus geprägt ist?“ (Ebd., S. 101 f.)
Interessant erscheint in der Betrachtung der Kreativität „als einer grundlegenden Kompetenz jeglichen menschlichen Handelns“ (Schäfer 2012, S. 20) die Relation von Routine und Gewohnheit zur Kreativität. Routine und Kreativität – in einem allgemeinen Verständnis ließen sich diese Begriffe leicht als Gegensatzpaare modellieren: Das Übliche, Reguläre, Alte, Bekannte gegen das Neue. Solche eine Gegenüberstellung ist aus praxistheoretischer Perspektive jedoch keineswegs zwingend oder gar sinnvoll. Routine ist ein Schlüsselbegriff, weil Grundcharakteristikum der Praxistheorie (vgl. Abschnitte 2.1 und 2.3). Routine ist zugleich ein Begriff, der in Abgrenzung zur Kreativität implizit eine zentrale Rolle spielt, wenn Kreativität als solche über das Betreten neuer Pfade und die Entwicklung neuer Lösungswege im Gegensatz zum Beschreiten des gewohnten, bekannten (Lösungs-)Wegs definiert wird (vgl. Amabile 1983, S. 360, vgl. Abschnitt 4.2.1). Dies stellt sich für eine praxistheoretische Betrachtung jedoch abhängig von der Ebene der Praxis, auf der Kreativität angesiedelt wird, anders dar. Wenn Routine die Praxis grundlegend charakterisiert und jegliche Praxis zugleich kreatives Potenzial birgt, sind Routine und Kreativität praxistheoretisch keine Gegensatzpaare (vgl. Schäfer 2012, S. 17 f.), sondern gekoppelt: „If routine is a central element of the autonomy of the developing individual, it follows that the practical mastery of how to ‚go on‘ in the contexts of social life is not inimical to creativity, but presumes it and is presumed by it.“ (Giddens 1991, S. 40 f.)
Passoth (2012) stellt dazu fest: „Der kontingente Vollzug von Praxis realisiert immer beides [Kreativität und Routine, Anm. d. Verf.] zugleich.“ (Ebd., S. 52) Diese Feststellung Passoths findet sich in einem Vergleich der Bourdieu’schen Sichtweise auf Kreativität mit der pragmatistischen Theorie der Kreativität des Handelns von Joas (1992). Der (amerikanische) Pragmatismus, „which grounded human activity in habits“ (Schatzki 2001a, S. 8), gilt als ein „formative context“ (ebd.) der praxistheoretischen Denkweise. Interessanterweise beschreibt Joas den Pragmatismus als „eine Theorie situierter Kreativität“ (Joas 1992, S. 197, Herv.
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
i. O.). Er richtet sich mit seiner Theorie gegen die Zweckrationalität als Hauptmotiv des Handelns (vgl. Kron 2010, S. 135) und hebt ein kreatives Potenzial im menschlichen Handeln hervor. Joas’ zentraler Gedanke ist, „daß [sic!] sich den vorherrschenden Handlungsmodellen des rationalen und des normativ orientierten Handelns ein drittes Modell hinzufügen läßt [sic!], für das sich die Rede vom kreativen Charakter menschlichen Handelns empfiehlt“ (Joas 1992, S. 15, Herv. i. O.).
Joas schlägt vor, „Kreativität als analytische Dimension allen Handelns zu verstehen. Kurz: Alles Handeln ist potentiell kreativ“ (Kron 2010, S. 136, Herv. i. O.), aber nicht zwangsläufig. Tatsächlich kreativ ist es dann, wenn routiniertes Handeln auf Wiederstände stößt (vgl. ebd., S. 137 f.). In so einem Fall muss sich das Handeln umstrukturieren (vgl. Joas 1992, S. 196). Diese Umstrukturierung ist kreative Problemlösung. Wenn die Umstrukturierung gelingt, ist ein neuer Handlungsmodus entstanden, der zur Routine werden kann (vgl. Kron 2010, S. 137 f.). Laut Passoth ist das primäre Ziel von Kreativität Joas’ Position folgend „daher nicht die Schöpfung, sondern die (Wieder-)Herstellung von Routine durch ein experimentelles Durchspielen unterschiedlicher Lösungen für das so aufgetretene Problem“ (Passoth 2012, S. 51). Kreativität ist damit der Schritt zurück zur Routine (vgl. ebd., S. 52). Mit dem Unterschied einer, wie oben schon für Bourdieu benannt, simultanen statt sequenziellen Logik von Routine und Kreativität erlaubt die praxistheoretische Perspektive es äquivalent zur pragmatistischen Sichtweise von Joas, Handeln im Vollzug als grundsätzlich kreativ zu beschreiben. Variabilität und Abweichung trotz Routine gründet im impliziten Wissen, das die „Akteure mit Kreativitätspotenzialen [versorgt]“ (Bongaerts 2007, S. 249). In einer strukturationstheoretischen Sichtweise verortet Wyss (2016, S. 269) Kreativität in der Reflexivität der Handelnden. Diese Annahme einer der Praxis inhärenten Kreativität gilt unabhängig davon, ob nun Bourdieus Habitus im Spezifischen genug Variabilität zugestanden wird, um ihn als kreativ zu bezeichnen – Saalmann (2012, S. 102) bilanziert beispielsweise, dass Bourdieu durch seinen Fokus auf Reproduktion trotz beschriebener Variabilität des Habitus der Kreativität zwar ‚ihr Recht‘, jedoch nur wenig Raum einräume. Relevant für die vorliegende Arbeit erscheint an dieser Stelle, dass ein Konzept, welches Kreativität als grundsätzlichen Handlungs- oder Praxismodus begreift, zu breit ist und zu allgemeingültig definiert wird, um besonders kreative Tätigkeitsbereiche oder auch spezifische schöpferische Leistungen, „neue Kunstwerke, neue Erkenntnisse, neue Lebensformen“ (Passoth 2012, S. 52) zu erklären (vgl. ebd.). Das Verständnis von
4.5 Kreative Praxis und kreatives Handeln
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Kreativität als Grundmodus des Handelns bzw. der Praxis findet seine Entsprechung in Beschreibungen eines ‚small c‘ (vgl. Abschnitt 4.1.3), wonach „anything we do throughout the day that isn’t completely scripted involves some amount of creativity“ (Sawyer 2006, S. 29). Das erklärende Potenzial solch eines Konzepts für spezifische Tätigkeitsbereiche ist begrenzt. Einen Ansatz, dieses Potenzial zu erweitern, liefert Knorr Cetina (2001), die Tätigkeiten und Organisationen in den Fokus nimmt, „where practice is creative and constructive“ (ebd., S. 175). Paradebeispiel ist für sie die Wissenschaft. Solche Felder sind charakterisiert durch „knowledge-centered practice“ (ebd., S. 175) oder auch „epistemic“ practice (vgl. ebd., S. 176, 178 ff.). Diese wissenszentrierten und damit schöpferischen oder auch kreativen Praktiken zeichnen sich durch eine besondere Subjekt-ObjektBeziehung aus. Während in Routine-Praktiken Subjekt und Objekt eins werden (ein*e Autofahrer*in macht aus dem Auto ein unproblematisches Mittel zum Zweck, über das er*sie sich keine Gedanken machen muss, während die Konzentration dem Straßenverlauf gilt), zeichnen sich wissenszentrierte Praktiken durch eine Trennung von Subjekt und Objekt aus. Das Objekt wird wieder sichtbar. Diese sichtbare (Wissens-)Objekt verfügt über spezifische Eigenschaften: „Objects of knowledge are characteristically open, question-generating and complex. They are processes and projections rather than definitive things.“ (Ebd., S. 181) Wissensobjekte stellen sich „als ständige, kreativ zu beantwortende irritative Herausforderungen dar“ (Reckwitz 2003, S. 285). Als solche motivieren sie die Subjekte, sich in kreativen Praktiken damit auseinanderzusetzen. Knorr Cetina (2001) beschreibt einen Ansatz, der zwischen der Beschreibung einer grundsätzlichen Fähigkeit der Praxis zur Kreativität und der Konzeption von Kreativität als spezifischer Praxiskomplex steht. Jedoch lässt sich argumentieren, dass sie nicht Praxis im Grundsatz, sondern spezifische Praxiskomplexe beschreibt, schließlich sind spezifische Subjekt-Objekt-Relationen wohl kaum durch einzelne Praktiken repräsentiert. Die Beziehung eines Subjekts zu Wissensobjekten als einer Projektion induziert vielfältige Praktiken. Rücken spezifische, als besonders kreativ bewertete oder antizipierte Tätigkeitsbereiche in den Fokus, geht es nicht mehr um die Kreativität der Praxis, sondern um Kreativität als Praxis. Diese Betrachtung erscheint als viel versprechend, weil sie die Möglichkeit eröffnet, eine dynamische, prozessuale Perspektive einzunehmen und zugleich Struktur als kreativitätsrahmend und kreativitätsermöglichend zu skizzieren (vgl. z. B. Fulton und McIntyre 2013; Müller 2015; Raetzsch 2015) – eine insbesondere für die Managementforschung attraktive Sichtweise, die Zugänge zum Management und zur Steuerung von Kreativität sucht (vgl. Fortwengel et al. 2017). Die Modellierung von Kreativität als soziale
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Praxis erlaubt es, die Paradoxität der Kreativität als ihr Definitionskriterium aufzugreifen: Eine praxistheoretische Sichtweise hilft, das action::structure paradox (vgl. Poole und van de 1989, S. 567 ff.) aufzulösen. Analytisch greifbarer wird Kreativität als Praxis, wenn sie „als eine konkrete Verdichtung unterschiedlicher Praktiken innerhalb eines sozial-räumlichen Settings“ (Krämer 2012, S. 112) konzeptualisiert wird. „Um sie als ein soziologisch zu beschreibendes Phänomen fassbar zu machen, ist es produktiv, Kreativität, Spontaneität und Improvisation nicht zu einem handlungstheoretischen Problem zu machen, sondern als Effekt bestimmter Arrangements sozialer Praxis zu verstehen.“ (Passoth 2012, S. 47)
Damit fällt der Fokus auf die zweite Facette einer praxistheoretischen Betrachtung – weg von Kreativität als allgemeiner Dimensionen menschlichen Handelns hin zur „Kreativität als einer spezifisch ausgewiesenen, in besonderen sozialen Kontexten ausgeübten Praxis“ (Schäfer 2012, S. 20). Welche diese Kontexte sind, ist mitunter über Knorr Cetinas Konzept offener, unvollständiger Objekte greifbar. Diese sind eher Projektionen denn Bestehendes. Die Sichtweise ist auf die Medienproduktion übertragbar, da Medienprodukte im Produktionsprozess ebenfalls zunächst nur Projektionen sind. Die Konzeption von Kreativität als Praxis vollzieht auch Krämer (2012; 2014) in seiner Untersuchung von Arbeitsprozessen zweier Werbeagenturen. In teilnehmenden Beobachtungen untersuchte er mit einem besonderen Fokus auf die Kreation die Arbeitsweisen der in der Werbeagentur tätigen Personen. Der theoretischen Prämisse folgend, dass „die Aktivitäten der Akteure selbst […] Aufschluss darüber geben, was als kreativ zu gelten hat und was nicht“, analysierte er „die konkrete Arbeitspraxis innerhalb dieses Feldes“ (Krämer 2012, S. 113, Herv. i. O.). Sein Fokus richtete sich folglich darauf, wie Kreativität in einem organisationalen, ökonomischen Kontext hergestellt wird (vgl. auch Krämer 2014, S. 359 ff.). Er untersuchte, „welche Praktiken, Mechanismen und Prinzipien daran beteiligt sind, dass ein ‚kreatives‘ Produkt entsteht“ (Krämer 2012, S. 113). Seine Betonung des Kreationsprozesses zeigt, dass das Ausfüllen einer Produktprojektion wesentlich für die Bestimmung des Kreativen im Prozess war. Die Studie kommt folglich nicht ohne eine ex ante Definition von Kreativität und die Antizipation kreativer Prozesse aus. Die theoretische Konzeption und empirische Beschreibung von Kreativität als (Arbeits-)Praxis ist konzeptionell verwandt mit Konzepten kreativer Arbeit. Kreative Arbeit bzw. kreatives Arbeiten wird in Studien, die Kreativität in organisationalen Kontexten analysieren, produktionsprozessorientiert definiert über eine ergebnisoffene, innovationsintensive Tätigkeit, die unabhängig vom Produkt (ob
4.5 Kreative Praxis und kreatives Handeln
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Waschmaschinen oder audiovisuelles Filmdesign) als kreativ bewertet wird (vgl. auch die Assoziation von Kreativität mit Innovation, Abschnitt 4.3.2). Es geht um unternehmerische Prozesse, die mit Forschungs- und Entwicklungs- sowie Produktdesigntätigkeiten assoziiert werden (vgl. z. B. Amabile und Kramer 2011; Gotsi et al. 2010; Mumford et al. 2002, S. 707). Andere Studien leiten kreative Arbeit im Kontrast dazu produktabhängig von der Tätigkeit in spezifischen Branchen ab (vgl. z. B. Bakhshi et al. 2012; Banks und Hesmondhalgh 2009; Caves 2003; Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 2; Movitz und Sandberg 2009; Paterson 2010). Kreative Arbeit ist hier assoziiert mit dem Begriff der Kulturund Kreativwirtschaft (vgl. Abschnitt 4.3.1). In beiden Fällen sind Tätigkeiten namensgebend, die mit Gestaltungsspielraum assoziiert werden. Ausgehend von der Annahme, dass kreatives Arbeiten nur einen, wenngleich wesentlichen Teil der Tätigkeit repräsentiert, sprechen einige Autor*innen auch von ‚kreativitätsintensiver‘ oder ‚kreativintensiver‘ Arbeit (vgl. Becker et al. 2010; Movitz und Sandberg 2009; Seidel 2011; vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.1). Im Kern begründet damit schöpferische Praxis den Begriff kreativer Arbeit. Gerade in Assoziation mit der Kultur- und Kreativwirtschaft ist der Begriff kreativer Arbeit zugleich aber an spezifische Vorstellungen von Arbeitskonstellationen und -bedingungen gekoppelt. Auch Krämer (2014, S. 54 ff.) definiert Kreativarbeit als Arbeitsmodell, das sich über das Produkt, das Arbeitssubjekt und die Organisation spezifizieren lässt. Kreativarbeit betont beispielsweise die kognitiven Leistungen der Arbeitenden (Produkt), ist durch eine Flexibilisierung der Erwerbsformen geprägt (Arbeitssubjekt) und zumeist projektbasiert organisiert (Organisation) (mehr dazu vgl. Abschnitt 5.3.2). Konzipiert man Kreativität als soziale Praxis, knüpft man implizit an den Forschungskorpus zur kreativen Arbeit an und begründet kreative Arbeit und kreatives Arbeiten äquivalent zu den besonders in Studien zu den Cultural Industries verwendeten Definitionen. Wenngleich alle hier beschriebenen Ansätze darauf verweisen, dass sich Kreativität in irgendeiner Art und Weise im Tun der Menschen ergibt, formiert, darstellt oder ausdrückt, erweist sich die Konzeption von Kreativität als Praxis als besonders fruchtbar für die vorliegende Betrachtung. Krämers (2012; 2014) Ansatz, dass das Tun der Akteur*innen ‚selbst‘ Aufschluss darüber gibt, was Kreativität ist, erscheint in besonderem Maße mit einer konsensualen Kreativitätsdefinition aus dem Feld heraus kompatibel: Kreative Praxis ist jene, die Feldvertreter*innen als kreativ bewerten. Kreativität wird in dieser Arbeit daher modelliert als ein feldspezifisches Konstrukt, das sich in und aus sozialen Praktiken ergibt (vgl. Abschnitt 6.2).
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4.6
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
Zusammenfassung: Kreativität als Beobachterkonzept
Die vorliegende Analyse geht aufgrund der Feldspezifität und Subjektivität von Kreativität nicht davon aus, dass es eine Kreativität gibt, deren spezifische Elemente jeweils über „Detailforschung“ (Dresler 2008, S. 17) eruiert werden sollten. Stattdessen lassen sich – mit den Worten Dreslers – „viele[.] verschiedene[.] Phänomene[.], die auf vielfältige Weise einander ähnlich und miteinander verwandt sind“ (ebd.) mit dem Begriff der Kreativität fassen. Die hier erörterte Kreativität ist folglich ein spezifisches Phänomen, welches im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion den Namen Kreativität trägt. Die theoretische Spezifikation des Kreativitätsbegriffs in diesem Kapitel liefert dabei vielfältige, potenzielle (Beschreibungs-)Kriterien dieses Phänomens. Kreativität ist objektiv nicht greifbar. Versuche, Kreativität objektiv zu fassen, kranken bereits an ihrer Operationalisierung. Amabile (1982) hat daher eine konsensuale Definition von Kreativität entwickelt (vgl. Abschnitt 4.1.2): Danach ist eine Leistung dann kreativ, wenn sie von Expert*innen – Personen, die sich in einem Feld auskennen – als solche bewertet wird. Die Idee hinter dieser methodischen Umsetzung ist die Grundidee auch dieser Arbeit: Kreativität ist ein ‚Beobachterkonzept‘. Was als Kreativität beschrieben wird, hänge beispielsweise auch von den theoretischen Vorannahmen und Wertvorstellungen der Forschenden ab (vgl. Schmidt 1988, S. 39 f.). „An diese Beobachtung läßt [sic!] sich die Empfehlung anschließen, Kreativität bewußt [sic!] als Beobachterkonzept zu behandeln. Die Frage, ob jemand kreativ ist, erscheint müßig. Relevant ist, ob eine Leistung oder eine Person als kreativ beobachtet und behandelt werden.“ (Ebd., S. 40, Herv. i. O.)
Kreativ ist folglich nur, was von außen als kreativ bewertet wird – es sei denn, man nimmt „zu sich selbst bewußt [sic!] eine Beobachterperspektive“ (ebd.) ein. Die Bewertungen sind dabei nicht objektiv, sondern historisch, kultur- und gruppenspezifisch und affektiv bedingt (vgl. ebd.). Trotz allem kann auch solch eine Perspektive nicht auf eine Definition von Kreativität verzichten (vgl. Amabile 1983, S. 360). Diverse Kreativitätsforscher*innen beschreiben wenn auch nicht dasselbe Phänomen, dann doch etwas sehr Ähnliches. Damit wird die Kreativitätsforschung zu einem breiten Fundus an Kreativitätsmerkmalen, die u. U. auf das hier betrachtete Phänomen Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion angewandt werden können. Wie lässt sie Kreativität demnach beschreiben? Die Standarddefinition (vgl. z. B. Klausen 2010, S. 349) der Kreativitätsforschung beschreibt Kreativität als
4.6 Zusammenfassung: Kreativität als Beobachterkonzept
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Neuheit oder Einzigartigkeit in Verbindung mit Nützlichkeit (vgl. z. B. Plucker et al. 2004, S. 88). Nur in Verknüpfung ergeben die beiden Elemente Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.1). Daneben charakterisieren einige Autor*innen Kreativität über das Überwinden bzw. Brechen von Regeln bei gleichzeitiger Einhaltung gewisser Normen – schließlich muss die Leistung, um als kreativ zu gelten, nützlich bleiben. Demnach prägen Paradoxien die Beschreibung und Analyse von Kreativität (vgl. Abschnitt 4.4). In Betrachtungen von Kreativität schwingen stets Konflikte und Paradoxien mit – Konflikte zwischen organisationalen Strukturen und individuellen Absichten (vgl. Eikhof und Haunschild 2007, S. 529), zwischen Rollen, zwischen unterschiedlichen Identitäten einer Person (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 799) und Paradoxien in Kollaborationen (vgl. Chan et al. 2011, S. 176) und im Management (vgl. Petersen 2003, S. 184). Kreativität zu analysieren bedeutet folglich, Gegensätzlichkeit als konstitutives Element zu akzeptieren. Kreativität knüpft an Bestehendes an und kann auch durch Rekombination konstituiert werden. Die Frage, wie weit sich Kreativität vom Bestehenden entfernen muss und darf, um als Kreativität zu gelten, obliegt dem Urteil domänenerfahrener Expert*innen. Ergänzend gibt die Differenzierung unterschiedlicher Ebenen von Kreativität Hinweise auf den notwendigen und auch maximalen Neuheitsgrad einer als kreativ zu qualifizierenden Leistung (vgl. Abschnitt 4.1.3). Anknüpfend an die Abstufungen von Kreativität lassen sich für die kommerzielle Kulturproduktion unterschiedliche Formen von Kreativität unterscheiden. Besonders fruchtbar für diesen Betrachtungsgegenstand erscheint aufgrund der engen Assoziation des Kreativitäts- mit dem Kulturbegriff (vgl. Abschnitt 4.1.4) der Begriff einer kulturellen Kreativität – ergänzt durch das Konzept einer unternehmerischen Kreativität, die auf die Tendenz, den Kreativitätsbegriff über Konzepte einer Kreativwirtschaft zu ökonomisieren, verweist (vgl. Abschnitt 4.3). Kreativität ist keine Eigenschaft einer Person, sondern ein soziales Phänomen. Als Träger von Kreativität gelten daher neben der Person oder einer Personengruppe auch das Produkt, der Prozess und die Umgebung (vgl. Abschnitt 4.1.1.2). Amabile (1983) hat in ihrem Komponentenmodell beschrieben, welche Elemente Kreativität auf Ebene des Individuums bedingen und beeinflussen (vgl. Abschnitt 4.2.1). Davon unberührt bleibt die Annahme, dass Kreativität ein soziales Konstrukt ist und als solches durch den Kontext und die Situation co-konstituiert wird (vgl. Abschnitt 4.2.2). Kreativität ist ein sozialer, multidimensionaler Prozess. Die Komplexität des Phänomens setzt voraus, dass die vier Träger von Kreativität und daran gekoppelt auch alle drei Ebenen der Produktion (Mikro, Meso, Makro) berücksichtigt werden. Kreativität ist soziale Praxis, ob nun in Interaktion mit anderen Menschen oder aber in Interaktion mit Artefakten. Sie schließt Anwendung mit ein und ist daher kein rein mentaler Prozess. Eine
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Kreativität: Theoretische Konzepte und empirische Verortung
praxistheoretische Perspektive auf das Phänomen verdeutlicht, dass das Individuum und seine Position im Feld eine wichtige Rolle für das Verständnis und das Ausüben von Kreativität spielt (vgl. Abschnitt 4.5). Dieser Idee folgend wird Kreativität beobachtbar. Hierfür muss Kreativität in irgendeiner Art von Ergebnis für ein Individuum wahrnehmbar werden. Damit ist das Produkt als Träger von Kreativität für die Bewertung als kreativ immer von zentraler Bedeutung. Eine Person ist kreativ, wenn sie schon einmal etwas Kreatives geschaffen hat. Ein Prozess ist kreativ, wenn er etwas Kreatives hervorbringt. Das heißt nicht, dass immer nur das Produkt betrachtet werden kann und sollte. In einer Analyse von Kreativität ist es durchaus möglich, den kreativen Prozess zu fokussieren. Als kreativ kann dieser Prozess jedoch nur auf Basis seiner tatsächlichen oder auch antizipierten (Teil-)Ergebnisse beschrieben werden. Damit können auch Prozesse innerhalb spezifischer Tätigkeitsfelder, in denen in der Regel etwas Kreatives entsteht, als kreativ qualifiziert werden. Die Abhängigkeit vom sozialen Kontext impliziert, dass Kreativität feldspezifisch ist. In der Sprache vieler Kreativitätsforscher*innen ist sie domänenspezifisch. Etwas kann nur in Bezug auf eine bestimmte Domäne kreativ sein. Zu dieser Position passt die beschriebene Idee, dass Kreativität nur durch Bewertung entsteht bzw. besteht. Bewertungen können nur durch Vergleich und damit durch Bezug zu einem spezifischen, sozialen Kontext erfolgen. Nur auf Basis dieser Perspektive ergibt es beispielsweise Sinn, spezifische (Feld-/Domänen-) Expert*innen als legitime Bewerter*innen von Kreativität (in einem bestimmten Feld) zu betrachten. Diese Idee ist ein weiterer Grund, warum es adäquat ist, Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion aus praxistheoretischer Perspektive zu betrachten. Fernsehunterhaltungsproduktion wird dabei als spezifisches Praxisfeld verstanden (vgl. Abschnitt 6.1); Kreativität als Phänomen in diesem Feld (vgl. Abschnitt 6.2).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Die unterschiedlichen Kontexte, in denen Kreativität und (insbesondere unterhaltende) Medienproduktion empirisch und/oder theoretisch in Beziehung zueinander gesetzt werden, lassen sich entlang der drei zentralen Kreativitätsträger Prozess, Produkt und Person systematisch beschreiben. Es sind diese Träger – eingebettet in feldspezifische Strukturen – die einen Zugang zum Begriff der Kreativität erst möglich machen (vgl. auch Abschnitt 4.1.1) und verdeutlichen, dass Kreativität für die Fernsehunterhaltungsproduktion eine wesentliche Rolle spielt. • Prozess: Die Dimension des Prozesses richtet den Blick darauf, dass Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion den Produktionsprozess im Kern charakterisiert, jedoch nicht allein konstituiert. Es handelt sich treffender um kreativitätsintensive denn rein kreative Prozesse (vgl. Abschnitt 5.1.1). Insbesondere die Entwicklung von Sendungskonzepten gilt als hochgradig kreativ (vgl. Abschnitt 5.1.2). Dennoch braucht der kreative Prozess stets Rahmung und Management. Betriebswirtschaftlich ist der hohe Kreativitätsanteil schließlich eng gekoppelt an Unsicherheiten und Risiken des Prozesses (vgl. Abschnitt 5.1.3). • Produkt: Auf Ebene des Produkts verweist eine Kontextualisierung von Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion auf mehrere Facetten des Spannungsfeldes zwischen Fortsetzung/Fortbestand und Veränderung. Kreativität gründet in der Aneignung und Veränderung von Genre- und Gattungsprinzipien als domänenspezifischem Wissen (vgl. Abschnitt 5.2.1). Aus Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_5.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_5
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
diesen heraus kann sie in Fernsehinnovationen münden, wenngleich dies kein zwingender Moment ist und durch Standardisierungstendenzen der Branche – repräsentiert vorrangig durch die wachsende Bedeutung des Formathandels – relativiert wird (vgl. Abschnitt 5.2.2). Letztlich bleibt die Frage danach, ob ein Fernsehprodukt den Status einer kreativen Leistung oder Innovation erreicht hat, dabei stets eine Bewertungsfrage (vgl. Abschnitt 5.2.3) • Person: Die Rolle der Kreativität bildet sich in vielfältiger Art und Weise auf Ebene der Personen, d. h. über die Medienschaffenden selbst ab. Die Medienschaffenden begründen und nähren den die Kultur- und Kreativwirtschaft definierenden schöpferischen Akt (vgl. Abschnitt 5.3.1.4) mit ihren Tätigkeitsprofilen, den daran gekoppelten formalen Funktions- und informellen Handlungsrollen (vgl. Abschnitt 5.3.1.1). Eine hervorgehobene Rolle spielt in ihrem Wirken ihr Rollenselbstverständnis und die besondere, persönliche Beziehung zu den Produkten, die sie herstellen (vgl. Abschnitte 5.3.1.2 und 5.3.1.3). Darüber hinaus gehen die Medienschaffenden einer Arbeit nach, die sich als kreative Arbeit durch spezifische Eigenschaften auszeichnet (vgl. Abschnitt 5.3.2). Die Person als Kreativitätsträger verkörpert jedoch nicht nur jenes Element, das Kreativität ausführt, sondern ist auch die Definitionsinstanz des feldspezifischen Kreativitätsverständnisses. Für die Konzeption einer feldspezifischen Kreativität ist daher von zentraler Bedeutung, wie die Medienschaffenden selbst Kreativität definieren und wo sie sie im Feld verorten (vgl. Abschnitt 5.3.3). Die Spezifika dieser Kreativitätsträger im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion lassen sich über das potenziell konfligierende Verhältnis von Kreativität und Kommerz zusammenfassend skizzieren (vgl. Abschnitt 5.4).
5.1
Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
Ausgangspunkt einer Analyse und Beschreibung der Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativem Prozess sind ihr spezifischer Produktionsmodus, der auf beständiger Variation beruht, und – daran gekoppelt – die spezifischen Kulturguteigenschaften medialer Güter neben ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsgüter (vgl. Abschnitt 3.2.1). Der kulturelle Wert der Medieninhalte resultiert aus ihrem symbolischen Gehalt, d. h. in sie fließen Vorstellungen, Ideen, Visionen der Medienschaffenden ein (vgl. Fröhlich 2010a, S. 119 f.; Newcomb und
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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Alley 1982, S. 70). Medieninhalte werden gestaltet. Dieser Prozess der Gestaltung trägt wesentlich die Konnotation eines kreativen Prozesses. In den Worten einer kulturwissenschaftlichen Perspektive kommt darin eine „symbolic creativity“ (Hesmondhalgh 2013, S. 6) zum Ausdruck, die beständig von Bedarf ist, weil jedes einzelne Medienprodukt anders ist und damit einen ganz eigenen symbolischen Gehalt hat (vgl. auch Abschnitt 5.3.1). Jedes Medienprodukt, selbst wenn es anderen in den grundlegenden Konventionen ähnelt und damit einem spezifischen Genre und einer Gattung zugeordnet werden kann (vgl. dazu auch Abschnitt 5.2.1), unterscheidet sich von einem anderen – sei es im Thema, sei es in der Darstellungsart; selbst, wenn es sich um eine Formatkopie handelt und selbst, wenn der gleiche Inhalt dargestellt wird: Da schauspielerische und gestalterische Leistungen nie völlig identisch sind, ist auch das Produkt nicht dasselbe (vgl. z. B. Kiefer und Steininger 2014, S. 192 f.; Zabel 2009, S. 169). Auch jede Nachrichtensendung, die in der Struktur einheitlich und starr wirkt, ist jeden Tag anders, weil andere Themen erzählt werden. Dies gilt zunächst einmal unabhängig davon, ob ein*e Zuschauer*in das Gesehene als neu oder doch als irgendwie schon bekannt und daher ggfs. langweilig wahrnimmt – auch wenn über solche eine Bewertung wiederum eine Einordnung eines Medienprodukts als kreativ oder innovativ denkbar ist (vgl. Abschnitt 5.2.3). Damit unterscheidet sich mediale Produktion von der Produktion nicht-medialer (Konsum-)Güter, weil die Konsument*innen für letztere ggfs. die Wiederholung präferieren, d. h. jedes Mal das Gleiche wünschen, da dies beispielweise eben ihre Lieblingszahnpasta ist (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 194). Die Generierung und damit Gestaltung von Inhalten ist eine ‚fundamentale Aktivität‘ des Sektors, ein „raison d’être“ (Küng 2008b, S. 145, Herv. i. O.) der Medienproduktionsbranche. Kulturelle Produktion generiert einen „constant stream of unique (if often similar) products with severly limited life spans“ (DiMaggio 1977, S. 441). Die an diese Gestaltung gekoppelte permanente Variation jedes einzelnen Produkts und auch Produktelements im Produktionsprozess macht Kreativität auch aus einer medienökonomischen Perspektive zu einem ‚Teil der DNA‘ des Medienproduktionsalltags – so sehr, dass Kreativität (und Innovation) gar nicht explizit als Leistungen des Erstellungsprozesses herausgestellt werden (vgl. Küng 2007a, S. 27). Demnach ist Medienproduktion geprägt durch einen kontinuierlichen Zwang zur Neuerung (vgl. u. a. Kiefer und Steininger 2014, S. 188, 192 f.). Fröhlich (2008; 2010a) beschreibt zwei Facetten dieser beständigen (Er-)Neuerung mit den Begriffen des „Aktualitätsdrucks“ und des „Varianzdrucks“ (vgl. Fröhlich 2008, S. 152; Fröhlich 2010b, S. 22; 2010a, S. 120). Dabei bezieht sich der Aktualitätsdruck auf den Zwang zur Neuerung „innerhalb bestehender Rahmenkonzepte“ (Fröhlich 2010a, S. 120) – konkret geht es
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
z. B. in fiktionalen Sendungen um die Weiterentwicklung von Charakteren oder im Bereich der nonfiktionalen Unterhaltung um unterschiedliche Fragen und Kandidat*innen in Quizshows, neue Themen in Talkshows etc. Der Varianzdruck in der TV-Unterhaltungsproduktion besteht im Zwang zur beständig neuen Entwicklung von Sendungsformaten im Sinne neuer publizistischer Konzepte allgemein (vgl. auch North und Oliver 2010, S. 32) – nicht unbedingt auch gehandelter Formate (vgl. dazu Abschnitt 5.2.2.1): „In einer breiten Definition können Formate als Grundlage für die Herstellung jeder Art von Fernsehsendungen verstanden werden, denn ohne (Format-)Konzept kann keine Sendung produziert werden.“ (Fröhlich 2008, S. 152)
Der Varianzdruck richtet den Fokus auf die Ebene des End- oder auch eines Teilprodukts (z. B. im Falle eines Formates) und bildet die Grundlage für die Beschreibung des Branchenwettbewerbs als Innovationswettbewerb (vgl. mehr dazu in Abschnitt 5.2.2). Zugleich betont er die Rolle, die Kreativität in einem spezifischen Teilprozess der Sendungsproduktion spielt: der Sendungsentwicklung (vgl. Abschnitt 5.1.2). Darüber hinaus reicht die Bedeutung der Kreativität – dies deutet Fröhlich mit dem Begriff des Aktualitätsdrucks bereits an – in weitere Teilprozesse und folglich den Produktionsalltag allgemein hinein. Zwischen Aktualitäts- und Varianzdruck steht zudem die Möglichkeit und Notwendigkeit von Variationen bestehender Sendungskonzepte über eine schlichte Aktualisierung hinaus, um so das Publikumsinteresse trotz hoher Sendefrequenz zu erhalten (vgl. Wahbe 2012, S. 190 f.). Folglich sieht Küng Kreativität gar an die Routinen des Arbeitsalltags gekoppelt: „creativity is deeply embedded in many routine activities“ (Küng 2008b, S. 145; 2007a, S. 27).
5.1.1
Kreativitätsinseln: Pockets of Creativity in der Unterhaltungsproduktion
Eine systematische Analyse dieses beständigen Kreativitätsbedarfs leisten Studien, die in dem Forschungsprojekt „Management kreativitätsintensiver Prozesse“ (ManKIP) am European Center for Information Systems (ERCIS) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Kooperation mit dem Medien Management Institut an der Hochschule Fresenius in Köln (memi-Institut) entstanden sind und sich explizit mit einer Verortung und Dokumentation von Kreativität im Prozess der Film- und Fernsehproduktion beschäftigen. Obwohl das Projekt auf die Entwicklung einer Softwareinfrastruktur für kreativitätsintensive Prozesse
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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fokussiert, liefern die Erkenntnisse der darin entstandenen Studien detaillierte Einblicke in den Ablauf und die Prozesse der Fernsehproduktion. Zudem verorten die Studien Kreativität innerhalb des Prozesses, indem sie kreativitätsintensive Prozesse definieren und Kategorien von Eigenschaften spezifizieren, die diesen Prozess beschreiben (vgl. u. a. Seidel 2009; Karow 2011; Becker et al. 2012). Die Definition der Fernsehproduktion als kreativitätsintensiven Prozess stellt einen fruchtbaren Ausgangspunkt für die in dieser Arbeit eingenommene Prozessperspektive auf Kreativität dar. Wichtig für eine Bewertung der Studienergebnisse ist die Berücksichtigung der angelegten Kreativitätsdefinition. Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion definiert die ManKIP-Studie implizit entlang der auch in dieser Arbeit berücksichtigten Kreativitätsliteratur (vgl. Abschnitt 4.1) und insbesondere mit Verweis auf Definitionen zur Dualität von Kreativität (vgl. z. B. Karow 2011, S. 2; Seidel 2009, S. 1, 4 f., 17; Seidel et al. 2010b, S. 416). Ausgehend von dieser Definition bezeichnen die Forscher*innen beispielhaft „the development of computer games, visual effects, and marketing campaigns“ (Seidel et al. 2010b, S. 416) als kreative Prozesse. Sie knüpfen zugleich an die Charakterisierung spezifischer Branchen als kreativ (Kultur- und Kreativwirtschaft) an und konzentrieren sich in ihrer Studie auf diese, weil sie basierend auf der Literatur zur Kultur- und Kreativwirtschaft davon ausgehen, dass diese Branchen besonders viel Kreativität brauchen (vgl. Karow 2011, S. 2; Seidel 2009, S. 4, 18). Obwohl die Studien den Fokus eindeutig auf die Prozesse legen, verdeutlichen die Autor*innen, dass dieses Prozessverständnis letztlich in der Annahme einer Existenz kreativer Produkte wurzelt (vgl. Seidel et al. 2010b, S. 417) – kreative Prozesse sind kreativ, weil sie kreative Produkte (vgl. Karow 2011, S. 214), d. h. Produkte „that are both novel and purposeful“ (Seidel et al. 2010b, S. 420) hervorbringen: „The study suggests that the primary reason for process creativity must be seen in product creativity“ (Seidel et al. 2009, S. 7). Eine Rolle spielen in der Analyse selbst auch die feldinhärenten Kreativitätsdefinitionen, also die Frage, wie die untersuchten Medienschaffenden selbst Kreativität definieren (vgl. Karow 2011, S. 115 f.; Schwehm 2010, S. 72 ff.). Es ist davon auszugehen, dass in den entwickelten Konzepten (zu den im Folgenden näher betrachteten kreativitätsintensiven Prozessen und zu den Pockets of Creativity) eine Kopplung impliziter Annahmen der Forschenden und expliziter Beurteilungen durch die Medienschaffenden zu der Entscheidung geführt hat, bestimmte Produkte und Prozesse als kreativ zu kennzeichnen. Dieses Vorgehen ist äquivalent zu jenem, dass auch diese Arbeit leitet. Kreativität wird in einem gekoppelt induktiv-deduktiven Vorgehen feldspezifisch und zugleich in
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Rückgriff auf die Kreativitätsliteratur und die wissenschaftliche Debatte definiert (vgl. Abschnitt 6.2). Ausgehend von dieser Perspektive auf Kreativität beschreibt das Konzept kreativitätsintensiver Prozesse – die Autor*innen sprechen selbst von einer Theorie kreativitätsintensiver Prozesse – solche Prozesse, die in hohem Maße durch Kreativität geprägt werden und sich daher durch spezifische Eigenschaften auszeichnen: (1) Sie bestehen sowohl aus strukturierten, planbaren (folglich nicht-kreativen) als auch aus unplanbaren (folglich kreativen) Elementen, sind daher iterativer Natur und variieren in der Konstellation dieser kreativen und nicht-kreativen Elemente; daher werden sie als kreativitätsintensiv und nicht als rein kreativ bezeichnet (vgl. Becker et al. 2011, S. 5; Seidel 2009, S. 108 ff.). Die Variation und Iteration spiegelt sich in der Konstellation mehrerer Akteur*innen mit unterschiedlicher Spezialisierung und ist daher (2) gekoppelt an eine Kollaborations- und Kommunikations-Intensität (vgl. Becker et al. 2011, S. 5; Seidel 2009, S. 115 ff.). Des Weiteren zeichnet sich der Prozess (3) durch Risiken, nebst hohem kreativen Potenzial aus (vgl. Seidel 2009, S. 119 ff.). Diese Erkenntnisse zum kreativitätsintensiven Prozess zieht Seidel (2009, S. 45 f.) aus Fallstudien in der audiovisuellen Postproduktions- und Visual-Effects-Branche. Validiert und weiterentwickelt wurde der Ansatz anhand der Fernsehproduktionsbranche (vgl. Becker et al. 2010; Becker et al. 2011; Bergener und Voigt 2012; Schwehm und Voigt 2012). Obwohl das ManKIP-Projekt seinen Blick nicht auf die Qualität der Inhalte präzisiert und folglich auch nicht diskutiert, ob es sich auf journalistische oder unterhaltende Inhalte bezieht, verrät ein Blick auf den Untersuchungsgegenstand der Studien, dass die Unterhaltungsproduktion, wie sie hier definiert wird, im Fokus der Forschung stand (vgl. Karow 2011, S. 127 f.; Schwehm 2010, S. 27, 47). Der Ansatz zu kreativitätsintensiven Prozessen spezifiziert folglich Muster und Komponenten des Prozesses der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Karow 2011, S. 20). Darauf aufbauend und damit verbunden dient das Konzept der Pockets of Creativity (PoC) der Identifikation jener Tätigkeiten und Subprozesse, „that are particularly characterized by the involvement of creativity“ (Seidel et al. 2010b, S. 420). Mittels des Konzepts der PoC sollen kreative Prozesse für das Management handhabbar gemacht werden, ohne jedoch gänzliche Planbarkeit herbeizuführen und damit das Kreative aus ihnen zu tilgen. PoC zeichnen sich nun dadurch aus, dass sie einerseits Ungewissheiten bezüglich des Produkts, des Prozesses und der Ressourcen unterliegen. Zugleich gelten für genau diese drei Parameter (Produkt, Prozess, Ressourcen), die sich gegenseitig bedingen (vgl. Seidel 2012, S. 9 f.), bestimmte Beschränkungen – Seidel (2012, S. 8) kennzeichnet sie mit dem englischen Begriff Constraints. Diese Constraints sind jene Elemente,
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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die den Raum für Kreativität begrenzen und damit auch Rahmenvorgaben liefern (vgl. Seidel et al. 2009, S. 7; Seidel 2012, S. 9). Entsprechend dieses Zusammenspiels aus Unvorhersehbarkeit und planbarem Rahmen spricht auch Klug (2016, S. 174) für den Prozess der Scripted Reality-Produktion von Offenheit im Produktionsprozess neben geschlossenen Elementen. Die Laiendarsteller*innen erhielten im Rahmen eines effektiv geplanten Produktionsablaufs, der allen Beteiligten als Orientierung dient, Freiräume für Spontaneität, Kreativität und Improvisation. Darin zeigt sich, dass sich Freiraum für Kreativität erst im festgelegten Rahmen ergibt. Dies mündet im Postulat: Kreativität braucht Struktur (vgl. Becker et al. 2010) – Struktur nicht im praxistheoretischen, sondern im alltagssprachlichen Sinne als vorgeplante Prozesselemente und Planbarkeit allgemein. Letztere ist möglich durch die Institutionalisierung von Praktiken in Projektnetzwerken. Produktionsprojekte basieren, obwohl jedes Mal neu aufgesetzt, immer wieder auf den gleichen Regeln und Ressourcen (vgl. Abschnitte 3.2.4 und 3.3). Sie schaffen um die beschriebenen Pockets of Creativity eine tendenziell routinisierte, sich wiederholende und replizierende Struktur. Die Organisation der Produktion ist damit, wie Lundin (2008, S. 212) in seiner Interviewstudie zur schwedischen Fernsehproduktionsbranche (vgl. ebd., S. 209) verwundert und zugleich kritisch bemerkt, wenig kreativ, obwohl sie letzteres aufgrund ihrer Flexibilität theoretisch sein könnte. In einer Auflösung etablierter Projektformen sieht er die Möglichkeit, Kreativität zu steigen, da die definierte Projektform das Handeln der Akteur*innen begrenze (vgl. ebd., S. 213). Zumindest auf Ebene der Entscheidungsfindung hat Roberts hingegen Innovativität bezüglich „organization, process, deal structures and financing“ (Roberts 2010, S. 768) ermitteln können. Mit dem Ziel, die Fernsehunterhaltungsproduktion einem GeschäftsprozessManagement zugänglich zu machen, nutzt Karow (2011) das Konzept der Pockets of Creativity, um die Mechanismen des Produktionsprozesses explizit und detailliert aufzuschlüsseln. Er entwickelt Darstellungen für unterschiedliche Sendungsgattungen, welche er in Rückgriff auf Zabels (2009, S. 46 ff.) Differenzierung vorrangig entlang der Fiktionalität und der Repetitionsfrequenz in vier Gruppen (das Projekt spricht von Produktlinien, vgl. auch Schwehm 2010, S. 27, 47) unterteilt: Film-, Serien-, Daily Soap- und Unterhaltungsproduktionen (vgl. Karow 2011, S. 127 f.). In der Gruppe der Unterhaltungssendungen – Karow (2011) spricht von „entertainment shows“ (ebd., S. 128) respektive „entertainment formats“ (ebd., S. 179) – fasst er eine sehr heterogene Palette unterschiedlicher Produktionen zusammen, bezieht sich vorrangig aber auf performative nonfiktionale Sendungen sowie fiktionalisierte Unterhaltungssendungen aus dem Comedyund Scripted Reality-Bereich (vgl. ebd., S. 128). Karow (2011) beschreibt die
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Produktionsstruktur der vier Sendungsgruppen – äquivalent zu einer Differenzierung der drei zentralen Kreativitätsträger1 Produkt, Prozess und Person – aus einer Produkt-, einer Prozess- und einer Organisationsperspektive: • Produkte: Er unterscheidet kreative und generische Produkte (vgl. Karow 2011, S. 91), die er als Einzelrepräsentation oder aber als Set, welches dann unterschiedliche Produktinstanzen zusammenfasst, darstellt (vgl. ebd.) • Prozesse: Karow stellt für die Prozessperspektive kreative, allgemeine und überprüfende Aufgaben und Arbeitsschritte heraus. Konkret unterscheidet er zwischen den drei Elementen „Pocket of Creativity“ als kreatives, „Review“ als überprüfendes und kontrollierendes und „Activity“ als allgemeines, nicht näher spezifiziertes, aber definitiv als nicht-kreativ charakterisiertes Prozesselement (vgl. Karow 2011, S. 95). Er definiert jene Subprozesse als Pockets of Creativity und damit als (besonders) kreativ, die den kreativen Output direkt modifizieren. Jene Subprozesse, die einen nicht-kreativen Output konstituieren oder aber nur indirekt zu einem kreativen Output beitragen, ordnet er als generische Prozesse ein (vgl. ebd., S. 199). Dass bestimmte Pockets das Label kreativ bekommen, bedeutet jedoch nicht, dass Kreativität bzw. kreative Praktiken nicht auch an anderen Stellen verortet werden könnten. Darauf geben bereits die Ausführungen zum Kreativitätsverständnis der Medienschaffenden (vgl. Abschnitt 5.3.3) Hinweise. Die Qualifizierung als kreativ hebt lediglich den Fokus und Schwerpunkt einer Tätigkeit hervor (siehe unten). • Organisation: Für die organisationale Perspektive differenziert er zwischen Projektstellen („project position“), d. h. jenen Personen, die für das Projekt oder eine spezifische Projektphase engagiert werden (vgl. Karow 2011, S. 77), und allgemeinen Stellen („position“) sowie einer gruppierten Darstellung dieser Positionen („group“) (vgl. ebd., S. 93). In der systematischen Darstellung erfolgt folglich keine Unterscheidung zwischen kreativen und nicht-kreativen Personen, obwohl Karow grundsätzlich eine Differenzierung kreativer- und nicht-kreativer Rollen (vgl. auch Abschnitt 5.3.1) vornimmt 1
Die folgenden Ausführungen brechen nur auf den ersten Blick die eingangs (vgl. Kapitel 5) skizzierte Unterteilung des Kapitels entlang der drei Kreativitätsträger auf. Sie zeigen vielmehr, dass die Differenzierung der Träger stets eine rein analytische ist, da sich die Träger gegenseitig konstituieren und prägen. Betrachtet man einen dieser Träger aus der Nähe, rücken immer auch die anderen beiden Träger ins Bild. Tatsächlich geht es im Folgenden auch nicht um Produkte auf Sendungsebene (vgl. Abschnitt 5.2), sondern aus prozessualer Perspektive um die zahlreichen Teilprodukte auf dem Weg zum Endprodukt. Ebenso dient der Blick auf Personenkonstellationen dazu, den Prozess adäquat zu explizieren (z. B. um über die Personalvariation die Prozessvariation zu verdeutlichen).
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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und diese Rollengruppen zusätzlich einer Überprüfungs- (Supervision) oder Ausführungs-Position (Execution) zuweist (vgl. Karow 2011, S. 48). Über die Abbildungen einzelner Tätigkeiten und Subprozesse verdeutlicht Karow (2011) die Varianz des Prozesses, hebt kreative Aktivitäten und Rollen hervor und ermöglicht es daher, relevante Arbeitsrollen in jedem Schritt des Prozesses zu identifizieren. Dem Ziel folgend, den Kategorien zuordenbare, generische Prozessabläufe zu beschreiben, abstrahiert er seine Ausführungen vom Individuum. Die Tabelle 5.1 und Tabelle 5.2 zeigen exemplarisch Karows Aufschlüsselung zu Produkten, Prozessen und Personen in der Produktion von Fernsehserien einerseits und Unterhaltungssendungen andererseits. In der tabellarischen Darstellung zeigt sich beispielsweise (vgl. Tabelle 5.1) wie die Entstehung einer Idee für eine Fernsehserienproduktion als Produktelemente Bedürfnisse der Kundschaft in die Serienidee integriert, welche wiederum über eine Synopsis, die Skizze der inhaltlichen Struktur und die Charakterbeschreibungen zu einem Serienkonzept erweitert wird. Die Initiation der Idee und die Entwicklung zum Konzept erfolgt in Entwicklungsprozessen, im Austausch mit dem Kund*innen und über einen Pitch als Kontrollprozess. Involviert in diese Phase sind neben der Geschäftsführung der Produktionsfirma (d. h. dem*der Produzenten*Produzentin, vgl. Abschnitt 5.3.1) und dem*der Producer*in, der*die die Entstehung des Serienprojekts maßgeblich koordiniert, auch ein Entwicklungsteam, zu dem mindestens ein*e Drehbuchautor*in gehört. An dieser Stelle sollen die Tabellen nicht gänzlich mit ihren Einzelheiten beschrieben werden. Sie dienen vielmehr dazu, einige Charakteristika der Fernsehunterhaltungsproduktion aufzuzeigen: (1) Kreativität auf mehreren Ebenen identifizierbar: Einzelne Teilergebnisse, die im Gesamtpaket mehrere Teilprodukte darstellen, klassifiziert Karow als nicht-kreativ, selbst wenn sie auch durch Pockets of Creativity konstituiert werden. Ein Beispiel (vgl. Tabelle 5.1, Pre-Produktion) ist die Beschreibung der Drehinfrastruktur („production setup“) als generische Aktivität, auch wenn z. B. das Kostüm- und Setdesign als kreative Produkte Teil dessen sind (vgl. Karow 2011, S. 158). Begründet werden kann dies wohl dadurch, dass die Gesamtdrehinfrastruktur als aggregiertes Teilergebnis aus der Koordination und Kombination kreativer und nicht-kreativer Produkte resultiert – in ihm spiegelt sich vorrangig die Koordinations- und nicht die Gestaltungsleistung. Umgekehrt klassifiziert Karow interessanterweise die übergeordneten
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Prozessschritte, d. h. die Inkubation, Entwicklung, Pre-Produktion, Produktion (d. h. Dreh) und Post-Produktion, jeweils alle als Pockets of Creativity – lediglich für die Dreh- und Post-Produktionsphase von Daily Series verweist er auf den ‚stärker industrialisierten‘ Charakter dieser Prozesse (vgl. ebd., S. 176), ohne jedoch auch diesen Prozessen das Kreativ-Label abzusprechen, was die Darstellung zahlreicher Pockets of Creativity im Produktionsprozess (auffällig ist hier die starke Kopplung von Dreh und Post-Produktion) vermittelt (vgl. ebd., S. 178). Darin zeigt sich, dass als kreativ klassifizierte
Tabelle 5.1 (kreative) Elemente der Fernsehserienproduktion
(Fortsetzung)
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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Tabelle 5.1 (Fortsetzung)
Der hier skizzierte Sendungstypus umfasst jene Fernsehsendungen, die in Episoden erscheinen und durch einen übergreifenden fiktionalen Plot in Staffeln gebündelt werden. Konkret bezieht sich Karow (2011, S. 128) hier vorrangig auf wöchentliche Produktionen. Quelle: Inkubation: vgl. Karow 2011, S. 131 f., 152, 153; Entwicklung: vgl. ebd., S. 154, 156, 157; Pre-Produktion: vgl. ebd., S. 148, 158, 159; Produktion & Post-Produktion: vgl. ebd., S. 146–150, 160; für eine Beschreibung der Prozessschritte vgl. ebd., S. 123 f.
Produkte, genauso wie auch kreative Teilprozesse, nicht gänzlich kreativ sind, sondern immer ein Konglomerat aus kreativen und nicht-kreativen Elementen
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Tabelle 5.2 (kreative) Elemente der Produktion von Unterhaltungssendungen
(Fortsetzung)
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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Tabelle 5.2 (Fortsetzung)
Die Darstellung der Prozesse, Produkte und Organisation bezieht sich hier auf Unterhaltungssendungen, wie Karow sie definiert (siehe oben). Der Begriff des Formats, wie er im Inkubationsschritt auftaucht, ist hier in einem breiten Verständnis als Sendungskonzeptidee zu verstehen, die nicht unbedingt gehandelt werden muss, um als Format zu gelten (vgl. Abschnitt 5.2.2.1). Dies entspricht einem Formatbegriff , wie Fröhlich (2008, S. 152) ihn beschreibt. Anzumerken ist zudem, dass Karow (2011, S. 200) den Prozessschritt der Postproduktion auf Show-Produktionen, die in Studios zumeist vor Live-Publikum aufgezeichnet werden, bezieht. Damit decken die Elemente der drei Perspektiven zu diesem Prozessschritt nur eine Gattung von vielen ab. Quelle: Inkubation: vgl. Karow 2011, S. 181 f., 185; Entwicklung: vgl. ebd., S. 189 f., 192; Pre-Produktion: vgl. ebd., S. 197 f., 200; Produktion & Post-Produktion: vgl. ebd., S. 201 f.
darstellen – letztere sind notwendig, um das Kreative in den geltenden Rahmen einzufügen. Demnach geht es immer nur darum zu zeigen, in welchen Aktivitäten ein Schwerpunkt auf Kreativität und in welchen der Schwerpunkt auf nicht-kreativen Leistungen liegt. Dass kreative Teilprodukte zu nicht-kreativen Teilprodukten auf einer höheren Ebene und umgekehrt beitragen können, zeigt, dass eine differenzierte Betrachtung des alltäglichen Arbeitsprozesses die Identifikation von Kreativität erlaubt, ohne dass damit zwangsläufig auch das finale Produkt als kreativ gelten muss – obwohl Karow aus Perspektive des Geschäftsprozessmanagements das Endprodukt grundsätzlich als kreativ qualifiziert, weil es die Eigenschaften kreativitätsintensiver Prozesse vereint. Diese an betriebswirtschaftlichen Optimierungsprozessen orientierte Endproduktbeurteilung ist nicht jene, die von dieser Arbeit als maßgeblich für eine Kreativitätsbeurteilung des finalen Produkts angesehen wird (vgl. Abschnitt 5.2). Möchte man alle Facetten von Kreativität, die in der Fernsehunterhaltungsproduktion Geltung haben, erfassen, ist die Differenzierung unterschiedlicher Ebenen sinnvoll.
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
(2) Hoher Koordinationsaufwand und Interaktionsgrad: Die Differenzierung von Prozesselementen nebst Produkten zeigt, dass sich mehrere Aufgaben auf ein Produkt (z. B. Kostümgestaltung und Beschaffung als Aufgaben, die an das Produkt „Kostüm“ gekoppelt sind) beziehen können und damit davon auszugehen ist, dass ein- und dasselbe Produkte, aber auch zusammenhängende, aufeinander aufbauende Produkte von unterschiedlichen Personen verantwortet werden. Die tabellarische Betrachtung, die auch deshalb erfolgt, weil sich Prozesse, Produkte und die jeweils involvierten Personen und Gruppen nicht trennscharf sequenziell entlang des Produktionsprozesses gruppieren und darstellen lassen, impliziert folglich bereits die hohe Interaktivität des Prozesses und den hohen Koordinationsaufwand in der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. auch Bergener und Voigt 2012, S. 169 f.; Klug und Schmidt 2016, S. 94 f.; für die Filmproduktion vgl. Strandvad 2013, S. 36). Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Phasen des Prozesses der Fernsehunterhaltungsproduktion, selbst wenn sie zum Zwecke der Analyse sequenziell dargestellt werden (vgl. Abbildung 3.5, Abschnitt 3.2.2), keineswegs strikt konsekutiv ablaufen, sondern sich vielmehr überlappen, von Feedback- und von Wiederholungsschleifen genauso wie Parallelität geprägt sind, wenn beispielsweise die Drehplanung und -organisation in Reaktion auf Impulse aus den Dreharbeiten (zusätzlicher Drehbedarf; Ausfall von Darsteller*innen etc.) angepasst werden muss oder wenn die Sichtung, Nachbearbeitung und der Schnitt des gedrehten Materials bereits beginnt, obwohl die Dreharbeiten noch laufen (vgl. Becker et al. 2011, S. 8). Koordination ist wichtig, weil sie – wie oben skizziert – Struktur schafft. (3) Variation der Teamgröße zwischen Projektphasen: Der Blick in beide Tabellen zeigt, dass die Zahl der involvierten Projektbeteiligten zwischen den Prozessschritten variiert und das Team dabei auffällig in der Pre-Produktionsphase, vor allem jedoch in der Phase der Dreharbeiten anwächst. Entsprechend spielen einzelne Personen in allen Phasen eine tragende Rolle (z. B. ein*e Producer*in), während andere nahezu ausschließlich einer Projektphase zugeordnet werden können (z. B. der*die Regisseur*in in der Showproduktion, oder aber spezifische Gewerke wie Kamera und Licht, die nur beim Dreh zum Einsatz kommen). Die Vielzahl beteiligter Personen begründet die Kollaborations- und Kommunikations-Intensität des Prozesses (vgl. Becker et al. 2011, S. 4 f.; Seidel 2011, S. 435) und unterstreicht damit noch einmal den (oben beschriebenen) Koordinationsbedarf, der mit der Teamgröße anwächst. Aufgrund dieser gerade in der Pre-Produktionsphase und während der Dreharbeiten (Produktion i.e.S.) zunehmenden Koordinationsintensität geht Lundin (2008) so weit, die Produktion (er bezieht sich hier
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in Abgrenzung zur Entwicklung offensichtlich auf die Pre-Produktion und Produktion i.e.S.) selbst als wenig kreativ zu qualifizieren. Die Kreativitätsrhetorik der Medienschaffenden beziehe sich im Hinblick auf den eigentlich Produktionsprozess auf Koordination und Ablaufplanung mit dem Ziel einer kosteneffizienten Planung (vgl. Lundin 2008, S. 211): „[…] creativity mentioned in this context is about how to plan and handle such a situation with lots of opportunities for disturbances […]. […] there is a need to be creative to find low-cost alternatives to old ways of doing things in the production phase. In other words this is an efficiency concern where creativity in planning is aspired as well as creativity in handling disturbances and deviations from the plans.“ (Ebd.)
Solch eine Kreativität als Planung modifiziere das Produkt nur minimal (vgl. ebd., S. 212). Dass und wo produktgestaltende Kreativität auch in diesen Phasen steckt, zeigt sich jedoch wiederum in der mehrere Ebenen berücksichtigenden Aufschlüsselung von Karow (siehe oben). (4) Variation von Produkt, Prozess und Personalbesetzung zwischen Sendungsgattungen: Obwohl Parallelitäten bestehen (insbesondere für die Serien- und Filmproduktion verweist Karow (2011, S. 157 f., 160) auf Gemeinsamkeiten) und einige Akteur*innenrollen (z. B. der*die Producer*in) sowohl in fiktionalen wie auch nonfiktionalen Produktionen von herausragender Bedeutung sind, variieren die unterschiedlichen Sendungsgattungen auf Ebene der Produkte, Personen und Prozesse zuweilen erheblich. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass selbst die gleiche Benennung einer Ausprägung einer dieser drei Elemente nicht bedeutet, dass auch das Gleiche dahintersteckt. Producer*innen in der nonfiktionalen Produktion bewegen sich beispielsweise in einem anderen Tätigkeitsfeld und verfügen über ein anderes (Erfahrungs-) Wissen verglichen mit den Kolleg*innen aus dem Bereich Fiktion (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 165). In der Serienproduktion spielen Regisseur*innen bereits frühzeitig eine tragende Rolle, während sie in der Show erst mit der Aufzeichnung, d. h. mit den Dreharbeiten, in den Fokus rücken. Unterschiede auf Prozess- und Produktebene zeigen sich z. B. in der Produktion (i.e.S.) und in der Post-Produktion einer Serie, da sie mehr Feedbackschleifen aufweist – weil unter anderen Bedingungen gedreht wird als bei einer Show. Der Pitch-Moment nimmt in der Produktion nonfiktionaler Sendungen größeren Raum ein (vgl. auch Abschnitt 5.1.2), weil hier nicht die Story reicht, sondern z. B. auch das visuelle Design von Bedeutung ist. Unterschiede zwischen den Sendungsgattungen auf Prozessebene zeigen sich auch in der genaueren Aufschlüsselung des Prozessmodells bei Schwehm (2010, Anhang V). Die
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
detaillierte Perspektive des Geschäftsprozessmanagements belegt die Variation des Produktionsprozesses zwischen Gattungen und Genres, wie Zabel (2009, S. 72) sie darlegt und auch von Medienschaffenden selbst hervorgehoben wird (vgl. Abschnitt 3.2.2). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die personelle Besetzung auch innerhalb einer Genre-/Gattungsgruppe variiert – zwischen einzelnen konkreten Projekten (vgl. Klug und Schmidt 2016, S. 94 f.), insbesondere aber zwischen unterschiedlichen Projektnetzwerken (vgl. Abschnitt 3.2.4), da letztere ja an Produktionsunternehmen gekoppelt sind und sich diese in ihrer Größe und folglich in personeller und finanzieller Kapazität unterscheiden (vgl. Abschnitt 3.2.3). Die in der Tabelle abgebildeten Elemente resultieren folglich aus idealtypischen Darstellungen – zuweilen sind Elemente optional, dies gilt v. a. für die Darstellungen zu den Unterhaltungssendungen, die sich auf unterschiedliche nonfiktionale, zum Teil aber auch fiktionale Produktionen (z. B. Comedy-Sendungen) beziehen und daher formatbasiert sein können, aber nicht müssen (vgl. Abschnitt 5.2.2.1). Zudem verfügen auch nicht alle Produktionsunternehmen über Entwicklungsteams oder Positionen wie Entwicklungsleiter*innen oder Creative Producer*innen (vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.2).
5.1.2
Sendungsentwicklung als kreativer Prozess
Während das ManKiP-Projekt und im Einzelnen auch Karow (2011) versuchen, die Parallelität kreativer und strategisch-koordinativer Arbeitsschritte aufzuschlüsseln, beschreiben Iljine und Keil (2000) und darauf aufbauend auch Fießer (2007, S. 53, 119 f.) den Produktionsprozess über Phasen, in denen der kreative Prozess als Initiationsphase zu Beginn steht und ein strategischer sowie ein operativer Prozess folgen (vgl. Iljine und Keil 2000, 185). Obwohl die Autor*innen darauf verweisen, dass die Phasen nicht strikt chronologisch, sondern ineinandergreifend ablaufen (vgl. ebd.), ist die Betonung der Sendungsentwicklung als kreativ im Gegensatz zu den restlichen Phasen deutlich. Äquivalent, weil daran anknüpfend, skizziert auch Klimsa (2009, S. 565) den kreativen Prozess als bestehend aus Pitch, Drehbuch- und Projektentwicklung, Exposé- und Treatmenterstellung. Zabel (2009, S. 65 f.) synonymisiert ebenfalls die Entwicklungsphase mit einem Kreativprozess. Nicoli (2010, S. 31 f.) beschreibt anknüpfend an die Idee des Kreislaufs kultureller Produktion in den Cultural Studies (vgl. ebd., S. 29 f.) und auf Basis von Ryans (1991, S. 108) Unterscheidung einer creative stage (Entwicklung und Pre-Produktion) und einer reproduction stage (Produktion und Postproduktion) drei Phasen der kulturellen Produktion: Die (1) Kreationsphase
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(Creation), die (2) Reproduktionsphase (Reproduction) und die (3) Zirkulationsphase (Circulation). Die Kreationsphase zerteilt er in Rückgriff auf Hesmondhalgh (2013, S. 80) in die Phasen der Konzeption („conception“), Ausführung („execution“) und Übertragung („transcription“) (vgl. ebd., S. 32). Und obwohl er auch der Postproduktionsphase Kreativität zuordnet und zutraut, beschreibt er die Ausführung (dies schließt die Dreharbeiten mit ein) und die Übertragung (damit sind die Postproduktionsprozesse gemeint) als „a matter of professional technical capabilities and experiences“ (Nicoli 2010, S. 32), während sich die Konzeption (vorrangig) durch Kreativität auszeichne (vgl. ebd.). In diesem Sinne setzt auch Redvall (2013b, S. 20) Idee, Konzeption und Entwicklung einer Serie automatisch mit kreativen Prozessen gleich. Fröhlich wiederum differenziert zwischen kreativen und ökonomischen Austauschprozessen, die gleichermaßen den Entwicklungsprozess konstituieren (vgl. Fröhlich 2010b, S. 321 ff.; nähere Erläuterungen siehe weiter unten). Grundsätzlich zeigt die von den letztgenannten Autor*innen vorgenommene Assoziation der Entwicklung mit Kreativität jedoch, dass Medienschaffende und Forschende gleichermaßen der Auffassung sind, dass sich Kreativität in der Film- und Fernsehunterhaltungsproduktion vorrangig aus dem eingangs beschriebenen Varianzdruck ergibt (vgl. Abschnitt 5.1). Fernsehunterhaltungsproduktion muss kreativ sein. Die Problematik dieses Varianzdrucks liegt nun darin, dass die Entwicklungsphase sehr zeitaufwendig ist. Strandvad (2013) hat in ihrer Untersuchung der dänischen Filmbranche ermittelt, dass junge Regisseur*innen nach eigener Einschätzung 80 Prozent der Zeit in die Projektentwicklung und nur 20 Prozent in die Umsetzung stecken (vgl. Strandvad 2013, S. 35). Dieser extreme Entwicklungsfokus ist sicherlich ein Spezifikum der Filmbranche und der Regisseur*innenrolle. Andere Rollen, z. B. Redakteur*innen in der nonfiktionalen Unterhaltungsproduktion, sind mit der Umsetzung betraut und nur begrenzt – abhängig von den Prinzipien, denen das Produktionsunternehmen folgt – in der Entwicklung tätig (vgl. Fröhlich 2010b, S. 257). Dennoch ist die Entwicklung durch zahlreiche Revisionsphasen tendenziell langwierig und kostenintensiv – dies spüren nicht zuletzt die Produktionsunternehmen, die vorrangig für die Entwicklungsarbeit zuständig sind (vgl. Fröhlich 2010b, S. 267), wenn sie nur geringe oder gar keine Entwicklungsbudgets zur Verfügung haben (vgl. Abschnitt 3.2.3). Der zeitlich und vor allem finanzielle Aufwand verstärkt sich durch das hohe Misserfolgsrisiko der Branche, dass sich bereits in der Entwicklungsphase darin äußert, dass nur sehr wenige eingebrachte Sendungsideen auch weiterverfolgt werden (vgl. Lantzsch 2008, S. 99). Selbst nach erfolgter Konzeptspezifizierung oder Pilotproduktionen sind Abbrüche denkbar, „weil ein Protagonist, ein Darsteller, ein Moderator plötzlich abspringt, weil ein Projekt sich
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
plötzlich als zu teuer, zu kompliziert, zu irgendwas erweist“ (deutscher Produzentenvertreter, zitiert nach Fröhlich 2010b, S. 334). Eine Medienschaffende erklärt: „Viele neue Sendungen scheitern bereits nach wenigen Ausstrahlungen. Die meisten Ideen schaffen es nicht einmal über den Status eines Konzeptes hinaus.“ (Wahbe 2012, S. 185) Wie viele Ideen am Ende tatsächlich umgesetzt werden, lässt sich nur über Anekdoten von Medienschaffenden erfassen (vgl. Zabel 2009, S. 69). Zoellner begegnete in ihrer Studie zur Dokumentarfilmproduktion die Einschätzung, dass lediglich eine realisierte Programmidee auf 100 vorgeschlagenen Ideen komme (vgl. Zoellner 2013, S. 24, Fn. 9). Die Wahrscheinlichkeit für die finale Umsetzung des Projekts nach erfolgter Pilotierung liegt höher – wie hoch, das bewerten deutsche Produzent*innen unterschiedlich. In der Interviewstudie von Fröhlich sprachen sie wahlweise davon, dass in zwei Drittel oder sogar nur zehn Prozent der Fälle aus einem Piloten eine Sendung werde (vgl. Fröhlich 2010b, S. 334). Der Entwicklungsprozess kann aus unterschiedlichen Impulsen erwachsen und sowohl von Sendern als auch von Produzent*innen angestoßen werden (vgl. Becker et al. 2011, S. 6 f.; Fröhlich 2010b, S. 359 f.; Lantzsch 2008, S. 207). Die Ideen, die in diesen Entwicklungsprozessen verarbeitet werden, stammen dabei potenziell aus folgenden Quellen (vgl. Zabel 2009, S. 63 ff.): aus (1) Auslandsmarktbeobachtungen, (2) Programm-Messen, (3) erfolgreichen Büchern und Filmen, (4) einer Orientierung an Persönlichkeiten oder aber (5) einer allgemeinen Umweltbeobachtung. Diese Quellen lassen sich auch als einerseits formatbasierte und andererseits entwicklungsbasierte Inspirationen differenzieren (vgl. Fröhlich 2010b, S. 308 f.). Letztere haben zumeist einen emergenten Charakter und sind nicht eindeutig auf einen identifizierbaren Impuls zurückzuführen (vgl. ebd., S. 308). Erstere folgen aus der Markt- und Programmbeobachtung fremder, internationaler Formate – Programm-Messen dienen als Ort des inhaltlichen Austausches (vgl. auch Frye 2008; Karstens und Schütte 2013, S. 185 f.) und Formathandels; Sendungen, die im Ausland, aber auch im Inland Erfolge feiern, können zu lizenzierten oder auch nicht lizenzierten (vgl. Zabel und Lantzsch 2009, S. 19) Imitations-Projekten animieren (vgl. Lantzsch 2010, S. 275) und dabei sogar als konkrete Produktionsschablone dienen, wenn sie als Formatpaket, das gestalterische und produktionstechnische Parameter umfasst, erworben werden (vgl. Abschnitt 5.2.2.1). In solch einem Fall wandelt sich der Entwicklungszu einem Adaptionsbedarf; dies verkürzt den Prozess zuweilen erheblich (vgl. Fröhlich 2010b, S. 319). Für deutsche Produzent*innen steigt mit einer formatbasierten Produktion (vgl. ebd., S. 360 f.) in der eigenen Wahrnehmung die Chance auf einen Produktionsauftrag deutlich (vgl. ebd., S. 336). Im Gegensatz
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
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zu britischen Produzent*innen schlagen deutsche Produzent*innen daher häufiger formatbasierte Konzepte vor; zugleich werden letztere von den Sendern auch stärker bevorzugt als es in Großbritannien der Fall ist (vgl. ebd.). Vereinzelt und abhängig von der Größe des Produktionsunternehmens ist die Entwicklungsarbeit über einzelne Entwicklungsredakteur*innen oder aber ganze Entwicklungsabteilungen institutionalisiert (vgl. Fröhlich 2010b, S. 257, 312 f.). Häufiger ist die eigentliche Initiation des Prozesses jedoch auf den Austausch und auf Impulse in der alltäglichen Arbeit an anderen Projekten zurückzuführen (vgl. ebd., S. 257; Zabel 2009, S. 65 f.). Den idealtypischen Ablauf eines Entwicklungsprozesses hat Fröhlich (2010b, S. 300–361) für die nonfiktionale Fernsehunterhaltungsproduktion systematisiert. Sie beschreibt einen intraorganisationalen Prozess (innerhalb des Produktionsunternehmens), der in einen interorganisationalen Prozess (zwischen Sender und Produktionsunternehmen) mündet. Der intraorganisationale Prozess variiert je nach Projekt und ist wenig strukturiert, lässt sich grundlegend jedoch über drei nicht trennscharf bestimmbare Phasen erfassen (vgl. ebd., S. 313 ff.): Auf die (1) Generierung einer Idee, z. T. unter Einsatz von Kreativitätstechniken (wie das Brainstorming, vgl. dazu auch Abschnitt 4.3.3), die jedoch nicht uneingeschränkt als erfolgversprechend wahrgenommen werden (vgl. Fröhlich 2010b, S. 314 f., 320), folgt die (2) Konkretisierung der Idee durch eine Konzeptausarbeitung und anschließend die (3) Aufbereitung und Verpackung dieses Konzepts für eine Präsentation vor den Sendervertreter*innen – beispielsweise mittels Mood-Tapes, Casting-Tapes oder eines (Papier-)Piloten (vgl. auch Karstens und Schütte 2013, S. 190). Geprägt ist dieser Prozess – dies stellt Fröhlich (2010b, S. 302 ff.) sowohl für die deutsche wie auch die britische Fernsehunterhaltungsproduktion fest – vorrangig von einer Nachfragereaktion statt einer Nachfragekreation (vgl. auch Hutton et al. 2005, S. 33). Das heißt, dass sich die Produzent*innen an den Programmbedürfnissen der Sender orientieren, auf Pitch-Ausschreibungen der Sender reagieren, zumindest aber Budgets und Profile von Sendeplätzen in ihre Ideenentwicklung einbeziehen statt die Zuschauer*innen ins Zentrum ihrer Entwicklungstätigkeit zu rücken (vgl. Abschnitt 5.2.3). Dies ist für senderinduzierte Entwicklungen, d. h. in Fällen, in denen die Programmidee initial vom Sender kommt, uneingeschränkt, weitgehend aber auch für produzenteninduzierte (d. h. von den Produzent*innen ausgehende) Entwicklungsprozesse der Fall. Zur Orientierung an den Senderbedürfnissen tendieren Produzent*innen, weil sie die Chancen für Nachfragekreation, d. h. die Chance, einem Sender eine losgelöst entwickelte Idee zu verkaufen, als eher gering einschätzen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 303).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Sobald das Produktionsunternehmen mit der Idee bzw. einem Konzept für eine Sendung an den Sender herantritt, – dies kann zu unterschiedlichen Stadien der Entwicklungsarbeit der Fall sein (vgl. Fröhlich 2010b, S. 314, Fn. 166) – beginnt der interorganisationale Produktionsprozess (vgl. 320), d. h. der Arbeitsprozess vollzieht sich im Wechselspiel der beiden Hauptakteur*innen Produktionsunternehmen und Sender. Für diesen unterscheidet Fröhlich (2010b, S. 321 ff.) zwischen kreativen und ökonomischen Austauschprozessen. Erstere werden wesentlich durch die beiden aufeinander aufbauenden Elemente Pitch und – vorausgesetzt der Sender entscheidet sich, die Entwicklungsarbeit hiernach fortzusetzen (zu den Entscheidungskriterien vgl. ebd., S. 326 ff.) – kooperative Entwicklung konstituiert. Der Pitch erfolgt meist auf Initiative der Produzent*innen, findet beim Sender statt und folgt einem – wie ein deutscher Produzent erklärt – klassischen Ablauf: „hingehen, vortanzen, Avon-Koffer aufmachen, versuchen das Produkt schmackhaft zu machen, Emotionen zu wecken und gut zu erklären“ (zitiert nach Fröhlich 2010b, S. 323). In der kooperativen Entwicklung arbeiten beide Akteur*innen gemeinsam und im Austausch an der inhaltlichen Konkretisierung der Idee (z. B. zu Besetzung, Bühne, Location). Die besondere Herausforderung der Entwicklungsphase in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist die Schaffung einer gemeinsamen Vision. Diese kann wesentlich dazu beitragen, den Abbruch eines Prozesses zu vermeiden und das Projekt über unterschiedliche Hierarchiestufen hinweg in einem Sender durchzusetzen (vgl. Zabel 2009, S. 287). Redvall beschreibt für die skandinavische Serienproduktion, wie eine gemeinsame Vision statt der Autorenschaft (‚authorship‘) des Individuums zunehmend in den Fokus rückt (vgl. Redvall 2013b, S. 32). Eine gemeinsame Vision verhindert, dass eine Produktion(sidee) durch Kompromisse verwässert wird (vgl. Graf 2010, S. 18). Die Konkretisierung einer gemeinsamen Vorstellung vom Produkt ist wichtig, vor allem wenn verschiedene Personen gestalterisch involviert sind – gerade weil Gestaltung viel Raum für Subjektivität bietet (vgl. Karow 2011, S. 160). Genrekonventionen leisten dazu einen grundlegenden Beitrag (vgl. Abschnitt 5.2.1) – eindeutige Verständigung ist dennoch kein Automatismus (vgl. Keuper und Wölbling 2009, S. 598). Fröhlichs Aufschlüsselung des Prozesses liefert Indizien dafür, welche Hauptakteur*innen in besonderer Weise eine kreative Leistung in der Entwicklungsarbeit erbringen. Während die eher produzent*innenfokussierte Prozessbeschreibung (vgl. Abschnitt 5.1.1) die Sender in die Rolle der Kundschaft und damit vorrangig in jene von Kontrolleur*innen (vgl. Karow 2011, S. 82), ggfs. auch Impulsgeber*innen (vgl. ebd., S. 45), aber weniger in die von Gestalter*innen versetzt, verweist Fröhlich auch explizit auf eine kooperative Gestaltungsphase. Dabei weisen Fröhlichs Gesprächspartner*innen den Sendern grundsätzlich eine
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
215
„beurteilend-kreative Rolle“ (Fröhlich 2010b, S. 362) zu, die explizit kreativitätsfördernd, wenn konstruktiv, wirkt (vgl. ebd., S. 333 f.), während sie bei den Produzent*innen „den Hauptteil der konkret konzeptbezogenen Arbeit“ (ebd., S. 362) verorten. Gerade deutsche Produzent*innen verleitet letzterer Aspekt zu Zweifeln an der gestalterischen Leistung der Sender (vgl. ebd., S. 333). Solch eine Beurteilung resultiert immer auch aus dem Selbstverständnis der Medienschaffenden und drückt sich zudem in der Rollenzuweisung (Wer ist der kreative Part? Und wer nicht?) aus. Sie ist von besonderer Bedeutung für den Prozess der Sendungsentwicklung, weil sie prägt, inwieweit den Produzent*innen das Vertrauen, kreativ sein zu können, zugestanden wird. Tatsächlich schreiben Sendervertreter*innen den deutschen Produzent*innen eine eher „geringere kreative Kompetenz[…]“ (Fröhlich 2010b, S. 423) zu. Diese Zuschreibung schlägt auf das Verhalten der Produzent*innen durch. Das Ergebnis: Sie greifen häufiger auf Formate zurück. Für Fröhlich mündet dies in einem Innovationsnachteil für den deutschen Markt (vgl. Fröhlich 2010b, S. 423). Dieses mangelnde kreative Selbstbewusstsein, genauer ließe sich hier von einem Mangel kreativer Selbstwirksamkeit (vgl. Abschnitt 4.1.2) sprechen, steht im Kontrast zu den obigen Beschreibungen, die vorrangig den Produzent*innen und weniger den Sendern kreative Leistung zuweisen. Sowohl der inter- als auch bereits die intraorganisationalen kreativen Prozesse sind geprägt von Überlegungen zu ökonomischen Aspekten des Projekts (vgl. Fröhlich 2010b, S. 337). Folglich ziehen sich parallel zur kreativen Entwicklung ökonomische Austauschprozesse, in denen die Entwicklungs-, Produktionsfinanzierung und Rechteverteilung verhandelt werden (vgl. ebd., S. 337 ff.; vgl. auch die Darstellungen in Tabelle 5.1 und Tabelle 5.2 in Abschnitt 5.1.1). In dieser Parallelität kreativer und ökonomischer Prozesse zeigt sich, dass der Prozess der Ideen- und Konzeptentwicklung – wie es letztlich auch die Idee der Pockets of Creativity vermittelt – eingehüllt wird in koordinative, organisierende und steuernde Prozesse (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 178; Fießer 2007, S. 119 f.; Zabel 2009, S. 67). Die gilt, so die Annahme dieser Arbeit, über die Entwicklung hinaus. Daher wird Kreativität hier in den alltäglichen Produktionspraktiken der Fernsehunterhaltung verortet, die alle generischen Produktionsschritte einbeziehen. Die vorliegende Betrachtung berücksichtigt daher den auf die Phase der Entwicklung verengten Kreativitätsfokus (schließlich empfinden Medienschaffende die Entwicklung gemeinhin als besonders kreativ, vgl. Abschnitt 5.3.3), möchte ihn zugleich jedoch überwinden.
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5.1.3
5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Unsicherheiten und Risiken in der Fernsehunterhaltungsproduktion
Im Sinne des Geschäftsprozessmanagements und ohne eine besondere Hervorhebung der kulturellen Leistung und symbolischen Bedeutung des Erstellungsprozesses ließen sich die Pockets of Creativity auch synonym als Pockets of Uncertainty bezeichnen. Jene Eigenschaften, die eine Qualifizierung des Prozesses der Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativ erlauben sind auch jene, die (mit)begründen, weshalb Unsicherheit und Unplanbarkeit den Prozess prägen. Das Vorhandensein nicht prognostizierbarer und unplanbarer neben strukturierten (und damit planbaren) Elementen ist eine Grundcharakteristik kreativitätsintensiver Prozesse (vgl. Becker et al. 2011, S. 5). Daher müssen Medienschaffenden einen gewissen Grad an Unsicherheiten zulassen und einplanen2 (vgl. Brook 2005, S. 10 f.). Das komplexe Spannungsverhältnis „between ‚playing safe‘ and ‚taking a risk‘“ (Berkeley 2003, S. 107), das sich für die Medienschaffenden daraus ergibt, analysiert Redvall (2012, S. 63 ff.), indem sie die Fernsehproduktion als kreativen Problemlösungsprozess konzeptioniert: Weil es Unsicherheiten und Unplanbarkeiten gibt, sind immer wieder ad hoc-Problemlösungen notwendig, die dann (ggfs.) kreativ verlaufen (für eine äquivalente Wahrnehmung durch die Medienschaffenden selbst vgl. Abschnitt 5.3.3). Über diverse Termini lassen sich die Unsicherheiten präziser beschreiben und differenzieren. Keuper und Wölbling (2009) unterscheiden zwischen Unschärfe und Unsicherheit: Unsicherheit verweise auf „mehrere mögliche Umweltzustände“ (ebd., S. 595) und erlaube damit beispielsweise die Entscheidung unter Risiko, während Unschärfe nicht einmal zulasse, zwischen zutreffenden und unzutreffenden Attributen zu unterscheiden (vgl. ebd.). Die besondere Schwierigkeit der Entscheidungsfindung im medialen Produktionsprozess verdeutlichen die Autor*innen nun damit, dass sie der Filmproduktion (auf die sie sich beziehen) vorrangig Unschärfe zuweisen. Letztere ergebe sich danach interessanterweise auch daraus, dass die Medienschaffenden unpräzise Begriffe verwenden – die Autor*innen benennen beispielhaft Termini wie „realitätsnahe Kulissen“ oder 2
Eine Feststellung, die ein Oxymoron begründet: Die geplante Unplanbarkeit. Letztlich ist es aber diese Leitidee, die das gesamte Kreativitätsmanagement wie auch die Kreativitätsforschung einrahmt und in der Idee so genannter Pockets of Creativity explizit zum Ausdruck gebracht wird: Man weiß von Momenten, Situationen und Prozessabschnitten, die unvorhersehbar sind, und versucht das, was davor passiert und den Rahmen, in dem dies geschieht, abzuschätzen, zu ordnen und zu gestalten. Vor diesem Hintergrund sind auch ein paradoxaler Ansatz der Kreativitätsanalyse und eine paradoxale Perspektive auf das Kreativitätsmanagement als besonders fruchtbar zu bewerten (vgl. Abschnitt 4.4).
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
217
„anspruchsvolle Rollen“ (ebd., S. 598, Herv. i. O.). Damit wird die Rhetorik der Medienschaffenden zum Quell für Unschärfe. Dabei muss jedoch relativierend eingewandt werden, dass selbst diese als unscharf erscheinenden Begriffe, da sie in gemeinsamem praktischen Wissen, einem geteilten Feldhabitus und damit in einer zumindest in Teilen gemeinsamen Wissens-, Sozialisations- und Erfahrungsbasis gründen (vgl. auch Abschnitt 2.4), klare Konnotationen für die am Produktionsprozess Beteiligten beinhalten (vgl. Abschnitt 5.3.2.1). Die begriffliche Abgrenzung von Keuper und Wölbling (2009) findet sich implizit in der Konzeption von Ribera und Sieber (2009) wieder, die vier Formen von Unsicherheit auf einem Kontinuum von Variation über vorhersehbare Unsicherheit und unvorhersehbare Unsicherheit bis hin zu absolutem Chaos beschreiben. Entsprechend dieser Formen von Unsicherheit ergeben sich in den einzelnen Prozessschritten für ein erfolgreiches Risikomanagement unterschiedliche Anforderungen an und Aufgaben für die Producer*innen, die als Projektmanager*innen fungieren (vgl. ebd., S. 59 ff.). Passend zu einer Wahrnehmung der Entwicklung als besonders kreativ (vgl. Abschnitt 5.1.2) dominieren unvorhersehbare Unsicherheit und auch Chaos diesen ersten Prozessschritt in besonderer Weise (vgl. Ribera und Sieber 2009, S. 59). Im chronologischen Verlauf der eigentlichen Produktionsphase nehme die Vorhersehbarkeit zu (vgl. ebd.). In den benannten Beschreibungen ist die eingangs benannte Kopplung von Unsicherheit und Kreativität implizit. Im Kern sind damit jedoch lediglich Unsicherheiten und Risiken angesprochen, die sich auf den Leistungserstellungsprozess, den eigentlichen Produktionsprozess beziehen. Diese lassen sich mit dem Begriff des Produktionsrisikos fassen. Darüber hinaus lassen sich weitere – daran gekoppelte – Risiken für den Prozess der Fernsehunterhaltungsproduktion beschreiben. Eine systematische Analyse und Benennung dieser Risiken als Produktions-, Konsumtions-, Entwicklungs- und Reputationsrisiken geht auf die Studie von Rimschas (2008; 2009; 2010) zu Risiken in der Spielfilmproduktion zurück. Das Produktionsrisiko (vgl. von Rimscha 2012, S. 131; 2010, S. 153 f.) gründet in der arbeitsteiligen Produktion (vgl. Abschnitt 3.2.4), im Qualitätsrisiko sowie im hohen Anteil an Fixkosten (vgl. Abschnitt 3.2.1) und damit an potenziell versunkenen Kosten (vgl. auch Caves 2003, S. 74). Die Gefahr versunkener Kosten ist äquivalent konstitutiv für das Entwicklungsrisiko, welches sich aus der Unsicherheit ergibt, ob ein Projekt letztlich überhaupt umgesetzt wird und ob sich die Investition in eine Entwicklung auch wirklich auszahlt (vgl. von Rimscha 2010, S. 126 f.). Für das Produktionsrisiko noch einschlägiger ist das Fertigstellungsrisiko – ein Scheitern und Abbruch des Prozesses ist durch Ausfall der Finanzierung oder wesentlicher Produktionsmittel (z. B. Erkrankung des Hauptdarstellers) denkbar (vgl. auch Iljine und Keil 2000, S. 122). Versicherungen
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5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
(als Strategie der Risikoüberwälzung, vgl. von Rimscha 2010, S. 221 ff.) können diese Produktionsrisiken ein Stück weit eindämmen. Da keine allgemein gültigen Erfolgsfaktoren bekannt und die Publikumsnachfrage zudem unbeständig ist, ist der Erfolg von Fernsehsendungen auf dem Rezipient*innenmarkt hochgradig ungewiss (vgl. Zabel 2009, S. 382). Dieses Konsumtions- und Absatzrisiko ist auf die Variabilität des Produkts (vgl. Fröhlich 2010b, S. 56, in Rückgriff auf Caves 2000, S. 6) und seine Eigenschaft als Erfahrungs-(oder gar Vertrauens-)gut zurück zu führen (vgl. Abschnitt 3.2.1). Caves fasst diese „fundamental uncertainty“ (Caves 2003, S. 74) mit dem Begriff des Nobody Knows: Produzent*innen haben Erfahrungswissen basierend auf dem (Miss)-Erfolg bisheriger Produktionen und sie versuchen dieses Wissen auf aktuelle Projekte anzuwenden, „yet their ability to predict its audience’s perception of quality is minimal“ (ebd.). Das Konsumtionsrisiko bezieht sich offensichtlich auf eine dem eigentlichen Produktionsprozess nachgelagerte Wertschöpfungsphase und damit augenscheinlich auch auf andere (in der Verwertung tätige) Akteur*innen der Film- und Fernsehbranche (vgl. von Rimscha 2010, S. 130). Tatsächlich trifft es jedoch auch die Produzent*innen vor allem dann, wenn sie die Produktion (teilweise) selbst finanzieren müssen. Dies gilt insbesondere in der Filmbranche, in der klassische Auftragsproduktionen, die das Verwertungsrisiko auf die Auftraggebenden übertragen, untypisch sind (vgl. von Rimscha 2010, S. 130). In Verbindung mit den benannten Produktionsrisiken, ist es für Produzent*innen u. U. schwierig, ein Projekt zu finanzieren: Eine Bank ist kaum bereit neben dem klassischen Überschreitungsrisiko, d. h. dem Risiko, dass die Produktion die geplanten Kosten übersteigt, auch noch das Verwertungs- und das Refinanzierungsrisiko zu tragen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 108). Darüber hinaus muss sich unabhängig von der Finanzierung jede*r Produzent*in mit dem Konsumtions- und Absatzrisiko auseinandersetzen, da und wenn er*sie am Erfolg seines Produkts gemessen wird: Der Erfolg bzw. Misserfolg einer Sendung hängt nicht nur vom Endprodukt, sondern auch von der Programmplanung und den Produktionsbedingungen ab (vgl. auch Armbruster und Mikos 2009, S. 72) – zwei Faktoren, die die Sender mittelbar oder gar unmittelbar beeinflussen. Dennoch weisen die Sender die Verantwortung für Misserfolge häufig den Produzent*innen zu (vgl. Berkeley 2003, S. 107). Ein Gespür für die Interessen des Publikums konstituiert gemeinsam mit der Zuverlässigkeit, Zeitund Budgetvorgaben einzuhalten, die Reputation von (Film-)Produzent*innen (vgl. von Rimscha 2010, S. 257). Letztere ist entscheidend für die Frage, ob ein*e Produzent*in einen Produktionsauftrag bekommt (vgl. ebd.; vgl. auch Abschnitt 3.2.3). Jede Produktion birgt folglich Reputationsrisiken. Aus diesem
5.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als kreativer (Produktions-)Prozess
219
Grund beschreibt von Rimscha (2010, S. 160 ff., 252 ff.) explizit und ausführlich das Reputationsmanagement als wichtiges Element im Risikomanagement der Filmproduktionsbranche. Über das Konsumtions- und das (eingangs bereits implizit hervorgehobene) Produktionsrisiko lassen sich charakteristische Feldstrukturen begründen. Diese feldspezifischen Risikoformen prägen die Besonderheit der Branche im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen (vgl. von Rimscha 2008; auch Dal Zotto und van Kranenburg 2008, S. xvi). In einer Betrachtung der sowohl intra- wie auch interorganisational geltenden Regeln und Ressourcen zeigt sich: Da sich das Produktionsrisiko als Fertigstellungsrisiko in der Wahrnehmung der Medienschaffenden über Produktionserfahrung abmildern lässt (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 122; auch North und Oliver 2010, S. 34), greifen die Feldakteur*innen auf bewährte Partner*innen zurück (vgl. Schneider 1997, S. 40, 42). Dies wiederum (re-)produziert bestehende Projektnetzwerke (vgl. Abschnitt 3.2.4). Die Personalauswahl – als eine neben weiteren Risikominderungs-, Risikovermeidungsund Risikobegrenzungsstrategien (vgl. von Rimscha 2010, S. 195 ff.; 248 ff.) – ist darüber hinaus ein Ansatzpunkt für die Bewältigung des Konsumtionsrisikos (vgl. ebd., S. 151 f.). Besonders beliebte und bekannte Medienschaffende hinter und vor der Kamera, so genannte Stars (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 31 f.), sollen die Nutzenintransparenz (vgl. Abschnitt 3.2.1) reduzieren und das Vertrauen der Konsument*innen in die Unterhaltungsfähigkeit des audiovisuellen Produkts erhöhen (vgl. Franck und Opitz 2003) – tatsächlich mit tendenziell ambivalentem Erfolg, da Stars in der Regel auch die Kosten in die Höhe treiben (vgl. von Rimscha 2010, S. 152) und die Reichweite und damit ggfs. den Umsatz (an den Kinokassen), nicht jedoch den Profit einzelner Produktionsunternehmen erhöhen (vgl. Elberse 2007). Die Hierarchisierung von Medienschaffenden und die daran gekoppelte Idee, dass es letztlich einzelne hervorstechende Personen gibt, die die Aufmerksamkeit der Rezipient*innen in besonderer Weise wecken und binden, ist dennoch ein Charakteristikum der Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt (vgl. Caves 2003, S. 80; Hesmondhalgh 2013, S. 31 f.; Ryan 1991, S. 198 ff.). Dieses Hierarchisierungsmuster findet sich zumindest für die Filmbranche auf Ebene der Produkte als weiterer Strategie der Absatzrisikobewältigung: Die Medienbranche ist eine Blockbuster basierte Branche, d. h. sie hängt von den wenigen Produkten ab, die zu großen Kino- oder auch Fernseherfolgen werden (vgl. Gläser 2014, S. 211), einen großen Anteil des Gesamtumsatzes begründen (vgl. Mueller-Oerlinghausen und Sauder 2003, S. 21 f.) und damit den mäßigen Erfolg umsatzschwacher Produkte ausgleichen sollen (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 195). Entsprechend fließt besonders viel Geld in ein viel versprechendes Produkt, das die (scheinbar) größten Erfolgsaussichten hat (vgl. Küng 2007a,
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5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
S. 28 f.). Tatsächlich hat – trotz der Gültigkeit spezifischer Trendwellen und des temporären Erfolgs imitativer Produkte (vgl. Abschnitt 5.2.2) – bisher noch niemand „the magic formula für the perpetual generation of hits“ (Chalaby 2012, S. 36) entwickelt. Mit der Unsicherheit bezüglich der Nachfrage als „fact of life in audiovisual industries“ (Doyle 2014, S. 303) bleibt den Feldakteur*innen folglich (nur) das, was – initial als Strategie der Musikindustrie beschrieben (vgl. Negus 1999, S. 10, 33 f., 61) – Hesmondhalgh für die Cultural Industries als „throwing mud […] against the wall“ (Hesmondhalgh 2013, S. 30), in der Hoffnung, dass irgendwas kleben bleibe, beschreibt. Die Devise: Möglichst viel produzieren – irgendetwas davon wird schon erfolgreich sein. Auf Marktebene lässt sich damit die für die Kultur- und Kreativwirtschaft als typisch herausgestellte strukturelle Überproduktion auf das Konsumtions- und Absatzrisiko zurückführen. Tatsächlich scheinen die Medienschaffenden die Unmöglichkeit völliger Planungssicherheit in ihrer Arbeit zu akzeptieren und sogar zu kultivieren. Die Berücksichtigung und aktive Schaffung geplanter Unplanbarkeit ließe sich als Form des Kreativitätsmanagements herausstellen. In der Rhetorik der Medienschaffenden sind Zufall und Glück Zutaten einer erfolgreichen Filmproduktion (vgl. Clevé 2009, S. 309). Insbesondere am Set müsse Raum für Improvisation und Unvorhersehbares bereitgehalten werden (vgl. Graf 2010, S. 32). Folglich kann auch von Rimscha (2010, S. 258) in seiner Studie keine systematische Risikosteuerung in Entscheidungsprozessen identifizieren, da der Risikobegriff von den Produzent*innen als kaufmännischer Terminus auf den Bereich der Buchhaltung und Geschäftsführung verengt wahrgenommen wird. Implizit spiegelt diese Wahrnehmung das Selbstverständnis der Produzent*innen als Kreative und zugleich ihre subjektive Trennung der eigenen kreativen von der kaufmännischen Arbeit wider. Trotz allem sind sich die Produzent*innen der Kopplung von Kommerzialität und Kreativität vollumgänglich bewusst (vgl. auch Abschnitt 5.3.1.2). Die Verknüpfung von Kreativität mit den bestehenden Risiken der Fernsehunterhaltungsproduktion zeigt sich auch im Konzept kreativer Risiken des ManKIP-Projekts als spezifischer Risikoform, die sich aus dem Vorhandensein von Kreativität im Produktionsprozess ergibt (vgl. Becker et al. 2008; 2011). Die Definition kreativer Risiken als „closely connected to uncertainty with regard to outcome and different subjective perceptions of this outcome“ (Becker et al. 2011, S. 5) spiegelt die vom (kreativen) Produkt deduzierte Kreativitätsdefinition wider. Entsprechend liegt dieses Konzept quer zu den oben skizzierten Risikoformen. Kreative Risiken meinen jene Produktions- sowie Konsumtionsrisiken, die direkt auf das Produkt zurückzuführen sind, d. h. beispielsweise mangelnde Publikumsadäquanz oder Budget- und Zeitüberschreitungen im Produktionsprozess (vgl. Becker et al. 2008, S. 5; memi und ERCIS 2011, S. 71 f.). Da
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
221
kreative Risiken laut Becker et al. (2008) – in Äquivalenz zu und anlehnend an Kreativitätsdeterminanten (vor allem das Drei-Komponenten-Modell von Amabile (1983)), wie sie in Abschnitt 4.2 beschrieben wurden – aus mangelnden Produktspezifikationen, zu großem Freiraum, falscher Ressourcenallokation, mangelnder Motivation sowie fehlenden feld- und kreativitätsspezifischen Fähigkeiten resultieren (vgl. Becker et al. 2008, S. 4 f.), können sie über Referenzprodukte, beständige Produktrückmeldungen und kontinuierliche Kommunikation im Prozess sowie ein aktives Wissensmanagement gemindert, über die Charakterisierung von Pockets of Creativitiy und die Gewährung kreativer Freiheiten vermieden werden (vgl. ebd., 5 f.). Dass die Autor*innen Gestaltungsfreiräume als Wirkung und Gegenwirkung zugleich beschreiben, zeigt die Schwierigkeit und Paradoxität eines erfolgreichen Kreativitätsmanagements. Der Fokus auf die Produkteigenschaften als Quell feldspezifischer Risiken weist darüber hinaus auf die Bedeutung von Genres für die Bewältigung dieser Risiken und Unsicherheiten. Die Kenntnis von Genres und Gattungen sowie genre- & gattungsspezifischen Besonderheiten eines Produktionsprozesses begegnet nicht nur der oben skizzierten Unschärfe, wie Keuper und Wölbling (2009) sie exemplifizieren, und ermöglicht es damit, Risiken im Produktionsprozess zu reduzieren. Genres, Konventionen und Formate sind auch wichtige Mittel der Reduktion von Konsumtionsrisiken (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 31 f.; von Rimscha 2010, S. 143 ff.), da sie eine Verständigung von Kommunikator*innen und Rezipienten*innen untereinander und miteinander ermöglichen (vgl. Abschnitt 5.2.1).
5.2
Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld von Standardisierung und Innovation
Wird Kreativität auf Ebene des Produkts bestimmt, richtet sich der Blick auf die Frage, inwieweit diese Produkte entsprechend der klassischen Kreativitätsdefinition (vgl. Abschnitt 4.1.1) neu und zugleich angemessen sind. Die Definition von Kreativität über Neuheit einerseits und Angemessenheit andererseits verortet sie automatisch in einem Spannungsfeld zwischen Vorgaben und Raum für Neuerung, zwischen Standardisierungsbestrebungen und Innovationsbemühungen. Wenn die Grenzen des (Alt-)Bekannten gedehnt oder überschritten werden, geht es letztlich darum, wann und wie allgemeine (Genres, Konventionen und Produktionsformeln) und spezifische (Formate, Innovationen) Gestaltungsprinzipien angewandt werden. Wie in Abschnitt 3.1 beschrieben, ist jeder Genre- und Gattungsbeschreibung – so wird es hier angenommen – eine beständige Weiterentwicklung
222
5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
inhärent. Wo also endet die für jegliche Sendungsform typische Dynamik permanenter Veränderung und wo beginnt eine Modifikation, die als kreativ bewertet werden kann? Ist die Dynamik nicht selbst ein kreativer Prozess? Diese Fragen sind am ehesten über die Annahme unterschiedlicher Ebenen von Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.3), wie sie hier auch zuerkannt werden, zu beantworten. An dieser Stelle soll es aber weniger um eine (abschließende) Beantwortung der aufgeworfenen Fragen gehen. Vielmehr soll das Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Innovation, das die Betrachtung von Fernsehunterhaltungssendungen als kreative Produkte prägt, beleuchtet werden (auch wenn eine objektive Verortung von Kreativität in ihm nicht möglich ist), um die Facetten feldspezifischer Kreativität zu erfassen. Der Argumentation in Abschnitt 5.1 folgend ließe sich jedes Medienprodukt als in gewisser Weise kreativ, weil so noch nie da gewesen beschreiben; dennoch zeigen nicht zuletzt unterschiedliche Definitionen von Medien- & Fernsehinnovationen, dass es Abstufungen im Grad der (angemessenen) Neuheit gibt. Die Frage, ob Unterhaltungsprodukte per se immer auch kreativ sind, wird in Frage gestellt vor dem Hintergrund, dass Konventionen und bestimmte Erzählmuster für Medienproduktion von essenzieller Bedeutung sind. Schließlich steht ein Baukastenprinzip der gängigen Vorstellung von Kreativität erst einmal entgegen. Daher erscheint es interessant, das Verhältnis von Genrekonventionen zu Kreativität und die Implikationen der Hybridisierungstendenzen, die die Verständigung von Kommunikator*innen und Rezipient*innen über Neuheit und Angemessenheit erschweren, näher zu beleuchten (vgl. Abschnitt 5.2.1). In besonderer Weise modifiziert des Weiteren der aktuelle Formatierungstrend das Verhältnis zu Innovationen in der Branche, weil Standardisierung damit ökonomisch attraktiver wird, während Innovationen ggfs. ökonomisch an Reiz verlieren (vgl. Abschnitt 5.2.2). Letztlich sind und bleiben Kreativität wie auch die den Begriff konstituierenden Komponenten (Neuheit & Angemessenheit) relationale Begriffe und daher von einer Bewertung abhängig (vgl. Abschnitt 5.2.3).
5.2.1
Kreativität, Produktionsformeln, Genre- und Gattungskonventionen
Die Feststellung, dass Kreativität Struktur braucht (vgl. Becker et al. 2010) und nur in und durch Struktur möglich ist, ist konsistent mit einer praxistheoretischen Sichtweise. Struktur ist sozialen Praktiken inhärent. An spezifische Produktionspraktiken ist daher auch eine spezifische Struktur bestehend aus spezifischen
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
223
Regeln und Ressourcen gekoppelt. Genres, Gattungen und Formate als unterschiedliche Begriffe und Begriffsgruppen konstituieren – wie in den folgenden Ausführungen ersichtlich wird – solche Regeln und Ressourcen und sind damit Teil dieser spezifischen Struktur. Daher machen auch sie erst Kreativität möglich und sind zugleich ihr Ergebnis. So wie Medienschaffende in und durch Praktiken Arbeits- und Produktionsmechanismen (re-)produzieren, (re-)produzieren sie auch die Deutungsmuster des Feldes, d. h. auch das Verständnis von Genres, Gattungen und Formaten. Strukturelle Zwänge und ästhetisch-narrative Gestaltungen sind interdependent (vgl. Zoellner 2013, S. 7). Somit können Kategorisierungen von Fernsehsendungen gerade in einer praxistheoretischen Sichtweise nicht essentialistisch als unabhängig, real existierend verstanden werden. Fernsehgenres werden vielmehr „als soziokulturelle Phänomene durch verschiedene Diskurse und Praktiken verschiedentlich prozessiert“ (Scheinpflug 2014, S. 113). Sie sind daher nicht stabil. Vielmehr ist Hybridisierung als Hybridität ein üblicher Prozess der Fortexistenz von Genres (vgl. dazu Kuhn et al. 2013, S. 30; vgl. auch Ausführungen unten). Genres verändern sich in und durch die sozialen Praktiken der Medienschaffenden (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 14). Genres sind (wie in Abschnitt 3.1.2 bereits dargestellt) damit per se dynamisch und befinden sich in steter Wandlung (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 73, 75 f.; Negus und Pickering 2004, S. 78). Dies heißt aber nicht, dass die Idee davon, dass es bestimmte Genres gibt, obsolet sei: „Natürlich lassen sich Gemeinsamkeiten von Texten beobachten und natürlich zirkulieren in ganz verschiedenen Diskursen GenreNamen und -Konzepte.“ (Scheinpflug 2014, S. 113) Diese Gemeinsamkeiten und Konzepte kategorisieren Film- und Fernsehsendungen. Die Kategorisierung von Fernsehinhalten ist wiederum wichtig für die Rezeption, Produktion und Distribution von Fernsehunterhaltung (vgl. Gehrau 2001, S. 15 f.). Die Rolle von Kategorisierungen für die Rezeption Die inhaltliche Einordnung medialer Inhalte ermöglicht den Rezipient*innen eine Orientierung in der Mediennutzung. Formate schaffen dabei, weil sie spezifizierter sind (vgl. Abschnitt 5.2.2.1), klarere Erwartungen als die allgemeineren Begriffe des Genres und der Gattung. Die benannten Begriffe zur Spezifizierung von Fernsehinhalten (vgl. Abschnitt 3.1.2) sind für Rezipient*innen für die (1) Identifikation und Selektion wie auch für das (2) Verstehen und Bewerten von Medieninhalten von Bedeutung (vgl. Gehrau 2001, S. 27 f.). Die Zuschauer*innen lernen in der Mediensozialisation, was sie von bestimmten Inhalten erwarten. Programmgattungen dienen damit als (Rezeptions-)Schemata (vgl. ebd., S. 25; Renner 2012, S. 84 mit Verweis auf Schmidt und Zurstiege 2000, S. 157 f.).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Im Einzelnen bedeutet dies für die Programmauswahl, dass die Sendungsbezeichnungen das Angebot strukturieren und damit eine inhaltliche Qualität (im wertneutralen wie auch wertbeladenen Sinne) suggerieren. Die begriffliche Bezeichnung von Fernsehsendungen als spezifische Gattung und/oder spezifisches Genre gibt dem Publikum Orientierung (vgl. Gehrau 2001, S. 13; Hickethier 2007, S. 206), macht die Inhalte „handhabbar“ (Gehrau 2001, S. 27) und ermöglicht so zunächst das Erkennen der Inhalte und dann eine Selektionsentscheidung (vgl. ebd., S. 12; Scheinpflug 2014, S. 1, 13). In einem weiteren Schritt erleichtert das Wissen um die Fernsehinhalte die kognitive Verarbeitung dieser (vgl. Gehrau 2001, S. 15; Mikos 2008, S. 262; Prommer 2004, S. 236). Dies verdeutlicht, warum die Bestimmung von Fernsehinhalten auch über „spezifische Formen der Sprecher-Hörer-Kooperation“ (Renner 2012, S. 86) erfolgt und Kommunikationsgattungen folglich aufbauend auf der Annahme eines jeweils spezifizierten Vertrages (vgl. ebd., S. 90 ff.) zwischen Kommunikator*in und Rezipient*in (vgl. Abschnitt 3.1.1) definiert werden können. Genrebegriffe liefern in diesem Sinne einen Lektüre-Ansatz (vgl. Scheinpflug 2014, S. 29): Spezifische Inhalte werden von Rezipient*innen unterschiedlich verstanden. Genre-, Gattungs- und Formatbegriffe aktivieren das über die Mediensozialisation erworbene Wissen um diese Konventionen – ein unterschiedlicher Wissensstand, soziale und kulturelle Prädispositionen der Rezipient*innen resultieren in unterschiedlichen Bewertungen (vgl. Mikos 2008, S. 265; Scheinpflug 2014, S. 13, 27 f.). Diese Bewertungen erfolgen jedoch nicht willkürlich – ein*e Rezipient*in prüft die eigene Wahrnehmung dynamisch (vgl. Scheinpflug 2014, S. 29). Die Rolle von Kategorisierungen für die Distribution Vor diesem Hintergrund haben Genres und Gattungen in der Distribution und Vermarktung auch eine ökonomische Funktion: Sie sollen das Konsumtionsrisiko (vgl. Abschnitt 5.1.3) senken. Genre- und Gattungsbezeichnungen dienen als Verpackung, die der Kundschaft vermittelt, was sie vom Produkt erwarten kann – für die potenzielle Zuschauerschaft ist das der Inhalt, für die werbetreibende Wirtschaft die Werbeumgebung (vgl. Gehrau 2001, S. 16). Produzent*innen profitieren dabei auch vom Erfolg anderer audiovisueller Produkte derselben Gattungen und Genres (vgl. Scheinpflug 2014, S. 20). Grundsätzlich helfen Zuordnungen zu Genres und Gattungen dabei, spezifische Publika zu adressieren (vgl. ebd., S. 23). Die Medienschaffenden nutzen inhaltliche Kategorisierungen in der Hoffnung, dass die Zuschauer*innen ihr Wissen um Genres und Formate aktivieren (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 75). Interessanterweise ist es dabei die Vagheit des Genre- und Gattungsbegriffs, die eine Verständigung zwischen Rezipient*in und Kommunikator*in ermöglicht, weil eine Einordnung erfolgt, ohne dass letztere*r
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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etwas verspricht, das er*sie nicht halten kann (vgl. Scheinpflug 2014, S. 24). Zudem ist davon auszugehen, dass der Absatzerfolg nicht mit der Ausdifferenzierung der Produktionsvorlage steigt, d. h. dass das Konsumtionsrisiko hoch ist, egal ob eine Sendung eine Eigenentwicklung ist oder aber auf einem Format basiert (vgl. Zabel 2009, S. 174). Letzteres hilft hingegen, Produktionsrisiken zu senken (siehe folgende Ausführungen). Die Rolle von Kategorisierungen für die Produktion Die Kenntnis eines Genres „schafft eine Art kommunikatives Vertrauen“ (Mikos 2008, S. 265) – sowohl zwischen Kommunikator*in und Rezipient*in als auch innerhalb beider Gruppen. Das Verständnis von und über bestimmte Gattungen und Genres ist schließlich nicht nur für die mittelbare Kommunikation zwischen Publikum und Medienschaffenden wichtig, sondern hilft letzteren darüber hinaus, sich auch untereinander zu verständigen. Obwohl der Prozess der Sendungserstellung jeweils eine Blaupausen-Produktion darstellt (vgl. Abschnitt 5.1), können sich Medienschaffende untereinander über die Spezifizierungen von Gattungen und Genres auch über das noch unbekannte, weil bisher so noch nicht produzierte Produkt verständigen (vgl. Gehrau 2001, S. 16; Scheinpflug 2014, S. 23). Genres und Gattungen verweisen auf Begriffe wie Muster, Schema und Klischee (vgl. Schweinitz 2006, S. 29) und können letztlich als „Produktionsmuster“ (Scheinpflug 2014, S. 19) bezeichnet werden. Dies gilt in besonders ausgeprägter Form für formatbasierte Produktionen (vgl. Abschnitt 5.2.2.1). Grundsätzlich standardisieren Gattungen (in einem breiten Begriffsverständnis) „komplexe journalistische und redaktionelle Abläufe und schränken Entscheidungsspielräume ein“ (Haas 2005, S. 226). Genres (hier im engeren Sinne gemeint in Bezug auf fiktionale Inhalte, jedoch lässt sich dieses Prinzip auf nonfiktionale Produktionen übertragen) stellen Formeln, d. h. „a set of widely recognized principles for selecting and organizing material“ (Turow 1997, S. 184) für die Produktion bereit – konkret handelt es sich um Settings, Handlungen und prototypische Charaktere (vgl. ebd.). Diese Sichtweise, die das Vorhandensein von Produktionsschablonen suggeriert, könnte als einem kreativen Arbeiten entgegenstehend bewertet werden, ist jedoch der Vorstellung von Kreativität, wie sie diese Arbeit entwickelt, inhärent. Schließlich setzt Kreativität zunächst einmal Handlungsfähigkeit heraus – und dies wird durch Genre- und Gattungsbegriffe hergestellt, schließlich „sichern [sie] eine Praxis, die sich durch fortwährende Anwendung bewährt hat und durch die kontinuierliche Erfüllung von Erwartungen Vertrauen […] schafft“ (Haas 2005, S. 226). Im Spezifischen organisieren Genres (als inhaltliche Kategorie) „das Wissen über Erzählmuster, Themen und Motive“ (Hickethier 2007, S. 203). Genreund Gattungsbezeichnungen setzen somit inhaltliche Standards, daran gekoppelt
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
aber auch Arbeits- und Produktionsstandards, denen Produzent*innen nicht nur folgen können, sondern vielmehr auch müssen (vgl. Scheinpflug 2014, S. 22; auch Amgarten 2008, S. 118). Sie stehen für domänenspezifisches Wissen (vgl. Abschnitt 4.2.1). Dies erlaubt es, Produktionsprozesse seriell zu konzipieren, sie effizienter zu gestalten und folglich Produktionsrisiken (vgl. Abschnitt 5.1.1) abzubauen (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 67, 70; Scheinpflug 2014, S. 20). Hinter der Herausbildung von Genres und noch mehr hinter jener von Formaten steckt damit eine ökonomische Dynamik. Die Nachfrage bestimmt wesentlich, ob sich ein bestimmter Inhaltstypus herausbildet (vgl. Hallenberger 2008, S. 66; Mikos 2008, S. 263). Kreativität in und durch Sendungskategorisierungen Und trotzdem: Genrekonventionen sowie Formatvorgaben gewährleisten nicht nur die Handlungsfähigkeit der Akteur*innen und stützen die Kommerzialisierbarkeit der Produkte, sondern ermöglichen erst (kulturelle) Originalität, die als Kreativität gewertet werden kann. Armbruster und Mikos (2009) stellen heraus, dass Genres als Stereotype (vgl. auch Mikos 2008, S. 264; Schweinitz 2006, S. 43 ff.) einen Korpus gleichbleibender Strukturen konstituieren, die eine Differenzqualität überhaupt erst erkennbar machen (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 66 f.). „Originalität entsteht gerade im dialektischen Spiel mit den Stereotypen“ (ebd., S. 67). Schweinitz (2006) – Armbruster und Mikos (2009) beziehen sich wiederholt auf ihn – plädiert dafür, Stereotypen nicht mit Verweigerung und Kritik gegenüber zu treten. In der individuellen Aneignung eines Stereotyps durch eine*n Filmemacher*in liegt das Potenzial für Kreativität und Innovation (vgl. Schweinitz 2006, S. 115). Das durch Armbruster und Mikos (2009) benannte notwendige Erkennen einer Differenzqualität weisen Negus und Pickering (2004) den Rezipient*innen zu3 . Von der Funktion, die Genres für die Beziehung zwischen Kommunikator*innen und Rezipient*innen haben, leiten sie ab, dass und wie Genres Kreativität und kreative Praktiken erst ermöglichen. Zwischen Produzent*innen und Konsument*innen bestehe eine stillschweigende Übereinkunft bezüglich jener Codes und Konventionen, die ein spezifisches Genre ausmachen (vgl. ebd., S. 70). Diese Codes und Konventionen generieren Erwartungen und setzen damit die Kriterien für kreative Praxis (vgl. ebd., S. 69). Dies geht so weit, dass die Erwartungen des Publikums den kreativen Prozess (unbewusst) beeinflussen (vgl. ebd., S. 71). Damit betonen die Autoren, dass und wie die 3
Für eine Diskussion der Frage, wer als angemessene Bewertungsinstanz von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion gelten kann und inwieweit dies auf das Publikum zutrifft, vgl. Abschnitt 5.2.3.
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Angemessenheit einer Praktik oder eines Produkts, das diese hervorbringt, von den Rezipient*innen (mit)bestimmt wird. Hierin drückt sich die enge Kopplung des Feldes der Produktion an jenes der Rezeption aus (vgl. Abschnitte 2.2.1.2 und 6.2). Zugleich stellen sie die Kopplung kreativer Praxis an Bestehendes heraus (vgl. ebd., S. 68). Kreativität und kreative Praxis ergeben sich an den Friktionen der Codes und Konventionen (vgl. auch Bilton 2007, S. 5); die allermeisten kreativen Praktiken bewegen sich jedoch innerhalb bestehender Konventionen (vgl. Negus und Pickering 2004, S. 69). Äquivalent zur Verortung von Kreativität in der individuellen Aneignung eines Stereotyps (siehe oben), lässt sich Kreativität auch als individuelle Interpretation von (Genre-)Konventionen beschreiben. Diese Interpretation drückt sich im spezifischen, ethischen Ansatz eines*einer Medienschaffenden zu diesen Konventionen aus (vgl. Kerrigan und McIntyre 2010, S. 116 f.). Wie groß der persönliche wahrgenommene Raum und Rahmen für Kreativität ist, hängt damit auch davon ab, inwieweit das persönliche (auch ethische) Profil eines*einer Medienschaffenden mit den Konventionen des Genres bzw. der Gattung, das/die er*sie produziert, im Einklang ist. Vor dem Hintergrund, dass Genres und Gattungen nicht nur spezifische Produktionsweisen, sondern auch Werte und Normen von Medienschaffenden beeinflussen (und umgekehrt) (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 14; Kerrigan und McIntyre 2010, S. 117; Zoellner 2013, S. 6), müssen Medienschaffende ihre eigenen Sichtweisen und Prinzipien gegenüber einer öffentlichen Bewertung aushandeln. Dies ist der Fall, weil Genres und Gattungen einer moralischen Hierarchie unterliegen (vgl. Tunstall 2001b, S. 199). Unterschiedliche Genres erhalten unterschiedliche Würdigungen – unabhängig davon, in welchem Maße sie rezipiert werden (vgl. Oliver et al. 2014, S. 869). Eine mögliche Diskrepanz zwischen persönlicher Sichtweise und Anforderungen des Arbeitsalltags (vgl. Kuipers 2012, S. 590 f.), ggfs. sogar zwischen persönlicher und professioneller Identität (vgl. Hackley und Kover 2007), machen dann ein implizites und ggfs. explizites Identitätsmanagement notwendig (vgl. Gotsi et al. 2010; mehr dazu in Abschnitt 5.3.1.3). Damit konstituieren auch persönliche ethische Normen in der Produktionspraxis und in der Produktgestaltung die Grenzen dessen, was als angemessen und damit kreativ bewertet werden kann. Dieser Aspekt wird besonders deutlich in der Produktion hybrider Sendungsformen, die sich über Grenzüberschreitungen definieren. Hybridisierungstendenzen: Mehr Raum für Kreativität? Hybridisierung ist in einem weiteren Sinne, wie oben bereits angedeutet, grundsätzlich ein fester Teil von Genreanwendungen. In einem engeren Sinne verweist
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
der Begriff darauf, dass Genres nicht nur weiterentwickelt, sondern (neu) kombiniert und dadurch neue Genres gebildet werden. Gegenstand medienwissenschaftlicher Debatten sind hybride Sendungsformen vor allem, wenn und insofern sie traditionelle Differenzierungen zwischen Fakt und Fiktion aufweichen oder novellieren (vgl. Abschnitt 3.1.2). Der aktuelle Hybridisierungsdiskurs ist dabei so eng an die Entstehung und Weiterentwicklung so genannter Reality TV-Formate gekoppelt (vgl. auch Abschnitt 3.1.2), dass Hybridisierung und der Begriff des Hybridformats zuweilen in Rückbezug auf diese definiert werden (vgl. Krüger 2010, S. 158; Renner 2012, S. 100). Die unter den Begriff des Reality TV gefassten Sendungsformen dienen als Plattform für gestalterische Testballons, als „principal testing ground for emerging convergence strategies“ (Murray und Ouellette 2009, S. 2). Grundsätzlich ergänzen neue Sendungsformen auf der Grenze zwischen Fakt und Fiktion dokumentarische Formen um „aesthetic and rhetorical variations“ (Bondebjerg 2015, S. 164). Folglich schaffen Hybridisierungen damit zunächst einmal die Möglichkeit zur Gestaltung neuartiger Produkte. Davon ließe sich ableiten, dass die Möglichkeit, wirklich Neuartiges zu produzieren, das dann aber auch angemessen ist, erweitert und damit Chancen, besonders kreative Produkte zu gestalten, geschaffen werden. Als Indiz für die Gültigkeit dieser Sichtweise kann gewertet werden, dass es sich bei (inkrementalen) Innovationen (vgl. Abschnitt 5.2.2) im deutschen Fernsehprogramm vor allem um nonfiktionale Produktionen im Bereich Show und Docutainment handelt (vgl. Zabel 2009, S. 392). Dennoch ist das – auch mit den Präferenzen des jungen Publikums begründete (vgl. Plake 2004, S. 181) – Ausmaß aktueller Hybridisierungstendenzen, die über die zunehmende Entwicklung und Ausdifferenzierung von Reality TV-Formaten repräsentiert werden, durchaus kritisch zu betrachten. Damit ist tendenziell fragwürdig, ob da wirklich mehr Kreativitätsraum geschaffen wird – und zwar aus mehreren Perspektiven: (1) Eigentlich ist das Publikum Genrevermischungen gewöhnt (vgl. Bondebjerg 2015, S. 163), jedoch wird mit den aktuellen Hybridisierungstendenzen, die klassische Differenzierungen zwischen fiktional & nonfiktional sowie informierend & unterhaltend überwunden (vgl. Hallenberger 2008, S. 83), eine eindeutige Identifikation von Inhalten (vgl. Siegert et al. 2006, S. 53) und damit auch die Verständigung zwischen Rezipient*innen und Produzent*innen (vgl. Blaes 2005, S. 64; Karstens und Schütte 2013, S. 96) erschwert. Reality TV-Formate werden aus medienpädagogischer Sicht kritisiert, weil sie sich über die Überwindung klassischer Organisationprinzipien des Fernsehens (vgl. Klaus 2006, S. 93) und damit über Grenzüberschreitungen definieren (vgl. Klaus 2006, S. 93 ff.; Klaus und Lücke 2003, S. 204 ff.;
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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Lünenborg et al. 2011, S. 19 ff.). Das Überschreiten und Überwinden bisher geltender (Gestaltungs-)Grenzen ist für kreative Leistungen konstitutiv, jedoch zeigen diese Sendungsformen, dass es auch unangemessene Grenzüberschreitungen gibt – und was unangemessen ist, ist nicht kreativ. Als unangemessen erscheint dabei die Tendenz zur Intimisierung, die Privatheit in die Öffentlichkeit hebt (vgl. Klaus und Lücke 2003, S. 209) und Normverstöße skandalisiert (vgl. Lünenborg et al. 2011, S. 120 ff.). Diese thematischen und narrativen Grenzüberschreitungen nehmen nicht nur Publikum und Forschende, sondern auch Macher*innen (vgl. Punkt 2) als moralische Grenzverletzungen wahr (vgl. Lünenborg et al. 2011, S. 169). Grenzüberschreitungen sind aber auch dann kritisch zu bewerten, wenn sie zwar branchenintern als kreativ gelten, weil der Raum für Gestaltungsmöglichkeiten außergewöhnlich, aber angemessen erweitert wurde, die medienethische Perspektive diese Sichtweise aber nicht teilen kann, weil die Grenzüberschreitungen schwer ersichtlich sind. Wenn Hybridisierung so weit geführt wird, dass das implizite Einverständnis zwischen Kommunikator*in und Rezipient*in in einem Missverständnis mündet, weil dem Publikum nicht mehr klar ist, ob die Inhalte beispielsweise wahr oder fiktionalisiert sind, hat dies Konsequenzen für beide Seiten. Es hat medienpädagogische Implikationen, wenn insbesondere junge Rezipient*innen (vgl. Ahrens und Weiß 2012, S. 24) fiktionale Inhalte für bare Münzen nehmen und damit ggfs. Verhaltensund Rollenmuster von Personen ableiten, die überspitzt und übertrieben dargestellt werden. Dies kann andererseits für die Kommunikator*innen ökonomische Implikationen haben, wenn Inhalte abgelehnt werden, weil ihnen keine Glaubwürdigkeit (mehr) entgegengebracht wird oder die Außergewöhnlichkeit überspannt wird. Wenn Vergleichsmaßstäbe (z. B. Handelt es sich um Fiktion oder Realität?) verwässern, verwischen nicht nur allgemeine Bewertungsmaßstäbe, die das Publikum zur Verarbeitung der Inhalte ansetzet. Im Speziellen sind damit Parameter zur Beurteilung einer Sendung als kreativ oder nicht-kreativ (durch das Publikum oder aber Medienschaffende) zuweilen kaum identifizierbar. (2) Die aus den Grenzüberschreitungen abgeleitete moralische Problematik wirkt auch auf die Medienschaffenden selbst, da und wenn die Grenzüberschreitungen – wie oben erwähnt – persönlichen Sichtweisen entgegenstehen (vgl. auch Abschnitt 5.3.1.3). Da das persönliche Profil und das Selbstverständnis der Medienschaffenden als zentrale Träger*innen von Kreativität letztere wesentlich beeinflussen, spielt das Verhältnis der Personen zu ihrem Produkt für eine Analyse des Produktionsprozesses (als Kreationsprozess) eine bedeutende Rolle (vgl. Abschnitt 5.3.1). Der Umgang der Medienschaffenden
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
mit diesen Grenzüberschreitungen und damit ein implizites Identitätsmanagement erfolgt auf unterschiedliche Arten, u. a. über eine Distanzierung vom Produkt (vgl. Grindstaff 2002, S. 133, 139) oder aber die Rechtfertigung, sich der typischen Erzählelemente des Reality TV moralisch anspruchsvoll (ggfs. gar mit dem Ziel der Wertevermittlung, vgl. Amgarten 2008, S. 121) zu bedienen. Grundsätzlich resultiert der Umgang mit Produktionskonventionen, die den persönlichen Prinzipien mitunter entgegenstehen, wie Grindstaff (2002, S. 134 ff.) es für die Talkshow-Produktion beschreibt, in emotionaler Arbeit (‚emotional labour‘), über die die persönlichen Werte gegenüber den beruflichen Konventionen und Werten ausgehandelt werden (vgl. ausführlicher Abschnitt 5.3.1.3). Die Medienschaffenden müssen sich die Beziehung zu den neuen Konventionen erst einmal erarbeiten. Ein Beispiel dafür identifiziert auch Klug (2016) für Medienschaffende, die an fiktionalisierten Reality TV-Produktionen beteiligt sind. Die Medienschaffenden selbst versuchen sich dem potenziellen Vorwurf unterhaltende Fiktion als dokumentarische Information zu verkaufen (vgl. Krüger 2010, S. 158 f.), obwohl sie im Produktionsprozess auf diverse Authentifizierungsstrategien zurückgreifen (vgl. Klug 2016, S. 135 f., 137 f., 141 f., 144 f., 149 f.), implizit zu entziehen, indem sie den Begriff der Realität aus der Bezeichnung ihrer Produktionen tilgen und statt von Scripted Reality (vgl. Weiß und Ahrens 2012, S. 59 ff.), lieber von Scripted Entertainment sprechen (vgl. Klug 2016, S. 179). (3) Abstrahiert von den Individuen mit Blick auf das Produkt und die Grundmechanismen kultureller Produktion muss das Kreativitätspotenzial, das in den Hybridisierungstendenzen steckt, auch deshalb kritisch betrachtet werden, weil die medienethisch diskutierten Grenzüberschreitungen nicht von einer künstlerischen, sondern von einer ökonomischen Logik angeleitet werden. Die Entstehung hybrider Sendungsformen ist vorrangig ökonomisch getrieben (vgl. Abschnitt 3.1.2). Hybride Formate entstehen folglich (auch), wenn Sendungen mit dem Ziel einer gesteigerten Produktionseffizienz formatisiert werden (vgl. Abschnitte 5.2.2.1 und 5.2.2.2). Dies kann die Balance von Unterhaltungssendungen als Kultur- und Wirtschaftsgüter ins Ungleichgewicht bringen, weil und wenn die ökonomische Logik die kreativ-künstlerische Logik des Feldes dominiert (vgl. Abschnitt 6.1). Insgesamt zeigen die Ausführungen, dass die unterschiedlichen Termini zur Kategorisierung von Fernsehsendungen den Rahmen für Kreativität im Feld auf unterschiedlichen Ebenen abstecken. Die Begriffe verdeutlichen, wo Neuheit beginnt und wo Angemessenheit endet. Dieses Spannungsfeld zwischen Neuheit und Angemessenheit müssen Medienschaffende für sich selbst, untereinander, aber
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auch in mittelbarer Interaktion mit den Rezipient*innen aushandeln. Die Grenzen der Angemessenheit sind dabei sowohl symbolischer als auch ökonomischer Natur und zumeist aneinandergekoppelt – positiv wie auch negativ. Eine neuartige ästhetisch-narrative Gestaltung kann innerhalb der Gruppe der Medienschaffenden anerkannt sein, zugleich jedoch besonders hohe Kosten verursachen und vom Publikum als zu extravagant abgelehnt werden. Sie kann genauso aus einer neuen, besonders kosteneffizienten Produktionsweise resultieren und/oder eine hohe Publikumsresonanz nach sich ziehen. In besonderer Weise wird dieses Spannungsfeld aufgespannt, wenn hybride Sendungsformen entstehen. Letztlich sind in der Wahrnehmung der Medienschaffenden die Grundparameter der Gestaltung aber gesetzt: Die Entwicklung gänzlich neuer Genres halten Medienschaffende für undenkbar (vgl. Zabel 2009, S. 170). Dies stützt die Argumentation, wonach Genres und Gattungen Handlungsräume nicht beschränken, sondern Kreativität erst ermöglichen.
5.2.2
Innovationen in der Fernsehunterhaltungsproduktion
Über die Kopplung des Kreativitäts- an den Innovationsbegriff (vgl. Abschnitt 4.3.2) rücken in einer Analyse von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion auch Erkenntnisse zu Formen und zur Relevanz von Innovationen in der Fernseh(unterhaltungs)produktion in den Fokus. Grundsätzlich soll dabei an dieser Stelle an einen für Medien spezifizierten Innovationsbegriff angeknüpft werden. Eine erschöpfende Definition von Medieninnovationen, die unterschiedliche Ebenen des Begriffs und zugleich seine besonderen Merkmale herausstellt, liefert Dogruel (2013; 2014; 2015). Innovationen definiert sie allgemein über „Neuheit als zweistufigem Prozess“ (Dogruel 2013, S. 303). Äquivalent zum dualen Charakter der Kreativitätsdefinition beschreibt sie diese Zweistufigkeit über eine Kopplung der Attribute „neu“ und „überlegen“ (vgl. ebd.). Letzteres konstituiert dabei die Voraussetzung für eine sowohl ökonomische als auch – nicht nur, aber vor allem für mediale Innovationen typische – nicht-ökonomische Verwertbarkeit (vgl. ebd., S. 303 f.). Über diese beiden „universalen[n] Indikatoren für die Identifikation von Innovationen“ (ebd., S. 304) hinaus, muss eine Medieninnovation, um als solche identifiziert zu werden, auch noch kommunikative Folgen haben (vgl. ebd.). Letztere meinen Veränderungen in der Individual-,
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Gruppen-, Organisations- und Gesellschaftskommunikation, konkret z. B. Veränderungen in der Art und Weise, wie Medien genutzt werden (vgl. ebd., S. 306).4 Unter Berücksichtigung von Innovationskonzepten unterschiedlicher Forschungsstränge (vgl. ebd., S. 138) überträgt Dogruel (2013, S. 181, 260 ff.) sowohl einen produktbasierten als auch einen (technologische und organisationale Innovationen einschließenden) prozessbasierten Innovationsbegriff auf ihren Medienbegriff. Folglich kann eine Medieninnovation im Einzelnen (1) eine neue Medientechnik, (2) ein neues Zeichensystem, (3) eine neue Organisiertheit von Medien oder aber (4) eine neue mediale Institution bezeichnen (vgl. ebd., S. 274 f., 300, 315). Häufig sind jedoch in einer Medieninnovation mehrere dieser vier Objekte gekoppelt. Daher lassen sich Medieninnovationen auch als System begreifen (vgl. ebd., S. 300 f.). Vor dem Hintergrund dieses Facettenreichtums des (Medien-) Innovationsbegriffs, kritisiert Dogruel (2014, S. 62), dass Medieninnovationen in der Literatur zur Kultur- und Kreativwirtschaft aufgrund der Betonung der kreativen/gestalterischen Komponente tendenziell verengt als Produktinnovationen, d. h. konkret z. B. als neue Buch- oder Sendungsformate (vgl. Hess und Köhler 2003, S. 40), betrachtet werden. Tatsächlich beziehen sich Abhandlungen zu Innovationen in den Medien (zuweilen ohne den Innovationsbegriff explizit zu definieren) häufig auf Medienprodukte und dabei auf die im Kontext der Digitalisierung entstandenen neuen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. z. B. Hooffacker und Wolf 2017; Meier 2017; Schüller 2015; Wolf und Godulla 2016). Daran gekoppelt sind nicht selten jedoch Betrachtungen organisationaler Innovationen unter Anwendung einer stärker prozessualen Perspektive, die auf Arbeits-, Koordinations- und Organisationsabläufe schaut (vgl. z. B. Hess und Köhler 2003; Köhler 2005; Verhovnik et al. 2017). Für die journalistische Produktion 4
Diese Perspektive auf das entscheidende, dritte Attribut ist nicht linear übertragbar, aber doch äquivalent zu einer Spezifizierung jener Form von Kreativität, die die symbolischen Folgen der Medienproduktion hervorhebt, als kultureller Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.4). Sie passt zugleich zur Definition von Kreativität als Kulturveränderung (vgl. Csikszentmihalyi 1995), die sich von einem rein ökonomischen Kreativitätsbegriff abhebt und spiegelt sich in dem, was die DiMaggio (1977, S. 441) bereits 1977 als Besonderheit von Innovationen im Kontext der Populärkultur herausstellt. Er spricht von Innovationen als „significant change in themes, values, modes of presentation, or concerns in popular culture“ (1977, S. 441). Nicht zuletzt in dieser Äquivalenz wird deutlich, dass sich sowohl Kreativitäts- als auch Innovationsansätze dazu eignen, Neuerungen und Veränderungen in der medialen Produktion zu analysieren, jedoch konnotiert der Innovationsbegriff im Verständnis der vorliegenden Arbeit organisationale und gesellschaftliche Prozesse, während der Kreativitätsbegriff die Ebene menschlicher Interaktion in den Fokus rückt. Dennoch sind in beiden Termini jeweils alle drei Ebenen mindestens implizit eingefangen.
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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erfolgt dies zumeist über eine Analyse von Newsroom-Konzepten (vgl. z. B. Kaltenbrunner 2017; García Avilés 2017; García Avilés et al. 2009; García-Avilés et al. 2014; Meier 2007). Dennoch sind gerade für die Fernsehunterhaltungsproduktion produktbezogene Betrachtungen vorherrschend. Dies heißt nicht, dass die prozessuale Komponente von Innovationen unberücksichtigt bliebe, jedoch wird der Begriff der Fernsehinnovation vorrangig vom Innovationscharakter bzw. -grad des Endprodukts abgeleitet. Analytisch problematisch ist der Produktfokus dann, wenn sich der Produktinnovationsbegriff schon auf einzelne, neuartige Produkte bezieht und nicht für Produkte reserviert wird, denen über den Neuheitsgrad hinaus weitere Attribute zugeordnet werden (vgl. z. B. Habann 2010, S. 21). Schließlich verliert in solch einem Fall die Grenze zwischen medialen Produktinnovationen und einzelnen Medienprodukten, die für sich jeweils immer eine neue Qualität haben, allgemein an Schärfe (vgl. Dogruel 2013, S. 54; Zabel 2009, S. 169). Damit verwässert der Innovationsbegriffs zu jenem „innovativen Moment“ (Fröhlich 2008, S. 151), der jedes Medienprodukt kennzeichnet und der Kreativität zu einem Grundcharakteristikum medialer Produktion macht (vgl. Abschnitt 5.1). Definitionen von Fernsehinnovationen In seiner produktorientierten Definition von Fernsehinnovationen versucht Zabel (2009, S. 170, 172 ff.) diese Problematik über eine für die Innovationsforschung typische Differenzierung von Neuheitsgraden aufzufangen. Er unterscheidet drei Typen (oder Grade) von Fernsehinnovationen, die er hierarchisch zueinander in Beziehung setzt (vgl. ebd., S. 173). Von einer Innovation, wenngleich lediglich in einer inkrementalen Form, kann folglich die Rede sein, wenn es sich um publizistische Einzelstücke (z. B. einen Fernsehfilm) oder aber auch eine neue Serie handelt (vgl. ebd., S. 172) – neue Serie wohlgemerkt im Sinne eines neuen Serienkonzepts und nicht im Sinne einer neuen Serienepisode, welche sich im Neuheitsgrad auf Ebene des mediencharakteristisch beständigen Zwangs zur Produktion von Neuem (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 192) bewegt. Aufbauend auf dieser Definition inkrementaler Innovationen in der Fernsehbranche sind Konzept-Innovationen neue publizistische Konzepte, die um kopierfähige Merkmale (z. B. eine Formatidee im nonfiktionalen oder eine Spezifizierung von Figurenkonstellation im fiktionalen Bereich) ergänzt werden (vgl. Zabel 2009, S. 172). Über das höchste Maß an Neuerung verfügt wiederum die radikale Innovation, die eine Konzept-Innovation mit einer sozialen bzw. Prozessinnovation koppelt (vgl. ebd., S. 173). Dies könne beispielsweise eine neue Sendungsform wie die Daily Talk Show, die an neue Produktionsbedingungen gekoppelt ist, sein. Ebenso treffe diese Definition aber auch auf neue Sendungsformen, die
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mit einem umfassenden Vermarktungskonzept einhergehen (ein Beispiel sei die Casting-Shows Deutschland sucht den Superstar) zu. Die sozialen bzw. ProzessInnovationen, die er als Teil radikaler Innovationen beschreibt, koppelt Zabel (2009, S. 178) tatsächlich nicht exklusiv an Produkte, sondern identifiziert sie auch, ohne dass sie neue Produkte hervorbringen müssten. Interessanterweise bezeichnet er Prozessinnovationen, die letztlich eine Verbesserung der Rentabilität bewirken, grundsätzlich als radikale Innovationen; die Differenzierung dieser prozessual definierten Innovationen über einen Neuheitsgrad erfolgt nicht bzw. ist nicht möglich (vgl. ebd.). Zusätzlich zu den Produkt- und Prozessinnovationen benennt Zabel technische Innovationen als weitere Innovationsform der Fernsehbranche. Diese definiert er jedoch nicht weiter, sondern setzt sie mit technischen Neuerungen gleich, die in der Distribution (z. B. Ermöglichung von Video-On-Demand-Angeboten) und der Produktion (z. B. Digitalisierung der Aufnahmetechnik) eingesetzt werden (vgl. ebd., S. 175 f.). Technische Innovationen sind potenzielle Komponenten einer radikalen oder Konzept-Innovation, weil sie neue Arbeitsweisen ermöglichen (vgl. ebd., S. 177). Insgesamt führt die Betrachtung damit immer wieder zum Produkt, was auch daran liegt, dass dieses im Gegensatz zu Prozessen, sozialen Konstellationen und Technik noch am ehesten einer quantifizierten Neuheitsbeurteilung zugänglich ist. Aufgrund der Relativität und Relationalität des Innovationsbegriffs ist eine Innovation schließlich auch über ihren fehlenden Innovationsgrad greifbar. Aus diesem Grund leitet sich die Frage, ob es sich bei einer Fernsehsendung um eine Innovation handelt oder nicht (auch hier steht wieder eine produktbezogene Betrachtung im Fokus) für Lantzsch (2008, S. 115, 225 f.) auch davon ab, ob der Sendungsentwicklung und -erstellung ein Imitationsverhalten vorweggeht (vgl. auch das Konzept von Foag 2010). Fernsehsendungen sind folglich dann eine Programminnovation, wenn ein Sender sie als Eigen- oder Auftragsproduktion neu entwickelt hat oder hat entwickeln lassen (vgl. Lantzsch 2008, S. 226; 2010, S. 275). Keine Innovation liegt vor, wenn sich der Sender oder aber auch das Produktionsunternehmen für eine Imitationsstrategie entscheidet und die zu produzierende Sendung formatbasiert über eine Adaption vorbereitet (vgl. Lantzsch 2008, S. 225). Dies ist grundsätzlich über den Kauf einer Formatlizenz oder aber auch ein Plagiat (Formatklau) denkbar (vgl. dazu Abschnitt 5.2.2.1), d. h. durch eine lizenzierte oder auch nicht lizenzierte Imitation eines Originalformats (vgl. Zabel und Lantzsch 2009, S. 19). Eine „variierende[.] Imitation“ (ebd., S. 25) liegt dann vor, wenn eine Sendung an bereits bestehenden Programmen orientiert als so genannte (1) Me-too- oder aber (2) Spin-off -Produktion entsteht, in der anknüpfend an den konzeptionellen Rahmen (1) die bestehenden Elemente entweder rekombiniert oder
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aber (2) auf Basis von Elementen bestehender Sendungen neue Sendungen konzipiert werden (vgl. ebd., S. 19, 25; vgl. auch Siegert et al. 2006, S. 55 f.). In beiden Fällen besteht im Gegensatz zur formatbasierten Produktion, zumindest idealtypisch betrachtet, noch ein gewisser Entwicklungsbedarf (vgl. Lantzsch 2008, S. 225). Ausgehend von der engen Kopplung des branchenbezogenen Innovationsverständnisses an das Produkt und der Annahme, dass der Wettbewerb in der Fernsehproduktion „nicht über Werbung oder Preise, sondern über neue Produkte ausgetragen“ (Zabel 2009, S. 382) wird, kann der branchenspezifische Wettbewerb als Innovationswettbewerb bezeichnet werden. Konkurrenz drückt sich in dem Varianzdruck (vgl. Abschnitt 5.1) aus, dem die Branchenakteur*innen ausgesetzt sind. Die Branche lässt sich folglich als „sektorales Innovationssystem“ (Fröhlich 2010b, S. 105) fassen. Der Produktionsprozess ist, sofern in ihm die oben beschriebenen Innovationsmerkmale stattfinden, ein Innovationsprozess (vgl. auch Fröhlich 2008, S. 152). Da die Qualifizierung einer Programmproduktion als Innovation dabei vorrangig über die Entwicklungsphase, d. h. über die erstmalige Ausgestaltung des Produkts, erfolgt, rückt implizit wieder die Rolle von Kreativität in der Branche in den Fokus. Die für Neuerungen notwendigen Ideen – ein häufig verwendetes Synonym oder auch Element von Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1, auch 5.1.2) – sind der ‚Lebenssaft‘ der Produktionsbranche (vgl. North und Oliver 2010, S. 32), die First Copy einer Sendung wiederum ist „Ergebnis und […] Ausdruck individueller und kollektiver Kreativität“ (Fröhlich 2010b, S. 72), weil diese ja die Entwicklung eines neuen Produkts und damit potenziell die Entwicklung einer Innovationen darstellt. Bewertung und Anerkennung von Innovationen Einen pragmatischen und damit handhabbaren Zugang zur Definition von Fernsehinnovationen wählt Fröhlich (2008; 2010a; 2010b), die explizit auf die Relevanz der prozessualen Komponente einer Innovationsbetrachtung verweist (vgl. Fröhlich 2010b, S. 29 f.), selbst zugleich aber Fernsehinnovationen „über die Formathandelsbilanz und die damit verbundene Einschätzung von Praktikern der TV-Unterhaltungsproduktionsbranche“ (ebd., S. 31) definiert. Für die Identifikation einer Innovation ist für Fröhlich folglich das Urteil der Medienschaffenden, d. h. eine feldinterne Bewertung einschlägig. Dieser Sichtweise folgt auch Zabel (2009, S. 171), der die Legitimität einer Innovationsbewertung durch Zuschauer*innen aufgrund der Inkonsistenz in ihren Sendungszuschreibungen und mit Verweis auf die Individualität der Dekodierung in der Rezeption medialer
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Inhalte zurückweist (vgl. ebd., S. Fn. 257)5 . Dies steht der Definition von Fernsehinnovationen, die Armbruster und Mikos (2009, S. 79) an die Aufmerksamkeit und Innovationsbewertung der Zuschauer*innen knüpfen, entgegen. Sie fassen die Definition damit potenziell enger, weil sie betonen, dass imitative und nicht erfolgreiche, weil nicht (an)erkannte Formate keine Innovationen darstellen können (vgl. ebd., S. 85). Die Bestimmung von Fernsehinnovationen hängt demnach potenziell mit der Herausbildung neuer Genres zusammen. Letztere haben sich in der Fernsehgeschichte „immer dann gebildet, wenn eine Sendung besonders erfolgreich war und großen Zuspruch beim Publikum fand“ (ebd., S. 71). Die Produzent*innen witterten in diesen Momenten die Chance, vorangegangene Erfolge zu wiederholen und setzten daher eine ästhetische und inhaltliche Standardisierung durch (vgl. ebd.). Dabei spielte auch die serielle Umsetzbarkeit eine wichtige Rolle (vgl. ebd., S. 71). Erfolgreiche und einflussreiche Filme, d. h. auch „medial besonders auffällig platzierte Filme“ (ebd., S. 77) können einen prototypischen Charakter haben, weil sie „das kulturelle Bewusstsein einer jeweiligen Epoche [beherrschen]“ (ebd., S. 78). Damit ist ein Prototyp, der die Entstehung eines neuen Genres bedingen kann, eine erkannte Innovation, aber nicht unbedingt eine tatsächliche, d. h. absolute Innovation (vgl. ebd., S. 84). Es ist möglich, dass ein anderer Film eher dazu taugt, einen neuartigen Prototypen zu konstituieren – so lange dieser aber nicht erkannt und anerkannt wird, kann er die Rolle des Prototypen nicht besetzen. Dieser Prototyp fungiert dann als Anknüpfungspunkt für Differenzierungen des Genres (vgl. ebd., S. 78). Die Anerkennung eines Films, genauso wie einer Fernsehsendung, erfolgt demnach über die Rezeption. Ebenso ist jedoch auch eine feldinterne Anerkennung (z. B. durch Imitation und Zitation, vgl. auch Abschnitt 5.2.3), wie Fröhlich und Zabel sie implizieren, schlüssig. In allen skizzierten Ansätzen wird erneut deutlich, wie die Termini zur Sendungskategorisierung und folglich auch ihre Bezeichnung als kreativ oder innovativ nur durch Bezugnahme, d. h. durch eine Bewertung, die sich an anderen Parametern implizit oder explizit vergleichend orientiert, möglich ist. Genre, Kreativität und Innovation sind gleichermaßen relationale Konzepte (vgl. Negus 2006, S. 205). Die Innovationsdefinition über (A) (scheinbar) objektivierte Kriterien unterliegt dabei ebenso einem, letztlich sogar subjektivem, Vergleich wie auch die Definition über (B) Publikumsbewertungen oder (C) brancheninterne Bewertungen. Inwieweit der Zuspruch durch Zuschauer*innen und Kritiker*innen 5
Dennoch berücksichtigt Zabel (2009, S. 336) – im Widerspruch dazu – in seiner Analyse des Innovationswettbewerbs auf dem deutschen Fernsehmarkt die GfK-Kennzahlen und damit die Reichweite, d. h. die Publikumsresonanz, als Kriterium für die Bestimmung von inkrementalen Innovationen mit der Begründung, dass die Reichweite für den ökonomischen Erfolg der Sendung steht.
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ebenso wie die Beurteilung durch die Medienschaffenden (selbst) als legitime Instanzen zur Kreativitätsbewertung (und damit, je nach angenommener Relation dieser beiden Begriffe (vgl. Abschnitt 4.3.2), implizit auch zur Innovationsbewertung) betrachtet werden können, wird in Abschnitt 5.2.3 eruiert. Die Herausstellung der Relationalität verdeutlicht jedoch zugleich, wie wichtig es ist, den Bezugsrahmen für die Definition von Innovationen zu bestimmen. Der Wissensstand der einzelnen Rezipient*innen bestimmt, ob und inwieweit sie einen Inhalt als originell wahrnehmen (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 76). Entsprechend gilt: Ob eine Fernsehsendung als innovativ gilt, hängt auch davon ab, ob man sie im nationalen oder internationalen Bezugsrahmen bewertet (vgl. Zabel und Lantzsch 2009, S. 19). Für das Publikum ist meist der nationale Rahmen einschlägig (vgl. Zabel 2009, S. 170). Es ist denkbar, dass ein Format auf dem deutschen Markt (und für die Zuschauer*innen) neu, auf dem internationalen Markt (und für die Medienschaffenden) aber nicht neu ist (vgl. ebd., Fn. 255). Aus Publikumsperspektive ist es daher sogar denkbar, dass bereits „Änderungen des Programmplatzes Innovationserlebnisse erzeugen“ (Armbruster und Mikos 2009, S. 72). Die Innovationsfähigkeit deutscher Fernsehproduzent*innen Das Fernsehen kann nicht mehr gänzlich neu erfunden werden (vgl. Fröhlich 2010b, S. 163; vgl. auch Abschnitt 5.3.3.3): Aus Perspektive der Medienschaffenden spielen vorrangig inkrementale und weniger radikale Innovationen eine vorherrschende Rolle in der Branche. Diese Orientierung erklärt sich aus der Notwendigkeit anschlussfähiger Kreationen (vgl. Karstens und Schütte 2010, S. 246 f.). Der kommerzielle Erfolg eines Medienprodukts – auch subjektiv interpretiert als Qualität einer Sendung (vgl. Kuipers 2012, S. 588) – wird einer erfolgreichen Ausbalancierung bekannter und neuer Elemente zugeschrieben (vgl. Biernat 2008, S. 175; Küng 2008b, S. 148). Dieser Erfolg hängt, wie bereits dargestellt, mit der Publikumsreichweite und einem entsprechenden Interesse der Zuschauer*innen zusammen. Dass dieser Erfolg mit inkrementalen statt radikalen Innovationen wahrscheinlicher zu erzielen ist, lässt sich auch aus Perspektive der Kreativitätsforschung begründen: Es ist davon auszugehen, dass Kreativität in der Fernsehproduktion zumeist Formen inkrementaler Kreativität darstellt, da radikale Kreativitätsformen bereits daran scheitern können, nicht als solche erkannt zu werden (vgl. Amabile 1982, S. 1010). Wenn niemand in der Lage ist, den Wert dieser radikal kreativen Leistung zu erkennen, dann gilt sie schlicht als unangemessen. Entsprechendes haben Newcomb und Alley (1983) in ihrer Untersuchung von Persönlichkeiten aus den Reihen US-amerikanischer Fernsehproduzent*innen ermittelt: Sie begründen das Scheitern der von Larry Gelbart entwickelten Serie
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United States mit ihrem ‚lyrischen‘ Charakter, welcher die Sendung in die Kunstecke statt in den ‚Chorus‘ bestehender Fernsehproduktionen geschoben hat (vgl. ebd., S. 41). Innovationen im Fernsehprogrammbereich stellen – da es sich um kulturelle Produkte handelt, die die öffentliche Aufmerksamkeit wie eine Modewelle in Zyklen auf sich ziehen – nicht automatisch eine Verbesserung dar, wie es grundsätzlich für (rein) ökonomische Güter angenommen wird (vgl. Zabel 2009, S. 160 f.). Die Beständigkeit der (Fernseh-)Mode drückt sich über die Sozialisation sowohl der Medienschaffenden als auch der Rezipient*innen aus (vgl. ebd., S. 161). Medienschaffende machen die Erfahrung, dass bestimmte inhaltliche Muster wiederholt erfolgreich sind, wie die Aussage einer Executive Producerin, die Grindstaff (2002, S. 84) zitiert, illustriert: „I mean, there’s a reason why all these talk shows do the same topics – they do ‘em because they work. […].“ Entsprechend befürchten Programmproduzent*innen und -anbieter*innen, das Publikum mit allzu außergewöhnlichen Inhalten zu überfordern (vgl. Fröhlich 2010b, S. 166; Wahbe 2012, S. 193), obwohl Fröhlich (2010b, S. 166, Fn. 89) in ihrer Interviewstudie auch mit deutschen Fernsehschaffenden gesprochen hat, die eine Innovationsfeindlichkeit des Publikums nicht erkennen können und diese Feindlichkeit als Ausrede für den Misserfolg schlechter Produktionen instrumentalisiert sehen. Dennoch sind die bisherigen Publikumspräferenzen und daran gekoppelt die Vorstellung, dass das, was gut ankam, auch gute Chancen hat, wieder angenommen zu werden (vgl. auch Moran 2009, S. 12), eine Erklärung für die mangelnde Innovationsbereitschaft, die den deutschen Sendern vorgeworfen wird (vgl. Fröhlich 2010b, S. 259). Dies sieht Fröhlich im Trend der deutschen Fernsehunterhaltungsproduktion hin zu produzenteninduzierten Entwicklungen und formatbasierten Produktionen bestätigt (vgl. Fröhlich 2010a, S. 126). Dass eine Orientierung hin zu Fremdformaten, da es sich hierbei prototypisch um Imitationen handelt (vgl. Lantzsch 2008, S. 225, 2010, S. 275), deutlich von Innovationen weg führt, ist eindeutig. Dass mit zunehmender Entwicklungsarbeit durch die Produzent*innen die Innovationsfähigkeit ebenfalls sinkt, ist eher implizit. Produzent*innen folgen dem Prinzip der Nachfragereaktion (vgl. Abschnitt 5.1.2) und setzen damit auf Anpassung (vgl. Hutton et al. 2005, S. 33): Der Pitch einer neuen Sendung zielt letztlich darauf, die Vorstellungen der potenziellen Auftraggeber*innen zu treffen. Diese Vorstellungen des Senders antizipieren die Produzent*innen über eine Mischung aus neuer Sendungsidee und bestehenden Publikumspräferenzen – damit das Angebotene neu, aber nicht allzu anders ist. Das Ergebnis ist eine hohe Zahl an Me-too-Programmen. Diese Tendenz wird bestärkt durch die in der Branche vorherrschenden Finanzierungsmodelle (vgl.
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Abschnitt 3.2.3): Die für Produktionsaufträge typische aufwandsbasierte Vergütung von Produzent*innen durch die Sender sieht häufig keine und wenn dann nur begrenzte zusätzlichen Mittel für die Produkt(weiter)entwicklung vor (vgl. Zabel 2009, S. 289) und eröffnet den Produzent*innen nach eigenen Angaben keinen Raum, um Kapital für Investitionen in Innovationen zu bilden, während Sender die Kosten für Formatlizenzen, also für die externe Entwicklung, übernehmen (vgl. Fröhlich 2010a, S. 129). Die Oligopsonie und das Fehlen von „formalisierten Institutionen, die das Machtgefüge zwischen Produzenten und Sendern [beispielsweise in Form einer einheitlichen Interessenvertretung, Anm. d. Verf.] ausgleichen“ (ebd., S. 128) bedingen, dass die Produzent*innen wenig Chancen haben, ihre schwache Stellung gegenüber den Sendern zu verbessern (vgl. ebd., S. 127 ff.). Doch auch einzelne Impulse wie eine Neuregelung der Terms of Trade, wie sie in Großbritannien erfolgt ist und von deutschen Produzent*innen beneidet wird, sind für die innovative Leistungsfähigkeit der Branche nicht einschlägig. Dass die Deutschen im Vergleich zu den Briten gemessen anhand der Formathandelsbilanz weniger innovativ sind, ist eher auf den „Marktumfang, die Innovationsnachfrage der Sender und ihr Vertrauen in die kreativen Leistungen der Produktionsunternehmen“ (Fröhlich 2010b, S. 428) zurückzuführen. Betrachtet man die Sender-Produzent*innen-Beziehung aus Perspektive einer Prinzipal-Agent-Konstellation (vgl. Fröhlich 2010a, S. 129 f.), müsste der Anstoß zur Innovation tatsächlich von den Sendern (als Prinzipal) kommen. Besonders geeignet scheinen dafür die öffentlich-rechtlichen Sender, die über ihre Gebührenfinanzierung den Marktkräften ein Stück weit entzogen sind und daher nicht, wie die Privatsender, gleichzeitig auch ihre Rolle als Agent gegenüber der werbetreibenden Wirtschaft abfedern müssen (vgl. ebd.). Für den britischen Markt stellen Hutton et al. (2005, S. 6) sodann auch fest, dass der Regulierer die Gebühren als Risikokapital für Kreativität verstehe. Von solch einer Sichtweise ist auf dem deutschen Fernsehmarkt zumindest aus Perspektive der Produzent*innen wenig zu spüren: Sie beklagen die Risikoaversion der öffentlich-rechtlichen Sender (vgl. Fröhlich 2010a, S. 130) und auch Zabel (2009, S. 392) zeigt, dass der von ihm ermittelte Anteil inkrementaler Innovationen an den Auftragsproduktionen in den Jahren 1992 bis 2007 (zur Datengrundlage vgl. ebd., S. 337 f.) vorrangig auf das Konto der Privatsender ging. Ist eine Innovationsstrategie sinnvoll? Selbst wenn sich die Fernsehproduktionsbranche wesentlich über einen Innovationswettbewerb definiert, stellt sich für einzelne Branchenakteur*innen – auch vor dem Hintergrund der skizzierten Handlungsbedingungen, die es Produzent*innen nicht allzu einfach machen, (radikal) innovativ zu sein – die Frage, inwieweit
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eine Innovationsstrategie die ökonomisch sinnvollste Option darstellt. Tatsächlich erscheint eine Imitation (siehe Spezifizierung oben), konkret vor allem eine Second-to-Market-Strategie, für Sender und Produzent*innen gegenüber einer Innovationstrategie für einen Großteil der Produktionen ökonomisch sinnvoller, weil sie das Verwertungsrisiko mindert (vgl. Zabel 2009, S. 390; Zabel und Lantzsch 2009, S. 24 f.). Siegert et al. (2006, S. 140) stellen dem entgegen, dass Produzent*innen mit Imitationen in einen Wettbewerb direkter Konkurrenzprodukte treten und damit keiner risikolosen, sondern risikoreichen Strategie folgen. Grundsätzlich ermöglicht werden Imitationen dadurch, dass sich Fernsehinnovationen rechtlich schwer schützen lassen (zur Diskussion von First-Mover-Vorteilen und des Schutzes geistiger Eigentumsrechte vgl. Lobigs und Siegert 2008). Die betriebswirtschaftliche Theorie, wonach Imitationen mit einem geringeren Konsumtionsrisiko verbunden sind, sieht Zabel (2009, S. 174) beispielsweise darin bestätigt, dass neue Episoden einer bekannten Serie ein geringeres MisserfolgsRisiko haben als neue Sendungen – egal ob letztere auf gänzlich neuen oder bekannten Konzepten basieren. Dieser Effekt veranlasst Berkeley (2003, S. 108 f.) zu der Schlussfolgerung, dass Wettbewerb in der Fernsehproduktion zu einer Uniformität der Produkte führe, da erfolgreiche Produkte wiederholt und imitiert werden und damit die Produktvariation schwindet. Diese einer ökonomischen Logik folgende Spirale wird jedoch gebrochen durch den kreativen Habitus der Produzent*innen: Zumindest für die Spielfilm-Produktion hat von Rimscha (2010, S. 257; 2012, S. 137 f.) feststellen können, dass die kreative Orientierung der Produzent*innen (vgl. von Rimscha 2012, S. 141, 145 f.) dafür sorgt, dass sie auf vielfältige Projekte setzen und sich auf Grundlage von Intuition und Erfahrung und weniger in Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Parameter für bestimmte Produktionen entscheiden (vgl. auch Roberts 2011, S. 290; Zabel 2009, S. 390). Weil Menschen mit ihren individuellen Sichtweisen, Meinungen und Werten Fernsehinhalte gestalten und schaffen, können die Produkte niemals gänzlich homogen sein (vgl. Newcomb und Alley 1982, S. 70, 87). Darüber hinaus kann eine Innovation und folglich eine Pionierstrategie tatsächlich auch ökonomisch die sinnvollere Option sein (vgl. Zabel 2009, S. 389 f.; Zabel und Lantzsch 2009, S. 22 ff.; vgl. auch Siegert et al. 2006, S. 111 f.): Wenn die Sendungsinnovation neue Produktnormen begründet und/oder von idiosynkratischen Produktionsfaktoren bestimmt und folglich schwer imitierbar ist; wenn sie genau auf einen spezifischen Sender zugeschnitten ist; oder wenn sie als „publizistisch prägnante[.][s] Programm-Event[.]“ (Zabel 2009, S. 390) in besonderer Weise zum Image eines Senders beiträgt. Mit Blick auf das Image der Produzent*innen sind Innovationen jedoch nicht entscheidend für ihren Ruf. Die für
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das Zustandekommen und den Erhalt einer Geschäftsbeziehung zwischen Produzent*innen und Sendern (als ihren Auftraggebern) so wichtige Reputation erhalten Produzent*innen in der Geschäftsbeziehung mit ihren Financiers als „kosteneffiziente Projektmanager“ (von Rimscha 2010, S. 162) und nur in geringem Maße, wenn und weil sie kreative und/oder innovative Produktionen erstellen (vgl. Zabel 2009, S. 390). Die Produzent*innen selbst sind sich bewusst, dass Kreativität nicht zu ihrer für die Sender relevanten geschäftlichen Reputation beiträgt (vgl. von Rimscha 2012, S. 141). Eine spezifische Form kreativer Reputation spielt vorrangig in der Beziehung der Produzent*innen zum kreativen Personal ihrer Projektnetzwerke eine Rolle (vgl. auch Zabel und Lantzsch 2009, S. 24): Gute Leute bekommt ein*e Produzent*in nur, wenn diese wissen, dass er*sie nicht nur auf ökonomische Effizienz schaut, sondern auch kreative Ziel im Blick hat und den Projektmitarbeiter*innen (kreativen) Freiraum und Gestaltungsmöglichkeiten gewährt (vgl. von Rimscha 2010, S. 162). Im Verhältnis von Produktionsunternehmen und Fernsehsendern sind Imitationen für erstere, sofern es nicht zu viele sind, folglich nicht imageschädigend (vgl. Zabel 2009, S. 390).
5.2.2.1 Formate und Formathandel: Imitation statt Innovation Die Popularität von Formaten wirft ein neues Licht auf die Relevanz von Innovationen – und mittelbar damit auch auf die Relevanz von Kreativität – in der Produktion von Unterhaltung: Der Begriff des Formats betont die ökonomische gegenüber der kreativen Logik der Branche (vgl. Hickethier 2007, S. 205; Mikos 2008, S. 268). Innovative Formatkonzepte ermöglichen es einerseits Produktionsunternehmen, mit einer einzelnen Idee international mehr Geld zu verdienen, da sie neben ihrer fertigen Produktion auch das Format und das daran gekoppelte Produktionswissen vermarkten können (vgl. Lantzsch 2010, S. 278; Lobigs und Siegert 2008, S. 53; Lundin et al. 2015, S. 48). Adaptierende Produktionsfirmen reduzieren das Konsumtionsrisiko zugleich in erheblichem Maße (vgl. Abschnitt 5.1.3). Die Verwendung von Formaten ist letztlich eine Frage wirtschaftlichen im Sinne eines effizienzgesteuerten und kostensparenden Handelns (vgl. Amgarten 2008, S. 119 f.). Andererseits reduziert die Nutzung von Formaten in der Unterhaltungsproduktion aufgrund der an diese geknüpften Gestaltungsvorgaben das Maß an notwendiger Neuerung in der eigentlichen Erstellung einer Sendung (vgl. dazu die Benennung der Formatadaption als Imitationsstrategie oben). Sofern die Formatadaption gegenüber einer Formatentwicklung somit an Bedeutung gewinnt, reduziert sich implizit auch die kreative Leistung einer (vorrangig adaptierenden) Branche – wie es für die deutsche Fernsehproduktionslandschaft der Fall ist (vgl. Fröhlich 2010b, S. 337).
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Formatierung meint grundsätzlich die „Schaffung gleichbleibender [Produktions-]Standards“ (Hickethier 2007, S. 205, i. O. fett). Formate sind entsprechend jene unveränderlichen inhaltlichen und formalen Merkmale einer Sendung, die mit variablen Elementen kombiniert die Grundlage einer potenziell seriellen Produktion darstellen (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 68; Fröhlich 2008, S. 152; Mikos 2008, S. 269). Konkret geht das Format als handelbares Produkt, d. h. ein Format, wie es im Kontext des Formathandels verstanden wird, jedoch über diese spezifischen Sendungsmerkmale hinaus (vgl. Lantzsch 2010, S. 276) und setzt sich aus vier Elementen zusammen: „der eigentlichen Idee, […] dem Paper Format (Konzeptbeschreibung), dem TV Programme Format (Sendung) und dem TV Format Package, das alle Elemente bündelt und das Wissen für die Adaption enthält.“ (Zabel und Lantzsch 2009, 19, Herv. i. O.) Im TV Format Package sind damit das Konzept sowie alle für die Reproduktion notwendige Elemente, d. h. „Beratungsleistungen, die Produktionsbibel, Grafiken, Demokassetten, Musik, Set-Entwürfe usw.“ (Lantzsch 2010, S. 276) enthalten. Mit einer Formatlizenz erwirbt ein*e Produzent*in folglich unter dem Label eines spezifischen Formats systematisiertes Produktionswissen (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 68; Ebert 2010, S. 158) und das Recht, das Format für ein bestimmtes Ausstrahlungsgebiet und eine festgelegte Dauer zu produzieren (vgl. Lantzsch 2010, S. 276). Der Know-how-Transfer „hinsichtlich des Produkts, der Produktion und der Vermarktung“ (Lantzsch 2010, S. 278) ist ein „essentielles Merkmal“ (ebd., S. 274) des Formathandels. Die Produktionsbibel (Production Bible) als Dokumentation und Verzeichnis dieses Wissens spielt dabei eine besondere Rolle (vgl. ebd., S. 283). Darüber hinaus unterstützen vom Lizenzgeber gestellte bzw. instruierte Berater*innen als „flying producer“ (Altmeppen et al. 2007, S. 101) den Wissenstransfer und kontrollieren zugleich die adäquate Umsetzung der formatspezifischen Elemente in der Produktion, damit das Format nicht durch Fehler in der Adaption möglicherweise beschädigt wird (vgl. ebd.; Lantzsch 2010, S. 282 f.). Der Lizenzgeber wiederum profitiert von Lerneffekten in der Zusammenarbeit mit dem lokalen Lizenznehmer (vgl. Lantzsch 2010, S. 282). Wie strikt die Formatvorgaben umzusetzen sind und wie viel Gestaltungsspielraum dem Lizenznehmer bleibt, hängt vom Format und dem Lizenzgeber ab und wird im Lizenzvertrag festgehalten (vgl. ebd.). Damit wird die formatbasierte Fernsehproduktion konstituiert durch ‚projektbezogene Wissensnetzwerke‘, in denen sowohl das nationale als auch das transnationale bzw. ausländische Projektnetzwerk wirksam werden (vgl. Altmeppen et al. 2007, S. 101). Der Formathandel ist eine „kombinierte Form der Beschaffung und Produktion von Unterhaltungsformaten“ (Lantzsch 2010, S. 276), die sich in und über interorganisationale Netzwerke in
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mehreren Ländern vollzieht (vgl. ebd., S. 281). Da sich die Projektnetzwerke somit grenzüberschreitend ausdehnen, begründet der Formatisierungstrend einen Internationalisierungsprozess der Fernsehproduktion (vgl. Lundin et al. 2015, S. 32, 48). Einzelne Lizenzgeber haben ihre Formate (ein erstes Beispiel dafür war und ist Wer wird Millionär?, ein weiteres Big Brother) über einzelne Showkonzepte hinaus zu globalen Franchises ausgebaut und damit die Wertschöpfungskette erheblich erweitert (vgl. Chalaby 2012, S. 35). Darin zeigen sich in besonderer Weise die Tendenz und das Potenzial zur Kommerzialisierung, Ökonomisierung und Rationalisierung, das in Formaten steckt. Die Entwicklung und der Handel von Formaten ist einer Risikominimierungsstrategie geschuldet (vgl. Fröhlich 2010b, S. 167): Formatbasierte Sendungsproduktionen sollen im Erstellungsprozess effizienter ablaufen und sowohl in der Erstellung als auch in der Resonanz planbarer sein. Konkret reduzieren Formate damit Produktions- und Konsumtions-, aber auch Entwicklungsrisiken – weil sie den Entwicklungsaufwand ggfs. grundsätzlich obsolet machen, mindestens aber auf einen überschaubaren Adaptionsaufwand reduzieren. Der Adaptionsprozess variiert, je nachdem, wie spezifisch, starr und umfangreich die vertraglich geregelten Formatvorgaben sind. Daher ist es „schwierig, allgemeingültige Kriterien für eine erfolgreiche Formatadaption zu bestimmen“ (Ebert 2010, S. 158). Auch ist Adaption im Sinne einer in den Augen der Zuschauer*innen ausreichenden und angemessenen kulturellen Anpassung (siehe unten) trotz der vorgegebenen Parameter eine Gratwanderung (vgl. ebd.). Daher ist zwar davon auszugehen, dass die kreative Autonomie der Medienschaffenden, d. h. ihr kreativer, von strukturellen Zwängen befreiter Gestaltungsspielraum, in der formatbasierten Produktion sicherlich deutlich eingeschränkter ist als wenn sie sich (lediglich) an Genre- und Gattungskonventionen orientieren müssten. Dennoch kann Adaption auf Ebene alltäglicher Produktionspraktiken als kreativer Prozess gelten (vgl. Karow 2011, S. 215), auch wenn auf Ebene des Gesamtprodukts ggfs. „keine Verehrung der Originalität mehr“ (Armbruster und Mikos 2009, S. 69) diagnostiziert wird. Dass Sender und mittelbar auch Produzent*innen in ihrer Bemühung, den Entwicklungsaufwand und die damit verbundenen Risiken zu reduzieren, eher auf Formatproduktionen denn auf Kaufproduktionen (d. h. die Beschaffung einer Sendung im engeren Sinne) zurückgreifen, gründet in der rechtlichen Verpflichtung auch nationale Produktionen umzusetzen (vgl. Holznagel 1996, S. 272 ff.; Krüger 2018, S. 195), vor allem aber in der Annahme, dass das Publikumeine lokale Produktion gegenüber einer ausländischen bevorzugt. Grundsätzlich legt die Popularität von Sendungen, die vorhergegangenen Produktionen ähneln, sie fortsetzen oder adaptieren (vgl. González et al. 2013, S. 10), sowie die Gutseigenschaften audiovisueller Produkte, die eine Beurteilung des Nutzens ex ante nicht
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zulassen (vgl. Abschnitt 3.2.1), die Vermutung nahe, dass die Rezipient*innen bekannte Sendungskonzepte und -elemente präferieren. Im Spezifischen verweist das Hoskins und Mirus (1988) zugeschriebene Konzept des Cultural Discount auf eine kulturelle Hürde in der Rezeption nicht heimischer Produktionen „as viewers find it difficult to identify with the style, values, beliefs, institutions and behavioural patterns of the material in question“ (ebd., S. 500) – wenngleich eine besondere Produkt(ions)qualität und die langjährige Sozialisation mit ausländischen Fernsehinhalten diese Hürde reduzieren oder gänzlich nivellieren können (vgl. Schlütz und Schneider 2014). Formate setzen sich im Idealfall aus kulturell unspezifischen Komponenten zusammen, die kulturell anpassbar sind (vgl. Hepp 2014, S. 153, 161). Auf internationalen Formaten basierende Produktionen nehmen Zuschauer*innen daher als einheimisch wahr (vgl. Hallenberger 2008, S. 79). Aus diesem Grund und weil gehandelte Formate in der Regel bereits auf eine bestimmte Publikumsresonanz in einem ausländischen Markt verweisen können, werden die Erfolgschancen formatbasierter Produktionen auf dem Publikumsmarkt positiv bewertet (vgl. Lantzsch 2010, S. 278). Letztlich ist es aber vorrangig sein Beitrag zum Abbau von Produktionsrisiken, der einen funktionierenden Formathandel erst ermöglicht. Schließlich ist der rechtliche Schutz von Sendungskonzepten nur unter bestimmten Bedingungen durchsetzbar (vgl. Siegert et al. 2006, S. 110 f.) und das Kopieren von Sendungen, die Mitbewerber im In- und/oder Ausland produziert haben, seit jeher Bestandteil der Unterhaltungsbranche (vgl. Amgarten 2008, S. 120). Interessanterweise muss es nicht unbedingt einen rechtlichen Schutz geben, um einen kommerziell erfolgreichen Formathandel zu etablieren (vgl. Lobigs und Siegert 2008, S. 54) und Formatklau zu verhindern. Dies hat zwei Gründen: (1) Der Respekt vor dem Formatrecht wirkt als Branchenkonvention, da ein*e Produzent*in dem Leitsatz folgend „wie du mir, so ich dir“ ja auch nicht möchte, dass seine*ihre Entwicklungen einfach kopiert werden. (2) Darüber hinaus kann ein Sender oder ein*e Produzent*in zwar die Sendungsidee, nie aber das Wissen um die spezifischen Produktionsstrukturen eines Formats einfach so kopieren. Welche Genres und Gattungen bevorzugt gehandelt werden, ist „[ö]konomisch induziert“ (Armbruster und Mikos 2009, S. 68). Entsprechend konzentriert sich der Formathandel überwiegend auf Formate aus populären Programmbereichen, die mit relativ geringen Produktionskosten verbunden sind, einen relativ hohen Anteil konstanter Elemente aufweisen und potenziell in hoher Frequenz produziert und gesendet werden können. Konkret rücken einerseits „massenattraktive, kostengünstig zu produzierende serielle Non-FictionFormate, wie Game-/Quiz-Shows, Real-Life-Soaps oder [wenngleich in geringerem Maße, Anm. d. Verf.] Talkshows“ (Lantzsch 2010, S. 279) sowie
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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andererseits Daily Soaps und Telenovelas in den Fokus, „da diese die am stärksten standardisierten und kostengünstigsten fiktionalen Genres sind“ (Hallenberger 2008, S. 71). Aktuell vergrößert sich das inhaltliche Spektrum der gehandelten Formate (vgl. Lantzsch 2010, S. 277). Dennoch ist in dem bisherigen Schwerpunkt des Fernsehformathandels ein Zusammenhang zwischen dem Formatisierungstrend und der (Weiter-)Entwicklung des Reality TV-Genres ersichtlich (vgl. auch Abschnitt 5.2.1): Grundsätzlich setzt der Formathandel die Entwicklung neuer Formate voraus. Über Hybridisierungen lassen sich in besonderer Weise Weiterentwicklungen und Neuerungen schaffen. Zahlreiche hybride Sendungsformen zeichnen sich vorrangig durch niedrige Produktionskosten aus. Andererseits sind einzelne aufwendige Formatentwicklungen nur über eine internationale Vermarktung des Formats auch refinanzierbar. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nur wenige Formate auf dem internationalen Parkett wirklich erfolgreich sind (vgl. Lundin et al. 2015, S. 48).
5.2.2.2 (Neue) Produktionsstrukturen: Steigerung ‚kreativer‘ Effizienz? Die beschriebenen ökonomischen Treiber der zunehmenden Formatisierung von Sendungen sind Spiegelbild einer grundsätzlichen Tendenz auf dem (deutschen) Fernsehunterhaltungsproduktionsmarkt. Die deutschen Privatsender beauftragen Produktionsunternehmen zunehmend – als Ersatz für aufwendigere und damit teurerer Produktionen – mit der Produktion von Reality TV-Sendungen (vgl. Röper 2016, S. 515, 517), die deutlich niedrigere Minutenpreise aufweisen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 97, Fn. 139) und die Produzent*innen daher zu Kostensenkungsmaßnahmen zwingen (vgl. ebd., S. 99). Grundsätzlich beklagen die Produzent*innen, dass die Sender von ihnen größere Effizienz verlangen (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 98). Als idealtypisches Beispiel effizienter, weil ‚extrem industrialisierter‘ (vgl. Feil 2006, S. 245) Produktionsprojekte gelten Daily Soaps/Series. Bereits in den 80er Jahren hat Intintoli (1984) in seiner ethnographischen Analyse einer Soap Opera-Produktion letztere als „continous work process“ (Intintoli 1984, S. 121) beschrieben, welcher „takes place in a hierarchically controlled organizational setting involving an elaborate division of labor“ (ebd.). Diese konsequente Arbeitsteilung unter Einbezug spezialisierter Medienschaffender (vgl. auch Karow 2011, S. 164) ermöglicht es, Pre-Produktion, Dreh und Postproduktion parallel statt konsekutiv stattfinden zu lassen und folglich täglich eine Sendung zu produzieren (vgl. Feil 2006, S. 245). Während die Anfangsinvestitionen vergleichsweise hoch sind, lässt sich die anschließende hochfrequente Produktion kostengünstig umsetzen und ist damit für die Projektbeteiligten eine dauerhafte Einkommensquelle (vgl. ebd.; Karow 2011, S. 161).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Inwieweit die Effizienzbemühungen sogar bis in die Drehbuchgestaltung – eine grundsätzlich als besonders kreativ bewertete Phase (vgl. Abschnitt 5.1.1 und 5.1.2) – reichen können, zeigt Klug (2016, S. 134) beispielhaft für die Produktion von Scripted Reality-Formaten: Mittels spezifischer Schlüsselworte generiert eine Software Story-Verläufe für die Sendung Verdachtsfälle. Da die Entwicklungsphase als besonders kreativ gilt und diese für die hochfrequente fiktionale Produktion (einer Daily Series) wegfällt bzw. auf die Entwicklung von Geschichten innerhalb eines vorgegebenen Rasters reduziert wird, steht im Kontrast dazu eine geringe Produktionsfrequenz in der Einzelstück- und im Spezifischen der Dramaproduktion aus Branchenperspektive für Innovativität (vgl. Berkeley 2003, S. 106 f.). Neben dem Trend zur Effizienzsteigerung, der sich nicht nur national, sondern über den Formathandel auch international abbildet, steht der Trend, wieder mehr in Qualität zu investieren. Dem Impuls so genannter Qualitätsserien folgend investieren auch die deutschen Sender in den vergangenen Jahren punktuell zunehmend in fiktionale Produktionen, die das Potenzial haben, aus der Masse herauszustechen (vgl. Krauß 2018). Vorbild sind Produktionen aus dem US-amerikanischen, britischen und skandinavischen Raum (vgl. Kallas 2013, S. 2). Kennzeichnend für diese sind horizontale Erzähllinien, d. h. das Erzählen einer Geschichte über die gesamte Staffel hinweg, und eine komplexe Narration, die mehrere Handlungsstränge miteinander verknüpft (vgl. Schlütz 2016, S. 103). US-Kabelsender wie HBO setzen diesen Qualitätsfokus und ihre Bereitschaft, künstlerische Risiken einzugehen, als Differenzierungsstrategie auf dem Fernsehmarkt ein (vgl. Fitzgerald 2017, S. 67 f.). Dabei gilt der so genannte Writer’s Room als Schlüsselkonzept bekannter Qualitätsserien (vgl. Gößler und Weiß 2015; Weiß und Gößler 2014). Ähnlich dem organisatorischen Ansatz einer Daily Series zeichnet sich der Writer’s Room über den gemeinsamen Arbeitsraum (wenngleich die Autor*innen zusätzlich auch eigene Büros haben) hinaus durch eine klare Arbeitsteilung aus, in der spezifische Rollen mit spezialisierten Fähigkeiten ein Entwicklungsteam mit klar definierten Hierarchien bilden (vgl. Weiß und Gößler 2014, S. 30 ff.). Die zentralen Rollen im Writer’s Room sind – in hierarchisch aufsteigender Reihenfolge – die Staff Writer- (häufig Nachwuchsautor*innen), die Story Editor- und die Showrunner-Rolle (vgl. ebd., S. 31). Ein Showrunner ist „the most powerful creative and administrative figure on most fictional series“ (Perren 2011, S. 138). Hier laufen alle Stränge zusammen: „The writing staff, the production crew, and the shows’ directors answer to them.“ (Ebd.) Er*sie übernimmt damit die Rolle eines „schreibenden Produzenten“ (Weiß und Gößler 2014, S. 31). Showrunner erfolgreicher Serien werden dabei zur Projektionsfläche des Erfolgs (vgl. Fitzgerald 2017, S. 67), was die Grundlage für einen industrial auteurism (vgl.
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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Abschnitt 5.3.1.4) legt. Der Showrunner stellt in der Regel das Drehbuchteam zusammen (vgl. Weiß und Gößler 2014, S. 31). Die Vorgehensweise und der Stil dieser Person prägen, wie die Arbeitsprozesse im Writer’s Room im Einzelnen ablaufen (vgl. ebd., S. 34). Eine Kopplung dieser Organisationsform der Drehbucharbeit an den Begriff der Kreativität erfolgt durch Redvall (2012; 2013a; 2013b). Sie überträgt Ansätze der Kreativitätsforschung auf die Serienproduktion in Dänemark. Csikszentmihalyis (1995) Systemmodell dient als Grundlage für die Entwicklung eines Screen Idea System framework (vgl. Redvall 2013b, S. 29 ff.), da sie die für das Kreativitätssystem grundlegenden Elemente der Domäne, des Feldes und des Individuums auf die Fernsehproduktion (und Medienproduktion allgemein) überträgt. „Translated to the topic of this book, one can approach the writing and production of television drama in Denmark as a system where writers with an individual talent, training and track record propose ideas for potential TV series. These ideas build on the trends, tastes and traditions in the domain and have to find acceptance by the experts in the field, where projects are assessed based on the mandate, management and money of the institution involved.“ (Redvall 2013b, S. 31)
Redvall greift dabei die Zentralität der ‚screen idea‘, wie MacDonald (2004; 2012) sie beschreibt, auf und knüpft ihre Ideen an jene von MacDonalds (2010) Screen Idea Work Group an (vgl. Redvall 2013b, S. 30). Sie spezifiziert dabei nicht den Untersuchungsgegenstand als Kreativität in der Serienproduktion. Ihr Untersuchungsgegenstand ist von vornherein Kreativität in der Fernsehproduktion, weil sich ihr Screen Idea System darauf übertragen lässt: Redvall untersucht dänische Serienproduktionen als Best Practice-Beispiele. Sie fokussiert auf international gelobte und folglich international ausgestrahlte und kopierte Serienproduktionen wie Borgen und Forbrydelsen/The Killing. Der Einfluss dieser Serien auf die internationale Serienproduktion zeigt, so ihre Argumentation, dass diese Serien vom Feld der Serienproduktion als domänenmodifizierend anerkannt werden. Dem Systemmodell folgend sind sie demnach kreativ. Sie drücken Kreativität im Feld aus. Folglich können die Prozesse, die zu diesen Produkten führen (dies schließt das Prinzip des Writer’s Rooms ein), als kreative Prozesse verstanden werden, die sich über Modelle der kreativen Problemlösung analysieren lassen (vgl. Redvall 2012; auch Redvall 2013b, S. 24 f.). Interessant ist diese Betrachtungsweise vor dem Hintergrund, dass dieses hochgelobte, als innovativ und kreativ qualifizierte Organisationsmodell als ein Arbeitskonzept entwickelt wurde, „das strikt auf Effizienz und kommerziellen Erfolg hin ausgerichtet ist“ (Weiß und Gößler 2014, S. 31). Die Effizienz des Writer’s Rooms speist sich wesentlich aus der Betonung handwerklicher Regeln und
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
aus konkreten dramaturgischen Vorgaben, z. B. der Entwicklung des Plots entlang des klassischen (an den Werbeunterbrechungen orientierten) Vierakt-Schemas mit einer fest definierten Zahl so genannter Beats, d. h. Handlungsschritte (vgl. ebd., S. 32 f.). Dass und wie Kreativität und Effizienz hier aneinandergekoppelt werden, liegt wesentlich an der Showrunner-Figur, wie sie oben beschrieben wurde: Diese Person steckt den Rahmen ab. Der Großteil inhaltlicher Entscheidungen liegen bei ihr; das reduziert Abstimmungsprozesse und spart damit Zeit (vgl. ebd., S. 31). Ihre Tätigkeit ist damit ein Beleg für das Postulat, dass Kreativität Struktur braucht – Struktur im Sinne nicht nur einer Existenz, sondern einer Betonung nicht-kreativer Regeln und Ressourcen, die den Kontext für kreativen Freiraum schaffen. Die Kontrolle durch den Showrunner und der permanente Austausch im Team sorgen dafür, dass die Linie eingehalten und Inhalte zugleich dynamisch, weil in permanenter sozialer Interaktion, entwickelt werden – aus Perspektive der Autor*innen entsteht damit der Eindruck eines extrem strukturierten und zugleich sehr kreativen Prozesses (vgl. ebd., S. 34). Das Organisationsprinzip des Writer’s Room ist in Deutschland jedoch weitgehend noch Sehnsuchtsmodell (vgl. Krauß 2018, S. 58 ff.). Die Kopplung von Kontrolle und (offenbar besonders hohem) Kreativitätspotenzial stellen auch Newcomb und Alley (1982, S. 70, 72) her, die kreative Kontrolle als zentrales Kennzeichen und wesentliche Ressource jener Produzent*innen benennen, die das Fernsehen maßgeblich geprägt haben. Dass die Wahrnehmung eines großen, (alltäglich) kreativen Freiraums und eine deutliche Effizienzausrichtung keine Widersprüche sind, zeigt sich zudem darin, dass die Medienschaffenden auch in der industrialisierten Produktion einer täglichen Serie viel Raum für Kreativität identifizieren (vgl. Karow 2011, S. 171). Diese Räume sind zwar enger abgesteckt, aber innerhalb dieser Räume können sie sich völlig frei bewegen (vgl. Abschnitt 5.3.3.3).
5.2.3
Die Bewertung von Unterhaltungssendungen als kreative Produkte
Jeglicher Qualifikationsprozess eines Produkts – als Genre, Gattung oder auch Innovation bzw. kreatives Produkt – ist ein In-Beziehung-Setzen des letzteren zu anderen gleich- oder andersartigen Produkten, d. h. ein Bewertungsprozess, der nur in einem spezifischen Kontext erfolgen kann. Genre- und Gattungsbeschreibungen, Innovation und Kreativität sind folglich relative und relationale Begriffe (vgl. dazu auch die Ausführungen zu Kreativität in Abschnitt 4.1). Da die Bewertung letztlich von der Bewertungsinstanz abhängt, stellt sich die Frage danach, wer bzw. was solch eine legitime Bewertungsinstanz darstellt. Da Kreativität
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domänenspezifisch gefasst werden muss (vgl. Abschnitt 4.1.1.3), sind grundsätzlich alle Medienschaffenden, die sich im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion (bereits einige Zeit) bewegen und damit über eine feldspezifische Feldexpertise verfügen (vgl. auch Küng 2008b, S. 149), legitime Beurteiler*innen von Kreativität als Kreativität in diesem Feld. Wissen und Erfahrung sind wichtige Elemente nicht nur für das Kreativ-Sein, sondern auch für das Erkennen von Kreativität. Die aus den Aussagen von Medienschaffenden abgeleiteten Erkenntnisse zum Prozess der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Abschnitt 5.1.1) zeigen, dass Kreativität für die Beschreibung und Bewertung des Arbeitsalltags eine wesentliche Rolle spielt. Daraus folgt, dass der Fokus auf ein prozessuales Verständnis von Kreativität für die Fernsehunterhaltungsproduktion als angemessen erscheint. Die Bewertung eines Prozesses ist, wie dargestellt (vgl. Abschnitt 4.1.1), eng an eine produktbezogene Betrachtung von Kreativität gekoppelt. Dies gilt auch für die Betrachtung des Fernsehproduktionsprozesses als kreativ: Kreativ ist ein Prozess, der in kreativen Ergebnissen mündet bzw. münden soll (mehr dazu vgl. Abschnitt 6.2). Ergebnisse entstehen in Form von Teilergebnissen in den zahlreichen Etappen des Produktionsprozesses, sie werden letztlich aber gebündelt zum Endergebnis, dem Endprodukt. Ist daher der Schluss möglich oder gar zwangsläufig, dass auch das Endergebnis, also in diesem Fall die fertige Unterhaltungssendung, in jedem Fall als kreativ zu bewerten ist? Mitnichten. Ein Prozess, der einer Produktentstehung vorangestellt ist, kann als kreativ gelten, auch wenn das Produkt selbst nicht als sonderlich kreativ bewertet wird (vgl. Karow 2011, S. 215). Dies gilt umso mehr als die Branche wesentlich von Misserfolgen und Momenten des Scheiterns gekennzeichnet ist (vgl. Fröhlich 2010b, S. 334; Grindstaff 2002, S. 124 f.; Mayer 2009, S. 20 ff.; Wahbe 2012, S. 185; vgl. Abschnitt 5.1.2) – dennoch wäre es eine eingeschränkte Perspektive, Prozesse, die letztlich scheitern, pauschal als unkreativ zu bezeichnen. Die Idee, dass kreative Tätigkeiten sich in kreativen Ergebnissen kristallisieren, muss auf einer viel früheren Ebene, d. h. mit Blick auf die zahlreichen Teil- und Zwischenergebnisse erfasst werden. Kreativität als Prozess lässt sich dieser Idee folgend in sozialen Praktiken beobachten. Die vorliegende Arbeit setzt daher für eine feldspezifische Kreativitätsdefinition nicht beim Endprodukt, sondern beim Prozess davor an – unabhängig vom spezifischen Endprodukt. Trotz allem ist die (end)produktabhängige Kreativitätsdefinition für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion ebenfalls von Bedeutung, weil davon auszugehen ist, dass sie in den Kreativitätsvorstellungen der Medienschaffenden (vgl. Abschnitt 5.3.3) eine Rolle spielt. Dabei ist es dennoch sinnvoll, die prozessuale Perspektive von der Produktperspektive analytisch zu trennen, da eine produktbezogene Kreativitätsbetrachtung auf einer anderen, einer höheren Ebene ansetzt
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
und den Aspekt der Evaluation und Anerkennung als Definitionskriterium von Kreativität im Feld in den Fokus rückt. Dieser Fokus spiegelt sich in systemischen Ansätzen zu Kreativität, die die Kreativitätsdefinition von einem Bewertungssystem ableiten (vgl. Abschnitt 4.1.4, vgl. auch Redvalls (2013b) Screen Idea System in Abschnitt 5.2.2.2). Die Frage, die implizit in dieser systemischen Betrachtungsweise steckt, ist, wie eine positive Evaluation gekennzeichnet wird und von wem oder was sie ausgeht. Wie erwähnt, sind die Feldakteur*innen selbst Bewertungsinstanzen, wenn und insofern sie die Gestaltungsprinzipien, die im Feld anerkennt werden, replizieren. Redvall (2012, S. 60) verweist hier auf Greenlight-Diskussionen, die darüber entscheiden, ob eine Sendungsidee auch wirklich als Sendungsproduktion umgesetzt wird. In diesen Diskussionen steckten Entscheidungen über den Wert einer Idee. Jedoch muss hier einschränkend erwähnt werden, dass unterschiedliche Vorstellungen von Best Practice-Lösungen im Feld bestehen (vgl. ebd., S. 62). Darüber hinaus stellt in der Auswahl von Sendungskonzepten durch Sender die inhaltliche oder gestalterische Güte eines Konzepts, z. B. seine Originalität, kein hervorstechendes Entscheidungskriterium dar. Bedeutsam sind vielmehr auch Aspekte wie die Wirtschaftlichkeit eines Projekts, seine Passung zum Senderbedarf, das Vertrauen in die Kompetenz des Produktionsunternehmens oder auch persönliche Sympathien zwischen den Entscheidungsinstanzen auf Sender- und Produzent*innenebene (vgl. auch Schneider 1997, S. 144), wie Fröhlich (2010b, S. 326 ff., 355) für die nonfiktionale Unterhaltungsproduktion feststellt. Greenlight-Entscheidungen stehen daher keineswegs allein für die Bewertung einer kreativen Leistung. Neben der beständigen impliziten Feldbewertung stehen Instanzen, denen explizit eine Bewertungshoheit zugewiesen wird. Dabei handelt es sich einerseits um das Publikum, das vor allem als quantifizierende Bewertungsinstanz in Form der Quote für das Feld von Bedeutung ist (vgl. Zabel 2009, S. 383), sowie andererseits um (Film-)Kritiken und Auszeichnungen, denen eine qualitative Bewertung zugeordnet wird. Küng stellt letztere daher beispielsweise als „useful metric“ (Küng 2008b, S. 149) für den „critical acclaim“ (ebd.) heraus, der ein definitorisches Element für die Bewertung eines Ergebnisses als kreativ darstellt (vgl. ebd., S. 148 f.). Grundsätzlich nimmt Küng ansetzend an Amabiles (1983; 1996) Arbeiten eine systemische Perspektive ein und bezieht auch das Publikum als Definitionsinstanz mit ein: Publikumsresonanz und/oder kommerzieller Erfolg entscheiden mit darüber, ob ein Produkt als kreativ bezeichnet werden kann (vgl. ebd., S. 148 f.). Küng impliziert damit eine Differenzierung, die von Medienschaffenden selbst (vgl. Clevé 2009), wie auch von Forschenden (vgl. Holbrook und Addis 2008) angelegt wird: Die Publikumsreichweite wird mit wirtschaftlichem Erfolg assoziiert (ein direkter Zusammenhang besteht für Kinofilme, für die
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höhere Besucherzahlen mit höheren Einnahmen einhergehen, vgl. Hennig-Thurau et al. 2012), während Preise, Ehrungen und positive Kritiken als Belege für künstlerischen oder kreativen Erfolg gewertet werden (vgl. auch von Rimscha 2010, S. 252 f.). Diese Deutung6 könnte erklären, warum zwischen den beiden Evaluationsinstanzen ein punktuell widersprüchliches Verhältnis besteht (vgl. auch die Wahrnehmung der Medienschaffenden selbst, Wahbe 2012, S. 189), wenn von Kritiker*innen gelobte Sendungen weniger Zuschauer*innen erreichen. Tatsächlich stellen Holbrook und Addis (2008) für die Filmindustrie fest, dass qualitative Bewertungen durch Zuschauer*innen und Expert*innen gleichermaßen und Branchenauszeichnungen einerseits sowie quantitative Resonanz (in Kinobesuchs- und Videoverleihzahlen) und Empfehlungssysteme andererseits jeweils zwei Facetten filmischen Erfolgs konstituieren: Branchenanerkennung auf der einen und Marktleistung auf der anderen Seite. Diese beiden Erfolgsfacetten korrelieren untereinander jedoch nicht (vgl. ebd., S. 101). Dass für eine Kreativitätsbewertung, wie in Küngs Modell beschrieben, beide gelten müssen, verdeutlicht die Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz, die ein Produkt als kreatives Produkt bewältigen muss (vgl. auch Abschnitt 5.4). Dabei zeigen nachfolgend beschriebene Studien, dass sich die Differenzlinie nicht unbedingt zwischen Expert*innen und (durchschnittlichen) Zuschauer*innen als Kritiker*innen ziehen lässt, als vielmehr zwischen einer Bewertung von Filmen über qualitative Parameter (z. B. Punktebewertungssystem) einerseits und quantitative Parameter (z. B. Publikumsreichweite) andererseits. Zuschauer*innen als Bewertungsinstanz: Handlungsrahmen für Kreativität Grundsätzlich lässt sich den theoretischen Annahmen dieser Arbeit folgend das Publikum als legitime Bewertungsinstanz von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion identifizieren. Aus Feldperspektive sind Zuschauer*innen zwar Laien, dennoch ist ihnen eine valide Bewertung zuzutrauen. Bereits 1982 stellte
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Diese Deutung passt auch zu den kritischen, z. T. polemischen Ausführungen Bourdieu (1998b) zum Feld der Fernsehproduktion, in denen er gar so weit geht, den Massenerfolg einer Sendung dem artistischen Wert eben dieser diametral entgegen zu stellen. Diese Sichtweise speist sich aus einem klassischen Hochkulturverständnis und würde in dieser strikten Form die Bedeutung des Publikums und seiner Meinung für die Fernsehunterhaltungsproduktion, die hier als Populärkultur betrachtet wird, untergraben. Noch schärfer führen Newcomb und Alley (1983, S. 34ff.) diese Kritik: Sie weisen die kulturkritische Sichtweise massenattraktiver Inhalte als schlichte Unterhaltung ohne künstlerisch-kreativen Wert zurück und argumentieren, dass massentaugliche Sendungen gerade durch ihre Reichweite sehr machtvoll seien; als Produkte eines recht definierten Systems erzählerischer Vorgaben, loteten sie das (US-amerikanische) Denken besonders realitätsnah aus.
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Amabile mit Studien, in denen sie künstlerische Werke (Bilder) anfertigen und bewerten ließ, fest: „Indeed, it is probably true that for some domains – judging cartoon captions, for example – any ‘ordinary’ individuals with an average level of exposure to the written media would be appropriate judges. On the other hand, there are other areas – for example, medical research or atonal music – in which, to be an appropriate judge, an individual must have received special training in the field.“ (Amabile 1982, S. 1006f; Herv. d. Verf.)
Zuschauer*innen als mit dem Fernsehen und seinen Programmen sozialisierte Individuen kennen die Domäne der Fernsehunterhaltung. Amabiles Argumentation folgend ist dem Publikum folglich die Beurteilung einer Sendung als kreativ oder nicht kreativ zuzutrauen. Eine solche Bewertung ist nicht mit Bezug auf den Produktionsprozess, wohl aber mit Bezug auf das Ergebnis und die Elemente des Endergebnisses möglich. Das Publikum ist in der Fernsehproduktion nicht direkt Teil der künstlerischen Produktion, wie es im Theater der Fall ist, wo das Publikum physisch anwesend ist (vgl. Vassen 2011, S. 303, 305). Die Zuschauer*innen wirken indirekt über die Bilder der Medienschaffenden vom Publikum und von ihren Erwartungen auf den Prozess – und sind maßgeblich an der Bewertung nach der Produktion beteiligt. Der letztgenannte Bewertungsmoment prägt den ersten: Die Medienschaffenden ziehen aus der Publikumsreaktion Schlüsse für den Produktionsprozess – zumindest theoretisch. Tatsächlich ist an die Betrachtung des*der Zuschauenden als Bewertungsinstanz die Frage nach dem Verhältnis von Medienschaffenden zu ihrem Publikum gekoppelt. Umfassende Studien zum Publikumsbild der in der Fernsehunterhaltungsproduktion Tätigen fehlen, jedoch finden sich Hinweise darauf, dass sich diejenigen, die die Inhalte wesentlich gestalten (vgl. zu den unterschiedlichen Rollen von Medienschaffenden Abschnitt 5.3.1), eher an einem B2B-Verhältnis und damit – auch, weil sie davon ausgehen, dass dieses Vorgehen die Chance auf eine Produktionsauftrag erhöht – an den Sender- statt an den Publikumsinteressen orientieren (vgl. Fröhlich 2010b, S. 301 f.). Die Arbeit der Fernsehproduzent*innen bezieht sich auf „the business of TV production, not TV consumption“ (Tunstall 2001b, S. 201). Publikumsvorstellungen bestehen lediglich virtuell (vgl. Norbäck 2011, S. 192) oder aber sie wirken dem Prinzip der Nachfragereaktion folgend (vgl. Fröhlich 2010b, S. 304; siehe auch Abschnitt 5.1.2) eher mittelbar als Antizipation der Zuschauerschaft des Senders auf die Produktion (vgl. auch Wahbe 2012, S. 189) – für den Sender selbst ist die erwartete Publikumsresonanz ein wichtiges Kriterium in der Auswahl von Sendungsideen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 326). Das
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antizipierte Bild vom Publikum gründet dabei wesentlich in den oben benannten quantitativen Parametern, d. h. in der Quotenmessung (vgl. Fröhlich 2010b, S. 305 f.; Voges und Grapp 2009, S. 573 f.; 580 f.). Dies ist Ergebnis einer strategischen Entscheidung und resultiert nicht aus dem Glauben, dass die Quote eine Qualitätsaussage beinhaltet (vgl. Norbäck 2011, S. 193). Testscreenings finden zwar vereinzelt statt (vgl. Karstens und Schütte 2013, S. 190; Zabel 2009, S. 74), sie können den Publikumserfolg jedoch nur unzuverlässig und in sehr begrenztem Maße voraussagen (vgl. Gebesmair und Nölleke-Przybylski 2020, S. 614; Leder 2011, S. 43; zur schwierigen Prognostizierbarkeit des Publikumserfolgs vgl. auch Zabel 2009, S. 97 ff.). Die Feldakteur*innen selbst bringen einer Vorabmarktforschung grundsätzlich nur ein geringes Vertrauen entgegen (vgl. Fröhlich 2010b, S. 327). Zugleich steht eine starke Orientierung an der Quote in der Kritik – vor allem für die öffentlich-rechtlichen Sender (vgl. Norbäck 2011, S. 196). Es lässt sich durchaus argumentieren, dass die Zuschauer*innen ein Programm bereits implizit über ihre Selektionsentscheidung bewerten. Es sollte anerkannt werden, appellieren Newcomb und Alley (1983, S. 38, 41, 43), dass massenattraktives, so genanntes ‚chorisches‘ in Abgrenzung zu ‚lyrischem‘ Fernsehen, nicht nur sehr machtvoll ist, sondern auch eine besondere Leistung darstellt. Zudem lässt sich für die Perspektive der Medienschaffenden annehmen, dass der Wunsch nach einer großen Zuschauerschaft nicht unbedingt rein ökonomisch begründet werden kann (vgl. Gleim 2009), was jedoch auch vom Selbstverständnis (vgl. Abschnitt 5.3.1.2) und Tätigkeitsfeld der Medienschaffenden (vgl. Norbäck 2011, S. 194) abhängt. Ein großes Publikum spiegele die Relevanz der Inhalte (vgl. Amgarten 2008, S. 117). Dennoch darf von einer quantitativen Publikumsresonanz nicht automatisch auf eine qualitative Wertschätzung geschlossen werden: Schließlich sagt die Zahl der Zuschauer*innen noch nichts über den Rezeptionsmodus und die Ex-post-Bewertung des Gesehenen durch die Zuschauer*innen aus (vgl. Gehrau 2001, S. 71, 250; Leder 2011, S. 43). Wenn nun die antizipierte Publikumspräferenz die Medienschaffenden beeinflusst – dies ist tatsächlich der Fall, da und wenn Sender als Auftraggeber bestimmte Sendungskonzepte mit Verweis auf die Zuschauerschaft ablehnen (vgl. Graf 2010, S. 42) – ist eben diese Antizipation problematisch, weil die Publikumsresonanz nicht die tatsächliche qualitative Bewertung durch die Zuschauer*innen zu reflektieren scheint (vgl. Oliver et al. 2014, S. 869). Werden die Vorstellungen des Publikums verzerrt wahrgenommen, hat dies insofern Einfluss auf das Kreativitätspotenzial der Fernsehunterhaltungsproduktion, als das Rezeptionssystem die Grenzen der Angemessenheit absteckt (vgl. Westmeyer 2001, S. 247) – je enger diese Grenzen gezogen werden, desto geringer ist der Raum für Kreativität. In diesem Sinne können Zuschauer*innen durch Medienschaffende
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
als Kreativitätshemmnis wahrgenommen werden – beispielsweise wenn davon ausgegangen wird, dass eine gewisse Gestaltung zu außergewöhnlich oder neuartig für das Publikum sei (vgl. Graf 2010, S. 42; auch Abschnitt 5.2.2). Dass jedoch nicht grundsätzlich von einer unüberbrückbaren Diskrepanz zwischen Publikumsmeinungen und der Einschätzungen durch Expert*innen auszugehen ist, zeigen die Studien von Holbrook (1999, 2005). Er hat zwar in einem Vergleich von Publikums- und Expert*innenurteilen (beides abgebildet über ein Punkte- respektive Sternvergabesystem, vgl. Holbrook 1999, S. 150) festgestellt, dass der*die durchschnittliche Zuschauer*in tatsächlich realitäts- und alltagsnahe Themen sowie typische Blockbuster favorisiert, während Expert*innen zu abweichenden Themen- und Darstellungsformen (z. B. besonderer kinematographischer Stil, alltagsfremde Darstellungen wie Science-Fiction) tendieren (vgl. Holbrook 1999, S. 153). Dennoch bestehe eine, wenn auch schwache, Kopplung zwischen Publikums- und Expert*innengeschmack (vgl. Holbrook 1999, S. 153 f.; Holbrook 2005, S. 83). Dass sich mit steigendem persönlichem Interesse und damit zunehmender Rezeption von Filmen Laienurteile jenen von Expert*innen anpassen, zeigt sich auch in der Studie von Plucker et al. (2009). Gelten Expert*innenurteile, wie oben erwähnt, als Beleg für die künstlerische/kreative Leistung eines audiovisuellen Produkts, so kann folglich auch den Publikumsurteilen künstlerisch-kreative Bewertungskompetenz zugewiesen werden. Auch sie sind – insbesondere, wenn sie sich für das Medium interessieren – entsprechend Amabiles Einschätzung Expert*innen im Feld. Einschränkend ist dabei jedoch auf die Ergebnisse einer Untersuchung von Oliver et al. (2014) zu verweisen. Dass Quantität (Quote) und Qualität (Bewertungen) von Publikumsreaktionen nicht zusammenfallen, ließe sich mit dem Effekt sozialer Erwünschtheit und dem Einfluss professioneller Meinungen von Branchenexpert*innen, Medienkritiker*innen etc. erklären, die den Zuschauer*innen suggerieren, welche Sendungen und Filme sie schätzen sollten, auch wenn sie diese nicht schauen (vgl. Oliver et al. 2014, S. 870). Vor diesem Hintergrund ist eine angemessene Berücksichtigung und Würdigung qualitativer Publikumsbewertungen sicherlich nicht eindeutig möglich. Zugleich lassen sich, wie erwähnt, qualitative Publikumspräferenzen aufgrund zahlreicher Einflussvariablen grundsätzlich nur eingeschränkt erfassen. Und dennoch ist das Publikumsbild der Medienschaffenden auf Grundlage der obigen Argumentation für den durch die Feldakteur*innen subjektiv wahrgenommenen Raum für Kreativität von Bedeutung.
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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Preise, Nominierungen, Kritik: Professionelle Anerkennung als Kreativitätsbewertung Insofern – wie oben argumentiert wurde – jeder, der über einen gewissen Grad an Feldexpertise verfügt, legitime Bewertungen zur Kreativität von Produkten der Unterhaltungsbranche abgeben kann, ist dies für Branchenkritiker*innen als ‚kulturelle Intermediäre‘ (vgl. Hesmondhalgh 2006, S. 226 in Rückgriff auf Bourdieus (1982) Begriff) in besonderem Maße anzunehmen oder zumindest wünschenswert. Folglich dienen professionelle Kritiken und Branchenauszeichnungen gleichermaßen als Operationalisierungen7 für den künstlerischen Erfolg bzw. die herausragende Bedeutung von Filmen (vgl. z. B. Holbrook 1999, S. 148; Holbrook und Addis 2008, S. 93 ff.; Wasserman et al. 2015, S. 2) und damit implizit als Kreativitätsbelege. Wasserman et al. (2015) skizzieren unterschiedliche Bewertungsmöglichkeiten von Filmen und beschreiben einen alternativen Indikator für die Bedeutsamkeit eines audiovisuellen Werkes: Sie untersuchen diese über die Zahl der Zitationen. Tatsächlich steht eine Zitation für einen gestalterischen Impuls und könnte damit dem Systemmodell von Csikszentmihalyi (1995) folgend als Anerkennung einer neuen Gestaltung und damit als kreativer Beitrag gewertet werden. Interessanterweise stellen Wasserman et al. (2015) fest, dass diese Zitationen nicht unbedingt mit „critical acclaim“ zusammenfallen. Dennoch sind es wiederum Branchenauszeichnungen8 , die zuweilen explizit als Beleg für Kreativität herausgestellt werden (siehe oben, vgl. auch Picard 2011, S. 20). Dies gilt vorrangig für Simontons (2004a) Ausführungen zu Filmpreisen, der diese als „one of several methods of providing an operational definition of creativity“ (Simonton 2004a, S. 169) bezeichnet und damit als klare Indikatoren für Kreativität in der Filmbranche betrachtet (vgl. auch Simonton 2004b, S. 1501). Folglich seien jene Filme, die mit einem Preis ausgezeichnet oder dafür nominiert wurden, besonders kreativ (vgl. ebd., S. 167). Aufbauend auf dieser Grundannahme untersucht Simonton den Konsens zwischen unterschiedlichen Filmpreisen und 7
Zahlreiche Studien, die die Rolle von Kritiker*innenurteilen ausführlich und differenziert betrachten, finden sich im Bereich der Erfolgsfaktorenforschung. Diese untersucht jene Elemente, die den Erfolg einer Filmproduktion bedingen können – die Beurteilungen durch Kritiker*innen, aber auch Zuschauer*innen gelten hier als relevante Variablen (für einen Überblick siehe Hennig-Thurau et al. 2012, S. 252 ff.). Dieser immense Forschungskorpus bleibt in dieser Arbeit weitgehend unberücksichtigt, insofern er nicht explizit angibt, kreativen Erfolg messen zu wollen und folglich Kriterien und mögliche Belege für Kreativität benennt. 8 Auszeichnungen, die nicht explizit Kreativität (dafür gibt es in der Werbebranche Beispiele, vgl. z. B. Kilgour et al. 2013 oder Kover et al. 1995), sondern die professionelle Leistung in einer Domäne auszeichnen, werden in der Kreativitätsliteratur grundsätzlich als Belege und Messgrößen für Kreativität diskutiert (vgl. Batey 2012, S. 58, 60).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen den Filmpreisen ein „substantial consensus“ (Simonton 2004a, S. 171) bestehe, der in besonderer Weise in einer Auszeichnung durch die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die den Oscar vergibt, reflektiert werde (vgl. ebd.) – der beobachtete Effekt sank deutlich, wenn die Oscars aus der Berechnung herausgenommen wurden (vgl. ebd., S. 167). Daraus schließt Simonton, dass jene mit einem Oscar Ausgezeichneten „have a strong likelihood of having exhibited superlative cinematic creativity or achievement“ (ebd., S. 171). Aufgeschlüsselt heißt dies: Der ermittelte Konsens der Filmpreisjurys fungiert als Beleg dafür, dass spezifische Werke tatsächlich als besonders gut herausstechen und damit – dies entspricht einer systemischen Sichtweise (siehe oben) – Kreativität im Feld reflektieren. Dekker und Popik (2014, S. 101, 104) stellen eben dies in Frage, weil sie den Konsens der Juryurteile in ihren Berechnungen nicht nachvollziehen und stattdessen einen nur moderaten Konsens ermitteln können. Dass der Aussagewert von Filmpreisen differenziert betrachtet werden sollte, zeigt sich auch in einer Studie von Cattani et al. (2014) zu Kinofilmen aus den Jahren 1992 bis 2004. Die Autoren stellten fest, dass die Frage, ob ein Film in unterschiedlichen Kategorien ausgezeichnet wird und damit jeweils unterschiedliche Personen, die an diesem Film mitgewirkt haben, geehrt werden, variiert, je nachdem ob der Preis durch Feldmitglieder (peers) oder feldexterne Kritiker*innen (critics) vergeben wird. Auszeichnungen, die durch peers erfolgen, resultieren – die Autoren argumentieren mit den Mechanismen der Produktion symbolischen Kapitels, wie Bourdieu (1983) sie beschreibt (vgl. Abschnitt 2.2.1.1) – aus der sozialen Eingebundenheit der Ausgezeichneten in das Feld: „The ability to impose judgments of symbolic legitimacy, or the power to consecrate, in cultural fields allows participants to reproduce their positions […].“ (Cattani et al. 2014, S. 258) Dies wirkt sich auch auf die Produktion aus. Demnach seien die etablierten Feldakteur*innen eher dazu geneigt, die bestehende Vision zu reproduzieren. Grundsätzlich bezeichnen Cattani et al. (2014, S. 259) Preise und Auszeichnungen als das symbolische Kapital des Feldes und weisen beiden Bewertungsinstanzen damit eine konstitutive Rolle im Feld der Filmproduktion zu. Dass diese Annahme auch auf die Fernsehunterhaltungsproduktion – zumindest auf die Fernsehfilmproduktion – übertragbar ist, zeigt sich in den Aussagen von Spielfilm-Produzent*innen: Auszeichnungen werten diese als schönen Zusatz, der eine höhere Sichtbarkeit in der Branche und eventuell sogar höhere finanzielle Ressourcen (wenn in Reaktion auf Auszeichnungen Förderbudgets steigen) mit sich bringen kann (vgl. von Rimscha 2010, S. 253). Darüber hinaus gewinnen andere Medienschaffende mit solchen Auszeichnungen an Reputation: Das macht sie als potenzielle Projektmitarbeiter*innen attraktiver (vgl. ebd., S. 254).
5.2 Produktperspektive: Kreativität im Spannungsfeld …
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Dennoch bleibt das Bild ambivalent, da Produzent*innen nicht bewusst auf solche Ehrungen trotz des ihnen zugesprochenen (symbolischen) Wertes hinarbeiten. Der Grund: Die Chance auf einen Preis seien sehr gering und eine künstlerische Gestaltung, mit der die Chancen auf eine Ehrung stiegen, auf Kosten der kommerziellen Gestaltung lohne sich monetär nicht (vgl. ebd., S. 253). Für Medienschaffende im Feld der Fernseh(unterhaltungs)produktion spielen offenbar andere Beurteilungsinstanzen eine wichtigere Rolle. Zumindest die alltägliche Arbeit scheint weniger von externen als von internen Bewertungsinstanzen geprägt. Mit internen Bewertungsinstanzen ist der engere persönliche und berufliche Kreis sowie die eigene Perspektive und Meinung gemeint: Norbäck (2011, S. 191 f.) stellte für das öffentlich-rechtliche skandinavische Fernsehen fest, dass die Fernsehschaffenden (sie untersuchte sowohl unterhaltende als auch journalistische Produktionen) vorrangig das persönliche Feedback von Kolleg*innen und Freunden berücksichtigen und folglich nach persönlichem Gusto bestimmen, wer als legitime*r Beurteiler*in ihrer Arbeit gelten kann. Dieses Muster zeigt sich darin, dass negative Sendungskritiken von den Programmacher*innen als subjektive Meinungen einzelner Medienkritiker*innen abgetan, während positive Kritiken als Erfolgswertung anerkannt werden (vgl. Norbäck 2011, S. 197). Dazu passt, dass sich die Programmacher*innen in ihren Entscheidungen weniger an externen Indikatoren als an ihrem ‚inneren Kompass‘ (vgl. ebd., S. 189), ihrer subjektiven, auch emotional geprägten Produktbewertung (vgl. Kuipers 2012, S. 588) und ihrer Intuition (vgl. auch von Rimscha 2009, S. 201 f., 205; 2012, S. 132 ff.) orientieren. Die Ausführungen zeigen den differenzierten Blick, der auf die unterschiedlichen professionellen Evaluationsmechanismen im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion notwendig ist. Kreativität als Beobachterkonstrukt ist nur über eine implizite oder explizite Bewertung greifbar (vgl. Abschnitt 4.6). Dies gilt insbesondere für eine produktbezogene Betrachtung. Daher ist, um zu verstehen, was Kreativität in diesem Feld ist, auch von Bedeutung, ob die Medienschaffenden den benannten Bewertungsinstanzen die Fähigkeit zur Kreativitätsbewertung zuweisen. Wenngleich die Sekundäranalyse zeigt, dass Medienschaffende den Zuschauer*innen zumindest indirekt eine Bewertungskompetenz zugestehen (vgl. Abschnitt 5.3.3.3), dominiert die Selbstreferenz: Von Bedeutung sind vorrangig feldinterne Anerkennung und feldinternes Feedback. Das Publikum bleibt damit auf abstrakter Ebene zwar relevant, aber außen vor. Es wird vor allem ökonomisch und nicht gestalterisch motiviert berücksichtigt.
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5.3
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
Die Fernsehunterhaltungsproduktion ist Wissensarbeit (vgl. Paterson 2001, S. 212 f.). Sie resultiert aus dem unterschiedlichen, teils hoch spezialisierten Wissen, dem spezifischen Können und den individuellen Erfahrungen der einzelnen Medienschaffenden (vgl. Kerrigan und McIntyre 2010, S. 124; Negus und Pickering 2004, S. 53; Ryan 1991, S. 108; von Rimscha und Siegert 2015, S. 143). Die Individuen bewegen sich zwar „within the same patterns of organizational restraint“ (Newcomb und Alley 1982, S. 70), diese übergreifenden Muster interpretieren sie jedoch individuell, verknüpfen ihre (Teil-)Beiträge mit persönlichen Werten und Sichtweisen und bringen folglich heterogene Bedeutungen ins Fernsehen (vgl. Newcomb und Alley 1982, S. 70). Ihr kulturelles Kapital dient den Medienschaffenden als symbolisches Kapital (vgl. Piñón 2011, S. 398). Der Transfer von (Erfahrungs-)Wissen ist damit aus Perspektive der Produktionsunternehmen erfolgsfördernd (vgl. Chalaby 2012, S. 31). Die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Einzelnen sind allein schon deshalb von Bedeutung, weil die Fernsehunterhaltungsproduktion einen hoch arbeitsteiligen und arbeitsintensiven Prozess darstellt, der ein hohes Pensum an Arbeitskraft und unterschiedlichste Qualifikationen erfordert. Arbeit in projektbasierten Organisationen und folglich konkreter auch in den Projektnetzwerken der Fernseh(unterhaltungs)produktion ist Teamarbeit, in der Personen mit unterschiedlichem professionellen Profil zusammenkommen. Während der projektunabhängige personelle Grundstock eines Produktionsunternehmens u. U. nur wenige Personen umfasst, schwellen die Teams während eines Produktionsprojekts je nach Art der zu produzierenden Sendung auf dutzende, wenn nicht sogar hunderte Personen an (vgl. z. B. Fröhlich 2010b, S. 216; Olsberg SPI und Nordicity 2015, S. 19). Caves (2003, S. 79) hat dafür den Begriff der „motley crew“ geprägt. Die Einzelleistungen verschmelzen in kreativen Clustern (vgl. Simonton 2004b, S. 1516). Entscheidend ist demnach die Gesamtgruppe, wenngleich die Bedeutung des Kollektivs nicht automatisch in einer Depersonalisierung mündet: Auch, wenn kollektive Bemühungen für die Umsetzung einer Produktion notwendig sind, kann ein Individuum mit starker Persönlichkeit die treibende Kraft des Prozesses sein (vgl. Pardo 2010, S. 12). Die Ebene der Individuen, d. h. der Medienschaffenden, lässt sich in dreifacher Hinsicht mit dem Kreativitätsbegriff verknüpfen: (1) Medienschaffende sind eingebunden in Tätigkeiten, die als kreative Arbeit bezeichnet oder konzipiert werden (vgl. Banks und Hesmondhalgh 2009;
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
259
Bakhshi et al. 2012; Bilton 2007; Caves 2003; Hesmondhalgh 2013; Hesmondhalgh und Baker 2008; 2010; 2011; Lee 2012; Paterson 2001, 2010; Piñón 2011; Powdermaker 2001; Redvall 2012; Smith und McKinlay 2009a). (2) Sie gelten selbst als Kreative bzw. kreativer Input und verstehen sich selbst ebenfalls – zumindest auch – als Kreative; wenngleich Kreativität (nicht zuletzt im Kontext der Fernsehproduktion) als sozialer Akt gilt (vgl. z. B. Hutton et al. 2005, S. 17). Kreativ ist folglich genauer gesagt das Team. Dem Verständnis von Kreativität als sozialem Akt folgend wird ihre Kopplung an kreative Arbeit offensichtlich, da die Teamdimension den interaktionalen Charakter betont und die kreative Medienproduktionsarbeit, wie beschrieben, grundsätzlich als Teamarbeit gilt. Dem theoretischen Verständnis dieser Arbeit folgend besteht Kreativität in und durch soziale Praktiken und daher nur in und durch die Menschen und ihr Handeln (vgl. Abschnitt 2.3). (3) Medienschaffende (re-)produzieren das feldspezifische Verständnis von Kreativität als einem domänenspezifischen Konstrukt (vgl. Abschnitt 4.1.1.3 und 4.1.4) und definieren damit Anknüpfungspunkte für eine nähere Analyse von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion. Im Folgenden werden diese drei Dimensionen näher beleuchtet. Im Einzelnen rücken damit die Berufs- und Tätigkeitsprofile der Medienschaffenden, ebenso wie die Rollen, die sie in diesen Tätigkeiten einnehmen und das Rollenselbstverständnis in den Fokus (vgl. Abschnitt 5.3.1). Die Beschreibung der Handlungs- und Arbeitsbedingungen offenbart die Bedeutung der Kontaktpflege in dieser personenbasierten Branche, ebenso wie die Anreize dieser kreativen Arbeit trotz teils mäßiger beruflicher Perspektiven (vgl. Abschnitt 5.3.2). Implizit befassen sich zudem auch die Ausführungen zum Kreativitätsverständnis der Medienschaffenden (vgl. Abschnitt 5.3.3) mit den Arbeitsbedingungen im Feld, schließlich verweisen sie auf grundlegende Arbeitsweisen in der Fernsehunterhaltungsproduktion und stellen die Bedingungen für Kreativität in diesem Feld heraus.
5.3.1
Rollen, Tätigkeitsprofile & Rollenselbstverständnis der Medienschaffenden
Die Bedeutung, die eine Analyse der Rollen, Tätigkeiten und des Selbstverständnisses für eine Betrachtung der Fernsehunterhaltungsproduktion insgesamt und ihre populärkulturelle Relevanz einnimmt, ergibt sich auch aus dem Verständnis kultureller Produktion und Rezeption als einem Kreislauf der Kodierung und
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Dekodierung (vgl. Hall 2005). Unterhaltungsproduktion organisiert Wissen und ist Teil dieses Kreislaufes der Kultur (vgl. Altmeppen 2011, S. 18), wobei die Medienschaffenden den Kodierungsprozess wesentlich bestimmen, jedoch nur in ihrer Eingebundenheit in die geltenden, institutionellen Zwänge, d. h. als ein Teil der Struktur. Schließlich ist auch der Kreislauf der Kultur Handeln und Struktur zugleich. Dennoch kann mit einem Blick auf die Rollen und das Rollenselbstverständnis bestimmt werden, wer in welcher Form zum Enkodierungsprozess beiträgt bzw. beitragen will. Zu diesem Zweck werden im Folgenden zunächst die zentralen Rollen des Produktionsprozesses skizziert. Daran anknüpfend beschäftigt sich das Folgekapitel damit, welches Selbstverständnis mit diesen Rollen verknüpft ist, d. h. wie die Medienschaffenden selbst die Normen ihrer Arbeit und ihre Aufgaben wahrnehmen (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Von großer Bedeutung ist dabei auch der besondere, kulturelle Charakter des von ihnen gestalteten und erstellten Produktes. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diese Besonderheit auf den Kreativitätsbegriff ausstrahlt, d. h. ob man auf eine spezielle Form der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion schließen kann (vgl. Abschnitt 5.3.1.4).
5.3.1.1 Differenzierung formaler Funktions- und informeller Handlungsrollen Die Beschreibung der wesentlichen Tätigkeiten, die in der Erstellung einer unterhaltenden Fernsehsendung münden und damit ein Fernsehproduktionsprojekt konstituieren, soll über zwei Ebenen erfolgen: Zum einen über die Beschreibung von formalen, berufspositionsgebunden Funktionsrollen und zum anderen über die Konzeption informeller, positionsübergreifender Handlungsrollen, die abgeleitet vom Phänomen der Kreativität unterschieden werden9 . Formale Rollen sind per Auftrag oder Vertrag vergebene institutionalisierte Rollen, Berufsrollen, aber auch formalisierte Status-, Handlungs- und Funktionsrollen (z. B. jene einer Lehrerin) (vgl. Jahnke 2006, S. 66). Informellen Rollen wiederum liegt kein Auftrag zugrunde, sie ergeben sich spontan, flexibel und/oder situativ und meinen folglich beispielsweise bestimmte Interaktionsrollen (z. B. die des Meinungsführers), aber auch informelle Handlungs- und Funktionsrollen (z. B. die einer Wissensvermittlerin) (vgl. ebd.) Rollen spiegeln „die mit der Position in einer Gruppe oder Institution verbundenen Verhaltenserwartungen“ (Weischenberg 1992, S. 281). Sie bündeln und systematisieren gleichartige Handlungen und Aufgaben, genauso wie normative und informelle Erwartungen an eine Person in einer spezifischen 9
Für unterschiedliche Ansätze zur Differenzierung sozialer Rollen, nicht nur über ihren formalen respektive informellen Charakter vgl. Jahnke 2006.
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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Gruppen- oder Interaktionskonstellation (vgl. Altmeppen 1999, S. 44; Jahnke 2006, S. 56; Schimank 2007, S. 126). Aus praxistheoretischer Perspektive ist dabei jedoch nicht davon auszugehen, dass die Personen Rollenträger*innen eines Systems sind (vgl. Schäfer 2004, S. 327). Die Rolle ist vielmehr Spiegel der selbst- und fremdwahrgenommenen Positionierung (vgl. von Arx 2008, S. 33). Sie steht für eine soziale Position, eine ‚soziale Identität‘ an die spezifische Rechte und Pflichten als Rollenerwartungen gebunden sind (vgl. Giddens 1997, S. 138). Formale Funktionsrollen in der Fernsehunterhaltungsproduktion Die zentralen Berufsbilder im Prozess unterhaltender Fernsehproduktion sind die Senderredakteur*innen und die Produzent*innen, weil sie die Projekte initiieren und etablieren, Ressourcen rekrutieren, personelle Konstellationen bestimmen und den Prozess der Produktion koordinieren (vgl. Abbildung 5.1). Sie bilden „als machtvolle Doppelspitze das Koordinationszentrum von Projektnetzwerken“ (Windeler 2010, S. 226). Der*die Senderredakteur*in verantwortet einen Programmplatz und ist für eine – idealerweise quotenstarke – Besetzung dieses Sendeplatzes verantwortlich (vgl. Fießer 2007, S. 54; Mürl 2005, S. 171). Er*sie kennt die Bedürfnisse der erreichten und/oder gewünschten Zielgruppe und überblickt das entsprechende, inhaltliche Angebot des Inhaltemarktes (vgl. van Doornick und Bodmer 2008). Der*die Redakteur*in – im englischen Sprachgebrauch als commissioning editor oder commissioner bezeichnet (vgl. Feil 2006, S. 192) – koordiniert im Sender die inhaltlichen Fragen, die seinen*ihren Programmplatz betreffen. Er*sie wählt Sendungsideen – in der nonfiktionalen Produktion Erzähl- oder Spiel-Konzepte; in der fiktionalen Produktion Geschichten für Filme, Serien oder Serienepisoden – aus, ist jedoch auch selbst an der Entwicklung von (Stoff-)Ideen beteiligt, überwacht die Pre-Produktion und die Dreharbeiten, macht die Sendungsabnahme und begleitet die Vermarktung der Sendung (vgl. Fießer 2007, S. 54). Im Falle einer Auftragsproduktion sind Senderredakteur*innen als Auftraggeber*innen in alle wesentlichen Entscheidungsprozesse der Produktion eingebunden (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 149; Karow 2011, S. 122). Der*die Produzent*in wiederum versucht, den Vorstellungen und Wünschen des Senders aufgrund dessen Entscheidungs- und Kontrollkompetenz – und damit in der Regel der Befugnis, das letzte Wort zu haben – zu entsprechen (vgl. Fießer 2007, S. 55; vgl. auch Stichwort Nachfragereaktion in Abschnitt 5.1.2). Wenngleich der Begriff nicht geschützt ist (vgl. Schneider 1997, S. 16), bezeichnet der Begriff des*der Fernsehproduzent*in in der Regel – und auch in dieser Arbeit – die insgesamt, sowohl künstlerisch wie auch betriebswirtschaftlich
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Quelle: eigene Darstellung basierend auf Sydow und Windeler 2004b, S. 43 und Windeler 2004, S. 66
Abbildung 5.1 Zentrale Positionen im Projektnetzwerk der Fernsehunterhaltungsproduktion
verantwortliche Person im Prozess einer Film- oder Fernsehproduktion (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 20; Feil 2003, S. 241). Häufig ist ein*e Produzent*in zugleich auch Geschäftsführer*in und Eigentümer*in des Produktionsunternehmens, wenngleich es gerade in großen Produktionsunternehmen eine Trennung der genannten Funktionen oder auch Produzent*innen auf mehreren Ebenen des Unternehmens geben kann (vgl. Feil 2006, S. 192; Fießer 2007, S. 56). Produzent*innen sind über das einzelne Produktionsprojekt hinaus zuständig für die Entwicklung neuer Stoffe und Sendungsideen, häufig Initiator*innen einer Produktion und treffen während eines Projekts die wesentlichen Entscheidungen sowohl auf Ebene der Gestaltung wie auch der Finanzierung (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 20; Feil 2003, S. 241; Stein und Schulz 2002, S. 12). Die Tätigkeiten der Produzent*innen sind vielfältig: „Die Spannweite reicht von der Gestaltung des Drehbuchs und der Besetzung, über die Kunst des Finanzierens und das Handwerk der Planung bis zum Prozeß [sic!] des Verkaufens.“ (Iljine und Keil 2000, S. 103) Entsprechend
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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hoch ist mitunter die Arbeitsbelastung, wenn ein*e Produzent*in Folgeaufträge und damit das Bestehen des Unternehmens sichern, zugleich aber alle wesentlichen Aufgaben eines oder gar mehrerer Produktionsprojekte übernehmen soll. Die Funktion des*der Producers*Producerin ist in den 90er Jahren entstanden, da der*die Produzent*in – vorrangig vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl von Sendern, d. h. potenzieller Auftraggeber – mit wachsender Unternehmensgröße, steigendem Auftragsvolumen und zunehmenden Entwicklungsbedarf selbst nicht mehr in der Lage war, die Doppeltätigkeit aus kreativen und organisatorischfinanziellen Aufgaben allein zu erfüllen (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 20; Feil 2006, S. 192; Fießer 2007, S. 56; Iljine und Keil 2000, S. 128; Stein und Schulz 2002, S. 16). Ein*e Producer*in verantwortet das einzelne Produktionsprojekt und steht damit für eine vom US-amerikanischen Produktionsmodell inspirierte engere Verzahnung von Redaktion und Produktion (vgl. Heussen und Blaes 1997, S. 345 ff.). Qua definitionem haben Producer*innen „die finanzielle und künstlerische Gesamtleitung eines Projekts“ (Bonhoeffer 2010, S. 21, Herv. i. O.), de facto jedoch obliegt die unmittelbare finanzielle Verantwortung der dafür eingesetzten Produktionsleitung (vgl. ebd.; mehr dazu siehe unten). Producer*innen werden in ihrer Funktion auch als ‚angestellte Produzent*innen‘ (vgl. Stein und Schulz 2002, S. 16) oder ‚kleine Produzent*innen‘ (vgl. Feil 2006, S. 192) bezeichnet. Die Tatsache, dass sich die Bezeichnung des*der Producer*in letztlich aus der englischen Übersetzung des Begriffs Produzent*in ergibt, unterstreicht die Nähe im Aufgabenprofil beider Funktionsrollen. Zugleich ist diese Begriffs- und Funktionsnähe jedoch Ursprung möglicher Begriffsverwirrungen. Grundsätzlich hat sich im Deutschen die Unterscheidung durchgesetzt zwischen einerseits den Produzent*innen (im oben beschriebenen Sinne) als jenen Personen, die (auch) das unternehmerische Risiko tragen (vgl. Fießer 2007, S. 56) und das Gesamtunternehmen verantworten, zumindest jedoch projektübergreifend Verantwortung tragen, und andererseits den Producer*innen, die das spezifische, einzelne Produktionsprojekt koordinativ, organisatorisch und konzeptionell-gestalterisch leiten (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 20; Iljine und Keil 2000, S. 128 f.). Dennoch erfolgt die Begriffsverwendung nicht immer trennscharf und darüber hinaus bieten aus dem Englischen übernommene, vielfältige Bezeichnungen von Producer*innen-Rollen die Möglichkeit, Personen mit unterschiedlichen, aber auch gleichen Aufgaben je nach Projekt, Produktionsunternehmen oder Genre unterschiedlich zu bezeichnen (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 120; Norbäck 2011, S. 80 f.; Pardo 2010, S. 8). Jedes Genre ist durch spezifische Arbeitsprozesse und Rollenausprägungen der Producer*innen bestimmt (vgl. Tunstall 2001b, S. 194).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Iljine und Keil (2000, S. 115 ff.) verweisen für den Producer-Begriff u. a. auf die Bezeichnungen des executive, creative, assistant und junior producers. Der*die Executive Producer*in bezeichnet im Wortsinn die durchführenden, ausführenden Produzent*innen und betont Aufgaben der Finanzierung und Geschäftsführung. Im US-amerikanischen Sprachgebrauch wird damit die für Produktion, Produktionslogistik und/oder Finanzierung zuständige Person benannt (vgl. ebd., S. 117; Pardo 2010, S. 8). Creative Producer*innen haben einen Aufgabenbereich oder -schwerpunkt häufig in der Entwicklung (vgl. Stein und Schulz 2002, S. 16). Der Begriff kann zugleich – dies ist vorrangig in den USA der Fall – als (Zusatz-)Bezeichnung der Produzent*innen dienen (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 128). Die Bezeichnungen Junior und Assistant Producer*in beziehen sich in der Regel auf den Nachwuchs, d. h. eine den Producer*innen zuarbeitende Funktion (vgl. ebd., S. 119). Ein*e Producer*in ist in der Regel nicht vollumfänglich und allein für die inhaltlich-gestalterischen wie auch organisatorischen Aufgaben der Gesamtproduktion zuständig. Diese Rolle übernimmt zwar die zentral koordinative Funktion und Entscheidungskompetenz im Prozess des spezifischen Produktionsprojekts (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 21). Darüber hinaus spielen jedoch in der inhaltlichen Gestaltung einerseits und der Drehorganisation und -durchführung andererseits in der fiktionalen Produktion die Funktionsrollen der Autor*innen und der Regisseur*innen eine zentrale Rolle, während diese Aufgaben in nonfiktionalen Produktionen unterstützend bearbeitet werden von Redakteur*innen, Researchern und/oder Realisator*innen. Die Bezeichnungen aus der redaktionelljournalistischen Arbeit adaptierend treten in letzteren Fällen die Producer*innen auch als Chef*innen vom Dienst oder Redaktionsleiter*innen auf. Ein*e Autor*in ist in einem idealtypischen Verständnis diejenige Person, die die Texte für fiktionale Produktionen formuliert. Dies umfasst – abhängig von Genre und Gattung der Produktion – die Konzeption und das Formulieren von Exposés und Treatments für Serien(episoden) oder Filme und das Verfassen ganzer Drehbücher oder aber einzelner Drehbuchteile (vgl. z. B. Fießer 2007, S. 57; Renner 2012, S. 56). Insbesondere in der hochfrequenten Serienproduktion spiegelt sich der industrielle Charakter der Produktion (vgl. Abschnitt 5.2.2.2) auch in einer Arbeitsteilung der Autor*innen, u. a. mit einer Unterscheidung zwischen Head-Autor*innen (head writer), die den Grundplot vorgeben, und den Dialogautor*innen, Skriptredakteur*innen oder Plottern, die die Geschichte auf einzelne Szenen und Dialoge herunterbrechen (vgl. z. B. Feil 2006, S. 194; Karow 2011, S. 164 f.). Die Verantwortung für die audiovisuelle Umsetzung des Buchs wiederum liegt bei den Regisseur*innen. In der fiktionalen Produktion sind sie für die konkrete Planung des Drehs, der spezifischen Aufnahmen,
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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die Inszenierung und die technische Umsetzung zuständig und begleiten zudem die Postproduktion (vgl. Stein und Schulz 2002, S. 21). Insbesondere in der Filmproduktion wird ihnen hohe gestalterische Autonomie zugesprochen. Der*die Regisseur*in gilt hier daher auch als „Chef der ‚Kunst‘“ (Bonhoeffer 2010, S. 22), d. h. als Chef*in der künstlerischen Komponente des künstlerisch-ökonomischen Gutes Film, wenngleich die inhaltliche Gestaltung insgesamt vielmehr einem gleichberechtigten, kreativen Dreieck aus Produzent*in/Producer*in, Autor*in und Regisseur*in zugeordnet wird (vgl. Bloore 2013, S. 70; auch Pardo 2010, S. 14). Die zentrale Bedeutung der Aufgabenbereiche, die idealtypisch in diesen drei genannten Positionen der Filmproduktion abgebildet sind, ist auf die Fernsehproduktion übertragbar. Konkrete Konstellationen variieren dabei einerseits im Vergleich des deutschen mit dem angloamerikanischen Produktionssystem, da Autor*innen beispielsweise in den USA im Fiktionalen deutlich stärker in den Produktionsprozess eingebunden werden als in Deutschland (vgl. Graf 2010, S. 252, siehe dazu auch das Konzept des Writer’s Rooms in Abschnitt 5.2.2.2). Andererseits erweitert sich das Dreieck ggfs. durch weitere Funktionsrollen (vgl. Bloore 2013, S. 301, En. 2) oder aber wird durch andere ersetzt. Jobbeschreibungen wie auch die Arbeitsteilung variieren je nach Sendungsgenre und -gattung (vgl. Tunstall 2001b, S. 199). Im nonfiktionalen Bereich ist die Position der Autor*innen gekoppelt an jene der Producer*innen, Redakteur*innen und/oder Realisator*innen. Letztere gestalten spezifische Sendungselemente nonfiktionaler Produktion filmisch-redaktionell und/oder verantworten während der Dreharbeiten einzelne Kamerateams (vgl. z. B. Klug 2016, S. 160, 168; Klug und Schmidt 2016, S. 95). Regisseur*innen im ursprünglichen Wortsinn kommen im Bereich nonfiktionaler Unterhaltung insbesondere für Show- und Studio-Produktionen oder visuell besonders aufwendige Drehs zum Einsatz (vgl. Graf und Luppold 2018, S. 3 f.). Diesem inhaltlich-gestalterischen Aufgabenkomplex steht „die organisatorische und ökonomische Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung des Projekts nach wirtschaftlichen Kriterien“ (Stein und Schulz 2002, S. 17) gegenüber, die verantwortlich durch den*die Produktionsleiter*in, auch line producer genannt, gewährleistet wird. Der Produktionsleitung obliegt die Kostenverantwortung und eine budgetadäquate (Voraus-)Planung, Steuerung, Organisation und Umsetzung der Produktion (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 107 f., Stein und Schulz 2002, S. 17). Sie ist damit gemeinsam mit den Producer*innen operativ für das einzelne Projekt und seine erfolgreiche Vorbereitung und Umsetzung zuständig (vgl. Fießer 2007, S. 66; Gumprecht 2002, S. 63). Ihr Fokus liegt jedoch stärker auf der finanziellen Realisierbarkeit (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 22). Damit eine Produktion gelingt,
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5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
ist eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Producer*in und Produktionsleiter*in sowie ein Verständnis für die Interessen und Absichten der jeweils anderen Seite (Gestaltungsraum vs. Budgetgrenzen) essenziell (vgl. ebd., S. 21; Iljine und Keil 2000, S. 108). Tatsächlich entfalten sich, nicht zuletzt aufgrund der Interaktionshäufigkeit, entlang dieser Kooperationslinie jedoch häufig die für die Fernsehproduktion typischen Konflikte zwischen kreativem Anspruch und wirtschaftlichen Erwägungen (vgl. dazu auch Abschnitt 5.4). Die Produktionsleitung muss ihre Tätigkeit und Leistungen schließlich gegenüber dem*der Herstellungsleiter*in verantworten: Letztere*r überwacht als „projektübergreifender Controller“ (Fießer 2007, S. 62) die Finanzierung und Kalkulationen aller laufenden Projekte und die Einhaltung des Gesamtbudgets überwacht (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 106; Stein und Schulz 2002, S. 13). Über die benannten zentralen Positionen im Netzwerk der jeweiligen Projektunternehmung hinaus, ist eine Vielzahl künstlerischer und technischer Mediendienstleister*innen, die sich handwerksbegrifflich in unterschiedliche Gewerke gruppieren, in die Produktion einer unterhaltenden Fernsehsendung involviert. Die Netzwerkstruktur gliedert sich damit entlang weiterer skalarer (d. h. auf die Hierarchie bezogener) wie auch funktionaler (d. h. auf die Aufgaben bezogener) Rollen weiter auf. Die jeweilige Zusammensetzung des Teams wie auch die Teamgröße variiert je nach Etappe des Produktionsprozesses. Das Kollektiv wächst insbesondere während der Dreharbeiten deutlich an (vgl. Karow 2011, S. 124, 145, 147 f.), da erst jetzt eine Vielzahl ausführender Gewerke zum Einsatz kommt, die nur partiell bereits in die Pre-Produktion eingebunden waren. Szenenbildner*innen steigen beispielsweise bereits im Vorfeld in die Planung und Gestaltung der Drehschauplätze ein, während Set-Dekorateur*innen erst zum Dreh Teil des Teams werden (vgl. ebd., S. 144, 148). Ebenso sind Regisseur*innen unterstützt von ihrer Regieassistenz als zentrale Figuren in der künstlerischen Gestaltung der Produktion frühzeitig in die Konzeption der visuellen Umsetzung und die Drehvorbereitung eingebunden (vgl. Gumprecht 2002, S. 48 f.; Schmidt-Matthiesen und Clevé 2010, S. 91; Stein und Schulz 2002, S. 21 f.), während Kamera, das Ton- und das Lichtteam erst mit dem Drehbeginn ihre Tätigkeit aufnehmen können (vgl. Schmidt-Matthiesen und Clevé 2010, S. 94; Stein und Schulz 2002, S. 25 ff.). Medienschaffende als Kreative: Informelle Handlungsrollen Die Profile von Medienschaffenden lassen sich nicht nur über formale Funktionszuweisungen, wie oben erfolgt, beschreiben. Eine Differenzierung informeller Handlungsrollen, die die Rolle der Kreativität in den Fokus rücken, ermöglicht es, über die formal zugewiesenen Berufsprofile hinweg zu erfassen, wer die
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
267
Medienschaffenden sind, was sie tun und wie sie es tun. Der Vorteil dieser zusätzlichen Betrachtung ist, dass die an Rollen geknüpften Erwartungen im Hinblick auf Kreativität als Gegenstand dieser Arbeit herausgestellt werden. Zudem geben diese Rollenbezeichnungen bereits Auskunft über Tätigkeitsprofile.
Tabelle 5.3 Differenzierung informeller Handlungsrollen in der populärkulturellen Produktion Projekt „ManKIP“*
Arsts
(Support, vgl. Karow 2011, S. 48, z. B. set driver)
Creave Supervisors
Lorenzen 2009, S. 130
Creaves (e.g. writers, designer, actors, directors)
Technicians ( e.g. editors, cinematographers, lighng technicians)
Managers (e.g. producers, line producers, controllers, accountants, marketers)
---
Hesmondhalgh 2013, S. 78f.**
primary creave personnel (e.g. screenwriters, directors)
technical workers
creave managers (e.g. producers)
owners and execuves
---
Pardo 2010, 15f.
Creator (e.g. writer, director, composer)
Creave (e.g. producer, director of photography, producon designer, editor)
Differenzierung dieser Arbeit
Kreave
Support (Technik / Handwerk / Administraon)
Manager*in
Manager*in*** (leitende Funkon) & Creave Supervisor
unskilled & semiskilled labour
AUSFÜHRUNG
Creave Supervisor
(Manager*in, vgl. Karow 2011, S. 48)
Clients (Senderredakteur*in)
SUPERVISION / MANAGEMENT
* = Management kreativitätsintensiver Prozesse, vgl. z. B. Schwehm 2010, S. 31; Karow 2011, S. 45 ff. ** = das von Hesmondhalgh (2013, S. 78) benannte Marketing-Personal bleibt hier unberücksichtigt, weil der Fokus auf der medialen Produktion liegt und diese Berufsrolle seiner Beschreibung folgend quer zu den anderen verortet werden kann *** = dies trifft z. B. auf die in der Sekundäranalyse (vgl. Abschnitt 5.3.3, zur Methode vgl. Anhang I im Elektronischen Zusatzmaterial) berücksichtigten Sendervertreter*innen zu, weil es sich bei den Gesprächspartnern dort um redaktionelle Führungspersonen handelt und nicht um die in konkrete Produktionsprojekte eingebundenen Redakteur*innen Quelle: eigene Darstellung basierend auf Hesmondhalgh 2013, S. 78 f., Karow 2011, S. 48, Lorenzen 2009, S. 130, Pardo 2010, S. 15 f. und Schwehm 2010, S. 31
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Entsprechend spannen diverse Autor*innen ihre Unterscheidung von Rollen im populärkulturellen Produktionsprozess explizit, zumindest aber implizit entlang der Unterscheidung zwischen Ausführung und Management auf – mit einem Fokus des Ausführungsprozesses auf die Frage nach der kreativen Arbeitsleistung der einzelnen Person (vgl. u. a. Caves 2003; Hesmondhalgh 2013; Intintoli 1984; Karow 2011; Lorenzen 2009; Ryan 1991; Schwehm 2010). Diese Sichtweise betont ein Verständnis von Kreativität und Kreativ-Sein als unmittelbar inhaltliche Gestaltung und ist äquivalent zu der Unterscheidung unterschiedlicher Teilprozesse in der (Fernseh-)Unterhaltungsproduktion (vgl. Abschnitt 5.1.2). Die vorliegende Arbeit greift diese Rollendifferenzierungen auf, da sie dabei helfen, Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion zu identifizieren und zu verorten (vgl. Tabelle 5.3). Einen wertvollen Anknüpfungspunkt zur rollenspezifischen Identifikation von Kreativität und zur Zuweisung kreativer Leistung an bestimmte Funktionsrollen liefert Hesmondhalgh (2013, S. 77 ff.) mit seiner Kategorisierung, die er basierend auf Ryan (1991) vornimmt. Er hebt die Bedeutung des so genannten primären kreativen Personals (primary creative personnel) hervor, indem er ihre Leistung mit dem zentralen Charakteristikum kultureller Produktion (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 20 f.) verknüpft: Sie sind als „symbol creators“ (ebd., S. 5, 78) Träger*innen der das Feld in ihrem Kern auszeichnenden symbolic creativity (mehr dazu vgl. Abschnitt 5.3.1.4). Da sie Symbole schaffen, gestalten und zu einem medialen Produkt kombinieren (vgl. auch Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 114), begründen die Medienschaffenden die Kulturguteigenschaft der Medien. Nach Hesmondhalgh drückt sich dies wesentlich in der Konzeption von Ideen aus. Letzteres werde vom technisch-handwerklichen Personal (technical workers), wenngleich auch diese Medienschaffenden für ihre Arbeit zeitweise Kreativität brauchen, nicht geleistet. Über diese zentrale Berufsgruppe hinaus stützt eine Vielzahl gering bezahlter (Hilfs-)Arbeiter*innen (unskilled and semiskilled labour) das System der Produktion und Distribution kultureller Produkte. Als an der Konzeption und Entwicklung kultureller Inhalte nur begrenzt beteiligte Rolle benennt Hesmondhalgh die owners and executives. Sie sind jene „who have the power to hire and fire personnel, and set the general direction of company policy“ (Hesmondhalgh 2013, S. 79). Eine Schlüsselrolle als Brückenkopf zwischen diesen, mit weitreichenden autoritativen Ressourcen ausgestatteten Akteur*innen und jenen, die mit ihrem Handeln den zentralen Wert des Leistungserstellungsprozesses überhaupt erst begründen, sind die creative manager. Sie sind „brokers or mediators between, on the one hand, the interests of owners and executives […] and those of creative personnel“ (Hesmondhalgh 2013, S. 78). Diese Intermediärbzw. Makler-Leistung (vgl. Gebesmair und Nölleke-Przybylski 2020, S. 595), die
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
269
auf die charakteristische Trennung von Distribution und Produktion (was den typischen Kreativitäts-Kommerz-Konflikt impliziert, vgl. Abschnitt 5.4) zurückgeführt wird, ist ein Charakteristikum kultureller Produktion (vgl. DiMaggio 1977, S. 442 ff.; Fröhlich 2010b, S. 58 ff.). Karow (2011, S. 45, 48) identifiziert und benennt diese Intermediäre aus Prozessmanagement-Perspektive als creative supervisor. Er verortet sie jedoch nicht in der Arbeitskräftewirtschaft zwischen zwei trennscharf definierten Berufsgruppen (wie es beispielsweise in der oben beschriebenen Rollendifferenzierung von Hesmondhalgh der Fall ist) und/oder auf der Makroebene des Marktes (vgl. z. B. auch DiMaggio 1977), sondern im konkreten Produktionsprozess. Sie sind damit jene, die aus prozessualer Perspektive und auf Ebene des spezifischen Produktionsprojekts zwischen dem primären kreativen Personal und den Senderredakteur*innen als Kund*innen (client 10 ) vermitteln. Karow, wie auch das ManKIP-Projekt insgesamt, definiert das primäre kreative Personal über seine kreativen Fähigkeiten, mit denen es einen direkten Beitrag zur Ergebnisgenerierung leistet (vgl. Karow 2011, S. 45), bezeichnet die Medienschaffenden dieser Gruppe dabei jedoch als artists11 . Das Profil dieser Künstler*innen wird durch eine Matrix verdeutlicht, die Karow zur Rollendifferenzierung entlang der Leitungskompetenz (ausführend vs. leitend) und Kreativleistung (kreativ vs. administrativ) nutzt (vgl. Abbildung 5.2). Steht die kreative Leistung im Mittelpunkt und ist zugleich Ausgangspunkt der Unterscheidung, so lassen sich die vielfältigen technischen, handwerklichen und (nicht-leitend) administrativen Tätigkeiten als Support zusammenfassen. Dies sollte jedoch nicht den Eindruck einer Hierarchisierung erwecken, wenngleich 10
Karow vermischt formale und informelle Rollendifferenzierungen, wenn er einmal von den Artists, Creative Supervisors und Clients als zentralen Akteur*innen des kreativitätsintensiven Prozesses spricht, mit seiner Matrix (vgl. Abbildung 5.2) dann aber wiederum auf situative Rollen verweist. Trotzdem stellen seine Ausführungen richtigerweise heraus, wie wichtig die Senderredakteur*innen im spezifischen Leistungserstellungsprozess sind (vgl. oben). In anderen Rollendifferenzierungen bleiben die Senderredakteur*innen häufig unberücksichtigt, wenngleich dies auch mit den tatsächlichen Unterschieden zwischen Produktionspraktiken in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum und jenen im angloamerikanischen Raum zu tun haben kann. 11 Die Bezeichnung „Künstler*in“ als Rollenbegriff wird hier bewusst nicht gewählt, um – ähnlich wie auch Hesmondhalgh (2013, S. 6) argumentiert – die verbreiteten Assoziationen des Künstler*innenbegriffs mit Genie und göttlicher Inspiration zu vermeiden. Trotz allem sollen die Begriffe „Künstler*in“ bzw. „künstlerisch“ deswegen nicht gänzlich vermieden werden und spielen eine Rolle, weil und wenn die Medienschaffenden selbst sie als Charakteristikum ihrer Tätigkeit und Teil ihres Selbstverständnisses benennen (vgl. z. B. Pardo 2010, S. 9). Darüber hinaus dient der Begriff häufig dazu, die zwei Seiten bzw. Logiken, die im Feld wirken, zu charakterisieren (vgl. Abschnitt 5.4).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
die Bezeichnung einer Person als kreativ Arbeitender in Abgrenzung zum nichtkreativen Personal in der Branche durchaus mit einer Wertung assoziiert sein kann (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 79). Fakt ist jedoch: Kreative Gestaltung allein reicht für die Erstellung eines Medienprodukts nicht aus (vgl. Abschnitte 5.1.1 und 5.4). Abbildung 5.2 Rollen im kreativitätsintensiven Prozess
Quelle: Karow 2011, S. 48
Gerade weil die der Matrix zugrundeliegende Sichtweise vom Geschäftsprozessmanagement abgeleitet ist und daher auf den Ablauf des Produktionsprozesses auf Mikroebene fokussiert, betont sie ein Verständnis der dargestellten vier Rollen als Berufsprofil übergreifende Beschreibungen. Genauer gesagt liegen diese Beschreibungen nicht ober-, sondern unterhalb der Ebene des Berufsprofils, weil sie an einzelne Tätigkeiten und Aufgaben oder gar Handlungen andocken. Sicherlich ist es möglich und sinnvoll, bestimmten Medienschaffenden mit bestimmten formalen Funktionsrollen auch entsprechende informelle Handlungsrollen zuzuweisen – basierend auf ihrer Haupttätigkeit, d. h. jener Rolle, die sie primär übernehmen. Idealtypische Rollenzuweisungen dienen der Orientierung. So ist es beispielsweise auch in der Sekundäranalyse (vgl. Abschnitt 5.3.3) erfolgt, um einen möglichen Einfluss der Rolle auf die Kreativitätsdefinition zu ermitteln. Dennoch ist es, wenn man den Blick auf den spezifischen Produktionsprozess richtet, angemessen, stets auch von einem potenziellen Rollenwechsel und Rollenpluralismus auszugehen, wie er sich auch in einem pluralen Rollenselbstverständnis ausdrückt (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Je nach Tätigkeit kann ein*e Medienschaffende*r beispielsweise von der Rolle des*der Kreativen in jene des Creative Supervisors wechseln (vgl. Karow 2011, S. 47 f.; vgl. auch Abschnitt 5.3.3.4). Wie stark jemand welche Rolle ausfüllt und übernimmt, hängt auch von der Produktionskultur und vom Genre ab: Cowan (2012) beschreibt,
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
271
dass die Tätigkeit eines Kameramanns bzw. einer Kamerafrau in einzelnen Filmproduktionen in einem Co-Authorship münden kann, welches auf eine kreativgestalterische Leistung verweist. Damit verwischt situativ die Grenze zwischen technischem Support und Kreation. Äquivalent geht auch diese Arbeit davon aus, dass eine Person über unterschiedliche Praktiken unterschiedliche Rollen ausfüllen kann. So wie Jarzabkowski et al. (2007, S. 12) argumentieren, dass einzelne Unternehmensmitarbeiter*innen jenseits der formalen Stellendefinition zu Strateg*innen werden, wenn sie strategisch relevante Praktiken ausüben, geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass jemand dann ein*e Kreative*r ist, wenn er*sie kreative Praktiken ausübt. Vor dem Hintergrund dieser Argumentation ist auch Lorenzens (2009, S. 130) Unterscheidung (vgl. Tabelle 5.3) zu restriktiv, weil sie die formalen Berufsrollen strikt an die informellen Handlungsrollen zu koppeln scheint. Legt man sie jedoch quer zur formalen Rollendifferenzierung an, benennt sie schematisch die Kernarbeitsleistung der Fernsehunterhaltungsproduktion. Ein*e Producer*in, der*die im Sinne der deutschsprachigen Begriffsverwendung als Koordinator*in des einzelnen Produktionsprojekts (siehe oben; vgl. Abbildung 5.1) die spezifischen Produktionspraktiken eines Projekts als Knotenpunkt orchestriert, ist entsprechend der Idee des Rollenpluralismus nicht eindeutig einer der aufgeführten Handlungsrollen zuzuordnen. Im Kern ist seine*ihre Rolle sicher die eines Creative Supervisors. Die Grenzen seiner*ihrer koordinativen Leistungen hin zur Rolle der Manager*in sind dabei fließend. Darüber hinaus nehmen Producer*innen gerade in der nonfiktionalen Produktion, wo sie ggfs. auch Autor*innen sind, aber auch in der fiktionalen Produktion, in der sie u. a. in Drehbuchentscheidungen eingebunden ist, situativ auch die Rolle der Kreativen ein – schon allein, um mit den Kreativen angemessen interagieren zu können (vgl. Pardo 2010, S. 9 f.). Schaut man auf die einzelnen Produktionspraktiken, handelt es sich bei der genannten Funktionsdifferenzierung folglich (auch) um Situationsrollen. Statt solch eine situative Rollenzuweisung anzunehmen, unterscheidet Pardo zwischen Kreation und Kreativität und darüber zwischen Kreierenden (creator) und Kreativen (creative), um die „creation ex nihilo“ (Pardo 2010, S. 15) durch Autor*innen, Regisseur*innen, Komponist*innen u. a. von den Leistungen „that substantially improve this creation“ (ebd.) abzugrenzen. Mit dieser Verbesserung meint er die Erweiterung oder auch Umsetzung dieser Kreationen. Er bezieht sie folglich auf jene Personen, die in der Rollendifferenzierung dieser Arbeit als Support und Creative Supervisor benannt werden (vgl. ebd., S. 15 f.). Seine Unterscheidung wird an dieser Stelle nicht übernommen, wenngleich adaptiert: Über den Begriff der Kreation und des Kreierens lässt sich angemessen der direkte Beitrag zur inhaltlich-ästhetischen Produktgestaltung im Sinne einer Entscheidungskompetenz für letztere erfassen. Die Begriffe zur Unterscheidung
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
von Rollen, die die vorliegende Arbeit aufbauend auf den skizzierten Rollendifferenzierungen in den Fokus rückt, sind jene ders Kreativen, der Creative Supervisor und der Manager*innen. Explizit wird diese Unterscheidung auch auf Senderredakteur*innen angewandt. Die Support-Rolle spielt in der Betrachtung eine nachgeordnete Rolle, da sie sicherlich nicht ausschließlich, aber vorrangig den technischen und künstlerischen Mediendienstleister*innen zugeordnet wird. Diese leisten punktuell Kreatives, verfügen jedoch kaum über gestalterische Entscheidungskompetenz. Insgesamt erfolgt die Zuweisung einer Handlungsrolle zu einem*einer Medienschaffenden immer unter der Prämisse, dass sie nur situativ Geltung hat und/oder sich auf die Haupttätigkeit, nicht aber auf jegliche Tätigkeit der Person bezieht.
5.3.1.2 Selbstverständnis zwischen Geschäftssinn und Kreativität Die Erwartungen, die an spezifische Rollen geknüpft sind, schlagen sich nur dann im Handeln der Medienschaffenden nieder, wenn sie diesen Erwartungen auch selbst folgen und entsprechen möchten: Im Rollenselbstverständnis spiegeln sich die Normen der beruflichen Tätigkeit, die die Medienschaffenden selbst anlegen (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 98). Dies bedeutet nicht, dass das Selbstverständnis mit ihrer tatsächlichen Tätigkeit gleichzusetzen wäre; in jedem Fall aber steht es für die Reflexion der eigenen Tätigkeit (vgl. ebd., S. 98 ff.) und ist Teil der beruflichen Identität (vgl. Alvesson und Willmott 2002, S. 626). Damit hat das Selbstverständnis einen mittelbaren Einfluss auf die Arbeitsweise der Medienschaffenden und damit auch auf das Produkt: Die Fragen, wer eine Person ist und wie sie handelt, sind aneinander gekoppelt (vgl. Jarzabkowski et al. 2007, S. 12 mit Verweis auf Beech und Johnson 2005). Kreativität als Teil des Rollenselbstbildes eines*einer Medienschaffenden ist ein Hinweis darauf, dass diese Person auch über kreative Selbstwirksamkeit verfügt (vgl. Abschnitt 4.1.2). Äquivalent zur Annahme, dass Journalist*innen den publizistischen (gegenüber dem ökonomischen) Wettbewerb wahren, sofern sie sich von publizistischen Normen und Zielen leiten lassen (vgl. Heinrich 2010b, S. 87), ist davon auszugehen, dass Medienschaffende einen kreativen, d. h. inhaltlichen Wettbewerb – im Kontext der feldspezifischen Bedingungen – befördern können, sofern sie diesen Wettbewerb als eine Triebfeder ihrer Arbeit identifizieren (vgl. auch die Argumentation zur Rolle der Intuition gegenüber ökonomischen Parametern in Abschnitt 5.2.2). Umgekehrt wirken der Tätigkeitskontext und die jeweiligen Produktionsbedingungen auf das Selbstverständnis zurück (vgl. von Rimscha und Siegert 2010, S. 392). Dieser Argumentation folgend zeigt die Rolle, die Kreativität im Selbstverständnis der Medienschaffenden einnimmt, inwieweit sie auch eine handlungsanleitende
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
273
Funktion übernehmen kann. Die in den bisherigen Kapiteln bereits herausgearbeitet kreative Rhetorik in der Produktionspraxis und in der Erforschung dieser Medienpraxis weist ja darauf hin, dass Kreativität im Selbstbild der Branche tatsächlich eine wichtige Rolle spielt. Debatten zum Profil und Selbstbild der Medienschaffenden siedeln sich entsprechend um die Frage an, ob sich diese denn nun vom Geschäfts-, einem Kreativitätssinn oder doch von beidem leiten lassen (vgl. z. B. Pardo 2010; von Rimscha und Siegert 2010; 2011; Zoellner 2013; vgl. auch Abschnitt 5.4) – wenngleich die Facetten des Selbstverständnisses über diese beiden Dimensionen hinausreichen. Bisherige Studien, die sich selten ausführlich, immer wieder aber am Rande mit dem Selbstverständnis der Medienschaffenden beschäftigen, zeigen, dass das spezifische Tätigkeitsprofil, der Werdegang und die Persönlichkeit, aber auch der organisationale Tätigkeitskontext und im Besonderen das Verhältnis von Selbstund Fremdzuschreibungen unterschiedliche Dimensionen des Rollenselbstverständnisses im Feld prägen. Ob sich jemand als kreativ versteht und inwieweit überhaupt der Raum besteht, dieses Selbstverständnis auch in die Praxis umzusetzen, d. h. inwieweit ein Medienschaffender Raum für kreative Autonomie (vgl. Ausführungen unten) wahrnimmt, hängt dabei auch sehr stark von der Beziehung zum Sender ab. Die Entscheidungsgewalt der Senderredakteur*innen kann mit den persönlichen Zielen und dem persönlichen Anspruch einzelner Medienschaffender kollidieren. Zugleich ist die Arbeit, da es um Symbolgenerierung geht, immer auch eine sehr persönliche Angelegenheit. Inter- und Intrarollenkonflikte, aber auch Identitätskonflikte sind die mögliche Folge. Identität und Rolle sind dabei als gekoppelt zu verstehen, aber nicht gleichzusetzen, weil die Identität im Gegensatz zur Rolle von einer persönlichen Bedeutung durchtränkt ist (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 783). Eine Bewältigung dieser Konflikte und im Spezifischen auch die Identitätsarbeit sind demnach für populärkulturelle Produktionskontexte von besonderer Relevanz. Die folgenden Ausführungen werfen einen genaueren Blick auf die hier benannten Aspekte. In den Fokus rücken die Dimensionen des feldspezifischen Selbstverständnisses und, daran anknüpfend, Facetten des Identitätsmanagements im Feld. Rollenselbstverständnis und Typologien von Medienschaffenden Eine differenzierte Untersuchung des feldspezifischen Rollenselbstverständnisses, die sowohl Film- und Fernsehproduzent*innen als auch Sendervertreter*innen (als zentrale Auftraggeber*innen) in den Blick nimmt, liefern von Rimscha und Siegert (2010; 2011). Die Autor*innen fokussieren damit auf die zentralen Knotenpunkte im Produktionsnetzwerk (vgl. Abbildung 5.1) und stellen der Annahme folgend, dass Unterhaltungsproduzent*innen und Sendervertreter*innen jeweils
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
unterschiedlichen Zwängen unterstehen, das Selbstverständnis und die Tätigkeitsprofile der beiden Akteur*innengruppen einander gegenüber. In einer breiten Definition des Produzent*innenbegriffs gehören auch Producer*innen und Herstellungsleiter*innen zum Produzent*innensample (vgl. von Rimscha und Siegert 2010, S. 393). Das Rollenselbstverständnis haben die Autor*innen basierend auf der Journalist*innenstudie von Marr et al. (2001) in elf Items, d. h. elf unterschiedliche Berufsrollen, zerlegt (vgl. von Rimscha und Siegert 2011, S. 1016 f.). Entsprechend der Kreativitätsrhetorik des Feldes haben die Autor*innen dabei drei der übernommenen Selbstverständnis-Items durch die Dimension der kreativen Orientierung ersetzt. Mit der Ergänzung der drei Items Kreative*r, Künstler*in und Original soll die Operationalisierung „den Spezifika der Unterhaltungsproduktion gerecht […] werden“ (von Rimscha und Siegert 2010, S. 394). Tatsächlich trafen diese Items sowohl in der Befragung der Produzent*innen (N = 153) als auch in den Interviews mit den Sendervertreter*innen (N = 30) auf breite Zustimmung. Alle drei Items gehören zu den von beiden Gruppen benannten fünf wichtigsten Rollen (vgl. Tabelle 5.4). Einigkeit in der Rollenhierarchisierung besteht zwischen den beiden Gruppen auch im Hinblick auf die Rolle des*der kostenbewussten Unternehmers*Unternehmerin und jene des*der Analytikers*Analytikerin, welche die Befragten – so die schlüssige Interpretation der Autor*innen (vgl. von Rimscha und Siegert 2010, S. 395, 2011, S. 1018) – nicht auf Medieninhalte (und die Art ihrer Erstellung), sondern auf Geschäftsprozesse beziehen. Daher weisen die Autor*innen auch in ihrer Schlussfolgerung auf die Bedeutung der kreativen Orientierung nebst einem – vorrangig für die Produzent*innen – hervorstechenden unternehmerischen Selbstverständnis hin (vgl. von Rimscha und Siegert 2010, S. 396, 2011, S. 1022). Die in Tabelle 5.4 gelisteten Items haben die Autor*innen über Faktorenanalysen interpretiert. In den vier Selbstverständnis-Dimensionen der Produzent*innen, die sie auf Basis der Zustimmungswerte der berücksichtigten Items – für die Analysen mussten einzelne Werte ausgeschlossen werden (vgl. von Rimscha und Siegert 2011, S. 1017 ff.) – ermittelten, stachen für die befragten Produzent*innen zwei klare und auch äußerst relevante Dimensionen (unternehmerische Orientierung & Kreativorientierung) heraus (vgl. Abbildung 5.3). Für das kleinere Sendersample ließ sich dies nicht ermitteln. Interessanterweise erschien die Gemeinwohlorientierung für beide Gruppen insgesamt eher weniger wichtig. Anders sieht dies jedoch aus, wenn die Dimensionen zusammen mit anderen Variablen, d. h. dem Umfang bestimmter Tätigkeiten, dem Tätigkeitsfeld und demographischen Variablen, über eine Clusteranalyse für bestimmte Produzent*innen- und Sendervertreter*innencluster spezifiziert werden, wie es
…komplexe Situationen präzise analysieren …ein kulturelles Gut produzieren, dass die 3,40 (4) Zeit überdauert …neue Trends aufzeigen und neue Ideen vermitteln …ein nachgefragtes Produkt effizient und profitabel verkaufen …komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln …ungewünschte Entwicklungen und Missstände in der Gesellschaft kritisieren
…neutral die Realität, wie sie ist, darstellen 2,51 (9)
Analyst*in
Künstler*in
Original
Vermarkter*in
Vermittler*in
Kritiker*in
Neutrale*r Berichterstatter*in
2,56 (8)
2,64 (7)
3,07 (6)
3,39 (5)
3,40 (3)
3,75 (2)
…mich selbst und meine Ideen verwirklichen
Kreative*r
4,48 (1)
Produzent*innen (N = 153)
Ich möchte… …ein kostenbewusster Unternehmer sein, der die höchste Qualität mit bestehenden Budgets erreicht
Zustimmungswerte***
Operationalisierung**
Kostenbewusste Unternehmer*in
Rolle
2,93 (6)
2,83 (8)
2,62 (10)
2,84 (7)
4,07 (1)
3,14 (5)
3,55 (3)
3,48 (4)
3,90 (2)
(Fortsetzung)
Sendervertreter*innen (N = 30)
Tabelle 5.4 Operationalisierung und von Produzent*innen und Sendern bewertete Wichtigkeit der Berufsrollen
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input 275
dem Englischen übersetzt durch Verfasserin von 1 – gar nicht wichtig bis 5 – sehr wichtig Quelle: von Rimscha und Siegert 2010, S. 394, 2011, S. 1017 f.
*** Skala
2,82 (9)
2,27 (11)
Sendervertreter*innen (N = 30)
5
** aus
…als Anwalt für die sozial Schwachen und 2,29 (11) Benachteiligten wirken
Anwalt*Anwältin
2,34 (10)
Produzent*innen (N = 153)
Ich möchte… …eine vorteilhafte Werbeumgebung schaffen, um Zielgruppen zu verkaufen
Zustimmungswerte***
Operationalisierung**
Zielgruppenverkäufer*in
Rolle
Tabelle 5.4 (Fortsetzung)
276 Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
277
Quelle: von Rimscha und Siegert 2010, S. 397
Abbildung 5.3 Dimensionen des Rollenselbstverständnisses von Film- und Fernsehproduzent*innen und Wichtigkeit der Berufsrollen in der Selbstwahrnehmung
die Studienautor*innen getan haben. Die Erhebung der spezifischen Tätigkeiten für sich zeigt bereits die Vielfalt der Aufgaben und die Bedeutung von sowohl kreativen als auch administrativ-ökonomischen Überlegungen im Berufsfeld der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Tabelle 5.5). Die Synthese dieser Tätigkeiten mit dem Profil und Selbstverständnis in der Clusteranalyse belegt zudem für beide Gruppen, wie sehr Selbstverständnis- und Tätigkeitsprofile von Medienschaffenden einander bedingen (vgl. dazu ausführlicher Tabelle 5.6 unten). Je nach Tätigkeitskontext, d. h. abhängig von der Programmgattung und davon, ob die Medienschaffenden für private oder Public Service12 -Produktionen arbeiten, variieren die Aufgaben und das Gewicht der unterschiedlichen Dimensionen des Rollenselbstverständnisses. Die Berechnungen zeigen, dass Kreativität in sowohl Selbstverständnis als auch Tätigkeitsprofil eine spezifische Produzent*innen-Gruppe (die Kreativen, vgl. Tabelle 5.6) von anderen abgrenzt (vgl. von Rimscha und Siegert 2010, 12
Mit Bezug auf die Studie von von Rimscha und Siegert (2011) ist – die Sprache der Autor*innen übernehmend – hier die Rede von Public Service-Sendern und nicht von öffentlich-rechtlichen Sendern, da ihre Studie den gesamten deutschsprachigen Raum in den Blick nimmt, und während die Sender mit Public Service-Auftrag in Deutschland und Österreich tatsächlich korrekt rechtlich als öffentlich-rechtliche Sender bezeichnet werden, ist der Public Service-Rundfunk in der Schweiz privatwirtschaftlich organisiert, jedoch mit öffentlichem Auftrag (vgl. Künzler 2013, S. 112; Schwarzenbach 2006, S. 21).
278
5
Tabelle 5.5 Tätigkeiten von Produzent*innen – Anteil, den die genannten Tätigkeiten nach eigener Einschätzung einnehmen
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Tätigkeit
∅ Anteil
σ
Planung und Einhaltung des Budgets
4.24
1.03
Teamführung
4.17
1.02
Kreative Überlegungen
4.12
1.16
Durchführung der Produktion
3.47
1.29
Administration
3.45
1.07
Organisation der Produktion
3.28
1.16
Vertrieb
2.99
1.48
Technische Tätigkeiten
1.85
1.13
Quelle: von Rimscha und Siegert 2010, S. 398; Skala von 1 (gar keine) bis 5 (sehr großen), N = 153 Für die Senderredakteur*innen liegt keine tabellarische Aufschlüsselung der Aufgaben und ihres Anteils an der Gesamttätigkeit vor, was wohl der Art der Erhebung – die Senderredakteur*innen wurden qualitativ interviewt und nicht standardisiert befragt – geschuldet ist. Auskunft zur Art dominierender Tätigkeiten geben nur die zusammenfassenden Angaben der Studienautor*innen (vgl. dazu Tabelle 5.6).
S. 399, 2011, S. 1020). Dabei ist Kreativität entsprechend der Operationalisierung in der Studie eng gekoppelt an eine künstlerische Leistung, an das Kreieren eines künstlerischen Produktes. Dieses Ergebnis betont und bestätigt, dass inhaltliche Produktentwicklung und -gestaltung im Kern als kreative Tätigkeit und Werk von Kreativen wahrgenommen wird. Wer in der Produktkreation tätig ist, versteht sich als Kreative*r (vgl. auch Pardo 2010, S. 7 f.). Zugleich zeigen die Ergebnisse, dass ein kreatives Selbstverständnis über unterschiedliche Tätigkeiten hinweg anwendbar ist. Für Vertreter*innen von Public Service-Sendern trägt es augenscheinlich zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe bei; Vermarktung und Zielgruppenverkauf hat ebenfalls etwas mit Kreativität zu tun (vgl. von Rimscha und Siegert 2011, S. 1017, 1019). Die Studie gibt damit Hinweise darauf, wie sehr Kreativität tatsächlich Produktionseigenschaften beschreibt, die das Feld der Unterhaltungsproduktion spezifisch charakterisiert. Zugleich deutet sich an, wie sehr das feldspezifische „professional ethos with creativity at the center“ (ebd., S. 1022) auch Kreativität im Sinne eines Allgemeinplatzes der Branche jenseits kreativer Praktiken implizieren kann. Grundsätzlich stellen die Autor*innen ihre Ergebnisse der Annahme gegenüber, dass der Orientierungshorizont, der das Feld der Unterhaltungsproduktion definiert, wie von Altmeppen (2008, S. 31 f., 40 f.) konzeptualisiert, der Markt
Programmeinkäufer*innen • 42 % der befragten Senderredakteur*innen • Tätigkeiten: größter Tätigkeitsanteil liegt in den Bereichen Planung und Budget-Kontrolle • Selbstverständnis: Marktorientierung über dem Durchschnitt • Tätigkeitsfeld: vorrangig in Einkaufsabteilungen der Sender und in Privatsendern tätig • Werdegang & Demographie: vor allem Männer Show-Manager*innen • 32 % der befragten Senderredakteur*innen • Tätigkeiten: Fokus auf Koordinations- Organisations- und Teamleitungsaufgaben sowie Marketing und technische Tätigkeiten • Selbstverständnis: professionelle Orientierung sticht hervor; aber auch Markt- und Gemeinwohlorientierung vertreten • Tätigkeitsfeld: vorrangig in nonfiktionalen Abteilungen; insbesondere bei kommerziellen Sendern
Kreative
• 26 % der Produzent*innen • Tätigkeiten: vorrangig kreative Überlegungen • Selbstverständnis: kreative Orientierung allein sticht heraus; keine Einheit von Kreativität und Management erkennbar • Tätigkeitsfeld: arbeiten eher für das Kino und für kommerzielles Fernsehen • Werdegang & Demographie: stehen eher am Anfang ihrer Karriere; niedrige Hierarchiestufe; vor allem Frauen
Marketers
• 32 % der Produzent*innen • Tätigkeiten: breites Tätigkeitsspektrum; auch kreative Überlegungen, aber großer Anteil budgetbezogener Tätigkeiten und Vertrieb • Selbstverständnis: Marktorientierung dominiert • Tätigkeitsfeld: insbesondere bei kommerziellen Sendern; häufig für nonfiktionale Produktionen • Werdegang & Demographie: Berufserfahrung unterdurchschnittlich, aber überdurchschnittliche Hierarchiestufe; Frauen leicht überrepräsentiert
(Fortsetzung)
Senderredakteur*innentypen
Produzent*innentypen
Tabelle 5.6 Typen von Produzent*innen und Sendervertreter*innen
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input 279
Redakteurs-Produzent*innen • 25 % der befragten Senderredakteur*innen • Tätigkeiten: divers; Finanzkontroll-, Führungs- und Administrationsaufgaben und insbesondere kreative Überlegungen hervorgehoben • Selbstverständnis: die Gemeinwohlorientierung sticht im Vergleich der Cluster heraus • Tätigkeitsfeld: insbesondere bei Fiction-Abteilungen von Public Service-Sendern • Werdegang & Demographie: Frauen überrepräsentiert
Routiniers
• 42 % der Produzent*innen • Tätigkeiten: breites Tätigkeitsspektrum – mit zwei Lücken: kreative Überlegungen und Vertrieb • Selbstverständnis: Gemeinwohlorientierung • Tätigkeitsfeld: insbesondere bei Public Service-Sendern; häufig Kino und nonfiktional • Werdegang & Demographie: höchste Berufserfahrung und höchste Hierarchiestufe; vor allem Männer
5
Quelle: eigene Darstellung basierend auf von Rimscha und Siegert 2010, S. 399 ff., 2011, S. 1020 f.
Senderredakteur*innentypen
Produzent*innentypen
Tabelle 5.6 (Fortsetzung)
280 Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
281
sei – im Gegensatz zur Gesellschaftsorientierung des Journalismus. Diese Annahme strikter Marktorientierung relativieren sie: Das unternehmerische Selbstverständnis der Produzent*innen sei darauf zurückzuführen, dass sie projektbasiert und selbstständig arbeiteten; die Sendervertreter*innen zeichneten sich wiederum eher durch eine professionelle und gemeinwohlorientierte denn eine ökonomische Orientierung aus (vgl. von Rimscha und Siegert 2011, S. 1019). Tatsächlich zeigen die Ergebnisse die Diversität und Pluralität bestehender Rollenselbstverständnisse (vgl. Tabelle 5.6) und dass sich die Akteur*innen selbst in ihrem Handeln nicht (vorrangig) von ökonomischen Erwägungen leiten lassen. Dies wird in dieser Arbeit jedoch nicht, wie es die Autor*innen feststellen (vgl. von Rimscha und Siegert 2010, S. 401; 2011, S. 1014, 1021), als eine Widerlegung bzw. Einschränkung der Marktorientierung des Feldes gewertet, sondern eher als eine Ergänzung und Ausdifferenzierung. Diese Sichtweise gründet in der Unterscheidung der Begriffe Orientierungshorizont und Selbstverständnis, die in der beschriebenen Selbstverständnisstudie unscharf bleibt. Der Begriff der Orientierungshorizonte entstammt Schimanks (vgl. z. B. 1996, S. 243 ff.) Mehrebenenmodell der Gesellschaft (vgl. auch Neuberger 2004, S. 290 f.) und bezieht sich ursprünglich auf die Ebene des Teilsystems. Altmeppen et al. (2010, S. 23) sprechen strukturationstheoretisch von organisationalen Handlungsfeldern, praxistheoretisch ließe sich vom Orientierungshorizont des Praxisfeldes sprechen. Innerhalb des Orientierungshorizontes definieren die Organisationen ihre (weiteren) Ziele unterschiedlich (vgl. Altmeppen 2006, S. 26). Das Selbstverständnis wiederum ist eine Eigenschaft des Individuums. Damit wären Erkenntnisse und Annahmen zu Orientierungshorizonten (Makro-/Mesoebene) und Rollenselbstverständnissen (Mikroebene) auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt und damit miteinander vereinbar. Tatsächlich klammert die kreative Sichtweise ein ressourcenorientiertes Handeln ein. Ressourcenorientiert heißt: Das Handeln erfolgt entlang der gegebenen finanziellen und zeitlichen Mittel, die der Sender und auch die Produzent*innen (im Sinne der Geschäftsführenden) gewinnbringend zu kalkulieren bemüht sind. Gutes kreatives Personal – wie es Intintoli (1984, S. 142 f.) beispielhaft für eine*n Regisseur*in in der Doku-Soap-Produktion skizziert – zeichnet sich dadurch aus, dass es seine Kreativität im Rahmen bestehender Produktionsbedingungen auslebt und zugleich in diese einpasst. Die Profitorientierung der Sender trifft die Produzent*innen mittelbar (vgl. Zabel 2009, S. 383). Auch die Produzent*innen selbst wollen bzw. müssen profitorientiert arbeiten und folgen damit unmittelbar der Zielgröße „ökonomischer Erfolg“. Mittelbar wirkt sich diese Zielorientierung wiederum auf die weiteren Akteur*innen aus. Diese Wirkungskette – die einer praxistheoretischen Sichtweise folgend selbstredend nicht deterministisch
282
5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
verstanden werden darf – ließe sich mit Blick auf die als eigene Unternehmen agierenden Freischaffenden (wie es ja auch die oben identifizierte unternehmerische Orientierung zeigt) übertragen. Sie wollen ihren Unterhalt sichern und fügen sich damit den ökonomischen Strukturen; richten ihr Handeln selbst auf ökonomischen Profit aus (vgl. auch Eikhof und Haunschild 2007) und leben ihr kreatives Selbstverständnis ggfs. in weniger gewinnbringenden Projekten aus (vgl. Abschnitt 5.3.1.3). Insbesondere die industrielle Serienproduktion ist aufgrund ihrer Frequenz (vgl. Abschnitt 5.2.2.2) für die Medienschaffenden wichtig zur Existenzsicherung (vgl. Hesmondhalgh 2002, S. 72). Dass sich folglich die Selbstverständnisse um den Begriff der Kreativität ranken, ist ebenso folgerichtig anzunehmen wie auch das Postulat der Marktorientierung als höchstem Orientierungshorizont. Die obigen Ausführungen bedeuten natürlich keineswegs, dass eine kreative und ökonomische Denke gleichermaßen jede*n einzelne*n Medienschaffende*n prägen. Die Persönlichkeit, Funktion und die spezifischen Aufgaben einer Person beeinflussen, inwieweit sie Ziele, Erfolge und Risiken des Produktionsprozesses sowohl über kreative als auch ökonomische Aspekte definiert oder aber stärker, wenn nicht vielleicht sogar nahezu ausschließlich kreativ oder ökonomisch auffasst (vgl. Ribera und Sieber 2009, S. 71; von Rimscha 2010, S. 258). Bereits Cantor (1988) hat in ihrer Studie zu Fernsehproduzent*innen in Hollywood, die sie zu Beginn der 70er Jahre veröffentlicht und knapp 17 Jahre später aktualisiert hat, aufgezeigt, wie sehr sich Werdegang und persönliche Bestrebungen zu bestimmten Typen von Produzent*innen zusammenfügen (vgl. Cantor 1988, S. 74 f.; 2001, S. 187 f.). Interessant ist dabei, wie Cantor (2001, S. 187 f.) jeweils die Beziehung dieser Produzent*innen zu den Senderverantwortlichen beschreibt. Jene Produzent*innen, die sachlich, ökonomisch und weniger politisch argumentieren, können sich besonders erfolgreich bei Sendern durchsetzen. Darin spiegelt sich, dass Produzent*innen (und zum Teil auch Forscher*innen) die Sendervertreter*innen als jene Akteur*innen wahrnehmen, die in besondere Weise eine ökonomische (zum Nachteil der kreativen) Logik betonen bzw. betonen wollen (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 106; Zoellner 2013, S. 9 f., 2016, S. 157 f.). Die Clusteranalyse der oben beschriebenen Selbstverständnisstudie zeigt jedoch, dass dies nicht undifferenziert der Fall ist. Die in Tabelle 5.6 zusammenfassend skizzierten Typen, die von Rimscha und Siegert (2010; 2011) in ihrer Studie ermittelt haben, zeigen, dass unterschiedliche Medienschaffende auch unterschiedliche oder gar plurale Rollenselbstverständnisse betonen. Dies gilt für Produzent*innen und Sender gleichermaßen. Die Marktorientierung sticht lediglich im Selbstverständnis jener Senderredakteur*innen heraus, deren Hauptaufgaben in der Planung und Budget-Kontrolle liegen. Äquivalent ist dies auch für
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
283
Produzent*innen der Fall, die vorrangig mit budgetbezogenen Tätigkeiten betraut sind. Die Kreativen stechen, wie bereits oben beschrieben, in der Konsistenz von Tätigkeitsprofil und Rollenselbstverständnis heraus. Die Gemeinwohlorientierung spielt, wenig überraschend, für jene Medienschaffende in beiden Gruppen, die für Public Service-Sender arbeiten, eine hervorgehobene Rolle. Während die Routiniers unter den Produzent*innen jedoch offenbar wenig Raum für kreative Überlegungen sehen, machen kreative Tätigkeiten in den Augen jener Senderredakteur*innen, die von Rimscha und Siegert (2011) als produzentennah betiteln (Redakteurs-Produzent*innen; im Englischen: editor-producers), einen beachtlichen Anteil ihrer Arbeit aus. Dass vor allem Sendervertreter*innen von Public Service-Sendern meinen, Kreatives zu leisten, zeigt sich auch in Fröhlichs (2010b) Studie zur nonfiktionalen Unterhaltungsproduktion. Fröhlich hat in ihrer Studie u. a. erfragt, welche Kernkompetenzen sich die Sender und Produzent*innen gegenseitig zuweisen. Diese Kernkompetenzzuweisungen wiederum nutzte sie als Indikator dafür, welche Rolle die beiden Parteien jeweils im Produktionsprozess einnehmen. Die Kernkompetenz- und damit die Rollenzuweisung erfolgten jedoch nicht konsistent, sondern abhängig von der Marktstruktur und der traditionellen Gestaltung der Kooperation zwischen Produktionsunternehmen und Fernsehsendern. Interessanterweise zeigte sich insbesondere bei der Frage, wem die kreative Leistung, d. h. die Content-Kreations-Leistung zuzuweisen sei, Uneinigkeit. Die Produktionsunternehmen als jene Akteure, die in der Regel das kreative Personal koordinieren sowie rekrutieren (vgl. Abschnitte 3.2.3 und 3.2.4) und als jene, die die kreativen Inhalte erstellen, werden zwar häufig, aber keineswegs immer als Träger der kreativen Rolle beschrieben: „Versteht sich der Sender (bzw. sein spezifischer Vertreter) eher als kreativer Programmschaffender, erwartet er weniger kreative Eigenleistung von den Produzenten und bringt dieser weniger Vertrauen entgegen.“ (Fröhlich 2010b, S. 269)
Den Grund für diese Sichtweise einzelner Sendervertreter*innen sehen die von ihr befragten Produzent*innen in der Annahme, die Sendervertreter*innen (hier sind maßgeblich jene des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeint) glaubten irrtümlicherweise an Kreativität als ihre Einzelleistung, obwohl es sich um einen Kollektivprozess handele (vgl. ebd., S. 268). Andere Autor*innen geben ebenfalls Hinweise darauf, dass sich Senderredakteur*innen – mitunter, weil sie nie Arbeitserfahrungen in einer Produktionsfirma gesammelt haben – gleichermaßen eine Content-Kreations-Kompetenz zuweisen und insbesondere öffentlichrechtliche Sender dazu neigen, die Verantwortung und Leitungskompetenz für
284
5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
den Produktionsprozess und damit die inhaltliche Gestaltung in ihren Redaktionen statt bei den Produzent*innen anzusiedeln (vgl. Feil 2006, S. 193; Przybylski 2010, S. 171). Die mögliche Konsequenz solch einer Senderperspektive ist, dass das kreative Selbstbewusstsein der Produzent*innen eingeschränkt wird und das Selbstvertrauen in ihre Kreativität sinkt oder gar nicht erst wachsen kann (vgl. Fröhlich 2010b, S. 267 ff.). Solch eine Konstellation schränkt den Raum für kreatives Potenzial und kreative Leistungsfähigkeit erheblich ein: Wenn Sender den Produzent*innen kein Vertrauen in ihr kreatives Potenzial entgegenbringen, Produzent*innen entsprechend kein kreatives Selbstvertrauen entwickeln, bleibt die kreative Selbstwirksamkeit (vgl. Abschnitt 4.1.2) und damit auch die Chance, dass die Produzent*innen tatsächlich Kreatives leisten, auf der Strecke. Die Inkonsistenz im Fremd- und Selbstbild hinsichtlich der kreativen Rolle mündet in einer für das kreative Schaffen problematischen Konstellation: Während einige Senderredakteur*innen ihre Entscheidungsgewalt mit der Selbstwahrnehmung als entscheidende kreative Kraft im Produzent*innen-Sender-Gefüge verknüpfen, empfinden Produzent*innen diese Entscheidungsgewalt und die spezifische, aktive Einmischung der Sender in inhaltliche Entscheidungen häufig als Kreativitätseinschränkung, als „creative interference“ (Perren 2011, S. 138; vgl. auch Zoellner 2013, S. 9 f.). Ein mangelndes Vertrauen der Sender in anspruchsvolle Stoffe führe aus Perspektive der Medienschaffenden zu Kompromissen, die den Inhalt verwässern und die Produktionsqualität verringern (vgl. Graf 2010, S. 18, 46; vgl. auch Wahbe 2012, S. 186; Zoellner 2016, S. 157 f.). Ähnlich zeigen auch Hesmondhalgh und Baker (2011), dass – dies ist zumindest der Eindruck des von Seiten der Produktionsfirma eingesetzten kreativen Personals – die Einmischung des Senders dem Produkt seinen „creative edge“ (ebd., S. 101) raubt (vgl. auch Perren 2011, S. 134 f., 137 f.). Zumindest für die BBC, auf die sich ihre Untersuchung bezieht, stellen Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 102) diesen Aussagen jedoch gegenüber, dass sich mit Rationalisierungsbestrebungen in den Sendern die Position der Sendervertreter*innen verändert habe: Auch sie haben kreative Autonomie13 verloren, weil weniger Redakteur*innen mehr Produktionsunternehmen und damit eine Fülle von Projektideen bearbeiten müssten. Diese Fülle könnten sie aber nur in Rückgriff auf starre, vom Management vorgegebene Bewertungsparameter bewältigen. Wie es bereits die Unterschiede im Rollenselbstverständnis zwischen Redakteur*innen, die für unterschiedliche Medien und Mediengattungen arbeiten, gezeigt haben, handeln schließlich auch die Senderredakteur*innen im Rahmen ihres organisationalen Kontextes. Fröhlich (2010b, S. 268 f.) folgert 13
Zum Konzept der kreativen Autonomie vgl. Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 62 ff.) und die Ausführungen in Abschnitt 5.3.1.3.
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
285
daher auch, dass je nachdem, wie sich der Programmbezug vollziehe, auch die Verortung der Kreativität variiere: Es gebe potenziell so viele Zuschreibungen von kreativer Kompetenz, wie es Möglichkeiten der Produktionsorganisation gebe. Zusammenfassend zeigend die Ausführungen, dass nicht nur das Genre und das Tätigkeitsfeld, sondern auch die spezifische Art der Tätigkeit und nicht zuletzt fremde Rollenzuweisungen das Selbstverständnis prägen – und damit u. U. auch das kreative Selbstbewusstsein beeinflussen. Wenn und insofern eigene und fremde Rollenzuweisungen differieren und unterschiedliche Vorstellungen von der Arbeitsweise und vom Arbeitsinhalt aufeinandertreffen, sind Rollenkonflikte denkbar. Cantors Studie zeigt, dass je ausgeprägter das künstlerisch-idealistische Selbstverständnis und -bewusstsein der Produzent*innen, desto stärker fallen nicht nur Interrollenkonflikte mit den Sendern, die in der Regel das letzte Wort sprechen, aus; desto wahrscheinlich sind auch Intrarollenkonflikte (vgl. Cantor 2001, S. 186 ff.). Das Potenzial für diese Konflikte ist im Feld kultureller Produktion aufgrund der persönlichen Bindung der Medienschaffenden an ihr Werk grundsätzlich hoch.
5.3.1.3 Bewältigung von Identitäts- und Intrarollenkonflikten Medienschaffenden erstellen nicht irgendein Produkt, sondern eines, das als Symbolkombination Träger jener Symbole ist, die sie in Rückgriff auf ihre Sichtweisen, Vorstellungen, Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit schaffen. Die Arbeit der Medienschaffenden erfordert von ihnen ein „emotional investment“ (Tunstall 1993, S. 202). Caves (2003) hat die besondere Beziehung von kreativ Tätigen allgemein zu ihrem Werk als „art for art’s sake“ charakterisiert. Dieses Charakteristikum steht einerseits für eine bestimmte Form immaterieller Belohnung und Entlohnung, die kreativ Schaffende aus ihrer Arbeit ziehen und die sie für prekäre Beschäftigungsverhältnisse empfänglich macht (vgl. Abschnitt 5.3.2.3). Andererseits weist diese Eigenschaft darauf hin, dass Kreative besondere Vorstellungen davon haben, wie ihre Arbeit ablaufen soll (vgl. Caves 2003, S. 74). Die Konsequenzen der besonderen Beziehung zum Produkt sind (1) Konflikte zwischen Personen, d. h. Interrollenkonflikte, genauso wie (2) Konflikte innerhalb einer Person, d. h. Intrarollen- respektive Identitätskonflikte. (1) Interpersonale Konflikte haben zwei Facetten: Sie finden zwischen jenen statt, die unterschiedliche Handlungs- und Funktionsrollen (sowohl formaler als auch informeller Art) auf einem imaginären Kontinuum zwischen gestalterischem Anspruch und ökonomischen Zielen einnehmen. Zum anderen kommt es zu Konflikten, wenn Personen mit kreativen Aufgaben, aber unterschiedlichen Visionen und Vorstellungen aufeinandertreffen (vgl. Brook 2005,
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5
Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
S. 13 f.). Die Grenzen zwischen beiden Konfliktformen sind dabei fließend. Gerade der erste Fall, d. h. Konflikte zwischen unterschiedlichen Funktionsrollen, ist nicht nur typisch für die Unterhaltungsproduktion, sondern ein Stück weit auch seine Basis. Die Friktionen kanalisieren Kreativität, indem sie die (budgetären) Grenzen des Handelns beständig aushandeln (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 22; Graf 2010, S. 18; Iljine und Keil 2000, S. 107). Die Kunst darf sich nie gänzlich dem Geld unterwerfen und umgekehrt (vgl. Bonhoeffer 2010, S. 184 f.). Fernsehunterhaltungsproduktion ist in diesem Sinne eine „negotiated activity“ (Nichols-Pethick 2011, S. 154, 156 f.). Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der zentralen Bedeutung der oben beschriebenen IntermediärsRollen, allen voran in der Producer*innen-Rolle, die sich „gemeinhin im Spannungsfeld zwischen Autor, Regisseur und Darstellern auf der einen Seite, und dem unternehmerischen Interesse des Geschäftsführers bzw. Geschäftsinhabers auf der anderen“ (Iljine und Keil 2000, S. 129) bewegt. Auf diesen beiden Seiten treffen unterschiedliche Ziele aufeinander. Die Producer*innen selbst müssen ggfs. ihre eigenen Ziele mit jenen der Geschäftsführung oder Herstellungsleitung austarieren (vgl. Fießer 2007, S. 104; Iljine und Keil 2000, S. 130). Konflikte zwischen der Regie in ihrem Gestaltungsdrang und der Aufnahmeleitung als Instanz der Ablaufkontrolle sind ebenso üblich (vgl. Gumprecht 2002, S. 51) wie Konflikte zwischen Regie und Produktionsleitung (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 107). Ein Verständnis der jeweils anderen Seite ist notwendig und jene, die die ökonomische Seite vertreten, brauchen besonderes Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Kreativen (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 108). Grothe-Hammer (2015) schlüsselt auf, dass und wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Regie und Produktionsleitung in einem Machtgleichgewicht austariert. Problematischer ist mitunter der Interrollenkonflikt zwischen Produzent*innen sowie den für die Produzent*innen arbeitenden Medienschaffenden auf der einen Seite und den Sendervertreter*innen als Auftraggeber*innen auf der anderen: Statt eines Machtgleichgewichts reproduziert die Interaktion hier eher ein Machtungleichgewicht zugunsten der Sender (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 96), welches – wie oben skizziert – in der Wahrnehmung der Kreativen dazu führt, dass die Kreativität des Produkts leidet. (2) Die Konflikte zwischen Rollen mit unterschiedlichen Foki – auf die Kreativität oder aber Ökonomie der Fernsehproduktion – kann sich auf der Ebene der einzelnen Person abbilden. Insbesondere die Vermittler- und Brückenrollen, wie jene der Producer*innen, müssen, während sie zwischen z. B. Produktionsleitung und Regie vermitteln, ggfs. selbst auch einen persönlichen
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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Konflikt zwischen den beiden simultan bedeutsamen Rollenselbstverständnissen des kostenbewussten Unternehmertums und des Kreativseins austarieren. Mayer spricht davon, wie der ganze Berufsstand „between acting as an artist and acting as an assembly-line worker“ (Mayer 2011, S. 32 f.) oszilliert. Das von Forschenden aufgespannte Spannungsfeld zwischen Kreativität und Kommerz (vgl. auch Abschnitt 5.4) sehen Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 81) gar auf der Ebene der kreativen Autonomie abgebildet. Kreative Autonomie verfügt demnach über zwei Facetten: Sie setzt sich zusammen aus einer ästhetischen Autonomie, die sich bezieht auf die Möglichkeit, ein noch nie dagewesenes Kunstwerk zu gestalten (vgl. ebd., S. 62), und aus einer professionellen Autonomie, die weniger für künstlerische Freiheit, denn für Unabhängigkeit in der Dissemination interpretativen Wissens steht (vgl. ebd., S. 66). Beide Autonomien sind je nach Berufsprofil, Funktionsrolle und Persönlichkeit unterschiedlich stark ausgeprägt – beispielsweise sei journalistische Autonomie vorrangig mit professioneller Autonomie assoziiert (vgl. ebd.). Anknüpfend an diese Formen der Autonomie, vielleicht sogar eher quer dazu, liegen intrapersonale Konflikte, die sich aus einer Dissonanz von persönlichen Werten und den Werten, die von dem zu produzierenden Produkt transportiert werden, ergeben. Wie mit Blick auf die Entstehung von Hybridgenres (vgl. Abschnitt 5.2.1) bereits angesprochen, müssen sich die Medienschaffenden zuweilen in einem Aushandlungsprozess zu ihrem Produkt (neu) positionieren. Dies liegt daran, dass spezifische Genres einhergehen mit „particular sets of values, meanings and behaviours“ (Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 14; vgl. auch Born 2000, S. 423). Identitätskonflikte können erwachsen, wenn diese Wertesets nicht den persönlichen Wertesets entsprechen. Wenngleich es so scheint, als wäre die Unterhaltungsproduktion durchzogen von einem „clash between what a person thinks the production organization should be creating and what it actually is creating“ (Turow 1997, S. 202), sind diese Identitätskonflikte nicht notwendigerweise unauflösbar. Bereits Cantor wunderte sich über die von ihr untersuchten Fernsehproduzent*innen „how they could produce programs with low-brow content while expressing high-brow artistic and literary values and preferences in their private lives“ (Cantor 1988, S. xxxi). Solche Diskrepanzen können auf zwei Ebenen zu einer persönlichen Herausforderung für die Medienschaffenden werden: Im Prozess der Sendungsproduktion müssen Medienschaffende die Emotionen im Umgang mit Kolleg*innen, mit dem Arbeitsdruck und vor allem mit den Protagonist*innen regulieren. Insbesondere für jene Medienschaffenden, die in der nonfiktionalen Unterhaltungsproduktion tätig sind, ist die kreative Arbeit – wie Grindstaff (2002) es genauso wie Hesmondhalgh und Baker (2008) in
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Rückgriff auf Hochschild (2009) fassen – damit eine Form von „emotional labour“. Über die Regulierung von Emotionen hinaus erfordert kulturelle Produktion im Allgemeinen und Unterhaltungsproduktion im Spezifischen von den in die Produktion involvierten Individuen eine Form der Identitätsarbeit. Die folgenden Ausführungen widmen sich ausführlich diesen unter Punkt 2 skizzierten intrapersonalen Konflikten und vor allem den Mechanismen, die zur Bewältigung von Intrarollen- und Identitätskonflikten zum Einsatz kommen. Tatsächlich weisen Studien zur nonfiktionalen und fiktionalen Fernsehunterhaltungsproduktion auf vielfältige Strategien hin, die die Medienschaffenden zur Positionierung gegenüber ihrer Arbeit und ihren Werken nutzen. Zusammenfassend lassen sich diese Strategien als Distanzierung, positive Umdeutung, professioneller Pragmatismus, Kompensation und Resistenz bezeichnen. Dabei ist davon auszugehen, dass der Gegenstand als Ursache einer wahrgenommenen Diskrepanz je nach Programmgattung und Genre variiert. In der nonfiktionalen Unterhaltungsproduktion richtet sich der Fokus eher auf die Ethik des Handelns, d. h. produktionsethische Prinzipien wie z. B. den Verzicht auf drehbuchartige Vorgaben und eine Betonung der Authentizität während des Doku-Soap-Drehs. Währenddessen knüpft der intrapersonale Konflikt einer im Fiktionalen arbeitenden Person wahrscheinlicher an der Ästhetik des Produkts, d. h. beispielsweise der Produktionsqualität oder Dialogführung im Drehbuch, an. Grundsätzlich können aber natürlich in beiden Programmgattungen sowohl ethische als auch ästhetische Fragen gleichermaßen dazu führen, dass Medienschaffende den Eindruck erhalten, nicht das produzieren zu können, was und wie sie eigentlich möchten. Eine wiederholt implizit, aber auch explizit benannte Strategie ist jene der Distanzierung. Klug (2016, S. 178 f.) beschreibt in seiner Studie zur Scripted Reality-Produktion, dass einzelne Medienschaffende eine Minderwertigkeit ihres Produkt wahrnehmen, diese benennen und sich auch bewusst nicht mit dem Produkt identifizieren möchten, sondern vielmehr davon abgrenzen. Hier greift ein Prozess ‚ästhetischer Distanzierung‘ (vgl. Kuipers 2012, S. 590): Persönlicher Geschmack und professionelles Handeln klaffen auseinander. Wei (2012, S. 455) erfasste in seiner ethnographischen Untersuchung von Mitarbeiter*innen eines Reality TV-Produktionsunternehmens zwei interaktional beobachtbare Distanzierungsstrategien: (1) Die Medienschaffenden distanzierten sich von dem, was sie taten, indem sie ihr Handeln und das Produkt, an dem sie arbeiteten, als Ausnahme und keineswegs repräsentativ für ihr Schaffen darstellten. (2) Eine weitere Distanzierungsmöglichkeit ergab sich aus der Delegation der Verantwortung für die Produktgestaltung und für inhaltliche Entscheidungen, die den eigenen Werten widersprachen, an externe Akteur*innen. Den schwarzen Peter für eine aus
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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Perspektive der Medienschaffenden schlechte Gestaltungsentscheidung schoben diese dabei vorrangig dem Sender, einer spezifischen Person im Sender, aber auch dem abstrakt gefassten Publikum oder dem Markt zu. Im interpersonalen Umgang geht es dabei auch um rhetorische Distanzierung, d. h. offen verbale Distanzierung, um die eigenen Werte nach außen hin zu stärken (vgl. Wei 2012, S. 458 f.). Gemeinsame Standards bilden die Grundlage einer gemeinsamen, professionellen Identität, die es zu erhalten gilt (vgl. ebd., S. 453, mit Verweis u. a. auf Zoellner 2010). Über die verbale Distanzierung ist folglich das eigentlich nicht gut geheißene Handeln legitimiert. Zoellner (2013, S. 18) spricht von kreativen Gegendiskursen als einer Form von ‚creative agency‘, über die die Medienschaffenden ihre persönliche Kreativität in Abgrenzung zum ökonomisierten Arbeiten ausleben. Nicht dem Schutz des Selbstverständnisses als kreativ Handelnde*r, sondern der emotionalen Stabilität insgesamt können Distanzierungsstrategien in der Produktion nonfiktionaler Unterhaltung dienen. Die Medienschaffenden befänden sich laut Grindstaff (2002, S. 132 ff., 140 f.) in einem Prozess permanenter emotionaler Arbeit, vor allem wenn es um den Umgang mit den Protagonist*innen in Talkshow-Produktionen, welche sie untersucht hat, gehe. Das ‚Überleben‘ im Job hänge dabei manchmal von der Fähigkeit ab, sich von den Protagonist*innen und ihren zum Teil traurigen, verstörenden und deprimierenden Geschichten zu distanzieren (vgl. ebd., S. 138). Eine emotionale Distanzierung von den Protagnist*innen und jenen, die es nicht in die Show geschafft haben, konnten auch Hesmondhalgh und Baker (2008, S. 108) in der Arbeit von TalentShow-Macher*innen beobachten. Dieser Prozess der Distanzierung kann auch missglücken (vgl. Grindstaff 2002, S. 136 f.), vor allem, wenn die Medienschaffenden viel Zeit und Arbeit z. B. in einzelne Protagonist*innen und ihre Geschichte investiert haben (vgl. auch Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 109 f.). Erleichtert wird solch ein Prozess emotionaler Distanzierung, wenn die Medienschaffenden das Konstruktionspotenzial medialer Wirklichkeit unterschätzen und glauben (oder sich einreden), Realität und spezifische Konflikte abzubilden, so wie es sie auch ohne ihr Zutun gäbe (vgl. Grindstaff 2002, S. 143 f.). Tatsächlich ist es gerade das Wissen um diese Konstruktionsleistung und das Wissen um die Konsequenzen medialer Inszenierung für die Protagonist*innen, welches die Medienschaffenden als großen Druck verspüren: Medienschaffende haben eine symbolische Verantwortung und gestalterische Macht (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 114; Newcomb und Alley 1982, S. 79). Das Team als kollektiver Trostspender kann helfen, wenn es nicht gelingt, sich von seinem Tun und den Konsequenzen dieses Tuns abzugrenzen (vgl. Grindstaff 2002, S. 140 f.). Einen Kontrast zur Distanzierungsstrategie bildet die Bemühung, das eigene Handeln – auch entgegen persönlicher Prinzipien – positiv umzudeuten. Wei
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(2012, S. 456) spricht hier von einem „evaluative tweaking“: Die subjektiven Werte und Geschmäcker, denen die Medienschaffenden in ihrer Arbeit folgen, würden subjektiv und damit auch flexibel und dehnbar ausgelegt; was sie beispielsweise als authentisch bezeichnen, sei keineswegs konsistent. Damit das Handeln nicht in Konflikt mit den persönlichen Prinzipien des Handelns tritt, nehmen die Medienschaffenden folglich eine ‚evaluative Justierung‘ dieser Prinzipien vor. Medienschaffende des Scripted Reality-Fernsehens identifizieren, obwohl sie die Qualität der Inhalte als eher gering einschätzen (vgl. Klug 2016, S. 177), in ihrer Arbeit eine Bildungsaufgabe, da beispielsweise in der Sendung Anwälte im Einsatz „in fiktionalisierter Form juristisch korrekte Fälle gezeigt und Tipps und Hinweise für alltägliche Rechtsfälle präsentiert werden“ (ebd., S. 176). Ähnlich sehen auch die Macher*innen von Business Entertainment-Programmen – das sind Sendungen des Hybridgenres Reality TV, die sich beispielsweise in Casting-Form mit Unternehmensmanagement, Ausbildung und Jobsuche beschäftigen – das Potenzial ihrer Sendungen nicht nur in der Unterhaltung, sondern auch in einer Vermittlung von Informationen im Hinblick auf Geschäfts- und Managementtechniken (vgl. Kelly und Boyle 2011, S. 243). Derweil zeigten sich einzelne Macher*innen einer nicht allzu sensationalistischen Talkshow – Grindstaff (2002) hat zwei verschiedene Talkshows verglichen – überzeugt, den Protagonist*innen mit ihrer Showteilnahme zu helfen, Probleme zu lösen (vgl. ebd., S. 140). Diesen persönlichen Trost konnten die Macher*innen der sensationalistischen Talkshow nicht feststellen; sie fühlten sich eher schuldig und zweifelten an der Legitimität ihrer Tätigkeit (vgl. ebd.). Als erfolgreicher erwies sich hier die Strategie der Distanzierung. Einen Mittelweg zwischen Distanzierung und positiver Uminterpretation der eigenen Arbeit ist ein professionell-pragmatischer Zugang dazu: Wertkonflikte lassen sich vermeiden, wenn man den Job einfach nur als Job betrachtet und nicht intellektuell wertet (vgl. Turow 1997, S. 202). Der Zugang zur Arbeit ist sachlich und nicht emotional (vgl. auch Kuipers 2012, S. 590). Norbäck (2011, S. 190) stellte fest, dass die Diskrepanz zwischen Produzent*innen- und Sendervorstellungen letztlich zu Pragmatismus und einer pragmatischen Umsetzung führte mit dem Ergebnis, dass die projektbeteiligten Kreativen bedauerten, die Chance auf eine besondere Machart verpasst zu haben, während die zuständige Senderredakteurin das Ergebnis – erstaunlicherweise – als innovativ wahrnahm. In diesem Sinne entkoppelt Zoellner (2010, S. 123; 2013, S. 12 f.) in ihrer Untersuchung der Dokumentarfilmproduktion die Kreativität der Medienschaffenden von ihrer Professionalität. Letztere beschreibe das Mittel, um die Konflikte zwischen (persönlicher) Kreativität und Kommerzialität (des Handlungskontexts) zu bewältigen.
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Wenn Medienschaffenden keinen Weg finden, ihre persönlichen Sichtweisen mit den Prinzipien ihrer Arbeit in Einklang zu bringen, bleibt ihnen neben der eingangs beschriebenen Distanzierung noch die Kompensationsstrategie oder aber der Widerstand. Kompensation meint, dass ein möglicher Wertekonflikt kompensiert wird, indem man ersucht, die eigenen Ideen und Vorstellungen woanders unterzubringen, wenn im Job dafür kein Raum ist (vgl. Turow 1997, S. 202). Eine Möglichkeit dazu bieten z. B. Nebenprojekte, über die das eigene Selbstverständnis als Kreative*r erhalten werden soll. Hesmondhalgh (2002, S. 72) skizziert solch einen Fall einer Daily Soap-Autorin, die mit der Daily Soap-Produktion ihre Haushaltskasse füllt und sonst das macht, was sie wirklich machen möchte, nämlich Theater. Die Kompensationsstrategie nimmt dabei den Charakter einer selektiven Betonung an: „Cultural industry workers can use projects that fulfill their values and tastes as examples of who they are as artists and evidence that they are who they claim to be.“ (Wei 2012, S. 454, Herv. d. Verf.) Ähnlich wie Wei (2012) stellte auch Born (2000) in ihrer Studie zur britischen Drama-Produktion fest, dass die Medienschaffenden ihre Werte auf „single dramas with high artistic status“ (Born 2000, S. 423) profizieren, während aber ein Gros des Programms eher durch artistische Redundanz gekennzeichnet sei (vgl. ebd.). Diese Kompensation in Form einer selektiven Betonung (nach außen14 ) ist ein Stück weit auch ein Distanzierungsprozess, weil eine Distanzierung von einzelnen Handlungen und/oder Teilprodukten erfolgt (vgl. auch Wei 2012, S. 455); zugleich wird über die selektive Betonung des Handelns das Gesamthandeln letztlich positiv umgedeutet. Kaum beschrieben, weil eher auf Destruktion denn Reproduktion bestehender Feldstrukturen gerichtet, ist die Strategie des Widerstandes. Grindstaff (2002, S. 107) hat in ihrer Untersuchung nur vereinzelt feststellen können, dass sich Medienschaffende gegen dramaturgisch interessante Kandidat*innen entschieden, weil deren Rekrutierung ihrer persönlichen Ethik widerspräche. Widerstand kann in Konfrontation münden, verlässt damit aber die intrapersonale Ebene und wird zu einem interpersonalen Konflikt. Turow (1997, S. 203) schlägt als Strategie zur Bewältigung von Wertekonflikten die Konfrontation mit Hilfe weiterer Organisationsmitglieder vor.
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Es muss berücksichtigt werden, dass die beschriebenen Strategien Ergebnis von Interviewund Beobachtungsstudien und damit nur in Interaktion mit anderen Feldakteur*innen und/oder den Forschenden erkennbar sind. Damit unterstehen sie stets dem (methodischen) Bias, dass sich die Medienschaffenden ggfs. dazu herausgefordert fühlen, solche Strategien zu betonen, ohne sie aber in dieser Konsequenz und Stärke auch tatsächlich anzuwenden.
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Die beschriebenen Strategien skizzieren vorrangig Ansatzpunkte zu einer Selbstregulierung von Identitäts- und Rollenkonflikten. Die folgenden Ausführungen sollen präzisieren, was mit einem Prozess der Identitätsregulierung gemeint ist und wie das Management in organisationalen Kontexten und wie die Organisationsmitglieder selbst diese Identitätsregulierung als Identitätsmanagement aktiv nutzen können, um persönliche und berufliche Sozialisation zu verknüpfen. Identitätsmanagement in kreativen Umgebungen Ein übergreifender Ansatz zum Umgang mit Diskrepanzen zwischen persönlichen und professionellen Werten stammt von Alvesson und Willmott (2002). Sie beschreiben Identitätsregulierung als ein Mittel organisationaler Kontrolle, d. h. als einen Ansatz, über den das Management die Identitätsarbeit der Mitarbeitenden direkt oder indirekt beeinflussen kann. Ihr Modell knüpfen sie an die Differenzierung von Identitätsregulierung, Identitätsarbeit und Selbst-Identität an: Identitätsregulierung meint „more or less intentional effects of social practices upon processes of identity construction and reconstruction“ (Alvesson und Willmott 2002, S. 625). Identitätsarbeit wiederum ist der zumeist unbewusst verlaufende Prozess, in dem eine Person ihre Identität konstruiert und exploriert (vgl. ebd., S. 626; vgl. auch Wei (2012), der die oben beschriebenen Strategien zum Umgang mit Wertekonflikten als Identitätsarbeit konzeptualisiert). Selbst-Identität wiederum ist das Selbst, wie die Person selbst es reflexiv versteht – reflexiv, weil es reflexiv konstruiert wird (vgl. Alvesson und Willmott 2002, S. 626). Die Selbst-Identität ist zugleich mehrdimensional, d. h. dass das Verständnis vom Selbst selten einheitlich ist (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 783). Qua definitionem sind es folglich die sozialen Praktiken, über die das Management die Identitätsarbeit und damit die Selbst-Identität ihrer Mitarbeiter*innen beeinflussen kann. Dabei ist das Management jedoch keineswegs omnipotent, d. h. die Mitarbeiter*innen konsumieren eine vom Management entwickelte Identität nicht passiv. Vielmehr folgt die Identitätsregulierung in organisationalen Kontexten drei Mustern (vgl. Alvesson und Willmott 2002, S. 636 f.): Sie erfolgt über (1) Managementpraktiken, insbesondere über Führung; sie resultiert (2) aus geteilten Vorstellungen und gemeinsamen Überzeugungen – diese wurzeln nicht nur im Unternehmen, sondern auch in der Gesellschaft und der Profession; und (3) sie findet darüber hinaus teilweise auch autonom statt, d. h. als Prozess, der zu den anderen beiden Typen parallel oder ihnen sogar entgegenläuft. Identitätsregulierung und Identitätsarbeit sind nicht automatisch konsistent: Identitätsarbeit kann produktiv, aber auch dysfunktional sein (vgl. Beech und Johnson 2005, S. 44). Dieses Identitätsmanagement-Konzept ist vor dem Hintergrund der oben beschriebenen persönlichen Beziehung der Medienschaffenden zu ihrem Werk
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und den daraus resultierenden Intrarollen- und Identitätskonflikten für die Medienproduktion von besonderer Relevanz. Vor dem Hintergrund, dass Identitätsregulierung in kreativen Umgebungen aufgrund der dort vorhandenen divergierende Erwartungen und Werte besonders wichtig sein kann, haben Gotsi et al. (2010) so genannte New Product Design Consultancies untersucht. Für die Mitarbeiter*innen dieser Produktdesignagenturen identifizieren sie – äquivalent zum künstlerischen und zugleich handwerklichen Profil (vgl. Mayer 2011, S. 32 f.), zum kreativen und zugleich ökonomischen Anspruch ihrer Arbeit (vgl. Skizze des Intrarollenkonflikts oben) – zwei Identitäten (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 788): Die in dem Unternehmen tätigen Personen müssen die Identität der Künstler*innen und jene der Berater*innen in Einklang bringen. Gelingt dies nicht, hat das Konsequenzen für das Management und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens (vgl. ebd., S. 789). Eine zu stark ausgeprägte artistische Identität münde in einem Überengagement der Mitarbeiter*innen mit der Konsequenz, dass ihre Work-Life-Balance leide und sie zu Primadonnen würden; mit einer übermäßig ausgeprägten geschäftlichen Identität leide wiederum die Innovationsfähigkeit. Interessant sind vor diesem Hintergrund die Strategien, die das Management zur Identitätsregulierung anwendet. Die Forscher*innen erkennen darin Ansätze sowohl zur Identitätsdifferenzierung als auch zur Identitätsintegration. Äquivalent dazu können die drei Strategien des Splittings (als Form der Differenzierung), der Akzeptanz (als Form der Integration) und der Konfrontation (als zirkulärer Aushandlungsprozess zwischen den divergierenden Polen) betrachtet werden, die Lüscher und Lewis (2008, S. 236) für den Umgang mit Paradoxitäten im organisationalen Kontext beschreiben. Das Management muss mitunter verschiedene Strategien kombinieren, um unterschiedliche Paradoxien in Organisationen über Identitätsparadoxien hinaus in der Koordination und Steuerung zu erfassen (vgl. ebd., S. 234). Während die Autorinnen die Strategien unterschiedlichen Paradoxien zuordnen (vgl. ebd., S. 236), wird hier davon ausgegangen, dass unterschiedliche Strategien bezüglich desselben Paradoxons parallel greifen können. In der Differenzierungsstrategie rücken die Vorgesetzten zeitlich oder räumlich jeweils eine der beiden Identitäten in den Vordergrund: Zeitlich werden bestimmte Rollen in bestimmten Phasen eines Projekts betont (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 789) oder die Identitätsbetonungen zwischen verschiedenen Projekten variiert (vgl. ebd., S. 792); räumlich werden die Mitarbeiter*innen aufgefordert, ihre Arbeitsplätze im Sinne ihres kreativen Selbstverständnisses zu personalisieren, während es zur Betonung der Consultant-Identität spezifische Konferenzräume gibt (vgl. ebd.). Die parallel dazu angegliederten Identitätsintegrationsstrategien
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wiederum sind Versuche des Managements, die Mitarbeitenden dazu zu bringen, verschiedene Rollen als synergetisch wahrzunehmen und die Spannungen auszuhalten: Im Fall der Produktdesignagenturen war das Management parallel zu den Differenzierungsstrategien bemüht, die Identität eines „practical artists“ zu vermitteln und zu stärken. Dies erfolgte bereits in der Personalrekrutierung über die Auswahl von Personen, die sowohl kreativ als auch geschäftlich begabt waren. Weitere Mittel waren das Mentoring durch Vorgesetzte und kommunikative Taktiken, z. B. die Diskussion von sowohl kreativen als auch geschäftlichen Sachverhalten bei Meetings (vgl. ebd., S. 793 f.). Eine Gesprächsführung, die als solch eine verbale Taktik der Identitätsregulierung gefasst werden kann, konnte auch Wei (2012, S. 458 f.) in seiner Untersuchung einer Reality-TV-Produktion beobachten. Insgesamt bieten die von den Medienschaffenden verfolgten Strategien der Selbstregulierung, wie sie oben beschrieben wurden, und das hier skizzierte Konzept des Identitätsmanagements Ansatzpunkte für das Management der Fernsehunterhaltungsproduktion. Sinnvoll sind folglich nicht nur Strategien der Kreativitätsförderung, sondern Strategien, die auf eine Ausbalancierung kreativer und ökonomischer Rollen sowie Identitäten zielen. Gerade in der Identitätsregulierung kann daher eine paradoxale Sichtweise (vgl. Abschnitt 4.4), dank welcher die unterschiedlichen Identitäten als synergetisch aufgefasst werden, einen fruchtbaren Ansatzpunkt nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Praxis darstellen (vgl. Gotsi et al. 2010, S. 782 f.; vgl. auch Abschnitt 7.2).
5.3.1.4 Reflexion: Medienschaffende als„symbol creators“ und die Besonderheit der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion Der Fokus auf das Phänomen der Kreativität und seine Rolle für den Medienproduktionsprozess, für die Medienproduktbewertung und für die Person in ihrer Rolle als Kommunikator*in, impliziert die Frage, ob diese Kreativität das Feld nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ differenziert. Kurzum: Ist Kreativität in der populärkulturellen Produktion etwas Besonderes? Die Betrachtung von Kreativität in der Medienproduktion als einer besonderen Kreativität widerspricht zunächst einmal einer rein ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Betrachtung, die die Quantität nicht aber Qualität der Kreativität in der Medienproduktion im Vergleich zu anderen Branchen hervorhebt15 (vgl. Howkins 2007, S. xi; Küng 15
Dies ist beispielsweise implizit in einer Aufschlüsselung des Produktionsprozesses in kreative und nicht-kreative Teilabschnitte, die letztlich darauf zielt, im Sinne einer Geschäftsprozessoptimierung die planbaren von den nicht-planbaren Elementen zu unterscheiden (vgl. Abschnitt 5.1). Dies ist ebenso implizit im breiten Forschungskorpus zum Innovations- und Risikomanagement in der Medienbranche, wenngleich vereinzelt dabei durchschimmert, dass
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2008b, S. 145, 2004, S. 66; vgl. auch Abschnitt 4.3.1). Hier treffen eine kulturwissenschaftliche und eine wirtschaftswissenschaftliche Perspektive aufeinander, die sich letztlich jedoch – so die Annahme dieser Arbeit – über den Doppelcharakter medialer Güter als Kultur- und Wirtschaftsgüter miteinander vereinbaren lassen: Die von der gesellschaftlichen Relevanz medialer Güter abgeleitete Kulturguteigenschaft weist schließlich implizit darauf hin, dass Medienprodukte etwas beinhalten und transportieren, das von den Rezipient*innen nicht bloß oberflächlich konsumiert, sondern auch (innerlich) verarbeitet wird. Die Annahme eines Enkodierungs-Dekodierungs-Zyklus erscheint adäquat und zugleich nicht mit einer Betrachtung der Wirtschaftsguteigenschaften in Widerspruch: Die Kodierung von Bedeutung ist nicht nur Quelle der Kulturguteigenschaft eines Medienproduktes, sondern konstituiert neben seinem ideellen letztlich auch seinen monetarisierbaren Wert (vgl. Abschnitt 3.2.1). Anknüpfend an diesen Enkodierprozess fällt der Fokus auf die Menschen, die diese Leistung erbringen. Es ist diese Leistung, die Hesmondhalgh (2013, S. 6) als symbolic creativity bezeichnet. Mit diesem Begriff spezifiziert er die Besonderheit kultureller Produktion. Demnach zeichneten sich die Produktionsaktivitäten der Kultur- und Kreativwirtschaft (Hesmondhalgh spricht von cultural industries) aus durch „a particular type of creativity – the manipulation of symbols for the purposes of entertainment, information and perhaps even enlightenment“ (ebd.). Folglich implementieren (einige) Medienschaffende über die Manipulation von Symbolen kulturellen Wert in die Produkte. Mit symbolic creators meint Hesmondhalgh „those who make up, interpret or rework stories, songs, images, etc.“ (ebd.). Explizit schließt er auch Journalist*innen in diese Definition mit ein, jedoch nicht jede*n Medienschaffende*n, wie seine Rollen-Differenzierung (vgl. Tabelle 5.3 in Abschnitt 5.3.1.1) zeigt. Diese Kreativität als Symbolmanipulation meint eine „industrialised symbolic creativity“ (ebd., Fn. 3) und begründet daher eine „symbolic power“ (Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 101). Letztere bezeichnet die Macht der Kommunikator*innen in einem Prozess monologischer und damit asymmetrischer Kommunikation, subjektiv – weil auf Grundlage ihres Wissens, ihrer persönlichen und beruflichen Sichtweisen – erstellte Symbolkombinationen als Produkte an ein Massenpublikum zu distribuieren (vgl. ebd., S. 102 f.). Vor diesem Hintergrund meint dann auch der Begriff der kreativen Arbeit nicht potenziell jegliche Form von Arbeit in jeglichen Branchen, die der allgemeinen Kreativitätsdefinition folgend auf neue Art und Weise etwas Neues dieses Unplanbare und Unsichere eine Qualität hat, die sich von anderen Branchen grundsätzlich unterscheidet (vgl. z. B. Gebesmair und Nölleke-Przybylski 2020, S. 608 ff.; vgl. auch Abschnitt 5.2.2).
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und zugleich Nützliches hervorbringt (vgl. Abschnitt 4.1). In der Definition von Hesmondhalgh und Baker (2011) reicht kreative Arbeit auch über die Vermittlung bloßer, nicht aufgearbeiteter Information hinaus. Kreative Arbeit sind jene Jobs, die in der „activity of symbol-making“ (ebd., S. 9) gründen, jedoch nicht im Sinne einer künstlerischen Leistung, sondern im Sinne einer „interpretative knowledge“ (ebd.). Die medial vermittelte Kommunikation, zu der der Journalismus genauso wie die Unterhaltungsproduktion gezählt werden, sei dabei die „most socially prominent“ (ebd., S. 10) Form dieser Arbeit. Dieser Argumentation folgend ist die Kreativität, die die Fernsehunterhaltungsproduktion auf Ebene der Personen, Produkte und Prozesse charakterisiert, eine Kreativität, die gesellschaftlich relevant und wirkungsvoll ist, weil sie große Rezipient*innengruppen erreicht und sie mit Symbolkommunikationen zum Zwecke der Information und Unterhaltung versorgt. Ihre Spezifität schöpft die Kreativität, wie sich aus den vorhergehenden Ausführungen ableiten lässt, aus den Kommunikator*innen – als Kollektiv spezifischer Individuen. Kollektive Arbeitsprozesse bringen unterschiedliche Künste in intermediale und intertextuale Beziehungen (vgl. Vassen 2011, S. 302). Dabei werden die Texte und Medien (Bild, Text, Ton, Architektur, Malerei etc.) durch Personen repräsentiert (Komponist*innen, Sänger*innen, Musiker*innen etc.) und treten so in Interaktion – Prototyp dieser Relation ist das Theaterstück (vgl. ebd.). Diese Sichtweise lässt sich auf die Unterhaltungsproduktion übertragen, in der äquivalent unterschiedliche Künste (Regie, Producer*in, Kamera, Ton etc.) in Interaktion treten. Medienschaffende repräsentieren dabei nicht nur bestimmte Symbole, sondern auch eine bestimmte Art der Symbolkombination. Es gibt gute und schlechte Regisseur*innen. Es gibt Autor*innen, die seichte Romantik und andere, die komplexes Drama repräsentieren. Im Kollektiv stehen bestimmte Teams für bestimmte Genres (vgl. Perretti und Negro 2007, S. 580). Wie stark dabei der Einfluss einer individuellen Persönlichkeit in der medial vermittelten Kommunikation durchdrücken kann, zeigt sich nicht zuletzt in Hierarchisierungen von Medienschaffenden und einem Superstar-Effekt (vgl. z. B. Caves 2003, S. 80; Ryan 1991, S. 129; Zabel 2009, S. 41 f.; vgl. auch Abschnitt 5.3.2.3). Im Kanon der Medienschaffenden gelten bestimmte Personen als besonders anerkannt, talentiert, kreativ erfolgreich und auch erfolgversprechend. Fernsehen ist ‚Kopfsache‘: Dies zeigt sich beispielsweise in der Tatsache, dass bestimmte Sendungsformate nicht allein einem bestimmten Produktionsunternehmen, sondern vielmehr dem*der dortigen Produktionsverantwortlichen zugeordnet werden – und wenn diese*r zu einer anderen Firma wechselt, wechselt das Format und folglich der Produktionsauftrag mit (vgl. Lückerath 2014b). Solch ein Vorgang
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betont zugleich, wie sehr ein Projektnetzwerk an die Person einzelner Produzent*innen und nicht an die organisationale Einheit des Produktionsunternehmens gebunden ist. Ein*e einzelne*r Medienschaffende*r kann dem auftraggebenden Sender als „Identifikationsfigur“ (Wahbe 2012, S. 190) Sicherheit in der Produktion vermitteln. Der Markt und die (gewinnorientiert operierende) Organisation erkennen die Bedeutung des Individuums an und deuten sie sogleich um, um sie ökonomisch auswerten zu können. Dieser Mechanismus manifestiert sich im Konzept des Industrial Auteurism, welches die Mechanismen bezeichnet, in denen „the concept of auteurism is used by institutions to ‚sell‘ individual film-makers and their films“ (Manley 2013, S. 13). Während die klassische Auteur-Theorie (Film-)Autor*innen als Personen zeichnet, die jeweils ihre individuelle Vision entgegen der strukturellen Zwänge durchzusetzen versuchen, fasst das industrialisierte Auteur-Konzept diese als Teil des ‚Systems‘ (vgl. ebd. mit Verweis auf Watson 2007, S. 101). Dem Individuum geht es in diesem Kontext nicht mehr nur unbedingt darum, seine spezifische Autorenschaft im allgemeinen Sinne seiner Gestaltungsvorstellungen durchzusetzen, sondern auch um die Anerkennung dafür: Es kann seine Position einsetzen, um mehr Freiheiten im Produktionsprozess und eine bessere Bezahlung zu erlangen (vgl. Owczarski 2008, S. 249). Der Einsatz von Superstars ist schlichtweg auch eine Risikominimierungsstrategie (vgl. Gebesmair und NöllekePrzybylski 2020, S. 613 f.; vgl. auch Abschnitt 5.1.3). Produktionsunternehmen und Sender können die Betonung des Auteurism in eine Geschäftsstrategie umwandeln (vgl. Owczarski 2008, S. 249). Eine Facette des Industrial Auteurism ist daher auch die Strategie einiger Sender, sich bewusst über Qualitätsprodukte im Wettbewerb zu positionieren (vgl. Fitzgerald 2017, S. 67) – über den die Branche üblichen Qualitätswettbewerb (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 108 f.) hinaus, d. h. im Wettbewerb um Qualität nicht im wertneutralen, sondern im wertbeladenen Sinne. Zusammenfassend folgt die vorliegenden Arbeit vor diesem Hintergrund der Annahme, dass die Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion doch eine andere ist als beispielsweise jene in der Entwicklungsabteilung eines Küchengeräteherstellers. Kreativität in der medialen Produktion hebt sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von anderen Branchen ab. Ein Ansatzpunkt zur Differenzierung dieser Kreativitätsform ist ihre Beschreibung als kulturelle Kreativität (cultural creativity) in Abgrenzung zu einer unternehmerischen (entrepreneurial creativitiy) und einer technologischen (technological creativity) oder auch wissenschaftlichen Kreativität (scientific creativity) (vgl. KEA European Affairs 2006, S. 42; von Rimscha und Przybylski 2012, S. 88; vgl. zur Unterscheidung der Kreativitätsarten auch Abschnitt 4.1.4). Zugleich ist eine Form
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unternehmerischer Kreativität auch für die Medienproduktion von Bedeutung (vgl. Küng 2008b, S. 145): Das Feld der Unterhaltungsproduktion selbst ist nicht allein von einer kulturellen Kreativität geprägt (vgl. Abschnitt 5.3.3.1). Zugleich impliziert bereits das Konzept einer Kultur- und Kreativwirtschaft, dass diese kulturelle Kreativität in sich vielleicht nicht in einer kommerziellen Logik gründet, aber durchaus – wie das skizzierte Konzept des Industrial Auterism zeigt – kommerzialisierbar ist.
5.3.2
Handlungs- und Arbeitsbedingungen
Kreative Arbeit zeichnet sich durch spezifische Eigenschaften aus. Schlüsselaspekte, die die Handlungs- und Arbeitsbedingungen in der Film- und Fernsehproduktion prägen sind die Kollaboration, der temporäre Charakter der Produktionsund Arbeitskonstellation, der daran geknüpfte Networking-Druck, der Fokus auf das praktische Lernen und die Arbeitsbelastung. Diese Charakteristika werden einer praxistheoretischen Sichtweise folgend den Medienschaffenden nicht rein deterministisch vom Produktionssystem auferlegt, sondern von ihnen auch selbst reproduziert. Die folgenden Ausführungen widmen sich diesen Aspekten und schlüsseln die Handlungs- und Arbeitsbedingungen in der Unterhaltungsproduktion damit auf.
5.3.2.1 Teamarbeit, temporäre Kollaboration und die Rolle praktischen Wissens Für die Erstellung unterhaltender Fernsehinhalte arbeiten Kollektive unterschiedlicher Personen in unterschiedlichen Rollen (vgl. Abschnitt 5.3.1) zusammen (vgl. Abschnitt 3.2.4). Relevanter als die Kontrolle von (kreativem) Personal, d. h. als die dauerhafte Bindung von Talenten, ist dabei der Zugang zu diesen Talenten (vgl. Chalaby 2012, S. 32). Kollaboration ermöglicht Spezialisierung in der Produktion, wenngleich der Spezialisierungsgrad eines Projektnetzwerkes immer auch abhängig ist von der Größe des Produktionsunternehmens: Je größer das Unternehmen, desto stärker die Arbeitsteilung und Spezialisierung, während in kleineren Firmen eine einzelne Person mehrere Aufgaben übernehmen muss (vgl. Fießer 2007, S. 52). Doch auch für kleine Produktionseinheiten gilt: Da die vielfältigen Produktionsleistungen, die zur Produktion einer Sendung notwendig sind, insbesondere während der Dreharbeiten, nicht räumlich und zeitlich aufgeteilt werden können, ist Fernsehproduktion „[n]aturwüchsige Teamarbeit“ (Marrs 2007, S. 101; vgl. auch Marrs und Boes 2003, S. 213). In
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ihrer organisationalen Einbindung wird die Leistung der einzelnen Medienschaffenden darüber hinaus unmittelbar zu einer organisationalen Leistung (vgl. Ettema 1982, S. 103) – die Produktionspraktiken sind schließlich eine Synthese der Feldstrukturen und des individuellen Handelns. Dabei muss, damit eine einheitliche Qualität erreicht wird, jeder Input einen gewissen Mindeststandard an Leistung erfüllen (vgl. Caves 2003, S. 80). Eine Herausforderung ist dies nicht nur aufgrund der unbestimmten Input-Output-Relation des Produktionsprozesses, d. h. der Unmöglichkeit auf Basis des Inputs exakt zu antizipieren, was als Produkt dabei herauskommt (vgl. Heinrich 2010a, S. 128), sondern auch aufgrund des temporären Charakters des Projekts, der Variabilität der Produktionskonstellation und der personellen Fluktuation. Die Kollaborationsstruktur ermöglicht neben Spezialisierung auch Flexibilität, weil sie nicht starr und dauerhaft ist. Eine befürchtete Konsequenz dieser Variabilität ist, dass die Möglichkeit zum Wissens- und Erfahrungsaustausch eingeschränkt wird, weil er nicht mehr an einem Ort institutionell gebunden ist (vgl. Berkeley 2003, S. 113). Tatsächlich ermöglichen jedoch formal (und folglich explizit) und informell (daher zumeist implizit) definierte Rollen (vgl. auch Abschnitt 5.3.1) und das Rollenträgerwissen, dass die Koordination im Projekt gelingt (vgl. Oelsnitz und Busch 2009). Die Rollenausbildung und -zuweisung ist entscheidend für die Frage „how and why performances take the form they do“ (Intintoli 1984, S. 121). Dass die Teamarbeit nicht nur im Sinne der Erfüllung bestimmter Produktionsstandards, sondern überhaupt gelingt, ist Ergebnis eines impliziten Verständnisses für die Aufgaben und Beziehungen bestimmter Rollen und einer im Laufe der Jahre erfolgten Institutionalisierung dieses Verständnisses in den Produktionspraktiken eines Projektnetzwerks (vgl. von Rimscha und Siegert 2015, S. 146; Windeler 2004, S. 67 f.; 2008; 2010, 225 f.). Auf diese Weise wird trotz institutioneller Flexibilität Produktionserfahrung und Produktionswissen in den Projektnetzwerken gebunden (vgl. Windeler und Wirth 2004, S. 305 f.). Das Konzept der Projektnetzwerke löst damit das Paradoxon, dass temporäre Netzwerke die Kontinuität der Branche gewährleisten (vgl. DeFillippi und Arthur 1998, S. 128), auf (vgl. zur Interdependenz von Branchen- und Netzwerkpraktiken Windeler und Sydow 2001, S. 1052). Die gemeinsamen Erfahrungen der Medienschaffenden „sedimentieren im Wissensvorrat, sie werden institutionalisiert und stehen daher prinzipiell für ähnliche Situationen wieder zur Verfügung“ (Altmeppen 2007a, S. 298). Das Erfahrungswissen kumuliert in einer Art professionellem Kapital, das sich beispielsweise in geteilten ästhetischen Vorstellungen ausdrückt (vgl. Kuipers 2012, S. 589). Dabei liegt es vorrangig in der Form praktischen Wissens vor (vgl.
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Abschnitt 2.1). Wenngleich institutionalisiert, ist das Wissen, das die Produktionsmechanismen ermöglicht und stabilisiert, folglich häufig implizit und von den Medienschaffenden nicht explizierbar. McKinlay (2009) stellte beispielsweise fest, wie eine Produktionscrew um einen Regisseur im Arbeitsprozess implizites Wissen anwandte. Die Abstimmung zwischen den Crew-Mitglieder erforderte kaum explizite Artikulation, selbst als und obwohl die Medienschaffenden am selben Tag den Tätigkeitskontext wechselten: Sie setzten zunächst eine regionale Live-Politiksendung und anschließend eine Spielshow um (vgl. McKinlay 2009, S. 185). Das implizite Wissen erwies sich dabei als nicht kontextabhängig, jedoch je nach Kontext relativ: „The Director had an intimate knowledge of the crew: a sense of their individual repertoires, willingness and ability to improvise, accept a restricted – or extended – role in aesthetic decision-making: when to move, which angle to choose. In turn the crew understood the conventions of the genre, the constraints of this programme and the likely preferences of this Director operating under these conditions. […] It is not that tacit knowledge is context-specific, rather it is contextually relative and only partially consistent […].“ (McKinlay 2009, S. 186, Herv. i. O.)
Der spezifische, feldgebunden gültige, zugleich aber je nach Kontext relative Erfahrungs- und Wissensschatz ist auch Basis dessen, was die Medienschaffenden als Bauchgefühl oder Intuition umschreiben (vgl. Grindstaff 2002, S. 84; Roberts 2010, S. 289 ff.). Die (Arbeits-)Routine ermöglicht es, ein Bauchgefühl zu entwickeln (vgl. Graf 2010, S. 44). Dieses erweist sich folglich als eine Ausprägung des Routinewissens: „Routiniertes Wissen und die damit verbundenen ‚automatisierten‘ Tätigkeiten […] können […] als fraglose ‚Mittel zum Zweck‘ in die Verwirklichung offener Handlungsentwürfe eingebaut werden.“ (Schütz und Luckmann 2003, S. 159 f.) Gemeint ist damit auch, was Bourdieu als Habitus beschreibt (vgl. Abschnitt 2.2.1.1). Dieser Habitus, hier in Form des Bauchgefühls, hilft, Probleme zu identifizieren und die richtigen Problemlösungswege anzuwenden. Interessant ist dabei, dass die Bewertung von Bauchgefühl, Instinkt und Intuition als legitime Entscheidungsparameter in der Branche an kreative Aufgaben gekoppelt ist (vgl. auch von Rimscha 2012, S. 133 f.). Intuition spielt gerade in der frühen Entwicklungsphase für die Entscheidungsprozesse eine zentrale Rolle (vgl. Roberts 2011, S. 290 f.). Deutet man Intuition als erfahrungsbasiertes Routinewissen, lässt sich für eine Kopplung von Kreativität und Routine argumentieren. Der Routinebegriff taugt zwar ebenso als Antonym zum Kreativitätsbegriff (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 50; Langenbucher 2008; Vassen 2011, S. 300), mehrere Autor*innen weisen jedoch auf die Verknüpfung von Routine- und Kreativhandeln hin (vgl. Krämer 2012, S. 127; Küng 2008b,
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S. 145; Negus 2006, S. 200 f.; Negus und Pickering 2004, S. 45; Passoth 2012, S. 52 f.; Smith und McKinlay 2009b, S. 32 f.; vgl. auch Abschnitt 4.6).
5.3.2.2 Befristete Anstellung, Freiberuflichkeit und Networking-Druck Die auf Projektnetzwerken basierende Branchenstruktur mündet auf Ebene der Arbeitsverhältnisse in einer flexibilisierten Arbeitskräftewirtschaft: Charakteristisch für ein Produktionsprojekt sind befristete, projektbasierte Anstellungen ebenso wie die freiberufliche Mitarbeit von Medienschaffenden. Die reflexive Rekonstitution und Aktualisierung der Projektnetzwerke durch die einzelnen Projekte (vgl. Windeler 2008, S. 138; vgl. auch Abschnitt 3.2.4) fängt die Volatilität der Erwerbstätigkeit ein Stück weit auf, weil sie auf die Wiederholung bestimmter Personenkonstellationen setzt (vgl. Wirth 2010, S. 51, 139; vgl. auch die Ausführungen zum Networking unten). Dennoch kritisieren (britische) Autor*innen, dass und wie die Sender mit dem Outsourcing der Sendungsproduktion eine Arbeitskräftewirtschaft geschaffen haben, die die Zahl der Freiberuflichen in die Höhe getrieben, folglich die kollektive Interessenvertretung der Medienschaffenden geschwächt und prekäre Arbeitsverhältnisse, mitunter sogar die Ausbeutung der Medienschaffenden, befördert hat (vgl. Berkeley 2003, S. 113; McKinlay 2009; Paterson 2001, S. 210). Die Vorstellung einer nahezu vollständig auf Freiberuflichkeit basierenden Produktionsorganisation, wie sie für die Filmproduktion Hollywoods postuliert wird (vgl. Randle und Culkin 2009, S. 101), ist auf die deutsche Film- und Fernsehproduktion nicht ohne Weiteres übertragbar. Freie Mitarbeiter*innen sind in diesem Bereich selten tatsächlich selbstständig im Sinne einer arbeitsrechtlichen Definition. Häufig handelt es sich bei diesen scheinbar freiberuflich agierenden Medienschaffenden um abhängig Beschäftigte mit auf Produktionsdauer befristeter Anstellung (vgl. Marrs und Boes 2003, S. 198). De facto wechseln Medienschaffende ihren Status jedoch immer wieder zwischen Projekten und sind mal als Freiberufler*innen, mal als (temporär) Angestellte tätig (vgl. ebd.; Wirth 2010, S. 12). Die hohe Arbeitsplatzfluktuation, ggfs. schlechte Bezahlung, befristete Jobperspektiven, damit verbundene berufliche Unsicherheiten mit keiner Garantie einer übergangslosen Beschäftigung begründen prekäre Beschäftigungsverhältnisse und ein Beschäftigungssystem, das durch das staatliche Sozialsystem subventioniert wird (vgl. Marrs 2007, S. 78; Marrs und Boes 2003, S. 218 ff.; Renner 2012, S. 57 f.; Wirth 2010, S. 138 f.). Laut Wirth (2010) fungiert die Arbeitslosenversicherung gar
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„als Entlastungssystem für die Unternehmungen, die Branche, aber auch für die einzelnen Beschäftigten, die die immensen körperlichen und psychischen Belastungen einer kontinuierlichen Beschäftigung in dieser Industrie nicht bewältigen können“ (ebd., S. 139).
Arbeit in der Film- und Fernsehproduktion ist unter den genannten Bedingungen physisch und psychisch anstrengend. Und das benannte Entlastungssystem greift in der Praxis für die Medienschaffenden nur begrenzt. Aufgrund der teilweise sehr kurzen Beschäftigungszeiten ist es für die in der Film- und Fernsehunterhaltungsproduktion Tätigen häufig schwer, überhaupt erst einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erlangen – sie fallen durch das bestehende Sozialsicherungssystem hindurch (vgl. Apitzsch 2013, S. 135; Bührmann und Dierschke 2012; Marrs und Boes 2003, S. 199; Paterson 2001, S. 208). Dieses Faktum relativiert den Vorteil ‚freier‘ Beschäftigung: Selbstständigkeit bedeutet Freiheit und zugleich Prekarisierung (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2010, S. 12), Freiheit und zugleich (Lebens-)Planungsunsicherheit (vgl. Paterson 2001, S. 207). Tatsächlich ist den Medienschaffenden das „Gefühl ‚frei‘ zu sein“ (Marrs und Boes 2003, S. 206) wichtig. Zumindest für die Produktionsbranche in Hollywood stellen jedoch Randle und Culkin (2009, S. 101) fest, dass die angebliche Freiheit (in der Entscheidung wann, wie und wo man arbeitet), die sich aus dem freien Arbeitsverhältnis ergebe, durch die Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, negiert werde. Angesichts der tatsächlichen Beschäftigungsbedingungen lässt sich dieses Gefühl wohl treffend mit dem Begriff des Autonomieparadoxons fassen, den Muckenhuber (2014, S. 195 f.) in ihrer Studie zu Selbstständigen in diversen Branchen anwendet: Das Paradoxon beschreibt, dass die Selbstständigen das Gefühl schätzen, frei arbeiten und folglich theoretisch einfach mal einen Tag nichts tun zu können; dies sei de facto aufgrund der Arbeitsbelastung, Projektverpflichtungen u. ä. aber nicht möglich – es handelt sich folglich lediglich um eine eingebildete Freiheit, die aber trotzdem „eine Ressource für ihr Wohlbefinden“ (ebd., S. 196) darstellt. Darüber hinaus argumentiert beispielsweise Nicoli (2010, S. 54), dass kreative Arbeit für die Medienschaffenden selbst nur über von Selbstständigkeit geprägte Arbeitsstrukturen denkbar sei, weil sich die kreativ Arbeitenden auf diese Weise den bürokratischen Strukturen entziehen könnten, welche Autonomie, Nonkonformität und Unbestimmtheit unmöglich machten. Die Unsicherheit sehen die kreativ Arbeitenden tatsächlich problematisch, aber als notwendigen Preis für den Autonomiegewinn (vgl. Schiek und Apitzsch 2013, S. 187). Stabile Arbeitsverhältnisse werden als kreativitätseinschränkend konzipiert (vgl. ebd.). Die volatilen Beschäftigungsbedingungen bieten den Medienschaffenden aus ihrer Perspektive nicht nur Abwechslung, sondern ermöglichen ihnen überhaupt erst, ihr kreatives
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Potenzial zu entfalten (vgl. Koppetsch 2006b, S. 160).16 Kurze Verträge machen es erst möglich, in verschiedenen Genres vielfältige Erfahrungen zu sammeln (vgl. Paterson 2001, S. 208) – in der Hoffnung, dass vielfältige Erfahrungen in der Branche zukünftige Jobs sichern (vgl. Schiek und Apitzsch 2013, S. 197). Tatsache bleibt schließlich, dass sich die projektbasiert tätigen Medienschaffenden in einem Prozess permanenter Jobsuche befinden. Diese Notwendigkeit, kontinuierlich nach dem nächsten Projekt Ausschau zu halten, hinterlässt bei einigen ein Gefühl von Unsicherheit und Nervosität (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2010, S. 12). Zugleich haben die Medienschaffenden Strategien entwickelt, um ihre ökonomische Unsicherheit zu verringern, indem sie beispielsweise für mehrere Auftraggeber*innen arbeiten (vgl. ebd., S. 13). Um finanziell über die Runden zu kommen, nehmen sie darüber hinaus ggfs. auch Jobs außerhalb ihrer Branche an (vgl. Marrs und Boes 2003, S. 207 f.; Paterson 2001, S. 210) oder setzen auf familiäre Unterstützung (vgl. Marrs 2007, S. 168; Randle und Culkin 2009, S. 104). Die Bereitschaft, zunächst auf persönliche Quersubventionierung zu setzen, gründet nicht zuletzt in dem Glauben, dass auf den schlecht bezahlten Job sicherlich bald ein besser bezahlter folge (vgl. Wirth 2010, S. 139). Zusätzlich zum Gefühl der Unsicherheit kann bei Freiberufler*innen das Gefühl der Isolation demotivierend wirken (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2010, S. 16). Dass überhaupt ein Isolationsgefühl aufkommen kann, mag ein Stück weit paradox wirken, ist doch der beständige Austausch mit anderen eine der Grundfesten kreativer Arbeit: Eng gekoppelt an die Notwendigkeit einer beständigen Jobsuche ist die Notwendigkeit des Netzwerkens – Manske und Schnell (2010, S. 712) sprechen vom „Netzwerkparadigma“. Das Networking ist integraler Teil der Arbeit (vgl. Randle und Culkin 2009, S. 101). Persönliche Kontakte zu anderen Medienschaffenden sind essenziell, um Jobs zu bekommen, von anstehenden Projekten zu erfahren und sich über Branchenstandards zu informieren (vgl. Apitzsch 2013, S. 135). Das Networking ist die Basis und Ausgangspunkt der feldspezifischen Sozialisation (vgl. Turow 1997, S. 194). Die persönlichen Kontaktnetzwerke bestimmen die Arbeitsweise und die Karriereentwicklung: Das Arbeiten erfolgt entlang von „trust and a feeling of camaraderie“ (Christopherson 2008, S. 89) – Lundin und Norbäck (2009, S. 115) sprechen gar von einem erzwungenen Teamgeist. Zudem entscheiden die Netzwerke nicht nur über die Beständigkeit 16
Solch eine Sichtweise der Feldakteur*innen selbst impliziert, dass Kreativität zur Rhetorik und zur Eigenschaft eines bestimmten, nämlich – zumindest für einen erheblichen Teil der Medienschaffenden (vgl. Wirth 2010, S. 138; vgl. auch Ausführungen unten) – prekären Berufs- und Arbeitsprofils wird, statt einen spezifischen Arbeitsprozess zu beschreiben (wie es diese Arbeit annimmt). Andersherum knüpfen die Medienschaffenden bei eben diesen Eigenschaften an, um ihren Tätigkeitsprozess zu beschreiben.
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der Karriere und das „berufliche Fortkommen“ (Marrs und Boes 2003, S. 203), sondern auch über einen erfolgreichen Einstieg in die kreativen Branchen (vgl. Christopherson 2008, S. 89; Paterson 2001, S. 209). Jobs bekommt man auf der Basis dessen, wie, mit wem und in welchen Projekten man zuvor gearbeitet hat (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 112; von Rimscha und Siegert 2015, S. 147; Wirth 2010, S. 138). Eine gewisse personelle Kontinuität ist wichtig, um zu wissen, wie die Leute arbeiten und ob man mit ihnen auskommt (vgl. Graf 2010, S. 94; Starkey et al. 2000, S. 303). Tatsächlich werden Medienschaffende auch schnell mit bestimmten Arten des Fernsehmachens und damit auch mit bestimmten Genres assoziiert: Die Fluktuation innerhalb eines Genres ist daher hoch, jene zwischen verschiedenen Genres eher gering (vgl. Tunstall 2001b, S. 195). Medienschaffende pflegen ihre Kontakte auch und vor allem außerhalb gemeinsamer Projektarbeit (vgl. Wirth 2010, S. 51). After-Work-Treffen und andere soziale Events sind ein wichtiger Ort dafür (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2010, S. 13 f.). Ansatzpunkte für das Netzwerken sind leicht zu finden, weil die Fernsehproduktion eine kollegial-freundschaftliche Branche ist, die in das Privatleben – beispielsweise beim gemeinsamen Absacker-Bier – reicht. Produktionsunternehmen fördern mitunter den Austausch zwischen Mitarbeiter*innen, z. B. während gemeinsamer Mittagspausen (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2008, S. 111). Dennoch ist es schwierig, die guten Beziehungen im stressigen, (rollen)konfliktreichen Alltag aufrecht zu erhalten (vgl. ebd., S. 111 f.). Grundsätzlich ist es für Medienschaffende u. U. problematisch, die Kontakte zu Kolleg*innen auf der gleichen Funktions- und Tätigkeitsstufe zu stabilisieren, da die Feldstrukturen insbesondere vertikale und weniger horizontale Beziehungen befördern (vgl. Apitzsch 2013, S. 136): Medienschaffende sind auf eine gute Beziehung zu Vorgesetzten angewiesen, auch um sich zukünftige Jobs zu sichern (vgl. auch Lundin und Norbäck 2009, S. 115); zugleich brauchen sie innerhalb ihrer Gewerke einen guten Kontakt zu jenen Kolleg*innen, mit denen sie gut auskommen, Arbeitsweisen und Visionen teilen. Am Ende bestärken solche netzwerkbasierten Arbeitsstrukturen tendenziell eher eine Fragmentierung denn kollektives Handeln (vgl. Apitzsch 2013, S. 137) und legen tatsächlich den Grundstein für eine mögliche Isolation von Einzelpersonen. Das Netzwerken ist jedoch nicht nur für jene Medienschaffenden von Bedeutung, die die vielfältigen ausführenden kreativen, technischen, administrativen und handwerklichen oder projektbezogen leitenden Aufgaben übernehmen (vgl. die Rollendifferenzierung in Abschnitt 5.3.1.1 und Tabelle 5.3), sondern auch für die Produzent*innen, die auf eine gute Beziehung zum Sender als Auftraggeber angewiesen sind (vgl. auch Abschnitt 3.2.4).
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Nachteile des Networking-Drucks entstehen vor allem für diejenigen, die sich nicht als so genannte Socialiser-Typen verstehen und das Netzwerken daher als anstrengend empfinden (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2010, S. 14). Das Netzwerken ist schlichtweg auch mit einem hohen Zeitaufwand verbunden (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 108) – ein Dilemma für diejenigen, die noch nicht ausreichend etabliert sind, da sie nur schwer das begrenzte und zumeist schon für etablierte Partner*innen reservierte Networking-Zeitkontingent jener Personen anzapfen können, die die Jobs vergeben (vgl. Apitzsch 2013, S. 136 f.). Die über das persönliche Netzwerk erreichte Positionierung im Feld (vgl. Manske und Schnell 2010, S. 712) muss außerdem beständig durch kontinuierlich gute Arbeit, Weiterbildung und Reputationspflege bestätigt (vgl. Jones 2001, S. 64 f.), d. h. im Kampf um die Deutungshoheit im Feld verteidigt werden. Problematisch werten einige Autor*innen darüber hinaus, dass die personellen Netzwerke ein spezifisches Status-System schaffen und festigen (vgl. Ursell 2000, S. 821): Christopherson (2008, S. 89 ff.) ermittelte für die US Film- und TVUnterhaltungsproduktion, dass die Netzwerke wesentlich von weißen Männern kontrolliert wurden und auch noch werden (vgl. auch Gill 2013, S. 200). Hinweise auf eine Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern in der deutschen Fernsehunterhaltungsproduktion gibt es im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Viele medienschaffende Frauen sind angesichts der prekären Beschäftigungsbedingungen kinderlos (vgl. Marrs 2007, S. 124; Marrs und Boes 2003, S. 231). Die Fernsehbranche ist ein hochkompetitiver Markt für den Nachwuchs (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2010, S. 7). Begünstigt wird, wer gut darin ist, sich selbst zu vermarkten (vgl. Grugulis und Stoyanova 2009, S. 136; Marrs und Boes 2003, S. 202). Wenn nicht schon Kontakte bestehen, muss man für den Zutritt zur Branchencommunity entweder die eigene Ausbildung durch eigene Projekte aktiv fördern – um Erfahrungen zu sammeln und etwas vorweisen zu können – oder aber Glück haben: Der erste Schritt kann gelingen, weil man zufällig genau auf ein gesuchtes Profil passt oder zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist (vgl. Grugulis und Stoyanova 2009, S. 142). In jedem Fall muss der Medienproduktionsnachwuchs für den Berufseinstieg eine hohe Motivation (vgl. auch Randle und Culkin 2009, S. 102) sowie ausgeprägte soziale Fähigkeiten mitbringen (vgl. Jones 2001, S. 62). Einen typischen Ausbildungsweg sowie einen beschränkten oder zumindest formalisierten Berufsfeldzugang gibt es in der Film- und Fernsehproduktion schließlich nicht (vgl. Tunstall 2001b, S. 201). Kennzeichnend für die Branche sind wenige geregelte Ausbildungswege und Berufe sowie viele Quereinsteiger (vgl. Marrs und Boes 2003, S. 200; vgl. auch Cantor 2001, S. 180). Die Ausbildung wird nicht durch Unternehmen, sondern durch Kurzzeit-Projekte
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strukturiert und ermöglicht (vgl. Apitzsch 2013, S. 124). Die notwendigen Qualifikationen – dazu gehören auch Soft Skills wie „Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Leidensfähigkeit, Streßresistenz [sic!] und Belastungsfähigkeit“ (Marrs und Boes 2003, S. 201) – erwerben die Neueinsteiger*innen über das Lernen im Beruf: Branchenvertreter*innen selbst meinen, die notwendigen Fähigkeiten „kann man eigentlich nicht wirklich lernen“ (Stein und Schulz 2002, S. 7) und verweisen daher „gern auf den Königsweg des ‚training on the job‘ […]“ (ebd.; vgl. auch Iljine und Keil 2000, S. 171; Randle und Culkin 2009, S. 103). Das gegenseitige Lernen und das Anlernen von Neulingen ist für die Feldakteur*innen daher eine Selbstverständlichkeit (vgl. Grugulis und Stoyanova 2009, S. 145), aber kein Automatismus: Voraussetzung für ein erfolgreiches learning by doing ist „eine hohe Eigeninitiative der Person“ (Marrs und Boes 2003, S. 200). Und problematisch bleibt in diesem Qualifizierungssystem der allererste Schritt: „Wie komm man an den Job für das Training, und wer ist der Trainer?“ (Stein und Schulz 2002, S. 7) Das Prinzip des ‚learning on the job‘ gilt auch für Koordinations- und Leitungsfunktionen. Medienschaffende wachsen in ihrer Branche und lernen durch Positionswechsel, d. h. sie arbeiten sich langsam nach oben (vgl. Cantor 1988, S. 77 ff.; Lundin und Norbäck 2009, S. 114; Tunstall 2001b, S. 201). Tätigkeiten als Aufnahmeleitung oder Produktionsassistenz gelten als hinführende Berufe auf dem Weg zum Produzent*innenberuf (vgl. Iljine und Keil 2000, S. 171). Weiterbildungsangebote auf dem freien Markt sind sehr heterogen; institutionalisierte Aus- und Fortbildung gibt es nur vereinzelt (vgl. Fröhlich 2010b, S. 217). Dennoch erweitert sich mit der Entstehung einschlägiger Studiengänge der Pool der Medienschaffenden sukzessive um „[j]unge und zugleich formal gut qualifizierte Arbeitskräfte“ (Wirth 2010, S. 141). Im Mangel formaler Qualifizierungen sehen Lundin und Norbäck (2009, S. 114) den Grund dafür, dass praktische (d. h. die Durchführung konkreter Sendungsproduktionen) gegenüber strategischen Geschäftsprojekten dominieren.
5.3.2.3 Selbstverwirklichung, Selbstausbeutung und die Hierarchisierung personeller Inputs Die Arbeitsbelastung in der Film- und Fernsehproduktion ist – zumindest phasenweise – sehr hoch (vgl. Tunstall 2001b, S. 194). Lange Arbeitstage, die mit zehn, zwölf oder 14 Arbeitsstunden weit über die Länge eines normalen Arbeitstages hinausgehen, sind eher die Regel, denn die Ausnahme (vgl. Apitzsch 2013, S. 124 f.; Marrs 2007, S. 109 f.; Paterson 2001, S. 205). Insbesondere in der Produktionsphase, d. h. vor allem während des Drehs, reichen die Arbeitstage mancher Gewerke von den frühen Morgen- bis in die späten Abendstunden
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(vgl. Marrs 2007, S. 110 f.). Nur so ist es in der Regel möglich, das vorgegebene Drehpensum eines Tages auch zu bewältigen: Der Effizienzdruck, dem die Produzent*innen ausgesetzt sind (vgl. Abschnitt 3.2.3), resultiert in sinkenden Gesamtbudgets, geringeren Minutenpreisen und/oder weniger, weil teuren Drehtagen, während der Umfang der Sendungsminuten gleich bleibt (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 100; Marrs 2007, S. 113; Wirth 2010, S. 141). Den Druck, Kosten zu sparen, geben die Produzent*innen an das Projektpersonal weiter (vgl. Wirth 2010, S. 141). Schließlich sind die Personalkosten in der Regel die größte Kostenposition einer Kalkulation (vgl. Castendyk und Goldhammer 2012, S. 101). Damit steigt potenziell die Dichte eines Drehtags – notwendige Nachdrehs oder Drehunterbrechungen (durch Unwetter, technische Störungen u. ä.) verschärfen den Druck (vgl. Marrs 2007, S. 113 f.). Zur zeitlichen kommt die räumliche Unbeständigkeit der Arbeit, weil der Arbeitsort – erneut vor allem in den Drehphasen – variiert (vgl. Marrs 2007, S. 115 f.; Wirth 2010, S. 139 f.). Die Arbeit ist damit nicht nur ungeregelt, sondern auch fremdbestimmt: Arbeitszeiten und -orte werden von der Disposition, die die Drehpläne erstellt, vorgegeben (vgl. Marrs 2007, S. 111). Diese Arbeits- und die oben beschriebenen Anstellungsbedingungen schrecken jedoch nicht von einer Tätigkeit in der Film- und Fernsehproduktionsbranche ab. Ganz im Gegenteil gibt es einen großen Pool von Medienschaffenden, die sich bewusst, motiviert und in voller Überzeugung ihres Tuns in das Feld und die dortigen Beschäftigungsstrukturen begeben. Hesmondhalgh und Baker (2011) haben kreativ Arbeitende in der Fernseh-, Musik- und Printmagazinbranche, ihr Arbeitsprofil und ihre Arbeitsbedingungen untersucht und beschreiben auf dieser Basis die Ambivalenz von Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung als Charakteristikum kreativer Arbeit. Angetrieben von einer intrinsischen Motivation und der Erfahrung kreativer Autonomie sind die Medienschaffenden bereit, selbstausbeuterisch zu handeln (vgl. ebd., S. 136 f.). Marrs und Boes (2003) sprechen von einer besonderen Verbindung von Arbeit und Leben: „Selbstbestimmung, Autonomie und kreative Verwirklichung“ (ebd., S. 205) sind die Ansprüche, die die Medienschaffenden an beides anlegen. Diese enge Kopplung der beruflichen Tätigkeit an die eigene Person und das Leben insgesamt, ergibt sich nicht zuletzt aus dem Charakter symbolischer Kreativität (vgl. Abschnitt 5.3.1.4) und spiegelt sich sogleich auch in der engen Verbindung der Medienschaffenden zu ihrem Werk (vgl. Abschnitt 5.3.3.2). Die Leidenschaft, die sie dabei mit ihrem Berufsfeld verknüpfen (vgl. Marrs und Boes 2003, S. 206) geht so weit, dass die schiere Zugehörigkeit zum Feld den Job aufwertet – unabhängig von der eigentlichen Tätigkeit (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 79, vgl. auch Schiek und Apitzsch 2013, S. 194). Vor diesem Hintergrund kritisiert Christopherson (2008,
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S. 92), dass und wenn die Strategien und das Handeln und damit auch die selbstausbeuterischen Tendenzen der kreativ Arbeitenden eher auf ihre persönlichen Motive denn auf den Einfluss des ökonomischen Kontextes zurückgeführt werden. Tatsächlich besteht zwischen dem, was und wie die Medienschaffenden Dinge tun, und den strukturellen Bedingungen – wie es ja auch die theoretische Prämisse dieser Arbeit ist – eine rekursive Beziehung, die eine einseitige ‚Schuldzuweisung‘ für die prekären Arbeitsbedingungen erschwert (vgl. auch Ursell 2000, S. 821). Vor dem Hintergrund einer Tendenz zur einseitig positiven Deutung des Kreativitätsbegriffs und daran anknüpfend auch der kreativen Arbeit17 , betonen Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 5 f.), dass die Kreativwirtschaft nicht automatisch als Insel der beruflichen Glückseligkeit missinterpretiert werden darf. Ihre Gegenüberstellung von Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung soll zeigen, dass – kritisch betrachtet – Kreativität folglich die Grundlage und der Ausgangspunkt für Ausbeutung sein kann (vgl. ebd., S. 7). Das Spannungsverhältnis zwischen Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung gilt nicht für alle Medienschaffenden gleichermaßen. Einer Vielzahl von Verlierern, die sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden, stehen wenige Gewinner gegenüber, die es verstehen, die Feldstrukturen für sich zu nutzen und davon zu profitieren (vgl. Windeler und Wirth 2004, S. 307; Wirth 2010, S. 138). Die Verdienstniveaus der Medienschaffenden variieren zum Teil erheblich (vgl. Paterson 2001, S. 203). Gerade auf den untersten Einkommensniveaus verschwimmen die Grenzen zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 13 f.). Zum Nachteil der Verliererfraktion geriert, dass sich der Arbeitskräftepool „in einen Kern und eine Peripherie“ (Wirth 2010, S. 139) aufteilt, d. h. nicht nur, dass einige Funktionsrollen wichtiger als andere sind, sondern auch, dass einige Medienschaffenden häufiger, andere seltener für ein Projekt rekrutiert werden (vgl. ebd.). Da das Qualifizierungssystem, wie oben beschrieben, nicht auf formalen Qualifikationen basiert und ein*e Medienschaffende*r die eigenen Fähigkeiten daher vorrangig durch vorherige Projekte belegen kann, reproduzieren und verstärken die etablierten Branchenpraktiken diese Tendenz zur Hierarchisierung und Segmentierung auf Ebene der Individuen: Jene, die sich im Feld bereits erfolgreich positioniert haben, haben die Chance an weiteren anspruchsvollen, reputationsförderlichen und/oder hoch budgetierten Projekten mitzuarbeiten. Auf dieses Weise erweitern sie die Liste ihrer Leistungsnachweise: 17
Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 5 f.) kritisieren hier vor allem Richard Florida (2003) und sein viel beachtetes Werk über die kreative Klasse. Die ihm vorgeworfene mangelnde kritische Auseinandersetzung mit dem Thema wird mittlerweile ein Stück weit seinem neuen Buch – „The new urban crisis“ – zuerkannt (vgl. Wainwright 2017). Florida (2017) reflektiert darin die urbane Entwicklung.
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„Proven track records“ (Bielby und Bielby 1994, S. 1308; Nicoli 2010, S. 41), d. h. eine Liste bereits erfolgreich abgeschlossene Projekte, sind parallel zum persönlichen Kontakt Ausweis des Könnens, des Fertigkeitsprofil und der Zuverlässigkeit, d. h. der Reputation der Medienschaffenden und daher eine wichtige Entscheidungsgrundlage für jene, die Projektgelder vergeben und Projektstellen besetzen (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 227; Nicoli 2010, S. 169 f.; von Rimscha 2010, S. 95, 119, 163 f.; Zabel 2009, S. 44). Nicht nur die intrinsische Motivation, sondern schlichtweg das Bestreben, Kontakte aufzubauen und das eigene Können auch durch Verweis auf fertige Projekte nachzuweisen, führen letztlich zur Bereitschaft für wenig oder gar kein Geld zu arbeiten (vgl. Randle und Culkin 2009, S. 102, 106). Persönliche Befriedigung und Erfahrungsaufbau fungieren gleichermaßen ein Stück weit als Ersatz für eine monetäre Vergütung. Abseits des Talents, soziales Kapitel erfolgreich zur Positionierung im Feld einzusetzen, spielt das kulturelle Kapital über das Erfahrungswissen hinaus eine wichtige Rolle bei der Frage, wer zu den Verlierer*innen und den Gewinner*innen der Branche zählt – das heißt: auch in der kreativen Arbeit gibt es Leute, die besser oder schlechter sind in dem, was sie tun. Caves (2000; 2003) hat dafür die Schlagwörter der „A list“ und „B list“ geprägt. Mit praktischer Erfahrung können Kreative ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zwar erweitern, am Ende besetzen sie dennoch ‚unterschiedliche Kompetenzplateaus‘ (Caves 2000, S. 7). Wie hoch diese Plateaus angesiedelt sind, entscheiden das Urteil der Feldakteur*innen und der Erfolg der Produkte (vgl. Caves 2000, S. 85, 127, 2003, S. 80). Die Kreativen selbst strahlen die Hierarchisierung über ihre „artistic authority“ aus, diese meint „the specific form of power wielded by cultural workers which flows from recognition of their capacities as various forms of artist“ (Ryan 1991, S. 129). Wer zur A-list gehört, hat Aussicht auf prestigeträchtige Projekte und gute Bezahlung. Dies gründet zum einen in der Annahme, dass die Qualität des Produkts durch Erhöhung der Fixkosten (z. B. Investitionen in eine bessere Technik wie Special Effects) gesteigert werden könne (vgl. Caves 2003, S. 80). Die Branche bevorzugt die A-List im Besetzungsprozess vor allem aber auch deshalb, weil das als besonders gut geltende und daher teurere Personal auch tatsächlich bessere Leistung liefert und weil das Renommee dieser Personen auf andere Medienschaffende (vgl. Kiefer und Steininger 2014, S. 227), vor allem aber auch andere Zuschauer*innen, ausstrahlt. Hervorstechende Einzelpersonen, so genannte Stars, die als Regisseur*innen, Produzent*innen, Autor*innen, Schauspieler*innen o. ä. eines bestimmten Projekts oder gar mehrerer Sendungen berühmt geworden sind (vgl. Negus und Pickering 2004, S. 58), können die Erwartungshaltung des Publikums auffangen und damit Konsumtionsrisiken reduzieren (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 31 f.; Ryan 1991, S. 198 ff.; vgl. auch Abschnitt 5.1.3). Jedoch gibt es
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
in Deutschland kaum Stars mit starkem Sogeffekt auf die Rezipient*innen (vgl. von Rimscha 2010, S. 258 f.). Und die beständige Produktion von Stars entlang der Ökonomie der Aufmerksamkeitserzeugung entwertet den*die Einzelne*n (vgl. Renner 2012, S. 58).
5.3.3
Feldspezifische Kreativitätsdefinition: Verständnis von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion
Kreativität lässt sich den theoretischen Prämissen dieser Arbeit folgend nur über das feldinhärente Verständnis des Begriffs fassen und analysieren. Es sollen daher im Folgenden Erkenntnisse zum Kreativitätsverständnis Medienschaffender18 beschrieben werden. Wesentliche Erkenntnisquelle ist dabei eine Sekundäranalyse von 18 Interviews mit in der Fernsehunterhaltungsproduktion tätigen Personen (Freiberufler*innen, Produzent*innen- und Sendervertreter*innen), die im Rahmen des Projekts „Management kreativitätsintensiver Prozesse“ des memiInstituts Köln und des ERCIS Münster geführt wurden (für eine Beschreibung des Samples und des methodischen Vorgehens vgl. Anhang I und Anhang II im Elektronischen Zusatzmaterial).19 In die Ergebnisdarstellung werden Erkenntnisse aus der Literatur und weiteren Studien integriert. Die Ergebnisse der Sekundäranalyse sind eine wichtige Grundlage für eine Konkretisierung des feldspezifischen Kreativitätsbegriffs. Zugleich erlaubt es die Analyse, die Anwendbarkeit der praxistheoretischen Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand zu eruieren (vgl. Abschnitt 6.2). Erkenntnisse, die sich mit dem praxistheoretischen Begriffsinstrumentarium präzisieren lassen, sollen daher entsprechend herausgehoben werden. In diesem Zusammenhang wird von einer erheblichen Relevanz des Individuums, seiner Sozialisation und Position im Feld ausgegangen. Daher erfolgt, wo erheblich, auch eine Differenzierung der Ergebnisse nach Rollen (vgl. für die Rollendifferenzierung Abschnitt 5.3.1.1 und Tabelle 5.3), d. h. einbezogen in die Analyse wird auch der Hintergrund der Personen, wie sie ihn selbst in den Interviews beschreiben. Eine künstlerisch-kreative Sozialisation (auf die punktuell verwiesen wird) meint dabei in einer engen Perspektive, dass die Personen 18
Die Auswertung der Interviews erfolgte auf Wunsch der Gesprächspartner*innen wie auch der Vertreter*innen des ManKIP-Projekts anonymisiert. Lediglich wenn die genaue Funktion einzelner Gesprächspartner*innen wesentlich für das Verständnis ist, wird die Funktion benannt. 19 Zentrale Ergebnisse dieser Analyse wurden bereits in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster auf einer fachwissenschaftlichen Tagung präsentiert (vgl. dazu Przybylski et al. 2013).
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
311
gestalterische Berufe, z. B. Herrenschneider*in (ausgenommen sind damit Ausbildungen in technischen Berufen oder redaktionelle Ausbildungen), erlernt haben oder in ihrer derzeitigen oder einer früheren kreativ-gestalterischen Rolle (z. B. als Autor*in oder Regisseur*in) einen wesentlichen Erfahrungsschatz aufgebaut haben.
5.3.3.1 Die Bedeutung von Kreativität in der Unterhaltungsproduktion Eine Analyse der Interviews zeigt, dass alle Befragten ihre Tätigkeit, das Produkt, das sie herstellen, oder aber (auch) die Umgebung, in der sie arbeiten, als durch besondere Faktoren gekennzeichnet sehen. Diese Faktoren assoziieren sie mit dem Begriff „kreativ“ bzw. „Kreativität“. Die Kreativen beschreiben ihre Tätigkeit und auch ihr alltägliches, berufliches Handeln als kreativ, wenn auch dies noch nicht als eindeutige Aussage über die Quantität kreativen Handelns gedeutet werden kann. Auch die Rollen der Kreierenden beinhalten organisatorische und koordinierende Tätigkeiten, die sogar einen Großteil der Arbeitszeit beanspruchen und das kreative Arbeiten zeitweise überlagern können, wie eine Szenenbildnerin beschreibt: „[D]ann sitzt man am Wochenende und denkt sich manchmal die Sachen erst mal aus, wenn man Pech hat. Weil vieles in der Organisation hängen bleibt an Zeit, und das macht man so ein bisschen nebenbei manchmal.“ [K2]
Trotz allem ist das Verständnis der Arbeit als kreativ davon nicht berührt: Ihr kreatives Selbstverständnis überstrahlt die nicht kreativen Tätigkeiten. Die analysierten Interviews geben zwar keinen Aufschluss darüber, ob und inwieweit die befragten Freelancer*innen zusätzlichen Tätigkeiten nachgehen, aber sie zeigen: Ein Selbstverständnis als kreativ Arbeitende*r schließt Tätigkeiten der Organisation, der Koordination und des Managements ebenso ein wie das kreative Schaffen. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Verweis auf Ergebnisse der Journalismusforschung, die zeigen, dass im Journalismus jene Tätigkeiten, die als grundsätzlich journalistisch gelten, quantitativ „eine Restgröße“ (Altmeppen und Quandt 2002, S. 50) darstellen und andere Tätigkeitsmuster (z. B. Koordination) dominieren (vgl. Altmeppen 1999). Es stellt sich folglich die Frage, wie viel Kreation und Kreativität eigentlich tatsächlich in dem steckt, was Kreative in ihrem beruflichen Alltag machen. Studien, die das genaue Tätigkeitsprofil der Medienschaffenden nachzeichnen, fehlen bisher (vgl. die methodischen Empfehlungen in Abschnitt 7.1).
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Genauso stellt sich die Frage, wie viel Kreativität in Aufgaben steckt, die originär nicht als kreativ wahrgenommen werden. Personen, die primär betriebswirtschaftliche Managementfunktionen übernehmen, können auch als kreative Manager*innen bezeichnet werden, weil sie ein ausgeprägtes Verständnis für die Besonderheit ihres kreativen Produktes und des kreativen Kontextes haben, in dem sie sich bewegen. Ohne explizit nach der Bedeutung von Kreativität gefragt zu werden, heben einige Produzent*innen- und Sendervertreter*innen Kreativität als Kerncharakteristikum der Unterhaltungsproduktion hervor. Dieses Charakteristikum hebt die eigene (unternehmerische) Tätigkeit von anderen unternehmerischen Vorhaben ab. Ein Produktionsunternehmen ist „ein kreatives Unternehmen“ [M1]. „Kreativität ist das Herz von diesem Unternehmen“ [CS3]. „Kreatives Potenzial“ zu entwickeln ist „unser Kerngeschäft“, da „unser Produkt […] nun mal überwiegend ein kreatives Produkt [ist]“ [M5]. Und „[d]ie Herausforderung [der Gesamttätigkeit, Anm. d. Verf.] ist natürlich, eben diese Kreativität […] nicht zu verlieren“ [M8]. Trotz allem betrachten nicht alle Befragten Kreativität als exklusives Charakteristikum medialer Produktion. Unterschiedliche Rollenträger wenden ein: „Kreativität hört sich immer so spektakulär an, das hat man aber in allen Lebensbereichen“ [CS4] und ziehen Vergleiche zu anderen beruflichen Tätigkeiten – sei es jener einer Obsthändlerin oder eines Postbediensteten –, die „wahrscheinlich […] da auch kreativ sein“ [M8] müssen. Hier deutet sich gar ein Joas’sches Kreativitätsverständnis an (vgl. Abschnitt 4.5). Dennoch erkennen auch diese Befragten an, dass sich die Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion „anders irgendwie darstellt“ [CS4] und im Vergleich zu anderen Professionen den „Hauptteil der Arbeit“ [M8] darstellt. Kreativität sticht in der subjektiven Feldsicht folglich quantitativ, ggfs. auch qualitativ heraus. Letzterer Aspekt rückt im Folgenden ins Blickfeld, wenn beschrieben wird, was Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion ausmacht.
5.3.3.2 Allgemeine Definitionen von Kreativität und kreativen Prozessen Kreativität ist ein Prozess der Kreation, d. h. ein Prozess, bei dem etwas aus der Vorstellungskraft heraus geschaffen wird. Diese Idee der Kreativität als Prozess der Kreation vertreten die Träger*innen kreierender Rollen bzw. jene – nun nicht mehr in der Rolle des Kreativen tätige – Medienschaffende, die selbst einmal in künstlerischen Berufen tätig waren. Die künstlerische Sozialisation prägt hier die Vorstellung von Kreativität. Dabei scheint sich in den Vorstellungen der Kreativen auf den ersten Blick das weit verbreitete Bild der Künstler*innen, die durch
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
313
(göttliche) Eingebung zum schöpferischen Handeln befähigt werden, widerzuspiegeln. Jedoch ergibt sich diese Vorstellungskraft nicht aus dem Nichts und auch nicht aus der isolierten Gedankenwelt einer Person heraus, sondern speist sich aus den Impulsen der sozialen Umgebung – die sich beispielsweise aus gezielter Recherche ergeben – „Wenn ich so historische Sachen mache, dann nehme ich sehr wohl Bücher zur Inspiration“ [K1] – und in assoziativem Denken weiterentwickelt werden: „Das ist ja eigentlich die Basis von Kreativität, dieses freie assoziative Denken – diesen Freiraum muss man haben.“ [M7] Kognitive Prozesse sind in der Wahrnehmung der künstlerisch sozialisierten Medienschaffenden folglich ein Ausgangspunkt für Kreativität. Die Befragten betrachten jedoch nicht die Imagination selbst, sondern primär die Kanalisierung und Umsetzung dieser Vorstellungen als Kreativität. Die Kanalisierung der Impulse resultiert in kreativen Prozessen. Und diese Umsetzung vollzieht sich – darauf verweisen fast alle Befragten – überwiegend in Teams20 . Kreation kann folglich die Leistung einer Gruppe sein. Kreativität ist es allemal, denn die Anwendung des Begriffs Kreativität reicht deutlich über diese kreierenden Tätigkeiten hinaus. Das Zitat eines Produzenten verdeutlicht dies: „Wir sind ja herkömmlich ein kreatives Unternehmen. Aber es gibt hier Leute, die sich verstehen als Menschen, die ausschließlich kreativ arbeiten, und wir haben Menschen, die sich als eher organisatorisch arbeitend verstehen würden. Bei denen würde ich behaupten, dass dort genauso Kreativität dazugehört.“ [M1]
Ein über Rollengrenzen hinweg wichtigstes Stichwort zur Beschreibung von Kreativität ist die Neuheit. Aus dem Prozess des Schaffens muss etwas Neues entstehen, ein neues Ergebnis. „[W]enn der Moment des Neuen nicht kommt, dann kann man nicht von Kreativität sprechen“ [K4]. Das zeigt sich auch darin, dass über Kreativität zu sprechen für die Befragten häufig bedeutet, über Ideen zu sprechen. ‚Kreativ sein‘ und ‚Ideen haben‘ verwenden sie häufig synonym. Kreativ sein bedeutet zudem, einen nicht vorgegebenen (Lösungs-)Weg zu bestreiten. „Gut, also selbst die Mathematik ist ja ab einem bestimmten Punkt kreativ. Aber wenn es erst einmal um einfache Rechenoperationen geht, ist sie nicht kreativ, weil es gibt einen vorgegebenen Weg, den man zu beschreiten hat. […] Wenn man jetzt zum Schreiben kommt, dann steigt der Grad an Kreativität sehr stark an. Es gibt Hunderte, Tausende von Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen.“ [K4]
20
Nur vereinzelt verweisen Befragte auf Kreativität als Einzelleistung bzw. mögliche Nachteile und kreativitätshemmende Effekte von Teamwork. Mehr dazu in den Ausführungen zur spezifischen Kreativität des Feldes.
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Kreativität setzt an Bestehendes an, orientiert sich an bestehenden Grenzen und überschreitet diese. Ein Drehbuchautor fasst zusammen: „Also Kreativität ist, wenn man viele verschiedene Möglichkeiten hat und neue Möglichkeiten auch erfinden muss.“ [K4] Kreativität bedeutet, bestimmte Regeln zu befolgen und andere zugleich zu brechen „Naja, ich finde halt die Definition sehr schwierig, weil Kreativität ja eigentlich ein Prozess ist, der entsteht, indem man sich im Fernsehbereich oder im Produktionsbereich über eine Grundidee Gedanken macht, dann versucht, anders zu denken, dann bestimmte Regeln, die sicher existieren, also grobe Regeln, zu sagen, wie funktioniert eine Serie, ein Movie, zum Teil dann auch wieder konterkarieren und umdrehen […].“ [M8]
Dies Aussage verweist bereits auf ein prozessuales Kreativitätsverständnis: Kreativität findet in Prozessen statt. Es kann sich dabei sogar um Prozesse handeln, die zwar im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel in Gang gesetzt werden, die aber als kreative Prozesse gelten unabhängig davon, ob sie dieses Ziel auch wirklich erreichen: „[D]as [kreativ sein, Anm. d. Verf.] ist ja der Hauptteil der Arbeit, zu sagen, lass uns mal rumspinnen, lass uns mal überlegen, was können wir neu machen, wie können wir die Leute unterhalten.“ [M8] Dieses prozessuale Verständnis ist jedoch nicht von einer Ergebnisperspektive entkoppelt. Kreativität als Prozess beschreiben die Medienschaffenden als Prozess, an dessen Ende ein Ergebnis – welcher Qualität auch immer – stehen sollte. Die Zielgerichtetheit impliziert bereits, was andere Aussagen bestätigen: Kreativität bedeutet Anwendung. Eine neue Idee reicht nicht zur Kreativität; eng mit ihr verbunden ist die Fähigkeit, die Idee für den Kontext angemessen umzusetzen, Bestehendes angemessen weiterzuentwickeln.21 Entsprechendes haben auch Hutton et al. (2005), genauso wie Nicoli (2010, S. 41) in ihren Untersuchung von Fernsehmacher*innen in der BBC festgestellt: „[E]xecution is integral to the creative process.“ (Hutton et al. 2005, S. 21) Kreativität im Sinne angemessener Anwendung schlägt dabei auch eine Brücke zur Idee des Handwerks: „ […] [L]etzten Endes hat die Umsetzung der eigenen Kreativität ja viel mit Handwerk zu tun, das muss man ja auch mal so sehen. Es nützt mir ja nichts, wenn ich nur Ideen habe, aber nichts aufschreiben kann oder nichts mal irgendwo ein bisschen weiterführen kann.“ [M3]
21
Wie sich diese Anwendungskomponente von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion spezifisch gestaltet, wird weiter unten ausgeführt.
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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Interessanterweise verweisen insbesondere Medienschaffende, die ihre aktuelle Position in der Fernsehproduktion nicht über eine kreative Rolle erreicht haben, auf die Verbindung der beiden Begriffe. Eine Erklärung dafür wäre, dass die nicht kreativ sozialisierten Medienschaffenden von nicht näher spezifizierbaren Kategorien wie Impuls und Imagination Abstand nehmen und stattdessen die Erlernbarkeit der Kreativität hervorheben, so wie sie sie selbst erlebt haben. Dieser Idee folgend beschreiben sie handwerkliche Fertigkeiten als Basis kreativen Schaffens: „[I]ch muss das Handwerk, also die Kameraführung, das ist ganz wichtig, dass man das beherrscht, dass alles funktioniert, und zwar gestalterisch wie auch technisch. Das sind so für mich die Grundvoraussetzungen. Und daraus kann man dann im Endeffekt schöpfen.“ [K3]
Noch deutlicher setzt ein Produzent den Bezug, wenn er sagt: „Kreative Arbeit ist das handwerkliche Können, irgendwie schon Vorhandenes so zusammenzustellen, dass es irgendwie aktuell ist und dass es Spaß macht“ [M2]; und damit Kreativität und Handwerk auf eine Ebene stellt, jedoch nicht gleichsetzt, wie im weiteren Verlauf des Interviews deutlich wird. Vorsichtiger argumentieren andere, die Handwerk als wesentlichen Teil ihrer Arbeit beschreiben und es dabei bewusst als nicht kreativ charakterisieren. Dennoch bleiben auch in diesen Argumentationen Handwerk und Kreativität miteinander verbunden: „[S]ie [die Drehbuchgespräche, Anm. d. Verf.] sind auch eine Menge Handwerk, wo man über handwerkliche Probleme spricht, das muss man nicht zwangsläufig als kreativen Prozess einstufen, aber das ist ein Teil des kreativen Prozesses.“ [M5]
Festzuhalten bleibt: Handwerk ist nicht gleichzusetzen mit Kreativität, aber kreative Prozesse ohne Handwerk nicht denkbar (vgl. auch Newcomb und Alley 1982, S. 75). Diese Verweise auf die Bedeutung handwerklichen Wissens für Kreativität bestätigt die Bedeutung von domänenspezifischem Können und Wissen, die Amabile (1983) als eine von drei Kreativitätskomponenten modelliert (vgl. Abschnitt 4.2.1). Tatsächlich lassen sich aus den Interviews auch die anderen beiden Komponenten (kreativitätsrelevante Fertigkeiten und intrinsische Motivation) als wesentliche Elemente der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion bestätigen. Die Befragten identifizieren Personen nicht nur als wesentliche Träger*innen von Kreativität (vgl. dazu Abschnitt 5.3.3.4), sondern verweisen dabei auch auf spezifische Eigenschaften und Charakteristika dieser kreativen Personen. Zumeist kommen dabei Eigenschaften zur Sprache, die sich unter die Komponente der
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
‚intrinsischen Motivation‘ (intrinsic motivation) subsummieren lassen. Kreative lassen sich aus eigenem Antrieb von innen heraus zu ihrer Arbeit motivieren: „Da habe ich das große Glück, dass ich so Leute habe, die halt zum Selbstzweck quasi dann auch da antreten, weil sie Bock haben, einfach ihre Show dann on Air zu sehen, und nicht, weil es um die Zielvorgabe geht oder Sonstiges.“ [CS4]
Kreativität setzt persönliches Interesse voraus: „Ich könnte zum Beispiel, glaube ich, kein nicht-fiktionales Programm machen, fällt mir einfach nichts zu ein, weil mich das nicht interessiert, da kann ich auch nicht kreativ sein […].“ [CS2] Sie ist daher auch eine „rein persönliche Sache“ [CS1]. Das heißt: Kreativ sein bedeutet von sich und seiner Persönlichkeit ein Stück preis zu geben: „Es ist ja auch meistens so, dass eine Idee, für die man sich einsetzt, meistens etwas mit einem selber zu tun hat. Das heißt, man zieht sich immer ein bisschen aus, wenn man was macht und steht dann nackt vor den anderen da.“ [M3]
Dieses Faktum identifizieren die Nicht-Kreativen und Kreativen gleichermaßen. Letztere stellen die persönliche Bindung an ihre Arbeit und die Produkte, die sie erstellen, heraus: „Ich kann nur etwas machen, wenn das in mir drin ist […].“ [K5] Sie ziehen eine persönliche Gratifikation aus ihrer Tätigkeit, wenn diese so gelingt, wie erhofft – entscheidend ist dabei ihr eigener Eindruck und nicht externe Anerkennung: „Wenn die Sachen mir gut gefallen und die Leute sehen da schön drin aus, und das passt, dann freue ich mich drüber.“ [K1] In diesen Aussagen, zeigt sich, was Liu et al. (2011) als „harmonious passion“ beschrieben haben. Diese stabile und starke Form extrinsischer Motivation (vgl. Amabile und Pillemer 2012, S. 9) führe zu einer autonomen Verinnerlichung einer Aktivität, „making it part of one’s identity and thus creating a sense of personal enjoyment and free choice about pursuing the activity“ (Liu et al. 2011, S. 294). Die enge Bindung an die Ergebnisse des eigenen Tuns motiviert dazu, sich intensiv auf die Tätigkeit einzulassen und hat dadurch auch negative Effekte. Bleiben Erfolge, die dem eigenen Anspruch entsprechen, oder gänzlich Ergebnisse aus, führt das zu Frustration. Kreative fühlen sich hin- und hergerissen zwischen Selbstverwirklichung und tiefer psychischer Belastung. Ein plastisches Beispiel liefert ein Drehbuchautor: „Bei einem Kollegen, der ist Gebirgsjäger gewesen 3 Jahre, also eine Eliteeinheit, ein richtig harter Bursche. Mit dem habe ich gearbeitet letzte Woche und wir waren an so einem Punkt, wo wir einfach nicht weiterkamen. Er hat mir gesagt, er ist nach drei Stunden in der Nacht aufgewacht und hat sich schlaflos hin und her gewälzt und war völlig verzweifelt, also ein Mensch, der wirklich hartgesotten ist. Aber da kommt der
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auch an seine Grenzen, es ist also wirklich sehr, sehr quälend. Es ist auch tatsächlich der quälendste Job, den ich kenne. Er ist auch sehr befriedigend, wenn ein Ergebnis kommt.“ [K4]
Einen ähnlichen Effekt haben Ablehnungen eigener Ideen und Produkte durch eine*n Vorgesetzte*n: „Ich bin da immer sehr unglücklich, wenn ich das nicht machen kann […]. Der Job ist zu intensiv, also man ist da wirklich richtig drin, von morgens bis abends, und man beschäftigt sich mit der ganzen Sache, und man erarbeitet mit seinem Team auch so ein Konzept, da sind alle traurig, wenn das nicht geht.“ [K2]
Diese Aussagen implizieren, dass die Dualität von Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung (vgl. Abschnitt 5.3.2.3) einen wesentlichen Problemkomplex kreativer Arbeit in der Fernsehunterhaltungsproduktion darstellen. Die persönliche Identifikation mit der Arbeit befördert außerdem Grundrivalitäten zwischen kreativen Menschen, immer dann, wenn die persönliche Freiheit und der persönliche Geschmack durch Vorgaben oder Nachbearbeitungen eines*einer anderen Kreativen beschnitten bzw. gebremst werden. Strandvad (2013, S. 37) verweist darauf, wie dies sogar dazu führen kann, dass einzelne Medienschaffende eine Produktion verlassen, weil sie die Änderungen an ihrem (Teil-)Werk nicht mittragen wollen. „Wenn jetzt zum Beispiel sie [die Mitarbeiter des Entwicklungsteams, Anm. d. Verf.] mir so eine Idee erzählen, die die total super finden und ich sitze dann nur so, oh, gähn. […]. Die mag ich dann vielleicht nicht oder ich finde die zu langweilig, und das ist natürlich automatisch ein riesen Konflikt. Weil sie fühlen sich nicht ernst genommen, oder sie sagen, ja aber, das und das, das funktioniert doch, das muss doch funktionieren. Und ich sage, nein, das funktioniert nicht aus den und den Gründen.“ [CS1]
Dabei gilt offensichtlich: Je stärker sich jemand als Kreative*r versteht, desto einengender werden Grenzen empfunden. Hier offenbart sich auf den ersten Blick ein Widerspruch zwischen Grundeinstellung und Arbeitskontext, schließlich ist kreative Arbeit vor allem Teamwork. Dieser Widerspruch lässt sich auflösen, wenn Spannungen und Konflikte – wie zwei leitend bzw. koordinierend in den kreativen Prozess eingebundene Medienschaffende es tun – als für den kreativen Prozess furchtbar beschrieben werden: „Also da wo Kreativität ist, da brennt es natürlich immer. Aber das ist auch gut so. Wenn man immer nur harmonisch am Tisch sitzen würde und alle würden sagen, das ist die beste Idee, dann würde man wahrscheinlich nicht weit kommen.“ [CS3]
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
In einem von einem der Interviewpartner skizzierten Fall war ein Konflikt daher „eine wirklich gute Erfahrung und hat dem Film auch gutgetan“ [CS2]. Auch müssen Konflikte – ob nun in Form eines inneren Konflikts oder eines Konflikts zwischen mehreren Personen – nicht produktivitätslähmend wirken, wenn sie denn über das Management kanalisiert und aufgefangen werden. Medienschaffende jeglicher Rollen bestätigen: Kreativität braucht Führung. Die Leitungsinstanz kann Entscheidungen abseits der persönlichen Bindung treffen. Werden keine Prioritäten und Grenzen gesetzt, können sich die kreativen Prozesse in persönlicher Beliebigkeit und (persönlichen) Konflikten verlieren. Zudem wächst die persönliche Bindung mit der Intensität der Auseinandersetzung. Kreative Prozesse müssen – so eine Kreative mit Leitungsrolle – daher frühzeitig gestoppt werden, wenn sie nicht Erfolg versprechend sind. Einschränkend muss jedoch angeführt werden, dass auch dann keine gänzlich objektive Bewertung von Ergebnissen stattfindet, da die Leitungsbefugten in den Prozess eingeschlossen sind. Dies empfinden sie als Vorteil, sehen sich aber zugleich in der schwierigen Lage, Ablehnungen von und Kritik an Ideen diplomatisch zu vermitteln. Um zu verhindern, dass Kreative immer tiefer in ihre Ideen versinken und sich damit zusehends darauf versteifen und unflexibler werden, betrachten Creative Supervisor einen „Prozess des Abnabelns“ [CS3] für wichtig, bei dem ein Projekt an die nächste Bearbeitungsstufe abgegeben wird, um neue kreative Prozesse zu ermöglichen. Die Schwierigkeit der kreativen Produktion besteht letztlich nicht nur in der emotionalen Bindung der Kreativen an ihr Produkt. Die persönliche Komponente und damit auch Subjektivität, mit denen jedes kreative Produkt behaftet ist, führen dazu, dass es gegen konträre Meinungen verteidigt werden muss und sich daher auch die Creative Supervisor, wenn sie ihren Vorgesetzten und die kreativen Manager*innen, wenn sie ihren Kund*innen gegenübertreten, mit dem Produkt identifizieren müssen. Ein Produzent sagt: „Man muss schon selber dafür brennen am Schluss.“ [M2] Tut man es nicht, ist ein Scheitern wahrscheinlich: „Es war mal der Fall, wo ich nicht daran [an die Sendung, Anm. d. Verf.] geglaubt habe […]. Den schlechtesten Pitch, den ich je in meinem Leben gemacht habe, ich habe es gemerkt, ich habe gedacht, das ist Scheiße, das ist einfach Dreck.“ [M2]
Darin spiegelt sich eine kreativitätsspezifische Fertigkeit der Fernsehunterhaltungsproduktion: Kreative müssen die ihrer Tätigkeit inhärente Frustration aushalten und überstehen können, sonst können sie in der Branche nicht bestehen. Als weitere kreativitätsspezifische Fertigkeiten lassen sich aus den Ausführungen der Befragten folgende Eigenschaften identifizieren: Demnach sind Kreative Visionäre, die ihre Ideen konsequent durchsetzen, ohne sich darin beirren zu lassen
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(vgl. [M3]). Dabei verfolgen Kreative unterschiedliche Arbeitsweisen: „Kreative [sind] oft ausgeprägte Individualisten.“ [M5] Jeder hat Stärken und Schwächen und arbeite gemäß diesen Stärken und Schwächen. Dies kann sich global auf die Arbeitsweise der Kreativen beziehen: Einige arbeiten effektiv und kreativ unter Zeitdruck und sind damit für industriell produzierte Genres wie z. B. Daily Soaps geeignet, während andere mit einem engen Terminkorsett nicht klarkommen und dafür viel Freiraum zu nutzen wissen (vgl. [M4]): „[…] Autoren und Regisseure lassen sich nicht schematisieren. Einige arbeiten nur unter Zeitdruck, andere können nicht unter Zeitdruck. Einige können einen Auftrag relativ genau ausfüllen, andere werden erst richtig stark, wenn sie diesen Auftrag verlassen.“ [M5]
Doch auch, wenn die Befragten die Heterogenität der Arbeitsstile kreativ Arbeitender herausstellen, so gibt es doch (kreative) Arbeitsweisen, die durch die Mechanismen der Unterhaltungsproduktion bevorzugt und dadurch eher repliziert werden als andere: „[E]s gibt halt die Improvisationskünstler, aber die sterben langsam aus, jedenfalls im Fernsehgeschäft, weil natürlich unter budgetär anstrengenden Bedingungen die Leute es noch schwerer haben, weil der Produzent und die Beteiligten möchten natürlich sehr viel wissen, was müssen wir konkret, wo erstellen, erbauen, errichten, bereitstellen.“ [M4]
Kreativität bedeutet, angemessen und zielgerichtet zu arbeiten. Angemessenheit im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion schließt u. U. Vorbereitung und Planung mit ein. In jedem Fall resultiert Angemessenheit aus der Kenntnis über die (Ressourcen-)Zwänge des Feldes. Das Bewusstsein für letztere kann als eine für Kreativität notwendige feldspezifische Fähigkeit bewertet werden. In obiger Aussage spiegelt sich die betriebswirtschaftliche Funktion des Sprechers. Doch nicht nur die eigene Rolle ist mitentscheidend für die Bewertung von Arbeitsstilen als angemessen und unangemessen. Sicherlich spielt auch die Phase der Produktion, die bewertet wird, eine Rolle. Während die Drehphase einen höheren Grad an Strukturierung erlaubt (vgl. Abschnitte 5.1.1 und 5.1.2), bewerten Medienschaffende enge Strukturen in der Entwicklungsphase als kontraproduktiv (vgl. dazu Abschnitt 5.3.3.5 unten). Folglich ist für einen Creative Supervisor nicht die genaue Arbeitsgestaltung der einzelnen in der Formatentwicklung tätigen Kreativen von Bedeutung, vielmehr legt er Wert auf Selbstständigkeit und ein ausgeprägtes Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten:
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
„[…] [I]ch bin immer davon überzeugt, wenn Sie die Leute aktiv immer wieder anleiten müssen, dann ist es eh der Falsche für die Abteilung. […] Und das ist so für mich, was Leute erfüllen müssen, dass sie halt selbstständig gucken, also ganz gut einschätzen können, wann sie mich fragen müssen und sollten, und wann sie einfach kleine Probleme lösen können, ohne dass man unfassbaren Traffic erzeugt und sagt, soll ich so oder soll ich so.“ [CS4]
Eine Zusammenfassung des Kreativitätsverständnisses von Medienschaffenden verdeutlicht: Definitionen von Kreativität, die die Literatur zur Kreativitätsforschung dominieren (vgl. Abschnitt 4.1), lassen sich auf das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion anwenden. Dies zeigt sich nicht nur in den Entsprechungen zum Komponentenmodell. Grundsätzlich zeigt sich Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, wie Amabile (1996, S. 35) beschrieben hat, in einem Ergebnis bzw. Produkt, das neu und angemessen oder nützlich für die bestehende, nicht mit einem festgelegten Lösungsweg zu bearbeitende Aufgabenstellung ist. Dabei wird hier jedoch herausgestellt, dass ein Prozess auch ohne in einem konkreten Ergebnis zu resultieren, kreativ sein kann. Das konsensuale Element von Amabiles Definition wird von den Medienschaffenden selbst nicht hervorgehoben. Dennoch beinhaltet die Beschreibung von Kreativität durch die Medienschaffenden implizit eine Bewertungskomponente: Sie bezeichnen als kreativ, was sie selbst als kreativ bewerten. Und sie tun dies in Bezug auf ihr Feld, d. h. ihre Domäne (vgl. Amabile 1982, S. 1000 f.). Dass die Medienschaffenden auch keinem Persönlichkeitsansatz von Kreativität folgen, sondern Kreativität als sozial konstruiert und prozessual verstehen, zeigt sich in den Ausführung unten. Die folgenden Ausführungen zeigen, wie sich die globalen Kategorien, die oben benannt wurden (z. B. Neuheit oder Angemessenheit) bezogen auf die Fernsehunterhaltungsproduktion konkret gestalten.
5.3.3.3 Spezifische Dimensionen und Kategorien von Kreativität Kreativität, kreative Prozesse und kreatives Handeln lassen sich nicht von der ökonomischen Logik der Fernsehunterhaltungsproduktion als massenmediale Produktion trennen. Kreative Ziele und Profitorientierung in Form ökonomisch bedingter Ressourcengrenzen stehen nebeneinander. Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist eine produktionsökonomische Kreativität: „Man selbst geht ja schon so dran. Als Kameramann oder als Regisseur geht man schon dran, man hat ja dieses Eurozeichen oder dieses Dollarzeichen, hat man ja schon irgendwie versteckt, denn man weiß ganz genau, man kann jetzt mit so ganz verrückten Ideen, die extrem teuer sind, braucht man gar nicht anzukommen, also man überlegt schon vorher, wie kriege ich den Film halt wirklich gestemmt sozusagen. […]
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Das muss ja alles in so einen Würfel passen, das darf nicht teuer sein, es muss schnell sein, es muss gut aussehen.“ [K3]
Sich außerhalb vorgegebener Ressourcengrenzen und damit auch außerhalb der Regeln, die im ‚Spiel‘ der Fernsehunterhaltungsproduktion gelten, zu bewegen, erscheint den Medienschaffenden als sinnlos. Das wäre, da ja das Wissen um Ressourcengrenzen Teil der feldspezifischen Expertise ist, unangemessen und mit ihrem beruflichen Habitus nicht vereinbar: „Es weg zu lügen hat ja keinen Sinn. Ich habe immer Geld- und damit Zeitvorgaben, in denen ich mich kreativ bewegen muss. Viele Bücher und Szenen könnt ich aufpeppen und sagen, wir machen da ‘nen großen Hollywood-Film. Geht aber nicht. Klar, kann ich machen für mich privat, führt mich nur nicht weiter.“ [K5]
Dass sich Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion innerhalb der bestehenden Strukturen bewegt – und nur angemessene Kreativität auch qua definitionem überhaupt Kreativität ist – heißt jedoch nicht, dass nicht trotzdem Konflikte zwischen Profitorientierung und Kreativität denkbar sind: „Das ist ja ein Grundproblem der Kreativität, Luftschlösser zu bauen, und irgendeiner muss die dann mauern. Und diese Schnittstellen, die beißen sich natürlich immer.“ [CS4] Dennoch ist ein unversöhnlicher Konflikt nicht denkbar, da sich nicht nur die persönliche Sozialisation, sondern auch die Strukturen des Feldes im beruflichen Habitus abbilden: „Der Vorteil ist, wenn man allgemein an Fernsehen interessiert ist und Bock hat auf Entwicklung, generell, dass man diese Sachen, die man dann verkauft, automatisch als das empfindet, was man selber auch machen würde.“ [CS1]
Kreativität ist in diesem Sinne kontextabhängig. Der – in diesem Fall kommerzielle – Kontext bedingt, dass hinter der Kreativität die Frage steht: „Für wen mache ich was? Und wie mache ich es?“ [K5]. Kreativität könne auch bedeuten, „völlig frei“ zu handeln, „[a]ber man kann natürlich auch für bestimmte Dinge kreativ sein“ [K5], wie es beim Fernsehen der Fall ist. Dies impliziert: Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist zielgerichtet. Ein Drittel der Medienschaffenden (6 von 18) sprechen von einer der Kreativität inhärenten Zielrichtung: „[I]ch glaube, dass Kreativität auch was mit Zielgerichtetheit zu tun hat. Also ich kann […] kreativ erst in einer Situation überlegen, wenn ich den Rahmen habe.“ [K5] Ein Ziel ermöglicht erst, die Optionen zur Zielerreichung auszuloten:
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
„Wenn ein Regisseur weiß, was er mit einer bestimmten Szene erreichen will, und er sucht den direkten Weg, um das zu erreichen, und man sagt, da kommst du aber nicht durch, weil da ist Sumpfgebiet, solange der weiß, wo er hin muss, wo er hinkommen muss, wird er andere Wege finden, da hinzukommen.“ [M4]
Damit schließen sich auch Kreativität und Vorbereitung nicht aus. Einige Medienschaffende stellen heraus, dass Vorbereitung und die Planung der Handlungsschritte unabdingbar sind für das kreative Handeln. Offensichtlich schafft diese Planung ein Handlungsraster, in dem die eingeplanten, aber nicht durchgeplanten Freiräume wiederum gezielt mit Kreativität gefüllt werden können: „Das heißt, das wissen natürlich die Leute, die das planen, dass dieser Raum [für Kreativität, Anm. d. Verf.] da sein muss. Und wenn der Regisseur kommt irgendwie und sagt, ich konnte es nicht machen, weil, ich hatte überhaupt keinen Platz dafür, dann sage ich immer, naja, du weißt doch, wie viel Platz du am Tag hast, und wenn du noch etwas extra machen musst, dann musst du das vorher einplanen […]. Das ist ein ganz, ganz wichtiger kreativer Prozess, aber ausgedacht haben muss man sich das davor. Und dann wird der eingeplant, soweit es geht.“ [M5]
Bereits Becker et al. (2010) haben nach einer Analyse der Interviews mit den Medienschaffenden das Fazit gezogen, dass Kreativität Struktur braucht (vgl. auch Abschnitt 5.1.1). Die Bedeutung von Struktur ist auf zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen geht es um Struktur als Prozessrahmen, d. h. als äußere Grenzlinie, die die Tätigkeit grundsätzlich begrenzt und kanalisiert. Dieser Prozessrahmen ergibt sich maßgeblich aus dem Genre. Struktur verweist in diesem Zusammenhang auf allgemeine Vorgaben, die durch das Genre gesetzt werden (vgl. Abschnitt 5.2.1). Es geht folglich primär um Sinngrenzen, denen die Praktiken der Akteur*innen folgen (vgl. Newcomb und Alley 1982, S. 88) Auf der zweiten Ebene geht es um Struktur als repetitive Prozesselemente. Struktur meint hier wiederkehrende Prozessschritte, die den kreativen Prozess mit einem Ablauf durchsetzen, und dadurch auch hier von Schritt zu Schritt einen Rahmen konstituieren, in dem Kreativität stattfinden kann. In diesem Sinne kann in der alltäglichen Arbeit für Kreativität, wie das Zitat oben zeigt, auch bewusst ein Raum durch Struktur geschaffen werden. Wesentlich ist hier festzuhalten, dass Struktur nicht mit Kreativität gleichgesetzt wird. Kreativität ist, was die Struktur mit Leben füllt. Kreativität ist auch, sich in den Strukturen, Raum für eigene Vorstellungen und Ideen zu schaffen. Der durch die ökonomischen Ressourcen vorgegebene Zeitrahmen bietet einen Gesamtrahmen, in dem der einzelne Raum nach Bedarf erweitert und dafür ein
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anderer verkleinert werden kann. Ein Medienschaffender beschreibt diese Raumverschiebungen innerhalb der Grenzen selbst als kreative Leistung. Statt sich von vornherein einer Schere im Kopf zu beugen, tritt er in Verhandlungen: „Wenn ich den Rahmen kenne, kann ich auch überlegen: So, diese Szene hier erfordert einfach, dass man sie groß macht. Die funktioniert nicht/ Hier brauch’ ich bestimmte Mittel, um die Geschichte zu erzählen. Wo finde ich eine Szene, wo ich dafür vereinfache, wo es einfacher geht als geschrieben. Das ist ja dann auch immer so ein Tauschhandel, den man so innerlich macht, den man aber auch absprechen muss mit dem Producer, aber auch mit dem Produktionsleiter.“ [K5]
Die ästhetische Autonomie (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 62 ff.), die der Regisseur in diesem Beispiel wahrnimmt, kann nicht vom Machtgefüge des Feldes gelöst werden. Kreative Entscheidungen erfordern aufgrund der Position des Regisseurs im Feld eine Rücksprache mit den Strukturvertreter*innen, d. h. jenen, die die Ressourcen wesentlich zuweisen (Produktionsleitung) und inhaltlich Verantwortung übernehmen (Producer*in). Dennoch schränken weder die strukturellen Vorgaben noch das Abstimmungs- und Koordinationssystem Kreativität grundsätzlich ein. Ganz im Gegenteil: Ein vorgegebener Rahmen erlaubt es, ‚mit Kräften zu haushalten‘ und diese ‚zielgerecht‘ [K5] einzusetzen. Dies gilt nicht nur für die zur Verfügung stehenden (zeitlichen und finanziellen) Ressourcen. Dies gilt auch für inhaltliche Parameter, d. h. inhaltliche Regeln als Struktur. Diese können beispielsweise einen Prozess der Sendungsentwicklung erleichtern: „[…] [E]s es kann auch sehr gemütlich sein, wenn man schon die Hälfte des Heus in der Scheune hat und dann einfach eine neue Idee rausrückt.“ [CS4] Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion wird in der Literatur (vgl. Abschnitt 5.1.2) und auch von einigen der befragten Medienschaffenden insbesondere in der Entwicklungsphase einer Sendung verortet. Dennoch ist auch dieser Prozessabschnitt deshalb nicht unstrukturiert – ganz im Gegenteil. Zwar lasse sich „während einer Kreationsphase nie vorhersagen, wie lange der Prozess dauert“ [M6], jedoch hat auch dieser in der genauen Länge unbestimmte Prozess eine Ablaufstruktur, die sich auf Basis der Erfahrung der Medienschaffenden planen lässt: „Es gibt einen gewissen Weg, den wir durchlaufen, und der Erfahrungswert ist, dass wir ungefähr wissen, wie lange es dauert. Wenn eine Idee im Kern steht, fängt dann die Maschinerie an, wo wir wissen, das dauert jetzt ungefähr noch zwei, drei Wochen, bis das fertig ist, wenn der Kern der Idee quasi entwickelt ist. Und dann gibt es da ein bestimmtes Prozedere des Schreibens, eine Präsentationsform finden.“ [CS3]
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Erstaunlich erscheint auf den ersten Blick, dass auch ein zeitlich und materiell sehr eng gestrickter Ablauf – wie er im Repetitionstyp der täglichen Serie in besonders strenger Form in der Produktion wie auch Pre- und Postproduktion Anwendung findet (vgl. Abschnitt 5.2.2.2) – kein enges Handlungsnetz ohne Raum für Kreativität bildet. Vielmehr konstituieren offensichtlich gerade diese hochfrequenten Produktionszyklen der Daily Soap einen Hort für (Gruppen-)Kreativität: „Das ist ja das Gute an diesen industriellen Serien. […] Man kann letztlich, wenn man sich in dieser Einzäunung bewegt, kann man sich sehr frei bewegen. Also man kann machen, was man will, und das wird dann eben auch gemacht. Es ist für Experimente sehr zugänglich das System.“ [K6]
In eine ähnliche Richtung weist die Aussage eines in der täglichen Serienproduktion tätigen kreativen Managers: „Enge Netze einer laufenden Serie, klare Definition einer laufenden Serie, töten nicht deswegen dann Kreativität ab, das tut es nicht. Sondern sie kanalisiert Kreativität genau auf dem Kanal meiner Serie […]. […] Darum gibt es auch viele Autoren, die immer, wenn sie zu diesen Dailys zurückkehren, die wirklich sagen, ich halte da meine Augen auf, ich weiß, was ich zu erzählen habe, ich weiß, wann ich mein Geld kriege, ich kann auch verrückte Geschichten erzählen innerhalb dieses Netzes, ohne dass ununterbrochen irgendwelche Regisseure oder Redakteure kommen, die sagen, wir wollen aber das ganz anders, weil ich immer sagen kann, Moment, das hatten wir abgesprochen, wir haben eine klare Absprache. Das ist der Vorteil daran.“ [M6]
Auf den zweiten Blick ist diese Erkenntnis wenig überraschend. Strukturvorgaben, die vor Beginn des Prozesses gesetzt werden, sind akzeptabel und suggerieren den Kreativen Sicherheit, die sie zu kreativem Handeln beflügelt (vgl. Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2). Die Möglichkeiten eines*einer Autoren*Autorin einer Daily Soap sind von vornherein so eingeschränkt, dass er*sie keine Angst hat, etwas völlig Unpassendes zu plotten. Sicherheit und Vertrauen motiviert. Vertrauen trägt schließlich auch zu Effektivität bei (vgl. Breuer et al. 2016). Autor*innen genießen innerhalb der Sicherheit gebenden Struktur einer industriellen Serienproduktion hohe kreative Autonomie. Andere Rollenträger*innen büßen diese zugleich ein. Ein Sendervertreter sieht seinen persönlichen kreativen Einfluss folglich gerade in der täglichen Serienproduktion eingeschränkt. Er würde gerne, darf aber – da es den Arbeitsprozess behindern würde – nicht inhaltlich eingreifen. Grundsätzlich helfen die strikten Strukturen der Daily Soap-Produktion gestalterische Konflikte zu vermeiden:
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„Wir haben ganz klare Vorgaben, was man überhaupt schreiben kann in die Bücher […]. Das heißt, da findet ja schon in diesen Prozessen ein gewisser Abgleich statt, so dass sich dann die Produktion nicht mehr mit den Kreativen so sehr streiten muss um das, was man dann wirklich durchführt.“ [M3]
Dennoch gilt: Ohne eine Führungsinstanz ist Angemessenheit und Zielerfüllung kaum denkbar. Ein*e Chefautor*in übernimmt in der Autorenschaft für Daily Soaps die Rolle der Kontroll- und Korrektur-, aber auch Motivationsinstanz, falls sich die Autor*innengruppe einmal doch in Konflikten zwischen individuellen Vorstellungen verliert. Die notwendige Kontroll- und Leitungsrolle steht für die Zielgerichtetheit, die die kreative Tätigkeit prägt und (mit)definiert. Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion braucht folglich auch Struktur durch Führung: Jemand muss das Kreativ-Sein managen. Dazu passt der Erfolg der hierarchischen Struktur des Writer’s Rooms (vgl. Abschnitt 5.2.2.2). Eine Faustregel, wie viel Struktur Kreativität fördert und wann zu viel bzw. zu wenig davon gegeben ist, lässt sich aus den Ausführungen jedoch nicht ziehen. Deutlich wird nur, dass es letztlich unklar bleibt: Es kommt darauf an. Zahlreiche Medienschaffende betonen in den Interviews die Unterschiede zwischen Genres (und beziehen sich dabei primär auf den Repetitionstyp). Eine andere Produktionsfrequenz impliziert auch andere kreative Prozesse. Dass Kreativität in den unterschiedlichen Produktionsformen gedeihen kann, hängt dann auch maßgeblich von der Eignung der beteiligten Personen ab. Sie müssen mit den jeweiligen Produktionsbedingungen zurechtkommen, sich beispielsweise an die eng strukturierte Arbeitsweise einer täglichen Produktion „gewöhnen, man muss es trainieren“ [M4]. Eine weitere definitorische Komponente des feldspezifischen Kreativitätsverständnisses ergibt sich aus der begrenzten Planbarkeit des Produktionsprozesses (vgl. Abschnitt 5.1.3). Im kreativen Prozess ist aufgrund der Unabsehbarkeit möglicher Probleme daher immer wieder eine spontane Reaktion gefragt. Kreativität ist dabei insbesondere in der eigentlichen Produktionsphase eine Form der Problemlösung. Diese ergibt sich bereits schlicht aufgrund der Ressourcenzwänge: „Als Beispiel ist ein Aggregat ausgefallen mitten im Wald – was macht man da? Kommt ein neues Aggregat, das dauert halt zwei Stunden. Also was kann ich drehen in zwei Stunden ohne Licht? Also dafür sucht man natürlich auch – das empfinde ich dann als wahnsinnig kreativ, was kann ich drehen ohne Licht, ja, das ist ja dann eine neue Herausforderung für mich in den zwei Stunden. […] Man kann sich ja nicht hinsetzen und dann sagen, hey, das mache ich morgen, das können wir mal ein andermal machen.“ [K3]
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Wenn demnach, wie in diesem Beispiel, während des Drehs wesentliche Elemente ausfallen, ist den Akteur*innen in ihrem Selbstverständnis klar, dass sie handeln müssen, weil es Drehpläne gibt, die an finanzielle Ressourcen gekoppelt sind – daher kommt es zu kreativer Problemlösung. Der finanzielle Spielraum, um zu sagen ‚Dann drehen wir morgen‘ besteht nicht – daher kann dem Problem nicht ‚klassisch‘ begegnet werden. Wenn kein Geld (mehr) da ist, muss Kreativität her: „Da ist man zwischenzeitlich schon gefangen, da muss man halt kreativ sein tatsächlich und sich irgendeine Alternative ausdenken, wenn jetzt tatsächlich irgendwie gar nichts geht, wo man mehr Geld lockermachen kann.“ [K1]
Es sind also schlussendlich diese Zwänge, die Kreativität im Problemfall erst eine Rolle spielen lassen. Dennoch ist dies ein schmaler Grat der Argumentation, die nicht zum Nachteil der in der Unterhaltungsproduktion Tätigen ausgenutzt werden darf, um für die Verschärfung von Zwängen zu argumentieren. Probleme, die sich meist aus einem Mangel an Ressourcen ergeben, kann Kreativität nur dann lösen, wenn dieser Mangel nicht zu groß ist. Dies zeigt sich vor allem dann, wenn Ressourcenknappheit das Problem nicht einfach nur prägt (wie im Beispiel des ausgefallenen Aggregats), sondern selbst zur Problemstellung modelliert wird. Zwei Medienschaffende in Managementpositionen beschreiben das Vorhaben, Produktionsmechanismen noch kostengünstiger zu gestalten, als sie es waren, als kreativ: „Also wenn Sie sich angucken eine Produktion, die wir für RTL den Nachmittag machen mit Familien im Brennpunkt und Verdachtsfälle, und die Aufgabe ist, in vier Drehtagen eigentlich das zu leisten, was eigentlich auf dem Papier so aussieht, als hätte man dort die doppelte Zeit dafür verwendet, dann ist das ein sehr kreativer Prozess in der Organisation, das so hinzubekommen.“ [M1]
Ein Creative Supervisor gibt jedoch zu bedenken: „Zum Teil ist es dann aber auch so, wenn es eine finanzielle Unterdeckung gibt, glaubt man, bestimmte Unterdeckung mit Kreativität füllen zu können, was natürlich auch Müll ist. Also das, was der Sender haben will, kostet 500.000, wir haben aber nur 350.000 Euro – dann denk dir mal aus, wie so was geht, sei doch mal kreativ. Und das ist leider Gottes nur bedingt möglich, in manchen Fällen geht es, in manchen Fällen geht es halt einfach nicht […].“ [CS4]
Eine angemessene Problemlösung setzt eine angemessene Ressourcenbasis voraus (vgl. Abschnitt 4.2.2). Vor diesem Hintergrund darf die Rolle von Kreativität
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jedoch auch nicht überbewertet werden. Dass der Prozess nicht vollständig planbar ist, ist den Medienschaffenden bewusst. Einige verweisen daher auf die Bedeutung einer intensiven Vorbereitung, in der sie alle planbaren Elemente möglichst vollständig vorbereiten und parallel alternative Lösungsstrategien für absehbare, potenzielle Probleme vorbereiten. Folglich kann Problemlösung auch schlicht mit guter Planung, Vorbereitung und Professionalität bewältigt werden. Grenzen zu einer kreativen Problemlösung – die wohl eher bei unabsehbaren Problemen, d. h. unscharfen statt unsicheren Elementen (vgl. Abschnitt 5.1.3), zu tragen kämen – sind fließend, zumal die Einschätzung, ob die Problemlösung mittels Kreativität erfolgt oder nicht, auch vom Selbstverständnis und Tätigkeitsprofil der Medienschaffenden (mit)bestimmt wird. Nicht nur im Sinne einer konkreten Problemlösung setzt Kreativität Angemessenheit voraus. Kreativität in der Unterhaltungsproduktion müsse sich daran messen lassen, dass sie umsetzbar sei und zum Ziel, ein Massenpublikum zu erreichen, beitrage (vgl. [M1]). Daher verweisen einige Medienschaffende auf die Anwendungs- und Umsetzungskomponente von Kreativität: Eine Idee allein reicht nicht, man muss sie auch den Anforderungen entsprechend – also angemessen – kombinieren, zusammenfügen und umsetzen können: „[J]eder denkt so, ja komm, das ist doch jetzt einfach, äh, hätte ich mir auch ausdenken können. Stimmt auch, jeder hat irgendwie Ideen, aber die so umzusetzen, zu schreiben, in ein Konzept zu packen, sodass es wirklich schlüssig ist, das können ganz, ganz wenige Leute.“ [CS1]
Ist eine ‚nackte‘ Idee folglich nicht Kreativität? Diese Frage wird ambivalent beantwortet. Einerseits ist Kreativität gekoppelt an feldspezifische Fähigkeiten, die eine angemessene Umsetzung ermöglichen: „Es nützt mir ja nichts, wenn ich nur Ideen habe, aber nichts aufschreiben kann oder nichts mal irgendwo ein bisschen weiterführen kann. Ich glaube, Ideen hat jeder von uns sehr viel.“ [M3] Die feldspezifische Kreativität kann nicht von den Anforderungen des Feldes entkoppelt werden – darauf verweist schon die oben beschriebene Kopplung der Begriffe Handwerk und Kreativität. Dennoch zeigt sich in einigen Aussagen, dass bereits eine zum Feld passende Idee Kreativität implizieren kann. Wenn ein Medienschaffender sagt, kreativ sein bedeute ‚herumzuspinnen‘, sich zu überlegen „was können wir neu machen, wie können wir die Leute unterhalten“ [M8], dann können Prozesse, die der Ideengenerierung dienen, als kreative Prozesse qualifiziert werden. Ideen werden dabei zwar nicht umgesetzt, aber zumindest konzeptionell bereits auf das Feld angewandt, da sie im Kontext des Feldes gedacht werden. Dennoch dominiert in den Aussagen der Medienschaffenden, wenn sie von
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Anwendung sprechen, die Idee der Umsetzung. Ein kreativer Manager erfasst diesen Aspekt wie folgt: „Ganz bestimmt, also die Idee ist ein kleiner Bereich von Kreativität. Wenn die Idee [aber, Anm. d. Verf.] nicht Dritten beschreibbar ist, egal, ob in Form von Bildern oder Texten oder Skizzen, dann wird die Idee sich nicht ausbreiten und das ist da Voraussetzung.“ [M4]
Kreatives Arbeiten wird assoziiert mit einer bestimmten Form der Arbeitsorganisation: Teamarbeit (vgl. auch Abschnitt 5.3.2.1). Explizit beschreibt ein Drittel (6 von 18) der befragten Medienschaffenden Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion als einen Prozess des Austausches und der Kooperation. Deutlich mehr, nämlich zwei Drittel, verweist explizit auf die Teamdimension ihrer Tätigkeit. Teamwork und Kreativität sind eng aneinandergekoppelt: „[…] Kreativität, […] das ist Teamarbeit.“ [M2] Kreative Ideen sind das Ergebnis eines Teams und kommen dabei – so die Einschätzung des Geschäftsführers eines Produktionsunternehmens – von Kreativen, Producer*innen, Redakteur*innen und Manager*innen gleichermaßen. Wenige Aussagen weichen jedoch von dieser Einschätzung ab. Grundsätzlich bedeute der kreative Prozess in der Filmproduktion viel Teamarbeit, aber manchmal sei es förderlicher, die Zahl der involvierten Personen zu begrenzen. Inwieweit Teamarbeit als kreativitätsfördernd anerkannt wird, ist durch die Arbeitsweise und den Arbeitskontext der Interviewten bestimmt. Jene, die in der Produktion täglicher Sendungen aktiv sind und folglich einem strikten System von Zeiteinteilung und Arbeitsteilung folgen, empfinden diese gemeinschaftliche Arbeit als sehr kreativ (siehe oben). Jene, die in Sendungen mit niedriger Repetitionsfrequenz tätig sind, bewerten eine Vielzahl involvierter Personen als nicht durchweg förderlich. Eine kreative Koordinatorin beschreibt dies beispielhaft für eine Filmproduktion: „Mit einem Einzelstück hat man ja doch auch noch eine gewisse Freiheit, dass man wirklich nah an der Vision, möglichst wenig an Leuten bleibt. Weil ich glaube, je mehr Leute eingebunden werden, desto mehr wird es ein Kompromiss. Und dass es in der ersten Phase, in der Ideenfindung, ein Vorteil sein kann, oder wenn man ein Exposé hat, denn es gibt Anmerkungen dazu, auch im Treatment, wo Leute sagen, da hakt es, überlegt euch noch, es sind ja nur so Anregungen. Aber wenn es dann um die Realisierung geht, dann glaube ich sollte das bei möglichst wenigen Leuten bleiben, damit noch möglichst viel von dem, was man sich ursprünglich vorgestellt hat, erhalten bleibt.“ [CS2]
Die Gründe für diese Sichtweise finden sich bereits in den Ausführungen oben: Die von einer Person (oder einigen wenigen Personen) getragene Vision ist die
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Basis für den Film als Einzelstück. Modifikationen, Kritik, Einwände halten daher viel Konfliktpotenzial bereit. Die Drehbuchentstehung ist hier nicht, wie in der Serienproduktion, ein eingespielter Kollektivprozess, der sich inhaltlich in einem vorgegebenen Rahmen bewegt. Der kreative Prozess kommt nur dann in den Fluss, wenn er möglichst ohne Unterbrechung ablaufen kann. Dies heißt nicht, dass er ohne Interaktion mit dem sozialen Umfeld und der Umgebung stattfindet. Die Ablehnung von Teamarbeit bezieht sich hier folglich vielmehr auf potenziell konfliktträchtige Einmischungen von externen Personen statt grundsätzlich auf die Arbeit in einem Team. Ein unterschiedliches Verständnis haben die Medienschaffenden von der Dimension der Neuheit, die sie als konstitutiv für Kreativität ansehen. Grundsätzlich Neues entstehe in der Fernsehunterhaltungsproduktion nicht (mehr) bzw. kaum (noch). Als neu gilt, was aus Bestehendem neu kombiniert wird bzw. an das Bestehende anknüpfend ergänzt wird. In einem weiten Verständnis ist die Neu- oder Rekombination keine Eigenschaft, die exklusiv der Kreativität in der Unterhaltungsproduktion zugeordnet wird: „[M]an darf eins nicht vergessen, im Fernsehgeschäft besonders, oder das ist ja generell so in der Kreativität: […] das, was da neu entsteht, ist ja im seltensten Fall 100 Prozent neu. […] [W]enn Sie so Formate nehmen wie DSDS oder Wer wird Millionär, die so Megaseller sind, das ist ja eigentlich nicht neu erfundenes Fernsehen. Talentschuppen gab es auch schon in den 50er Jahren, es ist halt nur an dem gesellschaftlichen Trend soweit angepasst worden und so clever angepasst worden, dass es funktioniert.“ [CS4]
Die Neu-Kombination erfolgt demnach nicht wahllos. Kreativität bedeutet, bestehende Elemente zu erneuern, d. h. zu aktualisieren, sie dem gesellschaftlichen Trend anzupassen. Es geht darum, „Vorhandenes so zusammenzustellen, dass es irgendwie aktuell ist“ [M2]. Aktuell meint dabei, dass es als neu verstanden werde, wenn es in der ‚Jetzt-Kultur‘ verankert sei [M2]. In dieser Vorstellung ist Kreativität eine Anpassung an die die Gesellschaft prägende (Alltags-)Kultur. Dies entspricht auch der Prägung kultureller Produktion durch Moden, auf die Zabel (2009, S. 160 f.) verweist. In diese Argumentationslinie passt die Aussage einer Kreativen in Leitungsposition, die Kreativität assoziiert mit der Fähigkeit, den Erwartungen des Publikums zu entsprechen: „Also […] kreativ sollten erst mal alle sein, die im Fernseh-Business arbeiten, meiner Meinung nach, weil nur so kann man verstehen, was der Zuschauer, also was einen normalen Menschen, der einen Fernseher anmacht, irgendwie begeistern könnte.“ [CS1]
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Die Verbindung von Publikumsorientierung und Rekombinationsfokus ergibt sich aus der Annahme, dass Zuschauer*innen das Vertraute schätzen: „Es gibt so einen Grad an Kreativität und Innovation, da macht der Zuschauer einfach nicht mehr mit. Also meine Faustformel, also jetzt wird es schon wieder unkreativ, aber ich sage immer, wenn man ein neues Format entwickelt, muss man etwa 80 Prozent Gewohntes bringen und 20 Prozent Neues.“ [K4]
Die Interviews spiegeln, dass Fernsehunterhaltungsproduktion entlang inhaltlicher Formeln (vgl. Abschnitt 5.2.1) funktioniert. Dabei impliziert das obige Zitat bereits: Formeln sind nicht kreativ, sich darin zu bewegen, hingegen schon. Dies lässt sich auf die Detailebene einer Erzählstruktur übertragen. Erzählmuster selbst sind nicht kreativ. Entscheidend ist, wie man sie füllt: „Natürlich sind die groben Bögen oder das große Ganze immer sehr ähnlich, also wir haben immer dieses: der Mann, die Frau, die kommen nicht zueinander, steht irgendwas zwischen ihnen; und das kann man, wenn man es grob zusammenfasst, so erzählen. Aber dann schaltet niemand den Fernseher ein, also das Muster ist nicht das Interessante, sondern das, wie man es rausbringt, glaube ich jedenfalls.“ [K6]
Geht es um Neuheit, geht es folglich wesentlich darum, was die Zuschauer*innen als neu empfinden. Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist für die Medienschaffenden dabei durchaus gekoppelt an den Publikumserfolg. Interessanterweise fällt dabei auch zweimal der Begriff ‚Qualität‘. Kreativität und kreative Prozesse tragen zur Qualität des Endproduktes bei. Explizit bringt ein kreativer Manager diesen Gedanken zum Ausdruck, wenn er Kreativität als Kriterium herausstellt, das über die Qualität eines Fernsehproduktes entscheidet: „Wenn ich einen Regisseur habe, und ein Regisseur muss natürlich in dem Moment der Durchführung unglaublich viele Gewerke koordinieren, mit denen kommunizieren, die abstimmen, die anleiten, das ist ein ganz, ganz großes Stück Handwerk. Aber wenn es nur Handwerk wäre, dann würden nicht so viele schlechte Filme entstehen. Da gehört natürlich auch ein gerütteltes Maß an Kreativität zu […].“ [M5]
Qualität braucht Kreativität. Die Qualität einer Sendung macht diese zu einer guten Sendung. Nur eine gute Sendung ist auch erfolgreich beim Publikum. Kreative Leistung mündet folglich im Publikumserfolg: „Und das selber sehe ich als kreative Leistung, zu überlegen, wie man die Formate erfolgreich in Deutschland adaptiert. […] Und in dieser Umsetzung steckt natürlich
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noch mal sehr viel Kreativität, gerade wenn Sie sich vielleicht mit Formaten beschäftigen; wenn man noch mal schaut, wie man dort auch an Stellschrauben drehen kann, wie in den Details natürlich auch dann eine gewisse Qualität noch mal entsteht.“ [M1]
Sicherlich ist der Begriff ‚Qualität‘ zu unscharf und kontrovers diskutiert (vgl. zur Diskussion der Qualität in der Fernsehunterhaltung Hallenberger 2011), um ihn als Charakteristikum von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion zu benennen. Entscheidend ist hier jedoch die subjektive Verwendung des Begriffs durch die Medienschaffenden und ihre Assoziation mit Publikumserfolg. Indirekt gestehen die Medienschaffenden ihrem Publikum damit die in Abschnitt 5.2.3 diskutierte Fähigkeit ein, ihre kreative Leistung bewerten und durch ihre Aufmerksamkeit belohnen zu können. Was genau meint aber Publikumserfolg? Es zeigt sich kein einheitliches Meinungsbild im Bezug auf die Beziehung zwischen Publikumserfolg, wirtschaftlichem Erfolg und Kreativität bzw. kreativem Erfolg. Lediglich kreative Manager sprechen überhaupt diese Relation an. Publikumserfolg meint dabei offensichtlich Quotenerfolg, dadurch jedoch nicht automatisch wirtschaftlichen Erfolg. Wirtschaftlicher Erfolg ergibt sich – darauf verweisen einige Aussagen – aus wirtschaftlichem Handeln, einer hohen Gewinnmarge. Letztere hängt zumeist nur mittelbar mit dem Quotenerfolg zusammen, wenn ein*e Produzent*in dadurch beispielsweise seine*ihre Verhandlungsposition für zukünftige Produktionen gegenüber dem Sender stärken kann. Existenzentscheidend ist für die Produzent*innen jedoch beides gleichermaßen, Publikumserfolg und wirtschaftlicher Erfolg: „Und Erfolg ist eben relativ, Erfolg nur beim Publikum, aber wirtschaftlich nicht tragbar, ist am Ende auch kein Erfolg. Umgekehrt ist es ein Produkt, das mir eine riesen Marge beschert, aber das kein Schwein sehen möchte, weil das einfach nicht ansprechend und interessant gemacht ist, auch kein Erfolg.“ [M5]
Gewinnziele (also wirtschaftlicher Erfolg) und kreative Ziele (assoziiert mit Publikumserfolg) stehen sich deswegen jedoch nicht, wie die Aussage implizieren könnte, unvereinbar gegenüber. Beide Erfolgsgrößen, so derselbe Befragte, bedingten einander. Als Leitlinie formuliert daher ein weiterer Produzent, „dass wir über kreative Prozesse bei uns in einem Medienunternehmen wirtschaftlich ökonomisch erfolgreich sein wollen.“ [M2] Kreativität ist in dieser Argumentation eine zentrale Ressource eines Produktionsunternehmens. Kreativität gewährleistet Wirtschaftlichkeit. Das Kreativitätsverständnis der Medienschaffenden bewegt sich auf mehreren Deutungsebenen zugleich. Einerseits lassen sich aus ihren Ausführungen die oben
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aufgeführten Kategorien von Kreativität extrahieren, die allesamt als Bezugspunkt den Erstellungsprozess, das Endprodukt oder aber die Teil- und Zwischenprodukte haben. Andererseits qualifizieren zumindest die Medienschaffenden, die nicht die Rolle von Kreativen einnehmen, unabhängig von diesen Kategorien unterschiedliche Tätigkeiten als kreativ. Vorrangig gelten dabei jene Tätigkeiten als kreativ, die mittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Endproduktes nehmen. Folglich bewertet ein Sendervertreter die Entscheidung darüber, ob eine Sendungsidee zum Sender passt, als kreativ. Ebenso nimmt ein kreativer Manager die Zuweisung finanzieller Ressourcen als Gestaltungsmöglichkeit wahr: „Also ich sage immer, Geld verteilen hat ziemlich viel mit der Gestaltung des Endproduktes zu tun. Das, was einem nicht gefällt, was man nicht mit Geld versorgt, verkümmert eher, und das, was man liebt und unterstützt mit Mitteln, gedeiht prächtiger – das ist so die ganz praktische Möglichkeit, mitzugestalten.“ [M4]
Analog dazu spricht ein Kreativer von seiner (persönlichen) Budgetplanung und -organisation als kreativ: „So und dann muss man halt gucken, wie man das am Ende des Tages dann so löst, dass das geht. Und da ist dann natürlich auch Kreativität gefragt – klar – wie lege ich das dann zusammen. Wo brauch ich’s, wo brauch ich’s nicht.“ [K5]
Das Wissen um die notwendigen Besetzungen für eine Fernsehproduktion ist eine Frage der Erfahrung, die Auswahl der passenden Personen für diese Positionen wiederum beschreibt eine kreative Koordinatorin als kreativen Prozess (vgl. [CS2]) – vermutlich, da mit den Personalentscheidungen auch wesentliche Entscheidungen über den Charakter des Produkts gefällt werden. Ein kreativer Manager bestätigt dies: „Und dieses Zusammenstellen [von Teams, Anm. d. Verf.], dieses Package, das ist schon ein kreativer Prozess, in dem kreativer Austausch stattfindet.“ [M5] Schließlich steht jede Person für eine bestimmte gestalterische Richtung (vgl. Abschnitt 5.3.1.4). Zugleich beschreiben leitende Medienschaffenden Tätigkeiten als kreativ, die in ihren Leitungs- und Managementaufgaben zu verorten sind, und nicht die Gestaltung eines konkreten Projekts selbst betreffen. Demzufolge sind die Wahl eines Sendeplatzes und die Programmplanung aus Perspektive der Sender kreative Aufgaben (vgl. auch [M7]): „Wie setze ich mein Programm dann auch ein? Ist ein ganz wichtiger Punkt, und ein ganz kreativer Punkt, wirklich noch mal zu überlegen, wie platziere ich jetzt den Film. Und das ist auch ein riesiger Wirtschaftsfaktor.“ [M6]
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Diese Einordnung der Programmplanung als kreative Leistung entspricht der Analyse von Murray (2013), die die Programmplanung vorrangig als Management von Kreativität qualifiziert, weil sie den Kreativen (d. h. den Produzent*innen) – wie von Amabile für ein kreativitätsförderndes Management empfohlen – die Mittel, aber keine Ziele vorgebe (vgl. Murray 2013, S. 131). Über die Zuweisung von Ausstrahlungsslots und Budgets sowie die Formulierung von Quotenerwartungen und inhaltlichen Vorgaben betreibt die Programmplanung ein Management des kreativen Prozesses – und weil über die inhaltlichen Vorgaben und Kontrollen durch Redakteur*innen auch die kreative Arbeit selbst in die Programmplanung, wie sie sie versteht, fällt, verkörpert die Programmplanung auch die kreative Arbeit im Management (vgl. ebd., S. 129 f.; 132). Im Kontrast dazu bewerten Armbruster und Mikos (2009) die Programmplanung weniger als kreativen, denn als ökonomisch angeleiteten Akt, weil sie Unsicherheiten abbauen will: Sie basiere auf dem „marktbedingte[n] Verlangen, Popularität vorherzusagen und zu produzieren“ (ebd., S. 72). Kreative Tätigkeiten bestehen aus Perspektive der Medienschaffenden offensichtlich nicht nur in Bezug auf ein konkretes Unterhaltungsprodukt. Analog zu Küngs Aussage, Kreativität spiele in den Medien auch „in the wider organisation – in structures, processes and systems“ (Küng 2008b, S. 164) eine Rolle, beschreibt ein Senderredakteur die Modifikationen des Produktionsablaufes als kreativ, mit der Begründung: „Man muss immer kreativ sein.“ [M8] Ebenso stellt ein kreativer Manager fest: „Und natürlich ist auch unsere Buchhaltung […]. Auch denen würde ich jetzt Kreativität nicht abschreiben. Ich glaube, dass schon auch in der Gestaltung von so einer Arbeitswelt, Gestaltung von Arbeitsprozessen, Gestaltung von Führungsaufgaben, was man mit einem Auszubildenden macht, dass auch dort Kreativität ist.“ [M1]
Die Beschreibung von Personalentscheidungen, Programmplanung oder auch Budgetzuweisung erlaubt es auch jenen, die keine Rolle als Kreative einnehmen, ihre Tätigkeiten als kreativ zu bewerten. Diese Verwendung des Kreativitätsbegriffs führt zu seiner Aufweichung. Er wird zu einem Allgemeinplatz. Einer Spezifikation des Begriffs für das Feld laufen diese Aussagen folglich entgegen. Jedoch verdienen sie, berücksichtigt zu werden, da sie andeuten, welche Bedeutung der Kreativitätsbegriff für das Selbstverständnis jeglicher Rollenträger*innen des Feldes hat. Vor allem erlaubt ein Blick auf die durch die Medienschaffenden identifizierten Träger*innen von Kreativität den Schluss, dass die unterschiedlichen Rollenträger*innen sich und anderen Rollenträger*innen durchaus ein unterschiedliches Maß an Kreativität zuweisen. Großen kreativen Spielraum sehen
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kreative Manager in ihrer Tätigkeit nicht. Die Kreativen sind kreativer als sie. Darüber hinaus lassen sich ihre Beschreibungen des Kreativ-Seins als eine andere Form der Kreativität, nämlich als unternehmerische Kreativität, in Abgrenzung zur kulturell-gestalterischen Kreativität bewerten (vgl. Abschnitt 4.1.4). Was Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion – aus Perspektive der Medienschaffenden selbst – ist, in welcher Form sie auftritt und wodurch sie sich auszeichnet fasst Tabelle 5.7 zusammen. Dabei treten in der Darstellung bereits die wesentlichen Träger von Kreativität hervor (mehr dazu siehe unten). Die Systematisierung zeigt aber auch, wie sich die Dualität der Kreativität als neu und nützlich im Feld spezifiziert. Die prozessualen Ausprägungen verweisen auf Formen der Neuheit. Die zusätzlichen Eigenschaften mit ihrer impliziten Betonung der ökonomischen Logik wiederum verweisen auf den Nützlichkeitsaspekt.
Tabelle 5.7 Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion Personenorienerte Verortung von Kreavität
Kreavität als Gruppenkreavität (in hochfrequenter Produkon) Kreavität des Individuums (in Einzelstückprodukon) Kreavität ist Kreaon
Prozessuale Ausprägungen von Kreavität
Kreavität ist Rekombinaon Kreavität ist Problemlösung
Produktbezogene Ausprägungen von Kreavität
Kreavität gewährleistet Qualität und ist Qualitätskriterium Kreavität ist Verständnis für Zuschauer*innenbedürfnisse Kreavität ist Anwendung
Eigenschaen von Kreavität
Betonung ökonomischer Logik Kreavität ist zielgerichtet
Quelle: eigene Darstellung
5.3.3.4 Träger und Ebenen von Kreativität Die Kreativitätsliteratur benennt – wie in Abschnitt 4.1.1.2 dargestellt – Personen, Prozesse und Produkte (zum Teil auch die Umgebung) als mögliche Träger von Kreativität. Über seine Träger wird Kreativität erst greifbar und beschreibbar. Wie die Ausführungen oben bereits andeuten, sprechen die Medienschaffenden selbst vor allem von zwei Trägern der Kreativität ihres Feldes: Personen und Prozessen. Wesentliche Einschränkung dieses Befundes ist, dass die Interviews um den Themenkomplex „Management kreativitätsintensiver Prozesse“ kreisten und der Fokus (der Fragen) auf die Prozesse sicherlich auch die Aussagen der Befragten
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gesteuert hat. Folglich darf auch nicht überbewertet werden, dass nur sehr selten von Fernsehsendungen als kreativen Produkten die Rede ist (nur zwei Befragte sprechen explizit davon). Dennoch sind neben der Häufigkeit der Verweise auf die Träger vor allem die Spezifizierungen aufschlussreich. Demnach dominiert der Verweis auf die Menschen als Träger*innen von Kreativität jenen von Prozessen als Träger (obwohl letztere explizites Gesprächsthema sind). Dabei werden eindeutig bestimmte Rollenträger*innen als kreativer bewertet als andere und auf die Unterschiedlichkeit kreativer Prozesse verwiesen. Letztere hänge wesentlich vom Genre und vom Repetitionstyp ab. Nahezu alle Befragten sprechen, wenn sie von Kreativität sprechen, auch von kreativen Menschen. Zugleich sprechen alle Medienschaffenden, wenn sie die Prozesse der Fernsehunterhaltungsproduktion beschreiben, von einem Feld, das auf den Menschen und den unterschiedlichen Fähigkeiten dieser Menschen basiert. Sie bestätigen damit die Branchenkonzeption als ein ‚people’s business‘. Die Fernsehunterhaltungsproduktion lebt von den Menschen, automatisieren lässt sie sich nicht: „[…] [J]ede Einstellung, jeder Take ist ein Unikat, zwar in verschiedenen Genres und Erfahrungen abbildbar, aber man muss es manuell herstellen. […] [B]ei klassischem Fiction ist da ein Haar an der Wimper, Maske, ist da ein Fussel am Kostüm, Kostüm, stimmt die Einstellung, wenn der Darsteller sich bewegt, Kameramann – das sind alles sozusagen für diesen Moment notwendige Menschen, die da am Set sind.“ [M4]
Einzelne Kreative, feste Teams, bestimmte Personenkonstellationen stehen für spezifische Gestaltungsmittel, Erzählweisen und Fähigkeiten – „nicht jeder kann alles“ [CS1]. „[…] [L]etztlich stehen die Leute, die wir hier haben, schon für eine bestimmte Richtung. Also die einen machen mehr Krimis, die anderen haben ihre Stärken in der Komödie, und andere wieder im Drama.“ [CS2]
Als kreativ gelten vor allem jene, die – diese Erkenntnis überrascht wenig – die Rolle als Kreative übernehmen. Jedoch erfolgt diese Unterscheidung von Medienschaffenden nach ‚kreativ‘ und ‚weniger kreativ‘ durch alle Rollen gleichermaßen. Ein genauer Blick verrät, dass die Bewertung von Personen als kreativ weniger eine Persönlichkeitsbewertung als vielmehr eine Tätigkeitsbewertung darstellt. Es geht darum, wer in welchem Umfang kreativ arbeitet. Konkret benennen die Medienschaffenden beispielhaft folgende Personen als kreative Personen: Autor*innen, Chefautor*innen, Regisseur*innen, Producer*innen werden
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
besonders hervorgehoben; Darsteller*innen (wenn in Konzeptentwicklung involviert), Kostümbildner*innen und Szenenbildner*innen aber ebenso benannt. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Praktiken der Kreativen vor allem kreative Praktiken zu sein scheinen. Die Abstufungen kreativer und weniger kreativer Tätigkeit erfolgt wesentlich über die Hierarchie der Medienschaffenden. Das Bewusstsein für den Rückgang kreativer Tätigkeiten hängt dabei von der beruflichen Sozialisation der Medienschaffenden ab. Eine auch als Dramaturgin und Producerin erfahrene Senderredakteurin stellt fest: „Je weiter oben in der Hierarchie, desto weniger ist der Kontakt zu den Kreativen, das ist ein ganz normaler Prozess.“ [M7] Einen ähnlichen Schluss zieht eine Kreative in Leitungsposition: „Okay, das ist eigentlich sehr schade, denn je höher man kommt in der Position, desto mehr muss man unkreative Dinge machen.“ [CS1] Leitungskompetenz impliziert Organisations-, Koordinations- und Managementaufgaben. Äquivalent hat beispielsweise längst die Journalismusforschung festgestellt, dass der Aufstieg in der Hierarchie – insbesondere in der weit verzweigten Aufbauorganisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – eine Abnahme journalistischer Aufgaben zugunsten administrativer Aufgaben bedeutet (vgl. Weischenberg 1992, S. 285). Die Zeit jene Dinge zu tun, die aus Perspektive der Medienschaffenden wirklich kreativ sind, nimmt damit ab. Die Kreativen sitzen am ‚ausführenden‘ Ende der Entscheidungskette. Einen in künstlerischen und kreativen Berufen sozialisierten, auf Produzenten- und Senderseite erfahrenen kreativen Manager führt dies zu der Feststellung, dass jene, die oben auf der Hierarchieleiter sitzen, höchstens ‚im weitesten Sinne‘ kreativ seien: „Da ich auch Regisseur und auch Autor war, weiß ich, was es wirklich heißt, kreativ zu sein. Und deswegen mache ich mich auch unbeliebt bei meinen Kollegen, wenn ich denen sage, du bist übrigens gar nicht kreativ. Dann fangen die immer an zu weinen und zu schreien und sagen, ja, ich bin doch ein ganz kreativer Mensch. Wie gesagt, ich arbeite mit Kreativen, aber ob ich kreativ bin…“ [M6]
Die eigene Erfahrung aus kreativen Tätigkeiten führt bei Personen mit Leitungsaufgaben folglich dazu, die eigenen Aufgaben besonders deutlich als weniger oder nicht kreativ wahrzunehmen. Dies gilt auch innerhalb der als besonders kreativ geltenden Tätigkeitskomplexe, d. h. innerhalb von Tätigkeitskomplexen, die sich mit der Erstellung des Endprodukts befassen: „Ja es braucht einen Chefautor, es braucht ihn auch tatsächlich. Nach meiner Erfahrung ist der Chefautor nicht mal unbedingt immer der Kreativste, sondern er ist der, der die Struktur verleiht.“ [K4]
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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Das Zitat verweist wieder auf die hohe Bedeutung von (Struktur durch) Leitung und Führung des kreativen Prozesses. Auf den ersten Blick sitzen damit jene, die wesentlich die kulturell bedeutsame kreative Arbeit leisten, am Ende der Hierarchiekette. Ihre Bedeutung erlangen sie aber nur durch die (aufbau)organisationale Struktur. Die unterschiedlichen Rollen gemeinsam ermöglichen die feldspezifische Kreativität. Die Abgrenzung kreativer von weniger und nicht kreativen Aufgaben erlaubt es jedoch herauszufiltern, was die im Kern kreativen Tätigkeiten der Fernsehunterhaltungsproduktion sind. Es handelt sich dabei um all jene Tätigkeiten, die das Endprodukt direkt gestalten und modifizieren. Dabei scheint auch wesentlich zu sein, dass nicht nur eine schlichte Umsetzung, sondern auch Gestaltung erfolgt. Stupides Abfilmen von Motiven nach Plan und Vorgabe wäre folglich anders zu bewerten als Entscheidungen über Motive und damit eine visuelle Gestaltung beim Filmen. Trotz dieser differenzierten Wahrnehmung eigener Tätigkeiten als nicht kreativ, sprechen aber auch Medienschaffende, die nicht die Rolle eines Kreativen einnehmen, von sich selbst als ‚kreativ‘. Kreativ zu sein hängt aus der Sicht vieler Befragter nicht von der Quantität kreativer Tätigkeiten ab. Dennoch versteht sich deswegen nicht jede*r Medienschaffende auch als Kreative*r. Ein Blick auf die Beschreibung der eigenen Tätigkeiten, Aufgaben und Rollen verrät, dass sich die meisten kreativen Manager primär auch als Manager verstehen – wenn auch ihr Management-Gegenstand ein besonderer sei. So sehen sie sich als ‚Manager von Kreativität‘, zuweilen gar als ‚Förderer‘ und ‚Begleiter von Kreativität‘, während die Sender ihre (Letzt-)Entscheidungsbefugnis hervorheben und folglich dem eigenen Verständnis nach auch als ‚Kontrolleure der Kreativität‘ betitelt werden könnten. Hierin kommt die machtvolle Position der Sendervertreter*innen gegenüber den Produzent*innen im Machtgefüge der Fernsehunterhaltungsproduktion zum Ausdruck. Doch auch hier bestimmt nicht die Position im Feld allein den Habitus: Ein Sendervertreter mit Erfahrung als Kreativer nimmt seine Rolle für die Kreativität weniger hierarchisch wahr und versteht sich als Begleiter und Visionär, der vorsichtig die Richtung weist, statt kompromisslose Richtungskommandos zu geben. Als Fazit lässt sich ziehen, dass eine bestimmte Gruppe von Medienschaffenden, nämlich jene in der Rolle der Kreativen, auch Träger*innen der Kreativität sind. Sie sind es deshalb, weil ihre Aufgaben kreativ sind. Damit liegt selbst in den Ausführungen der kreativen Personen ein Prozessfokus und kein Persönlichkeitsfokus. Dass auch andere Rollenträger*innen kreativ handeln können, ist damit nicht ausgeschlossen; auch nicht, dass diese sich als kreativ verstehen. Möchte man Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion beobachten, sind folglich die als Pockets of Creativity (vgl. Abschnitt 5.1.1) beschriebenen Tätigkeitsfelder ein zentraler, wenn auch nicht der einzige Betrachtungsgegenstand.
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Ein Blick auf die Ausführungen der Medienschaffenden zum kreativen Prozess offenbart aufschlussreiche Erkenntnisse zum Verständnis von Kreativität aus Prozessperspektive. Fernsehunterhaltungsproduktion, das ist nicht ein kreativer Prozess. Kreative Prozesse finden im Feld in vielfältigster Form, in verschiedenen Produktionsschritten und auf unterschiedlichen Ebenen statt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Medienschaffenden die Existenz kreativer Prozesse nicht auf eine bestimmte Stufe des Wertschöpfungsprozesses beschränken und sich kreative Prozesse insbesondere zwischen Genreformen unterscheiden. Dabei verweisen sie vor allem auf Unterschiede aufgrund des Repetitionstyps: „Ja, das ist ein ganz anderer kreativer Prozess. Also bei einer Serienentwicklung ist es ganz anders [als beim Film, Anm. d. Verf.].“ [CS2] Auch konstituieren Details in der Produktionsumsetzung unterschiedliche kreative Prozesse: „Eine standardisierte Studio-Sache im szenischen Bereich ist zum Beispiel auch eine Telenovela, wo die ganzen Räumlichkeiten, die Schauspieler ja auch da sind, wo man am Tag ja auch bis zu 25 Minuten macht. Aber auch im Mehrkamerasystem: alle Schauspieler am Ort/ Das sind schon zwei unterschiedliche Bereiche. Beide haben ihre kreativen Prozesse und Vorbereitungsprozesse, aber sie unterscheiden sich.“ [K5]
Kreative Prozesse differieren des Weiteren innerhalb eines Genres und einer Produktion je nach Produktionsschritt: „[…] Irgendwann ist die Geschichte geschrieben und irgendwann wird sie dann dem Regisseur und dem Team übergeben, das es umsetzt und da fängt ein neuer kreativer Prozess an. Und wenn das Ganze umgesetzt ist, geht es in die Postproduktion, wo nochmal ein kreativer Prozess anfängt.“ [M3]
Die Unterscheidung kreativer Prozesse über die Stufen im Wertschöpfungsprozess der Fernsehunterhaltungsproduktion wirft die Frage auf, wann ein kreativer Prozess endet und ein neuer beginnt. Einige Aussagen der Medienschaffenden geben Hinweise darauf, dass dies an einen personellen Wechsel geknüpft ist, d. h. eine Weitergabe der Produktbearbeitung an eine andere Personenkonstellation. Dies ist dann ggfs. sogar innerhalb eines Produktionsschritts, z. B. in der Entwicklung, der Fall: „Ansonsten gibt es den Prozess der Entwicklung, dann wird das hier gemeinsam verabschiedet und sicherlich noch mal in die richtige Richtung gebracht, dann wird es beim Sender vorgestellt. Beim Sender ist in der Regel, wenn es eine Eigenentwicklung ist, ein weiterer kreativer Prozess, wo gemeinsam mit dem Sender noch mal die Richtung festgezurrt wird […].“ [CS3]
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
339
Wird ein Projekt von einer Personengruppe (selten einer Einzelperson) weitergegeben, dann beginnt ein neuer kreativer Prozess. Und jeden Tag aufs Neue ist der Prozess ein anderer. Der nicht automatisierbare Faktor Mensch führt dazu, dass der kreative Prozess ständig variiert: „Ich glaube jeder Kreativprozess wird sich im Laufe der Zeit verändern, der wird sich auch jeden Tag verändern, je nachdem welche Menschen dort arbeiten und in welcher Konstellation sie arbeiten.“ [M3]
Auch hier zeigt sich folglich die enge Verknüpfung der prozessualen Perspektive mit der Personenperspektive auf die feldspezifische Kreativität. Kreativität vollzieht sich in Interaktionsprozessen spezifischer Personengruppen (vgl. auch Abbildung 5.4).
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 5.4 Relation der Träger von Kreativität in der Unterhaltungsproduktion
Dass sich kreative Prozesse zwischen Produktionsschritten unterscheiden, bedeutet bereits, dass sich kreative Prozesse in unterschiedlichen Produktionsschritten finden und nicht exklusiv in einem Schritt der Wertschöpfungskette verortet werden: „[…] [I]ch glaube, dass Kreativität zu fast jeder dieser Stufen dazugehört. In der Buchentwicklung ist natürlich ganz klar, doch in der Ideenentwicklung, da muss man kreativ über die Geschichten nachdenken, genauso muss ein Regisseur, das ist weniger mein Job, aber kreativ in der Umsetzung sein, und meistens der Produktionsleiter ist sogar kreativ mit den Kosten. Ich weiß nicht, wie sehr man in der Post[produktion, Anm. d. Verf.] noch kreativ ist, das sind ja meistens dann so vorgefertigte fest strukturierte Abläufe, aber selbst, um eine Serie oder ein Movie on Air zu bringen, muss dann unsere Abteilung Kreationen, Trailer schneiden, wozu eine gewisse Kreativität gehört. Also jeder dieser Prozesse ist von Kreativität begleitet.“ [M8]
Ähnlich äußern sich zwei weitere Medienschaffende in Manager-Rolle, wenn sie gefragt nach einer Quantifizierung von Kreativität im Prozess grundsätzlich jede
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Stufe als kreativ bezeichnen, jedoch mit der Tendenz, der Kreation und Entwicklung das höchste Maß an Kreativität zuzuweisen (vgl. auch Abschnitt 5.1.2). Im Laufe des Prozesses bis hin zur Postproduktion, so die Medienschaffenden, nehme die Kreativität ab. Da die Quantifizierung des Kreativitätsumfangs jeweils nur auf explizite Nachfrage bzw. unterstützt durch Interpretationen des Interviewers erfolgten, muss die Quantifizierung und gar Hierarchisierung der Produktionsstufen nach Kreativitätsumfang mit Vorsicht betrachtet werden. Vor allem, da sich Unterschiede in der Bewertung von Prozessabschnitten als kreativ auch auf das Genre, in dem ein*e Medienschaffende*r tätig ist, und auf die eigene Funktion zurückführen lässt: Regisseur*innen bezeichnen den Dreh als kreativ; Entwicklungsleiter*innen heben die Entwicklungsphase als besonders kreativ hervor. Darin deutet sich (wieder) an, dass die Identifikation von Kreativität im Arbeitsprozess weniger mit der Beschreibung einer spezifischen Arbeitsart denn mit dem Selbstverständnis zu tun hat. Die Entwicklungsphase als kreativer Prozess meint dabei nicht nur Neuentwicklungen, sondern schließt – im Kontrast zu ihrer Einordnung als NichtInnovationen (vgl. Abschnitt 5.2.2.1) – auch Formatadaptionen ein, die es erfordern, an den „detaillierten kreativen Lösungen innerhalb sagen wir mal eines Formates“ [M2] zu arbeiten. Kreativität ist folglich die erfolgreiche Realisierung eines Sendungskonzepts. Formatadaption ist deswegen nicht weniger kreativ – ganz im Gegenteil: „[I]m Fernsehen ist es oftmals so, dass man das Gefühl hat, am Anfang ist es so die 100-prozentige Idee, aber eigentlich muss man ganz realistisch sagen, dass es oftmals eher so ist, vielleicht 20 Prozent die Idee und 80 Prozent die Umsetzung. Und in dieser Umsetzung steckt natürlich noch mal sehr viel Kreativität, gerade wenn Sie sich vielleicht mit Formaten beschäftigen; wenn man noch mal schaut, wie man dort auch an Stellschrauben drehen kann, wie in den Details natürlich auch dann eine gewisse Qualität noch mal entsteht.“ [M1]
Das Drehen an den einzelnen Stellschrauben gilt als kreativ. Die Grundidee der Gesamtsendung muss dafür nicht neu sein. Ein Autor, der seine Arbeit zuvor als kreativ beschreibt, bezeichnet das Produkt als eindeutig nicht innovativ (vgl. auch Karow 2011, S. 215): „Jetzt habe ich noch etwas für In aller Freundschaft geschrieben, das ist auch ein extrem erfolgreiches Format Medical, das läuft auch noch und läuft mit großem Erfolg und ist ungefähr so innovativ wie – ich weiß es nicht – ‘ne Schreibmaschine könnte man sagen. Es bedient eigentlich Sehgewohnheiten der 70er und 80er Jahre. Es ist ein Beispiel dafür, dass es nicht nutzt, nur innovativ zu sein.“ [K4]
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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In den Aussagen der übrigen Befragten ist die wahrgenommene Relation von Endprodukt und kreativem Arbeitsprozess weniger eindeutig. Der Innovationsbegriff taugt hier zur Differenzierung nicht, da er selten überhaupt benannt und dann zumeist synonym zu Kreativität verwendet wird. Die differenzierte Darstellung unterschiedlicher Prozesse mit deutlichem Bezug zum Arbeitsalltag lässt jedoch vermuten, dass es deutlich zu kurz greifen würde, nur jene Prozesse, die auch wirklich in einem als kreativ/innovativ bewerteten Endprodukt münden, als kreativ zu bezeichnen. Vor allem, da – wie oben (vgl. Abschnitt 5.3.3.3) bereits skizziert – vielfältige Prozesse als kreativ gelten: „[W]ir arbeiten ja mit Menschen, und unser Job ist es eigentlich, sage ich mal, so definieren wir uns von der Philosophie her, möglichst ein Package zu erstellen, ein Produktdesign, das heißt, die richtigen Leute zusammenzubringen und die dazu zu bringen, ungefähr das zu machen, was wir wollen. […] Und dieses Zusammenstellen, dieses Package, das ist schon ein kreativer Prozess, in dem kreativer Austausch stattfindet.“ [M5]
Personalorganisation – in der auf Menschen basierenden Branche – ist folglich ebenso ein kreativer Prozess, wie die Organisation und Koordination von Ressourcen allgemein. Durch die Netzwerkstruktur der Fernsehunterhaltungsproduktion verteilen sich Koordinationsaufgaben auf unterschiedliche Knotenpunkte im Netz (vgl. Abschnitt 3.2.4). Ressourcen- und zum Teil Personalplanung gehören damit durchaus ebenso zu den Aufgaben von Regisseur*innen wie auch von Szenenbildner*innen. Zwei Kreative beschreiben die regelmäßigen, u. U. täglichen Prozesse der Ressourcenplanung als kreativ. Prozesse, die indirekt das Produkt formen, sind folglich zumindest potenziell ebenso kreativ wie jene, die das Produkt direkt formen (vgl. auch Abschnitt 5.3.3.3).
5.3.3.5 Kreativitätsmanagement: Determinanten auf organisationaler Ebene Die Ausführungen zum Kreativitätsverständnis der Medienschaffenden in der Fernsehunterhaltungsproduktion erlauben es nicht nur, die grundsätzlich Rolle von Kreativität im Feld noch besser einzuschätzen. Die feldspezifische Kreativitätsdefinition liefert zugleich Ansatzpunkte für ein Management von Kreativität, da es auf für das Feld spezifizierte Elemente, die Kreativität fördern können, verweist. Abbildung 5.5 stellt basierend auf der systematischen Darstellung von Einflussfaktoren auf Kreativität in Abschnitt 4.2.2 (vgl. Abbildung 4.6) dar, welche Determinanten von Kreativität die Medienschaffenden für die Ebene des
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Individuums und der Organisation – dies bezieht sich hier vorrangig auf das Projektnetzwerk, vereinzelt auch auf das Produktionsunternehmen – benannt haben (mit Sternchen* markiert).
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 5.5 Determinanten von Kreativität in der Unterhaltungsproduktion auf Mikround Mesoebene
Sinnvoll ansetzen lässt sich für eine Beschreibung der (potenziellen) Einflussgrößen auf Kreativität im Feld bei der grundlegenden Perspektive der Medienschaffenden, dass Kreativität Struktur braucht, weil Kreativität ein kontextspezifisches, soziales Phänomen ist – und kein gottgegebenes Talent. Strukturen im Sinne inhaltlicher und arbeitsorganisatorischer Vorgaben machen Kreativität erst möglich. Trotz der Unplanbarkeit der Kreativität selbst, ist es den Managern und Koordinator*innen möglich, Zeitfenster einzuplanen, die Kreative nach eigenem Gusto und eigener Schwerpunktsetzung füllen können. Konkrete Vorgaben zum Inhalt – beispielsweise eines Drehbuchs – verkleinern das Spielfeld, welches dafür jedoch völlig frei gestaltet werden kann. Dies impliziert, dass es jemanden geben muss, der Größe und Form des Spielfelds zunächst festlegt. Kreativität funktioniert in der Fernsehunterhaltungsproduktion nur über Führung. Tatsächlich ist es nicht die Aufbauorganisation mit hierarchischen Strukturen an sich,
5.3 Medienschaffende als kreativ Arbeitende und kreativer Input
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die Kreativität behindern kann, sondern eine ablauforganisatorische Prozessgestaltung, die eine hierarchische Denke betont. Da sich die Fernsehunterhaltungsproduktion in einer Vielzahl kreativer Prozesse abspielt und sich koordinative Aufgaben durch eine Vielzahl von Rollen und Hierarchiestufen zieht, kommt einer Vielzahl von Medienschaffenden eine (Teil-)Führungsaufgabe zu. Feedback, Kontrolle und Korrekturen sind wichtig. Diese Rückkopplungen dürfen aber nicht zu früh einsetzen, d. h. sie dürfen einen kreativen Prozess nicht unterbrechen. Unterbrechungen der Arbeit stören das Arbeitsklima, weil sie die Autonomie der Kreativen in Frage stellen (vgl. auch Perren 2011, S. 137 f.). Kontrolle und das Vertrauen in die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Medienschaffenden stehen sinnvollerweise nebeneinander. Führungskräfte müssen folglich den Balanceakt bewältigen, mit einer klaren Führung die Richtung vorzugeben und die Kreativität zielgerichtet zu kanalisieren und zugleich Ideen, die aus dieser Richtung ausreißen, diplomatisch zurückzuweisen, damit die Kreativen nicht demotiviert werden. Entscheidend ist folglich nicht, dass die Kreativen frei Schnauze gestalten und entscheiden können, sondern dass sie in ihrer Rolle kreative Autonomie wahrnehmen. Medienschaffende, insbesondere die Kreativen, müssen sich in ihren Kompetenzen, in der alltäglichen Arbeit, genauso wie auf Ebene des Gesamtprojekts, sicher fühlen vor Zurückweisung und (ökonomischer) Einengung. Dies bedeutet, dass nicht die strukturellen Vorgaben, d. h. die Regeln und Ressourcen(grenzen), selbst Kreativität behindern können, sondern die Wahrnehmung von Kontrolle. Zugleich wirken aber auch die Vorgaben selbst kreativitätsmindernd, wenn sie aus dem Rahmen fallen: Begrenzte finanzielle Mittel können den Einfallsreichtum fördern; unrealistisch niedrige Budgets hingegen ein Projekt scheitern lassen. Klare Kennzahlen und Formeln für die Grenze zwischen herausfordernd und aussichtslos lassen sich leider nicht benennen, zumal dies sicherlich auch von individuellen Prädispositionen und Erfahrungswerten der in ein Projekt eingebundenen Personen abhängt. Entsprechend einer praxistheoretischen Sichtweise lässt sich daraus insgesamt folgern, dass Kreativität dann bedroht scheint, wenn die ökonomischen Ziele die artistischen Ziele überlagern. Kreative müssen sich folglich davon frei fühlen, vorrangig einer ökonomischen Logik folgen zu müssen. Die Medienschaffenden liefern mit ihren Beschreibungen kreativer Kolleg*innen einen Überblick über Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die kreative Personen nicht nur haben, sondern letztlich auch haben sollten, wenn sie denn in der Fernsehunterhaltungsproduktion tatsächlich kreativ wirken möchten. Eine tiefe persönliche Begeisterung für die eigene Arbeit, Beharrlichkeit in der Durchsetzung eigener Ideen bei gleichzeitiger Frustrationstoleranz – da die
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
Ideen nicht selten scheitern – sowie die Fähigkeit, selbstständig und dem eigenen Können entsprechend zu arbeiten, sind demnach wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Übernahme einer kreativen Rolle im Feld. Noch wichtiger sind jedoch die praktischen, handwerklichen, zur Kreation (z. B. eines Kostüms oder eines Drehbuchs) befähigenden Fertigkeiten. Jene, die das Personal für ein Projekt auswählen, können sich an diesen Qualifikationen orientieren, müssen jedoch zugleich die Individualität der Medienschaffenden beachten. Jeder hat seinen eigenen Arbeitsstil, den er jedoch zielgerichtet im Sinne der feldspezifischen, auch ökonomischen Logik einsetzen muss. Dabei haben die Medienschaffenden selbst darauf verwiesen, dass zwischen Genres und Gattungen wenig personelle Durchlässigkeit besteht: Nicht jeder ist für zeitlich eng getaktete Produktionen und das Arbeiten in großen Teams gleichermaßen geeignet. Tatsächlich sprechen die Medienschaffenden in den Interviews mit Blick auf Teams nicht von deren Komposition als von der Größe. Fernsehunterhaltungsproduktion wird fast durchweg als kollaborative Produktion beschrieben, aber dennoch ist Teamarbeit nicht immer sinnvoll. Daher ist es wichtig, Teams nicht zu klein, aber auch nicht zu groß zu besetzen und auch – in spezifischen Fällen – die Einzelarbeit zu fördern.
5.4
Zusammenfassung: Kreativität und Kommerz in der Fernsehunterhaltungsproduktion
Die Beschreibung der Fernsehunterhaltungsproduktion über ihre Prozesse, Produkte und Personen weist explizit und implizit immer wieder auf die Relation zweier konkurrierender, punktuell scheinbar unvereinbarer Logiken, Prinzipien, Postulate: „Kreativität und Kommerz“ (Iljine und Keil 2000, S. 130), „‚Geld‘ oder ‚Kunst‘“ (Bonhoeffer 2010, S. 184). Caves (2000; 2003) hat den Grundmechanismus der Kultur- und Kreativwirtschaft aus Perspektive der Vertragstheorie als ‚Verträge zwischen Kunst und Kommerz‘ beschrieben. Beide Pole stehen sich nicht unvereinbar gegenüber, vielmehr spannt sich zwischen ihnen ein Kontinuum auf, das fest verknotet sein muss, damit die Kulturwirtschaft (der Terminus selbst greift beide Facetten auf) als solche funktioniert (vgl. z. B. auch Cantor 1988; DeFillippi 2009; Eikhof und Haunschild 2007; Lorenzen 2009; Nicoli 2010). Zentraler Gegenstand, ‚Herzstück‘ kultureller Produktion ist die Beziehung von Kommerz und Kreativität (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 228) und damit die Frage, wie „the drive to make profits“ (ebd.) und „the quest to make interesting, intriguing, pleasurable, beautiful, informative, enlightened products“ (ebd., S. 229) miteinander kombiniert werden; welches der beiden Elemente dabei welchen
5.4 Zusammenfassung: Kreativität und Kommerz …
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Rang einnimmt. In Bourdieu’scher Feldlogik unterliegt das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion als kulturelles Feld einer dualen Logik. Es koppelt eine artistische und eine ökonomische Logik aneinander, wie Eikhof und Haunschild (2007) es für die Theaterproduktion beschrieben haben. Zahlreiche Ausprägungen dieses Duopols lassen sich für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion beschreiben: Der Prozess der Fernsehunterhaltungsproduktion koppelt kreative an nicht-kreative, d. h. kontrollierende und allgemeine, Prozesselemente (vgl. Abschnitt 5.1.1). Fernsehunterhaltungsproduktion drückt sich aus in einer Erweiterung des Bestehenden durch das Neue – in festem Bezug des letzterem zum ersteren (vgl. Abschnitt 5.2.1). Diese Neuerung findet dabei in einem Kontext beständiger Variation statt. Kontinuierliche Veränderung ist in der kulturellen Produktion Normalität und Routine. Genres und Gattungen als Produktmuster sind nicht starr, Publikumsgeschmäcker verändern sich im Zuge üblicher gesellschaftlicher Dynamiken und Medienschaffende entwickeln ihre Arbeitsweisen weiter. Alle diese drei Elemente bedingen sich gegenseitig. Die deutsche Fernsehproduktionsbranche rückt die ökonomische Logik in den Vordergrund, wenn es Produktselektionsmechanismen favorisiert, die auf dem benannten Kontinuum Richtung Kommerz schwenken: Nicht kreative Neuartigkeit, Abweichung, Überraschung, sondern ökonomische Absicherung durch Standardisierung tritt in den Fokus, wenn vorwiegend formatbasierte Produktionen von Sendern nachgefragt und entsprechend von Produzent*innen angeboten werden (vgl. Abschnitt 5.2.2.1). Zugleich tilgt diese Tendenz das Kreative nicht aus dem Produktionsprozess, weil Kreativität hier in alltäglichen Produktionsmechanismen liegt (vgl. Abschnitte 5.1.1, 5.3.3.3 und 5.3.3.4). In dieser Skizze wird bereits die Bandbreite dessen, was unter ‚Kommerz‘ oder ‚ökonomischer Logik‘ gefasst werden kann, deutlich. Caves (2003, S. 73) spezifiziert seine These von den Verträgen zwischen Kunst und Kommerz beispielsweise als die Art und Weise, wie zwei unterschiedliche Rollengruppen im Prozess kultureller Produktion ihre Beziehung zueinander gestalten: Künstler*innen („artists“) – synonym spricht er auch von ‚creative agents‘ – auf der einen Seite und ‚alltägliche Agent*innen‘, so genannte „humdrum inputs“ auf der anderen Seite. Die Organisation der Kunst- und Unterhaltungsindustrie, schreibt er, hänge wesentliche von der Verbindung dieser beiden Akteur*innengruppen ab. Wie gut Hierarchie und strukturelle, ökonomische wie auch gestalterische Vorgaben mit Kreativität zusammenpassen, zeigt auch das Konzept des Writer’s Rooms und die Wahrnehmung kreativen Freiraums in der industrialisierten Serienproduktion (vgl. Abschnitte 5.2.2.2 und 5.3.3.3). Dennoch ist die Beziehung beider Logiken spannungsgeladen. Nicoli spricht von „tensions between commerce and creativity
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Kreativität im Kontext der Fernsehunterhaltungsproduktion
in television“ (Nicoli 2010, S. 53) als Spezifikum der Branche. Das Spannungsfeld zwischen Kreativ- und Budgetär-Verantwortlichen prägt und stabilisiert den Produktionsprozess, verkörpert v. a. durch das Producing auf der einen und die Produktionsleitung auf der anderen Seite (vgl. Abschnitt 5.3.1). Vermittler*innen, Intermediäre zwischen den Logiken, sind wesentlich für das Funktionieren der Branche. Diese interpersonale Ebene findet ihre Entsprechung auf intrapersonaler Ebene: Vertreter*innen beider Akteur*innengruppen – auf Seite der Kreativen als auch der administrativ Tätigen (ob in ausführender oder leitender Rolle) – vereinen ein Verständnis für den kreativen Charakter des Prozesses und des Produkts mit einem Verständnis für Ressourcenzwänge und die Notwendigkeit von Führung, Zielgerichtetheit und Grenzsetzung (vgl. Abschnitte 5.3.3.2 und 5.3.3.3, vgl. auch Roberts 2010, S. 769); wenngleich die subjektiv wahrgenommene Behinderung des eigenen Tuns durch die eine oder andere Logik (vgl. Graf 2010, S. 259) mit der Rolle und dem Selbstverständnis variiert. Dennoch: Die Agenden beider Funktionsrollen verwischen (vgl. Roberts 2010, S. 771). Dies grenzt die Fernsehunterhaltungsproduktion von Bereichen, in denen die Distanz zur Kommerzialisierung einen besonderen Wert konstituiert – z. B. in der Kunst oder auch dem Theater – ein Stück weit ab (vgl. ebd., S. 773). Kreativität ist im Fernsehen nicht durch ökonomische Zwänge beschränkt, sondern besteht durch diese (vgl. Newcomb und Alley 1982, S. 69, 88). Bestimmte Konflikte zwischen spezifischen Handlungs- und Funktionsrollen sind demnach gewollt und notwendig – schwieriger sind Konflikte zwischen unterschiedlichen gestalterischen Visionen, d. h. wenn es nicht mehr um die Balance des gestalterisch Projizierten und ökonomisch Realisierbaren geht, sondern der Konflikt gänzlich auf Seite der kreativen Logik stattfindet (vgl. Abschnitt 5.3.1.3). Fernsehunterhaltungsproduktion ist ein mehrdimensionaler Aushandlungsprozess: Zwischen Rollen, zwischen Meinungen, zwischen Geschmäckern, aber auch zwischen unterschiedlichen Logiken (vgl. dazu auch das Konzept des Drehbuchschreibens als ‚ausgehandelte Aktivität‘ von Nichols-Pethick 2011). Der untrennbare Zwiespalt zwischen Kreativität und Kommerz findet sich auf all diesen Stufen. Die Kopplung erscheint paradoxal. Die Feldlogiken sind paradoxal gekoppelt (vgl. Abschnitt 4.4). Eine paradoxale Sichtweise auf das Feld erscheint damit als besonders fruchtbar. Kreativitätsmanagement im Feld stellt sich als Management von Ambiguitäten dar. Die Betrachtung der Paradoxität der Kreativität bewegt sich dabei in dieser Arbeit von der kognitiven auf die soziale, interaktionale Ebene.
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
Vor dem Hintergrund der ausführlich beleuchteten Rolle von Kreativität (als produktioneller Input, als Produkt- und Prozesscharakteristikum, als Teil des Selbstverständnisses und Handlungsmodus) im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion lässt sich schlussfolgern, dass sich dieses Praxisfeld über das Konzept der Kreativität, über Vorstellungen und über Wahrnehmungen von Kreativität (als Eigenschaft der Person und der Produktionspraxis) analysieren lässt. Die Frage, wie, wo und was Kreativität im Feld ist, verweist auf die Funktionsweise und Strukturen des Feldes. Theoretisch eingebettet wird dieser Blick auf Kreativität in eine praxistheoretische Perspektive. Diese Einbettung ist Ergebnis eines Wechselspiels von Theorie und Empirie: Forschungsstand und Sekundäranalyse dienen dazu, die Theoriebildung und -selektion empirisch herzuleiten. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Schlüsse für die Beschreibung der Unterhaltungsproduktion als Praxisfeld die bisherige Forschung erlaubt und wie sowie warum sich Kreativität und Kreativitätstheorien mittels einer praxistheoretischen Brille in diese Beschreibung des Praxisfeldes einbinden lassen.
6.1
Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld
Die Fernsehunterhaltungsproduktion als Gegenstand dieser Arbeit wird als Praxisfeld konzipiert. Diese Konzeption ermöglicht eine integrative Perspektive auf den Gegenstand. Da die praxistheoretische Sichtweise in ihrer Grundkonzeption Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_6.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_6
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
den Dualismus von Individualismus und Strukturalismus zugunsten einer Dualität von Subjekt und Struktur zurückweist, bezieht sie die Mikroebene, genauso wie die Meso- und Makroebene gleichermaßen in die Betrachtung ein. Nicht nur die Grundlogik der Praxistheorie, sondern auch ihr ontologisches Vokabular erlauben es, den Gegenstand adäquat auf allen drei Analyseebenen zu erfassen. Das Feldkonzept ist zeitgleich auf unterschiedliche Ebenen anwendbar. Daran ansetzend lassen sich für die Fernsehunterhaltungsproduktion analytisch mehrere Felder differenzieren. Ein einzelnes Projekt als Projektorganisation ist als eigenes Feld differenzierbar. Daneben ist es schlüssig, aufgrund der Variation von Produktionsmechanismen, Arbeitsweisen und Rollenausprägungen zwischen Genres (vgl. Abschnitte 5.1.1, 5.2.1 und 5.3.1.1), auch genrespezifische Felder der Unterhaltungsproduktion zu unterscheiden. Ebenso kann das latente Projektnetzwerk eines*einer Produzenten*Produzentin als Ganzes, d. h. jenseits eines spezifischen Projekts, als eigenes Feld skizziert werden (vgl. Abschnitt 3.2.4). Für die Existenz all dieser Feldebenen – der Ebene des einzelnen Projekts, des Projektnetzwerks, eines Genrefeldes, aber auch der Gesamtbranche als Feld – lässt sich über ihre jeweilige spezifische Eigenlogik und ihr Verfügen über jeweils feldcharakteristische Praktiken argumentieren. Die Flexibilität des Feldkonzepts gründet darin, dass es von Bourdieu als „research tool“ (Bourdieu 2005, S. 30) entwickelt und angewandt wurde. Daraus folgt sogleich, dass ein Feld nicht beliebig, sondern stets empiriegeleitet bestimmt werden muss (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 130 f., Fuchs-Heinritz und König 2005, S. 147, 155). Für die hier skizzierten Unterhaltungsproduktionsfelder ist dies gegeben, da bisherige Forschung die Eigenlogik spezifischer Produktionsprojekte, ebenso wie die Differenzierbarkeit produzent*innenorientierter Projektnetzwerke (vgl. Abschnitt 3.2.4), die Unterschiede von Arbeitsweisen und persönlichen Profilen der Medienschaffenden je nach Genre (vgl. Abschnitt 5.3.1.1) und die Existenz von spezifischen Branchenpraktiken (vgl. Windeler und Sydow 2001, S. 1043, 1051 f.) einer als Set organisationaler Handlungsfelder (vgl. Altmeppen et al. 2010, S. 20; Windeler 2010, S. 220 f.) gefassten Branche beschreibt und belegt. Der referierte, breite Forschungskorpus dient hier als empirische Grundlage der Felddifferenzierung. Die rekursive Ausbildung feldspezifischer Praktiken auf Ebene einzelner Projektnetzwerke und auf Ebene der Branche wird in Abbildung 6.1 dargestellt. Anknüpfend an Abbildung 2.3 in Abschnitt 2.4, die die rekursive Hervorbringung von Praktiken in Praxiskomplexen skizziert, verweist die Illustration auf die multiple rekursive Beziehung zwischen produzent*innenorientiertem Projektnetzwerk und spezifischem Projekt sowie zwischen diesem organisationalen Feld im doppelten Sinne und den Branchenpraktiken. Im jeweiligen Produktionsprojekt dienen die Branchenpraktiken als Praxisentwürfe, die im Vollzug auf Ebene
6.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld
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des Projekts übersetzt, d. h. durch das feldspezifische Prisma der Projektorganisation gefiltert werden, und dort eine performative und eine ostensive Ausprägung annehmen (vgl. Martin und Hansen 2010). Der Komplex von Praktiken, der das organisationale Feld konstituiert, dient als Entwurf für konkrete Praktiken und drückt sich zugleich durch die konkrete Ausführung der Praktik aus. Anders formuliert: Die Praktiken des Projektnetzwerks werden im Praxisvollzug des spezifischen Projekts aktualisiert und institutionalisieren auf diese Weise das Projektnetzwerk (vgl. Windeler 2008, S. 137 ff.). Über bloße Personenkonstellationen hinaus umfasst diese Wechselbeziehung von Aktualisierung und Institutionalisierung Rollen- und Strukturmuster, d. h. Sets inkorporierter und objektivierter Regeln und Ressourcen.
Quelle: eigene Darstellung unter Berücksichgung von Windeler und Sydow 2001, S. 1052; Windeler 2008, S. 138
Abbildung 6.1 Rekursive Beziehung zwischen Branchenpraktiken und organisationalen Praktiken
Die praxistheoretische Spezifizierung von Feldeigenschaften ermöglicht eine adäquate Erfassung der Arbeitsmechanismen der Fernsehunterhaltungsproduktion auf Makro- und Mesoebene, genauso wie der konkreten Arbeitsabläufe auf Meso-/Mikro-Ebene. Auf Organisations- und Branchenebene ist eine angemessene Analyse der Netzwerkstruktur der Produktion möglich: Aus praxistheoretischer Perspektive konstituieren die Positionierungen und Positionskämpfe der Akteur*innen die Praxisfelder. Die Akteur*innen können in einem oder mehreren Projektnetzwerk(en) agieren und sind dabei zugleich Teil des organisationalen Praxisfeldes eines Produktionsunternehmens. Die Autonomie eines Feldes und
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
seine simultane Überlappung mit anderen Feldern sowie die beständige Aushandlung der Feldgrenzen lassen sich so in einer Perspektive vereinen. Ein*e Produzent*in kann inhaltliche Gestaltungen in einem spezifischen Projekt durch Entscheidungen beeinflussen, im Austausch mit dem*der für das Projekt zuständigen Senderredakteur*in das Projekt und zugleich weitere, zukünftige Projekte ausgestalten und durch Rekrutierungspraktiken das spezifische Projektfeld sowie das eigene Projektnetzwerk erweitern, wenn die rekrutierte Person spezifische Gestaltungskompetenzen und gestalterische Visionen verkörpert. Die Praxistheorie kann Arbeitsabläufe – auf Ebene der Subjekte und der Projektorganisation – angemessen erfassen, weil sie keine Linearität von Produktionspraktiken postuliert und daher Rückkopplung und Iteration (vgl. Becker et al. 2011, S. 5) im Prozess genauso wie die potenzielle Parallelität von Handlungen (vgl. Quandt 2005, S. 179, 189 ff.) und (scheinbar) widersprüchliche Abstimmungen von sozialen Produktionspraktiken berücksichtigt (vgl. Lengersdorf 2011, S. 74). Damit eignet sie sich in besonderer Weise, kreativitätsintensive Prozesse zu beschreiben, in denen Kreativität auf mehreren Ebenen (der Ebene des Gesamtprozesses, der Ebene einzelner Prozessabschnitte sowie auf Ebene einzelner Teilaufgaben) eine Rolle spielt, ein hoher Koordinations- und Interaktionsgrad herrscht und die Teamkonstellationen und -größen je nach Prozessschritt variieren (vgl. Abschnitt 5.1.1). Die Praxistheorie liefert ein breites theoretisches und damit analytisches Vokabular, um die Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld zu charakterisieren. Schlüsselbegriff sind die Kapitalformen, von denen auszugehen ist, dass sie in einem Feld eine spezifische Form annehmen und spezifische Kapitalformen dort Gültigkeit erlangen. Nur wenn dies der Fall ist, lässt sich das Feld als autonomes Feld bestimmen (vgl. Abschnitt 2.2.1.1). Für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion sind spezifische Ausprägungen und Betonungen von Kapitalformen erkennbar. Piñón (2011) hat für die Adaption der lateinamerikanischen Telenovela Betty, la fea in den USA (Titel der Serie dort: Ugly Betty) beschrieben, wie spezifisches als symbolisches Kapital wahrgenommenes ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital im Adaptionsprozess einzelne Medienschaffende mit Entscheidungsmacht ausgestattet hat. Dabei war das Projekt in besonderer Weise durch das ethnokulturelle Kapital der in die US-Adaption eingebundenen lateinamerikanischen Producer*innen gekennzeichnet (vgl. ebd., S. 398). Spezifisches kulturelles Kapital wird im Prozess einer Formatadaption folglich in feldspezifisches, symbolisches Kapital konvertiert. Kulturelles Kapital wird im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion jeweils genre- und gattungsgebunden honoriert: Nicht zuletzt die mangelnde personelle Durchlässigkeit zwischen Genres (vgl.
6.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld
351
Abschnitte 5.3.2.2 und 5.3.3.5) zeigt, dass erst die Erfahrung in der Produktion einer spezifischen Sendungsgattung einen Medienschaffenden für weitere Projekte in diesem Bereich qualifiziert. Darüber hinaus sticht die Rolle sozialen Kapitals hervor: Die persönliche und berufliche Vernetzung mit anderen Feldakteur*innen ist für den Einstieg, das Bestehen und die Weiterentwicklung sowie für das Aufsteigen im Feld essenziell (vgl. Abschnitt 5.3.2.2). Die bisherige Forschung gibt darüber hinaus Hinweise darauf, welche Facetten Reputation im Feld als symbolisches Kapital prägen. Die Anerkennung spezifischer Leistung und Leistungsfähigkeit und damit das Reputationsmanagement sind im Feld von hoher Relevanz (vgl. Abschnitt 5.1.3). Reputation ergibt sich dabei für die Produzent*innen – von Rimscha (2010, S. 160 ff., 252 ff.) hat dies für die Filmproduktion beschrieben – gegenüber unterschiedlichen Bezugsgruppen aus unterschiedlichen Leistungen. Die Reputation gegenüber den Sendern ergibt sich aus dem Markterfolg und der unternehmerischen Verlässlichkeit eines*einer Produzenten*Produzentin, da diese Aspekte aus Senderperspektive zentral sind für die Auftragsvergabe. Demgegenüber steht die kreative Reputation der Produzent*innen, die gegenüber den Kreativen des Feldes hervorsticht und über die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mitbestimmt. Beide Reputationsfacetten lassen sich prozessual definieren, haben nicht zuletzt aber auch eine Produktfacette. Bourdieu (2001, S. 347 f.) bildet sie implizit über die so genannte doppelte Dimension des Scheiterns ab, die er als Spezifikum der Bewertung kultureller Werke hervorhebt. Die doppelte Dimension des Scheiterns im Sinne einer doppelten Gefahr des Scheiterns ergibt sich aus der doppelten Logik des Feldes. Dem Erfolg der Nachfrage (dem weltlichen Erfolg) steht jener der künstlerischen Leistung (der künstlerische Wert) gegenüber. Ein*e Schauspieler*in ohne neue Rollen und ein*e Schriftsteller*in ohne erfolgreiche Buchveröffentlichungen können sich ihre Leistung stets irgendwie noch über den Verweis auf die künstlerische Leistung, den künstlerischen (wenngleich nicht Publikums-) Erfolg schönreden. Da jene, die als Beurteilungsinstanz fungieren und damit die Anerkennungsfähigkeit einer künstlerischen Leistung bewerten, selbst stets um Anerkennung ringen, unterstützen sie diesen Prozess der Selbsttäuschung (vgl. Bourdieu 2001, S. 347). Diese Ausführungen Bourdieus lassen sich so lesen, dass es keine absoluten Kriterien der Anerkennung gibt und eine Anerkennung, aber auch eine Aberkennung künstlerischer Leistung damit stets ein Stück weit auf wackeligen Füßen steht, gerade weil sie auch von persönlichen Sichtweisen und persönlichem Geschmack abhängt; und Geschmack lässt sich wiederum nicht einfach als falsch qualifizieren. Dennoch ist davon auszugehen, dass dies nur einen kleinen Anteil an verteilter Anerkennung betrifft, da diese nie gänzlich beliebig, sondern immer auch an die spezifische, in den Praktiken, im Feld und im Habitus verkörperte
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
Logik gekoppelt ist. Bourdieu sagt ja auch deutlich, dass das gesamte Produktionsfeld und nicht die einzelnen Künstler*innen den Wert eines Kunstwerks begründet und schafft, weil es seinen Wert als Kunstwerk einzig dadurch erlangt, dass es eben als solches „gekannt und anerkannt“ (Bourdieu 2001, S. 362) wird, d. h. von kompetenten Betrachter*innen „gesellschaftlich als Kunstwerk instituiert ist“ (ebd.). Die Anerkennung einer künstlerischen Leistung durch etablierte Feldakteur*innen weist damit vorrangig eine Passung und soziale Einbettung der jeweiligen Künstler*innen aus (vgl. Cattani et al. 2014, S. 258). Der Wert einer einzelnen, spezifischen künstlerischen Leistung – dies ist auf Unterhaltungssendungen als gestalterische Leistungen übertragbar – ergibt sich letztlich nur aus einer Zuschreibung und kann als solche nur erkannt werden, wenn man das ganze Feld einbezieht (vgl. Abschnitt 5.2.3). Die Analyse einer Projektorganisation als Feld schließt folglich stets die Logik des Branchenfeldes, die spezifischen Branchenpraktiken mit ein (vgl. auch die in Abbildung 6.1 dargestellte rekursive Beziehung zwischen Branchen- und Organisationsfeld). Die Tatsache, dass das gesamte Feld zumindest implizit im Blick bleiben muss, um die Leistung einer Einzelperson oder einer Gruppe von Medienschaffenden angemessen einzuordnen, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Gesamtfeld keineswegs homogen ist – dies gilt sowohl für Branchen- als auch Organisationsfelder. In der Logik der Praxis mit ihrer Offenheit trotz Routinisierung und ihrer Variabilität in der Reproduktion gehört auch Widersprüchliches zu ein- und demselben Feld. Feldakteur*innen vereinen unterschiedliche, lose gekoppelte, mitunter widersprüchliche Wissensvorräte (vgl. Abschnitt 2.1). Diese Heterogenität drückt sich auch in den Praxiskomplexen der Branche und in einem Organisationshabitus aus (vgl. Abschnitt 2.4). Diese Sichtweise findet ihre Entsprechung in Westmeyers (2001, 2009) relationaler Perspektive auf Kreativität (vgl. Abschnitt 4.1.4): Kreativität muss, um als solche erkennbar zu sein, als Kreativität bewertet werden. Jedoch können solche Bewertungen in einem Feld, gerade weil es heterogen ist, variieren oder sich sogar entgegenstehen (vgl. Westmeyer 2001, S. 237). Dies verdeutlicht: Kreativität braucht zumindest implizite Bewertung, aber keinen Konsens. Diese Argumentation stellt auf den ersten Blick eine konsensuale Definition von Kreativität in Frage, beabsichtigt dies jedoch gerade nicht. Sie verdeutlicht lediglich, wie schwer es ist, adäquate Expert*innen als Beurteilungsinstanz zu benennen. Sie will zudem herausstellen, dass ein Konsens ggfs. in Teilbereichen, in Strömungen eines Feldes, aber nicht übergreifend erreicht werden kann, ohne die kreative Leistung ihrer Spezifizität zu berauben. Sendervertreter*innen verfügen als Auftraggeber*innen über die Macht, d. h. die autoritativen und allokativen Ressourcen, um Produktionsprojekte zu selektieren (vgl. Abschnitt 3.2.3). Mit
6.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld
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ihren Selektionsentscheidungen und der engen Betreuung von Produktionsprojekten bewerten sie kreative Leistungen als angemessen bzw. nicht angemessen. Die Expertise, diese Bewertung vorzunehmen, sprechen die Medienschaffenden ihnen jedoch implizit ab, wenn sie die Einmischung des Senders als Kreativitätseinschränkung wahrnehmen (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Gerade auch eine Vielzahl von Instanzen gestalterischer Entscheidung schränken den „creative edge“ (Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 11) eines Produkts bzw. Projekts aus Perspektive der Medienschaffenden ein. Dies spricht für eine Verschlankung der Entscheidungsebenen in Iterationsmomenten des Produktionsprozesses. Die hier bereits benannte doppelte Logik des Feldes, die sich aus Bourdieus Beschreibung des künstlerischen Feldes ableiten lässt (vgl. Abschnitt 2.2.1.2), greift adäquat jenen Widerstreit zwischen Kunst und Kommerz bzw. Kreativität und Kommerz auf, der als das Feld charakterisierend in zahlreichen Studien zu unterschiedlichen Feldfacetten durchscheint (vgl. Abschnitt 5.4). Wie von Eikhof und Haunschild (2007) in ihrer Analyse der Theaterlandschaft beschrieben, lassen sich die artistische und ökonomische Logik des Feldes analytisch, jedoch nicht tatsächlich unterscheiden, weil sie die kreativen Branchen gleichermaßen prägen (vgl. Abschnitt 6.2). Assoziiert mit der dualen Feldlogik ist die Homologie des Produzent*innen- und des Konsument*innenfeldes, die künstlerische Felder prägt (vgl. Bourdieu 2001, S. 400 f.). Diese angenommene Homologie erlaubt es auch einige Eigenschaften der Fernsehunterhaltungsproduktion theoretisch zu fundieren. Sie begründet, warum die Rezeption eines Fernsehprodukts für seine Bewertung als kreativ von Bedeutung ist (vgl. Abschnitt 5.2.3, siehe auch den folgenden Abschnitt 6.2). Sie erklärt, warum die Produktion so genannter Hybridformate nicht nur eine Aushandlung insbesondere ethischer Gestaltungsprinzipien innerhalb des Feldes impliziert, sondern darüber hinaus auch in der Beziehung zu den Rezipient*innen ausgehandelt werden muss (vgl. Abschnitt 5.2.1). Vor diesem Hintergrund muss die Tatsache, dass die Produzent*innen eher einer B2B-Perspektive und damit einer produktionsfeldorientierten Perspektive folgen, kritisch reflektiert werden. Die Veranlassung und Umsetzung von Sendungsprojekten folgt den Senderwünschen als Nachfragereaktion statt -kreation. Ihre Bezugnahme auf das Konsument*innenfeld erfolgt demnach über einen Umweg vermittelt über die Produktionsfeld-Logik, weil das Projektvergabeverhalten der Sender und nicht antizipierte Publikumsinteressen direkt (höchstens vermittelt durch Sender, genauer gesagt mittels subjektiver Wahrnehmungen der Redakteur*innen und mittels der Quoten) eine Rolle spielen (vgl. Abschnitt 5.1.2). Die praxistheoretische Sichtweise – Bourdieus Terminologie mit seinem Konzept des Habitus bzw. des praktischen Sinns sticht hier in besonderem Maße hervor – erlaubt es, die Fernsehunterhaltungsproduktion als ‚people’s business‘
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
abhängig von den Individuen zu beschreiben und zugleich die Mikro- mit der Meso- und Makroebene zu verbinden. Die Individuen und ihre Interaktionen spielen in der Unterhaltungsproduktion und ihrer Analyse bisherigen Erkenntnissen zufolge eine besondere Rolle – vor allem und weil sich organisationale Strukturen in diesem Feld durch Flexibilität und Fluktuation, d. h. durch mangelnde Konsonanz und Permanenz der Organisation auszeichnen (vgl. Altmeppen 2008, S. 42; Altmeppen und Arnold 2013, S. 31, vgl. auch Abschnitt 3.2.4). Individuen, Gruppen und Personennetzwerke prägen, wie und was produziert wird. Diese Individuen sind keine Journalist*innen, sondern Medienschaffende mit unterschiedlichem Profil, unterschiedlichen Fähigkeiten und Spezialisierungen. Wer als solch ein*e Medienschaffende*r gilt, dies ist im Kern an den Begriff symbolischer Kreativität gekoppelt (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 6 und Abschnitt 5.3.1.4), geht aber aufgrund der vielfältigen, für den Prozess relevanten Rollen – wenngleich daran anknüpfend – darüber hinaus (vgl. Abschnitt 5.3.1.1). In der netzwerkartigen Produktionsstruktur, die sowohl individuelle als auch organisationale Akteur*innen einschließt, sind es häufig Individuen (oder einzelne korporative Akteure), die eine Produktion wesentlich prägen und einen Unterschied machen können (vgl. z. B. Newcomb und Alley 1982, S. 70, 87; Paterson 2001, S. 213). Spezifische Medienschaffende stehen für spezifische Arbeitsweisen, Inhalte, Visionen und Richtungen. Die genaue Betrachtung der individuellen Ebene ist daher von besonderer Wichtigkeit, wenn das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion analysiert werden soll. „Dass Bourdieus Soziologie das Handeln von Individuen alles andere als ausblendet, ermöglicht schlussendlich auch einen fundierten Blick auf einzelne journalistische Akteure – im Hinblick auf ihr Selbstverständnis bzw. den praktischen Sinn, den sie mit ihrer Arbeit verbinden, oder auf die Frage, inwiefern sich ihre (sozial bedingte) Art des Wahrnehmens und Deutens auf die Klassifikation des Gegenwartsgeschehens auswirkt.“ (Wiedemann 2014, S. 92)
Die Potenziale einer Bourdieu’schen Sichtweise auf individuelle Akteur*innen, die Wiedemann für die Analyse von Journalist*innen (und Journalismus) benennt, sind auf die Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion übertragbar: Auch im diesem Feld widmen sich Medienschaffende einer Form der Klassifikation des Gegenwartsgeschehens (wenn auch dort eine andere Logik vorherrscht, eine andere ‚Intentionalität‘ die Praktiken prägt). Eine praxistheoretische Bourdieu’sche Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand vermeidet es dank des Habitus, die Feldakteur*innen auf ihre Feld-Rolle und feldspezifische Sozialisation zu reduzieren. Stattdessen spielt ein*e Feldakteur*in zumindest potenziell mit seiner*ihrer gesamten (Lebens-)Erfahrung eine Rolle. Dass der Habitus zugleich
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eine Brücke zwischen Struktur und Praxis schlägt (vgl. Bourdieu 1993b, S. 102 f.) – wobei jegliches Vokabular, das Bourdieu verwendet, immer sowohl die individuelle als auch die strukturelle Ebene einschließt –, garantiert die Integration struktureller Momente in die Analyse. Wird der Fokus (vom Habitus) auf die sozialen Praktiken verschoben, können diese als ein Ergebnis der Relation, des Zusammenspiels von Habitus und Feld beschrieben werden. Angewandt auf kulturelle Produktion bedeutet dies, dass kulturelle Produkte nicht allein nur Produkte einzelner Akteur*innen, sondern immer auch Produkte des ganzen Feldes sind (vgl. auch die Argumentation zur Bewertung eines künstlerischen Werkes oben). Kulturelle Produkte können daher nur verstanden werden, wenn sowohl die Produkte als auch die Geschichte und Zwänge des Feldes, die in der Position der einzelnen Produzierenden verankert sind, betrachtet werden (vgl. Bourdieu 1993a, S. 200; Bourdieu 1993c, S. 111; auch Willems 2007, S. 227). Bourdieu spezifiziert für das künstlerische Feld: Die Autonomie eines*einer Künstlers*Künstlerin ist das soziale Produkt der sozialen Geschichte des Feldes (vgl. Bourdieu 1993a, S. 208). In den Produktionsprinzipien und angewandten/modifizierten Gattungsstilen steckt Kollektivität in Form kollektiver Geschichte. Schon allein aufgrund des arbeitsteiligen Charakters lässt sich Unterhaltungsproduktion nicht auf individuelle Leistungen reduzieren. Die Praxistheorie betont die Bedeutung von Struktur und damit auch jene der Kollektivität bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Individualität. Auf Ebene des Individuums lässt sich daher auch die Feldlogik abbilden: Eine Einzelperson verkörpert mitunter beide Feldlogiken. Bourdieu (2001, S. 343) spricht von Doppelgestalten, die zwischen den Kunstherstellenden und den Kunstkommerzialisierenden vermitteln. In der Unterhaltungsproduktion fällt diese Vermittlungsaufgabe spezifischen Funktionsrollen, vorrangig dem*der Producer*in, zu (vgl. Abschnitt 5.3.1.3). Trotz eines Bewusstseins für den kommerziellen Charakter und die ökonomischen Leitlinien der Produktion, bewahren Medienschaffende die duale Feldlogik auf Ebene des Individuums schon allein dadurch, dass sie die Unsicherheit, die mediale Produktion im Grundsatz charakterisiert, als Teil des Habitus kultivieren (vgl. Abschnitt 5.3.1). Den Zugang zu den beiden Logiken auf Ebene des Individuums erhält man über das Selbstverständnis. Das Selbstverständnis als ein Teil beruflicher Identität (vgl. Altmeppen und Arnold 2013, S. 84; Alvesson und Willmott 2002, S. 626), der mittelbar die Art und Weise des Handeln beeinflusst, ist für eine Analyse des Feldes von großer Bedeutung (vgl. Abschnitt 5.3.1.2). Es ist Teil des Habitus, wenngleich nicht – wie Wiedemann (2014, S. 92) es impliziert – damit gleichzusetzen, weil der Habitus vorrangig praktisches Wissen umfasst, das in einem erheblichen Teil nicht verbalisierbar ist, während das Selbstverständnis das
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
verbal artikulierbare Bild und Verständnis persönlicher Intentionen und Vorstellungen spiegelt. Zugleich wirken auf das Selbstverständnis, so wie es von den Medienschaffenden formuliert wird, sicherlich aber auch Dispositionen, die im Einzelnen nicht von Akteur*innen benannt werden können. Da Selbstverständnisse die subjektiven Reflexionen der Normen beruflicher Tätigkeit spiegeln (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 98), sind Konflikte denkbar, wenn sich Medienschaffende in ihrem Selbstverständnis unterscheiden. Praxisfelder sind Kampffelder. Praxistheoretisch fundierte Forschung nimmt immer auch Macht- und Konfliktbeziehungen in den Blick. Die Prinzipien, die ein Praxisfeld definieren, werden in einer steten Auseinandersetzung um gültige Visionen und Divisionen aktualisiert und auf den Prüfstand gestellt. Jede*r Medienschaffende als Teil des Feldes der Fernsehunterhaltungsproduktion beteiligt sich an diesem Prozess der Herausforderung und Durchsetzung von Visionen. Wie wichtig es zugleich ist, dass auf dieser Ebene Gemeinsamkeiten bestehen, wird deutlich, wenn Medienschaffende selbst herausstellen, dass gerade in der (Weiter-)Entwicklung eines Sendungskonzepts eine gemeinsame Vision fundamental ist, damit der Prozess funktioniert und in einem zufriedenstellenden Ergebnis mündet (vgl. Abschnitt 5.1.2). Insgesamt können mit einer praxistheoretischen Perspektive die in bisherigen Analysen des Feldes hergeleiteten und beschriebenen Konstituenten der Unterhaltungsproduktion aufgegriffen und entlang der theoretischen Prämissen dieser Arbeit neu organisiert werden. Das organisationale Handlungsfeld der Unterhaltungsbeschaffung und -produktion charakterisieren Altmeppen et al. (2010, S. 20 ff.) beispielsweise in Bezug auf Windeler (2010) über acht konstituierende Elemente: Spezifische (1) Technologien, Werkzeuge, Methoden und Wissensrepertoires, ebenso wie (2) Regelungen, (3) soziale Praktiken, (4) Orientierungshorizonte, (5) Governanceformen und (6) Akteur*innen, genauso wie spezifische (7) Sets von Organisationen und die (8) soziale Einbettung des organisationalen Feldes dienen als analytische Kategorien zur Definition der Fernsehunterhaltungsproduktion auf Mikro- und Mesoebene mit einer Verknüpfung zur Makroebene. Die in Abschnitt 3.2 skizzierte und in Kapitel 5 im Kontext der Kreativitätsforschung dezidiert beschriebene Ökonomie und Organisation der Unterhaltungsproduktion lassen sich über diese Begriffe als analytische Kategorien abbilden. Der Annahme folgend, dass sich ein Feld (und seine Grenzen) aus spezifischen sozialen Praktiken ergeben, fasst diese Arbeit jedoch die Praktiken als jenes analytische Element auf, das – statt ein Konstitut neben anderen darzustellen – die weiteren, oben benannten Elemente einschließt. Die Analyse sozialer Praktiken ist immer auch eine Analyse besonderer Regeln (auch der Zusammenarbeit und Koordination im Sinne von Governanceformen sowie im Sinne über die
Abbildung 6.2 Komponenten sozialer Praxis der Fernsehunterhaltungsproduktion
Quelle: eigene Darstellung
6.1 Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld 357
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
Orientierungshorizonte definierter Ziele der Organisation), Ressourcen (also auch Technologien, Werkzeuge, Wissen und Methoden) und Habit¯us der Akteur*innen. Soziale Praktiken der Fernsehunterhaltungsproduktion umfassen abgeleitet von den Komponenten einer sozialen Praktik, wie sie in Abbildung 2.2 (vgl. Abschnitt 2.3) aufgeschlüsselt wurden, folglich (1) die Habit¯us der Medienschaffenden (u. a. Werdegang und Rollenselbstverständnis), (2) inkorporierte (z. B. Wissen) und objektivierte (z. B. Produktionsinfrastruktur) Ressourcen, (3) Regeln der Signifikation (z. B. persönliche Genrevorstellungen), (4) Regeln der Legitimation (z. B. vertragliche Vereinbarungen im Zuge einer Produktion) und (5) die Performativität konkreter Produktionspraxis im Kontext (6) spezifischer Tätigkeitsfelder entlang spezifischer Projektphasen (vgl. Abbildung 6.2). Auch die Sets von Organisationen, die Altmeppen et al. (2010, S. 21) in intra- und interorganisationale Handlungsfelder differenzieren, lassen sich letztlich äquivalent als Sets spezifischer sozialer Praktiken fassen. Soziale Praktiken, die institutionalisiert die Projektnetzwerke konstituieren, greifen in Teilen über die Grenzen rechtlich und ökonomisch unterscheidbarer Organisationen hinaus. Dennoch ist die Unterscheidung zwischen intra- und interorganisationalen Prozessen, wie es eingangs mit der Unterscheidung von Feldern auf unterschiedlichen Ebenen hergeleitet wurde, schlüssig und analytisch insbesondere für eine empirische Erhebung von Bedeutung. In Abschnitt 7.1 wird dargestellt, wie die soziale Praxis der Fernsehunterhaltungsproduktion entlang ihrer Komponenten erforscht werden kann.
6.2
Kreativität als soziale Praxis im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
In der Fernsehunterhaltungsproduktion (wie in der Medienproduktion allgemein) ist kulturelle Kreativität (vgl. Abschnitte 4.1.4 und 5.3.1.4) auf Dauer gestellt: Grundmechanismus des Feldes ist die beständige Kombination von Symbolen zu neuen symbolischen Inhalten (vgl. Abschnitt 5.1). Daher ist es durchaus schlüssig davon auszugehen, dass sich Kreativität in den sozialen Praktiken des Feldes manifestiert – sofern diese auf routinisierten Praktiken basierende Produktion als Kreativität wahrgenommen wird. Die folgenden Ausführungen explizieren, wie und warum Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion in der vorliegenden Arbeit als soziale Praxis konzeptualisiert wird. Die praxistheoretische Betrachtung feldspezifischer Kreativität speist sich dabei sowohl aus der extensiven Literaturdurchsicht als auch aus der Sekundäranalyse (vgl.
6.2 Kreativität als soziale Praxis im Feld …
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Abschnitt 5.3.3, zur Methode Anhang I und II im Elektronischen Zusatzmaterial). Sie führt die Analyseebenen der Kreativitätsforschung und die Dimensionen einer praxistheoretischen Sichtweise zusammen und kann die Analyse von Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion auf diese Weise theoretisch anreichern. Deutlich wird auf diese Weise, dass das Individuum Anknüpfungspunkt für die Analyse feldspezifischer Kreativität ist, letztere sich zugleich aber nicht als individuelle Eigenschaft, sondern als kollektiver Prozess ausdrückt. Die Kopplung von Praxistheorie und Kreativitätsforschung für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion fächert auf, wie sich artistische und ökonomische Logik in feldspezifischer Kreativität verbinden, wo und wie dennoch Raum für Erweiterungen des Kreativitätsrahmens besteht und wie sich die Betrachtung der Kreativität entmystifizieren lässt, ohne mystifizierte Vorstellung von Kreativität als völlig belanglos darzustellen. Der Rückgriff auf zentrale Definitionskriterien von Kreativität mündet in einer Definition von Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion. Die Ausführungen zum Selbstverständnis (vgl. Abschnitt 5.3.1.2) haben gezeigt, dass sich das kreative Selbstverständnis mit einem Bewusstsein für die ökonomischen und strukturellen Bedingungen der Unterhaltungsproduktion verbindet. Praxistheoretisch ist das Künstlerische und Neue vernünftig, weil es in den Raum des Möglichen eingebettet ist und daher Grenzen (der Akzeptanz) erfährt: „Künstlerische Kühnheiten, Neues oder Revolutionäres sind überhaupt nur denkbar, wenn sie innerhalb des bestehenden Systems des Möglichen in Form struktureller Lücken virtuell bereits existieren, die darauf zu warten scheinen, als potentielle Entwicklungslinien, als Wege möglicher Erneuerung entdeckt zu werden. Mehr noch: Sie müssen Aussicht haben, akzeptiert, das heißt als ‚vernünftig‘ anerkannt zu werden, und zwar zumindest bei einer kleinen Zahl von Menschen […].“ (Bourdieu 2001, S. 372 f.)
Diese Sichtweise entspricht der Standarddefinition von Kreativität als Verbindung aus Neuheit und Angemessenheit (vgl. Abschnitt 4.1.1). Bourdieus (2001) Ausführungen zum Feld kultureller Produktion ermöglichen es, diesen dualen Charakter der Kreativität auf eine Homologie von Produktions- und Konsumtionsfeld zu übertragen. Die Nachfrage, der Konsum des unterhaltenden Fernsehinhalts verkörpert den Moment seiner Kommerzialisierung und seine Anpassung an einen antizipierten Publikumsgeschmack, der vom Feld selbst interessanterweise ja als eher konservativ wahrgenommen wird – zumindest spiegelt sich dies in der Entscheidungslogik der produktionsauftraggebenden Sender (vgl. Abschnitt 5.1.2). Das Feld der Konsument*innen verkörpert laut Bourdieu (2001, S. 395) die Perspektive der Kommerzialisierung des Feldes und ist daher mit dem Feld der Macht assoziiert. Er beschreibt, wie das Bestehende Anknüpfungspunkt für
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Neuerungen ist (vgl. ebd., S. 371 ff.) und immer geprägt von einer Homologie von Produzent*innen und Konsument*innen stattfindet (vgl. ebd., S. 400 f.). Seine Ausführungen sind damit äquivalent zu Konzepten von Innovationen auf Ebene von Gattungen und Genres (vgl. Abschnitt 5.2). Die Produzent*innen können letztlich nur Produkte herstellen, von denen sie annehmen, dass diese auch von Konsument*innen angenommen werden. Dies ist durch die Entsprechung in „Einstellungen und Geschmacksausprägungen“ (Bourdieu 2001, S. 400 f.) zwischen Kulturproduzierenden und Publikum gewährleistet. Wie neu und anders etwas ist, hängt dabei von feldinternen (z. B. Öffnung für neue Arten von Produzent*innen) und feldexternen (z. B. gesellschaftliche Impulse) Veränderungen gleichermaßen ab (vgl. ebd., S. 400). Wirklich Revolutionäres, das gegen die Prinzipien eines Feldes spricht, lässt sich in einem Feld nur durchsetzen, wenn es dann zumindest von außen gestützt wird (vgl. ebd., S. 201). Übertragen auf die Unterhaltungsproduktion bedeutet dies: Wenn ein neues Format, das vom Gros der Branchenvertreter*innen als zu abwegig, zu gewagt, zu anspruchsvoll o. ä. bewertet wird, ein großes Publikum erreicht, dann ist dieses Format mit seinen Prinzipien recht schnell Teil eines selbstverständlich zum Feld passenden Kanons an Stilformen. Nicht zuletzt durch einen Gewöhnungseffekt gliedern sich neue Formate so in den Gesamtkanon ein, dass sie selbst zum Maßstab anderer Formate werden (vgl. ebd., S. 401). Ein Prototyp als erkannte Innovation konstituiert oder modifiziert ein (neues) Genres (vgl. Armbruster und Mikos 2009, S. 78, 84, vgl. Abschnitt 5.2.2). Diese auch in der Herausbildung neuer Unterhaltungsgenres implizite Kopplung von Kreativität und Kommerzialität lässt sich praxistheoretisch abbilden über das gleichzeitige Wirken einer ökonomischen und einer artistischen Logik. Eikhof und Haunschild (2007) haben für die Theaterproduktion untersucht „how art and business as distinct reference points can influence concrete creative production or what exactly is the nature of the tensions between these paradigms“ (ebd., S. 523). Diese unterschiedlichen Referenzpunkte charakterisieren das Feld, bilden sich aber in den Individuen nicht nur über das oben erwähnte Selbstverständnis kommerzieller respektive angewandter Kreativität, sondern letztlich in ihren Praktiken ab. Grundsätzlich ist die Unterscheidung der Logiken eine analytische, weil sie die Kreativwirtschaft gleichermaßen prägen, jedoch verweist die differenzierte Betrachtung auf das grundlegende Paradoxon, das das Feld prägt (vgl. Abschnitt 5.4) und sich äquivalent in Kreativitätskonzepten abbildet (vgl. Abschnitt 4.4). Wenngleich Kreativität beide Logiken koppelt, ist sie stärker mit der artistischen denn mit der ökonomischen Logik assoziiert, weil die intrinsische Motivation der Theaterschaffenden – und dies ist plausibel auf die
6.2 Kreativität als soziale Praxis im Feld …
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Medienschaffenden der Fernsehunterhaltungsproduktion aufgrund des hohen Grades an persönlicher Identifikation übertragbar (vgl. Abschnitt 5.3.1.3) – in der artistischen Logik verankert ist (vgl. Eikhof und Haunschild 2007, S. 531). Das Bewusstsein für die ökonomischen und strukturellen Bedingungen der Unterhaltungsproduktion im kreativen Schaffen kann als für Kreativität notwendige feldspezifische Expertise aufgefasst werden. Die Struktur des Feldes ist im Habitus der Medienschaffenden verankert. Der Habitus prägt zugleich die Strukturen. Habitus und Strukturen co-konstituieren die Praktiken der Fernsehunterhaltungsproduktion. Kreativität als soziale Praxis ist folglich eine feldspezifische Kreativität, die die ökonomischen Zwänge und Prinzipien des Feldes integriert. Kreativität ist in diesem Sinne an die Feldlogik gebunden (vgl. auch Schmidt 1988, S. 45). Diese praxistheoretische Konzeption feldspezifischer Kreativität entfernt sich von einem eigenschaftsbezogenen Ansatz, der die Kreativität in den Individuen ansiedelt. Die Perspektive ist damit mit einer systemischen Perspektive vereinbar, wie Csikszentmihalyi (1988, 1995, 1999) sie einnimmt. Kreative Praxis ist die Schnittmenge von Individuum, Feld und Domäne, wie es im Systemmodel beschrieben wird (vgl. Abschnitt 4.1.4): In dieser Schnittmenge wird das Neue stimuliert, vermittelt und selektiert (vgl. Kerrigan 2013, S. 114). Das System aus den drei Elementen Individuum, Feld (als Ausschnitt der Gesellschaft) und Domäne (als Ausschnitt der Kultur) setzt den Rahmen. Kreativität braucht diesen Rahmen, sie braucht Struktur (vgl. Abschnitt 5.1.1). Dieser Gedanke entspricht der praxistheoretischen Grundlogik von Modifikation und Reproduktion in und durch Praxis (vgl. Abschnitt 2.1). Um Kreativität adäquat zu fassen, muss sie jedoch über die Ebene des praxistheoretischen Grundmechanismus hinaus auf jene spezifischer Praxiskomplexe gehoben werden – sonst wäre jede Praktik letztlich kreativ (vgl. Abschnitt 4.5). Doch selbst eine Betrachtung von Kreativität auf Ebene spezifischer Praxiskomplexe fußt letztlich auf der theoretischen Prämisse, dass die Variationsmöglichkeit in den Praktiken selbst steckt. Sind der Kreativität über den begrenzten Möglichkeitsrahmen sozialer Praktiken folglich vorhersehbare Grenzen gesetzt? Die Antwort lautet: Ja und Nein. Ja, weil Praxis sonst nicht auch reproduzierend wirkt und damit als feldzugehörig wahrgenommen wird.1 Nein, da sich der
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Diese Prämisse einer praxistheoretischen Sichtweise auf Kreativität impliziert keineswegs eine konservativere Definition des Phänomens als sie in anderen theoretischen Zugängen zu finden ist. Die Kreativitätsforschung selbst lässt den Schluss zu, dass Kreativität – überspitzt formuliert – letztlich ein konservatives Produkt darstellt, das per se einen bestehenden Rahmen nie wirklich weit überschreiten kann. Anders formuliert: Es ist qua definitionem unmöglich, radikale Kreativität zu bewerten (vgl. Abschnitt 4.1.2), da radikale Kreativität
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Möglichkeitsrahmen stets dynamisch weiterentwickelt und hier die These vertreten wird, dass die Kombination unterschiedlicher Personen und die Erweiterung des Ressourcen- und Regelrepertoires, d. h. eine Flexibilisierung bzw. Ausdehnung der Feldstrukturen, den Möglichkeitsrahmen erweitert – vorausgesetzt die Menschen sind bereit, sich einem fremden Möglichkeitsrahmen zu öffnen. Nicht zufällig lässt sich dieser Argumentation folgend „Offenheit“ als eine Eigenschaft kreativer Menschen spezifizieren (vgl. Abschnitt 4.2.1). Medienschaffende können kreativer werden, wenn sich das Maß der Angemessenheit erweitert und wenn das kreative Bewusstsein, also die artistische Logik der Medienschaffenden, gestärkt wird. Das funktioniert über das Management: über gemischte, spezifisch instruierte, nach Handlungsrollen differenzierte Teams (vgl. Abschnitt 4.2), über Identitätsmanagement (vgl. Abschnitt 5.3.1.3) und kreatives Bewusstsein im Management (vgl. Abschnitte 4.2.2 und 5.3.3.5). Ein kreatives Bewusstsein im Management, d. h. ausgeübt im Prozess des Managements und verkörpert durch jene Medienschaffende, die Managementaufgaben übernehmen, ist gekoppelt an einen hohen Grad an Offenheit in der Bewertung kreativer Leistungen. Über Arbeitsaufträge und die Selektion von Ideen und Leistungen findet solch eine Bewertung zumindest implizit statt. Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt 6.1 argumentiert wurde, muss hier die Heterogenität des Feldes der Fernsehunterhaltungsproduktion berücksichtigt und dieser Heterogenität Raum eingestanden werden. Nur wenn stark abweichende Vorstellungen, die neben Zustimmung auch Widerspruch hervorrufen, zugelassen werden, lässt sich der Gestaltungsrahmen erweitern. Anknüpfungspunkt und zugleich mögliches Hindernis eines erweiterten Möglichkeitsrahmens ist der Habitus der Akteur*innen. Treffen unterschiedliche Habit¯us aufeinander, erweitert sich das Repertoire an Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsschemata. Herausfordernd ist dabei jedoch die Barriere, die sich aus dem Aufeinandertreffen ergibt, weil sich die Akteur*innen auf ein gemeinsames Vokabular einigen, jenes der anderen verstehen und vereinbaren müssen, worum sie im Feld ‚kämpfen‘ (vgl. das Konzept des Praxisfeldes als Kampffeld in Abschnitt 2.2.1). Chan et al. (2011) haben in ihrer Studie zur kreativen Zusammenarbeit zwischen Computerwissenschaftler*innen und Künstler*innen nachgezeichnet, wie problematisch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Habit¯us sein kann. Wie ein sich wandelnder Habitus den Rahmen für Kreativität im Feld feldfremd wäre. Aus diesem Grund eignet sich ein Konzept kreativer Praxis zur Beschreibung der Funktionsmechanismen im Sinne von Reproduktionsmechanismen des Feldes der Fernsehunterhaltungsproduktion. Zugleich – das zeigen die folgenden Ausführungen – hebt sich kreative Praxis von nicht-kreativer Praxis ab und kann Feldpraktiken daher qualitativ unterscheiden.
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der Fernsehunterhaltungsproduktion erweitern kann, zeigt sich beispielhaft darin, wie Drehbuchautor*innen angesichts einer aktuell wachsenden Nachfrage nach Dramaserien mit erstarkten Selbstvertrauen im Kollektiv für ein höheres Maß an narrativer Autonomie und Kontrolle eintreten (vgl. Kontrakt 18). Das Habitus-Konzept ist für die Analyse feldspezifischer Kreativität von hohem Wert, weil es den analytischen Zugriff auf die Quellen kreativer Leistungen erleichtert. Bourdieu stellt über sein Habituskonzept die Rolle von Erfahrung, Wissen und Sozialisation für die Handlungsfähigkeit der sozialen Akteur*innen heraus. Die Relevanz dieser Faktoren für Kreativität sind in Abschnitt 4.2.1 erläutert worden (Ansätze einer Verbindung von Systemmodell der Kreativität mit Bourdieus Feldtheorie zeigen auch Kerrigan 2010 und Kerrigan und McIntyre 2010 auf). Über das Habituskonzept ist es möglich, sich auch schwer greifbaren, vagen Fähigkeiten und Eigenschaften wie Talent und Intuition, die typischerweise mit kreativer Arbeit assoziiert werden, zu nähern (vgl. Hanitzsch 2007, S. 257; Willems 2007, S. 232). Der Habitus kann die spezifische Sichtweise greifen, die sich die Medienschaffenden über ihre feldinterne und -externe Sozialisation erarbeitet haben. Ihre Intuition ist eine Form feldspezifischer Expertise (vgl. Roberts 2011, S. 291), ihre ‚habituelle Brille‘, wie Willems (2007, S. 232) mit Verweis auf eine Aussage Bourdieus zum Journalismus schreibt: „Die Journalisten tragen eine spezielle ‚Brille‘, mit der sie bestimmte Dinge sehen, andere nicht, und mit der sie die Dinge, die sie sehen, auf bestimmte Weise sehen. Sie treffen eine Auswahl, und aus dem, was sie ausgewählt haben, errichten sie ein Konstrukt.“ (Bourdieu 1998b, S. 25)
Erkennt man die Bedeutung der habituellen Dispositionen der Feldakteur*innen für den Vollzug sozialer und damit auch kreativer Praxis an, wird auch die außergewöhnlich erscheinende kreative Leistung einer Person der Analyse zugänglich. Intuition und Inspiration sind schlichtweg Teil des beruflichen Habitus. Die Kreativität wird von ihrem Mythos gelöst. Der Ursprung kreativer Leistung mag dem*der Feldakteur*in vielleicht diskursiv nicht zugänglich sein, weil sie dem praktischen Bewusstsein entspringt (vgl. Giddens 1997, S. 94, 100). Sie gründet jedoch in einer Erfahrung, im Wissensvorrat der Menschen. Praktiken sind per se wissensbasiert (vgl. Abschnitte 2.1 und 2.3). Kreativität hebt diesen Fakt hervor (vgl. auch das Konzept wissenszentrierter Praktiken als kreative Praktiken von Knorr Cetina (2001), Abschnitt 4.5). Wenngleich Alltagswissen den „Kernbereich des lebensweltlichen Wissensvorrats“ (Schütz und Luckmann 2003, S. 178) bildet, gehören auch Traumwissen, Phantasiewissen und religiöses Wissen dazu (vgl. ebd.). Dieses Argument liefert eine theoretische Erklärung dafür, wie und
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
dass der Ideenreichtum einer Person und die Vorstellungskraft im Wissensvorrat einer Person auch durch Phantasie verankert wird. Wenn Medienschaffende selbst von Inspiration o. ä. sprechen (vgl. Abschnitt 5.3.3.2; vgl. auch Pardo 2010, S. 9), verrät ein genauer Blick, dass dahinter häufig Erfahrung, (implizites) Wissen und Recherche stecken (vgl. auch Weisberg 2013, S. 12). Oder kurz gesagt, wie einige Studien feststellen: Kreativität ist harte Arbeit (vgl. Abschnitt 4.2.1). Dennoch darf und soll nicht ignoriert werden, dass entsprechende Vorstellungen von Kreativität von einigen Feldakteur*innen selbst weiterhin vertreten werden. Dadurch dass Kreativitätsmythen überlebt haben, sind sie im Kreativitätsverständnis des einen oder anderen noch lebendig und tragen u. U. zum Selbstbild einer künstlerisch oder kreativ tätigen Person bei. Kreativität ist Teil der Logik der Fernsehunterhaltungsproduktion. Kreativität – darauf verweisen die Ergebnisse zu Kreativitätsträgern in der Sekundäranalyse (vgl. Abschnitt 5.3.3) – ist Teil des nomos des Feldes. Dabei spielt sie in vielfacher Form eine Rolle: Sie ist Tätigkeitsbeschreibung, in den Strukturen und zugleich im Habitus der Menschen verankert und weist bestimmten Personen folglich bestimmte Positionen im Feld zu. Rekursiv betrachtet variiert das Kreativitätsverständnis der Medienschaffenden abhängig von ihrer Position im Feld. Bedeutend erscheint, wie stark sich das Individuum in seiner Prägung und seinem aktuellen Handeln der artistischen oder aber der ökonomischen Logik verbunden fühlt. Kreativität im Feld ist gleichermaßen von einer artistischen und ökonomischen Logik geprägt (vgl. auch ihre Charakterisierung als „industrialised symbolic creativity“ durch Hesmondhalgh 2013, S. 6, Herv. d. Verf.). Zwischen diesen beiden Logiken sind jedoch – vertreten durch die Akteur*innen und ihre Feldposition – Konflikte möglich. Felder sind als Macht- und Kampffelder geprägt vom Kampf um die Deutungshoheit (vgl. Bourdieu und Wacquant 1996, S. 132; Hillebrandt 2009, S. 382). Dieser Kampf entfaltet sich in der Fernsehunterhaltungsproduktion nicht zuletzt zwischen artistischer und ökonomischer Logik, oder genauer gesagt: Sie entfalten sich entlang des Schwerpunktes und des Bedeutungsgewichts, das die Medienschaffenden in ihrem Verständnis auf die eine oder die andere Logik legen. Je nachdem, welche Position ein*e Medienschaffende*r einnimmt, unterscheidet sich auch Kreativität, wie sie bzw. er sie versteht, von den Vorstellungen einer anderen Person. Wenn diese Kreativitätsverständnisse dann im Arbeitsprozess aufeinandertreffen, kann es sein, dass das Verständnis einer artistisch orientierten Person mit dem Verständnis einer stärker ökonomisch geleiteten Person konfligiert. Daraus ergeben sich die oft beschworenen Konflikte zwischen Kreativität und Kommerz (vgl. Abschnitt 5.4). Wenn Kreativität an die kommerziellen Strukturen gekoppelt gedacht wird und zugleich als ein das Feld charakterisierendes Merkmal verstanden wird, stellt sich
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die Frage: Wo liegen die Grenzen zwischen ‚kreativ sein‘ und ‚professionell sein‘? Zoellner (2010, S. 123, 2013, S. 12 f.) hat die Kreativität der Medienschaffenden und dabei insbesondere jene der Kreativen von Professionalität entkoppelt, indem sie letztere als ein Mittel beschreibt, um die Konflikte zwischen (persönlicher) Kreativität und Kommerzialität zu bewältigen. In Gegendiskursen lebten die Medienschaffenden die (persönliche) Kreativität aus. Auf die oben beschriebenen Gedanken übertragen, wäre Professionalität ein Weg, um zwischen artistischer und ökonomischer Logik zu vermitteln. Dabei werden persönliche Vorstellungen von Kreativität durch Professionalität ersetzt. Kreativität nimmt im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion die Form einer für den Produktionsprozess zentralen Ressource an. Kreativität als Ressource wird konstituiert durch andere Ressourcen (z. B. Erfahrungswissen) und ist gekoppelt an Personen bzw. Personengruppen als Kreativitätsträger*innen. Menschen als personelle Ressourcen verkörpern damit den kreativen Produktionsinput (vgl. Abschnitt 4.3.3). Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion vollzieht prozessual, worauf die Beschreibung der eigenen Tätigkeit als kreativ verweist. Kreativität entsteht im Tun, wird „praktisch hergestellt“ (Krämer 2012, S. 113). Die Betonung der Prozessualität zeigt sich nicht nur im bestehenden Forschungskorpus, der spezifische Produktionsetappen als besonders kreativ herausstellt (vgl. Abschnitte 5.1.1 und 5.1.2), sondern auch im sekundäranalytisch erfassten Kreativitätsverständnis der Medienschaffenden (vgl. Abschnitt 5.3.3). Letzteres ist eindeutig an eine Anwendungs- und Umsetzungsorientierung gekoppelt – als einer Facette der ökonomischen Logik. Killebrew (2005) stellt dazu fest: „In media terms, creativity and productivity are interrelated […]“ (ebd., S. 104). Diese Produktivität darf jedoch nicht auf einen Beitrag zum Endprodukt reduziert werden. Produktivität ist insofern kennzeichnend für Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion, als Kreativität in Prozessen stattfindet, die auf Produktivität im Sinne der Hervorbringung irgendeines Ergebnisses zielen. Dabei ist ein Prozess aber nicht unbedingt nur dann kreativ, wenn er auch wirklich in solch einem Ergebnis mündet. Zumindest aber muss er dieser Absicht folgen und hat dabei – mit Klausens (2010, S. 349) Worten – die Neigung (‚propensity‘) in einem kreativen Ergebnis zu münden: Nur dann ist er angemessen – eine Voraussetzung für die Bewertung als kreativ (siehe oben). Das Vorhandensein einer Zielrichtung bedeutet folglich, ein (Etappen-/Teil-)Ziel vor Augen zu haben. Kreativität ist dabei der Weg bzw. ein möglicher Weg zum Ziel, schließlich erfordert nicht jedes Ziel einen kreativen Lösungsweg, umgekehrt kommt Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion nicht ohne zumindest grobe Zielorientierung aus. Betrachtet man das Verständnis von Kreativität noch konkreter vor dem Hintergrund der Eigenschaften der Fernsehunterhaltungsproduktion, so wird
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besonders deutlich, warum eine (end-)ergebnisfokussierte Sichtweise von Kreativität die feldspezifische Kreativität nicht vollständig abbilden kann: Misserfolge (Nicht-Realisierung von Ideen; Zurückweisung von Pitches; NichtUmsetzung zunächst erfolgreicher Pitches; Nicht-Ausstrahlung von Sendungen; Nicht-Fortsetzung von Piloten etc.) sind wesentlicher Bestandteil des Branchenalltags (vgl. Abschnitte 5.1.2 und 5.2.3). Die Prozesse, die diesen Misserfolgen vorangestellt werden, sind deswegen aber nicht als unkreativ zu qualifizieren (vgl. Abschnitt 5.1.1). Gerade der Entwicklungsprozess, der gemessen am Input wenige Ergebnisse liefert, gilt als besonders kreativ (vgl. Abschnitt 5.1.2). Dennoch gilt: Greifbar wird ein Prozess als dynamisches Konstrukt nur über seine Teilergebnisse. Es verwundert demnach nicht, dass die Medienschaffenden, wenn sie Kreativität beschreiben, diese Beschreibung zumeist an ein Ergebnis binden – wenn auch nicht an das Endprodukt, sondern an die zahlreichen Zwischenund Etappenergebnisse des Produktionsprozesses. Das feldspezifische Kreativitätsverständnis ist folglich geprägt von einem Konzept prozessualer und zugleich produktiver Kreativität. Dabei geht es wesentlich um gestalterische und damit eine Ausprägung kultureller Kreativität, wenngleich einige Medienschaffende auch eine unternehmerische Kreativität für sich reklamieren. Kreativität meint jedoch vor allem jene Tätigkeiten, die direkt und indirekt auf die Gestaltung von Sendungsinhalten zielen. Dies spricht für die Anwendbarkeit der ‚Pockets of Creativity‘, die Seidel et al. (2009; vgl. für die Fernsehproduktion Karow 2011) identifiziert haben. Gemeint sind damit bestimmte Tätigkeitskomplexe in der Fernsehproduktion, die – aus ökonomischer Perspektive – nicht planbar und auch nicht vollständig antizipierbar sind, z. B. die Ideenentwicklung oder das Dialog Scripting in einer Serienproduktion (vgl. Karow 2011, S. 153, 157; siehe auch Abschnitt 5.1.1). Vorrangig gelten Kreative deswegen als Kreative, weil sie durch ihren Tätigkeitsbereich mit einem Ergebnis assoziiert werden, das als kreativ gilt. Letztlich wird so nicht ihre tatsächliche Leistung, sondern ihr Arbeitsfeld, das bestimmte Leistungen und Ergebnisse impliziert, zum Definitionskriterium ihrer Kreativität. Kreativität ist an spezifische Akteur*innen als Träger*innen gebunden (vgl. auch Ausführungen unten), sie ist der prozessualen Logik folgend jedoch keine Eigenschaft einer Person (vgl. Krämer 2012, S. 113). Kreativität ist ein sich in sozialen Praktiken entwickelndes und durch soziale Praxis explizierendes soziales Phänomen. Da Kreativität ein feldspezifisches Konstrukt ist, kann sie der praxistheoretischen Perspektive folgend nur in den feldspezifischen Praktiken und nicht in den (individuellen) Handlungen verortet werden. Gerade in der Fernsehunterhaltungsproduktion fällt der Blick damit zunächst einmal auf Interaktionen,
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die Giddens in seiner Konzeption und in seinem Fokus auf Ko-Präsenz hervorhebt (vgl. Abschnitt 2.2.2). Charakteristisch für das Feld ist die Arbeit im Team (vgl. Abschnitt 5.3.2.1). Neben der Einzelperson rückt damit die Gruppe als Kreativitätsträger in den Fokus (vgl. Abschnitt 4.1.1.2). Teamarbeit selbst ist eine feldspezifische Form von Kreativität, wie die Medienschaffenden sie selbst beschreiben (vgl. Abschnitt 5.3.3.3). Weil die Praxistheorie den Fokus auf die Praktiken richtet und das Soziale in den Praktiken in ihrem Vollzug verortet, wird der Zugang zu Kreativität und kreativer Leistung in kultureller Produktion, die aufgrund ihrer arbeitsteiligen Struktur adäquat als kollektives Handeln (vgl. Becker 1997) konzeptualisiert wird, vereinfacht. Der Blick richtet sich damit nicht darauf, wer die Menschen sind, sondern wie diese Menschen mit und aufgrund ihrer Eigenschaften in einer bestimmten Situation auf eine bestimmte Art und Weise handeln. Es geht dabei auch um ihre Position und Positionierungen. Hierin steckt Kreativität, oder spezifischer: „creative practice within an art world of co-operative interactions“ (Negus und Pickering 2004, S. 89). Auch Bourdieu betont, dass und wie soziale Einbettung eine*n Künstler*in erst zum künstlerischen Schaffen befähigt (vgl. Bourdieu 1993a, S. 200; Saalmann 2012, S. 105). Wie viel Kollektivität im Sinne einer kollaborativen Kreation für den konkreten Vollzug kreativer Praxis förderlich ist, hängt vom Produkttypus ab: Medienschaffende heben für die hochfrequente Produktion die Interaktion einer Vielzahl von Personen, für die Produktion von Einzelstücken wiederum die Leistung und Vision der Einzelperson hervor (vgl. Abschnitt 5.3.3.3). Dies stellt aber zu keiner Zeit den Teamcharakter als grundsätzlich feldcharakterisierend – auch die Einzelstückproduktion erfolgt arbeitsteilig und in Interaktion – in Frage. Eine praxistheoretische Betrachtung von Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion erfasst all jene Facetten, Komponenten und Definitionen von Kreativität, wie sie in bisherigen Forschungsarbeiten genauso wie in den Definitionen des Feldes selbst abgebildet werden. Die Praxistheorie leitet den Blick der Analyse. Ihr Vokabular erfasst die analytischen Einheiten, die betrachtet werden müssen, um feldspezifische Kreativität zu untersuchen. Kreativität ergibt sich aus den Einzelkomponenten kreativer Praktiken: Aus dem Habitus der Medienschaffenden und dem Selbstverständnis als Teil des praktischen Sinns; aus den Regeln und Ressourcen des Feldes, die genauso wie der Habitus in sozialen Praktiken angewandt und aktualisiert und damit expliziert werden. Die Verknüpfung der feldspezifischen Kreativitätsdefinition, wie sie anknüpfend an die Erkenntnisse bisheriger Untersuchungen über die Sekundäranalyse ermittelt wurde (vgl. insbesondere Tabelle 5.7 in Abschnitt 5.3.3.3), mit den Komponenten sozialer Praxis wie sie in Abbildung 2.2 (vgl. Abschnitt 2.3) und in Abbildung 6.2 (vgl. Abschnitt 6.1) aufgeschlüsselt werden, spezifiziert und systematisiert den Blick
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auf Bausteine und Ausprägungen kreativer Praxis im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion (vgl. Abbildung 6.3). Sie zeigt, was das Kreative im Subjekt und in der Struktur sozialer Praxis ist. Kreativität im Feld zu erfassen bedeutet folglich, auf Ebene des Habitus insbesondere auf das Selbstverständnis der Medienschaffenden als Kreative und ihre Erfahrungen als Kreative zu schauen (vgl. auch Abschnitt 5.3.1). Die analytische Dimension der Ressourcen rückt die Intuition als Erfahrungswissen und das handwerkliche als domänenspezifisches Wissen sowie die personellen Konstellationen in den Fokus. Regeln, die in kreativer Praxis in besonderer Weise greifen, sind auf Ebene der Deutungsmuster die Kopplung der Kreativität an ein (meist über den auftraggebenden Sender vermitteltes) Verständnis für Publikumsbedürfnisse (vgl. auch Abschnitt 5.2.3) – auch hierin steckt die Homologie von Rezeptions- und Produktionsfeld – und die Interpretation kreativer Leistung als Qualitätsmerkmal. Die Assoziation von Qualität und Kreativität kann zugleich als Norm gelten (zu berücksichtigen ist die rein analytische Differenzierung von Regeln der Sinnkonstitution und Sanktionierung: Regeln vereinen, wie in Abschnitt 2.2.2 beschrieben, beide Ebenen). Als eine Art Produktionsstandard wirken zudem die Ausrichtung kreativer Leistung auf ein Ziel und die Betonung ihrer Anwendbarkeit. Hinsichtlich des Praxisvollzugs setzt das dominierende Konzept einer gestalterischen bzw. kulturellen Kreativität die Scheinwerfer auf die Pockets of Creativity (vgl. Abschnitte 5.1.1 und 5.1.2) als Orte, an denen Kreativität ‚hergestellt‘ wird (vgl. Krämer 2012, S. 113) und sich folglich als kreative Praxis vollzieht. Denkbar ist mit Blick auf die Beschreibungen unternehmerischer Kreativität jedoch, dass kreative Praxis im Feld über diese Pockets hinausreicht. Spezifiziert für den Moment kreativer Praxis im Vollzug lässt sich hier ergänzend zu den übergreifenden Konzepten einer kulturellen und unternehmerischen Kreativität zwischen einer kreationalen und einer reaktionalen Kreativität differenzieren. Diese beiden Ausprägungen sozialer Praxis legen die Verortung und Charakterisierung von Kreativität durch die Medienschaffenden selbst nahe (vgl. Abschnitt 5.3.3.3). In Momenten und Tätigkeiten der Kreation, d. h. der Produktgestaltung, ist Kreativität das konkrete Kreieren, die Gestaltung dieses Produkts (vgl. zum begrifflichen Verständnis des Kreierens auch Abschnitt 5.3.1.1). Gestaltung kann dabei auch als Rekombination erfolgen. Darüber hinaus spielt kreative Praxis situativ innerhalb und außerhalb der Kreation dann eine Rolle, wenn unerwarteten Problemen nicht mit vorgefertigten Lösungen begegnet werden kann. Innerhalb der Kreation ist dies möglich und notwendig, weil das Kreieren auch stets nicht-kreative Handlungsakte einbezieht (vgl. Abschnitt 5.1.1). Reaktionale und kreationale Kreativität kann, muss sich jedoch nicht überlappen. Zumindest implizit ist reaktionale Kreativität als Problemlösung auch außerhalb der
Abbildung 6.3 Bausteine und Ausprägungen kreativer Praxis im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
Quelle: eigene Darstellung
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Kreation an die Produktgestaltung gekoppelt, weil die Medienschaffenden in Aufgaben der Administration und Koordination immer auch den besonderen Charakter ihres Leistungserstellungsprozesses im Blick haben (vgl. Abschnitt 5.3.3.1). Diese beiden Kreativitätsformen sind Ausprägungen von (prozessualer) Kreativität im Praxisvollzug. Letztere setzt sich zusammen aus Handlungsakten, die nicht (unbedingt) allein für sich als kreativ erkennbar sind, sondern in ihrer Kopplung aneinander Bausteine kreativer Praxis bilden. Handlungsakte, die kreative Praxis konstituieren, lassen sich verorten in als kreativ antizipierten (Kreativität als Kreation; Stichwort: Pockets of Creativity) oder aber situativ nicht antizipierten (Kreativität als kreative Reaktion) Aufgaben (‚tasks‘) und Projekten (‚projects‘) im Sinne Schatzkis (2002, S. 73). Definition kreativer Praxis und Charakterisierung der Kreativitätsträger in der Fernsehunterhaltungsproduktion Die obige Argumentation hat gezeigt, wie sich eine praxistheoretische Konzeption feldspezifischer Kreativität an die Erkenntnisse der Kreativitätsforschung andocken lässt. Diese Erkenntnisse sollen an dieser Stelle noch einmal explizit in eine konzeptuelle Definition von Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion eingespeist werden, um den Blick für jene Merkmale zu öffnen, die kreative Praxis sowohl innerhalb als auch jenseits zentraler Momente gestalterischer Kreativität definieren, und um zugleich die Interdependenz der Kreativitätsträger in der Definition kreativer Praxis hervorzuheben. Wesentliche, qualifizierende Elemente von Kreativität, die auf eine Betrachtung von Kreativität als soziale Praxis übertragen werden können, spezifizieren Plucker et al. (2004) auf Basis einer Metaanalyse bestehender Kreativitätsdefinitionen, die in Abschnitt 4.1 expliziert wurden: „Creativity is the interaction among aptitude, process, and environment by which an individual or group produces a perceptible product that is both novel and useful as defined within a social context.“ (Ebd., S. 91, Herv. i. O.)
Wesentlich ist auch die Spezifizierung, auf die u. a. Amabile (1983, S. 360) verweist, wenn sie von einem (Problem-)Lösungsweg spricht, der eher heuristisch statt algorithmisch ist. Kurz gesagt: Es darf keinen vorgegebenen Lösungsweg geben. Der Lösungsweg selbst muss gestaltet werden. Konstrukte wie Imagination spielen ggfs. eine Rolle, aber das, was man wirklich als Kreativität bezeichnen kann, entwickelt sich in sozialer Praxis und durch Resonanz und Ergebnis. Die Anwendung dieser Definition steht keineswegs im Widerspruch zur theoretischen Grundidee, feldspezifische Kreativität zu analysieren. Diese Grundidee impliziert
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zwar auch, dass Kreativität so verstanden wird, wie die Feldakteur*innen Kreativität verstehen. Die oben genannte Definition ist jedoch Ergebnis von nahezu 70 Jahren Kreativitätsforschung und folglich in diversen Feldern bestätigt worden. Es ist also angemessen, davon auszugehen, dass sie auch für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion gelten kann – zumal sie so, wie sie formuliert ist, nur domänenübergreifende Elemente benennt (vgl. Abschnitt 4.1.1.3). Zudem hat die obige Argumentation und im Spezifischen insbesondere die Sekundäranalyse von Interviews mit Medienschaffenden gezeigt, dass das feldspezifische Kreativitätsverständnis problemlos an Erkenntnisse und Annahmen der Kreativitätsforschung anschlussfähig ist. Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion lässt sich demnach wie folgt definieren: Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist ein sich in sozialen Praktiken des Feldes – d. h. in Praktiken, die in Produktionsprojekten, Produktionsunternehmen und Fernsehsendern institutionalisiert sind – entwickelndes und durch diese soziale Praxis explizierendes soziales Phänomen. Kreativität gründet in der Interdependenz und Interaktion von Person, Prozess und Umgebung, im Zuge derer ein Individuum oder eine Gruppe ein wahrnehmbares Ergebnis (Unterhaltungsprodukt, d. h. eine Sendung und ihre vielfältigen Teilprodukte) produziert hat bzw. produzieren soll, das vom Feld explizit oder implizit als ‚kreativ‘ bewertet wird. Ein Ergebnis wird in der Regel dann als kreativ bewertet, wenn es einem nicht vorgegebenen Lösungsweg entspringt – dies trifft vorrangig auf Momente inhaltlicher Gestaltung zu, da diese Projektionen darstellen – und als ‚neu‘ und ‚nützlich‘ in einem spezifischen Kontext der Fernsehnterhaltungsbranche gilt. Kreativität ist stets an seine Träger gekoppelt und analytisch in diese differenzierbar. Über unterschiedliche Träger werden unterschiedliche Ebenen der Kreativität (Individual- und Organisationsebene, Alltags- und Gesamtprojektebene) greifbar. Eine besondere Betonung legt diese Arbeit auf eine prozessuale Betrachtung. Auch darin ist eine produkt- respektive ergebnisbezogene Perspektive auf Kreativität implizit. Ein Prozess kann auf Grundlage seiner tatsächlichen, aber auch antizipierten Ergebnisse als kreativ qualifiziert werden. Auf diese Weise können Prozesse der Fernsehunterhaltungsproduktion, die normalerweise etwas Kreatives hervorbringen oder hervorbringen sollen (hier fällt erneut ein besonderer Fokus auf die Pockets of Creativity und den Prozess der Sendungsentwicklung), ex ante als kreativ bezeichnet werden (vgl. Abschnitt 4.6). Abbildung 6.4 stellt noch einmal zusammenfassend wesentliche Charakteristika der Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion auf Ebene der zentralen Kreativitätsträger dar. Sie verdeutlicht, dass die Definition feldspezifischer Kreativität über die Kreativitätsträger (in der Abbildung gefettet dargestellt) interdependent bleibt (vgl. auch Abbildung 5.4 in Abschnitt 5.3.3.4) und daher
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nur analytisch separiert werden kann. Kreative Prozesse als Aufgaben und Prozessabschnitte, die Inhalte gestalten (sollen), sind nur über eben solche (antizipierte) Produktgestaltungsmomente fassbar und zugleich gekoppelt an spezifische Funktionsrollen (z. B. Autor*innen, Regisseur*innen, Szenenbildner*innen, Producer*innen) sowie übergreifende Handlungsrollen (v. a. die Rolle der Kreativen und Creative Supervisor). Die Abbildung stellt darüber hinaus dar, was die Träger in diesem spezifischen Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion in besonderer Weise charakterisiert. Die Eigenschaften, die oben über die Komponenten kreativer Praxis abgebildet werden (vgl. Abbildung 6.3), sind darin implizit. Die Darstellung leuchtet einige zentrale, über die Literatur- und Sekundäranalyse identifizierte Eigenschaften der Träger im Feld aber noch deutlicher aus. Die Differenzierung feldspezifischer Kreativität über die drei Träger akzentuiert unterschiedliche Aspekte, die die Kreativität in diesem Feld charakterisieren. Die Relevanz von Kreativität auf Ebene der Person ergibt sich aus dem Selbstverständnis der Medienschaffenden, zumindest ein Stück weit ein*e Kreative*r zu sein (vgl. Abschnitt 5.3.3.4). Nahezu jede*r beansprucht ein gewisses Maß an Kreativität für die eigene Tätigkeit. Dies überrascht wenig vor dem Hintergrund, dass kreativ sein und kreativ arbeiten als anerkennenswert gilt: „[T]he very designation of some staff as ‚technical‘ and others as ‚creative‘ is itself, in many cases, down to decisions about whose work really counts.“ (Hesmondhalgh 2013, S. 79) Konkret drückt sich Kreativität auf Ebene des Individuums über den ästhetischen und den ethischen Zugang zur eigenen Arbeit aus. Das Konzept kreativer Autonomie von Hesmondhalgh und Baker (2011, S. 61 ff.) adaptierend rücken im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion zwei Facetten dieser kreativen Autonomie in den Fokus: eine ethische und eine ästhetische Autonomie. Wie hoch der Autonomiegrad der Medienschaffenden ist, hängt ab von der Frage, ob sie in der Lage sind, einerseits persönliche visuell-narrative Vorstellungen umzusetzen (vgl. Hesmondhalgh und Baker 2011, S. 62) und andererseits persönliche Wertvorstellungen zu erhalten oder gar zu implementieren (vgl. Abschnitte 5.2.1 und 5.3.1.3). „[I]t is the film-maker’s ethical approach to either the fictional or non-fiction film conventions and their interpretations of them that constitutes creativity for those forms.“ (Kerrigan und McIntyre 2010, S. 117) Wenngleich ein zu hoher Grad an Kompromissbildung als für das Produkt schädlich gilt (vgl. Abschnitte 5.1.2, 5.3.1.2 und 5.3.3.3), ist die Fernsehunterhaltungsproduktion als kollektiver Prozess nie gänzlich frei davon. Folglich muss die Einzelperson mit jeder Produktion ihre persönlichen Prinzipien mit dem kollektiven Kompromiss in Einklang bringen. Hier greifen Mechanismen der Identitätsregulierung (vgl. Abschnitt 5.3.1.3).
Abbildung 6.4 Charakterisierung der Kreativitätsträger in der Fernsehunterhaltungsproduktion
Quelle: eigene Darstellung
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Synthese: Kreativität im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion
Obwohl Kreativität nicht an das endgültige Medienprodukt gebunden ist, beeinflussen die Charakteristika einer Sendung, ihr Genre und ihre Produktionsfrequenz, maßgeblich sowohl die Ebene der Person als auch jene des Prozesses. Der Produkttyp eröffnet und begrenzt den Rahmen für kreative Autonomie der individuellen Medienschaffenden. Zugleich beeinflusst er, welche kreativen Prozesse wie ablaufen müssen, um eine Sendung zu erstellen. Schließlich zeichnen sich unterschiedliche Genres und Gattungen durch spezifische Praxiskomplexe aus (vgl. auch Abschnitt 6.1). Sie erfordern jeweils unterschiedliches (Erfahrungs-)Wissen sowie spezifische Produktionsinfrastrukturen und -abläufe. Die Prozessperspektive hebt jenen Bereich hervor, in dem es um kollaborative Kreation geht. Kreative Prozesse der Fernsehunterhaltungsproduktion sind rekursiv gekoppelt an spezifische Arbeitsbedingungen (vgl. Abschnitt 5.3.2). Letztere moderieren wiederum den wahrgenommenen Grad an kreativer Autonomie (vgl. auch Abschnitt 4.2.2). Der detaillierte Blick auf den Prozess als Kreativitätsträger und das Bemühen, diesen Prozess in seine Bestandteile und Mechanismen zu zerlegen, münden in einer Entmystifizierung der Kreativität als wesentlich begründet, strukturiert und folglich befördert durch Handwerk (vgl. Abschnitte 5.3.3.2 und 5.3.3.3), Hierarchie (vgl. Abschnitt 5.2.2.2) und Routinisierung (vgl. Abschnitte 4.5 und 5.3.2.1). Hierarchien verhandeln potenzielle Konflikte zwischen individueller und kollektiver Vision. Kreativität steht nicht unbedingt im Widerspruch zur Routinisierung, sondern resultiert auch aus ihr. Kreativität wird ermöglicht, wenn Arbeitsabläufe den Produktionsprozess rahmen und stabilisieren (vgl. Caves 2003, S. 73). Mit Routinen in der Kreation verfügen Medienschaffende intuitiv über die Fähigkeit, kreativ zu handeln. Solch eine entmystifizierte Kreativitätsperzeption interagiert mit der Vorstellung von einer ‚industrialisierten‘ Kreativität (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 6), die im Feld selbst Geltung hat und von den Medienschaffenden verinnerlicht wurde. Das implizite und explizite „managing the self“ (Gill 2011b) kristallisiert sich in einem kreativ-unternehmerischen Selbstverständnis heraus. Auf Ebene des Individuums drückt sich damit aus, was das Feld als Ganzes rahmt: Die Kopplung kommerzieller mit einer künstlerisch-kreativen Logik. Diese doppelte Logik als Grundprinzip des Feldes wird über alle drei Kreativitätsträger sichtbar. Sie kann über das englische Wort „press“ als vierten Kreativitätsträger analytisch herausgestellt werden.
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Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung
Was ist Kreativität im Praxisfeld der Fernsehunterhaltungsproduktion, wo spielt sie welche Rolle in diesem Feld und warum? Ausgehend von dieser Frage erörtert die vorliegende Arbeit zwei Aspekte: (1) Sie konzeptualisiert Fernsehunterhaltungsproduktion als soziales Praxisfeld und analysiert (2) die Kreativität (in) der Fernsehunterhaltungsproduktion. Beide Perspektiven werden theoretisch miteinander verwoben. Während über die Kombination von Begriffen verschiedener Praxistheoretiker zunächst die Bedeutungsebenen des praxistheoretischen Instrumentariums erweitert werden, erfolgt mit der In-Bezug-Setzung der Praxiszur Kreativitätstheorie eine Triangulation theoretischer Perspektiven, die in ihrer Anwendung auf Erkenntnisse zu einem Gegenstand die „Erkenntnismöglichkeiten fundiert und verbreitert“ (Flick 2011, S. 14, mit Verweis auf Denzin 1970). Beide Theorien stellen für sich zwar keine konsistenten Theoriegebäude dar, schärfen jedoch den Blick für jeweils spezifische Aspekte eines Untersuchungsgegenstandes und verfügen dabei über unterschiedliche Reichweiten in ihrem Erklärungspotenzial (vgl. auch die einleitenden Bemerkungen in Kapitel 2). Als gesellschaftstheoretischer Ansatz umrahmt die praxistheoretische Perspektive im Sinne eines „Forschungsprogramm[s]“ (Reckwitz 2003, S. 284) das Potpourri an Kreativitätstheorien, die sich teils als Hypothesenkonstrukte teils als Theorien mittlerer Reichweite beschreiben lassen (vgl. Merton 1968, S. 39). Praxis- und Kreativitätstheorien stellen demnach grundsätzlich zwei unterscheidbare analytische Zugänge zum Gegenstand der Fernsehunterhaltungsproduktion zur Verfügung: Sie legen eine systematische Analyse einerseits über die Komponenten sozialer Praxis (vgl. Abbildung 2.2 in Abschnitt 2.3), andererseits über die Kreativitätsträger (vgl. Abbildung 4.1 in Abschnitt 4.1.1.2) nahe – neben einer Vielzahl von Zugängen zu einer partiellen Betrachtung dieser Träger. Die Spezifizierung dieser analytischen Komponenten zeigt, dass sich beide Bereiche © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1_7
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Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung
überschneiden und in ihrer Aussagekraft ergänzen. Die konkrete Anwendung des Instrumentariums beider Zugänge und eine Reflexion der Aussagekraft dieser konkreten Anwendung ist bereits in den Abschnitten 6.1 und 6.2 geleistet worden. Dabei wurde auch gezeigt, wie das theoretische Vokabular helfen kann, Erkenntnisse zu systematisieren und über ihre Kopplung an theoretisch fundierte Begriffe zu interpretieren. Vor dem Hintergrund eines praxistheoretischen Forschungsprogramms liegt der heuristische Wert, der sich aus der Analyse des Gegenstandes Fernsehunterhaltungsproduktion mittels des Konzepts der Kreativität ergibt, auf zwei Ebenen. Die vorliegende Arbeit expliziert Kreativität einerseits als Funktionsprinzip. Über das Kreativitätskonzept ist eine Charakterisierung des Feldes möglich. Kreativität gewährleistet eine qualitative Differenzierung von Tätigkeitsfeldern und Prozessschritten. Eine hervorgehobene Rolle spielt sie im Rollenselbstverständnis der Feldakteur*innen. Darüber hinaus verdeutlicht die Arbeit, dass Kreativität einen Analysezugang zum Feld darstellt. Der Kreativitätsdiskurs, wie er über Reflexionen zum Feld in Forschung, aber auch Praxis – die sekundäranalytisch ausgewerteten Interviews sind dafür ein Beispiel – stattfindet, reflektiert und expliziert die Mechanismen des Feldes. Die Konzeptualisierung der Kreativität als soziale Praxis erfasst ihre individuelle Verwurzelung und zugleich ihren kollektiven Charakter. Das Konzept kreativer Praxis kann, weil es an die Grundprinzipien und damit auch die Routinisierung der Praxis gekoppelt ist, Funktions- und damit Reproduktionsmechanismen eines Feldes beschreiben. Über diese allgemeinen Reflexionen hinaus sollen im Folgenden spezifische Implikationen der in dieser Arbeit erfolgten theoretischen Einbettung für die empirische Erforschung und das Management der Fernsehunterhaltungsproduktion beschrieben werden. Der praxistheoretische Ansatz, die dargestellten Strukturen sowohl des Feldes als auch der feldspezifischen Kreativität legen konkrete methodologische Empfehlungen nahe (vgl. Abschnitt 7.1). Für das Management der Fernsehunterhaltungsproduktion als Kreativitätsmanagement ergeben sich aus einer praxistheoretischen Perspektive einige Prämissen, die Möglichkeiten, aber auch Grenzen des Managements offenbaren. Die Verortung der Kreativität auf Prozess- und Personenebene – mit zentraler, wenngleich impliziter Wirkung der Produktebene – zeigt auf, wo und wie ein Management kreativer Praxis in diesem Feld ansetzen kann (vgl. Abschnitt 7.2).
7.1 Implikationen für die Forschung: Überlegungen …
7.1
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Implikationen für die Forschung: Überlegungen zu einer theoriegeleiteten Empirie
Die praxistheoretische Perspektive auf den Gegenstand versorgt Forschende mit einer Sozialontologie, die sich in empirisch analysierbare Analysedimensionen zerlegen lässt. Die ergänzende Betrachtung des Feldes durch die Brille der Kreativitätsforschung zeigt auf, welche spezifizierten Facetten innerhalb dieses Analyserasters besonders relevant sind, und konkretisiert folglich den empirischen Blick. Letztlich sind die Komponenten sozialer Praxis auch jene Elemente, die Kreativität co-konstituieren können. Daher greifen beide analytischen Perspektiven ineinander und die methodologischen Empfehlungen überschneiden sich. Forscher*innen können die analytische Zerlegung sozialer Praxis (vgl. Abbildung 2.2 in Abschnitt 2.3 und die Anwendung in den Abschnitten 6.1 und 6.2) nutzen, um die Bausteine jeweils für sich zu analysieren. Die Möglichkeit, alle Elemente für eine einzelne Praktik zu erfassen, bleibt dabei hypothetisch. Umfassend spezifizieren lässt sich feldspezifische soziale Praxis aufgrund ihrer Einbettung vorrangig auf Ebene von Praxiskomplexen (vgl. Abschnitt 2.1). Regeln und Ressourcen, die die in sozialer Praxis wirkende Struktur konstituieren, haben Facetten, die teils auf individueller, teils auf kollektiv-interaktionaler Ebene erkennbar werden. Mechanismen der Organisation und Koordination des Produktionsprozesses sowie Kontroll- und Feedbackprozesse lassen sich spezifiziert für ein Produktionsprojekt oder auch ein Produktionsunternehmen erfragen und verweisen auf Regeln und Ressourcen der Interaktion. Die in der praxistheoretischen Perspektive betonte Materialität rückt zudem die Produktionsinfrastruktur als Ganzes, genauso aber einzelne Gegenstände und Instrumente, die die Medienschaffenden in ihrer Arbeit nutzen, in den Blick. Dieses tatsächliche Nutzen eines Gegenstandes, das konstitutiv dafür ist, ob ein Gegenstand auch wirklich eine Ressource darstellt (vgl. Giddens 1997, S. 86; Ortmann et al. 2000, S. 331), hat einen dynamischen Charakter und ist besonders valide im tatsächlichen Tun der Medienschaffenden identifizierbar. Mit einer praxistheoretischen Perspektive rücken die Handlungen der Medienschaffenden kontextualisiert als Handeln im Fluss (vgl. Abschnitt 2.2.2) und damit die Performation der Kreativität in den Fokus. Praxistheoretische Forschung schaut auf das doing (vgl. Jarzabkowski et al. 2007, S. 9; auch Abschnitt 2.1). Element einer empirischen Untersuchung der Fernsehunterhaltungsproduktion als soziale Praxis sind folglich Beobachtungsstudien, d. h. Studien, die konkrete Arbeitspraxis eruieren. Solche Studien stehen in der Tradition der Produktionsanalyse, die den Herstellungsprozess exemplarisch rekonstruieren will (vgl. Klug 2016, S. 127, mit Verweis auf Caldwell 2008 und
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Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung
Mayer 2011). Die Integration einer Beobachtung in die empirische Erhebung ist notwendig, weil ein Praxisfeld „als ein field in action zu begreifen“ (Raabe 2005, S. 210, Herv. i. O.) ist. Nur auf diese Weise lässt sich auch Kreativität im Feld, wie sie in dieser Arbeit modelliert wurde, erfassen. Da Kreativität nicht objektiv bestimmbar, sondern ein Beobachterkonstrukt ist, lässt sich kaum erheben, was Kreativität wirklich ist, „sinnvollerweise sollte man danach fragen, wie über Kreativität kommuniziert wird, m. a. W. welche Voraussetzungen für kreative Leistungen angenommen werden können, wann und wie Kreativität wahrgenommen wird, wie sie wirkt“ (Schmidt 1988, S. 40 f.).
Diese methodische Empfehlung von Schmidt (1988) lässt sich vor dem praxistheoretischen Hintergrund dieser Arbeit noch weiter spezifizieren: Es geht nicht nur darum zu erfassen, wie das Feld selbst Kreativität konzeptualisiert und wie diese Konzeptionen im Selbstbild der Medienschaffenden verankert sind, sondern es geht im Kern darum zu erfassen, was eigentlich passiert, wenn Medienschaffende Kreativität ‚praktisch herstellen‘ (vgl. auch Krämer 2012, S. 113). Dies mündet in der Forschungsfrage: „What do people do when they are creative?“ (Gruber und Wallace 1999, S. 94) Meier (2004) hebt hervor, dass jene Forschung, die von Bourdieus Arbeiten inspiriert sei, neben dieser Performativität der Praxis vor allem auch die Genese des Habitus (als Triebfeder der Praxis) in den Blick nehmen muss, um die Praxis zu verstehen. Sie muss erfassen: „Welches wie entstandene Wissen wirkt unter welchen Bedingungen in welcher Form handlungs- bzw. praxisrelevant?“ (Ebd., S. 59 f.) Diese Frage ließe sich empirisch mit einem Fokus auf das inkorporierte kulturelle Kapitel beantworten (vgl. ebd., S. 66). Die über den persönlichen und beruflichen Werdegang erfragbaren Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten konstituieren dieses inkorporierte kulturelle Kapital (vgl. Abschnitt 2.2.1.1). Wissen ist nicht nur konstitutiv für soziale Praxis, sondern auch eine zentrale Komponente der Kreativität (vgl. Abschnitt 4.2.1). Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die implizite Logik der Praxis das praktische Wissen einem direkten empirischen Zugriff zu einem erheblichen Teil versperrt (vgl. Lièvre und Rix 2010, S. 152). Implizites Wissen lässt sich nur partiell aus diskursiven Reflexionen der Feldakteur*innen1 selbst und über Interpretationen beobachteter Handlungen
1
Ein methodischer Ansatz, der versucht, praktisches Wissen diskursiv auszugraben und auf diese Weise empirisch zu erfassen, ist beispielsweise die Methode des „Interview by the double“, wie Nicolini (2009) sie beschreibt.
7.1 Implikationen für die Forschung: Überlegungen …
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durch die Forschenden rekonstruieren. Nicht jedes Handlungswissen ist diskursiv verfügbar, auch wenn Menschen durchaus in der Lage sind, Begründungen für ihr Handeln, insbesondere für ihr hoch reflexives Handeln in organisationalen Kontexten, zu liefern (vgl. dazu auch die Argumentation in Abschnitt 2.4). Es ist davon auszugehen, dass organisational relevantes praktisches Wissen in relevantem Umfang erfragt werden kann. Dort, wo der berufliche in den persönlichen Habitus übergeht, ist dies auf Ebene des Individuums aber nicht unbedingt gewährleistet, weil „seine [gemeint ist der Mensch, Anm. d. Verf.] Praxis mehr Wahrheit enthält, als sein Diskurs offenbaren kann“ (Bourdieu 1976, S. 209). Verinnerlichte und intuitive Prozesse, die den Medienschaffenden in der Gestaltung leiten, erschweren die empirische Ermittlung dieser Prozesse. Die geschilderten Ansatzpunkt zu einer theoriegeleiteten Empirie lassen sich weiter spezifizieren und in konkrete Empfehlungen für ein adäquates Design zur Untersuchung der Fernsehunterhaltungsproduktion als soziale und wesentlich auch kreative Praxis übersetzen. Die Komplexität des Phänomens Kreativität und die Multidimensionalität sozialer Praxis verlangen gleichermaßen nach einem empirischen Blick, der in die Tiefe geht. Dies legt einen vorrangig qualitativen und darüber hinaus im Fallstudiendesign angelegten Forschungsansatz nahe. Meyen und Riesmeyer (2009) stellen heraus, dass Bourdieus Theorie der Praxis „ein Theoriekonzept [darstellt], das geradezu nach qualitativer Forschung verlangt“ (ebd., S. 17). Die qualitative Perspektive darf dabei jedoch nicht als rein induktives Vorgehen fehlinterpretiert werden (vgl. Springer et al. 2015, S. 28). Die vorliegende Literaturdurchsicht und die sekundäranalytische Interviewauswertung bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für ein zumindest partiell deduktives Vorgehen. Darüber hinaus ist auch die Integration quantitativer Untersuchungselemente denkbar, um die Erkenntnisbasis zu erweitern. Quantitative und qualitative methodische Ansätze werden hier als komplementär verstanden (vgl. Faßnacht 1995, S. 125; Giddens 1997, S. 390). Die dieser Arbeit zugrundegelegte theoretische Triangulation impliziert, wenn sie angemessen empirisch übersetzt werden soll, auch eine methodische Triangulation (vgl. Flick 2011, S. 25) – nicht zuletzt, weil empirische Methoden selbst vor einem jeweils spezifischen Theoriehintergrund entwickelt wurden (vgl. Flick 2015, S. 315). Eine methodische Triangulation erzeugt nicht automatisch Validität und Objektivität. Sie steht zunächst einmal für ein Mehr an Erkenntnis (vgl. Flick 2011, S. 20). Begründet liegt dies in der Annahme, dass eine spezifische Methode in ihrer Anwendung ein Phänomen, das sie untersucht, überhaupt erst konstruiert (vgl. ebd., S. 17, 32). Wenngleich sie nicht automatisch Validität herstellt, kann eine Methodenkombination gekoppelt an eine Protokollierung des methodischen
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Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung
Vorgehens Problemen der Validität und Reliabilität, die sich gerade auch für qualitative Forschung stellen, ein Stück weit begegnen (vgl. Yin 2009, S. 114 ff.). Für die Erforschung von Kreativität als einem objektiv nicht fassbaren Konstrukt stellen sich die Fragen nach den Gütekriterien der Forschung in besonderem Maße. Woodman et al. (1993, S. 315) verweisen explizit auf Probleme organisationaler Kreativitätsforschung im Hinblick auf die Konstruktvalidität. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich für den in dieser Arbeit beschriebenen Gegenstand ein Vorgehen in Fallstudien. Die Umsetzung von Fallstudien ist vor allem dann sinnvoll, wenn die angelegten Forschungsfragen darum kreisen, ‚wie‘ sich bestimmte soziale Phänomene konstituieren (vgl. Yin 2009, S. 4). Als ‚Metamethoden‘ (vgl. von Rimscha und Sommer 2016, S. 373) schließen sie potenziell sowohl quantitative als auch qualitative Methoden und eine Vielzahl von Elementen in ihre Analyse ein (vgl. Yanow 2009, S. 191). Sie eignen sich besonders zur Erforschung von Kreativität als einem feldspezifischen Phänomen, weil sie der Empfehlung von Kreativitätsforscher*innen folgend gewährleisten, vielfältige Perspektiven auf den Gegenstand zu kombinieren und unterschiedliche Kreativitätsebenen – des Produkts, des Prozesses, der Person und der Umgebung – gleichermaßen zu berücksichtigen (vgl. Gruber und Wallace 1999, S. 93 ff.; Hennessey und Amabile 2010, S. 590; Woodman et al. 1993, S. 315). Die Perspektiven und Ebenen werden in Fallstudien zusammengeführt. Der Fall stellt die Analyseeinheit (vgl. Yin 2009, S. 39). Jeder Fall wird als eigenes Feld rekonstruiert. In Analysen der Fernsehunterhaltungsproduktion als soziale Praxis konstituiert ein spezifisches Produktionsprojekt eine geeignete Fallgröße: Im Prozess der Produktion spezifischer Sendungen wird die soziale Praxis der Fernsehunterhaltungsproduktion im Vollzug greifbar. Die Spezifität der Praxis im Vollzug lässt sich konkret nur für spezifische Produktionsprojekte fassen, da organisationale Strukturen aufgrund der starken Variation der Unternehmensgröße nur zuverlässig in Bezug auf spezifische Projekte und seine Phasen beschreibbar sind (vgl. Karow 2011, S. 78). Ein Produktionsprojekt wird als Projektunternehmung umgesetzt und konstituiert als solche eine eigene, temporäre organisatorische Einheit mit spezifischer Produktionspraxis. Anders formuliert: Ein Produktionsprojekt konstituiert ein eigenes Feld. Dieses projektspezifische Feld bietet sich als Anknüpfungspunkt zur Erforschung der sozialen Praktiken der Fernsehunterhaltungsproduktion an. Eine projektspezifische Falldefinition ist besonders geeignet, auch und vor allem kreative Praxis zu erfassen, wenn sie ein feldspezifisches Kreativitätsverständnis zugrunde legen möchte, da Medienschaffende, die in gemeinsamen Projekten arbeiten, denselben Gegenstand (d. h. die projektspezifische kreative Praxis) aus ihrer jeweils eigenen Perspektive beschreiben können. Dies eröffnet die Möglichkeit, Kreativität für den spezifischen Fall theoretisch
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gesättigt zu erheben (vgl. zum Konzept der theoretischen Sättigung Johnson 2008, S. 114, auch Constantinou et al. 2017; MacQuarrie 2010; Nelson 2017). Da sich soziale Praxis und Kreativität, wie oben bereits dargestellt, nur über ihre Performativität angemessen empirisch erfassen lassen, sind Beobachtungen der Arbeitspraxis ein wichtiger Baustein der Erforschung kreativer Praxis im Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion. Bisherige Fallstudien zu Kreativität sind zumeist als teilnehmende Beobachtung und dabei offen und ethnographisch angelegt (vgl. z. B. Chan et al. 2011; Fulton und McIntyre 2013; Hargadon und Bechky 2006; Hesmondhalgh und Baker 2008; 2010; Krämer 2012; 2014). Über die Ethnographie – so die Begründung – ließen sich der Gegenstand in seiner gesamten Tiefe und Breite sowie die Perspektiven der Untersuchungsobjekte erfassen (vgl. Hargadon und Bechky 2006, S. 489). Ethnographische Beobachtungen zielen auf „‚thick descriptions‘ of culture“ (McAuley 2008, S. 91). Daneben sind jedoch auch Kombinationen qualitativer mit (teil-)standardisierten Untersuchungsanlagen und die Umsetzung passiver statt aktiver Beobachtungsansätze (vgl. Meyen et al. 2011, S. 124) für eine Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld adäquat – insbesondere dann, wenn ein*e Forscher*in beabsichtigt, Tätigkeitsprofile jenseits subjektiv verzerrter Beschreibungen zu quantifizieren (vgl. Altmeppen und Quandt 2002, S. 50 f.) und eine Regelhaftigkeit des Handelns nachzuzeichnen (vgl. Quandt 2005, S. 160 ff.). Ein Konzept passiver Beobachtung, das sowohl standardisiert (vgl. McDonald 2005, S. 468) als auch qualitativ (vgl. für ein Beispiel Haag 2012) angelegt werden kann, ist beispielsweise das Shadowing (vgl. z. B. McDonald 2005; Gill 2011a; Vásquez et al. 2012). Im Shadowing begleitet ein*e Forscher*in das Beobachtungsobjekt ‚wie ein Schatten‘ in seinem Arbeitsalltag (vgl. Czarniawska 2008, S. 10, vgl. auch Czarniawska 2014, S. 44). Dieses Vorgehen ermöglicht „the direct study of contextualized actions“ (McDonald 2005, S. 470). Ein gewisser Grad an Reaktivität bleibt auch in einer passiven Beobachtung unvermeidbar (vgl. Handley 2008, S. 143; Mikkelsen 2013, S. 44; Sowa et al. 2013), jedoch ist anzunehmen, dass die Beobachtungsobjekte ihre Arbeitsweise nicht wesentlich ändern – zum einen, weil sie den Pflichten des Arbeitsalltags trotz Beobachtungssituation nachkommen müssen (vgl. Quandt 2011, S. 287), und zum anderen, weil abweichendes Verhalten vor den Kolleg*innen auffallen würde (vgl. Czarniawska 2014, S. 48). In der Konzeption solcher Beobachtungsstudien für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion muss die Kollektivität des Prozesses im Fokus bleiben. Methodisch ist hier eine Gratwanderung notwendig. Unterhaltungsproduktion ist ein kollektiver Prozess (vgl. Abschnitt 5.3.2.1). Zumeist ist eine Vielzahl von Menschen an der Produktion beteiligt. Die Berücksichtigung des gesamten Personalstamms ist forschungsökonomisch jedoch kaum möglich. Der Fokus
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Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung
fällt damit auf die wichtigsten Knotenpunkte im Produktionsnetzwerk (vgl. auch Abbildung 5.1 in Abschnitt 5.3.1.1), v. a. die Producer*innen, aber auch die Produzent*innen (als Executive Producer*innen). Der*die Producer*in spielt als Manager*in des Produktionsprojekts in allen Phasen eines Produktionsprojekts eine tragende Rolle (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 166). Ebenso in den Blick rücken die Autor*innen und Regisseur*innen, die als Teil des kreativen Dreiecks aus Autor*in, Regisseur*in und Produzent*in/Producer*in (vgl. Bloore 2013, S. 70; Pardo 2010, S. 14) nicht nur den gestalterischen Kern mitverantworten, sondern auch koordinative, personalleitende Funktionen übernehmen; darüber hinaus fungiert der*die Produktionsleiter*in als Brücke zu produktionelladministrativ tätigen Projektbeteiligten (vgl. auch Abschnitt 5.3.1.1). Der Fokus einer Beobachtungsstudie auf eine Einzelperson trägt dem Umstand Rechnung, dass die Tätigkeit koordinierender Feldakteur*innen – insbesondere jene der Producer*innen – mit hoher Arbeitsplatzmobilität einhergeht (vgl. Altmeppen 1999, S. 91 f.; Czarniawska 2008, S. 6), da die fehlende Permanenz der Organisation (vgl. Altmeppen 2008, S. 42; Altmeppen und Arnold 2013, S. 31) grundsätzlich auf eine hohe Variabilität und Flexibilität der Arbeitsprozesse verweist. Zugleich ist es wichtig, eine integrative Perspektive, die über eine reine Analyse der Mikroebene hinausgeht, aufrecht zu erhalten, um angesichts des kollektiven Charakters des Prozesses den Blick nicht fälschlicherweise auf die Einzelperson als entscheidenden Treiber eines medialen Produktionsprozesses zu reduzieren (vgl. Ettema 1982, S. 91). Grundsätzlich gewährleisten die theoretischen Prämissen einer praxistheoretischen Empirie, dass der Blick auf die Mikroebene implizit stets auch die Meso- und Makroebene berücksichtigt. Ausgehend von der Rekursivität von Handeln und Struktur empfiehlt Giddens ein „methodological bracketing“ (Giddens 1979, S. 80): Es ist legitim, die eine oder andere Facette, d. h. das Handeln oder aber die Struktur, explizit zu fokussieren, da eine empirische Analyse kaum in der Lage ist, beide Facetten in gleicher Tiefe und gleichem Umfang zu berücksichtigen. Für die Analyse eines Produktionsprojekts als Feld bedeutet dies sogleich, dass dieses spezifische Feld zwar nicht das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion als Ganzes repräsentieren kann. Dennoch ist davon auszugehen, dass aufgrund der rekursiven Verflechtung projektorganisationaler Praxisfelder mit Feldern der Projektnetzwerke und den genrespezifischen Branchenfeldern (vgl. Abschnitt 6.1) die Erkenntnisse zu spezifischen Produktionsprojekten mittelbar auf allgemeine Mechanismen der Branche übertragbar sind. Zusammenfassend erscheint folglich für die praxistheoretisch angeleitete empirische Analyse der Fernsehunterhaltungsproduktion mit Kreativität als ihrem Charakteristikum und Funktionsprinzip ein fallstudienbasiertes Vorgehen, das
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Befragungs- und Beobachtungselemente kombiniert, als besonders erkenntnisversprechend. Die Komponenten sozialer Praxis können dabei als analytisches Raster helfen, den empirischen Blick dafür zu schärfen, wonach gefragt und was beobachtet werden sollte. Glaubwürdig erscheint eine solche Analyse aber nur, wenn sie die epistemologischen Implikationen ihres theoretischen Ansatzes reflektiert. Praxistheoretisch zu arbeiten bedeutet schließlich nicht nur, den Gegenstand durch eben diese Brille zu betrachten und das praxistheoretische Vokabular auf die Fernsehunterhaltungsproduktion anzuwenden. Praxistheorie lässt sich nur dann konsistent anwenden, wenn sie auch auf das Forschungskonzept selbst wirkt (vgl. auch Golsorkhi et al. 2010b; Grand et al. 2010). Dies bedeutet zu berücksichtigen, dass eine empirische Untersuchung nicht in der Lage ist, untersuchte Strukturen objektiv sichtbar zu machen. Der Analyseansatz reproduziert das zuvor angelegte Konzept: Wenn eine Untersuchung Kreativität auf Ebene der alltäglichen Arbeit erfasst, liegt der Fokus der empirisch erhobenen feldspezifischen Kreativitätsdefinition auf eben solch einer Spezifizierung alltäglicher Arbeit – und kann beispielsweise nur begrenzt Aussagen über die Kreativität eines Endprodukts treffen. Praxistheoretisch angeleitete Forschung impliziert „erkenntniskritische Forschung“ (Raabe 2016, S. 341), die die Konstruktion ihres Forschungsgegenstandes anerkennt (vgl. Orlikowski 2010, S. 29 f.). Die Parallelen zu einer konstruktivistischen Denkweise sind offensichtlich: „Methoden sind kein neutrales Medium der (Realitäts-)Erkenntnis, sondern deren Formgeber […].“ (Scholl 2011, S. 172) Wissenschaftliche Forschung ist Praxis, und soziologische Theorien sind letztlich das Ergebnis eines Kampfes im Feld der (Sozial-)Wissenschaft (vgl. Hillebrandt 2009, S. 373). Als Praxis ist wissenschaftliche Forschung Ergebnis aus dem rekursiven Verhältnis des Handelns eines*einer Forschenden und der Strukturen des Forschungsfeldes, aus Habitus und Feld. Damit basiert der Forschungsprozess selbst und folglich auch seine Ergebnisse auf einem Zusammenwirken von Habitus, Wissen, Position (und damit Kapital des*der Forschenden), seinen*ihren Ressourcen, den legitimierenden und sinnkonstituierenden Regeln sowie der Situation bzw. des Kontextes. Den Forschungsprozess und die Genese der Forschungsergebnisse zu reflektieren bedeutet damit – soweit die Forschenden dazu diskursiv überhaupt in der Lage ist – möglichst weit offen zu legen, wie diese genannten Elemente sozialer und damit wissenschaftlicher (Forschungs-)Praxis den Prozess und das Ergebnis beeinflusst haben (vgl. Mikkelsen 2013, S. 47).
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Reflexion und Implikationen der theoretischen Einbettung
Implikationen für das Management der Fernsehunterhaltungsproduktion
Wenn man die Fernsehunterhaltungsproduktion als Praxisfeld entwirft, Kreativität darin als spezifische soziale Praxis konzipiert und damit auch in spezifischen organisationalen und individuellen Regeln und Ressourcen verortet – wie sieht dann ein Management der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion aus? Die folgenden Ausführungen wollen keine vollständige Aufschlüsselung relevanter Managementbereiche des Feldes leisten, sondern grundsätzlicher skizzieren, was praxistheoretisches Denken und was die Charakterisierung und Verortung von Kreativität, wie sie in dieser Arbeit vorgenommen wurden, für ein Management der Fernsehunterhaltungsproduktion bedeuten. Wenngleich auch konkrete Empfehlungen für ein Management der Kreativität in der Fernsehunterhaltungsproduktion Gegenstand der Erläuterungen sind, liegt der Fokus dieses Kapitels vorrangig darauf, zunächst einmal die Facetten eines Managements der Fernsehunterhaltungsproduktion als Kreativitätsmanagement zu explizieren. Anders formuliert: Die folgenden Ausführungen sollen aufzeigen, wie und wo Kreativitätsmanagement implizit stattfindet, wie und wo es explizit erfolgen kann und wo die Grenzen dieses Managements vor dem hier geschilderten praxistheoretischen Hintergrund liegen. Es geht um eine Beschreibung der Prämissen und der Gegenstände eines Fernsehproduktionsmanagements als Kreativitätsmanagement. Prämissen des Fernsehproduktionsmanagements als Kreativitätsmanagement Die vorliegende Arbeit blickt auf die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsprozesse in der Fernsehunterhaltungsproduktion. Folglich befasst sie sich hier mit dem operativen Management, d. h. der Planung, Steuerung und Koordination der konkreten Ausführung einer Sendungsproduktion. Da die Produktion einer Unterhaltungssendung über eine in ein Projektnetzwerkwerk eingebettete Projektunternehmung erfolgt, steht spezifischer ein operatives Projektmanagement (vgl. Bergener und Voigt 2012) im Fokus des Interesses. Eine praxistheoretische Perspektive auf dieses Projektmanagement hebt seinen Fokus auf jene, die das Projekt tatsächlich umsetzen, noch einmal hervor. Schließlich bedeutet praxistheoretisches Denken darauf zu schauen, wie das Individuum mit seinem Handeln den Vollzug sozialer Praxis (mit)gestaltet. Dieser zentrale Gedanke prägt wesentlich die in Abschnitt 2.4 skizzierte Perspektive der Strategy-as-Practice-Forschung, die sich Prozessen der Strategieformulierung und -implementierung aus praxistheoretischer Perspektive zuwendet. Unternehmensstrategie ist folglich etwas, das im Praxisvollzug und auf der Ebene der Individuen, auf der Ebene einer Vielzahl von Mitarbeitenden und nicht nur auf Ebene der Leitungsfiguren stattfindet.
7.2 Implikationen für das Management …
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Strategie wird nicht oben formuliert und unten ausgeführt, sondern diejenigen, die unternehmensspezifische Praxis ausüben, gestalten Strategie immer auch mit (vgl. Golsorkhi et al. 2010b, S. 7; Jarzabkowski et al. 2007, S. 11 f.). Strategie ist aus dieser Perspektive dynamisch und im Wesentlichen emergent, d. h. sie entsteht quasi spontan mit ihrem Vollzug. In einem breiten praxistheoretischen Sinne ist sogar jegliches Handeln, das feldspezifische Praxis vollzieht, strategisch – schlichtweg, weil es sich an den Regeln und an der Logik des Spielfeldes orientiert (vgl. Bourdieu 2001, S. 361), d. h. in diesem Sinne angemessen und „zweckmäßig“ (Bourdieu 1993b, S. 122) ist. Handlungsleitend ist nicht, was eine einzelne Person beabsichtigt. Handlungsleitend ist die Routinisierung der Praxis (vgl. Reckwitz 2003, S. 293). Die handlungsleitende Intention steckt in den Praktiken (vgl. Abschnitt 2.3) – in der Kopplung von Handeln und Struktur. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass eine mit Managementaufgaben betraute Person ihre Ziele und Pläne linear umsetzen kann. Ein*e Producer*in als Projektmanager*in (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 162) kann keine persönliche Richtung durchsetzen, sondern das Projekt nur durch die Routinen, die es überhaupt erst erlauben, dass der Produktionsprozess auch mit variierenden Personenkonstellationen funktioniert, navigieren. Und dennoch bedeutet diese Verankerung in Routinen keine Starrheit (vgl. Abschnitt 2.1). Jedes Projekt variiert, weil Praktiken variieren und offen sind. Die analytisch differenzierbaren Komponenten sozialer Praxis stehen für jene Stellschrauben, über die soziale Praxis verändert werden kann. Sie zeigen, was den Vollzug sozialer Praxis beeinflusst. Auf diese Weise leiten sie nicht nur einen empirischen Forschungszugriff, sondern können auch den Zugriff praktischen Managements auf die Praxis orientieren. Projekte laufen anders, besser, schlechter als von Produzent*innen und Sendern erwartet, weil die Habit¯us der Medienschaffenden variieren, sie unterschiedliche Erfahrungen oder eine spezifische Mentalität mitbringen; weil bestimmte Ressourcen z. B. besonderes Wissen oder moderne Produktionstechnik fehlen oder verfügbar sind; weil Vorgaben unpräzise formuliert oder uminterpretiert werden etc. Bereits Veränderungen an einzelnen Facetten sozialer Praktiken verändern die konkrete Praxis im Vollzug. Das Projektmanagement in der Fernsehunterhaltungsproduktion ist demnach einer praxistheoretischen Sichtweise folgend keineswegs Willkürmanagement. Ansatzpunkt für eine Steuerung des Prozesses sind aufgrund der Reflexivität der Organisation (vgl. Ortmann et al. 2000) und der Fähigkeit der Menschen, über ihre Reflexivität des Handelns ‚steuernden Einfluss‘ (vgl. Giddens 1997, S. 53) zu nehmen (vgl. Abschnitt 2.2.2), vorhanden. Zu bedenken ist jedoch, dass das
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Bemühen, Handeln zu steuern, nie direkt auf andere wirkt. Vielmehr sind unbeabsichtigte Handlungsfolgen, die als unerkannte Handlungsbedingungen das weitere Handeln prägen, sehr wahrscheinlich (vgl. Abschnitt 2.2.2). Mit Blick auf die davon abgeleitete Emergenz von Strategie muss dem Prozess die Fähigkeit zur Steuerung aus sich selbst heraus zugestanden werden. Das Management sollte wachsam sein für Lösungen, die die Praxis selbst entwickelt. Es kann sich folglich ggfs. Lösungsstrategien direkt im Handeln der Mitarbeiter*innen abschauen. Wenn der Sinn für diese Möglichkeit besteht, ist es u. U. möglich, die bestehenden Lösungen im Handeln auf eine höhere Stufe der Reflexivität zu heben, um sie auch explizit greifbar zu machen. Wenn Medienschaffende aus praxistheoretischer Perspektive strategisch, weil zweckmäßig, handeln und ihr Handeln selbst steuern, offenbaren sie, auf welche Art und Weise das, was sie tun, gesteuert werden kann. Sie betreiben damit eine Art des (Selbst-)Managements. Die implizite Logik der Praxis, d. h. die Bedeutung kaum greifbaren praktischen Wissens, setzt dem Zugriff des Projektmanagements auf solch emergente Strategien des (Selbst-)Managements natürlich wiederum Grenzen. Darüber hinaus muss nicht nur ein*e Forscher*in, sondern auch ein*e Manager*in aufpassen, dem praxistheoretischen Denken folgend nicht jegliches Handeln als strategisch relevant (im engeren, klassischen Sinne des Managements) zu bewerten, weil Strategie als per se emergent (vgl. Golsorkhi et al. 2010b, S. 8) dann nicht vom Nicht-Strategischen zu unterscheiden wäre. Tatsächlich praktikabel ist die Berücksichtigung des emergenten Charakters von Strategie wohl eher nur, wenn Manager*innen ein Bewusstsein entwickeln, dass jegliches Handeln strategisch relevant sein könnte, aber erst ex post eine Bewertung vornehmen, ob dies auch tatsächlich der Fall war. In der Managementforschung hat Haag (2012) gezeigt, dass eine Langzeitstudie emergente Strategien in praxistheoretischem Sinne erfassen kann, wenn Praktiken erst im Zeitverlauf als strategisch im engeren Sinne interpretiert und identifiziert werden. Ergänzend zu diesen praxistheoretisch begründeten Prämissen eines Kreativitätsmanagements in der Fernsehunterhaltungsproduktion lässt sich aus der Kreativitätsliteratur ein Aspekt ableiten, der dem Projektmanagement im Feld nicht per se zugrundeliegt, aber zugrundgelegt werden sollte, um Kreativität über das Management überhaupt greifen zu können: Die Paradoxität der Kreativität (vgl. Abschnitt 4.4) legt einen paradoxalen Managementansatz nahe. Konkret bedeutet dies, das Projektmanagement darf Unstrukturiertheit, Unplanbarkeit und Unsicherheit nicht beseitigen, sondern muss diese Facetten des Prozesses kultivieren. Ein Management, das Kreativität stärken möchte, muss eine Balance schaffen zwischen Elementen, die sich scheinbar widersprechen, den Produktionsprozess jedoch gleichermaßen prägen.
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Gegenstand des Fernsehproduktionsmanagements als Kreativitätsmanagement Zentrale Bereiche des Projektmanagements in der Fernsehunterhaltungsproduktion sind nach Bergener und Voigt (2012) das Ressourcen-, Prozess-, Produkt-, Personal- und Organisationsmanagement. Diese Managementfelder weisen die Autor*innen den Producer*innen als zentrale Knotenpunkte in der konkreten Ausführung eines Produktionsprojekts zu (vgl. ebd., S. 167 f.). Sie blicken damit äquivalent zur Perspektive der vorliegenden Arbeit auf das Management des Projektvollzugs und stellen dieses zudem in den Kontext einer Analyse der Kreativität im Feld. Konkret rückt mit dem Ressourcenmanagement ein „Kosten-, Terminund Risikomanagement[.]“ (ebd., S. 169) in den Fokus. Das Prozessmanagement beschreiben die Autor*innen als das Bewusstsein der Producer*innen für die unterschiedlichen Anforderungen der Produktionsprojektphasen (vgl. ebd., S. 168). Insbesondere muss ein*e Producer*in im Blick haben, dass es strukturierte und unstrukturierte Projektphasen gibt (vgl. ebd., S. 180). Kern des Produktmanagements sind einerseits „Abstimmungsprozess[e] zur Produktentwicklung“ (ebd., S. 168) mit dem Sender und andererseits die Identifikation „adäquate[r] Ansätze, um dieses [kreative Produkt, Anm. d. Verf.] gezielt im Team weiterzuentwickeln“ (ebd.). Die Abstimmung der Produktgestaltung ist folglich aus Perspektive des Produktionsunternehmens nach außen und zugleich nach innen gerichtet (vgl. die Ausführungen zum intra- und interorganisationalen Entwicklungsprozess in Abschnitt 5.1.2). Das Ziel des Produktmanagements ist Effizienzsteigerung über den Rückgriff auf Formate, „häufige Produktrevisionen und Orientierung an Referenzprojekten“ (Bergener und Voigt 2012, S. 171). Im Fokus des Personalmanagements steht die Vermittlung zwischen kreativen und wirtschaftlichen Anforderungen an die Medienschaffenden (vgl. ebd., S. 170). Dies schließt die Reduktion von Konflikten zwischen Rollenträger*innen beider Seiten ein (vgl. ebd., S. 168). Daran anknüpfend, aber übergreifend angesetzt, kümmert sich ein*e Producer*in im Organisationsmanagement um das „Management organisationaler Strukturen des Projekts, inklusive Weisungsbefugnissen und potentiellen Konflikten“ (ebd.). Klare Kommunikation und Weisungsbefugnis helfen, mit der unbeständigen Teamstruktur der netzwerkbasierten Projektorganisation (vgl. Abschnitt 3.2.4) zurechtzukommen (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 172). Zwischenmenschliches (wer kann mit wem?) muss für ein Funktionieren des Prozesses berücksichtigt werden (vgl. ebd., S. 173). Die beschriebenen Managementfelder greifen zutreffend wesentliche Charakteristika der Fernsehunterhaltungsproduktion systematisch auf. Darüber hinaus deuten die Autor*innen auch an, wie die Spezifizität der Kreativität als Funktionsmechanismus den Prozess prägt, wenn sie für das Personalmanagement von Konflikten zwischen kreativer Freiheit und ökonomisch begründeten Einschränkungen
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sprechen oder das Zwischenmenschliche, welches nicht nur von persönlichen Sympathien (vgl. Abschnitt 5.3.2), sondern auch von der persönlichen Bindung an das Produkt (vgl. Abschnitt 5.3.3.2) geprägt wird, im Organisationsmanagement betonen. Dennoch geht es in dieser Systematisierung von Managementbereichen wesentlich um eine Gleichsetzung der Kreativität mit Unplanbarkeit und Unstrukturiertheit (vgl. Bergener und Voigt 2012, S. 181). Dies zeigt sich u. a. in der Empfehlung, im Produktmanagement die Formatorientierung, die in dieser Arbeit als potenziell innovationsfeindlich (wenn auch nicht als grundsätzlich unkreativ) diskutiert wurde (vgl. Abschnitt 5.2.2.1), zu stärken. Gerade um den besonderen Charakter der Kreativität im Feld zu erfassen, ist es jedoch von Bedeutung, auch im Management über eine am Geschäftsprozessmanagement orientierte Differenzierung des Unplanbaren vom Planbaren, des Unsicheren vom Sicheren hinweg auf die Ausprägungen zu schauen, die Kreativität im Feld annimmt. Damit geraten die Medienschaffenden selbst nicht bloß als möglichst adäquat zu kombinierende personelle Konstellation in den Blick. Fernsehproduktionsmanagement als Kreativitätsmanagement muss vielmehr insbesondere Prozesse der Identitätsregulierung und Momente organisationaler Motivation jenseits eines Effizienzziels berücksichtigen. Anknüpfend an die spezifische Verortung und Charakterisierung der Kreativität in dieser Arbeit, die sowohl das Prozessuale der Kreativität über ihre Deutung als kreative Praxis im Vollzug als auch die Bedeutung der Individuen für das Feld und damit für feldspezifische Praxis hervorhebt, rücken als Gegenstand eines Kreativitätsmanagement in der Fernsehunterhaltungsproduktion das Personalmanagement auf der einen und das Prozessmanagement auf der anderen Seite in den Fokus. Das Ressourcen-, das Produkt- und das Organisationsmanagement sind aus dieser Perspektive in den beiden Managementbereichen implizit enthalten. Für das Prozess- und Personalmanagement lassen sich bestimmte Themen herausarbeiten, über die sich Bedingungen schaffen lassen, die es den Medienschaffenden ermöglichen, ihr Kreativ-Sein möglichst weit auszuschöpfen. Diese Themen ergeben sich aus den systematischen Darstellungen von Einflussfaktoren auf Kreativität (vgl. Abschnitte 4.2.2 und 5.3.3.5) ergänzt um weitere in der Literaturanalyse identifizierte Strukturelemente, d. h. Regeln und Ressourcen auf organisationaler und individueller Ebene, auf die unter Berücksichtigung der oben in den Prämissen benannten Einschränkungen steuernder Einfluss genommen werden kann. Folglich sollte das Kreativitätsmanagement in der Fernsehunterhaltungsproduktion seinen Fokus richten auf die Förderung einer organisationalen Kreativitätsorientierung & Motivation auf Ebene des Individuums, dem zugeordnet auf das Identitätsmanagement, zudem auf die Prozesse der Personalrekrutierung und des Teammanagements. Von großer Bedeutung
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in beiden Bereichen ist eine adäquate Gestaltung der Führung. Das Management von kreativitätsrelevanten Ressourcen jenseits der Personalressourcen ist im Budget-, Kosten- Infrastruktur- und Zeitmanagement abgebildet. Abbildung 7.1 stellt dar, wie die Managementthemen im Personal- und im Prozessmanagement verortet sind und wie sie implizit an ein Produkt-, ein Ressourcen- und ein Organisationsmanagement anknüpfen.
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 7.1 Facetten des Kreativitätsmanagements in der Fernsehunterhaltungsproduktion
• Kreativitätsorientierung & Motivation: Die Stärkung intrinsischer Motivation als zentraler Komponente des Kreativ-Seins (vgl. Abschnitt 4.2.1) ist Ziel aller hier benannten Managementthemen, in der Betrachtung der Kreativitätsorientierung und (organisationalen) Motivation jedoch besonders explizit. Jene Innovationsorientierung, die vermittelt über das Organisationsklima organisationale Kreativität wesentlich bedingt (vgl. Abschnitt 4.2.2), lässt sich für das Feld der Fernsehunterhaltungsproduktion adäquater als Kreativitätsorientierung fassen. Dieser Begriff rückt die Ebene der Individuen – im Gegensatz zur vom Innovationsbegriff hervorgehobenen organisationalen Ebene – in den Vordergrund. Zugleich soll er verdeutlichen, dass es in der Gestaltung des Organisationsklimas für Kreativität nicht nur darum geht, das große Ganze im
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Blick zu haben. Kreative Praxis kann je nach Ausmaß einer Produktprojektion (vgl. Knorr Cetina 2001) und häufig auch abhängig vom konkreten Produktionsschritt eine geringere oder größere raum-zeitliche Ausdehnung annehmen. So sind beispielsweise sowohl die Entwicklung neuer Sendungskonzepte (vgl. Abschnitt 5.1.2) als auch die Formulierung von Dialogen für das Drehbuch einer Daily Soap (vgl. Abschnitt 5.3.3.3) aus Feldperspektive als kreativ zu bewerten. Das Management sollte diese verschiedenen Formen von Kreativität im Feld berücksichtigen und ein Konzept mehrerer Kreativitätsebenen (vgl. Abschnitt 4.1.3) vermitteln. Grundsätzlich ist es ratsam, anknüpfend an die Vermittlung einer (organisationalen) Kreativitätsorientierung die Rhetorik des Kreativ-Seins über all diese Ebenen hinweg zu fördern. Auf diese Weise wird die kreative Selbstwirksamkeit (vgl. Abschnitt 4.1.2) der Medienschaffenden gestärkt. Dies fördert mittelbar die kreativitätsrelevanten Fähigkeiten einer Person. Das Reklamieren kreativer Leistung für das eigene Schaffen weist schließlich darauf hin, dass die Verortung von Kreativität im eigenen Tun einer positiven Bewertung der eigenen Tätigkeit zuträglich ist. Die Leistungsanerkennung und ihre faire Bewertung ist auf allen Ebenen kreativer Leistung wichtig. Auch ein Scheitern, das den Prozess der Fernsehunterhaltungsproduktion in allen Produktionsstadien begleitet (vgl. Abschnitt 5.1.2), sollte nicht negativ als Rückschritt, sondern produktiv genutzt (vgl. auch Andriopoulos und Lowe 2000, S. 736 f.) und im Idealfall vom Projektmanagement als Beitrag zum Fortschritt kommuniziert werden. Noch viel stärker als eine Anerkennung für gute Arbeit wirkt die Wahrnehmung, Fortschritte zu machen, positiv auf intrinsische Motivation (vgl. Amabile und Kramer 2010, S. 44). Amabile und Kramer (2011) sprechen daher von einem ‚progress principle‘. Manager*innen können ihre Mitarbeiter*innen folglich motivieren, indem sie Fortschritte anerkennen. Dafür müssen sie den Blick dafür schärfen, wie und wo im Alltag auch kleine Fortschritte stattfinden und diese Erkenntnis kommunizieren (vgl. Amabile und Kramer 2010, S. 45). Intrinsische Motivation durch positive Motivation steigert nicht nur die Kreativität, sondern auch die Produktivität von Mitarbeiter*innen (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 3, 212). • Identitätsmanagement: Ein Themenbereich des Personalmanagements, der eng mit der Kreativitätsorientierung assoziiert und an die Aushandlung der Produktgestaltung (und damit das Produktmanagement) gekoppelt ist, ist das Identitätsmanagement. Letzteres zielt darauf, den persönlichen Raum für kreative Autonomie auszuhandeln. Die Wahrnehmung einer allgemeinen Handlungsund Entscheidungsfreiheit und einer spezifisch kreativen Autonomie in der Produktgestaltung sind wichtige Elemente einer kreativitätsfördernden Umgebung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass – gerade weil kreative Autonomie
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und das Selbstverständnis als Kreative*r in der Fernsehunterhaltungsproduktion über die Möglichkeit ästhetischer Entfaltung auch einen ethischen Zugang zur Arbeit einschließt (vgl. Abschnitt 6.2) – ein Management der Kreativität auf Ebene des Personals über die Gestaltung ästhetischer Autonomie hinausreicht. Aus praxeologischer Perspektive lässt sich der Prozess der Identitätsregulierung als persönlicher Zugang zum Umgang mit der Illusio als der „Identifikation mit dem Spiel“ (Bourdieu 2001, S. 360) beschreiben. Wie dargestellt (vgl. Abschnitt 5.3.1.3), findet diese Identitätsregulierung über unterschiedliche Regulierungsstrategien statt. Das Personalmanagement in der Fernsehunterhaltungsproduktion kann diese Strategien der Selbstregulierung und darüber hinaus das Konzept des Identitätsmanagements als Ansatzpunkte zur Bewältigung von Identitätskonflikten nutzen. Letztlich geht es hier aber sehr stark auch um ein Selbstmanagement und eine Regulierung von Identitätsregulierung qua Sozialisation: Je länger Medienschaffende Teil des Feldes sind, desto stärker nehmen sie auch den beruflichen Habitus dieses Feldes an – oder aber sie scheitern in der Aushandlung des persönlichen mit dem beruflichen Habitus und verlassen das Feld. Ein Beispiel dafür sind Medienschaffende, die ihre Tätigkeit in der Fernsehunterhaltungsproduktion gänzlich aufgeben. Jedoch ist es denkbar, den persönlichen Konflikt nicht nur über das Verlassen des Gesamtbranchenfeldes, sondern ggfs. auch über den Austritt aus einem spezifischen organisationalen Feld, zu lösen: Diesen Weg beschreiten Produzent*innenpersönlichkeiten, die große Konzerne verlassen, um eigene Produktionsfirmen zu gründen, weil sie außerhalb ihrer früheren Organisation mehr Chancen sehen, ihre Vision vom Feld durchzusetzen (vgl. Krei 2017b; Lückerath 2014a). Der Blick auf einzelne Persönlichkeiten des Feldes rückt in den Fokus, dass die Fernsehunterhaltungsproduktion – dies zeigt sich ja nicht zuletzt in der Bedeutung individueller Identitätsregulierung – von Individualität geprägt ist, die in ein zielgerichtetes Handeln eingebettet werden muss. Das Projektmanagement fördert daher idealerweise eine Balance zwischen kreativen und ökonomischen Rollen und Identitäten, ggfs. über das Konzept einer Meta-Identität (vgl. Abschnitt 5.3.1.3), die in der Definition einer feldspezifischen Kreativität als kommerzialisierter Kreativität durch die Medienschaffenden bereits implizit vorhanden ist. Anwendung und (Produkt-)Umsetzung kann das Management jedoch noch stärker verankern, wenn sie die für Kreativität notwendige feldspezifische Expertise, d. h. konkret das handwerkliche Wissen und das Bewusstsein für die Bedeutung handwerklichen Wissens, fördert. Eine Kopplung der Individualität mit zielgerichteter (im Sinne einer effektivitätsorientierten) Produktgestaltung lässt sich
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aus Perspektive der Medienschaffenden konkret beispielsweise im Entwicklungsprozess durch eine Trennung von Ideenentwicklung auf der einen und Ideenbewertung und -weiterverarbeitung auf der anderen Seite erreichen (vgl. Abschnitt 5.3.3.2). Auf die persönliche Identifikation mit der Produktidee folgt ein Moment der Abnabelung. Bereits der Entwicklungsmoment selbst kann jedoch nicht in der Individualität eines Medienschaffenden verharren. Kreative sind Visionäre, aber eine erfolgreiche Produktentwicklung setzt eine kollektiv geteilte Vision voraus (vgl. Abschnitt 5.1.2). Das Management muss folglich die individuelle und kollektive Vision gleichermaßen, d. h. in einer paradoxalen Kopplung, befördern und ausbalancieren. • Personalrekrutierung: Das Personal ist betriebswirtschaftlich betrachtet das zentralste Produktionsmittel der Fernsehunterhaltungsproduktion. Es stellt folglich die Kernressource des Feldes – gerade auch, weil es als zentraler Träger von Kreativität (als Ressource) gilt (vgl. Abschnitt 4.3.3). Eine flexible, funktional differenzierte Aufbauorganisation, die als kreativitätsfördernd gilt, ist in der Personalrekrutierung eines spezifischen organisationalen Feldes eher Ausgangs- denn Zielpunkt: Mit der Unternehmensgröße variiert, wie stark eine funktionale Differenzierung sinnvoll umgesetzt werden kann – davon hängt ab, wie viele Fähigkeiten eine Person vereinen muss. Von den Gesamtkapazitäten eines Produktionsunternehmens und der Größe eines Projekts hängt folglich ab, ob die Heterogenität eines Projektteams auf eine Vielzahl oder eine geringere Zahl von Medienschaffenden verteilt wird. Die Erweiterung des Gestaltungs- und Angemessenheitsrahmens im Kreativ-Sein über unterschiedliche Habit¯us (vgl. Abschnitt 6.2) legt in jedem Fall nahe, dass sich die Medienschaffenden eines Teams in ihrem persönlichen und professionellen Hintergrund unterscheiden sollten. Hier besteht für das Management noch Luft nach oben: Bisher ist beispielsweise die personelle Durchlässigkeit zwischen Genres gering. Eine größere Personaldurchlässigkeit könnte dahingegen Genrehybridität und „die Innovationsfähigkeit eines Systems“ (Fröhlich 2010b, S. 217) fördern, wenngleich das Risiko besteht, dass sich genrefeldfremde Medienschaffende nicht ad hoc in den institutionalisierten Praktiken spezifischer Projektnetzwerke zurechtfinden. In der Personalrekrutierung kann die Berücksichtigung heterogener Erfahrung in sowohl einschlägigen als auch (gänzlich) anderen Feldern als (ein risikoscheuer) Ansatzpunkt für die Verbreiterung des Gestaltungsrahmens dienen, da solche Medienschaffende die Konventionen einschlägiger und zugleicher fremder Projektfelder kennen. Gerade wenn im Prozess der Rekrutierung die Grundlage für die Verschiedenartigkeit eines Projektteams gelegt wird, muss das Management dafür Sorge tragen, dass sich die Teammitglieder vertrauen, offen interagieren und konstruktive
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Kritik aneinander üben. Nur auf diese Weise lässt sich trotz kreativitätsfördernder Heterogenität auch die Effektivität des Prozesses gewährleisten. Dieser Aspekt berührt über die Personalrekrutierung hinaus bereits Themen des Teammanagements. • Teammanagement: Fernsehunterhaltungsproduktion ist Teamarbeit (vgl. Abschnitt 5.3.2.1). Dies bedeutet, dass die Kollektivität des Prozesses alle ihre Einzelelemente prägt, da jede*r Medienschaffende weiß, dass er*sie in seinem*ihrem Handeln Teil eines arbeitsteiligen Prozesses ist. Zugleich bedeutet dies aber nicht, dass jegliche Praktik des Produktionsprozesses in Ko-Präsenz oder Interaktion erfolgt. Ein kreativitätsförderndes Teammanagement bezieht sich folglich nicht nur auf spezifische Momente der Gruppeninteraktion, sondern kann auch abseits direkter Interaktion gedacht werden. Kreativitätsfördernd wirkt in der direkten, aber auch indirekten Interaktion, d. h. sowohl wenn Medienschaffende im direkten Austausch an etwas arbeiten als auch wenn sie sich in Alleinarbeit befinden, das Bewusstsein für die Vorteile der im Rekrutierungsprozess begründeten Gruppenheterogenität. Das Management muss ein Zusammengehörigkeits- und Gemeinsamkeitsgefühl stärken und den Mitgliedern eines Teams zugleich verdeutlichen, dass die Unterschiede der Medienschaffenden in ihrem Hintergrund, ihrem Können und ihrer Arbeitsweise Vorteile bergen. Quer dazu ist es gar möglich, Gruppenmitgliedern unterschiedliche Meta-Rollen zuzuweisen, wie es Zysno und Bosse (2009) auf Basis des Komponentenmodells der Kreativität in ihrer Studie vorgenommen haben (vgl. Abschnitt 4.2.2). Für die Koordination und Steuerung der Gruppenprozesse sollte das Projektmanagement folglich berücksichtigen, dass neben die formalen Funktions- und informellen Handlungsrollen der Medienschaffenden (vgl. Abschnitt 5.3.1.1) noch spezifische temporäre gruppeninterne Rollen treten, die ggfs. geschärft oder (um)verteilt werden können. Konflikte, die zwischen Träger*innen unterschiedlicher oder ggfs. auch gleicher Rollen auftreten, sind nicht automatisch negativ zu bewerten und sollten auch nicht gänzlich vermieden werden. Konflikte wirken im Idealfall fruchtbar und prozessstützend (vgl. Abschnitt 5.3.3.2): Der Konflikt zwischen Kreativen bzw. den als Creative Supervisor Tätigen und Manager*innen stabilisiert den Prozess in seinem Spannungsfeld zwischen ökonomischer und kreativkünstlerischer Logik (vgl. Abschnitt 5.4). Konflikte zwischen Kreativen tragen Kämpfe um die Durchsetzung ästhetischer und ethischer Autonomie von der intra- auf die interpersonale Ebene und zielen auf die Gestaltung einer gemeinsamen Vision (vgl. Abschnitte 2.2.1.1 und 5.1.2). Konflikt und Kooperation gehören in paradoxaler Kopplung zusammen.
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• Führung: Ein adäquates Teammanagement ist eng gekoppelt an eine adäquate Gestaltung der Führung. Teamgestaltung impliziert bereits an vielen Stellen Teamführung. Die Wahrnehmung des Teams, ob und wie es funktioniert, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Teammitglieder die Führung ihres Teams wahrnehmen (vgl. Amabile und Kramer 2011, S. 55). Teamführung trägt insbesondere dann zu von Kolleg*innen als kreativ bewerteten Leistungen bei, wenn die Teammitglieder das Gefühl haben, dass die Führung sie unterstützt (vgl. ebd., S. 210) – gleichermaßen fachlich und emotional. Nicht nur innerhalb des Teams muss Vertrauen kultiviert und gestärkt werden. Kreativität profitiert auch von einer vertrauensvollen Kommunikation und Respekt seitens der Führung. Die Kreativitätsforschung hat vielfältige Eigenschaften eines kreativitätsfördernden Führungsverhaltens beschrieben (vgl. z. B. Amabile et al. 2004; Amabile und Kramer 2011; Basadur 2004; Herrmann und Felfe 2013; Mumford et al. 2002; Shalley und Gilson 2004; Sosik et al. 1999). Hervorzuheben ist hier gerade unter Einbezug der Aussagen der Medienschaffenden selbst (vgl. Abschnitt 5.3.3.2) und unter Berücksichtigung des Erfolgs hierarchischer Organisationsprinzipien (vgl. Abschnitt 5.3.2.2), dass zwar ein demokratisch-kollaboratives Führungsverhalten als für Kreativität förderlich beschrieben wird, dies aber keineswegs den Trugschluss zulassen darf, dass Heterarchie Kreativität positiv beeinflusse. Vielmehr sind klare Hierarchien von großer Bedeutung. Kreative Praxis fußt auf Klarheit in der Planung und im Feedback. Sie benötigt Kontrolle, Korrektur und Motivation, aber keine Unterbrechung und zudem Autonomie in der Art der Zielerreichung, nicht in der Art der Ziele. Diese Aspekte sind implizite Elemente eines Produktmanagements, das – wie oben beschrieben – beabsichtigt, Produktentwicklung abgestimmt voranzutreiben. Gerade die Produktentwicklungsphase profitiert von kreativer Autonomie nebst klarer Führung. Führung muss in diesem Sinne von einer paradoxalen Sichtweise angeleitet erfolgen. Ein adäquates Führungskonzept im Organisationsmanagement zeichnet sich aus durch Hierarchie nebst einem Eindruck von Heterarchie, der sich über die in der Gestaltung gewährte Autonomie vermittelt. Wenngleich die Team- bzw. Projektführung eine klare Richtung vorgibt und sicherstellen muss, dass sie eingehalten wird, muss sie zugleich eine uneingeschränkte Interaktion zwischen Management und Mitarbeiter*innen und einen offenen Dialog gewähren. Betrachtet man die Art und Weise, wie operative Führung im Prozess der Fernsehunterhaltungsproduktion ausgelebt und ausgestaltet wird, muss auch das Rollenselbstverständnis der Führungsperson berücksichtigt werden. Das Verständnis der eigenen Rolle hat schließlich viel damit zu tun, wie sich die Führungsperson gegenüber anderen positioniert. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Medienschaffende in
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Führungsposition, die zuvor selbst als Kreative, d. h. in der gestaltenden Ausführung, gearbeitet haben, ein anderes Verständnis für und Vertrauen in das Handeln der Kreativen haben (vgl. Abschnitt 5.3.3.4). Da hier mit dem Projektmanagement auch die Figur des*der Producers*Producerin als Manager*in in den Fokus rückt, müssen Prozesse der Identitätsregulierung, insbesondere der Selbstregulierung als Teil der Führungsgestaltung im Prozessmanagement, berücksichtigt werden. Producer*innen fungieren als Brückenköpfe zwischen Administration und Kreation (vgl. Abschnitt 5.3.1.1), sind zugleich wesentlich in die Kreation eingebunden und müssen in Ausübung ihrer Rolle ggfs. in besonderer Weise auf Mechanismen der Identitätsregulierung zurückgreifen, um ihren persönlichen gestalterischen Anspruch oder auch die gestalterischen Ideen des Teams gegenüber den ökonomischen Grenzen auszuhandeln. • Budget-, Kosten-, Infrastruktur- und Zeitmanagement: Ein kreativitätsförderliches Management diverser, den Prozess prägender zeitlicher, monetärer und infrastruktureller Ressourcen ist besonders herausfordernd, da absolute Vorgaben dazu, welcher Ressourcenumfang positiv auf kreative Praxis wirkt, nicht möglich sind. Wichtig ist, nicht zu viel und nicht zu wenig von all diesen Ressourcenarten zur Verfügung zu haben. Entscheidend ist die Adäquanz der Ressourcenverfügbarkeit. In der Narration der Medienschaffenden heißt dies: (Ressourcen-)Grenzen sind wichtig, diese müssen jedoch realistisch sein. Was realistisch ist, muss die Führungsperson in Rückgriff auf ihre Erfahrung beurteilen. Über die (Unmöglichkeit einer) Quantifizierung eines angemessenen Resssourcenrahmens hinaus ist für dieses Managementthema auf Grundlage der bisherigen Ausführungen zweierlei festzuhalten: Zum einen kann eine klare zeitliche Planung mit fest eingeplanten Zeitfenstern (und vorgegebenen Zielen) kreative Räume schaffen. Die Koordination von und mittels Zeit erscheint damit als weiterer Zugang zu einem operativen Kreativitätsmanagement. Zum anderen hebt die Materialität der Praxis nicht nur hervor, dass Artefakte, d. h. eine spezifische Produktionsinfrastruktur, Praxis co-konstituiert. Sie verdeutlicht vielmehr das Potenzial spezifischer Artefakte, Praktiken zu verändern. Beispielsweise kann der Einsatz neuer Technik Praktiken und Praxiskomplexe so nachhaltig verändern, dass daraus Prozessinnovationen entstehen (vgl. Abschnitt 5.2.2). Die skizzierten Themen eines operativen Produktionsmanagements als Kreativitätsmanagement verweisen jeweils implizit oder auch explizit auf Ansatzpunkte für die Umsetzung einer paradoxalen Perspektive in den Managementpraktiken. Die Ausführungen zur Kreativitätsorientierung weisen darauf hin, dass übergreifend für das Kreativitätsmanagement im Feld Mikroprozesse – d. h. subjektive,
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punktuelle Wahrnehmungen der Arbeitsbedingungen durch einzelne Medienschaffende, alltägliche Arbeitsleistungen u. ä. – den Prozess insgesamt wesentlich prägen. Im Prozess des Schaffens sind aus Perspektive der Medienschaffenden Teilergebnisse ggfs. relevanter als das finale Ergebnis. Einen paradoxalen Charakter hat für den Aspekt des Identitätsmanagement die Notwendigkeit, die individuelle mit der kollektiven Vision auszuhandeln. Daran anknüpfend muss das Teammanagement ein gewisses Maß an Spannungen kultivieren statt sie auszumerzen, da Konflikte kooperative Gestaltung befördern. Einen Balanceakt stellt die Personalrekrutierung dar, wenn sie von der Heterogenität einer Teamgestaltung profitieren will, dafür aber eine Kongruenz eben dieses Teams gewährleisten muss. Kreative Praxis gründet zugleich in Führungsprinzipien, die Hierarchien deutlich ausüben und dennoch den Raum und Rahmen für kreative Autonomie schaffen. Daran knüpfen die Herausforderungen eines Budget-, Kosten-, Infrastruktur- und Zeitmanagements an, das Freiraum gewähren und zugleich Grenzen setzen muss. Kreativitätsmanagement ist Arbeitsprozessmanagement. Es kann nicht darum gehen, einer simplen Input-Output-Rechnung folgend über spezifische Maßnahmen die Kreativität des Endprodukts zu steigern. Lineare Effekte solcher Art sind schwer realisierbar. Sie schließen die Notwendigkeit zur mannigfaltigen Umgestaltung der Makrostrukturen mit ein (vgl. Fröhlich 2010b, S. 399 ff., 428). Dennoch sind, wie dargestellt, auf der Mikroebene wichtige Stellschrauben greifbar, an denen zur Verbesserung kreativer Arbeitsbedingungen und mittelbar auch zur Steigerung der Endproduktkreativität gedreht werden kann.
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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Nölleke-Przybylski, Kreativität in der Unterhaltungsproduktion, https://doi.org/10.1007/978-3-658-35214-1
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