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German Pages 395 Year 2004
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 29
Konvergenz- und Stabilisierungswirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung Von
Roland Deinzer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ROLAND DEINZER
Konvergenz- und Stabilisierungswirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Dr. Stefan Grundmann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 29
Konvergenz- und Stabilisierungswirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Von
Roland Deinzer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
n2 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-11504-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die jüngste Klage der Europäischen Kommission gegen den ECOFIN-Rat wegen der eklatanten Verletzung der Prinzipien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zeigt die Aktualität und Relevanz der Fragestellungen dieser Schrift: Ist eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion in ihrer jetzigen Konstruktion auf Dauer tragfähig? Benötigt sie eine soziale Ergänzung und könnte eine europäische Arbeitslosenversicherung ein sinnvoller Stabilisierungsmechanismus sein? Die Arbeit wurde von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im November 2003 als Dissertation anerkannt. Der Literaturstand konnte bis Herbst 2003 berücksichtigt werden. Prof. Dr. Harbrecht inspirierte mich zur Beschäftigung mit den Fragen europäischer Währungs- und Sozialpolitik und gab mir gleichzeitig Ansporn und Freiheit für selbstständiges, wissenschaftliches Arbeiten. Herzlichen Dank für die vielen fachlichen Hinweise und die motivierenden Gespräche! Prof. Dr. Schachtschneider verdanke ich viel mehr als die Erstellung des Zweitgutachtens. Er unterstützte mich vor allem bei den rechtlichen Fragestellungen meiner Arbeit und trieb mich zu noch kritischerer, interdisziplinärer Arbeitsweise an. In diesem Zusammenhang macht es mich sehr stolz, sowohl den ausgewiesenen Verfechter der europäischen Integration Prof. Dr. Harbrecht als auch den Euro-Kläger Prof. Dr. Schachtschneider mit meinen Ideen und Thesen überzeugt zu haben. Der Aufnahme in die hiesige Schriftenreihe beim Verlag Duncker & Humblot haben Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann und Prof. Dr. Norbert Simon zugestimmt. Mein besonderer Dank gilt meinem Freund Thomas Tiefel, der mir durch seine vorbildliche Arbeitsmoral beim Anfertigen seiner Dissertation den richtigen Weg wies. Noch wichtiger aber waren die beiden Frauen in meinem Leben: Meine Schwester Simone, die in jeder Situation ein Ohr für meine Probleme und Täler hatte und mich immer wieder aufmuntern konnte. Die Hauptlast eines solchen Projektes musste aber meine Freundin Claudia mittragen. Sie unterstützte mich gerade emotional und gab mir gleichzeitig die Kraft und vor allem den Ansporn, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren und konsequent das Ziel zu verfolgen. Lieben Dank! Zirndorf, im Februar 2004
Roland Deinzer
Inhaltsübersicht Problemstellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Erster Teil Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
28
Kapitel 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union: Eine soziale Marktwirtschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Kapitel 2: Föderalismustheorie und Systemwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
Kapitel 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion . . .
111
Zweiter Teil EWWU: Optimaler Währungsraum oder Notwendigkeit von föderalen Anpassungsmechanismen?
123
Kapitel 4: Theorie und Praxis der optimalen Währungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
Kapitel 5: Die langsame Abkehr innerhalb der EU von der Idee einer europäischen Fiskalföderation von MacDougall bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
Kapitel 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU . . . . . . . . . . .
196
Kapitel 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion – Wiederbelebung der Idee einer gemeinschaftlichen Stabilisierungsfunktion . . . . . . . . . . .
212
Dritter Teil Theorie, Ausgestaltung und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
226
Kapitel 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit und deren Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226
Kapitel 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung . . . .
314
8
Inhaltsübersicht
Anhang 1: Berechnung der regionalen Beitragseinnahmen der BA über die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Methode II), 1993 – 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
322
Anhang 2: Berechnung der regionalen Beitragseinnahmen der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme (Methode III), 1991 – 1999 . . . . . . . . . . . . . . . .
331
Anhang 3: Berechnung des regionalen Nettosaldos der Einnahmen und Ausgaben der BA, 1991 – 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
Anhang 4: Berechnung der Bezugsgröße für den Beitragssatz und des Bedarfs an Versicherungsleistung der EALV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
Rechtsquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
391
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393
Inhaltsverzeichnis Problemstellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Erster Teil Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
28
Kapitel 1 Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union: Eine soziale Marktwirtschaft?
28
A. Zur Theorie der Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
B. Die Prinzipien der Wirtschaftsverfassung der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
I. Die Systementscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
II. Die Funktionsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
1. Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
a) Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
b) Die Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2. Die Grundfreiheiten des EWG-Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
3. Die Wettbewerbsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
III. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
C. Das Sozialprinzip in der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
D. Entwicklung der Sozial-, Beschäftigungs- und Kohäsionsordnungen und -politiken in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
I. Phase 1: EWG-Vertrag und erstes soziales Aktionsprogramm 1974 . . . . . . . . . . .
44
II. Phase 2: Einheitliche Europäische Akte 1987 und Reform der Strukturfonds
48
III. Phase 3: Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und der Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
10
Inhaltsverzeichnis IV. Phase 4: Vertrag von Amsterdam und Europäische Beschäftigungsstrategie . .
58
V. Phase 5: Lissabon-Strategie und Vertrag von Nizza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
VI. Fazit: Bewertung der Sozial- und Arbeitsmarktordnung und -politik der EU . .
68
Kapitel 2 Föderalismustheorie und Systemwettbewerb
72
A. Zuständigkeit der staatlichen Ebene für sozialpolitische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
B. Föderalismustheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
I. Bereitstellungskostenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
1. Präferenzverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
2. Regionale Externalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
3. Größenvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
4. Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
5. Entscheidungsfindungskosten und polit-ökonomische Gründe . . . . . . . . . . . .
77
II. Systemwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
1. Grundsätzliches zum Systemwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
a) Exkurs: Paradigmen der Wettbewerbstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
aa) Erstes Paradigma der Wettbewerbstheorie: Klassische Theorie . . . .
80
bb) Zweites Paradigma: Neoklassik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
cc) Renaissance des klassischen Paradigmas: Evolutionstheoretischer Ansatz, österreichische Tradition und Systemtheorie des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
2. Neoklassische Modelle des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
a) Tiebout’sches Wanderungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Neoklassisches Standardmodell des Steuerwettbewerbs nach Sinn . . . . .
88
3. Evolutionstheoretisch basierter Ansatz des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . .
92
a) Wirkungen des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
b) Voraussetzungen für Systemwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
4. Bewertung der Wirkungen des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
a) Race to the Bottom-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
b) Grenzen des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Abschließende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Inhaltsverzeichnis
11
Kapitel 3 Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
111
A. Sinnvolle Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 B. Risikoreiche Koordination? – Niveau der Grundsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Schädliche Koordination – Sozialdumping? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 D. Kritisches Fazit an der Sichtweise des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Zweiter Teil EWWU: Optimaler Währungsraum oder Notwendigkeit föderaler Anpassungsmechanismen
123
Kapitel 4 Theorie und Praxis der optimalen Währungsräume
123
A. Systematik der EU-Kommission über asymmetrische Schocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Temporäre und permanente Schocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Länderspezifische und sektorspezifische Schocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Reale und finanzielle Schocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Exogene und politikbedingte Schocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 B. Theorie der Optimalen Währungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Frühe Kriterien für Optimale Währungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Mundells Kriterium der Faktormobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. McKinnons Kriterium der Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Kenens Kriterium der Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Weitere Kriterien für die Optimalität von Währungsräumen . . . . . . . . . . . . . . . 136 5. Aschheims Ansatz der Functional Currency Areas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Ein formales Modell für Optimale Währungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Neuere Theorie der Optimalen Währungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Lucas-Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Vertikale Phillips-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
12
Inhaltsverzeichnis 3. Zeit-Inkonsistenz-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Endogenität der OWR-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5. Internationale Risiko-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
C. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion als optimaler Währungsraum? . . 155 I. Messung und Bewertung von asymmetrischen Schocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Empirische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Anpassungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Lohn- und Preisflexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Mobilität der Arbeitskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Mobilität des Faktors Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Offenheitsgrad und Diversifikation – Krugman specialization hypothesis vs. Endogenitäts-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 5. Transfermechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Kapitel 5 Die langsame Abkehr innerhalb der EU von der Idee einer Europäischen Fiskalföderation von MacDougall bis heute
189
Kapitel 6 Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
196
A. Notwendigkeit der Kohäsion – unzureichende Regionalpolitik der EU . . . . . . . . . . . . . . 199 B. Notwendigkeit der Stabilisierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
Kapitel 7 Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion – Wiederbelebung der Idee einer gemeinschaftlichen Stabilisierungsfunktion
212
A. Neue Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 B. Aktuelle Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 C. Versuch der Aufweichung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch Kommission und Eurogruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Inhaltsverzeichnis
13
Dritter Teil Theorie, Ausgestaltung und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
226
Kapitel 8 Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit und deren Versicherung
226
A. Arbeitslosigkeit und institutionelle Aspekte der Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . 226 B. Formen der Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C. Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D. Ursachen der Arbeitslosigkeit in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 E. Begründungsansätze für eine staatliche Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Marktversagen bei der Versicherung von Einkommensrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Polit-ökonomischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 F. Individuelles Moral hazard – Anreizeffekte einer staatlichen Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. Arbeitslosenversicherung und statische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Arbeitslosenversicherung und dynamische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 III. Höhe und Dauer der Lohnersatzleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 G. Überblick über die Arbeitslosenversicherungssysteme in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Grundbedingungen, Anwartschaftszeit und Karenzfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 IV. Leistungshöhe und -dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 V. Finanzierung der Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 H. Quantitative Erfassung der Transferwirkungen der bundesdeutschen Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 I. Einfache Einnahmen – Ausgabensaldierung der BA-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 II. Beitragsberechnung Methode I: Pauschalierte Mikroebenenberechnung . . . . . . 268
14
Inhaltsverzeichnis III. Beitragsberechnung Methode II: Differenzierte Mikroebenenberechnung . . . . 271 IV. Beitragsberechnung Methode III: Makroebenenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 V. Ergebnisse der berechneten Beitragsanteile für die deutschen Länder von 1991 – 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 VI. Regionale Umverteilung, Aufschlüsselung der Bundesmittel nach Beschäftigtenanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 VII. Regionale Umverteilung, Aufschlüsselung der Bundesmittel nach dem Landesanteil am Bundessteueraufkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Methode am Beispielsjahr 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Ergebnisse von 1991 bis 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3. Vergleich mit Berechnungen der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4. Pro-Kopf-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 5. Relative Umverteilungswirkungen zum Bruttoinlandsprodukt . . . . . . . . . . . . . 288 VIII. Vergleich der Umverteilungswirkungen mit dem System des horizontalen Finanzausgleichs in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Kapitel 9 Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
293
A. Ursprüngliche Vorschläge des MacDougall-Berichts von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 B. Grundüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 C. Anspruchsberechtigte, Beitragssatz, Leistungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 D. Szenario-Rechnungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I. Methode der Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 II. Rechnerische Umverteilungswirkungen der EALV im Jahr 2000 . . . . . . . . . . . . . 301 III. Umverteilungswirkungen der EALV 1995 und 2000 im Vergleich . . . . . . . . . . . . 304 IV. Vergleich von Strukturpolitik und europäischer Arbeitslosenversicherung . . . . 307 V. Stabilisierungswirkungen der europäischen Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . 309 E. Wichtige Gestaltungsmerkmale einer europäischen Arbeitslosenversicherung . . . . . . 311 Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung . . . .
314
Inhaltsverzeichnis
15
Anhang 1: Berechnung der regionalen Beitragseinnahmen der BA über die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Methode II), 1993 – 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
322
Anhang 2: Berechnung der regionalen Beitragseinnahmen der BA über die Bruttolohn und -gehaltssumme (Methode III), 1991 – 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
Anhang 3: Berechnung des regionalen Nettosaldos der Einnahmen und Ausgaben der BA, 1991 – 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
Anhang 4: Berechnung der Bezugsgröße für den Beitragssatz und des Bedarfs an Versicherungsleistung der EALV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
Rechtsquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
391
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
393
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Politische und ökonomische Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Abbildung 2:
Präferenzverfehlungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
Abbildung 3:
Regionale Externalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Abbildung 4:
Steigende Skalenerträge bei der Produktion eines öffentlich bereitgestellten Gutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Abbildung 5:
Erosion der Quellensteuer im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
Abbildung 6:
Beschränkungen des Systemwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Abbildung 7:
Zentralisierung vs. Dezentralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
Abbildung 8:
Erweitertes IS-LM-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
Abbildung 9:
CR5-Ratio der Industriespezialisierung 1988 und 1998 . . . . . . . . . . . . . . .
175
Abbildung 10: Vorteilhaftigkeit monetärer Unabhängigkeit vs. gemeinsamer Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
Abbildung 11: Krugmans „specialization hypothesis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
Abbildung 12: Endogenität der OWR-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
Abbildung 13: Entwicklung der finanziellen Ausstattung der Strukturfonds 1980 – 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206
Abbildung 14: Anteil der Strukturfonds am gemeinschaftsweiten BIP 1980 – 2001 . . .
206
Abbildung 15: Theoretische Effekte einer Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .
243
Abbildung 16: Grundprinzipien der sozialen Systeme bei Arbeitslosigkeit in den 15 EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
Abbildung 17: Anwendungsbereich der sozialen Systeme bei Arbeitslosigkeit in den 15 EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251
Abbildung 18: Grundbedingungen, Anwartschaftszeit und Karenzfrist der Arbeitslosenversicherung in den 15 EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254
Abbildung 19: Leistungen und Leistungsdauer der Arbeitslosenversicherung in den 15 EU-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
Abbildungsverzeichnis
17
Abbildung 20: Finanzierung der Arbeitslosenversicherung in den 15 EU-Staaten . . . .
262
Abbildung 21: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA Jan. – Okt. 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
Abbildung 22: Vergleich des prozentualen Anteils an der Nettoposition durch eine EALV und die Bisherigen EU-Politiken für das Jahr 2000 . . . . . . . . . . . .
308
2 Deinzer
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Reihenfolge der EU-Mitgliedstaaten nach den „Optimum-Currency-Area Indicators“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
Tabelle 2:
Spezialisierungsindikatoren für die EU 1988 – 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
Tabelle 3:
Empirische Ergebnisse zur interregionalen Umverteilung und regionalen Stabilisierung in ausgewählten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
Tabelle 4:
Finanzielle Vorausschau 2000 – 2006 nach der Agenda 2000 . . . . . . . . . . . . .
203
Tabelle 5:
Kopenhagener Beschlüsse zu den maximalen erweiterungsbedingten Zahlungsverpflichtungen der EU in Mio. A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204
Entwicklung des Haushaltsdefizits und des Schuldenstandes in den Eurostaaten 1999 – 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217
Entwicklung der Arbeitslosenquoten (standardisiert) in der EU von 1992 – 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233
Tabelle 8:
Produktivitäts- und Arbeitskostenentwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . .
235
Tabelle 9:
Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA Jan. – Okt. 1997
266
Tabelle 10: Rechnerische Beitragseinnahmen der BA 1999, Methode I . . . . . . . . . . . . . . .
270
Tabelle 11: Rechnerische Beitragseinnahmen der BA 1999, Methode II . . . . . . . . . . . . . .
272
Tabelle 12: Gegenüberstellung der berechneten Beitragseinnahmensanteile 1999 nach Methode I und II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
Tabelle 13: Rechnerische Beitragseinnahmen der BA 1999, Methode III . . . . . . . . . . . . .
275
Tabelle 14: Gegenüberstellung der berechneten Beitragseinnahmensanteile 1999 nach Methode II und III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
Tabelle 15: Abweichungen der berechneten Beitragseinnahmensanteile 1993 – 1999 nach Methode II und III in Prozentpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
Tabelle 16: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA 1999, Bundesmittel nach dem Beschäftigtenanteil aufgeteilt, in Mio. DM . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
Tabelle 17: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA 1999, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM . . . . . . . . . . . . . . . . .
282
Tabelle 6:
Tabelle 7:
Tabellenverzeichnis
19
Tabelle 18: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA 1991 – 2001, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. A . . . . . . . . .
284
Tabelle 19: Pro Kopf-Umverteilung 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
Tabelle 20: Relative Umverteilung pro BIP 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
Tabelle 21: „Offizieller“ vs. „heimlicher“ Finanzausgleich in der BRD 2000 . . . . . . . . .
292
Tabelle 22: Simulation einer EG-Beteiligung an der Finanzierung der Arbeitslosenfinanzierung für 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294
Tabelle 23: EALV 2000 bei 30 %iger Leistungshöhe, in Mio. A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
Tabelle 24: Pro-Kopf-Salden einer EALV bei 30 %iger Leistungshöhe 2000 . . . . . . . . .
303
Tabelle 25: Verteilungswirkung einer EALV bei 30 %iger Leistungshöhe 1995 in Mio. A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304
Tabelle 26: Arbeitslosenquoten und Pro-Kopf-Saldo der Versicherten bei 30 %iger Leistungshöhe 1995 und 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306
Tabelle 27: Pro-Kopf-Salden und Veränderung der Abweichung der ALQ vom Durchschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310
2*
Abkürzungsverzeichnis ACU
Artificial Currency Units
ALQ
Arbeitslosenquote
ANBA
Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit
Arcru
Arabian Currency-Related Unit
BA
Bundesanstalt für Arbeit
DIW
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
EALV
Europäische Arbeitslosenversicherung
EGV a. F.
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (Maastrichter Fassung)
EGV (n. F.)
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 26. Februar 2001 (Nizza-Fassung)
Eurco
European Composite Unit
EUV a. F.
Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (Maastrichter Fassung)
EUV (n. F.)
Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 2001 (Nizza Fassung)
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957
EWU
Europäische Währungsunion
EZB
Europäische Zentralbank
IAO
Internationale Arbeitsorganisation
ILO
International Labour Organization
IMF
International Monetary Found
LIFO
last in first out
NAIRU
non-accelerating inflation rate of unemployment
OWR
Optimaler Währungsraum
SDR
Special Drawing Right des IMF
SGB
Sozial-Gesetzbuch
SMP
Single Market Programme
VdAK
Verband der Angestelltenkrankenkassen e. V.
WWU
Wirtschafts- und Währungsunion
Problemstellung und Aufbau der Arbeit Otmar Issing, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, brachte es in seinem Vortrag: „Der EURO – eine stabile Währung für Europa“, den er am 28. Mai 2003 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg hielt1, auf den Punkt: „Die Europäische Union sucht zu der supranationalen Geldverfassung noch die passende Ergänzung im politischen Bereich.“ Der Vertrag von Maastricht, der am 01. November 1993 in Kraft trat, habe zwar die Vergemeinschaftung der Währung gebracht, das vom damaligen Bundeskanzler Kohl damit verbundene Junktim der Politischen Union wurde aber nicht erfüllt, die Fortschritte im politischen und sozialen Bereich waren marginal.2 Issing, der sich selbst als einen „Strukturalist“ bezeichnet, glaubte an die Notwendigkeit der Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten einer Währungsunion, die am Ende eines wirtschaftlichen Integrationsprozesses stehen sollte, man spricht von der sog. „Krönungstheorie“.3 Dagegen forderten die „Monetaristen“ eine schnelle Fixierung der Wechselkurse, um dadurch wirtschaftliche Konvergenz zu erzwingen. Der Vertrag von Maastricht folgte eher der Linie der Monetaristen, wobei durch die „Eintrittshürde“ Konvergenzkriterien auch der Sichtweise der Strukturalisten entgegengekommen worden war. Zusätzlich wurde 1997 noch der Stabilitäts- und Wachstumspakt, beruhend auf einer Entschließung des Europäischen Rates und zwei Verordnungen, ins Leben gerufen, der ergänzend zum langwierigen Haushaltsüberwachungsverfahren des Maastrichter Vertrages Vereinfachung und Verkürzung und besonders Vermeidung von haushaltswirtschaftlichen Schieflagen der einzelnen Mitgliedstaaten durch einen Frühwarnmechanismus bringen sollte. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik blieb aber ansonsten weiterhin in den Händen der einzelnen Mitgliedstaaten. Genau hier liegt nun der Ansatzpunkt dieser Arbeit: Reicht die Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion aus, um einen dauerhaften Bestand der Währungsunion zu gewährleisten? Und weiter: Welche Nachteile bringt diese Konstruktion für einzelne Mitgliedstaaten und müssen diese nicht durch ergänzende gemeinschaftliche Politiken ausgeglichen werden? 1 Vgl. WiSo-Dekanat: Otmar Issing, Direktoriumsmitglied der EZB, spricht an der WiSo in Nürnberg, 2003. 2 „Der Bundeskanzler ist nach Maastricht gereist, um eine Politische Union Europas zu vereinbaren, die eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion integriert. Zurückgekehrt ist er mit einem Vertragstorso.“ Hankel, Wilhelm / Nölling, Wilhelm / Schachtschneider, Karl Albrecht / Starbatty, Joachim: Verfassungsbeschwerde, 1998, S. 284. 3 Zur Debatte zwischen „Monetaristen“ und „Strukturalisten“ vgl. Harbrecht, Wolfgang: Wege zur Errichtung einer Europäischen Zentralbank, 1989, S. 164 – 165.
22
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
Denn eines wird durch Dominanz der Geldpolitik im Vertrag über die Europäische Union bis hin zum Nizza-Vertrag zwingend: Der Vorrang des Ziels der Preisniveaustabilität vor den anderen Zielen der Wirtschaftspolitik, die etwa das deutsche Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in § 1 nennt: hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges, angemessenes Wirtschaftswachstum.4 Der Vorrang der Preisniveaustabilität durch eine genauere Betrachtung der europäischen Geldverfassung nach Maastricht ergibt sich zwangsläufig. Die europäische Geldverfassung ist aus rechtlicher Sicht „deutscher“ als es die deutsche je war. Sie garantiert in den Verträgen (nicht in einem einfachen Gesetz) die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, die nur durch einstimmige Vertragsänderung wieder aufgehoben werden könnte. Zudem bestimmt Art. 105 I S. 1 EGV: Das vorrangige Ziel des ESZB ist es Preisniveaustabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles Preisniveaustabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen.
Die Bundesbank sollte dagegen nach § 3 BBkG die Währung sichern und musste nach § 12 S. 1 BBkG „( . . . ) unter Wahrung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik ( . . . ) unterstützen“. Die alleinige Orientierung am Ziel der Preisniveaustabilität erfolgte bei der Bundesbank laut Issing aus der Überzeugung heraus, dass ein staatliches Organ nur ein Ziel effizient verfolgen kann, sowie aus dem Bewusstsein der Unabhängigkeit der Zentralbänker. Während dies aber in der Bundesrepublik nur durch ein einfaches Gesetz bzw. durch die Interpretation der Bundesbank geschah, hat dies in Europa Verfassungsrang.5 Das Stabilitätsverständnis der EZB kann im engeren Sinne sowohl vom Vertragstext, als auch vom Selbstverständnis ihrer Organe nur mit Preisniveaustabilität identifiziert werden. Daneben betonte Issing auch, dass dies eine Voraussetzung für inflationsfreies Wachstum und Beschäftigung darstellt. Allerdings besaß die Bundesrepublik Deutschland neben der Bundesbank, welche die Geldwertstabilität sicherte, zusätzlich viele Mechanismen, die für eine An4 Eine exakte Analyse des Stabilitätsprinzips als Ausdruck des Sozialprinzips für die Bundesrepublik Deutschland und dessen Auslegung mit dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht als Bestimmungsgröße gibt Hänsch, Hans-Martin: Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip – Die gesamtwirtschaftliche Stabilität der deutschen Wirtschaftsverfassung und die Europäische Währungsunion, 2002, S. 92 – 204. Danach arbeitet er die Dominanz der Preisstabilität in der Europäischen Wirtschaftsverfassung heraus, vgl. S. 293 – 296. 5 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Chancen und Risiken der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion für die Geldwertstabilität, 1995, S. 71 – 72, der hier die Grundelemente der europäischen und deutschen Geldverfassung vergleicht: So ist es der EZB nach Art. 101 EGV I (Art. 104 I EGV a. F.) völlig untersagt, dem Staat oder öffentlichen Unternehmen Kredite zu gewähren, während die Bundesbank bis zu einer gewissen Grenze Kassenkredite vergeben durfte; zusätzlich hat die EZB etwas mehr Einfluss auf die Wechselkurspolitik als dies die Bundesbank hatte.
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
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gleichung der Lebensverhältnisse sorgen konnte, u. a. das System des Finanzausgleichs. Dieser ist aber durch Art. 103 I EGV (Art. 104b I EGV a. F.) innerhalb der Gemeinschaft völlig verboten. Er untersagt der Gemeinschaft ein Einspringen für Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder Unternehmen. Dies gilt auch für Mitgliedstaaten untereinander. Diese sogenannte „no bail-out-Klausel“ und das Fehlen einer gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialpolitik einerseits und einer unabhängigen, gemeinsamen Geldpolitik andererseits impliziert geradezu eine Prioritätenverschiebung im Zielsystem der Wirtschaftsverfassung der EU hin zur Preisstabilität. Können aber die Mitgliedstaaten in diesem verschobenen Zielsystem die Ziele Wirtschaftswachstum und Beschäftigung genauso gut verfolgen wie vor der WWU? Oder muss diese um weitere Komponenten ergänzt werden, die eine komplementäre und gleichrangige Gewährleistung aller Ziele der gesamtwirtschaftlichen Stabilität gewährleisten? Die vier Eurokläger sehen jedenfalls im Fehlen eines abgestimmten Finanzausgleichssystems „( . . . ) die eigentliche Archillesferse des gemeinsamen Währungsraumes ( . . . )“6, eine Konzentration alleinig auf das Ziel der Preisniveaustabilität widerspricht dem Sozialprinzip, welches dem Staat eine Politik des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, insbesondere einer hohen Beschäftigung, eines stetigen Wachstums und außenwirtschaftlichen Gleichgewichts gebietet. Diese müssen als Einheit verwirklicht werden, um dem Sozialprinzip zu genügen.7 Und wie ernst ist es der Europäischen Union mit „( . . . ) dem Bestreben, ihre Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern“8 oder der Aufgabe der Union, „( . . . ) die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie ihren Völkern kohärent und solidarisch zu gestalten“9? In der Diskussion um die Konvergenzkriterien hat bezeichnenderweise, neben Kriterien wie Inflationsraten und Staatsverschuldung, eine Erweiterung der Kriterien, etwa um die Höhe der Arbeitslosigkeit oder andere „soziale Konvergenzkriterien“10, kaum eine Rolle gespielt, auch nicht bei der späteren Diskussion um einen flankierenden „Stabilitätspakt“ auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion. Sind aber nicht zusätzliche Ausgleichsmechanismen erforderlich, da den Mitgliedstaaten immer weniger Handlungsspielraum bleibt, weil ja gerade die Rege6 Hankel, Wilhelm / Nölling, Wilhelm / Schachtschneider, Karl Albrecht / Starbatty, Joachim: Verfassungsbeschwerde, 1998, S. 166. 7 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Euro – der Rechtsbruch, 2001, S. 29 – 30. 8 Präambel des EGV. 9 Art. 1 EUV. 10 Schulte, Bernd: Europäische Sozialpolitik, 1998, S. 99.
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lungen zur Währungsunion sie beschränken? Damit wäre aber ein gewisser Ausgleich auf europäischer Ebene impliziert und somit auch mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang. Steht die Wirtschafts- und Währungsunion mit ihrer Konstruktion ohne die politische bzw. soziale Union auf tönernen Füßen? Lässt sich die gemeinsame Währung auf Dauer ohne weitere Ausgleichsmechanismen erfolgreich weiterführen? Die Logik von Maastricht und Amsterdam setzt auf Konvergenz der Teilnehmerstaaten und auf durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt gewährleistete Haushaltsdisziplin. In Boomjahren sollen die Haushalte der Mitgliedstaaten ausgeglichen sein bzw. sogar leichte Überschüsse aufweisen, damit, wenn einzelne Länder von Schocks getroffen werden, ein Spielraum bis 3 % des Bruttoinlandsprodukts besteht, um antizyklische Fiskalpolitik betreiben zu können. Doch zeigt nicht die erste Konjunkturkrise seit Bestehen der Wirtschafts- und Währungsunion, dass diese Konstruktion dann nicht ausreicht, wenn es bestimmte Mitgliedstaaten versäumt haben, ihre Defizite in Jahren moderaten Wachstums abzubauen? Nachdem die Kommission am 24. September 2002 ein förmliches Verfahren nach Art. 104 EUV gegen Portugal11 und am 19. November 2002 gegen die Bundesrepublik12 eröffnete, wurde nun am 02. April 2003 auch gegen Frankreich13 das Verfahren eröffnet, die entsprechende Entschließung des Rates erfolgte am 03. Juni 2003. Doch will sich Frankreich nicht wie die Bundesrepublik dazu verpflichten, in diesem Jahr sein strukturelles Defizit um 0,5 % zu senken, sondern nur um maximal 0,3 %. Die Mehrheit der EU-Staaten hat dem zugestimmt, doch kam es zu einem Eklat, da der niederländische und der dänische Finanzminister erstmals im Rat der Finanzminister (Ecofin) eine Kampfabstimmung über den Inhalt eines Strafverfahrens beantragten und ihre Empörung über die laxe französische Haushaltspolitik und die zu großzügige Behandlung Frankreichs zu Protokoll gaben.14 Auch in der Bundesrepublik werden angesichts der Wirtschaftslage immer öfter Zweifel geäußert, ob ein Einhalten des 3 %-Kriteriums, wie es das Strafverfahren der EU von Deutschland fordert, nicht noch tiefer in die Wirtschaftskrise führt. In seiner Aufsehen erregenden Studie über Deflationsgefahren in der Weltwirtschaft, in der der IWF konkrete Gefahren einer Deflation für die Bundesrepublik sieht, nennt er aus neutraler Warte das Problem beim Namen:
11 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ongoing procedures under article 104 of the Treaty (Excessive Deficit Procedure): Portugal, 2002. 12 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ongoing procedures under article 104 of the Treaty (Excessive Deficit Procedure): Germany, 2002. 13 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ongoing procedures under article 104 of the Treaty (Excessive Deficit Procedure): France, 2003. 14 Vgl. Berschens, Ruth: Pariser Haushalt spaltet Europäische Union, 2003, S. 5.
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Unlike in other economies, the room for policy maneuver is constrained, if not absent altogether. Fiscal policy is set to become restrictive (cutting the cyclically adjusted deficit by 3/4 percent of GDP this year) – in support of Germany’s commitments under the Maastricht Treaty. While monetary conditions have tightened given the euro appreciation, monetary policy may not ease significantly because of greater price pressures in Germany’s euro-area partners.15
Wie glaubhaft ist aber eine Währung, wenn die Staats- und Regierungschefs den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der durch seine strengen Regeln ja gerade Vertrauen in die Währung geben will, bei der ersten Bewährungsprobe in Frage stellen? Hilft es der Weiterentwicklung der Europäischen Union und der Vermittlung der europäischen Idee, wenn Bundeskanzler Schröder in diesem Zusammenhang davon spricht, dass „europäische Verträge ( . . . ) so weit es geht eingehalten werden“ müssen?16 Was er damit meinte, wurde im Juni 2003 deutlich, als er verkündete, Deutschland brauche zur Konjunkturbelebung eine vorgezogene Steuerreform, die notfalls auch mit höheren Schulden finanziert werden muss. Italiens Europaminister Buttigliones klatscht dazu Beifall und bezeichnet den Stabilitätsund Wachstumspakt als „Heuchelei“, die EU-Staaten sollen sich von ihrem Sparkurs verabschieden und sich gemeinsam verschulden und Konjunkturprogramme finanzieren.17 Frankreichs Präsident Chirac sprach sich im Juli 2003 daraufhin für eine „vorübergehende Lockerung“ des Paktes aus18, erstmalig geht es nicht mehr um eine flexible Auslegung, sondern um eine befristete Aussetzung der Drei-ProzentRegel.19 Doch hier wird das Dilemma der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion überdeutlich: Sollen die Verträge exakt eingehalten werden, um die Glaubwürdigkeit in die Währung nicht zu gefährden, obwohl aus konjunkturpolitischer Sicht eine weitere Reduktion v. a. der investiven Staatsausgaben im Augenblick z. B. für die Bundesrepublik schädlich wäre? Neben der Möglichkeit einer antizyklischen Fiskalpolitik durch den Stabilitätsund Wachtumspakt sind Deutschland aber auch die Möglichkeiten einer expansiveren Geldpolitik genommen, da diese von der EZB durchgeführt wird, welche die Durchschnittsinflationsrate im gesamten Euro-Raum im Auge haben muss. Zusätzlich ist es ein Konstruktionselement einer Währungsunion, dass ein Mitgliedsland seine Währung nicht abwerten kann, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. 15 Rogoff, Kenneth: Deflation: Determinants, Risks, and Policy Options – Findings of an Interdepartmental Task Force, 2003, S. 27 – 28. 16 Deutsche Presse Agentur (dpa): Schröder will Stabilitätspakt flexibilisieren. 17 Vgl. Hagelüken, Alexander: Das Ende des Stabilitätspakts, 2003, S. 4. 18 Vgl. Hagelüken, Alexander / Schäfer, Ulrich: Chirac will Stabilitätspakt aufweichen, 2003, S. 17. 19 Vgl. Piper, Nikolaus: Der lädierte Pakt, 2003, S. 4.
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Diese Probleme erfordern eine genauere Analyse und im Anschluss daran Lösungsmöglichkeiten, um die Tragfähigkeit der gemeinsamen Währung gegebenenfalls zu verbessern. Die zu überprüfende These wird sein, ob eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für die Europäische Union als Bestandteil einer Sozialunion nicht einen zusätzlich notwen- digen Ausgleichsmechanismus zu dem jetzigen System der zentralen Geldpolitik und zu den über den Stabilitäts- und Wachstumspakt koordinierten Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten darstellt und wie diese ausgestaltet werden sollte. Dazu muss in einem ersten Teil untersucht werden, welche Fortschritte die EU auf dem Wege zu einer Sozialunion bereits erzielt hat und ob dies unter den Gesichtspunkten der Föderalismustheorie und des Systemwettbewerbs überhaupt sinnvoll und notwendig – und nicht etwa schädlich – für die Union ist. Die Vorgehensweise ist dabei folgende: Im ersten Kapitel wird ausgehend vom EWGV die Wirtschaftsverfassung der EU analysiert, wobei v. a. die Entwicklung der Sozial-, Beschäftigungs- und Kohäsionsordnungen und -politiken bis heute einer näheren Analyse unterzogen werden sollen. Danach kann eine Bewertung der sozialen Elemente in der Wirtschaftsverfassung der EU erfolgen. Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen der Föderalismustheorie und des Systemwettbewerbs zu legen sein, damit dann in einem dritten Kapitel abgewogen werden kann, ob eine koordinierte europäischen Sozialpolitik zu rechtfertigen ist. Im zweiten Teil soll gezeigt werden, dass die aktuelle Konstruktion der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion deutliche Schwachstellen aufweist und diese nicht genügend durch Anpassungsmechanismen abgemildert werden können. Kapitel vier legt dazu die theoretischen Grundlagen der Optimalen Währungsräume und unterzieht die WWU einer genauen Analyse nach den dort gefundenen Kriterien. Weiter soll in Kapitel fünf in einer historischen Analyse identifiziert werden, wann die Ideen einer stabilisierenden europäischen Fiskalföderation aus den Vorstellungen der Kommission verschwanden, was zu der jetzigen Konstruktion der WWU – ohne politische oder soziale Union – führte. Kapitel sechs soll die Notwendigkeit eines fiskalischen Föderalismuses in der EU aufzeigen und dabei die bisherigen Kohäsionserfolge kritisch beleuchten; Kapiel sieben wird dies für die Stabilisierungsfunktion übernehmen und dabei die Mängel des aktuellen Konstruktes „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ vorführen. Nachdem der zweite Teil die Notwendigkeit eines Transfermechanismuses als Ausgleichsmechanismus für die WWU verdeutlicht haben sollte, wird im dritten Teil eine europäische Arbeitslosenversicherung als ein möglicher Mechanismus vorgeschlagen. Kapitel acht muss dabei die theoretischen Grundlagen über die Formen der Arbeitslosigkeit und das System einer Arbeitslosenversicherung legen. Dabei sollen zunächst in einem empirischen Teil die regionalen Stabilisierungsund Umverteilungswirkungen des bundesdeutschen Systems der Arbeitslosenversicherung untersucht werden. Im neunten Kapitel kann dann die Ausgestaltung
Problemstellung und Aufbau der Arbeit
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einer europäischen Arbeitslosenversicherung dargestellt und ihre Auswirkungen empirisch gezeigt werden. Zum Abschluss werden dann die Argumente für die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung – als Pfeiler einer Europäischen Sozialunion – systematisch zusammengeführt.
Erster Teil
Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion? Die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung wäre ein großer Schritt in Richtung einer Europäischen Sozialunion. Deshalb muss der erste Teil versuchen, die Frage, die Harbrecht 1996 gestellt hat – „Wie sozial ist die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union?“20 – zu beantworten. Besteht etwa bereits eine „Europäische Sozialunion“, wie der Titel der oft zitierten Arbeit von Ringler21 nahe legt? Um dies zu ergründen, sollen die Prinzipien der Wirtschaftsverfassung der EG seit ihrer Gründung untersucht werden und dann v. a. in einer historischen Analyse die Entwicklung der Sozial- und Beschäftigungspolitiken der Gemeinschaft erforscht werden. Da sie aber nach dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 EGV) nur tätig wird, wenn die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können, muss in Kapitel 2 untersucht werden, welche staatliche Ebene für sozialpolitische Aufgaben zuständig ist. Dazu werden auch die Aussagen der Systemwettbewerbstheoretiker dargestellt und ihre Aussagen bezüglich einer europäischen Sozialpolitik in Kapitel 3 hinterfragt.
Kapitel 1
Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union: Eine soziale Marktwirtschaft? Wie im Folgenden gezeigt wird, reicht es nicht aus, den Begriff der Wirtschaftsverfassung nur positiv-formal zu definieren, um Entwicklungstendenzen im Bereich der Sozial-, Beschäftigungs- und Strukturpolitik aufzuzeigen. Vielmehr muss eine idealtypische, überpositive Sichtweise bemüht werden, um zuerst die Systementscheidung zu verdeutlichen und daraufhin nach den Funktionsgarantien dieser Entscheidung zu fragen. Diese sorgen dann dafür, dass die Gemeinschaftsorgane, 20 Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration: Wie sozial ist die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union?, 1996. 21 Ringler, Jochen: Die europäische Sozialunion, 1997.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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Mitgliedstaaten und Individuen über rechtliche Normen an die getroffene Systementscheidung gebunden bleiben. Dazu muss sowohl die Weiterentwicklung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts verfolgt werden, als auch die Art der Umsetzung dieser Wirtschaftsverfassung i. e. S. und es müssen die Ziele, Grundsätze und konkreten Leitlinien der Wirtschaftspolitik untersucht werden.22
A. Zur Theorie der Wirtschaftsverfassung Während die rein positiv-faktische Sicht des Begriffs Wirtschaftsverfassung nur nach dem wirtschaftlichen Zustand der zu betrachtenden Einheit fragt, will man mit dem normativen Aspekt der Wirtschaftsverfassung das Recht der Wirtschaftsordnung beschreiben, welches die Bedingungen über die Verfügung der knappen Ressourcen einer Volkswirtschaft festlegt.23 Wie weit man aber zur Identifikation der Wirtschaftsverfassung in das rechtliche Normensystem eindringen sollte, ist umstritten. So verlangt ein großer Teil der Staatsrechtslehre nach „Normen von grundlegendem oder gar (staats-)verfassungsrechtlichem Rang“24 und spricht dann von „Wirtschaftsverfassung im engeren Sinn“ oder fordert zumindest „die Gesamtheit der rechtlichen Normen, welche die Wirtschaftsordnung zum Gegenstand haben“25, was dann einer „Wirtschaftsverfassung im weiteren Sinn“ entspräche. Diese von der positiv-staatsrechtlichen Konzeption implizierte Trennung zwischen verfassungsrechtlichen und sonstigen Gestaltungselementen einer Wirtschaftsordnung wird von ordoliberaler Seite abgelehnt. Vielmehr muss unter Wirtschaftsverfassung die politische Gesamtentscheidung über die Ordnung des Wirtschaftslebens verstanden werden. Diese idealtypische Sichtweise fragt also nach einer Systementscheidung und nicht nach einer bloßen Zusammenschau einzelner Normen.26 So sind für Eucken die Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems, die Öffnung der Märkte und sogar das Gesellschaftsrecht von wirtschaftsverfassungsrechtlicher Relevanz.27 Die Theorie der Wirtschaftsverfassung beschränkt sich aber keineswegs darauf, die Systemzusammenhänge zwischen Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung darzustellen, sondern sie will auch dazu beitragen, das Spannungsverhältnis zwischen Staat und Wirtschaft, überspitzt formuliert zwischen Umverteilung und Effizienz, rechtlich festzulegen. Damit gemeint ist das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und 22 Die Vorgehensweise ist angelehnt an: Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 51 ff. 23 Vgl. Basedow, Jürgen: Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 6. 24 Scherer, Josef: Die Wirtschaftsverfassung der EWG, 1970, S. 43. 25 Ebd. 26 Vgl. Basedow, 1992, S. 7 – 8. 27 Vgl. Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 1968, S. 254, S. 267, S. 282.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
somit die Bindung von Macht an Recht.28 Grundlage dieses Denkens ist die Einsicht, dass die Eigengesetzlichkeit des Ökonomischen nur in einem Rechtszustand verwirklicht werden kann, welcher der Wirtschaft keinen unbegrenzten Spielraum lässt (laissez-faire), sie aber auch nicht dem Staat ausliefert. Somit fordert sie ein System dezentraler Wirtschaftsplanung mit Privatautonomie ihrer Individuen, Vertragsfreiheit, und einer Eigentumsordnung, also eine Privatrechtsordnung. Dabei muss die wirtschaftliche Macht in dieser Privatrechtsgesellschaft an das Recht gebunden sein, was in einer Marktwirtschaft eine funktionsfähige Wettbewerbsordnung leisten muss. Die Theorie der Wirtschaftsverfassung fordert also sowohl eine staatliche Beschränkung gegenüber der Wirtschaft als auch die Errichtung eines Wettbewerbssystems, welches die Wirtschaft vor privaten Eingriffen schützt.29
B. Die Prinzipien der Wirtschaftsverfassung der EU Im Folgenden soll nicht eine reine Status-quo-Analyse der Wirtschaftsverfassung der EU gegeben werden, sondern ausgehend von der ursprünglichen Wirtschaftsverfassung des EWG-Vertrages deren wichtigsten Fortentwicklungen aufgezeigt werden. Wird das Ergebnis der Systementscheidung „Soziale Marktwirtschaft“ lauten, wird dann kurz auf die Funktionsgarantien dieser Entscheidung zur Marktwirtschaft eingegangen werden, um danach ausführlich die Entwicklung der für diese Arbeit spezifisch relevanten sozialen und kohäsionspolitischen Elemente zu verfolgen, was in einem historischen 5-Phasen-Prozess geschehen wird.
I. Die Systementscheidung Der Meinungsstand über die getroffene Systementscheidung des EWG-Vertrages ist uneinheitlich. Während eine kleine Gruppe meist französischer Autoren eine aus marktwirtschaftlichen und dirigistischen Elementen gemischte Wirtschaftsordnung sieht, glauben andere eine marktwirtschaftliche Ordnung zu identifizieren. Eine dritte Gruppe hingegen lehnt die Frage nach einer eindeutigen Systementscheidung ab und sieht die Wirtschaftsverfassung der EG als eine offene an, in dem Sinne, dass innerhalb gewisser Grenzen die Entscheidung über das Wirtschaftssystem politisch gefällt werden kann.30 28 Vgl. ausführlich zum Rechtsstaatsprinzip der Republik Schachtschneider, Karl Albrecht: Prinzipien des Rechtsstaates, 2003, speziell zur Bindung der Organe an das Recht: S. 287 – 290. 29 Vgl. Behrens, Peter: Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaft, 1994, S. 74 – 78. 30 Vgl. Scherer, Josef: Die Wirtschaftsverfassung der EWG, 1970, S. 199 – 200. Dabei sieht Scherer, der selbst Anhänger der negativen Abgrenzung der Wirtschaftsverfassung ist,
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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Der These von einer gemischten Wirtschaftsverfassung kann man sich nicht anschließen, solange sie nicht deutlich macht, dass die Marktwirtschaft dabei als Regel und die Lenkungsmaßnahmen als Ausnahme verstanden werden.31 Die Eingriffsbefugnisse der Gemeinschaft waren nämlich stark begrenzt: Sie sind nur für einige Bereiche, wie die Landwirtschaft (Art. 3 lit. d) EWGV), den Verkehr (Art. 3 lit. e) EWGV), die Handelspolitik (Art. 110 – 116 EWGV) den Arbeitsmarkt über die Schaffung europäischer Sozialfonds (Art 3 lit. i) EWGV) sowie die Beziehungen zu den ehemaligen Kolonialgebieten (Art. 3 lit. k) EWGV) vorgesehen. Zur generellen Marktsteuerung wäre höchstens die Europäische Investitionsbank (Art. 3 lit. j) EWGV) geeignet, doch verbleibt die Wirtschaftspolitik auf nationaler Ebene und es wird nur eine Koordination angestrebt (Art. 3 lit. g und Art. 6 EWGV). Weitere Eingriffsbefugnisse sind auf besondere konjunkturelle Situationen beschränkt (Art. 103 EWGV) und alle Mitgliedstaaten sind bei ihrer Wirtschaftspolitik an die Wettbewerbsvorschriften des Gemeinschaftsrechts gebunden.32 Wer sich der neutralen Sichtweise der EWG-Wirtschaftsverfassung anschließt, verschließt seine Augen vor dem inneren Sinn der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrem programmatischen Charakter.33 Bereits die Präambel des Vertrages nennt als Ziel den engeren Zusammenschluss der Völker und die stetige Verbesserung der Lebens- und Beschäftigungsverhältnisse. Diese Ziele werden von Artikel 2 EWGV wieder aufgenommen, und als Instrument zur Zielerreichung soll gerade die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten dienen. Damit wurde auf oberster Ebene der Zielhierarchie ein Bekenntnis zu marktwirtschaftlicher Organisation abgegeben, welche Artikel 3 EWGV noch konkretisierte: Aufbau einer Zollunion und Abbau der mengenmäßigen Beschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 3 lit. a) u. b)), die Gewährleistung der Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalfreizügigkeit (Art. 3 lit. c) EWGV) und die Errichtung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs (Art. 3 lit. f) EWGV). Der Vertrag von Maastricht (vgl. Kap. 1, D. III.) formulierte in Art. 3a noch präziser dass er: „( . . . ) dem Binnenmarkt ( . . . ) und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“ (Art. 4 I EGV n. F.). die Grenzen zwischen den auszuschließenden Extremformen der reinen Marktwirtschaft nach dem „laissez-faire-Prinzip“ und der Zentralverwaltungswirtschaft (S. 201). 31 So etwa Oppermann, der von einer gemischten Wirtschaftsordnung spricht, die aber „letztlich auf marktwirtschaftlichen Grundlagen“ beruhe. Vgl. Oppermann, Thomas: Europäische Wirtschaftsverfassung nach der Einheitlichen Europäischen Akte, 1987, S. 61. Günther machte schon früh deutlich, dass mit dem EWG-Vertrag „eine Ordnung mit so viel Wettbewerb wie möglich und nur so viel Planinterventionismus wie nötig“ geschaffen wurde. Vgl. Günther, Eberhard: Die ordnungspolitischen Grundlagen des EWG-Vertrages, 1963, S. 201. 32 von der Groeben betont den Grundsatz des marktwirtschaftlichen Systems und den Ausnahmecharakter der interventionistischen Eingriffe. Vgl. Zur Wirtschaftsordnung der Europäischen Gemeinschaft, 1981, S. 12 – 13; 18. 33 Vgl. Groeben, Hans von der: Probleme einer europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 100 und Streinz, Rudolf: Europarecht, 2001, S. 330.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Die Überprüfung der Funktionsgarantien der gerade identifizierten marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung dient zum Beleg, dass diese Einschätzung auch richtig war und das Prinzip auch rechtlich verbindlich ist.
II. Die Funktionsgarantien 1. Rechtsstaatlichkeit Das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft ist nach Müller-Armack, „( . . . ) das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden“34. Voraussetzung für das Funktionieren einer Marktwirtschaft ist neben Vertragsfreiheit in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten, Eigentum an Konsumgütern und Produktionsmitteln von Privaten und die Freiheit der Individuen, im Sinne von freier Entscheidungsmöglichkeit, freier Entfaltung und Verantwortung.35 Dies verlangt aber nach einer „Herrschaft der Gesetze“ statt einer Herrschaft der vollziehenden Gewalt zur Verwirklichung dieser Freiheit.36 „Die Freiheit der Menschen beginnt mit der Geltung aufgezeichneter Gesete des Staates, in dem er lebt. ( . . . ) Der Staat, in dem Freiheit durch Gesetze herrscht, heißt Rechtsstaat.“37 Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Art. 20 GG in Verbindung mit Art. 1 III, Art. 19 IV und Art. 28 I S. 1 GG ein Rechtsstaat. Da nach Art. 23 I S. 1 GG Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirkt, den demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderalen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist, muss die Europäische Union auch ein Rechtsstaat sein.38 Seit dem Vertrag von Amsterdam enthält der EUV in Art. 6 folgende Formulierung (verändert zu Art. F EUV a. F.): „Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.“ Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit wird durch viele Einzelregelungen formuliert39, eine tiefere Darlegung würde aber an dieser Stelle zu weit gehen. Strukturelle Voraussetzung und anerkannter Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ist die Gewaltenteilung, welche die verschiedenen Funktionen Rechtsetzung, Rechtsprechung und Verwaltung an voneinander unabhängige Organe delegiert, welche sich gegenseitig kontrollieren.40 Müller-Armack, Alfred: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik, 1976, S. 243. Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft, 1995, S. 142. 36 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Res publica res populi, 1994, S. 145 – 153; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, 2003, S. 92 – 121. 37 Jaspers, Karl: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, 1949, S. 202. 38 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Prinzipien des Rechtsstaates, 2003, S. 5. 39 Ebd. 40 Ebd., S. 185. 34 35
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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a) Gewaltenteilung Artikel 4 EWG-Vertrag nannte folgende vier Organe: die Versammlung (seit 30. März 1962 Europäisches Parlament), den Rat, die Kommission und den Gerichtshof. An dieser Stelle reicht es aus, auf das Zusammenwirken zwischen Gesetzgebung (Rat), Verwaltung (Kommission) und Rechtsprechung (Gerichtshof) hinzuweisen und die schwache Stellung des Parlaments kurz anzudeuten.41 Da die EU kein Staat im existentiellen Sinne verfasster Bürgerlichkeit, sondern ein Staatsverbund zur gemeinschaftlichen Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker ist42, muss die Gesetzgebung durch die verschiedenen nationalen Fachminister im Rat stattfinden. Eine Gesetzgebung durch das Parlament ist erst denkbar, wenn ein europäisches Parlament auch ein einheitliches europäisches Volk repräsentiert, welches dann in einem gemeinsamen Staat aufgeht.43 Eine Gewaltenteilung im klassischen Sinne kennt also die Gemeinschaft nicht, v. a. da die Organe der Legislative die Exekutive im einzelnen Mitgliedstaat darstellen.44 Der Gerichtshof hat aber die klassische Funktion und Institution der Rechtsprechung.45 b) Die Grundrechte „Ein Gemeinwesen, welches nicht durch seine Grundrechte die Menschenrechte als elementare Materialisierung des Rechts anerkennt ( . . . ), ist kein Rechtsstaat.“46 Um den Staat an das Recht zu binden, ist auch ein Schutz des Einzelnen durch Grundrechte vonnöten.47 Außerdem gehört zu dem Ordnungsrahmen, welcher ein marktwirtschaftliches Geschehen gestalten soll, die Gewährleistung von 41 Ausführlich zu den Organen der Gemeinschaft, auch in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung, findet sich bei Harbrecht, Wolfgang: Die Europäische Gemeinschaft, 1984, S. 67 – 132. Zu dem aktuellen Institutionengeflecht nach dem Vertrag von Nizza und vor den offiziellen Vorschlägen des Konvents, der nach dem Fragenkatalog von Laeken auch die Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der EU behandeln soll, vgl. Giering, Claus: Der Europäische Rat, 2002, S. 49 – 58; Maurer, Andreas: Das Europäische Parlament, 2002, S. 59 – 68; Hartwig, Ines: Der Rat der Europäischen Union, 2002, S. 69 – 76; Diedrichs, Udo: Die Europäische Kommission, 2002, S. 77 – 86; Magiera, Siegfried / Niedobitek, Matthias: Der Gerichtshof, 2002, S. 87 – 93; Selmayr, Martin: Die Europäische Zentralbank, 2002, S. 111 – 116. 42 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, 1995, S. 92 ff, BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.). 43 Für Schachtschneider ist das Europäische Parlament eine „bloße Versammlung aus Vertretern der Völker“, es wirkt lediglich an der Rechtsetzung der Gemeinschaft mit und stützt damit die demokratische Legitimation. In: Prinzipien des Rechtsstaates, 2003, S. 212. Vgl. BVerfGE 89, 155 (186). 44 Ebd., S. 60 – 75. 45 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht / Emmerich-Fritsche, Angelika, 2001, S. 249. 46 Schachtschneider, Karl Albrecht: Prinzipien des Rechtsstaates, 2003, S. 2. 47 Vgl. Petersmann, Ernst-Ulrich: Thesen zur Wirtschaftsverfassung der EG, 1993, S. 594.
3 Deinzer
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Handlungs- und Gestaltungsfreiheiten und die Gewährleistung des Eigentums, welche als wesentliche wirtschaftliche Grundrechte anzusehen sind.48 Soweit durch den EWG-Vertrag nicht bereits ausdrücklich grundrechtliche Positionen geschützt werden, wie etwa durch die Grundfreiheiten (vgl. Kap. 1, B. II. 2.), kam dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Artikel 164 EWGV die Aufgabe zu, „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung der Verträge“ zu sichern. Dabei ist nicht nur das positive Recht gemeint, sondern auch die dem EWG-Vertrag zu Grunde liegende immanente Ordnung von Frieden und Freiheit, welche die Präambel des Vertrages fordert.49 Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass ein gemeinschaftlicher Grundrechtsschutz nicht durch den Vergleich und die Aufrechnung nationaler Grundrechte gewährleistet werden kann, sondern durch eine eigene Grundrechtsordnung des Gemeinschaftsrechts.50 Eine wichtige Erkenntnisquelle für den Europäischen Gerichtshof ist dabei die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte, die der Europarat 1950 verabschiedete. Sie enthält aber keine unmittelbare Bindung der Gemeinschaft, da diese selbst nicht Mitglied der Konvention ist, allerdings jeder einzelne Mitgliedstaat.51 Der Europäische Gerichtshof entwickelte eine Rechtsprechung, die der Entwicklung der Grundrechte in der Gemeinschaft diente.52 Die weitere Entwicklung bis zur Proklamierung der bis dato rechtlich unverbindlichen aber politisch wichtigen Charta der Grundrechte für die Europäische Union im Dezember 2000 in Nizza wird in der Phase 5 der historischen Entwicklung der Sozialpolitik aufgezeigt (vgl. Kap. 1, D. V.). Artikel 6 II EUV (Art. F II EUV a. F.) formuliert wie folgt: Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.
48 Vgl. Groeben, Hans von der: Probleme einer europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 101. 49 Vgl. Streinz, Rudolf: Europarecht:, 2001, S. 206 und Oppermann, Thomas, 1999, S. 151. Ausführlich bei Emmerich-Fritsche, Angelika: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000, v. a. 3. Kapitel, S. 272 ff. 50 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 29 / 69, Urteil „Stauder“, Slg. 1969, S. 419. 51 Vgl. Nicolaysen, Gert: Europarecht I: Die Europäische Integrationsverfassung 2002, S. 124. 52 Einen detaillierten Überblick über die Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Grundrechte, die soziale Funktion der Grundrechte sowie deren objektive und subjektive Dimension gibt Emmerich-Fritsche. Darüber hinaus geht sie auf die einzelnen Urteile des EuGH zu den Grundrechten ein und erläutert deren Anerkennung im Gemeinschaftsrecht und deren Grenzen. Im Zusammenhang mit der Wirtschaftsverfassung der EU sind natürlich v. a. der Schutz des Eigentums, die Koalitionsfreiheit, die Meinungs- und Informationsfreiheit, und die Berufs-, Handels- und Wirtschaftsfreiheit von besonderer Bedeutung. Vgl. Die Grundrechte in der Gemeinschaft, 2001, S. 352 – 421.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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2. Die Grundfreiheiten des EWG-Vertrages Die vier Grundfreiheiten des EWG-Vertrages für Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gelten neben den Wettbewerbsregeln als die Pfeiler, welche den gemeinsamen Markt institutionalisieren. Die Normen über die Grundfreiheiten haben nicht nur Vorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten53, sondern haben den Rang subjektiver Rechte. Sie sind somit unmittelbar anzuwenden. Damit haben sie den Charakter individueller Abwehrrechte der Wirtschaftssubjekte gegen die Gewalten der EG.54 Allerdings bieten die Grundfreiheiten keinen umfassenden Grundrechtschutz, sondern enthalten grundrechtliche Aspekte, etwa die der freien Berufswahl und der Bewegungsfreiheit.55 Die Artikel 9 – 37 EWGV (Art. 23 – 31 EGV) sahen zur Erreichung eines freien Warenverkehrs die Errichtung einer Zollunion56 und die Abschaffung aller mengenmäßigen Beschränkungen vor. Der Europäische Gerichtshof wurde in diesem Zusammenhang seinem Ruf als „integrationspolitischer Faktor ersten Ranges“57 voll gerecht und legte den Begriff des Art. 30 EWGV (Art. 25 EGV) der „Maßnahmen gleicher Wirkung“, die verboten sind, in seiner sogenannten „DassonvilleFormel“ sehr weit aus: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“58 waren damit verboten. Außerdem stärkte der Europäische Gerichtshof durch seine „Casis de Dijon“-Rechtsprechung das Herkunftslandprinzip.59 Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, dürfen bis auf gewisse Ausnahmen in alle Mitgliedstaaten importiert werden.60 53 Dabei kann man der dualistischen Lehre folgen, die von zwei getrennten Rechtskreisen ausgeht und dann den Vorrang mit Art. 24 GG (BVerfGE 73, 339 (374)) oder mit Art. 189 II, 5, 7 EWGV (Europäischer Gerichtshof: RS 6 / 64, Urteil „Costa / ENEL“, Slg. 1964, S. 1269) begründen. Folgt man der monistischen Lehre, so sind das Europarecht und nationales Recht Bestandteile einer Rechtsordnung und der Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist mit dem Vertragswillen der Völker begründet. Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht; Emmerich-Fritsche, Angelika: Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht, 2001, v. a. S. 101 ff. 54 Vgl. Behrens, Peter, 1994, S. 80 – 81. 55 Vgl. Emmerich-Fritsche, Angelika: Einführung in das Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1998, S. 8. 56 In seiner für die anderen Grundfreiheiten richtungsweisenden Entscheidung „van Gent & Loos“ erklärte der EuGH Art. 12 für unmittelbar anwendbar und machte ihn damit zum subjektiven Recht. Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 26 / 62, Urteil „van Gent & Loos“, S. 24 – 27. 57 Harbrecht, Wolfgang: Die Europäische Gemeinschaft, 1984, S. 121. 58 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 8 / 74, Urteil „Dassonville“, S. 837. 59 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 120 / 78, Urteil „Cassis-de-Dijon“, S. 649. 60 Vgl. zu diesem „neuen Integrationskonzept“ Harbrecht, Wolfgang: Auf der Schwelle zum Binnenmarkt, 1993, S. 6 – 7 und Gröner, Helmut: Integrationsmerkmale und Integrationsmethoden: Die ordnungspolitische Konzeption der EG im Wandel, 1993, S. 6 – 8.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Somit werden durch die Bestimmungen über die Warenverkehrsfreiheit und die ergänzende Rechtsprechung des EuGH die regulativen Möglichkeiten der nationalen Organe stark eingeschränkt, und es wird ein wichtiger Schritt zur Marktöffnung in der EG getan. Die weitere Entwicklung durch das Binnenmarktprogramm wird in Phase 2 des historischen Entwicklungsprozesses, der Einheitlichen Europäischen Akte aufgezeigt (vgl. Kap. 1, D. II.). Die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die durch die Artikel 48 – 51 des EWG-Vertrages (Art. 39 – 42 EGV) garantiert wird, umfasste nach Art. 48 II EWG-Vertrag (Art. 39 II EGV) „( . . . ) die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstiger Arbeitsbedingungen.“ Der MaastrichtVertrag schuf in Art. 8 EGV eine Unionsbürgerschaft welche den Grundstein für ein europäisches Bürgerrecht legte. Im Vertrag von Amsterdam wurde Art. 8 EGV durch Art. 17 EGV ersetzt und erweitert. Insbesondere hat der Unionsbürger das Recht auf generelle Freizügigkeit, geregelt in Art. 18 I EGV. Allerdings steht das Recht noch unter einem gemeinschaftlichen Regulierungsvorbehalt und ist nicht unmittelbar anzuwenden.61 Die Entwicklungsschritte im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer werden auch im historischen Abriss kurz beleuchtet (vgl. Kap. 1, D. I.). Die in Artikel 52 – 58 EWG-Vertrag (Art. 43 – 48 EGV) festgelegte Niederlassungsfreiheit erlaubt Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er ist dabei genauso zu behandeln wie ein Inländer. Somit ist Art. 43 EGV nur ein lex specialis zu dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Artikel 12 EG-Vertrag.62 Seit der Entscheidung „Costa / ENEL“63 besitzt die Niederlassungsfreiheit unmittelbare Geltung für alle EG-Bürger. Im Gegensatz zur Niederlassungsfreiheit bleibt der Unternehmer bei der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 – 66 EWGV, 49 – 55 EGV) im Ursprungsland verwurzelt, kann aber vorübergehend im Erbringerland seine Leistung ausüben (Art. 50 EGV). Dienstleistungen im Sinne des Artikel 50 EWG-Vertrag stellen einen Auffangtatbestand zu den restlichen Grundfreiheiten dar, und anders als bei der Niederlassungsfreiheit ist der Umfang der Dienstleistungsfreiheit nicht umstritten: Das Diskriminierungsverbot bezieht sich nicht nur auf die formelle, sondern auch auf die materielle Gleichbehandlung und somit sind neben den offenen Diskriminierungen auch die Anwendung von nationalen Standes- oder Berufsregelungen auf die Dienstleister aus den anderen EG-Ländern verboten, soweit diese de facto diskriminieren würden. Es geht also nicht nur um eine Inländergleichbehandlung, sondern um einen Abbau von Beschränkungen schlechthin.64 61 62 63 64
Vgl. Emmerich-Fritsche, Angelika, 1998, S. 55. Ebd., S. 84. Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 6 / 64, Urteil „Costa / ENEL“, Slg. 1964, S. 1251 ff. Vgl. Emmerich-Fritsche, Angelika, 1998, S. 99. Anders aber Opperman, 1999, S. 665.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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Eine Ausnahmestellung unter den Grundfreiheiten nahm die Kapitalverkehrsfreiheit ein. Sie galt gemäß Artikel 67 I EWG-Vertrag nur, „soweit es für das Funktionieren des gemeinsamen Marktes notwendig ist“ und darum wurde ihr auch keine unmittelbare Wirkung zuerkannt.65 Sie wurde ergänzt von der sogenannten „Hilfsfreiheit“ des Artikels 106 EWG-Vertrag, dem freien Zahlungsverkehr. Diese beiden Freiheiten schaffen die volle Inländer- und Ausländerkonvertibilität für alle Währungen der Mitgliedstaaten, soweit die Transaktionen nicht auf Währungsspekulation oder Kapitalflucht zurückzuführen sind.66 Durch den Maastrichter Vertrag wurden die Bestimmungen allerdings durch die Art. 67 ff. EGV a. F. (Art. 56 – 60 EGV n. F.) neu geregelt. Dabei sind nun nach Art. 73b EGV a. F. (Art. 56 EGV n. F.) „( . . . ) alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten“.67 Die Vorschriften über den Zahlungsverkehr wurden in Art. 56 EGV n. F. miteinbezogen. Durch die nun völlige Freiheit des Kapitalverkehrs ist jetzt eine optimale Kapitalallokation möglich. Viele Autoren sehen hier auch die Grundlage zum Ausgleich asymmetrischer Schocks innerhalb der Währungsunion, da die Individuen sich Portfolios mit Anlagen aus allen Regionen zusammenstellen und – sollte ihre Region von einem asymmetrischen Schock betroffen sein – höhere Renditen aus den anderen Regionen beziehen, die nicht vom Schock tangiert sind. Durch die vollständige Kapitalverkehrsfreiheit ist dies möglich und somit wird die Absorption von Schocks, welche unerlässlich für eine Währungsunion ist, erleichtert.68
3. Die Wettbewerbsordnung Neben den Grundfreiheiten zählte die Wettbewerbspolitik von Anfang an zu den zentralen Säulen der Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaft. Bereits der EWG-Vertrag sah in Art. 3 lit. f) „( . . . ) die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt“ als wichtige Aufgabe der Gemeinschaft an. Der Maastrichter Vertrag nennt dieses Ziel in lit. g) und verwendet den Begriff „Binnenmarkt“. Zusätzlich formuliert er aber nochmals ausdrücklich die marktwirtschaftliche Ausrichtung in Art. 3 lit. a I: „Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 ( . . . ) beruht auf dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ( . . . )“ (Art. 4 I EGV n. F.). 65 Vgl. Basedow, Jürgen: Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, S. 41. 66 Vgl. Harbrecht, Wolfgang, 1984, S. 140 – 141. 67 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, 2002, S. 253 ff. 68 Vgl. von Hagen, Jürgen: Fiscal Policy and international Risk-Sharing, 1998, S. 2 und Kap. 4, C. III. 3.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Um dieses Ziel durchzusetzen, sah bereits der EWG-Vertrag in Art. 85 (Art. 81 EGV n. F.) für Unternehmen das Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Marktverhalten und in Art. 86 (Art. 82 EGV n. F.) das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung vor. Der Unternehmensbegriff wurde weit ausgelegt und betraf alle Unternehmensformen, gemeinnützige Organisationen, Vereine, Kirchen sowie Unternehmen der öffentlichen Hand, öffentlich-rechtliche Anstalten, Finanzmonopole, öffentliche Sondervermögen mit eigener Rechnungs- und Wirtschaftsführung (Bahn, Post), ja sogar den Staat selbst, soweit er sich erwerbswirtschaftlich betätigt.69 Die 1962 erlassene Durchführungsverordnung Nr. 17 des Rates bestätigte die unmittelbare Geltung der Verbote und wies der Kommission die ausschließliche Kompetenz zur Erteilung von Gruppenfreistellungen nach Artikel 85 III EWG-Vertrag zu.70 Die unmittelbare Geltung der Verbote bestätigte der Europäische Gerichtshof ausdrücklich im BRT / SABAM-Urteil.71 Zusätzlich waren bereits durch Art. 92 – 94 EWGV (Art. 87 – 89 EGV n. F.) staatliche Beihilfen verboten.72 Neben ihrem kompromisslosen Vorgehen gegen Beihilfen für Unternehmen lenkt die Kommission ihre Aufmerksamkeit auch auf Regionalbeihilfen, die Mitgliedstaaten einer nach ihrem Ermessen benachteiligten Region gewähren.73 Regelungen über eine Fusionskontrolle fehlten im EWG-Vertrag und so wurde der Europäische Gerichtshof seiner Rolle als Motor der Integration gerecht: In dem am 17. November 1987 verkündeten Urteil „Philip Morris“74 stellte er fest, dass bestimmte Formen des Beteiligungserwerbs mit Art. 85 EWGV unvereinbar sein können. Dieses Urteil löste eine kontroverse Diskussion aus. Die Ansichten reichten von einer reinen Einzelfallentscheidung75 bis hin zur Einführung einer Europäischen Fusionskontrolle durch Richterrecht.76 Der Rat verstand diese Entscheidung wohl auch als letzten Warnschuss, dass die Kommission und der Gerichtshof sonst eine Fusionskontrolle ohne explizite Rechtsgrundlage betreiben wollen. Darum erklärte der Rat zwei Wochen nach dem Philip-Morris-Urteil seine Vgl. Zäch, Roger: Wettbewerbsrecht der Europäischen Union, 1994, S. 2 – 10. Vgl. Caspari, Manfred: Die Kartellpolitik der EG-Kommission, 1990, S. 63 – 64. 71 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 127 / 73, Urteil „BRT / SABAM“, 1974, S. 62. 72 Zum Verbot staatlicher Beihilfen vgl. ausführlich Oppermann, Thomas: Europarecht, 1999, S. 424 – 450 und aktuell: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Vorschriften und Entscheidungen bezüglich staatlicher Beihilfen, 2003. 73 Vgl. dazu v. a. Sutherland, Peter: EG-Wettbewerbspolitik: Ein Rückblick und Ausblick, 1987, S. 7 – 11, der als damaliger Wettbewerbskommissar zu dieser Problematik Stellung bezieht. 74 Europäischer Gerichtshof: RS 142 u. 156 / 84, Urteil „Phillip Morris / Rothmans BAT und Reynolds / Kommission“, 1987, S. 363. 75 So etwa Riesenkampff, Alexander: Auswirkungen des Urteils des EuGH vom 17. 11. 1987 („Philip Morris“), 1988, S. 470. 76 Vgl. Schödermeier, Martin: Auf dem Weg zur europäischen Fusionskontrolle – Anmerkungen zum Tabakurteil des EuGH, 1988, S. 186. 69 70
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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positive Haltung gegenüber einer Europäischen Fusionskontrollverordnung77, die dann am 21. Dezember 1989 vom Rat78 verabschiedet wurde.79 Aus Sicht der Wettbewerbstheorie ist die Europäische Fusionskontrolle, eng am Konzept der workable competition, in Deutschland bekannt unter den Kanzenbach’schen „weiten Oligopolen“, die mit ihrem Marktstruktur-, Marktverhalten-, Marktergebnis-Paradigama von einer optimalen Wettbewerbsintensität ausgeht und darüber hinausgehende Marktstellungen verbietet80, orientiert.81 Die Kommission ist über dieses starre Korsett der Prüfung eines Fusionsvorhabens nicht glücklich, da es ihr zu wenig Spielraum lässt, industriepolitisch zu entscheiden. Auch das aus Deutschland bekannte Verfahren der Ministererlaubnis kennt das Europäische Recht nicht, dafür entscheidet die Kommission als Kollektivorgan über das Verbot. Einen größeren Entscheidungsspielraum hätte die Kommission, wenn sie nicht nur die anti-wettbewerblichen Aspekte einer Fusion prüfen müsste, sondern auch noch Effizienzgewinne berücksichtigen dürfte. Diesem Wunsch nach einer sogenannten „efficiency defence“ verleiht die Kommission in ihrer Veröffentlichung „The Efficiency Defence and the European System of Merger Control“82 erheblichen Nachdruck83 und begründet ihre Forderung mit ähnlichen Verfahren etwa in den USA oder in Kanada.84 Die Kommission möchte, wie Wettbewerbskommissar Monti bei der Vorstellung der Reformvorschläge der Kommission am 07. November 2002 ausführte, zukünftig Effizienzerwägungen berücksichVgl. Sauter, Herbert: Ein Nachwort zur Europäischen Fusionskontrolle, 1991, S. 661. Verordnung (EWG) Nr. 4046 / 89 des Rates vom 21. Dezember über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, abgedruckt mit sämtlichen Ergänzungen über die Fristen, Konzentrations- und Kooperationstatbestände sowie dem Anmeldeformblatt CO in: Drautz, Götz / Schröder, Dirk: Praxis der Europäischen Fusionskontrolle, 1992, S. 129 – 218. 79 Am 1. März 1998 sind die Änderungen der EG-Fusionskontrollverordnung in Kraft getreten. Grundlage hierfür ist die Verordnung (EG) Nr. 1310 / 97 des Rates vom 30. Juni 1997. Die Novelle passte einige Umsatzschwellen an, welche die gemeinschaftsweite Bedeutung der Fusion definieren und regelt die Anwendbarkeit bei konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen. Vgl. Nagel, Bernhard: Wirtschaftsrecht der Europäischen Union, 1999, S. 143 – 148. 80 Vgl. Kerber, Wolfgang: Zur Wettbewerbskonzeption im europäischen Wettbewerbsrecht, 1993, S. 281. Zum materiellen Prüfungsmaßstab der Kommission vgl. etwa Beutler, Bengt / Bieber, Roland / Pipkorn, Jörn / Streil, Jochen: Die Europäische Union – Rechtsordnung und Politik, 2001, S. 510 – 512. Eine schematische Übersicht über das Verfahren gibt Schmidt, Ingo: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 2001, S. 238. 81 Eine Übersicht über die unterschiedlichen Ansätze der Wettbewerbstheorien und eine Erläuterung der Theorie der Workable Competition und der Theorie der optimalen Wettbewerbsintensität von Kanzenbach findet sich bei: Deinzer, Roland: Die Entwicklung der Wettbewerbsordnung und Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union vom EWG-Vertrag zum Maastricht-Vertrag, 1995, S. 8 – 26. 82 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2001. 83 „We hope our analysis makes it clear that ( . . . ) [it] lends quite well to a fast implementation“, Stennek, Johan / Verboven, Frank: Merger Control and Enterprise competitiveness, 2001, S. 183. 84 Vgl. Ilzkovitz, Fabienne / Meiklejohn, Roderick: European Merger Control: Do we need an Efficiency Defense?, 2001, S. 15 – 17. 77 78
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
tigen.85 Zwar konnte man sich, wegen des drohenden Widerstandes von ordnungspolitischer Seite, bei den Vorschlägen der Neuformulierung der Fusionskontrollverordnung nicht auf eine textliche Veränderung in diesem Punkte einigen, allerdings ist der Verordnungsvorschlag der Kommission mit dem Hinweis versehen, dass bereits jetzt Effizienzerwägungen berücksichtigt werden (können).86 Einem solchen Ansinnen der Kommission ist auf alle Fälle zu widerstehen, da sonst der Möglichkeit, bereits im Fusionskontrollverfahren andere als wettbewerbliche Argumente zu verfolgen, Tür und Tor geöffnet wird.87 Anzustreben bleibt ein zweistufiges Verfahren, in dem ein Europäisches Kartellamt sich strikt an die zugrunde liegende Zielsetzung des unverfälschten Wettbewerbs hält und durch die Entscheidungspraxis maximale Rechtssicherheit gewährleistet. In einem zweiten Schritt könnte dann der Kommission ein eng begrenzter Spielraum für industriepolitische Entscheidungen gegeben werden. Diese müssten dann aber öffentlich gemacht und der Kritik der Öffentlichkeit und der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofs unterworfen werden.88 An dieser Stelle ist keine ausführliche Würdigung der Europäischen Wettbewerbsordnung und -politik möglich89, es kann aber zusammengefasst werden, dass die europäische Wettbewerbspolitik größten Anteil daran hat, dass in der GeVgl. Monti, Mario: Merger control in the European Union : a radical reform, 2002. „Es ist nach Ansicht der Kommission sowohl nach der derzeitigen als auch nach der neuen vorgeschlagenen Fassung der Fusionskontrollverordnung rechtlich durchaus möglich, Effizienzerwägungen im Rahmen der materiellrechtlichen Prüfung ausdrücklich einzubeziehen. ( . . . ) Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung bietet hierfür eine Rechtsgrundlage. Dort heißt es, dass die Kommission bei ihrer Prüfung unter anderem die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert‘, berücksichtigt.“ Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), 2002, Erwägungsgrund 60, S. 13. 87 Auch die Wettbewerbstheoretiker sehen die Gefahr von industriepolitischen Eingriffen der Exekutive unter dem Vorwand der Effizienz. Vgl. Bliss, Christopher: Trade and Competition Control, 1997, S. 318 – 319. Anders aber Levinsohn, der einschränkt, man müsse die laxere, effizienzorientierte Wettbewerbspolitik in den anderen Staaten im globalen Wettbewerb berücksichtigen und darauf reagieren. Vgl. Competition Policy and International Trade, 1997, S. 354. Dagegen führt Vaubel aber an, dass unterschiedlich strenge Wettbewerbspolitiken auch auf unterschiedliche Präferenzen der Bürger zurückzuführen sein könnten. Dann handele es sich nicht um Wettbewerbsverzerrungen, sondern um natürliche Standortmerkmale. Vgl. Ein Vorschlag zur Reform der europäischen Wettbewerbspolitik, 1996, S. 176. 88 Zu den administrativen, rechtlichen und politischen Gründen, die für ein Europäisches Kartellamt sprechen vgl. Deinzer, Roland: Die Entwicklung der Wettbewerbsordnung und Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union vom EWG-Vertrag zum Maastricht-Vertrag, 1995, S. 117 – 121. 89 Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Wettbewerbsordnung und Wettbewerbspolitik der EU bis zum Maastricht-Vertrag und eine ordnungspolitische Bewertung der Wirtschaftsverfassung und der Durchführung ausgewählter Politiken der EU findet sich bei Deinzer, Roland, 1995, S. 41 – 79. 85 86
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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meinschaft das Wettbewerbsprinzip zum vorherrschenden Ordnungsprinzip geworden ist und sich dies auch nicht gewandelt hat. So ist es ihr nach Aussage der Kommission zu verdanken, dass in allen Mitgliedstaaten funktionsfähige Wettbewerbsordnungen in nationales Recht übernommen wurden90 oder dass in den Mitgliedstaaten wesentliche Deregulierungsinitiativen, v. a. in den Bereichen Telekommunikation und Energiewirtschaft, durchgeführt wurden. Allerdings brachte die in Maastricht beschlossene Aufnahme des Art. 130 EGV a. F. (Art. 157 EGV n. F.) über Industriepolitik91 und die Instrumentalisierung der Wettbewerbspolitik durch die Kommis- sion zur Erreichung außerwettbewerblicher Ziele der Industrie-, Regional-, Sozial-, Beschäftigungs- und Umweltpolitik ordnungspolitische Gefahren für das Wettbewerbsprinzip.92 Manche sehen gar einen „janusköpfigen“ Charakter der Wettbewerbspolitik der Union, „( . . . ) der a priori wettbewerbliche und außerwettbewerbliche – in der Regel politische Ziele – in sich vereint“93. Auf jeden Fall sollten Ansätze einer europäischen Industriepolitik, wie sie jüngst der deutsche Bundeskanzler in seiner „Schweiß und Tränen“-Rede forderte94, nicht im Sinne von lenkenden Eingriffen, sondern von einer „Ordnungspolitik für die Industrie“ durchgeführt werden, die Startchancen für neue Betriebe erleichtert und durch Aufrechterhaltung des Wettbewerbs(-drucks) zu ständigen Innovationen in Produkten und Prozessen führt.95
90 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Fusionskontrolle der Gemeinschaft: Grünbuch über die Revision der Kontrollverordnung, 1996, S. 40. 91 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 130 EGV a. F. und seiner ordnungspolitischen Bewertung vgl. Deinzer, Roland, 1995, S. 80 – 85 und Strohm, Andreas: Wettbewerbs- und Industriepolitik – seit Einführung des Artikels 130 EG-Vertrag ein Konfliktthema, 1996, S. 181 – 187. 92 So auch der damalige Wettbewerbskommissar Karel Van Miert: Die Wettbewerbspolitik der neuen Kommission, 1995, S. 554. 93 Schmidt, André: Europäische Wettbewerbspolitik, ordnungspolitische Weichenstellungen, 2001, S. 365. 94 „Um in Europa eine führende Position einnehmen zu können, haben wir gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien für die beiden bevorstehenden Gipfel in Brüssel und Athen Vorschläge für eine europäische Industriepolitik erarbeitet. Mit diesen Vorschlägen wollen wir dafür sorgen, dass zum Beispiel die Schiffbau- und die Chemieindustrie auch in Europa eine Zukunft haben. Denn die Industrie ist – das ist in Brüssel gelegentlich vernachlässigt worden – das Fundament unserer Wirtschaft. Deshalb müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie verbessern. Das ist die Grundidee meiner gemeinsamen industriepolitischen Initiative mit Staatspräsident Chirac und Premierminister Blair, die wir unseren Partnern in der nächsten Woche auf dem Gipfel in Brüssel vorlegen werden.“ Schröder, Gerhard: Mut zum Frieden, Mut zur Veränderung, 2003. 95 Ein Plädoyer für eine Ordnungspolitik der Industrie liefert Berthold, Norbert / Hilpert, Jörg: Wettbewerbspolitik, Industriepolitik und Handelspolitik in der EU, 1996, S. 107.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
III. Schlussfolgerung Die kurze Darstellung der Prinzipien der Wirtschaftsverfassung der EG und ihre Weiterentwicklung in den entscheidenden Bereichen zeigte, dass bereits die Wirtschaftsverfassung des EWG-Vertrages einen Ordnungsrahmen für ein marktwirtschaftliches Geschehen absteckt und „selbst bei Anerkennung einer gewissen Wirtschaftsplanung und Globalsteuerung in der Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaft marktwirtschaftliche Ordnungsprinzipien doch eindeutig dominieren“96. Die Forcierung des Gemeinsamen Marktes im Binnenmarktkonzept (vgl. Kap. 1, D. II.) und die verschärfte Anwendung des Wettbewerbsprinzips auch auf staatliches Handeln (vgl. Kap. 1, B. II. 3.) hat diese Systemfestlegung weiter manifestiert. „Insgesamt gesehen hat die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union also seit Mitte der achtziger Jahre ein so großes Maß an Deregulierung, Liberalisierung und offener Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb geschaffen, wie sie vorher in keinem der EG-Mitgliedstaaten verwirklicht war.“97 Auch die Befürchtungen, durch die Aufnahme eines Kapitels über Industriepolitik in den Maastricht-Vertrag (vgl. auch Kap. 1, D. III.) würde eine Wendemarke in der Ordnungspolitik gesetzt werden, haben sich nicht bestätigt.98 So hilfreich diese Schlussfolgerung für die weitere Analyse auch ist, so muss man sich auch im Klaren sein, dass diese ordnungspolitische Sichtweise in den anderen Mitgliedstaaten fast vollkommen fehlt99 und auch die starke wettbewerbliche Ausrichtung des EWG-Vertrages wohl vor allem der deutschen Verhandlungsdelegation um Müller Armack und von der Groeben zu verdanken war, sowie der Tatsache, dass die Tragweite der Wettbewerbsregeln den anderen fünf Gründungsmitgliedern nicht bewusst war, da keines der Länder ähnlich scharfe Wettbewerbsregeln besaß.100 Somit ist mit der Implementierung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb wohl die Fixierung auf das marktwirtschaftliche Wettbewerbsprinzip vollzogen, nicht aber die Entscheidung auf ein konkretes, auf das Vorbild eines Mitgliedstaates zurückgehendes, Ordnungsmodell gefallen.101 Harbrecht, Wolfgang: Die Europäische Gemeinschaft, 1984, S. 143. Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 59. 98 Vgl. Starbatty, Joachim: Artikel 130: Wendemarke der Ordnungspolitik, 1994, S. 13 und Deinzer, Roland, 1995, S. 80 – 85. 99 Vgl. Narjes, Karl-Heinz: Europäischer Binnenmarkt: Wieviel Wettbewerb – wieviel Harmonisierung?, 1990, S. 45; Caspari, Manfred: Zur Abgrenzung von Industriepolitik und Wettbewerbspolitik der EG, 1990, S. 9. 100 Dagegen hatte die deutsche Verhandlungsdelegation Erfahrung mit der Ausarbeitung des GWBs, welches gemeinsam mit dem EWG-Vertrag am 01. Januar 1958 in Kraft trat. Vgl. Oppermann, Thomas: Europäische Wirtschaftsverfassung nach der Einheitlichen Europäischen Akte, 1987, S. 59 – 60. 101 Vgl. Hänsch, Hans-Martin: Gesamtwirtschaftliche Stabilität, 2002, S. 207. 96 97
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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Nun muss aber im Lichte der Fragestellung dieser Arbeit genauer untersucht werden, ob diese marktwirtschaftliche Ordnung auch mit sozialen Elementen unterlegt wurde oder ob die Wirtschaftsordnung der EU nicht dem Teil des Leitbilds Müller-Armacks genügt, nämlich der Verbindung der Freiheit auf dem Markt mit dem Prinzip des sozialen Ausgleichs. Dazu wird nicht nur nach dem Sozialprinzip der Union gefragt, sondern auch ausführlich die Entwicklung der Sozial-, Beschäftigungs- und Kohäsionspolitik in der Europäischen Union seit den Gründungsverträgen analysiert.
C. Das Sozialprinzip102 in der Union Die herrschende Lehre billigt dem Unionsvertrag zumindest Verfassungscharakter zu oder sieht ihn gar als Verfassung der Europäischen Union an.103 Auch wenn die Union keine existentielle Staatlichkeit besitzt104, ist das Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedstaaten verbindlich. „Die Verbindlichkeit beruht auf dem Willen der als Staaten verfassten Völker, auf deren Verfassungsgesetzen also. ( . . . ) Jedes Volk ist innerstaatlich verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht als Teil der eigenen Rechtsordnung zu verwirklichen (Art. 10 EGV).“105 Da soziale Homogenität eine Voraussetzung für ein friedliches Gemeinwesen ist106, lässt sich bereits aus der Präambel des EWG-Vertrages nach der EEA 1987 aus dem fünften Erwägungsgrund das Sozialprinzip ablesen, wenn die Gemeinschaft „( . . . ) den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern“ soll. Seit dem Vertrag von Maastricht ist es nach Art. 2 EGV Aufgabe und damit Ziel107 der Gemeinschaft, „( . . . ) einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern“. Der 7. Erwägungsgrund des EU-Vertrages von Maastricht spricht von einer Förderung des sozialen Fortschritts ihrer Völker, seit dem Vertrag von Amsterdam (vgl. Kap. 1, D. IV.) ist der Sozialpolitik ein eigener Titel XI im EGV vorbehalten. Damit lässt sich aus den Verträgen das Sozialprinzip ableiten, auch wenn Art. 6 EUV bei der Aufzählung der Grundsätze, auf denen die Union beruht, das Sozial102 Dieser Begriff ist dem Terminus „Sozialstaatsprinzip“ vorzuziehen, da er neben sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Sicherheit und Verantwortung des Gemeinwesens für das Individuum auch die Verantwortung des Individuums für die Gemeinschaft beinhaltet. Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Das Sozialprinzip, 1974, S. 31 ff. 103 Vgl. BVerfGE 22, 293 (296), EuGH Slg. 1991, S. 6079 (6102). 104 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, 1995, S. 92 – 93. 105 Schachtschneider, Karl Albrecht: Prinzipien des Rechtsstaates, 2003, S. 79. 106 Schachtschneider, Karl Albrecht: Res publica res populi, 1994, S. 243. 107 Der Vertrag selbst nennt, etwa in Art. 98 EGV , den Aufgabenkatalog des Art. 2 EGV „Ziele“.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
prinzip nicht erwähnt.108 Eine große Konvergenz der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten als Grundvoraussetzung einer tragfähigen Währungsunion folgt für Schachtschneider aus dem sozialen Rechtsprinzip der Stabilität. Das Sozialprinzip gebietet dem Staat eine Politik des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.109 Im Folgenden soll näher untersucht werden, wie sich das Sozialprinzip in der Europäischen Union tatsächlich entwickelt hat und welchen Stellenwert es im Verhältnis zu der marktwirtschaftlichen Ordnung mit freiem Wettbewerb besitzt.
D. Entwicklung der Sozial-, Beschäftigungs- und Kohäsionsordnungen und -politiken in der EU Die historische Entwicklung der Sozial-, Beschäftigungs- und Kohäsionsordnung und -politik der EU lässt sich grob in fünf Phasen einteilen: 110
I. Phase 1: EWG-Vertrag und erstes soziales Aktionsprogramm 1974 Die Ursprünge einer gemeinschaftlichen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik lassen sich bereits im sogenannten Schuman-Plan finden, den der damalige französische Außenminister am 09. Mai 1950 verlas: Um die Verwirklichung der so bestimmten Ziele zu verfolgen, ist die französische Regierung bereit, Verhandlungen zu eröffnen auf folgender Grundlage: Die der gemeinsamen Behörde übertragene Aufgabe wird es sein, in kürzester Form sicherzustellen: ( . . . ) der Ausgleich in der Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft dieser Industrien.111
Die auf diesen Plan zurückgehende Montanunion, die in dem am 18. April 1951 unterzeichneten EGKS-Vertrag konstituiert wurde, sah bereits ein sektoral begrenztes Beihilfesystem in Art. 54 ff. EGKS-Vertrag und in Art. 56 schon explizite arbeitsrechtliche Normen zur Hilfe für entlassene Arbeitnehmern in dieser Branche vor. Im Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, der zusammen mit dem EURATOM-Vertrag am 25. März 1957 unterzeichnet wurde und die als Römische Verträge bezeichnet werden, wurde als Kernstück der Gemeinsame Markt Vgl. Hänsch, Hans-Martin, 2002, S. 209. Vgl. Hankel, Wilhelm / Nölling, Wilhelm / Schachtschneider, Karl Albrecht / Starbatty, Joachim: Die Euro-Klage – Warum die Währungsunion scheitern muß, S. 192 ff. 110 Etwa nach Addison, John: Is Community Social Policy beneficial, irrelevant, or harmful to the Labor Market Performance of the European Union?, 2001, S. 2. 111 Erklärung der französischen Regierung vom 9. Mai 1950 über die Vereinigung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlindustrie (Schuman-Plan), S. 163. 108 109
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festgelegt. Dabei stellt die Arbeitnehmerfreizügigkeit eine der Säulen der vier Grundfreiheiten dar, die innerhalb einer Übergangszeit von 12 Jahren erreicht werden sollten und sogar 18 Monate vor dem eigentlichen Endtermin am 31. Dezember 1969 vollendet war. Nachdem der Rat seit 1961 die erste Freizügigkeitsverordnung112 erlassen hatte, folgte die völlige Freizügigkeit der Arbeitnehmer mit der Verordnung Nr. 1612 / 68113 und einer flankierenden Richtlinie zur Aufhebung bestehender Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen114 sowie einer Verordnung zum Bleiberecht der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen nach Beendigung der Beschäftigung.115 Ohne Übergangszeit sollte Art. 51 EWGV die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer gewährleisten helfen. Bereits Ende 1957 wurde basierend auf Vorschlägen des Internationalen Arbeitsamtes und der Hohen Behörde der Montanunion ein europäisches Abkommen über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer geschlossen.116 Erste Verordnungen darüber gab es 1958, letztlich Bestand bis heute hat Verordnung VO (EWG) 1408 / 71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern sowie die Durchführungsverordnung VO (EWG) 574 / 72.117 Zum Hauptinstrument der Beschäftigungsförderung der Gemeinschaft entwickelte sich der in dem EWG-Vertrag in den Art. 123 – 128 verankerte Europäische Sozialfonds. Nachdem der EWG-Vertrag am 01. Januar 1958 in Kraft trat, wurde der ESF mit VO Nr. 9 des Rates118 am 25. August 1960 errichtet. Bei ihm handelt es sich nicht, wie der Name vermuten lässt, um ein allgemeines Instrument einer europäischen Sozialpolitik, sondern um ein rein arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisches Instrument.119 Die ursprüngliche Aufgabe des ESF war nach Art. 123 EWGV ausschließlich, „innerhalb der Gemeinschaft die berufliche Verwendbarkeit und die örtliche und berufliche Freizügigkeit der Arbeitskräfte zu 112 VO Nr. 15 des Rates vom 16. August 1961 über die ersten Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, Abl. 57 / 1073 vom 26. 08. 1961. 113 VO Nr. 1612 / 68 (EWG) des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, Abl. Nr. L 257 / 2 vom 19. 10. 1968. 114 RL 68 / 360 / EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft, Abl. Nr. L 252 / 13 vom 19. 10. 1968. 115 VO 1251 / 70 (EWG) der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer nach Beendigung der Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben, Abl. Nr. L 142 / 24 vom 30. 06. 1970. 116 Vgl. Ringler, Jochen: Die europäische Sozialunion, 1997, S. 91 – 92. 117 VO (EWG) 1408 / 71 vom 05. Juli 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. VO (EWG) 574 / 72 über die Durchführung der VO 1408 / 71. 118 VO Nr. 9 des Rates vom 25. August 1960 über den Europäischen Sozialfonds, Abl. 56 / 1189 vom 31. 08. 1960 (1. ESF-VO). 119 Vgl. dazu die Ausführungen und Verweise bei Ringler, 1997, S. 95.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
fördern.“ Den Arbeitskräften der EG sollte die Umschulung und Umsiedlung durch Mittel aus dem laufenden Gemeinschaftshaushalt erleichtert werden. Insoweit entspricht der Begriff „Fonds“ der französischen Haushaltslehre und nicht der deutschen Semantik des Begriffs.120 Da die Bedingungen, die an die Gewährung von Zuschüsse aus dem ESF geknüpft waren sehr strikt waren121, bereitete die tatsächliche Verwendung der Mittel vielen Mitgliedstaaten verwaltungstechnische Probleme.122 Art. 126 EWGV sah aber vor, dass am Ende der Übergangszeit „a) ( . . . ) die in Art. 125 vorgesehenen Zuschüsse ganz oder teilweise wegfallen;“ und in lit b) neue Aufgaben für die Fonds bestimmt werden können. Durch zwei Verordnungen123 wurde 1971 die Neuorientierung des ESF bestimmt. Der Fonds sollte in besonders rückständigen Gebieten beschäftigungsfördernd wirken und den sektoralen Strukturwandel unterstützen.124 Große Bedeutung für den sozialen Bereich der Gemeinschaft wird dem ersten sozialpolitischen Aktionsprogramm von 1974 beigemessen. Auf Initiative der Kommission, als Motor der Integration125, und auf deutschen Anstoß wollte der Europäische Rat auf seinem Gipfeltreffen 1972 in Paris die durch den Werner-Plan (vgl. Kap. 5 u. Kap. 6, B.) eingeleitete währungspolitische Integration auch sozialpolitisch unterfüttern. Der Rat vertrat die Ansicht, dass „zur Erreichung der sozialpolitischen Zielsetzung der Europäischen Union schrittweise eine wirkungsvolle Aktion unternommen werden muss“, „die Sozialpolitik der Gemeinschaft eine eigene Aufgabe zu erfüllen hat“ und „die sozialpolitischen Ziele ein ständiges Anliegen für alle Gemeinschaftspolitiken sein müssen“.126 Ziele des Aktionsprogramms waren Vollbeschäftigung, Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und Beteiligung der Sozialpartner an den wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen der Gemeinschaft. Dem Programm werden wichtige Impulse im sozialen Bereich attestiert127 und es wird von manchen als erster Versuch gewertet, eine zusammenhängende Sozialpolitik zu schaffen, die eine Sozialunion zum Ziel hat. Ringler sieht seit dem Pariser Gipfel von 1972 eine Gleichrangigkeit von ökonomischer und sozialer Integration, obwohl er gesteht, dass die Staats- und Regie120 Vgl. Drygalski, Andrera v.: Die Fonds der Europäischen Gemeinschaften. Eine systematische Darstellung ihrer rechtlichen Grundlagen, 1988, S. 47. 121 Etwa der Nachweis, dass binnen sechs Monaten nach der Maßnahme eine produktive Wiederbeschäftigung nachgewiesen werden musste. 122 Vgl. Ringler, 1997, S. 96. 123 VO Nr. 2396 / 71 (EWG) des Rates vom 08. November 1971 zur Durchführung des Beschlusses 71 / 66 (EWG), Abl. Nr. L 249 / 54 und VO Nr. 2397 / 71 (EWG) des Rates vom 10. November 1971 über die Beihilfen, zu denen Zuschüsse aus dem ESF gewährt werden können, Abl. Nr. L 249 / 58. 124 Vgl. Händler, Kurt: Abschluss der Reform des Europäischen Sozialfonds, S. 231. 125 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Vorläufige Ausrichtung für ein Programm einer gemeinschaftlichen Sozialpolitik, 1971. 126 Entschließung des Rates vom 21. Januar 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm, Abl. Nr. C 13 / 1 vom 12. 02. 1974. 127 Vgl. Kuhn, Heike: Die soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft, 1995, S. 44.
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rungschefs ausdrücklich auf eine Festschreibung einer zeitlichen oder sachlichen Parallelität von Wirtschafts- und Währungsunion einerseits und Sozialunion andererseits verzichtet haben.128 Die Kommission formulierte vier Jahre später nochmals ihre Auffassung, dass eine echte Sozialpolitik Kernstück einer europäischen Integration und nicht nur Korrektiv der Wirtschaftspolitik sein dürfe.129 Weitere Entwicklungen waren die durch die drei Defrenne-Urteile des EuGH erzwungenen Richtlinien zu Fragen des gleichen Entgeltes und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen.130 Daneben wurde 1975 im Rahmen der Erweiterung um Großbritanien, Irland und Dänemark 1973 auch der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung ins Leben gerufen. In einer weiteren Reform der Strukturfonds 1983 sollte die Wirksamkeit durch regionale Konzentration der Mittel erhöht werden. Als förderungswürdig wurden von der Kommission letztendlich ähnliche Regionen anerkannt, wie dies auch beim Regionalfonds vorgesehen war.131 Ziel war, dass „der Fonds in stärkeren Maße ein Instrument werden muss, das eine Politik zur Förderung der Beschäftigung begleitet“132. Als Ergebnis der ersten Phase lässt sich allerdings festhalten, dass die hohe Komplexität des ESF eine höhere Effizienz verhindert hat. Auch die teilweise spektakulären Erfolge auf einzelnen Gebieten wie der Gleichstellungsfrage täuschten nicht über die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit von über 12 Mio. Menschen in der EG im Jahre 1983 hinweg. Die Rezession und unterschiedliche Konzepte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit führten zu einem Attentismus der Gemeinschaft aus dem heraus auch der Begriff „Eurosklerose“ entstand und den Gedanken einer gemeinschaftlichen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nicht förderte. Erst die Kommissionspräsidentschaft von Jacques Delors bewirkte eine Wende.133
Vgl. Ringler, 1997, S. 107. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Entschließung zu den Leitlinien der Kommission der EG für eine Gemeinschaftsstrategie für Vollbeschäftigung und Stabilität, 1976. 130 Von besonderer Bedeutung war die Anerkennung durch den EuGH des gleichen Entgeltes für Männer und Frauen aus Art. 119 EWGV als unmittelbares Recht. Vgl. Ringler, 1997, S. 109 – 110. 131 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The European Social Fund. An Overview over the Programming Period 1994 – 1999, 1998. 132 Entschließung des Rates vom 17. Oktober 1983 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds. 133 Vgl. Addison, John: Is Community Social Policy beneficial, irrelevant, or harmful to the Labor Market Performance of the European Union?, 2001, S. 2 – 3 und Ringler, 1997, S. 115 – 116. 128 129
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II. Phase 2: Einheitliche Europäische Akte 1987 und Reform der Strukturfonds Nach einer Flut von Reformpapieren, angefangen mit dem „Vedel-Bericht“ über den „Tindemans-Bericht“ und vielen weiteren Reformpapieren134, brachte letztlich der sogenannte „Spinelli-Entwurf“135 des Europäischen Parlamentes den Durchbruch zur Änderung und Ergänzung der Römischen Verträge. Dazu kam mit der Veröffentlichung des Weißbuchs zur Vollendung des Binnenmarktes am 14. Juni 1985 der Beginn der Umsetzung des Binnenmarktprogramms, welches Jacques Delors mit einer Rede vor den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes im Mai 1985 ins Leben rief. Ende Dezember desselben Jahres einigte sich der Luxemburger Gipfel auf die Reform der Verträge und verabschiedete Ende 1985 die Einheitliche Europäische Akte136, die nach der Ratifikation in den einzelnen Mitgliedstaaten am 1. Juli 1987 in Kraft trat.137 Außer der Verwirklichung eines Raumes ohne Binnengrenzen gehören nach Jacques Delors zu den Zielen der Einheitlichen Akte weiterhin auch die „Durchführung strukturpolitischer Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene mit dem Ziel, ( . . . ) Regionen zu fördern, in denen ein Entwicklungsrückstand zu verzeichnen ist, Zusammenarbeit auf den Gebieten der Forschung und technologischen Entwicklung ( . . . ) sowie eine soziale Dimension und die Umweltpolitik“.138 Die schon 1964 von von der Groeben geforderte Herstellung binnenmarktähnlicher Verhältnisse als Ziel des Gemeinsamen Marktes139 sieht der durch die EEA neu geschaffene Art. 8a EWGV vor. Zu dessen Verwirklichung werden Rat und Kommission durch Art. 100a EWGV in die Lage versetzt, mit qualifizierter Mehrheit alle Maßnahmen zu treffen, die zur Verwirklichung der Ziele des Art. 8a EWGV beitragen. Die recht großzügige Auslegung der Formulierung des Art. 100a EWGV: „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“ durch Kommission und Rat, führte zu einer weiteren Aushöhlung des Prinzips der „begrenzten Ermächtigung“ [BVerGE 89, 155 (190)]. Rat und Kommission erhielten einen kaum zu begrenzenden Ermessensspielraum, der eine auch für Bundesstaaten charakteristische Zentralisierungstendenz fördert.140 Vgl. dazu Ringler, S. 117 – 119. Vgl. Europäisches Parlament: „Spinelli-Entwurf“, 1984. 136 Einheitliche Europäische Akte vom 17. Januar / 28. Februar 1986, ABl. 1987, Nr. L 169 / 1. 137 Zur Chronologie der EEA vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Start in den Binnenmarkt, 1991, S. 18 – 19. 138 Ebd., S. 9, zitiert aus einer Rede von 1989. Ausführlicher vgl. Delors, Jacques, 1991, S. 30 – 35. 139 Vgl. von der Groeben, Hans: Die Aufgaben der Wettbewerbspolitik im Gemeinsamen Markt und in der Atlantischen Partnerschaft, 1964, S. 1017 – 1018. 140 Vgl. Petersmann, Ernst-Ulrich: Thesen zur Wirtschaftsverfassung der EG, 1993, S. 595. 134 135
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Einige Autoren sehen im Art. 100a EWGV eine Generalermächtigungsklausel, die mit dem in Deutschland in Art. 80 I S. 2 GG festgelegten Prinzip, dass eine Normsetzung nur aufgrund einer nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend konkretisierten gesetzlichen Ermächtigung erfolgen darf, nicht mehr zu vereinbaren ist.141 Andere sehen in dem Kriterium der Erforderlichkeit für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes eine enge Zielbindung an eine Marktöffnung und in letzter Konsequenz an die Herstellung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs.142 Außerdem ist seit dem „Cassis de Dijon“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs143 das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung ein wichtiger Motor der Integration und macht viele Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene überflüssig.144 Im Bereich der Sozialpolitik wurde die Verbesserung des Arbeitsumfeldes als neues Ziel der Europäischen Gemeinschaft aufgenommen, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen (Art. 118a EWGV). Hier kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit Mindestvorschriften erlassen. Außerdem gelangte der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf europäischer Ebene ebenfalls in den Vertrag (Art. 118b EWGV).145 Über die Aufnahme des Ziels, „( . . . ) den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete [zu] verringern“ in die Präambel des EWG-Vertrages wurde in Art. 130a der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, v. a. die Kohäsion der Regionen als wünschenswert erachtet. Durch die neuen Art. 130 lit a) – e) EWGV, wurde die Regionalpolitik in das primäre Gemeinschaftsrecht aufgenommen. Damit wurde das bereits bestehende Politikfeld legalisiert146, denn – wie oben beschrieben – bildete der auf britischen und irischen Wunsch 1975 geschaffene Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) den praktischen Hintergrund einer europäischen Regionalpolitik. Nach Art. 130b 141 Vgl. Vollmer, Lothar: Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftspolitik der EG nach „Maastricht“, 1993, S. 26. Die Organe der EU neigen unter Hinweis auf den Gedanken der „implied powers“ und der Auslegungsmaxime des „effet utile“ zu einer eigenmächtigen Kompetenzauslegung, die das grundgesetzliche Prinzip der enumerativ bestimmten Kompetenzübertragungen in bedenklicher Weise überstrapaziert. So Dittmann, Armin: Deutsches Verfassungsrecht und Europäische Integration – Zur Entwertung des Grundgesetztes 1992, S. 65. 142 Vgl. Behrens, Peter: Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaft, 1994, S. 83 – 84. 143 Europäischer Gerichtshof: RS 120 / 78, Urteil „Cassis-de-Dijon“, Slg. 1979, S. 649 – 675. 144 Darauf weist auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hin und betont ausdrücklich die Vorteile der gegenseitigen Anerkennung. Vgl. Start in den Binnenmarkt – 1991, S. 16. 145 Eine ausführliche Bewertung dieser neuen Bestimmungen durch die EEA liefert Ringler, 1997, S. 117 – 168. 146 Vgl. Oberender, Peter / Okruch, Stefan: Gegenwärtige Probleme und zukünftige Perspektiven der europäischen Wettbewerbspolitik, 1994, S. 517.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
EWGV ist nun mit der Koordinierung der allgemeinen Wirtschaftspolitik das Ziel des regionalen Ausgleichs verbunden. Mittel stellen die drei Strukturfonds Abteilung Ausrichtung des Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), der seit 1964 Maßnahmen zur Verbesserung der Produktions- und Vermarktungsbedingungen der Landwirtschaft fördert, der Sozialfonds und der Regionalfonds und ferner die Europäische Investitionsbank zur Verfügung. Dieser globale Ansatz wurde im Integrierten Mittelmeerprogramm von 1985 bereits vor dem Inkrafttreten der EEA verwirklicht.147 Damit wurde die Sonderstellung des Sozialfonds aufgegeben und ein Zusammenhang zwischen den Strukturfonds hergestellt. Mit einer Rahmenverordnung148 wurde 1988 an Stelle eines diffusen Zielsystems der Kommissionsleitlinien ein stringentes Zielsystem geschaffen:149 Das Zielsystem der EG-Strukturfonds nach der Reform 1988 Ziel Nr. 1:
Förderung der Entwicklung und strukturelle Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand.
Ziel Nr. 2:
Umstellung der rückläufigen industriellen Entwicklung stark betroffener Regionen.
Ziel Nr. 3:
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit.
Ziel Nr. 4:
Erleichterung der Eingliederung der Jugendlichen in das Erwerbsleben.
Ziel Nr. 5a: Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum durch Anpassung der Agrarstrukturen. Ziel Nr. 5b: Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum durch Erleichterung der Entwicklung und der Strukturanpassung der ländlichen Gebiete.
Ziel Nr. 1 sollte Regionen fördern, deren BIP je Einwohner unter 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts lag und wurde mit Mitteln aus allen drei Fonds unterstützt. Mit Ziel Nr. 2 sollten Regionen gefördert werden, die vom Strukturwandel v. a. in der Stahlindustrie betroffen waren. Mittel standen aus dem Regionalund dem Strukturfonds zur Verfügung. Ziel Nr. 3 und 4 sind typische Aufgaben des Sozialfonds, Ziel 5a dagegen des EAGFL, Ziel Nr. 5b wurde wieder von allen drei Strukturfonds unterstützt. Eine Bewertung der Effizienz der Strukturpolitik der Gemeinschaft erfolgt in Kapitel 6, A. Das Binnenmarktprogramm leistete auf jeden Fall einen überragenden Beitrag zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbsprinzips in der Gemeinschaft. Es ist ein Vgl. Oppermann, Thomas, 1987, S. 66 – 67. VO des Rates (EWG) Nr. 2052 / 88 vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Instrumente, ABl. Nr. L 185 / 9 vom 15. 07. 1988. 149 Vgl. VO Nr. 52 / 88 vom 24. Juni1988 Art. 1 u. Art. 8 ff. 147 148
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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echtes Deregulierungsprogramm, indem es die Märkte für die öffentlichen Ausschreibungen öffnet150 sowie Dienstleistungsmärkte für ausländische Mitbewerber erschließt, die bisher weitgehend abgeschottet waren. Insgesamt kam es durch die vollständige Abschaffung der Binnengrenzen zu einem schärferen Wettbewerb in fast allen Branchen.151 Im Bereich der Sozialpolitik brachte die EEA nach Einschätzungen Harbrechts keine wesentlichen Fortschritte: „Diese Maßnahmen [verstärkte Regionalpolitik und bessere Koordinierung der bestehenden Strukturfonds, R. D.] reichten jedoch nicht aus, um der Gefahr eines Sozialdumpings im zusammenwachsenden Europäischen Binnenmarkt durch die Mitgliedstaaten mit geringeren Sozialstandards und damit geringeren Produktionskosten und einer zunehmenden Gefährdung des sozialen Besitzstandes in den sozial fortschrittlicheren Mitgliedstaaten wirksam zu begegnen. Aus diesem Grunde einigten sich am 9. Dezember 1989 elf von zwölf Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates von Straßburg auf eine „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer“.152
III. Phase 3: Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und der Vertrag von Maastricht Nachdem das Binnenmarktprogramm eine konsequente Weiterführung des Gemeinsamen Marktes der Römischen Verträge darstellte und – wie beschrieben – der Fortschritt auf sozialem Gebiet dagegen eher gering war, regte sich die Forderung nach einer „sozialen Dimension“ für den Binnenmarkt. Diese Forderungen wurden durch die Tatsache untermauert, dass mittlerweile 12, teilweise in wirtschafts- und sozialverfasster Weise sehr unterschiedliche Länder die Gemeinschaft bildeten, was auch eine Kommissionsstudie bescheinigte.153 Daneben „drohte“ mit dem im „Delors-Ausschuss“ (vgl. Kap. 5) begonnenen Prozess nun die völlige 150 Vgl. Scherpenberg, Jens van: Ordnungspolitik im EG-Binnenmarkt: Auftrag für die politische Union, 1992, S. 117 – 146. 151 Vgl. Ehlermann, Claus-Dieter: Der Beitrag der Wettbewerbspolitik zum Europäischen Binnenmarkt, 1992, S. 5 – 7 und Industriepolitik aus europäischer Sicht, 1994 S. 109 – 110. Kritischer beurteilt allerdings Seidel die Umsetzung des Binnenmarktprogramms, v. a. das Prinzip der wechselseitigen Anerkennung, welches seiner Einschätzung nach dem Schutzanliegen nicht genüge leistet. Weitere Defizite sieht er etwa im Bereich des Arzneimittelmarktes, der Dienstleistungsfreiheit, der Umsatzsteuerharmonisierung und des Kapitalverkehrs. Seine gewagte Schlussfolgerung lautet: „Wenn der Binnenmarkt nicht weiterhin unvollendet bleiben will und die Währungsunion dadurch gefährdet, wird er Schritt für Schritt den Bundesstaat zwangsläufig herbeiführen“. Vgl. Nach Nizza und Stockholm: Stand des Binnenmarktes und Prioritäten für die Zukunft, 2003, S. 33 – 49. 152 Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 66. 153 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Vergleichende Studie über die Regelungen der Arbeitsbedingungen der Mitgliedstaaten vom 30. 06. 1989.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
wirtschaftliche Integration durch eine Währungsunion, ohne zusätzliche soziale Abfederung. Durch die „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer“ sollten verbindliche, einklagbare Mindestgrundrechte geschaffen werden, die ein Ausspielen der Arbeitnehmerrechte im grenzenlosen Binnenmarkt verhindern sollten und langfristig den Weg für soziale Mindeststandards in der EU setzen sollten.154 Die Charta wurde 1989 auf dem Gipfel von Straßburg als feierliche Erklärung verabschiedet. Sie besaß nur deklaratorischen Charakter, da sich Großbritannien nicht anschließen wollte und sie nicht unterzeichnete. Es handelte sich um einen rein politischen Akt, der einen Sockel sozialer Rechte auf höchster Ebene bekunden wollte155 und durch den öffentlich werden sollte, „dass bei der Durchführung der EEA die soziale Dimension vollauf berücksichtigt wird.“156 Die rechtliche Unverbindlichkeit der Charta verdeutlicht auch die Tatsache, dass sie nicht im Amtsblatt der Gemeinschaft, selbst nicht im Teil C, der für Bekanntmachungen vorgesehen ist, erschien.157 Inhaltlich finden sich in ihr soziale Grundrechte für Arbeitnehmer, wie die Rechte auf Freizügigkeit aller EG-Bürger, freie Berufswahl, gerechtes Arbeitsentgelt, bezahlten Urlaub, sozialen Schutz, Mindesteinkommen, Koalitionsfreiheit und Tarifverhandlungen, Berufsausbildung, Gleichbehandlung von Männern und Frauen, Mitwirkung, Gesundheitsschutz, angemessene Rente, Teilnahme von Behinderten am Arbeitsleben u. a. Diese Grundprinzipien einer europäischen Arbeits- und Sozialordnung orientieren sich dabei an den Vorstellungen über eine soziale Marktwirtschaft.158 Während der Regierungskonferenz über die Wirtschafts- und Währungsunion und Politische Union am 9. und 10. Dezember 1991 in Maastricht konnte man sich auf Grund des Vetos Großbritanniens nicht darauf einigen, die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer in die Primärtexte mit aufzunehmen. Deshalb gelangte sie „nur“ als Protokoll über die Sozialpolitik als Anhang in den Vertrag über die Europäische Union, der am 1. November1993 nach Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten in Kraft trat, nachdem bereits am 1. Januar 1993 der Binnenmarkt verwirklicht war. In dem Protokoll machen die Vertragsparteien darauf aufmerksam, dass „( . . . ) durch dieses Protokoll und das genannte Abkommen dieser Vertrag, insbesondere die Bestimmungen, welche die Sozialpolitik 154 Vgl. Maydell, Bernd von: Die Europäische Gemeinschaftscharta sozialer Grundrechte, 1990, S. 127. 155 Vgl. Kuhn, Heike: Die soziale Dimension der Europäischen Gemeinschaft, 1995, S. 51. 156 11. Erwägungsgrund der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer. 157 Vgl. Ringler, Jochen, 1997, S. 177. Die Charta findet sich als Kommissionsentwurf in KOM (89) 471 endg. Ein Vorentwurf findet sich in Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Nr. 5 – 1989, Ziff. 3.3.1. 158 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 67.
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betreffen und Bestandteil des gemeinsamen Besitzstandes sind, nicht berührt wird“.159 Allerdings machen sie in dem „Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik“ in Art. 1 deutlich, dass sie den Weg der Sozialcharta weitergehen und Organe, Verfahren und Mechanismen schaffen wollen, um die Förderung von Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen sozialen Schutz und Dialog und ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen.160 Die Unterzeichner mussten extra ein geändertes Abstimmungsprozedere und den Ausschluss Großbritanniens von den Kosten der auf dem Abkommen fußenden Richtlinien festlegen.161 Addison spricht über den Zeitraum, in dem Großbritannien sich von der europäischen sozialpolitischen Entwicklung abkoppelte, als „two-track social Europe“162, Dahrendorf vom „Europe à la carte“.163 In der Anwendung sollte die Kommission auf Basis des Subsidiaritätsprinzips Vorschläge für Rechtsakte erlassen, die ein Umsetzen der Charta ermöglichen.164 Daraufhin verabschiedete die Kommission 1989 eine sozialpolitisches Aktionsprogramm165, welches 47 Initiativen vorsah, die in 23 Rechtsakten münden sollten.166 Zehn Richtlinien zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wurden nach der eindeutigen Rechtsquelle Art. 118a EGV a. F. verabschiedet, zwei weitere nach Art. 100 EGV a. F.167 Die schleppende Umsetzung dürfte wohl an der mangelnden Einstimmigkeit im Rat und dem fehlenden politischen Willen, mit qualifizierter Mehrheit Rechtsakte zur Sozialpolitik zu erlassen, liegen.168 Neben dem Protokoll über die Sozialpolitik brachte der Vertrag von Maastricht noch einige Veränderungen: Der Aufgabenkatalog der Europäischen Union in Art. 3 EGV wurde verändert: Sah lit i) des EWG-Vertrages die Schaffung eines 159 Vgl. Protokoll über die Sozialpolitik, S. 83 in den von Thomas Läufer bearbeiteten Vertragstexten von Maastricht, 1996. 160 Ebd., S. 84 – 85. 161 Ebd., S. 83 – 84. Interessanterweise ist das Vereinigte Königreich aber nicht von den Verwaltungskosten befreit. 162 Addison, John: Is Community Social Policy beneficial, irrelevant, or harmful to the Labor Market Performance of the European Union?, 2001, S. 4. 163 Zu diesem neuen Integrationsmodell, v. a. seiner Vereinbarkeit mit dem aquis communautaire vgl. Kliemann, Anette: Die europäische Sozialintegration nach Maastricht, 1997, S. 193 – 274. 164 Mit Subsidiaritätsprinzip ist in diesem Fall auch der Vorrang des EU-Vertrages vor dem „Elferabkommen“ zu verstehen. Dazu ausführlich: Konzen, Horst: Der Europäische Einfluss auf das deutsche Arbeitsrecht nach dem Vertrag über die Europäische Union, 1996, S. 64. 165 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Sozialpolitisches Aktionsprogramm, 1989. 166 Ausführlich dokumentiert in: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Soziale Gemeinschaftspolitik, 1992, S. 8 ff. 167 Vgl. Eichenhofer, Eberhard: Das Europäische Sozialrecht, 1992, S. 7 – 8. 168 Vgl. Ringler, 1997, S. 181.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Europäischen Sozialfonds vor, so ist nun in lit i) von einer „Sozialpolitik mit einem Europäischen Sozialfonds“ die Rede. Als neue Aufgaben bestimmte der EGV in lit j), k), o) und s) die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes, eine Umweltpolitik sowie eine Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik. Der Titel Sozialpolitik wurde um das Kapitel 3 „Allgemeine und berufliche Bildung und Jugend“ ergänzt (Art. 126, 127 EGV a. F.), der über den Europäischen Sozialfonds finanziert werden sollte. Damit ist aber nach Harbrecht keine Kompetenzerweiterung im Bereich einer gemeinsamen Sozialpolitik verbunden.169 Auch Clever teilt sein Urteil, dass der Vertrag von Maastricht kaum substanzielle Schritte im Bereich einer gemeinsamen Sozialpolitik gemacht hat und auch in diesem Bereich dem Prinzip der Subsidiarität konsequent folgt.170 Allerdings ist durch die währungspolitischen Beschlüsse des Maastricht-Vertrages indirekt der Handlungsdruck für mehr gemeinschaftliche Sozialpolitik entstanden: Da unterschiedliche Produktivitätsentwicklungen nicht mehr über eine Abwertung gelindert werden können, muss dies durch eine Verbilligung insbesondere der Arbeit geschehen. Ungleichgewichte, die innerhalb der EU entstehen oder manifestiert werden, müssen durch die EU selbst ausgeglichen werden, mit allen auch sozialen Problemen, die sich etwa an der Bewältigung der deutschen Währungsunion nachvollziehen lassen.171 Des Weiteren gab es auch noch Neuerungen im Bereich der Strukturpolitik: Auf Drängen Spaniens wurde die Errichtung eines sogenannten Kohäsionsfonds beschlossen (Art. 130 lit. d) II EGV a. F.), der Vorhaben in den Bereichen transeuropäische Netze, Verkehrsin- frastruktur172 und Umwelt173 mitfinanzieren sollte. In einem weiteren Protokoll zum EU-Vertrag, dem Protokoll über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, wurde festgelegt, dass die Mittel aus dem Kohäsionsfonds für oben genannte Zwecke den Mitgliedstaaten zu Gute kommen sollten, deren PKE weniger als 90% des Gemeinschafts-PKEs ausmacht. Ebenso wurde festgelegt, dass „die Notwendigkeit einer gründlichen Überprüfung der Tätigkeit und Wirksamkeit der Strukturfonds im Jahr 1992 und ( . . . ) welchen Umfang diese Fonds in Anbetracht der Gemeinschaftsaufgaben im Bereich wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt haben sollten“174 besteht. Dabei kam es zu einer deutlichen Aufstockung der Strukturfonds; stieg der Anteil der Strukturfonds am Gemeinschaftshaushalt 1987 bis 1992 bereits von 17,8% 169 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 69. 170 Vgl. Clever, Peter: Perspektiven Europäischer Sozialpolitik nach dem Maastrichter Vertrag, 1994, S. 13. 171 Vgl. Däubler, Wolfgang: Wie weit soll die Sozialunion gehen?, 1994, S. 118 – 119. 172 Vgl. Art. 129 lit. b) und 129 lit. c) I 3. Spstr. EGV a. F. 173 Vgl. 130 lit. r) V 2. Spstr. EGV a. F. 174 Vgl. Protokoll über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, S. 89 – 91 in den von Thomas Läufer bearbeiteten Vertragstexten von Maastricht, 1996.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
55
auf 28%, wurde er von 1993 bis 1999 auf 33% ausgedehnt.175 Bei der Reform der Strukturfonds, die 1993 in Kraft trat, wurden die Ziele Nr. 3 und Nr. 4 zusammengefasst und ein neues Ziel Nr. 4 formuliert, welches der Formulierung im neu geschaffenen Art. 123 EGV a. F.: „( . . . ) die Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse und an die Veränderungen der Produktionssysteme insbesondere durch berufliche Bildung und Umschulung zu erleichtern“ entspricht. Daneben wurde ein neuer Fischereifonds eingerichtet, der den Strukturwandel in Regionen mit hohem Fischereianteil lindern sollte.176 Das Zielsystem der EG-Strukturfonds nach der Reform 1993177 Ziel Nr. 1:
Förderung der Entwicklung und strukturelle Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand.
Ziel Nr. 2:
Umstellung der Regionen, Grenzregionen oder Teilregionen, die von der rückläufigen industriellen Entwicklung schwer betroffen sind.
Ziel Nr. 3:
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und Erleichterung der Eingliederung der Jugendlichen und der vom Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt bedrohten Personen in das Erwerbsleben.
Ziel Nr. 4:
Erleichterung der Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse und an die Veränderungen der Produktionssysteme.
Ziel Nr. 5a: Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum durch Anpassung der Agrarstrukturen. Ziel Nr. 5b: Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum durch Erleichterung der Entwicklung und der Strukturanpassung der ländlichen Gebiete. Ziel Nr. 6
Entwicklung und strukturelle Anpassung der Regionen mit extrem niedriger Bevölkerungsdichte.
Neben dieser Anpassung der Zielregionen legte die Kommission noch ein Grünbuch über die Europäische Sozialpolitik vor, in dem sie die Arbeitslosigkeit vor allem als Strukturproblem erkennt. Stärker differenzierte Löhne, eine Senkung und gezielterer Einsatz sozialer Leistungen werden als Mittel gesehen, für mehr Beschäftigung zu sorgen.178 Da ein Sozialdumping aber vermieden werden soll, stellt die Kommission fest, dass wirtschaftliche Entwicklung und sozialer Fortschritt Hand in Hand gehen sollten.179 Ende 1993 legte die Kommission auch ihr 175 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The European Social Fund. An Overview over the Programming Period 1994 – 1999, 1998, S. 24. 176 Vgl. VO Nr. 2080 / 93 vom 20. 07. 1993. 177 Vgl. VO Nr. 2081 / 93 vom 20. 07. 1993, Art. (1). 178 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Grünbuch über die Europäische Sozialpolitik, Weichenstellung für die Europäische Union, 1993, S. 33 ff. 179 Ebd., S. 48.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Weißbuch „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung – Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert“180 vor. Es ist ordnungspolitisch sehr ambivalent. Bereits in der Einleitung betont auch die Kommission, dass es kein Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit gebe, weder Protektionismus noch extrem expansive Fiskalpolitik, weder allgemeine Arbeitszeitverkürzung noch drastische Einschnitte in Löhne oder soziale Errungenschaften.181 Die dann aufgezeigten Lösungswege der Kommission sind vielfältig, doch überwiegen die eher am Markt orientierten Vorschläge. So erkennt die Kommission das Problem der hohen Sozialabgaben und schlägt eine CO2 / Energiesteuer oder eine Quellensteuer als Kompensation für deren Senkung vor.182 Oberstes Ziel muss es sein, die Beschäftigungsintensität (als Differenz zwischen Beschäftigungs- und Produktionszuwachs) in der EU zu steigern, um mehr Menschen bei geringem Wachstum zusätzlich einen Arbeitsplatz zu geben. Hier sollte auch der Ansatzpunkt für die Strukturpolitik der EU liegen183, besondere Zielgruppen, die schwer in den Arbeitsmarkt integrierbar sind, besonders nach Ziel Nr. 3 des Europäischen Sozialfonds zu fördern.184 Des Weiteren macht die Kommission Vorschläge zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.185 Ein „neu-keynesianisch anmutendes Zukunftsprogramm“186 entwirft die Kommission allerdings in Kapitel 3 des Weißbuchs über Transeuropäische Netze, für die sie bis 1999 222 Mrd. ECU ausgeben wollte.187 Dies steht in engem Zusammenhang mit der durch französischen Druck erreichten Aufnahme der Bestimmungen über Industriepolitik in den EU-Vertrag in Art. 130 EGV a. F.188 180 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung – Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21 Jahrhundert, Weißbuch, 1993. 181 Ebd., S. 9. 182 Ebd., S. 20. 183 Ebd., S. 49 – 51, 54 – 56. 184 Ebd., S. 148 – 150. 185 Ebd., S. 63 – 81. 186 Schmid, Günther: Europas Arbeitmärkte im Wandel: Institutionelle Integration oder Vielfalt?, 1995, S. 258. 187 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung – Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, Weißbuch, 1993, S. 85. 188 Die Entstehungsgeschichte des Titels über Industriepolitik im Maastrichtvertrag zeigt einmal mehr die unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten über die staatlichen Interventionsbefugnisse in die Wirtschaft. Noch in der Schlusserklärung des zweiten Gipfels von Rom 1990, der die Verhandlungsbasis für die Konferenz über die Politische Union bildete, fanden sich keine Bestimmungen über Industriepolitik. Anfang 1991 brachte die belgische Delegation ein Arbeitsdokument ein, welches schon auf der Ebene der Botschafter verworfen wurde, weil es als zu dirigistisch galt. Im Juni, zwei Tage nach ihrem Amtsantritt als französische Regierungschefin, brachte Edith Cresson einen neuen Vertragsentwurf ein, auf den die jetzige Vorschrift zurückgeht. In einem internen EG Non-Paper heißt es dazu: „Der französische Vorschlag würde die ökonomische Philosophie der Europäischen Verträge
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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Abwägend kann man aber mit van Suntum feststellen, dass die Kommission vornehmlich von der Einsicht gelenkt war, „dass ein großer Teil der Beschäftigungsprobleme nicht etwa einem Zuviel an Markt und Wettbewerb, sondern einem Zuviel an staatlichen Eingriffen und scheinbaren sozialpolitischen Errungenschaften zuzurechnen ist“.189 Dagegen legt das Weißbuch der Kommission über Sozialpolitik190, welches im Juli 1994 verabschiedet wurde, wieder mehr Wert auf ein hohes soziales Schutzniveau. Sozialer Schutz sei eben zuvorderst kein Kostenfaktor, sondern erhöhe die Wettbewerbsstärke der Union.191 So bleibt die Kommission in ihrer Beschäftigungsstrategie sehr widersprüchlich, was auch das Europäische Parlament in einer Entschließung feststellt.192 Der Europäische Rat von Essen formulierte im Dezember 1994 Ziele für die Beschäftigungspolitik, welche mit den schon durchgeführten Reformen des Sozialfonds übereinstimmten: Durch höhere Investitionen in die Aus- und Weiterbildung, flexiblere Arbeitsorganisation, moderate Lohnabschlüsse, gesenkte Lohnnebenkosten, aber auch Unterstützung von Zukunftsindustrien, Problemgruppen im Arbeitsmarkt und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik sollte das Wachstum beschäftigungsintensiver werden.193 Nach weiteren Gipfeltreffen zum Thema Beschäftigung folgte durch die im Maastricht Vertrag in Art. N II EUV a. F. bereits vorgesehene Revisionskonferenz194 die nächste Phase in der europäischen Sozial- und Beschäftigungspolitik. fundamental ändern ( . . . ) und eine Abkehr von der gegenwärtigen Außenhandelspolitik bedeuten.“ Die Bundesregierung leistete zwar Widerstand, gab diesen jedoch um des europapolitischen Friedens willen auf, schaffte es aber, einige Kautelen (Vorsichtsmaßregeln) in den Text einzubauen. So heißt es nun in Art. 3a EGV, dass zu den Tätigkeiten der Gemeinschaft eine Wirtschaftspolitik gehört, die „( . . . ) dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.“ Außerdem ist für Rechtsakte, die auf Art 130 EGV a. F. basieren, Einstimmigkeit erforderlich. Vgl. dazu Cloos, Jim / Reinesch, Gaston / Vignes, Daniel / Weyland, Joseph: Le Traité de Maastricht – Genèse, Analyse, Commentaires, 1993, 73 – 75 und Möschel, Wernhard: EG-Industriepolitik nach Maastricht, 1992, S. 709, Starbatty, Joachim: Artikel 130: Wendemarke der Ordnungspolitik, 1994, S. 13. 189 van Suntum, Ulrich: Hohe Arbeitslosigkeit in den Industrieländern – Was sagen die Ökonomen?, 1995, S. 12. 190 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Europäische Sozialpolitik – Ein zukunftsweisender Weg für die Union, Weißbuch, 1994. 191 Ebd., S. 14. 192 Vgl. Europäisches Parlament: Entschließung zu den Auswirkungen des Prozesses der Errichtung der Währungsunion auf die Sozialpolitik und zur Beschäftigung in Europa, 1994. 193 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Essen, 9. – 10. Dezember 1996, die mit dem Kapitel 1: „Verbesserung der Beschäftigungslage“ beginnen. 194 Zum Reformbedarf der Verträge vgl. Schmuck, Otto: Die Regierungskonferenz 1996 / 1997: Reformbedarf, Rechtsgrundlagen, Tagesordnung, Erwartungen, 1996, S. 9 – 21. Alle wichtigen Dokumente, Grundlagentexte und Positionen der Regierungen finden sich in: Jopp, Mathias / Schmuck, Otto: Die Reform der Europäischen Union, Analysen – Positionen – Dokumente zur Regierungskonferenz 1996 / 1997, 1996, S. 101 – 250.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
IV. Phase 4: Vertrag von Amsterdam und Europäische Beschäftigungsstrategie Die Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Verträge wurde am 29. März 1996 in Turin eröffnet und am 16. Juni 1997 in Amsterdam beendet. Der Vertrag wurde am 2. Oktober 1997 unterzeichnet und trat nach der Ratifikation in den Mitgliedstaaten am 01. Mai 1999 in Kraft. Dabei kam es zu einigen Fortschritten, v. a. der Aufnahme des Abkommens über die Sozialpolitik in die Verträge. Die Ziele des Art. 1 des Abkommens werden nun in Art. 136 I EGV195 genannt: – Förderung der Beschäftigung, – Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, – angemessener sozialer Schutz, – sozialer Dialog, – Entwicklung des Arbeitskräftepotentials im Hinblick auf dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau, – Begrenzung von Ausgrenzung.
Nach Art. 137 I EGV (ehemals Artikel 2 des Abkommens) kann die Gemeinschaft deshalb auf den Gebieten – der Arbeitsumwelt und des Gesundheitsschutzes, – der Arbeitsbedingungen, – Anhörung der Arbeitnehmer, – Eingliederungsmaßnahmen und – Chancengleichheit
tätig werden. Dabei kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit Mindestvorschriften erlassen, die allerdings nicht dazu führen, dass die Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen gefährdet wird (Art. 137 II EGV). Das Einstimmigkeitsdiktat des Art. 2 III des Abkommens über die Sozialpolitik in den Bereichen: – soziale Sicherheit und sozialer Schutz der Arbeitnehmer, – Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages, – Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, – Beschäftigungsbedingungen von Drittstaatlern, 195 Die hier genannten Formulierungen des Art. 136 und 137 EGV entsprechen – dem historischen Phasenprozess folgend – jenen in der Version des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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– finanzielle Beiträge zur Förderung der Beschäftigung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen, und zwar unbeschadet der Bestimmungen der Sozialfonds – bleibt im neuen Art. 137 III aber bestehen.
Dass das Protokoll über die Sozialpolitik und das darin integrierte Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik aber überhaupt Vertragsbestandteil des EGV wurde, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass im Mai 1997 die Labour-Partei in Großbritannien die Unterhauswahlen gewann. Denn noch in einem Weißbuch der britischen Regierung vom 21. März 1996 heißt es: Es ist kein Geheimnis, dass andere Mitgliedstaaten auf der Regierungskonferenz den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus dem Sozialprotokoll gerne rückgängig gemacht sähen. Die Position der Regierung ist jedoch wohlbekannt und ebenso unverändert. Wir sind nicht bereit, das in Maastricht erarbeitete Sozialprotokoll zu akzeptieren.196
Neben der Aufnahme des Sozialprotokolls in Art. 136 ff. EGV wurde der Zielkanon der EU um die Gleichstellung von Männern und Frauen und um das Ziel einer hohen Wettbewerbsfähigkeit erweitert. Der Tätigkeitsbereich Gemeinschaft umfasst nun nach Art. 3 I lit i) EGV auch „die Förderung der Koordinierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Verstärkung ihrer Wirksamkeit durch die Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungsstrategie.“ Deshalb wurde auf Drängen Frankreichs197 auch ein Beschäftigungskapitel in den Vertrag eingeführt: „Die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft arbeiten nach diesem Titel auf die Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungsstrategie und insbesondere auf die Förderung der Qualifizierung, Ausbildung und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer sowie der Fähigkeit der Arbeitsmärkte hin, auf die Erfordernisse des wirtschaftlichen Wandels zu reagieren ( . . . ).“ Somit verweist der neue Art. 125 EGV sofort den Weg zu dem Europäischen Sozialfonds als Hauptinstrument der Beschäftigungspolitik der EU. Als Finanzierungsinstrumente der Gemeinschaft zur Unterstützung der Politiken nannte schon der durch die EEA geschaffene Art. 130b EWGV die Strukturfonds, die Abteilung Ausrichtung des Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Europäischer Sozialfonds und Europäischer Fonds für regionale Entwicklung. Dies geschieht nun in Art. 159 EGV. Allerdings begründet der Vertrag von Amsterdam keine eigenständige Kompetenz der Europäischen Union in der Beschäftigungspolitik, sondern sie unterstützt die Mitgliedstaaten und fördert die Zusammenarbeit unter ihnen.198 196 Weißbuch der britischen Regierung: „Eine Partnerschaft von Nationen“, 21. März 1996, in Auszügen übersetzt in: Jopp, Mathias / Schmuck, Otto (Hrsg.): Die Reform der Europäischen Union, 1996, S. 169 – 176. 197 Vgl. Regierungserklärung des französischen Europaministers vom 13. März 1996, in Auszügen übersetzt in: Jopp, Mathias / Schmuck, Otto, 1996, S. 150 – 155. 198 Vgl. Meinhardt, Volker / Seidel, Bernhard: Beschäftigungs- und Sozialpolitik, 1998, S. 129 – 130.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Bereits auf dem Gipfel von Amsterdam wurde eine Sondertagung des Rates zum einzigen Thema Beschäftigung angekündigt. Am 21. und 22. November 1997 fand diese Sondertagung in Luxemburg statt.199 Dort wurden beschäftigungspolitische Leitlinien diskutiert und nach dem Verfahren gemäß Art. 128 II EGV von der Kommission vorgeschlagen und vom Rat am 15. Dezember1997 angenommen.200 Die Kommission selbst spricht von der Geburtsstunde der Europäischen Beschäftigungsstrategie.201 Dabei lassen sich die 19 Leitlinien in – Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, – Entwicklung des Unternehmergeistes, – Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer, – Stärkung der Maßnahmen für Chancengleichheit,
zusammenfassen.202 Die Ziele und Maßnahmen bleiben aber relativ unbestimmt. Es werden keine „arbeitsmarktpolitischen Konvergenzkriterien“ aufgestellt, wie das etwa das Europäische Parlament im Vorfeld forderte.203 Die Umsetzung der Leitlinien erfolgte in dem Sozialpolitischen Aktionsprogramm 1998 – 2000204, welches die Kommission am 29. April 1998 vorlegte. Neben der Festlegung der Sozialpolitik in der Zeit des Entstehens der Wirtschafts- und Währungsunion wollte die Kommission die neu geschaffene Beschäftigungspolitik des Amsterdam-Vertrages mit der bestehenden Sozialpolitik verknüpfen.205 Auf dem Ratsgipfel in Wien 1998 legte der Rat den Grundstein für den Europäischen Beschäftigungspakt. Der Europäische Sozialfonds sollte die europäische Beschäftigungsstrategie unterstützen und so die Synergien zwischen dem Europäischen Sozialfonds und nationalen Aktionsplänen herstellen.206 Dies mündete in den Beschäftigungspakt des Kölner Gipfels vom Juni 1999, der als Ergebnisse 1. die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und Verbesserung der Abstimmung von Lohnentwicklung, Geld-, Haushalts- und Finanzpolitik durch einen makro199 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates der Sondertagung des Rates über Beschäftigungsfragen von Luxemburg, 21. / 22. November 1997. 200 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Beschäftigungspolitische Leitlinien für 1998, 1997. 201 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Europäische Beschäftigungsstrategie, 2002. 202 Vgl. Meinhardt, Volker / Seidel, Bernhard: Beschäftigungs- und Sozialpolitik, 2000, S. 132 – 133. 203 Vgl. Europäisches Parlament, ABl. (EG) C 339 vom 10. November 1997. 204 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Sozialpolitisches Aktionsprogramm 1998 – 2000, 1998. 205 Vgl. Meinhardt, Volker: Sozialpolitik, 2000, S. 332. 206 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Gemeinschaftspolitiken zur Förderung der Beschäftigung, 1999, S. 13.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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ökonomischen Dialog aus Rat, Kommission, Europäischer Zentralbank und den europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, 2. die Weiterentwicklung und bessere Umsetzung der koordinierten Beschäftigungsstrategie zur Verbesserung der Effizienz der Arbeitsmärkte (beschlossen auf dem Luxemburger Gipfel 1997), 3. die strukturelle Reform und Modernisierung zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit und der Effizienz der Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalmärkte (beschlossen auf dem Cardiff-Gipfel207) vorsah, die in Punkt 7 der Schlusserklärung von Köln auch mit „Köln-Prozess“ (makroökonomischer Dialog), „Luxemburg-Prozess“ (Europäische Beschäftigungsstrategie) und „Cardiff-Prozess“ (strukturelle Reformen) als die Kernelemente des Europäischen Beschäftigungspaktes beschrieben werden.208 Davor wurde bereits im März 1999 die sogenannte „Agenda 2000“ und damit auch die Reform der Strukturfonds beschlossen, um die Mittel besser zu konzentrieren, die Verfahren zu vereinfachen und damit die Effizienz zu steigern. Die Mittel sollen zugunsten der am stärksten benachteiligten Regionen und Bevölkerungsgruppen konzentriert werden.209 Die Darstellung dieser bisher letzten Reform der Strukturpolitik und die Bewertung deren Effizienz erfolgt im zweiten Teil dieser Arbeit in Kapitel 6, A.
V. Phase 5: Lissabon-Strategie und Vertrag von Nizza Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit spielt auch weiterhin die zentrale Rolle in der Politik der Union. Auf dem Beschäftigungsgipfel in Lissabon am 23. und 24. März 2000 wurden die Kommission und die Mitgliedstaaten aufgefordert, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Beschlüsse zu einer technologischen Erneuerung Europas umzusetzen. Dies soll durch staatliche Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur, einer weiteren Liberalisierung der Märkte und einer Reform der sozialen Sicherungssysteme geschehen. Der Rat setzte in Lissabon für die Europäische Union ein neues strategisches Ziel für das nächste Jahrzehnt fest: der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt zu werden, fähig zu nachhaltigem wirtschaftlichen Wachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und größerem sozialen Zusammenhalt. Die Strategie wurde entworfen, um die Union zu befähigen, die 207 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Cardiff, 15. / 16. Juni 1998, dessen III. Kapitel mit „Wirtschaftliche Reform und gesunde öffentliche Finanzen als Grundlagen für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung“ überschrieben ist. 208 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Köln, 03. / 04. 06. 1999, 7. Erwägungsgrund. 209 Vgl. Seidel, Bernhard: Regional-, Struktur-, und Kohäsionspolitik, 2002, S. 325.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Bedingungen für Vollbeschäftigung und verstärkten Zusammenhalt bis 2010 herzustellen.210 Im 30. Erwägungsgrund der Schlussfolgerungen des Vorsitzes erklärt der Europäische Rat, dass das übergeordnete Ziel ( . . . ) darin bestehen sollte, ausgehend von den verfügbaren Statistiken die Beschäftigungsquote von heute durchschnittlich 61 % bis 2010 möglichst nahe an 70 % heranzuführen und die Beschäftigungsquote der Frauen von heute durchschnittlich 51 % bis 2010 auf über 60 % anzuheben. Die Mitgliedstaaten sollten, jeweils unter Berücksichtigung ihrer Ausgangslage, die Festlegung nationaler Ziele für die Steigerung der Beschäftigungsquote prüfen. Dies wird zu einer Zunahme der Erwerbsbevölkerung führen und dadurch die langfristige Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme stärken.211
Auf die Vorgabe von konkret anzustrebenden Arbeitslosenraten konnte man sich allerdings nicht einigen. Von nun an sollte jedes Frühjahr ein Beschäftigungsgipfel stattfinden und so die koordinierte Beschäftigungsstrategie des „Luxemburg-Prozesses“ fortsetzen.212 Die vom Europäischen Rat von Lissabon geforderte Anwendung einer neuen „offenen Methode der Koordinierung“213, die auf Art. 128 EGV basiert, ist auf fünf Schlüsselelemente gegründet: – Subsidiarität: Diese Methode bildet ein Gleichgewicht zwischen der Koordinierung auf der Ebene der Europäischen Union bei der Festlegung von gemeinsamen Zielen und den Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über den ausführlichen Inhalt der Aktion. Die Festlegung der Mittel und der Bedingungen, zu denen Programme und Maßnahmen durchgeführt werden, wird größtenteils den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, die nach dem EU-Vertrag für ihre Beschäftigungspolitik verantwortlich sind. – Konvergenz: Gemeint ist das Streben nach gemeinsam vereinbarten Beschäftigungsergebnissen durch die konzertierte Aktion. – Führen nach Zielen: Der Erfolg der Strategie hängt ab von der Nutzung quantifizierter Messungen, Ziele und Benchmarks, die eine präzise Beobachtung und Bewertung von Fortschritten ermöglichen. Diese Ziele basieren auf den gemeinsamen Werten der Mitgliedstaaten und umfassen Fragen, die von gemeinsamem Interesse sind. Fortschritte in Richtung der gemeinsamen Ziele werden mit quantitativen oder qualitativen Indikatoren gemessen. Durch die Nutzung von Zielen 210 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die EBS: ein zentraler Bestandteil der Lissabon-Strategie, 2003, S. 1. 211 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Lissabon, 23. / 24. März 2000, 30. Erwägungsgrund. 212 Vgl. Meinhardt, Volker / Seidel, Bernhard: Beschäftigungs- und Sozialpolitik, 2000, S. 132 – 133. 213 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission zur Straffung der alljährlichen Wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Koordinierung, 2002, 2. Erwägungsgrund.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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und Indikatoren werden die Ergebnisse der Politiken transparent gemacht und sind deshalb offen für Bewertung durch die Öffentlichkeit. – Länderüberwachung: Der jährliche Berichterstattungsprozess führt zu Wirkungsbewertung und Vergleich erreichter Fortschritte und damit zur Identifizierung möglicher guter Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten. Dies lässt einen Druck zur Verbesserung von Qualität und Wirksamkeit von Politik entstehen. – Ein integriertes Konzept: Die Beschäftigungsleitlinien beschränken sich keinesfalls nur auf die traditionelle aktive Arbeitsmarktpolitik. Sie beziehen sich auch auf Sozial-, Bildungs-, Steuer-, Unternehmens- und Regionalpolitik. Das heißt, dass Ergebnisse bei strukturellen Reformen nicht nur von einzelnen Aktionen oder Maßnahmen erzielt werden können, sondern konsequente und konzertierte Aktionen in vielen verschiedenen Politikbereichen erforderlich sind, sowie Maßnahmen, die außerdem an die verschiedenen Bedürfnisse und Bedingungen angepasst sein müssen. Es bedeutet auch, dass der Luxemburger Prozess nicht nur den Ministerien für Arbeit und Beschäftigung „gehört“, sondern vielmehr ein Prozess ist, der Regierungen als Ganzes und auch eine Vielzahl anderer Akteure verpflichtet.214
Der Rat von Stockholm 2001 legte als Zwischenziele bis zum Januar 2005 die Beschäftigungsquote auf insgesamt 67 % – in der weiblichen Bevölkerung auf 57 % – fest und als neues Ziel für ältere Männer und Frauen (zwischen 55 und 64) bis 2010 auf 50 %.215 Ferner erkennt der Rat noch bestehende Mobilitätshemmnisse und schlägt eine weitergehende Anerkennung von Qualifikationen, leichtere Wechsel in den Sozialsystemen sowie ein europaweites Stellenausschreibungsprogramm vor und fordert nationale Aktionspläne zur Mobilität.216 Die ordnungspolitische Ambiguität der sozialpolitischen Konzeption der Europäischen Union zeigt sich im 25. Erwägungsgrund: Gut konzipierte und funktionierende soziale Sicherungssysteme sollten als produktive Faktoren angesehen werden, indem sie Sicherheit inmitten des Wandels bieten. Dies erfordert eine ständige Modernisierung des Europäischen Sozialmodells auf der Grundlage der in Nizza angenommenen Europäischen Sozialagenda, die den Rahmen für sozialpolitische Maßnahmen in den nächsten fünf Jahren bildet.217
Vertrag von Nizza Neben der Annahme der „Sozialpolitischen Agenda“218, die in Punkt 2.2 den Ausbau der Humanressourcen, insbesondere durch verbesserte Qualifikationen Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: EBS- Einführung, 2003, S. 1 – 2. Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Stockholm, 23., 24. März 2001, 9. Erwägungsgrund. 216 Ebd., 12. – 15. Erwägungsgrund. 217 Ebd., 25. Erwägungsgrund. 218 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Sozialpolitische Agenda, 2000. 214 215
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
und lebenslanges Lernen, in den Mittelpunkt stellt, um wettbewerbsfähig in einer wissensbasierten Wirtschaft zu bleiben219, brachte der Vertrag von Nizza, der am 7. / 11. Dezember 2000 von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet, am 26. Februar 2001 unterzeichnet wurde und nach dem zweiten irischen Referendum am 01. Februar 2003 in Kraft treten konnte, noch weitere Neuerungen im Bereich der Sozialpolitik: Die Grundrechtecharta wurde durch die Ratspräsidentschaft, die EP-Präsidentin und den Kommissionspräsidenten öffentlich unterzeichnet und feierlich proklamiert. Allerdings konnte auf der Regierungskonferenz nicht durchgesetzt werden, die Charta in den Vertrag mit aufzunehmen und ihr damit eindeutige rechtliche Bindungswirkung zu verleihen. So ist sie zunächst nur als Selbstbindung der EU-Organe an die dort verankerten Grundrechte und Grundfreiheiten zu verstehen.220 Art. 15 der Grundrechtecharta gewährt jeder Person das Recht zu arbeiten und einen frei gewählten Beruf auszuüben und sich in jedem Mitgliedstaat eine Arbeit zu suchen. Im Kapitel IV der Grundrechtecharta, welches mit „Solidarität“ überschrieben ist, werden Grundrechte der Arbeitnehmer und weitere soziale Rechte verankert. Gerade diese Passagen verhinderten im Besonderen die Zustimmung aller Staats- und Regierungschefs zur Aufnahme der Charta in den Vertrag von Nizza. Großbritannien und Irland drohten sogar ursprünglich mit völliger Ablehnung, sollten soziale Rechte wie das Streikrecht aufgenommen werden.221 Übersicht über die Art. 27 – 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 27 gewährt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht. Art. 28 gewährt positives und negatives Koalitionsrecht. Art. 29 gewährt unentgeltlichen Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst. Art. 30 schützt vor ungerechtfertigter Entlassung. Art. 31 regelt Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Arbeits- und Ruhezeiten. Art. 32 verbietet Kinderarbeit und regelt Arbeitsbedingungen für Jugendliche. Art. 33 gewährt den Schutz der Familie und Mutterschutz. Ebd., S. 12. Vgl. Einführung in den Vertrag von Nizza, S. 17 in der von Thomas Läufer bearbeiteten Version des Vertrages von Nizza, 2002. Schachtschneider sieht in dem undemokratischen Zustandekommen der Grund- rechtecharta durch einen vertraglich und demokratisch nicht legitimierten Konvent, an dessen Spitze Roman Herzog stand, ein „Oktroi“. Die Charta versuche den Prozess einer Verfassungsgesetzgebung voranzutreiben, ohne dass die Bürger Europas dazu befragt worden sind. Vgl. Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, 2001, S. 16 – 29. 221 Vgl. Bossi, Tania: Die Grundrechtecharta – Wertekanon für die Europäische Union, 2001, S. 224. Der britische Unternehmerverband CBI sieht sogar „das Ende der wirtschaftlichen Liberalisierung Europas“ gekommen. Vgl. o. V.: Europe’s rights, 2000, S. 14. 219 220
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Art. 34 gewährt in Abs. (1) das Recht auf den Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit in Fällen der Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit, Alter und Verlust des Arbeitsplatzes nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. In Abs. (2) gewährt sie Personen, die in der Union rechtmäßig ihren Wohnsitz ändern, das Recht auf Leistungen der sozialen Sicherheit. Abs. (3) erkennt das Recht auf soziale Unterstützung und eine Wohnung an, um soziale Ausgrenzung und Armut zu bekämpfen. Art. 35 gewährt das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und ärztlicher Versorgung. Art. 36 anerkennt den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Art. 37 fordert ein hohes Umweltschutzniveau und nachhaltige Entwicklung. Art. 38 verpflichtet die Politiken der Union auf ein hohes Verbraucherschutzniveau.
Neben den sozialen Grundrechten, die noch keine einklagbaren Rechte für die Bürger der Union bereitstellen222, sollte durch die Vertragsrevision von Nizza die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit auf alle Bereiche im Bereich der Sozialpolitik ausgedehnt werden. Allerdings gelang dies nur sehr unzureichend. Allein die im neuen Art. 13 EGV festgelegte Möglichkeit nach einstimmigen Rahmenbeschlüssen im Rat im Bereich Bekämpfung von Diskriminierung Mehrheitsbeschlüsse zu erlauben, wird dem ursprünglichen Vorhaben nicht gerecht.223 Zusätzlich kann über Art. 144 EGV der Rat einen beratenden Ausschuss für Sozialschutz einsetzen, der die Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten im Bereich des Sozialschutzes verbessern soll. Da im Vertrag kein Verfahren genannt ist, entscheidet der Rat nach Art. 205 I EGV mit der Mehrheit seiner Mitglieder.224 Der Nizza-Vertrag schaffte also eine Übertragung in die Mehrheitsentscheidung nur durch eine Ausdehnung der einschränkenden Bedingungen dieser Einzelfallermächtigung. Zu einer generellen Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Bereich der Sozialpolitik konnte sich die Regierungskonferenz nicht durchringen. Dagegen wurden die möglichen spezifischen Aktionen der Strukturpolitik, die außerhalb der Strukturfonds liegen, nach Art. 159 III EGV in das Verfahren der Mehrheitsentscheidung des Art. 251 EGV überführt.225 Die in Nizza verabschiedete Europäische Sozialagenda sah eine Wirkungsbewertung der Erfahrung aus fünf Jahren Europäischer Beschäftigungsstrategie 222 Über die unterschiedlichen Auffassungen Großbritanniens, den EU-Organen und der Notwendigkeit eines „Post-Nizza-Prozesses“ aus deutscher Sicht vgl. Bossi, S. 233 – 238. 223 Vgl. Tannous, Isabelle: Sozialpolitik, 2002, S. 330. 224 Vor dem Vertrag von Nizza konnte der Rat der Kommission nur mit Einstimmigkeit Aufgaben zur Durchführung gemeinsamer Maßnahmen, insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit von Wanderarbeitnehmern, übertragen. 225 Vgl. Giering, Claus: Die institutionellen Reformen von Nizza – Anforderungen, Ergebnisse, Konsequenzen, 2001, S. 93 – 94.
5 Deinzer
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
vor.226 Diese Bewertung wurde gemeinsam von der Kommission und den Mitgliedstaaten ausgearbeitet. Die Mitgliedstaaten erstellten ihre nationalen Bewertungsprojekte, die Kommission fügte eine makroökonomische Analyse und eine Gesamtanalyse der nationalen Berichte hinzu, die in einem Synthesebericht227 auf der Grundlage eines technischen Hintergrundpapiers228 zusammengefasst wurden. Die Ergebnisse der Bewertung der Kommission sind in einer Mitteilung229 festgehalten worden, die am 17. Juli 2002 verabschiedet wurde. Dabei zieht die Kommission eine überwiegend positive Bilanz, die Arbeitslosigkeit sei in den fünf Jahren in der Union um vier Millionen gesunken, das Wachstum beschäftigungsintensiver und der Arbeitsmarkt reagiere flexibler auf wirtschaftliche und soziale Veränderungen.230 Die Anreize eine Arbeit aufzunehmen sind in den meisten Mitgliedstaaten größer geworden, Arbeitszeiten seien flexibler.231 Allerdings muss die Kommission selbst zugeben, dass die Fortschritte bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in manchen Mitgliedstaaten nicht vornehmlich auf die Beschäftigungsstrategie zurückzuführen sind, sondern erklärt: „Wenn auch viele Faktoren das beschäftigungsintensive Wachstum und die erhöhte Reagibilität erklären können, so wird doch Lohnzurückhaltung als Schlüsselfaktor betrachtet“. 232 Die zuständige Kommissarin Anna Diamantopoulou sieht das etwas anders. Auf den Hinweis, dass die moderaten Lohnentwicklungen in der WWU beschäftigungsfördernd gewesen seien, entgegnet sie: „Nicht zuletzt hat aber auch die europäische Beschäftigungsstrategie dazu beigetragen“.233 Allerdings stellte auch der Rat auf dem Frühjahrsgipfel von Barcelona am 15. und 16. März 2002 bezüglich der Europäischen Beschäftigungsstrategie fest, „dass es wichtige Erfolge gab, die Fortschritte aber in einigen Bereichen zu langsam waren“.234 Deshalb soll die Strategie vereinfacht werden, insbesondere durch Verringerung der Zahl der Leitlinien, wobei deren Wirksamkeit allerdings nicht untergraben werden sollte. Der Zeitrahmen an die in Lissabon festgelegte Frist (2010) 226 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Sozialpolitische Agenda, Punkt 5: Follow-up und Überwachung, 2000, S. 29. 227 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bewertung der Auswirkungen der EBS Analyseergebnisse, 2002. 228 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Impact evaluation of the European Employment Strategy – technical Analysis, 2002. 229 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Fünf Jahre Europäische Beschäftigungsstrategie – Eine Bestandsaufnahme, 2002. 230 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Fünf Jahre EBS, 2003, S. 1. 231 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Fünf Jahre Europäische Beschäftigungsstrategie, Bilanz positiv, 2002, S. 26. 232 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bewertung der Auswirkungen der EBS Analyseergebnisse – Überblick, 2002, S. 8. 233 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Fünf Jahre Europäische Beschäftigungsstrategie, Bilanz positiv, 2002, S. 26. 234 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Barcelona, 15. / 16. März 2002, 4. Erwägungsgrund.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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mit Zwischenbewertung im Jahr 2006 wird angepasst, damit die Verwirklichung der Stockholmer Zwischenziele überprüft werden kann. Die überprüfte Beschäftigungsstrategie sollte vor allem zum Ziel haben, die Beschäftigungsquote dadurch anzuheben, dass die Beschäftigungsfähigkeit verbessert und Hindernisse und Hemmnisse beseitigt werden, die Menschen davon abhalten, eine Arbeit aufzunehmen oder in einem Beschäftigungsverhältnis zu verbleiben, wobei aber zugleich die hohen Sozialschutznormen des europäischen Sozialmodells zu wahren sind.235
Die neue Europäische Beschäftigungsstrategie Die Kommission reagierte auf die Kritik des Rates und präsentierte mit ihrer Mitteilung vom 14. Januar 2003236 einen Rahmen für eine reformierte Strategie mit konkreten Zielen. Drei übergreifende Ziele werden hervorgehoben: – Vollbeschäftigung, – Arbeitsplatzqualität und -produktivität, – Zusammenhalt und integrativer Arbeitsmarkt237
und es wird die Notwendigkeit verbesserter Umsetzung und Verwaltung der Europäischen Beschäftigungsstrategie betont.238 Dazu hatte die Kommission bereits im September 2002 eine Mitteilung zur Verschlankung der jährlichen Koordinierungszyklen von Wirtschafts- und Beschäftigungspolitiken vorgelegt.239 Wesentlich ist dabei, dass die Koordinierungsmechanismen um einige wichtige Termine herum gebündelt werden, um den Zyklus transparenter und verständlicher zu machen und dadurch die Koordinierung zu verbessern. Dieser veränderte jährliche Prozess soll die Rolle des Frühjahrsgipfels des Europäischen Rates in seiner Orientierungsfunktion für die übergreifende Strategie der EU stärken. Dabei ist der neue Politikzyklus im Bereich der Europäischen Beschäftigungsstrategie auf die folgenden Blöcke gegründet: – Das Umsetzungspaket (jeden Januar): Es besteht aus dem Bericht über die Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik, dem Entwurf des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts, und dem Bericht über die Umsetzung der Binnenmarktstrategie und soll eine detaillierte Bewertung der Umsetzung in den verschiedenen Politikbereichen enthalten. Daneben soll auch der strategische Beitrag der Kommission zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates beinhaltet sein und die politischen Prioritäten der Kommission aufzeigen. Ebd., 30. und 31. Erwägungsgrund. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Zukunft der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS)? Eine Strategie für Vollbeschäftigung und bessere Arbeitsplätze für alle, 2003. 237 Ebd., Erwägungsgründe 2.1.1 – 2.1.3, S. 10 – 11. 238 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Neue EBS, 2003, S. 1. 239 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission zur Straffung der alljährlichen Wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Koordinierung, 2002. 235 236
5*
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
– Das Leitlinienpaket (jeden April): Auf der Grundlage der vom Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung ausgegebenen politischen Leitlinien wird die Kommission ihre Vorschläge für weitere Maßnahmen in den verschiedenen Politikbereichen vorlegen, die sich aus den Grundzügen der Wirtschaftspolitik, den beschäftigungspolitischen Leitlinien und den beschäftigungspolitischen Empfehlungen zusammensetzen. Die zuständigen Ratsformationen werden diese dann annehmen, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten ihre Nationalen Aktionspläne oder Berichte während des zweiten Halbjahres erarbeiten werden.240
VI. Fazit: Bewertung der Sozial- und Arbeitsmarktordnung und -politik der EU Die geschilderte Entwicklung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der EU zeigt, dass die als soziales, zweites Standbein des Binnenmarktes geforderte europäische Sozialpolitik mittlerweile ein kompliziertes, weit gefächertes Gebilde aus Strukturfonds, Beschäftigungsstrategien und Koordinierungsmechanismen ist. Nach all den Reformschritten und der Umbenennung und Umformulierung der „Europäischen Beschäftigungsstrategie“ in eine „Neue Europäische Beschäftigungsstrategie“ am 14. Januar 2003 ist nun schon der nächste Reformschritt geplant: Am 19. / 20. März 2003 lud die Kommission zur „Konferenz für die Halbzeit-Überprüfung der Sozialpolitischen Agenda“ nach Brüssel ein. Dieser Reformaktionismus spricht nicht gerade dafür, dass eigentliche Erfolge im Abbau der Arbeitslosigkeit erzielt werden, sondern nur neue Berichte, Leitlinien, Agenden und Absichtserklärungen folgen werden. Die Kommission stellt 2003 selbst fest, dass obwohl auf den Arbeitsmärkten der Union deutliche strukturelle Verbesserungen erzielt worden sind, ( . . . ) es weiterhin gravierende strukturelle Mängel [gibt], die konsequent ausgeräumt werden müssen. Die Beschäftigungs- und Erwerbsquoten in der EU sind noch nicht zufriedenstellend. In etlichen Mitgliedstaaten herrscht nach wie vor eine hohe Arbeitslosigkeit, was besonders für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie beispielsweise Jugendliche (3 Mio. arbeitslose Jugendliche 2001), ältere Arbeitnehmer, Frauen und Menschen mit spezifischen Benachteiligungen gilt. Parallel dazu sind in einigen Sektoren und Regionen der EU Engpässe entstanden. Es gibt weiterhin erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede in den Beschäftigungs- bzw. Arbeitslosenquoten, bei der Entlohnung und bei der Verteilung auf Sektoren und Berufe. ( . . . ) Die großen Ungleichheiten in und zwischen den Regionen bestehen fort. Äußerst wichtig ist auch eine Trendumkehr bei der Arbeitsproduktivität, die ein rückläufiges Wachstum aufweist.241
Um dies zu erreichen verfolgt die Kommission verschiedene, teils widersprüchliche Strategien, offenbar um allen ordnungspolitischen Strömungen innerhalb der Gemeinschaft gerecht zu werden. So kann man die drei Strategien des Gipfels von Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Neue EBS, 2003, S. 1. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Zukunft der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS)? Eine Strategie für Vollbeschäftigung und bessere Arbeitsplätze für alle, 2003, S. 4 – 5. 240 241
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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Köln (vgl. Kap. 1, D. IV.) mit Vaubel als „bunte Mischung aus marktwirtschaftlichen und staatsinterventionistischen Maßnahmen“ bezeichnen.242 Der „CardiffProzess“ kann als Weiterentwicklung des Konzeptes des Weißbuchs zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (vgl. Kap. 1, D. III.) verstanden werden, wenn der Rat erklärt, dass eine anhaltende Haushaltskonsolidierung und eine nachhaltige wirtschaftliche Reform ( . . . ) von wesentlicher Bedeutung [sind], wenn die Union die Herausforderungen der Globalisierung, der Wettbewerbsfähigkeit, der Beschäftigungsförderung und der sozialen Integration erfolgreich bewältigen soll. Der Europäische Rat begrüßt die vom ECOFIN-Rat am 1. Mai 1998 abgegebene Erklärung, in der dieser auf die Haushaltsdisziplin und auf strukturelle Reformen eingeht. Er bestätigt auch die Bedeutung, die er einer strengen Haushaltsdisziplin auf Gemeinschaftsebene beimisst.243
Diese – und nur diese – Strategie wird von den Vertretern des Systemwettbewerbs und den Gegnern jeder sozialpolitischen Harmonisierung unterstützt. Sie sehen aber in der Kommission kaum Ansatzpunkte und Bereitschaft für solch eine Deregulierungsstrategie, da „den europäischen Institutionen ( . . . ) natürlich vor allem deswegen an einheitlichen Regelungen gelegen [ist], weil sie dafür zuständig wären“.244 Deshalb scheint die Kommission auch ständig an der Fortentwicklung des Luxemburg-Prozesses zu arbeiten, wie der beschriebene Reformaktionismus im Bereich der (neuen) Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Leitlinienpakete beweist. Dies wird von den Anhängern des Systemwettbewerbs aber ebenso abgelehnt, wie eine Koordinierung der Makroökonomie, bezeichnet als „Köln-Prozess“. „Internationale Koordination der Wirtschaftspolitik wirft ( . . . ) die Gefahr auf, im Kartell gemeinsam Maßnahmen und Verhaltensweisen durchzusetzen, die im nationalen Alleingang für schädlich gehalten werden.“245 Die Beschäftigungspolitik der Union nach dem Luxemburg- und Köln-Prozess gelten danach als im Ansatz verfehlt, da von den verantwortlichen nationalen Akteuren der Druck zu notwendigen Strukturreformen genommen wird.246 Insgesamt betrachtet, leisten die Säulen der europäischen Beschäftigungsstrategie nicht eine der Funktionen einer makroökonomischen Politik im Sinne einer echten europäischen Beschäftigungspolitik.247 Wie Kapitel 2 und 3 über Systemwettbewerb zeigen werden, gibt es eine Kontroverse darüber, ob mehr Harmonisierung in der EU-Sozialpolitik nötig ist, um 242 Vaubel, Roland: Eine beschäftigungspolitische Kompetenz für die Europäische Union?, 1998, S. 2. 243 Vgl. Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Rates von Cardiff, 15. / 16. Juni 1998, 7. Erwägungsgrund. 244 Vaubel, Roland: Institutioneller Politischer Wettbewerb – Eine europäische Wettbewerbsaufsicht für Regierungen und die empirische Evidenz, 2000, S. 288 245 Schatz, Klaus-Werner: Europäische Beschäftigungspolitik: Existiert Handlungsbedarf?, 2001, S. 563. 246 Vgl. Feldmann, Horst: Beschäftigungspolitik, 1998, S. 54. 247 Vgl. Nölling, Wilhelm: Euro – der Sozialstaatsbruch, 2001, S. 171.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
ein Race to the Bottom, ein Einpendeln der Sozialstandards auf niedrigstem Niveau, zu verhindern oder ob nicht vielmehr der Wettbewerb zwischen den Sozialsystemen der Mitgliedstaaten intensiviert werden sollte, um ein optimales Ergebnis zu erhalten. Unabhängig davon, welcher Argumentation man sich anschließt und nochmals kritisch den Weg der europäischen Beschäftigungs- und Sozialpolitik verfolgt, muss man eines am Ende festhalten, dass „both the social and the regional aspects of equity are weak at EU level. The social aquis is small“.248 Im Bereich von Sozialtransfers ist er faktisch nicht existent und gering im Bezug auf Sozialstandards, wobei diese ausgeprägt im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz249 sowie Geschlechtergleichheit250 sind, jedoch wegen der Widerstände v. a. Großbritanniens kaum vorhanden im Bereich Arbeitsmarktregulierungen und sozialem Schutz der Arbeitnehmer.251 In diesem Zusammenhang empfiehlt sich auch ein genauer Blick in die Vertragstexte und die ist die durch den Nizza-Vertrag neu in den Text gekommene Formulierung des Art. 137 II lit. a) EGV der die Anwendung der Sozialvorschriften regelt: Zu diesem Zweck kann der Rat unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten [Hervorhebung durch den Autor] Maßnahmen annehmen, die dazu bestimmt sind, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durch Initiativen zu fördern, die die Verbesserung des Wissenstandes, die Entwicklung des Austausches von Informationen und bewährten Verfahren ( . . . ) zum Ziel haben.
Somit ist von einer Politik, die auf die Weiterentwicklung und Harmonisierung von sozialen Rechten und Bedingungen abzielt, trotz einer langen Liste kleiner Schritte, nichts zu bemerken.252 Ganz davon zu schweigen, dass in der Sozialpolitik der Gemeinschaft etwas vom Solidaritätsprinzip zu erkennen ist, einem Prinzip, 248 Pelkmans, Jacques: European Integration, Methods and Economic Analysis, 2001, S. 314. 249 Schuster und Vaubel stellen auch fest, „dass die Regulierungen in der EU-Sozialpolitik ( . . . ) eine größere Rolle spielen als die Ausgaben“ und dies v. a. im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und der Gleichbehandlung, da hier Richtlinien mit qualifizierter Mehrheit erlassen werden können und keine finanziellen Mittel nötig sind. Vgl. Europäische Sozialpolitik, 1996, S. 179. Einen Überblick über aktuelle Richtlinienvorschläge der Kommission in diesem Bereich, etwa über den Schutz gegen eine Gefährdung am Arbeitsplatz durch Asbest, durch Vibrationen etc. geben Meinhardt, Volker / Seidel, Bernhard: Beschäftigungs- und Sozialpolitik, 2002, S. 138 – 139. 250 Vgl. Schunter-Kleemann, Susanne: Verbessert die Gleichstellungspolitik der EG die beruflichen Perspektiven von Frauen?, 1994, S. 136 – 155. 251 Allerdings verabschiedete der Rat 1994 eine Richtlinie über die Einsetzung Europäischer Betriebsräte, die sich auf Grundsatz VII der Sozialcharta bezieht, mittlerweile Art. 137 I 3. Sp.st. EGV, die für Betriebe über 1000 Mitarbeitern, davon 150 in der EU tätig, gilt. Vgl. Richtlinie 94 / 45 EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, S. 64 ff. 252 Vgl. Nölling, Wilhelm: Euro – der Sozialstaatsbruch, 2001, S. 170.
Kap. 1: Die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union
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welches auf jeder Gesellschaftsebene, nach Harbrecht aus Sicht der katholischen Soziallehre auch auf der internationalen, gelten muss.253 Erste Ansätze dazu liefert allerdings Art. 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, welcher aber bisher nicht Bestandteil der Europäischen Rechtsordnung ist (vgl. Kap. 1, D. V.). Deshalb lässt sich auch im Post-Nizza-Prozess festhalten, dass „von den ethischen Ideen der Sozialen Marktwirtschaft ( . . . ) auf europäischer Ebene ( . . . ) im Bereich der Sozialpolitik noch wenig verwirklicht“ ist.254 „Zu europäischen Sozialverhältnissen als Grundlage europäischer Politik ist es vor allem deshalb nicht gekommen, weil die Union als eine Teilordnung der Mitgliedstaaten konzipiert war und nach wie vor wesentlich auf ihre Mitgliedstaaten bezogen bleibt.“255 Eine Bewertung der Regional- und Kohäsionspolitik der EU erfolgt an einer späteren Stelle (vgl. Kap. 6, A.), da dazu noch weitere Erkenntnisse, etwa aus der Theorie der Optimalen Währungsräume, von Bedeutung sind und erst nach deren Darstellung eine abwägende Beurteilung möglich ist. Nachdem die Analyse in Kapitel 1 gezeigt hat, dass die Europäische Union zwar den Ordnungsrahmen einer Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb absteckt, im Bereich der Sozialpolitik aber noch erhebliche Defizite zu erkennen sind und das Handeln der EU auf diesem Sektor – ganz anders als bei der wirtschaftlichen Integration – eher an Flickschusterei und Aktionismus als an koordinierte Startegien erinnert, muss nun theoretisch überprüft werden, ob der EU, als zentraler Ebene im föderalen Geflecht der Mitgliedstaaten, überhaupt Aufgaben im Bereich der Sozialpolitik zugestanden werden sollen. Dazu wird ausgehend von der Föderalismustheorie das Konzept des Systemwettbewerbs erläutert und kritisch hinterfragt. Plädiert man für mehr sozialpolitische Kompetenz der EU und in diesem Zusammenhang auch für mehr Fiskalföderalismus, so muss dann nach stichhaltigen Argumenten gesucht werden, welche die der EU rechtfertigen.
253 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft, 1995, S. 138. Dazu auch Schachtschneider / Hanke / Emmerich-Fritsche: Krankenversicherung, 2002. 254 Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 71. 255 Rieger, Elmar: Eine Regierung für Regierungen – Territoriale Organisation und Sozialpolitik in der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten, 2001, S. 329.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Kapitel 2
Föderalismustheorie und Systemwettbewerb A. Zuständigkeit der staatlichen Ebene für sozialpolitische Aufgaben Bevor die Festlegung der Zuständigkeit für eine staatliche Ebene zur Erfüllung einer sozialpolitischen Aufgabe erfolgt, muss entschieden werden, ob eine solche Aufgabe überhaupt von einer staatlichen Institution übernommen werden muss oder ob nicht eine Marktlösung möglich ist. Im demokratischen Prozess überstimmen Mehrheiten Minderheiten, welche somit schlechter gestellt werden als in der Ausgangssituation.256 Die marktliche Lösung hingegen führt unter Wettbewerb immer zu einer pareto-optimalen Tauschlösung, durch die niemand schlechter gestellt wird. Die Grenzraten der Substitution für alle Haushalte werden für alle Haushalte im Tauschoptimum gleich, sie erreichen ihr Nutzenmaximum. Gleichzeitig produzieren die Unternehmen mit minimalen Kosten, da die Grenzrate der Faktorsubstitution absolut dem umgekehrten Faktorpreisverhältnis gleich wird. Die Produktionsfaktoren werden entsprechend ihrem Grenzprodukt entlohnt, die Faktorallokation ist pareto-optimal, da die Grenzraten der Faktorsubstituion für alle Unternehmen im Produktionsoptimum gleich werden. Ist im Marktgleichgewicht die Grenzrate der Transformation der angebotenen Güter gleich der Grenzrate der Substitution der nachgefragten Güter und diese gleich dem umgekehrten Preisverhältnis der Güter ist das optimum optimorum erreicht.257 Folglich sollte der Staat nur eingreifen, wenn der Markt oder der Wettbewerb versagen, sich aber ansonsten auf die Festlegung geeigneter Rahmenbedingungen zurückziehen. Somit ist zu überprüfen, ob Marktversagenstatbestände bestehen, um einen staatlichen Eingriff zu rechtfertigen. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Staat dann auch mit einer eigenen Lösung die Aufgabe zu bewältigen versucht, oder ob er nur durch das hinreichende Setzen von Rahmenbedingungen (z. B. durch das Setzen von Mindeststandards) das Marktversagen behebt. Zusätzlich stellt sich die Frage, welche staatliche Ebene zur Aufgabenerfüllung letztlich gefordert ist. Sie stellt sich somit erst, wenn Marktversagen besteht und eine staatliche Aufgabenerfüllung effizienter ist als eine private. Um hierfür einen Orientierungsmaßstab zu liefern, stellt die traditionelle Finanzwissenschaft den sogenannten Bereitstellungskostenansatz zur Verfügung. Dieser ist aber rein statisch und vergleicht Gleichgewichtszustände. Daneben forscht die neuere Finanzwissenschaft, teilweise aufbauend auf 256 Vgl. etwa einen Begründer der modernen finanzwissenschaftlichen Theorie: Musgrave, Richard A.: Finanztheorie, 1969, S. 111. 257 Vgl. Neumann, Manfred: Theoretische Volkswirtschaftslehre II, 1995, S. 168 – 198; Schmidt, Ingo: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 2001, S. 5 – 7.
Kap. 2: Föderalismustheorie und Systemwettbewerb
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den neoklassischen Modellen Tiebouts, teilweise auf Basis des klassischen Wettbewerbsparadigmas, nach den Wirkungen von Wettbewerb zwischen staatlichen Ebenen. Diese sogenannte Systemwettbewerbstheorie steht im Mittelpunkt der nächsten Betrachtungen. Funktionsfähiger Markt
Marktversagen
Funktionierender politischer Markt mit homogenen Präferenzen
Freiwillige Tauschbeziehungen am Markt
Staatliches Aufgabengebiet
Unvollkommene politische Märkte
Freiwillige Tauschbeziehungen am Markt
Marktversagen oder Staatsversagen
Quelle: Berthold, Norbert / Neumann, Michael: Die Zukunft der europäischen Sozialpolitik: Wettbewerb oder Koordination, 2002, S. 39.
Abbildung 1: Politische und ökonomische Märkte
B. Föderalismustheorie Der klassische statische Bereitstellungskostenansatz versucht, staatliche Aufgaben den verschiedenen institutionellen Ebenen effizient zuzuweisen und vergleicht dabei die entstehenden Kosten. Kostenbestandteile sind v. a. Produktionskosten, aber auch Transaktionskosten, z. B. der Einigung auf eine bestimmte staatliche Ebene und X-Ineffizienzen einer cet. par. überhöhten Kostenstruktur und Q-Ineffizienzen aufgrund von überhöhter oder zu geringer Bereitstellung des öffentlichen Gutes.258 Dieser Ansatz ist mittlerweile Standard in jedem finanzwissenschaftlichen Lehrbuch259 und wird deshalb nur sehr knapp dargestellt, wogegen die neueren Theorien des Systemwettbewerbs ausführlich beschrieben werden.
I. Bereitstellungskostenansatz 1. Präferenzverzerrungen In seinem grundlegenden Werk zur Föderalismustheorie „Fiscal Federalism“ wies Oates darauf hin, dass der Fehler einer einheitlichen Bereitstellung öffentlicher Güter durch den Staat in der Nichtberücksichtigung variierender Präferenzen über Regionen hinweg liegt.260 Gerade im Bereich der Sozialpolitik ist der optiVgl. Schuster, Thomas / Vaubel, Roland: Europäische Sozialpolitik, 1996, S. 180. Vgl. etwa Andel, Norbert: Finanzwissenschaft, 1998, S. 504 – 509; Brümmerhoff, Dieter: Finanzwissenschaft, 2001, S. 623 – 636. 260 Vgl. Oates, Wallace E.: Fiscal Federalism, 1972, S. 11. 258 259
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
malen Aufgabenverteilung auf die fiskalischen Ebenen ein großes Gewicht beizumessen.261 Sind die Präferenzen bezüglich eines Bündels an öffentlichen Gütern in einem bestimmten Gebiet homogen, unterscheiden sich aber von den Präferenzen in anderen Gebieten, so sollte genau in diesem Gebiet eine staatliche Organisation geschaffen werden. Dies gilt um so mehr, je homogener die intraregionalen und je inhomogener die interregionalen Präferenzen sind. Geht man bei dem öffentlichen Gut davon aus, dass die marginalen Zahlungsbereitschaften, also die Nachfrage nach dem öffentlichen Gut, unterschiedlich sind (DA und DB, Abb. 2) und sich die optimale Menge des öffentlichen Gutes im Schnittpunkt mit den Grenzkosten befindet, so führt dies zu unterschiedlichen optimalen Mengen an öffentlichem Gut
XA ; XB , gleiche Grenzkosten vorausgesetzt. Eine einheitliche Bereitstellung auf zentraler Ebene für beide Regionen, etwa in Höhe XH, führt zu einer Unterversorgung in Region B und einer Überversorgung in Region A, da hier die Kosten höher liegen als die marginale Zahlungsbereitschaft.
DB GK,p DA GK
xA
xH
xB
x
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schuster, Thomas / Vaubel, Roland: Europäische Sozialpolitik, 1996, S. 181.
Abbildung 2: Präferenzverfehlungskosten
Je höher die Präferenzunterschiede sind, desto höher sind die Wohlfahrtsverluste der zentralen Bereitstellung.262 Dieses Argument wird gebührend zu berücksichtigen sein, wenn Vorschläge für eine europäische Arbeitslosenversicherung gemacht werden. 2. Regionale Externalitäten Gegen diese regionale Bereitstellung von öffentlichen Gütern spricht das Nichtausschlussprinzip als eine wichtige Eigenschaft des öffentlichen Gutes. Kann nämlich eine Nachbarregion nicht von der Nutzung des öffentlichen Gutes aus261 262
Vgl. Schuster, Thomas / Vaubel, Roland, S. 181. Ebd., S. 182.
Kap. 2: Föderalismustheorie und Systemwettbewerb
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geschlossen werden263, so führt die Bereitstellung von jenem zu einem positiven externen Effekt. Es kommt zu regionalen Spillover-Effekten. Coase schlug vor, diese externen Effekte über freiwillige Absprachen der betroffenen Regionen zu internalisieren.264 Wird die Anzahl der betroffenen Regionen zu groß, scheitert aber die Coase-Lösung zur Internalisierung der Spillovers an den Aufteilungsregelungen des Internalisierungsgewinns.265 Das Free-Rider-Verhalten kann nicht unterbunden werden und somit kommt es zu einer Unterversorgung und damit zu einer suboptimalen Lösung. In Abbildung 3 verfügt der ärme Mitgliedstaat A über eine bestimmte Menge an sozialer Mindestsicherung. Diese Mindestsicherung führt zu Externalitäten auf den reicheren Mitgliedstaat B aufgrund regionenübergreifender altruistischer Präferenzen oder aus dem Selbstschutzmotiv des „sozialen Friedens“, da die Bürger des Landes B bei der geringen Mindestsicherung in A soziale Unruhen oder Wanderbewegungen erwarten. Deshalb besitzen sie eine marginale Zahlungsbereitschaft für die Mindestsicherung in Region A
DB
A . Die addierte Zahlungsbereitschaft
DAB
A liegt in XA über den Grenzkosten, es kommt zu einer Unterversorgung an sozialer Mindestsicherung in Land A.
P
DA+B(A) DA GK DB(A)
XA
XA+B
x
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schuster, Thomas / Vaubel, Roland: Europäische Sozialpolitik, 1996, S. 183.
Abbildung 3: Regionale Externalitäten Vgl. etwa Andel, Norbert: Finanzwissenschaft, 1998, S. 421. Vgl. Coase, Ronald H.: The Problem of Social Cost, 1960, S. 1 – 44. 265 Dieses Gefangenendilemma beschreiben Inman, Robert P. / Rubinfeld, Daniel L., 1997: Rethinking Federalism, S. 48 – 49. 263 264
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Würde nun aber die EU Mindeststandards festlegen, die über dem von Land A allein gewünschten Niveau liegen, käme es wieder zu Präferenzverzerrungskosten. Die Coase-Lösung entspräche zweckgebundenen Finanztransfers der reichen an die ärmeren Mitgliedstaaten der EU, um dort das Sicherungsniveau zu verbessern. Dabei würden allerdings Transaktionskosten wegen der Verhandlungen über die Kompensationszahlungen entstehen.266
3. Größenvorteile Eine weitere Eigenschaft der öffentlichen Güter führt zu nachfrageseitigen Größenvorteilen und deshalb zu staatlicher Bereitstellung des Angebotes: die Nichtrivalität im Konsum. Größenvorteile entstehen auch durch das Vorliegen fallender Grenzkosten der Bereitstellung im relevanten Bereich und somit einem subadditiven Kostenverlauf.267 Bei einer zentralen Bereitstellung kommt es durch horizontale Addition der Nachfragekurven der Individuen A und B (Abb. 4) zur aggregierten Nachfragekurve DAB . Der Schnittpunkt mit der fallenden Grenzkostenkurve ergibt den Steuerpreis p für jedes einzelne Individuum, welcher geringer ist als bei dezentraler Bereitstellung (Schnittpunkte der individuellen Nachfragekurven mit der GK-Kurve). Zusätzlich liegen nun Mengen XA XB an dem unteilbaren öffentlichem Gut XAB höher als bei dezentraler Lösung (theoretische Mengen XA und XB ). p DB DA
p*
GK DA+B XA XA* XB XB*
XA+B
X
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schuster, Thomas / Vaubel, Roland: Europäische Sozialpolitik, 1996, S. 184.
Abbildung 4: Steigende Skalenerträge bei der Produktion eines öffentlich bereitgestellten Gutes 266 267
Schuster / Vaubel, S. 183. Vgl. Andel, 1992, S. 412 und 432 – 434.
Kap. 2: Föderalismustheorie und Systemwettbewerb
77
Dazu sind durch die zentrale Bereitstellung die Grenzkosten geringer als im Falle dezentraler Bereitstellung. Es kann aber wieder zu Präferenzkosten kommen, wenn die Zentrale etwa (falls Teilbarkeit möglich ist) den Regionen jeweils XAB =2 zuteilt, anstatt den Präferenzen entsprechend XA und XB . Daneben können auch Transaktionskosten entstehen, wenn über die Aufteilung des zentral produzierten Gutes verhandelt werden muss.268
4. Transaktionskosten Sowohl wenn regionale Spillovers bestehen als auch bei gemeinsamer Produktion aufgrund zunehmender Skalenerträge muss über die Kompensation und über die Aufteilung der zentralen Produktion verhandelt werden. Daneben steigen die Kosten der Bürokratie wegen aufwändigerer Bedürftigkeitsprüfung auf zentraler Ebene. Dies verursacht Transaktionskosten, die in eine einfache Kosten-NutzenRechnung der zentralen vs. dezentralen Bereitstellung der öffentlichen Güter miteinbezogen werden müssen. Dazu sind aber noch weitere Transaktionskosten in Bezug auf die Europäische Sozialpolitik zu erwähnen, nämlich die hohen Informationskosten aufgrund der unterschiedlichen sozialen Systeme für potentielle Migranten. Wie Kapitel 4, B. I. 1. zeigen wird, ist für das optimale Funktionieren der EWWU die Mobilität des Faktors Arbeit von großer Bedeutung. Zwar regelt Verordnung 1408 von 1971 die Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern (vgl. Kap. 1, D. I.) doch wird v. a. die Mobilität von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern stark eingeschränkt. Dies behindert den optimalen Matchingprozess am Arbeitsmarkt und dadurch entstehen Kosten durch vermeidbare friktionelle Arbeitslosigkeit (vgl. Kap. 8, B.).
5. Entscheidungsfindungskosten und polit-ökonomische Gründe Bei der Festlegung des optimalen Zentralisierungsgrades müssen auch polit-ökonomische Gründe berücksichtigt werden, auch wenn diese schwer in eine statische Kostenbetrachtung einfließen können. Argumente die genannt werden, sind der sinkende Anreiz der Bürger, sich zu informieren und zu kontrollieren, je zentraler die Entscheidung gefällt wird, da die Stimme des Einzelnen immer weniger Einfluss auf das Wahlergebnis hat.269 Zusätzlich werden die Entscheidungen auf höherer Ebene immer allgemeiner und die direkten Auswirkungen sind für den Einzelnen nicht mehr zu durchschauen. Dadurch steigen die Handlungsspielräume von Politikern und Administration, die diskretionären Handlungsspielräume für Politiker und Interessengruppen werden größer: Es entsteht eine rationale Ignoranz der Wähler durch abnehmende Betroffenheit und Einflusswahrscheinlichkeit. 268 269
Vgl. Schuster / Vaubel, S. 185. Vgl. Söllner, Fritz: Geht der homo oeconomicus zur Wahl?, 1998, S. 14.
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Daneben sind die Kontrollmöglichkeiten der Bürokratie wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten gering, auch die Politiker haben Informationsasymmetrien gegenüber den Bürokraten. Dies alles führt nach der ökonomischen Theorie der Bürokratie von Niskanen regelmäßig zur teuren Bereitstellung der öffentlichen Güter auf zentraler Ebene, wenn der Bürokrat Spielraum maximierend handelt, oder zu einem überhöhten Angebot, wenn der Bürokrat ein Budgetmaximierer ist.270 Bei einem zentralen System, etwa der Sozialversicherung, wäre z. B. ein Vergleich der Verwaltungskosten mit ähnlichen Systemen in anderen Mitgliedstaaten nicht mehr möglich.271 Hier ist aber der Übergang zu den dynamischeren Ansätzen des Systemwettbewerbs (zumindest des evolutionstheoretisch basierten Ansatzes, vgl. Kap. 2, B. II. 3.) zu sehen, da positive Wirkungen eines Wettbewerbs zwischen Bürokratien berücksichtigt werden. Der polit-ökonomische Ansatz, der hier zuerst einmal nur kurz angerissen wurde, deutet damit die Entwicklungslinien in der Föderalismustheorie an: Nicht mehr die statischen Kosten-Nutzen-Relationen (vgl. Kap. 2, B. I. 1. – 4.) stehen im Vordergrund, sondern dynamische Auswirkungen der Entscheidung über die föderale Ebene, welche die staatliche Aufgabe übernehmen soll. Damit soll sich nun Kapitel 2, B. II. auseinandersetzen. II. Systemwettbewerb 1. Grundsätzliches zum Systemwettbewerb Bei den Modellen des Systemwettbewerbs werden Staaten oder Regionen mit eigener Rechtsetzungsbefugnis als Konkurrenten betrachtet, welche um mobile Faktoren konkurrieren. Angeboten werden Infrastrukturgüter, Subventionen und Rechtsregeln272, die von mobilen Faktoren, v. a. Kapital und Arbeitskräften, nachgefragt werden. Dabei soll quasi eine „Abstimmung mit den Füssen“ erfolgen.273 Befürworter eines Systemwettbewerbs erhoffen sich ähnlich effiziente Ergebnisse wie auf einem privaten Markt und erwarten eine Eindämmung des ausufernden Wohlfahrtsstaates und ein Aufbrechen von „Systemverkrustungen“.274 Ablehnende Stimmen erwarten ein Race to the Bottom, einen Wettlauf um laxe Regelungen zu270 Vgl. Niskanen, William A.: Bureaucracy and Representative Government, 1971, S. 47 – 58, Zimmerman, Horst / Henke, Klaus-Dirk: Finanzwissenschaft 2001, S. 71 – 77 und Hart, Thomas: Neue Politische Ökonomie, Eine Systematisierung außermarktlicher Ökonomik, 1997, S. 55 – 65. 271 Vgl. Schuster / Vaubel, S. 188. 272 Der evolutionstheoretisch basierte Ansatz des Systemwettbewerbs definiert die Institutionen genauer als sanktionsbewehrte Regeln. Ausführliches dazu im dritten Kapitel zum Systemwettbewerb. 273 Vgl. Müller, Markus: Systemwettbewerb, Harmonisierung und Wettbewerbsverzerrungen – Europa zwischen einem Wettbewerb der Gesetzgeber und vollständiger Harmonisierung, 2000, S. 29. 274 So etwa Steit, Manfred E.: Dimensionen des Wettbewerbs – Systemwandel aus ordnungsökonomischer Sicht – 1995, S. 121.
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gunsten des Kapitals und zu Lasten der immobilen Arbeitnehmer, was zu ruinösem Steuerwettbewerb und einer Unterversorgung mit öffentlichen Gütern führe.275 Hinsichtlich ihrer theoretischen Grundlagen lassen sich die Modelle grob in zwei Richtungen aufteilen. Einmal in die neoklassischen Modelle, die nach einem Endpunkt, einem Gleichgewicht suchen. Wird dieses nicht erreicht, funktioniert der Wettbewerb nicht. Sie sind eng verknüpft mit dem statischen Bereitstellungskostenansatz (vgl. Kap. 2, B. I.). Daneben bestehen die evolutionstheoretisch basierten Modelle, in welchen die von Hayek’sche Idee des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren276 im Mittelpunkt steht. Diese basieren auf dem klassischen Paradigma. Bevor die unterschiedlichen Ansätze des Systemwettbewerbs vorgestellt werden, sollen diese Paradigmen und die dahinter stehenden Wettbewerbstheorien in einem Exkurs erläutert werden.277 a) Exkurs: Paradigmen der Wettbewerbstheorie Das wesentliche Charakteristikum der Wettbewerbstheorien ist ihre große Heterogenität. Selbst der eine Punkt, der den meisten Theorien gemeinsam ist, verkompliziert die Analyse: Fast allen Theorien liegen normative Elemente278 zu Grunde. Dies liegt daran, dass schon bevor Wettbewerbstheorien entwickelt wurden, bestimmte wettbewerbspolitische Konzeptionen vorhanden waren, die sich auf ein bestimmtes Leitbild stützen. Im Gegensatz zu den Konzeptionen, die sich eigentlich erst aus den Theorien entwickeln sollten, und nur Ziel-Mittel-Systeme mit Hypothesen und Wirkungszusammenhängen darstellen, handelt es sich bei den Leitbildern um real anzustrebende Zustände.279 Diese stützen sich weniger auf theoretische Grundlagen, sondern auf normative Strukturen, die nur zum Teil mit erfahrungswissenschaftlichen Aussagen verschmolzen sind.280 Diese Normen bezeichnet Kuhn als Paradigmen einer Theorie.281 275 Sinn spricht in diesem Zusammenhang von Marktversagen des Systemwettbewerbs. Vgl. Sinn, Hans-Werner: The selection principle and market failure in systems competition, 1997, S. 247. 276 Vgl. von Hayek, Friedrich August: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 1969. 277 Eine umfassenderer Überblick über die Grundlagen der Wettbewerbstheorie, ihre historische Entwicklung, die unterschiedliche Ausprägung im angelsächsischen und deutschsprachigem Raum und eine abschließende Bewertung findet sich bei Deinzer, Roland: Die Entwicklung der Wettbewerbsordnung und Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union vom EWG-Vertrag bis zum Maastricht-Vertrag, 1995, S. 4 – 30. 278 Also Äußerungen mit einem Aufforderungscharakter, der mit einer moralisch-wertenden Komponente verknüpft ist. 279 Bei den wettbewerbspolitischen Leitbildern ist es meist die anzustrebende Marktstruktur. Vgl. Eickhof, Norbert: Marktstruktur und Wettbewerbsprozess, S. 174 – 177. 280 Zum gesamten Problem: Wettbewerbstheorie – Wettbewerbskonzeption – wettbewerbspolitisches Leitbild vgl.: Aberle, Gerd: Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, 1992, S. 26 und Mantzavinos, Chrysostomos: Wettbewerbstheorie – Eine kritische Auseinandersetzung, 1994, S. 13 – 14. 281 Vgl. Kuhn, Thomas: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 1990, S. 28.
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aa) Erstes Paradigma der Wettbewerbstheorie: Klassische Theorie Die Konzeption der natioalökonomischen Klassiker, v. a. Adam Smith, erkennt die freie Konkurrenz, die Notwendigkeit der arbeitsteiligen Produktion, und deren volkswirtschaftliche Koordination durch den Marktmechanismus an.282 Freier Wettbewerb wird als sozialökonomisches Organisationsprinzip verstanden, gesehen als unbeschränkter Wettbewerb, in dem Freiheit als Ziel an sich gesehen wird.283 Weitere zentrale Bestandteile der Theorie sind, wie bei den Physiokraten, die „natürliche Ordnung“, die „Sympathie“284 und die „unsichtbare Hand“ als Regelungssystem des Marktes, von der Smith sprach, da er den Begriff der „Regelung“ noch nicht kannte.285 Die Harmonie zwischen Selbstinteresse und Gesamtinteresse geschieht durch den moralischen Zwang der „sympathy“, durch staatlichen Zwang und durch die freie Konkurrenz, also den Wettbewerb.286 Dieser bewirkt dann Machtkontrolle auf zweierlei Weise: der Wettbewerb unter den Anbietern, verstanden als Freiheit zur Innovation oder Imitiation, und der Wettbewerb verstanden als Freiheit der Konsumenten auszuwählen. Die Möglichkeit auszuwählen schützt vor wirtschaftlicher Macht, die ein Monopolist ausüben kann. Das System soll als freier Wettbewerb mit Spielregeln funktionieren; die wettbewerbspolitischen Schlussfolgerungen aus der klassischen Theorie sind deshalb: Abschaffung der staatlichen Monopole, die Aufhebung der die Freiheit behindernden Zünfte, Abbau der Zollschranken, Schaffung von Gewerbefreiheit und allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen. Herauszuheben ist bei der klassischen Theorie, dass weder vorgeschrieben ist, wie sich der Unternehmer im Wettbewerb zu verhalten hat, noch wie die Märkte aussehen sollen, auf denen der Wettbewerb herrscht. Die Handlungsanweisung für die Wettbewerbspolitik lautet nur, die Märkte frei zu halten. Sie ist keine Entscheidungstheorie, die Wettbewerbsbedingungen oder Marktstrukturen vorschreibt. Bei der klassischen Theorie handelt es sich vielmehr um eine evolutorische Theorie, die Prozesse erklärt. Damit ist in der klassischen Theorie das erste Paradigma des Wettbewerbs zu sehen.287 bb) Zweites Paradigma: Neoklassik Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts begann die Suche nach einer Entscheidungstheorie, welche die Voraussetzungen eines „vollkommenen“, also maximalen Wohlstand garantierenden Wettbewerbs288, liefern sollte. Diese Voraussetzungen 282 Vgl. Tolksdorf, Michael: Stand und Entwicklungstendenzen der Wettbewerbstheorie, 1980, S. 785 – 786. 283 Vgl. Aberle, S. 27. 284 Ebd., wobei „sympathy“ als immanentes sittliches Beurteilungsprinzip verstanden wird. 285 Vgl. Tolksdorf, S. 786. 286 Vgl. Mantzavinos, S. 17. 287 Vgl. Tolksdorf, S. 785 – 787. 288 Ebd., S. 787.
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versuchte die sogennante mathematische Schule zu finden. Zu nennen sind Namen wie Cournot, der v. a. die Fälle des Monopols analysierte, Jevon, der das Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise formulierte und der den Begriff des vollkommenen Marktes schuf. Edgeworth analysierte optimale Austauschbedingungen und Knight beschrieb schließlich 1921 die Strukturelemente der vollständigen Konkurrenz.289 Durch die Exaktheit der Analyse gingen in der vollständigen Konkurrenz, häufig als „neoklassisches Paradigma“290 des Wettbewerbs bezeichnet, zwei Elemente der klassischen Theorie verloren: der evolutionäre Charakter des Marktprozesses und die Freiheit des Wettbewerbs291, die als existierend betrachtet und nicht mehr problematisiert wurde. Bei der vollkommenen Konkurrenz handelt es sich also um eine statische Theorie, dessen Modellzustand man nach Lutz mit „Schlafmützenkonkurrenz“ beschreiben könnte.292 Die Notwendigkeit, Annahmen zu treffen, bringt die Wettbewerbstheorie in ein gefährliches Dilemma: Es werden Marktgegebenheiten als konstant angenommen, die sowohl Bedingung als auch Ergebnis des Wettbewerbs sind. Durch diese Isolierung der wirtschaftlichen Gegebenheiten aus den Gesamtzusammenhängen wird gerade das ausgeschlossen, was man mit der Wettbewerbstheorie beschreiben will: Die Dynamik der freien Marktkräfte, die ihre kreativen Potentiale freisetzen will. Die neoklassische Wettbewerbstheorie beweist mathematisch, dass mit neutralisierter Macht ein optimales Marktergebnis herbeigeführt werden kann und beschreibt eine machtfreie, wohlstandsmaximale Welt.293 Es sei hier nur erwähnt, dass die Unzufriedenheit mit dem realitätsfernen Konzept der vollkommenen Konkurrenz, zur Weiterentwicklung in den 20er und 30er Jahren führte. Es wurden abweichend zur vollkommenen Konkurrenz Unvollkommenheiten angenommen, etwa Präferenzen und Produktheterogenität. Als Vertreter dieser sogenannten Preistheorie seien Chamberlin und Robinson genannt. Trotz der Tatsache, dass deren Idee der „monopolistischen Konkurrenz“ neue Denkanstöße brachte, blieb die Theorie im neoklassischen Gedankengut verwurzelt.294
289 Die Vertreter der mathematischen Schule vgl. bei Mantzavinos, S. 19. Die wichtigsten Strukturelemente der vollständigen Konkurrenz seien hier genannt: rationales Verhalten der Marktteilnehmer, Homogenität der Güter, vollständige Markttransparenz, atomistische Anbieter- und Nachfragerstruktur, unendlich schnelle Reaktionsgeschwindigkeit, freier Marktzutritt, kein technischer Fortschritt, gleiche Produktionstechnik u. a. 290 Vgl. Tolksdorf, S. 787. 291 So Chrysostomos Mantzavinos, der zwar eingesteht, dass der dynamische Aspekt des Wettbewerbs weiterhin gesehen wurde, aber von ihm abstrahiert und das Interesse in andere Bahnen geleitet wurde. Die Variablen unternehmerischen Handelns wurden in den Datenkranz verwiesen und nur noch Gleichgewichte analysiert (S. 19 – 20). 292 Vgl. Aberle, Gerd, S. 28. 293 Vgl. Tolksdorf, S. 788. 294 Vgl. Mantzavinos, S. 21 – 22.
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cc) Renaissance des klassischen Paradigmas: Evolutionstheoretischer Ansatz, österreichische Tradition und Systemtheorie des Wettbewerbs Schumpeter verließ die neoklassische Sichtweise der Entscheidungstheorie, die sich immer auf der Suche nach optimalen Markstrukturen befindet, und stellte die Persönlichkeit des dynamischen Unternehmers ins Zentrum seiner Betrachtung.295 Dieser ist vor allem dazu nötig, um neues Wissen nicht nur anzuwenden, sondern erst einmal neues Wissen zu schaffen. Innovationen werden als eine Art Konkurrenz verstanden und der Wettbewerb als „schöpferische Zerstörung“ des Alten durch das Neue gesehen.296 Arndt greift den Gedanken des „schöpferischen Unternehmers“ als erster auf und unterteilt den Wettbewerbsprozess in zwei Phasen. In der ersten löst der Schumpeter’sche Unternehmer mit neuen Verfahren oder Produkten den Wettbewerb aus. Dabei erzielt er Vorsprungsgewinne und ist somit für die Einführung des technischen Fortschritts verantwortlich. Schmilzt der Vorsprungsgewinn durch das Auftreten von Nachahmern, wird der schöpferische Unternehmer wieder zur Suche nach Vorsprungsgewinnen angeregt.297 Heuss macht den Markt zum Untersuchungsobjekt und stellt fest, dass einzelne Produkte oder Produktgruppen einen bestimmten Lebenszyklus durchlaufen: die Experimentierphase mit hohen Kosten, die Expansionsphase, in der die Kosten wegen der steigenden Nachfrage gesenkt werden, die Ausreifungsphase mit geringer Marktentwicklung und schließlich die Stagnations- und Rückbildungsphase. Dabei gibt es die initiativen Unternehmertypen (Pionier- und spontan imitierender Unternehmer) und die konservativen Unternehmer (unter Druck reagierenden und immobilen Unternehmer).298 Der Verdienst in der Theorie von Heuss liegt vor allem darin, dass der zeitliche Aspekt für die Marktstruktur eine Rolle spielt und zu berücksichtigen ist, dass jeder Markt seine eigene Geschichte hat. Heuss stellt heraus, dass die Unternehmer aus der Vergangenheit lernen und sich ihre polypolistische Verhaltensweise in eine oligopolistische verwandelt und die Tendenz zur Kartellierung darum um so größer ist, je älter die Geschichte des spezifischen Marktes ist.299 Unter dem Begriff österreichische Tradition sollen die Arbeiten der Marktprozesstheoretiker von Hayek, von Mieses und Kirzner sowie die der radikalen Subjektivisten wie Lachmann oder Wiseman verstanden werden. Die Bezeichnung österreichische Schule wäre hier unangebracht, da diese bereits für die ältere Wiener Grenznutzenschule verwendet wird. Gemeinsamer Ausgangspunkt der 295 Vgl. dazu das zentrale Werk: „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, Schumpeter, Joseph Alois, 7. Aufl., 1987. 296 Vgl. Mantzavinos, S. 85 – 86. 297 Vgl. Voggenreiter, Dieter: Wettbewerbstheorie, 1988, S. 2705. 298 Vgl. Heuss, Ernst: Allgemeine Markttheorie, 1965, S. 10. 299 Vgl. Mantzavinos, S. 90 – 91.
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österreichischen Tradition ist die Kritik an der statischen Betrachtungsweise der Wirtschaft durch die Neoklassik. Bei Hayek spielt das Wissen innerhalb des Wettbewerbsprozesses eine entscheidende Rolle. Er geht davon aus, dass es kein vollkommenes Wissen gibt und daher auch kein statisches Gleichgewicht, sondern nur eine Tendenz zu diesem. Der Wettbewerb wirkt in diesem Prozess als Ausleseprozess für die effizientesten Unternehmen und Institutionen einer Gesellschaft. Dabei geht er nicht von einer biologischen, sozialdarwinistischen, sondern von einer kulturell-institutionellen Evolution aus.300 Die eigentliche Wettbewerbstheorie der österreichischen Tradition hat Kirzner weiterentwickelt. Bei ihm steht der Unternehmer als Arbitrageur im Mittelpunkt. Dieser versucht die Koordinationslücken im Markt zu entdecken (z. B. die Bereitschaft zur Zahlung von Preisen, die über dem eigentlichen Marktpreis liegen) und auszunützen. Die entscheidende unternehmerische Fähigkeit ist dabei die Findigkeit (alertness)301, solche Koordinationslücken aufzuspüren. Van Mieses baute diesen Unternehmertyp in seine Untersuchungen ein und definierte die interlokale Arbitrage, die das mangelnde Wissen der Wirtschaftssubjekte ausgleicht und die intertemporale Arbitrage, welche die Ungewissheit der Zukunft ausnützt. Der ständige Entdeckungsprozess dem dabei die Unternehmer unterliegen, findet immer in Richtung auf ein Gleichgewicht statt, welches aber nie erreicht wird. Die Aufgabe des Staates liegt in der Schaffung der Rahmenbedingungen, wie der Gestaltung einer Wettbewerbsordnung oder der Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Dabei soll die Wettbewerbspolitik nach einem Verhaltensansatz aufgebaut sein, da Struktur- und Ergebnisdimension im Wettbewerbsprozess als unwichtig erachtet werden. Deshalb sollen bestimmte Verhaltensweisen (etwa Kartellabsprachen, die zu Handelsbeschränkungen führen) per se für unwirksam erklärt und mit Schadensersatz bedroht werden. Monopole werden dagegen als Ausdruck der Findigkeit des Unternehmers gesehen, und daher wird nur das Ressourcenmonopol für nicht wettbewerblich erklärt. Selbst dies sei aber langfristig als wettbewerblich zu sehen, da die Monopolisierung der Ressource auf die Findigkeit des Unternehmers zurückgeht, und die Entziehung der Monopolmacht eine entmutigende Wirkung auf die Unternehmerfindigkeit habe.302 Nur erwähnt seien hier die radikalen Subjektivisten der österreichischen Tradition, wie Lachmann oder Wiseman, welche die Zukunft nicht nur als unbekannt, sondern als inexistent einstufen und deshalb selbst eine Orientierung auf ein Gleichgewicht hin bezweifeln. Kritisch kann zu dem Konzept der österreichischen Tradition vermerkt werden, dass die Findigkeit des Unternehmers nur eine beschreibende Eigenschaft darstellt, aber nicht erklärt, warum diese Eigenschaft von den Individuen unterschiedlich 300 Er macht damit also nicht den „naturalistischen Fehler“, nämlich anzunehmen, dass alle Ergebnisse eines Selektionsmechanismus automatisch gut bzw. richtig sind. 301 Vgl. Kirzner, Israel: Wettbewerb und Unternehmertum, 1978, S. 28. 302 Ebd., S. 195.
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genutzt wird. Die Arbitragetätigkeit ist keinesfalls die einzige Aufgabe des Unternehmers. Die Organisationsleistungen, Mangementaufgaben und Innovationstätigkeiten fehlen in der Analyse.303 Hoppmann bezeichnete sein Konzept ursprünglich als neoklassisches Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs, da es aus der Auseinandersetzung mit dem neoklassischen Konzept Kantzenbachs entstand.304 Weil seine Theorie aber einen Bruch mit der neoklassischen Theorie darstellt, indem er keine statischen Handlungsanweisungen gab, sondern vielmehr die prozessuale Sichtweise des klassischen Paradigmas wieder in den Vordergrund stellte305, wurde die Theorie, statt des missverständlichen neoklassisch, als neuklassisch und später als Systemtheorie bezeichnet. Dabei lässt sich die Analyse Hoppmanns in zwei Phasen einteilen. Die erste liegt in den 60er Jahren, wo die Betonung auf dem dynamischen Aspekt lag und die zweite Phase in den 70er Jahren, in der die Systemanalyse in den Mittelpunkt der Betrachtung rückte. Der harte Kern der Theorie lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im Mittelpunkt der Analyse steht die Freiheitsfunktion.306 Dabei umfasst die Freiheit sowohl die Freiheit der Aktionsspielräume für aktuelle und potentielle Marktteilnehmer (Handlungsfreiheit), als auch die Abwesenheit von Zwang durch andere (Entschließungsfreiheit).307 Dies gilt für Parallelprozesse, die als Freiheit zu Wettbewerbshandlungen verstanden werden und für Austauschprozesse, die sich auf die Alternativen der Marktteilnehmer beziehen. Steigt die Freiheit im Parallelprozess, vergrößern sie sich auch im Austauschprozess.308 Ist die Wettbewerbsfreiheit vorhanden, existiert auch die Freiheit zur Innovation und Imitation. Findet letztere statt, wird das statische Gleichgewicht aufgehoben. Da in diesem Prozess die Möglichkeit für die Individuen besteht, durch innovatorischen und imitatorischen Wettbewerb ihre Wohlfahrt zu verbessern, gibt es keinen Konflikt zwischen Fortschritt und Wettbewerb.309 Man spricht daher von der NonDilemma-These oder der Harmoniethese.310 Neben der Wettbewerbsfreiheit muss 303 Die ausführlichere Darstellung der österreichischen Tradition, welche auf die gesamte Staatsphilosophie Hayeks eingeht findet sich bei: Mantzavinos, S. 115 – 143 und bei Kläver, Michael: Die Verfassung des Marktes, 2000. 304 Der 1967 erschienene Aufsatz, der sich kritisch mit der Workable Competition auseinandersetzt und dann die Grundlage für die Systhemtheorie schafft, ist wieder abgedruckt in dem Aufsatzband „Wirtschaftsordnung und Wettbewerb“. Vgl. Hoppmann, Erich: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, 1988, S. 179 – 234. 305 Vgl. Tolksdorf, Michael, S. 796 – 797. 306 Die Vorstellungen Hoppmanns zur freiheitlichen Ordnung der Gesellschaft im Allgemeinen finden sich knapp und präzise bei Watrin, Christian: Die Gesellschaft freier Menschen – Bemerkungen zu Erich Hoppmanns Arbeiten über Freiheit und marktwirtschaftliche Ordnung, 1994, S. 211 – 223. 307 Vgl. Schmidt, Ingo: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 2001, S. 17. 308 Vgl. Aberle, S. 38. 309 Zur Harmonie von Wettbewerb und technischem Fortschritt vgl. Hoppmann, Erich: Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, 1988, S. 206 – 216. 310 Vgl. Schmidt, S. 18.
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noch ein gewisser „spirit of competition“311 vorhanden sein, damit der Markt aufgrund von Sanktionen und Anreizen die Pläne der Wirtschaftssubjekte koordinieren kann. Märkte, in denen es zu unerwünschten Ergebnissen kommt, nennt Hoppmann Ausnahmebereiche, die man in echte und politische unterteilen kann.312 Der systemtheoretische Ansatz in der Theorie liegt in der Annahme begründet, dass man den Wettbewerb nicht in Teilprozessse unterteilen kann und ihn als Gesamtmarkt betrachten muss (Non-seperabilis-These). Der Wettbewerb wird als komplexes Phänomen betrachtet, er ist deshalb weder mit statischen Modellen zu erfassen, noch sind Aussagen über seine Ergebnisse möglich. Es können lediglich Mustervorraussagen (pattern predictions) getroffen werden.313 Die vorgeschlagene Wettbewerbspolitik orientiert sich an den Grundelementen der Wettbewerbsfreiheit. Die Abwesenheit von Zwang durch andere ist herzustellen, indem Zwang, Betrug und Irreführung zu erkennen und zu bekämpfen sind. Die Freiheit der Aktionsspielräume kann durch wettbewerbliches Verhalten und durch unangemessene Marktmacht beeinflusst werden. Wettbewerbspolitisch relevant ist die unangemessene Marktmacht, die durch abstrakt und global formulierte Spielregeln (per-se-Regeln) kontrolliert werden soll. Bei der Festlegung, welche Verhaltensweisen als Freiheitsbeschränkungen anzusehen sind, lassen sich aber Werturteile kaum vermeiden. So lehnt Hoppmann Entflechtungen per-se ab, da die Struktur des Marktes nichts mit der Wettbewerbsfreiheit zu tun hat, plädiert aber für ein allgemeines Fusionsverbot, da eine Fusion die Zahl der Entscheidungsträger verringere. Somit wird aber die Beliebigkeit der Argumentation deutlich: Ein Unternehmen, welches durch internes Wachstum eine bestimmte Marktposition erlangt hat, ist zu akzeptieren, wenn Wettbewerbsfreiheit herrschte. Die gleiche Position soll aber verboten werden, wenn sie durch eine Fusion erreicht wird. Dabei ist nicht einzusehen, warum die Zahl der Entscheidungsträger für den Wettbewerb konstitutiv sein soll und nicht die Freiheit der verbliebenen Marktteilnehmer.314 Auch die Zulassung von natürlichen Ausnahmebereichen wurde kritisch betrachtet. Weil der Wettbewerb nur in den Bereichen stattfinden soll, wo er ein gutes Ergebnis bringt, bringe er immer ein gutes Ergebnis. Deshalb sei die Theorie hier tautologisch. Hoppmann nahm daraufhin Abstand von den natürlichen Ausnahmebereichen und postulierte, dass alle Ausnahmebereiche politisch bedingt wären. Weiterhin sei der angenommene „spirit of competition“ auf Märkten, die 311 Hoppmann, Erich: Zum Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, 1988, S. 240. 312 Dabei sind natürliche Ausnahmebereiche z. B. durch weitreichende Economies of Scale gekennzeichnet, „( . . . ) dass eine Monopolstellung unausweichlich wird.“ Hoppmann, Erich, 1988, S. 223. 313 Zu diesen Mustervorraussagen gehören u. a.: Leistungssteigerung, Koordinierung der einzelwirtschaftlichen Pläne, Steuerung der Informationssuche und Vermittlung der relevanten Information, wechselseitige Anpassung von Nachfrage und Produktionsmöglichkeiten, Erschließung und Erweiterung des ökonomischen Potentials, Kontrolle über ökonomische Macht. Tolksdorf, S. 797 – 798. 314 Ebd., S. 798 – 799.
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sich in der Ausreifungs- oder Stagnationsphase befinden, kaum mehr anzutreffen, da hier der Wettbewerb vom Entdeckungsverfahren zum Entdeckungsfeld für Wettbewerbsbeschränkungen mutiere.315 So ist also eine generelle positive Bewertung aller Ergebnisse, die sich bei Wettbewerbsfreiheit einstellen, zumindest problematisch.316 Die Übertragung des Konzeptes auf die Wettbewerbspolitik und das Auffinden der per-se-Verbote scheint schwierig, da man nur wenige Tatbestände als eindeutig die Wettbewerbsfreiheit einschränkend beurteilen kann und in der Realität doch der Gesamtkontext berücksichtigt werden muss.317 Trotz dieser Kritik, lässt sich festhalten, dass es der Systemtheorie gelungen ist, die Wettbewerbsfreiheit als Ziel an sich in den Mittelpunkt zu stellen. Vor allem scheint die Kritik an dem statischen Modell des Struktur-Verhaltens-Ergebnis-Paradigmas berechtigt, und das Erkennen der Offenheit der Wettbewerbsergebnisse im Wettbewerbsprozess gilt als eine der wichtigsten Erkenntnisse im Rahmen der Wettbewerbstheorie.
2. Neoklassische Modelle des Systemwettbewerbs a) Tiebout’sches Wanderungsmodell Das Tiebout’sche Grundmodell hatte als Ausgangsproblem die Fragestellung, wie hoch das optimale Angebot an öffentlichen Gütern von einem Gemeinwesen sein soll. Da das Hauptmerkmal von spezifisch öffentlichen Gütern gerade das Versagen des Ausschlussprinzips ist, ist es für das einzelne Individuum rational, seine Präferenzen zu verbergen, um an der Finanzierung nicht beteiligt zu werden und sich anschließend als free-rider zu verhalten. Da das öffentliche Gut unteilbar ist, wird dieses strategische Verhalten nicht sanktioniert.318 Die Präferenzverschleierung der Individuen führt aber dazu, dass eine marktliche Lösung zur Ermittlung der optimalen Höhe des öffentlichen Budgets nicht existiert und andere Mechanismen an diese Stelle treten müssen. Erwähnt seien hier nur die normativen Theorien zur Bestimmung der optimalen Höhe der öffentlichen Ausgaben, die etwa auf Grund von kardinaler Nutzenschätzung die Grenznutzen öffentlicher und privater Güter bestimmen wollen oder wohlfahrtstheoretisch abgeleitete Modelle, etwa das ordinale Modell von Samuelson und Musgrave.319 Dieses versucht eine pareto-optimale Lösung anhand der Indifferenzkurven der Individuen und der Transformationskurve zwischen öffentlichen und Vgl. Schmidt, S. 20. Vgl. Aberle, S. 40. 317 Tolksdorf bemerkt dazu: „Wer also darauf angewiesen ist, kurzfristig wettbewerbspolitisch zu handeln – und das müssen nun mal Kartellamt und Gerichte –, der wird von der Systemtheorie an wichtigen Stellen allein gelassen.“ Vgl. S. 801. 318 Vgl. Brümmerhoff, Dieter: Finanzwissenschaft, 2001, S. 274. 319 Einen historischen Überblick über die Entwicklungsgeschichte der normativen Theorien zur Bestimmung der optimalen Höhe der öffentlichen Ausgaben gibt Wittmann, Walter, 1970, S. 27 – 32. 315 316
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privaten Gütern zu finden. Da aber all diese Modelle nur theoretische Ansätze zur Bestimmung eines optimalen Budgets darstellen, da weder Grenznutzen der Individuen noch individuelle oder gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsfunktionen bekannt sind, treten in der Praxis an ihre Stelle Wahlverfahren. Tiebout stellte dies nicht zufrieden und er suchte nach einem anderen Weg zur Lösung des Allokationsproblems: Der Wettbewerb der Anbieter öffentlicher Leistungen auf kommunaler Ebene.320 Seinem Modell liegen folgende Annahmen321 zugrunde: Die Bürger / Wähler sind vollkommen mobil und ziehen in diejenige Gemeinde, die ihre Präferenzen am bestmöglichsten befriedigt. Die Wähler haben vollständige Information über die unterschiedlichen öffentlichen Budgets der Gemeinden und handeln dementsprechend. Es gibt viele Gemeinden zur Auswahl. Das Vorhandensein von Arbeit ist unerheblich, die Bürger leben von Kapitaleinkünften. Die öffentlichen Güter besitzen keine externen Effekte zwischen den Gemeinden.322 Für jede Kombination der gemäß der Präferenzen der länger in der Gemeinde lebenden Einwohner zusammengestellten Güter existiert eine optimale Einwohnerzahl, bei der die Durchschnittskosten minimal sind.323 Die Gemeinden streben nach dieser optimalen Einwohnerzahl.
Nach Tiebout kommt es nun zu folgender Entwicklung: Solange das System nicht im Gleichgewicht ist, existieren Steuerzahler, die mit dem öffentlichen Budget nicht einverstanden sind. Diese Bürger wechseln in Gemeinden, deren Einnahme-Ausgaben-Struktur den Präferenzen des Wählers gerecht werden. In Summe erfolgt die Wählerwanderung von Gemeinden mit zu vielen Einwohnern und zu hohen Durchschnittskosten in Gemeinden mit zu wenig Einwohnern. Durch die Wanderung offenbaren die Bürger ihre Präferenzen. Die Verwaltungen der Kommunen kennen nun die Art und den Umfang der öffentlichen Güter und kaufen diese ein. Nach Tiebout wird aber die Höhe des Angebots nicht angepasst, Tiebout, Charles: A pure Theory of local Expeditures, 1956. Ebd., S. 419. 322 Das heißt benachbarte Gemeinden können vom Konsum des öffentlichen Gutes ausgeschlossen werden. 323 Damit gibt es bei Tiebout einen limitierenden Faktor, bei mindestens einem Gut in der Gemeinde gibt es Rivalität im Konsum. Sonst würden alle Bürger in eine Gemeinde ziehen, da dort die Kosten zur Bereitstellung des öffentlichen Gutes mit zunehmendem Zuzug ständig sinken würde. Ohne diesen limtierenden Faktor wären im Optimum alle Personen in einer Gemeinde. Vgl. dazu Berthold, Norbert / Neumann, Michael: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung?, 2001, S. 265 f. 320 321
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die Exekutiven der Gemeinden werden quasi vom ökonomischen System „adoptiert“.324 Tiebout selbst bezeichnet sein Modell als „Extremmodell“, welches nur lokale öffentliche Güter betrachtet und Umzugskosten ignoriert. Außerdem sind in diesem neoklassischen Modell alle Teilnehmer vollkommen informiert und unendlich mobil.325 Es ist zu bezweifeln, ob in diesem Modell tatsächlich echte öffentliche Güter modelliert werden, denn wie bei den Annahmen beschrieben, gilt weder das Nichtausschlussprinzip noch die Nichtrivalität im Konsum. Da die Angebote der Kommunen aber einfach „da“ sind, kommt es nicht zu genuinen Wettbewerbshandlungen, es gibt weder eine innovative Politik der „Wettbewerber“, noch eine Imitation erfolgreicher Politik. Die einzige Dynamik in diesem Modell stellt die Wanderung der unendlich gut informierten Bevölkerung dar, die auf Grund ihres umfassenden Wissens auch nicht Gefahr laufen, eine Fehlentscheidung bezüglich ihrer Standortwahl zu treffen. „Diese Konkurrenz ist nicht von der Art, die Hayek mit seiner Formel ,Wettbewerb als Entdeckungsverfahren‘ gemeint hat.“326 Trotzdem gilt dieses Modell als Begründer der Idee des Wettbewerbs der Gesetzgeber über das „voting with one‘s feet“.327 b) Neoklassisches Standardmodell des Steuerwettbewerbs nach Sinn Hans-Werner Sinn sieht sich im Gegensatz zu den meisten Ökonomen als scharfer Kritiker des Systemwettbewerbs. Er bringt seine Kritik auf folgenden Nenner: Das Selektionsprinzip besagt, dass Staaten nur das tun, was nicht von Privaten erledigt werden kann, und wegen dieses Prinzips kann der staatliche Wettbewerb nicht funktionieren. Wenn der Staat dort aktiv wird, wo der Markt versagt, dann kann man nicht hoffen, dass eine Wiedereinführung des Marktes durch die Hintertür des staatlichen Wettbewerbs Gutes verspricht. Es ist zu befürchten, dass auch der Wettbewerb auf der höheren, staatlichen Ebene versagt, weil dieselben Probleme, die den Staat ursprünglich auf den Plan riefen, erneut in Erscheinung treten.328 Vgl. Tiebout, Charles: A pure Theory of local Expeditures, 1956, S. 420. Vgl. Tiebout, Charles: An economic Theory of fiscal Decentralisation 1961, S. 90 f. 326 Windisch, Rupert: Modellierung von Systemwettbewerb: Grundlagen, Konzepte, Thesen, 1998, S. 129. An dieser Stelle wird deutlich, wie sehr sich die Differenzierung Tolksdorfs in neoklassisches und klassisches Paradigma der Wettbewerbstheorie auch auf die Theorie des Systemwettbewerbs anwenden lässt [vgl. Kap. 2, B. II. 1. a)]. Tiebouts Modell steht dabei prototypisch für die neoklassische Suche nach Gleichgewichten rational handelnder Individuen. 327 Vgl. Müller, Markus: Systemwettbewerb, Harmonisierung und Wettbewerbsverzerrungen – Europa zwischen einem Wettbewerb der Gesetzgeber und vollständiger Harmonisierung, 2000, S. 44. 328 Sinn, Hans-Werner: Das Selektionsprinzip und der Systemwettbewerb, 1997, S. 10. Die Kurzfassung dieses Aufsatzes erschien in englischer Sprache im Journal of Public Economics unter: Sinn, Hans-Werner: The Selection Principle and Marked Failure in Systems Competition, 1997, S. 247 – 274. 324 325
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Dabei sieht Sinn zwar einige staatliche Aktivitäten, die auch privat erledigt werden könnten, sein „Selektionsprinzip“ entspringt aber dem Gedanken, dass Staaten, durch einen geschichtlichen Evolutionsprozess geleitet, diejenigen ökonomischen Funktionen wahrnehmen, für die sich private Lösungen als ungeeignet erwiesen haben.329 Das Versagen des Systemwettbewerbs in diesen Fällen soll hier an dem Standardmodell des Steuerwettbewerbs gezeigt werden. Es soll verdeutlichen, dass kleine offene Volkswirtschaften kein Interesse daran haben, den international mobilen Faktor Kapital mit einer Quellensteuer zu belegen. Dabei gelten folgende Annahmen:330 Das Land produziert einen homogenen Output mit den Inputfaktoren Arbeit L und Kapital K. Die Produktionsfunktion f
K; L, ist linear homogen, es liegt abnehmender Grenzertrag vor, die Grenzproduktivitätsfunktion des Kapitals fK
K; L; L const: ist somit fallend. Der Arbeitseinsatz L ist fix und wird von Inländern erbracht, der Produktionsfaktor Arbeit ist folglich immobil. Das Kapital ist international mobil und steht am Weltmarkt zum einheitlichen Zinssatz r in beliebiger Menge zur Verfügung. Dabei ist es unerheblich, ob das Kapital von In- oder Ausländern stammt. Da die Weltmarktrendite konstant ist, spielt es für den einzelnen Kapitalanleger keine Rolle, wieviel Geld er im entsprechendem Land investiert hat. In einem internationalen symmetrischen Gleichgewicht entspricht aber das Vermögen der Inländer dem gleichgewichtigen Kapitaleinsatz K1 .
Bei Abwesenheit von Steuern investieren die Unternehmer also so lange in das kleine Land, bis die Grenzproduktivität des Kapitals gleich dem Weltmarktzins ist, also die letzte Einheit eingesetztes Kapital gerade noch die Rendite r erzielt. In Abbildung 5 ist das der Punkt G mit dem Kapitaleinsatz K1 . Erhebt nun das Land eine Quellensteuer auf Kapital mit dem Satz BE, so wandert Kapital aus dem Land ab, bis die Nettogrenzproduktivität nach Steuer wieder der vom Weltmarkt vorgegebenen Nettorendite r entspricht
fK r. Der Kapitaleinsatz nach der Steuer ist K2 , die Steuer wird vollständig auf den immobilen Faktor überwälzt. Die Einkommen aus Löhnen betrug nämlich vor der Steuer AGE, nach der Quellensteuer ABC. Das Steueraufkommen beträgt EFCB, der Rückgang der Lohneinkünfte allerdings EGCB. Selbst wenn also das ganze Steueraufkommen dem immobilen Faktor zur Verfügung gestellt würde, käme es zu einem excess burden von FGC. Der Versuch, den mobilen Faktor zu besteuern, wirkt also für die Lohnempfänger wohlfahrtsmindernd, deshalb unterbleibt er, das Gleichgewicht liegt in K1 . 329 Ebd., S. 11. Als Rechtsprinzip vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Der Anspruch auf materielle Privatisierung, 2003, S. 61 ff. 330 Vgl. Sinn, 1997, S. 14 ff.
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Befürworter eines Systemwettbewerbs entgegnen darauf lapidar: „Zwischen weniger mobilen Arbeitskräften kann nach wie vor erzwungene soziale Sicherung stattfinden.“331 Grenzprodukt des Kapitals r+
A B
r
C
E
D
G
F
fK(K,L), L=const. K2
K1
K
Quelle: Sinn, Hans-Werner: Das Selektionsprinzip und der Systemwettbewerb, 1997, S. 15.
Abbildung 5: Erosion der Quellensteuer im Wettbewerb
Einschränkend muss aber festgehalten werden, dass dem Modell die implizite Annahme zu Grunde liegt, dass die Kapitalsteuern nur durch den Staat bestimmt werden, in dem das Kapital investiert wird. Zusätzliche Kapitalsteuern im Wohnsitzland des (ausländischen) Investors gibt es nicht. Deshalb beschränkt Sinn die Aussagekraft des Modells auf nach dem Quellenlandprinzip erhobene Steuern332, denn beim Wohnsitzlandprinzip, bei dem im Wesentlichen das Welteinkommen aus Kapital besteuert wird, lässt sich kein zu geringes Niveau an öffentlichen Gütern implizieren. Dies wird aber aufgrund der Möglichkeit, ausländische Kapitalanlagen zu verschweigen, von vielen Autoren als unrealistisch angesehen333, deshalb wird immer häufiger, auch von Systemwettbewerbsbefürwortern, eine internationale Wettbewerbsordnung für den Steuerwettbewerb gefordert.334 Bei der genauen Beurteilung der Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs muss also nach der Einkünftezuordnung und seinen Kollisionsregeln differenziert werden, 331 Willgerodt, Hans: Neue Kontrollen für den internationalen Kapitalverkehr?, 1998, S. 157. 332 Sinn, Hans-Werner: Implikationen der vier Grundfreiheiten für eine nationale Fiskalpolitik, 1995, S. 244. 333 Vgl. Feld, Lars P. / Kirchgässner, Gebhard: Vor- und Nachteile des Steuerwettbewerbs, 2001, S. 27. 334 Vgl. Müller, Walter: Plädoyer für eine Steuerwettbewerbsordnung, 2001, S. 153 – 166. Hauser prüft, inwieweit die WTO eine solche Ordnung bereitstellen und überwachen könnte, vgl. WTO-Regeln: Geeigneter Ansatzpunkt für eine Ordnung des internationalen Steuerwettbewerbs?, 2001 und kommt dabei zu einem negativen Ergebnis (S. 194 – 195). Mors berichtet über erste Erfahrungen auf EU-Ebene: Vgl. Der EU-Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung, 2001, S. 197 – 209.
Kap. 2: Föderalismustheorie und Systemwettbewerb
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die Sinn als gegeben vorraussetzt.335 Die sehr restriktiven Annahmen im Modell werden denn auch häufig kritisiert, exemplarisch von Slemrod, der abschließend feststellt: „Nor is there convincing evidence that tax competition is ( . . . ) inducing countries to harmonize capital income taxes toward a zero level, as some simple theoretical models suggest should happen“.336 Lepach behauptet zudem, dass durch die sehr strenge Annahme der perfekten Kapitalmobilität der Erosionsdruck auf die Steuersätze überzeichnet würde.337 Dennoch gibt es durchaus neuere empirische Studien, die darauf hindeuten, dass die zunehmende Integration der Kapitalmärkte zu einer höheren Steuerlast für den immobilen Faktor führt.338 Deutschland und Frankreich drängten deshalb seit geraumer Zeit auf eine einheitliche Zinsbesteuerung, die von dem Rat der Finanzminister am 3. Juni 2003 formal verabschiedet wurde.339 Italien verknüpft aber seine Zustimmung mit Zugeständnissen für die italienischen Milchbauern.340 Selbst Finanzminster Eichel zeigte sich empört angesichts solcher „fachfremden“ Erwägungen „zwischen Kuhmilch und Kapitalerträgen“, doch zeigt sich hier nur überdeutlich, wohin das Einstimmigkeitsprinzip in Fragen des Systemwettbewerbs führt, nämlich nur zu Mindeststandards, wenn dafür in „dreisten Erpressungsmanövern“ Kompensationen erfolgen.341 Da unterstützt der Verfassungsvorschlag des Konvents voll die Befürworter eines solchen Steuerwettbewerbs, da er weiterhin Einstimmigkeit im Bereich der Steuerpolitik vorsieht.342 Damit scheinen aber weitere „Kuhhandel“ vorprogrammiert. Die ganz grundsätzliche theoretische Kritik der Gültigkeit der Aussagen Sinns, die nur unter sehr restriktiven Annahmen gelten, lässt sich allerdings auch auf weitere Modelle zum Systemwettbewerb übertragen. Seine Modelle „leben“ nur in 335 Vgl. Müller, Markus: Systemwettbewerb, Harmonisierung und Wettbewerbsverzerrungen, 2000, S. 47. Der Autor geht im Folgenden ausführlich auf die unterschiedlichen Kollisionsregel im internationalen Steuerrecht ein (S. 171 – 191). 336 Slemrod, Joel: Tax Cacophony and the Benefits of free Trade, 1997, S. 307. 337 Vgl. Lepach, Alexander: Steuerpolitik im Zeichen der Globalisierung: Quellenbesteuerung von Kapitalerträgen im Wettbewerb – eine politökonomische Betrachtung, 1998, S. 179. 338 Allerdings sind die Ergebnisse nicht eindeutig, dies liegt v. a. an der schwierigen Zuordnung und Verwendung von Steueraufkommensdaten. Vgl. dazu ausführlich: Büttner, Thiess: Empirie des Steuerwettbewerbs: Zum Stand der Forschung, 2001, S. 54 – 65. Einen tabellarischen Überblick über die Entwicklung in der EU und den OECD-Staaten gibt Bach, Stefan: Kapitaleinkommensbesteuerung zwischen Wettbewerb und Harmonisierung, 2001, S. 108 – 109. 339 Vgl. Rat der Europäischen Union – Wirtschaft und Finanzen: Results of Council of Economics and Finance Ministers, Luxembourg, 3rd June 2003 taxation and financial services, 2003, o. S. 340 Vgl. Hagelüken, Alexander / Bläske, Gerhard: Einigung auf einheitliche Zinsbesteuerung, Zugeständnisse an Milchbauern lösen italienische Blockade, 2003, S. 21. 341 Berschens, Ruth: EU-Finanzminister: Kühe und Kapital, 2003, S. 9. 342 Vgl. Hagelüken, Alexander / Wernicke, Christian: Entwurf für eine europäische Verfassung – EU-Steuerpolitik droht die Blockade, 2003, S. 23.
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pareto-optimalen Gleichgewichtszuständen, eine Evolution ist nicht vorgesehen. Trotzdem werden Sinns Überlegungen noch eine wichtige Rolle bei der Race to the Bottom Hypothese spielen. Davor soll aber die evolutionstheoretische Sichtweise von Systemwettbewerb dargestellt werden.
3. Evolutionstheoretisch basierter Ansatz des Systemwettbewerbs Der evolutionstheoretisch basierte Ansatz des Systemwettbewerbs gründet auf dem klassischen Paradigma der Wettbewerbstheorie [vgl. Kap. 2, B. II. 1. a) aa)]. Dieser Ansatz verfolgt also viel mehr den Wettbewerb im Sinne des „Entdeckungsverfahrens“ und der Beschränkung des Staates, als dass er eine Abweichung vom Pareto-Kriterium verurteilt, wie das der neo-klassische Ansatz macht. Systemwettbewerb ist ein Interaktionsprozess, in dem sowohl Elemente des ökonomischen als auch des politischen Wettbewerbs wirksam sind. Wie die beiden genannten Teilbereiche selbst, ist auch der Systemwettbewerb regelgeleitet. Da es sich um Wettbewerb zwischen den (Rechts-)Systemen handelt, beziehen sich die Wettbewerbsregeln primär auf die Möglichkeiten privater Akteure, mit ihren Dispositionen zwischen den Systemen zu wählen.343
Damit ist der Systemwettbewerb folglich exogenen Grenzen ausgesetzt, die den Systemwettbewerb erst ermöglichen, ihn aber auch behindern oder verhindern können. Die Legislative der beteiligten Gebietskörperschaften bietet ein Bündel von Institutionen an. Dabei wird unter Institution eine Kombination aus Verhaltensregel und Sanktionsmechanismus verstanden. Die Regel soll dabei eine stabile Erwartung erzeugen, die Sanktion die Einhaltung der Regel gewährleisten.344 Genauer versteht man unter einer Regel „gemeinhin bekannte Vorschriften, die von einer Gruppe von Teilnehmern genutzt werden, um wiederholt auftretende Interaktionen zu ordnen. Regeln sind das Ergebnis eines impliziten oder expliziten Versuchs einer Gruppe von Individuen, Ordnung beziehungsweise stabile Erwartungen innerhalb wiederkehrender Situationen zu erzielen.“345 Mit dem Sanktionskriterium lässt sich überprüfen, ob der Regel zur Durchsetzung verholfen werden kann. So definierte Institutionen lassen sich noch nach internen und externen Institutionen unterscheiden. Externe Institutionen stützen sich bei ihrer Durchsetzung auf den Staat, interne müssen durch private Mechanismen durchgesetzt werden.346 Streit, Manfred, E.: Systemwettbewerb und europäische Integration, 1996, S. 12. Vgl. Kiwit, Daniel / Voigt, Stefan: Grenzen des institutionellen Wettbewerbs, 1998, S. 313 f. 345 Ostrom, Elinor: An Agenda for the Study of Institutions, 1986, S. 5. 346 Vgl. Kiwit / Voigt, S. 314. Sie verweisen darauf, dass neben der Klassifizierung in externe und interne Institutionen in der Literatur auch zwischen formeller und informeller 343 344
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Das Individuum bevorzugt nun die Institutionen, welche eine bestmögliche Lösung für das Koordinationsproblem des Individuums darstellt. Die Nachfrage nach der betreffenden Institution kann im internationalen Systemwettbewerb auf zwei Arten erfolgen: Abwanderung in die Region / den Staat mit den individuell betrachtet optimalen Institutionen oder Widerspruch gegen die Institutionen im eigenen Staat. Hirschmann prägte in diesem Zusammenhang die Terminologie von der „Exit“- und der „Voice“-Option.347 Dabei hängen beide Optionen zusammen, da eine Abwanderung von bestimmten Bevölkerungsschichten zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in dem betroffenen Staat führen kann und die verbliebenen Bürger mit Widerspruch reagieren. a) Wirkungen des Systemwettbewerbs Aus einer an von Hayek348 orientierten Sichtweise lassen sich zwei Wirkungen des Systemwettbewerbs erwarten: 1. Systemwettbewerb als Entdeckungsverfahren 2. Systemwettbewerb als disziplinierendes Kontrollverfahren349 Beim Systemwettbewerb als Entdeckungsverfahren werden die Institutionen, also sanktionsbewehrte Regeln, als fehlbare Hypothesen über die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens gesehen, die ständig hinterfragt werden müssen.350 Veränderungen der Institutionen lösen aber sofort Abwanderungen oder Kaufkraftverlagerungen aus, welche den Handlungsspielraum der Regierungen einengt. Dabei kann der Systemwettbewerb auch mittelbar über grenzüberschreitenden Handel von Produkten, die in ihrem Heimatland unterschiedlicher Regulierung unterliegen, betrieben werden. Exemplarisch soll hier die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Warenverkehrsfreiheit erwähnt werden (vgl. Kap. 1, D. II.). In seinen „Dassonville“351- und „Cassis de Dijon“352-Entscheidungen von 1974 und 1979 hat er das Ursprungslandprinzip im Warenverkehr Institution unterschieden wird. (So etwa bei North, Douglass C: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, 1992, S. 3 ff.) Während North somit auf der Unterscheidung zwischen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln aufbaut, differenzieren externe und interne Regeln zwischen Staat und Gesellschaft. 347 Hirschmann, Albert O.: Exit, Voice and Loyalty, Responses to Decline in Firms, Organizations and states, 1970. 348 Bereits 1939 bemerkt von Hayek, dass die freie Bewegung von Menschen und Kapital innerhalb einer Föderation „den Spielraum der Wirtschaftspolitik der einzelnen Staaten in sehr beträchtlichem Maß“ beschränken. Vgl. von Hayek, Friedrich August: Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 1976, S. 328. 349 Vgl. Streit, Manfred, E.: Systemwettbewerb und europäische Integration, 1996, S. 13. 350 Ebd. 351 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 8 / 74, Urteil „Dassonville“, Slg. 1974, S. 837 – 860. 352 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 120 / 78, Urteil „Cassis-de-Dijon“, Slg. 1979, S. 649 – 675.
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weitgehend durchgesetzt. Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gelangt sind, müssen auch in den anderen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden dürfen. Es stehen dem nur noch eingeschränkte nationale Schutzzwecke gegenüber, die unter dem Vorbehalt des Verhältnismäßigkeitsprinzips stehen. Damit wählt nun der Konsument – in diesem Fall in der Europäischen Union – Produkte, die unter unterschiedlichen Vorschriften in den Verkehr gebracht werden und definiert so sein eigenes Optimum aus diesbezüglichen Regelungen. Um im Systemwettbewerb bestehen zu können, versuchen nun die Staaten attraktive Institutionen einzuführen oder erfolgreiche aus anderen Staaten / Regionen zu imitieren. Dabei muss am imaginären Ende eines solchen Systemswettbewerbsprozesses nicht zwangsläufig in den am Wettbewerb teilnehmenden Gebietskörperschaften ein vollständig angeglichener Institutionenbündel stehen. Unterschiedliche Präferenzen und die ständige Vorläufigkeit von Wissen kann zu unterschiedlichen Arrangements von Institutionen führen.353 Systemwettbewerb als disziplinierndes Kontrollverfahren meint einerseits die Kontrolle der Institutionen auf handlungsbeschränkende Wirkungen. Diese lösen sofort exit- oder voice-Reaktionen aus. Andererseits meint es generell die Beschränkung von politischer Macht.354 Gerade bei der Diskussion über die Zukunft Europas und eine Europäischen Verfassung wird von den Anhängern des Systemwettbewerbs dieser als „wettbewerblicher Föderalismus“ dem Paradigma eines „zentralistischen Föderalismus“ unversöhnlich gegenübergestellt.355 b) Voraussetzungen für Systemwettbewerb Damit der Systemwettbewerb innerhalb des Integrationsraums wirken kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört v. a. die Möglichkeit der Individuen, auf institutionelle Veränderungen reagieren zu können. Dies sind die aus den Römischen Verträgen bekannten Grundfreiheiten des freien Warenund Dienstleistungsverkehrs, des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit. Eng im Zusammenhang damit steht die Implementierung des Ursprungslandprinzips356, was bei der Erläuterung zu den Wirkungsweisen des Systemwettbewerbs bereits deutlich wurde. Durch die gegenseitige Anerkennung nationaler Institutionen erhalten nationale Regelungen die Qualität nationaler Standortgegebenheiten.357 Dabei muss natürlich gewährleistet sein, dass die Grundfreiheiten 353 Vgl. Oberender, Peter / Zeth, Jürgen: Europäische Sozialpolitik: Anforderungen in einem zunehmend integrierten Europa, 2001, S. 510. 354 Vgl. Streit, Manfred, E.: Systemwettbewerb und europäische Integration, 1996, S. 14. 355 Vgl. Vanberg, Viktor: Wettbewerb in Markt und Politik – Anregungen für die Verfassung Europas, 1996, S. 95 – 97. 356 Vgl. Oberender, Peter / Reißmann, Eva-Maria: Sozialpolitik und Sozialversicherung in der europäischen Integration, 1993, S. 380 – 382.
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nicht nur gewährt, sondern auch von einer supranationalen Instanz durchgesetzt werden.358 Auf der Angebotseite der Institutionen, also den Legislativen der Mitgliedstaaten, muss gewährleistet sein, dass diese einen hinreichend großen Entscheidungsspielraum für das Setzen von Regeln haben.359 Eine Vorab-Harmonisierung auf supra-nationaler Ebene ist in diesem Zusammenhang als Kartellierung der Mitgliedstaaten zu sehen. Der Wettbewerb zwischen den Staaten wird eingeschränkt, da eine Substitution der Institution im Mitgliedstaat nicht mehr möglich ist.360
4. Bewertung der Wirkungen des Systemwettbewerbs Kritik am evolutionstheoretisch basierten Ansatz des Systemwettbewerbs kommt vor allem von Vertretern des neo-klassischen Paradigmas. Die Modelle von Sinn verstehen sich als Beweis der Schädlichkeit eines Systemwettbewerbs. Der Stand der Diskussion, v. a. des „Race to the Bottom“-Arguments soll hier kurz aufgezeigt werden und nochmals bei der Frage einer europäischen Sozialpolitik aufgegriffen werden. a) Race to the Bottom-Hypothese Eng verknüpft mit dem Vorwurf des Sozialdumpings steht die sogenannte „Race to the Bottom-Hypothese“. So wird vor allem im Bezug auf Sozialsysteme in der Literatur augenblicklich in mehr oder minder großen Horrorszenarien die Frage diskutiert: Kann auf Grund des Systemwettbewerbs überhaupt noch ein Existenzminimum garantiert werden? Wird die zunehmende Mobilität von Produktionsfaktoren der Finanzierung der Umverteilung die ökonomische Basis entziehen? Können unterschiedliche Niveaus an Umverteilung bestehen bleiben? Kommt es zum Race to the Bottom, einem Wettbewerb um die niedrigsten Steuersätze auf Kapital und im Ergebnis zu minimalen, ineffizienten Sozialstandards?361 In dieser Diskussion legt der Befürworter dieser These sogar noch nach: In einem Vortrag anlässlich der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik im September 2001362 357 Daumann, Frank: Zur Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen in einem gemeinsamen Markt, 1994, S. 291. 358 Vgl. Oberender / Zeth; S. 510. 359 Vgl. Streit, Manfred E.: Dimensionen des Wettbewerbs – Systemwandel aus ordnungsökonomischer Sicht, 1995, S. 128. 360 Zur Kartellierungsproblematik in der Europäischen Union vgl. Streit, Manfred E.: Westeuropas Wirtschaftsverfassungen unter dem Druck des Systemwettbewerbs, 1994, S. 120 ff. 361 Vgl. Hilpert, Jörg: Führt der Wettbewerb um mobiles Kapital zu einem „race to the bottom“?, 1997, S. 633 und Schachtschneider, Karl Albrecht: Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, 2002, S. 253 ff. 362 Das Manuskript des Vortrages von Hans-Werner Sinn erschien in englischer Sprache unter dem Titel: „The New Systems Competition“, 2001.
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spricht Sinn nicht mehr vom „Race to the Bottom“, sondern sogar vom „Race below the Bottom“, da zusätzlich zu den niedrigen Steuersätzen auf Kapital die Eigentümer des nach Sinn weitgehend immobilen Faktors Arbeit die Kapitalbesitzer sogar noch subventionieren.363 Verfechter des Systemwettbewerbs364, die diesen v. a. evolutionsorientiert verstehen, argumentieren gegensätzlich: Das Niveau der Umverteilung werde sinken. Das sei aber positiv zu werten, da das momentane Niveau der Umverteilung ohnehin viel zu hoch sei und zusätzlich die Art der Umverteilung extrem ineffizient sei.365 Es kommt zum Race to the Bottom und der Staat kann im Extremfall die notwendige Sicherung des Existenzminimums nicht mehr übernehmen.366 Kritiker knüpfen daran ein Schreckensszenario einer unsozialen, kalten Gesellschaft. Am Beispiel der Auswirkungen des Systemwettbewerbs auf die Sozialhilfe zeigen Berthold und Neumann folgende Mechanismen auf:367 Sie nehmen zwei Länder an, die aufgrund unterschiedlich gelagerter Präferenzen der Beitragszahler, unterschiedlicher Einkommensverteilungen und / oder unterschiedlicher historischer Prozesse verschiedene Höhen staatlicher Umverteilung gewähren. Trotzdem herrscht in beiden Ländern kein sozialer Unfriede. Vor Einführung eines Systemwettbewerbs liegt in Land A das Maß an Umverteilung über dem in Land B, damit sind natürlich auch die Finanzierungsbeiträge in Land A höher als in Land B. Getragen wird die Sicherung des Existenzminimums in beiden Ländern von allen Produktionsfaktoren. Der Systemwettbewerb soll sich nun durch Öffnung der Grenzen und vollständiger Mobilität der Produktionsfaktoren entfalten. Da annahmegemäß die sonstigen Standortbedingungen gleich seien, werden diese mobilen Produktionsfaktoren nach Land B wandern, da sie dort geringere Beiträge zur Umverteilung zahlen müssen. Allerdings wird auch in B das Existenzminimum noch so weit bereitgestellt, dass der soziale Frieden gesichert bleibt. Da das Gesamtvolumen an Umverteilung konstant bleibe368, sich die zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren aber vermehren, sinken die Beiträge pro Faktor. Dies gilt in Land A genau umgekehrt. Hier werden die Finanzierungsbeiträge steigen, es kommt zu einem Ebd., S. 16. Zu diesen zählen im deutschsprachigen Raum v. a. Manfred Streit, Norbert Berthold, Peter Oberender und die Autoren des Kronberger Kreises. 365 Vgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung, 2001, S. 270. 366 Vgl. Krueger, Alan, B.: From Bismarck to Maastricht: The March to European Union and the Labor Compact, 2000, S. 2 f. 367 Vgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung, 2001, S. 270 ff. 368 Diese Annahme kann man aber kritisieren, da sie implizit unterstellt, dass die Zuwanderer aus Land A auch im Falle einer sozialen Notlage nur die geringeren Umverteilungspräferenzen der Bewohner von Land B besitzen. 363 364
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Auseinanderdriften der beiden Länder: Land B, mit der niedrigeren Umverteilung, zieht Produktionsfaktoren an, Land A verliert sie. Land A und B beginnen nun einen Wettbewerb um die mobilen Faktoren, deren Finanzierungsbeitrag immer sinkt, bis er schließlich null beträgt. Dies funktioniert aber natürlich nur, wenn es doch einen oder mehrere immobile Faktoren gibt, welche mit Umverteilungsbeiträgen belastet werden können. Laut Sinn sind dies aber eben „gerade auch sehr viele Anbieter einfacher Arbeit, Kranke und Schwache“369, was ihn zu der Aussage des „Race below the Bottom“370 veranlasst. Berthold und Neumann argumentieren dagegen, dass es eine völlige Immobilität der Produktionsfaktoren nicht gäbe: Seien die staatlichen Institutionen nun hinreichend klein, so würden mehr und mehr auch die meisten der sonst immobilen Faktoren mobil und könnten damit weniger belastet werden.371 Völlige Immobilität der Produktionsfaktoren gäbe es nicht, selbst die Eigner von Boden könnten im Rahmen einer Separationsbewegung eine Exit-Entscheidung treffen.372 Danach könnten alle Produktionsfaktoren kaum mehr zur Finanzierung der Umverteilung herangezogen werden. Zunehmende Faktormobilität diszipliniert danach den Staat und verhindert ungerechte Belastungen.373 Im Beispiel kann also Land A das Existenzminimum nicht mehr sicherstellen, da die Produktionsfaktoren nicht ausreichend belastet werden können. Dazu finden Berthold und Neumann aber eine plausibel klingende Erwiderung: Befinden sich nur nach wie vor genügend Reiche in Land A, die aus altruistischen Gründen, Präferenz für sozialen Frieden oder staatlichem Schutz vor allgemeinen Lebensrisiken ein gewisses Maß an Umverteilung wünschen, werden diese zur Finanzierung herangezogen und der soziale Frieden kann wieder garantiert werden. Zusätzlich kehren die Produktionsfaktoren, die keinen Beitrag leisten müssen, wieder zurück.374 Damit aber die Reichen bereit sind, so zu handeln, wird wieder die wundersame Wirkung des Systemwettbewerbs bemüht: Es herrsche zwischen den Ländern Wettbewerb um die Reichen bezüglich des Gutes Umverteilung. Die Länder erbringen Umverteilung und damit Befriedung der armen Schichten. Bezahlen müssen dafür allerdings die reichen Bürger. Diese können nun wählen zwischen SysSinn, Hans-Werner: „Der neue Systemwettbewerb“, 2001, S. 16. Ebd. 371 Vgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung, 2001, S. 271. 372 Ebd. Damit erweitern sie die Auslegung des Exit-Kriteriums von Hirschmann, um die Abspaltung vom Territorium einer Gebietskörperschaft, blenden aber die Umstände wie es dazu kommt völlig aus, etwa Bürgerkrieg oder Revolution. 373 So etwa David E. Wildasin in seinem Aufsatz: Factor Mobility and Redistributiv Policy, 1998, S. 151 – 192. 374 Vgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung, 2001, S. 272. 369 370
7 Deinzer
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temen mit viel Umverteilung und hohen Finanzierungsbeiträgen, dafür aber auch einer hohen öffentlichen Sicherheit, Befriedigung altruistischer Motive und höherem Versicherungsschutz und Systemen mit geringer Umverteilung, niedrigen Beiträgen aber auch geringem sozialen Frieden und hoher Kriminalität. „Die Reichen können jetzt ein System auswählen, das ihren Präferenzen am nächsten kommt, während sie vorher in einem System gefangen waren und keine Wahlmöglichkeit hatten.375 Da aber Umverteilung zur Sicherung des Existenzminimums ein öffentliches Gut darstellt mit Nichtauschlussprinzip und Nichtrivalität im Konsum, impliziert gerade diese Grenzkosten von Null für jeden hinzukommenden Nutzer des Gutes. Wandert ein Reicher zu, sinken die totalen Durchschnittskosten für das Angebot des öffentlichen Gutes, der Nutzen der anderen Konsumenten bleibt aber gleich. Je mehr Reiche in ein Land zuwandern, desto geringer fallen ihre Beiträge aus. Da die Grenzkosten der Sicherung des sozialen Friedens gleich null sind, ergeben sich hohe Skalenerträge durch die Zuwanderung eines Beitragszahlers. Das führt zu dem Ergebnis, dass obwohl die Reichen auf staatlicher Ebene die Umverteilung präferieren, sie das von ihnen gewählte Land mit hoher Umverteilung verlassen, um ihre eigenen Lasten zu reduzieren.376 Die Möglichkeit, sich als Free-Rider zu verhalten, bringt sie dazu, an einem System mit schon bestehender Umverteilung zu partizipieren, den eigenen Finanzierungsbeitrag aber zu minimieren.377 In dem Land, in dem die Armen zurückbleiben, kommt es zum Race to the Bottom. In Abhängigkeit von der Mobilität der Armen geht der Prozess aber noch weiter: Auch sie haben nun einen Anreiz, in das System zu wandern, in dem sich viele Beitragszahler befinden. Wandern die Zahler ab, so wandern die Empfänger gleich hinterher. Sollte es also keine anderen Einflussfaktoren für die Wahl des Systems geben und sind beide Gruppen mobil, wäre ein solches Modell inhärent instabil.378 Dies gilt aber wiederum nur für ein exogen gegebenes und unterschiedliches Niveau an Umverteilung. Geht man jedoch davon aus, dass die Höhe des staatlich garantierten Existenzminimums im politischen Prozess wählbar ist, ergeben sich andere Auswirkungen. Da die Beitragszahler diejenigen sind, die in einer Gesellschaft die Mehrheit darstellen, können sie die Höhe der Umverteilung bestimmen. Die Empfänger der sozialen Sicherung hingegen wählen das System, welches die höchste Umverteilung bietet. Sozialtourismus auf breiter Front wäre die Folge. Empirische Studien zu der Problematik des Sozialtourismus, meist aus den USA, kommen zu leicht Ebd. Ausführlich zu dieser Argumentationslinie vgl. Sinn, Hans-Werner: The Limits to Competition between economic Regimes, 1990, S. 3 – 13. 377 Vgl. Oates, Wallace: Fiscal Federalism, 1972, S. 142. 378 Vgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung, 2001, S. 273. 375 376
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unterschiedlichen Ergebnissen, jedoch mit einem eindeutigen Trend zur Bestätigung der These379, wobei Kaestner, Kaushal und Van Ryzin aber im Gegensatz dazu nachweisen, dass gering qualifizierte Single-Frauen aus den USA gerade in Gegenden mit dem geringsten Sicherungsniveau wandern, wenn sie nicht auf der Suche nach Unterstützungsleistungen, sondern auf Arbeitssuche sind, da sie dort die größten Jobchancen vermuten.380 Borjas zeigt beispielsweise für Kalifornien, dass sich Transferempfänger sehr wohl signifikant auf Staaten als Migrationsziel konzentrieren, die ein hohes Maß an sozialer Absicherung bieten.381 Als die Stadt New York Ende der sechziger Jahre offensiv die öffentlichen Sozialleistungen ausdehnte, um die homless-people von den Strassen zu bringen und die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, zog das Bedürftige aus den ganzen Vereinigten Staaten an. Innerhalb von fünf Jahren war die Stadt völlig überschuldet und musste ihre Armenpolitik grundlegend verändern.382 Feld bestätigt für die USA gleichfalls eine Wanderung der Transferempfänger in Staaten mit höherer Umverteilung und zeigt darüberhinaus, dass etwa in 379 Einen Überblick über empirische Studien aus den Vereinigten Staaten gibt Brueckner, Jan, K.: Welfare Reform and Race to the Bottom: Theory and Evidence, 2000, S. 514 ff. So untersucht Southwick 1981 als erster Wanderungsanreize in den USA aufgrund unterschiedlicher Niveaus von Unterstützungsleistungen für Familien mit Kindern und findet eindeutig positive Zusammenhänge. Gramlich und Laren versuchten in ihrer Studie von 1984 über Regressionsanalysen herauszufinden, welche Bedeutung das Ansteigen der Sozialleistungen in einer Region auf die Zuwanderungsrate hat. Sie kamen auch zu positiven Zusammenhängen, ihre Arbeit hat aber nach Brueckner schwere formale Mängel (S. 515 f.). Blank untersucht 1988 in einem multivarianten Analysemodell den Einfluss von Lohnhöhe, Sozialleistungen und Wanderungsentfernung auf das Migrationsverhalten von allein erziehenden Frauen. Zwar hat danach das Niveau der Sozialleistungen einen Einfluss auf die Zielregionsentscheidung, allerdings weit weniger als Lohnunterschiede. Eine ganz ähnliche Untersuchung stellten Levine und Zimmerman 1995 an. Auch sie untersuchten den Einfluss von lokal unterschiedlichen Sozialleistungen für „poor-female-headed households“ auf die Wanderungsentscheidung. Zur Absicherung ihres Ergebnisses operieren sie mit einer Vergleichsgruppe der Haushalte, bei denen der Empfang von Sozialleistungen unwahrscheinlich ist. Dabei kommen sie nur auf nicht signifikante Unterschiede bei den Wanderungsentscheidungen der beiden Gruppen. Walker wiederholte die Studie von Levine und Zimmerman 1994 mit neueren Daten und kam ebenfalls zu nicht signifikanten Unterschieden. Die Studie von Blank 1988 war Grundlage der Arbeit von Enchautegui 1997. Sie bestätigt den Effekt von Sozialleistungen als Wanderungsanreiz vor allem für junge Singlefrauen ohne Arbeitshistorie. Zuletzt kombinierte Meyer 1998 Elemente der Studien von Blank und Levine und Zimmerman. Er kommt zu dem Ergebnis, dass allein erziehende Mütter bereitwilliger umziehen, als dies Single-Frauen tun, falls Sozialleistungsdifferenzen bestehen. Allerdings ist der Effekt gering: Steigt das jährliche Niveau an Sozialleistungen in der anderen Region um $1000, so erhöht sich die Migration von allein erziehende Müttern um 6 % in einem Zeitraum von 5 Jahren. 380 Vgl. Kaestner, Robert / Kaushal, Neeraj / Van Ryzin, Gregg: Migration Consequences of Welfare Reform, 2001, S. 14 – 20. 381 Vgl. Borjas, George J.: Immigration and Walfare Magnets, 1999, S. 615 ff. 382 In jener Zeit stieg der Anteil der Sozialausgaben am Haushalt New Yorks von 12,5 % auf 23 %. Vgl. Shefter, Martin: Political Crisis / Fiscal Crisis – The Collapse and Rivial of New York City, 1985, S. 86 und Glaeser, Edward, L. / Kahn, Matthew E.: From Lindsay to Rudy Giuliani: The Decline of the Local Safety Net?, 1999, S. 124.
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der Schweiz Bezieher hoher Einkommen relativ mobil auf unterschiedliche Besteuerung reagieren.383 Gerade das Beispiel New Yorks zeigt, was die Folge des einsetzenden Sozialtourismus wäre: Die unterschiedlichen Systeme werden bestrebt sein, die Unterstützungszahlungen zu minimieren. Ein Unterbieten anderer Regionen hätte eine dreifach positive Wirkung: Es entfallen die Kosten der Umverteilung, da die Armen ja abwandern. Gleichzeitig wird aber das Gut Sicherheit vor Kriminalität und Unruhen bereitgestellt und, da auch keine Armen mehr im System verbleiben, auch das Altruismus-Motiv befriedigt. Letzteres gilt aber nur, wenn man unterstellt, dass dieses Motiv nur in räumlicher Nähe ausgeprägt ist und keine interregionalen Nutzeninterdependenzen bestehen. Beginnen also die Systeme mit der gegenseitigen Unterbietung von Sozialstandards, wird bald in keiner Region mehr das Existenzminimum bereitgestellt, damit ist das klassische Race to the Bottom beschrieben. Befürworter eines Systemwettbewerbs lassen dies nicht so stehen: Sie berufen sich darauf, dass jeder Wettbewerb ohne vorgegebenen Ordnungsrahmen versagt. Brown und Oates verwiesen bereits darauf, dass die externen Effekte, die durch die Wanderung der Armen ausgelöst werden, internalisiert werden müssen, um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen.384 Die traditionelle Finanzwissenschaft würde jetzt zu einer zentralen Lösung raten385, Systemwettbewerbstheoretiker suchen nach weniger dirigistischen Lösungen. Richter schlägt das Beschäftigungsprinzip vor, was man auch als Heimatlandprinzip bezeichnen könnte. Das Land zahlt die Umverteilungsleistungen, in dem der Empfänger zuletzt beschäftigt war und Beiträge oder Steuern bezahlt hat.386 Beitragszahler können also nach der Migration das alte System verlassen, nicht aber die Empfänger. Somit ist das Heimatland- bzw. Beschäftigungsprinzip ungleich dem Herkunftslandprinzip, da man hier auch als Zahler für alle Ewigkeit an das System des Herkunftslands gebunden wäre und ein Systemwettbewerb damit unmöglich wird.387 Die Empfänger könnten sich zwischen den Ländern auch nach Einführung des Heimatlandprinzips frei bewegen. Allerdings wird die Mobilität zwischen den Sicherungssystemen für sie eingeschränkt, egal in welchem Land sich der Bedürftige befindet, er bleibt im alten Sicherungssystem. 383 Empirische Daten zur „Mobilitätsthese“ vgl. Feld, Lars P.: Fiskalischer Wettbewerb und Einkommensverteilung, 2000, S. 187 – 188; die Erfahrungen der Schweiz zum fiskalischen Wettbewerb finden sich auf den Seiten 191 – 193. 384 Vgl. Brown, Charles C. / Oates, Wallace E.: Assistance to the Poor in a Federal System, 1987, S. 327 – 328. 385 Etwa Musgrave, Richard A.: Theories of Fiscal Federalism, 1969, S. 112. 386 Vgl. Richter, Wolfram F.: Institutioneller Wettbewerb und die Regelung von Zuständigkeit von Institutionen für Personen, 2001, S. 509. 387 Vgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb – das Ende der Umverteilung?, 2001, S. 275.
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Verhindert das Heimatlandprinzip aber nun ein Race to the Bottom? Zwar können die Armen den Reichen weiterhin hinterher ziehen – etwa von Land A nach Land B – sie bekommen aber nichts mehr von den Reichen, mit denen sie jetzt in einem Gebiet zusammenleben. Der Nutzen der Bereitstellung von Umverteilung entsteht also in Land B, die Kosten für die aus Land A immigrierten Empfänger tragen aber die in Land A zurückgebliebenen Zahler. Die Zahler in Land A bezahlen die Umverteilung in Land B.388 Sollten nun einige von diesen den Empfängern nach Land B hinterher wandern, steigen in A die Finanzierungskosten pro Kopf an, während sie in B fallen. Schließlich werden sich alle Wohlhabenden in B befinden und das Sozialsystem in A zusammenbrechen. Die verbliebenen Empfänger aus Land A könnten zwar auch nach B ziehen, würden aber dort keine Sozialleistungen erhalten. Somit würde auch das Heimatlandprinzip keinen Sinn machen, da nun die Zahler in Land B ihr präferiertes Gut des sozialen Friedens nicht erhalten würden. Das Ergebnis verwundert nicht, da Umverteilung ein öffentliches Gut darstellt und folglich niemand von der Nutzung und den entstehenden positiven Effekten ausgeschlossen werden kann. Gerade weil aber niemand davon ausgeschlossen werden kann, muss ein System auch immer ein entsprechendes räumliches Gebiet umfassen, sonst kommt es zum üblichen Free Rider-Verhalten. „Eine Trennung von Gebiet und System ist nicht möglich. Nichts anderes aber wäre die Einführung des Heimatlandprinzips.“ 389 Da die Einführung des Heimatlandprinzips also nicht den erhofften Erfolg verspricht, Systemwettbewerbsanhänger aber jede Harmonisierung möglichst vermeiden wollen, müssen sie in ihrer Argumentation nun schwerere Geschütze auffahren: Wenn als Ordnungsrahmen das Heimatlandprinzip nicht ausreicht, muss den Empfängern von Sozialleistungen eben völlig die Freizügigkeit verboten werden.390 Damit wäre ein Sozialtourismus völlig ausgeschaltet. Nur die Beitragszahler dürfen jetzt noch wandern, die im Kapitel 2, B. II. 3. beschriebenen Voice- und Exit-Optionen werden die Systeme zwingen, die Umverteilung effizient bereit zu stellen. Allein die Zahler können sich nun ihr präferiertes System aussuchen, entweder Systeme mit hoher Sicherheit vor Kriminalität, aber auch hohen Kosten der Umverteilung oder Systeme ohne Sicherheit mit all den negativen Auswirkungen, aber auch geringen Finanzierungskosten.
388 Dies muss man aber nicht zwangsläufig negativ bewerten. Berthold argumentiert so: Durch ein Senken der Umverteilung in Land A wurden externe Effekte verursacht, nämlich die Abwanderung der Bedürftigen nach Land B. Diese Kosten müssen von den Beitragszahlern in Land A getragen werden und sind somit internalisiert. Ebd. 389 Vgl. Berthold / Neumann, S. 276. 390 Vgl. Richter, Wolfram F.: Institutioneller Wettbewerb und die Regelung von Zuständigkeit von Institutionen für Personen, 2001, S. 510 – 511.
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Rettet also das Verbot von Migration für Empfänger von Sozialleistungen391 – ganz abgesehen von der europarechtlich sehr bedenklich wirkenden Beschneidung der Freizügigkeit – den Systemwettbewerb und verhindert es das Race to the Bottom?392 Nein meint Sinn, denn jetzt geschieht genau das, was er mit Selektionsprinzip meint [vgl. Kap. 2, B. II. 2. b)]. Kurz gesprochen: Da öffentliche Güter existieren, weil hier der Markt versagt, versagt bei den gleichen Gütern auch ein Wettbewerb auf höherer, staatlicher Ebene. Bei der Bereitstellung des Gutes Umverteilung liegen steigende Skalenerträge vor, da die Grenzkosten pro hinzugekommenen Reichen gegen null gehen. Versammeln sich also alle Zahler in einem Land, dann können sie das öffentliche Gut Umverteilung mit dem externen Effekt des sozialen Friedens kostengünstiger beziehen. Die Armen, denen die Immigration verboten wird, bleiben zurück und verhungern.393 Einen Ausweg aus dem Dilemma von Heimatlandprinzip und dadurch notwendiger Beschränkung der Freizügigkeit liefern die Clubtheoretiker mit folgendem Vorschlag: Der Umzug in ein neues System muss mit „Eintrittspreisen“ erkauft werden. Da aber die staatliche Festlegung des richtigen Preises extrem schwierig sein dürfte, sollten Märkte für handelbare Clubmitgliedschaften (Staatsbürgerschaften) geschaffen werden. Handelbare Zertifikate verbriefen „das Recht des Inhabers, das öffentlich bereitgestellte Leistungsbündel der jeweiligen Region in Form von Gütern und auch verteilungspolitisch motivierter Leistungen in Anspruch zu nehmen“.394 Dabei soll jedes Mitglied eines Clubs mindestens ein Zertifikat seines Wohnsitzes halten, sein Stimmrecht im regionalpolitischen Prozess aber unabhängig von der Anzahl der Zertifikate auf eine Stimme begrenzt sein. Vgl. Fromm, Oliver: Freizügigkeit und Grundsicherung in der EU, 2001, S. 364 – 369. „Der ,bourgeois‘ als Eigentümer privatautonomer Handlungsrechte auf offenen Märkten galt schon Adam Smith ganz selbstverständlich als ,Weltbürger‘ und ,Mann von Welt‘.“ Eine Beschränkung der Wanderung bestimmter Gruppen „( . . . ) bedeutet eben nicht nur eine Behinderung der ( . . . ) Bürger. Jede Behinderung ( . . . ) bedeutet in der EU immer auch eine Verletzung der Grundfreiheiten potentieller Transaktionspartner in anderen Mitgliedstaaten“. Wohlgemuth, Michael: Institutioneller Wettbewerb als Entdeckungsverfahren – Zur Rolle von Abwanderungen und Widerspruch im Europäischen Binnenmarkt, 1998, S. 28. 393 Auch hier finden Vertreter des Systemwettbewerbs noch Positives, wenn auch mit Einschränkungen: „( . . . ) kann dieser Fall durchaus wohlfahrtsoptimal sein. Das öffentliche Gut wird kostenminimal produziert. Der Nutzen der Beitragszahler ist optimal, das Nutzenniveau der zurückbleibenden Empfänger hingegen sehr gering. Stellt man keine interpersonellen Nutzenvergleiche an, kann man über mögliche Wohlfahrtswirkungen selbst im Fall des Verhungerns der Armen keine Aussagen machen. Nichtsdestotrotz wird hier davon ausgegangen, dass ein Race to the Bottom mit solchen Folgen nicht wünschenswert ist. Es ist anzumerken, dass dies ein reines Werturteil ist.“ Berthold / Neumann, S. 276. 394 Franke, Jürgen: Die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaft: Eine theoretische und empirische Analyse ihres Wirkungsgrades und der Entwurf eines Systems konkurrierender Regionen als Ergänzung zur Strategie der Marktintegration in der Gemeinschaft, 1989, S. 158. Der ursprüngliche Vorschlag, durch Einführung von Eigentumsrechten externe Effekte zu internalisieren stammt von Coase. Vgl. The Problem of Social Cost, 1960, S. 1 ff. 391 392
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Diesbezüglich trägt die Coase‘sche Idee genossenschaftsrechtliche Züge. Da die Nutzungsrechte frei handelbar sind, drückt ihr Kauf oder Verkauf Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit dem regionalen Institutionenbündel aus. Dies kann entweder parallel oder alternativ zum Standortwechsel geschehen, sodass hohe Mobilitätskosten vermieden werden könnten und trotzdem Interessenten die Option auf das Angebot einer anderen Region wahrnehmen könnten.395 Der Marktpreis würde sowohl den Umfang der Sozialleistungen als auch den Wert des kollektiven Kapitalbestandes reflektieren.396 b) Grenzen des Systemwettbewerbs Wie lässt sich jetzt die ganze Diskussion um den Systemwettbewerb und den Hauptvorwurf eines Race to the Bottom bewerten? In der Diskussion fällt zuerst auf, dass Befürworter und Leugner der „Race to the Bottom“-These oft ihre Beispiele so wählen, dass das ihnen genehme Ergebnis impliziert wird. So nimmt Mueller, ein Verfechter des Systemwettbewerbs ohne wenn und aber, als Beispiel für sein öffentliches Gut „high quality schools“397 und deren Finanzierung, bei denen aber die Kriterien der Unteilbarkeit und des Nicht-Auschlußprinzips gerade nicht erfüllt sind. Dann kommt es auch nicht zum Free-Rider-Problem und damit auch nicht zum Race to the Bottom. Des Weiteren wird dieser Wettbewerb um den geringsten Standard oft als schwarzmalerische Schreckensvision gebrandmarkt, die sich empirisch in der EU, trotz offener Grenzen, nicht im Geringsten nachweisen ließen.398 Wichtigster Grund dafür sei, dass die Mobilität bislang nicht zu hoch eingeschätzt werden darf.399 Genau an dieser Stelle findet sich bei den Verfechtern des evolutionstheoretisch basierten Ansatzes des Systemwettbewerbs ein scheinbarer Widerspruch: Zwar fordern sie, um die Funktionsfähigkeit des Systemwettbewerbs zu gewährleisten, vehement absolute Freizügigkeit [vgl. Kap. 2, B. II. 3. b)], beschwichtigen aber Kritiker der Folgen des Systemwettbewerbs damit, dass die Möglichkeit zu 395 Vgl. Franke, Jürgen: Die Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaft: Eine theoretische und empirische Analyse ihres Wirkungsgrades und der Entwurf eines Systems konkurrierender Regionen als Ergänzung zur Strategie der Marktintegration in der Gemeinschaft, 1989, S. 158. 396 Vgl. Kerber, Wolfgang: Zum Problem einer Wettbewerbsordnung für den Systemwettbewerb, 1998, S. 217. 397 Mueller, Dennis: Redistribution and Allocative Efficiency in a Mobile World Economy; 1998, S. 186. 398 So argumentiert etwa Tito Boeri für Österreich, Belgien, die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande: „( . . . ) the fact that social security contributions have increased in the quasi-monetary unions of central Europe does not lend support to the ,race-to-the-bottom‘ scenario“. Vgl. Social Europe: Dramatic Visions and Real Complexity, 2000, S. 5. 399 Vgl. Berthold / Neumann, S. 277.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Migration ja nur sehr eingeschränkt genutzt wird. Einerseits verweisen sie also auf eine geringe Mobilität aus dem System der sozialen Sicherung, da damit auch ein Verlassen des jeweiligen Nationalstaates einher geht, verbunden mit hohen Transaktionskosten, etwa dem Erlernen einer neuen Sprache, das Zurechtfinden in einer neuen Umgebung mit einer neuen Kultur und die Umzugskosten.400 Dazu kommt das Problem der Unsicherheit und Dauerhaftigkeit: Wie lange wird mein ausgewählter Zielstaat das mir genehme institutionelle System anbieten?401 Je immobiler die Faktoren sind, desto eher könnten sie weiterhin zur Zahlung gezwungen werden.402 Andererseits verurteilen die Anhänger des Systemwettbewerbs aber die geringe Mobilität und fordern als Maxime der Politik in der EU einen Abbau aller Mobilitätshemmnisse, da der Systemwettbewerb sonst nicht zustande käme und es zu einer Monopolstellung des Systems gegenüber seinen Mitgliedern käme, wo der Zwang zur Kostenminimierung nur in relativ geringem Maße spürbar werde.403 Das Thema der Mobilität scheint also zentral für die Ablehnung oder Befürwortung der Race to the Bottom-Hypothese. Deshalb soll hier nun die Argumentationskette der Systemwettbewerbstheoretiker vervollständigt werden. Auch bei der Theorie der Optimalen Währungsräume wird dann das Thema Mobilität des Faktors Arbeit nochmals eine Rolle spielen. Um die Diskussion zu verstehen, zeigt sich, wie wichtig die Vorstellung der Unterscheidung in klassisches und neoklassisches Paradigma der Wettbewerbstheorie war [vgl. Kap. 2, B. II. 1. a)]. Die Vertreter des evolutionstheoretisch basierten Ansatzes des Systemwettbewerbs, der seine Grundlagen im klassischen Paradigma der Wettbewerbstheorie hat, leugnen ein Race to the Bottom, also ein langfristiges Gruppengleichgewicht aller Länder auf minimalem, identischem Regulierungsniveau gerade deshalb, weil diese Sichtweise auf dem neoklassischen Paradigma des Wettbewerbs beruht. Nur unter den Annahmen der vollkommenen Konkurrenz, vor allem homogener Präferenzen, 400 Die Mitglieder des Kronnberger Kreises beruhigen mit der Aussage: „Die sprachlichen und kulturellen Unterschiede in der Europäischen Union lassen vermuten, dass die Wanderungsfreudigkeit auch in Zukunft nicht stark und rasch zunehmen wird“. Donges, Jürgen / Eekhoff, Johann / Hamm, Walter / Möschel, Wernhard / Neumann, Manfred J. M. / Sievert, Olaf: Sozialunion für Europa?, 1996, S. 47. 401 Zu „Uncertainty, Durability and Labor Mobility“ vgl. Wilson, John Douglas: Capital Mobility and Environmental Standards: Is there a theoretical Basis for a Race to the Bottom?, 1997, S. 424 – 425. 402 Amerikanische Erfahrungen veranlassen Alan B. Krueger zu folgender Aussage: „If it is difficult to entice Spaniards to move from Seville to Madrid, ( . . . ) it is unlikely they will move to Munich in search of better benefitS. Language, cultural, and social barriers are likely to continue to provide roadblocks to perfect labor mobility ( . . . ). In view of this experience, it seems to me unlikely that the elimination of remaining restrictions on labor migration across EU countries will lead to convergence in the terms and conditions of employment and taxes across Europe“. Vgl. From Bismarck to Maastricht: The March to European Union and the Labor Compact, 2000, S. 7 – 8. 403 Vgl. Kerber, Wolfgang: Wettbewerbsordnung für den interjurisdiktionellen Wettbewerb, 2000, S. 372.
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vollkommener Information und eben daraus abgeleiteter vollständiger Mobilität würde sich dieses, nicht wünschenswerte Gleichgewicht einstellen.404 Das theoretische Erreichen eines solchen Pareto-Optimums degradiert aber nach von Hayek den Wettbewerb zur „verschwenderischen Rechenaufgabe“.405 Die Vertreter des Systemwettbewerbs verurteilen die Kritik am „Systemwettbewerbsversagen“ aber eben aufgrund ihrer Ceteris-paribus-Annahmen. In einer „realen Welt“ komme zwar Steuerwettbewerb, aber überhaupt kein Verschwinden von Regulierungen vor.406 Denn da, wie oben [vgl. Kap. 2, B. II. 4. a)] gezeigt, eine Trennung von Gebiet und Umverteilung nicht möglich ist, wird schon auf theoretischer Ebene evident, dass sich eine unendliche Mobilität zwischen den Systemen nicht herstellen lässt. Wenn Umverteilung an bestimmte Regionen gekoppelt ist, fallen für den Gebietswechsel immer Transaktionskosten des Systemwechsels an. Des Weiteren sind wohl für den Wechsel des Staatsgebietes immer auch mehr Faktoren und Motive mitentscheidend, als nur das Niveau an Umverteilung, welche die Mobilität beschränken und auch unter Systemwettbewerb einen Race to the Bottom begrenzen.407 In die Gebietswahlentscheidung fließt nicht nur das Sicherungssystem mit ein, sondern es wird über ein komplexes Paket unterschiedlicher Institutionen abgestimmt.408 Eine bloße Marginalentscheidung, wie sie die neoklassischen Vertreter der Wettbewerbstheorie postulieren, die zu einem optimalen Niveau an Umverteilung führt, existiere nicht.409 Solange aber auch andere Merkmale eines Systems eine Rolle für die Wahl des Territoriums spielen, kann im Rahmen der unterschiedlichen Erfüllung der Präferenzen für diese Merkmale umverteilt werden.410 Gerade weil etwa unterschiedliche Arbeitsmarktstrukturen und Ordnungsrahmen bestehen blieben, sind auch unterschiedliche Formen und Höhen von Umverteilung optimal.411 Wegen gradueller Abweichungen des Umverteilungssystems werde es nicht gleich zur massiven Abwanderung kommen. Eine Abwärtsspirale wird zwar nicht geleugnet, aber sie wird niemals zu null Umverteilung führen.412 Darüber 404 Vgl. Kiwit, Daniel / Voigt, Stefan: Grenzen des institutionellen Wettbewerbs, 1998, S. 330 f. 405 von Hayek, Friedrich August: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 1969, S. 249. 406 Vgl. Seliger, Bernhard: Grundzüge einer Theorie des Systemwettbewerbs, 1998, S. 264 – 265. 407 So weist Schnabel darauf hin, dass Personen vor allem dann wandern, wenn schon Einwanderer aus ihrem Staat im Zielland leben. Dies nennt er „Netzwerk-Migration“. Schnabel, Claus: Kommentar, 1998, S. 274. 408 Daniel Kiwit und Stefan Voigt subsumieren dies unter sachlichen Wettbewerbshemmnissen. Zeitliche Wettbewerbshemmnisse liegen etwa vor, wenn Investitionen zeitlich gebunden sind, persönliche, wenn große Verbundenheit mit der Heimatregion besteht. Vgl. S. 330. 409 Vgl. Berthold / Neumann, S. 278. 410 Vgl. Kerber, Wolfgang: Wettbewerbsordnung, 2000, S. 370. 411 Vgl. Freeman, Richard B.: Single Peaked vs. Diversified Capitalism: The Relation between Economic Institutions and Outcomes, 2000, S. 29 f. 412 So etwa Oates, Wallace: Essay on Fiscal Federalism, 1999, S. 1147.
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hinaus ist Mobilität nicht kostenlos zu haben, da etwa – wie oben beschrieben – Transaktionskosten beim Wechsel der Sozialsysteme anfallen.413 Deshalb bliebe dann Umverteilung möglich, solange die Kosten der Umverteilung geringer sein, als die der Mobilität.414 Nicht nur sachliche, zeitliche, persönliche und räumliche Hemmnisse beschränken die Mobilität und verhindern damit ein Race to the Bottom. Auch kognitive Grenzen der Menschen verhindern die vollkommene Information, wie sie die Neoklassik fordert. Herrscht aber kollektive Unsicherheit, z. B. über die richtige Höhe eines gemeinsamen Mindeststandards, der ein Race to the Bottom verhindern könnte, so würde die Implementierung eines solchen das Risiko beinhalten, dass alle Staaten Wohlfahrtsverluste aufgrund des falschen Standards erleiden.415 Im politischen Wettbewerb treten kognitive Grenzen ebenso offen zu Tage, da es ökonomisch nicht rational ist, sich über die Wahlprogramme der politischen Anbieter zu informieren. Der Einfluss der eigenen Stimme auf das Wahlergebnis rechtfertigt nicht die Kosten der Informationsbeschaffung.416 Des Weiteren setzen die neoklassischen Modelle auf die völlige Rationalität der Akteure. Gerade in neuerer Literatur wird aber immer mehr auf die komplexen Entscheidungskalküle der Individuen verwiesen. Die wahrgenommene (In-)Effizienz der Sozialsysteme und damit der Wunsch zur Reform dieser, der nach den Kritikern des Systemwettbewerbs den Race to the Bottom erst auslöst, hängt aber stark von den Einstellungen der Bürger zu den Institutionen ab. Lindbeck weist darauf hin, dass sich Verhaltensnormen und Einstellungen herausbilden, die eine starke Beharrungstendenz aufweisen.417 Dabei können Reformen zu hohen Anpassungskosten führen, gerade wenn prinzipielle Systemveränderungen zu formalen Regelungen führen, welche nicht mehr mit den informellen kompatibel sind.418 Ribhegge folgert aus diesen Reibungsverlusten in der Übergangsphase, dass sowohl instabile als auch stark divergierende Präferenzen vorliegen. Dann kommt es zu einer zirkulären Ordnung, „( . . . ) in der es u. U. zu permanenten Reformen kommt, ohne dass es der Gesellschaft besser 413 In der Systematik von Daniel Kiwit und Stefan Voigt sind dies räumliche Wettbewerbshemmnisse. 414 Vgl. Berthold, Norbert / Thode, Eric: „Eine Abwanderung wird solange unterbleiben, wie die Kosten der Wanderung, die aus dem Verbleib im Sozialstaat entstehen, überwiegen. Allein schon aufgrund dieser Überlegungen erscheint es also möglich, zumindest den Faktor hochqualifizierte Arbeit zur Finanzierung der redistributiven Aktivitäten heranzuziehen.“ Vgl. Globalisierung – Drohendes Unheil oder schöpferische Kraft für den Sozialstaat?, 1998, S. 339 f. 415 Vgl. Klevorick, Alvin K.: Reflections on the Race to the Bottom, 1997, S. 464. 416 Vgl. Kiwit / Voigt, S. 326. Dennoch liegen in den westlichen Demokratien die Wahlbeteiligungen viel höher, als es sie aus Sicht der Public Choice-Theorie sein dürfte. Dies kann man u. a. mit der Theorie des „Expressive Voting“ erklären, denn der Wähler besitzt offensichtlich einen intrinsischen Nutzen beim Ausfüllen des Wahlzettels. Vgl. Söllner, Fritz: Geht der homo oeconomicus zur Wahl?, 1998, S. 17 – 19. 417 Vgl. Lindbeck, Assar: Hazardous Welfare-State Dynamics, 1995, S. 12. 418 Vgl. Freeman, Richard B.: The largeWelfare State as a System, 1995, S. 17.
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geht. ( . . . ) Häufige Reformen sind dann kein Zeichen hoher Anpassungsfähigkeit und Effizienz, sondern starker Verteilungskonflikte in der Gesellschaft“.419 Weitere Beschränkungen des Systemwettbewerbs liefern die politischen Akteure, deren Handeln noch weit von einem unternehmerischen Denken entfernt scheinen. Der Systemwettbewerb würde eine „Marktanalyse“ der Präferenzen der institutionellen Nachfrager erfordern, um Absatzchancen für neue Regeln zu eruieren. Faktisch überwiegen aber von Wahlterminen gejagte Politiker, die nur Krisenbewältigungsstrategien anwenden und maximal einmalige Reformanstrengungen kommunizieren.420 Die folgende Abbildung soll die Beschränkungen des Systemwettbewerbs zusammenfassen: Hemmnisse sachlich zeitlich persönlich räumlich
! Substitutionskosten
! Begrenzte Mobilität von Arbeit und Kapital
Beschränkungen Beschränkungen durch politische Akteure
Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit durch Meta-Regeln Harmonisierung (Beschränkung der Wettbewerbsparameter durch Kartell)
kognitive Grenzen
Grenzen durch Interdependenzen
Probleme der Wahrnehmung und Interpretation
Wirksamkeit des Wettbewerbs über politischen Wettbewerb; dort aber Probleme wegen:
! Transaktionskosten der Wahrnehmung und Interpretation institutioneller Angebote der Wahrnehmung und Interpretation von Widerspruch (voice-option)
begrenzten politischen Wettbewerb in Demokratien weitgehend unterdrückbaren politischen Wettbewerbers in Autokratien
Quelle: Kiwit / Voigt: Grenzen des institutionellen Wettbewerbs, 1998, S. 331.
Abbildung 6: Beschränkungen des Systemwettbewerbs
Aus all diesen Gründen sei ein neoklassisches Race to the Bottom-Gleichgewicht nicht zu befürchten. „Mit einem marktprozesstheoretischen Verständnis von 419 Ribhegge, Hermann: Sozialpolitische Reformen in demokratischen Systemen, 1998, S. 308. 420 Vgl. Wegner, Gerhard: Systemwettbewerb als politisches Kommunikations- und Wahlhandlungsproblem, 1998, S. 304. Er analysiert das Verhalten der politischen Akteure aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie und bezieht dabei auch das Verhalten der Interessensgruppen und Verbände (Theorie von Olson) mit in seine Analyse ein.
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Wettbewerb ist aber ein paralleles Bestehen unterschiedlicher Regulierungsniveaus nicht nur möglich, sondern auch zu erwarten ( . . . ).“421 Somit bleiben staatliche Finanzierungsquellen bestehen, damit aber auch potentielle staatliche Ineffizienz. Um diese zu minimieren und den Staat zu einem effizienten Handeln zu zwingen, solle aber der Systemwettbewerb wirken und so der Staat begrenzt werden.422 Der Stand der Diskussion lässt sich abschließend auf folgenden Nenner bringen: Systemwettbewerb wird als letzter „Retter in der Not“423 gegen einen ausufernden Sozialstaat gesehen, der längst an seine ökonomischen Grenzen gestoßen ist. „Weltweit offene Güter- und Faktormärkte zwingen die Gesellschaften, längst überfällige ordnungspolitische Entscheidungen zu treffen, was des Marktes und was des Staates ist. Damit steht vieles von dem, was wir dem (Sozial-)Staat fälschlicherweise an Aufgaben aufgebürdet haben, zur Disposition.“424 Allerdings ist nationalstaatliche Umverteilung noch möglich, da noch weitgehend Immobilitäten, vor allem beim Faktor Arbeit vorhanden sind.425 Vollständige Mobilität würde den Systemwettbewerb noch wirksamer machen: Durch eine Zuwanderung der Armen würde dann das System der Umverteilung kollabieren. Da es für die Zahler der Umverteilung sinnvoll ist, eine geringe Menge des Gutes Umverteilung bereitzustellen, werden die Empfänger nämlich in die anderen Systeme abwandern. Dadurch entstehen negative externe Effekte auf benachbarte Systeme. Im eigenen Gebiet wird der soziale Frieden erst einmal hergestellt. Es kommt aber zum Prisoner-Dilemma: Da das Verhalten für alle rational ist, kann langfristig die Sicherung des Existenzminimums bei vollständiger Mobilität in keinem Staat gewährleistet werden. Die Wanderung der Empfänger der Sozialleistungen, ausgelöst durch unterschiedliche Sozialniveaus führt insgesamt zu einem pareto-suboptimalen Umverteilungsniveau426, Sinns „Race to the Bottom“. Da aber die festgestellte und zukünftig vermutete Mobilität eingeschränkt ist427, bleibt dieses Ergebnis ein theoretischer, im neoklassischen Modell stecken gebliebener theoretischer Endzustand des Systemwettbewerbs. Wenn man den WettKiwit / Voigt, S. 331. Vgl. Berthold / Neumann, S. 278. 423 Vgl. Berthold / Thode, S. 355. 424 Berthold, Norbert: Der Sozialstaat der Zukunft – mehr Markt weniger Staat, 2001, 42. 425 Auf die Immobilität des Faktors Arbeit weist auch die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten Systemwettbewerb hin. 1998, S. 38. 426 Das erkannte bereits Mark V. Pauly: Income Redistribution as a local Public Good, 1973, S. 56. 427 Als Verfechter des Systemwettbewerbs versucht Straubhaar mit drastischen Beispielen das „Race to the Bottom“ auf grund hoher Mobilität zu entkräften. So leben 98 % der Menschheit in dem Staat, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzen. Daraus schließt er, – ohne etwa über den Wechsel von Staatsbürgerschaften nachzudenken – dass Menschen „( . . . ) lieber in ihrer vertrauten näheren Umgebung [verharren] als in der unbekannten Fremde. Eigentlich sind Menschen international außerordentlich immobil.“ Vgl.: Empirische Indikatoren für den Systemwettbewerb – Moderne und historische Befunde, 1998, S. 249. 421 422
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bewerb aber als Entdeckungsverfahren begreift, der ein unbekanntes Ergebnis hervorbringt, welches aber selbst wieder neuem Wettbewerb und Hinterfragung unterliegt, darf man sich nicht völlig gegen Systemwettbewerb und für völlige VorabHarmonisierung entscheiden. Außerdem ist ein Race to the Bottom nur als pareto-suboptimale Lösung zu verurteilen, wenn man dem Staat als benevolentem Akteur die Funktion einräumt, den Bürgern wohlfahrtssteigernde Leistungen angedeihen zu lassen, die aufgrund von kollektiver Irrationalität weder durch individuelles Handeln noch am Markt generiert werden.428 Diese Interpretation von Marktversagen muss sich aber immer den Vorwurf der „Anmaßung von Wissen“429 gefallen lassen. Schmidtchen fasst die Diskussion wie folgt zusammen: Institutioneller Wettbewerb hat Grenzen, die allerdings deutlich von den Grenzen abweichen, die diagnostiziert werden, wenn ein neoklassisches Wettbewerbsverständnis vertreten wird. Die beiden größten Probleme dürften in der notwendigen Verbindung der Institutionenwahl mit dem politischen Wettbewerb einerseits und der Beeinflussbarkeit der MetaInstitutionen andererseits zu sehen sein.430
Zusätzlich ist zu beachten, dass nationale Umverteilung auch dann weiterhin in gewissem Rahmen betrieben werden kann, solange in die Wanderungsentscheidung andere staatliche Leistungen mit hineinspielen, die keinen Race to the Bottom implizieren.431 Deshalb gehen die Befürworter des Systemwettbewerbs, allen voran Berthold, davon aus, dass das Gut Sicherung des Existenzminimums weiterhin in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt wird, und nur die nicht zieladäquate, wohlstandsmindernde Umverteilung innerhalb der Mittelschicht auf ein wesentlich geringeres Maß zurechtgestutzt wird.432 428 „Wer von einem vorgegebenen Katalog wünschenswerten staatlichen Handelns unter der Annahme eines ,wohlwollenden Staat[es]‘ ausgeht, wird geneigt sein, im Standortwettbewerb wenig mehr als einen Störfaktor zu sehen, der den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben behindert.“ Vanberg, Viktor, Kommentar: Modellierung von Systemwettbewerb: Eine kritische Bestandsaufnahme, 1998, S. 156. 429 Zur Anwendung des Popper’schen Kritischen Rationalismus im sozialen Bereich vgl. Tiefel, Thomas: Von der Offenen in die Abstrakte Gesellschaft – Ein interdisziplinärer Entwurf, 2003, S. 50 – 75. 430 Schmidtchen, Dieter, 1998, S. 354. 431 Vgl. Apolte, Thomas: Institutioneller Wettbewerb: Ansätze, Theoriedefizite und Entwicklungsperspektiven, 2000, S. 204 – 206. 432 Berthold fasst die positiven Folgen des Systemwettbewerbs in der Globalisierung zusammen: „Die nicht zieladäquate, wohlstandsmindernde Umverteilung in der Mittelklasse von den nicht ganz Reichen zu den nicht ganz Armen schrumpft erheblich. Das ist gut so. Auch die Umverteilung in den Systemen der Sozialen Sicherung wird zurückgehen. Der Übergang zu privaten Versicherungslösungen im Bereich der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung macht eine interne Umverteilung unmöglich. Aus Gründen der Effizienz (Zielgenauigkeit) ist es sinnvoll, die Umverteilung in ein eigenständiges Steuer-Transfer-System auszulagern. ( . . . ) Ein wirksamer Kampf gegen Armut ist nach wie vor möglich. Die Umverteilung zugunsten der wirklich Bedürftigen steigert die Produktivität des international mobilen Kapitals. Wenn die Individuen materiell nicht ins Bodenlose fallen, erhöht sich mit der
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
III. Abschließende Darstellung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass je geringer die Problematik internationaler öffentlicher Güter (regionale Externalitäten, Größenvorteile, Transaktionskosten, allokoative Ineffizienzen) wirksam wird und je größer die Chancen eines Systemwettbewerbs bewertet und unterstützt werden, desto eher eine regionale Lösung angestrebt werden sollte. Je stärker allerdings die Argumente für internationale öffentliche Güter ins Gewicht fallen, desto eher ist an eine Koordination oder sogar zentrale Aufgabenerfüllung zu denken. Dies veranschaulicht folgende Abbildung: ~ Regionale Externalitäten Größenvorteile Transaktionskosten allokative Ineffizienzen
Koordination sinnvoll
Koordination risikoreich
Koordination überflüssig
Koordination schädlich " Zunehmende Präferenzkosten Große Wirkung des Systemwettbewerbs zu vermuten
Quelle: Abgewandelt nach: Berthold / Neumann: Die Zukunft der europäischen Sozialpolitik: Wettbewerb oder Koordination, 2002, S. 42.
Abbildung 7: Zentralisierung vs. Dezentralisierung
Zu diesem Ergebnis gelangt auch Klodt in seinem grundlegenden Aufsatz zur Abwägung zwischen den Polen „Koordination“ vs. „Systemwettbewerb“ auf internationaler Ebene. Internationale Regelungen erzeugen dann Wohlfahrtsgewinne, wenn starke internationale spillovers bestehen. Bestehen diese nicht, sind Regeln schädlich, da sie nationale sowie regionale Präferenz- und Technologieunterschiede nicht berücksichtigen und eine evolutorische Fortentwicklung von Regelsystemen durch internationalen Systemwettbewerb verhindern. Nach Klodt ist auch in Fällen, in denen Unsicherheit über das Regelwerk zur Internalisierung der regionalen spillovers bestehen, internationale Koordinierung höchst problematisch. Falsche Regeln erzeugen unerwartete Wohlfahrtsverluste. Deshalb sollten in solchen Fällen nur soweit spezifizierte Regeln wirken, wie unbedingt zum Erreichen des Regelungsziels erforderlich sind, und so reversibel sein, dass sie zukünftige alternative Lösungswege nicht versperren.433 Risikobereitschaft auch die Rate des technischen Fortschritts, die Kriminalität wird eingedämmt, der soziale Frieden sicherer und die Akzeptanz der marktwirtschaftlichen Ordnung höher.“ Vgl.: Sozialstaat und struktureller Wandel: Eine verhängnisvolle Beziehung?, 1999, S. 30. 433 Vgl. Klodt, Henning: Internationale Politikkoordination: Leitlinien für den globalen Wirtschaftspolitiker, 1999, S. 7.
Kap. 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
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Kapitel 3
Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion Ausgehend von Abbildung 7 soll verdeutlicht werden, wann die Vertreter der evolutorischen Theorie des Systemwettbewerbs eine Koordination innerhalb der EU im Bereich der Sozialpolitik akzeptieren und wann sie diese ablehnen.
A. Sinnvolle Koordination Folgt man der Logik von Abbildung 7, wäre eine Koordination europäischer Sozialpolitik dann sinnvoll, wenn z. B. regionale Externalitäten oder Größenvorteile vorliegen oder es zu allokativen Ineffizienzen kommt und gleichzeitig geringe Wirkungen des Systemwettbewerbs zu erwarten sind. Berthold und Neumann, als Verfechter des Systemwettbewerbs, machen sich aber erst gar nicht auf die Suche nach solchen Bereichen, sondern erklären als einzig sinnvolle Koordination die, welche die Mobilität der EU-Bürger erhöht. Später wird gezeigt, dass es durchaus positive externe Effekte der Harmonisierung der Arbeitslosenversicherung gibt: nämlich den Ausgleich asymmetrischer Schocks innerhalb der Währungsunion. Die bisherigen Ausführungen zum Systemwettbewerb machen deutlich, dass dieser nur funktioniert, wenn der Bürger mit seiner voice-option glaubhaft machen kann, dass er seine exit-option auch ausüben würde. Darum ist es von größter Bedeutung, alle Wechselkosten möglichst gering zu halten. Im Bereich der Sozialversicherung muss das heißen, dass trotz des Wechsels in neue Versicherungssysteme die Ansprüche und Anrechnungszeiten aus den nationalen Systemen im Gastland erhalten bleiben. Der Kronberger Kreis spricht sich in der Rentenversicherung für ein „Kombinationsprinzip“ von Versicherungsverträgen aus. Dabei setzt sich die Höhe der gesamten Rentenleistung aus den modifizierten Ansprüchen aus den einzelnen nationalen Systemen zusammen. Dazu benötigt es aber des Informationsaustausches funktionsfähiger nationaler Systeme.434 Alle Harmonisierungsregelungen, welche die Mobilität erhöhen, werden also als sinnvoll eingestuft, alle weiteren als „kartellartige Beschränkung des Systemwettbewerbs“ verteufelt. Die Kommission wird dabei als Verwalterin eines ineffizienten Umverteilungsapparates bezeichnet, der eben diese Kompetenzen wieder zu entziehen sind, damit der Systemwettbewerb unverfälscht arbeiten kann.435 434 Vgl. Donges / Eekhoff / Hamm / Möschel / Neumann / Sievert (Kronberger Kreis): Sozialunion für Europa?, 1996, S. 39 – 40. 435 Vgl. Wrobel, Ralph: Systemwettbewerb statt fiskalischem Föderalismus, 1999, S. 677 – 678.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
B. Risikoreiche Koordination? – Niveau der Grundsicherung In diesem Feld der Matrix von Berthold und Neumann finden sich die größten Widersprüche bei den Anhängern des Systemwettbewerbs. Sie ordnen hier die Sicherung des Existenzminimums ein, die aufgrund der Gefahr von finanzierungsseitigem free-rider-Verhalten als Aufgabe des Staates eingeordnet wird.436 Folgt man der Argumentation Sinns [vgl. Kap. 2, B. II. 4. a)], kommt es im Systemwettbewerb zu einem Race to the Bottom und deshalb zu ineffizient wenig sozialer Mindestsicherung. Die Gegenposition lautet wie bereits beschrieben: Es wird kein Race to the Bottom geben, da die Transferempfänger nur sehr eingeschränkt mobil sind.437 Doch gerade sie erklären eine hohe Mobilität als konstitutionell für den Systemwettbewerb. Deshalb müssen auch die Gegner einer koordinierten Grundsicherung in Europa zugeben: „Die dezentral unkoordinierte Lösung ist vorzuziehen ( . . . ). Allerdings kann sich diese Einschätzung bei einer Zunahme der Mobilität ändern.“438 Auch die Autoren des Kronberger Kreises, ausgewiesene Gegner einer europäischen harmonisierten Sozialpolitik, argumentieren hier sehr vorsichtig: Der für ein Race to the Bottom nötige Sozialtourismus von relativ armen zu relativ reichen Ländern sei im Bereich der Sozialhilfe durchaus vorzufinden, da durch die extensive Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs durch den EuGH die Möglichkeit gegeben ist, jeweils mindestens sechs Monate in einem – oder nacheinander in mehreren – reichen Mitgliedstaaten Anspruch auf soziale Leistungen zu haben, obwohl keine tatsächlichen Bemühungen der Arbeitssuche vorlägen. Dieser Sozialtourismus sei einzuschränken, indem man längere Wartezeiten einführen solle, bis Anspruch auf die Sozialhilfe im Gastland besteht.439 Gerade damit würde aber wiederum die Mobilität der EU-Bürger beschränkt und die exit-Option der Sozialhilfeempfänger unglaubwürdig – ein klarer Widerspruch in der Theorie des Sytemwettbewerbs. Wie die Diskussion der Race to the Bottom Hypothese gezeigt hat, verhindert aber weder das Heimatlandprinzip noch das Verbot der Freizügigkeit für Transferempfänger, dass es zu einem sozialpolitisch unerwünschten Ergebnis kommt, da sich sonst alle reichen Zahler in ein Land absetzen würden und die Armen allein zurückblieben. Genauso hat die Diskussion in Kap. 2, B. II. 4. a) aber auch gezeigt, dass empirisch belegt scheint, dass Unterschiede in der Höhe der Grundsicherung zu Wanderung führen. Feist untersuchte die nationalen Systeme der sozialen Grundsicherung in der EU. Neben systematischen Unterschieden stellte er auch deutliche Unterschiede in der Höhe der Leistungen fest: Der maximal an eine Einzelperson monatlich auszuzahlende Transferbetrag schwankte 1995 nach Kaufkraftparitäten berechnet zwischen 127 A in GriechenVgl. Berthold / Neumann: Sozialsysteme im Wettbewerb, 2001, S. 256. Vgl. Berthold / Neumann: Die Zukunft der europäischen Sozialpolitik: Wettbewerb oder Koordination, 2002, S. 46. 438 Ebd., S. 48. 439 Vgl. Donges / Eekhoff / Hamm / Möschel / Neumann / Sievert (Kronberger Kreis): Sozialunion für Europa?, 1996, S. 38. 436 437
Kap. 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
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land und 825 A in Luxemburg. Das entspricht einer Abweichung um den arithmetischen Mittelwert in der EU (410 A) von –70 % in Griechenland bis +20 % in Luxemburg. Ein ähnlich hohes Niveau boten Dänemark, die Niederlande und Belgien, deutlich unter dem Gemeinschaftsschnitt lagen neben Griechenland noch Spanien und Portugal.440 Kann nun ein Sozialhilfeempfänger, wie vom Kronberger Kreis befürchtet, quer durch Europa auf Sozialtourismus gehen? Kernstück der Regelung über die Behandlung der Arbeitnehmer in den Systemen der sozialen Sicherheit ist VO 1408 / 71.441 Hintergrund war Art. 51 EWGV (Art. 42 EGV), welcher nach lit. a) fordert, alle innerstaatlichen Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung und Höhe von Leistungsansprüchen zusammenzurechnen. Explizit gilt die Verordung nach Art. 4 IV aber nicht für die Sozialhilfe. Die Grundsicherung bleibt somit als wichtiges Element der Sozialpolitik von gemeinschaftsrechtlicher Koordinierung unberücksichtigt.442 Grundsätzlich gilt der Satz: „Wer von der Freizügigkeit Gebrauch machen kann ( . . . ), dem stehen auch die mit diesem Gemeinschaftsgrundrecht verbundenen sozialen Rechte zu“.443 Eine Beschränkung des Zugangs zu diesen Rechten ist deshalb nach der Systematik des Gemeinschaftsrechts nur so möglich, indem man die Freizügikeit selbst, auch durch Übergangszeiten, begrenzt. Allerdings legte der EuGH die Verordnung 1408 / 71 in zahlreichen Vorabentscheidungen, an der Freizügigkeit orientiert, weit aus. Der EuGH wollte den Schutz der Wanderarbeitnehmer nicht an organisatorischen Besonderheiten der nationalen sozialen Systeme scheitern lassen und trug damit ganz neuen Formen sozialen Schutzes Rechnung. So fällt auch das garantierte belgische Mindesteinkommen, das die in der Verordnung 1408 / 71 eigentlich ausgenommene Sozialhilfe beinhaltet, mit unter die Regelung.444 Mittlerweile beurteilt der Europäische Gerichtshof den Anspruch auf Sozialhilfe nach VO Nr. 1612 / 68445 und sie wird dem Empfänger für sechs Monate zugesprochen, solange er sich zum Zwecke der Arbeitssuche in dem EU-Staat aufhält.446 Gerade im Lichte der Osterweiterung Vgl. Feist, Holger: Arbeit statt Sozialhilfe, 2000, S. 194 – 197. VO Nr. 1408 / 71 (EWG) des Rates vom 14. Juli 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. 442 Vgl. Wagner, Antonin: Soziale Mindestsicherung in Europa – Vom gemeinsamen Markt zum europäischen Sozialraum, 1993, S. 197. 443 Schulte, Bernd: Nationale Mindestsicherung und Freizügigkeit – ein Problemaufriss, 2001, S. 403. 444 Eine ausführliche Darstellung der Urteile des EuGH bezüglich der Stellung der Wanderarbeitnehmer in den Systemen sozialer Sicherheit findet sich bei: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, 2001, S. 456 – 459. 445 VO Nr. 1612 / 68 (EWG) des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft 446 Vgl. Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, 2001, S. 457, FN 91 und Welter, Patrick: Die europäische Sozialunion – Notwendiger Bestandteil des Binnenmarktes oder Verletzung des Subsidiaritätsgebotes?, 1996, S. 212. 440 441
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
könnte sich hier ein Wanderungsanreiz ergeben, da die Nettolöhne dort teilweise noch unter dem deutschen Sozialhilfeniveau liegen. Dies gilt v. a. dann, wenn die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Beitrittstaaten erreicht ist.447 Dabei reicht es aus, wenn nur eine Teilzeitarbeit aufgenommen wird, da der EuGH in der Rechtssache Kempf entschieden hat, dass jemand nicht vom Geltungsbereich der VO 1408 / 71 ausgeschlossen werden kann, weil er die unter dem Existenzminimum liegenden Einkünfte aus der Teilzeitarbeit durch andere zulässige Mittel zu ergänzen sucht.448 Ein Sozialtourismus in Europa und damit ein Transferwettbewerb, der zum Race to the Bottom werden kann, scheint bevorzustehen, da die entgültige Aufhebung des Territorialprinzips für die Sozialhilfe in Europa durch die integrationsfreundlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vorgezeichnet zu sein scheint.449 Da die Diskussion des Race to the Bottom in Kap. 2, B. II. 4. a) gezeigt hat, dass selbst das Heimatlandprinzip keine befriedigenden Ergebnisse bringt, bliebe als Lösung die Coase‘sche Idee der Bildung von sogenannten „Umverteilungsclubs“ (vgl. Kap. 2, B. I. 2.). Ist man „Nettozahler“ (viel Steuern, wenig Transferbezug), muss man eine Austrittsgebühr bezahlen, um einem anderen Club beitreten zu können, ist man „Nettoempfänger“, muss man im neuen Club Eintritt bezahlen. Durch Geburt ist man im Ausgangszustand Mitglied in einem bestimmten Club. Diese Idee liefert Anlass zur Kritik, da sie an den Zustand von „Leibeigenschaft“ erinnere.450 Abschreckende Beispiele für Ein- und Austrittskosten stellten die Flüchtlinge aus ehemaligen Ostblockstaaten dar oder Preise für Schlepperbanden bei der illegalen Überführung in die Europäische Union.451 Zusätzlich hätte das System von Umverteilungsclubs, in dem man als „Reicher“ beim Verlassen eine Austrittsgebühr zahlen müsste, an der sich das Zuwanderungs447 Das Kapitel 2 der Beitrittsverhandlungen „Freizügigkeit der Personen“ wurde für die 10 aufzunehmenden Staaten im Dezember 2002 geschlossen. Danach gilt im Wesentlichen eine 7-jährige Übergangsfrist: In den ersten beiden Jahren nach dem Beitritt gelten für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den 10 Beitrittsländern die nationalen Rechtsvorschriften weiter. Nach zwei Jahren legt die Kommission einen Bericht vor und die Mitgliedstaaten müssen erklären, welches Verfahren gelten soll, können also bereits nach zwei Jahren Freizügigkeit gewähren. Nach weiteren drei Jahren werden die Mitgliedstaaten erneut aufgefordert, völlige Freizügigkeit zu gewähren. Nur bei „erheblichen Störungen auf dem Arbeitsmarkt“ können sie weiter Arbeitserlaubnisse vorschreiben. Spätestens nach sieben Jahren ist dies aber verboten. Vgl. dazu ausführlich: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Freizügigkeit – Praktischer Leitfaden für die erweiterte Europäische Union, 2002, S. 4 – 7 und zum exakten Wortlaut der Verhandlungsergebnisse: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Enlargement of the European Union, Guide to the Negotiations, Chapter by Chapter, 2002, S. 5 – 9. 448 Vgl. Europäischer Gerichtshof: RS 139 / 85, Urteil „Kempf gegen die Regierung der Niederlande“, Slg. 1986, S. 1741. 449 Vgl. Kleinhenz, Gerhard: Notwendigkeit, Möglichkeiten und Grenzen einer Europäischen Sozialunion, 1994, S. 147. 450 Vgl. Fuest, Clemens: Wird der Sozialstaat ein Opfer des Systemwettbewerbs?, 2000, S. 80. 451 Vgl. Feist, Holger: Arbeit statt Sozialhilfe, 2000, S. 213.
Kap. 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
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land beteiligen könnte, und als „Armer“ eine Eintrittsgebühr zu bezahlen hätte, zwar die Auswirkung, dass Wanderungen aufgrund reiner Arbitrageüberlegungen nicht mehr stattfinden würden, doch dann hätte sich der Systemwettbewerb selbst erledigt: Wenn keine Wanderungen wegen unterschiedlicher Sozialsysteme mehr vorkommen, gibt es in diesem Bereich auch keinen Systemwettbewerb mehr. Dies gestehen selbst die Vertreter des Systemwettbewerbs ein und plädieren für „größte Vorsicht“ bei der Implementierung des Herkunftlandprinzips und Ablösegebühren.452 Was dies konkret heißt und ob damit nicht die Theorie des Race to the Bottom bestätigt ist, lassen sie vorsichtshalber offen. Abschließend kann festgestellt werden, dass eine zunehmende Mobilität der Arbeitnehmer, wie sie ja gerade die Vertreter des Systemwettbewerbs fordern, zu zunehmendem Druck auf die nationalen Regierungen führen wird, die Zahlungen zur Deckung des Existenzminimums zu reduzieren. Dabei reicht es nach der Hirschman‘schen Systematik bereits aus, wenn die tatsächliche Wanderung (exitoption) noch nicht eingesetzt hat, sondern wenn die eigenen Bürger aus Angst vor einer Zuwanderung von Sozialtouristen aufbegehren (voice-option). Daher scheint gerade der Bereich der sozialen Mindestsicherung, nicht wie es Berthold und Neumann titulieren, risikoreich, sondern viel mehr notwendig. Mindeststandards zur Sozialhilfe, welche die jeweiligen Lebenshaltungskosten berücksichtigen, scheinen angemessen453, die Implementierung aber schwierig, da die Kommission nur tätig werden kann, wenn der Rat die notwendige Gesetzgebung beschließt. Da aber die Interessenslage der Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist, da v. a. arme Staaten den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit befürchten – und dies wird sich durch die Osterweiterung um 10 Staaten noch verstärken – scheint eine baldige Einigung unwahrscheinlich.454
C. Schädliche Koordination – Sozialdumping? Den schärfsten Widerspruch gegen eine Harmonisierung der Sozialpolitik erfährt aus Sicht der Systemwettbewerbsanhänger das Argument des Sozialdumpings.455 Danach unterlassen Staaten wünschenswerte Sozialleistungen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen auf Güter und / oder Faktormärkten. Es unterscheidet sich von der Race to the Bottom-Hypothese dadurch, dass hier die Staaten nicht 452 Vgl. Fehn, Rainer: Institutioneller Wettbewerb und soziale Sicherungssysteme in Europa, 2001, S. 30. 453 Vgl. Atkinson, Anthony: Towards a European Safety Net?, 1998, S. 287. 454 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 77. 455 Wehmeier nennt die populärsten Formulierungen in der Debatte: „Globalisierungsfalle“, „(Markt-)Gesetz des Dschungels, „Sozialabbau“ oder „competition of laxity“: Vgl. Zwischen Harmonisierung und Systemwettbewerb: Schutzregulierungen im Zeichen der Globalisierung, 1998, S. 285 f.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
durch den Systemwettbewerb gezwungen werden, Sozialstandards abzubauen, sondern bewusst diese Option im Wettbewerb der Staaten wählen. Staaten mit wenig kostenintensiven Leistungen übervorteilen demnach Standorte mit höheren Arbeits- und Sozialkosten. Dem wird von Systemwettbewerbsseite entgegengehalten, allein der Begriff „Dumping“ sei irreführend. So definiert die WTO in Art. VI, Abs. 1 des GATT „Dumping“ als Angebot von Leistungen unter kostendeckenden Preisen, die im Exportland selbst bezahlt werden müssen.456 Paqué bezeichnet den Begriff „Dumping“ sogar als „semantischen Missgriff“457, da der Sozialstaat im weiteren Sinne zu den realen Kosten einer Ökonomie gehöre, die in aller Regel eben nicht zeitlich oder räumlich differenziert werden, um Anteile am Weltmarkt durch Preisunterbietung zu erlangen. Stattdessen sollte man von „unfairem Wettbewerb“458 sprechen, von einer Konkurrenz, die gegen allgemein anerkannte ethische Normen der Fairness verstößt. Dann bliebe aber die Frage nach dem absoluten ethischen Maßstab für den sozialpolitisch inakzeptablen Standortvorteil bestehen. Niedrige sozialpolitische Standards sind dann aber nicht per se das Ergebnis eines unfairen Systemwettbewerbs, sondern können aus unterschiedlichen Präferenzen der Länder herrühren. Ein weniger gut ausgebauter Wohlfahrtsstaat benötigt weniger Ressourcen, um die öffentlichen Güter Sicherheit und soziale Gerechtigkeit zu produzieren. Länder mit wenig Kapitalausstattung können diese Option wählen, um ihren komparativen Kostenvorteil in arbeitsintensiven Prozessen zu halten oder auszubauen.459 Eine Vorab-Harmonisierung aufgrund des Sozialdumping-Arguments ist deshalb aus Sicht der Vertreter des Systemwettbewerbs polit-ökonomisch als „raising rivals costs“460 zu verurteilen.461 Die Gefahr eines Race to the Bottom wird abgestritten, die Kosten des Produktionsfaktors Arbeit, welche die Unternehmer tragen, würden in den EU-Staaten immer die gesellschaftlichen Kosten dieses Faktors widerspiegeln.462 Eine nicht-äquivalente Besteuerung von Kapital zur Mitfinanzierung sozialer Leistungen, die als der „Verkauf“ von sozialer Sicherheit an die Bürger zu nicht kostendeckenden Preisen interpretiert wird, was dem WTO-Tatbestand des Dumpings entsprechen würde, wird dabei verleugnet.463 456 Einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Definitionen und Theorien von Dumping findet sich bei Clarida, Richard H.: Dumping: In Theory, in Policy, and in Practice, 1997, S. 357 – 389. 457 Paqué, Karl-Heinz: Die soziale Dimension des EG-Binnenmarktes – Theorie, Bestandsaufnahme und Kritik, 1989, S. 117. 458 Ebd. 459 Vgl. Oberender, Peter / Zeth, Jürgen: Europäische Sozialpolitik: Anforderungen in einem zunehmend integrierten Europa, 2001, S. 512. 460 Vgl. Kath, Dietmar / Kuck, Andre: Die Zukunft der Sozialpolitik in der EU – Wettbewerb der Institutionen, Sozialklauseln oder Sozialunion?, 1998, S. 390. 461 Vgl. Kollmeier, Yvonne: Die europäische Sozialpolitik – Vom Stiefkind des europäischen Integrationsprozesses zum Wegbereiter eines Level Playing Field?, 2001, S. 347 – 355. 462 Vgl. Berthold / Neumann, 2002, S. 48.
Kap. 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
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Unterstützen muss man allerdings die Sichtweise, nach der eine Harmonisierung der Löhne innerhalb der EU nicht anzustreben ist. Unterschiedliche Lohnhöhen resultieren aus der unterschiedlichen Kapitalausstattung der Länder und der daraus resultierenden unterschiedlichen Grenzproduktivität des Faktors Arbeit sowie unterschiedlichem technologischen Niveau. Relativ kapitalarme Länder produzieren arbeitsintensive Güter, da sie dort ihren Kostenvorteil besitzen, weil durch das relativ große Arbeitsangebot der Faktor Arbeit relativ billig ist. Nach dem Faktorpreisausgleichstheorem innerhalb der Theorie von Heckscher und Ohlin gleichen sich unter bestimmten Annahmen allein durch den Freihandel zwischen den Staaten langfristig die Löhne und Zinsen in den Ländern an.464 Viele dieser Annahmen, wie Vollbeschäftigung, vollständige Konkurrenz, identische Präferenzen und identische, linear-homogene Produktionsfunktionen, d. h. gleicher technischer Stand und keinerlei (auch nicht nichttarifären) Handelshemmnisse sind zwar in der Realität nicht anzutreffen. In ihrer formalen Version gelten sie auch nur für den Fall der unvollständigen Spezialisierung, kann also den (Krugman’schen) Fall der zunehmenden Skalenerträge nicht erfassen.465 Trotz dieser Einschränkungen wird sich innerhalb der EU der Prozess der Faktorpreisangleichung verstärken, da zusätzlich zum Modell von Heckscher und Ohlin innerhalb der EU durch die Freizügigkeit die Mobilität des Faktors Arbeit gewährleiste ist.466 Würde es zu einer Harmonisierung der Lohnbildung kommen, würde das zwar kurzfristig Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor der Hochlohnländer retten, gleichzeitig aber auch die Spezialisierung auf kapitalintensive, know-how-reiche Branchen verhindern und damit den Strukturwandel behindern. Dies hätte also neben Arbeitslosigkeit in ehemaligen Niedriglohnländern auch Wohlfahrtsverluste in den Hochlohnländern zur Folge. Daneben würde der Systemwettbewerb eingeschränkt und eine Reform des Arbeitsmarktes verhindert. Zu aggressive Lohnpolitik, inflexible Lohnstrukturen, ein hoher Zentralisierungsgrad der Tarifauseinandersetzung und starre Regelungen am Arbeitsmarkt sind Mitursachen der strukturellen Arbeitslosigkeit.467 Gerade hier treten dann Unterschiede deutlich zu Tage, an Erfolgen in reformbereiten Staaten werden im Rahmen der „voice-Option“ den Entscheidungsträgern in reformunwilligen Staaten ständig eigenes Versagen bescheinigt und der Reformdruck wächst. Das beste Beispiel liefert dabei die Bundesrepublik, wo sich nach starkem öffentlichen Druck durch die Vorschläge und die begonnene Umsetzung der „HartzReform“ erste Schritte zur Deregulierung des starren Arbeitsmarktes konstatieren lassen. 463 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration,1996, S. 64 – 65. 464 Vgl. dazu auch Horst Siebert: Außenwirtschaft, 2000, S. 64 – 69. 465 Vgl. Neumann, Manfred: Theoretische Volkswirtschaftslehre II, 1995, S. 298 und 304 – 305. 466 Zu den Übergangsfristen bei der Freizügigkeit im Zuge der Osterweiterung vgl. Kap. 3, B. 467 Vgl. Berthold, Norbert: Mehr Beschäftigung: Sisyphusarbeit gegen Tarifpartner und Staat, 2000, S. 27 – 51.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
Durchaus kritisch zu sehen ist hier eine Regelung aus der Europäischen Sozialcharta, die durch ihre Aufnahme in den Vertrag von Amsterdam nun in Art. 139 EGV zu finden ist:468 Es wird nicht nur das Recht zur Gewerkschaftsbildung und freier Tarifverhandlung gewährt, sondern der vorgesehene Dialog der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene kann auch „( . . . ) zur Herstellung vertraglicher Beziehungen, einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen führen“ (Art. 139 I EGV). Mögliche branchenweite oder sektorale europäische Tarifverträge würden hier den Wettbewerb ausschalten. Damit würden undifferenzierte Lohnstrukturen in Europa zu einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Zusätzlich konterkarieren sie die nationalen Bemühungen zur Aufweichung von Flächentarifverträgen hin zu innerbetrieblichen Abschlüssen. Des Weiteren ist die Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates oder die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer kritisch zu sehen.469 Sie wurde am 22. September 1994 auf Grundlage des Grundsatzes VIII der Sozialcharta verabschiedet470, wonach die Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer insbesondere in Unternehmen und Unternehmenszusammenschlüssen mit Betriebsstätten bzw. Unternehmen in mehreren Mitgliedstaaten weiterentwickelt werden soll. Sind mindestens 150 von mindestens 1000 Mitarbeitern in zwei EU-Staaten tätig, muss ein Europäischer Betriebsrat eingesetzt werden, außer es wurden während einer Übergangszeit vor der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht freiwillig Vereinbarungen zur grenzüberschreitenden Information und Konsultation der Arbeitnehmer getroffen. Viele Unternehmen machten davon Gebrauch, da ihnen die unternehmerische Flexibilität durch die Richtlinie zu stark eingeschränkt schien.471 Der Volkswagen-Konzern führte bereits 1990 freiwillig einen Europäischen Betriebsrat ein und berichtet von schlechten Erfahrungen, da etwa bei nötigem Beschäftigungsabbau nicht die betriebswirtschaftlich beste Lösung gesucht wird, sondern ein möglichst geringer, proportionaler Abbau an allen Standorten gefordert wird, um dies in jedem Land als Erfolg kommunizieren zu können.472 Aufgrund von Partikularinteressen der verschiedenen Standorte und den länderspezifischen Kulturen der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen wird 468 Der „Dialog zwischen den Sozialpartnern“ ist aber bereits seit der Einheitlichen Europäischen Akte durch Art. 118 lit. b) EWG-Vertrag Teil der Verträge (vgl. Kap. 1, D. II.). 469 Richtlinie 94 / 94 (EG) des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, ABl. Nr. L 254 vom 30. 09. 1994, S. 64 – 72. 470 Zur Zeit der Entstehung entsprach dies Art. 3 des im Maastrichter Vertrag angehängten Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik. Seit dem Vertag von Amsterdam Vertrag ist dies Art. 138 EGV. 471 Vgl. Hornung-Draus, R.: Die ERB-Richtlinie aus Perspektive der deutschen Arbeitgeber, 1997, S. 27. 472 Vgl. Mertens, Volker: Europaweite Kooperation von Betriebsräten multinationaler Konzerne, 1994, S. 12 – 20.
Kap. 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
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eine Konsensbildung besonders schwierig und die Entscheidungsprozesse weiter verlängert. Dadurch bedingte Verzögerungen, auf Marktänderungen schnell reagieren zu können, und fragwürdige Kompromisse erhöhen die Gefahr, dass aus Unternehmensgesamtsicht Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit leiden und damit mehr Arbeitsplätze als nötig verloren gehen.473
D. Kritisches Fazit an der Sichtweise des Systemwettbewerbs Die Tatsache, dass bei Berthold und Neumann der nordwestliche Quadrant ihrer Systematik (vgl. Abb. 7), die „sinnvolle Koordination“, im Text überhaupt nicht erwähnt wird, ist das beste Indiz dafür, was die Vertreter des Systemwettbewerbs von einer Harmonisierung in jeglichem Bereich der europäischen Sozialpolitik halten, nämlich nichts.474 Selbst ein letztes mögliches Argument, dass nämlich altruistisch gesonnene Personen aus Hochlohnländern positive Nutzeninterdependenzen mit Menschen aus Ländern mit niedrigen Sozialstandards haben und deshalb psychologische Spillovers einer Festlegung von Mindeststandards vorliegen würden, verwerfen sie sofort. Altruismus der Bezieher hoher Einkommen sei gerade ausschließlich auf lokaler Ebene zu finden.475 Überregionale Mindeststandards würden aufgrund fehlender Einkommensmöglichkeiten nur zu noch größerer Armut, Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit führen.476 Sie setzen voll auf die Abwanderung von Personen mit einer höheren Präferenz für mehr Sozialstandards. Mobilitätshemmnisse, eingeschränkte Freizügigkeit für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger oder ein Race to the Bottom bei freier Wanderung vergessen sie in diesem Kontext ganz. Vehement pochen sie auf das Prinzip der Subsidiarität477 im Bereich der Sozialpolitik und geißeln auf dem Gebiet der europäischen Sozialpolitik das wenige Erreichte als präferenzverzerrend und wettbewerbsschädlich.478 Dabei holen sie zu Vgl. Feldmann, Horst: Zehn Jahre EU-Sozialcharta, 1999, S. 675. Dies wird auch damit begründet, dass jeder zentralen Koordination bereits eine inhärente Zentralisierungstendenz innewohne. Vgl. Blankart, Charles, B.: Zehn Thesen zur Zentralisierung der Staatstätigkeit, 1999, S. 147. 475 Zur „Altruismusthese“ aus Sicht der Systemwettbewerbsanhänger vgl. Feld, Lars P.: Fiskalischer Wettbewerb und Einkommensverteilung, 2000, S. 189. 476 It is likely that international harmonization ( . . . ) will have unintended adverse consequences for the very people they are intended to protect. Brown, Drusilla K. / Deardroff, Alan V. / Stern, Robert M.: International Labor Standards and Trade: A theoretical Analysis, 1997, S. 272. 477 Etwa Hamm: „Die Sozialunion sollte nicht auf dem Verordnungswege geschaffen werden. Das bedeutet Ablehnung der Harmonisierung und Betonung des Subsidiaritätsprinzips.“ Vgl. Grenzen europäischer Sozialpolitik, 1996, S. 126. 478 Vgl. Henke, Klaus-Dirk / Perschau, Oliver D.: Föderalismus im zusammenwachsenden Europa – Aspekte einer europäischen Sozial- und Finanzverfassung, 1999, S. 141 – 142. 473 474
120
1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
einem Generalschlag gegen die europäischen Politiken aus: Das Sozialbudget der EU sei zwar glücklicherweise noch relativ gering, doch wären vielen Bereichen der EU-Politiken wettbewerbsverzerrende Umverteilungsmaßnahmen inhärent, so etwa der gemeinsamen Agrarpolitik, die etwa 50 % des EU-Budgets ausmachen. Zudem seien immer stärkere Zentralisierungstendenzen bei den Organen der EU festzustellen, Harmonisierungen im Zuge des Binnenmarktes sind zu kritisierende Kartellbildungen der institutionellen Anbieter, die einen Wanderprozess als Ergebnis des Systemwettbewerbs verhindern wollen.479 Ausweg böten nur Opting-outKlauseln, die zum Austritt aus einzelnen Politikfeldern oder gar der gesamten Union berechtigen. „Soziale Umverteilungsarrangements“ würden dann zu solchen exit-Entscheidungen führen. Leuchtendes Beispiel für die Erhaltung des Subsidiaritätsgedankens im Bereich der Sozialpolitik sei Großbritannien, welches durch sein „Nein“ zur Sozialcharta 1989 fast zehn Jahre den Fortschritt bei der gemeinsamen Sozialpolitik erfolgreich aufgehalten habe.480 Ständig wird das Spannungsverhältnis zwischen Konsens und Effizienz thematisiert481 und sofort deutlich gemacht, dass man sich für zweiteres zu entscheiden hat. Die Lösung heißt nach Möschel „Europäische Minimalgemeinschaft“, in deren Vordergrund einzig die Grundfreiheiten mit dem „Annex“ der Wettbewerbsregeln stehen.482 Dass ein wesentliches Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft neben dem Subsidiaritätsprinzip auch das Solidaritätsprinzip darstellt483, wird somit von den Vertretern des Systemwettbewerbs negiert. Die EU, speziell der Binnenmarkt und die Wirtschafts- und Währungsunion, werden offensichtlich als reines Instrument gesehen, um die Effizienz in Europa zu steigern und ein optimales Ergebnis für den Markt zu erzielen.484 Diese alleinige Orientierung der Ordnungspolitiker an dem Funktionieren der wirtschaftlichen Beziehungen und die einseitige Sichtweise des Menschen, der nur an der Befriedigung der „Self-intrests“ – der Anhäufung von Ressourcen – interessiert ist, missachtet die andere menschliche Seite in der Ökonomie, nämlich die Befriedigung der „interests in his own self“, dem Wunsch des Menschen, ein sozialer Mensch zu sein. Der Aspekt, dass der Mensch nicht nur „etwas haben will“, sondern auch „jemand sein“ möchte, der noch einen zentralen Bestandteil bei den Vätern der Sozialen Marktwirtschaft spielte, geht durch die reine Betonung des Subsidiaritätsprinzips und Verdrängung des Solidaritätsgedankens 479 Vgl. Streit, Manfred E.: Dimensionen des Wettbewerbs – Systemwandel aus ordnungsökonomischer Sicht, 1995, S. 127 – 128. 480 Vgl. Berthold / Neumann, 2002, S. 54 – 55. 481 Vgl. Leipold, Helmut: Die EG im Spannungsverhältnis zwischen Konsens und Effizienz, 1993, S. 67. 482 Vgl. Möschel, Wernhard: Eine Verfassungskonzeption für die Europäische Union, 1993, S. 36. 483 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft, 1995, S. 138. 484 Der Chefökonom der Deutschen Bank Norbert Walter bringt diese Sichtweise in seinem Beitrag „Mehr Markt durch Europa“ auf den Punkt, vgl. S. 33 – 47.
Kap. 3: Europäische Sozialpolitik im Lichte der Systemwettbewerbsdiskussion
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mehr und mehr verloren. Die Tatsache dass der Ambivalenz des Menschen aber in der Praxis kaum Rechnung getragen wird und nur das „Haben“ als sinnstiftend definiert wird, führt dazu, dass in Zeiten von Struktur- und Wachstumskrisen die enttäuschten Gesellschaftsmitglieder in Anti- bzw. Asozialität gleiten, da bisher Solidarität nicht gefragt war.485 Zudem weist Meinhardt darauf hin, dass das europäische Sozialmodell dem angelsächsischen oder amerikanischen keinesfalls unterlegen ist. Demographische Strukturverschiebungen werden zu Lasten der Beitragszahler und der Empfänger erfolgen. „Ein Sozialmodell, das auf geringere Ungleichheiten und größere Solidarität baut, bietet bessere Chancen, diese zukünftigen Probleme zu meistern, als ein System, das die schon heute sehr großen Ungleichheiten weiter steigert.“486 Aber selbst bei reiner Effizienzbetrachtung übersehen die Vertreter des Systemwettbewerbs einen extrem bedeutenden Spillover-Effekt eines zentralen Budgets in der Sozialpolitik: Die Stabilisierungsfunktion! In einem völlig liberalisierten Binnenmarkt mit einheitlicher Währung und geringem Gewicht des zentralen Haushaltes können asymmetrische Schocks nicht über diesen stabilisiert werden, wie es in anderen Föderationen, wie den USA der Fall ist. Zusätzlich wirkt eine expansive Fiskalpolitik in dem vom Nachfrageausfall betroffenen Land nur mit einem sehr geringen Multiplikatoreffekt, da im Binnenmarkt die marginalen Importquoten sehr groß sind und dies den expansiven Effekt durch die steigende Importnachfrage abschwächt. Eben dieses Fehlen einer stabilisierungspolitischen Kompetenz auf Gemeinschaftsebene, bei gleichzeitig zunehmender Machtlosigkeit der nationalen Wirtschaftspolitiker, ist deshalb aus Sicht einiger Autoren der Grund dafür, dass die Vollendung des Binnenmarktes nicht zu den positiven Beschäftigungseffekten geführt hat, wie sie in manchen Studien erwartet worden waren.487 Eine besondere Akzentuierung erhält das Problem durch die gemeinsame Währung und der Verlagerung der geldpolitischen Kompetenzen auf die Gemein485 Vgl. Kirsch, Guy: Soziale Marktwirtschaft – Eine Ordnung für welche Menschen?, 1998, S. 14 – 17. Dagegen analysiert etwa Christian Watrin rein effizienzgeleitet in: Vom Kapitalismus zum Wohlfahrtsstaat und zurück?, 1998, S. 28 – 29. 486 Meinhardt, Volker: Wirkungszusammenhänge von Systemwettbewerb und nationaler Solzialpolitik, 2001, S. 303. 487 Die prominenteste Studie ist wohl der sogenannte „Cecchini-Bericht“. Er erwartete innerhalb kürzester Zeit durch den Abbau der Grenzen und der nichttarifären Handelshemmnisse sowie den Abbau von Größenvorteilen und mehr Wettbewerb bis zu 2,3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. Vgl. Cecchini, Paolo: Europa ’92: Der Vorteil des Binnenmarktes, 1988, S. 133. Zu den Erwartungen des „Cecchini-Berichts“ und den wirklichen Auswirkungen des Binnenmarktprogramms bis zu seiner Vollendung vgl. Harbrecht, Wolfgang: Auf der Schwelle zum Binnenmarkt, 1993, S. 3 und 7 – 9. Zum zehnjährigen Jubiläum des Binnenmarktes verkündete Binnenmarktkommissar Bolkestein, der Binnenmarkt habe ca. 900 Milliarden Euro zusätzlichen Wohlstand geschaffen und 2,5 Millionen Arbeitsplätze gebracht. Allerdings sei das nur ein Bruchteil der Möglichkeiten, da die Mitgliedstaaten immer schleppender Binnenmarktrichtlinien in nationales Recht umsetzten. Deshalb laufen auch gerade 1600 Verfahren gegen die Staaten. Vgl. Hagelüken, Alexander: Wachstum mit Hindernissen, 2003, S. 21.
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1. Teil: Die EU auf dem Weg zur Europäischen Sozialunion?
schaftsebene, ohne gleichzeitig der Gemeinschaft eine fiskalpolitische Kompetenz zuzusprechen.488 Gerade beim Auftreten asymmetrischer Schocks in einem Mitgliedsland wird das Problem evident. Kann dieser durch fehlende oder ungenügende automatische Stabilisatoren nicht gedämpft werden, ist nicht nur der betreffende Staat, sondern sind auch die anderen Mitgliedstaaten wegen fehlender Importnachfrage aus diesem Land betroffen. Handelt es sich dabei um ein großes Land, kann es zum Konjunkturabschwung in allen Ländern führen. Deshalb muss nun analysiert werden, inwieweit asymmetrische Schocks in der EU auftreten und wie diese absorbiert werden können. Dazu werden v. a. die Theorien der Optimalen Währungsräume dargestellt und neueste empirische Ergebnisse dazu präsentiert.
488 Vgl. Nowotny, Ewald: Zur regionalen Dimension der Finanzverfassung der EU – gegenwärtiger Stand und Perspektiven, 1997, S. 112 – 114.
Zweiter Teil
EWWU: Optimaler Währungsraum oder Notwendigkeit föderaler Anpassungsmechanismen? Kapitel 4
Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume Die internationale Währungsgeschichte ist gekennzeichnet durch eine Vielfalt an unterschiedlichen Währungen. Die Grundlage der einzelnen Währungen war zumeist ein unabhängiger Nationalstaat – diese Situation hat John Stuart Mill denkwürdig als „Barbarei“ bezeichnet. Welche optimale Größe aber sollte ein Währungsraum besitzen, welche Argumente sprechen für oder gegen eine gemeinsame Währung? Die früheste Beschreibung dessen, wodurch sich der geographische Deckungsbereich einer Währung bestimmt, findet sich wohl bei Robert A. Mundell in seinem 1961 veröffentlichten Fachaufsatz, der ursprünglich untersuchte, welche Staaten feste Wechselkurse zwischen ihren Währungen einführen sollten.489 Seine im Folgenden näher dargestellte Aussage lässt sich so zusammenfassen: Ein größeres Währungsgebiet führt zum Wegfall von Transaktionskosten, zu höherer Preistransparenz und damit zu mehr Wettbewerb und zu einer höheren Glaubwürdigkeit des „festen“ Wechselkurses, da ein Ausscheren aus einer Währungsunion schwerer möglich ist als bei einer freiwilligen Bindung des Wechselkurses. Sollten aber asymmetrische Schocks das Währungsgebiet unterschiedlich stark treffen, braucht es entweder flexible Wechselkurse zur Stabilisierung oder andere Ausgleichsmechanismen. Somit wird im Folgenden zu untersuchen sein, was genau asymmetrische Schocks sein können (vgl. Kap. 4, A.) und wie wahrscheinlich ihr Auftreten – v. a. im hier entscheidenden Untersuchungsgebiet EWWU – ist. Danach wird untersucht, welche anderen Kriterien die Theorien der Optimalen Währungsräume als Ausgleichsmechanismen anbieten (vgl. Kap. 4, B.) anstatt flexibler Wechselkurse, um dann zu untersuchen, ob die EWWU einen Optimalen Währungsraum darstellt (vgl. Kap. 4, C.). Sollte das Ergebnis negativ ausfallen, kann ein Vorschlag erarbeitet werden, welche neuen Mechanismen denkbar wären. 489
Mundell, Robert A.: A Theory of Optimum Currency Areas, 1961.
124
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
A. Systematik der EU-Kommission über asymmetrische Schocks Die volkswirtschaftlichen Argumente für getrennte Währungsräume sind nur dann stichhaltig, wenn die Auswirkungen eines Schocks in verschiedenen Teilgebieten unterschiedlich ausfallen, mit anderen Worten, wenn sie asymmetrisch sind. Wären die Auswirkungen in allen Teilgebieten gleich, wären für die Anpassung auch in allen Teilgebieten die gleichen Wechselkurse erforderlich. In diesem Fall wären getrennte Währungen überflüssig. „Die Theorie der Optimalen Währungsräume legt in der Tat nahe, dass zwei Länder, die im allgemeinen symmetrische Schocks erleben und einen wesentlichen Teil ihres Bruttoinlandsprodukts im bilateralen Handel erwirtschaften, ihre Wechselkurse festlegen sollten.“490 Deshalb muss nun definiert werden, was asymmetrische Schocks sein können und wie wahrscheinlich ihr Auftreten ist. Die Europäische Kommission nahm sich im Vorfeld zum Start der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1999 genau dieser Problematik an und untersuchte die makroökonomischen Auswirkungen der Einführung einer gemeinsamen Währung, speziell die Möglichkeit der Absorption asymmetrischer Schocks.491 Nach ihrer Systematik gibt es vier unterschiedliche Arten, makroökonomische Schocks einzuteilen: 492 temporäre und permanente Schocks, länderspezifische und sektorspezifische Schocks, reale und finanzielle Schocks, exogene und politikbedingte Schocks.
I. Temporäre und permanente Schocks Die erste Unterscheidung wird zwischen Schocks mit voraussichtlich temporären Auswirkungen – beispielsweise einem unerwarteten Abfall der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage – und Schocks gemacht, die zu einer dauerhaften Verschlechterung der Wettbewerbsposition führen. Schocks der ersteren Art können durch gegenzyklische steuer- und / oder geldpolitische Maßnahmen abgefedert Patterson, Ben / Amati, Simona: Absorption asymmetrischer Schocks, 1998, S. 13. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part A. Rules and Adjustment, 1997. Dieses Paper untersucht die makroökonomischen Bedingungen vor der Einführung der gemeinsamen Währung. Der zweite Band: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part B. Specific Topics, 1997 analysiert die Auswirkungen von europäischer Geldpolitik auf Wechselkurse, von Budgetdisziplin auf Wachstumsraten, die Konvergenz der Mitgliedstaaten und die Auswirkung asymmetrischer Schocks. 492 Ebd., Part A, II(A) Economic Shocks and Cycles, S. 27 f. 490 491
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
125
werden – oder auch durch Kreditaufnahme. Schocks der letzteren Art kann jedoch lediglich durch eine Senkung der relativen Realeinkommen und Preise, durch die Abwanderung von Arbeitskräften oder durch umfassende, langfristige Umstrukturierung begegnet werden. Somit sind permanente Schocks meist angebotsinduziert, während die temporären Schocks meist direkt nachfrageinduziert sind sich auf finanzielle Schocks – entweder der Geldnachfrage oder des Geldangebotsprozesses zurückführen lassen. Die Unterscheidung zwischen temporären und permanenten Schocks ist allein schon aus dem Grund wichtig, dass ihre Verwechslung zu Maßnahmen führen könnte, die anstatt einer Verbesserung eine Verschlechterung der Situation bewirken. Würden Schocks mit permanenten, strukturellen Auswirkungen behandelt als seien sie temporär, so könnte dies den grundlegenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit noch verschärfen und erforderliche Reformen erschweren. Die Kommission stellt fest, dass falls der strukturelle Wandel in Europa im Vergleich zu den Vereinigten Staaten beispielsweise bereits zu langsam verläuft, eine weitere Verlangsamung durch monetäre Abfederung genau das wäre, was die politischen Planer vermeiden sollten.493 Dies wird im Weiteren ein wichtiges Argument sein, kritisch gegenüber einer Ausdehnung der Struktur- und Kohäsionszahlungen der EU zu sein, denn Transferzahlungen bergen immer ein „moralisches Risiko“ in sich. Mitgliedstaaten, die in strukturellen Schwierigkeiten stecken, könnten versucht sein, auf ein Rettungspaket zu warten, anstatt die bestehenden Probleme selbst anzugehen. Diese Problematik wird später auch bei der vorgeschlagenen europäischen Arbeitslosenversicherung zu diskutieren sein. Problematisch ist aber sicherlich eine eindeutige Diagnose, ob es sich um einen temporären oder permanenten Schock handelt. In der Praxis dürften die meisten Schocks Elemente von beiden vereinen. Folglich bräuchte man kurzfristige Werkzeuge und langfristige Strukturreformen zur Behebung solcher exogenen Schocks.494 II. Länderspezifische und sektorspezifische Schocks In ihrem Paper ist die Europäische Kommission bestrebt, das Problem exogener Schocks möglichst klein erscheinen zu lassen. Darum hebt sie hervor, dass Änderungen der Geldpolitik oder der Wechselkurse – die sich in allgemeiner Weise auf die gesamte Wirtschaft auswirken – für die Bewältigung von Schocks, die nur einen Sektor oder ein Teilgebiet einer Wirtschaft betreffen, ungeeignete Instrumente darstellen.495 Sie trägt empirisches Material zusammen, welches belegen Ebd. Vgl. Patterson / Amati, 1998, S. 15. 495 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part A. Rules and Adjustment, 1997, S. 27. 493 494
126
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
soll, dass nur ein kleiner Teil der bisher in der EU aufgetretenen Schocks länderspezifisch war, d. h. sich auf einen Währungsraum beschränkte. Ein „signifikanter Teil“ war branchenspezifisch.496 Gemessen an den unterschiedlichen Beschäftigungseffekten waren etwa 80 % entweder unspezifisch (d. h. sie waren dem gesamten Gebiet der EU gemein) oder regionenspezifisch. Die Kommission folgert daraus, dass das Wegfallen des Wechselkursmechanismus und des Zinsmechanismus für die EU-Mitgliedstaaten mit Blick auf die Abfederung tatsächlich eintretender Schocks wahrscheinlich nur minimale Konsequenzen haben wird.497 Sie übersieht aber, dass ein rein sektoraler Schock durchaus ein Problem aus Sicht der Optimalen Währungsräume sein kann, wenn ein bestimmtes Gebiet in großer Weise von dem betreffenden Sektor / der betreffenden Branche abhängig ist. Dann wäre der sektorale Schock mit einem regionalen Schock identisch. Da eine solche Region natürlich innerhalb der WWU keine eigene Währung einführen kann, müsste sie das Ausmaß ihrer Spezialisierung verringern498 oder es müssten andere Mechanismen greifen. III. Reale und finanzielle Schocks Um die Problematik von exogenen Schocks weiter zu schmälern, definiert die Europäische Kommission rein finanzielle Schocks, bei denen Wechselkursänderungen auch bei länderspezifischem Auftreten kein angemessenes Instrument darstellen, da ihre Auswirkungen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht betreffen. Als Beispiel nennt sie Schocks mit Auswirkungen auf den inländischen Geldangebotsprozess oder auf die Geldnachfrage. Hier seien feste Wechselkurse oder eine einheitliche Währung die richtige Antwort, da sie die Hemmnisse für über nationale Grenzen hinweg fließende Geldströme auf ein Minimum reduzieren würde499. Ochel schreibt, dass finanzielle Schocks als Folge währungsspezifischer PortfolioAnpassungen auftreten können. Als Reaktion auf finanzielle Schocks sollte der Wechselkurs konstant gehalten werden und das Angebot an Vermögenstiteln in den verschiedenen Währungen der Nachfragestruktur angepasst werden. „Asymmetrische finanzielle Schocks können in einer Währungsunion besser verarbeitet werden als in einem System mit anpassungsfähigen Wechselkursen und bilden deshalb keine zusätzliche Quelle von Arbeitslosigkeit.“500
Ebd., S. 29. Ebd., S. 35 f. 498 Zu dieser Einsicht gelangt Kenen mit seinem Kriterium der Diversifikation für Optimale Währungsräume. Vgl. dazu Kapitel 4.2.1.3. 499 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part A. Rules and Adjustment, 1997, S. 27. 500 Ochel, Wolfgang: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion und Beschäftigung, 1997, S. 12. 496 497
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
127
IV. Exogene und politikbedingte Schocks Abschließend unterscheidet die Kommission zwischen Schocks, die von externen Ereignissen verursacht werden, die nicht der unmittelbaren Einflussnahme der Behörden der jeweiligen Wirtschaft unterliegen (sogenannte exogene Schocks), und Schocks, die auf die inländischen Politiken zurückzuführen sind. Die Kommission unterstreicht die mit einer Verwechslung verbundenen Gefahren und führt aus, dass zahlreiche Schocks, die zunächst exogene Phänomene zu sein scheinen, denen sich die politischen Entscheidungsinstanzen plötzlich gegenübersehen, sich bei näherer Betrachtung als die Folgen der politischen Aktivitäten genau dieser Instanzen erweisen können. Zu den zitierten Beispielen gehören Lohnerhöhungen, die in der Erwartung der Gewerkschaften und Arbeitgeber erfolgen, dass sie durch eine monetäre oder fiskalische Ausweitung „kompensiert“ werden, sowie durch den politischen Zyklus selbst verursachte Schocks, d. h. die künstliche Ankurbelung einer Wirtschaft vor Wahlen.501 Bayoumi und Eichengreen haben den nützlichen zusätzlichen Aspekt beigesteuert, dass ein Schock mit exogenem Ursprung sich zu einem politisch begründeten Schock entwickeln kann. Sie erläutern, dass auch in Fällen, in denen Länder von großen, asymmetrischen Störungen betroffen sind, nicht automatisch geschlussfolgert werden kann, dass politische Eigenständigkeit für die Anpassung förderlich ist. Die politischen Planer können die Wirtschaftspolitik systematisch missbrauchen, indem sie nachfragesteuernde Instrumente einsetzen, um Nachfrageschocks infolge anderer Ursachen auszugleichen, anstatt sich für eine erleichterte Anpassung einzusetzen. Ist die Innenpolitik jedoch selbst die Ursache für die Störungen, kann die Währungsunion mit einer Gruppe von Ländern, die weniger anfällig für solche Belastungen ist, eine höhere Wohlfahrt für solche Länder bedeuten.502
B. Theorie der Optimalen Währungsräume Die Theorie der Optimalen Währungsräume (OWR) wurde 1961 von Robert A. Mundell mit seinem Aufsatz „A Theory of Optimum Currency Areas“503 begründet und entstammt der Diskussion fester versus flexibler Wechselkurse. Sie untersucht ursprünglich die Frage, welche Länder ihre Währungen untereinander fest binden sollten und welche Länder besser flexible Wechselkurese anwenden sollten. Obwohl Mundell selbst anführte, dass es sich dabei um ein größtenteils akademisches 501 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part A. Rules and Adjustment, 1997, S. 28. 502 Vgl. Bayoumi, Tamin / Eichgreen, Barry: One Money or many? Analysing the Prospects for Moretary Unification in various parts of the world, 1993, S. 12 – 29. 503 Mundell, Robert A.: A Theory of Optimum Currency Areas, 1961.
128
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
und nur in der Theorie existierendes Problem handelt504, entwickelte sich in den 60er und frühen 70er Jahren, etwa mit den Aufsätzen von McKinnon505 und Kenen506, eine ganze Literatur zu diesem Thema. Während diese Ansätze in der Folgezeit als „dead-end problem with little practical significance“507 verworfen wurden, erlebte die Theorie der optimalen Währungsräume Anfang der 90er Jahre angesichts der politischen Entwicklungen eine Wiederbelebung. Es ergaben sich Anwendungsfälle in beiden Richtungen: Zum einen mussten sich die Staaten der ehemaligen UdSSR entscheiden, ob sie nach dem politischen Auseinanderbrechen den Rubel beibehalten oder eine eigene nationale Währung einführen sollten. Zum anderen rückte für die Staaten des EWS die Entscheidung, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu gründen und damit die eigene Währung aufzugeben, immer näher. Der erneute Fokus auf Fragen nach dem optimalen Währungsregime führte zu einer „Neuen Theorie der Optimalen Währungsräume“, die zum Teil an den älteren Ansätzen Kritik übte, zum Teil aber auch darauf aufbaute. In diesem Teil der Arbeit sollen erst die ursprünglichen Kriterien dargestellt werden, die nach der „alten Theorie“ einen Optimalen Währungsraum ausmachen. Nach einem kurzen Abriss über Aschheims Ansatz zu „Functional Currency Areas“ (vgl. Kap. 4, B. I. 5.), präsentiert Kapitel 4, B. II. ein formales Modell, das die o. g. Kriterien validiert. In Kapitel 4, B. III. erfolgt der Übergang zur neueren Theorie der Optimalen Währungsräume, bevor abschließend in Kapitel 4, C. die Europäische Währungsunion im Lichte dieser Theorien betrachtet wird. Vor der Darstellung der einzelnen Kriterien, welche einen Optimalen Währungsraum konstituieren, ist zunächst abzugrenzen, was ein Währungsraum ist und wie in diesem Zusammenhang die Optimalität definiert ist. Für Mundell ist ein Währungsraum ein Gebiet, in dem feste Wechselkurse vorliegen508, im Gegensatz zur Währungsunion, in der es nur noch eine gemeinsame Währung gibt. In einem späteren Aufsatz unterscheidet er noch zwischen „true‘ and ,pseudo‘ currency areas“509, wobei danach der Goldstandard als ein „echter“ Währungsraum angesehen wird, das System von Bretton-Woods und das EWS dagegen als „Pseudo“-Währungsraum definiert wird, da hier die Änderung von Paritäten relativ einfach war. Diese Unterscheidung tritt aber in den frühen Arbeiten noch nicht auf. Im Unterschied zu Mundell betrachtet die „neue“ Theorie der Optimalen Währungsräume verstärkt auch Währungsunionen, da eine einheitliche Währung Vorteile bietet, die mit festen Wechselkursen nicht einhergehen, insbesondere 504 505 506 507 508 509
Ebd., S. 657. McKinnon, Ronald I.: Optimum Currency Areas, 1963. Kenen, Peter B.: The Theory of Optimum Currency Areas: An Eclectic View, 1969. Tavlas, George S.: The Theory of Optimum Currency Areas Revisited, 1993, S. 32. Vgl. Mundell, 1961, S. 657. Vgl. Mundell: Currency Areas, Common Currencies, and EMU, 1997, S. 214.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
129
– Wegfall von Transaktionskosten, – Erhöhung der Preistransparenz und in der Folge Förderung der Integration von Waren- und Faktormärkten – und Glaubwürdigkeit aufgrund der Erschwernis eines Ausbrechens aus der Union.510
Während bei Mundell die Optimalität eines Währungsraums nur implizit erscheint, definiert McKinnon sie so, dass innerhalb des Optimalen Währungsraumes Geld- und Fiskalpolitik sowie gemeinsame, flexible externe Wechselkurse eingesetzt werden können, um drei Ziele bestmöglich zu erreichen: Vollbeschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stabiles Preisniveau.511 Oder mit Kenen: „If the prevailing exchange-rate regime, fixed or flexible, can maintain external balance without causing unemployment (or, on the other side, demand-induced wage inflation), that regime is optimal“.512 I. Frühe Kriterien für Optimale Währungsräume Die ältere Theorie der Optimalen Währungsräume sieht den Wechselkurs als Mittel zur Überwindung asymmetrischer Schocks an, d. h. Schocks, welche die Länder einer et- waigen Währungsunion in unterschiedlichem Ausmaß treffen würden, wobei sie insbesondere Nachfrageschocks in den Vordergrund stellt.513 „Je häufiger und bedeutsamer asymmetrische Schocks, desto wichtiger sei die Beibehaltung der Wechselkurse“514, es sei denn, es existieren andere Anpassungsmöglichkeiten als die des nominalen Wechselkurses. Einige dieser Möglichkeiten sollen im Folgenden betrachtet werden. 1. Mundells Kriterium der Faktormobilität Mundell geht in seiner Argumentation von einem Modell zweier Gebiete A und B aus, in denen zu Beginn Vollbeschäftigung und eine ausgeglichene Zahlungsbilanz gegeben ist. Preise und Löhne nimmt er als starr an.515 Die beiden Gebiete stellen unterschiedliche Güter her und handeln diese auch untereinander. In Abbildung 8 stellen zwei erweiterte Mundell-Fleming-Modelle diese Ausgangssituation sowie Auswirkungen eines asymmetrischen Schocks – in diesem Fall einer Nachfrageverschiebung von B nach A – grafisch dar. Vgl. Patterson / Amati, 1998, S. 44. Vgl. McKinnon, 1963, S. 718. 512 Vgl. Kenen, 1969, S. 41. 513 Vgl. Artis, Michael: Should the UK join EMU?, 2000, S. 72. 514 Vgl. Horn, Gustav A. / Fritsche, Ulrich / Scheremet, Wolfgang: Die doppelte Währungsunion: Deutschland und Europa im wirtschaftlichen Integrationsprozess – Ein Rückblick und ein Vergleich, 2000, S. 164. 515 Vgl. Mundell, 1961, S. 658. 510 511
9 Deinzer
130
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum Gebiet B
Gebiet A
i
i* IS0 = IS 2
IS*1
LM
IS*0 = IS* 2
LM*
IS1
B*‘
i*1
A‘ i0 = i2
i*0 = i*2
ZZ
ZZ* A*‘
i1
B‘
Y1
P
Y0 = Y2
Y
Y*0 = Y* 2
P*
AD0 = AD2
Y*1
AD*1 AD*0 = AD*2
AS
Y*
AS*
AD1
B*
P*0 P0
B
A*
A
Y0 = Y 2
Y
Y*0 = Y*2
Y*
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmidt-Rink, Gerhard / Bender, Dieter: Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften, 1992, S. 177 und 259.
Abbildung 8: Erweitertes IS-LM-Modell
Das Mundell-Fleming-Modell ist eine erweiterte Version des IS-LM-Modells für offene Volkswirtschaften. Die zusätzliche ZZ-Kurve zeigt hierbei diejenigen Kombinationen von Einkommen und Zins, bei denen außenwirtschaftliches (= Zahlungsbilanz-)Gleichgewicht (GG) herrscht. Ergänzt wurde dieses Modell um die AS- und AD-Kurven, die das aggregierte Angebot bzw. die aggregierte Nachfrage in Abhängigkeit vom Preis darstellen. Die Punkte A, A0 , A und A0 kennzeichnen die Ausgangssituation im GG-Fall. Verlagert sich nun, aus irgendeinem Grund, die Nachfrage von Gütern des Gebiets B auf solche aus A, d. h., zu jedem Preis wird weniger nachgefragt (AD0 verschiebt sich nach links auf AD1 ), so sinkt das Volkseinkommen und IS0 wandert ebenfalls nach links auf IS1 . Es ergibt sich ein niedrigerer, neuer (kurzfristiger) GG-Zins bei i1 . Genau umgekehrt stellt sich die Situation in A dar. Durch die erhöhte Nachfrage verschiebt sich die AD -Kurve nach rechts auf AD1 , ebenso wie die IS -Kurve auf IS1 , aufgrund des gestiegenen Y1 . Der neue GG-Zins i1 liegt höher als der alte.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
131
Die veränderte Situation wird durch die Punkte B, B0 , B und B0 beschrieben. In B herrscht aufgrund der rigiden Preise und Löhne Arbeitslosigkeit (gekennzeichnet durch die Strecke AB), während in A Inflation droht. Die Tatsache, dass weder B0 noch B0 auf der ZZ- bzw. ZZ -Kurve liegen, deutet an, dass das außenwirtschaftliche GG ebenfalls gestört ist. Zu untersuchen sind nun Maßnahmen, die das GG wieder herstellen könnten. Bei flexiblen Wechselkursen, wenn sich die beiden Gebiete also nicht in einem Währungsraum bzw. einer – union befinden, kann der nötige Ausgleich folgendermaßen erfolgen: Zwar sinken in B aufgrund des Rückgangs von Y die Importe, woraufhin das Devisenangebot zunimmt, jedoch wird dieser Effekt aufgrund des völlig zinselastischen Kapitalverkehrs mehr als kompensiert (die unendliche Zinselastizität ist eine Annahme des Modells; allerdings darf auch für die Realität angenommen werden, dass Kapitalmärkte elastischer reagieren als Gütermärkte). Die Zinssenkung bewirkt einen gesteigerten Kapitalexport nach A, wo die Zinsen gestiegen sind. Da die Nachfrage nach der A-Währung höher ist als das Angebot, verteuert sie sich gegenüber der B-Währung. Diese gerät unter Druck und muss abwerten. Infolgedessen verbessert sich – sofern die Marshall-Lerner-Bedingung gilt – die Leistungsbilanz: die Exporte steigen aufgrund der für A relativ billiger gewordenen Preise an, wodurch die aggregierte Nachfrage und damit Y zunimmt, und AD1 sowie IS1 sich wieder zurück in die Ausgangsposition verschieben. Im Falle fester Wechselkurse fällt dieser Ausgleichsmechanismus weg, eine Anpassung der festen Wechselkurse wäre nötig.516 Sind diese aber unwiederuflich festgelegt, ist das nicht möglich. Doch auch hier bewirkt das Zinsgefälle, dass die Devisennachfrage in B das Angebot übersteigt. „Eine Abwertung in der defizitären Region ist ausgeschlossen“517, Region B „wird zunächst ihre Währungsreserven abbauen“518, um die Devisennachfrage zu befriedigen, wodurch sich die Geldmenge M verringert. Umgekehrt überwiegt in A der Nettokapitalimport und damit die Zunahme des Devisenangebots aufgrund der gestiegenen Zinsen, bei weitem den erhöhten Abfluss von Devisen infolge der einkommensbedingten Importsteigerung. Die Währungsreserven sowie die Geldmenge nehmen tendenziell zu. Dies bedeutet einerseits für B, dass der Zins wieder ansteigt (Linksverschiebung der LM-Kurve), während in A der Zins sinkt (Rechtsverschiebung der LM -Kurve). Die Verringerung des Zinsgefälles mildert also das außenwirtschaftliche Ungleichgewicht ab, wohingegen die Geldmengeneffekte binnenwirtschaftlich die Ungleichgewichte noch verstärken. Durch die tendenzielle Geldmengenvermehrung in A steigt der Inflationsdruck, während mit der Verringerung der Geldmenge in B die Nachfrage weiter gedrosselt wird. Ohne einen anderen Anpassungsmechanismus kann eine Fixierung der Wechselkurse zwischen diesen beiden Gebieten also nicht optimal sein. Vgl. De Grauwe, Paul: The Economics of Monetary Integration, 1997, S. 8. Vgl. Blattner, Niklaus: Mehr Arbeitsplätze in Europa? – Flexible Arbeitsmärkte als Voraussetzung für den Erfolg, 1998, o. S. 518 Ebd. 516 517
9*
132
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Mundell sieht diesen Mechanismus in einer hohen Faktormobilität, insbesondere in der Mobilität des Faktors Arbeit.519 In o. g. Beispiel könnten Arbeitskräfte von B nach A abwandern, wodurch sich einerseits die Arbeitslosigkeit in B reduzieren ließe, andererseits der Inflationsdruck in A aufgrund der Ausweitung der Produktionsmöglichkeiten gemildert würde. Im Modell bedeutet dies eine Linksverschiebung von AS und eine Rechtsverschiebung von AS , im Idealfall bis zum binnenwirtschaftlichen GG in B und B . Da die bisher Arbeitslosen aus B nun in A beschäftigt sind und somit verstärkt auch B-Produkte nachfragen, steigt der Export von B nach A und die gleiche Kausalkette wie bei einer Abwertung wird eingeleitet, sodass auch außenwirtschaftlich das GG wieder erreicht werden kann. „The problem tends to disappear with the emigration of ( . . . ) workers.“520 Mundell kommt zu dem Schluss, „that the optimum currency area is the region“521, wobei er Regionen als Gebiete definiert, innerhalb derer die Faktormobilität hoch ist, zwischen denen sie allerdings niedrig ist. Er gibt aber auch an gleicher Stelle zu bedenken, dass auch ein System flexibler Wechselkurse nur dann funktionieren kann, „if currencies are reorganized on a regional basis“, da sich einerseits Regionen über Ländergrenzen hinweg erstrecken könnten, andererseits aber auch ein Land aus mehreren Regionen bestehen könnte.
2. McKinnons Kriterium der Offenheit Diese Mundell’sche Reorganisation führt zu eher kleinen Währungsräumen, da die Arbeitsmobilität häufig nur auf kleinem Raum wirklich gegeben ist.522 Allerdings sieht Mundell auch eine Obergrenze für die Anzahl von Währungen und Währungsräumen. Wenn diese zu klein werden, erfüllt das Geld zwei seiner Funktionen schlechter: Zum einen dient es immer weniger als allgemeine Recheneinheit, da die Preise ausländischer Güter, deren Anteil ja umso mehr steigt, je kleiner der Währungsraum ist, stets umgerechnet werden müssen. Zum anderen wird seine Funktion als Tauschmittel eingeschränkt, da immense Umtauschkosten auftreten. Mundell is „worried about monetary ,balkanization‘ into numerous small currency areas which might destroy the liquidity properties of the monies involved“.523 Als zweiten Grund gegen zu kleine Währungsräume führt er an, dass der Mechanismus der flexiblen Wechselkurse nach außen zum Ausgleich von Schocks nur dann wirken kann, wenn die Arbeitnehmer innerhalb des Währungsraums zu einem gewissen Grad der Geldillusion unterliegen, „d. h. die abwertungsbedingten Preissteigerungen nicht zum Anlass für Lohnerhöhungen nehmen“524, dass sie also bereit 519 520 521 522 523 524
Vgl. Mundell, 1961, S. 661. Vgl. De Grauwe, 1997, S. 8. Vgl. Mundell, 1961, S. 661. Vgl. Kenen, 1969, S. 44. Vgl. McKinnon, 2001, S. 3. Vgl. Ochel, 1997, S. 5.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
133
sind, durch die Abwertung Einbußen in den Reallöhnen hinzunehmen. Dies ist nach Mundell umso unwahrscheinlicher, je kleiner der Währungsraum wird, da „the proportion of imports in total consumption grows“.525 Werden die Reallohneinbußen jedoch sofort durch Lohnerhöhungen ausgeglichen, verbilligen sich die einheimischen Güter relativ zum Ausland nicht, und der gewünschte Leistungsbilanzeffekt tritt nicht ein. Dieses letzte Argument greift McKinnon mit seinem Kriterium der Offenheit einer Volkswirtschaft auf.526 Dabei definiert er „Offenheit“ über den Anteil an handelbaren Gütern am gesamten Konsum der Volkswirtschaft. Je größer dieser Anteil ist, umso offener ist die Wirtschaft. Handelbare Güter sind solche, die am Außenhandel teilnehmen können, im Gegensatz zu nicht-handelbaren Gütern, „because transportation is not feasible for them“.527 McKinnon unterscheidet in „exportables“, die im Inland hergestellt und zum Teil exportiert werden, und in „importables“, die sowohl importiert als auch im Inland hergestellt werden. Er stellt ein Modell auf, in dem ein kleines Währungsgebiet vor der Frage steht, ob es sich für feste oder flexible Wechselkurse mit der restlichen Welt entscheiden soll, wobei die restliche Welt ebenfalls ein (sehr großer) Währungsraum ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt die Annahme, dass die Preise der handelbaren Güter in ausländischer Währung nicht von heimischen Wechselkursschwankungen beeinflusst werden, und ihre heimischen Preise stärker an die Auslandspreise gebunden sind als die der nicht-handelbaren Güter. Dies konnte „even for fairly large countries“528 gezeigt werden. Wertet nun die betrachtete Region gegenüber der „Restwelt“ ab, um das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zu halten, steigen die Preise der handelbaren Güter im Inland im gleichen Maße an, während die der nicht-handelbaren konstant bleiben. Dadurch verschiebt sich die Produktion tendenziell weg von den nicht-handelbaren hin zu den handelbaren Gütern, da hier „mehr zu verdienen ist“. Da die handelbaren Güter auch verstärkt exportiert werden und zugleich der Import aufgrund der Preissteigerungen zurückgeht, ist eine Verbesserung der Leistungsbilanz zu erwarten. Zu unterscheiden sind nun die Fälle der relativ offenen Volkswirtschaft, bei der die handelbaren Güter bereits einen großen Teil des Konsums und der Produktion ausmachen, und der geschlossenen Wirtschaft. Im ersten Fall macht sich die Preiserhöhung der handelbaren Güter deutlich im allgemeinen Preisniveau negativ bemerkbar. Zudem lässt sich nur wenig Produktionsumfang von nicht-handelbaren auf handelbare Güter verlagern, da hier bereits ein Großteil der Produktion liegt, weshalb der positive Effekt auf die Leistungsbilanz nicht sehr groß ist. Etwas anders sieht es im Falle der geschlossenen Wirtschaft aus: Hier fällt die Erhöhung des Preisniveaus sehr viel geringer aus, da sich nur ein kleiner Teil des 525 526 527 528
Vgl. Mundell, 1961, S. 663. McKinnon, 1963. Ebd., S. 717. Ebd., S. 718.
134
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
einheimischen Konsums verteuert. Zudem lässt sich mehr Produktionskapazität auf die handelbaren Güter verlagern und in der Folge ein stärkerer Leistungsbilanzeffekt erzielen. „From closed to open economies, flexible exchange rates become both less effective as a control device for external balances and more damaging to internal price-level stability.“529 McKinnons Optimalitätskriterium zeigt also keinen alternativen Ausgleichsmechanismus auf, der, wie die Faktormobilität, bei Außenhandelsungleichgewichten an die Stelle einer Abwertung treten kann. Vielmehr stellt die Offenheit eine Voraussetzung dar, unter der eine Wirtschaft leicht auf flexible Wechselkurse verzichten kann, weil der Hauptteil der Kosten, die ihr bei deren Fixierung entstehen, „would be ,losing‘ an instrument of adjustment that in fact had never existed“.530 Tavlas folgert, dass eine Volkswirtschaft umso offener ist, je kleiner sie ist, und dass deshalb kleinere Volkswirtschaften eher geneigt sind, einer Währungsunion beizutreten.531
3. Kenens Kriterium der Diversifikation In die gleiche Richtung zielt Kenens Diversifikationskriterium. Er argumentiert, dass, um eine so hohe Arbeitsmobilität zu erreichen wie Mundell sie fordert, die Arbeit an sich sehr homogen sein muss. Infolgedessen müsste ein derartiges Gebiet mehr oder weniger eine kleine „Ein-Produkt-Region“ sein.532 Wenn allerdings die ganze Wirtschaft an nur einem Produkt hängt, ist diese sehr anfällig gegenüber Nachfrageschocks. Als weiteren Grund gegen zu kleine Währungsräume führt er an, dass Fiskal- und Geldpolitik Hand in Hand gehen müssen, und deshalb „the domain of fiscal policy ought to coincide with the currency area or, at least, be no larger than the monetary zone“533, um administrative Probleme zu vermeiden. Für wichtiger als die Arbeitsmobilität hält Kenen einen hohen Diversifizierungsgrad des Produktspektrums einer Volkswirtschaft als Voraussetzung, um flexible Wechselkurse aufzugeben. Dafür sprechen v. a. zwei Gründe: Erstens besteht in einer stark diversifizierten Wirtschaft von vornherein weniger Bedarf an Auf- oder Abwertungen, um das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zu halten. Hier kommt das Gesetz der großen Zahlen und das Versicherungsprinzip ins Spiel. Je mehr Produkte eine Volkswirtschaft herstellt und exportiert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein etwaiger Nachfrageschock bei einem Produkt durch positive Entwicklungen bei anderen Produkten ausgeglichen wird (ex ante-Vorteil). Ebd., S. 719. Vgl. Schelkle, Waltraud: The Optimum Currency Area Approach to European Monetary Integration: Framework or Debate of Dead End?, 2001, S. 12. 531 Tavlas, 1993, S. 33. 532 Vgl. Kenen, 1969, S. 44. 533 Ebd., S. 46. 529 530
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
135
Sollte es dennoch einmal zu einem solchen Schock kommen, so Kenens zweiter Punkt, dann steigt die Arbeitslosigkeit nicht so stark wie in einem weniger diversifizierten Land. Um dies zu zeigen, stellt er ein Modell mit vier Ländern auf, die jeweils von einem homogenen Input-Gut, der Arbeit, Gebrauch machen. Allerdings sind die Länder 1 und 2 diversifiziert, sie produzieren ein Exportgut sowie ein Gut, das im Inland abgesetzt werden soll, während Land 3 und 4 nur für den Export produzieren. Darüber hinaus sind die Länder 1 und 2 kleine Wirtschaften, denen die Exportpreise von außen vorgegeben werden (siehe oben), während 3 und 4 größer sind. Das Ergebnis des Modells lässt sich wie folgt zusammenfassen: Zunächst betrachtet Kenen den Fall, dass die Löhne stärker steigen als die Exportpreise. Hier lässt sich allerdings keine endgültige Aussage darüber treffen, ob die diversifizierten Länder weniger betroffen sind als die anderen. Dies hängt vom Verhältnis der Reallohnelastizitäten der Nachfrage nach Arbeit in den unterschiedlichen Ländern ab. Eindeutiger stellt sich die Situation für eine andere Art von exogenen Schocks dar, die den von Mundell beschriebenen ähnlicher ist: eine Veränderung der Termsof-Trade (d. h. von p, dem Verhältnis der Preise des Exportgutes zu dem des Gutes 2) im Falle der kleinen Länder bzw. eine autonome Veränderung des Exports bei den großen Ländern. Um den Vergleich ceteris paribus vornehmen zu können, geht man davon aus, dass die Löhne nicht stärker steigen als die Preise. Um die Beschäftigung konstant zu halten (dN 0, d. h. um keine Arbeitslosigkeit zuzulassen) wären in den vier Ländern Anpassungen des nötig. Das Ergebnis des Modells ist nun Folgendes: In beiden Fällen, Veränderung der Terms-of-Trade sowie autonome Veränderung des Exportes, ist die WechselkursÄnderung, die nötig ist, um das Beschäftigungsniveau zu halten, in dem nichtdiversifizierten Land betragsmäßig größer als im diversifizierten. Kenen untersucht abschließend noch die Auswirkungen eines exogenen Schocks auf die Beschäftigung bei fixen Wechselkursen, also auch im Falle eines Währungsraums. Wiederum nimmt man an, dass die Löhne nicht stärker steigen als die Preise. Auch hier gilt: die Beschäftigungsschwankungen in nicht-diversifizierten Ländern sind betragsmäßig größer als in diversifizierten. Die Diversifizierung hat also sowohl ex ante, weil sich mögliche Schocks bereits gegenseitig aufheben, als auch ex post Vorteile, weil sich auftretende Schocks weniger gravierend (auf die Beschäftigung) auswirken. Insgesamt tendiert Kenens Argumentation eher in die Richtung von McKinnon, da sie auch eher größere Währungsräume bevorzugen würde. Dass Diversifikation eines Währungsraumes aber auch mit lokaler Spezialisierung einhergehen kann, führt Krugman an.534 Dann kann ein diversifizierter Währungsraum durchaus von lokalen, asymmetrischen Schocks betroffen sein. Weitere Ausführungen dazu vgl. Kapitel 4, C. III. 4.). 534 Vgl. Krugman, Paul: Lessons from Massachusetts for EMU, 1993, S. 249 ff. und derselbe, Geography and Trade, 1991.
136
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
4. Weitere Kriterien für die Optimalität von Währungsräumen Tavlas gibt in seinem Aufsatz einen Überblick über weitere Kriterien für Optimale Währungsräume, über die „großen Drei“ hinaus.535 Zu diesen Kriterien gehören: – Preis und Lohnflexibilität: Die Abwertung wird im Grunde nur dazu benutzt, die Reallöhne und -preise im Defizitland zu senken, um wieder wettbewerbsfähiger zu werden und den Export anzukurbeln. Wenn die Nominallöhne und -preise nicht nach unten starr wären, so wäre dieser Anpassungsmechanismus nicht nötig (vgl. Kap. 4, C. III. 1.). – Hoher Integrationsgrad der Kapital- und Gütermärkte der beteiligten Länder: „Countries that possess similar production structures are prone to similar termsof-trade shocks“,536 sodass weniger asymmetrische Schocks auftreten, die eine Auf- bzw. Abwertung nötig machen würden. Integrierte Kapitalmärkte, und damit eine hohe Kapitalmobilität, sorgen dafür, dass Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz schneller ausgeglichen werden (vgl. Kap. 4, C. III. 3. und Kap. 4, C. III. 4.). – Fiskalischer Föderalismus: Durch die Möglichkeit von Transferzahlungen zwischen den am Währungsraum beteiligten Ländern könnten im Falle asymmetrischer Schocks deren Auswirkungen in den betroffenen Gebieten gedämpft werden (ähnlich dem Länderfinanzausgleich in der BRD). Auch in diesem Fall ist der Abwertungsmechanismus nicht mehr unbedingt nötig. Allerdings gibt Schelkle zu bedenken, dass „this is problematic for a monetary union that is not yet a political union“537 (vgl. Kap. 4, C. III. 5.). – Abstimmung der Wirtschaftspolitiken: Noch einen Schritt weiter geht Kindleberger, der innerhalb eines Währungsraums eine einheitliche Wirtschaftspolitik fordert. Es sollten also sowohl Fiskalals auch Geldpolitik aufeinander abgestimmt werden. In der Konsequenz sieht er als Optimalen Währungsraum Nationalstaaten, da in Kooperationen mehrerer Staaten „the problem of mutual sovereignty inevitably recurs in their interrelations“.538 Tavlas, 1993, S. 33 ff. Ebd. 537 Vgl. Schelkle, 2001, S. 17. 538 Vgl. Aschheim, Joseph / Park, Yoon S.: Artificial Currency Units: The Formation of Functional Currency Areas, 1976, S. 25. 535 536
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
137
– Konvergenz der Inflationsraten: Nach Fleming können sich annähernde Inflationsraten der Teilnehmerländer als Voraussetzung für einen Optimalen Währungsraum gelten. Nur über sie kann langfristig die Kaufkraftparität sichergestellt werden.539
5. Aschheims Ansatz der Functional Currency Areas Einen ganz anderen Ansatz wählen Aschheim und Park mit ihren sogenannten Functional Currency Areas.540 Sie gehen von der Annahme aus, dass „the moneyness of an economic object is a matter of degree“541, je nachdem, wie gut das Objekt welche der drei Aufgaben des Geldes (Recheneinheit, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel) erfüllt. Beispielsweise entstanden in den 60er und 70er Jahren eine Reihe von künstlichen Währungseinheiten (Artificial Currency Units, ACUs), sowohl von offizieller Seite (z. B. das SDR, Special Drawing Right des IMF) als auch von privaten Unternehmen (z. B. der Eurco (European Composite Unit) eines europäischen Bankenkonsortiums oder der Arcru (Arabian CurrencyRelated Unit der Hambros Bank)). Alle diese ACUs waren entweder an den Goldpreis oder, meist erfolgreicher, an einen Währungskorb der jeweils relevanten Währungen gebunden. Obwohl ihre Funktion bisher auf die Rolle als Recheneinheit beschränkt ist, spricht konzeptionell nichts dagegen, dass sie auch die übrigen Geldfunktionen übernehmen könnten.542 Die privaten ACUs wurden vor allem als Nennwährung für Anleihen von Unternehmen benutzt, um Währungsrisiken (Gefahr von Wechselkursschwankungen) abzumildern. Genau hier setzen Aschheim und Park an. Sie stellen fest, dass Wechselkursschwankungen umso stärker ausfallen, je höher das wahrgenommene Wechselkurs-Risiko ist. „Currency fluctuations will be reduced“543, wenn man dieses Risiko verkleinert. Da ACUs, wie oben erwähnt, eben zu diesem Zweck von den Banken eingeführt wurden, wird ein duales Währungssystem vorgeschlagen: Die nationalen Währungen benutzt man hauptsächlich für inländische Transaktionen, während ACUs internationalen Transaktionen zugrunde liegen. Dabei kann sich ein Land oder ein Unternehmen für unterschiedliche Transaktionen verschiedener ACUs bedienen, je nachdem welche am geeignetsten erscheinen. Die „Blöcke“, in denen ACUs benutzt werden, entsprechen dann Functional Currency Areas, die natürlich sehr viel flexibler und variabler zusammengesetzt sind als herkömmliche Währungsräume. Sie wirken als „antidote to the rigid geographical delineation of currency 539 540 541 542 543
Vgl. Fleming, J. Marcus: On Exchange Rate Unification, 1971, S. 263 ff. Vgl. Aschheim / Park, 1976. Ebd., S. 1. Ebd., S. 2. Ebd., S. 23.
138
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
blocks“544 Nach diesem Ansatz gibt es also keine Optimalen Währungsräume, sondern jedes Land / Unternehmen schließt sich, indem es den entsprechenden ACU verwendet, denjenigen Functional Currency Areas an, die es für relevant hält.
II. Ein formales Modell für Optimale Währungsräume Die Originalaufsätze über die Kriterien für Offene Währungsräume „present verbal arguments rather than formal models“.545 Bayoumi möchte die Argumentationen dieser Artikel formal belegen, indem er ein solches Modell aufstellt. In diesem Modell gibt es eine Anzahl von Regionen, welche die gleiche Struktur aufweisen, jedoch unterschiedliche Güter herstellen.546 Jede Region i hat also folgende Produktionsfunktion:
1
Yi Xi e"i
Die Produktion entspricht der eingesetzten Arbeit Xi , potenziert mit einem Faktor (zwischen 0 und 1), der die partielle Produktionselastizität darstellet, sowie multipliziert mit einem Faktor, der eine externe Störung darstellt. "i ist dabei normalverteilt mit einem Erwartungswert von 0 und der Varianz 2i . Dabei gilt, dass die maximal eingesetzte Arbeit in einer Region 1 ist
Xi 1. Ist "i 0, so ist der Störterm gleich 1, es wird nichts verändert. Für Region 1 gilt, dass die externe Störung immer 0 ist, also Y1 bei Vollbeschäftigung gleich 1 ist. Der Preis der Region 1 ist die Recheneinheit, also P1 1. Zur Vereinfachung logarithmiert man die Funktion, wobei Kleinbuchstaben für Logarithmen stehen: log
Yi log Xi log
e"i log
Yi log
Xi "i log
e
2
y i x i "i
Der für die Arbeit bezahlte Reallohn Wi Ei (wobei Wi der Nominallohn in inländischer Währung und Ei der Wechselkurs mit Land 1 ist) entspricht wiederum dem Grenzprodukt der Arbeit. (1) abgeleitet nach Xi ergibt: dYi =dYi d Xi 1 eei
umgeschrieben:
dYi e"i 1 dXi Xi
Ebd., S. 27. Bayoumi, Tamim: A formal Model of Optimum Currency Areas, S. 538. 546 Ebd. Das Modell findet sich mit den Annahmen und wichtigen Gleichungen auf den S. 539 – 551, an dieser Stelle soll es aber ausführlicher dargestellt werden. 544 545
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
139
Demnach ergibt sich der Reallohn zu: W i Ei
e"i Pi Xi1
logarithmiert: log
Wi log
Ei log
e"i
log Xi1
log
Wi log
Ei log
"i log
e
log
Pi
1
log
Xi log
Pi
mit Kleinbuchstaben:
3
wi ei log
"i
1
xi pi
Die Lohnstarrheit wird ausgedrückt durch einen „normalen“ Lohn ! Pi , der dem Lohn entspricht, der Vollbeschäftigung ermöglicht, wenn keine externe Störung
"i 0 auftritt. Besteht zusätzliche Nachfrage nach Arbeit, kann der tatsächliche Lohn über ! ansteigen, im umgekehrten Fall sinkt er aber nicht unter !. Die Wechselkurse zwischen den Ländern ergeben sich aus dem Verhältnis ihrer jeweiligen Wechselkurse Ei mit dem Land 1. Gehören zwei Länder i und j zu einem Währungsraum, so ist das Verhältnis Ei =Ej fixiert, ansonsten kann es sich verändern. In diesem Fall treten aber Transaktionskosten auf, die im Modell dadurch abgebildet werden, dass von Gütern, die von j nach i strömen, nur ein Anteil von
1 Tj in i ankommt. Der Wechselkurs für einen Währungsraum als Ganzes entspricht laut Annahme dem geometrischen Durchschnitt der Wechselkurse aller teilnehmenden Länder bzw. sein Logarithmus dem arithmetischen Mittel ihrer Logarithmen. Das Einkommen in den Regionen ergibt sich aus der Produktion, multipliziert mit dem Preisniveau: Yi Pi . Der Konsum basiert auf einer Cobb-Douglas-Nutzenfunktion, die alle Güter beinhaltet: Uj
4
N X
ji log Cji
i1
Hierbei ist Cji der Konsum von Gut i in Land j und eine Konstante zur VereinN P fachung der Berechnung mit dem Wert: ji log ji . Für die ji gelten zwei i1
Normierungen. Zum einen ist ihre Summe über i für alle j gleich 1, d. h. sie entsprechen dem Anteil des Einkommens von Land j, das für Gut i ausgegeben wird. Zum anderen ist auch ihre Summe über j für alle i gleich 1, sodass „the aggregate demand for each product is symmetrical, and hence that all regions have the same level of income“.547 Eine Cobb-Douglas-Nutzenfunktion ist gekennzeichnet durch konstante Skalenerträge und liegt vor, wenn sie folgende Form hat: 547
Ebd., S. 542.
140
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum U
x1 ; x2 ; . . . ; xn ax1 x 2 . . . xn ;
wobei
::: 1
Dies kann für Gleichung (4) gezeigt werden, indem man die Logarithmierung rückgängig macht: eUj
j1j1
j2j2
C1 j1 C2 j2 . . . CNjN
...
jNjN
umgestellt:
1
eUj Cj1j1 Cj2j2 . . . CjNjN
j1j1 j2j2 . . . jNjN
Interpretiert man den zweiten Bruch als Faktor a (s. o.), so ergibt sich die CobbDouglas-Bedingung, da die Summe der ji über i ja per Definition gleich 1 ist. N Q
eUj
Cji ji
i1 N Q
i1
ji ji
Ergibt logarithmiert genau Gleichung (4). Aus der Nutzenfunktion lässt sich die Nachfrage des Landes j nach dem Gut i (die aber aufgrund des Schwundes durch die Transaktionskosten vom tatsächlichen Konsum in j abweicht (siehe Gleichung (7)) herleiten als:
5
Yji ji
Pj Yj Pi
Die Nachfrage des Landes j nach dem Gut i entspricht dem darauf verwendeten Anteil ji des eigenen Volkseinkommens Pj Yj , aber ausgedrückt in Preisen des Herstellerlandes Pi. Implizit kann daraus geschlossen werden, dass die Volkseinkommen aller Länder bei Vollbeschäftigung gleich 1 sind. Summiert man (5) über j auf, erhält man, da die Summe der Yji natürlich Yi ist: Yi
N X j1
ji
Pj Yj Pi
Durch vollständige Induktion kann man nun die obige Annahme beweisen. Dazu nimmt man zunächst an, dass die Aussage Pj Yj 1 für ein beliebiges j erfüllt ist. Und in der Tat ergibt sich, wenn man in (5) Pj Yj 1 einsetzt und aufsummiert, das korrekte Ergebnis für alle anderen i:
6
Yi
N X ji j1
Pi
1 ; Pi
da
N X j1
ji 1
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
141
Wenn also für ein beliebiges j die zu beweisende Aussage gilt, so ist sie auch für alle anderen i erfüllt. Da für i 1 aber P1 1 und Y1 1 gilt, ist für dieses i die Aussage erfüllt. Der Anker für die Induktionskette ist gefunden. Wie oben bereits erwähnt, entspricht die Nachfrage des Landes j an Gut i aufgrund der Transaktionskosten nicht genau dem Konsum, vielmehr ergibt sich:
7
Cji ji
1
Tj
;
Pi
wobei Tj gleich 0 ist, falls i und j einem Währungsraum angehören, und gleich T falls nicht. Man nimmt also einen gleich hohen Prozentsatz an Transaktionskosten zwischen allen Ländern an. In dem Fall, dass es keinerlei Währungsräume gibt, gilt in allen Ländern der „normale“ Lohn !, um die Vollbeschäftigung sicherzustellen. Es ergeben sich folgende Zusammenhänge: y i x i "i
Aus (2), aber da bei Vollbeschäftigung Xi 1, gilt xi 0, und damit: y i "i
Die (Logarithmen der) Wechselkurse erhält man aus Gleichung (3): wi ei log
"i
1
xi pi
wi entspricht aber log
!, und da ! Pi , ergibt sich log
! log
pi , einsetzen. log
pi ei log
"i
1
xi pi
Vereinfacht und mit xi 0 erhält man: e i "i
Aus (7) leitet sich der Konsum her: Cji ji
1
Tj
Pi
Mit Pi Yi 1, also Yi 1=Pi , einsetzen: Cji ji 1
Logarithmieren:
Tj Yi
cji log ji log 1
Tj yi
142
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Und da yi "i (s. o.): cji log ji log 1
Tj "i
Und schließlich die Nutzenfunktion der einzelnen Länder aus (4): N X
Uj
ji log Cji
i1
8
Uj
N X
N X
ji cji
i1
ji log ji
i1
einsetzen: Uj
N X ji log ji ji log 1
Tj ji "i
N X
i1
ji log ji
i1
Summe aufspalten: Uj
N X
N X ji log ji ji log 1
i1
N X Tj ji "i
i1
i1
N X
ji log ji
i1
Vereinfachen: Uj
N X
ji log 1
N X Tj ji "i
i1
Und mit
9
log
1
i1
T . Uj
N X
ji "i
i1
X
ji
i6j
Der Nutzen für Land j ergibt sich aus der Summe seiner (anteilig) konsumierten Güter i (da yi ), wird aber durch die Transaktionskosten vermindert, und zwar umso mehr, je mehr Land i von außen bezieht. Gehen nun zwei Länder j und k eine Währungsunion ein, d. h., sie fixieren ihre Wechselkurse, so ist ihr neuer, gemeinsamer Wechselkurs Ejk das geometrische Mittel der bisherigen Einzel-Wechselkurse und somit: Ejk
Logarithmiert:
p Ej Ek
1 log Ejk log Ej log
Ek 2
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
143
Umgeformt und Kleinbuchstaben eingesetzt: ejk
e j ek 2
Und mit dem oben gefundenen Zusammenhang: ejk
"j "k 2
Die Tatsache, dass in beiden Ländern zum jeweiligen Lohn ! gearbeitet wurde, der die Vollbeschäftigung sicherstellte, impliziert nun, dass in dem Land mit dem größeren Schock "i eine überschüssige Nachfrage nach Arbeit besteht, während in dem anderen Land zu wenig Arbeit nachgefragt wird. Dies liegt daran, dass im ersten Land aufgrund der Mittelwertbildung bei den Wechselkursen der eigene Wechselkurs (und damit der Reallohn) faktisch gesunken, im zweiten Land aber gestiegen ist. Im ersten Fall kann der Nominallohn steigen, um dies auszugleichen, während aufgrund der nach unten starren Nominallöhne im zweiten Fall Arbeitslosigkeit entsteht, und die Produktion sinkt. Wenn Land j das Land mit der Überschussnachfrage ist und Land k das mit der Arbeitslosigkeit, ergibt sich für die Produktion und den Lohn:
10a
y j "j
Per Definition; es herrscht weiter Vollbeschäftigung, allerdings ergeben sich Änderungen beim Nominallohn: wj ejk log
"j
1
xj pj
Aus (3), und da log
! log
pj , ersetzen: wj ejk log
! "j
1
xj
Da Vollbeschäftigung herrscht ist Xj 1 und xj 0; ej k wird eingesetzt: wj
"j "k log
! "j 2
Und zusammengefasst:
10b
wj log
!
"j
"k 2
Der Lohn steigt an, und zwar umso mehr, je größer die Differenz zwischen den beiden Schocks ist.
144
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Und im Land k:
10c
wk log
!
Der Lohn bleibt wegen der Lohnstarrheit bei !, aber die Produktion passt sich an. wk ejk log
"k
1
xk pk
ejk und wk von oben einsetzen. log
!
"j "k log
"k 2
1
xk pk
Da log
! log
pk , auf beiden Seiten subtrahieren. "j "k "k 2
Nach xk auflösen. xk
Einsetzen in (2).
"k 2
1
yk a
"k 2
1
y k "k
a
Und umgestellt:
10d
1
xk
"j "j "k
"j "k 2
1
Die Produktion yk sinkt unter ihr Vollbeschäftigungsniveau "k , und zwar wiederum um so stärker, je größer die Differenz zwischen den beiden Schocks ist. Ausgehend von (9), der Nutzengleichung in der Ausgangssituation, Uj N P P ji "i ji betrachtet man nun die Wohlfahrts- bzw. Nutzenänderungen. i1
i6j
Relevant sind hierbei der Wegfall der Transaktionskosten zwischen j und k (was die zweite Summe beeinflusst) sowie die Verminderung der Produktion in k, mit Einfluss auf die erste Summe. Für das Land j fallen die Transaktionskosten mit k
jk aus der zweiten Summe heraus. Da die "i der ersten Summe der jeweiligen Produktion yi entsprechen, verändert sich auch hier der Term für das Land k, weil dort die Produktion aufgrund der starren Löhne zurückgegangen ist. "k wird durch Gleichung (10d) ersetzt. h i P P " " Der neue Nutzen im Land j ist: Uj ji "i jk "k 2
j1 k ji , i6k
sodass sich als Differenz zum Ausgangszustand ergibt:
i6j;k
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume Uj
( X
ji "i jk "k
i6k
"j "k 2
1
X
) ji
i6j;k
N X
ji "i
i1
145 X
! ji
i6j
umgestellt: Uj
X i6k
ji "i
N X
! ji "i
jk "k
i1
"j "k 2
1
X
ji
i6j;k
X
! ji
i6j
vereinfacht: Uj
jk "k jk "k
jk
"j "k 2
1
Uj jk
jk
"j "k 2
1
jk
und schließlich:
11a
Der Nutzen erhöht sich einerseits durch den Wegfall der Transaktionskosten mit dem Partnerland und zwar abhängig von der Höhe dieser Transaktionskosten und der Intensität der Handelsbeziehungen jk . Auf der anderen Seite wird er aber durch den Rückgang der Produktion in Land k vermindert und zwar um so mehr, je größer die Differenz zwischen den Schocks ist und je mehr Land j von dem in k hergestellten Gut konsumiert. Für Land k leitet sich die Nutzenänderung analog her und beträgt:
11b
Uk kj
kk
"j "k 2
1
Die übrigen Länder m weichen davon ein wenig ab, da hier keine Transaktionskosten entfallen:
11c
Um
mk
"j "k 2
1
Hier vermindert sich der Nutzen also in jedem Fall, es sei denn "i "k . Im Vorhinein ist allerdings noch nicht bekannt, in welchem Land des Währungsraums Unterbeschäftigung herrscht. Aufgrund der Berechnung des neuen Wechselkurses besteht für jedes Land eine 50 %ige Chance, dass dies der Fall ist. Als Erwartungswert der Nutzenänderung eines Landes, das dem Währungsraum beitritt, ergibt sich dann Folgendes:
12a
10 Deinzer
E Uj jk
jj E "j "k j"j < "k P "j < "k
jk E "k "j j"k < "j P "k < "j
146
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Wobei
2
1
Die Nutzenerhöhung durch die wegfallenden Transaktionskosten entsteht in jedem Fall, während die Nutzenverminderung aufgrund des Produktionsrückgangs davon abhängt, welches Land davon betroffen ist. Aus diesem Grund subtrahiert man für beide Fälle jeweils den Erwartungswert des Produktionsrückgangs unter der Bedingung, dass das jeweilige Land tatsächlich betroffen ist, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall Eintritt, wobei auch die entsprechenden -Koeffizienten verwendet werden. Zur Berechnung dieser Erwartungswerte wird wie folgt vorgegangen: Wie oben erwähnt, sind die Schocks "i normalverteilt mit dem Erwartungswert 0 und der Varianz 2i . In diesem Fall gilt für die Zufallsvariable
"j "k : E "j
"k 1 E "j
1 E
"k 0 X
Regel 1 : E
!
a i Xi
i
Regel 2 : Var
X
X
XX
i
also: Var "j
ai E
Xi
i
! ai Xi
00
i
ai aj Cov Xi ; Xj ;
j
"k 1 1 Cov "j ; "j 1
1 Cov "j ; "k
1 1 Cov "k ; "j
1
1 Cov
"k ; "k
Wobei Cov
Xi ; Xi Var
Xi : Var "j
"k Var "j
Cov "j ; "k
Cov "k ; "j Var
"k
Da Cov Xi ; Xj Cov Xj ; Xi , und mit Var
Xi 2i sowie Cov Xi ; Xj ij : Var "j
"k 2j
2 jk 2k
Das heißt, ("j "k ) ist normalverteilt mit Erwartungswert 0 und der oben gegebenen Varianz. Den Erwartungswert Reiner solchen stetig verteilten Zufallsvariablen errechnet man als Integral: E
X x f
xdx, wobei f
x die Dichtefunktion der Zufallsvariable ist. Für den bedingten Erwartungswert gilt dann dementsprechend: E
X jB
1 P
B
Z x f
xdx B
Man integriert nur in dem Bereich, in dem die Bedingung B zutrifft, und teilt durch die Wahrscheinlichkeit, mit der B zutrifft.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
147
In unserem Fall ist die Bedingung "j < "k , wofür eine Wahrscheinlichkeit von 0,5 gilt. Die Zufallsvariable
"j "k erfüllt diese Bedingung genau dann, wenn sie negativ ist, also im Bereich 1; 0. Über diesen Bereich muss also integriert werden. Da die verwendete Zufallsvariable normalverteilt ist, kann für das Integral der Dichtefunktion auf die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
0 zurückgegriffen werden. Um die Zufallsvariable in die Standardnormalverteilung zu überführen, benutzt man folgenden Zusammenhang: X N
0; 1 ) X N
; 2
In unserem Fall ist folglich: E "j
"k j"j < "k
q 1
0 Var "j "k E "j P "j < "k
"k
Alle oben berechneten Zusammenhänge eingesetzt: E "j
q i 1 h "k j"j < "k
0 2j 2 jk 2k 0 0; 5
Und damit: E "j
q "k j"j < "k 2
0 2j 2 jk 2k
Der bedingte Erwartungswert für den zweiten Fall in (12a) ergibt sich auf analoge Weise. Setzt man beides in (12a) ein, erhält man:
12b
q h i E Uj jk
jj 2
0 2j 2jk 2k 0; 5 q h i
jk 2
0 2k 2jk 2j 0; 5
Und zusammengefasst:
12c
E Uj jk
q
jj jk
0 2j 2jk 2k
Die erwartete Nutzenänderung für ein Land ist also wegen der entfallenden Transaktionskosten umso höher, je mehr Güter des Partnerlandes man nachfragt (umso größer jk ). Die Kosten für den Beitritt zum Währungsraum hängen von der Bedeutung aller innerhalb des Währungsraums konsumierten und auch dort produzierten Güter
jj jk sowie von der Varianz der Differenz der in den Ländern auftretenden Schocks ab. Hierbei ist zu beachten, dass eine Korrelation der auftretenden Schocks (Kovarianz > 0) diese Varianz verkleinert. Für die Länder außerhalb des Währungsraums entsteht in jedem Fall eine Nutzeneinbuße, die umso größer ist, je mehr Güter aus dem Währungsraum in einem Land konsumiert werden (Herleitung analog oben): 10*
148
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum q
mj mk
0 2j 2jk 2k
E
Um
13
Diese Beziehungen lassen sich leicht auf Währungsräume mit mehr als zwei Mitgliedern übertragen. Schließen sich etwa k-Länder zu einem Währungsraum zusammen, so entspricht ihr gemeinsamer neuer Wechselkurs "K wie oben ausgeführt dem Durchschnitt der einzelnen Wechselkurse, bzw. dem der länderspezifischen Schocks, "i . In einem Land i herrscht Vollbeschäftigung, wenn sein Produktivitätsschock "i über diesem Durchschnitt liegt, während es Produktionseinbußen aufgrund der Lohnstarrheit hinnehmen muss, wenn er darunter liegt. Der Erwartungswert für diesen Produktionsrückgang ergibt sich (analog oben) zu:
14
E
yi
E
"i
"K j"i < "K P
"i < "K
q
0 2i 2iK 2K
Da dieser Produktionsrückgang in jedem der teilnehmenden Länder zu erwarten ist, ist mit folgenden Nutzenänderungen zu rechnen:
15a
E
Ui
X
X
ik
i6k
q
ik
0 2k 2kK 2K
k
Und für die Länder außerhalb des Währungsraums:
15b
E
Um
X
q
mk
0 2k 2kK 2K
k
Diese Ergebnisse lassen analog zu den Gleichungen (12c) und (13) interpretieren. Interessant ist es nun zu betrachten, was passiert, wenn ein Land j nachträglich der Währungsunion der k-Länder beitritt. Sein Nutzen verändert sich dann wie folgt (wobei der Index K j sich auf den Durchschnitt der Schocks inklusive des neuen Mitglieds bezieht, der Index K dieses jedoch ausnimmt):
16
X E Uj jk
q
jj
0 2j 2jKj 2Kj
k
X
jk
0
q 2k 2kKj 2Kj
q 2k 2kK 2K
k
Das Neumitglied profitiert vom Wegfall der Transaktionskosten mit allen bisherigen Mitgliedern des Währungsraumes (erster Term). Außerdem muss es in vollem Umfang das Risiko eines Produktionsrückgangs im eigenen Land tragen (zweiter Term). Die erwarteten Produktionsausfälle der übrigen Teilnehmerländer spielen aber nur insofern eine Rolle, als sich die Varianz der Störungs-Differenzen durch den Beitritt des Neumitglieds erhöht. Die Kosten in Gleichung (15b) wären dem Land ohnehin entstanden und sind deshalb nicht entscheidungsrelevant für
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
149
den Entschluss, dem Währungsraum beizutreten oder nicht. Dies bedeutet auch, dass ein Land, welches eigentlich bevorzugen würde, dass alle Länder eigene flexible Währungen beibehalten, einer Währungsunion dennoch beitritt, wenn sich andere Länder dazu entschließen, eine solche zu formen. „( . . . ) the incentive to join an already existing currency union is always greater than the incentive to form a new currency union.“548 Für die bisherigen Mitgliedsländer i bedeutet der Beitritt des neuen Landes j folgende Veränderung:
17
q
ij
0 2j 2jKj 2Kj q q X 2k 2kK 2K
ik
0 2k 2kKj 2Kj
E
Ui ij
k
Die beiden letzen Terme entsprechen Gleichung (16) (mit angepassten -Koeffizienten), allerdings profitiert man nur vom Wegfall der Transaktionskosten mit dem einen, neuen Land. In der Folge bedeutet dies, dass der Anreiz, der Währungsunion beizutreten, für ein kleines Land, das sehr viele Güter aus dem Währungsraum konsumiert, sehr hoch ist (viele Transaktionskosten fallen weg, erster Term in (16) sehr groß), während die Mitglieder keinen großen Anlass haben, es hereinzulassen (vermutlich kleine ij , da kleines Land j mit vermutlich wenig Export). Dies unterstützt das Argument der Offenheit einer Volkswirtschaft von McKinnon. Im bisherigen Modell war es nicht vorgesehen, dass Arbeit von dem Land mit Unterbeschäftigung abwandert. Dies soll im Folgenden eingeführt werden, um die Auswirkungen der Arbeitsmobilität auf das Nutzenniveau der einzelnen Länder zu beobachten. Da der Ortswechsel Kosten verursacht (Umzugskosten etc.), wandert nur ein Anteil der Arbeitslosen eines Landes k nach j ab, wo eine überschüssige Nachfrage nach Arbeit besteht. Galten ohne Arbeitsmobilität Beschäftigungsniveaus von Xj 1 und Xk
1 Z, so verändern diese sich mit deren Einführung zu Xj
1 Z und Xk
1 Z. Man sieht, dass sich für Land k keine Veränderung ergibt; die Gleichungen (10c) und (10d) gelten noch immer. Da Z sehr klein ist (ein Bruchteil von 1), kann man log
1 Z durch Z substituieren, sodass xj Z und x k Z. Nutzt man diese Zusammenhänge, erhält man für Land j: xk
da x
j Z und xk
"k 2
1
Z folgt: xj
einsetzen in (2).
548
Ebd., S. 548.
"j
"j "k 2
1
150
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum y j "j a
18a
"j "k 2
1
Die Produktion steigt genau um einen Bruchteil dessen, was in Land k weniger produziert wird. wj ejk log
"j
1
xj pj
aus (3), und da log
! log
pj , ersetzen. wj ejk log
! "j
1
xj
xj und ejk einsetzen. wj
"j "k log
! "j 2
1
"j "k 2
1
"j auf die linke Seite bringen; kürzen. wj
"k
"j 2
log
!
"j
"k 2
nach wj auflösen. wj log
!
1
18b
"j
"k 2
Der Lohn steigt weniger stark als zuvor, und zwar abgemildert durch den Faktor
1 .
10c
wk log
! y k "k
10d
a
"j "k 2
1
Da wie oben erwähnt, dem Rückgang der Produktion in dem einen Land immer ein Anstieg der Produktion im anderen Land um einen Bruchteil dessen entgegenwirkt, verändert sich Gleichung (12b) wie folgt:
19a
q h i E Uj jk
jj jk 2
0 2j 2jk 2k 0; 5 q h i
jk jk 2
0 2k 2jk 2j 0; 5
Und zusammengefasst: E Uj jk
jj jk
1
q
0 2j 2jk 2k
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
151
Beziehungsweise für die Länder außerhalb der Währungsunion:
19b
E
Um
mj mk
1
q
0 2j 2jk 2k
Man sieht, dass die Nutzenerhöhung durch die wegfallenden Transaktionskosten gegenüber der Situation ohne Arbeitsmobilität unverändert bleibt. Allerdings verringern sich die entstehenden Kosten aufgrund des Produktionsausfalls durch den Faktor
1 . Im Falle der perfekten Mobilität
1 entfallen diese Kosten vollständig. Die Gleichungen (19a) und (19b) lassen sich analog (15) bis (17) auf mehrere Länder erweitern. Das Modell erlaubt Aussagen über die wichtigsten Kriterien für Optimale Währungsräume, die in Kapitel 4, B. I. beschrieben wurden. 1. Zum einen fallen die Kosten, die durch den Zusammenschluss entstehen, umso geringer aus, je stärker die externen Schocks in den einzelnen Ländern korrelieren, je kleiner also die Varianz ihrer Differenzen ist. Oder mit anderen Worten: je weniger asymmetrisch die Länder von Schocks getroffen werden. 2. Die gleiche Wirkung hat die Mobilität der Arbeit, wie gerade beschrieben. Je mobiler dieser Faktor ist, desto geringer sind die Produktionsrückgänge der beteiligten Länder. Somit ist formal das Mundell’sche Kriterium der Faktormobilität bewiesen. 3. Der Grad der Offenheit der Wirtschaft wirkt sich auch in diesem Modell auf die Entscheidung, einem Währungsraum beizutreten, aus. Das beitretende Land kann im vollen Umfang von den wegfallenden Transaktionskosten mit sämtlichen Teilnehmerländern profitieren, die umso höher sind, je mehr es aus dem Währungsraum bezieht (Summe der ik groß). Auf der anderen Seite trägt es die anfallenden Produktionsausfälle nur insoweit, wie sich durch seinen Beitritt die Varianz der Schocks erhöht. Somit kann Bayoumi formal auch McKinnons Kriterium der Offenheit untermauern. 4. Natürlich spielt auch das Diversifikationskriterium eine Rolle. „The regions are highly diversified if the underlying disturbances are not highly correlated.“549 Folglich gleichen sich Schwankungen nach oben und unten gegenseitig aus und der Wechselkurs nach außen, der dem Durchschnitt der Schocks entspricht, bleibt relativ stabil, muss also wenig angepasst werden, sodass der Wegfall dieses Instruments nicht mit großen Kosten verbunden ist. Letztlich kann Bayoumis Modell also auch Kenens Kriterium für einen Optimalen Währungsraum – die Diversifikation – wissenschaftlich untermauern.
549
Ebd., S. 551.
152
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
III. Neuere Theorie der Optimalen Währungsräume In jüngerer Zeit wurden einige Annahmen, auf denen die frühen Kriterien für Optimale Währungsräume zum Teil basieren, aufgelöst oder zumindest infrage gestellt. Allerdings verwirft die neuere Theorie diese Ansätze nicht vollständig, sondern baut teilweise auf ihnen auf und bewertet sie neu. Einige der neueren Entwicklungen sollen im Folgenden vorgestellt werden.
1. Lucas-Kritik Lucas formulierte in seinem Aufsatz von 1976, dass sich makroökonomische Beziehungen ändern, wenn sich das wirtschaftspolitische Regime ändert.550 Die Zusammenhänge zwischen Variablen sind nicht notwendigerweise fundamentale Verhaltensbeziehungen, sondern das gemeinsame Ergebnis aus dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte und der geltenden Wirtschaftspolitik. Da sie sich ändern, wenn die Wirtschaftspolitik umgestellt wird, sind Modelle, die diese Beziehungen verwenden, ungeeignet, die Auswirkungen dieser Umstellung vorherzusagen. Da der Beitritt zu einem Währungsraum in jedem Fall eine solche Veränderung in der Politik nach sich zieht, trifft die Lucas-Kritik hier zu, und die zugrundeliegenden Beziehungen müssen in diesem Licht neu betrachtet werden. So betonen die wissenschaftlichen Experten des Europäischen Parlamentes, dass sich Institutionen, die sich im Verlauf der Geschichte entwickelt haben (zum Beispiel einer Geschichte variabler und ungewisser Inflation), sich neuen Gegebenheiten rasch anpassen können, wenn diese für permanent erachtet werden. ( . . . ) In der Tat legen unsere Ergebnisse nahe, dass die festgestellten Unterschiede im Rahmen von Schocks und Konjunkturzyklen mit dem Aufkommen gemeinsamer Institutionen und Politiken verschwinden.551
2. Vertikale Phillips-Kurve Ein Beispiel, in dem die Theorie der Optimalen Währungsräume von der LucasKritik getroffen wird, ist die Phillips-Kurve. Diese postuliert einen stabilen negativen Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit (je höher die Inflation umso geringer die Arbeitslosigkeit). Der Staat hätte also mit seinen Politikinstrumenten einen Trade-off zwischen den beiden Größen zu finden, der seinen Präferenzen entspricht. Zu diesen Instrumenten gehört auch der Wechselkurs. Seine Wirkung zum Ausgleich asymmetrischer Schocks besteht, wie erwähnt, v. a. darin, dass durch die Abwertung der Export angekurbelt und Ungleichgewichte beseitigt werden. Anders formuliert, steigen durch die Abwertung die Importpreise und damit die Inflation, was nach der Phillips-Kurve die Arbeitslosigkeit senkt. Aller550 551
Vgl. Lucas, Robert E. Jr.: Econometric Policy Evaluation: A Critique, 1976. Patterson / Amati, 1998, S. 21 – 22.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
153
dings wurde diese Annahme „undermined by the experience of the late 1970s and early 1980s, which saw the coexistence of rising unemployment and higher inflation in a number of countries“.552 Der Verlauf der Phillips-Kurve hängt vielmehr vom erwarteten Inflationsverlauf ab, d. h. nur unerwartete Inflationsänderungen können die Arbeitslosigkeit kurzfristig beeinflussen. Langfristig ist die Phillips-Kurve sogar eine Vertikale, die das Niveau der „natürlichen“ Arbeitslosigkeit anzeigt (vgl. Kap. 8, D. – NAIRU-Konzept). Damit verliert auch der Wechselkurs viel von seiner Wirksamkeit als Mittel zum Ausgleich asymmetrischer Schocks, womit ein großer Teil der „Kosten“ für die Fixierung von Wechselkursen entfällt. 3. Zeit-Inkonsistenz-Problem Wenn die Zusammenhänge der Phillips-Kurve nicht gelten, so ist es immer vorteilhaft, eine möglichst niedrige Inflationsrate beizubehalten. Um dies zu erreichen, ist eine glaubwürdige und stabile Wirtschaftspolitik, insbesondere Geldpolitik, nötig.553 Zur Schaffung dieser Glaubwürdigkeit ist eine Politik zu verfolgen, die über die Zeit konsistent ist. Allerdings argumentiert die einschlägige Literatur, dass die Öffentlichkeit genau weiß, dass die Politik ihr einerseits glaubhaft machen will, dass sie auf eine niedrige Inflationsrate zielt, andererseits aber dann, wenn die Öffentlichkeit dies glaubt, ein großer Anreiz besteht, die Inflationsrate doch zu erhöhen, um zumindest kurzfristig Phillips-Kurven-Effekte zu erzielen und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Aus diesem Grund ist es sehr schwer, das Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen, das nötig ist, um eine niedrige Inflationsrate zu erreichen. „One way to gain credibility is by ,tying the hands‘ of the government by some kind of institutional change“554, um gar nicht mehr in der Lage zu sein, die Politik plötzlich zu ändern. Die drastischste Möglichkeit dies zu tun, wäre die Aufgabe der eigenen Währung und der Beitritt zu einer Währungsunion. Länder mit tendenziell höheren Inflationsraten können also von Währungsunionen profitieren, indem sie deren niedrigere Inflation „importieren“.
4. Endogenität der OWR-Kriterien Ein weiteres Argument, das die Lucas-Kritik bekräftigt, bringen Frankel und Rose. Sie sagen, dass die geforderten Kriterien, die ein potenzieller Währungsraum ex ante erfüllen sollte, endogen sind, also nach dem Zusammenschluss mehr oder weniger von selbst erreicht werden. Diese These wird in Kapitel 4, C. III. 4. als Gegenthese zur Krugman’schen specialization-hypothesis näher untersucht. 552 553 554
Tavlas, 1993, S. 34. Ebd. Ebd., S. 35.
154
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
5. Internationale Risiko-Verteilung In einem späteren Aufsatz von 2001 gibt McKinnon die Idee, dass asymmetrische Schocks von vornherein gegen eine Währungsunion sprechen, ganz auf und argumentiert, dass mit einer gemeinsamen Währung solche Schocks über bessere Reservehaltung und Portfolio-Diversifikation viel effektiver abgedämpft werden können.555 Das bedeutet, dass aufgrund des Wegfalls von Wechselkursrisiken Anleger aus sämtlichen Ländern des Währungsraums Anleihen und Wertpapiere aus möglichst vielen anderen beteiligten Ländern halten würden, um ihre Portfolio-Diversifikation zu optimieren und ihr Risiko zu minimieren; und zwar in viel stärkerem Maße als dies der Fall ist, wenn unterschiedliche Währungen im Spiel sind. Trifft nun ein asymmetrischer Schock ein einzelnes Land, so wird der Schaden auf alle Anleger, die Wertpapiere aus diesem Land halten, verteilt und der Schock wird abgefedert. Das Wechselkursrisiko selbst kann allerdings nicht durch breite Streuung „wegdiversifiziert“ werden, da die meisten (Privat-)Anleger nicht direkt vor Ort anlegen, sondern über Intermediäre wie Banken. Die Papiere, die diese ausgeben, lauten aber meist auf die einheimische Währung, sodass hier das Wechselkursrisiko bestehen bleibt, auch wenn die Bank später in verschiedene Währungen diversifiziert. Clearly, under floating exchange rates, currency risk will undermine international risk sharing and diminish cross-holdings of [ . . . ] financial assets. [ . . . ] Only a common money will convince financial intermediaries to diversify as freely across national boundaries as they do [ . . . ] in the same country.556
McKinnon behauptet also, dass eine gemeinsame Währung dazu führt, dass asymmetrische Schocks besser gedämpft werden. Einen Schritt weiter geht Schelkle, wenn sie postuliert, dass flexible Wechselkurse oder deren Variabilität selbst eine potenzielle Quelle für asymmetrische Schocks, aufgrund von spekulativen Attacken etc., sind.557 Gros kann dies empirisch belegen, indem er einen signifikanten Einfluss der Wechselkurs-Variabilität auf das Beschäftigungsniveau in Deutschland ermittelt.558 „Und zwar führt der Anstieg der Wechselkurs-Variabilität um 1 Prozentpunkt zu einem Rückgang der Beschäftigung von 0,6 % im nächsten Jahr.“559 Der Beitritt zu einer Währungsunion bringt also nach dieser Argumentation Vorteile, die in der früheren Theorie überhaupt nicht beachtet wurden.
Vgl. McKinnon, 2001, S. 6. Ebd., S. 12. 557 Vgl. Schelkle, 2001, S. 28. 558 Vgl. Gros, Daniel: A Reconsideration of the Optimum Currency Approach: The Role of External Shocks and Labour Mobility, 1996, S. 113. 559 Ebenso Ochel, 1997, S. 7. 555 556
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
155
C. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion als optimaler Währungsraum? I. Messung und Bewertung von asymmetrischen Schocks Sollen asymmetrische Auswirkungen eines Schocks dafür als Argument dienen, dass ein Währungsraum eventuell nicht optimal ist, wenn nämlich Anpassungsmechanismen nicht vorhanden sind oder nicht greifen, sollte man wissen, auf welcher Messung diese Feststellung genau beruht. Die einfachste Möglichkeit wäre ein Feststellen und Bewerten von Wechselkursschwankungen. Folgt eine Paritätsänderung, kann die Auswirkung eines beliebigen Ereignisses als asymmetrisch gelten und die Wechselkursänderung als Mechanismus der Anpassung an dieses Ereignis verstanden werden. Dieser einfache Ansatz hat jedoch weitreichende Schwächen. Wechselkurse verändern sich in der Realität durch die unterschiedlichsten Ursachen. Deshalb ist es nahezu unmöglich, die Auswirkungen eines bestimmten Ereignisses zu isolieren und der Wechselkursänderung exakt zuzurechnen. Des Weiteren können so nur asymmetrische Auswirkungen zwischen, nicht jedoch innerhalb von Währungsräumen gemessen werden. „Sollte aus unabhängigen Teilgebieten eine Währungsunion geschaffen werden, wie es bei der WWU der Fall ist, kann aus den oben angegebenen Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass die Schockauswirkungen hiervon unberührt bleiben werden.“560 Dieser einfache Ansatz zur Messung von Asymmetrien ist daher zu verwerfen. Eine bessere Methode, die Auswirkungen eines bestimmten Schocks zu messen, ist die unterschiedliche Entwicklung von Inflationsraten. So lassen sich sowohl zwischen Währungsräumen als auch innerhalb von diesen die Auswirkungen an der unterschiedlichen Entwicklung der Verbraucherpreise, der Lohnstückkosten oder der Immobilienpreise ablesen. Daneben können auch Änderungen des Bruttoinlandsprodukts zu diesem Zweck herangezogen werden, wiederum möglich bei getrennten Währungsräumen und in eingeschränkterem Maße auch innerhalb von Währungsräumen, sofern vergleichbare nationale oder regionale Statistiken verfügbar sind. Für Neary und Thom repräsentiert ersteres Nachfrageschocks, letzteres Angebotsschocks. Diese Indikatoren wählen sie auch für ihre Untersuchung der Wirtschafts- und Währungsunion als optimalen Währungsraum, welche später vorgestellt wird.561 Sucht man ein Kriterium mit einer präzisen statistischen Grundlage, bieten sich die Arbeitslosenquoten an, die selbst auf der sehr feingliedrigen lokalen Ebene Patterson / Amati, 1998, S. 22 – 23. Vgl. Neary, Peter J. / Thom, Rodney D.: Pints, Pounds and Euros: In Search of an Optimum Currency Area, 1997, S. 211 ff. 560 561
156
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
verfügbar sind. Wohl aus dem Grund der Verfügbarkeit der Daten wurde eine Reihe von Studien zu Asymmetrien anhand der charakteristischen Auswirkungen auf die Beschäftigungslage angefertigt. Die von Belke und Gros gehören dabei zu den meist zitierten und deren Ergebnisse werden später im Folgenden noch präsentiert.562 Die Bewertung und die Interdependenzen der Auswirkungen eines bestimmten Schocks sind ebenfalls problematisch. Ein Ereignis könnte asymmetrische Auswirkungen auf die Beschäftigung haben, ohne dass hiervon auch die Inflation betroffen wäre – oder umgekehrt. Eine Senkung der Zinssätze wirkt sich möglicherweise asymmetrisch auf die Immobilienpreise aus – ohne dass die Arbeitslöhne oder die Verbraucherpreise direkt betroffen sein müssen. Und selbst wenn es eindeutige Indikatoren für Asymmetrien geben würde, gäbe es noch ein weiteres Problem bei der Beurteilung, ob eventuelle Asymmetrien der Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion entgegen gestanden wären: „Die statistischen Daten für unterschiedliche Teilgebiete sind möglicherweise nicht miteinander vergleichbar – selbst die größten Anstrengungen Eurostats reichten ( . . . ) nicht aus, um rechtzeitig für die WWU-Prüfung im März 1998 alle Verbraucherpreise in den harmonisierten Inflationsindex einzubeziehen“. 563
II. Empirische Untersuchungen Caporale bemerkt als Schlussfolgerung einer Auswertung von Inflationsunterschieden, „dass die realen Wechselkurse zwischen den kanadischen Provinzen volatiler sind als die zwischen den vier größten europäischen Ländern“.564 Da also in Europa weniger Anpassungen nötig sind als innerhalb von Kanada, ist anzunehmen, dass eine europäische Währungsunion machbar ist. Weitere Untersuchungen zeigen aber, dass dies wohl nur für einen „harten Kern“ von europäischen Ländern gilt. Bayoumi und Eichengreen kommen in ihrer Untersuchung565 zu dem Ergebnis, dass es um Deutschland herum einen Kern von Ländern mit ähnlicher Wirtschaftsstruktur gibt, für die es wahrscheinlich ist, dass Schocks nicht asymmetrisch auftreten. Ihrem Ansatz liegt eine aggregierte fallende Nachfragekurve und eine kurzfristige, steigende Angebotskurve auf Grund starrer Löhne zugrunde und somit fallender Reallöhne bei steigenden Preisen. Langfristig verläuft die Angebotskurve vertikal aufgrund von langfristigen Lohnanpassungen auf Preisänderungen. 562 Vgl. Belke, Ansgar / Gros, Daniel: Estimating the Cost and Benefits of the EMU: The Impact of External Shocks and Labour Markets, 1997. 563 Patterson / Amati, 1998, S. 23. 564 Caporale, Guglielmo Maria: Is Europe an Optimum Currency Area? Symetric versus asymetric shocks in the EC, 1993, S. 97. 565 Vgl. Bayoumi, Tamim / Eichengreen, Barry: Shocking Aspects of European Monetary Unification, 1992.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
157
(Positive) Nachfrageschocks verschieben nun die Nachfragekurve nach rechts und es ergibt sich im kurzfristigen Gleichgewicht sowohl eine Erhöhung des Outputs wie auch eine Erhöhung des Preisniveaus. Da die aggregierte Angebotskurve über die Zeit immer steiler verläuft, kommt es in ihrem langfristigen Gleichgewicht zu einer Rückkehr zum alten Produktionsniveau und einer nun permanenten Preiserhöhung. Dabei hängt es vom Funktionieren des Preismechanismus ab, ob es zu zyklischen Bewegungen um das langfristige Gleichgewicht herum kommt. (Positive) Nachfrageschocks werden in diesem Modell als kurzfristige Produktionserhöhungen und als langfristige Erhöhung des Preisniveaus identifiziert.566 (Positive) Angebotsschocks, etwa durch einen vorteilhaften Technologieschock, verschieben sowohl die kurzfristige als auch die langfristige Angebotskurve nach rechts. Kurzfristig sinkt das Preisniveau und es steigt die Produktion und diese Effekte verstärken sich, je steiler die langfristige Angebotskurve verläuft, bis zu einem langfristigen Gleichgewicht mit dauerhaft höherem Angebot und niedrigeren Preisen. Somit unterscheidet sich der (positive) Angebotsschock deutlich vom (positiven) Nachfrageschock: Der Erstgenannte erhöht dauerhaft die Produktion, während der Zweitgenannte langfristig das Outputniveau konstant lässt. Daneben senkt der (positive) Angebotsschock die Preise langfristig, der (positive) Nachfrageschock erhöht diese dauerhaft.567 Zu diesen Überlegungen verwenden Bayoumi und Eichengreen ein Vektor-Autoregressionsmodell von Blanchard und Quah568, welches permanente und temporäre Schocks zerlegen kann. Entscheidend ist hier, dass Nachfrageschocks nur kurzfristige Auswirkungen auf den Output haben und deshalb die kumulierte Auswirkung eines Nachfrageschocks auf den Output gleich null ist. Somit kann in einer lag-Analyse Angebots- und Nachfrageschock getrennt werden.569 Die „overidentifying-restriction“ 570, nämlich dass (positive) Nachfrageschocks preiserhöhend und dass (positive) Angebotsschocks preissenkend wirken, musste in der gesamten Untersuchung nur für Norwegen, Irland und die Rocky Mountains Region angewendet werden. Dabei umfasste die Untersuchung folgende Länder: Die (damaligen) 12 EG-Staaten, die (damaligen) sechs EFTA-Staaten und die USA, Japan, Kanada, Australien und Neuseeland. Als Datenmaterial verwendeten die Autoren Zahlen von 1960 bis 1988. In sogenannten „Impulse Response Functions“ konnte deutlich zwischen Angebots- und Nachfrageschocks unterschieden werden. Nur auf Europa bezogen identifizieren Bayoumi und Eichengreen folgendes Ergebnis: Die Angebotsschocks Deutschlands korrelieren mit einem KorrelationsEbd., S. 13. Ebd., S. 14. 568 Vgl. Quah, Danny: Identifying Vektor Autoregressions. A Diskussion of P. Englund, A. Vredin and A. Warne: Macroeconomic Shocks in Sweden 1925 – 86, 1991. 569 Vgl. Bayoumi / Eichengreen: Shocking Aspects of European Monetary Unification, 1992, S. 15. 570 Ebd., S. 23. 566 567
158
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
koeffizienten von 0,5 bis 0,7 mit denen Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und Dänemarks, aber nur mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,3 bis –0,7 mit denen Großbritanniens, Italiens, Spaniens, Irlands, Portugals und Griechenlands, alle Ergebnisse waren signifikant. Bei den Nachfrageschocks lässt sich eine ähnliche Kernzone finden, allerdings mit weniger eindeutigen Ergebnissen. Mit einer ähnlichen Vorgehensweise bekräftigen dies Neary und Thom im Ergebnis einer späteren Vektor-Autoregression der Inflationsraten verschiedener Länder zum einen und der Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts zum anderen.571 Ersteres repräsentiert dabei die Nachfrage(-schocks), letzteres das Angebot bzw. die Angebotsschocks. Als Schocks werden jeweils die Anteile jeder Zeitreihe angesehen, die sich nicht aus den übrigen Variablen erklären lassen. Aus dieser Vorgehensweise ergibt sich ein Kerneuropa, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien und den Niederlanden, deren Schocks sehr stark korrelieren, im Gegensatz zum übrigen Europa. Gros geht in seiner Arbeit von 1996572 einen am Ende weniger mathematischen Weg. Er versucht alle Indikatoren, die nach den Theorien der Optimalen Währungsräume Symme- trien bzw. Asymmetrien anzeigen könnten, aufzunehmen und Länder danach ordinal einzuordnen und dann eine durchschnittliche Rangzahl zu bilden. Je ähnlicher diese zwischen den Staaten sind, desto weniger spricht für Asymmetrien. Seine „Optimum-Currency-Area indicators“573 sind: 1. Trade structure similarity Gemessen am Korrelationskoeffizienten zwischen den Anteilen von 70 Produkten am gesamten intra-europäischen Export und den Anteilen der Exporte jedes einzelnen EU-Staates zu anderen EU-Staaten. 2. Intra-industry trade Gemessen am Grubel-Lloyd-Index, der sich als eins minus dem Quotienten der Summe aller Netto-Exporte des Industriesektors und der Summe aller Exporte und Importe berechnet. 3. Real GDP growth correlation Korrelationskoeffizient zwischen dem realen Wachstum in der EU 12 und in den einzelnen Mitgliedstaaten. 4. Industrial growth correlation Korrelationskoeffizient zwischen dem realen Wachstum des Industiesektors in der EU 12 und in den einzelnen Mitgliedstaaten. 5. Unemployment rate correlation Korrelationskoeffizient zwischen der Arbeitslosenrate in der EU 12 und den einzelnen Mitgliedstaaten. 571 572
Vgl. Neary / Thom, 1997, S. 215 ff. Vgl. Gros, Daniel: Towards Economic and Monetary Union: Problems and Prospects,
1996. 573
Ebd., S. 14.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
159
6. Exports to the EU 15 als Exportquote in Prozent des Bruttosozialprodukts. Die Auswahl erklärt er so, dass die ersten beiden Indikatoren die Unterschiede in den ökonomischen Strukturen der Staaten aufzeigen und geeignet sind, Potential für asymmetrische Schocks aufzuzeigen. Die Indikatoren drei bis fünf zeigen die Annäherung der einzelnen EU-Staaten an den EU-Durchschnitt und der letzte Indikator zeigt die Bedeutung des Exports in andere EU-Staaten für den betroffenen Staat und daher den Grad der Wichtigkeit der Vorteile einer Währungsunion. Gros bestreitet nicht, dass die Indikatoren untereinander hoch korreliert sind und glaubt nicht, dass man aus seiner Untersuchung unzweifelhaft die Länder identifizieren könnte, die von der Währungsunion profitieren. „But some rough indications emerge nevertheless if one looks only at the average ranking from the six indicators used here.“574 Das Ergebnis seiner Studie für die EU-Staaten (ohne Luxemburg) mit Daten bis 1996 ergibt folgendes Bild: Tabelle 1 Reihenfolge der EU-Mitgliedstaaten nach den „Optimum-Currency-Area Indicators“ Land
Durchschnittliche Rangzahl
Häufigkeit unter den Top 7
AUT
5,8
5
BEL
3,8
5
DEN
11.0
0
FIN
11.2
1
FRA
4,0
5
GER
4,3
5
GRE
11,3
1
IRE
8,0
2
ITA
7,2
4
NET
6,3
4
POR
10,3
1
SPA
5,3
5
SWE
9,2
1
UK
7,2
3
Quelle: Gros, Daniel: Towards Economic and Monetary Union: Problems and Prospects, 1996, S. 15. 574
Ebd., S. 13.
160
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Aus der durchschnittlichen Rangzahl schließt Gros, dass Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland und Spanien zum Kern der Währungsunion zählen, was sich auch in der Häufigkeit unter den Top 7 herausstellt, ein Kriterium, das zeigen soll, wie oft ein Land bei den sechs Indikatoren besser qualifiziert war als die Hälfte der EU-Staaten. Auch Italien und die Niederlande zählt er zum Kern, „( . . . ) three of the „four corners“ of the EU, namely Finland, Portugal and Greece, do not belong to the core on this account because they have quite different economic structures“.575 Zu einem differenzierteren Ergebnis kommt Artis mit einer anderen, mathematisch viel aufwendigeren Methode. Er benutzt einen Clusteringalgorithmus, der die beteiligten Länder anhand bestimmter Kriterien in Gruppen (Cluster) einteilt, wobei innerhalb der Cluster möglichst große Homogenität, zwischen ihnen dagegen möglichst große Inhomogenität herrscht. Im vorliegenden Fall sind es diese Kriterien: die Intensität der Handelsbeziehungen des Landes mit Deutschland, die Flexibilität seines Arbeitsmarktes im Vergleich mit Deutschland, die Synchronisation seiner Geldpolitik mit der Deutschlands (gemessen über das Zinsniveau), die Synchronisation seines Konjunkturzyklus mit dem Deutschlands, die Volatilität seines DM-Wechselkurses und seiner Inflationsrate im Vergleich zur deutschen.576 Sowohl ein herkömmlicher Clusteringalgorithmus als auch ein sogenanntes Fuzzy Clustering, das die Elemente nicht einem Cluster fest zuordnet, sondern Zugehörigkeitskoeffizienten für die Elemente in allen Clustern berechnet, kamen zu folgendem Ergebnis: Kerneuropa, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien und den Niederlanden, nördliche Peripherie (Dänemark, Irland, Schweiz, Schweden, Norwegen, Finnland, Großbritannien) und südliche Peripherie (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland).577 Dies bedeutet, dass nur das Kerneuropa ohne weiteres auf die flexiblen Wechselkurse verzichten könnte, für die übrigen Mitglieder sind zusätzliche Ausgleichsmechanismen nötig. Massmann und Mitchell weisen zusätzlich darauf hin, dass eine – kurz nach der Konstituierung der Währungsunion beobachtbare – Konvergenz innerhalb der Eurozone nicht als Zukunftsindikator geeignet ist.578
575 Ebd., S. 13 – 16. Gros untersuchte in einer anderen Untersuchung mit Belke den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und exogenen Schocks und sie kamen zu der Feststellung, dass sie keinen stabilen und statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und externen Schocks ermitteln konnten. Deshalb vertreten sie die Ansicht, dass die WWU kaum die schwerwiegenden Beschäftigungsprobleme zur Folge haben wird, die häufig prognostiziert werden. Vgl. Belke / Gros: Estimating the Cost and Benefits of the EMU: The Impact of External Shocks and Labour Markets, 1997, S. 4 – 7. 576 Vgl. Artis, Michael: Should the UK join EMU?, 2000, S. 75. 577 Ebd., S. 76. 578 Vgl. Massmann, Michael / Mitchel, James: Reconsidering the Evidenz: Are Eurozone Business Cycles Converging?, 2003, S. 17.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
161
III. Anpassungsmechanismen 1. Lohn- und Preisflexibilität Die mit einem asymmetrischen Schock konfrontierten Teilgebiete eines Währungsraums können ihre Wettbewerbsfähigkeit eventuell dadurch zurückerlangen, indem sie ihre nominalen Einkommen und / oder die Preise senken und so eine mit der Abwertung einer dann nicht mehr vorhandenen Landeswährung vergleichbare Wirkung erzielen. Das größte Problem für die Anpassung, die auf der Flexibilität der Preise beruht, ist die Starrheit der Löhne nach unten. Leider ist jedoch die Lohnflexibilität, „der große Bedeutung als Instrument zur Anpassung an regionale Schocks ( . . . ) beigemessen wird, in Europa relativ gering.“579 Neuere empirische Ergebnisse, die dies, allerdings mit Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten, belegen, kommen von Calmfors und Driffil 580 und jüngst von Calfors581 und Boeri, Börsch-Supan und Tabellini.582 Eichengreen kam 1992 in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Nominallöhne der prozentualen Arbeitslosenquotenerhöhung in den 80er Jahren mit einer Elastizität zwischen –0,39 in Italien, –0,29 in Frankreich, –0,27 in den Niederlanden und nur –0,11 in Deutschland folgten583, also nur leicht aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit abgesenkt wurden. Für die 90er Jahre konnten Cadiou, Guichard und Maurel aber eine stärkere Reaktion der Löhne auf die Arbeitslosigkeit nachweisen. So stellten sie für Frankreich eine Elastizität, die nach ca. einem Jahr erreicht wird, von etwa –0,75 fest, für Deutschland von sogar –1,8. Allerdings lag für Dänemark, die Niederlande, Großbritannien und Schweden der Wert bei Null, was für diese Länder bedeutet, dass ein Abbau der Arbeitslosigkeit nicht direkt zu Lohnerhöhungen führte.584
Ochel, 1997, S. 13. Vgl. Calmfors, Lars / Driffil, John: Bargaining Structure, Corporatism and Macroeconomic Performance, 1988. Für die geringe Lohnflexibilität machen die Autoren auch nicht exogene Schocks, sondern den Grad der Zentralisierung der Lohnverhandlungen für unterschiedliche Reallöhne verantwortlich. Ein niedriger Zentralisierungsgrad führt c. p. zu niedrigen Lohnsteigerungen, da die Gewerkschaft sonst um die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes fürchten muss. Ein sehr hoher Zentralisierungsgrad führt auch zu relativ niedrigen Nominallohnerhöhungen, weil sich die Gewerkschaften um die inflationsfördernde Wirkung des Abschlusses bewusst sind. Somit führt ein mittlerer Zentralisierungsgrad der Lohnverhandlungen c. p. zu den größten Nominallohnerhöhungen, weil die beiden beschriebenen Effekte gering ausfallen. Dieser These kritisch gegenüber stehen aber etwa: Fitzenberger, Bernd / Franz, Wolfgang: Dezentrale versus zentrale Lohnbildung in Europa: Theoretische Aspekte und empirische Evidenz, 1995, S. 321 ff. 581 Vgl. Calmfors, Lars: Unemployment, Labour Market Reform, and Monetary Union, 2001. 582 Vgl. Boeri, Tito / Börsch-Supan, Axel / Tabellini, Guido: Would you like to shrink the Welfare State? The opinion of European Citizens, 2001. 583 Vgl. Eichengreen, Barry: Should the Maastricht Treaty be Saved?, 1992, S. 34 – 41. 579 580
11 Deinzer
162
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Eine große Verbesserung der Preis- und Lohnflexibilität in Europa erhoffte sich die Kommission durch das Single Market Programme (SMP). Diese fertigte 1999 zur empirischen Überprüfung des erwarteten Strukturwandels und der Anpassungsfähigkeit der Europäischen Industrie ein Arbeitspapier585 und einen daraus abgeleiteten Bericht an den Rat586 an und formulierte ihre Hoffnungen so: „Indeed, to the extent that the Single Market Programme had the objective of removing market imperfections, at least within Europe, it might be expected (and hoped) that the last ten years would have seen significant structural change in European manufacturing“.587 Allerdings brachte die Untersuchung sehr enttäuschende Ergebnisse. Die Preisflexibilität wird nach Ansicht der Kommission v. a. durch die schleppende Umsetzung des SMP, eines nur langsamen Abbaus von nichttarifären internen und externen Handelshemmnissen und der fortgesetzten staatlichen Subventionierung bestimmter Sektoren, gehemmt. Beispielsweise gibt es in vielen EU-Staaten geringen Wettbwerb in Sektoren mit Staatsbetrieben oder ehemaligen Staatsmonopolisten. So fordert die Kommission den Rat auf, that efforts to remove remaining imperfections should continue, and probably accelerate. While the root cause of change in any market economy must always be the responses of individual firms to new opportunities, there is still invariably an important facilitating role for policy. ( . . . ) examples of policies which should improve the efficiency of any market include: an active competition policy; continuing managed removal of subsidies for declining industries; no specific protection of national champions; positive upgrading of the infrastructure of regions where low wage, low growth industries are concentrated; continued investment in education and training; provision of support for basic research (to avoid market failure inevitably associated with public goods); and enhanced flexibility in the labour market.588
Zum gleichen Ergebnis kommt die erste Studie der OECD über die Anpassungsmechanismen in der Währungsunion. Die Lohnflexibilität in Europa sei gering und „there is no guarantee that EMU will set forces in motion that would automatically lead to a better functioning of euro area labour markets. The sooner countries implement policies that foster greater labour market flexibility, the more prepared they will be to absorb future shocks.“589 Ein Jahr später veröffentlichte die OECD die Nachfolgestudie „EMU One Year on“590 und ergänzte die Problematik der ge584 Vgl. Cadiou, Loic / Guichard, Stephanie / Maurel, Mathilde: Wage Flexibility and EMU, 1999, S. 2. 585 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The Competitiveness of European Industry, 1999. 586 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Commission Communication on structural change and adjustment in European manufacturing, COM(1999) 465. 587 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The Competitiveness of European Industry, 1999, S. 37. 588 Ebd. 589 OECD: EMU: Facts, Challanges and Policies, 1999, S. 17. 590 Vgl. OECD: EMU One Year on, 2000a.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
163
ringen Lohnflexibilität um die empirische Erkenntnis, dass Länder mit hohen Gütermarktregulierungen auch zu restriktiverer Arbeitsmarktregulierung tendieren. Deshalb müssen auch aus Sicht der OECD in der EU weitere Anstrengungen im Binnenmarktprogramm getroffen werden, damit über mehr Wettbewerb auf den Gütermärkten auch mehr Druck auf die Lohnflexibilität ausgeübt wird.591 Doch selbst wenn die regionalen Preise und Löhne ein gewisses Maß an Flexibilität aufweisen, passen sie sich, wie Ochel darlegt, normalerweise langsamer an als die Wechselkurse. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Abwertung den effizienteren Mechanismus bietet.
2. Mobilität der Arbeitskräfte Die Theorie der Optimalen Währungsräume nach Mundell (vgl. Kap. 4, B. I. 1.) legt besonderes Gewicht auf die Mobilität der Arbeitskräfte, und Kritiker der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion verweisen immer wieder warnend auf die im Vergleich zu den wesentlich mobileren Amerikanern offensichtliche Abneigung der Europäer gegenüber einem Wohnortwechsel. Mehrere Studien haben in der Tat illustriert, dass die interregionale Mi- gration in den USA einen gewichtigen Faktor darstellt. Diesen Studien zufolge trägt sie stärker zur internen Abfederung bei als Änderungen der relativen Löhne oder der Erwerbsquote der Erwerbspersonen.592 Dagegen zeigen Zahlen der OECD für 1997, dass die Bereitschaft französischer und deutscher Arbeitskräfte, von einem Département bzw. deutschem Land in ein anderes zu ziehen, nur einem Drittel der Bereitschaft von USBürgern entspricht, den Bundesstaat zu wechseln – von einem Umzug von Frankreich nach Deutschland oder umgekehrt ganz zu schweigen.593 Berechnungen von Pelagidis auf der Grundlage von Eurostat-Angaben zeigen, dass die Nettowanderung innerhalb der EU seit 1992 tatsächlich fällt und dass die Migration innerhalb der EU in Prozent der Gesamtbevölkerung 1995 im Durchschnitt unter einem Prozent lag. Neueste Untersuchungen von Straubhaar belegen die geringe innergemeinschaftliche Wanderung: Für 1998 kommt er auf etwa 1,5 % der EUBevölkerung, welche die EU-Personenfreizügigkeit genutzt haben.594 Der leichte 591 Vgl. OECD: EMU One Year one, 2000b, S. 11: „While the benefits of product market integration may not be fully reaped unless they are accompanied by greater labour market integration, it is possible that over time greater competition in goods and services markets could lead to pressures for higher wage flexibility and / or labour mobility. In particular, introduction of the euro, which has eliminated intra-area exchange rate risk and boosted price transparency, is likely to enhance product market competition and may therefore add to pressure for labour market reform.“ 592 Vgl. Blanchard, Olivier / Katz, Lawrence: Regional Evolutions, 1992, S. 2 ff. 593 Vgl. Patterson / Amati, 1998, S. 27 – 28. 594 Vgl. Straubhaar, Thomas: Migration im 21. Jahrhundert: Von der Bedrohung zur Rettung sozialer Marktwirtschaften?, 2002, S. 22 f. Auch die OECD errechnete das gleiche Ergebnis: „The number of EU nationals resident in another member State is only 5.5 million
11*
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Anstieg ist v. a. durch die Erweiterung der EU um die von den anderen EU-Bürgern bisher schon relativ beliebten Staaten Österreich und Schweden zu erklären. Trotzdem lässt sich zusammenfassen, dass „die innergemeinschaftliche Freizügigkeit ( . . . ) die am wenigsten genutzte Freiheit des Binnenmarktes [ist]“ und trotz teilweise stark divergierendem Lebensstandard und trotz unterschiedlicher Beschäftigungsniveaus zu geografisch nahe gelegenen, wirtschaftlich weit erfolgreicheren Regionen und selbst innerhalb kulturell und sprachlich relativ ähnlicher „natürlicher“ Lebensräume die grenzüberschreitende Migration innerhalb der EU ein quantitativ marginales Phänomen bleibt.595
Im Vergleich hierzu wechseln über 4% der US-Bevölkerung in jedem Jahr den Bundesstaat.596 Was die Erklärung für diesen Gegensatz zwischen den Wirtschaften der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union ist, bleibt bisher umstritten. Eine Vermutung von Obstfeld und Peri ist, dass die Unterschiede in der zwischenstaatlichen und der regionen- überschreitenden Migration möglicherweise nicht die verhältnismäßigen Inflexibilitäten im Arbeitsmarkt, sondern die verhältnismäßige Häufigkeit oder das Fehlen asymmetrischer Schocks widerspiegeln. „( . . . ) if idiosyncratic regional shocks have not been prominent, then little migration would be observed even with low barriers.“597 Sollten also die Menschen in den Vereinigten Staaten mobiler sein, weil sie keine andere Wahl haben? Nach einer Prüfung der vorhandenen Erkenntnisse und Theorien der asymmetrischen Schocks und deren Identifikation verwerfen Obstfeld und Peri die Ansicht, dass die geringe europäische Migration ein Ausdruck für die Seltenheit regionaler asymmetrischer Schocks ist, da die meisten Untersuchungen größere und häufigere Schocks für Europa als für die USA konstatieren.598 Im Weiteren weisen sie allerdings darauf hin, dass noch eine gewisse quantitative Standardisierung von Schocks erforderlich ist, um einen internationalen Vergleich von Schockauswirkungen vornehmen zu können. Einem anderen Erklärungsmuster zufolge sind die Migrationshemmnisse in der EU größer als in den Vereinigten Staaten. Anscheinend liegen in Europa einige endemische, auf das Gebiet der EU bezogene, Barrieren vor, welche die Mobilität der Arbeitskräfte einschränken, mit denen die Vereinigten Staaten nicht – oder so gut wie nicht – zu kämpfen haben. Gemeint sind damit insbesondere sprachliche und kulturelle Unterschiede. Andere Barrieren sind das Ergebnis abweichender out of 370 million, equivalent to 1 1 / 2 per cent of the population.“ Vgl. OECD: EMU: Facts, Challanges and Policies, 1999, S. 17 – 18. 595 Straubhaar, Thomas: Migration im 21. Jahrhundert: Von der Bedrohung zur Rettung sozialer Marktwirtschaften?, 2002, S. 22. 596 Vgl. Pelagidis, Theodore: Optimum currency area approach and the third stage of EMU: A review of recent evidence, 1996, S. 780. 597 Obstfeld, Maurice / Peri, Giovanni: Regional nonadjustment and fiscal policy: Lessons for EMU, 1998, S. 13 598 Ebd., S. 15 – 20.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
165
Maßnahmen der staatlichen Behörden. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die Nichtübertragbarkeit von Rentenansprüchen, Einschränkungen bei Sozialversicherungsansprüchen, die Inflexibilität der Wohnungsmärkte, die eingeschränkten Einstellungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst für Personen anderer Staatsbürgerschaft, mangelnde Kenntnisse über Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten usw. zu nennen. All diese Barrieren lassen sich auf die unbefriedigende Umsetzung des Grundsatzes des „freien Personenverkehrs“ zurückführen und stellen ganz allgemein den wichtigsten Ansatzpunkt für ein Funktionieren des Systemwettbewerbs dar [vgl. Kap. 2, B. II. 3. b)]. Allen Erklärungen ist das Problem gemein, sich nur auf die Migration zwischen europäischen Staaten zu beziehen, obwohl die Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb der einzelnen Länder ebenso schwach ausgeprägt zu sein scheint. Gros stellt aber heraus, dass Mundells Kriterium der Arbeitsmobilität sich eigentlich auf den Unterschied der Arbeitsmobilität innerhalb und zwischen Regionen bezieht. Wenn er sagt „The optimum currency area is the region“ (vgl. Kap. 4, B. I. 1.), dann ist das deswegen so, weil innerhalb der Region eine viel höhere Arbeitsmobilität gegeben ist, als nach außen. Dies ist ja gerade das konstituierende Merkmal einer Region bei Mundell. Wenn dieser Ansatz auf die Situation in Europa übertragen wird, „( . . . ) is assumed that mobility within a country is higher than between countries“.599 Allerdings ist das in Europa gerade nicht der Fall, wie Gros empirisch belegt. „Inter-regional and inter-national migration are of a similar order of magnitude in Europe.“600 Folglich dürfte die niedrige Mobilität der Arbeit nicht unbedingt gegen die Schaffung der Währungsunion gesprochen haben, da diese ja auch innerhalb der Einzelstaaten nicht signifikant höher ist. Niemand würde jedoch fordern, die Einzelstaaten gemäß den Mobilitätsverhältnissen neu aufzugliedern. Auch sollte für den Vergleich der Mobilität der Arbeitskräfte in den Vereinigten Staaten und in der EU nachgedacht werden, ob nicht auch hier die „Lucas-Kritik“ und die Endogenitäts-Hypothese (vgl. Kap. 4, B. III. 1. und B. III. 4.) von Relevanz sein könnte. Wenn die fehlende Arbeitsmobilität die EU als Optimalen Währungsraum disqualifiziert, inwieweit erleichtert dann die Existenz einer einheitlichen Währung die Arbeitsmobilität in den Vereinigten Staaten? Beispielsweise liegt die niedrige Arbeitsmobilität in Europa (im Vergleich zu den USA) u. a. auch in abweichenden Maßnahmen der staatlichen Behörden begründet, wie die bereits angesprochene Nichtübertragbarkeit von Rentenansprüchen, die eingeschränkten Einstellungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst für Personen anderer Staatsbürgerschaft oder die schleppende Anerkennung von Qualifikationen. Wenn in der Folge einer Währungsunion auch eine politische Union ansteht, können auch solche Barrieren wegfallen, wodurch die Arbeitsmobilität gesteigert, und ein ex ante-Kriterium für Optimale Währungsräume ex post erfüllt würde. Allerdings lässt sich eine 599 Gros, Daniel: A Reconsideration of the Optimum Currency Approach: The Role of External Shocks and Labour Mobility, 1996, S. 108 600 Ebd., S. 114.
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
solche erhoffte „Katalysatorwirkung“ der Währungsunion auf die Politik, mehr für Flexibilität und Mobilität der Arbeitskräfte in Europa zu unternehmen, bisher nicht feststellen. Viel eher sind die einzelstaatlichen Arbeitsmarktregelungen in den Kernstaaten noch dichter und restriktiver geworden.601 Es gibt nur wenige Untersuchungen zur abschreckenden Wirkung unvertrauter Währungen und etwaiger Währungsrisiken auf die länderüberschreitende Arbeitsmobilität. Deshalb fordern selbst die Wissenschaftler des Europäischen Parlamentes: „Ein Blick auf die Veränderungen, die die uneingeschränkte Nutzung des Euro mit sich bringen wird, dürfte diesbezüglich sehr aufschlussreich sein“.602 Damit im Zusammenhang steht ein weiteres Argument, das die geringe Mobilität der Arbeitskräfte in Europa erklären könnte: Das Informationsdefizit über Einkommensunterschiede zwischen den Staaten könnte bisher die Menschen von der Wanderung abgehalten haben. Dieses würde durch eine einheitliche Währung verringert. Doch Görgens zeigt, dass die Unterstellung einer geringen Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU aufgrund von Informationslücken nur ausnahmsweise zulässig ist.603 Außerdem kann Mobilität natürlich auch mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sein: Ist ein Schock nur temporär, kann das Ausbluten des Arbeitsmarktes durch Abwanderung die letztendliche Erholung der jeweiligen Region in unerreichbare Ferne rücken lassen. Die Abwanderung der jüngsten, qualifiziertesten und unternehmungsfreudigsten Arbeitskräfte kann eine Region zum dauerhaften Abstieg verurteilen, was für die neuen Länder teilweise bereits zu beobachten ist. Außerdem entstehen den Zuwanderungsgebieten eventuelle Kosten, falls etwa Sozialhilfeleistungen für die Zuwanderer erforderlich sind. Dies impliziert ja gerade die Theorie des Race to the Bottom [vgl. Kap. 2, B. II. 4. a)]. Dazu kommt noch die Überlegung, dass eine umfassende Ab- oder Zuwanderung von Arbeitskräften einen hohen Integrationsaufwand erfordert und auch soziale Spannungen hervorrufen kann, die die Zuwanderung letzten Endes politisch inakzeptabel werden lassen können.604 Daraus abgeleitet ist die vielleicht überzeugendste Erklärung für die niedrige Arbeitsmobilität der Europäer auch zugleich die naheliegendste – dass der für umfangreiche Ab- und Zuwanderungen zu zahlende Preis sowohl für das Individuum, als auch für die Region im allgemeinen stärker wiegt als die erzielten Vorteile. Die OECD formuliert dies zusammenfassend wie folgt: The failure of mobility to equalise structural unemployment reflects a range of policy-related and other factors: minimum wages are set at a single rate for all regions of a given Vgl. Starbatty, Joachim: Euro – der Stabilitätsbruch, 2001, S. 101 – 102. Patterson / Amati, 1998, S. 29. 603 Vgl. Görgens, Egon: Der Arbeitsmarkt im europäischen Integrationsprozess, 1993, S. 231. 604 Vgl. Wentzel, Dirk: Zum Spannungsverhältnis von Migration, Transformation und Integration, 1993, S. 503 – 511. 601 602
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
167
member State so that wage adjustments cannot absorb differences in productivity across regions; high replacement rates especially at the low end of the wage scale; restrictive employment protection legislation; housing market obstacles; lack of information about job opportunities in other regions; language barriers and lifestyle differences that may offset the incentive effects of wage differentials; and a limited geographic range for job search requirements without risking the loss of unemployment benefit entitlement.605
Gerade für die EU-Migration lässt sich auch belegen, dass die bestehende, geringe Mobilität der Arbeitskräfte nicht auf Einkommens- und Beschäftigungsunterschiede zwischen den Regionen zurückzuführen ist, sondern auf die mikroökonomische Nachfrage nach spezialisierten Fachleuten. Diese wechseln v. a. intra-industriell zwischen Regionen mit ähnlichem Entwicklungsstand, die Wanderungsbewegungen sind keine Einbahnstraße, sondern wechselseitig.606 Von der massenhaften „Abstimmung mit den Füßen“ gegen suboptimale Institutionen, wie sie der Systemwettbewerb prophezeit, ist also innerhalb der EU nichts zu erkennen. Dass sich dies durch die EU-Osterweiterung 2004 dramatisch ändern wird, ist eher unwahrscheinlich. Neben den langen Übergangsfristen von bis zu 7 Jahren ist es eben aus der Erfahrung der EU gerade fraglich, ob Einkommens- und Arbeitslosenunterschiede wirklich einen so großen Wanderungsanreiz darstellen, wie in der Migrationstheorie etwa von Harris und Todaro oder Hatton angenommen wird.607 Doch selbst dann ergeben Berechnungen von Boeri und Bruckner für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), welche auf dem Modell von Hatton beruhen, dass ein Zuwanderungspotential aus den MOE-Staaten in die EU von zwei bis drei Millionen Menschen über einen Zeitraum von 15 Jahren besteht. Im „Worst Case“-Szenario kämen alleine 2,9 Mio. Menschen nach Deutschland, dies gilt aber nur für kurze Übergangsfristen, sehr langsame Konvergenz des BIP und einer Arbeitslosenrate in Deutschland von fünf Prozent. So folgert das DIW: „Fears that the EU will be swamped by immigration from the CEECs in the case of free movement of labour seem to be ill-founded“.608 Etwas mehr Zuwanderung OECD: EMU: Facts, Challanges and Policies, 1999, S. 18. Vgl. Straubhaar, Thomas: Migration im 21. Jahrhundert: Von der Bedrohung zur Rettung sozialer Marktwirtschaften?, 2002, S. 24 f. 607 Auf eine ausführliche Darstellung verschiedener Migrationstheorien soll hier verzichtet werden. Die Ansätze lassen sich kurz wie folgt charakterisieren: Sjaastad diskontiert den erwarteten Nutzen eines Individuums aus der Migration als Entscheidungskriterium für die Wanderung. Harris und Todaro vereinfachen dies und setzen das Arbeitseinkommen mit dem Nutzen gleich, die Migration wird zu einer reinen Investitionsentscheidung, abhängig von den Einkommensdifferenzen und der Wahrscheinlichkeit, Arbeit im Zielland zu finden und den Arbeitslosenraten im Herkunfts- und im Zielland. Hatton ergänzt diese Überlegungen noch um die Annahme, dass eine Veränderung der Arbeitslosenquote im Zielland einen größeren Einfluss auf die Migrationsentscheidung hat. Vgl. Sjaastad, Larry: The Costs and Returns of Human Migration, 1962, S. 82 ff., Harris, John R. / Todaro, Miachel P.: Migration, Unemployment and Development: A two Sektor Analysis, 1970, S, 127 ff. und Hatton, Timothy: A Model of UK Emigration 1870 – 1913, 1995, S. 407 ff. 608 Vgl. Boeri, Tito / Bruckner, Herbert: The Impact of Easter Enlargement on Employment and Labour Markets in the EU Member States – Final Report, 2000, S. 113. 605 606
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
erwartet das Ifo-Institut, mindestens drei, eventuell sogar vier Millionen Migranten werden von ihm erwartet.609 Das wäre ein durchschnittlicher Bestand von unter vier Prozent der Heimatbevölkerung bis 2015 beim Ifo-Institut, von zwei bis drei Prozent beim DIW. Danach rechnen beide sogar wieder mit einem leichten Nettorückgang, von den Migranten werden nur ein Drittel Arbeitnehmer sein, zwei Drittel Familienangehörige. Bei genauer Betrachtung der beiden Studien erkennt man, dass beide nicht so weit auseinander liegen, wie es im „Kleinkrieg“ der beiden Institute in der Tagespresse den Anschein hatte. Selbst in den „schlimmsten“ Szenarien ist keine Massenwanderung zu erwarten, die Migration aus den MOE-Ländern anlässlich der Osterweiterung läge noch unter dem, was zwischen den Regionen der USA alljährlich Normalität ist. Außerdem sind durch die beschlossenen Übergangsfristen und die hohe Arbeitslosigkeit in der EU, insbesondere in Deutschland, einige Annahmen der beiden Gutachten schon nicht mehr erfüllt. Zusätzlich lässt sich wohl nicht leugnen, dass dem Vorsitzenden des Ifo-Institutes Sinn eine relativ hohe Schätzung der Migranten sehr zu Passe kommt, um seine Theorien vom Race to the Bottom empirisch glaubhafter zu machen. Die Einschränkungen, mit denen die Arbeitsmobilität als Anpassungsmechanismus innerhalb eines Systems fester Wechselkurse (oder einer Währungsunion) zu betrachten ist, wurden bereits 1975 von Ishiyama in dem oft zitierten Standardaufsatz zu Optimalen Währungsräumen wie folgt beschrieben: „It is simply doubtful that the movement of working masses can be relied on as a substitute for payments adjustment when it can be assumed that they are reluctant to move even within the same country“.610 Zusätzlich lässt sich argumentieren, dass die wirtschaftliche Bedeutung des physischen Standortes mehr und mehr in Frage gestellt ist – beispielsweise durch die neuesten Entwicklungen der Informationstechnologie. Die Theorie der Optimalen Währungsräume hat sich seit Mundell weitgehend mit räumlichen Unterteilungen auseinandergesetzt, d. h. mit Währungsräumen, die ein bestimmtes geographisches Gebiet oder geographische Regionen innerhalb eines Gebiets abdecken. Tatsächlich war die geographische Lage in der Vergangenheit normalerweise ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Aktivität. Zu nennen sind geographische Faktoren wie Flussläufe, Handelsrouten, Minerallagerstätten, klimatische Faktoren usw. In jüngerer Zeit haben die Bevölkerungsgeographie und die Soziologie an Bedeutung gewonnen: die Existenz oder das Fehlen von Märkten für Massenartikel, von qualifizierten Arbeitskräften, politischer Stabilität oder eines geeigneten Umfelds. Daher rührt die verstärkte Aufmerksamkeit, die auf dem Aspekt der örtlichen Mobilität liegt.
609 Vgl. Sinn / Flaig / Werding / Munz / Düll / Hofmann: EU-Erweiterung und Arbeitskräftemigration – Wege zur schrittweisen Annäherung der Arbeitskräfte, 2001, S. 7. 610 Ishiyama, Yoshihide: The Theory of optimum currency areas: a survey, 1975, S. 349.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
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Allerdings kann man dies in Frage stellen. Unternehmen können sich des „outsourcing“ bedienen und ihre Buchhaltung oder Softwareentwicklung an Dienstleister übertragen, die tausende von Kilometern entfernt sind – im globalen Maßstab verlieren Distanzen an Bedeutung. Dies mag ein aktuelles Beispiel verdeutlichen: Ex-Infineon-Chef Ulrich Schumacher verkündete in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass Infineon die gesamte Buchhaltung von München nach Portugal verlege. „Wir hätten das schon früher machen sollen“ verkündet er und ergänzt, dass alle Funktionen, die reine Dienstleistung sind, nicht mehr in Hochlohnländern erbracht werden sollen.611
3. Mobilität des Faktors Kapital Die Mobilität des Faktors Kapitals spielt eine kurz- und eine langfristige Rolle. Kurzfristig können Kapitalströme Zahlungsungleichgewichte zwischen Regionen wieder ins Gleichgewicht bringen – dies gilt sowohl innerhalb eines Währungsraums als auch für getrennte Währungsräume. Kapitalströme können zudem eine Entlastung im Rahmen der Abfederung von Schocks darstellen, da sie die rechtzeitige Entfaltung struktureller Veränderungen ermöglichen. Die Mobilität langfristigen Investitionskapitals zur Finanzierung solcher struktureller Veränderungen wird auch für Optimale Währungsräume als entscheidend betrachtet. „Können die Arbeitnehmer nicht zu den Beschäftigungsmöglichkeiten ziehen, dann müssen sich die Beschäftigungsmöglichkeiten zu den Arbeitnehmern begeben.“612 Mit Blick auf die Mobilität des Kapitals gewinnt die „Lucas-Kritik“ (vgl. Kap. 4, B. III. 1.) an besonderer Überzeugungskraft. Die Existenz getrennter Währungen mit den damit verbundenen Währungsrisiken ist für sich genommen bereits ein gewichtiger Grund für die Segmentierung von Finanzmärkten. Daraus folgt, dass die für eine funktionierende WWU erforderliche Mobilität des Kapitals gerade durch die Schaffung der WWU eintreten wird. Bereits heute können wir das Entstehen neuer integrierter Wertpapiermärkte beobachten. McKinnons sieht darin seinen Ansatz zur internationalen Risiko-Verteilung bestätigt und verweist auf die seit 1999 explosiv wachsende Ausgabe von privaten Anleihen mit dem Euro als Nennwert.613 Atkeson und Bayoumi 614, Bayoumi und Klein615 und Crucini 616 wiesen nach, dass die Finanzmarktintegration innerhalb von Ländern signifikant größer ist als zwischen Ländern. Dadurch kann innerhalb von Regionen eine stärkere RisikoVgl. Beise, Marc / Bovensiepen, Nina: Der junge Wilde wird nachdenklich, 2003, S. 18. Patterson / Amati, 1998, S. 30. 613 Vgl. McKinnon, Ronald I.: Mundell, the Euro and Optimum Currency Areas, 2000, S. 10. 614 Vgl. Atkeson, Andrew / Bayoumi, Tamim: Do Private Capital Markets Insure Regional Risk? Evidence for the US and Europe, 1993. 615 Vgl. Bayoumi, Tamim / Klein, Michael: A Provincial View of Economic Integration, 1997. 616 Vgl. Crucini, Mario: On international and national Dimensions of Risk Sharing, 1999. 611 612
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
verteilung stattfinden, als international. Asdrubali, Sørensen und Yosha glauben sogar nachweisen zu können, dass in den USA 39 % der asymmetrischen Schocks durch den Kapitalmarkt abgefangen wurden, 23 % durch die Kreditmärkte und nur 13 % durch den amerikanischen Staatshaushalt.617 Allerdings gibt es wie schon im Falle der Arbeitsmobilität auch in diesem Zusammenhang das Argument, dass die Mobilität des Kapitals mit Kosten verbunden ist und anstatt zu einer Verringerung sogar zu einer Verstärkung regionaler Ungleichgewichte führen kann. Skalenerträge in der Produktion würden zu einer Konzentration von Investitionen in Re- gionen mit hoher Aktivität führen, anstatt eine Verteilung der Investitionen auf ärmere Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit zu bewirken.618 Das Ergebnis kann Krugman zufolge durchaus sein, dass regionale Krisen im Rahmen der WWU schwerer ausfallen werden als heute.619 Dies steht auch mit der Erkenntnis Kenens in Zusammenhang, wonach Freizügigkeit innerhalb einer Währungsgemeinschaft die regionale Spezialisierung und damit die Anfälligkeit für asymmetrische Schocks erhöht (vgl. Kap. 4, B. I. 3.). Cushman weist darauf hin, dass gerade die Existenz getrennter Währungsräume auch zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Investitionen zwischen den Regionen führen kann, da Unternehmen in unterschiedlichen Währungsräumen Produktionsstätten errichten, um sich vor Währungsrisiken zu schützen.620 Bordes und Driscoll ergänzen, dass auf der Minusseite die Finanzmarktintegration zu einer verstärkten Kreditkontingentierung führen und die Effizienz der Kapitalzuweisungsmechanismen in informationsintensiven Sektoren schwächen kann. Die Ursache für die ungünstigere Kreditkontingentierung läge darin, dass die Öffnung für den grenzüberschreitenden Handel mit Finanzdienstleistungen möglicherweise eine größere Konzentration im Finanzdienstleistungssektor bewirkt. Dies kann den Verlust lokaler Informationen über Industrie und Handel mit sich bringen und zu einer Kostenstruktur führen, die es für Finanzmittler profitabel werden lässt, für Kreditprüfverfahren in zunehmendem Maße ungenaue Filterinstrumente einzusetzen.621 Unter anderem reagierte ja auch der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mit seinen Vorschlägen (Basel II) zum genaueren Rating der Kreditnehmer auf diese Befürchtungen.622 617 Vgl. Yosha, Oved / Asdrubali, Pierfederico / Sørenson, Bent: Channels of interstate risksharing 1963 – 1990, 1996, S. 1090. 618 Zur Diskussion der positiven und negativen allokativen Effekte der Finanzmarktintegration vgl. Kratz, Karlheinz / Thieme, Jörg: Finanzmärkte im europäischen Integrationsprozess, 1993, S. 249 – 256. 619 Krugman, 1993, S. 259. Zu dem Thema Konvergenz vs. Divergenz durch die WWU vgl. Kap. 4, C. III. 4. 620 Vgl. Cushman, David: US Bilateral trade flows and exchange risk during the floating period, 1988, S. 318 ff. 621 Vgl. Bordes, Christian / Driscoll, Michael: Is Europe an Optimum Currency Area?, 1990, S. 335 – 337. 622 Zu den Zielsetzungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, v. a. der Notwendigkeit von Rating und den Auswirkungen auf die Kreditzinsen vgl. Harbrecht, Wolfgang: Basel II: Auswirkungen auf Kreditzinsen, 2002, S. 25 ff.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
171
Bis vor kurzem schien es auch noch möglich, diese theoretischen Befürchtungen durch empirische Daten zu erhärten. Pelagidis verwies auf nachteilige externe Effekte in den peripheren Mitgliedstaaten der EU (qualitativ schlechte Infrastruktur, Landesverwaltung, Produktionsdienstleistungen und Arbeitnehmerqualifikation), welche die Kapitalrendite senken, weswegen Kapital nur in begrenztem Umfang zufließt. Auf der Grundlage von Eurostat-Daten für 1993 ermittelte Pelagidis, dass der europäische Norden etwa 75 % der gesamten EU-internen Direktinvestitionen erhielt, wohingegen weniger als 20 % in die drei ärmsten Länder – Griechenland, Spanien und Portugal – flossen.623 In den letzten Jahren bot sich jedoch ein anderes Bild. Zwei periphere Wirtschaften, Portugal und Irland, konnten beträchtliche ausländische Direktinvestitionen anziehen und enorme Wachstumszahlen verzeichnen – letzteres sogar in spektakulärer Höhe. Alles in allem ist die große Bedeutung der Mobilität des Kapitals für die Finanzierung kurzfristiger Zahlungsbilanzungleichgewichte zwischen Regionen allgemein anerkannt. Ob sie indes auch auf lange Sicht die Konvergenz oder Divergenz von Regionen fördert, ist umstritten, und zu dieser Frage liegen widersprüchliche Erkenntnisse vor, die nun dargestellt werden sollen.
4. Offenheitsgrad und Diversifikation – Krugman specialization hypothesis vs. Endogenitäts-Hypothese Aus dem Kriterium der Offenheit von McKinnon (vgl. Kap. 4, B. I. 2.) folgt, dass kleine offene Volkswirtschaften kaum Vorteile aus flexiblen Wechselkursen und Abwertungsmöglichkeiten haben und dass ihnen aus der Zugehörigkeit zu großen, relativ autarken Wirtschafts- und Währungsräumen Vorteile erwachsen. Diese großen, relativ geschlossenen und diversifizierten Wirtschaften können exogene Schocks leichter absorbieren als kleine, spezialisierte Wirtschaften.624 Untersuchungen von Frankel und Wei zeigen, dass wenn alle 15 EU-Länder dem Währungsraum beitreten würden, würden über 60 % ihres derzeitigen Außenhandels in Binnenhandel umgewandelt.625 Die Tatsache, dass ein so hoher Anteil des gesamten Außenhandels zwischen den beteiligten Mitgliedern abgewickelt wird, impliziert, dass ein hoher Integrationsgrad zwischen ihren Gütermärkten besteht, was ebenfalls als Kriterium für einen Optimalen Währungsraum genannt wurde (vgl. Kap. 4, B. I. 4.). Zudem bedeutet dies, dass der Anteil des im Handel erzielten Bruttoinlandsprodukts von etwa 30% auf rund 10% fallen würde. In der Folge 623 Pellagidis, Theodore: Optimum currency area approach and the third stage of EMU: A review of recent evidence, 1996, S. 780 – 788. 624 Vgl. Tavalas, George S.: The international use of Currencies: The U.S. Dollar and the Euro, 1997, S. 7. 625 Vgl. Frankel, Jeffrey / Wei, Shang-Jin: Trade Blocs and Currency Blocs, 1998, S. 9.
172
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
würde die EWU „eine wesentlich geschlossenere Wirtschaft darstellen als jedes ihrer einzelnen Mitglieder für sich genommen“.626 Ebenso positiv beurteilen einige Autoren die EWU hinsichtlich des Kenen-Kriteriums der Diversifikation: „Gleichzeitig wäre die Wirtschaft der EU in hohem Maße diversifiziert und aus diesem Grund wesentlich weniger anfällig für Schocks in ausgewählten Sektoren. Sie wäre die größte Einzelwirtschaft der Welt, auf die etwa 30% des weltweiten Outputs entfielen.“627 Mongelli kommt in seiner Analyse für die Europäische Zentralbank zu dem Ergebnis, dass die Unterschiede zwischen den regionalen Produktionsstrukturen innerhalb der EU viel größer sind als in den USA.628 Auch Krugman kommt in zwei Untersuchungen629 zu dem Ergebnis, „( . . . ) that because of the history of trade barriers we ( . . . ) find European nations less specialized than US regions“.630 Allerdings schließt Krugman aus den Erfahrungen der USA und den Regionen innerhalb der „alten“ europäischen Einzelstaaten, dass die regionale Spezialisierung durch eine Währungsunion zunehmen wird. Dies führt dann laut Krugman dazu, dass „disparities in economic groth rates among countries and regions can be expected to increase substantially“.631 Weiter folgert er, „as they become more specialized they will become more vulnerable to region-specific shocks. Regions will, of course, be unable to respond with countercyclical monetary or exchange rate policy. ( . . . ) such shocks will tend to have permanent effects on output, wich will tend to immobilize fiscal policy as well.“632 Krugman wiederholte dieses Argument 1996 zusammen mit Venables633 und es ist seither in der Literatur als „Krugman specialization hypothesis“634 bekannt. Dabei beruft sich Krugman nicht nur auf empirische Studien, sondern auch auf theoretische Überlegungen: Er geht von einer unterschiedlichen Kostenstruktur der Firmen in zwei Staaten aus. Dabei postuliert er zunehmende Skalenerträge – nicht aufgrund fehlenden Wettbewerbs – sondern durch regionale Verbundeffekte (Silikon Valley-Effekt). In dem Land mit den höheren Grenzkosten bei einer gegebenen Nachfrage wird nur dann das spezifische Gut produziert, wenn die Transaktionskosten höher sind als die Differenz der Grenzkosten.635 Die Einführung einer gePatterson / Amati, 1998, S. 44. Ebd. 628 Vgl. Mongelli, Francesco: „New“ Views on the Optimum Currency Area Theory: What is EMU telling us?, 2002, S. 22. 629 Vgl. Krugman, Paul: Geography and Trade, 1991 und derselbe: Lessons from Massachusetts for EMU, 1993. 630 Krugman, 1993, S. 249. 631 Ebd., S. 254. 632 Ebd., S. 260. 633 Vgl. Krugman, Paul / Venables, Anthony: Integration, Specialization, and Adjustment, 1996, S. 960 ff. 634 Etwa bei Mongelli, Francesco: „New“ Views on the Optimum Currency Area Theory: What is EMU telling us?, 2002, S. 28. 635 Vgl. Krugman, 1993, S. 244 – 247. 626 627
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
173
meinsamen Währung senkt nun die Handelskosten direkt und indirekt: Die Kosten von Wechselkursrisikoabsicherung und Informationskosten entfallen, gleichzeitig steigt die Transparenz. Nach Krugman führt dies nun zu einer Konzentration der Industrie in dem Land mit den niedrigeren Grenzkosten. Dieses, aus seiner Sicht für die USA betrachtete Phänomen, beschreibt er wie folgt: „Presumably the United States gains from the efficiencies of specialization, from the greater ability to exploit external economies and linkages that concentration of industrie provides.“636 Je mehr die Länder integriert sind, desto mehr konzentrieren sie sich auf ihren komperativen Kostenvorteil. Dazu ist aber – wie gezeigt – die Existenz von zunehmenden Skaleneffekten notwendig, worauf auch Bertola hinweist: „At the theoretical level, if increasing returns to scale are as important as recent models of endogeous groth suggest ( . . . ) then ( . . . ) [it] will lead to concentration of production and groth in privileged regions. ( . . . ) Geographic concentration of production and groth might indeed be necessary to exploit the scale economies made possible by economic integration.“637 Dazu konnten Kalemli-Ozcan, Sørensen und Yosha zeigen, dass eine zunehmende Finanzmarktintegration (risk-sharing) zu einer fortschreitenden Spezialisierung in der Produktion führt.638 Denkt man diese Argumentation zu Ende, ergibt sich aber folgendes Paradox: Gründen genügend diversifizierte Staaten eine Währungsunion, führt dies nach obiger Argumenta- tion zu mehr Spezialisierung. Nach der Theorie der Optimalen Währungsräume müssen nun die Grenzen des Währungsraums enger geschnürt werden und andere Länder in flexible Wechselkurse entlassen werden. Aber auch diese kleineren Währungsunionen werden immer weniger diversifiziert sein, sodass am Ende eine Welt übrig bleibt mit völlig spezialisierten Individuen und Währungen. Frankel folgert, dass dieses System instabil und ohne innere Lösung ist – ein Paradox, welches sich in der Realität nicht wiederfinden lässt.639 Deshalb konkretisierten Frankel und Rose die Lucas-Kritik (vgl. Kap. 4, B. III. 1.): Sie argumentieren, dass die geforderten Kriterien, die ein optimaler Währungsraum ex ante erfüllen sollte, endogen sind, also nach dem Zusammenschluss mehr oder weniger von selbst erreicht werden. Als Beispiele führen sie einmal das Kriterium an, dass Länder, deren Handel eng integriert ist, eher einen Optimalen Währungsraum bilden als solche ohne enge Handelsbeziehungen. Zum anderen stellen sie auf Konjunkturzyklen ab, die in den Ländern eines Optimalen Währungsraums möglichst stark korreliert sein sollen. Ihre Hypothese ist, dass „more integration can be expected to lead to more trade; and more international trade will result in more highly correlated business cycles“.640 Zur Messung der Ebd., S. 247. Bertola, Giuseppe: Models of economic integration and local groth, 1993, S. 160. 638 Vgl. Kalemli-Ozcan, Sebnem / Sørensen, Bent / Yosha, Oved: Economic Integratin, Industrial Spezcialization, and the Asymetric Maroeconomic Fluctuations, 2001, S. 109 ff. 639 Vgl. Frankel, Jeffrey: No Single Currencey Regime is Right for all Countries or all Times, S. 2 – 3. 636 637
174
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Handelsintensität verwenden Frankel und Rose zwei verschiedene Größen. Zum einen den Anteil der gegenseitigen Im- und Exporte an den gesamten Im- und Exporten der beiden Länder. Zum anderen den Anteil der gegenseitigen Im- und Exporte an der Summe der beiden Bruttoinlandsprodukte. Um die Konjunkturzyklen und ihre Korrelationen zu betrachten, kommen ebenfalls mehrere Maßgrößen zum Einsatz: das reale Bruttosozialprodukt, ein Index der industriellen Produktion, die Gesamtbeschäftigung und die Arbeitslosenquote. Der zur Verfügung stehende Datenbestand umfasst 21 Industrieländer im Zeitraum von 1959 bis 1993. Eine kombinierte Regressionsanalyse aller Größen führt zu folgendem Ergebnis: „The effect of greater intensity of international trade on the correlation of economic activity is strongly positive and statistically significant“.641 Da im Allgemeinen damit zu rechnen ist, dass die Handelsintensität zwischen Mitgliedern eines Währungsraums zunimmt (siehe unten), würde dies bedeuten, dass sich ein Währungsraum zumindest eine seiner Voraussetzungen, die Offenheit, im Nachhinein selbst schafft. Welche weitere neuere empirische Evidenz gibt es für die Krugman-These einerseits und die Endogenitäts-Hypothese andererseits? Eichengreen vergleicht acht Industriesektoren in Europa und den USA und erkennt eine zunehmende Spezialisierung in Europa und einen Rückgang in den USA.642 Eine weitaus detailliertere Untersuchung liefert die Europäische Kommission: Sie untersucht den Zeitraum 1988 – 1999 anhand von sieben Indikatoren, jeweils überprüft für einzelne Industrien oder Sektoren:643 Concentration ratios (CR3 und CR5 bzw. CR5 und 10) als Anteil der größten Sektoren bzw. Industrien an der Gesamtheit, hier der Anteil der größten drei (CR3) und der größten fünf (CR5) Sektoren, bzw. der größten fünf (CR5) und der größten zehn Industrien an ihrer Gesamtheit. Herfindahl als die Summe der quadrierten Anteile jedes Sektors bzw. jeder Industrie an der Gesamtproduktion. Standard deviation of the shares als Maß der Streuung über alle Industrien bezüglich einer Durchschnittsindustrie. Specialisation rates (SR) als Summe der Anteile eines Landes in jeder Industrie relativ zu jedem Anteil der Industrie an der Gesamtindustrieproduktion, bekannt als RCA oder BalassaIndex 640 Frankel, Jeffrey A. / Rose, Andrew K.: The Endogeneity of the Optimum Currency Area Criteria, 1997, S. 5 f. 641 Ebd., S. 18. 642 Vgl. Eichengreen, Barry: Globalizing Capital: A History of the International Monetary System, 1996, S. 30 ff. 643 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The Competitiveness of European Industry, 1999, S. 13.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
175
Dissimilarity index (Summe der absoluten Differenzen) als Summe der absoluten Differenzen zwischen dem Landesanteil an jeder Industrie und dem Anteil dieser Industrie an der EU Gesamtindustrieproduktion. Gini coefficient Jedem Land werden die Unterschiede der Anteile eines Sektors / einer Industrie denen der der EU gegenübergestellt, nachdem die Industrien / Sektoren nach ihrer Spezialisierungsrate sortiert wurden.
Folgende Tabelle (siehe Seite 176) zeigt die Ergebnisse der Studie der Europäischen Kommission für die Zeitreihe von 1988 bis 1998 mit Daten aus den EUDatenbanken COMTEXT 644 und SBS645. Dabei wurden obige sieben Indikatoren für 14 EU-Staaten (außer Luxemburg) auf Sektoren- und Industrieebene berechnet. Daraus ergeben sich 196 Indikatoren, von welchen 133 (68 %) anstiegen. Man erkennt, dass sich nach dieser Berechnung bei den meisten Ländern der Grad der Spezialisierung in den Jahren 1988 – 1998 erhöht hat, bei Frankreich gleich geblieben ist und bei Belgien, Portugal und den Niederlanden der Grad der Spezialisierung sogar zurückgegangen ist. Folgende Abbildung zeigt die Veränderung der CR5-Ratio, also des Anteils der 5 größten Sektoren in den Staaten von 1988 – 1998:
Quelle: Europäische Kommission: The Competitiveness of European Industry, 1999, S. 15.
Abbildung 9: CR5-Ratio der Industriespezialisierung 1988 und 1998 644 645
Eurostat, New Cronos (external trade – COMmerce EXTérieur – database). Eurostat, New Cronos (Structural Business Statistics database).
176
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum Tabelle 2 Spezialisierungsindikatoren für die EU 1988 – 1998 Spezialisierungsindikatoren steigend / sinkend Land
Sektor
Industrie
Summe
steigend
fallend
steigend
fallend
steigend
fallend
Belgien
2
5
3
4
5
9
Dänemark
3
4
7
0
10
4
Deutschland
7
0
6
1
13
1
Griechenland
6
1
4
3
10
4
Spanien
4
3
2
5
6
8
Frankreich
6
1
1
6
7
7
Italien
7
0
3
4
10
4
Niederlande
0
7
1
6
1
13
Österreich
5
2
6
1
11
3
Portugal
0
7
4
3
4
10
Finnland
7
0
7
0
14
0
Schweden
7
0
7
0
14
0
Großbritannien
7
0
7
0
14
0
68
30
65
33
133
63
Summe
Quelle: Europäische Kommission: The Competitiveness of European Industry, 1999, S. 15.
Die Kommission interpretiert ihre Ergebnisse wie folgt: There is undoubtedly some evidence of increasing specialisation in production. Some large industries in large countries play a key role here; for example, cars in Germany, machinery in Italy, and food in the United Kingdom. This should be quite consistent with theories stressing the importance of clusters, with path dependency of strategic advantages and knowledge spillovers within regions. However, in the smaller countries, there is no clear tendency towards increasing production specialisation, with the notable exception of Ireland. Ireland is continuing to specialise, specifically in research- and skill-intensive industries and it now has the lowest share of labour-intensive industries.646
Die Kommission verweist aber gleichzeitig auf den relativ kurzen Betrachtungshorizont und auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen in der Zukunft.647 646 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The Competitiveness of European Industry, 1999, S. 19. 647 Ebd.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
177
Manzocchi, Padoan und Vicarelli führten eine aufwendige Untersuchung durch, um die Relevanz der Spezialisierungsthese für die Zunahme von asymmetrischen Schocks zu testen. Sie untersuchten für neun Staaten der Währungsunion den Anteil von Sektoren, in denen die Schocks eher länderspezifisch oder dagegen sektorspezifisch über Ländergrenzen ausfällt. Dazu wurden 27 Industriesektoren auf dieses Kriterium untersucht, danach die Sektoren nach ihrem Anteil an der nationalen Produktion gewichtet. Sektoren mit hohem Anteil an sektorspezifischen Schocks und großer Bedeutung für die Gesamtindustrie (z. B. Nahrungsmittel, Chemische Industrie) benötigen danach keine unterschiedliche Wirtschaftspolitik in Europa, Sektoren mit starker Reaktion auf länderspezifische Schocks (Automobilindustrie, Nicht-Metallindustrie, Raffinerien) benötigen dagegen zusätzliche Anpassungsinstrumente. In der Untersuchung sind nur 30% der Industrieproduktion eher von sektorspezifischen Schocks betroffen. „In conclusion ( . . . ) specialisation models ( . . . ) will have a major impact on economy policy management within EMU. Thus ,what and where to produce‘ will not be irrelevant from the viewpoint of stabilisation and cohesion policies.“648 Mongelli ergänzt, dass diese Krugman’schen Spezialisierungstendenzen wohl für den Industriesektor gelten mögen, weniger aber für den immer wichtigeren Dienstleistungssektor, ohne dafür jedoch empirische Belege zu haben.649 Kose und KeiMu erweitern den Aspekt der Spezialisierung noch um einen weiteren Gedanken: Ihrer Ansicht nach lässt sich die Kausalität, dass mehr Offenheit zu mehr Spezialisierung und damit zu geringerer Synchronität der Konjunkturzyklen führt, nur herleiten, wenn die Spezialisierung nicht vertikaler Natur ist. Steigt nämlich der Intra-Industrie-Handel, so nähern sich Konjunkturzyklen sogar an. In ihrer Analyse heben sich beide Effekte auf und zunehmender Handel hat keine Auswirkungen auf die Korrelation von Wirtschaftswachstumszyklen der beteiligten Staaten.650 Aber auch für die Endogenitäts-These lässt sich weitere Evidenz finden. Rose erweiterte 2000 die oben erwähnte Pionier-Untersuchung von Frankel und sich aus dem Jahre 1997651 von 21 auf 186 Staaten in einem Zeitraum von 1970 – 1990. Dabei stellte sich heraus, dass Länder, die eine gemeinsame Währung haben, drei mal mehr Handel unter sich betreiben, als wenn sie keine gemeinsame Währung hätten.652 Gemeinsam mit Frankel veröffentlichte Rose noch eine Untersuchung, die nun ein Datenpanel aus 200 Ländern plus Kolonien umfasste. Wieder glaubten 648 Manzocchi, Stefano / Padoan, Pier Carlo / Vicarelli, Claudio: Specialisation and flexibility, 2001, S. 136. 649 Vgl. Mongelli, Francesco: „New“ Views on the Optimum Currency Area Theory: What is EMU telling us?, 2002, S. 30. 650 Vgl. Kose, Ayhan / Kei-Mu, Yi: International Trade and Buisness Cycles: Is vertical Specialization the Missing Link?, 2001, S. 374. 651 Vgl. Frankel / Rose: The Endogeneity of the Optimum Currency Area Criteria, 1997. 652 Vgl. Rose, Andrew K.: One Money, One Market: Estimating the Effect of Common Currencies on Trade, 2000, S. 18 – 20.
12 Deinzer
178
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
sie, eine Verdreifachung des Handels durch Einführung einer gemeinsamen Währung nachweisen zu können.653 Persson654 und Melitz kritisieren diese Ergebnisse und kommen selbst nur auf Werte von 13 – 40 % bzw. über 40 %. Melitz weist v. a. auf die nicht vorhandene Unabhängigkeit des Beitritts zu einer Währungsunion und anderen Fakten hin: „The further experiments here concern the suspicion ( . . . ) that his [Rose’s] sample of currency unions is biased, and the unions always occur between countries with unusually low trade barriers between one another. If so, the impact of currency union in Rose’s tests may largely reflect other factors besides a common currency.“655 Ein weiterer Kritikpunkt an den Untersuchungen von Frankel und Rose ist neben der nicht vorhandenen Unabhängigkeit auch der verwendete Datensatz selbst, der sehr schief gegenüber der getesteten Hypothese scheint: Gerade einmal 1% der Länder der Stichprobe sind in einer Währungsunion.656 Rose reagierte auf diese Kritik und kommt in einem Papier mit Van Wincoop „nur“ noch zu einer prognostizierten Zunahme des Intra-Eurowährungsgebiet-Handels von 58 %.657 Das Problem an der Endogenitäts-These ist v. a. die Frage nach der Kausalität: Gründen Länder eine Währungsunion, weil sie schon viel Handel betreiben oder beginnen sie mit signifikant mehr Handel, weil sie eine Währungsunion gebildet haben?658 Zusätzlich zu dem Aspekt des zunehmenden Handels durch eine Währungsunion, liefern andere Autoren noch weitere Endogenitätsargumente: Durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt komme es zu einem disziplinierenden Effekt in der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten der EU und somit zu einer Synchronisation der Konjunkturzyklen.659 Diesen Zusammenhang versuchen Massmann und 653 Vgl. Frankel / Rose: Estimating the Effect of Currency Unions on Trade and Output, 2000, S. 22. 654 Vgl. Persson, Torsten: Currency unions and trade: How large is the treatment effect?, 2001, S. 433 ff. 655 Vgl. Mélitz, Jacques: Geography, Trade and Currency Union, 2001, S. 4. Persson argumentiert sehr ähnlich: „The impact of a common currency on trade can be grossly mismeasured if countries that belong to currency unions are systematically different from those that do not, and if the relationship between trade and its observable determinants is complex. I argue that such complications are plausible and likely to distort the empirical results of a recent Economic Policy paper by Andrew Rose. Using techniques designed to be robust in this situation, I find that the effects of common currency on international trade are considerably less dramatic and much less precisely estimated.“ Persson, Torsten: Currency unions and trade: How large is the treatment effect?, 2001, S. 433. 656 So argumentiert etwa auch Quah, Danny: Disscussion of Rose, 2000, S. 38. 657 Vgl. Rose, Andrew K. / van Wincoop, Eric: National Money as a Barrier to Trade: The real case for Currency Union, 2001, S. 389. 658 Dies kommt gut im Schlusssatz des Artikels von Rose und van Wincoop zum Ausdruck: „Eliminating the monetary barrier to trade brings benefits for consumers – possibly in the form of more currency unions.“ S. 390. 659 Vgl. Artis / Zhang, 1997, S. 2 – 14.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
179
Mitchell auf sieben verschiedene Arten empirisch zu belegen, finden aber keine eindeutigen signifikanten Zusammenhänge.660 Issing betont die „endogeneity of political integration“661 in ihrer Gesamtheit, Blanchard und Wolfers glauben an eine endogene Arbeitsmarktintegration durch die Wirtschafts- und Währungsunion.662 5. Transfermechanismen Spätestens seit dem sogenannten MacDougall-Report steht die Frage der interregionalen Transferzahlungen auf der europäischen Agenda. Eine Sachverständigengruppe unter der Leitung von Sir Donald MacDougall untersuchte im Auftrag der Europäischen Kommis- sion 1977 die Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration. Sie schlugen bereits damals vor, ein Ausgabenbudget von fünf bis sieben Prozent des Gemeinschafts-BSPs für die EG vorzusehen, welches durch Nettotransfers zwischen den Mitgliedstaaten sowohl Umverteilungsals auch Stabilisierungsfunktionen übernimmt und so Europa die Möglichkeiten für eine Währungsunion bereitstellt: „Eine Föderation mit diesen speziellen Merkmalen würde die Schaffung einer Währungsunion erleichtern. Die heute bestehenden Föderationen stellen intern solche Unionen dar, zu deren Erhaltung die weitgehend automatischen ausgleichenden und stabilisierenden interregionalen Ströme durch die Kanäle der föderativen Finanzen beitragen.“663 Grundsätzlich möglich wären drei verschiedene Transfermechanismen, die sich nach ihrer Zielorientierung unterscheiden lassen: Stabilisierung
Der engsten Auslegung zufolge sollte jeder institutionelle Mechanismus zur Abfederung asymmetrischer Schocks auf eine „Versicherungs“-Funktion beschränkt sein. Finanztransfers würden vorgenommen, wenn ein Ereignis asymmetrische Auswirkungen auf verschiedene Regionen hat, und zwar ungeachtet der jeweiligen Ausgangssituation mit Blick auf Wohlstand, Arbeitslosigkeit usw. Transfers dieser Art wären im Wesentlichen rasche, einmalige Vorgänge. Bei Teilregionen eines Einheitswährungsraumes können sie theoretischin jede beliebige Richtung fließen. Sie würden in erster Linie die über übliche Marktmechanismen wie Bankkredit, Darlehen usw. fließenden Gelder ergänzen. 660 Vgl. Massmann, Michael / Mitchel, James: Reconsidering the Evidenz: Are Eurozone Business Cycles Converging?, 2003, S. 12 – 17. 661 Vgl. Issing, Ottmar: Economic and Monetary Union in Europe: political Priority versus economic integration? 2001. 662 Vgl. Blanchard, Olivier / Wolfers, Justin: The Role of Shocks and institutions in the rise of European unemployment: The aggregate evidence, 2000, S. 17 – 23. 663 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band I: Generalbericht, 1977, S. 23.
12*
180
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Umverteilung
Schocks können asymmetrische soziale und politische Auswirkungen haben, auch wenn sie statistisch gesehen symmetrisch sind. Beispielsweise kann ein externer Schock die Arbeitslosenquote in einem Währungsraum um einen einheitlichen Prozentsatz in die Höhe treiben. Die praktischen Konsequenzen schlagen sich jedoch in den Teilregionen besonders stark nieder, die schon vorher von hoher Arbeitslosigkeit betroffen waren und ein relativ niedriges Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt erzielen. Staatliche Maßnahmen zur Umverteilung von Einkommen, Investitionen oder Beschäftigung können daher eine vertretbare Maßnahme darstellen. Strukturelle Reform
Regionale Asymmetrie aufgrund eines Schocks wirft die grundlegende Frage auf, warum diese Asymmetrie auftritt und ob die tieferen Ursachen nicht langfristig durch staatliche Investitionen in die Infrastruktur, in ein höheres Qualifikationsniveau, in Umschulungsmaßnahmen usw. abgebaut werden können. Dies ist in der Tat die Logik, die hinter den Regionalentwicklungsstrategien auf EUEbene und auf einzelstaatlicher Ebene steht. Transfers, die zur Durchführung von Strukturreformen erfolgen, stellen für eine Politik der kurzfristigen Stablisierung ebenfalls unangemessene Instrumente dar, wenn auch nur aus Gründen der Geschwindigkeit. Transfers, die eine Stabilisierung herbeiführen sollen, erfolgen am wirkungsvollsten über rasch und automatisch arbeitende Mechanismen. Private Kapitalströme sind ein solcher Mechanismus (vgl. Kap. 4, C. III. 3.). Verfügt ein Währungsraum zusätzlich über einen beträchtlichen zentralen, aus der allgemeinen Besteuerung finanzierten Haushalt, kann dieser als eine „fiscal pump“, als fiskalischer Umverteilungsmechanismus, fungieren. Gelder aus wohlhabenderen Gebieten, die mehr Steuern einnehmen und weniger Sozialleistungen und andere Zahlungen erhalten, werden automatisch an ärmere Gebiete sowie an die von einem Schock betroffenen Gebiete transferiert, die weniger Steuern einnehmen und mehr Leistungen erhalten. Dabei betont u. a. Cesarano, dass solche budgetären Transfers auch und gerade psychologische Auswirkungen haben, nämlich das Vertrauen der Bürger in die Selbstheilungskräfte der sozialen Marktwirtschaft zu stärken.664 Bei der Messung und Abschätzung der Stabilisierungswirkung ist es nötig, genau zu wissen, wie der Schock definiert und gemessen wird. Die am häufigsten verwendete Methode ist folgende: Man nimmt an, dass der betroffene Staat ein Prozent weniger stark wächst, als das Trendwachstum des BSP. Alle anderen Staaten der Gemeinschaft wachsen mit ihrem Trendwachstum. Steigen dann in dem betroffenen Staat die Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung aufgrund der gestiegen Arbeitslosigkeit und gehen die Einkommensteuerzahlungen aus der betroffenen Region zurück, so setzt man diese Beträge ins Verhältnis zu dem 664
Vgl. Cesarano, Filippo: Monetary Union: A Theoretical Perspective, 1992, S. 359.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
181
einen Prozent BSP-Rückgang und erhält so den Grad der regionalen Stabilisierung.665 Eine der meist zitierten Studien zum fiskalischen Föderalismus ist die PionierUntersuchung666 von Sala-i-Martin und Sachs. Sie schätzt, dass in den Vereinigten Staaten ein Einnahmerückgang in einem Bundesstaat von 1 US$ zu einer durchschnittlichen Verringerung der Bundessteuern nach Einwohnern des betreffenden Staates um 34 Cent und einer Erhöhung der bundesstaatlichen Finanztransfers von 8 Cent führt. Dies bedeutet, dass 42 % des Einnahmerückgangs automatisch über das Federal Budget, den Bundeshaushalt, ausgeglichen werden.667 Ihre Studie umfasste die neun Zensusregionen in den USA über einen Zeitraum von 1970 – 1988. Dabei schätzen sie den Beitrag, den Steuern und Sozialversicherungen zur Stabilisierung beitragen, über geschätzte Steuer- und Transfer-Einkommenselastizitäten. Von Hagen bezweifelte den hohen Umfang der regionalen Stabilisierung. Salai-Martin und Sachs würden durch die Regression der relativen Steuer- und Transferebenen auf relative Einkommenshöhen die Stabilisierungs- mit der Umverteilungsfunktion vermengen. Er schlug vor, von Jahr zu Jahr Veränderungen in der Steuer- und Transferhöhe gegen Einkommensveränderungen zu regressieren, um den Stabilisierungseffekt zu erhalten und jährliche Steuer- und Transferhöhen gegen jährliche Einkommenshöhen zu regressieren, um den Umverteilungseffekt zu erhalten. Er selbst beziffert den Wert für die Höhe des Stabilisierungseffektes des amerikanischen Staatsbudgets auf nur 10 %, den für die langfristige Umverteilung allerdings auf 47 %.668 Nachfolgende Studien bezogen nun auch andere Länder mit ein, nutzten aber zumeist die Untersuchungsanordung von Hagens. Die meisten dieser Untersuchun665 Vgl. Italianer, Alexander / Vanheukelen, Marc: Proposals for Community stabilization mechanismus: Some historical applications, 1993, S. 499. 666 Dabei wird von fast allen Autoren übersehen, dass bereits 1977 der MacDougallReport in seinem Band II interregionale Umverteilungseffekte in größeren Föderativstaaten abschätzt. Dabei wurde neben dem Gini-Koeffizienten erstmals das von Horst Reichenbach entwickelte Verfahren der Umverteilungskraft verwendet. Einkommensdifferenzen werden als Unterschied zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen einer Region und dem nationalen Durchschnitt (= 100) definiert. Die Abnahme des Unterschiedes der Primäreinkommen bei der einzelnen Region ist die anteilige Änderung des Unterschieds beim abgewandelten Einkommen, bezogen auf den Unterschied im Primäreinkommen. Die Umverteilungskraft ist gleich dem gewichteten Durchschnitt der Abnahme des Unterschiedes von Primäreinkommen von Regionen. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band II: Einzelbeiträge und Arbeitsunterlagen, 1977, S. 134 – 150. Die Ergebnisse werden unten in Tabelle 3 dargestellt. 667 Sala-i-Martin, Xavier / Sachs, Jeffrey: Fiscal federalism and optimum currency areas: evidence for Europe from the United States, 1991, S. 28. 668 Vgl. von Hagen, Jürgen: Fiscal Arrangements in a Monetary Union – Some Evidence from the US, 1992, S. 355 ff.
182
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
gen lassen sich in der Ausgabe 5 / 1993 der von der Kommission herausgegebenen Zeitschrift European Economy finden, einer wissenschaftlichen Weiterführung der Studie „Ein Markt – eine Währung, potentielle Nutzen und Kosten der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungs- union“, die die Kommission 1991 vorlegte.669 Jeweils als Herausgeber beteiligt war der damalige Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen der Kommission Horst Reichenbach, schon Mitautor des über 20 Jahre älteren „MacDougall-Reports“. Goodhart und Smith kommen für Daten von 1981 – 1986 für die USA auf eine Stabilisierung durch das Bundesbudget von 13 %, für Kanada von 1965 – 1988 auf 15 % und für Großbritannien von 1983 – 1987 auf 21 %.670 Allerdings argumentieren sie, dass diese Ergebnisse wohl den wahren Wert unterschätzen, da in von Hagens Modell die Sozialversicherungsleistungen fehlen. Deshalb sei auch der Unterschied zwischen dem Stabilisierungs- und Umverteilungseffekt auch nicht so groß, wie von Hagen annimmt.671 Pisani-Ferry, Italianer und Lescure berücksichtigen diese Kritik und untersuchen nun auch noch die Wirkungen der Sozialversicherungen und zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. Dazu betrachten sie für die Bundesrepublik den Effekt des horizontalen Finanzausgleiches zwischen den Ländern. Grundlage ihrer Studie sind Steuer- und Transferelastizitäten, die sie aus dem sogenannten Mimosa-Modell übernommen haben.672 Ihr Ergebnis ist folgendes: Für die USA ergibt sich eine regionale Stabilisierung von 17 %, 7 % durch Steuern, 9 % durch die Beiträge zur Sozialversicherung und 1 % über Transfers. Für Deutschland ergibt sich folgendes Bild: Steuern (v. a. Körperschaftsteuer, Einkommensteuer und Verbrauchsteuern) stabilisieren zu 8,2 Pfennigen einen Einkommensrückgang um eine DM, die Beiträge zur Sozialversicherung zu 12,5 Pfennigen und der Erhalt von Transfers zu 12,8 Pfennigen, wobei der Bezug von Arbeitslosengeld 12,5 Pfennige ausmacht. Somit stabilisiert das deutsche System zu 33,5 % einen exogenen Schock, berücksichtigt man noch zusätzlich den horizontalen Finanzausgleich sogar zu 42 %.673 In einer späteren Studie von Bayoumi und Masson errechnen die Autoren eine regionale Stabilisierung für die USA von 31 % und eine interregionale Umverteilung von 22 %, wobei sie das Untersuchungsdesign von Hagens hier leicht abändern und langjährige Durchschnittswerte regressieren. Für Kanada, mit seinen relativ autonomen Provinzen ergibt sich eine regionale Stabilisierung von 17 %, aber eine langfristige interregionale Umverteilung von 39 %.674 669 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ein Markt – eine Währung, potentielle Nutzen und Kosten der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, 1991. 670 Vgl. Goodhart, Charles / Smith, Stephen: Stabilization, 1993, S. 428 671 Ebd., S. 426 f. 672 Zu den Hauptparametern des Mimosa-Modells und seiner Verwandtschaft zu EU- und OECD-Modellen vgl. Pisani-Ferry, Jean / Italianer, Alexander / Lescure, Roland: Stabilization properties of budgetary systems: A simulation analysis, 1993, S. 520 – 522. 673 Ebd.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
183
Allen Untersuchungen gemein ist der relativ große Unterschied zwischen den Effekten der regionalen Stabilisierung und der langfristigen interregionalen Umverteilung. Es gibt aber Argumente, die diese relativieren. So führt Fatás aus, dass das Gesamtrisiko des Bundes übersehen wird: Der Rückgang bei den Steuereinnahmen führt zu einem Defizit, das über künftige Steuern von allen Bundesstaaten zu zahlen sein wird, einschließlich der geschwächten Staaten und somit die langfristige Umverteilungswirkung oft unterschätzt wird: „Therefore, the amount of insurance that the depressed state receives is less than what the change in this period’s state disposable income indicates“.675 Obstfeld und Peri argumentieren, dass eine exakte analytische Trennung zwischen Umverteilung und Stabilisierung, wie von von Hagen vorgeschlagen, nicht möglich ist: The notation of stabilization used in empirical fiscal federalism literatur does not correspond perfectly to that of insurance [against idiosyncratic shocks], because elements of the tax-and transfer system that provide insurance against permanent (or highly persistent) shocks may induce fiscal flows indistinguishable from redistributions once a shock has occurred.676
So beobachten sie auch einen langsamen Rückgang der Stabilisierungswirkung über viele Jahre hinaus, was auf langfristige Umverteilung schließen lässt.677 Einen Überblick über die verschiedenen empirischen Ergebnisse gibt die auf Seite 184 folgende Tabelle. Bei der Interpretation der Ergebnisse, die in Tabelle 3 präsentiert werden, ist zu beachten, dass die Schocks, auf welche die Transferzahlungen in den untersuchten Staaten reagierten, meist von dauerhafter Natur waren und somit eine analytische Trennung zwischen interregionaler Umverteilung und regionaler Stabilisierung kaum zulässig ist. Wegen der Identifikations- und Unterscheidungsprobleme zwischen Umverteilungs- und Stabilisierungswirkung weichen auch die Ergebnisse teilweise stark voneinander ab. Trotzdem lassen sich bedeutende Transferzahlungen von boomenden zu stagnierenden Regionen in allen untersuchten Staaten eindeutig feststellen. Diese Möglichkeit eines Ausgleichs asymmetrischer Schocks über Transferzahlungen ist in Europa nicht unbedingt gegeben. So beläuft sich der Haushalt der EU 674 Bayoumi, Tamim / Masson, Paul: Fiscal flows in the United States and Canada: lessons for monetary union in Europe, 1995, S. 273. Dieser Wert wurde von Melitz und Zumer kritisiert, da sie bestimmte bundesstaatliche Zuweisungen der kanadischen Staatsregierung als einkommensstabilisierend und nicht als umverteilend einordneten. Ihre restlichen Ergebnisse können in Tab. 3 abgelesen werden. Vgl. Mélitz, Jacques / Zumer, Frédéric: Regional Redistribution and Stabilization by the Center in Canada, France, the United Kingdom and the United States: New Estimates based on Panel Data Econometrics, 1998, S. 35 ff. 675 Fatás, Antonio: Does EMU Need a Fiscal Federation?, 1998, S. 166. 676 Obstfeld, Maurice / Peri, Giovanni: Regional nonadjustment and fiscal policy: Lessons for EMU, 1998, S. 37 – 38. 677 Ebd., S. 40 – 41.
184
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
„auf weniger als 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts, [wohingegen] es der Bundeshaushalt der Vereinigten Staaten auf 33 %“678 bringt. Ob deshalb mehr fiskalischer Föderalismus in der EU notwendig wäre untersucht Kapitel 6.
Tabelle 3 Empirische Ergebnisse zur interregionalen Umverteilung und regionalen Stabilisierung in ausgewählten Staaten Land
interregionale Umverteilung
regionale Stabilisierung
USA
23 – 29 % 42 % 47 % 22 % 17 % 19 %
MacDougall (1977) Sala-i-Martin et al. (1991) von Hagen (1992) Bayoumi et al. (1995) Mélitz et al. (1998) Obstfeld et al. (1998)
10 % 13 % 17 % 31 % 20 % 10 – 13 % 11 %
von Hagen (1992) Goodhart et al. (1993) Pisani-Ferry et al. (1993) Bayoumi et al. (1995) Mélitz et al. (1998) Obstfeld et al. (1998) Fatás (1998)
Kanada
28 – 32 % 39 % 17 % 53 %
MacDougall (1977) Bayoumi et al. (1995) Mélitz et al. (1998) Obstfeld et al. (1998)
15 % 17 % 14 % 13 %
Goodhart et al. (1993) Bayoumi et al. (1995) Mélitz et al. (1998) Obstfeld et. al. (1998)
Deutschland 29 – 39 % MacDougall (1977)
33 – 42 % Pisani-Ferry et al. (1993)
Großbritannien
31 – 36 % MacDougall (1977) 26 % Mélitz et al. (1998)
21 % 19 %
Goodhart et al. (1993) Mélitz et al. (1998)
Frankreich
52 – 54 % MacDougall (1977)
37 % 21 %
Pisani-Ferry et al. (1993) Mélitz et al. (1998)
Schweiz
10 – 22 % MacDougall (1977)
Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus den zitierten Studien.
D. Fazit Die Theorie der Optimalen Währungsräume analysierte in ihrer klassischen Form die Reaktionsmöglichkeiten auf asymmetrische Schocks innerhalb einer Währungsunion. Da Länder, die beitreten, auf das Anpassungsinstrument der Veränderung des nominalen Wechselkurses verzichten, müssen die Nutzen der Währungsunion die Opportunitätskosten übersteigen. Mundell stellte darauf ab, dass eine hohe Faktormobilität einen geeigneten Ausgleichsmechanismus darstellt, McKinnon machte deutlich, dass eine kleine offene Volkswirtschaft durch Abwertung der eigenen Währung nichts erreichen kann und deshalb kaum Opportunitätskosten hat. Kenen erweiterte die Theorie der Optimalen Währungsräume noch um 678
Patterson / Amati, 1998, S. 9.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
185
das Kriterium der Diversifikation. Je größer diese ausfällt, desto weniger stark kann ein Währungsraum von einem asymmetrischen Schock belastet werden. Sehr elegant konnte Bayoumi in seinem Modell all diese Ergebnisse zusammenfassen (vgl. Kap. 4, B. II.): Opportunitätskosten einer Währungsunion fallen umso geringer aus, je stärker die externen Schocks in den einzelnen Ländern korrelieren, also je weniger asymmetrisch die Länder von Schocks getroffen werden. Arbeitskräftemobilität verringert die Asymmetrie des Schocks; je mobiler der Faktor Arbeit ist, desto geringer sind die Produktionsrückgänge der beteiligten Länder. Auch der Grad der Offenheit der Wirtschaft wirkt sich in seinem Modell auf die Entscheidung, einem Währungsraum beizutreten, aus. Das beitretende Land profitiert von den wegfallenden Transaktionskosten mit sämtlichen Teilnehmerländern. Dieser Effekt ist umso höher, je mehr es aus dem Währungsraum bezieht. Opportunitätskosten der Aufgabe des flexiblen Wechselkurses entstehen für das Land nur insoweit, wie sich durch seinen Beitritt die Varianz der Schocks erhöht. Auch das Diversifikationskriterium lässt sich in Bayoumis Modell wiederfinden: Durch eine hohe Diversifikation sind die Schocks nicht (hoch) korreliert. Folglich gleichen sich Schwankungen nach oben und unten gegenseitig aus, und der Wechselkurs nach außen, der dem Durchschnitt der Schocks entspricht, bleibt relativ stabil, muss also wenig angepasst werden, sodass der Wegfall dieses Instruments nicht mit großen Kosten verbunden ist.
Frankel und Rose erweiterten die Sichtweise einer reinen ex-ante Kosten-Nutzen-Überlegung um das Kriterium der Endogenität der Optimalen-WährungsraumKriterien. Durch einen Beitritt zu einer Währungsunion erfüllen sich ex-post die an sie gestellten Optimalkriterien. Dies geht von der Risikoverteilung über mobilere Kapitalströme über höhere Lohnflexibilität bis hin zu einer diversifizierteren Wirtschaft, die weniger stark von exogenen Schocks getroffen wird. Gerade die Darstellung der empirischen Untersuchungen zur Korrelation exogener Schocks (vgl. Kap. 4, C. II.) haben gezeigt, dass maximal für ein Kerneuropa das diesbezügliche Optimale-Währungsraum-Kriterium erfüllt ist und deshalb eine verstärkte Diversifikation nötig wäre, wie sie durch die Endogenitätsannahme postuliert wird. Viele Autoren, allen voran Krugman mit seiner „specialisation hypothesis“, argumentieren aber gerade in die gegenteilige Richtung. Danach wird der Beitritt zu einer Währungsunion zu mehr Spezialisierung führen und damit die Kosten eines Beitritts zu einer Währungsunion sogar noch erhöhen. Diese Diskussion lässt sich in folgender Abbildung zusammenfassen. Die Abbildung soll verdeutlichen, wann es lohnend ist, einem Währungsraum beizutreten: Wenn die Schocks, die die Wirtschaften treffen, hoch korreliert sind, d. h. wenn die Ausgleichsmechanismen gut funktionieren und wenn der Handel zwischen den be-
186
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
teiligten Staaten größer ist, also das Kriterium der Offenheit erfüllt ist. Angedeutet erkennt man, dass die EU gemeinsam mit den USA und Japan keinen optimalen Währungsraum bilden, da der Grad der Offenheit innerhalb dieser Gruppe nicht sehr groß ist und auch kaum Ausgleichsmechanismen zwischen diesen Staaten den flexiblen Wechselkurs ersetzen könnten und deshalb auch die Wahrscheinlichkeit asymmetrischer Schocks groß ist. Auf der anderen Seite befindet sich die USA, deren Bundesstaaten einen hohen Intra-Währungsraum-Handel aufweisen und denen auch Ausgleichsmechanismen zur Verfügung stehen, etwa die Mobilität der Arbeitskräfte.
Korrelation der Einkommen innerhalb der Gruppe ist hoch (kaum asymmetrische Schocks)
Vorteile einer gemeinsamen Währung dominieren USA
Vorteile monetärer Unabhängigkeit dominieren
EuroRaum
SWE UK DK Japan USA EU
OWR-Linie
Ausmaß des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (Offenheit)
Quelle: In Anlehnung an Mongelli, Francesco, 2002, S. 27.
Abbildung 10: Vorteilhaftigkeit monetärer Unabhängigkeit vs. gemeinsamer Währung
Betrachten wir die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, sind nun zwei Bewegungen möglich: Trifft die Krugman’sche Hypothese zu, nimmt die Spezialisierung innerhalb der Region der Währungsunion zu und damit wären asymmetrische Schocks wahrscheinlicher. Bei gleichzeitig verstärktem Handel zwischen den spezialisierten Regionen würde sich das in Abb. 11 dargestellte Bild ergeben (siehe Seite 187). Obwohl die Offenheit innerhalb der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion steigt, können die Kosten der Währungsunion durch steigende Spezialisierung und damit sinkender Korrelation der Schocks steigen.
Kap. 4: Theorie und Praxis der Optimalen Währungsräume
187
Vorteile einer gemeinsamen Währung dominieren
Korrelation der Einkommen innerhalb der Gruppe ist hoch (kaum asymmetrische Schocks)
EUEUMitMitgliedgliedsta staaten aten Vorteile monetärer Unabhängigkeit dominieren
Europ. WWU
OWR-Linie
Ausmaß des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (Offenheit)
Quelle: In Anlehnung an Mongelli, Francesco, 2002, S. 28.
Abbildung 11: Krugmans „specialization hypothesis“
Überwiegen die Wirkungen der Endogenitäts-Hypothese, wie es etwa Frankel und Rose, Issing oder Blanchard und Wolfers behaupten, lässt sich das in Abb. 12 dargestellte Szenario annehmen (siehe Seite 188). Die stufenweise Integration der europäischen Staaten über die Gründung der EWG, die Vollendung des Binnenmarktprogramms bis hin zur Wirtschafts- und Währungsunion erhöht nicht nur die Offenheit innerhalb dieser Gruppe sondern lässt ex-post auch alle anderen Kriterien eines optimalen Währungsraums (endogen) entstehen. Trotz der teilweise stark abweichenden Ergebnisse und der Tatsache, dass sich Transferzahlungen und die Schocks, auf welche die Zahlungen reagierten, als meist sehr hartnäckig erweisen und deshalb eine analytische Trennung zwischen interregionaler Umverteilung und regionaler Stabilisierung kaum möglich ist, bleibt folgendes Ergebnis festzuhalten: Transferzahlungen von boomenden zu stagnierenden Regionen, meist über die Zentralregierung, sowohl zur Stabilisierung als auch zur Umverteilung, spielen in jedem untersuchten Land, welches eine kleine Währungsunion der Regionen des Staates ist, eine signifikante und wichtige Rolle. Zusätzlich verfügen diese Länder auch über einen weiteren Mechanismus, der wie oben beschrieben in der EU eher gering ausfällt: die Mobilität der Arbeitskräfte. So sehen das auch die Autoren der Kommission in der Studie „Ein Markt – eine Währung“:
188
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Vorteile einer gemeinsamen Währung dominieren
Korrelation der Einkommen innerhalb der Gruppe ist hoch (kaum asymmetrische Schocks)
Europ. WWU
EUEUMitMitgliedgliedsta staaten aten Europäis Europäche ische Staaten Staaten
OWR-Linie
Ausmaß des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (Offenheit)
Quelle: In Anlehnung an Mongelli, Francesco, 2002, S. 29.
Abbildung 12: Endogenität der OWR-Kriterien
In jedem Fall deuten die Ergebnisse für die regionale Mobilität in den bestehenden Föderationen und sogar innerhalb der Mitgliedstaaten nicht darauf hin, dass sie stark genug wäre, einen signifikanten Anteil an der Anpassung an einen regionenspezifischen Schock zu tragen. In der Gemeinschaft dürften kulturelle Schranken und Sprachunterschiede ausschließen, dass der Grad der regionalen Mobilität, wie er in bestehenden Föderationen besteht, jemals erreicht wird. ( . . . ) Abgesehen davon, ob sie wünschenswert ist, wird die regionale Mobilität der WWU als Anpassungsinstrument insgesamt eine geringere Rolle spielen, außer in höheren Einkommensgruppen und in bestimmten Grenzregionen.679
Deshalb scheint, wie es bereits der „MacDougall-Bericht“ forderte (vgl. Kap. 4, C. III. 5.), ein fiskalischer Föderalismus in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion notwendig. Doch die folgende historische Analyse wird zeigen, dass die fiskalföderativen Ideen MacDougalls immer mehr relativiert und abgeschwächt wurden, sodass heute davon nichts mehr übrig scheint.
679 Kommission der Europäische Gemeinschaften: Ein Markt – eine Währung, Potentielle Nutzen und Kosten der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, 1991, S. 169.
Kap. 5: Die langsame Abkehr innerhalb der EU
189
Kapitel 5
Die langsame Abkehr innerhalb der EU von der Idee einer Europäischen Fiskalföderation von MacDougall bis heute Mit dem Beginn der Phase I, der verstärkten Zusammenarbeit und Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitik, des 1989 im „Delors-Ausschusses“680 vorgeschlagenen Prozesses, startete am 1. Juli 1990 ein neuer Anlauf zu einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, der seine verfassungsmäßige Grundlage mit dem Vertrag von Maastricht erhielt. Er war ähnlich wie der „Werner-Bericht“ von 1970 ein Mittelweg zwischen der Auffassung der „Monetaristen“, die eine sofortige Fixierung der Wechselkurse forderten und den „Ökonomisten“ bzw. „Strukturalisten“, die eine Währungsunion am Ende der wirtschaftlichen Integration als Krönung vorsehen, wenn eine ausreichende wirtschaftliche Konvergenz der Teilnehmerstaaten besteht.681 Der „Delors-Ausschuss“ schlägt eine parallele Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion vor. Dabei sind die drei Hauptelemente einer Währungsunion folgende: Die uneingeschränkte, irreversible Konvertibilität der Währungen, die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die Beseitigung der Bandbreiten und unwiderrufliche Fixierung der Wechselkursparitäten.682 Eine Wirtschaftsunion – in Verbindung mit einer Währungsunion – vereint in sich die Merkmale eines von Beschränkungen freien gemeinsamen Marktes mit einer Reihe von Regeln, die für ihr reibungsloses Funktionieren unerlässlich sind. Insofern lassen sich als Kennzeichen einer Wirtschaftsunion vier Grundelemente feststellen: – ein einheitlicher Markt mit freiem Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr; – eine Wettbewerbspolitik und sonstige Maßnahmen zur Stärkung der Marktmechanismen; – gemeinsame Politiken zur Strukturanpassung und Regionalentwicklung; – eine Koordinierung der makroökonomischen Politiken, einschließlich verbindlicher Regeln für die Haushaltspolitik.683
680 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht des Ausschusses unter dem Vorsitz von Kommissionspräsident Delors, 1989, ausführlich mit der Entschließung des Europäischen Parlaments abgedruckt in: Deutscher Bundestag: Europäische Währungsunion, Delors-Bericht, Entschließung des Europäischen Parlaments, Problemanalyse aus deutscher Sicht, 1989. 681 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Wege zur Errichtung einer Europäischen Zentralbank, 1989, S. 164 – 167. 682 Vgl. Delors-Bericht (Ausschuss zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion): Bericht zur Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft, 1989, S. 12. 683 Ebd., S. 16.
190
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Der „Delors-Bericht“ nennt auch das Problem der exogenen Schocks und des in einer Währungsunion fehlenden Wechselkursmechanismus. Als Lösung nennt der Bericht explizit die „Verbesserung der Mobilität der Produktionsfaktoren sowie ( . . . ) Preisflexibilität“.684 Auch ist dafür eine gemeinschaftliche Regional- und Strukturpolitik notwendig, die allerdings nicht hauptsächlich Einkommen subventionieren und umverteilen sollte, sondern helfen, „die Produktionsbedingungen zu vereinheitlichen und auf diese Weise vermeiden, dass umfangreiche Wanderungen von Arbeitskräften zum wichtigsten Anpassungsfaktor werden“.685 Konvergenz wurde von diesem Zeitpunkt an zur wichtigsten Vokabel bei der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion. Die Möglichkeiten des „MacDougall-Berichts“, über eine Fiskalunion stabilisierend zu wirken, scheint für den „Delors-Ausschuss“ bereits illusorisch: Da ferner der zentral gesteuerte Gemeinschaftshaushalt auch künftig nur einen sehr kleinen Teil des öffentlichen Sektors ausmachen dürfte und da der Großteil seines Volumens für antizyklische Anpassung nicht zur Verfügung stehen wird, muss die Aufgabe, einen finanzpolitischen Kurs für die gesamte Gemeinschaft festzulegen, über die Koordinierung der nationalen Haushaltspolitiken gelöst werden.686
Hingegen sah der wissenschaftliche Dienst des Bundestages die Notwendigkeit eines europäischen Finanzausgleichs aufgrund zu erwartender abnehmender Konvergenz zwischen bestimmten Regionen.687 Weiterer wissenschaftlicher Klärungsbedarf schien notwendig, um die potentiellen Nutzen und Kosten der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion abzuschätzen. Deshalb fertigte die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1991 eine Studie mit dem Titel: „Ein Markt – eine Währung, potentielle Nutzen und Kosten der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion“ an.688 Bereits im Titel wird deutlich, dass – ähnlich wie im „MacDougall-Bericht“ erstmals angedeutet – nicht die Optimalität eines Währungsraums entscheiden sollte, sondern seine Tragfähigkeit. Leiter der Studiengruppe war Michael Emerson, der genauso wie sein Teammitglied Horst Reichenbach bereits am „MacDougall-Bericht“ mitarbeitete. Um die Tragfähigkeit einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu überprüfen, untersuchen die Autoren die Anpassungsmechanismen innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion auf ihre Wirksamkeit. Ähnlich wie in vorliegen-
Ebd., S. 17. Ebd., S. 19. 686 Ebd., S. 20. 687 Vgl. Cloes, Roger: Europäische Währungsunion, Problemdarstellung und Analyse der währungspolitischen Vorstellungen unter besonderer Berücksichtigung des Delors-Berichts und der Entschließung des Europäischen Parlaments, 1989, S. 21 – 23. 688 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ein Markt – eine Währung, potentielle Nutzen und Kosten der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion, 1991. 684 685
Kap. 5: Die langsame Abkehr innerhalb der EU
191
der Arbeit (vgl. Kap. 4, C. III.) wird nacheinander die Möglichkeit der Lohn- und Preisflexibilität, der Mobilität von Arbeit und Kapital und letztlich die Rolle der zentralen öffentlichen Finanzen bei der Unterstützung der regionalen Anpassung untersucht, wobei auf zentrale Ergebnisse des „MacDougall-Berichts“ verwiesen wird. Als Ergebnis präsentiert die „Emerson-Gruppe“ eine widersprüchliche Alternativenlösung, die wohl sowohl die Befürworter einer stärkeren finanzpolitischen Integration als auch deren Gegner nicht verärgern will: Man postuliert einen „Trade-off“ zwischen finanzpolitischer Autonomie und interregionalem Finanzausgleich und fordert entweder eine hohe finanzpolitische Autonomie der Gliedstaaten / Regionen und einen Disziplinierungsmechanismus, der später zu den beiden haushaltsbezogenen Konvergenzkriterien von 3 % und 60 % geführt haben dürfte, oder eine Stärkung der Rolle der zentralen Finanzen der EU. Sollte man sich für diese Alternative entscheiden, so wird als Instrument eine Ausweitung der Strukturfonds vorgeschlagen, dazu eventuell ein schockabsorbierender Versicherungsmechanismus.689 Die Idee von einer gemeinschaftlichen Arbeitslosenversicherung aus dem „MacDougall-Report“ taucht in dem Papier nicht mehr auf. Wie die weitere Währungs-Geschichte der EU zeigte, hat man sich ja auch für die Alternative eins (finanzpolitische Autonomie mit dem Sanktionsmechanismus des Stabilitäts- und Wachstumspakts) entschlossen. Genaues Lesen der „background studie“ zu der Studie „Ein Markt – eine Währung“, die ebenfalls 1991 erschien690, lässt erkennen, dass sich die EU-Kommission späterstens hier im Kapitel „Economic federalism and the EMU“ gegen eine Finanzföderation ausspricht: „The main theme developed in the proceding sections was that in the transition to the federal stage is no clear evidence in support of an extension of expenditure-intensitive Community regulation.“691 Interessant ist in diesem Zusammenhang nachzuvollziehen, wer die entscheidenden Passagen der „Ein Markt – eine Währung-Studie“ beeinflusst hat und so die Ideen eines Fiskalföderalismus als die schlechtere Alternative werteten, nämlich die Mitautoren Gros, Italianer und Vanheukelen692. In den Veröffentlichungen dieser Autoren finden sich stets Argumente gegen einen Fiskalföderalismus in der Union und für eine Konvergenzpolitik durch einen Abbau der nationalen Haushaltsdefizite. Da sich, wie oben gezeigt, dieser Weg schon im „DelorsBericht“ wiederfinden lässt, scheint es nicht abwegig zu behaupten, dass für die „Emerson-Gruppe“ Autoren ausgewählt wurden, die diese Strategie unterstützen. Ebd., S. 184 – 187. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: The economics of EMU – background studies for European Economie No 44 „One market, one money“, 1991. 691 Rompuy, Paul Van / Abraham, Filip / Heremans, Dirk: Economic federalism and the EMU, 1991, S. 132. 692 Rompuy, Abraham und Heremans, die sich wie gezeigt in ihrer „background studie“ gegen Europäischen Fiskalföderalismus aussprechen, bedanken sich in ihrer ersten Fußnote für die wertvollen Hinweise des Mark Vanheukelen. Ebd., S. 109. 689 690
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
So wiederholt Gros in einer CEPS-Studie 1996 praktisch wörtlich die Aussage des „trade-off between fiscal autonomy and the need for a common shock observer mechanism“.693 Er spricht sich deutlich für fiskalische Unabhängigkeit und eine innerstaatliche Schockbekämpfung über Fiskalpolitik bis zum 3 %-Verschuldungskriterium aus und gegen eine politische Union im Sinne von gemeinschaftsweiten fiskalischen Mechanismen: „The issues ( . . . ) on politcal union ( . . . ) are not of direct relevance for the working of EMU. ( . . . ) There is no need to create special automatic fiscal income stabilisers.“694 Selbst Reichenbach, ebenfalls Mitglied der „Emerson-Gruppe“, der für die „MacDougall-Studie“ noch die Methoden zur Berechnung der Stabilisierungsfunktion eines föderalen Budgets bereitstellte 695, wendete sich ab von den Ideen eines Fiskalföderalismus und schwenkt auf die „DelorsBerichtslinie“ ein: Aus Gründen der Subsidiarität sollten der Gemeinschaft nur Aufgaben übertragen werden, die nicht auch auf nationaler Ebene gelöst werden können. Zwar sei die unionsweite Stabilisierung durchaus Aufgabe der höchsten Regierungsebene, doch spricht dies nicht für eine zentrale Fiskalpolitik. Vielmehr ist den Konvergenzbemühungen oberste Priorität einzuräumen und eventuell ein „full stabilization mechanism“ einzurichten. Von den ursprünglichen Ideen einer europäischen Arbeitslosenversicherung ist nichts mehr zu finden, im Gegenteil fordert Reichenbach, dem wachsenden Zentralismus und Kompetenzverschiebungen zugunsten der EU entgegenzuwirken.696 Nach der „background-Studie“ legte die Kommission noch eine zweite wissenschaftliche Weiterführung der „Ein Markt – eine Währung Studie“ nach, die in der Ausgabe 5 / 1993 der von der Kommission herausgegebenen Zeitschrift European Economy abgedruckt wurde. Dort diskutieren Italianer und Vanheukelen einen sogenannten „full stabilization mechanism“ zur Absorption asymmetrischer Schocks. In ihrem Artikel erwähnen sie nicht einmal die Möglichkeit einer europäischen Arbeitslosenversicherung oder andere fiskalföderalistische Instrumente mit dem wenig überzeugenden Argument, dass solche bereits in Nationalstaaten existierenden Transfer- und Versicherungssysteme „( . . . ) are unliklely to be transferres to Community level“.697 In ihrem Modell benutzen sie die unterschiedlichen Veränderungen der Arbeitslosenraten innerhalb der Mitgliedstaaten als Indikator für asymmetrische Schocks, da die Daten in wenigen Monaten verfügbar und einigermaßen harmonisiert sind. Die Zahlung soll als Prozentsatz des BSP erfolgen und zwar pro Prozentsatz der überdurchschnittlichen Zunahme der Arbeitslosigkeit. In 693
Gros, Daniel: Towards Economic and Monetary Union: Problems and Prospects, 1996,
S. 77. Ebd., S. 7. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band II: Einzelbeiträge und Arbeitsunterlagen, 1977, S. 143. 696 Vgl. Reichenbach, Horst: Ausgewählte Probleme der Europäischen Finanzverfassung, 1992, 6 – 7, 12 – 18. 697 Italianer / Vanheukelen, 1993, S. 495. 694 695
Kap. 5: Die langsame Abkehr innerhalb der EU
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Anlehnung an die bereits vorgestellte Messmethode des Schocks und der Stabilisierungswirkung (vgl. Kap. 4, C. III. 5.) ergibt sich folgendes Beispiel: Wächst ein Mitgliedstaat c. p. ein Prozent langsamer als das Trendwachstum und erhöht sich seine Arbeitslosenquote um 0,194 %, während der Gemeinschaftsdurchschnitt nicht wächst, erhält das Land 19,4 % von 1 % seines BSP. Da in dem Beispiel das BSP um 1 % fällt bedeutet dies eine Stabilisierungswirkung des exogenen Schocks von 19,4 %, was gerade den von Mélitz et al. (1998) berechneten Stabilisierungswirkungen (vgl. Tabelle 3) des amerikanischen Zentralhaushaltes entspricht. Für 1981 – 1990 hätte ein solches Stabilisierungssystem, welches 19 – 34 % des Schocks absorbiert, der EU jährlich maximal etwa 0,2 – 0,4 % des Gemeinschaftsbruttosozialprodukts gekostet.698 Den „relativ günstigen Preis“ für ihr Stabilisierungsmodell im Vergleich zu existierenden Föderationen erklären die Autoren damit, dass die Stabilisierungsfunktion dort nur ein „by-product“ des Steuer- und Versicherungssystems darstellt und somit „echte“ fiskalföderalistische Elemente abzulehnen sind.699 Die Wegentwicklung der Kommission vom Gedanken des europäischen Fiskalföderalismus zur regionalen Stabilisierung lässt sich chronologisch weiterverfolgen. Der nächste wichtige Bericht der Europäischen Kommission erschien 1997 unter dem Titel „Economic Policy in the EMU. Part A. Rules and Adjustment“ und „Part B. Specific Topics“.700 In diesem versucht die Kommission, das Problem von asymmetrisch auftretenden Schocks möglichst zu verharmlosen und schiebt die Anpassungslast voll den einzelnen Mitgliedstaaten zu. Der Mechanismus, den die Kommission beschreibt, ist indentisch mit der Position von Gros: „ ( . . . ) a room for manœuvre of 3 % points of GDP would allow Member States to overcome most periods of economic difficulties without running into an excessive deficit position. Therefore, once the balanced-budget position is attained, fiscal policy will generally have a sufficient degree of flexibility for the implementation of effective stabilisation policies in EMU.“701 Somit glaubt die Kommission, dass es überhaupt keiner Koordination zwischen den Mitgliedstaaten bedarf, wenn einer von einem asymmetrischen Schock getroffen wird, da die nationalen automatischen Stabilisatoren völlig ausreichen würden: „If each Member State lets its stabilisers work, the system should have a substantial degree of built-in stabilization against ( . . . ) shocks ( . . . ). This would provide more budgetary offset against asymetric shocks than in the United Staates.“702 Dabei legt die Kommission ihre ganze Hoffnung auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Spielräume der 698 Vgl. zum Modell von Italianer und Vanheukelen S. 495 – 499, zu den Ergebnissen verschiedener Szenarien S. 500 – 509. 699 Ebd., S. 505. 700 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part A. Rules and Adjustment, 1997 a und Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Economic Policy in the EMU. Part B., 1997 b. 701 Ebd., 1997 a, S. 20 – 21. 702 Ebd., S. 35.
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Mitgliedstaaten, sollten sie einmal einen ausgeglichenen oder sogar leicht überschießenden Haushalt haben.703 Das eindeutigste Indiz einer veränderten Einstellung der Kommission zum fiskalischen Föderalismus seit dem „MacDougall-Bericht“ bis hin zur tatsächlichen Wirtschafts- und Währungsunion findet sich aber in Kapitel III.10 „Adjustment Channels“ des Part B des Kommissionspapiers von 1997. Eine mögliche Anpassung an asymmetrische Schocks gelingt danach durch Mobilität der Faktoren Kapital und Arbeit, durch flexible Preise und Löhne und durch Produktivitätsveränderungen.704 Der Punkt „Transfermechanismen“, der in jeder Arbeit über optimale oder tragfähige Währungsräume genannt wird, so immerhin auch noch in der „Ein Markt – eine Währung-Studie“ von 1991, fehlt ganz und wird mit keinem Wort erwähnt! Dementsprechend folgert der Rat der Europäischen Union am 7. Juli 1997 in Amsterdam bezüglich Stabilität, Wachstum und Beschäftigung: Die Vertragsbestimmungen auf dem Gebiet der Haushaltspolitiken (Artikel 104 bis 104c) sowie der Stabilitäts- und Wachstumspakt gewährleisten solide und disziplinierte Haushaltspolitiken. Die Verantwortung für die Haushaltspolitik liegt nach Maßgabe dieser Rechtsvorschriften bei den souveränen Regierungen der einzelnen Staaten, die ihre Haushaltspolitik im Rahmen der wirtschaftspolitischen Grundzüge koordinieren müssen.705
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt besteht dabei aus den zwei Verordnungen: Verordnung (EG) Nr. 1466 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken 706 Verordnung (EG) Nr. 1467 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigem Defizit 707
und der vorausgehenden Entschließung des Europäischen Rates vom 17. Juni 1997 über den Stabilitäts- und Wachstumspakt.708 Darin legt der Europäische Rat Leitlinien für die Mitgliedstaaten, die Kommission und den Rat fest. So verpflichten sich die Mitgliedstaaten etwa darauf, das in ihrem Stabilitäts- oder Konvergenzprogramm festgelegte mittelfristige Haushaltsziel eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts ein-
703 Ausführlich findet sich die Position der Kommission zu der Frage der Stabilisierung durch nationale Fiskalpolitik in Kapitel II. 7 – III „The Stabilisation Funktion of Budgetary Policies“ des Part B. Specific Topics, 1997 b, S. 109 – 119. 704 Ebd., S. 135 – 142. 705 Rat der Europäischen Union: Empfehlungen des Rates vom 7. Juli 1997 über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft, 1997, S. 8 – 9. 706 ABl. L 209 vom 2. August 1997, S. 1. 707 ABl. L 209 vom 2. August 1997, S. 6. 708 ABl. C 236 vom 2. August 1997, S. 1. Alle drei Dokumente finden sich auch in Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Europäische Wirtschaft Nr. 64 / 1997, S. 51 – 68.
Kap. 5: Die langsame Abkehr innerhalb der EU
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zuhalten und die haushaltspolitischen Korrekturmaßnahmen ( . . . ) zu ergreifen, wenn es Anzeichen für eine tatsächliche oder erwartete erhebliche Abweichung von diesen Zielen ergibt.709
Unter anderem in Abs. (4) der VO (EG) Nr. 1466 / 67 wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt auch begründet: Indem die Mitgliedstaaten an dem mittelfristigen Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushaltes oder eines Haushaltsüberschusses festhalten, können sie normale Konjunkturschwankungen bewältigen und zugleich bewirken, dass das Defizit des öffentlichen Haushalts innerhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP gehalten wird.710
Verletzt ein Mitgliedstaat diese Bestimmungen, wird das Land vom Rat aufgefordert, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um das Defizit in einer bestimmten Frist wieder abzubauen. (Art. 104 EGV n. F. – Art. 104c EGV a. F.). Kommt der Mitgliedstaat den Beschlüssen des Rates nicht nach, kann dieser nach Art. 104 XI Sanktionen verhängen. Betrifft ein Verstoß das öffentliche Defizit, muss der Mitgliedstaat 0,2 % des BIP und 1 / 10 der Differenz zwischen dem als Prozentsatz des BIP des Vorjahres ausgedrückten Defizit und dem Refenzwert in Höhe von 3 % des BIP als erste Einlage hinterlegen.711 Sollte das Defizit etwa 4 % betragen haben, beträgt die Einlage 0,2 % + 1 / 10 * (4 % – 3 %) = 0,3 % des BIP. Verstößt der Staat weiterhin gegen das Drei-Prozent-Kriterium, kann diese Strafe jährlich um das Zehntel der Überschreitung erhöht werden, bis die Einlage höchstens 0,5 % des BIP beträgt.712 Nach zwei Jahren wird die Einlage „in der Regel“ in eine Strafe umgewandelt.713 Die Entschließung des Europäischen Rates vom 17. Juni 1997 über den Stabilitäts- und Wachstumspakt fordert aber vom Rat, „immer“ eine Strafe zu verhängen und reduziert damit den Ermessensspielraum des Art. 104 Abs. 11 und des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1467 / 97. Ob diese Konstruktionselemente und Strafmechanismen allerdings ausreichen, um eine automatische Stabilisierung zu gewährleisten, wird im Folgenden untersucht. Schachtschneider bezweifelt sogar die Verbindlichkeit der strengen Leitlinien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Erstens hatte der Europäische Rat keine Rechtsetzungskompetenz für die Entschließung des Europäischen Rates vom 17. Juni 1997 über den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Auch der Verweis auf Art. 4 EUV (Art. D EUV a. F.) bringt keine neue Rechtsgrundlage. „Impulse“ sind politisch zu verstehen, nicht aber als verbindliche Rechtsakte. „Weder materiell noch institutionell vermag somit die Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt eine rechtliche Verbindlichkeit seiner Leitlinien Ebd., S. 52. Ebd., S. 57. 711 Art. 12 I Verordnung (EG) Nr. 1467 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigem Defizit. 712 Art. 12 II und III der Verordnung. 713 Art. 13 der Verordnung. 709 710
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begründen.“714 Des Weiteren ist die oben erwähnte Einschränkung des Ermessenspielraums des Gemeinschaftsvertrages durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt vertragswidrig, da es keine Rechtsgesichtspunkte gibt, die dem Europäischen Rat das Recht geben, das vertragliche Verfahren zu ändern.715 Unabhängig von diesen juristischen Fragen wurden spätestens 1997 in der EU alle wirtschaftsverfassungsrelevanten Bestimmungen so konstituiert, dass von den fiskalföderalistischen Notwendigkeiten für eine Wirtschafts- und Währungsunion, wie sie der „MacDougall-Report“ postuliert, nichts mehr übrig blieb. Nur konsequent war es deshalb, dass der Fragenkatalog, den der Europäische Rat von Laeken dem Konvent zur Vorbereitung einer Regierungskonferenz vorlegte, keinerlei Aufgabenstellung bezüglich einer europäischen Finanzverfassung beinhaltet. „Der Fragenkatalog von Laeken erwähnt das Wort ,Geld‘, ,Finanzierung‘ oder ,Finanzverfassung‘ kein einziges Mal.“716 Die Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU versucht nun Kapitel 6 im Folgenden nachzuweisen.
Kapitel 6
Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU Wie die Diskussion in Kapitel 4, B. zum Konzept der Optimalen Währungsräume veranschaulicht, kann man dabei getrost von einem Theoriepluralismus sprechen, viele widersprüchliche Aussagen stehen einander gegenüber, mancher spricht gar von einem „Konzept auf der Suche nach einer Theorie“.717 Es ist wohl unbestritten, dass die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion kein optimaler Währungsraum ist, v. a. da die notwendigen Anpassungsmechanismen fehlen. In diesem Zusammenhang sollte man von der Tragfähigkeit statt der Optimalität der EWWU sprechen und Vorschläge unterbreiten, wie man die Anpassungsmechanismen verbessern könnte. Der „MacDougall-Bericht“, der bereits 1977 explizit von der „Tragfähigkeit“ einer Währungsunion spricht (s. u.), fordert für die EG langfristig eine Finanzföderation, deren, Ausgabenanteil am BSP 20 – 25 % beträgt. Eine „präföderale“ Phase wäre erreicht, wenn das EG-Budget 2 – 2,5 % des BSP ausmachen würde, für die Ausgleichs- und Stabilisierungsfunktion innerhalb einer Währungsunion halten sie 714 Hankel / Nölling / Schachtschneider / Starbatty: Verfassungsbeschwerde und Antrag auf einstweilige Anordnung, 1998, S. 319. 715 Ebd., S. 121 – 123. 716 Emmerling, Thea / von Ackere, Sabine: Kompetenzordnung und Finanzverfassung in Europa – Überlegungen zur Konventsdiskussion, 2002, S. 4. 717 Cesarano, Filippo: Monetary Union: A Theoretical Perspective, 1992, S. 349.
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
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aber mindestens 5 – 7 %, inklusive Verteidigungsausgaben 7,5 – 10 %, EG-Budget am Gemeinschaftsbruttosozialprodukt für notwendig.718 Die „MacDougall-Gruppe“ stützt ihre Schlussfolgerungen, dass eine Wirtschafts- und Währungsunion ohne umfangreiches Finanzausgleichssystem nicht möglich ist, auf zwei Gründe: 1. „Die Notwendigkeit einer Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten ergibt sich hauptsächlich daraus, dass der Prozess der wirtschaftlichen Integration, der insgesamt Nettogewinne zur Folge haben mag, nicht notwendigerweise in sämtlichen Gebieten den Wohlstand hebt.“719 Strukturänderungen zu Lasten der Peripherie führen zu regionalpolitischen Problemen. 2. Die Stabilisierungsfunktion auf Grund asymmetrischer Schocks.720 Harbrecht (1981) analysiert die beiden Argumente. Die erste These begründet er mit dem sogennanten Potentialfaktoransatz von Biehl.721 Durch einen gemeinsamen Markt für Produktionsfaktoren kommt es zur Angleichung der Faktorproduktivitäten, besonders der Arbeitsproduktivität. Durch die Möglichkeit der Wanderung der Arbeitskräfte gleichen sich nun die Löhne an. Bei gegebener Produktivität des vorhandenen Kapitalstocks steigt die Kapitalrendite in der kapitalreicheren Region und fällt in der kapitalärmeren, sodass die Investitionen in der kapitalreichern Region noch weiter zunehmen. In einer Währungsunion lässt sich dieses Wachstums- und Produktivitätsgefälle nicht mehr durch Abwertung der Währung des schwachen Landes ausgleichen und so verschärft sich die Divergenz. Auch wenn dies nur eine Ungleichgewichtsanalyse darstellt und die Situation nur von begrenzter Dauer sein kann, ist das Problem der Begünstigung von Agglomerationen regionalpolitisch so gravierend, dass es nicht unberücksichtigt bleiben darf.722 An dieser Stelle wird auch der enge Zusammenhang mit der späteren Krugman’schen „specialization hypothesis“ deutlich, die wegen zunehmender Skalenerträge und Verbundeffekten Spezialisierungen und Agglomerationen vorhersagt. Die zweite These der notwendigen Leistungsbilanzstabilisierung aufgrund kurzfristiger Einkommenseinbußen wegen eines „,Ausfuhr‘-Rückgangs aus der Region“723 lässt sich mit der bereits erörterten Stabilisierungsfunktion definieren (vgl. Kap. 4, C. III. 5.). 718 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band I: Generalbericht, 1977, S. 22 – 23. 719 Ebd., S. 67. 720 Ebd., S. 63 – 66. 721 Vgl. Biehl, Dieter: Ursachen interregionaler Einkommensunterschiede und Ansatzpunkte für eine potentialorientierte Regionalpolitik in der Europäischen Gemeinschaft, 1977, S. 71 ff. 722 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Europa auf dem Wege zur Wirtschafts- und Währungsunion – Theoretische und politische Probleme der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft, 1981, S. 121 – 122. 723 Ebd.
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Auch in der neueren Literatur finden sich viele Verfechter eines stärkeren fiskalischen Föderalismus innerhalb der WWU. Currie, Levine und Pearlman sind der festen Überzeugung, dass die Währungsunion nur mit ausreichenden Finanztransfers funktionieren kann724 und auch Pelagidis warnt vor asymmetrischen Schocks und der mangelnden automatischen Stabilisierung auf Grund fehlender Anpassungsmechanismen, v. a. geringer Faktormobilität und starren Löhnen und Preisen. Deshalb fordert er Mechanismen, welche die Anpassungsfunktion übernehmen.725 Eichengreen schätzt die regionalen Probleme in der WWU signifikant höher ein als in den USA und fordert eine deutliche Erhöhung der fiskalischen Transfers in Europa.726 Skeptischer gibt sich aber Fatás: Er vertritt die Auffassung, dass mit der Schaffung einer europäischen Fiskalföderation deutlich weniger Vorzüge einhergehen als bisher angenommen. Obwohl der Zweck des Systems in der „interregionalen Risikoverteilung“ liege, könnte es permanente Transfers zur Folge haben, die in jede Richtung erfolgen können. Die Skepsis bezüglich der Vorteile des Fiskalföderalismus beruht zum Teil auch auf Zweifeln daran, ob das US-amerikanische System das von Sala-i-Martin und Sachs geltend gemachte Ausmaß an automatischer Versicherung gegen asymmetrische Schocks auch tatsächlich erreicht.727 Dagegen muss man aber einwenden, dass durch die relative Größe des Zentralhaushaltes der USA gemessen am BIP von ca. 33 % eine fiskalische Versicherung sicherlich eher gegeben ist als bei ca. 1,25 % des Haushaltanteils der EU am EUBIP. So errechnen Sala-i-Martin und Sachs, dass sich die Steuerzahlungen, die eine europäische Region oder ein europäisches Land an die Europäische Gemeinschaft entrichtet, um einen halben Cent reduzieren, wenn diese Region bzw. dieses Land von einem ungünstigen Schock in der Größenordnung von einem Dollar betroffen ist.728 Dies stellt einen beträchtlichen Unterschied zu den 10 – 31 Cent dar, welche in diversen Untersuchungen für die USA berechnet wurden. Die beiden Hauptargumente für einen stärkeren Fiskalföderalismus in der EU sollen tiefer untersucht werden.
724 Vgl. Currie, David / Levine, Paul / Pearlman, Joseph: The Choice of ,Conservative‘ Bankers in Open Economies: Monetary Regime Options for Europe, 1996, S. 356. 725 Vgl. Pelagidis, Theodore: Optimum currency area approach and the third stage of EMU: A review of recent evidence, 1996, S. 773. 726 Vgl. Eichengreen, Barry: One money for Europe? Lessons from the US currency union, 1990, S. 166. 727 Vgl. Fatás, Antonio: Does EMU Need a Fiscal Federation?, 1998, S. 191 – 192. 728 Vgl. Sala-i-Martin / Sachs, Jeffrey: Fiscal federalism and optimum currency areas: evidence for Europe from the United States, 1991, S. 20. Fatás weist aber darauf hin, dass natürlich die Regionen der EU von den Nationalstaaten fiskalische Versicherung erhalten. Vgl. Does EMU Need a Fiscal Federation?, 1998, S. 182.
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
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A. Notwendigkeit der Kohäsion – unzureichende Regionalpolitik der EU Die von der „MacDougall-Gruppe“ befürchtete unterschiedliche regionale Entwicklung ließ sich auch wirklich nachvollziehen. Bis Mitte der 70er Jahre wurde infolge der innergemeinschaftlichen Arbeitskräftemobilität in aufnahmefähige Arbeitsmärkte der Zentren das regionale Einkommensgefälle deutlich eingeebnet. Durch die weltwirtschaftlichen Strukturumbrüche stoppte dieser Trend exogen, darüber hinaus kam es durch die Süderweiterung der Gemeinschaft zu deutlichen regionalen Entwicklungsrückständen.729 Ein kartographischer Blick auf die wirtschaftlichen Aktivitäten von Regionen, die nach Kriterien wie Kommunikationsnetz, Sitz von Großunternehmen, ProKopf-Einkommen u. ä. nach der Wichtigkeit bewertet wurden, ergibt die sogenannte „blaue Banane“, die sich von Südengland über den Benelux-Raum, die Rheinachse, Süddeutschland, die Schweiz bis nach Oberitalien hinzieht. Diese hat sich aus einer Städteachse herausgebildet, die ihren Ursprung in einer Entwicklung der Urbanisierung von 1500 bis 1800 hat.730 Daneben entsteht ein „Sunbelt“, der von Piemont über die Cote d’Azure bis nach Katalonien reicht.731 Diese Entwicklungen gehen zu Lasten der Peripherie und die Krugman’sche These der geographischen Aktivitätszentrenbildung in integrierten Volkswirtschaften bestätigt sich.732 Wie im historischen Phasenablauf gezeigt, wurde 1975 im Rahmen der Erweiterung um Großbritannien, Irland und Dänemark der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung ins Leben gerufen. Anfangs fristete er noch ein eher isoliertes und bescheidenes Dasein und wurde mit 150 Mio. ECU ausgestattet. Durch die Aufnahme des Ziels „( . . . ) den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete [zu] verringern“ in die Präambel des EWG-Vertages durch die Einheitliche Europäische Akte wurde die Kohäsion der Regionen als Gemeinschaftsziel und 1988 die Strukturfonds reformiert und deren Mittelausstattung im sogenannten „Delors-I-Pakets“ verdoppelt. Zusätzliche Wichtigkeit erhielt die gemeinschaftliche Regional- und Strukturpolitik 1989 durch den „Delors-Bericht“ zur Wirtschafts- und Währungsunion (vgl. Kap. 1, D. III. und Kap. 5). Da der Stufenplan zur ihrer Errichtung eben keine Fiskalunion mehr als notwendig erachtete, musste notwendigerweise Konvergenz zwischen den Regionen erreicht werden, denn nur ähnliche Volkswirtschaften, die sich nicht – wie Krugman behauptet – spezialisieren, werden durch Nachfrageschocks nicht asymmetrisch getroffen. Doch gerade durch die unwiderrufliche Festlegung der WechVgl. Franzmeyer, Fritz: Europäische Regionalpolitik, 2001, S. 280 – 281. Abgebildet und näher beschrieben findet sich die „Blaue Banane“ und der „Sunbelt“ bei Ammon, Günther: Das Europa der Regionen, 1994, S. 101 – 107. 731 Vgl. Franzmeyer, 2001, S. 281. 732 Vgl. Krugman, Trade, 1991, S. 17 ff. 729 730
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2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
selkurse können sich die Ungleichgewichte zwischen den Regionen manifestieren.733 Betrifft ein Nachfragerückgang eine bestimmte Branche, die wiederum nur in bestimmten Regionen ihr Zentrum besitzt, kommt es zu asymmetrischen Schocks, die eine Stabilisierung erforderlich machen würde. Hier zeigt sich auch der enge Zusammenhang zwischen Kohäsions- und Stabilisierungsfunktion. Je größer die Kohäsion, desto geringer ist der Stabilisierungsaufwand bei asymmetrischen Schocks. Da einer Wirtschafts- und Währungsunion ohne Fiskalunion solche Stabilisatoren größtenteils fehlen, forderte der „Delors-Bericht“ zum Übergang in die dritte Stufe hinreichende Konvergenz und führt dazu aus: „( . . . ) hier sind die Grundlagen für eine wirkungsvollere Politik der Gemeinschaft bei der Regionalund Strukturentwicklung kürzlich mit einer Verdoppelung der Ressourcen der Strukturfonds und einer Umgestaltung der Politiken gelegt worden. Im Zuge der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion müssten diese Maßnahmen möglicherweise noch ausgebaut und schlagkräftiger gemacht werden.“734 Von 1988 bis 1992 wurden die Finanzmittel der Strukturfonds also verdoppelt, ihr Anteil am Gemeinschaftshaushalt stieg von 10 % 1975 über 13 % 1985 auf 25 % 1992. Die Fonds durften nationale Mittel nicht ersetzen (Grundsatz der Additionalität) und das Empfängerland war zu einer Kofinanzierung gezwungen. 1994 unterstützten 68,9 % der Mittel Ziel-1-Regionen, bei denen der Gemeinschaftsanteil bis zu 75 % ausmachen konnte. Partnerschaftlich sollten alle föderalen Ebenen beteiligt sein, dazu sollten sie auch kohärent mit den anderen Gemeinschaftspolitiken sein.735 Im sogennanten „Delors-II-Paket“, welches auf dem Rat von Edinburgh im Dezember 1992 verabschiedet wurde, wurde die Höhe der Mittelausstattung der Strukturfonds auf 200 Mrd. ECU für die Jahre 1994 bis 1999 festgelegt und dabei der neugeschaffene Kohäsionsfonds mit jährlich 1,75 Mrd. ECU, ab 1999 mit 2,5 Mrd. ECU ausgestattet.736 Er kam Spanien, Portugal, Griechenland und Irland zugute, da deren PKE unter 90 % des Gemeinschaftsdurchschnittes lag. Nach der weiteren Reform der Strukturfonds 1993 (vgl. Kap. 1, D. III.) und der Aufnahme des Ziels Nr. 6, welches äußerst dünn besiedelte Regionen fördern sollte, wurde die Kohäsionspolitik immer unübersichtlicher und redundanter. So haben EFRE und ESF nicht nur ineffizient zusammengewirkt, es fand sogar nicht einmal ein „ausreichender Austausch“ zwischen beiden statt, wie der Europäische Rechnungshof zu Recht kritisiert.737 1997 entstanden zwei empirische Studien, die den Beitrag der EG-Regionalpolitik zur Konvergenz kritisch beurteilten. Wellenhofer untersuchte auf der Disaggregationsebene NUTS 2 (entspricht Regierungs- und Verwaltungsbezirken) für den 733 Vgl. Ohr, Renate: Europa nach Maastricht: Europäische Währungsunion – notwendig für einen funktionierenden Binnenmarkt?, 1994, S. 54. 734 Delors-Bericht, 1989, S. 27. 735 Vgl. Franzmeyer, Fritz: Europäische Struktur- und Regionalpolitik, 1996, S. 122 – 124. 736 Vgl. VO Nr. 2081 / 93 vom 20. 07. 1993, Anhang II, S. 19. 737 Vgl. Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht Nr. 15 über die Bewertung der Strukturfonds-Interventionen in den Zeiträumen 1989 – 1993 und 1994 – 1999. 1998, S. 12.
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
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Zeitraum 1975 bis 1992 die Entwicklung der regionalen ökonomischen Disparitäten. Dabei wollte er ein Gesamtbild der Konvergenzsituation aufzeigen. Er benutzte verschiedene statistische Verfahren, wie Lagemaßzahlen 738 und Streuungsmaßzahlen, wie Varianz, Varianzkoeffizient oder den Theil-Index.739 Allen Methoden ist das Ergebnis gemein: Zwar konnten die 10 % der Bevölkerung, die in den ärmsten Regionen der Gemeinschaft lebten, nominell ihre Einkommenssituation verbessern, real dagegen kaum. Dabei haben sich zwischen den Mitgliedstaaten sowohl die Nominal- als auch die Regionaleinkommensunterschiede verringert, während sie sich innerhalb der Mitgliedsaaten sogar vergrößert haben.740 Holtzmann geht in seiner Analyse sogar noch einen Schritt weiter und untersucht die Regionalpolitik der EU hinsichtlich ihrer Umverteilungswirkungen741, ihrer Wachstumswirkungen742, ihrer Stabilisierungsfunktion743 und ihrem Beitrag zur Kohäsion.744 Dabei benutzt er für die jeweilige Wirkungsanalyse unterschiedlichste Inzidenzkonzepte, misst den Beitrag der EU-Regionalförderung zum regionalen PKE, untersucht die Auswirkungen der Regionalpolitik auf die Erreichung der Konvergenzkriterien durch die Mitgliedstaaten und überprüft die Zustimmung zur EU aufgrund der Förderung durch die Regionalpolitik. Das Ergebnis seiner empirischen Untersuchungen ist für die Zielerreichung der europäischen Regionalpolitik ähnlich niederschmetternd wie Wellenhofers Ergebnisse: Für die Stabilisierungsfunktion lässt sich keinerlei Wirksamkeit nachweisen; die Wachstumseffekte der Regionalpolitik waren sehr gering und nur in den strukturschwächsten Regionen überhaupt nachweisbar; Umverteilungswirkung ist zwar nachweisbar, aber mit extrem vielen Ausreißern.745 Eine Verringerung der Disparitäten lässt sich nur nominal belegen, der Gini-Koeffizient für das Pro-Kopf-BIP in Kaufkraftparitäten indiziert in Holtzmanns Untersuchung sogar eine Zunahme der Disparitäten. Misst man die Konvergenz anhand der vier Konvergenzkriterien, so trug die Regionalpolitik der EU sogar kontraproduktiv zum Erreichen dieser Ziele bei.746
738 Vgl. Wellenhofer, Thomas: Der Beitrag der EG-Regionalpolitik zur Verringerung der Einkommensdisparitäten in der Europäischen Union – Eine empirische Analyse, 1997, S. 204 – 212. 739 Ebd., S. 212 – 244. 740 Ebd., S. 245 – 247. 741 Vgl. Holtzmann, Hans-Dieter: Regionalpolitik der Europäischen Union – Eine Erfolgskontrolle in theoretischer und empirischer Sicht, 1997, S. 289 – 353. 742 Ebd., S. 353 – 507. 743 Ebd., S. 507 – 528. 744 Ebd., S. 528 – 542. 745 Ebd., S. 546. 746 Ebd., S. 673 – 674.
202
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Agenda 2000 und ihre Auswirkungen auf die Strukturpolitik Das Treffen der Staats- und Regierungschefs im März 1999 in Berlin brachte, wohl auch in Kenntnis der wachsenden Kritik an der Strukturpolitik der EU und dem Erreichen des Konvergenzziels, erneut einschneidende Veränderungen. In der Mittelausstattung konnten die Strukturfondsmittel erstmals nicht weiter zulegen. Wurden die Mittel etwa 1988 für den Zeitraum 1987 – 1993 real verdoppelt und diese dann 1992 nochmals kräftig auf 200 Mrd. ECU für 1993 – 1999 aufgestockt, wurden sie für 2000 – 2006 auf 213 Mrd. A (incl. Kohäsionsfonds) festgelegt, wobei die Kommission ursprünglich 218,4 Mrd. A forderte.747 Dafür wurden aber noch zusätzliche 18,2 Mrd. A strukturpolitische Mittel für die Beitrittskandidaten (incl. PHARE-Programm) bereitgestellt. 748 Die genaue finanzielle Vorausschau findet sich in Tabelle 4. Nachdem die Agenda 2000 nur eine rein rechnerische Aufteilung der Strukturhilfen vornehmen konnte, da die Zahl der Beitrittskandidaten und das Datum des Beitritts noch nicht bekannt waren, wurde auf dem Kopenhagener Gipfel am 12. und 13. Dezember 2002 für die 10 Staaten, denen der Beitritt zur Europäischen Union für Mai 2004 zugesagt wurde, folgende in der Tabelle 5 (auf S. 204) aufgeführte maximale erweiterungsbedingte Zahlungsverpflichtungen ausgehandelt. Neben der finanziellen Ausstattung wurde aber auch bereits in der Agenda 2000 die „Förderkulisse“ reduziert, indem die Ziele gebündelt wurden, die Verfahren vereinfacht und die Ausgabenkontrolle effektiver gestaltet wurde. Das Zielsystem der EG-Strukturfonds nach der Reform 1999749 Ziel Nr. 1: Förderung von Regionen mit Entwicklungsrückstand. Ziel Nr. 2: Wirtschaftliche und soziale Umstellung von Gebieten mit Strukturproblemen. Ziel Nr. 3: Anpassung und Modernisierung der Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitiken und -systeme, und zwar unabhängig von einer regionalen Bindung.
Durch diese Konzentration werden jetzt nur noch ca. 35 – 40 % der EU-Bevölkerung einbezogen, im Förderzeitraum 1994 – 1999 waren es noch 50 %. Ziel Nr. 1 Regionen bleiben solche mit weniger als 75 % BIP / Kopf des Gemeinschaftswertes. Dies soll strikt angewendet werden, für herausfallende Regionen gibt es 747 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Gemeinschaftspolitiken zur Förderung der Beschäftigung, 1999, S. 12 748 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Agenda 2000: Die Finanzierung der Europäischen Union, 1999 749 Vgl. VO des Rates Nr. 1257 / 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen vom 17. Mai 1999.
Quelle: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Tabelle A: Finanzielle Vorausschau EU-15, 1999.
Tabelle 4: Finanzielle Vorausschau 2000 – 2006 nach der Agenda 2000 Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU 203
204
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum Tabelle 5 Kopenhagener Beschlüsse zu den maximalen erweiterungsbedingten Zahlungsverpflichtungen der EU in Mio. E
Landwirtschaft Gemeinsame Agrarpolitik
2004
2005
2006
1897
3747
4147
327
2032
2322
Entwicklung ländlicher Gebiete
1570
1715
1825
Strukturpolitische Maßnahmen
6070
6907
8770
Strukturfonds
3453
4755
5948
Kohäsionsfonds
2617
2152
2822
Interne Politikbereiche
1457
1428
1372
Bestehende interne Politiken
846
881
916
Nukleare Sicherheit
125
125
125
Aufbau von Institutionen
200
120
60
Schengen-Fazilität
286
302
271
503
558
612
1011
744
644
Verwaltungsausgaben Spezielle cash flow Fazilität Zeitlich begrenzter Budgetausgleich Summe
262
429
296
11200
13813
15841
Quelle: Europäischer Rat: Schlussfolgerungen des Vorsitzes – Kopenhagen, 12. und 13. Dezember 2002, 2003, S. 11 – 12.
Übergangsfristen von 6 Jahren. Dünn besiedelte Regionen Österreichs, Schwedens und Finnlands (vorher Ziel 6) gehören auch zu Ziel Nr. 1 Regionen. Ziel Nr. 2 Regionen bestehen aus von Deindustrialisierung betroffenen Gebieten, ländlichen rückläufigen Räumen, Problemgebieten in Städten u. ä. Dabei sind die Hauptkriterien hohe Langzeitarbeitslosigkeit, rückläufige Bevölkerung und Anzeichen großer Armut. Ziel Nr. 3 Regionen werden ausschließlich mit Mitteln des Sozialfonds gefördert, die Ziele Nr. 1 und Nr. 2 ergänzend, wenn Humanressourcen betroffen sind.750 70 % der Mittel entfallen nunmehr auf Ziel Nr. 1, 11,5 % auf Ziel Nr. 2, 12,3 % auf Ziel Nr. 3 Regionen751, Maßnahmen aus dem Sozialfonds machen dabei ein 750 Anlässlich der Reform der Strukturfonds veröffentlichte die Kommission eine ausführliche Analyse. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Eine vergleichende Analyse Reform der Strukturfonds 2000 – 2006, 1999. 751 Der restliche Anteil ist statistisch nicht aufgliederbar. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Entscheidungen vom 01. 07. 1999 (1999 / 500 – 505) über die vorläufige bzw. indikative Aufteilung der Verpflichtungsermächtigungen auf die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ziele 1 bis 3 der Strukturfonds für den Zeitraum 2000 bis 2006, 1999, S. 47 ff.
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
205
Drittel der Strukturfonds aus.752 Die Zahl der Gemeinschaftsinitiativen wird auf die drei Programme INTERREG (Zusammenarbeit mit Beitrittsregionen), EQUAL (gleicher Zugang zum Arbeitsmarkt) und Leader (Entwicklung des ländlichen Raums) begrenzt und mit 5 % der Strukturmittel ausgestattet. Dazu kam es noch zu formalen Veränderungen, so darf etwa die Gesamtförderung eines Staates aus Strukturmitteln nur max. 4 % des BIP betragen (sogenannte Obergrenze), 75 % der Gesamtkosten der Projekte, die nach Ziel Nr. 1 gefördert werden können nun von der Gemeinschaft übernommen werden, in extremen Randlagen sogar 85 %. Für Ziel Nr. 2 und Nr. 3 Regionen gelten 50 %. Dazu wurde noch beschlossen, den Kohäsionsfonds mit der Konditionalität des Einhaltens des Stabilitäts- und Wachstumspaktes weiterzuführen, die Kriterien 2003 aber neu zu überprüfen. Dazu kommen Schlagworte wie „Bürokratieabbau“, „Klärung von Zuständigkeiten“, „Flexibilisierung“ und „Dezenralisierung“, die das Fördersystem effizienter machen sollen.753 Finanzielle Ausstattung der Strukturfonds seit 1980 Abbildung 13 (auf S. 206) gibt einen Überblick über die Entwicklung der finanziellen Entwicklung der Strukturfonds seit 1980. Die Abbildung 13 zeigt die beschriebene reale Verdoppelung der Strukturfonds von 1987 – 1993, dann einen durch den Neubeginn der Förderperiode verursachten kurzen Rückgang, aber eine nochmalige Aufstockung der Fondsmittel auf rund 200 Mrd. ECU für die Periode 1993 – 1999. Durch die Agenda 2000 wurde die Mittelhöhe faktisch eingefroren, wenn man berücksichtigt, dass für die Jahre ab 2001 noch der Inflationsausgleich vorgenommen werden muss. Eine nominelle Erhöhung bringen lediglich die 14,1 Mrd. A Erhöhung der Strukturfonds (ohne Kohäsionsfonds) ab 2004 (farblich abgesetzt) für die Beitrittsländer. Abbildung 14 relativiert diesen Anstieg und setzt die Ausgaben für die Strukturfonds in Relation zum Gemeinschafts-Bruttoinlandsprodukt. Die aktuelle geltende Eigenmittelobergrenze des EU-Haushaltes beträgt 1,27 %, wird aber in den letzten Jahren nicht mehr voll ausgeschöpft. Somit machen die Strukturfonds über 25 % des Gemeinschaftshaushalts aus. Die relative Betrachtungsweise zeigt, dass die im Delors-I-Paket 1988 beschlossene Verdoppelung der Strukturfondsmittel bis 1993 auch eine relative Erhöhung des Anteils der Strukturfondsmittel von 19 % auf 35 % des Gemeinschafts-BIP mit sich brachte. Das Delors-II-Paket von 1992 konnte den Anteil auf 37 % stabilisieren, während durch die finanziellen Beschlüsse der Agenda 2000 der Anteil wieder leicht rückläufig sein wird, aber mittlerweile über ein Drittel der Gemeinschaftsmittel für Strukturpolitik verwendet wird. 752 753
Vgl. Seidel, Bernhard: Regional-, Struktur-, und Kohäsionspolitik, 2002, S. 327 – 328. Vgl. Franzmeyer, 2001, S. 287 – 288.
206
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
35000
30000
Mio. ECU/
25000
20000
15000
10000
5000
0
1 980
1 981
1 982
1 983
1 984
1 985
1 986
1 987
1 988
1 989
1 990
1 991
1 992
1 993
1 994
1 995
1 996
1 997
1 998
1 999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 2002; Stat. Jahrbuch für das Ausland, diverse Jahrgänge.
Abbildung 13: Entwicklung der finanziellen Ausstattung der Strukturfonds 1980 – 2006754 0 , 50 % 0 , 4 5% 0 ,4 0 % 0 , 3 5% 0 ,3 0 % 0 , 2 5% 0 ,2 0 % 0 , 15% 0 ,10 % 0 , 0 5% 0 ,0 0 % 1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung 14: Anteil der Strukturfonds am gemeinschaftsweiten BIP 1980 – 2001
754 Strukturfondsmittel ohne Kohäsionsfonds, auf Grundlage der Kopenhagener Beschlüsse. Dabei ist zu beachten, dass bis zum Jahr 2001 die Werte in den jeweiligen Preisen des Jahres ausgedrückt sind, die Prognosewerte allerdings in Preisen von 1999 ausgedrückt sind, also noch ein Inflationsaufschlag nötig ist, um die realen Werte zu berechnen.
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
207
Dass finanzielle Anstrengungen allein allerdings nicht unbedingt zum Kohäsionsziel beitragen, zeigen nicht nur die Arbeiten von Wellenhofer und Holtzmann, sondern auch die vernichtende Kritik des Europäischen Rechnungshofes: Gerade die höchstbedachtesten Länder Griechenland und Spanien erreichten nur eine Quote von 69,9 % bzw. 79,0 % der Zahlungen in Abhängigkeit von den Plangrößen, obwohl ihnen 97,3 % bzw. 103,5 % der Plangrößen bewilligt wurden.755 Offensichtlich führen die nationalen Kofinanzierungsverpflichtungen, die aus Anreizgründen unerlässlich sind und schon jetzt bei der relativ geringen Kofinanzierungsquote wohl zu enormen Mitnahmeeffekten führten,756 zu einer schwierigen Absorption der Mittel. Statt aber dieses Problem zum Anlass zu nehmen, die gesamte Regionalpolitik zu überdenken, konzentrieren sich die Bemühungen nach Einschätzung des Europäischen Rechnungshofes nur auf eine „Maximierung der Mittelausschöpfung“.757 In einer Befragung fand der Rechnungshof unter den 16 wichtigsten Gründen, warum die Mittel nicht in Anspruch genommen wurden, 12 Gründe, die sich unter eine schwerfällige und unkoordinierte Verwaltung in der EU oder einem Mitgliedstaat subsumieren lassen.758 Laut Franzmeyer ist die Differenz und Unverträglichkeit der nationalen und gemeinschaftlichen Verfahren zu groß und eine Harmonisierung zu langwierig bzw. aussichtslos. Dazu ist „auch nach den jüngsten Reformen ( . . . ) die Zielstruktur der europäischen Kohäsionspolitik immer noch zu komplex“759. Ähnlich urteilt Karl über die letzten Reformschritte: „Sieht man von marginalen Verbesserungen ab, sind die Erfolgschancen der Reform skeptisch zu beurteilen. ( . . . ) Eine regionalökonomisch fundierte Neuausrichtung fehlt, und großzügige Übergangsregeln verhindern eine Konzentration der Ausgaben auf Problemräume.“760 Aber nicht nur diese politischen Wertungen, auch neueste ökonometrische Untersuchungen bestätigen die Einschätzung von der relativen Wirkungslosigkeit und Ineffizienz der bisherigen europäischen Kohäsionspolitik: Boldrin und Canova untersuchen in einer breit angelegten Untersuchung die Divergenz- und Konvergenzthese und den relativen Erfolg von Regionen, die mit Strukturfondsmittel bedacht wurden, im Vergleich mit den anderen Regionen. Sie kommen in weiten Teilen zu ähnlichen Ergebnissen wie Wellenhofer und Holtzmann und liefern darüber hinaus noch neuere Erkenntnisse: Real gab es kaum Konvergenz, nominal schon, allerdings nur zwischen den ärmsten und mittleren Regionen, während sich die reichsten weiter entfernt haben. Langfristig stellen sie vielmehr eine Konvergenz der 755 Vgl. Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht Nr. 16 über die Ausführung der Mittel für Strukturmaßnahmen im Programmplanungszeitraum 1994 – 1999, 1998, S. 66. 756 Vgl. Wellenhofer, 1997, S. 174. 757 Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht Nr. 15, 1998, S. 13. 758 Vgl. Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht Nr. 16, 1998, S. 77 – 79. 759 Franzmeyer, 2001, S. 290. 760 Karl, Helmut: Die Reform der Kohäsionspolitik der Europäischen Union, 2000, S. 149 – 150.
208
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Wachstumsraten des BIP fest, aber nicht der Pro-Kopf-Einkommen.761 In ihrer Untersuchung wählten sie verschiedene Wachstumsmodelle, die von Agglomeration und zunehmenden Skalenerträgen ausgingen, wie Krugman dies postuliert. Jedoch konnte auch eine Divergenz nicht festgestellt werden. Des weiteren untersuchten die Autoren die Länder Griechenland und Spanien und fanden keinen statistisch signifikanten Hinweis, dass die Strukturfondszahlungen die Wachstumsraten von Arbeits- oder Gesamtfaktorproduktivitäten (positiv) beeinflusst hätten. Eine Konvergenz bei den Arbeitslosenraten konnte nicht festgestellt werden. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass „( . . . ) in the long run, the process of economic growth affects most regions in the same proportional way. ( . . . ) very poor regions do not fall off the cliff, on the contrary some of them become richer than average (Ireland) when markets are allowed to operarte.“762 Auch Boldrin und Canova kommen zu dem Ergebnis, dass die NUTS 2 Regionen in etwa mit gleicher Wachstumsrate wachsen, einige „luckier ones“ verbessern sich allerdings und holen auf, einige „unluckier ones“ verschlechtern sich. Sollte das Ziel einer verstärkten Konvergenz wirklich erreicht werden, müsste vielmehr die Arbeitsmobilität erhöht werden und ein massives System des Fiskalföderalismus errichtet werden.763 Trotz aller Probleme, die Wirkungen der EU-Strukturpolitik genau zu messen und abzuschätzen764, ob es etwa ohne die Strukturfonds zu einer divergenteren Entwicklung gekommen wäre, belegen alle Untersuchungen, dass sich bis auf den „Ausreißer“ Irland kaum Konvergenzschritte im realen PKE in der EU feststellen lassen. Dazu kommt noch die von der EU-Kommission selbst gemessene Zunahme der regionalen Spezialisierung der Industrie in verschiedenen Regionen (vgl. Kap. 4, C. III. 4.). Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens exogener asymmetrischer Schocks ist also durch gut 25 Jahre europäische Strukturpolitik nicht kleiner geworden. Deshalb muss man sich fragen, ob man das System der Strukturfonds nicht durch ein System oder wenigstens erste Elemente eines echten Finanzausgleichs ergänzen sollte. Das jetzige „Bruttosystem“, bei dem fast alle regionalen Ausgleichswirkungen über die Ausgabenseite des EU-Budgets erreicht werden und die EU selbst keine eigene Steuerquelle hat765, lässt den Mitgliedstaaten, verbunden mit ihrem Vetorecht, alle Möglichkeiten, eine wirksame Kohäsionspolitik 761 Vgl. Boldrin, Michele / Canova, Fabio: Inequality and convergence in Europe’s regions: reconsidering European regional policies, 2001, S. 241 – 242. 762 Ebd., S. 243. 763 Ebd. 764 Vgl. Jörn-Steffen Pischke (2001), der in der Diskussion des Boldrin und Canova-Papers bezweifelt, ob man mit den heutigen ökonotmetrischen Modellen und der bisherigen Zeitreihe der Strukturpolitik die Konvergenzwirkungen, die speziell auf die Strukturpolitik zurückzuführen sind, genau identifizieren kann. S. 245 – 247. 765 Einschränkend muss aber auf die leicht progressive Wirkung der Einnahmen der EU hingewiesen werden. Zur Einnahmesystem des EU-Haushaltes, etwa der Diskussion um den rückläufigen regressiven Mehrwertsteueranteil und die Ablehnung einer eigenen EU-Steuerquelle selbst durch die Kommission vgl. Busch, Berthold: Zur künftigen Finanzierung der Europäischen Union, 1998, S. 14 – 20.
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
209
zu vermeiden. So lässt sich in diesem System die „Nettolast“766 der Mitgliedstaaten am einfachsten verdeutlichen und liefert so die Argumente, eine weitere Erhöhung der Strukturmittel zu blockieren, wie dies bei den Verhandlungen zur Agenda 2000 geschah.767 Auch der zweite Kohäsionsbericht der Kommission von 2001768 vermeldetet kaum Fortschritte bei den Kohäsionsbemühungen. Dies löste eine intensive Debatte über die europäische Kohäsionspolitik nach 2006 aus, wenn ein neuer finanzieller Rahmenplan, dann für eine EU-25, ausgearbeitet werden muss. Dazu fand im Frühjahr 2001 ein Kohäsionsforum mit mehr als 1800 Delegierten in Brüssel statt. Die Zahl der Teilnehmer belegt, um welchen großen Anteil des EU-Budgets bereits jetzt die Verteilungskämpfe beginnen. Zahlreiche Stellungnahmen und Beiträge europäischer, nationaler und regionaler Behörden und Interessensgruppen gingen bei der Kommission ein.769 In einem weiteren Kohäsionsbericht Ende 2003 wird die Kommission dazu Stellung beziehen und ihre Vorstellungen der zukünftigen Kohäsionspolitik darlegen. Festzustellen bleibt aber, dass die bisherigen Reformversuche zur Konzentration der Mittel, zum Abbau der Bürokratie und zur Vereinfachung der Verwaltungsabläufe innerhalb der EU bisher nicht weit genug gegriffen haben. Auch die Kommission stellt fest, dass die verwaltungstechnischen Änderungen in der Umsetzung der europäischen Strukturpolitik nur sehr begrenzt dazu beigetragen haben, die Verwaltung der Mittel zu vereinfachen, die Effizienz zu verbessern und die Mittel zu konzentrieren.770 Für die Erweiterung der Union um 10 mittel- und osteuropäische Staaten sieht die Kommission besonders große Herausforderungen für die Kohäsionspolitik auf die Union zukommen: „Dieser Zwischenbericht bestätigt, dass sich zum einen die Disparitäten innerhalb einer erweiterten Union in bislang einmaliger Weise verschärfen werden und sich diese zum anderen nur durch langfristige Maßnahmen verringern lassen.“771 Beim Pro-Kopf-BIP wird sich – gegenüber der heutigen Situation in der Fünfzehnerunion – der Abstand zwischen den 10 % der Bevölkerung, die in den wohlhabendsten Regionen leben, und den 10 % der Bevölkerung in den am wenigsten wohlhabenden Regionen mehr als verdoppeln. 766 Eine ausführliche Darstellung zum Stand der Debatte über die Nettozahlerpositionen, empirische Befunde und dynamische Effekte findet sich ebenda, S. 25 – 34. 767 Vgl. Franzmeyer, 2001, S. 299 – 301. 768 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Zweiter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt vom 31. 1. 2001. 769 Sämtliche Vorschläge und Forderungen der Interessensgruppen sind nachzulesen unter: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Zweites Europäisches Kohäsionsforum Begleitende Texte, Reden und Berichte, 2001. 770 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Erster Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, 2002, S. 4 – 5. 771 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Zweiter Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, 2003, S. 3.
14 Deinzer
210
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Es wird zu einer geografischen Verlagerung der Disparitätsmuster kommen, in einem Europa mit 25 Mitgliedstaaten werden 116 Millionen Einwohner – das sind etwa 25 % der Gesamtbevölkerung – in Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP von weniger als 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts leben (heute sind dies 68 Millionen Einwohner oder 18 % der Gesamtbevölkerung der Fünfzehnerunion). Davon werden vier von zehn Einwohnern in Regionen der derzeitigen Mitgliedstaaten, sechs von zehn hingegen in den Beitrittsländern ansässig sein. Angesichts des Trends einer rückläufigen Beschäftigungsquote und der höheren Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit in den Beitrittsländern müssen dort drei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden, um den Beschäftigungsdurchschnitt an den der Fünfzehnerunion anzugleichen. Innerhalb einer erweiterten Union wird es weiterhin beträchtliche, vor allem alters-, geschlechts- und qualifikationsbedingte Beschäftigungsdisparitäten geben.772 Zu diesen enormen neuen Herausforderungen an die Kohäsionspolitik durch die Osterweiterung kommt noch ein weiteres Problem, welches der Strukturpolitik seit ihrem Bestehen inhärent ist: Die Mittel aus den Strukturfonds und des Kohäsionsfonds wurden in der Vergangenheit häufig dazu benutzt, Mitgliedstaaten für unliebsame Integrationsschritte in anderen Politikbereichen finanziell zu entschädigen.773 In diesem Feld bietet die Europäische Union ein perfektes Versuchslabor für Analysen der Neuen Politischen Ökonomie auf dem Feld des Tullock’schen Stimmentauschmodells bei Einstimmigkeitserfordernis.774 Eine europäische Arbeitslosenversicherung hingegen würde die Regionen mit der höchsten Arbeitslosigkeit entlasten und das Problem eines politischen Verteilungskampfes um Kohäsionsmittel verringern.
B. Notwendigkeit der Stabilisierungsfunktion Während die Konvergenzpolitik langfristig die Entwicklung zu ähnlichen Wirtschaften befördern will, um asymmetrische Schocks unwahrscheinlich zu machen, soll die Stabilisierungsfunktion kurzfristig aufgetretene Wachstumsdivergenzen ausgleichen. Das Kapitel über Optimale Währungsräume hat deutlich gemacht, wie wichtig die automatische Stabilisierung für einen Währungsraum ist. Kapitel 4, C. III. 5. hat ausführlich die empirischen Ergebnisse zu der Stabilisierungsfunktion in Bundesstaaten geliefert. Kapitel 5 hat gezeigt, dass die Europäische Union sich aber schrittweise gerade von den Ideen eines Fiskalföderalismuses verabschiedet Edd, S. 2. Vgl. Toepel, Kathleen: Regionalpolitik und Infrastruktur, 2002, S. 178 – 179. Einen Überblick über die „Kompensationsgeschäfte“ bei der Entwicklung der Struktur- und des Kohäsionsfonds geben Reichenbach, Horst / Emmerling, Thea / Staudenmayer, Dirk / Schmidt, Sönke in: Integration: Wanderung über europäische Gipfel, 1999, 71 – 87. 774 Vgl. Hart, 1997, S. 35 – 36. 772 773
Kap. 6: Erforderlichkeit eines fiskalischen Föderalismus in der EWWU
211
hat und in Kapitel 7 wird verdeutlicht werden, welche Auswirkungen das auf die Stabilisierungsfunktion innerhalb der EWWU hat. Gros stellt theoretische Anforderungen an einen europäischen „fiscal shockabsorber“: Er sollte so automatisch und so unsichtbar wie möglich funktionieren und sein Zweck sollte nicht in der Egalisierung von Einkommensunterschieden liegen, aber einen zuverlässigen Versicherungsschutz gegen länderspezifische Schocks gewährleisten.775 Da aber „assistance that involves a large discretionary element would be subject to ,bureaucratic capture‘ and would pose obvious moral dilemmas“, könnte eine Art europäischer Arbeitslosenversicherung sofort und ohne diskretionäre Spielräume von Bürokraten wirken. Zentrale Idee ist, dass Länder mit überdurchschnittlicher Zunahme der Arbeitslosigkeit einen Transfer von Ländern mit unterdurchschnittlicher Veränderung der Arbeitslosigkeit erhalten. Als erste Vertreter dieser Ideen werden häufig Eichengreen (1990)776 und Bean et al. (1990)777 genannt778, doch wird dabei vergessen, dass bereits im sogenannten „Marjolin-Bericht“779 der Europäischen Kommission von 1975 ein solcher Vorschlag gemacht wurde.780 Die Studiengruppe attestierte den damals fehlenden politischen Willen und die konzeptionellen Fehler des „WernerPlans“781 und empfahl die Beteiligung der Gemeinschaft an der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung. Diesen Vorschlag griff der „MacDougall-Bericht“ wieder auf und thematisierte erstmals die Umverteilungswirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung. Auch lässt sich schon hier die Formulierung „Tragfähigkeit“ statt Optimalität eines Währungsraumes finden und zwar konkret im Zusammenhang mit der Einführung eines europäischen Arbeitslosenfonds: „Abgesehen von dem politischen Reiz, den einzelnen Bürger in direkten Kontakt mit der Gemeinschaft zu bringen, hätte ein derartiger Fonds eine spürbare Umverteilungswir775 Vgl. Gros, Daniel: Towards Economic and Monetary Union: Problems and Prospects, 1996, S. 75. 776 Vgl. Eichengreen, Barry: One money for Europe? Lessons from the US currency union, 1990, S. 163. 777 Vgl. Bean, Charles / Bernholz, Peter / Danthine, Jean-Pierre / Malinvaud, Edmond: European labour markets: a long-run view, 1990, S. 21. 778 So etwa von Gros oder Obstfeld und Peri. Vgl. Gros, 1996, S. 75 und Obstfeld / Peri, 1998, S. 43. 779 Der „Marjolin-Bericht“ sollte die Ergebnisse der seit 1969 unternommenen Bemühungen zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion zusammenfassen. Diese Bemühungen nahmen ihren Beginn im Schlusskommuniqué der Gipfelkonferenz von Den Haag 1969 über den sogenannten „Barre-Plan“ bis hin zum Stufenplan zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion von 1970, der als sogenannter „Werner-Bericht“ Berühmtheit erlangte. Vgl. ausführlich zu den ersten Versuchen der Errichtung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion: Harbrecht, Wolfgang: Europa auf dem Wege zur Wirtschaftsund Währungsunion – Theoretische und politische Probleme der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft, 1981, S. 97 – 111. 780 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Studiengruppe „Wirtschafts- und Währungsunion 1980“, 1975. 781 Vgl. Harbrecht, Wolfgang, 1981, S. 107 – 110.
14*
212
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
kung und würde dazu beitragen, zeitweilige Rückschläge in bestimmten Mitgliedsländern zu dämpfen und dadurch eine kleine Wegstrecke in Richtung auf eine Situation zurückzulegen, in der eine Währungsunion tragbar würde.“782 Die Berechnungen des „MacDougall-Berichts“ werden im Kapitel über die europäische Arbeitslosenversicherung kurz nachvollzogen (vgl. Kap. 9, A.). Kapitel 7 soll nun näher die aktuelle Konstruktion der WWU überprüfen und sie v. a. auf ihre Stabilisierungsfunktion hin kritisch beurteilen.
Kapitel 7
Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion – Wiederbelebung der Idee einer gemeinschaftlichen Stabilisierungsfunktion A. Neue Empirie Nachdem die Entscheidung gegen eine Stabilisierungsfunktion auf Gemeinschaftsebene gefällt war, die bereits im „Delors-Bericht“ vorbereitet wurde und mit den Bestimmungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ihren Abschluss nahm, definiert die EU-Kommission die Prinzipien der Fiskalpolitik in der EU wie folgt: – Disziplin, um die Budgetkonsistenz zu gewährleisten; – Flexibilität, um den nationalen Fiskalpolitiken die Kapazität für eine Reaktion auf asymmetrische Schocks zu belassen; – Koordination, um eine optimale Fiskalpolitik für die Wirtschafts- und Währungsunion zu erreichen.783
Sie gibt auch zu, dass der Ansatz der Fiskalpolitik der Kommission, wie auch aller anderen Gemeinschaftsorgane „has clearly been influenced by the overriding objective of meeting the public finance convergence ( . . . )“.784 In weiser Voraussicht der aktuellen Debatten um den Stabilitäts- und Wachstumspakt erklärt sich die Kommission 2000 zwar zufrieden mit der erreichten Beeinflussung der Öffentlichkeit bezüglich des Themas Konvergenz und den mittelfristigen Zielen für einen ausgeglichenen Haushalt der Mitgliedstaaten, doch sorgt sie sich um die Dauerhaftigkeit dieses Konsenses. Deshalb hat die Kommission einen wissenschaftlichen 782 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band I: Generalbericht, 1977, S. 17. 783 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Public Debt and Fiscal Policy in EMU, Foreword, 2000, S. 1. 784 Ebd.
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
213
Kongress zu diesem Thema abgehalten, dessen Ergebnisse in der Ausgabe 2 / 2000 von European Economy präsentiert wurden. Die entscheidende Untersuchung zum Thema fiskalische Unabhängigkeit und Stabilisierung darin stammt von Mélitz. Er kommt in seiner Ausgangsüberlegung zur gleichen Analyse wie Kapitel 5 dieser Arbeit: Der aktuelle Konsens der Überlegungen der Europäischen Kommission liegt in der Annahme, dass die automatischen Stabilisatoren der einzelnen Mitgliedstaaten so stark sind, dass diese allein asymmetrische Schocks ausgleichen und eine zusätzliche diskretionäre Fiskalpolitik nicht notwendig ist.785 Um diese Hypothese zu überprüfen, untersucht er für einen Zeitraum von 1959 bis 1995 für 19 OECD-Staaten die Wirkungsweise von automatischen Stabilisatoren. Dazu testet er in 2SLS- und 3SLS-Modellen den Zusammenhang von Geld- und Fiskalpolitik und Veränderungen im Output. Stabilisierende Fiskalpolitik bedeutet in seinem Kontext die Veränderung der Richtung des Staatsbudgets bezüglich einer Änderung des Konjunkturzyklus.786 Dabei benützt er als fiskalpolitische Komponente den Haushaltsüberschuss ohne Zinszahlungen dividiert durch den Potentialoutput. In einem ersten Schritt zerlegt er diese Komponente in eine Quote Staatskonsum
GC + Transfers
TR dividiert durch den Potentialoutput und eine Quote Steuereinnahmen
T – öffentliche Investitionsausgaben
Gi dividiert durch den Potentialoutput Y und testet eine jährliche Veränderung dieser abhängigen Variablen gegen eine Veränderung von Y =Y . Für den gesamten Datensatz kommt er auf (signifikante) Werte für die erste Quote von 0,21, für die zweite von 0,34. Ein Sinken des Outputs führt also zu einem nur unterproportionalen Rückgang des Staatskonsums und der Transferzahlungen einerseits und der Steuereinnahmen abzüglich der Investitionsausgaben andererseits. Bezogen auf die Outputveränderung der Vorperiode ist der Wert bezüglich der ersten Quote –0,02, bezüglich der zweiten –0,08. Staatskonsum und Transferzahlungen reagieren also mit einem Timelag invers auf Outputveränderungen.787 Anschließend zerlegt Mélitz die zweite Quote nochmals in eine Staatskonsum- und eine Transferquote und testet dann erneut. Das eindeutige Ergebnis: „The lagged stabilizing response of fiscal policy to the cycle can be seen to be essentially the work of transfer payments [especially] of unemployment compensation“.788 Die Ergebnisse von Mélitz lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die automatische stabilisierende Wirkung des Staatsbudgets ist weitaus geringer als sonst angenommen, die größte Stabilisierung kommt dabei durch die Arbeitslosenversicherung. Fatás und Mihov errechnen für fast die identische Datenauswahl eine durchschnittliche Reaktion des Haushaltsdefizits auf den Konjunkturzyklus in den 785 Vgl. Mélitz, Jacques: Some cross-country evidence about fiscal policy behaviour and consequences for EMU, 2000, S. 3. 786 Ebd., S. 4. 787 Ebd., S. 8 – 9. 788 Ebd., S. 11.
214
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
OECD-Staaten von –0,5789, Viren von –0,55790 und Gavin und Perotti von –0,37791, was in etwa den Berechnungen der OECD entspricht.792 Nur Wyplosz kommt auf eine ähnlich geringe automatische Stabilisierung wie Mélitz.793 Wie lassen sich diese unterschiedlichen Ergebnisse erklären? Der entscheidende Unterschied in den Studien ist die Definition von „automatischer Stabilisierung“. Dies wird am deutlichsten in der Sichtweise der EU-Kommission: Sie untersucht auch die Phasen von Expansion und Rezession, die Entwicklung der Staatsdefizite und berechnet die Wirkung automatischer Stabilisatoren. Auch sie kommen auf Werte ähnlich denen der OECD von –0,5. Dass aber die Haushaltsdefizite während der Phasen geringen Wachstums faktisch konstant blieben und nur an den Spitzen etwas abnahmen erklärt die Kommission mit der Exogenität der staatlichen Ausgaben.794 So sehen die meisten Studien zur automatischen Stabilisierung also nur die Steuereinnahmen und Transferausgaben als endogene Variablen an, die auf Outputveränderungen reagieren. Mélitz hingegen kommt zu einem anderen Schluss: Man muss die prozyklische Wirkung der Staatsausgaben als automatische Komponente verstehen und dies bei der Berechnung der Wirkungen berücksichtigen. Er begründet es mit den Erkenntnissen der Neuen Politischen Ökonomie:795 „Like many an ordinary organisation, government could simply loosen its purse strings when receipts abound and do the opposite when revenues merely trickel in.“796 Etwa steigen in Boomphasen die Gehälter der Beamten stärker an, Beförderungen sind leichter möglich, größere Budgets für einzelne Ministerien sind leichter durchsetzbar, die Freizügigkeit, öffentliche Ansprüche zu gewähren, steigt.797 Natürlich ist daran nicht nur die Angebotsseite, sondern auch die Nachfrageseite beteiligt. So berechnete Harbrecht in einer Querschnittsanalyse über 18 Industrieländer über Sozialausgaben pro Kopf und Pro-Kopf-Einkommen eine Einkommenselastizität der Nachfrage nach Sozialleistungen von 1,26.798 Sozialleistungen haben also einen LuxusgutVgl. Fatás, Antonio / Mihov, Ilian: Measuring the effects of fiscal policy, 1998, S. 14. Vgl. Viren, Matti: Do the OECD countries follow the same fiscal rule?, Tabelle 1, Spalte D1 – D3. 791 Vgl. Gavin, Michael / Perotti, Roberto: Fiscal Policy in Latin America, 1997, S. 64. 792 Vgl. Van den Noord, Paul: Automatic stabilisers in the 1990s and beyond, 2000, S. 22. 793 Vgl. Wyplosz, Charles: Economic policy coordination in EMU: Strategies and Institutions, 1999, S. 12. 794 Vgl. Buti, Marco / Sapir, Andre: Economic policy in EMU: A Study by the European Commission Services, 1998, S. 24. 795 Einen umfassenden Überblick über die Forschungsfelder gibt Hart, 1997 zum prozyklischen Handeln der Politiker und Bürokraten, vgl. S. 42 ff. und 55 ff. 796 Mélitz, Jacques: Some cross-country evidence about fiscal policy behaviour and consequences for EMU, 2000, S. 16. 797 Ebd. 798 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung, 1997, S. 196. 789 790
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
215
charakter und längere Phasen wirtschaftlichen Aufschwungs führen zu einer höheren Sozialausgabenquote. Bezieht man aber die destabilisierende Wirkung des Staatsbudgets als endogene Variable mit in die Berechnungen ein, so kommt man zu geringen Werten für die automatische Stabilisierung. Die Kommission reagierte auch auf diese, ihrer Politik widersprechenden, Aussage und bezeichnet die prozyklisch wirkenden Staatsausgaben als nur „quasi-automatisch“, gibt aber zu, dass „actual stabilisers may be smaller than purely automatic stabilisers“.799 Mélitz sieht an der destabilisierenden Wirkung der Ausgabenseite nichts weniger automatisches oder leichter zu reformierendes wie an der Stabilisierungswirkung der Steuereinnahmen und der Arbeitslosenversicherung und fasst die Debatte wie folgt zusammen: Therefore, based on the view that automatic stabilisers impinge heavily on the economy ( . . . ) the country members of EMU might possibly be expected to get smoothing of real activity from automatic stabilisers alone ( . . . ). But if automatic stabilisers are as weak as my study says, little smoothing of economic activity will come from this source.800
Je schärfer die Kritik an der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion wird und je schwerer sich die Mitgliedstaaten tun, die Konvergenzkriterien einzuhalten, desto mehr versucht die Kommission, die Wirksamkeit der reinen automatischen Stabilisierung durch die Haushalte der Einzelstaaten zu belegen. Doch auch in ihrer Analyse von 2002 muss die Kommission eingestehen, dass eine Voraussetzung für Optimale Währungsräume, nämlich die Offenheit, um große Kohäsion im Währungsraum zu besitzen (vgl. Kap. 4, B. I. 2.), dann problematisch wird, wenn Länder asymmetrisch von Schocks getroffen werden und die „heimischen“ Stabilisatoren nicht ausreichend wirken können. Die Effizenz der automatischen Stabilisierung, gemessen als Verhältnis der stabilisierenden Wirkung im Verhältnis zu der Größe der Stabilisatoren (öffentliches Budget, Sozialversicherungen) ist etwa in den USA um 20 % größer als in der Eurozone. Die Kommission erklärt ihr Ergebnis wie folgt: „In relative terms, however, the degree of smoothing extracted from a similar change in the budget balance is higher in the United States ( . . . ). This is maily due to higher external leakages in individual European countries which reduce the effectiveness of stabilisers.“801 Somit lassen sich zwei Einschränkungen der Wirksamkeit der automatischen Stabilisierungsfunktion für die Eurozone rein durch die nationalen Systeme festhalten:
799
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Public finances in EMU – 2000, 2000,
S. 65. 800 Mélitz, Jacques: Some cross-country evidence about fiscal policy behaviour and consequences for EMU, 2000, S. 17. 801 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Public finances in EMU – 2002, 2002, S. 25.
216
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
1. Die Haushaltspolitiken der Einzelstaaten können durch diskretionäre Eingriffe v. a. auf der Ausgabenseite prozyklisch wirken. Für 2002 stellte die Kommission selbst für Deutschland, Belgien, Österreich, die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Irland eine prozyklische Haushaltspolitik fest, was auch den theoretischen Haushalt der Euro-12-Zone prozyklisch wirken lies.802 2. Die zunehmende Offenheit innerhalb der EU, eigentlich gewünschte Vorraussetzung eines Optimalen Währungsraums, führt zu einer Abschwächung der Stabilisierungsfunktion der nationalen Systeme. Dies führt bei unvollständiger Kohäsion und damit wahrscheinlicheren asymmetrischen Entwicklungen zu keiner optimalen Stabilisierung. Doch wie hat sich das System des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bisher bewährt?
B. Aktuelle Verstöße gegen den Stabilitätsund Wachstumspakt Die aktuelle Entwicklung scheint eher die These von Mélitz zu belegen als die Vorstellungen der Kommission über die Wirkung des Paktes: Vielen Mitgliedstaaten ist es in den letzten Jahren trotz mäßigen Wachstums nicht gelungen, im Rahmen der Stabilitätsprogramme ihre Haushaltsdefizite in Richtung eines ausgeglichen Haushaltes zu bewegen. Der restriktive Impuls war weiterhin gering und das, obwohl nicht nur die automatische Stabilisierung hätte greifen müssen, sondern auch die beabsichtigte Rückführung der Defizite auf null, wie es der Stabilitäts- und Wachstumspakt vorsieht.803 Tabelle 6 verdeutlicht die unterschiedlichen Erfolge der Mitgliedstaaten, die Ziele der Konvergenzprogramme einzuhalten. Vor allem Portugal, Italien, Frankreich und Deutschland konnten ab 2001 ihre Versprechen, ihr Budget in Richtung eines ausgeglichen Haushates zu bewegen, nicht einhalten. Dagegen konnten Finnland, Irland, die Niederlande und Luxemburg sogar Überschüsse erzielen. Nun, da für Europa immer geringe Wachstumsraten prognostiziert werden, ist der Spielraum von 3 % notwendig, um die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Da aber etwa Deutschland 2002 mit einem Defizit von 3,6 % deutlich gegen das Neuverschuldungskriterium verstoßen hatte und ein Defizitverfahren gegen Deutschland läuft, fehlt die Möglichkeit einer antizyklischen Fiskalpolitik. Dieses Dilemma, welches in abgeminderter Form auch für andere Mitgliedstaaten gilt, führt nun zu einer Diskussion um die Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und die Möglichkeiten einer Umgehung. Dabei versuchen die StaatsEbd., S. 21. Art. 3 II lit a) der Verordnung (EG) Nr. 1466 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken. 802 803
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
217
Tabelle 6 Entwicklung des Haushaltsdefizits und des Schuldenstandes in den Eurostaaten 1999 – 2002 Defizit (–) in % des BIP
Land 1999
Öffentliche Verschuldung in % des BIP 2000
2001
2002
AUT
–2,3
67,5
–1,5
66,8
0,3
67,3
–0,6
67,9
BEL
–0,5
114,9
0,1
109,6
0,4
108,5
0,0
105,4
FIN
2,0
47,0
6,9
44,5
5,1
43,8
4,7
42,7
FRA
–1,8
58,5
–1,4
57,2
–1,5
56,8
–3,1
59,1
GER
–1,5
61,2
1,1
60,2
–2,8
59,5
–3,6
60,8
GRE
–1,8
105,1
–1,9
106,2
–1,4
107,0
–1,2
104,9
IRE
2,3
49,3
4,3
39,3
1,1
36,8
–0,1
34,0
ITA
–1,7
114,9
–0,6
110,6
–2,6
109,5
–2,3
106,7
LUX
3,5
6,0
6,1
5,6
6,4
5,6
2,6
5,7
NED
0,7
63,1
2,2
55,8
0,1
52,8
–1,1
52,6
POR
–2,8
54,3
–2,8
53,3
–4,2
55,6
–2,7
58,0
SPA
–1,2
63,1
–0,8
60,5
–0,1
56,9
–0,1
54,0
Quelle: Europäische Zentralbank, Monatsbericht April 2003, S. 66* – 67*.
männer durch eine möglichst vage Formulierung allen klaren Standpunkten aus dem Weg zu gehen. Zwar signalisieren sie der Kommission, dass der Pakt eingehalten wird, halten sich aber andererseits Spielräume für diskretionäres Handeln offen. Musterhaft kann man dazu wieder die „Schweiss- und Tränen-Rede“ des Bundeskanzlers vom 14. März 2003 heranziehen, in der er bezüglich der Verbindlichkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes alles und gleichzeitig nichts sagt: Deshalb halten wir am Ziel der Haushaltskonsolidierung und am Stabilitätspakt, den wir vereinbart haben, fest. Nur: Dieser Pakt darf eben nicht statisch interpretiert werden. Er lässt Raum und er muss auch Raum lassen für Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse. Phasen wirtschaftlicher Schwäche – in Deutschland und in Europa sind wir in einer solchen – dürfen eben nicht durch prozyklische Politik ausgeglichen werden. Wir sind uns in Europa mit unseren Partnern einig, dass wir auch Möglichkeiten zu Reaktionen auf unvorhersehbare Ereignisse brauchen, die möglicherweise als Folgen der Verschärfung von Krisen in Regionen in der Welt eintreten. Auch diese Möglichkeit gibt der Stabilitätspakt durchaus her. Wir werden diese Möglichkeiten zusammen mit unseren Partnern offensiv nutzen.804 804
Schröder, Gerhard: Mut zum Frieden, Mut zur Veränderung, 2003, o. S.
218
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Schröder spielt damit auf die Ausnahmeregel des Art. 104 II lit. a) 2.Sp.st. EGV an, die schwerwiegende Fehler bei der Haushaltsdisziplin nicht sieht, wenn „der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwertes bleibt“.805 Der Stabilitäts- und Wachstumspakt definiert das ausnahmsweise Überschreiten des Referenzwertes so: „( . . . ) wenn dies auf ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, oder auf einen schwer wiegenden Wirtschaftsabschwung zurückzuführen ist“.806 Dabei ist nur dann ein schwer wiegender Wirtschaftsabschwung anzunehmen, „( . . . ) wenn das reale BIP innerhalb eines Jahres um mindestens 2 % zurückgegangen ist“.807 Da Zweiteres (noch) nicht für die Länder der Eurozone festzustellen ist, müsste wohl, um den Defizitverfahren, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt vorsieht zu entgehen, der Irak-Krieg als „außergewöhnliches Ereignis“ definiert werden, wobei dann allerdings nachzuweisen ist, dass dieser die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt hat und bestimmte Länder stärker trifft als andere. Da sich Deutschland und Frankreich nicht direkt am Krieg beteiligten, müssten sie zeigen, dass indirekte Haushaltsausgaben für den Krieg notwendig sind.808 Zumindest hat der EU-Währungskommissar Pedro Solbes in einem internen Papier schon angedeutet, dass ein Irak-Krieg ein außergewöhnliches Ereignis darstellen könnte, wenn durch steigende Ölpreise Konsum und Investitionen zurückgehen.809 Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) schwächt mit seinen jüngsten Aussagen die Position jener, die sich für eine strenge Auslegung des Paktes aussprechen. Selbst wenn man ein Überschreiten der Grenzen nicht mit den Auswirkungen der außergewöhnlichen Ereignisse begründen könne, solle der Pakt eben gebrochen werden. Im World Economic Outloock vom April 2003 heißt es, dass die automatischen Stabilisatoren voll spielen gelassen werden sollten, auch wenn das 2003 zu einer Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze des Stabilitätspakts führt.810 Bundesfinanzminister Eichel hofft nun aber zumindest sein voreili805 Der Referenzwert für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen liegt bei 3 %, das des öffentlichen Schuldenstandes zum BIP bei 60 %. Dies bestimmt das „Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“, welches dem Vertrag von Amsterdam beigefügt wurde, in Art 1. 806 Art. 2 I der Verordnung (EG) Nr. 1467 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigem Defizit. 807 Art. 2 II der Verordnung. 808 Dabei werden der Bundesregierung Aussagen des Leiters des Bremer Instituts für Europäische Wirtschaft Rudolf Hickel wie gerufen kommen, der aufgrund zusätzlicher Ausgaben für innere Sicherheit, Flüchtlinge und das Welternährungsprogramm und einem schwächeren Wirtschaftswachstum durch eine „Angstökonomie“ auf geschätzte Kosten des IrakKrieges von 20 bis 30 Milliarden Euro für Deutschland kommt. Vgl. o. V.: Der Krieg kostet Deutschland viel Geld, 2003, S. 9. 809 Vgl. Middel, Andreas: Brüssel: Stabilitätspakt wäre im Kriegsfall aussetzbar, 2003, S. 11. 810 Vgl. Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook, Growth and Institutions, 2003, S. 27.
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
219
ges Versprechen, welches er abgab, um einen „Blauen Brief“811 aus Brüssel zu vermeiden, nämlich bereits 2006 einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, nicht einhalten zu müssen und dass die Stabilitätsprogramme geändert werden.812 Allerdings erhebt sich dagegen auch Widerstand, etwa aus dem Hause der Bundesbank. Bundesbankpräsident Ernst Welteke stellt klar, dass der Irak-Krieg nicht als Entschuldigung vom Abweichen des Haushaltskonsolidierungskurses herangezogen werden dürfe.813 Der Bundesregierung scheint der Irak-Krieg aber innenpolitisch nicht ungelegen zu kommen. Wer ist schuld, dass der „deutsche Patient“ partout nicht genesen will, das Wachstum stagniert, die Arbeitslosigkeit steigt und der Stabilitätspakt verletzt werden muss? Die Antwort schien für die Regierung auf der Hand zu liegen: Der Krieg!814 Doch der kurze Irak-Krieg und die danach sinkenden Ölpreise machen auch diesen Sündenbock unglaubwürdig. Aber nicht nur in Deutschland gibt es Bestrebungen, die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu lockern. Auch die andere Triebfeder der Europäischen Integration, Frankreich, möchte die Bestimmungen aufweichen. Nachdem der französische Finanzminister Mer ein Haushaltsdefizit für 2002 von 3 % nach Brüssel meldete, wobei er 3,04 % nach unten abrundete, kam es zu ersten Verstimmungen mit dem Währungskommissar, der verlauten ließ, „Rundungen seien nicht vorgesehen“. Für 2003 rechnet Paris selbst mit einem Überschreiten des Grenzwertes auf 3,4 % bis 3,5 %, ohne Berücksichtigung eines Irak-Krieges. Aus französischen Regierungskreisen kommt die Devise, den „allzu streng ausgelegten Stabilitätspakt aufzuweichen“. In Konjunkturkrisen seien die 3 % weder sinnvoll noch machbar. Deutschland, welches sich noch offiziell zum Stabilitäts- und Wachstumspakt bekennt815, werden dagegen Widersprüche zwischen öffentlichen Bekenntnissen und tatsächlichem Handeln vorgeworfen.816 Paris möchte gar nicht erst die „außergewöhnlichen Ereignisse“ bemühen, sondern den „den Konjunkturstimulierern verhassten Pakt entsorgen“.817 Der führende Finanzpolitiker der französischen Regierung Marini drückt dies in diplomatischeren Worten aus: „Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation muss der Stabilitätspakt vorü811 Verstanden als „( . . . ) frühzeitige Warnung vor dem Entstehen eines übermäßigen Defizits“ im Sinne des Art. 6 II Verordnung (EG) Nr. 1466 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken. Erfolgt als Mitteilung des Rates, beschlossen mit qualifizierter Mehrheit, an den Mitgliedstaat auf Empfehlungen der Kommission. Vgl. Art. 99 IV EGV. 812 Vgl. Dullien, Sebastian / Ehrlich, Peter / Hulverscheidt, Claus: Währungsfonds für Bruch des Stabilitätspakts, 2003, S. 9. 813 Vgl. Einecke, Helga: Bundesbankgewinn fällt auf 5,4 Milliarden Euro, 2003, S. 23. 814 Vgl. o. V.: Der Krieg ist schuld, 2003, S. 4. 815 Kurz vor dem Ausbruch des Irak-Krieges verkündete Finanzminister Eichel tapfer: „Wir wollen den Stabilitäts- und Wachstumspakt erfüllen.“ Vgl. Jacobi, Robert: Berlin meldet geringeres Defizit nach Brüssel, 2003, S. 19. 816 Vgl. Bläske, Gerhard: Paris und Brüssel streiten um Defizit, 2003, S. 17. 817 Hagelüken, Alexander: Trickreiche Franzosen, 2003, S. 17.
220
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
bergehend ausgesetzt werden. In der derzeitigen Lage sind weder die Deutschen noch die Franzosen in der Lage, ihn zu erfüllen.“ Dazu fordert er noch ein industriepolitisches Investitionsprogramm der EU zur Finanzierung von Infrastrukturmaß nahmen.818 Auch die Regierung in Rom drängt auf Änderungen im Vertragswerk des Paktes, welcher der Fiskalpolitik zu enge Manschetten anlegt. Die erste richtige Bewährungsprobe des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in einer Phase mit stagnierendem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit in einigen Mitgliedstaaten offenbart nun seinen Konstruktionsfehler, den auch Mélitz (vgl. Kap. 7, A.) bereits theoretisch vorwegnahm: Trotz der jährlich von den an der Währungsunion teilnehmenden Mitgliedstaaten zu erstellenden Stabilitätsprogramme819 und von den nicht teilnehmenden EU-Staaten zu erstellenden Konvergenzprogramme820, die zur Koordinierung der Wirtschaftspolitiken im Sinne des Art. 99 EGV notwendig sind und als mittelfristiges Ziel einen nahezu ausgeglichen Haushalt oder einen Überschuss haben, sind nationale Finanzpolitiker nicht bereit, sich diesem Ziel unterzuordnen und jeden Spielraum aufzugeben. Nicht nur Deutschland zeigt sich als ordnungspolitischer Sünder, auch Frankreich hat den in seinem Stabilitätsprogramm geforderten Abbau des strukturellen Defizits um 0,5 % abgelehnt und im Rahmen der multilateralen Überwachung der Wirtschaftspolitik gemäß Art. 99 III und IV 2002 einen blauen Brief erhalten. Obwohl Frankreich keine Wiedervereinigung zu bezahlen hat, gelang es auch Paris nicht, in guten Zeiten zu sparen und das Defizit entschlossen abzubauen. Dies gesteht auch die Kommission kleinlaut ein: „In some countries the fiscal effort fell short of what was plannend in the stability and convergence programmes and highly-needed expenditure reforms were largely postponed. This leaves a number of euro-area countries, and especially the large ones, vulnerable in the face of the current slowdown.“821 Im Frühjahr 2003 prognostizierte die EU-Kommission in ihrem Frühjahrsgutachten für 2003 ein durchschnittliches Wachstum für die EU von 1,3 %, für die Bundesrepublik 0,4 %, nach 0,2 % im Jahre 2002. Somit sei die Neuverschuldensquote nicht, wie im Rahmen des Defizitverfahrens zugesagt, auf 2,8 % zu senken, sondern wird nach der Kommissionsprognose 2003 3,4 % betragen und damit erneut gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen, wie die Gesamtschuldenhöhe Deutschlands, die bereits Ende 2002 bei 61 % des BIP lag.822 Für Frankreich korrigierte die Kommission die gemeldeten 3,04 % auf 3,1 % und leitete am 02. April 2003 nach Portugal und Deutschland als dritten Staat gegen Frankreich ein DefizitVgl. Bläske, Gerhard: „Frankreich drohen vier Prozent Defizit“, 2003, S. 21. Vgl. Abschnitt 2: Stabilitätsprogramme, Art. 3 – 6 der Verordnung (EG) Nr. 1466 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken. 820 Vgl. Abschnitt 3: Konvergenzprogramme, Art. 7 – 10 der Verordnung. 821 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Public Finances in EMU – 2001, 2001, S. 9. 822 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Spring 2003 Economic Forecasts, 2003, S. 1 und S. 50 – 51. 818 819
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
221
verfahren nach Art. 104 EGV ein, da sie auch für dieses Jahr für Frankreich ein Haushaltsdefizit von 3,7 % und für 2004 von 3,6 % prognostiziert.823 In Anbetracht der wirtschaftlichen Lage scheint es aber auch nicht sinnvoll für die beiden Wirtschaftsschwergewichte Deutschland und Frankreich, das Defizit gerade jetzt zu verringern, um unter die geforderten 3 % zu gelangen, dabei aber Gefahr zu laufen, die instabile Konjunktur weiter abzuwürgen.824
C. Versuch der Aufweichung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch Kommission und Eurogruppe In einer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament musste die Kommission im November 2002 aber bereits eingestehen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner jetzigen Konstruktion an seiner ersten ernsten Bewährungsprobe gescheitert ist: In den meisten Ländern werden die Ziele und Zwecke des SWP zwar weiterhin unterstützt, doch ergibt sich in einigen Ländern ein zunehmender Abstand zwischen den Haushaltsverpflichtungen und den konkreten Maßnahmen zur Erreichung der vereinbarten Ziele. Es fehlt an der Bereitschaft, die Folgerungen der WWU für die Haushaltspolitik auf nationaler Ebene zu ziehen. Allgemein haben es die Mitgliedstaaten versäumt, durch die Stärkung der Durchsetzungsmechanismen des SWP Gruppendruck auf die Länder auszuüben, von denen die Haushaltsziele bei weitem verfehlt werden ( . . . ). Einige Mitgliedstaaten haben in guten Zeiten keine solide Haushaltspolitik betrieben. Das Versagen, eine solide Haushaltskonsolidierung in den Jahren 1999 und 2000 mit ihren günstigen Wachstumsvoraussetzungen zu verfolgen, führte zu einer Verschlechterung der fundamentalen Haushaltspositionen und einem unzureichenden Spielraum für das Greifen der automatischen Stabilisatoren in einem anschließenden Konjunkturabschwung. Das Versagen, die automatischen Stabilisatoren über den Konjunkturzyklus symmetrisch wirksam werden zu lassen, deutet auf unzureichende Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen hin, um eine unerwünschte prozyklische Lockerung der finanzpolitischen Ausrichtung zu bewältigen.825
Darum schlägt die Kommission eine Änderung der Auslegung des Stabilitätsund Wachstumspaktes vor: Sie empfiehlt die „Festlegung von Haushaltszielen, die dem Konjunkturzyklus Rechnung tragen“.826 Dazu schlägt die Kommission vor, ( . . . ) die Anforderung des Stabilitäts- und Wachstumspakts bezüglich eines „nahezu ausgeglichenen Haushalts oder Haushaltsüberschusses“ stets auf den konjunkturbereinigten 823 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ongoing procedures under article 104 of the Treaty (Excessive Deficit Procedure): France, 2003, S. 1. 824 Vgl. Bläske, Gerhard: Vision statt Kleinkrämerei, Paris hat recht: Eine Sparpolitik wäre jetzt kontraproduktiv, 2003, S. 19. 825 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Verstärkung der haushaltspolitischen Koordinierung, 2002, S. 5 – 6. 826 Ebd., S. 7.
222
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
Saldo zu beziehen, d. h. dass vorübergehende Auswirkungen insbesondere von Konjunkturschwankungen auf die Haushalte unberücksichtigt bleiben. Wichtigstes Instrument zur Feststellung der konjunkturbereinigten Haushaltspositionen wird die gemeinsame Methodik zur Berechnung konjunkturbereinigter Haushaltssalden sein, die die Mitgliedstaaten und die Kommission vereinbart haben.827
Da die „Sünderländer“, v. a. Deutschland und Frankreich, selbst dieses Ziel verfehlen werden, schlägt die Kommission Übergangsvereinbarungen für Länder, deren konjunkturbereinigte Defizite der Anforderung eines „nahezu ausgeglichenen Haushalts oder Haushaltsüberschusses“ nicht genügen [vor] ( . . . ). Die Kommission schlägt die Einführung eines allgemeinen Grundsatzes vor, der von Ländern mit derartigen, konjunkturbereinigten Defiziten verlangt, ihre konjunkturbereinigte Haushaltsposition jährlich um mindestens 0,5 % des BIP zu verbessern, bis sie der Anforderung des SWP bezüglich eines „nahezu ausgeglichenen Haushalts oder Haushaltsüberschusses“ genügen.828
Doch die Aufweichungsvorschläge gehen noch weiter: Eine flexiblere Anwendung der Anforderung eines „nahezu ausgeglichenen Haushalts oder Haushaltsüberschusses“ könnte ins Auge gefasst werden, um die intertemporale budgetäre Auswirkung tiefgreifender Strukturreformen (z. B. produktive Investitionen oder Steuerreformen) zu beachten, die das Beschäftigungs- oder Wachstumspotenzial gemäß der Lissabonner Strategie erhöhen und / oder langfristig die fundamentale Position der öffentlichen Finanzen verbessern.829
Die Kommission hält für diese grundlegenden Veränderungen keine Neufassung der Verordnungen über den Stabilitäts- und Wachstumspakt für notwendig, sondern stellt lapidar fest, dass „diese Verbesserungen ( . . . ) innerhalb des bestehenden Rahmens des EG-Vertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts durch zusätzliche Bestimmungen in dem bestehenden ,Verhaltenskodex im Hinblick auf Form und Inhalt der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme‘ realisiert werden [können]“.830 Am 18. Februar 2003 reagierte der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister in der Zusammensetzung der Minister der EU-Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen (Euro-12-Gruppe), sehr positiv auf diese Änderungsvorschläge der Kommission: Der Rat begrüßte allgemein die Mitteilung der Kommission vom 29. November 2002 als einen wertvollen Beitrag zu der Aussprache über die Verstärkung der haushaltspolitischen Koordinierung. ( . . . ) Etwaige technische Änderungen in Bezug auf die Umsetzung des Pakts könnten im späteren Verlauf des Jahres durch Revisionen des Verhaltenskodexes betreffend Inhalt und Form der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme durchgeführt werden.831 827 828 829 830
Ebd. Ebd., S. 7 – 8. Ebd., S. 8. Ebd., S. 12.
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
223
Diese Aussagen von Kommission und Eurogruppe machen mehr als deutlich, dass sie an einer exakten Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht mehr interessiert sind. Unterstützt wird die Kommission aktuell durch eine im Juli 2003 veröffentlichte Studie von Wirtschaftsexperten. Die von EU-Kommissionspräsident Prodi eingesetze Gruppe schlägt vor, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu ändern. Das Drei-Prozent-Kriterium solle bereits überschritten werden können, wenn das Wachstum des BIP null Prozent aufweise, statt wie bisher minus zwei Prozent (vgl. Kap. 7, B.). Zusätzlich sollen Länder mit relativ geringer Gesamtverschuldung mehr „Flexibilität bei ihrer Neuverschuldung erhalten“, so der Vorsitzende der Experten Sapir.832 Die Schröder‘schen Hinweise auf eine „flexible Auslegung“ der Kriterien hat also einen realen Hintergrund bei den Gedankenexperimenten der EU-Organe. Auch aus den USA melden sich prominente Befürworter einer Lockerung der Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu Wort, so fordert der Fachbereichsvorsitzende Wirtschaftswissenschaften des MIT Olivier Blanchard eine „kurzfristige fiskalische Expansion“, die ohne eine Verletzung des Verschuldungskriteriums nicht möglich sei.833 Die Europäische Zentralbank verfolgt diese aktuellen Entwicklungen mit Sorge, „diese ( . . . ) drohen das Vertrauen in das bestehende finanzpolitische Regelwerk zu untergraben.“834 Bleibt man aber bei einer exakten und engen Interpretation des Paktes, wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Stabilisierung der Konjunktur weitgehend genommen. Ein für diese Arbeit prototypisches Beispiel ist die Diskussion um den Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit, die den bundesdeutschen Haushalt 2003 zusätzlich um 6,5 – 10 Mrd. A belasten wird.835 Durch die hohe Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Zahlungen einerseits und den rückläufigen Einnahmen andererseits wird der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit belastet und der Bundesfinanzminister ist gezwungen, das entstandene Defizit auszugleichen und damit die Staatsausgaben (automatisch) zu erhöhen. Bewegt sich der Bundeshaushalt aber, wie in der aktuellen Lage, schon über dem Defizitkriterium, verstößt diese
831
Vgl. Rat der Europäischen Union – Wirtschaft und Finanzen: 2485. Tagung des Rates,
S. 11. Vgl. Hoenig, Joachim: EU-Experten: Teile des Stabilitätspaktes ändern, 2003, o. S. Vgl. Blanchard, Olivier: Europas Nachteil ist Amerikas Vorteil, 2003, S. 2. 834 Vgl. Europäische Zentralbank: Der finanzpolitische Rahmen der EU, 2003, S. 54. 835 Das Vorstandsmitglied der Bundesanstalt Frank Weise ging Anfang Mai 2003 davon aus, dass diese in diesem Jahr einen Bundeszuschuss zwischen 6,5 und 7,5 Mrd. A braucht. Bis Ende April lief bereits ein Defizit von 3,65 Mrd. A auf. Vgl.: o. V.: Hohe Arbeitslosigkeit reißt Milliardenloch in BA-Etat, 2003, o. S. „Steuerschätzerkreise schließen sogar einen Zuschuss von zehn Mrd. Euro nicht mehr auS. Eichel hat in seinem Etat bislang aber keinen einzigen Euro für die Bundesanstalt eingeplant.“ o. V.: Steuerschwund und steigende Ausgaben sprengen Eichels Etat, 2003, o. S. 832 833
224
2. Teil: EWWU: Optimaler Währungsraum
stabilisierende Maßnahme gegen Europäisches Recht, sie müsste durch zusätzliches, prozyklisches Sparen ausgeglichen werden. Die Möglichkeiten einer aktiven expansiven antizyklischen Fiskalpolitik fallen natürlich ebenfalls völlig aus, allerdings werden solch keynesianisch orientierte Eingriffe in einzelnen Mitgliedstaaten immer weniger dazu beitragen können, asymmetrische Schocks zu bekämpfen, da der expansive Effekt über steigende marginale Importquoten innerhalb der Union immer schwächer wird.836 Außerdem muss die staatliche Instanz unterscheiden, ob es sich um temporäre oder permanente adverse Schocks handelt, da eine Finanzierung langfristiger Ungleichgewichte zu verzögerten Anpassungen über regional bewegliche Produktionsfaktoren führt.837 Das Dilemma scheint nicht lösbar zu sein, da ein ökonomisch sinnvolles Verletzen oder „Uminterpretieren“ des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wohl einem Öffnen der Büchse der Pandora gleichkäme, einem Präzedenzfall, auf den sich zukünftig alle „Sünder“ berufen würden. Die Äußerungen des italienischen Europaministers Buttiglione, der Pakt sei nur noch „Heuchelei“ und seine Forderung an die EU, sich gemeinsam zu verschulden838, gehen klar in diese Richtung. Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Gemeinschaftswährung wäre dauerhaft gefährdet, das Ziel ausgeglichener Haushalte, die in Krisenzeiten automatisch stabilisierend wirken können, wäre für lange Zeit nicht mehr zu erreichen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Wiegard spricht von einer „kritischen Situation“. Auch er glaubt, dass die Kriterien so eng formuliert ökonomisch nicht sinnvoll sind und die Konzentration auf die strukturellen, nicht konjunkturbedingten Defizite erfolgen muss. Diese Debatte aber jetzt zu führen, wo die Glaubwürdigkeit des Paktes auf dem Spiel steht, sei grundfalsch.839 Ifo-Präsident Sinn formuliert noch schärfer, dass das Verfehlen der Kriterien für Deutschland „eine Blamage sondergleichen“ ist und falls die geplanten Änderungen in der Auslegung des Paktes zu einer Umgehung der Strafen für Deutschland führen wird, sei „der Stabilitätspakt faktisch erledigt“.840 Die Beschlüsse der EU-Finanzminister im italienischen Stresa vom September 2003, dass Deutschland und Frankreich erst 2005 die Stabilitätskriterien wieder erfüllen müssen und bis dahin keine Sanktionen zu erwarten haben841, nähren aber die Befürchtungen eines „leisen Todes des Stabilitätspaks“.842 836 Vgl. Smeets, Heinz-Dieter: Monetäre Integration: Vom EWS zur Währungsunion, 1993, S. 117. 837 Vgl. Berthold, Norbert: „Fiscal Federalism“ in Europa: Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Währungsunion, 1993, S. 158 f. und Hamacher, Stefanie / Klein, Werner: Finanz- und geldpolitische Implikationen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes und der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion, 1993, S. 186. 838 Vgl. Hagelüken, Alexander: Das Ende des Stabilitätspakts, 2003, S. 4. 839 Vgl. Piper, Nikolaus: Ökonomen sehen Stabilitätspakt in der Krise, 2003, S. 17. 840 Ebd. 841 Vgl. Schäfer, Ulrich: Eichel muss vorerst keine Strafzahlungen befürchten, 2003, S. 21. 842 Schäfer, Ulrich: Der leise Tod des Stabilitätspakts, 2003, S. 4.
Kap. 7: Kritik an der aktuellen Konstruktion der Währungsunion
225
Zweierlei ist als Zwischenergebnis festzuhalten: 1. Die Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion mit autonomen Fiskalpolitiken und den haushaltspolitischen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes reichen weder theoretisch noch in der praktischen Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten dazu aus, um eine Haushaltsdisziplin in guten konjunkturellen Phasen zu garantieren, noch um genügend automatische Stabilisierung gegen exoge Schocks zu liefern. 2. Alle Untersuchungen zur Stabilisierungsfunktion zeigen, dass eine Arbeitslosenversicherung den größten Beitrag zur automatischen Stabilisierung liefert und dabei wenig diskretionäre Eingriffe einzelner Politiker möglich sind. Nun kann im Folgenden eine europäische Arbeitslosenversicherung als möglicher Ausgleichsmechanismus diskutiert werden.
15 Deinzer
Dritter Teil
Theorie, Ausgestaltung und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung Kapitel 8
Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit und deren Versicherung A. Arbeitslosigkeit und institutionelle Aspekte der Arbeitslosenversicherung Kapitel 8, B. wird zeigen, dass Witterung, Nachfrageschocks, technologischer Fortschritt, und Strukturwandel Ursachen für Arbeitslosigkeit sein können. Sieht man aus der neoklassischen Sichtweise allerdings einzig einen zu hohen Lohn als Grund für Arbeitslosigkeit an, besteht kein eigentliches Risko der Arbeitslosigkeit, da man nur einen geringeren Lohn fordern müsste, sondern ein Risiko auf ein nichtausreichendes Lohn- bzw. Einkommensniveau. Wird man von diesem Lohnrisiko getroffen, kann man sich ganz aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen, eine Beschäftigung mit niedrigerem Lohn annehmen oder eine neue, seinen Fähigkeiten und Lohnpräferenzen entsprechende Stelle suchen. Eigentlich arbeitslos ist nur Letzterer, wenn er tatsächlich ohne Beschäftigung ist und wirklich auf der Suche nach Arbeit. Ob der Arbeitslose aber tatsächlich auf der Suche nach einem Arbeitsplatz ist, weiß nur er selbst und ist nicht, oder nur mit hohen Kosten, zu ermitteln. Deshalb war dem deutschen Arbeitsmarkt- bzw. Sozialrecht das Suchkriterium fremd.843 Mit der Aufnahme des Arbeitsförderungsgesetztes in das Sozialgesetzbuch III vom 24. März 1997 wurde der Schlüsselbegriff „Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt“ um die aktive Beschäftigungssuche erweitert. So hat nach § 117 SGB III nur der Anspruch auf Arbeitslosengeld, der arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt und noch nicht das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat. Arbeitslos ist nach § 118 I SGB III der Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine ver843
Vgl. Wagner, Thomas / Jahn, Elke: Neue Arbeitsmarkttheorien, 1997, S. 170 – 174.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
227
sicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Dies wird nach § 119 I SGB III dann anerkannt, wenn der Suchende Nr. 1: alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, Nr. 2: den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Diese wird in § 119 II – IV SGB III noch weiter ausgeführt844, die aktive Beschäftigungssuche aber nicht näher konkretisiert. Absatz V verlangt aber vom Arbeitsamt, den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Absatz 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen. Auf Verlangen des Arbeitsamtes hat der Arbeitslose seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist. Da aber der tatsächliche Nachweis, ob eine aktive Beschäftigungssuche auch erwünscht ist, sehr schwierig ist, muss die Arbeitslosenversicherung in die Rolle der Arbeitsverwaltung und -vermittlung schlüpfen und jedem, der die Vorraussetzungen des Art. 117 SGB III erfüllt, Leistungen aus der Versicherung zukommen lassen und jedem Stellen anbieten, auch wenn er gar keinen Job sucht.845 Im Zuge der Hartz-Reform wurde in der Bundesrepublik nun dieser Problematik Rechnung getragen. Am 1. Juli 2003 tritt im Zuge des sogenannten Hartz I-Gesetzespaketes ein verschärftes Melderecht in Kraft. Dabei wird das Prinzip „Fordern und Fördern“ verfolgt und eine konsequente Anwendung dieses Prinzips soll dann zu vermehrter Abmeldung in Nichterwerbstätigkeit führen.846 So müssen sich Arbeitnehmer schon bei drohender Arbeitslosigkeit beim Arbeitsamt melden, sonst wird das Arbeitslosengeld gekürzt.847 Künftig muss im Streitfall der Arbeitslose und nicht mehr das Arbeitsamt beweisen, dass die Arbeitslosigkeit nicht schuldhaft herbeigeführt wurde oder der Arbeitslose nicht daran schuld ist, dass die Arbeitslosigkeit nicht beendet werden kann, sofern die maßgebenden Tatsachen in der Sphäre des Arbeitslosen oder seines Verantwortungsbereiches liegen. Gleichzeitig werden die Sperrzeitregelungen wegen Arbeitsablehnung und bei Ablehnung oder Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme flexibler gestaltet. Grundsätzlich gilt: Bei einem ersten Verstoß gegen ihre Verpflichtungen tritt eine Sperrzeit von drei Wochen, im Wiederholungsfall von sechs Wochen, bei weiteren Verstößen von zwölf Wochen ein.848 844 Es wird v. a. auf die Zumutbarkeit der Arbeit hingewiesen, die in § 121 SGB III geregelt ist. 845 Zum Problem der Zumutbarkeit von Arbeitsplätzen vgl. Paqué, Karl-Heinz: Zur Zumutbarkeit von Arbeitsplätzen. Bestandsaufnahme und Reformvorschlag, 1998, S. 71 – 89. 846 Vgl. Prast, Franz: Verringerung der Arbeitslosigkeit durch bessere Arbeitsvermittlung?, 2003, S. 4. 847 Vgl. Büser, Wolfgang: Neues Melderecht für Arbeitslose, 2003, S. 24.
15*
228
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Innerhalb der EU führt Eurostat auf Basis eines Ratsbeschlusses von 1991 jährlich eine Stichprobenerhebung mittels schriftlicher Haushaltsbefragung über Arbeitskräfte und Arbeitslosigkeit durch.849 Diese „vergleichbaren Arbeitslosenquoten“ in der Europäischen Union werden von Eurostat gemäß den Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) berechnet, die auf der 13. Konferenz der Arbeitsstatistiker im Jahre 1982 erarbeitet wurden. Danach sind Arbeitslose Personen ab 15 Jahren, die – ohne Arbeit sind, – zur Verfügung stehen, eine Arbeit innerhalb der nächsten zwei Wochen aufzunehmen, – während der letzten vier Wochen aktiv eine Arbeit suchten.850
B. Formen der Arbeitslosigkeit Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen schon erkennen lässt, findet sich keine allgemeingültige Definition für das Phänomen Arbeitslosigkeit. Es muss aber der Versuch unternommen werden, Erklärungsansätze für sie zu finden, um dieses auch bekämpfen zu können. Die bekanntesten Erklärungsansätze, die häufig als „Formen“ der Arbeitslosigkeit bezeichnet werden, sind: – Saisonale Arbeitslosigkeit Diese ist auf eine periodisch auftretende Schwankung der Nachfrage nach Arbeitskräften zurückzuführen. Diese liegt etwa an den Produktionsbedingungen, die nur zu gewissen Jahreszeiten eine Produktion des Gutes oder der Dienstleistung erlauben. Typische Beispiele dafür sind die Tourismus- oder Bauindustie, aber auch die Landwirtschaft. Diese Branchen unterliegen v. a. einem Witterungszyklus, der die Nachfrage nach Arbeitskräften steuert. Fragen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind weniger entscheidend für die saisonale Arbeitslosigkeit.851 Um diese meist witterungsbedingeten Einflüsse zu eliminieren, werden auch saisonbereinigte Arbeitslosenzahlen ausgewiesen.852 – Konjunkturelle Arbeitslosigkeit Im Gegensatz zur saisonalen Arbeitslosigkeit treten die Schwankungen hier nicht periodisch aufgrund von Witterungszyklen auf, sondern wegen Schwan848 Dies betrifft die Neuregelung des § 144 und § 147 SGB III. Alle Neuregelungen durch die Hartz-Gesetze I und II finden sich bei der Bundesanstalt für Arbeit: Hartz-Gesetze I und II, 2003. 849 Vgl. Schmid, Hans / Rosenbaum, Eckehard F.: Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung aus ökonomischer Sicht, 1995, S. 12 – 13. 850 Vgl. Eurostat: Arbeitslosenquote nach der ILO Definition, 2003. 851 Vgl. Ehrenberg, Ronald / Smith, Robert: Modern Labor Economics – Theory and Public Policy, 2003, S. 529. 852 Vgl. Lachmann, Werner: Volkswirtschaftslehre 1, Grundlagen, 2003, S. 208.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
229
kungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die schockartig auftreten können. Besteht im Verhältnis zu dem volkswirtschaftlichen Produktionsangebot eine unzureichende güterwirtschaftliche Gesamtnachfrage und geht daraufhin die Produktion und schließlich die Beschäftigung zurück, so spricht man von konjunktureller Arbeitslosigkeit.853 In einer Rezession steigt sie, in einer Aufschwungphase nimmt sie hingegen wieder ab. Charakteristisch ist für diese, auch als keynesianische Unterbeschäftigung bezeichnete, Form der Arbeitslosigkeit die steigende Unterauslastung des mittels Kapitalstock gemessenen Produktionspotentials. Theoretisch bekämpft werden kann die keynesianische Unterbeschäftigung mit expansiver Fiskal- und Geldpolitik, wobei auf die Ausnahmen der völlig zinsunelastischen Investitionen (Zinsfalle) und der völlig zinselastischen Geldnachfrage (Liquiditätsfalle) hingewiesen werden soll.854 – Friktionelle Arbeitslosigkeit
Der sogenannte „Matching-Prozess“ führt allgemein Paare von Jobsuchern und Stellenanbietern zusammen, die anschließend über die Konditionen des Arbeitsvertrages verhandeln. Das Gleichgewicht dieses Prozesses stellt dann einen anspruchsvolleren Zustand als den des neoklassischen Gleichgewichts am Arbeitsmarkt dar, der von Vollbeschäftigung bei flexiblen Löhnen ausgeht (vgl. klassische Arbeitslosigkeit). Beim Matching-Gleichgewicht muss jede Firma und jeder Arbeitssuchende eine individuelle optimale Suchintensität entwickeln und beide Partner müssen in einer Verhandlung über die Aufteilung die Wertschöpfung erzielen.855 Durch den Suchprozess und den Übergang zwischen zwei Arbeitsverhältnissen entsteht die fluktuationsbedingte friktionelle Arbeitslosigkeit, die häufig auch als „Such-Arbeitslosigkeit“ bezeichnet wird. Sie ist nur von temporärer Natur und als „natürliche“ Form der Arbeitslosigkeit sogar wünschenswert, um eine optimale Allokation des Faktors Arbeit und dessen Wanderung zu gewährleisten.856 Die Höhe der friktionellen Arbeitslosigkeit hängt u. a. von der Leistungsfähigkeit der Institutionen der Arbeitsvermittlung ab, d. h. von der Qualität der Matching-Technologie.857 Ist diese ineffizient und wird durch verfehlte oder unterbliebene Qualifizierungsmaßnahmen die Annahme neuer Arbeitsplätze verhindert, kann aus der eigentlich unproblematischen friktionellen Arbeitslosigkeit eine persistente werden. An diesem Punkt setzten auch viele Punkte der Hartz-Reform an, um das bundesdeutsche Vermittlungssystem zu verbessern. In diesem Zusammenhang sind auch die neuen Veröffentlichungen von großem Interesse: Ging man bisher von einem zufälligen Matching-Prozess aus, der zufällig Arbeitssuchende und freie Stellen zusammenVgl. Seselmeier, Werner / Blauermel, Gregor: Arbeitsmarkttheorien, 1990, S. 16. Vgl. Neumann,1996, S. 234 und 177 – 194. 855 Vgl. ausführlich zum Matching-Prozess: Wagner / Jahn, 1997, S. 64 – 97. 856 Vgl. Seselmeier / Blauermel, 1990, S. 14. 857 Die Gesamtheit aller Institutionen und Organisationen für die Stellensuche und -vermittlung wird als Matching-Technologie bezeichnet. Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 65. 853 854
230
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
bringt858, bringen neue empirische Untersuchungen von Andrews et. al. mit sogenannten „stock-flow-matching-models“859, andere Ergebnisse: Kommt ein Jobsuchender oder ein Jobangebot neu auf den Markt („flow“) ist die Wahrscheinlichkeit eines Jobabschlusses („match“) viel größer, als wenn die Suche länger dauert (in den meisten Modellen ab vier Wochen) und die freie Stelle oder die Arbeitssuche in den Bestand (stock) wandert.860 Damit wurde theoretisch und empirisch die „LIFO-Regel“861 bestätigt, nach der der Arbeitslose mit der kürzersten zurückgelegten Dauer an Arbeitslosigkeit die besten Chancen auf eine neue Stelle hat. Die Chance, einen Job zu finden, ist also nicht zufällig verteilt und je länger die Zeit der Arbeitslosigkeit währt, desto geringer ist die Chance auf einen neuen Job. Schafft es die Matching-Technologie nicht, gerade die länger auf dem Arbeitsmarkt befindlichen Jobsuchenden zu qualifizien oder zur Mobilität zu motivieren, ist die Chance für diese Personen gering, Arbeit zu finden. Somit kann Arbeitslosigkeit pfadabhängig werden. Die Arbeitslosigkeit von heute ist hat auch Ursachen in der Arbeitslosigkeit von gestern, man spricht von „Hysteresis“.862 Dies leitet aber direkt zum Begriff der „strukturellen Arbeitslosigkeit“ über: – Strukturelle Arbeitslosigkeit
Unter dem Begriff „strukturelle Arbeitslosigkeit“ wird ein Großteil der vorherrschenden Arbeitslosigkeit subsumiert863, falls keine Begriffsunterscheidung mit der Kapitalmangel- bzw. klassischen Arbeitslosigkeit getroffen wird. Hier soll aber ein definitorischer Unterschied zwischen den beiden Formen gemacht werden. Strukturelle Arbeitslosigkeit beinhaltet zum einen den bei der friktionellen Arbeitslosigkeit angesprochenen Teil dieser Arbeitslosigkeit, die durch mangelnde Mobilität und Qualifikation und somit durch Verlust an Humankapital zur dauerhaften Arbeitslosigkeit wird. In diesem Sinne ist auch eine durch technologische Veränderungen bedingte Freisetzung von nun falsch- oder unterqualifizierten oder ganz substituierten Arbeitskräften eine strukturelle Arbeitslosigkeit. Wird einerseits ein Mangel an Fachkräften beklagt, haben in den alten Ländern Mitte der 90er Jahre 50% der Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung.864 Dies wird auch als „humankapitalbedingtes Mismatch“ 858 Sogenannte „Random-Matching-Modelle“ finden sich bei: Pissarides, Christopher: Equilibrium Unem-ployment Theory, 2000, S. 44 ff. 859 Vgl. Coles, Melvyn / Petrongolo, Barbara: A test between unemployment theories using matching data, 2003; Coles, Melvyn / Smith, Eric: Marketplaces and matching, 1998, S. 239 – 255; Gregg, Paul / Petrongolo, Barbara: Random or non-random matching? Implications for the use of the UV curve as measure of matching effectiveness, 1997. 860 Vgl. Andrews, Martyn / Bradley, Steve / Stott, Dave / Upward, Richard: Testing theories of labour market matching, 2003, S. 17 – 32. 861 Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 81 – 82. 862 Ebd., S. 53. 863 Vgl. Franz, Wolfgang: Structural Unemployment, 1992, S. 7 ff.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
231
bezeichnet, als ständige Disparität zwischen dem Tempo der technologischen Entwicklung und der verzögerten Anpassung des Humankapitals, welches damit zum Dauerphänomen wird.865 Des Weiteren spricht man von struktureller Arbeitslosigkeit, wenn bestimmte Regionen oder Wirtschaftszweige besonders von Arbeitslosigkeit, etwa aufgrund des technologischen Wandels oder der Nachfrage nach Gütern aus der Region / dem Wirtschaftszweig betroffen sind oder wenn aus gesetzlichen oder tariflichen Gründen ein Mismatch entsteht.866 Letztgenannter Fall, die durch Tariflohn verursachte Arbeitslosigkeit, soll aber gesondert aufgeführt werden: – Kapitalmangel- bzw. klassische Arbeitslosigkeit
Wenn das Angebot an Arbeitsplätzen hinter der Nachfrage zurückbleibt, weil die Kapitalbildung durch Sparen und Investition nicht ausreicht, um dem Wachstum der Erwerbspersonen und der freigesetzten Arbeitskräfte neue Arbeitsplätze gegenüberzustellen, deren Grenzproduktivität eben so hoch ist wie die der alten, spricht man von Kapitalmangelarbeitslosigkeit. Bleibt in so einer Situation der Reallohn gleich und passt sich nicht der neuen, niedrigeren Grenzproduktivität an, entsteht klassische Arbeitslosigkeit867, oder wie es der Sachverständigenrat nennt „unechte strukturelle Arbeitslosigkeit“. Der Kapitalstock je Erwerbsperson ist nun zu gering, die Grenzproduktivität der Arbeit liegt unter dem Reallohn, man spicht von der sogenannten „Reallohnlücke“. Bekämpft werden kann diese Form der Arbeitslosigkeit nur mit einem Absenken der Reallöhne oder einer Erhöhung des Grenzprodukts der Arbeit. Da dieses positiv vom Kapitalstock abhängt, würde eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks, etwa durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen, helfen, diese Form der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Fiskalpolitische Maßnahmen, die nur die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen, sind in diesem Falle ungeeignet.868
C. Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Europa An dieser Stelle soll die Entwicklung und die Dimension des Problems Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union erfolgen. 864 Vgl. Trabold, Harald: Macht Globalisierung arbeitslos? Zur veränderten Optionenlandschaft von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, 1999, S. 139 – 140. 865 Vgl. Schnabl, Herrmann: Komplementäre Arbeitslosigkeit – Folgen und Perspektiven, 1992, S. 313. 866 Peters unterscheidet die Ursachen der Strukturkrisen in Fehleinschätzungen der Absatzerwartungen oder Berufsausichten, in gehemmter Kapazitätsanpassung und mangender Qualifikation und Mobilität. Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik 1992, S. 223 – 224. 867 Vgl. Neumann, 1996, S. 234. 868 Ebd., S. 234 – 236.
232
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Eine erste umfassende Analyse über die Ursachen und Ausmaße der Arbeitslosigkeit innerhalb der EU, aber auch im Verleich zu den anderen Polen der Triade – USA und Japan – erfolgte im Weißbuch der Kommission von 1993 über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (vgl. Kap. 1, D. III.). In ihrer Analyse zeigt die Kommisson, dass bis zum ersten Ölpreisschock 1974 die Arbeitslosenquote innerhalb der EG niedrig war und auch unter der der USA lag. Der Zeitraum 1960 – 1973 war in der EG durch hohes Wachstum (durchschnittlich 4,8 %) und einer durchschnittlichen Arbeitslosenrate von 2,6 % geprägt. 1974 – 1985 fiel die Wachstumsrate auf 2 % zurück die Arbeitslosigkeit stieg über die 10 %-Marke.869 Danach zeigte der Integrationsprozess und das Binnenmarktprogramm Erfolge, das durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1985 – 1991 stieg in der EG auf 3,1 %870, die Arbeitslosenquote sank 1990 auf 8,3 %. Die Währungskrise zu Beginn der 90er Jahre versetzte der Konjunktur und den Arbeitsmärkten den ersten großen Schock seit den 70er Jahren, das BIPWachstum verlangsamte sich wieder deutlich, 1993 war die Wachstumsrate sogar negativ und die Arbeitslosenquote stieg auf über 10 %.871 Folgende Tabelle 7 zeigt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit seit dem Abschluss des Binnenmarktes in den einzelnen EU-Staaten. Dabei sind die Staaten ganz unterschiedlich betroffen, dies gilt aber auch regional innerhalb der Staaten. Die aktuelle Entwicklung in der EU ist durch eine zögerliche konjunkturelle Entwicklung geprägt, das Bruttoinlandsprodukt nahm im Durchschnitt des Jahres 2002 lediglich um 0,8% zu.872 Vor allem die Binnennachfrage war weiterhin schwach, auch bedingt durch die globale Unsicherheit über die ökonomischen Konsequenzen des Irak-Konflikts. Allerdings betraf die Schwäche auch die Unternehmensinvestitionen, 2002 gingen die Bruttoanlageinvestitionen um 2,6% zurück.873 Grund sind v. a. eine geringe Kapazitätsauslastung und schlechtere Gewinnaussichten der Unternehmen durch die Verschlechterung ihrer preislichen Wettbewerbsfähigkeit im Zuge der deutlichen Aufwertung des Euro im zweiten Halbjahr 2002. Des Weiteren stiegen die Ausgaben der privaten Haushalte 2002 merklich langsamer an als zuvor. Dies war bedingt durch schlechte Beschäftigungsperspektiven und negative Vermögens869 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung – Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21 Jahrhundert, Weißbuch, 1993, S. 45 – 46. 870 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Auf der Schwelle zum Binnenmarkt, Zwischenbilanz zum Jahresanfang 1993, 1993, S. 8. 871 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung – Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, Weißbuch, 1993, S. 46. 872 Vgl. Europäische Zentralbank: Monatsbericht April 2003, S. 5*. 873 Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute: Die wirtschaftliche Lage in der Europäischen Union, 2003, o. S.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
233
effekte aufgrund des markanten Rückgangs der Aktienkurse. Die Arbeitslosenquote stieg zu Beginn des Jahres in der EU wieder auf 8,3% an, die deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Institute prognostizieren für 2003 und 2004 einen weiteren Anstieg auf knapp 9%.874 Die aktuelle Analyse von Eurostat und dem Handelsblatt ergab für die Eurozone im April 2003 einen Stand von 8,8%, der höchste Aprilwert seit drei Jahren.875 Wo liegen aber die Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit in Europa? Tabelle 7 Entwicklung der Arbeitslosenquoten (standardisiert) in der EU von 1992 – 2002 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 Belgien
17,1
8,6
9,8
9,7
9,5
9,2
9,3
8,6
6,9
6,7
7,3
Dänemark
8,6
9,5
7,7
6,7
6,3
5,2
4,9
4,8
4,4
4,3
4,5
BRD
6,6
7,9
8,4
8,2
8,9
9,9
9,3
8,6
7,8
7,8
8,6
11,7
16,4
16,6
15,4
14,6
12,7
11,4
10,2
9,8
9,1
9,1
Frankreich 10,0
11,3
11,8
11,3
11,9
11,8
11,4
10,7
9,3
8,5
8,7
Finnland
Griechenland
7,9
8,6
8,9
9,2
9,6
9,8
10,9
11,6
11,0
10,4
9,9
Großbritannien
9,8
10,2
9,4
8,5
8,0
6,9
6,2
5,9
5,4
5,0
5,1
Irland
15,4
15,6
14,3
12,3
11,7
9,9
7,5
5,6
4,3
3,9
4,4
Italien
8,7
10,1
11,0
11,5
11,5
11,6
11,7
11,2
10,4
9,4
9,0
Luxemburg
2,1
2,6
3,2
2,9
3,0
2,7
2,7
2,4
2,3
2,1
2,8
Niederlande
5,3
6,2
6,8
6,6
6,0
4,9
3,8
3,2
2,8
2,4
2,8
Österreich
3,4
3,9
3,8
3,9
4,4
4,4
4,5
3,9
3,7
3,6
4,3
Portugal
4,3
5,6
6,9
7,3
7,3
6,8
5,1
4,5
4,1
4,1
5,1
Schweden
5,6
9,1
9,4
8,8
9,6
9,9
8,3
7,2
5,9
4,9
4,9
Spanien
18,3
22,5
23,9
22,7
22,0
20,6
18,6
15,7
14,0
13,0
11,3
EU-15
9,2
10,5
10,9
10,5
10,6
10,4
9,8
9,0
7,8
7,4
7,7
Quelle: Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 2002, S. 110; Eurostat: Arbeitslosenquote nach der ILO Definition, 2003, o. S.
Ebd. S. 2 u. S. 6. Vgl. Storbeck, Olaf: Konjunktur-Schwäche: Immer mehr Menschen in der Euro-Zone ohne Job, 2003, S. 8. 874 875
234
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
D. Ursachen der Arbeitslosigkeit in Europa Anküpfend an die Formen der Arbeitslosigkeit in Kapitel 8, B. muss nun erörtert werden, welche dieser Formen in Europa für vorstehende Entwicklung verantwortlich ist. In Europa war in den 90er Jahren das Phänomen einer zunehmenden Massenarbeitslosigkeit bei weitgehend ausgelastetem Produktionspotential zu beobachten.876 Ausgehend von der monetaristischen Position ist damit sicherlich ein großer Teil der vorhandenen Arbeitslosigkeit eine Mindestlohn- bzw. Kapitalmangelarbeitslosigkeit. Damit ist nicht nur die Höhe der Nominallöhne gemeint, sondern v. a. auch die Höhe der Lohnzusatzkosten. Viele Studien belegen den Zusammenhang zwischen den hohen Lohnnebenkosten und der Höhe der Arbeitslosigkeit. Da die Arbeitslosenversicherung ihrerseits wieder durch den Produktionsfaktor Arbeit finanziert wird, wirkt der höhere Beitrag wie eine Steuer auf den Faktor Arbeit.877 Die daraus folgende Spreizung der Lohnschere zählt zu den Hauptursachen der Kapitalmangelarbeitslosigkeit. Dabei misst die Lohnschere das Verhältnis des realen Produzenten- zum realen Konsumentenlohn. Ersterer gibt den Bruttolohn mitsamt allen Lohnnebenkosten sowie den Lohnsteuern an und wird mit dem Preisindex des BIP deflationiert, zweiterer ist das mit dem Preisindex der Lebenshaltung deflationierte Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Wie stark sich Erhöhungen der Lohnnebenkosten auf den Produzentenlohn durchschlagen, liegt an den Formen der Lohnfindung. Selbst wenn man Gewerkschaften Beschäftigungsziele unterstellt und diese durch Lohnzurückhaltung den Konsumentenlohn senken, werden sie immer einen Teil der Kostenerhöhung an den Produzenten weitergeben. Je größer der steigende Produzentenlohn ausfällt, desto mehr Arbeiter entlässt der Unternehmer. Absatz und Kapazitätsauslsatung sinkt; ist der Lohnanstieg dauerhaft, kommt es zu einem neuen Pfad mit höherer Kapitalintensität, sinkenden Bruttoinvestitionen und einem damit verbundenen abnehmenden Kapitalbestand.878 Zwar würde eine Lohnsenkung einen Beitrag zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit leisten, die kurzfristige Sockelarbeitslosigkeit würde aber nicht sinken. Dazu wären auch eine höhere berufliche und räumliche Mobilität sowie eine adäquate Qualifikation der Arbeitslosen notwendig, was nur langfristig wirken kann.879 Hier ist wieder der Zusammenhang der friktionellen zur hysteretischen Arbeitslosigkeit offensichtlich. Deshalb müssen die späteren Vorschläge zur Arbeitslosenversicherung sowohl die Kostenseite als auch den Mobilitätsaspekt genau prüfen. Hannowsky untersuchte 2003 die Ursachen der Arbeitslosigkeit in Europa und kam auch zu dem Ergebnis, dass es sich v. a. um strukturelle Arbeitslosigkeit im 876 877
Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 230. Vgl. Berthold, Norbert: Der Sozialstaat im Zeitalter der Globalisierung, 1997, S. 22 –
23. 878 879
Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 230 – 231. Vgl. Rittenbruch, Klaus: Makroökonomie, 2000, S. 287.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
235
Sinne von Mindestlohnarbeitslosigkeit handelt und hohe friktionelle Arbeitslosigkeit durch inflexible Matching-Technologien (vgl. Kap. 9, B.), also starre, hochregulierte Arbeitsmärkte und innefiziente Systeme der Arbeitsverwaltungen.880 Fabiani und Mestre können dies auch belegen. Im Zusammenhang mit der PhillipsKurven-Diskussion erforschen sie die Modelle der Raten der „non-accelerating inflation rate of unemployment“ (NAIRU). Dabei kommen sie auch zu dem Ergebnis, dass in den europäischen Staaten die Arbeitslosigkeit zurückgeht, die ihre Arbeitsmärkte bereits reformiert haben, während sie in den Ländern mit Reformstau eher noch zunimmt.881 Mittel- oder langfristig beruht die Arbeitslosigkeit auf den klassischen Annahmen oder Mis-Matchfaktoren. Entweder ist die Produktivität der Arbeitslosen geringer als die Kosten, die durch ihre Beschäftigung entstehen, oder die Arbeitslosen haben keinen Anreiz oder keine Qualifikation für eine neue Anstellung. Lösungen sehen Berthold und Fehn nur in einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität, einer Senkung der Bruttolohnkosten und einer Verstärkung der Suchintensität der Arbeitslosen.882 Für Deutschland soll folgende kleine Übersicht den empirischen Beleg für die Annahme einer klassischen Arbeitslosigkeit liefern: Tabelle 8 Produktivitäts- und Arbeitskostenentwicklung in Deutschland Veränderungsrate der jährlichen Produktivität (je Erwerbstätigenstunde)
Veränderungsrate der jährlichen Arbeitskosten (je Arbeitnehmerstunde)
1992
2,7
9,2
1993
1,6
5,8
1994
2,6
3,1
1995
2,5
4,9
1996
2,3
2,8
1997
2,0
1,6
1998
1,3
1,5
1999
1,5
2,0
2000
2,2
3,3
2001
1,0
2,5
2002
1,2
2,2
Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft, Deutschland in Zahlen, 2003, S. 47.
880 Vgl. Hannowsky, Dirk: Die Arbeitsmarktpolitik der Europäischen Union, 2003, S. 41 – 51. 881 Vgl. Fabiani, Silvia / Mestre, Ricardo: A System Approach for Measuring the Euro Area NAIRU, 2001, S. 5. 882 Vgl. Berthold, Norbert / Fehn, Rainer: Arbeitslosigkeit – Woher kommt sie? Wann bleibt sie? Wie geht sie?, 1994, S. 321.
236
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
In oben stehender Tabelle ist die den Veränderungsraten zugrunde liegende Produktivität das BIP zu Preisen von 1995 je Erwerbstätigenstunde und die Arbeitskosten das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitsstunde. Man erkennt deutlich, dass bis auf 1997 in den letzten 11 Jahren die Produktivitätsentwicklung immer hinter den Arbeitskosten hinterherhinkte. Die fehlenden Investitionen führten v. a. in den zentralen Staaten zu einer geringen Produktivitätsentwicklung und somit typischerweise zu der von Neumann beschriebenen Kapitalmangelarbeitslosigkeit. 883 in den 70er Jahren sehr rasch bis in den negativen Bereich hinein gesenkt worden. Dies war sicherlich ausschlaggebend für die rasche und kräftige Erholung. Dies ist derzeit nicht der Fall, denn seit Beginn des Abschwungs hat die Europäische Geldpolitik die Realzinsen in Deutschland kaum noch zurückführen.884 Einen Erklärungsansatz der rigiden Reallöhne und damit persistenten Arbeitslosigkeit liefert die sogenannte Insider-Outsider-Theorie.885 In den Modellen wird zwischen Insidern, die einen Arbeitsplatz haben, und Outsidern, die einen Arbeitsplatz suchen, unterschieden. Die Outsider ziehen höhere Beschäftigung einem Lohnwachstum vor, Insider wollen höhere Löhne, solange sie nicht um ihre Beschäftigung fürchten müssen. Bei kollektiven Lohnverhandlungen der Monopolgewerkschaft wird nun davon ausgegangen, dass die Gewerkschaft die Interessen der Mitglieder vertritt. Wird ein Arbeitnehmer arbeitslos und tritt sofort aus der Gewerkschaft aus, um etwa seinen Mitgliedsbeitag zu sparen, ist folgendes Szenario möglich: Sinkt in einer Rezession die Arbeitsnachfrage müsste die Gewerkschaft, damit alle Mitglieder erhalten bleiben, dem niedrigeren neuen Gleichgewichtslohn zustimmen. Liegt dieser aber unter dem Anspruchslohn, ab denen die Arbeiter überhaupt bereit sind zu arbeiten, wird sie nur den Anspruchslohn durchsetzen, es kommt zu Arbeitslosigkeit. Treten die Arbeitslosen aber sofort aus, sinkt die Zahl der Insider. Deshalb wird die Gewerkschaft im nächsten Aufschwung einen (zu hohen) Lohn fordern, der nur den verbliebenen Insidern nützt, die Outsider bleiben arbeitslos, es kommt zu einer Hysterese. Outsider können den Insiderlohn auch kaum unterbieten, da entweder Tarifabschlüsse für allgemein verbindlich erklärt werden, längere Outsider als unproduktiv, schlecht ausgebildet und demotiviert gelten (vgl. stock-flow-matching-models in Kapi883 So führte Neumann in einem Symposium des Arbeitskreises „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“ der List Gesellschaft e.V. die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik auf mangelnde Kapitalbildung zurück und begründete diese mit einem Rückgang der Einkommen aus Unternehmertätigleit und Vermögen im Verhältnis zum Volkseinkommen von 40,1% im Jahr 1950 bis 22,9% im Jahr 2000. Vgl. Neumann, Manfred: Wege aus der Sackgasse persistenter Arbeitslosigkeit: Die neoklassische Perspektive, 2003, Tabelle 1. 884 Vgl. Fantacone, Stefano / Parascandolo, Paola: Macroeconomic performance, investment and employment, 2001, S. 75. 885 Ursprünglich geht die „Insider-Outsider-Theorie“ zur Erklärung der strukturellen Arbeitslosigkeit auf Lindbeck und Snower zurück. Vgl.: Wage-setting, Unemployment, and The Insider-Outsider Relation, 1986, S. 235 – 239. Sie wurde von den Autoren weiterentwickelt und in dem Standardwerk: The Insider-Outsider Theory of Employment and Unemployment 1988 veröffentlicht.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
237
tel 8, B.) oder die günstiger Eingestellten nach kurzer Zeit Insider werden und deren Löhne fordern.886 Treten Arbeitslose nicht sofort aus der Gewerkschaft aus, verkleinert sich der hysteretische Effekt, doch häufig überwiegt in Tarifverhandlungen der Druck der Insider auf Gewerkschaften oder Outsider verhalten sich wie Insider, entweder weil ein gewisser Korpsgeist vorhanden ist oder weil sie hoffen, bald wieder Insider zu sein.887 Die Folge der überhöhten Abschlüsse betrifft nicht nur die Betriebe, sondern letztlich alle Steuerzahler, da zusätzliche Transfers, etwa ein Budgetausgleich an die Arbeitslosenversicherung, notwendig werden.888 Anhänger der Ordnungstheorie führen zusammenfassend die Arbeitslosigkeit in Europa auf das Versagen der Arbeitsmärkte als Ordnungsproblem zurück.889 Hohe Arbeitslosigkeit gilt stets als Versagen der Arbeitsmarktordnungen. So werden etwa über zu hohe und zu lange Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung falsche Anreize gesetzt oder über monopolisierte Tarifverhandlungen zu hohe Löhne induziert und damit sind falsche ordnungspolitische Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt für die Arbeitslosigkeit verantwortlich. Zwar werden konjunkturelle Aspekte der Arbeitslosigkeit noch gesehen, doch keynesianische Mittel der Beschäftigungspolitik abgelehnt. Insbesondere die Informationsprobleme, die zu zahlreichen Verzögerungen bei der Diagnose der Problemursachen wie auch bei der Konzeptionierung und Implementation von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen führen, können prozyklische Wirkung der eigentlich antizyklisch angelegten Fiskalpolitik bedingen und an Stelle des vermeintlichen Trade-offs zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation eine Stagflation herbeiführen.890
Dies gibt auch den aktuellen Stand der makroökonomischen Diskussion bei der Europäischen Kommission wieder, für die McAdam und Mc Morrow das Konzept der NAIRU (siehe oben) und dessen Erklärungsgehalt für die Ursachen der Arbeitslosigkeit analysieren. Aufbauend auf der bei rationalen Erwartungen langfristig senkrecht verlaufenden Phillipskurve891 wird eine „non-accelarating inflation rate of unemployment“ bestimmt und empirisch überprüft. Arbeitslosigkeit wird dann nicht mehr als konjunkturelles sondern als strukturelles Phänomen modelliert. Die Hysterese in dem Modell geht auf den Verteilungskampf auf dem Arbeitsmarkt zurück, der bei überzogenen Forderungen einerseits zu Arbeitslosigkeit, andererseits zu Preissteigerungen und damit zu Inflation führt. Das Modell erklärt damit Beschäftigung und Inflation endogen. Die Ursachen der Arbeitslosigkeit in Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 164 – 167. Vgl. Feldmann, Horst: Europäische Union und Arbeitsmarktflexibilität, 1998, S. 73. 888 Vgl. Starbatty, Joachim: Gewerkschaft verliert an Glaubwürdigkeit, 2003, S. 2. 889 Vgl. Landmann, Oliver: Die anhaltende Massenarbeitslosigkeit: Theorieversagen oder Politikversagen?, 1998, S. 162 – 165. 890 Hannowsky, 2003, S. 41. 891 Vgl. Neumann, 1996, S. 243 – 246. 886 887
238
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Europa werden strukturell erklärt892 und die keynesianische Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird abgelehnt, da die Fiskalpolitk zu spät kommt und die expansive Geldpolitik, neben den in Kapitel 8, B. erwähnten Fällen, wo sie nicht nicht funktioniert, zu Inflation führen kann. Vielmehr soll die Geldpolitik für eine stabile Währung und damit für Vorhersehbarkeit sorgen und damit durch das Vertrauen der Marktakteure für mehr Investitionen und Beschäftigung sorgen. Das stabilitätspolitische Konzept der Monetaristen ist also auf eine langfristig angelegte Regelpolitik ausgelegt, um die Erwartungen und Planungsgrundlagen der Akteure zu stabilisieren. Regelgebundenheit mit einem Spielraum für diskretionäre Einflüsse bei Bedarf lehnen sie ab, da sie befürchten, dass es für den Staat rational ist, ständig von der Regelpolitik abzuweichen, da Politiker und Bürokraten an Eigennutzmaximierung und Wiederwahl interessiert sind und Individuuen mit rationalen Erwartungen diese Abweichungen von der Regel sofort antizipieren und ihr Handeln danach ausrichten.893 Einige Autoren sehen aber auch keynesianische Ursachen der Arbeitslosigkeit in Europa. Da die einheitliche Währung gerade den peripheren Ländern die Möglichkeit einer unterbewerteten Währung genommen hat, wurden dort enorme Anstrengungen zur Produktivitätssteigerung durchgeführt, um wieder wettbewerbsfähig zu sein. Dies habe zuallererst zu einer verstärkten Substitution von Arbeit durch Kapital geführt und damit zu einem Nachfragerückgang in Europa, was v. a. Länder mit einem hohen Exportanteil in die EU, v. a. Deutschland und seinen Arbeitsmarkt, betroffen habe. „One the whole, the process of (in- creasing) European monetary integration ( . . . ) had a negative impact on employment.“894 Deshalb wird auch eine keynesianische Beschäftigungspolitik als Antwort auf die hohe Arbeitslosigkeit, v. a. in Deutschland, gefordert. Das traditionell keynesianisch geprägte DIW in Berlin macht für die Wachstums- und Beschäftigungsschwäche in Deutschland und der EU v. a. eine „ausgeprägte Verbrauchsschwäche“ aus und spricht von „kaum verschlechterten Angebotsbedingungen“. Dabei legt das DIW den Inhalt der Tabelle 8 völlig anders aus, es gibt zwar Lohnkostensteigerungen zu, die über dem Produktivitätswachstum liegen, allerdings seien diese nicht so stark wie zu Beginn der 90er Jahre. Deshalb sei die aktuelle konjunkturelle Lage eine „nachfragebedingte Stagnation“, die mit expansiver Fiskalpolitik und expansiver Geldpolitik bekämpft werden müsse.895 An dieser Stelle soll keine Monetarismus-Keynesianismus-Debatte geführt werden, da dies leider auch häufig zu polemischen Anfeindungen führt, wie die Reaktion Läufers auf Hankels Beden892 Vgl. McAdam / Mc Morrow: The NAIRU Concept – Measurement, Uncertainties, hysteresis and economic policy role, 1999, S. 31 – 35. 893 Diese Diskussion läst sich unter „Zeitinkonsistenztheorie optimaler Wirtschaftspolitik subsumieren“, vgl. dazu ausführlich: Wagner, Helmut: Stabilitätspolitik – Theoretische Grundlagen und institutionelle Alternativen, 1998, S. 127 – 145 (vgl. auch Kap. 4, B. III. 3.). 894 Vgl. Fantacone, Stefano / Parascandolo, Paola: Macroeconomic performance, investment and employment, 2001, S. 85. 895 Vgl. Horn, Gustav A.: Zu schwache Nachfrage für einen Aufschwung, 2003, S. 1 – 5.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
239
ken gegen die EURO-Einführung.896 Allerdings kann man aus der Debatte eine Schlussfolgerung ziehen, nämlich den Versuch zu machen, zwischen rein nationalen Ursachen der Arbeitslosigkeit und integrationsbedingten Ursachen zu unterscheiden. Hierbei wird es sicherlich nicht möglich sein, exakte, wissenschaftlich haltbare Quantifizierungen eventueller integrationsbedingter Arbeitslosigkeit vorzunehmen.897 Tendenzen können aber aufgezeigt werden: Aus der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion (vgl. Kap. 5) kann eine Tatsache nicht verleugnet werden: Der Preis der Währungsunion war der Verlust der Möglichkeiten der einzelnen Mitgliedstaaten, aktive Konjunkturpolitik zu betreiben. Die Geldpolitik ist in Händen der Europäischen Zentralbank, die Fiskalpolitik an den Stabilitäts- und Wachstumspakt geknüpft. Aufgabe der Europäischen Zentralbank ist die Sicherung der Preisstabilität in der gesamten Euro-Zone.898 Dabei orientiert sich ihre Zinspolitik an den durchschnittlichen Inflationsraten, nicht an den Zinserfordernissen einzelner Länder.899 Somit könnte der Zins in der Bundesrepublik bei der augenblicklichen Inflationsrate von 1% durchaus niedriger sein, ohne sofortige Inflationsgefahr. Deshalb fordern auch einige Finanzminister in der EU, allen voran der französische und der deutsche, denen selbst der Handlungsspielraum durch die Defizitgrenzen genommen ist, von der EZB „deutliche Zinssenkungen“.900 Horn argumentiert ähnlich: „Die Realzinsen [waren] in den 70er Jahren sehr rasch bis in den negativen Bereich hinein gesenkt worden. Dies war sicherlich ausschlaggebend für die rasche und kräftige Erholung. Dies ist derzeit nicht der Fall, denn seit Beginn des Abschwungs hat die Europäische Geldpolitik die Realzinsen in Deutschland kaum noch zurückführen können.“901 Stark einschränkend muss man dazu aber anführen, dass es wohl nicht möglich ist, die Zins- und Inflations(erwartungs)entwicklung für Deutschland zu prognostizieren, hätte es keine Währungsunion gegeben. Außerdem sind nach Meinung aller Forschungsinstitute die „monetären Rahmenbedingungen immer noch günstig“902, das Problem der deutschen Wirtschaft augenblicklich nicht in zu hohen Zinsen zu sehen. Die Investitionszurückhaltung der Unternehmer hat andere Ursachen, wie etwa Absatz- und 896 Vgl. Läufer, Nikolaus: Die Zumutungen des Herrn Hankel, 1998, o. S.; vgl. Hankel, Wilhelm: Europa wird am Euro scheitern, 1998, S. 140 – 155. 897 Analog zu den Wachstums- und Beschäftigungswirkungen des Binnenmarktes vgl. Harbrecht, Wolfgang: Auf der Schwelle zum Binnenmarkt, Zwischenbilanz zum Jahresanfang 1993, 1993, S. 7 – 8. 898 Zur Geldordnung der EWWU vgl. Harbrecht: Die Europäische Währungsordnung, 1999, S. 1 – 7. 899 So argumentiert auch der Vizepräsident der EZB Papademos: „Als EZB können wir dagegen nicht viel tun, weil wir nur die durchschnittliche Inflationsrate des Eurogebiets beeinflussen können.“ Piper, Nikolaus: „Der langfristige Nutzen des Paktes entscheidet“, 2003, S. 23. 900 Vgl. Hagelüken, Alexander: Finanzminister setzten auf Zinssenkung, 2003, S. 21. 901 Vgl. Horn, 2003, S. 4. 902 Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute: Die wirtschaftliche Lage in der Europäischen Union, 2003, S. 3.
240
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Gewinnerwartungen, preisliche Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Euro-Aufwertung und Standortbedingungen, v. a. direkte und indirekte Lohnkosten. Gerade aber die nach unten unflexiblen Löhne können die Ursache für Arbeitslosigkeit in einzelnen Staaten der Währungsunion darstellen: Verändern sich durch unterschiedliche Lohnentwicklungen die realen Wechselkurse, ist ein Ausgleich über den nominellen Wechselkurs seit der unwideruflichen Festlegung der Wechselkurse nicht mehr möglich. Sind die Löhne aber nach unten nicht flexibel, führt dies zu Arbeitslosigkeit in dem betroffenen Mitgliedstaat.903 „Der Euro wirkt dabei als Katalysator: Er verstärkt die bereits von der Globalisierung sowie vom technischen und strukturellen Wandel ausgehenden Anpassungszwänge ( . . . ).“904 Dies umso mehr, je geringer die Anpassungsmöglichkeiten sind. Bei unflexiblen Löhnen muss die Anpassung über hohe Mobilität der Arbeitskräfte erfolgen, was aber in Europa nicht gegeben ist. Zusätzlich sollte noch hohe Diversifikation in den Produktionsstrukturen vorliegen, was durch die Krugman’schen Thesen (vgl. Kap. 4, C. III. 4.) zumindest bezweifelt wird und deshalb die Anfälligkeit für asymmetrische Schocks erhöht. Genau aus diesen Gründen kommt Padoan in seiner Analyse der Arbeitslosigkeit in Europa dazu, dass „( . . . ) the way in which the single currency is managed will affect the possibilities for reducing European unemployment. ( . . . ) A monetary union cannot function satisfactiorily if the labour market displays excessiv rigity and too little mobility.“905 Die Nichtberücksichtigung der Kriterien der Optimalen Währungsräume bei der Etablierung der Währungsunion ist nach seiner Analyse kontraproduktiv zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa. Die Spezialisierung erhöht tendenziell noch die Wahrscheinlichkeit asymmetrischer Schocks, denen aber keine Ausgleichsmechanismen gegenüberstehen, da die Wechselkursanpassung nicht mehr möglich ist und die andern Ausgleichsmechanismen sehr schwach ausgeprägt sind. „When a shock hits the economy, the unemployment rate settles a higher level than its ,natural‘ one; the cause of unemployment rate’s persitence at such a level is a low speed of adjustment.“906 Damit wird das NAIRU-Konzept und die zunehmende hysteretische Arbeitslosigkeit um den Einflussfaktor der schlechteren Anpassungsfähigkeit durch die Europäische Währungsunion ergänzt. Kapitel 7 hat schon gezeigt, dass autonome Fiskalpolitik zur Bekämpfung von Schocks zwar vorgesehen ist, allerdings nur bis zum Referenzwert von 3%. Weitere expansive Fiskalpolitik ist nicht erlaubt und hätte wohl neben der lag-Problematik noch weitere negative Auswirkungen wie direktes Crowding-Out durch die hohen Schulden und Zinsen, aber auch ErwartungsCrowding-Out durch das Misstrauen der Marktteilnehmer gegen eine solide Haus903 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Zur Geldwertstabilität des Euro – Chancen und Risiken, 2000, S. 65. 904 Vgl. Schnabel, Claus: Tarifautonomie und Tarifpolitik, 2000, S. 112. 905 Padoan, Pier Carlo: Europe’s unemployment: a review of the debate, 2001, S. 57. 906 Ebd., S. 64.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
241
haltspolitik und den Erwartungen steigender Steuern und Belastungen in der Zukunft, was zu weniger Investitionen und Produktionsverlagerungen führt. Da aber diese direkte Möglichkeit der fiskalpolitischen Stabilisierung durch die Wirtschafts- und Währungsunion weitgehend genommen wurde, kann eine europäische Arbeitslosenversicherung mit ihrer automatischen Stabilisatorfunktion (vgl. Kap. 4, C. 5. und Kap. 7, A.) dieses Defizit beheben. Bevor dies aber untersucht wird, muss eine Begründung geliefert werden, warum der Staat Anbieter einer Arbeitslosenversicherung sein muss und nicht eine Lösung dem Wettbewerb überlassen werden kann (vgl. Kap. 2, A.).
E. Begründungsansätze für eine staatliche Arbeitslosenversicherung I. Marktversagen bei der Versicherung von Einkommensrisiken Die Nachfrage nach einer Versicherung gegen Lohnrisiken hängt von den Risikopräferenzen, der Risikomenge und der Möglichkeit der Selbstversicherng ab. Die Risikoaversion der Individuen, die sie unterstellt, und auch die Ausmaße des Einkommensrisikos sprechen für das Zustandekommen eines Versicherungsmarktes. Allerdings gibt es durchaus für Individuuen die Möglichkeit, durch vorsorgliches Sparen und Vermögensaufbau oder durch Risikodiversifikation durch Familiengründung eine Selbstversicherung zu betreiben. Darauf lassen auch Untersuchungen schließen, wonach ein Arbeitsloser nur etwa 1 / 3 seines verfügbaren Haushaltseinkommens aus der Arbeitslosenversicherung bezieht.907 Dieses Ergebnis deutet aber gleichzeitig auf die grundsätzliche Bereitschaft zur Nachfrage nach einer Lohnversicherung hin. Allerdings besteht bei einer nicht-obligatorischen Versicherung immer die Gefahr der Rationalitätenfalle, wenn sich viele Individuuen nicht privat versichern würden und im „Schadensfall“ auf die Fürsorgepflicht des Staates pochen würden.908 Das Marktversagen muss folglich auf der Angebotsseite liegen, das Risiko Arbeitslosigkeit ist ein nicht oder nur schwer zu versicherndes Risiko. Besteht eine Abhängigkeit zwischen den Einkommensrisiken, ist eine Risikodiversifikation nicht möglich. Da aber durch die Konjunktur eine Kovarianz zwischen diesen geschaffen wird909, ist der Risikoausgleich schwer durchführbar.910 Besteht aber keine perfekte Korrelation, besteht für die Versicherungsanbieter die Möglichkeit, Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 176 – 178. Vgl. Schmid, Hans / Rosenbaum, Eckehard F.: Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung aus ökonomischer Sicht, 1996, S. 126. 909 Vgl. Sachverständigenrat: Reformen voranbringen, 1996, S. 446. 910 Vgl. Berthold, Norbert: Marktversagen, staatliche Intervention und Organisationsformen der sozialen Sicherung, 1988, S. 364. 907 908
16 Deinzer
242
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
in Versicherte aus verschiedenen Konjunkturzonen, Branchen, Regionen und Länder zu diversifizieren. Das systematische Risiko könnte über an der Arbeitslosigkeit indexierten Prämien abgefangen werden. Zusätzlich ergibt sich aber auf der Angebotsseite ein Kostenproblem, das sich aufgrund von asymmetrisch verteilter Information und Moral hazard911 ergibt. Faire Versicherungsprämien müssen eine Unterscheidung in gute und schlechte Risikoklassen erlauben. Dann können unterschiedliche Risiken mit unterschiedlichen Prämien belegt werden. Ist aber der Versicherung das persönliche Risiko des Versicherten unbekannt, würden alle Versicherungsnehmer den günstigeren Vertrag für geringes Risiko wählen. Eine Kostendeckung und somit ein Angebot käme nicht zustande. Würde man aber einen Zwangspool aus allen Versicherten bilden, würde die Wahrscheinlichkeitsverteilung der guten und schlechten Risiken als Information ausreichen, um einen „Durchschnittstarif“ für alle Versicherten anzubieten. Dann würden aber die guten Risiken diese Versicherung verlassen, um bei einem Konkurrenten die billigere Versicherung für gute Risiken zu suchen. Die schlechten Risiken blieben in der Pooling-Versicherung zurück, da der teuere Tarif des Konkurrenten nicht attraktiv ist. Folglich muss die Arbeitslosenversicherung, um kostendeckend arbeiten zu können, ein Monopol besitzen.912 Dabei ist aber zu hinterfragen, ob Versicherer nicht durch Informationen wie Ausbildung, Qualifikation, Alter etc. Risikogruppen bilden könnten, um gute und schlechte Risiken zu identifizieren. Sinn zeigt allerdings in einem neoklassischen Modell, dass selbst bei bekanntem Risiko der Individuen die Möglichkeit besteht, dass aufgrund falscher Annahmen über das Versicherungsverhalten der anderen Individuen sich kein Versicherungsgleichgewicht einstellt, wenn die relative Risikoaversion klein genug und konstant ist.913 II. Polit-ökonomischer Ansatz Neben den gerade geschilderten – und häufig zu findenden – informationsökonomischen Theorien, warum die Arbeitslosenversicherung als staatliche Zwangsversicherung organisiert werden sollte, bieten Wagner und Jahn auch noch ein politökonomisches Argument an: Ist in den meisten Fällen die Legislative Angriffspunkt für Lobbyisten, haben Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in Deutschland durch die drittelparitätische Besetzung der Bundesanstalt für Arbeit die leitenden Satzungs- und Exekutivfunktionen direkt in ihrer Einflusssphäre. Durch die Aufrechterhaltung der Monopolstellung der Arbeitsverwaltung können die Tarifparteien über hohe Leistungen über den Versicherungsschutz hinaus die 911 Da das Moral hazard-Argument v. a. die Ausgestaltung der Versicherung betrifft, wird dies in den Kapiteln 8, F. und 9, E. extra erläutert. 912 Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 184 – 185. 913 Vgl. Sinn, Hans-Werner: Das Selektionsprinzip und der Systemwettbewerb, 1997, S. 53 – 55.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
243
Arbeitslosen, die von hohen Tarifabschlüssen betroffen sind, „befrieden“ und deren Widerspruch gegen das Tarifkartell zum Verstummen bringen.914 Diese Besonderheiten im bundesdeutschen System und v. a. die Argumente unter Kap. 8, E. I. haben in fast allen Mitgliedstaaten der EU dazu geführt, dass es eine staatliche Zwangsversicherung gegen Arbeitslosigkeit gibt. Nachdem im folgenden Kapitel noch die Anreizwirkungen eines Versicherungssystems gegen Arbeitslosigkeit erörtert wird, und die Abhängigkeiten dieser Anreize vom institutionellen System verdeutlicht werden, muss das übernächste Kapitel dann eine Übersicht über die verschiedenen Systeme in der EU gegen, um gerade auch deren Heterogenität auf den Feldern des Anwendungsbereichs und der Ausgestaltung des Leistungsbezuges, dessen Höhe und Dauer und auch der Finanzierung aufzuzeigen.
F. Individuelles Moral hazard – Anreizeffekte einer staatlichen Arbeitslosenversicherung I. Arbeitslosenversicherung und statische Effizienz Nach einer auf Clark et. al. zurückgehenden Untersuchung lassen sich 9 Felder der theoretischen Effekte der Arbeitslosenversicherung auf Übergangswahrscheinlichkeiten auf den Arbeitsmarkt unterscheiden. Dabei drückt in folgender Tabelle die Ziffer den unten näher beschrieben Fall aus, das Vorzeichen die zu erwartende Wirkung auf den Endzustand.
Endzustand Beschäftigung
Arbeitslosigkeit
Nicht-Partizipation
Beschäftigung
(1) –
(2) +
(3) ?
Arbeitslosigkeit
(4) –
(5) +
(6) –
Nicht-Partizipation
(7) ?
(8) +
(9) –
Anfangszustand
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Clark / Summers: Unemployment Insurance and Labor Market Transitions, 1982, S. 291.915
Abbildung 15: Theoretische Effekte einer Arbeitslosenversicherung
Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 177. Zu den Schlussfolgerungen vgl. Schmid, Hans / Reissert, Bend / Bruche, Gert: Unemployment Insurance and Active Labor Market Policy – An International Comparison of Financing Systems, 1992, S. 152 – 156. 914 915
16*
244
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
(1) Durch die Arbeitslosenunterstützung sinken im Falle der Entlassung die Kosten für den Arbeitnehmer, die Wahrscheinlichkeit einer freiwilligen Kündigung nimmt zu, allerdings erst nach Erfüllung der Mindestbeitragszeit. Entlassungen durch den Arbeitgeber werden wahrscheinlicher, da seine Kosten steigen und der Gekündigte cet. par. weniger Entschädigungen fordert. (2) Spiegelbildlich zu (1) sinken die Opportunitätskosten der Arbeitslosigkeit. Dies gilt aber nur, wenn keine Karenztage zu Beginn der Arbeitslosigkeit die Zahlung der Unterstützung aufschieben und der Bertoffene genug Beitragszeiten hat. (3) Die Übergangswahrscheinlichkeit in die Nicht-Partizipation steigt, wenn – wie in Deutschland – die Arbeitslosenversicherung Programme zum vorzeitigem Austritt aus dem Erwerbsleben fördert. Sie sinkt, wenn die Arbeitslosenversicherung bestimmte Leistungen (etwa spezielle Arbeitsmarktprogramme) nur an Erwerbstätige erbringt. (4) Dieser Effekt wird später noch ausgiebiger diskutiert, entscheidend sind aber wohl Bezugsdauer und Höhe der Leistung der Arbeitslosenversicherung. Personen die keinen Anspruch bzw. keinen Anspruch mehr auf Leistungen aus der Versicherung haben, werden sich natürlich wieder verstärkt bemühen, die Übergangswahrscheinlichkeit steigt wieder an. (5) Die Wirkungen verhalten sich spiegelbildlich zu (4). (6) Der Bezug der Versicherungsleistung hält natürlich den Arbeitslosen davon ab, sich komplett vom Arbeitsmarkt zurückzuziehen. Dies wird durch Frühpensionierungen allerdings abgemildert. (7) Für einen generellen Eintritt ins Beschäftigungsleben spricht natürlich die in Aussicht gestellte Zahlung bei Arbeitslosigkeit, allerdings schreckt die Beitragszahlung ab, somit ist keine generelle Aussage möglich. (8) Es gelten die analogen Überlegungen aus (7) wobei der Effekt der Beitragszahlung entfällt. Allerdings hat der Arbeitslose auch keine monetären Ansprüche erworben, womit der Effekt auf die rein nichtmonetären Leistungen der Arbeitslosenversicherung beschränkt bleibt und damit gering ausfallen dürfte. (9) Aus (8) folgt logisch eine leicht negative Wahrscheinlichkeit. Aus dieser kurzen Übersicht wird schon deutlich, dass die vermuteten Anreizwirkungen eines Systems der Arbeitslosenversicherung v. a. von seiner konkreten Ausgestaltung abhängt. Ein Überblick über die unterschiedlichen Systeme der EUStaaten erfolgt in Kapitel 8, G.
II. Arbeitslosenversicherung und dynamische Effizienz Dass die Arbeitslosenversicherung auch die dynamische Effizienz des Arbeitsmarktes beeinflusst, wurde in der Literatur bisher kaum beschrieben. Doch gerade
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
245
hier ist der Effekt besonders interessant: Die für einen Optimalen Währungsraum so notwendige – und bisher in Europa so niedrige – Mobilität der Arbeitskräfte kann durch eine Arbeitslosenversicherung erhöht werden. Sowohl die sektorielle als auch die geographische Mobilität wird erhöht, da die mit einem Stellenwechsel verbundenen finanziellen Risiken, gerade wenn die Arbeit in einem weiter entfernten Gebiet oder gar in eimem anderen Land gesucht wird, reduziert werden. Strukturveränderungen und hohe Anforderungen an Mobilität werden leichter akzeptiert, als dies ohne die Arbeitslosenversicherung der Fall wäre.916 In diesem Zusammenhang scheint dann sogar die allgemeine Feststellung, eine längere Dauer der Arbeitslosigkeit ist cet. par. immer schlechter, fraglich, da sie zu mehr Mobilität und damit zu besseren und schnelleren Strukturanpassungen führen kann.917 Somit ist noch ein weiteres Argument für eine europäische Arbeitslosenversicherung gefunden: Schafft sie mehr Sicherheit für die europäischen Arbeitnehmer in den Phasen der Arbeitslosigkeit, können diese mobiler werden und sich in einem anderen Mitgliedstaat der EU einen Job suchen ohne die sonst damit verbundenen finanziellen Risiken, nämlich nicht mehr ihrem heimischen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.
III. Höhe und Dauer der Lohnersatzleistung In der Literatur finden sich meist Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen den Leistungsmerkmalen der Arbeitslosenversicherungen und der Dauer der Arbeitslosigkeit. Damit beschränken sich die meisten Autoren auf das Feld Nr. (4) in Abbildung 15. Dies liegt nicht an der Ignoranz der Wissenschaftler, sondern an der schwierigen Verfügbarkeit von Daten, etwa über Arbeitsplatzwechsel, die nicht von offiziellen Stellen vermittelt werden. Über Arbeitslose sind aber Daten vorhanden, genauso über die Ausgestaltung des Systes der Arbeitslosenversicherung. Atkinson und Micklewright geben einen Überblick über die typischen Untersuchungsdesigns und die Ergebnisse diverser Studien, die weltweit durchgeführt wurden. Der Einfluss der Bezugshöhe auf die Dauer der Arbeitslosigkeit wird oft gemessen, aber die Untersuchungen sind sehr problembehaftet. Das liegt daran, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht die einzige Ursache ist, ob man einen Job aufnimmt, sondern auch dessen grundsätzliche Verfügbarkeit. Außerdem variiert die Höhe des Arbeitslosengeldes auch innerhalb der unterschiedlichen Systeme stark und ist selbst wiederum oft von einigen Variablen (Zahl der Versicherungsjahre, Höhe des letzten oder durchschnittlichen Entgeltes etc.) abhängig. Trotzdem finEbd., S. 140 – 141. Vgl. Schmid, Hans / Rosenbaum, Eckehard F.: Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung aus ökonomischer Sicht, 1996, S. 140. 916 917
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3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
den die meisten Autoren einen robusten, signifikanten Zusammenhang zwischen Höhe der Leistung und Dauer der Arbeitslosigkeit.918 Einen noch engeren Zusammenhang finden viele Untersuchungen bezüglich der gewährten Dauer der Unterstützung und der Dauer der Arbeitslosigkeit: Je länger die Arbeitslosenversicherungen die Leistungen bezahlen, desto länger sind die durchschnittlichen Dauern der Arbeitslosigkeit.919 Kritisch ist jedoch anzumerken, dass in den Untersuchungen nichts über das Arbeitslosenvolumen insgesamt gesagt wird. Senkt man durch eine Verkürzung der Anspruchsdauer die Arbeitslosigkeit oder ersetzt man einen Arbeitsplatz durch einen anderen? Dies wird aus den mikroökonomischen Studien nicht offensichtlich. Auch untersuchen die Studien immer nur eine Seite des Arbeitsmarktes, eine integrierte Sichtweise von Arbeitsangebot und -nachfrage fehlt allen. Wenn aber in konjunkturell ungünstigen Situationen überhaupt keine Stellenangebote vorliegen, bzw. die Stellensuche nicht zum Abschluss führt, weil ein anderer Bewerber den Vorzug erhält, können mikroökonomische Modelle dies nicht erklären, da man nicht von „freiwilliger Arbeitslosigkeit“ des Einzelnen sprechen kann, da er de facto keine Wahlmöglichkeit hat.920 Suchmodelle berechnen die sogenannte „Hazard-Rate“ als die Abhängigkeit einer Beschäftigungsaufnahme vom Anspruchslohn. Sie gehen davon aus, dass das Individuum dann eine Beschäftigung aufnimmt, wenn das niedrigste Lohnangebot an den Stellensuchenden über dem Anspruchslohn liegt. Damit wird der Suchprozess nicht durch die Matching-Technologie (vgl. Kap. 8, B.), sondern durch die exogene Lohnverteilung gesteuert. Durch eine Unterstützungsleistung aus einer Versicherung reduziert sich der Nutzen einer Beschäftigung, da der Wert der Freizeit durch die von Arbeitsleistung unabhängige Unterstützung natürlich steigt. Folglich steigt der Anspruchslohn und die Wahrscheinlichkeit der Arbeitsaufnahme sinkt. Natürlich gilt auch hier die Einschränkung, dass Suchmodelle die Arbeitsnachfrageseite völlig ausblenden. Auswirkungen auf die Dauer von Arbeitslosigkeit hat das Vorhandensein (oder die Erhöhung) einer Unterstützungszahlung aber nur, wenn ohne sie (oder mit geringerer Unterstützungsleistung) der niedrigst angebotene Marktlohn über dem Anspruchslohn liegt, mit der (erhöhten) Unterstützungszahlung aber darunter. Nur dann kommt es zu einer Verhaltensänderung des Individuums. Dies gilt auch für die Unterstützungsdauer: Liegt im 918 Vgl. Atkinson, Anthony / Mickelewright, John: Unemployment Compensation and Labor Market Transitions: A Critical Review, 1991, S. 1710 – 1713. Dort findet sich eine kritische Übersicht über eine Vielzahl von empirischen Unteruchungen sowohl in den USA (etwa von Danzinger, Haveman und Plotnick) als auch in Europa (etwa von van den Berg). 919 Stobernack gibt tabellarisch Übersicht über 25 verschiedene empirische Arbeiten zum Einfluss der Arbeitslosenversicherung auf die Arbeitslosigkeit. Fast alle Studien, ob multinominales Logit, Raten- oder Suchmodelle belegen den Zusammenhang. Vgl. Stobernack, Michael: Der Zusammenhang von Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosigkeit im Lichte der Empirie: Ein Literatursurvey, 1991, S. 262 – 266. 920 Ebd., S. 267 – 268.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
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Falle mit Arbeitslosenunterstützung der angebotene Lohn unter dem Anspruchslohn, verlängert die Dauer der Unterstützungsleistung cet. par. die Dauer der Arbeitslosigkeit.921 Auf Basis des Suchmodells haben Schmid und Rosenbaum den Zusammenhang zwischen Leistungshöhe, Leistungsdauer und Dauer der Arbeitslosigkeit in der Schweiz untersucht und kamen zu überraschenden Ergebnissen: Die Höhe der Unterstützungsleistung hatte einen geringen Einfluss auf die Dauer der Arbeitslosigkeit, allerdings unsiginfikant. Dies macht aber auch gerade das Problem der ökonometrischen Fassbarkeit des Moral-hazard-Problems der Arbeitslosenversicherung deutlich: Die variable Höhe der Unterstützungsleistung ist natürlich ungewollt ein Indikator für Leistungsfähigkeit, da er in den meisten Versicherungssystemen abhängig ist vom letzten Einkommen. Da das Gehalt in gewissem Umfang Ausdruck der Produktivität des Einzelnen ist, erhöht es dessen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Will man dieses Problem umgehen, müsste man Systeme mit Pauschalleistungen, die unabhängig vom letzten Einkommen gezahlt werden, untersuchen, etwa das britische System. Doch dann hat man keine Veränderung in der Variable Leistungshöhe (solange das System dies nicht signifikant verändert) und ein Test ist sinnlos. Das zweite Ergebnis der Schweizer Untersuchung war eher zu erwarten: Die Dauer des Anspruchs hat einen signifikanten Einfluss auf die Dauer der Arbeitslosigkeit, allerdings ist dieser geringer als bei anderen Variablen wie z. B. allein erziehende Mutter, geringe Qualifikation und Alter und trug auch nur 10,8% zur Erklärung der längeren Arbeitslosigkeit bei. Doch auch hier gibt es ein Interpretationsproblem der Ergebnisse: Da ältere Arbeitslose, ähnlich wie in Deutschland, länger Arbeitslosenunterstützung aus der Versicherung erhalten, und auch das Alter einen Einfluss auf die Chancen der Wiedereinstellung hat, ist der monokausale Zusammenhang – längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld führt zu längerer Arbeitslosigkeit – so mit den Daten aus der Arbeitslosenversicherung nicht allein aufrecht zu erhalten.922 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass modelltheoretisch ein Zusammenhang von Arbeitslosenversicherung und Moral hazard eindeutig gegeben ist. Allerdings sind die zahllosen empirischen „Beweise“ auch mit Vorsicht zu genießen, da viele Faktoren die Dauer der Arbeitslosigkeit beeinflussen und diese auch nicht unabhängig voneinander sind. Gerade die neueren stock-flow-Modelle haben gezeigt, dass v. a. die Dauer der bisherigen Arbeitslosigkeit ihrerseits den Erfolg der Arbeitsplatzsuche beeinflusst (vgl. Kap. 8, B.). Der Suchprozess ist durchaus gewollt und soll in einem effizienten, marktwirtschaftlichen System Faktorwanderun921 Das ursprüngliche Modell findet sich bei Stigler, George: The Economics of Information, 1961, S. 215 – 220. Er hat es 1962 noch erweitert (Information in the Labor Market, S. 96 – 100), die komperativ-statischen Ergebnisse des Modells finden sich tabellarisch bei: Wagner / Jahn, 1997, S. 188. 922 Vgl. Schmid / Rosenbaum, 1996, S. 141 – 180.
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3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
gen hervorrufen und dadurch höchste Produktivität durch die neue Faktorkombination ergeben und damit quasi automatisch einen Strukturwandel erzeugen. Dieser Suchprozess ist also sozial erwünscht, da er konjunkturelle und strukturelle Krisen minimiert. Da er auch Ressourcen verbraucht, ist eine Unterstützungsleistung der Jobsucher nur gerecht und angebracht. Schwächt aber diese Leistung durch Höhe und Dauer die Suchintensität, entstehen durch den Moral hazard unerwünschte Ineffizienzen.923
G. Überblick über die Arbeitslosenversicherungssysteme in der EU Alle Mitgliedstaaten der EU besitzen Mechanismen, um das Risiko Arbeitslosigkeit abzufedern. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es Systeme der Arbeitslosenversicherung; die ersten staatlichen wurden 1911 in Großbritannien und Irland eingeführt. Ursprung ist die Selbsthilfe der Arbeitnehmer und ihrer Verbände. In Deutschland etwa unterstützen die Gewerkschaften ihre Mitglieder bei Arbeitslosigkeit. Gesetz wurde die Arbeitslosenversicherung in Deutschland 1927.924 Seit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 29. Mai 1997 in Schweden besitzt von den 15 EU-Mitgliedstaaten nur noch Dänemark ein rein freiwilliges Versicherungssystem ohne zusätzliche Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit.925 In den meisten Staaten wird grundsätzlich zwischen einem Versicherungssystem unterschieden und einem Unterstützungssystem bei längerer Arbeitslosigkeit oder wenn noch keine oder eine zu kurze Versicherungszeit vorliegt. In manchen Ländern leistet die Unterstützung der Arbeitslosen, die keinen Anspruch (mehr) auf Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten, auch direkt die Sozialhilfe. Im Folgenden sollen die Grundprinzipien, der Anwendungsbereich, die Grundbedingungen, die Anwartschaftszeit und Karenzfrist, sowie die Leistungshöhe und Dauer v. a. der Arbeitslosenversicherung in den einzelnen Mitgliedstaaten tabellarisch gegenübergestellt werden. Dabei wird sehr schnell deutlich werden, dass eine starke Heterogenität der Systeme vorliegt und die größte Gemeinsamkeit aller Versicherungsarten ihre Unterschiedlichkeit ist.926 Diese Tatsache wird später zu berücksichtigen sein, wenn ein Vorschlag für eine Art Europäischer Arbeitslosenversicherung gemacht werden soll. Vgl. Wagner / Jahn, 1997, S. 190. Vgl. Führer, Karl-Christian: Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung in Deutschland 1902 – 1927, 1990, S. 12. 925 Vgl. Thierron, Bert: Die Systeme der Arbeitslosenversicherung in der EU, 2002, o. S. 926 Bei den Grundprinzipien und dem Anwendungsbereich wird im Vergleich noch das gesamte soziale System bei Arbeitslosigkeit berücksichtigt, bei den Grundbedingungen, der Anwartschaftszeit und Karenzfrist, sowie der Leistungshöhe und Dauer nur die Arbeitslosenversicherung, die für diese Arbeit von Relevanz ist. 923 924
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
249
I. Grundprinzipien Bei den Grundprinzipien der Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit kann man noch die größten Gemeinsamkeiten zwischen den Mitgliedstaaten feststellen: Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien verfügen sowohl über ein System der Arbeitslosenversicherung, als auch über Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosenunterstützung. In Österreich ist dieser zweite Baustein die Notstandshilfe, in Schweden die so genannte Grundsicherung (grundförsäkring). Hier ist die Besonderheit, dass die Arbeitslosenversicherung (inkomstbortfallsförsäkring) weiterhin freiwillig bleibt und die Grundsicherung im Falle der Nichtversicherung mit reduzierten Leistungen einspringt. Luxemburg besitzt einen staatlichen Arbeitslosenfonds, der aus Steuergeldern finanziert wird; Belgien, Dänemark, Griechenland und die Niederlande kennen nur die Arbeitslosenversicherung, wobei diese nur in Dänemark nicht obligatorisch ist. Hier sichert nach dem Arbeitslosengeld aus der Versicherung sofort die Sozialhilfe eine soziale Grundsicherung, in den anderen Staaten erst nach oder parallel zur Arbeitslosenhilfe. Im Rahmen des Reformprojektes Agenda 2010 möchte die deutsche Bundesregierung Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen. Das Nebeneinander der beiden (unterschiedlich hohen) Leistungen und Verwaltungen soll beendet werden und ein einheitliches Fördersystem geschaffen werden. Alle erwerbsfähigen Hilfeempfänger sollen in Job-Centern betreut und bei der Eingliederung ins Erwerbsleben unterstützt werden.927 Auch bei der Sozialhilfe, die in diesem Zusammenhang nur kurz angesprochen werden sollte, gibt es in allen Mitgliedstaaten erhebliche systematische Unterschiede: Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Irland besitzen residuale Systeme, die einen Rechtsanspruch auf ein ausreichendes Einkommensniveau der gesamten Familie begründen, remunerative Systeme in Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, und den skandinavischen Ländern gewähren die Sozialhilfe v. a. als Entschädigungsleistung für die Teilnahme an Weiterbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen und rudimentäre Systeme in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien, gewähren nur ganz bestimmten Gruppen der Bevölkerung (etwa alten und behinderten Menschen) relativ niedrige928 Einkommenshilfen.929 Bei Arbeitslosigkeit gelten in den EU-Staaten folgende Grundprinzipien:
927 928 929
Vgl. Bundesregierung: Agenda 2010 – Arbeitsmarkt, 2003. Zu den Unterschieden in der Höhe der Sozialhilfe vgl. Kapitel 3, B. Vgl. Feist, Holger: Arbeit statt Sozialhilfe, 2000, S. 194 – 195.
250
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Belgien
– Obligatorische Arbeitslosenversicherung (assurance-chômage / werkloosheidsverzekering)
Dänemark
– Freiwillige Arbeitslosenversicherung
Deutschland
– Arbeitslosenversicherung: obligatorisches beitragsfinanziertes Sozialversicherungssystem für Arbeitnehmer – Arbeitslosenhilfe: steuerfinanziertes fürsorgeähnliches System (im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld)
Finnland
– Die Arbeitslosenversicherung gewährt entweder Basis-Arbeitslosen geld (peruspäiväraha) oder einkommensbezogenes Arbeitslosengeld (ansioperusteinen työttömyyspäiväraha) (bei freiwilliger Versicherung).Teilarbeitslose haben Anspruch auf ein modifiziertes Arbeitslosengeld – Arbeitslosenhilfe bietet die Arbeitsmarktunterstützung (työmarkkinatuki) für solche Arbeitslose, die entweder vorher nicht beschäftigt waren oder Arbeitslosengeld für die Höchstdauer bezogen haben
Frankreich
– Arbeitslosenversicherung (assurance chômage): Obligatorisches Sozialversicherungssystem für Arbeitnehmer mit entgeltbezogenen Leistungen – Arbeitslosenhilfe (régime de solidarité): Mischsystem. Leistungen von vorausgegangener Erwerbstätigkeit und von Bedürftigkeit abgängig
Griechenland
– Arbeitslosenversicherung
Großbritannien
– Versicherung: Arbeitslosengeld (Contribution-based Jobseeker’s Allowance). Obligatorisches Sozialversicherungssystem mit festen Leistungssätzen für alle Arbeitnehmer und für gewisse Selbständige Arbeitslosenhilfe: Arbeitslosenhilfe (income-based Jobseeker’s Allowance). Steuerfinanziertes Hilfesystem bei Bedürftigkeit mit festen Sätzen
Irland
– Arbeitslosenversicherung. Obligatorisches Sozialversicherungssystem für Arbeitnehmer – Arbeitslosenhilfe. Steuerfinanziertes System für alle Einwohner
Italien
– Geldleistungen im Falle unfreiwilliger Arbeitslosigkeit: Normales Arbeitslosengeld (indennità ordinaria di disoccupazione) – Besonderes Arbeitslosengeld (trattamenti speciali di disoccupazione) – Mobilitätsunterstützung (indennità di mobilità) – Bei Teilarbeitslosigkeit: Normale Lohnergänzung (Cassa integrazione guadagni ordinaria) und außerordentliche Lohnergänzung (Cassa integrazione guadagni straordinaria)
Luxemburg
– System der Leistungen bei Arbeitslosigkeit
Niederlande
Arbeitslosenversicherung, umfasst: – Kurzfristige Leistung (kortdurende uitkering) – entgeltbezogene Leistung (loongerelateerde uitkering) – Anschlussleistung (vervolguitkering)
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
251
Österreich
– Obligatorisches Sozialversicherungssystem für Arbeitnehmer und gleichgestellte Gruppen – Notstandshilfe
Portugal
– Obligatorische Sozialversicherung für Arbeitnehmer mit entgeltbezogenen Leistungen
Schweden
Seit dem 1. Januar 1998 gibt es allein ein System der Arbeitslosenversicherung, das sich aus 2 Elementen zusammensetzt: – Grundsicherung (grundförsäkring) (ersetzt die Arbeitslosenhilfe) – entgeltbezogenes Arbeitslosengeld (inkomstbortfallsförsäkring) auf Basis freiwilliger Versicherung
Spanien
– Obligatorisches Sozialversicherungssystem für Arbeitnehmer und Gleichgestellte mit beitragsbezogenen Geldleistungen (im Versicherungssystem)
Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus: Europäische Kommission: MISSOC: Die soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums, 2002; Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung: Sozial-Kompass Europa, Soziale Sicherheit im Vergleich, 2003; VdAK: Basisdaten: Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätze 2002 und 2003, 2003; Thierron, Bert: Die Systeme der Arbeitslosenversicherung in der EU, 2002.
Abbildung 16: Grundprinzipien der sozialen Systeme bei Arbeitslosigkeit in den 15 EU-Staaten
II. Anwendungsbereich Meist erstreckt sich der Anwendungsbereich auf alle, oder alle sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, in Finnland und Schweden erstreckt sich der Geltungsbereich z. B. aber auch auf Selbständige. Belgien
– Alle versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. – Jugendliche, die nach Abschluss ihrer Ausbildung keine Beschäftigung finden.
Dänemark
Folgende Personen zwischen 18 und 63 Jahren können Mitglied einer Arbeitslosenkasse werden: – Arbeitnehmer, – Personen, die eine mindestens 18-monatige Berufsausbildung abgeschlossen haben und spätestens 2 Wochen nach Beendigung ihrer Ausbildung einer Kasse beitreten. – Wehrpflichtige. – Selbständige und mithelfende Ehepartner. – Personen, die ein öffentliches Amt beim Staat (z. B. Parlamentsmitglieder) oder in Gemeinden bekleiden.
Deutschland
– Alle Arbeitnehmer (Arbeiter, Angestellte, auszubildende Arbeitnehmer, einschließlich jugendliche Behinderte).
252
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Noch Abbildung 17: Finnland
Arbeitslosenversicherung: – Basis-Arbeitslosengeld (peruspäiväraha): Arbeitnehmer und Selbständige zwischen 17 und 64 Jahren. – Einkommensbezogenes Arbeitslosengeld (ansioperusteinen työttömyyspäiväraha): Arbeitnehmer und Selbständige zwischen 17 und 64 Jahren, die einer Arbeitslosenkasse angehören. Arbeitslosenhilfe („Arbeitsmarktunterstützung“, työmarkkinatuki): – Arbeitslose, die die Voraussetzungen der Arbeitslosenversicherung nicht erfüllen oder auf Tagegeld keinen Anspruch mehr haben. – Personen zwischen 17 und 24 sind anspruchsberechtigt während beschäftigungsfördernder Maßnahmen (Arbeitserprobung, Ausbildung, Training oder Rehabilitation). Nicht anspruchsberechtigt sind Personen: – im Alter von 17 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, – im Alter von 18 bis 24 Jahren, die die Teilnahme an Arbeitsmarktmaßnahmen abgelehnt oder sich nicht um einen Ausbildungsplatz beworben haben.
Frankreich
– Arbeitslosenversicherung (assurance chômage): Alle Arbeitnehmer (außer Geschäftsführern). – Arbeitslosenhilfe (régime de solidarité): Arbeitslose, die ihr Recht auf Versicherungszulagen ausgeschöpft haben, und bestimmte Kategorien von Personen (entlassene Häftlinge, ausgewiesene, in ihr Heimatland zurückgekehrte und heimatlose Arbeitnehmer, politische Flüchtlinge und Asylbewerber, Arbeitnehmer, die Opfer eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit geworden sind).
Griechenland
– Arbeitnehmer, die bei einem Sozialversicherungsträger gegen Krankheit versichert sind. – Jugendliche zwischen 20 und 29 Jahren, die noch nie gearbeitet haben.
Großbritannien
Arbeitslosengeld (Contribution-based Jobseeker’s Allowance): – Alle Arbeitnehmer, ausgenommen verheiratete Frauen, die sich vor April 1977 entschieden haben, der Versicherung nicht beizutreten. Arbeitslosenhilfe (income-based Jobseeker’s Allowance): – Arbeitslose, deren Einkünfte unter einer bestimmten Grenze liegen.
Irland
Arbeitslosenversicherung: – Mit wenigen Ausnahmen alle mit einem Arbeits- oder Ausbildungsvertrag beschäftigten Personen ab 16 Jahren. Ausgenommen sind Selbständige; vor dem 6. April 1995 eingestellte Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes; Personen mit wöchentlichen Einkünften unter A 38. Arbeitslosenhilfe: – Personen ab 18 Jahren.
Italien
Vollarbeitslosigkeit: Normales Arbeitslosengeld: – Alle Arbeitnehmer.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
253
Besonderes Arbeitslosengeld: – Beschäftigte in der Bauwirtschaft. – Mobilitätsunterstützung: – Alle Arbeitnehmer außerhalb der Bauwirtschaft, die die außerordentliche Lohnergänzung erhalten haben. Teilarbeitslosigkeit: – Arbeitnehmer aus Unternehmen bestimmter Gruppen und Regionen, die die Voraussetzungen für die Vollarbeitslosigkeit nicht erfüllen. – Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf die außerordentliche Lohnergänzung (Cassa integrazione guadagni straordinaria) (siehe unten, Teilarbeitslosigkeit). – Seit dem 1. Januar 1999 erhalten Personen, die ihre Beschäftigung aus eigenem Entschluss aufgegeben haben, keine Leistungen mehr. Luxemburg
– Alle Arbeitnehmer. – Jugendliche, die nach Abschluss ihrer Berufsausbildung arbeitslos sind, – Selbständige, die ihre Tätigkeit aufgegeben haben und eine Beschäftigung als Arbeitnehmer suchen
Niederlande
– Alle Arbeitnehmer unter 65 Jahren.
Österreich
– Alle gegen Entgelt beschäftigten Arbeitnehmer, Lehrlinge. – Teilnehmer an berufsfördernden Maßnahmen der Rehabilitation. – Keine Pflichtversicherung, wenn das Entgelt unter der Geringfügigkeitsgrenze von monatlich A 301,54 liegt.
Portugal
– Alle versicherten Arbeitnehmer. – Bezieher von Invaliditätsrenten für den Fall, dass die Leistungen wegen verbesserten Gesundheitszustands eingestellt werden, sodass der Rentenberechtigte als erwerbsfähig erachtet wird.
Schweden
– Die Grundsicherung (grundförsäkring) erhalten Personen im Alter von 20 Jahren, die nicht selbst versichert sind; die die Anspruchsvoraussetzungen in der Arbeitslosenversicherungskasse (12 Monate Mitgliedschaft) noch nicht erfüllen; die Wartezeit (Erwerbstätigkeitsvoraussetzung) erfüllen oder die Ausbildungsvoraussetzung erfüllen. – Das entgeltbezogene Arbeitslosengeld (inkomstbortfallsförsäkring) erhalten Personen, die selbst versichert sind, d. h. Mitglied in einer Arbeitslosenversicherungskasse sind, und die Voraussetzungen in Bezug auf Mitgliedschaft und Erwerbstätigkeit erfüllen.
Spanien
Arbeitslosenversicherung: – Arbeitnehmer, die einem Sozialversicherungssystem angehören, das das Risiko Arbeitslosigkeit deckt. Arbeitslosenhilfe: – Arbeitslose mit Familienangehörigen: deren Anspruch auf beitragsabhängige Leistungen erschöpft ist; ohne Anspruch auf beitragsbezogene Leistungen, jedoch mit Beitragszahlung für mindestens 3 Monate.
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3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Noch Abbildung 17: Spanien
– Arbeitslose ohne Familienangehörige: ab 45 Jahren, deren Anspruch auf beitragsabhängige Leistungen für mindestens 12 Monate erschöpft ist; ohne Anspruch auf beitragsabhängige Leistungen, jedoch mit Beitragszahlung für mindestens 6 Monate. Andere Gruppen: – Arbeitslose über 52 Jahren, die außer dem Alter alle Bedingungen für eine Altersrente erfüllen; aus dem Ausland zurückkehrende Migranten; – Personen nach der Entlassung aus einer ununterbrochenen Haft von mindestens 6 Monaten Dauer; – Empfänger einer Invaliditätsrente, deren Rente wegen Besserung des Gesundheitszustands ausgesetzt wurde und die wieder als arbeitsfähig gelten.
Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus: Europäische Kommission: MISSOC: Die soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums, 2002; Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung: Sozial-Kompass Europa, Soziale Sicherheit im Vergleich, 2003; VdAK: Basisdaten: Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätze 2002 und 2003, 2003; Thierron, Bert: Die Systeme der Arbeitslosenversicherung in der EU, 2002.
Abbildung 17: Anwendungsbereich der sozialen Systeme bei Arbeitslosigkeit in den 15 EU-Staaten
III. Grundbedingungen, Anwartschaftszeit und Karenzfrist Völlig unterschiedlich regeln die Mitgliedstaaten die Grundbedingungen der Arbeitslosenversicherung. Viele schreiben eine Meldung beim Arbeitsamt vor, die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit, eine bestimmte Anwartschaftszeit, in der in die Versicherung eingezahlt werden musste, die Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen, bestimmte Obergrenzen für zusätzliches vorhandenes Einkommen und / oder Vermögen, Wartezeiten und / oder zusätzliche Karenztage, bis ein Anspruch auf die die Leistung entsteht. Belgien
– Der Arbeitslose darf keine Vergütung beziehen, muss arbeitsfähig sein, muss beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet sein – Wartezeit je nach Alter des Versicherten von 312 Arbeitstagen inner halb der letzten 18 Monate bis zu 624 Arbeitstagen innerhalb der letzten 36 Monate – Keine Einkommensbedingung, keine Karenzfrist
Dänemark
– Der Arbeitslose muss unfreiwillig arbeitslos sein, aktiv eine Arbeitsstelle suchen, beim Arbeitsamt gemeldet sein, arbeitsfähig sein, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – Der Arbeitslose muss: in den vorausgegangenen 3 Jahren mindestens 52 Wochen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein; ein Jahr bei der Kasse versichert sein – Keine Einkommensbedingung, keine Karenzfrist für Arbeitnehmer
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
255
Deutschland
– Der Arbeitslose muss arbeitslos, d. h. beschäftigungslos und beschäftigungssuchend sein, sich persönlich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben – Der Arbeitslose muss während der letzten 3 Jahre mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben – Einkommen aus einer Nebentätigkeit (Beschäftigung von weniger als 15 Stunden pro Woche) mindert den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dabei gilt ein Freibetrag von 20% des Arbeitslosengeldes, mindestens A 165. Ansonsten keine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen – Keine Karenzfrist
Finnland
– Wohnsitz in Finnland; beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet sein; auf der Suche nach einer Vollzeitbeschäftigung sein; arbeitsfähig sein; dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – Arbeitnehmer müssen in den letzten 24 Monaten mindestens 43 Wochen mit jeweils mindestens 18 Stunden beschäftigt gewesen sein – Keine Einkommensbedingung – Karenzfrist: 7 Werktage
Frankreich
– keine freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes ohne gesetzlich anerkannten Grund; keine Saisonarbeitslosigkeit; Arbeitsfähigkeit; aktive Arbeitsuche; Meldung als Arbeitsuchender; – mindestens 4 Monate (122 Tage) Versicherungsmitgliedschaft in den letzten 18 Monaten – Obergrenzen für das monatliche Einkommen – Karenzfrist für bezahlte Urlaubstage + Karenzfrist von 7 Tagen für die Leistungsgewährung + Sperrfrist bis zu max. 75 Tagen, wenn aufgrund der Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine über dem gesetzlichen Betrag liegende Abfindung gezahlt wurde
Griechenland
– Der Arbeitslose muss ohne eigenes Verschulden arbeitslos sein, arbeitsfähig sein, als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt gemeldet sein und diesem zur Verfügung stehen – Mindestens 125 Arbeitstage während der letzten 14 Monate oder mindestens 200 Arbeitstage in den 2 letzten Jahren vor der Arbeitslosigkeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein, bei erstmaligem Anspruch mindestens 80 Arbeitstage jährlich während der letzten 2 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein – Keine Einkommensbedingung, 6 Tage Karenzfrist
Großbritannien
– Der Arbeitslose muss arbeitsfähig sein; muss für den Arbeitsmarkt verfügbar sein; muss aktiv nach einer Beschäftigung suchen; muss eine Arbeitslosenvereinbarung abgeschlossen haben; darf keiner Tätigkeit von 16 oder mehr Wochenstunden nachgehen; darf sich nicht in einem Vollzeitstudium befinden; muss sich in Großbritannien aufhalten; muss die Beitragsvoraussetzungen erfüllen – Keine Wartezeit, keine Bedürftigkeitsprüfung. Allerdings werden jegliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit oder aus betrieblichen oder persönlichen Renten von mehr als GBP 50 (A 80) pro Woche angerechnet. – 3 Tage Karenzfrist
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3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Noch Abbildung 18: Irland
– Der Arbeitslose muss arbeitslos gemeldet sein; für eine Vollzeitarbeit zur Verfügung stehen; arbeitsfähig sein und Arbeit suchen – Entrichtung von 39 Wochenbeiträgen und Nachweis von 39 Beitragswochen (entrichtete oder angerechnete Beiträge) während des Beitragsjahres vor dem Bezugsjahr oder 26 Wochenbeiträgen in jedem der beiden Steuerjahre vor dem Jahr der Leistungsgewährung – Keine Einkommensbedingung, 3 Tage Karenzfrist
Italien
– Der Arbeitslose muss dem Arbeitsamt zur Verfügung stehen. Für das besondere Arbeitslosengeld muss eine Entlassung wegen Einstellung der Aktivitäten, Beendigung der Arbeiten, Personalabbaus oder infolge einer Krise vorliegen – Zwei Versicherungsjahre und 52 geleistete Wochenbeiträge in den letzten 2 Jahren. – Keine Einkommensbedingung, keine Karenzfrist
Luxemburg
– Der Arbeitslose muss ohne eigenes Verschulden arbeitslos sein; arbeitsfähig sein; für Arbeit zur Verfügung stehen; als Arbeitssuchender gemeldet sein; angemessene Arbeit annehmen – Während des letzten Jahres mindestens 26 Wochen in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben – Lebt ein Arbeitsloser mit einem Ehe- oder Lebenspartner zusammen, der ein Einkommen von mehr als A 3.225,55 bezieht, so wird das Arbeitslosengeld (indemnité de chômage) um 50% der Differenz zwischen dem Einkommen des Partners und der oben erwähnten Grenze gemindert – Keine Karenzfrist
Niederlande
– Der Arbeitslose muss arbeitsfähig sein und zur Verfügung stehen; als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt gemeldet sein; keine zumutbare Arbeit abgelehnt haben – Für kurzfristige Leistungen während der letzten 39 Wochen mindestens 26 Wochen in einem Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt gestanden haben – Für entgeltbezogene Leistung und Anschlussleistung 26-WochenBedingung und zusätzlich Beschäftigung in mindestens 4 der letzten 5 Jahre mit jeweils mehr als 52 bezahlten Arbeitstagen – Keine Einkommensbedingung, keine Karenzfrist
Österreich
– Der Arbeitslose muss der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen; arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos sein, die Anwartschaft erfüllt haben und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft haben – 52 Wochen Versicherungszeit innerhalb der letzten 24 Monate. 26 Wochen innerhalb der letzten 12 Monate bei Personen unter 25 Jahren – Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung bis max. A 301,54 monatlich mindert den Anspruch nicht, ein darüber liegen des Einkommen vernichtet ihn völlig (Sonderregelungen für kurzfristige Beschäftigungen unter einem Monat und für selbständige Tätigkeiten) – Keine Karenzfrist
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
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Portugal
– Der Arbeitslose muss arbeitsfähig sein und für Arbeit zur Verfügung stehen; bei der Arbeitsverwaltung gemeldet sein; nicht Empfänger einer Invaliditäts- oder Altersrente sein – Nachweis von mindestens 540 Tagen entlohnter Beschäftigung und Beitragszahlungen oder gleichgestellte Situation während der 24 Monate vor der Arbeitslosigkeit – Keine Einkommensbedingung, keine Karenzfrist
Schweden
– Der Arbeitslose muss unfreiwillig arbeitslos sein; beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet sein; arbeitsfähig und in der Lage sein, eine geeignete Arbeit anzunehmen (ständige Tätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich und durchschnittlich mindestens 17 Stunden pro Woche); mit der Arbeitsvermittlung bei der Entwicklung eines individuellen Aktionsplans zusammenarbeiten; aktiv nach einer Beschäftigung suchen – Mindestens 6 Monate abhängige oder selbständige Erwerbstätigkeit mit mindestens 70 Arbeitsstunden pro Monat oder im Zeitraum von 6 Monaten mindestens 450 Stunden abhängige oder selbständige Tätigkeit, davon mindestens 45 Stunden je Monat während der letzten 12 Monate – Keine Einkommensbedingung, 5 Tage Karenzfrist
Spanien
– Verlust des Arbeitsplatzes ohne eigenes Verschulden; Fähigkeit und Bereitschaft zur Arbeit; der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen; Mitgliedschaft in einem Sozialversicherungssystem und Status als Beitragszahler oder gleichgestellt; Erfüllung der notwendigen Beitragszeiten; – Mindestbeitragszeit von 360 Tagen in den letzten 6 Jahren vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bzw. vor dem Tag, an dem die Beitragspflicht endete – Keine Einkommensbedingung, keine Karenzfrist
Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus: Europäische Kommission: MISSOC: Die soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums, 2002; Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung: Sozial-Kompass Europa, Soziale Sicherheit im Vergleich, 2003; VdAK: Basisdaten: Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätze 2002 und 2003, 2003; Thierron, Bert: Die Systeme der Arbeitslosenversicherung in der EU, 2002.
Abbildung 18: Grundbedingungen, Anwartschaftszeit und Karenzfrist der Arbeitslosenversicherung in den 15 EU-Staaten
IV. Leistungshöhe und -dauer Bei der Leistungshöhe gibt es gravierende Unterschiede: So erhält ein Arbeiter in Griechenland 40 % seines letzten Tageslohns, mindestens aber 2 / 3 des Mindesttageslohns, in Luxemburg bekommt der Arbeitslose bis zu 80 % des Bezugseinkommens, höchstens aber A 3.225,55 pro Monat. In Dänemark erhält der freiwillig Versicherte 90 % des Bezugslohns, höchstens jedoch DKK 3.020 (ca. A 406) wöchentlich. Der Bezugslohn, an dem die Höhe der Versicherungsleistung 17 Deinzer
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3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
anknüpft, orientiert sich in den meisten Staaten an der durchschnittlichen Höhe des Arbeitsentgeltes in einem bestimmten Zeitraum vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit, allerdings gibt es in vielen Mitgliedstaaten eine Beitragsbemessungsgrenze, die sowohl für die Höhe der maximalen Beiträge als auch Leistungen gilt. In Dänemark gibt es keine Beitragsbemessungsgrenze, aber einen Höchstsatz der Leistung (s. o.). In Großbritannien und Irland ist der Bezugslohn ein Festbetrag ohne Bezug zum Einkommen, und daraus abgeleitet ist auch die Leistung ein Pauschalbetrag. Viele Länder differenzieren bei der prozentualen Leistungshöhe nach dem Familienstand bzw. der Anzahl der Kinder. In manchen Ländern gibt es zusätzlich noch Pauschalbeträge für unterhaltspflichtige Kinder, etwa A 4 pro Tag für ein Kind, A 5,80 für zwei Kinder und A 7,50 für drei und mehr Kinder in Finnland. Dies ist aber in Abbildung 18 nicht mehr aufgeführt, um trotz der großen Heterogenität noch Übersichtlichkeit zu bewahren. Auch die Dauer auf den Anspruch auf Arbeitslosenversicherungsleistung variiert stark zwischen den Mitgliedstaaten und ist an unterschiedliche Bedingungen geknüpft, meist an eine Kombination aus Dauer der Beitragszahlung und Alter des Versicherten. Die tatsächliche Dauer liegt im ungünstigsten Falle der erfüllten Voraussetzungen in Spanien bei vier Monaten, in Großbritannien, Irland, Italien, den Niederlanden bei etwa einem halben Jahr, bestenfalls in Deutschland bei 32 Monaten930, in Frankreich bei 60 Monaten, in Dänemark bei bis fünf Jahren und in Belgien ist die Bezugsdauer sogar unbegrenzt, allerdings sinkt dort die Höhe der Leistung nach dem ersten Jahr deutlich ab. Die Bezugseinkommen, Höhe und Dauer der Leistungen im Überblick: Belgien
– Außer eventuellen Pauschalbeträgen sind die Leistungen entgeltbezogen (mit unterer und oberer Bemessungsgrenze) – Leistungshöhe: Haushaltsmitglied mit Unterhaltsberechtigten: 60 % des Bezugseinkommens, max. A 37,92, min. A 32,43. Alleinstehende: 60 % im 1. Jahr, max. A 37,92, min. A 27,24. 44 % ab dem 2. Jahr, max. A 31,60. Haushaltsmitglied ohne Kind(er): 55 % im 1. Jahr, max. A 34,76, min. A 20,43 – Dauer der Leistung unbegrenzt (außer in bestimmten Fällen von Langzeitarbeitslosigkeit)
Dänemark
– Die Obergrenze der Leistung entspricht dem durchschnittlichen Stundenlohn unterer Gruppen
930 Dies soll sich aber nach dem Willen der Bundesregierung ändern. Die von Bundeskanzler Schröder in der „Agenda 2010“ angekündigten Reformen sollen in ein Gesetzesvorhaben umgesetzt werden, welches unter anderem die Höchstbezugsdauer des Arbeitslosengeldes von max. 32 Monaten auf grundsätzlich 12 Monate begrenzt, wobei über 55-Jährige bis zu 18 Monate diese Leistung empfangen können. Vgl. Bundesregierung: Agenda 2010 – Arbeitsmarkt, 2003.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
259
– Keine Grenze des Bezugslohns, sondern Höchstgrenze der Leistung – 90 % des Bezugslohns, höchstens jedoch DKK 3.020 (A 406) wöchentlich. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Arbeitslose unabhängig vom Bezugslohn Anspruch auf 82 % dieses Höchstsatzes – Dauer der Leistung: max. 5 Jahre Deutschland
– Die Leistungen richten sich nach der Höhe des Lohnes, der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse und danach, ob Kinder vorhanden sind – Bezugslohn: Durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt während der letzten 52 Wochen bis zur Leistungsbemessungsgrenze von A 4.500 in den alten und A 3.750 in den neuen Ländern pro Monat – Arbeitslose mit Kindern: 67 % des Nettolohns (Nettolohn wird pauschaliert, in dem vom Bruttolohn die Lohnabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, abgezogen werden) – Arbeitslose ohne Kinder: 60 % des Nettolohns – Die Dauer der Leistungsgewährung (LD) hängt von der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse (VD) und zum Teil vom Alter ab, liegt zwischen 14 und 32 Monaten
Finnland
– Basis-Arbeitslosengeld: Kein Bezug zum Einkommen; Pauschalleistung – Bezugslohn: Einkommensbezogenes Arbeitslosengeld: Arbeitnehmer: Die Berechnung beruht in der Regel auf dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt während der Wartezeit von 43 Wochen. Keine Bemessungsgrenze. Selbständige: Einkünfte, die in den letzten 24 Monaten der Beitragsentrichtung zugrunde lagen. In der Regel das Einkommen, das auch als Berechnungsgrundlage nach dem Rentengesetz für Selbständige gilt – Basis-Arbeitslosengeld: A 22,75 pro Tag. Einkommensbezogenes Arbeitslosengeld: Basis-Arbeitslosengeld plus 42 % des Unterschiedsbetrags zwischen dem Basis-Arbeitslosengeld und dem Arbeitsentgelt pro Tag – Dauer der Arbeitslosenversicherung: 500 Kalendertage. Vollendet ein Empfänger während des Bezugs das 57. Lebensjahr, so kann die Leistung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt werden
Frankreich
– Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts ist bestimmender Faktor – Bezugslohn: Beitragspflichtiges Entgelt während der letzten 12 Monate: 75 % des früheren Tagesentgelts bis zum Vierfachen der monatlichen Bemessungsgrenze für die soziale Sicherheit von A 9.408 – Leistung: 40,4 % des Referenz-Tageslohns (salaire journalier de référence, SJR) + A 9,74 pro Tag bis zu maximal 75 % des ReferenzTageslohns oder, falls dies günstiger ist, 57,4 % des Referenz-Tageslohns. Mindestbetrag: A 23,88 pro Tag – Dauer der Leistungszahlung unterschiedlich je nach Mitgliedsdauer und Alter. Mindestdauer: 4 Monate, Höchstdauer: 60 Monate
17*
260
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Noch Abbildung 19: Griechenland
– Bestimmender Faktor: Das Monatsgehalt für Angestellte bzw. der Tageslohn für Arbeiter – Leistung: Arbeiter: 40 % des Tageslohns; Angestellte: 50 % des Monatsgehalts. Mindestsatz: 2 / 3 des Mindesttageslohns. Höchstsatz: 70 % des fiktiven Entgelts der Beitragsklasse des Versicherten – Dauer abhängig von der Beschäftigungsdauer, zwischen 5 und 12 Monaten
Großbritannien
– In einem der beiden Steuerjahre, auf denen der Anspruch beruht, müssen mindestens 25 Beiträge mindestens in Höhe des für das betreffende Jahr geltenden Mindestsatzes entrichtet worden sein, und die für beide Steuerjahre entrichteten oder angerechneten Beiträge müssen sich insgesamt auf das 50-fache des jeweiligen Mindestbeitrags belaufen – Bezugslohn: Festbeträge ohne Bezug zum Einkommen. – Leistungen: Alter von 25 o. m. Jahren: GBP 53,05 pro Woche. – Alter von 18 bis 24 Jahren: GBP 42,00 pro Woche. Alter von 16 bis 17 Jahren: GBP 31,95 (A 51) pro Woche. – Begrenzt auf 182 Tage je Zeitraum der Arbeitslosigkeit
Irland
– Bezugslohn: Pauschalleistung ohne Bezug zum früheren Entgelt – Leistung: Pauschalbetrag von A 118,80 pro Woche – Dauer: Begrenzt auf 390 Tage
Italien
– Leistung: Normales Arbeitslosengeld: 40 % der durchschnittlichen Vergütung innerhalb der letzten 3 Monate, monatlicher Höchstbetrag von A 759,83 bei Einkommen unter A 1.643,83 bzw. A 913,24 bei Einkommen über A 1.643,83. Besonderes Arbeitslosengeld: 80 % der letzten Vergütung, monatlicher Höchstbetrag von A 913,24 – Dauer: Normales Arbeitslosengeld: 180 Tage (270 Tage für Arbeitslose im Alter ab 50 Jahren). Besonderes Arbeitslosengeld: 90 Tage, wobei in einer Notlage Verlängerung möglich ist
Luxemburg
– Bezugslohn: Bruttolohn der letzten drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Die Leistung beträgt 80 % des Bezugseinkommens, höchstens A 3.225,55 oder, falls die Arbeitslosigkeit 182 Tage in einem Zeitraum von 12 Monaten überschreitet, A 2.580,44 – Dauer: 65 Kalendertage in einem Zeitraum von 24 Monaten. 50-jährige und ältere Arbeitslose: Verlängerung um 12, 9 oder 6 Monate bei 30, 25 oder 20 Jahren Mitgliedschaft in der Rentenversicherung
Niederlande
– Kurzfristige Leistung: 70 % des gesetzlichen Mindestlohns. Entgeltbezogene Leistung: 70 % des vorherigen Einkommens bis zur Obergrenze von A 159. Anschlussleistung: 70 % des gesetzlichen Mindestlohns (bzw. 70 % des vorherigen täglichen Entgelts, falls dieses niedriger ist) – Dauer der kurzfristigen Leistung: 6 Monate, die Dauer der entgeltbezogenen Leistung hängt vom Beschäftigungsverlauf ab. Zwischen 6 und 60 Monaten
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
261
Österreich
– Bezugslohn: Durchschnittliches Entgelt des letzten vollen Kalenderjahres. Sonderzahlungen (13., 14. Gehalt) sind anteilig zu berücksichtigen. Bemessungsgrenze: A 3.095,86 monatlich – Leistung: Grundbetrag: 55 % des täglichen Nettoeinkommens. Untergrenze: A 21,03, soweit das tägliche Arbeitslosengeld ohne Anspruch auf Familienzuschläge eine Obergrenze von 60 % des täglichen Nettoeinkommens und mit Anspruch auf Familienzuschläge eine Obergrenze von 80 % des täglichen Nettoeinkommens nicht überschreitet. Niedrigster Tagsatz: A 5,73 bzw. A 7,65. Höchster Tagsatz: A 36,44. – Dauer: Abhängig von Versicherungsdauer und Alter, zwischen 20 und 78 Wochen
Portugal
– Durchschnittlicher Tageslohn in den letzten 12 Monaten vor den 2 Monaten vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit. Keine Bemessungsgrenze – Leistung: Arbeitslosengeld: 65 % des Bezugslohns. Höchstsatz: das Dreifache des garantierten Mindestlohns. Mindestsatz: garantierter Mindestlohn, sofern das Einkommen nicht unter dem Mindestlohn lag. In diesen Fall richtet sich die Leistungshöhe nach dem durchschnittlichen Verdienst – Leistungsdauer altersabhängig: zwischen 12 Monate und 30 Monate
Schweden
– Bezugslohn: Berechnungsgrundlage ist normalerweise das frühere, durchschnittliche Tagesarbeitsentgelt. Für Selbständige wird das versteuerte Einkommen der letzten 3 Jahre zugrunde gelegt – Leistung: 80 % des zugrunde gelegten Arbeitsentgelts; höchstens SEK 680 (A 73) pro Tag während der ersten 100 Tage der Leistungsgewährung – Dauer: 300 Tage, Verlängerung auf bis zu 600 Tage möglich
Spanien
– Bezugslohn: Durchschnitt der Beitragsbemessungsgrundlage des Arbeitnehmers in den letzten 180 Beitragstagen vor Beginn der Arbeitslosigkeit bis zur allgemeinen Obergrenze für Sozialversicherungsbeiträge. – Leistung: 70 % des Bezugslohns in den ersten 180 Tagen; danach 60 %. Höchstsatz: 170 %, 195 % oder 220 % des Mindestlohns je nach Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder – Dauer: Abhängig von den beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten in den letzten 6 Jahren: Leistungsgewährung zwischen 4 Monaten und 2 Jahren
Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus: Europäische Kommission: MISSOC: Die soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums, 2002; Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung: Sozial-Kompass Europa, Soziale Sicherheit im Vergleich, 2003; VdAK: Basisdaten: Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätze 2002 und 2003, 2003; Thierron, Bert: Die Systeme der Arbeitslosenversicherung in der EU, 2002.
Abbildung 19: Leistungen und Leistungsdauer der Arbeitslosenversicherung in den 15 EU-Staaten
262
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
V. Finanzierung der Arbeitslosenversicherung Auch die Finanzierung der Systeme der Arbeitslosenversicherung variiert in den einzelnen Mitgliedstaaten. Während Luxemburg einen staatlichen Fonds besitzt, der aus ausschließlich allgemeinen Steuermitteln finanziert wird, leisten in Großbritannien, Irland und Portugal die Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen generellen Beitrag zu allen Systemen der Sozialversicherung. In den anderen Mitgliedstaaten erfolgt ein Versicherungsbeitrag zur obligatorischen (außer in Dänemark) Arbeitslosenversicherung. Dieser ist ein Prozentsatz des Bruttoverdienstes des Beitragspflichtigen, oft nach oben begrenzt durch eine Beitragsbemessungsgrenze. Immer sind die Arbeitgeber mit an der Finanzierung beteiligt, manchmal paritätisch, etwa in Deutschland, oft sogar überproportional. Der Staat gleicht in manchen Ländern ein eventuelles Defizit der Versicherung aus (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Griechenland, Irland) oder gibt zumindest Zuschüsse (Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden, Österreich). Abbildung 20 gibt eine Übersicht über die Finanzierung der Versicherungssysteme: Belgien
– – – –
Beitragsbemessungsgrenze: A 55 pro Tag Arbeitnehmer: 0,87 % des Bruttoverdienstes Arbeitgeber: 1,46 % des Bruttoverdienstes Staat: Defizitdeckung
Dänemark
– – – –
Beitragsbemessungsgrenze: keine Arbeitnehmer: jährlich festgelegte Pauschalbeiträge Arbeitgeber: Pauschalbetrag am Umsatzsteueraufkommen Staat: Defizitdeckung
Deutschland
– Beitragsbemessungsgrenze von A 5.100 in den alten und A 4.250 in den Neuen Ländern (2003) – Arbeitnehmer: 3,25 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 3,25 % des Bruttoverdienstes – Staat: Defizitdeckung der Bundesanstalt und Arbeitslosenhilfe
Finnland
– Beitragsbemessungsgrenze: keine – Arbeitnehmer: 1,87 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 2 % – 6 % des Bruttoverdienstes, abhängig von der Lohnsumme des Unternehmens – Staat: Defizitdeckung bei ansioperusteinen työttömyyspäiväraha, Vollfinanzierung der työmarkkinatuki
Frankreich
– – – –
Griechenland
– Beitragsbemessungsgrenze: 70 % des fiktiven Entgelts der Beitragsklasse – Arbeitnehmer: 1,33 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 3,27 % des Bruttoverdienstes – Staat: Defizitdeckung
Beitragsbemessungsgrenze: A 8524 pro Monat Arbeitnehmer: 2,5 % – 3 % des Bruttoverdienstes Arbeitgeber: 4,5 % des Bruttoverdienstes Staat: Zuschüsse
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit Großbritannien
– Beitragsbemessungsgrenze: – Arbeitnehmer: allgemeiner Beitrag für alle Zweige der Sozialversicherung von 2 % bis 10 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 3 % – 10 % des Bruttoverdienstes ohne Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze – Staat: Zuschüsse
Irland
– Beitragsbemessungsgrenze: keine – Arbeitnehmer: allgemeiner Beitrag für alle Zweige der Sozialversicherung von 5 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 12 % des Bruttoverdienstes – Staat: Defizitdeckung
Italien
– – – –
Luxemburg
– Kein Versicherungssystem – Staat: Volle Finanzierung des Arbeitslosenfonds über allgemeines Steueraufkommen
Niederlande
– – – –
Beitragsbemessungsgrenze: A 135 pro Tag Arbeitnehmer: 2,55 % des Bruttoverdienstes Arbeitgeber: 2,55 % des Bruttoverdienstes Staat: keine Zuschüsse
Österreich
– – – –
Beitragsbemessungsgrenze von A 2719 pro Monat Arbeitnehmer: 3 % des Bruttoverdienstes Arbeitgeber: 3 % des Bruttoverdienstes Staat: Zuschüsse
Portugal
– Beitragsbemessungsgrenze: keine – Arbeitnehmer: allgemeiner Beitrag für alle Zweige der Sozialversicherung von 11 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 23 % des Bruttoverdienstes – Staat: keine Zuschüsse
Schweden
– Beitragsbemessungsgrenze: A 1827 pro Monat – Arbeitnehmer: freiwillige Versicherung, ca. 2 – 3 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 4 % des Bruttoverdienstes – Staat: Zuschüsse
Spanien
– Beitragsbemessungsgrenze: 220 % des branchenübergreifenden Mindestlohns – Arbeitnehmer: 1,7 % des Bruttoverdienstes – Arbeitgeber: 6,8 % des Bruttoverdienstes – Staat: keine Zuschüsse
263
Beitragsbemessungsgrenze: A 1542 pro Monat Arbeitnehmer: 0,3 % des Bruttoverdienstes Arbeitgeber: 2 % – 6 % des Bruttoverdienstes Staat: Zuschüsse
Quelle: Eigene Darstellung, Daten aus: Europäische Kommission: MISSOC: Die soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums, 2002; Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung: Sozial-Kompass Europa, Soziale Sicherheit im Vergleich, 2003; VdAK: Basisdaten: Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätze 2002 und 2003, 2003; Thierron, Bert: Die Systeme der Arbeitslosenversicherung in der EU, 2002.
Abbildung 20: Finanzierung der Arbeitslosenversicherung in den 15 EU-Staaten
264
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
H. Quantitative Erfassung der Transferwirkungen der bundesdeutschen Arbeitslosenversicherung Zweck der folgenden Analyse soll es sein, die regionalen Umverteilungs- und Stabilisierungseffekte der Arbeitslosenversicherung darzustellen. Dazu soll exemplarisch das bundesrepublikanische System untersucht werden. Die Leistungen der Bundesanstalt werden in erster Linie durch Beiträge finanziert. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung beträgt seit 1993 6,5 %931der Beitragsbemessungsgrundlage, die je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen wird. Beitragsbemessungsgrundlage ist das versicherungspflichtige Arbeitsentgelt bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung. Beitragspflichtig sind alle in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Personen. Dies sind grundsätzlich alle Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Die Versicherungspflicht erstreckt sich auf den Geltungsbereich des Dritten Buches Sozialgesetzbuch. Versicherungsfrei sind insbesondere: Beamte, Studenten und Schüler, Arbeitnehmer, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehen, Arbeitnehmer, die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen und geringfügig Beschäftigte, d. h. Beschäftigte mit einer Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden pro Woche oder bis zu einem Arbeitsentgelt von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt die Bundesanstalt einen eigenen Haushalt. Der vom Vorstand aufgestellte und vom Verwaltungsrat festgestellte Haushalt bedarf der Genehmigung der Bundesregierung. Haushaltsüberschüsse werden der Rücklage zugeführt, Haushaltsdefizite durch entsprechende Entnahmen aus der Rücklage abgedeckt. Wenn die Mittel der Bundesanstalt zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen nicht ausreichen, leistet der Bund die zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft notwendigen Liquiditätshilfen als zinslose Darlehen. Können Darlehen des Bundes zum Schluss des Haushaltsjahres aus den Einnahmen und der Rücklage der Bundesanstalt nicht zurückgezahlt werden, wird aus dem die Rücklage übersteigenden Darlehen ein Zuschuss.932 Exemplarisch soll der Haushalt am Jahr 1999 dargestellt werden: Die hauptsächliche Haushaltseinnahme, nämlich 94 % der Bundesanstalt zur Finanzierung ihrer Aufgaben nach dem SGB III, besteht aus den Beitragseinnahmen in Höhe von 88,29 Mrd. DM. Zur Finanzierung des Winter- und des Konkursausfallgeldes wer931 1991 wurde der Beitragssatz im April von 4,3 % auf 6,8 % erhöht, was einem durchschnittlichen Beitragssatz von 5,9 % entsprach, 1992 betrug er durchschnittlich 6,3 %, ab 1993 6,5 %. Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Finanzentwicklung der Bundesanstalt für Arbeit seit Beginn der neunziger Jahre, 1994, S. 34 – 36. 932 Vgl. Europäisches Beschäftigungsobservatorium: Bundesanstalt für Arbeit – Haushalt, 2003, o. S.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
265
den besondere Umlagen erhoben, dazu kommen noch 0,5 Mrd. DM aus dem Europäischen Sozialfonds. Diese Einnahmen machen aber insgesamt nur 5,51 Mrd. DM aus, der Fehlbetrag zu den Gesamtausgaben, die 1999 101,10 Mrd. DM betrugen, wird durch den Bundeszuschuss in Höhe von 7,3 Mrd. aufgebracht. Die Ausgaben bestehen zu ca. zu 50 % aus Arbeitslosengeld incl. Insolvenzgeld, zu ca. 7 % aus ABM-Maßnahmen, zu weiteren 26 % aus sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, wie Eingliederungszuschüsse, Mobilitätshilfen oder Ausbildungsbeihilfen, zu 8 % aus Unterhaltsgeld für Weiterbildungsmaßnahmen und zu etwa 9 % aus Verwaltungskosten. 99,5 Mrd. DM der einzelnen Ausgaben kann man den Ländern zurechnen, 1,6 Mrd. DM entfallen auf besondere Dienststellen. Anknüpfend an die Unterscheidung in Kapitel 4, C. III. 5. wird das gesamte Budget der Bundesanstalt, welches regional zurechenbar ist, als Umverteilungsmasse betrachtet, nur das Beitragsvolumen und die Ausgaben für Arbeitslosenversicherung als direkte regionale Stabilisierung. Die erste Herangehensweise scheint auf den ersten Blick recht einfach: Die Einnahmen der Bundesanstalt bestehen zum größten Teil aus den Beiträgen der Versicherten – paritätisch von den Arbeitgebern mitfinanziert – die bis zur Beitragsbemessungsgrenze proportional zu ihrem Einkommen steigen. Je höher die Beschäftigtenquote einer Region und je höher das Einkommensniveau, desto höher wird der Beitragsstrom aus dieser ausfallen. Genau umgekehrt verhält es sich mit den Ausgaben der Bundesanstalt. Sie sind zu einem großen Teil abhängig von der Zahl der Arbeitslosen in einer Region. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass sich durch eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit oder Arbeitslosigkeit in den Regionen Umverteilungseffekte ergeben. Um einen ersten Überblick über die Höhe dieser regionalen Inzidenz zu gewinnen, sollten die Gesamteinnahmen der Bundesanstalt mit den Gesamtausgaben der Bundesanstalt aufgeteilt nach Ländern verglichen werden, um danach Verfeinerungen der Vorgehensweise vorzunehmen. Dies betrifft v. a. eine hypothetische rechnerische regionale Aufteilung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit. Bei der Analyse werden die Termini „Einnahmen“ und „Ausgaben“ immer aus Sicht der Bundesanstalt verwendet. Eine Region ist folglich Nettozahler in das Arbeitslosenversicherungssystem, wenn es einen negativen Saldo aus den Ausgaben der Bundesanstalt abzüglich der Einnahmen der Bundesanstalt aufweist v. v.
I. Einfache Einnahmen – Ausgabensaldierung der BA-Statistik Beim Studium der statistischen Veröffentlichungen der Bundesanstalt in den „Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit“ fällt auf, dass die Bundesanstalt zum letzten Male im November 1997 Angaben über die regionale Vertei-
266
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
lung der Beitragseinnahmen macht. Nach der Durchsicht der ersten Inzidenzrechnung wird auch deutlich werden, warum sie ab diesem Zeitpunkt darauf verzichtet hat. In folgender Tabelle finden sich die letzten von der Bundesanstalt verfügbaren Daten zur regionalen Gegenüberstellung der Ausgaben und Einnahmen der Bundesanstalt von Januar bis einschließlich Oktober 1997. Die restlichen Einnahmen der Bundesanstalt in Höhe von 6,19 Mrd. DM, v. a. der Bundeszuschuss, sind noch nicht enthalten, deshalb ergibt sich auch kein rechnerischer Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben. Die sonstigen Einnahmen machen in diesem Berichtszeitraum aber nur 8,2 % der Gesamteinnahmen der Bundesanstalt aus und verzerren deshalb den ersten Tendenzeindruck kaum. Es ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle 9 Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA Jan. – Okt. 1997
Land
Beitragsaufkommen
Summe der Ausgaben
Saldo Ausgaben – Einnahmen
in Mio. DM Baden-Württemberg
8501,19
7024,95
–1476,24
Bayern
6901,37
9273,77
2372,40
Berlin
2095,68
4663,25
2567,57
Bremen
1,49
869,65
868,16
Hamburg
2,50
1457,59
1455,09
Hessen
2832,54
4513,13
1680,59
Niedersachsen
6205,06
6527,40
322,33
18275,13
13750,81
–4524,32
4,88
2853,60
2848,72
1750,42
904,14
–846,28
Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland
19625,78
2358,78
–17267,00
Brandenburg
6,60
4882,94
4876,34
Meck.-Vorpommern
5,91
3873,50
3867,60
Sachsen
1506,81
9055,98
7549,17
Sachsen-Anhalt
1441,04
6198,13
4757,09
7,30
5207,58
5200,28
Schleswig-Holstein
Thüringen
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit (ANBA) Nr. 11 / 1997, S. 1678 – 1682.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
267
25000
20000
15000
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Sachsen
Meck.-Vorpommern
Brandenburg
Saarland
Schleswig-Holstein
Rheinland-Pfalz
Niedersachsen
Hessen
Berlin
Nordrhein-Westfalen
-10000
Hamburg
-5000
Bayern
0
Bremen
5000
Baden-Würtenberg
in Mio. DM
10000
-15000
-20000 Bundesland
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung 21: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA Jan. – Okt. 1997
Das Ergebnis erscheint auf den ersten Blick unplausibel: Die Beitragszahler aus Schleswig-Holstein hätten in den ersten 10 Monaten des Jahres 1997 mit 17,2 Mrd. DM den größten Nettotransfer geleistet, während die Versicherten z. B. in Bayern und Rheinland-Pfalz deutliche Nettoempfänger gewesen wären. Eine Fußnote in der Statistik der Bundesanstalt liefert den Hinweis für dieses paradoxe Ergebnis: „1) Die Einnahmen sind dem Landesarbeitsamt zugeordnet, in dem die Einzugstelle ihren Sitz hat“.933 Da die Krankenversicherungen die Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung mit einziehen, werden die Beitragseinnahmen denjenigen Ländern zugeordnet, in denen die Krankenkassen große Zentralen haben. Diese stimmen offensichtlich nicht zwangsläufig mit den Ländern überein, aus welchen die Beiträge ursprünglich stammen. Ob es der Bundesanstalt für Arbeit wirklich nicht möglich ist, die Beiträge exakt regional zuzuordnen oder ob es nicht auch politisch opportun ist, dies nicht zu tun, bleibt dahingestellt. Fakt ist, dass die Bundesanstalt, wohl wegen der geringen Aussagekraft der regionalen Beitragsaufteilung nach Einzugstellen, dies seit dem Dezember 1997 völlig unterlässt. Um folglich Aussagen über die regionale Inzidenzwirkung der bundesrepublikanischen Arbeitslosenversicherung treffen zu können, muss nun versucht werden, die regionalen Beitragsaufkommen möglichst exakt zu schätzen.
933 Bundesanstalt für Arbeit: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit (ANBA) Nr. 11 / 1997, S. 1678.
268
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
II. Beitragsberechnung Methode I: Pauschalierte Mikroebenenberechnung934 Eine Nachfrage bei der Bundesanstalt für Arbeit wegen obiger Widersprüche in der Einnahmenstatistik ergab935, dass die Vermutung mit den regional konzentrierten Zentralen der Krankenkassen richtig ist und dass die Bundesanstalt (offiziell) über keine regionale Statistik der Beitragseinnahmen verfügt. Um die Zahl der Beitragszahler abzuschätzen, sollte aus den Datenbeständen des Statistischen Bundesamtes die Zahl der abhängig Beschäftigten entnommen und mit 0,87 multipliziert werden. Dies sei eine Durchschnittsquote der tatsächlichen Beitragszahler aus allen abhängig Beschäftigten936, den die Mitarbeiterin der Bundesanstalt für Arbeit als Erfahrungswert angegeben hat, mit dem sich auch die Bundesanstalt intern behelfen würde. Um die Höhe der Beitragseinnahmen möglichst exakt zu schätzen, müsste nun die Zahl der Beitragszahler pro Land multipliziert werden mit dem Median der Bruttoeinkommen der Beitragszahler und dem Beitragssatz der Bundesanstalt. Da die Daten für den Median der Bruttoeinkommen in den meisten statistischen Landesämtern nicht zur Verfügung stehen, wurde der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst verwendet. Um möglichst aussagefähige Daten zu bekommen, werden dazu folgende Berechnungen angestellt: Das Statistische Bundesamt weist in Tabelle 22.3.4 im Statistischen Jahrbuch die durchschnittlichen Bruttomonatsverdiendste der Arbeiter und Arbeiterinnen im produzierenden Gewerbe nach den einzelnen Ländern aus, in Tabelle 22.6.4 den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst der kaufmännischen und technischen Angestellten im produzierenden Gewerbe, wieder nach Ländern aufgeschlüsselt. Aus Tabelle 6.5.2 des Statistischen Jahrbuchs lässt sich die Anzahl der Angestellten und Arbeiter in den jeweiligen Ländern ablesen und daraus der jeweilige Anteil berechnen, mit dem dann die Bruttomonatsverdienste gewichtet wurden, um einen möglichst aussagefähigen Durchschnittsverdienst pro Land zu ermitteln. Exemplarisch soll diese Berechnung für 1999 für das Land Baden-Württemberg vorgeführt werden: Der Bruttomonatsverdienst eines Arbeiters lag im produzierenden Gewerbe 1999 bei DM 4705, für kaufmännische und technische Angestellte DM 6190. Aus der Zahl der Angestellten und Arbeiter für 1999 lässt sich ein Ver934 Die vorgestellten, selbsterarbeiteten drei Berechnungsmethoden werden exemplarisch für das Jahr 1999 durchgeführt, da dieses das bisher letzte Jahr ist, für welches alle Daten für alle drei Methoden vorliegen. Die Berechnung wird in DM-Beträgen durchgeführt, da sie so in den Statistiken ausgewiesen sind. Am Ende der Inzidenzbetrachtung werden die Nettoergebnisse für die betrachteten Jahre auch in A-Beträgen ausgewiesen. 935 Telefongespräch am 4. Februar 2003 mit Frau Winter von der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. 936 Wobei unter abhängig Beschäftigten Beamte und Beamtinnen, Angestellte, Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Auszubildende zu verstehen sind. Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland 2000, S. 100.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
269
hältnis für Baden-Württemberg von 1,37:1 errechnen.937 (6190*1,37 + 4705) / 2,37 = 5563,42 als durchschnittliches Bruttoeinkommen der Angestellten und Arbeiter in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung ihres Anteils an den Beitragszahlern. Diese Berechnung wurde nun für alle Länder durchgeführt, um die unterschiedlichen durchschnittlichen Bruttoeinkommen und die differierende Arbeitnehmer-Arbeiter-Struktur in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen. So lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst für einen Angestellten 1999 in der Spitze bei DM 6190 in Baden-Württemberg und bei DM 4113 beim Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern. In Hamburg kamen 1999 auf einen Arbeiter 2,72 Angestellte, in Sachsen 0,99. Diese Berechnungsmethode für Durchschnittsverdienste von Arbeitern und Angestellten wird später so für alle betrachteten Jahre und Länder durchgeführt. Die rechnerischen Beitragseinnahmen ergeben sich dann aus dem durchschnittlichen Bruttojahresverdienst multipliziert mit der errechneten Zahl der Beitragszahler multipliziert mit dem Beitragssatz. Da die Höhe der Beitragszahler pro Land mit dem pauschalen Satz der Bundesanstalt von 0,87 errechnet wurde und die Bruttolohn- bzw. Bruttogehaltssumme eines Landes ihrerseits über die Zahl der Beitragszahler und einen Durchschnittsverdienst pro Beitragszahler errechnet wird, wird diese Methode hier als „pauschalierte Mikroebenenberechnung“ bezeichnet. Der statistische Fehler liegt neben der pauschalierten Berechnung der Beitragszahler in der Verwendung des Durchschnittseinkommens, da keine Mediandaten vorhanden sind, und in der nicht durchführbaren Beachtung der Beitragsbemessungsgrenze, sodass diese rechnerische Beitragsermittlung zu einer systematischen Überschätzung der Beitragseinnahmen führen wird. Da aber die Höhe der gesamten Beitragseinnahmen in der Bundesrepublik bekannt ist, da sie von der Bundesanstalt bekanntgegeben wird, müssen die berechneten länderspezifischen Einnahmen um die Höhe des Schätzfehlers nach unten korrigiert werden. So betrugen 1999 die Beitragseinnahmen der Bundesanstalt 88,29 Mrd. DM, die berechneten Beiträge aber 113,76 Mrd. DM, eine Überschätzung um 29 %. Der Schätzfehler von 29 % erscheint aber recht groß, um plausible Aussagen treffen zu können. Denn die Anwendung eines zusätzlichen Korrekturfaktors von 0,29 für alle errechneten Beitragseinnahmen impliziert ja, dass der Fehler, etwa die Zahl der nichtversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, in allen Ländern gleich hoch ist. Dies muss nicht zwangsläufig richtig sein, außerdem erscheint der pauschale Wert von 0,87 % als Anteil der Beitragszahler an den abhängig Beschäftigten für jedes Land eine zu starke Vereinfachung.
937 Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland, 2000, S. 566, S. 577, S. 106.
0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87 0,87
5,158
1,307
0,251
0,697
2,42
3,064
6,859
1,603
0,402
1,104
1,066
0,712
1,87
1,011
1,015
Bayern
Berlin
Bremen
Hamburg
Hessen
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Schleswig-Holstein
Brandenburg
Meck.-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
0,88305
0,87957
1,6269
0,61944
0,92742
0,96048
0,34974
1,39461
5,96733
2,66568
2,1054
0,60639
0,21837
1,13709
4,48746
3,79842
3831
3941
3902
3825
3907
5006
5081
5107
5379
5122
5511
5870
5618
5280
5275
5563
113759
2639
2704
4952
1848
2826
3750
1386
5555
25037
10650
9050
2776
957
4683
18464
16482
ø Bruttorechn. Beierrechnte Beitragszahler monatsverdienst tragseinnahme in Mio. in DM in Mio. DM
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 2000 für die BRD; ANBA 2 / 2000.
32,905
0,87
4,366
Baden-Württemberg
Summe
Beitragszahlerquote (BA)
Abhängig Beschäftigte in Mio.
Tabelle 10: Rechnerische Beitragseinnahmen der BA 1999, Methode I
88288
2047,89
2098,39
3842,88
1434,30
2193,46
2910,64
1075,73
4311,49
19430,81
8265,27
7023,83
2154,76
742,65
3634,44
14329,54
12791,49
Korrigiert um 29 %
2,32 %
2,38 %
4,35 %
1,62 %
2,48 %
3,30 %
1,22 %
4,88 %
22,01 %
9,36 %
7,96 %
2,44 %
0,84 %
4,12 %
16,23 %
14,49 %
Anteil an den Gesamtbeiträgen
270 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
271
III. Beitragsberechnung Methode II: Differenzierte Mikroebenenberechnung Wie kann man aber genauer die tatsächlichen Beitragseinnahmen aus den einzelnen Ländern ermitteln? Das Statistische Bundesamt veröffentlicht in Tab. 6.9.1 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten pro Land.938 Die Berechnung der durchschnittlichen Bruttoverdienste erfolgt wie bei Methode I, nur die Zahl der Beitragszahler wird nicht berechnet, sondern mit den Zahlen über sozialversicherungspflichtige Beschäftigte durchgeführt. Dann kann man wieder die durchschnittlichen Bruttojahresverdienste errechnen und mit dem Beitragssatz der Bundesanstalt multiplizieren, um auf rechnerische Beitragseinnahmen pro Land zu gelangen (vgl. Tab. 11). Die Beitragseinnahmen werden nun nur noch um 23 % überschätzt. Der Fehler liegt neben der nicht berücksichtigbaren Beitragsbemessungsgrenze wohl an der Überschätzung der Bruttolöhne und -gehälter durch die Verwendung des Durchschnittslohnsatzes für das produzierende Gewerbe für alle Arbeiter und Angestellten, aber nicht mehr an der pauschalierten Beitragszahlerberechnung. Tabelle 12 (siehe S. 273) zeigt eine Gegenüberstellung der berechneten Beitragsanteile nach Methode I und II für 1999. Man erkennt aus der Gegenüberstellung, dass die Abweichungen zwischen den beiden Berechnungsmethoden nicht sehr groß sind, aber auch in unterschiedliche Richtungen zeigen: Die maximale Abweichung nach oben ergibt sich für Niedersachsen, wo die pauschalierte Methode einen um 0,65 Prozentpunkte höheren Anteil Niedersachsens am bundesdeutschen Aufkommen der Arbeitslosenversicherung errechnet, als die Methode II. Auch für Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein ist der pauschale Wert der Bundesanstalt von 0,87 % wohl zu niedrig, Methode I weist um 0,59 bzw. um 0,41 Prozentpunkte höhere Beitragsanteile aus. Für Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen dagegen weist Methode II einen um 0,67, 0,40 bzw 0,30 Prozentpunkte höheren Anteil aus, hier ist der Korrekturfaktor der Bundesanstalt wohl zu gering.
938 Das sind alle Arbeiter / -innen, Angestellte und Personen in beruflicher Ausbildung, die in der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und / oder Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind oder für die Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden. Es ist also nicht exakt die Zahl derer, die in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, es erscheint aber ein guter Annährungswert, zumal die geringfüg entlohnten Tätigkeiten, für die pauschalierte Beiträge für die Kranken- und Rentenversicherung gezahlt werden, nicht berücksichtigt sind. Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland 2000, S. 100.
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 2000 für die BRD; ANBA 2 / 2000.
108830
27,33
Thüringen
Summe
88288
2,43 % 2,31 %
2149,60
0,84
2036,27
2650 2510
3941 3831
3,15 % 3,07 %
0,862
Sachsen-Anhalt
4,34 % 3829,51 4721
3902
5,68 %
1,551
1,65 %
Sachsen
2,32 % 1454,62 1793
3825
2,20 %
0,601
Meck.-Vorpommern
2044,53 2520
3907
3,03 %
0,827
Brandenburg
2,89 % 2549,94 3143
5006
2,95 %
0,805
Schleswig-Holstein
1,27 % 1122,07
1383
5081
1,28 %
0,349
4,29 %
Saarland
22,31 %
4665
4,28 %
3784,14
24280
5379 5107
21,17 %
5,787
1,171
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
19696,95
8,71 % 7687,73
9477
5122
8,68 %
2,372
8,36 %
Niedersachsen
3,11 %
7378,87
9096
5511
7,74 %
2748,61
3388
5870
2,71 %
0,74
2,116
1,12 %
988,26
1218
5618
1,02 %
0,278
Bremen
Hamburg
4,25 %
3755,30
4629
5280
4,11 %
1,124
Berlin
Hessen
16,02 %
14142,46
17433
5275
15,50 %
14,63 %
12918,71
15925
5563
13,43 %
3,67
4,237
Anteil an den Gesamtbeiträgen
Baden-Württemberg
Korrigiert um 23 %
rechn. Beitragseinnahmen in Mio. DM
Bayern
ø Bruttomonatsverdienst in DM
Anteil in der BRD
Soz.vers.-pflichtig Beschäf. in Mio.
Tabelle 11: Rechnerische Beitragseinnahmen der BA 1999, Methode II 272 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
273
Tabelle 12 Gegenüberstellung der berechneten Beitragseinnahmensanteile 1999 nach Methode I und II Methode I
Methode II
Abweichung in %-Punkten
Baden-Württemberg
14,49 %
14,63 %
–0,14
Bayern
16,23 %
16,02 %
0,21
Berlin
4,12 %
4,25 %
–0,13
Bremen
0,84 %
1,12 %
–0,28
Hamburg
2,44 %
3,11 %
–0,67
Hessen
7,96 %
8,36 %
–0,40
Niedersachsen Nordrhein-Westfalen
9,36 %
8,71 %
0,65
22,01 %
22,31 %
–0,30
Rheinland-Pfalz
4,88 %
4,29 %
0,59
Saarland
1,22 %
1,27 %
–0,05
Schleswig-Holstein
3,30 %
2,89 %
0,41
Brandenburg
2,48 %
2,32 %
0,16
Meck.-Vorpommern
1,62 %
1,65 %
–0,03
Sachsen
4,35 %
4,34 %
0,01
Sachsen-Anhalt
2,38 %
2,43 %
–0,05
Thüringen
2,32 %
2,31 %
0,01
Quelle: Eigene Berechnungen.
Um die Vorteilhaftigkeit der Nicht-Pauschalierung um 0,87 % zu überprüfen, sollte noch eine andere Möglichkeit, das regionale Beitragsaufkommen abzuschätzen, getestet werden, nämlich die Verwendung der aggregierten Bruttolöhne und -gehälter aus den einzelnen Ländern, welche die Arbeitsgruppe „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“ zur Verfügung stellt.
IV. Beitragsberechnung Methode III: Makroebenenberechnung Dabei umfassen die Bruttolöhne und -gehälter sämtliche Leistungen, die den innerhalb eines Wirtschaftsgebietes beschäftigten Arbeitnehmern aus den Arbeitsoder Dienstverhältnissen zugeflossen sind.939 Aus der Definition wird deutlich, 939 Vgl. Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“: Begriffsdefinitionen, 2003, o. S.
18 Deinzer
274
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
dass, will man auf Grundlage dieser Daten das Beitragsvolumen herausrechnen, noch die Bezüge für Beamte und Richter sowie der Sold für Soldaten abgezogen werden müssen, da „( . . . ) als Arbeitnehmer zählt, wer als Arbeiter, Angestellter, Beamter, Richter, Berufssoldat, Soldat auf Zeit, Wehr- oder Zivildienstleistender, Auszubildender, Praktikant oder Volontär in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis steht und hauptsächlich diese Tätigkeit ausübt“.940 Die Daten für die Arbeitnehmerentgelte stellt der Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“ regelmäßig zur Verfügung, die Daten für Bezüge der Beamten und den Sold der Soldaten finden sich regional aufgespalten mit zeitlicher Verzögerung beim Statistischen Bundesamt. Dabei werden neben den Personalausgaben für die Beamten und Richter der einzelnen Länder, einschließlich der Gemeinden und Zweckverbände, natürlich auch die der Bundesbeamten aufgelistet. Die Bundesbezüge für Soldaten, Bundesrichter und -beamte werden den Bruttolohnsummen derjenigen Länder zugeordnet, wo die Bundeseinrichtungen ihren Sitz haben, der Anteil findet sich auch beim Statistischen Bundesamt. Die Gesamtbezüge für Beamte, Richter und Soldaten werden dann von der Bruttolohn und -gehaltssumme zum Abzug gebracht und der Beitragssatz der Bundesanstalt zur Anwendung gebracht. Es ergibt sich für 1999 folgendes Bild: Die tatsächlichen 88,29 Mrd. DM Beitragseinnahmen der Bundesanstalt für 1999 werden nur noch um 13 % überschätzt. Damit scheint die Methode, mit den Makrodaten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu arbeiten, die Bestgeeignetste zu sein, um das regionale Beitragsaufkommen der Bundesanstalt zu errechnen. Ihr liegt zwar noch der Fehler von Metoden I und II zugrunde, nämlich dass die Beitragsbemessungsgrenze unberücksichtigt bleibt, die pauschalierte Betrachtung der Beitragszahler aus Methode I wird aber vermieden, da die Bezüge der Nichtversicherten differenziert abgezogen werden. Auch der Fehler aus Methode I und II, die Verwendung von Durchschnittseinkommen wird durch Bruttolohnund Gehaltsdaten auf Makroebene vermieden. Vergleicht man aber die Ergebnisse der differenzierten mikroökonomischen Methode II und die der makroökonomischen Methode, aus Lohn- und Gehaltssummen die Beitragshöhe abzuschätzen, so ergibt sich ein erstaunliches Bild: Zwar überschätzt die Methode II die Beitragshöhe um 23 %, die Metode III nur noch um 13 %, was daran liegt, dass beiden Methoden das Problem der Beitragsbemessungsgrenze innewohnt, Methode II aber zusätzlich das Problem der Verwendung von Durchschnittseinkommen, beide Methoden liefern aber – nach der Korrektur pro Land um 23 % bzw. 13 % – fast exakt dasselbe Ergebnis!
940
Ebd.
18*
2085
1623
1484
100013
70576
39177
38127
1674101
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
1,90 %
2,00 %
2,78 %
1,76 %
2,90 %
4,60 %
1,28 %
5,40 %
22,79 %
11,48 %
7,50 %
1,99 %
0,71 %
4,40 %
15,82 %
12,70 %
Anteil an Bundesbeamten
34481
655
690
959
607
1000
1584
441
1862
7858
3958
2586
686
244
1517
5455
4379
Bundesbezüge aufgeteilt in Mio. DM
134495
2140
2313
3043
1669
3108
5019
1828
7178
32025
14105
10701
2088
1175
7363
21815
18925
Gesamtbezüge in Mio. DM
1539606
35987
36864
67533
25642
35785
45176
19964
66494
346010
133421
128251
48717
17533
61015
248377
222837
100074
2339
2396
4390
1667
2326
2936
1298
4322
22491
8672
8336
3167
1140
3966
16144
14484
88288
2064
2114
3873
1470
2052
2591
1145
3813
19842
7651
7354
2794
1005
3499
14243
12779
Bruttorechn. Korrigiert löhne Beitragsum 13 % und -geh. einnahmen . / . Bezüge in in Mio. DM Mio. DM
2,34 %
2,39 %
4,39 %
1,67 %
2,32 %
2,93 %
1,30 %
4,32 %
22,47 %
8,67 %
8,33 %
3,16 %
1,14 %
3,96 %
16,13 %
14,47 %
Anteil an den Gesamtbeiträgen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 2003 für die BRD; ANBA 2 / 2000.
Summe
2108
1062
8894
27311
Meck.-Vorpommern
3434
50194
Brandenburg
1387
21792
Nordrhein-Westfalen
Schleswig-Holstein
Niedersachsen
Saarland
147526
Hessen
5316
8115
10147
138952
Hamburg
24166
1402
50805
Bremen
73672
931
18708
Berlin
378035
5846
68378
Bayern
Rheinland-Pfalz
14546
16361
241762
270192
Baden-Württemberg
Beamten-, Richter-, Soldatenbezüge in Mio. DM
Bruttolöhne und -gehälter in Mio. DM
Tabelle 13: Rechnerische Beitragseinnahmen der BA 1999, Methode III
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit 275
276
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Folgende Tabelle stellt den Anteil am Beitragsaufkommen der Bundesanstalt nach Ländern, errechnet nach Methode II und Methode III, gegenüber. Die maximale Abweichung beträgt 0,29 Prozentpunkte für Berlin, wohl weil dort in Methode III besonders viel (Bundes-)Beamtenbezüge abgezogen werden, für alle anderen 15 Länder liegt aber die Abweichung nur zwischen 0 und 0,16 Prozentpunkten. Tabelle 14 Gegenüberstellung der berechneten Beitragseinnahmensanteile 1999 nach Methode II und III Methode II
Methode III
Abweichung in %-Punkten
Baden-Württemberg
14,63 %
14,47 %
0,16
Bayern
16,02 %
16,13 %
–0,11
Berlin
4,25 %
3,96 %
0,29
Bremen
1,12 %
1,14 %
–0,02
Hamburg
3,11 %
3,16 %
–0,05
Hessen
8,36 %
8,33 %
0,03
Niedersachsen
8,71 %
8,67 %
0,04
22,31 %
22,47 %
–0,16
Rheinland-Pfalz
4,29 %
4,32 %
–0,03
Saarland
1,27 %
1,30 %
–0,03
Schleswig-Holstein
2,89 %
2,93 %
–0,04
Nordrhein-Westfalen
Brandenburg
2,32 %
2,32 %
0,00
Meck.-Vorpommern
1,65 %
1,67 %
–0,02
Sachsen
4,34 %
4,39 %
–0,05
Sachsen-Anhalt
2,43 %
2,39 %
0,04
Thüringen
2,31 %
2,34 %
–0,03
Quelle: Eigene Berechnungen.
Obwohl Methode II zwei potentielle Fehler, nämlich die Beitragsbemessungsgrenze und die Verwendung von Durchschnittseinkommen, beinhaltet, dagegen Methode III nur den Fehler der Beitragsbemessungsgrenze nicht ausschließen kann, liefern beide kaum abweichende Ergebnisse. Dies lässt den eindeutigen Schluss zu, dass der Überschätzungsfehler (in Methode II 23 %, in Methode III nur 13 %) wirklich über alle Länder gleichmäßig erfolgt und somit eine gleichmäßige Korrektur der Beitragseinnahmen über den Schätzfehler wie erfolgt vorgenommen werden darf, ohne dass dadurch Verzerrungen entstehen.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
277
Ob dies auch für weitere Jahre gilt, wird nun untersucht. Dabei werden die eben vorgestellten Methoden II und III verwendet, die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste aus denen der Arbeiter und Arbeiterinnen im Produzierenden Gewerbe und den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst der kaufmännischen und technischen Angestellten im produzierenden Gewerbe berechnet, jeweils unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Arbeitern und Angestellten im entsprechenden Jahr. V. Ergebnisse der berechneten Beitragsanteile für die deutschen Länder von 1991 – 1999 Um die Aussage der Gleichwertigkeit von differenzierter Mikroebenenberechnung (Methode II) und Makroebenenbetrachtung (Methode III) zu verifizieren, werden die Berechnungen nun für die Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung durchgeführt. Dabei kann Methode II ab 1993 durchgeführt werden, da ab diesem Jahr die Zahlen für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte vorliegen, die aktuellsten Daten sind aus dem Jahr 2001 vorhanden. Methode III kann nach der Datenlage 1991 begonnen werden, allerdings sind die aktuellsten Daten für die Pesonalausgaben, die für alle Länder vorliegen, für 1999 vorhanden. Somit können für sieben Jahre (1993 – 1999) die Ergebnisse miteinander verglichen werden. Im Folgenden werden nur die Abweichungen der errechneten Beitragsanteile für die jeweiligen Länder gegenübergestellt, die ausführlichen Tabellen mit den berechneten Beitragshöhen und Abweichungen vom tatsächlichen Beitragsaufkommen finden sich im Anhang 1 für Methode II und im Anhang 2 für Methode III. Durchschnittlich lag die Summe der Beiträge pro Land bei Methode II um 22 % über dem tatsächlichen Beitragsaufkommen der Bundesanstalt für Arbeit, bei Methode III um 12 %. Da die Überschätzung innerhalb der Methode kaum streut, belegt dies die Aussage von oben, dass Methode III um ca. 10 Prozentpunkte näher an den tatsächlichen Zahlen liegt. Trotzdem zeigt der Vergleich der um die Überschätzung berichtigten errechneten Beitragshöhen pro Land und die daraus gewonnenen Beitragsanteile, dass beide Methoden fast identische Ergebnisse über den gesamten Betrachtungshorizont liefern (s. folgende Tabelle 15). Der Großteil der Abweichungen liegt unter 0,1 Prozentpunkten, nur die Abweichungen Berlins, v. a. 1993 – 1996, fallen auf. Dies kann man aber erklären, da bis 1996 nur die Bruttoverdienste der Arbeiter und Angestellten von Berlin / West veröffentlicht wurden. Deshalb überschätzt Methode II das Durchschnittseinkommen und damit das Beitragsaufkommen. Ab 1997 liegt der Wert für Berlin nach Methode II noch 0,20 bis 0,29 Prozentpunkte über Methode III, was am hohen Anteil der Bundesbeamten liegen mag, welche Methode III eventuell besser berücksichtigt. Insgesamt ist das Ergebnis der beiden Berechnungsmethoden aber nahezu identisch, obwohl Methode II die Beitragseinnahmen auf Basis von Beschäftigtenzahlen und Durchschnittseinkommen, Methode III auf Basis von Makro-Lohn- und
278
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Gehaltssummen errechnet. Obwohl Methode II durch die Verwendung von Durchschnittseinkommen noch einen zusätzlichen Überschätzungsfehler zu Methode III hat, was sich in einer durchschnittlichen zusätzlichen Überschätzung um 10 Prozentpunkte zeigt, ist der Fehler über alle Länder gleich verteilt, da eine Berichtigung der errechneten Beitragshöhen um den jeweiligen Überschätzungsfehler in beiden Methoden (fast) identische Ergebnisse liefert.
Tabelle 15 Abweichungen der berechneten Beitragseinnahmensanteile 1993 – 1999 nach Methode II und III in Prozentpunkten 1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
0,02
0,08
0,02
0,23
0,18
0,17
0,16
Bayern
–0,24
–0,3
–0,20
–0,02
–0,08
–0,14
–0,11
Berlin
0,57
0,59
0,45
0,45
0,20
0,24
0,29
Bremen
–0,02
0,00
0,00
0,01
–0,01
–0,01
–0,02
Hamburg
–0,03
0,03
0,04
–0,01
–0,02
0,00
–0,05
Hessen
–0,14
–0,02
0,02
–0,07
–0,11
–0,06
0,03
0,05
–0,01
0,01
–0,12
–0,11
–0,01
0,04
–0,29
–0,24
–0,23
–0,05
0,17
–0,06
–0,16
Rheinland-Pfalz
0,00
–0,04
–0,01
–0,06
–0,02
–0,07
–0,03
Saarland
0,01
–0,04
0,01
–0,03
–0,04
–0,02
–0,03
–0,12
–0,08
–0,06
–0,12
–0,10
–0,05
–0,04
Brandenburg
0,03
0,05
–0,02
–0,03
–0,04
–0,02
0,00
Meck.-Vorpommern
0,00
0,01
0,02
–0,03
0,01
0,00
–0,02
Sachsen
0,04
0,03
–0,04
–0,13
–0,05
0,01
–0,05
Sachsen-Anhalt
0,13
0,04
0,05
0,06
0,06
0,06
0,04
–0,02
–0,07
–0,05
–0,07
–0,02
–0,02
–0,03
Baden-Württemberg
Niedersachsen Nordrhein-Westfalen
Schleswig-Holstein
Thüringen
Quelle: Eigene Berechnungen; Beitragsanteile siehe Anhang 2 und 3.
Deshalb könnten nun bei der Berechnung der Umverteilungswirkung alternativ beide Methoden verwendet werden, ohne die Plausibilität der Ergebnisse zu beeinflussen. Für die Jahre 1991 bis 1999 wird Methode III herangezogen, da für 1991 und 1992 für Methode II keine Daten vorliegen und da Methode III, obgleich sie dieselben Ergebnisse wie Methode II liefert, die Beitragshöhe weniger überschätzt. Ab 1999 wird auf die Ergebnisse von Methode II zurückgegriffen, da ab diesem Zeitpunkt die Daten für Methode III fehlen.
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
279
VI. Regionale Umverteilung, Aufschlüsselung der Bundesmittel nach Beschäftigtenanteil Exemplarisch wird wieder das Jahr 1999 betrachtet. Um die Verteilungswirkung durch den Haushalt der Bundesanstalt zu berechnen, werden die zurechenbaren Gesamtausgaben pro Land verwendet, da diese ja unmittelbar (Arbeitslosengeld) oder mittelbar (ABM, aktive Arbeitsmarktförderung) durch die Arbeitslosigkeit verursacht werden. Die regional nicht aufschlüsselbaren Ausgaben werden nicht berücksichtigt. Komplizierter ist die Situation auf der Einnahmenseite: Wie unter Kap. 8, H. erläutert, setzten sich diese für 1999 aus 88,29 Mrd. Beiträgen zusammen, die nach Berechnungsmethode II oder III den einzelnen Ländern zugeordnet werden können. 7,3 Mrd. DM sind Bundeszuschuss, 5,5 Mrd. DM stammen v. a. aus dem Europäischen Sozialfonds, aus Verwaltungskostenerstattungen und sonstigen Einnahmen. Subtrahiert man von den regional aufgliederbaren Ausgaben 1999 (99,6 Mrd. DM) die Beitragseinnahmen und den Bundeszuschuss, verbleibt ein Fehlbetrag von 3,91 Mrd. DM, der indirekt aber auch vom Bund getragen wird, da er den Verwaltungskostenzuschuss gewährt und über Zahlungen an die EU auch den ESF mitfinanziert. Deshalb wird nun vereinfachend davon ausgegangen, dass der Fehlbetrag zwischen regional differenzierbaren Ausgaben der Bundesanstalt und Beitragseinnahmen (11,3 Mrd. DM) komplett vom Bund getragen wird. Diese Mittel werden als „Bundesmittel“ bezeichnet. Doch wie soll man nun diese Einnahmen den einzelnen Ländern zuordnen? Eine erste Möglichkeit ist eine Aufteilung der Bundesmittel nach dem Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäfigten, also der Beitragszahler. In dieser ersten Annahme über die Aufteilung der Bundesmittel wird angenommen, dass die Beschäftigten über ihre Bundessteuern entsprechend ihrem Anteil die Bundesmittel finanzieren. Für 1999 ergibt sich dann das in folgender Tabelle 16 dargestellte Bild. Die regionalen Umverteilungseffekte des Haushaltes der Bundesanstalt für Arbeit sind enorm: Während die Beitragszahler etwa aus Baden-Württemberg 1999 ca. 6,51 Mrd. DM, die aus Nordrhein-Westfalen 5,99 Mrd. DM oder aus Bayern 5,54 Mrd. DM netto zum Haushalt der Bundesanstalt beigetragen haben, empfingen etwa die Arbeitslosen oder die in ABM-Maßnahmen befindlichen Sachsen 6,62 Mrd. DM mehr, als die Beitragszahler in Sachsen beitrugen. Insgesamt zahlten die „Nettozahlerländer“ Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland netto 24,88 Mrd. DM an die restlichen Länder, allein die neuen Länder inklusive Berlin empfingen davon 24,82 Mrd. DM, praktisch den vollen bundesdeutschen Nettotransfer (vernachlässigt man die 0,06 Mrd. DM für Schleswig-Holstein).
3499 1005 2794 7354 7651 19842 3813 1145 2591 2052 1470 3872 2114 2064
4,11 % 1,02 % 2,71 % 7,74 % 8,68 % 21,17 % 4,28 % 1,28 % 2,95 % 3,03 % 2,20 % 5,68 % 3,15 % 3,07 %
4,237
1,124
0,278
0,74
2,116
2,372
5,787
1,171
0,349
0,805
0,827
0,601
1,551
0,862
0,84
27,33
Bayern
Berlin
Bremen
Hamburg
Hessen
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Schleswig-Holstein
Brandenburg
Meck.-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Summe
Quelle: Eigene Berechnungen.
12779 14243
13,43 % 15,50 %
3,67
Baden-Württemberg
88288
Beitragshöhe nach Methode II
Anteil in der BRD
Soz.-vers.pflichtig Beschäf. in Mio.
99578
6284
7562
11136
5041
6388
2983
1036
3231
16245
7644
5199
1707
1004
5879
10458
7781
Regionale Ausgaben der BA
11290
347
356
641
248
342
333
144
484
2391
980
874
306
115
464
1750
1516
Bundesmittel verteilt
Tabelle 16: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA 1999, Bundesmittel nach dem Beschäftigtenanteil aufgeteilt, in Mio. DM
99578
2411
2470
4513
1718
2394
2924
1289
4297
22233
8631
8228
3100
1120
3963
15993
14295
Summe der Einnahmen
0
3873
5092
6623
3323
3994
60
–253
–1066
–5988
–987
–3029
–1393
–116
1916
–5535
–6514
Saldo Ausgaben – Einnahmen
280 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
281
Obige Inzidenzbetrachtung überzeugt aber noch nicht völlig. Die Bundesmittel werden nicht nur von den sozialversicherungspflichtigen Beitragszahlern in den Ländern finanziert, sondern von allen Steuerzahlern im jeweiligen Land. Deshalb soll nun versucht werden die Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufzuteilen.
VII. Regionale Umverteilung, Aufschlüsselung der Bundesmittel nach dem Landesanteil am Bundessteueraufkommen 1. Methode am Beispielsjahr 1999 Im ersten Ansatz, den Bundeszuschuss auf die Länder zu verteilen, wurde jedem einzelnen Beschäftigten ein konstanter Betrag zugerechnet, den dieser, etwa durch Steuern, zum Bundeszuschuss beiträgt. Dies ist aber eine stark vereinfachende Annahme. Schlüssiger ist es, den Bundeszuschuss so den Ländern anzurechnen, wie diese anteilig zum Bundessteueraufkommen beitragen. Dieser lässt sich aus den Angaben des Statistischen Bundesamtes berechnen. Bekannt sind dort die kassenmäßigen Steuereinnahmen vor der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden. Weiterhin sind die Steuereinnahmen der Länder und Gemeinden nach der Verteilung bekannt.941 Nun lassen sich die Steuereinnahmen des Bundes aus den einzelnen Ländern berechnen: Gesamtsteueraufkommen pro Land . / . Zölle . / . Steuereinnahmen der Länder und Gemeinden nach der Verteilung = Steuereinnahmen des Bundes aus dem jeweiligen Land Wendet man dieses Verfahren an und berechnet den jeweiligen Anteil eines Landes am Bundessteueraufkommen, springt eines sofort ins Auge: Die neuen Länder leisten einen negativen Beitrag zum Steueraufkommen des Bundes. Dies liegt daran, dass die veranlagte Einkommenssteuer in den meisten neuen Ländern negativ ist, v. a. aber daran, dass über den „Fonds Deutsche Einheit“ den neuen Ländern 1999 ca. 38 Mrd. DM Umsatzsteuer zugewiesen wurden, sie aber nur über ein Umsatzsteueraufkommen von 19 Mrd. verfügten. Mit der Methode, die Bundesmittel über das Bundessteueraufkommen der Länder zu schlüsseln, kann man diesen Effekt, dass die Steuerzahler in den neuen Ländern faktisch keinen Beitrag zum Bundessteueraufkommen und damit zum Bundeszuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit leisten, gut erfassen. Übernimmt man nun die sonstige Vorgehensweise, schlüsselt aber den Bundesanteil nach dem Anteil der Länder am Bundessteueraufkommen, so ergibt sich ein noch drastischeres Bild als bei der Aufteilung nach dem Anteil der Beschäftigten: 941 Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland 2000, S. 510.
–1,61 % –0,74 % –1,07 %
–7,64
–3,5
–5,09
475,81
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Summe
Quelle: Eigene Berechnungen.
–0,38 % –0,74 %
–1,81
–3,52
1,82 %
8,66
Schleswig-Holstein
Brandenburg
0,35 %
1,68
Meck.-Vorpommern
6,59 %
31,35
Rheinland-Pfalz
Saarland
5,64 % 34,07 %
26,85
162,09
Nordrhein-Westfalen
10,56 %
50,26
Hessen
Niedersachsen
0,76 % 11,58 %
3,63
55,09
Hamburg
3499
1,13 %
5,4
Berlin
Bremen
14243
17,18 %
81,75
Bayern
88288
2064
2114
3872
1470
2052
2591
1145
3813
19842
7651
7354
2794
1005
12779
14,84 %
70,61
Baden-Württemberg
Beitragshöhe nach Methode III
Anteil in der BRD
Bundessteueraufkommen in Mrd. DM
99578
6284
7562
11136
5041
6388
2983
1036
3231
16245
7644
5199
1707
1004
5879
10458
7781
Regionale Ausgaben der BA
11290
–121
–83
–181
–84
–43
205
40
744
3846
637
1193
1307
86
128
1940
1675
Sonst. Einnahmen verteilt
Tabelle 17: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA 1999, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
99578
1943
2031
3691
1386
2009
2796
1185
4557
23688
8288
8547
4101
1091
3627
16183
14454
Summe der Einnahmen
0
4341
5531
7445
3654
4379
187
–148
–1326
–7443
–645
–3348
–2394
–87
2252
–5725
–6673
Saldo Ausgaben – Einnahmen
282 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
283
Die Beitrags- und Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen kommen durch die Bundesanstalt auf ein negatives Saldo von 7,44 Mrd. DM (5,99 Mrd. DM nach Beschäftigungsanteil aufgeteilt), die Hamburger zahlen 1 Mrd. mehr netto ein, als nach dem Anteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten berechnet. Die Höhe der Nettotransfers aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit an die neuen Länder erhöht sich nach dieser Berechnungsmethode von 22,91 Mrd. auf 25,35 Mrd. DM, das Gesamtumverteilungsvolumen steigt von 24,88 Mrd. DM auf 27,79 Mrd. DM, was 28 % des gesamten regional aufgliederbaren Ausgabenvolumens entspricht. Diese Methode scheint die wahren Umverteilungseffekte besser darzustellen, weil sie auch berücksichtigt, dass die neuen Länder einen negativen Beitrag zum Bundessteueraufkommen leisten. Ist dann ein Bundeszuschuss an die Bundesanstalt notwendig, weil die Ausgaben durch hohe Arbeitslosigkeit über den Beitragsaufkommen liegen, zahlen faktisch die Steuerzahler aus den Ländern, welche einen positiven Bundessteuerbeitrag beisteuern.
2. Ergebnisse von 1991 bis 2001 Die Berechnung der regionalen Umverteilungswirkung wurde nun für die Jahre 1991 bis 2001 durchgeführt. Dabei wurde bei der Berechnung der Beitragseinnahmen 1991 – 1999 auf die Ergebnisse der Berechnungsmethode III zurückgegriffen, da diese das Gesamtvolumen weniger überschätzt hatte, für die Jahre 2000 und 2001 aus Gründen der Datenverfügbarkeit auf Methode II, was aber wegen der Übereinstimmung der Ergebnisse keinen Unterschied macht. Bei der Schlüsselung des Bundesanteils wurden die Anteile der Länder am Bundessteueraufkommen verwendet, weil dies der tatsächlichen Finanzierung am nächsten kommt, v. a. dem weitgehend negativen Bundessteueraufkommen der neuen Länder. Die Berechnungen finden sich mit den orginalen DM-Beträgen im Anhang 3, an dieser Stelle nur die Übersicht (s. Tabelle 18 auf fogender Seite) über die jeweiligen Salden, umgerechnet in Euro-Beträge. Die Ergebnisse zeigen, dass jährlich zwischen 12,2 und 19,4 Mrd. A durch den Haushalt der Bundesansanstalt für Arbeit zwischen den Ländern umverteilt wird, in den 11 Jahren von 1991 bis 2001 insgesamt 159,3 Mrd A, wobei allein die neuen Länder (ohne Berlin-Ost) rund 150 Mrd A netto empfingen. Dabei entspricht der Anteil an Ausgabenmitteln, die von einem Teil der Länder mehr aufgebracht wird, um sie dem anderen Teil der Länder netto zukommen zu lassen, zwischen 25 und 38 % des Anteils aus allen Ausgaben der Bundesanstalt, die regional aufgliederbar sind (ohne Ausgaben für zentrale Dienststellen).
–3385
636
–132
–1372
–2179
-840
–5202
–639
–125
–2478
368
–39
–717
–1616
-434
–3258
–473
–82
Bayern
Berlin
Bremen
Hamburg
Hessen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Quelle: Eigene Berechnungen.
38 %
32 %
Umverteilungsvolumen
Anteil an den Ges.ausg.
Thüringen
3340
3458
2017
Sachsen-Anhalt
17942
5215
3093
Sachsen
3681
2528
1495
Meck.-Vorpommern
12244
–220
2766
–71
1589
Schleswig-Holstein
Brandenburg
Niedersachsen
1992
–3850
1991
–3077
Baden-Württemberg
35 %
19388
3334
3811
6204
2596
3004
–231
–35
–1278
–5299
–717
–2424
–2129
–183
438
–3564
–3529
1993
29 %
14703
2437
2978
4414
2199
2179
–186
–67
–828
–3700
–639
–1865
–1514
–142
496
–2970
–2791
1994
25 %
12211
1996
2549
3392
1791
1722
–94
0
–590
–3026
–410
–1604
–1211
–34
762
–2594
–2648
1995
26 %
13751
2356
2808
3799
1835
1980
12
21
–683
–3928
–207
–1799
–1643
10
930
–2563
–2928
1996
26 %
13695
2297
2849
3801
1726
1985
15
–18
–646
–4060
–244
–1662
–1427
–37
1021
–2526
–3077
1997
28 %
13972
2263
2831
3784
1752
2189
60
–69
–730
–3895
–362
–1656
–1190
–32
1094
–2719
–3319
1998
Tabelle 18: Regionaler Saldo der Ausgaben und Einnahmen der BA 1991 – 2001, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. E 1999
28 %
14209
2219
2828
3807
1868
2239
96
–76
–678
–3806
–330
–1712
–1224
–45
1151
–2927
–3412
2000
27 %
13636
2084
2697
3744
1809
2115
144
–65
–628
–3257
–437
–1756
–952
–58
1042
–3033
–3450
2001
27 %
13580
1985
2618
3754
1805
2244
–460
–163
–584
–2790
–144
–1789
–958
–58
1175
–3043
–3591
284 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
285
Neben den neuen Ländern und Berlin waren Bremen und das Saarland einmal (1996), und Schleswig-Holstein fünfmal (1996 – 2000) Nettoempfänger, alle anderen Länder waren ständig Nettozahler, Baden-Württemberg jährlich zwischen 2,6 und 3,8 Mrd. A, der maximale Wert betrug 1993 allein für Nordrhein-Westfalen 5,3 Mrd A!
3. Vergleich mit Berechnungen der Deutschen Bundesbank Das politisch sehr brisante Thema der öffentlichen Finanztransfers in die neuen Länder hat auch die Deutsche Bundesbank dazu veranlasst, mehrere Aufsätze in ihren Monatsberichten zu veröffentlichen. Der erste erschien 1992 unter dem Titel: „Öffentliche Finanztransfers für Ostdeutschland in den Jahren 1991 und 1992“. Dabei beschreibt und kritisiert sie v. a. die sofortige „( . . . ) Übertragung des westdeutschen sozialen Leistungssystems und die mit der hohen Unterbeschäftigung verbundenen Ausgaben für Lohnersatzleistungen“. 942 Dadurch fließe der größte Teil der Transfers letztlich in den Konsum anstatt in wachstumsträchtige Investitionen. Die Bundesbank errechnete für 1991 Nettoleistungen an die neuen Länder von 139 Mrd. DM, 1992 von 218 Mrd. DM. Dabei schreibt sie dem „Defizit der Bundesanstalt für Arbeit in Ostdeutschland“ 1991 25 Mrd. DM, 1992 30 Mrd. DM zu, um aber in einer Fußnote zu relativieren: „Teilweise geschätzt – die rechnerisch bedingt – exakten Zahlen sind mit erheblichen Unsicherheitsmargen behaftet“.943 Die Bundesbank beschreibt den Gang ihrer Berechnung nicht, die Ergebnisse ergeben sich rechnerisch für 1991 aber grob aus den regionalen Ausgaben der Bundesanstalt für Ostdeutschland, abzüglich der in den Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt angegeben Beitragseinnahmen in den neuen Ländern, obwohl diese ja durch den Einzug der Beiträge über Krankenkassenzentralen sehr ungenau ist. Für 1992 können die Zahlen nur geschätzt sein, da der Aufsatz bereits im März 1992 veröffentlicht wurde. Verwendet man die Ergebnisse aus Kapitel 8, H. VII. 2. ergibt sich für 1991 ein Nettotransfer für die neuen Länder von 23,23 Mrd. DM (11,88 Mrd. A), für 1992 von 33,85 Mrd DM (17,31 Mrd. A). Die Größenordnungen sind also durchaus vergleichbar, die Gründlichkeit der Berechnung bei der Bundesbank geht aber über eine grobe Schätzung nicht hinaus, für einzelne Länder wird überhaupt keine Aussage gemacht und der Bundesanteil ohne weitere Beleuchtung den alten Ländern 1:1 zugerechnet. Eine etwas genauere Analyse durfte man sich von dem 1994 erschienen Aufsatz „Die Finanzentwicklung der Bundesanstalt für Arbeit seit Beginn der neunziger Jahre“ erwarten.944 Doch die Bundesbank wiederholt ihre knappe Begründung des 942 Deutsche Bundesbank: Öffentliche Finanztransfers für Ostdeutschland in den Jahren 1991 und 1992, 1992, S. 15. 943 Ebd., S. 16. 944 Vgl. Deutsche Bundesbank: Die Finanzentwicklung der Bundesanstalt für Arbeit seit Beginn der neunziger Jahre, 1994, S. 33 – 49.
286
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Nettotransfers: Ausgaben der Bundesanstalt für die neuen Länder von 30 Mrd. DM; nach Angaben der Bundesanstalt betragen die Beitragseinnahmen aber knapp 5 Mrd. DM, also ein Nettotransfer von 25 Mrd. DM aus den alten Ländern, wobei der Bundesanteil wieder nicht aufgespalten wird. In einer Übersicht gibt die Bundesbank noch den Netto-Saldo der neuen Länder für für 1993 mit 39,51 Mrd. DM an, wobei sie in einer Fußnote den Fehler der einfachen Übernahme der Beitragseinnahmenhöhe aus den ANBA zugibt und von einer notwendigen Korrektur um ein „Ostdeutschland zuzurechnendes Beitragsaufkommen im Westen“945 spricht. Leider macht Sie aber keinerlei Angaben, wie sie die tatsächlichen Beitragshöhen der neuen Länder berechnet und wie und ob sie den Bundesanteil aufschlüsselt. Das Ergebnis aus Tabelle 18 von 37,92 Mrd. DM (19,39 Mrd. A) liegt aber wieder im Bereich der Bundesbankangaben, was für die Plausibilität der hier gefundenen Ergebnisse spricht. Auf dem Höhepunkt der „Nettotransfer“-Diskussion an die neuen Länder 1996 veröffentlichte die Deutsche Bundesbank den Aufsatz „Zur Diskussion über die öffentlichen Transfers im Gefolge der Wiedervereinigung“.946 Der Tenor ist sehr moderat, es wird etwa bemängelt, dass keine „interregionale Transferbilanz“ vorliege, da schon immer bestimmte Länder begünstigt wurden.947 In dieser Arbeit wurde diesem Mangel Rechnung getragen und für alle Länder das Netto-Transfervolumen berechnet, doch wie Tabelle 18 zeigt sind bis auf wenige Ausnahmen seit 1991 nur die neuen Länder und Berlin Netto-Empfänger aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit. Die Bundesbank ist offensichtlich um eine Entschärfung der Diskussion bemüht, sie errechnet ein Gesamttransfervolumen an die neuen Länder für die Jahre 1991 bis 1995 von 615 Mrd. DM, das Institut der Deutschen Wirtschaft errechnete 762 Mrd. DM, das Institut für Wirtschaftsforschung 779 Mrd. DM und das Institut für Weltwirtschaft für den gleichen Zeitraum gar 888 Mrd. DM.948 Unverständlich wird das Ergebnis der Deutschen Bundesbank, wenn man nur den Posten „Bundesanstalt für Arbeit“ betrachtet. Für 1991 finden sich noch annähernd die 25 Mrd. DM für 1992 aus den beiden Vorgängeraufsätzen, 1992 stehen aber plötzlich nur noch 25 Mrd. DM (statt 30 bzw. 38 Mrd. DM in den Vorgängeraufsätzen), für 1993 gar nur noch 17 Mrd. DM, statt der 1994 errechneten 39,51 Mrd. DM. Für die Jahre 1994 bis 1997 gibt die Bundesbank Werte von 17, 16, 16, und 18 Mrd. DM an.949 Dagegen kommen die Berechnungen in der vorliegenden Arbeit in Tabelle 18 auf 28, 22, 25 und 25 Mrd. DM. Die Bundesbank erläutert in dem Aufsatz von 1996 in keinster Weise die Berechnungsmethode noch erklärt sie Ebd., S. 43. Vgl. Deutsche Bundesbank: Zur Diskussion über die öffentlichen Transfers im Gefolge der Wiedervereinigung, 1996, S. 17 – 31. 947 Ebd., S. 27. 948 Ebd., S. 26. 949 Ebd., S. 19. 945 946
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
287
die deutlichen Abweichungen von ihren bisherigen Berechnungen für die Jahre 1992 und 1993. Im Vergleich mit den hier errechneten Ergebnissen unterschätzt die Bundesbank in ihrer Veröffentlichung von 1996 allein die Nettotransfers der Bundesanstalt für die Jahre 1991 bis 1997 um 64 Mrd. DM, obwohl die Ergebnisse aus ihren beiden Vorgängerstudien sehr nahe an den hier durchgeführten Berechnungen waren. Leider gibt sie für diese deutlichen Abweichungen keine Begründung, sodass eine bewusste Unterschätzung in der Studie von 1996 möglich erscheint. 4. Pro-Kopf-Analyse Die Ergebnisse in Kap. 8, H. VII. 2. zeigen neben der Umverteilung von West nach Ost auch noch deutliche Unterschiede innnerhalb der beiden Ländergruppen: Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind die größten Nettozahler, doch gehören diese vier auch zu den fünf einwohnerstärksten Ländern. Deshalb soll die Nettozahlerposition nun noch pro einzelnen Einwohner eines Landes ausgewiesen werden, um eine Pro-Kopf-Umverteilung darzustellen.950 In dieser Betrachtung relativiert sich die Spitzenposition von Nordrhein-Westfalen, nun sind die Hamburger Bürger pro Kopf die größten Netto-Zahler mit 557 A pro Jahr, gefolgt von den Bürgern Baden-Württembergs und Bayerns. Das Beispiel Hamburgs lässt auch vermuten, dass nicht nur die Bürger der Länder große Nettozahler sind, deren Arbeitslosenquoten am deutlichsten vom Bundesschnitt (10,7 %) nach unten abweicht, sondern auch Länder mit sehr hohen Einkommen, deren Bürger über hohe Beiträge und den von ihnen über Steuern finanzierten rechnerischen Anteil am Bundeszuschuss zur Umverteilung beitragen. Deshalb wird nun noch die Umverteilungswirkung der bundesdeutschen Arbeitslosenversicherung als prozentualer Anteil des regionalen Bruttoinlandsprodukts und des regionalen Pro-Kopf-Einkommens berechnet.
950 Die aktuellsten Bevölkerungsdaten für die Bundesländer liegen für das Jahr 2000 vor, exemplarisch soll für dieses Jahr die Pro-Kopf-Umverteilung in der BRD berechnet werden.
288
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung Tabelle 19 Pro Kopf-Umverteilung 2000 Bevölkerung 2000 in Mio.
Saldo 2000 (Meth. II) in Mio. E
Pro-Kopf Saldo 2000 in E
Arbeitslosenquote in %
Baden-Württemberg
10,493
–3450
–329
6,0
Bayern
12,188
–3033
–249
6,3
Berlin
3,384
1042
308
17,6
Bremen
0,661
–58
–87
14,2
Hamburg
1,710
–952
–557
10,0
Hessen
6,058
–1756
–290
8,1
Niedersachsen
7,911
–437
–55
10,3
18,000
–3257
–181
10,1
Rheinland-Pfalz
4,030
–628
–156
8,1
Saarland
1,070
–65
–61
10,8
Schleswig-Holstein
2,782
144
52
9,3
Brandenburg
2,600
2115
814
18,4
Meck.-Vorpommern
1,783
1809
1014
19,0
Sachsen
4,443
3744
843
18,5
Sachsen-Anhalt
2,633
2697
1024
21,4
Thüringen
2,440
2084
854
16,4
Nordrhein-Westfalen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Tabelle 18; Stat. Jahrbuch 2002 für die BRD.
5. Relative Umverteilungswirkungen zum Bruttoinlandsprodukt Berücksichtigt man bei den Umverteilungswirkungen die unterschiedliche regionale Wirtschaftsleistung so ergibt sich für das Jahr 2000 das in der Tabelle 20 folgende Bild. Offensichtlich hängt die Höhe der Umverteilung nicht nur von der Arbeitslosenquote, sondern auch von der Wirtschaftskraft pro Einwohner eines Landes ab. So leisten die schlechter verdienenden Bürger Nordrhein-Westfalens, bei fast gleicher Arbeitslosenquote wie in Hamburg, pro Kopf nur ein Drittel der Pro-Kopf-Umverteilung der Hamburger. Prozentual muss ein Hamburger rechnerisch netto 1,31 % seines Einkommens an die Bundesanstalt für Arbeit abgeben, ein Bürger Nordrhein-Westfalens „nur“ 0,71 %.
19 Deinzer
24571 62870 41362 28391 72814 41172 39261 2032970
2,782
2,600
1,783
4,443
2,633
2,440
82,186
Schleswig-Holstein
Brandenburg
Meck.-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Summe
16091
15637
16388
15923
15908
22599
22964
22276
25325
22345
29861
42474
33404
22695
28863
28205
Pro-Kopf-BIP (PKE) in E
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Tabelle 24.17; Stat. Jahrbuch 2001 für die BRD.
89771
4,030
1,070
Rheinland-Pfalz
455843
18,000
Nordrhein-Westfalen
Saarland
180899
72631
1,710
Hamburg
176769
22080
0,661
Bremen
6,058
76801
3,384
Berlin
7,911
351783
12,188
Bayern
Hessen
295952
10,493
Baden-Württemberg
Niedersachsen
Regionales BIP in Mio. E
Bevölkerung 2000 in Mio
16,4
21,4
18,5
19,0
18,4
9,3
10,8
8,1
10,1
10,3
8,1
10,0
14,2
17,6
6,3
6,0
Arbeitslosenquote
–249
–3033
0
2084
2697
3744
1809
2115
854
1024
843
1014
814
5,31 %
6,55 %
5,14 %
6,37 %
5,11 %
0,23 %
52 144
–0,70 % –0,27 %
–61
–156
–628
–0,71 %
–0,25 %
–0,97 %
–1,31 %
–0,26 %
1,36 %
–0,86 %
–1,17 %
%-tuales Saldo pro BIP
–65
–181
–3257
–55
–290
–1756 –437
–557
–87
–952
–58
308
–329
–3450
1042
Pro-Kopf Saldo 2000 in E
Saldo 2000 (Meth. II) in Mio. E
Tabelle 20: Relative Umverteilung pro BIP 2000
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit 289
290
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Bei ähnlichen Pro-Kopf-Einkommen, etwa in den neuen Ländern, ist die Arbeitslosenquote das entscheidende Kriterium: In den beiden Ländern mit den höchsten Arbeitslosenquoten, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, erhalten die Bürger pro Jahr und Kopf über 1000 A aus dem Topf der Bundesanstalt für Arbeit. Dies entspricht somit über 6 % der Wirtschaftsleistung dieser Länder, bei Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind es immerhin über 5 % des Bruttoinlandsproduktes, das allein über den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit diesen Ländern zufließt. Diese Werte erstaunen doch sehr und so lohnt sich ein Vergleich dieses „geheimen“ Finanzausgleichs mit dem offiziellen System des Finanzausgleichs der Bundesrepublik, der auch durch diverse Verfassungsgerichtsentscheidungen viel mehr im Blickfeld der Öffentlichkeit steht.
VIII. Vergleich der Umverteilungswirkungen mit dem System des horizontalen Finanzausgleichs in der Bundesrepublik Das System des Finanzausgleichs zwischen den Ländern (horizontaler Finanzausgleich), welches in der Bundesrepublik den vertikalen Finanzausgleich ergänzt, steht seit dem Länderfinazausgleichsgesetz von 1961 in der Kritik, auch in der wissenschaftlichen Diskussion. Auf Grund von Normenkontrollantägen der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 11. November 1999 zum Bund-Länder-Finanzausgleich den Gesetzgeber unter Handlungsdruck gesetzt, indem es für Recht erkannte: „Das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ( . . . ) gilt in seiner gegenwärtigen Fassung als Übergangsrecht fort, längstens bis zum 31. Dezember 2004 und bis zu diesem Zeitpunkt nur dann, wenn der Gesetzgeber rechtzeitig – spätestens bis zum 31. Dezember 2002 – die nach Maßgabe der Gründe notwendigen verfassungskonkretisierenden und verfassungsergänzenden allgemeinen Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens und für den Finanzausgleich einschließlich der Bundesergänzungszuweisungen (Art. 106, 107 des Grundgesetzes) bestimmt.“951
Mit der Neufassung des Finanzausgleichsgesetzes ab dem 1. Januar 2005 im Solidarpaktfortführungsgesetz wird der bundesstaatliche Finanzausgleich auf eine langfristig konzipierte Grundlage gestellt.952 An dieser Stelle soll nun nicht in die wissenschaftliche Debatte über die Neuregelung des Finanzausgleichs eingegriffen werden, den Stand der Diskussion gibt das Gutachten des Sachverständigenrates wieder.953 In diesem werden aber auch Berechnungen über die UmverteilungswirBundesverfassungsgericht: 2 BvF 2 / 98 vom 11. 11. 1999, Absatz-Nr. (1 – 347), Urteil. Die Details der Neuregelung finden sich unter: Bundesministerium der Finanzen: Der neue bundesstaatliche Finanzausgleich ab 2005, 2002, S. 99 – 102. 953 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Neuregelung des Länderfinanzausgleichs in Deutschland – Konzeptionelle Überlegungen und finanzielle Auswirkungen, 2001, S. 2 – 16. 951 952
Kap. 8: Theorie und Empirie der europäischen Arbeitslosigkeit
291
kungen des horizontalen Finanzausgleichs in der Bundesrepublik für das Jahr 2000 angestellt, welche mit den hier gefundenen Ergebnissen über die Umverteilungswirkungen des Systems der Arbeitslosenversicherung verglichen werden können. Dabei berücksichtigen die Berechnungen des Sachverständigenrates nicht nur die ausgewiesenen Salden der Beiträge und Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich, welche das Bundesministerium der Finanzen in seinen Saldenveröffentlichungen verwendet, sondern berücksichtigt noch die Umverteilungswirkung der sogenannten Ergänzungsanteile954, die nochmals fast die gleiche Umverteilungswirkung besitzen wie die Zuweisungen. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Die Umverteilungswirkungen der Arbeitslosenversicherung im Jahr 2000 waren in der Bundesrepublik mit errechneten 13,636 Mrd. A ähnlich hoch wie die vom Sachverständigenrat für den horizontalen Finanzausgleich ermittelten 15,317 Mrd. A. Beruft man sich auf die offizellen Zahlen des Bundesfinanzministeriums, welches nur die Beiträge bzw. Zuweisungen berücksichtigt und für 2000 ein Umverteilungsvolumen von nur 8,32 Mrd. A ausweist955, ist die Umverteilungswirkung der Arbeitslosenversicherung sogar um den Faktor 1,6 größer, als die des „offiziellen“ Finanzausgleichs. Tabelle 21 zeigt eindrucksvoll, dass sich durch die zusätzliche Umverteilungswirkung der Arbeitslosenversicherung der prozentuale Anteil der Umverteilungsmasse am Bruttoinlandsprodukt für die Neuen Länder mehr als verdoppelt. Liegt der Anteil der empfangenen Zuweisungen aus dem horizontalen Finanzausgleich am regionalen BIP bei den Neuen Ländern zwischen fünf und sechs Prozent, liegt er bei zusätzlicher Berücksichtigung der Arbeitslosenversicherung zwischen 10,2 % und 12,6 %. Ausgehend von den Ergebnissen der bundesdeutschen Arbeitslosenversicherung kann nun ein Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung erfolgen.
954 Dies ist der Umsatzsteuer-Vorwegausgleich, den der Sachverständigenrat wegen seiner verschleierten Umverteilungswirkung kritisiert. Ebd., S. 11. 955 Ebd., S. 18.
19*
+ / – 15317
2279
2485
3913
1570
2122
–198
222
–154
–3596
13
–3568
–796
355
2358
–3586
–3419
5,80 %
6,04 %
5,37 %
5,53 %
5,13 %
–0,31 %
0,90 %
–0,17 %
–0,79 %
0,01 %
–1,97 %
–1,10 %
1,61 %
3,07 %
–1,02 %
–1,16 %
Saldo %-tuales Saldo horizontaler des h. F. A. F. A. in Mrd. E pro BIP
+ / – 13636
2084
2697
3744
1809
2115
144
–65
–628
–3257
-437
–1756
–952
–58
1042
–3033
–3450
Saldo BA (Meth. II) in Mio. E
+ / – 28953
4363
5182
7657
3379
4237
–54
157
–782
–6853
-424
–5324
–1748
297
3400
–6619
–6869
Summe der Salden
Quelle: Eigene Berechnungen; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2001, Tabelle 1, S. 17.
2032970
82,186
Summe / Betrag
41362
2,600
Brandenburg
39261
62870
2,782
Schleswig-Holstein
2,440
24571
1,070
Saarland
Thüringen
89771
4,030
Rheinland-Pfalz
41172
455843
18,000
Nordrhein-Westfalen
2,633
176769
7,911
Niedersachsen
Sachsen-Anhalt
180899
6,058
Hessen
72814
72631
1,710
Hamburg
28391
22080
0,661
Bremen
1,783
76801
3,384
4,443
351783
12,188
Bayern
Berlin
Sachsen
295952
10,493
Baden-Württemberg
Meck.-Vorpommern
Regionales BIP in Mio. E
Bevölkerung 2000 in Mio
Tabelle 21: „Offizieller“ vs. „heimlicher“ Finanzausgleich in der BRD 2000
11,11 %
12,59 %
10,52 %
11,90 %
10,24 %
–0,09 %
0,64 %
–0,87 %
–1,50 %
–0,24 %
–2,94 %
–2,41 %
1,35 %
4,43 %
–1,88 %
–2,32 %
%-tuales Gesamtsaldo pro BIP
292 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
293
Kapitel 9
Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung A. Ursprüngliche Vorschläge des MacDougall-Berichts von 1977 Die Berechnungen des „MacDougall-Berichts“ orientieren sich an den Vorschlägen des „Marjolin-Berichts“, die Gemeinschaft solle täglich für jeden Arbeitslosen zwei Haushalts-Rechnungseinheiten 956 zu den einzelstaatlichen Systemen beisteuern, die innerhalb bestimmter Grenzen ihre Eigenheiten behalten sollten. Der EGBeitrag sollte über einen bestimmten Anteil der Lohn- bzw. Gehaltssumme finanziert werden. Für 1975 beträgt der zur Finanzierung notwendige Beitragssatz z. B. 0,5 % (Berechnung s. u.). Der Bericht postuliert einen zweifachen Umverteilungseffekt „( . . . ) und zwar einmal zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen bzw. Staaten und Regionen mit hohen oder niedrigen durchschnittlichen Arbeitslosenquoten und daneben zwischen Arbeitnehmern mit hohem und solchen mit niedrigem Einkommen auf Grund der pauschalen Versicherungsleistungen in Verbindung mit pauschalisierten Beitragssätzen“.957 An dieser Stelle wird auch deutlich, dass der „MacDougall-Report“ noch nicht durchgängig die exakte Unterscheidung zwischen interregionaler Umverteilung und regionaler Stabilisierung macht, wie das in den späteren Arbeiten zunehmend geschieht.958 Bezogen auf Eurostat-Daten von 1976 kommt der Bericht zu folgenden Finanzierungspositionen für 1975, dargestellt in Tabelle 22. Die auf die Gemeinschaft entfallenden Zahlungen zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 2784 Mio. RE betrugen 1975 ca. 33 % der Gesamtsumme der auf nationaler Ebene geleisteten Zahlungen. Berücksichtigt man, dass die gemeinschaftlichen Zahlungen die nationalen Zahlungen ersetzen und nicht ergänzen sollen, beträgt der Finanzierungsbeitrag für die schwächsten Volkswirtschaften mit hohen Arbeitslosenzahlen und niedrigem Gesamteinkommen bis zu 85 %, für die stärksten nur rund 20 %.959 956 Bereits vor der Gründung des Europäischen Währungssystems (EWS) 1978 und der Korbwährung ECU existierte eine europäische Rechnungseinheit auf der Basis eines Währungskorbs. Diese Rechnungseinheit war 1975 eingeführt worden, um zu einer einheitlichen Rechnungseinheit zu kommen und wurde für den ECU unverändert übernommen und danach spätestens alle fünf Jahre angepasst. Der Wert des ECU betrug 1978 etwa 2,51 DM. Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Europäische Gemeinschaft, 1984, S. 180 – 181. 957 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band II: Einzelbeiträge und Arbeitsunterlagen, 1977, S. 410. 958 So erscheint der Vorschlag zur Beteiligung der Gemeinschaft an der Arbeitslosenversicherung im Generalbericht weder unter Punkt 4.2 Stabilisierungspolitik noch 4.3 Umverteilung, sondern – nicht ganz nachvollziehbar – im Kapitel 4.1 Wirtschaftsförderung. 959 Ebd., S. 411.
294
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung Tabelle 22 Simulation einer EG-Beteiligung an der Finanzierung der Arbeitslosenfinanzierung für 1975 Versicherungsleistungen
Finanzierung
Nettofinanzierungsposition
Zahl der Arbeitslosen
Jährliche Leistungen bei 2 RE pro Tag
Gesamteink. aus Löhnen und Gehältern
Beitragszahlungen bei 0,5 %-Satz
in 1000
in Mio. RE
in Mrd. RE
in Mio. RE
in Mio. RE
D
1086
652
178
844
–192
F
840
504
135
640
–136
I
1107
644
75
356
+308
NL
195
117
38
180
–63
B
208
125
25
128
–3
L
0,3
0,2
1,2
0,6
–0,4
UK
978
587
115
545
+42
IRL
99
59
3,3
16
+43
DK
127
76
15
71
+5
4640
2784
587
2784
0
EG 9
Quelle: „MacDougall-Report“, Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der Sachverständigengruppe zur Untersuchung der Rolle der öffentlichen Finanzen bei der Europäischen Integration, Band II: Einzelbeiträge und Arbeitsunterlagen, 1977, S. 411.
B. Grundüberlegungen Bei den Vorschlägen für eine europäische Arbeitslosenversicherung muss etwas genauer argumentiert werden, als dies die Vorschläge des „MacDougall-Reports“ implizieren: Aus den Argumenten für und gegen eine europäische Arbeitslosenversicherung lässt sich schlussfolgern, dass eine Totalvereinheitlichung der Arbeitslosensysteme und eine vollständige Ablösung der nationalen Systeme ausgeschlossen werden kann. Diese Totalharmonisierung würde völlig dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen und die unterschiedlichen Präferenzen der Individuen missachten (vgl. Kap. 2, B. I. 1.). Die schlimmsten Befürchtungen des Systemwettbewerbs würden wahr: Ein Kartell der Entscheider würde durch die Vereinheitlichung den Wettbewerb auschließen und somit die voice und exit-option der Bürger verhindern. Dieses System wäre sicherlich suboptimal, die durch Moral-hazard-Effekte ausgelösten negativen Anreize in den Staaten, die ein höheres Schutzniveau durch die europäische Lösung erhalten würden, wären wachstums- und beschäftigungsschädlich.
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
295
Somit bleibt ein föderales System mit nationalen und gemeinschaftsweiten Elementen. Volz schlägt dies allgemein für integrierte Wirtschaftsräume vor und unterscheidet dabei zwei Optionen:960 1. Zusatzsystem Zu den bestehenden nationalen Leistungen würden noch bestimmte gemeinschaftsweite Leistungen addiert. Dafür müssten aber bestimmte Obergrenzen der Gesamtleistung vereinbart werden, die nicht überschritten werden dürfen. Dabei dürfen die europäischen Leistungen nicht pauschaliert sein, sondern müssen sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Leistungshöhe die ökonomischen Gegebenheiten und die Leistungsfähigkeit berücksichtigen. Denn das System einer europäischen Arbeitslosenversicherung, als sichtbarer Baustein einer Sozialunion, muss auch in seiner Finanzierung dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgen. Solidarität zeigt sich nicht nur in der Zahlung von Transfers von Leistungsfähigeren an Schwächere, sondern auch in der Finanzierung. Das bedeutet, dass die Finanzierung der europäischen Arbeitslosenversicherung keinesfalls mit pauschalen Beträgen im Sinne einer „Kopfsteuer“ erfolgen darf. Zumindest muss sie einen Prozentsatz an einer Größe, welche ein Indikator für die Leistungsfähigkeit darstellt (meist das Einkommen), festgemacht sein. Handelt es sich dabei um einen einheitlichen Prozentsatz im Sinne eines linearen Tarifs, ist gerade einmal ein Minimalkonsens einer Belastung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip erreicht. Soll ernsthaft das Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU angepeilt und sozialer Ausgleich unter dem Solidaritätsaspekt angestrebt werden, wie er im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft gewöhnlich verstanden wird, muss sogar ein progressiver Tarif verwendet werden.961 2. Grundsystem Die gleiche Überlegung gilt auch, wenn man eine europäische Arbeitslosenversicherung als Grundsystem organisiert. Hier wird ein erster Grundstock an Leistungen aus der Europäischen Versicherung bezahlt, die übrigen Leistungen werden aus dem nationalen System erbracht. Ob eine definierte Obergrenze für die Gesamtleistung europäisch festgelegt werden muss, kann diskutiert werden. Erkennt man aber die positiven Wirkungen eines Systemwettbewerbs an, bietet sich im Grundsystem ohne festgelegte nationale Obergrenze eine Synthese aus sinnvoller Koordination und wirksamem Systemwettbewerb an: Die europäische Arbeitslosenversicherung leistet sofort bei Arbeitslosigkeit einen Beitrag an den Arbeitslosen und wirkt damit sowohl mikroökonomisch solidarisch und sofort wahrnehmbar für den Einzelnen und entfaltet gleichzeitig ihre makro960 Vgl. Volz, Joachim: Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosigkeit in integrierten Wirtschaftsräumen, 1980, S. 232 ff. 961 Vgl. analog zur Finanzierung des gesamten EU-Haushalts: Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration, 1996, S. 74 – 76.
296
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
ökonomisch stabilisierende Wirkung. Da aber die maximale Höhe der europäischen Leistungen auf jeden Fall unter dem national gewünschten Niveau liegt, entscheiden die einzelnen nationalen Institutionen über die tatsächliche Höhe der Gesamtleistung. Es sind weitere Differenzierungsmöglichkeiten zwischen den nationalen Systemen möglich, Präferenzen für hohe oder niedrigere Absicherungen sind weiterhin zu berücksichtigen. Präfernzverzerrungskosten, welche die Föderalismustheorie zu vermeiden sucht (vgl. Kap. 2, A. I. 1.) werden vermieden. Da bei der Ausgestaltung als Grundsystem somit keine europaweite Harmonisierung der Gesamtleistung an den Empfänger notwendig ist, entspricht dieses eher den Vorstellungen eines funktionierenden Systemwettbewerbs und ist daher dem Zusatzsystem vorzuziehen. Es soll eben kein gemeinschaftsweites, möglichst hohes Schutzniveau festgelegt werden, welches manchen Staaten einen Wettbewerbsvorteil nehmen würde. Doch wie hoch sollen die Leistungen sein? Wie die Ausführungen in Kapitel 8, G. zeigten, ist die Ausgestaltung der Arbeitslosenversicherungen in Europa höchst unterschiedlich. So sind in manchen Ländern auch Selbständige mitversichert, in Dänemark ist die Arbeitslosenversicherung nicht obligatorisch. In Großbritannien, Irland und Portugal zahlen die Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht in eine Arbeitslosenversicherung ein, sondern leisten einen generellen Beitrag zu allen Systemen der Sozialversicherung. Luxemburg besitzt einen staatlichen Arbeitslosenfonds, der aus Steuergeldern finanziert wird, in vielen Ländern zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge paritätisch, der Defizitausgleich der Arbeitslosenversicherung ist aber wieder sehr unterschiedlich geregelt. Bei den Leistungen liegen die Zahlungen zwischen 40 % und 80 % des Nettolohns, in Großbritannien und Irland erhält der Leistungsempfänger einen Festbetrag ohne Bezug zum Einkommen. Diese kurze Darstellung einiger gravierender Unterschiede zeigt, dass der Vorschlag, die nationalen Regelungen bei der europäischen Arbeitslosenversicherung beizubehalten, nicht überzeugt. Es würde nicht dem Gedanken einer europäischen Solidarität entsprechen, wenn gerade arme Mitgliedstaaten wegen geringer nationaler Leistungshöhe auch nur gering von der europäischen Arbeitslosenversicherung profitieren würden.
C. Anspruchsberechtigte, Beitragssatz, Leistungshöhe Bei der Definition der Anspruchsberechtigten muss man sich auf europäischer Ebene einig werden, welche Vorraussetzungen erfüllt sein sollten, damit ein Anspruch an die europäische Arbeitslosenversicherung entsteht. Da man sich m. E. für ein Grundsystem entscheiden sollte, welches einen gewissen Sockel der Arbeitslosenversicherung bildet, mag es für eine Übergangsfrist möglich sein, den Kreis der Anspruchsberechtigten nach den Regelungen der nationalen Systeme festzulegen. Bei der Unterschiedlichkeit der Versicherungssysteme muss man aber
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
297
langfristig eine harmonisierte Grundlage der Zahler und Empfänger der Leistungen aus einer europäischen Arbeitslosenversicherung finden, da sonst in manchen Mitgliedstaaten (Finnland, Schweden) z. B. Selbständige Empfänger wären in anderen dagegen nicht. Auch könnten aufgrund unterschiedlich langer Anwartschaftszeiten Ungerechtigkeiten entstehen. Deshalb muss man sich auf einen Kreis der Beitragszahler einigen, etwa wie in der Bundesrepublik die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die dann auch einen harmonisierten Anspruch auf Leistungen aus der Versicherung haben. Dabei sollten grundsätzlich – anknüpfend an die IAODefinition (vgl. Kap. 8, A.) – die üblichen Vorraussetzungen wie Meldung, Verfügbarkeit und Unverschuldetheit und eine bestimmten Rahmenfrist, in welcher der Arbeitslose einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachging, festgelegt werden. Weitere Merkmale könnten eine Karenzfrist sein, um individuelles Moral Hazard zu beschränken, da nun Anreize bestehen, sofort wieder eine Arbeit zu suchen. Sollte die europäische Arbeitslosenversicherung aber auch eine Stabilisierungswirkung haben, sollte keine Zeitverzögerung eintreten, um das Einkommensniveau zu stabilisieren. Dieses Spannungsfeld zwischen Stabilisierungs- und Umverteilungswirkung gilt es auch bei den weiteren Merkmalen der Versicherung zu beachten: Die Dauer der Zahlungen sollte aus Stabilisierungsgründen nur kurz erfolgen, da nur der exogene Schock stabilisiert werden, nicht aber eine Dauereinkommenserzatzleistung gewährt werdensoll, die zu einem individuellen Moral hazard führt und die Dauer der Arbeitslosigkeit verlängert (vgl. Kap. 8, F. III.). Man muss sich bei der Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung aber bewusst sein, dass es zur reinen Stabilisierungswirkung eine günstigere Alternative gibt. Italianer und Vanheukelen schlagen einen „full-stabilization-mechanism“ (vgl. Kap. 5) vor, eine Art Versicherung gegen asymmetrische Schocks, wobei die Staaten in einen Fonds einzahlen. Ein solches Stabilisierungssystem, welches 19 – 34 % des Schocks absorbiert, kostet der EU nach ihren Berechnungen jährlich maximal etwa 0,2 – 0,4 % des Gemeinschaftsbruttosozialprodukts. Da ein solches „Stabilisierungsversicherungssystem“ rein darauf konzipiert ist, asymmetrische Schocks zu bekämpfen, während die Stabilisierungswirkung eines Fiskalföderalismus nur ein „Nebenprodukt“ darstellt962, ist es natürlich wesentlich effizienter zu installieren als ein Europäisches Arbeitslosenversicherungssystem. Die Auszahlungen aus dem Fonds erhalten allerdings die Regierungen der Staaten, wie diese verwendet werden bleibt unklar, damit ist auch der direkte Stabilisierungseffekt ungewiss. Eine Arbeitslosenversicherung bietet aber in föderalen Staaten nicht nur Stabilisierungs-, sondern auch Umverteilungseffekte.963 Die Finanzierung nach dem LeisVgl. Italianer / Vanheukelen, 1993, S. 505. Vgl. dazu aber kritisch: Berthold, Norbert: Der Sozialstaat der Zukunft – mehr Markt weniger Staat, 2001, S. 33 – 37, der äquivalenzorientierte Reformen fordert. 962 963
298
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
tungsfähigkeitsprinzip mit einem proportionalen Beitragssatz kann den Unionsbürgern das Gefühl einer Solidargemeinschaft vermitteln.964 Allerdings scheint die „doppelte Umverteilung“, die der „MacDougall-Bericht“ vorschlägt (vgl. Kap. 9, A.), unrealisierbar. Pauschale Leistungssätze, die in allen Mitgliedstaaten gleich hoch sind, würden zwar einen immensen Umverteilungseffekt darstellen, hätten aber auch gewaltige Nachteile. Sie wären den Versicherten in Hochlohnländern nicht vermittelbar, da diese nicht nur hohe Löhne erhalten, sondern auch viel höhere Lebenshaltungskosten haben. Würde die europäische Arbeitslosenversicherung nur pauschale Sätze leisten, käme es zu einem ungerechtfertigten Overshooting in Regionen mit niedrigen Löhnen. Dies würde neben dem individuellen Moral hazard, welches mehr oder weniger allen Systemen der Arbeitslosenversicherug inhärent ist, ein kollektives Moral hazard der Gewerkschaften auslösen.965 In Mitgliedstaaten mit unterdurchschnittlicher Lohnhöhe könnten sie eine aggressivere Lohnpolitik betreiben. Die Arbeitslosigkeit, die sie damit erzeugen, wird dann in großem Maße aus anderen Mitgliedstaaten finanziert. Dazu ist auch noch ein weiteres kollektives Moral hazard zu erwarten, nämlich der Regierungen. Pauschale Sätze würden in Mitgliedstaaten mit unterdurchschnittlichen Löhnen geradezu eine beschäftigungsfeindliche Politik provozieren, da so die zu erwartenden Transfers immmer größer würden. Außerdem hätten pauschale Einheitssätze auch weniger stabilisierende Wirkung, da ein funktionierendes Stabilisierungssystem auch Ländern mit höheren Löhnen einen Einkommensausgleich bieten muss, falls dort die Arbeitslosigkeit steigt. Berücksichtigt man all dies zusammen mit den Überlegungen zum Systemwettbewerb, darf die europäische Arbeitslosenversicherung nur einen Grundstock der bestehenden Arbeitslosenversicherungssysteme ersetzen. Keinesfalls darf durch die Leistungen das Niveau der Lohnersatzleistungen in einem Mitgliedstaat steigen und damit den Anreiz, arbeitslos zu bleiben (zu werden), erhöhen. Die Finanzierung sollte nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip erfolgen, die Leistungen sollten auch als prozentualer Anteil am bisherigen Arbeitseinkommen bezahlt werden und nicht als pauschalierte Beträge, da die Einkommen auch die Leistungsfähigkeit der Länder reflektieren und durch die Leistungen der Versicherung ein gleicher Anteil an der Lebensführung in allen Mitgliedstaaten gedeckt sein sollte. Nun soll in verschiedenen Szenarioberechnungen gezeigt werden, welche Umverteilungswirkungen eine europäische Arbeitslosenversicherung hätte.
964 Vgl. dagegen wieder kritisch Berthold, S. 35, der eine Finanzierung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ablehnt und das Äquivalenzprinzip vorschlägt. Je geringer die Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit, gemessen etwa an Beruf, Sektor, Region, bisheriger Arbeitslosigkeit, desto geringer sollte der Beitrag sein. 965 Vgl. dazu ausführlich Berthold, Norbert: Mehr Beschäftigung: Sisyphusarbeit gegen Tarifpartner und Staat, 2000.
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
299
D. Szenario-Rechnungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung I. Methode der Berechnung Anknüpfend an die Vorüberlegungen kann nun die Umverteilungswirkung einer europäischen Arbeitslosenversicherung berechnet werden. Dabei können die einzelstaatlichen Regelungen nicht berücksichtigt werden, wie etwa die Freiwilligkeit der Versicherung in Dänemark, die Einbeziehung von Selbständigen in Schweden und Finnland oder die Finanzierung über allgemeine Steuern in Luxemburg. Vielmehr wird der Berechnung ein harmonisiertes Grundsystem zugrunde gelegt, in dem alle Beschäftigten, die nicht Beamte oder Selbständige sind, einen prozentualen Beitragssatz zur Versicherung zahlen. Diese Versicherten erhalten nur für ein Jahr Leistungen, um den Bedenken der Systemwettbewerbsvertreter einer zu starken Umverteilung Rechnung zu tragen und das kollektive Moral hazzard zu beschränken. Damit wird auch der Stabilisierungsfunktion der Arbeitslosenversicherung entsprochen, die nur kurzfristig Einkommensschwankungen stabilisieren soll. Die Ergebnisse aus der Berechnung der Nettotransferwirkungen im bundesdeutschen System haben gezeigt, dass die Berechnungen über aggregierte Makrozahlen (Methode III) weniger überschätzt als Berechnungen über Beschäftigtenzahlen und vorgegebene Durchschnittseinkommen, etwa aus der verarbeitenden Industrie (vgl. Kap. 8, H. V.). Um die Gesamtbruttoeinkommen zu errechnen, welche die Bemessungsgrundlage der Beiträge zur europäischen Arbeitslosenversicherung darstellen, wird nicht ein durchschnittlicher Bruttoverdienst mit der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten multipliziert. Dieses Verfahren überschätzt zu stark, da viele Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte mit dem hohen Durchschnittverdienstes in die Berechnung eingehen würden. Aufwendiger, aber genauer ist die Methode über die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Eurostat weist für jeden Mitgliedstaat die Arbeitnehmerentgelte aus. Dabei unterteilt sich das Arbeitnehmerentgelt in Bruttolöhne und -gehälter und tatsächliche und unterstellte Sozialbeiträge.966 Diese müssen folglich abgezogen werden, um die Bruttolohn- und -gehaltssumme pro Mitgliedstaat zu errechnen. Die tatsächlichen und unterstellten Sozialbeiträge der Arbeitgeber für alle Mitgliedstaaten finden sich in der Europäischen Sozialstatistik, die vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften herausgegeben wird.967 Da nun in der Bruttolohn- und -gehaltssumme die Bezüge der Beamten und Soldaten enthalten sind, diese aber nicht mit in die europäischen Arbeitslosenversicherung einbezogen werden sollen, müssen deren Bezüge subtrahiert werden. Man kann diese Einkommen der Staatsbediensteten aus der aufgegliederten Ausgabenstatistik für die einzelnen Mitgliedstaaten berechnen, welche die Kommission mittlerweile jährlich im Anhang der „broad economic policy guidelines“ als Quoten des Bruttoinlandprodukts veröffentlicht.968 966 967
Vgl. Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 2002, 2002, S. 173. Vgl. Eurostat: Europäische Sozialstatistik, Sozialschutz, 2003, S. 259 – 274.
300
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Diese Differenz stellt die um die Beamtenbezüge bereinigte Bruttolohn- und -gehaltssumme dar, welche als Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur europäischen Arbeitslosenversicherung dienen soll. Um den Beitragssatz zu errechnen, der notwendig ist, um den Bedarf genau zu decken, wird wie folgt vorgegangen: Jeder bis zu einem Jahr Arbeitslose in der EU soll aus der Arbeitslosenversicherung einen gleichen Anteil an seinem letzten Bruttoeinkommen bekommen. Deshalb wird aus der errechneten bereinigten Bruttolohn- und Gehaltssumme dividiert durch die Zahl der Beitragszahler ein durchschnittlicher Bruttojahreslohn errechnet. Dabei ergibt sich die Zahl der Beitragszahler aus der Gesamtbeschäftigung in den einzelnen Mitgliedstaaten abzüglich der Selbständigen und Beamten.969 Diese Zahlen lassen sich für alle Mitgliedstaaten den Schlüsselindikatoren für die Beschäftigung entnehmen, welche die Kommission veröffentlicht.970 Aus der Zahl der Arbeitslosen971 multipliziert mit der Leistung der europäischen Arbeitslosenversicherung pro Arbeitslosen errechnet sich nun der Gesamtbedarf an Leistungen pro Mitgliedstaat, in Summe der Gesamtbedarf der europäischen Arbeitslosenversicherung. Dieser Gesamtbedarf wird nun durch die Bemessungsgrundlage (summierte bereinigte Bruttolohn und -gehaltssumme) dividiert und es ergibt sich der Beitragssatz, der notwendig ist, damit alle Versicherten genau den Bedarf der Versicherung decken. Die Nettotransfers der einzelnen Mitgliedstaaten errechnen sich nun aus der Differenz aus dem nationalen Bedarf an Versicherungsleistung, um den Arbeitslosen den bestimmten Anteil ihres letzten Durchschnittsverdienstes ausgleichen zu können, abzüglich der Einnahmen, welche die Beschäftigten über ihren konstanten Beitragssatz im entsprechenden Jahr aufbringen. Ein negatives Vorzeichen bedeutet folglich eine rechnerische Nettozahlung der Versichertengemeinschaft eines Mitgliedstaates, da die Summe der geleisteten Versicherungsbeiträge den Bedarf an Leistungen aus der europäischen Arbeitslosenversicherung für die Arbeitslosen in dem Mitgliedstaat übersteigt.
968 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: 2002 broad economic policy guidelines, 2002, S. 230 – 311. 969 Dies entspricht etwa der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wobei geringfügig Beschäftigte, die nicht sozialversicherungspflichtig sind, nicht abgezogen wurden, da hier die Daten nur für einige Mitgliedstaaten vorliegen und die Berechnung aller Größen für alle Mitgliedstaaten möglichst einheitlich erfolgen sollte. 970 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Beschäftigung in Europa 2002, Jüngste Tendenzen und Ausblick in die Zukunft, 2002, S. 174 – 188. 971 Die Zahl der Arbeitslosen, die bis zu einem Jahr arbeitslos sind, lässt sich aus der Gesamtarbeitslosenzahl pro Mitgliedstaat und der Quote für Langzeitarbeitslose, die Eurostat ab einem Jahr Arbeitslosigkeit definiert, errechnen. Vgl. Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 2002, 2002, S. 110 und S. 115.
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
301
II. Rechnerische Umverteilungswirkungen der EALV im Jahr 2000 Die aktuellsten Daten für alle Mitgliedstaaten lagen für das Jahr 2000 vor. Da die Höhe der Leistungen aus der europäischen Arbeitslosenversicherung nicht die Leistungen der nationalen Systeme übersteigen sollen, können maximal 30 % des letzten Bruttolohnes für die ein Jahr Arbeitslosen in den einzelnen Mitgliedstaaten gezahlt werden. Somit wäre für das Jahr 2000 ein Bedarf an 56,8 Mrd. A an Leistungen entstanden, unterstellt, dass die Arbeitslosen auch das ganze Jahr arbeitslos sind. Bei einer um die Beamtenbezüge bereinigten Bruttolohn- und -gehaltssumme der EU von 3143,412 Mrd. A hätten die Beitragszahler 1,81 % davon an die Versicherung abführen müssen, um deren Bedarf zu decken. Die Berechnungen ergeben, dass im Jahr 2000 zehn Nettozahlerländern die fünf Nettoempfängerländer Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien und Finnland gegenübergestanden wären. Dabei wäre Spanien mit 3,5 Mrd. A größter Nettoempfänger gewesen, das Vereinigte Königreich mit 1,78 Mrd. A größter Nettozahler, gefolgt von den Niederlanden und der Bundesrepublik. Das Umverteilungsvolumen zwischen den Mitgliedstaaten hätte bei 7,14 Mrd. A gelegen, 12,5 % des Gesamtvolumens von 56,8 Mrd. A. Entschließt man sich bei der Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung nur auf einen Sockel von 10 % des letzten Bruttolohns bzw. -gehalts als Versicherungsleistung, wäre man im Jahr 2000 mit einem Beitragssatz von 0,6 % ausgekommen, das Umverteilungsvolumen hätte bei knapp 2,4 Mrd. A gelegen, entsprechend hätte ein 20 %iges Versicherungsniveau bei einem Beitragssatz von 1,2 % knapp 4,8 Mrd A innerhalb der Europäischen Union umverteilt.972 Das errechnete Umverteilungsvolumen von 12,5 % erscheint im Vergleich mit den 27 %, die das bundesdeutsche System im Jahr 2000 zwischen den Ländern umverteilte, relativ gering. Doch im bundesdeutschen System machen von den Ausgaben nur ca. 50 % das Arbeitslosengeld aus, welches direkt mit der Arbeitslosigkeit in den einzelnen Ländern im Zusammenhang steht. Bei dem hier vorgeschlagenen System hängen die Ausgaben nur von der Zahl der Arbeitslosen und deren letzten Bruttoeinkommen ab. Auch die „nur“ dritte Position der Bundesrepublik in der Nettozahlerrangliste überrascht auf den ersten Blick, ist man doch von der Bundesrepublik die Spitzenzahlerposition gewöhnt. Doch v. a. die ProKopf-Berechnung der Nettosalden zeigt ein ungewohntes Bild (s. Tabelle 24 auf S. 303).
972
Die genauen Berechnungen finden sich im Anhang 4.
5115
227573
12797
71033
198698
3885
130990
1184
39602
21969
9209
13993
35813
120451
92180
1090488
40060
304535
733571
41756
472670
10278
205925
106968
45944
61895
143849
855557
Spanien
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Finnland
Schweden
Ver. Königr.
Quelle: Eigene Berechnungen.
EU 15
Griechenland
Deutschland
Dänemark
Belgien
36383
Soz.btr. der Arbeitgeber
127799
Arbeitnehmerentgelt
735106
108036
47902
36735
84999
166323
9094
341680
37871
534873
233502
27263
862915
87065
91416
Bruttolohn u. -geh.summe (BLS)
49252
5726
2251
2351
5440
11975
964
31093
1818
49208
14711
2072
70759
4789
8959
Beamtenbezüge
22,747 123,961
685854
3,797
1,912
3,253
3,023
6,392
0,217
14,988
1,235
19,422
12,068
1,823
27,823
2,413
2,848
Beitragszahler
3143412
102310
45651
34384
79559
154348
8130
310587
36053
485665
218791
25191
792156
82276
82457
BLS . / . Beamtenbezüge
30151
26945
23876
10570
26318
24147
37466
20722
29193
25006
18130
13818
28471
34097
28953
Err. Durch. Bruttojahreseink. in E
1,173
0,185
0,19
0,12
0,101
0,16
0,003
0,954
0,033
1,483
1,371
0,215
1,52
0,108
0,136
Arbeitslose bis zu einem Jahr
Tabelle 23: EALV 2000 bei 30 %iger Leistungshöhe, in Mio. E
56799,28
10610,28
1495,45
1360,92
380,52
797,43
1159,06
33,72
5930,75
289,01
11125,13
7456,82
891,29
12982,90
1104,75
1181,27
Bedarf bei 30 % EALV
56799,28
12392,90
1848,67
824,87
621,29
1437,58
2788,96
146,90
5612,09
651,46
8775,62
3953,41
455,18
14313,71
1486,68
1489,94
0
–1782,63
–353,23
536,05
–240,78
–640,14
–1629,90
–113,19
318,65
–362,45
2349,50
3503,41
436,11
–1330,81
–381,93
–308,68
Saldo Beitragsaufk. Satz: Bedarf . / . Beitrags1,81 % aufk.
302 3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
303
Tabelle 24 Pro-Kopf-Salden einer EALV bei 30 %iger Leistungshöhe 2000 Bevölkerung in Mio.
Saldo Bedarf . / . Beitragsaufk. in Mio E
10,229
–308,68
5,341
–381,93
Deutschland
82,183
–1330,81
Griechenland
10,643
Spanien Frankreich
Pro-KopfSaldo in E
Saldo in % des BIP
248,34
–0,12 %
176,49
–0,22 %
–16,19
2025,53
–0,07 %
436,11
40,98
122,99
0,35 %
39,441
3503,41
88,83
608,79
0,58 %
59,411
2349,50
39,55
1404,78
0,17 %
Irland
3,674
–362,45
–98,65
103,47
–0,35 %
Italien
57,456
318,65
5,55
1165,67
0,03 %
Luxemburg
0,426
–113,19
–265,69
20,56
–0,55 %
Niederlande
15,801
–1629,90
–103,15
401,09
–0,41 %
Österreich
8,149
–640,14
–78,55
204,84
–0,31 %
Portugal
9,993
–240,78
–24,09
115,26
–0,21 %
Finnland
5,172
536,05
103,64
131,67
0,41 %
Schweden
8,894
–353,23
–39,72
248,48
–0,14 %
59,287
–1782,63
–30,07
1547,90
–0,12 %
Belgien Dänemark
Ver. Königr.
–30,18
BIP in Mrd. E
–71,51
Quelle: Eigene Berechnungen.
Von den zehn Nettozahlerstaaten führt pro Kopf Luxemburg mit 265,69 A pro Jahr und Einwohner, gefolgt von den Niederlanden und Irland (!) mit einer ProKopf-Netto-Zahlung von 103,15 A bzw. 98,65 A. Pro Kopf hätte ein Deutscher in eine europäische Arbeitslosenversicherung, die allen in der EU bis zu einem Jahr lang Arbeitslosen 30 % ihres Bruttolohnes bezahlt, durchschnittlich im Jahr 2000 16,19 A mehr einbezahlen müssen, als er daraus erhalten hätte. Natürlich würden aber auch die Beiträge in die nationale Kasse zurückgehen. Damit ist Deutschland pro Kopf nur zehnter und damit letzter in der Rangfolge der Nettozahler, Italien ist dann bereits mit 5,55 A pro Kopf Netto-Empfänger. Größter Nutznießer pro Kopf wäre im Jahr 2000 Finnland gewesen mit 103,64 A. Natürlich hängt die Nettozahlerposition einerseits von der Quote der bis zu einem Jahr Arbeitslosen und andererseits von der Zahl der Beitragszahler ab. Ein Vergleich mit 1995 soll die Auswirkungen von veränderten Arbeitslosenquoten zeigen.
304
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
III. Umverteilungswirkungen der EALV 1995 und 2000 im Vergleich 1995 wurde als Vergleichsjahr gewählt, weil seit diesem Jahr Österreich, Finnland und Schweden Mitgliedstaaten der EU sind. Die ausführlichen Berechnungen finden sich im Anhang 4, hier sollen nur die wichtigsten Ergebnisse präsentiert werden. Tabelle 25 Verteilungswirkung einer EALV bei 30 %iger Leistungshöhe 1995 in Mio. E Bedarf bei 30 % EALV
Beitragsaufkommen Satz 2,24 %
Saldo Bedarf ./. Beitragsaufkommen
Belgien
1218,15
1642,21
–424,05
–41,83
Dänemark
1188,19
1439,14
–250,95
–48,00
13343,01
17052,33
–3709,32
–45,42
Deutschland
Pro-KopfSaldo in E
636,95
452,16
184,78
17,68
7742,63
3676,21
4066,42
103,71
12022,56
9163,71
2858,85
49,17
Irland
401,20
442,77
–41,58
–11,55
Italien
4455,79
4876,97
–421,18
—7,35
Griechenland Spanien Frankreich
Luxemburg
29,94
130,53
–100,58
–245,33
Niederlande
1826,91
2892,06
–1065,15
–68,90
Österreich
915,60
1647,79
–732,20
–90,99
Portugal
454,90
631,44
–176,54
–17,80
Finnland
1458,64
809,08
649,56
127,16
Schweden
1660,86
1573,19
87,66
9,93
7488,13
8413,84
–925,7 1
54843,44
54843,44
Ver. Königreich
–15,82
0
Quelle: Eigene Berechnungen.
Die Unterschiede zu den Berechnungen für 2000 sind augenfällig. Obwohl die bereinigte Bruttolohn- und -gehaltssumme 1995 für die gesamte EU noch ca. 30 % niedriger war als 2000, lag die benötigte Ausstattung der europäischen Arbeitslosenversicherung 1995 mit 54,8 Mrd. A nur 3,5 % unter den 56,8 Mrd. A im Jahr 2000. Deshalb wäre 1995 rein rechnerisch ein Beitragssatz von 2,24 % erforderlich gewesen, um volle Deckung zu erzielen, 2000 betrug der berechnete Satz 1,81 %.
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
305
Mit 7,85 Mrd. A wären 1995 710 Mio. A netto mehr zwischen den Versicherten der 15 Mitgliedstaaten umverteilt worden als im Jahr 2000 (7,14 Mrd. A), obwohl die zur Beitragserhebung zur Verfügung stehende Bruttolohn- und -gehaltssumme 30 % niedriger lag. Der Anteil der Umverteilung hätte 14,3 % (2000: 12,5 %) der Einnahmen bzw. Ausgaben der europäischen Arbeitslosenversicherung entsprochen. Auch bei den Umverteilungseffekten zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zeigt sich absolut gesehen ein völlig verändertes Bild zu den Berechnungen für 2000. 1995 wäre Deutschland unangefochtener Spitzen-Nettozahler mit 3,7 Mrd. A (2000: 1,3 Mrd. A) gewesen, gefolgt von den Niederlanden und Großbritannien. Das Verhältnis von Nettozahlerstaaten zu Nettoempfängerstaaten bleibt auch in den Berechnungen für 1995 bei 10:5, allerdings wäre Schweden 1995 noch Nettoempfängerland gewesen, während die Versicherten in Italien 1995 noch Nettozahler in das Versicherungssystem gewesen wären. Im Jahr 2000 hat bei diesen beiden Staaten die Nettoposition gewechselt. 1995 hätte allein Spanien ca. 4 Mrd. A netto empfangen, Frankreich 2,9 Mrd. A (2000: 3,5 bzw. 2,35 Mrd A). Pro Kopf wäre auch 1995 Luxemburg der größte Netto-Zahler gewesen, die Deutschen aber mit 45,42 A noch auf Nettozahlerposition fünf in Vergleich zu Position zehn im Jahre 2000 mit nur 16,19 A, was nur noch einem Drittel der Zahlungen 1995 entspricht. Spitzenempfänger 1995 wäre wieder Finnland gewesen, mit pro Kopf 127,16 A, gefolgt von Spanien mit 103,71 A und Frankreich mit 49,17 A. Die Gründe für die stärkeren Umverteilungseffekte im Jahr 1995 im Vergleich zu 2000 können sehr gut illustriert werden, wenn man die Pro-Kopf-Umverteilung den Arbeitslosenquoten in den beiden Jahren gegenüberstellt. Bei der Berechnung der beiden Größen ist es am zweckmäßigsten, so nah wie möglich an den Konstruktionselementen der hier vorgeschlagenen europäischen Arbeitslosenversicherung zu bleiben, um Verzerrungen zu vermeiden. Deshalb wird die Pro-Kopf-Umverteilung nicht pro Einwohner des Mitgliedstaates ausgewiesen, sondern, um die unterschiedliche Erwerbsstruktur besser zu berücksichtigen, pro Versicherten in der europäischen Arbeitslosenversicherung. Diese Zahl entspricht der Zahl der Beitragszahler, addiert mit den Arbeitslosen, die bis zu einem Jahr ohne Beschäftigung sind. Auch die verwendeten Arbeitslosenquoten beziehen sich nur auf diese Gruppe der Beschäftigungssuchenden. Durch diese Vorgehensweise wird der Nettobelastungs bzw. -entlastungseffekt der direkt durch die europäische Arbeitslosenversicherung tangierten Erwerbspersonen aufgezeigt. Die Reihenfolge der Länder ist aufsteigend sortiert nach der Höhe der Arbeitslosigkeit bis zu einem Jahr. Betrachtet man zuerst den Zusammenhang von Arbeitslosenquote und dem Pro-Kopf-Saldo eines Versicherten, so erkennt man, dass natürlich der negative Saldo um so größer wird, je geringer die Arbeitslosenquote eines Landes ist und je höher die Arbeitslosenquote ist, desto größer fällt der Nettoempfang pro Versicherten in einem Mitgliedstaat aus. Allerdings ist der Zusammenhang nicht ganz perfekt, so hat 1995 Portugal mit der drittniedrigsten Arbeits20 Deinzer
306
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
losigkeit nur den neunthöchsten Nettotransfer und obwohl Griechenlands Arbeitslosenquote 1995 unter dem EU-Schnitt liegt, ist es mit 95,64 A pro Versicherten Nettoempfänger. Worin liegen diese Abweichungen begründet? Tabelle 26 Arbeitslosenquoten und Pro-Kopf-Saldo der Versicherten bei 30 %iger Leistungshöhe 1995 und 2000 1995
ALQ bis ein Jahr
Pro-KopfSaldo e. Versicherten in E
Luxemburg
1,82
–565,08
Österreich
3,14
–245,29
Portugal
3,45
–57,08
Niederlande
3,69
Belgien Deutschland
2000
ALQ bis ein Jahr
Pro-KopfSaldo e. Versicherten in E
Luxemburg
1,63
–514,48
Irland
2,00
–285,84
Niederlande
2,13
–248,76
–184,67
Portugal
2,39
–71,38
3,73
–151,50
Österreich
2,67
–204,91
4,33
–126,56
Belgien
3,19
–103,44
Griechenland
4,59
95,64
Dänemark
3,84
–151,50
Italien
4,60
–28,01
Ver. Königr.
4,07
–74,52
Irland
4,90
–40,57
Deutschland
4,12
–45,35
Dänemark
5,07
–104,91
Schweden
4,49
–88,71
Ver. Königr
5,09
–41,50
Italien
4,71
19,99
Schweden
6,49
22,33
Griechenland
5,12
213,99
7,42
144,29
Frankreich
5,96
112,39
Finnland
10,12
339,73
Finnland
7,45
255,02
Spanien
11,75
345,17
Spanien
8,67
260,69
EU-Durchschnitt
4,68
Frankreich
EU-Durchschnitt
5,68
Quelle: Eigene Berechnungen.
Bei der Berechnung der Arbeitslosenquoten für die bis zu einem Jahr Erwerbslosen wird von der EU deren Zahl durch die Summe aus ihr und den Erwerbstätigen gebildet. Da in ihr auch die Selbständigen erfasst sind, führt ein unterschiedlicher Anteil an Selbständigen zu einer Verzerrung bei dem Vergleich der Arbeitslosenquoten. Da Griechenland, Portugal und Italien 1995 einen relativ hohen Anteil an Selbständigen an den Erwerbstätigen hatten (34 %, 26 %, 25 %), erscheinen deren Arbeitslosenquoten relativ zu niedrig. Zusätzlich muss dieser hohe Anteil an Selbständigen keine Beiträge in die europäische Arbeitslosenversicherung zahlen,
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
307
was die Nettoposition dieser Länder im Vergleich zu Ländern mit ähnlicher Arbeitslosigkeit, aber weniger Selbständigen, verschlechtert. Für das Jahr 2000 lässt sich wieder, bis auf die angesprochene Verzerrung durch die Erwerbstätigenstruktur, der enge Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote und Nettoposition erkennen. Die Versicherten aus Staaten mit Arbeitslosenquoten unter dem EU-Durchschnitt zahlen für die Empfänger aus den EU-Staaten mit überdurchschnittlichen Arbeitslosenquoten. Wie 1995 sind auch 2000 Spanien und Finnland pro Versicherten die größten Nettoempfänger und haben gleichzeitig die höchsten Arbeitslosenquoten.
IV. Vergleich von Strukturpolitik und europäischer Arbeitslosenversicherung Abbildung 14 in Kapitel 6, A. zeigte die Entwicklung der Ausstattung der Strukturfonds der EU und deren relativen Anteil am EU-Haushalt. Während die Ausstattung von 1987 bis 1999 enorm angestiegen ist, wurde die Mittelhöhe durch die Agenda 2000 eingefroren. 2000 betrug die Mittelausstattung der Strukturfonds etwa 29 Mrd. A, was 0,3 % des Gemeinschafts-BIP entsprach. Das gleiche Beitragsaufkommen hätte die vorgeschlagene Arbeitslosenversicherung 2000 bei einem Leistungsniveau von ca. 16 % des letzten Bruttoeinkommens der Versicherten gehabt. Die Nettoposition der einzelnen Mitgliedstaaten bzw. die Pro-KopfUmverteilung hätte etwa der Hälfte des hier aufgezeigten Wirkungen entsprochen, die bei maximal vertretbarer Leistungshöhe von 30 % erreicht werden. Allerdings wären die Auswirkungen der europäischen Arbeitslosenversicherung gänzlich unterschiedlich von jenen der Strukturpolitik. Zwar weist Busch auf die problematische Aussagekraft und die methodischen Schwächen von Nettopositionsberechnungen durch den EU-Haushalt hin und zeigt auch wie unterschiedlich die Berechnungen dazu je nach Autor ausfallen973, doch dienen sie zumindest als grober Indikator der Umverteilungswirkungen durch die Gemeinschaftspolitiken der EU. Heinemann unternimmt auf Basis von Eurostat-Daten den Versuch von Berechnungen der Nettopositionen durch Ausgaben für Agrar- und Strukturpolitiken einerseits und die EU-Einnahmen durch die Mitgliedstaaten.974 Vergleicht man nun grob die Ergebnisse mit den Salden der Arbeitslosenversicherung, ergeben sich teilweise sehr abweichende Ergebnisse. Um beides vergleichbar zu machen, wurde jeweils der Anteil an der Gesamtnettozahlung bzw. -empfang berechnet. Deutschland, Frankreich, Italien und Finnland sind im bisherigen System prozentual weitaus stärker belastet, als dies durch eine europäische Arbeitslosenversicherung der Fall wäre. War Deutschland im Jahr 2000 laut den Berechnungen 973
Vgl. Busch, Berthold: Zur künftigen Finanzierung der Europäischen Union, 1998,
S. 30. 974
20*
Vgl. Heinemann, Friedrich: Haushalt und Finanzen, 2002, S. 246.
308
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
von Busch fast 50 %iger Nettozahler, wäre der (hypothetische) Netto-Finanzierungsanteil Deutschlands an der Arbeitslosenversicherung unter 20 % gelegen. Frankreich, Italien und Finnland sind durch die von Heinemann betrachteten Anteile des EU-Haushalts Nettozahler, im Versicherungssystem wären sie im Jahr 2000 alle Empfängerländer gewesen, Frankreich sogar mit über 30 % des Netto-Gesamttransfers. Durch die EU-Strukturpolitik stark geförderte Staaten wie Irland und Portugal, die dadurch 13 % bzw. 18 % des Nettotransfers erhalten, wären in einer Arbeitslosenversicherung Nettozahler, der prozentual größte Nettoempfänger Griechenland würde anteilsmäßig weniger netto empfangen. Relativ reiche Länder mit geringer Arbeitslosenquote wie die Niederlande, Österreich oder Großbritannien würden anteilsmäßig mehr in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, als sie netto zur EU-Strukturpolitik beitragen. 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% -10,0%
B
DK
D
G
E
F
IRL
I
L
NL
A
P
FI N
S WE
UK
-20,0% -30,0% -40,0% -50,0%
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Heinemann, Friedrich: Haushalt und Finanzen, 2002, S. 246; Eigene Berechnungen aus Anhang 4.
Abbildung 22: Vergleich des prozentualen Anteils an der Nettoposition durch eine EALV und die bisherigen EU-Politiken für das Jahr 2000
Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da bei der Konstruktion der Versicherung zwar bei der Finanzierung das Leistungsfähigkeitsprinzip angewendet wird, indem relativ reiche Mitgliedstaaten auch relativ viel Beiträge zahlen, doch erhalten auch die Arbeitslosen aus diesen Staaten einen entsprechenden Anteil an ihrem letzten Einkommen. Deshalb ist die Umverteilungswirkung weniger an den Wohlstandsniveaus der einzelen Mitgliedsländer orientiert, sondern an den unterschiedlichen Arbeitslosenquoten. Dies ist v. a. aus Stabilisierungsgründen sinnvoll, eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Sinne von „Konvergenz“ fördert dieses System aber nur bedingt. Denkbar wäre natürlich das schon im „MacDougall-Bericht“ vorgesehene „Doppelte-Umverteilungssystem“, indem den Arbeitslosen in allen EU-Staaten gleiche
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
309
Einheitssätze aus der Arbeitslosenversicherung gewährt würden. Damit wäre zwar eine weitaus größere Umverteilung zu erzielen, doch grob dem eigentlichen Zweck einer Arbeitslosenversicherung zuwidergehandelt. Der Aufrechterhaltung der Lebensverhältnisse des Arbeitslosen würde damit in völlig ungleichem Maße entsprochen, die nationalen Systeme müssten in reicheren Mitgliedstaaten mit hohen Lebenshaltungskosten einen höheren Anteil beitragen, als in ärmeren Mitgliedstaaten. Die so erzielte Umverteilung würde wohl das Solidaritätsbewusstsein zwischen den Europäern, welches durch die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung ja gerade gestärkt werden soll, deutlich überbeanspruchen. Das System einer europäischen Arbeitslosenversicherung kann das System der Strukturpolitiken somit nicht ersetzen, sondern nur ergänzen, da die Umverteilungswirkungen nicht am Einkommen, sondern an der Arbeitslosigkeit anknüpfen.
V. Stabilisierungswirkungen der europäischen Arbeitslosenversicherung Die Stabilisierungswirkungen der europäischen Arbeitslosenversicherung lassen sich sehr gut am Vergleich der beiden Jahre 1995 und 2000 illustrieren. Die rechnerischen Nettotransfers zwischen den Mitgliedstaaten lagen 1995 höher als 2000, obwohl die Bemessungsgrundlage der Leistungen 2000 25 % höher lagen. Dies liegt natürlich zum einen an der um einen Prozentpunkt niedrigeren Arbeitslosenquote im Jahr 2000, weshalb der rechnerische Beitragsatz 2000 um 0,43 Prozentpunkte niedriger lag als 1995. Doch auch der Anteil der zwischen den Mitgliedstaaten umverteilten Einnahmen sank von 14,3 % auf 12,5 %. Dies kann nur daran liegen, dass die Mitgliedstaaten bezüglich der Arbeitslosenquoten konvergiert sind: Lag die Varianz der Quoten der bis zu einem Jahr Arbeitslosen in der EU 1995 noch bei 7,01, so verringerte sie sich bis 2000 auf 4,10. Die Arbeitslosenquoten streuten also 1995 deutlich stärker um den Mittelwert als 2000. Wie wirkt sich das aber auf die Versicherung aus? Folgende Tabelle 27 verdeutlicht die Effekte. Es lässt sich ein eindeutiges Ergebnis ablesen: Bei Nettozahlerländern wird der Pro-Kopf-Saldo größer, wenn die Arbeitslosenquote sich noch weiter vom EUDurchschnitt entfernt. Dies galt im Zeitraum 1995 bis 2000 für Irland, die Niederlande, Portugal, Dänemark und Großbritannien. Bei Nettozahlerländern hingegen, deren Arbeitslosenquote weniger positiv vom EU-Schnitt abweicht als bisher, verringert sich die Nettozahllast. Dies galt für Luxemburg, Österreich, Belgien und v. a. für die Bundesrepublik Deutschland. Bei Italien kam es von einer vom Durchschnitt nach unten abweichenden Arbeitslosenquote zu einer leicht über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosenquote, was die italienischen Versicherten in einer europäischen Arbeitslosenversicherung von Nettotransferzahlern zu Nettotransferempfängern gemacht hätte. Das Gegenteil wäre in Schweden passiert, dort lag im Jahr 2000 die Arbeitslosenquote unter dem Durchschnitt der EU, was Schweden zum Nettozahler gemacht hätte. Die griechischen Versicherten, die trotz
310
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
unterdurchschnittlicher Arbeitslosenquote bereits 1995 wegen der hohen Selbständigenquote Nettoempfänger gewesen wären, bekommen 2000 pro Kopf nun netto noch mehr Leistungen, da die Arbeitslosenquote nun nach oben von der durchschnittlichen EU-Arbeitslosenquote abweicht. In Frankreich, Finnland und Spanien weicht diese 2000 weniger stark nach oben vom EU-Durchschnitt ab als 1995, deshalb geht in diesen Ländern auch die Pro-Kopf-Nettoleistung zurück. Tabelle 27 Pro-Kopf-Salden und Veränderung der Abweichung der ALQ vom Durchschnitt ALQ-AbweiALQ-Abwei- Pro-Kopf-Saldo Pro-Kopf-Saldo chung vom EU- chung vom EU- e. Versicherten e. Versicherten Schnitt 1995 Schnitt 2000 in E 1995 in E 2000 Luxemburg
–68,0 %
–65,2 %
–565,08
–514,48
Irland
–13,7 %
–57,3 %
–40,57
–285,84
Niederlande
–35,0 %
–54,5 %
–184,67
–248,76
Portugal
–39,3 %
–48,9 %
–57,08
–71,38
Österreich
–44,7 %
–42,9 %
–245,29
–204,91
Belgien
–34,3 %
–31,8 %
–151,50
–103,44
Dänemark
–10,7 %
–17,9 %
–104,91
–151,50
Ver. Königr.
–10,4 %
–13,0 %
–41,50
–74,52
Deutschland
–23,8 %
–12,0 %
–126,56
–45,35
14,3 %
–4,1 %
22,33
–88,71
Italien
–19,0 %
0,6 %
–28,01
19,99
Griechenland
–19,2 %
9,4 %
95,64
213,99
Frankreich
30,6 %
27,4 %
144,29
112,39
Finnland
78,2 %
59,2 %
339,73
255,02
Spanien
106,9 %
85,3 %
345,17
260,69
Schweden
Quelle: Eigene Berechnungen.
Die Pro-Versicherten-Nettosalden in den einzelnen Mitgliedstaaten reagieren also alle gleich auf eine Veränderung der Abweichung der Arbeitslosenquoten der Mitgliedstaaten zum EU-Durchschnitt. Je relativ weiter sich ein Mitgliedstaat vom EU-Durchschnitt nach unten entfernt, desto größer wird die Pro-Kopf-Zahllast. Umso weiter sich ein Mitgliedstaat relativ zum EU-Durchschnitt nach oben entfernt, desto größer wird sein Nettoempfang pro Kopf. Je mehr sich hingegen die Arbeitslosenquoten von unten und oben dem EU-Durchschnitt angleichen, desto weniger wird umverteilt.
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
311
Exemplarisch sei nochmals die Bundesrepublik herausgegriffen: 1995 lag die Arbeitslosenquote der bis zu einem Jahr Arbeitslosen noch 24 % niedriger als im europäischen Durchschnitt, im Jahr 2000 nur noch 12 %. Der Abstand vom EUDurchschnitt halbierte sich also, während gleichzeitig das Netto-Saldo pro Kopf um 64 % zurückging. Daraus kann man eine „Quasielastizität“ berechnen, die misst, wie das ProKopf-Saldo auf eine prozentuale Veränderung der Abweichung der Arbeitslosenquote vom EU-Durchschnitt reagiert. Für die Bundesrepublik ergäbe sich ein Wert von 1,28 (–0,64 % / –0,5 %). Irland entfernte sich im gleichen Zeitraum um 317 % weiter von der durchschnittlichen Arbeitslosenquote, die Nettozahllast stieg um 605 %, die Elastizität beträgt 1,9. Auf diese Weise könnten für alle Mitgliedstaaten diese Quasielastizitäten berechnet werden, die für alle Mitgliedstaaten durchgängig ein positives Vorzeichen ausweist. Bei einer Vollfinanzierung der Ausgaben über einen konstanten Beitragssatz und einer Bemessung der Versicherungsleistungen an einem Anteil am letzten Bruttoeinkommen ist dieses Ergebnis auch zwangsläufig und durch die Konstruktion so gewollt. Die genauen Werte der Elastizitäten hängen aber von der Struktur der Erwerbstätigen und deren Veränderung sowie der relativen Einkommenshöhe ab. Deshalb ist eine zeitliche Stabilität der Werte unwahrscheinlich, der durchschnittliche Wert der Quasielastiziät lag für die Veränderungen von 1995 bis 2000 bei 2,0. Je konvergenter sich die Arbeitslosenquoten entwickeln, desto weniger wird offensichtlich das Umverteilungssystem der europäischen Arbeitslosenversicherung beansprucht. Da aber bei konvergenten Wirtschaften auch keine Stabilisierung notwendig ist, sind die Nettotransfers relativ gering. Steigt nun aber aufgrund eines asymmetrischen Schocks die Arbeitslosigkeit deutlich an und entfernt sich vom EU-Durchschnitt, kommt es zu einer überproportionalen Reaktion des Nettoposition, bisherige Nettozahler werden stark entlastet oder werden gar zu Nettoempfängern, bisherige Nettoempfänger weiten ihren Saldo aus. Nachdem nun die potentiellen Wirkungen beschrieben wurden, sollen nun noch einige wichtige Merkmale einer zukünftigen europäischen Arbeitslosenversicherung vorgeschlagen werden.
E. Wichtige Gestaltungsmerkmale einer europäischen Arbeitslosenversicherung Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, kämpft die Arbeitslosenversicherung vor allem mit dem Moral hazard-Problem. Dies führte auch die Kommission 1991 in der Background-Studie zu „Ein Markt – eine Währung-Studie“ an, um sich von den Ideen einer Europäischen Arbeitslosenversicherung, wie sie
312
3. Teil: Theorie und Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung
noch der „MacDougall-Bericht“ vorsah, zu verabschieden.975 Individuelles Moral hazard der Versicherten (vgl. Kap. 8, F.) und kollektives Moral hazard durch die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, die weniger bereit sind, in schlechten Zeiten Arbeitnehmer zu „horten“ und schneller zu entlassen („externes Moral hazard“), liegt in jedem System von Arbeitslosenversicherungen begründet976, im System der europäischen Arbeitslosenversicherung käme noch kollektives Moral hazard auf Mitgliedstaatenebene hinzu. Hohe Arbeitslosigkeit führt zu Nettozahlungen in diese Staaten, Anreize die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, etwa durch Reformen des heimischen Arbeitsmarkts, würden entfallen. Um diese negativen Effekte einer europäischen Arbeitslosenversicherung geringstmöglich zu halten, sollte sie folgende Merkmale enthalten: – Grundsystem (vgl. Kap. 9, B.)
Die Leistungen der europäischen Arbeitslosenversicherung sollten nur einen Grundsockel der Versicherungsleistung in den einzelnen Mitgliedstaaten darstellen. Keinesfalls darf die Leistung an den einzelnen Versicherten durch die europäische Arbeitslosenversicherung steigen, damit kein zusätzlicher individueller Moral hazard entsteht. Deshalb wurde als Leistungsdauer auch maximal ein Jahr vorgeschlagen. – Finanzierung nach Leistungsfähigkeit
Wie gezeigt sollte die Finanzierung der europäischen Arbeitslosenversicherung durch einen konstanten Beitragssatz erfolgen, der sich am Einkommen des Versicherten orientiert. Durch die Vermeidung eines Kopfbetrages wird das Leistungsfähigkeitsprinzip herangezogen, Versicherte mit einem hohen Einkommen müssen auch höhere Beiträge leisten, damit wird dem Solidargedanken und der interpersonellen Umverteilung Rechnung getragen während er gleichzeitig als gerecht empfunden wird. – Keine Pauschalleistungen
Die vom „MacDougall-Report“ vorgeschlagene doppelte Umverteilung durch standardisierte Leistungssätze in allen Mitgliedstaaten würde das System allerdings überfordern. Diese implizierte Umverteilung würde den Solidaritätsgedanken deutlich überbeanspruchen und sowohl das individuelle, aber v. a. auch das kollektive Moral hazard auf Ebene der Mitgliedstaaten deutlich forcieren. Durch hohe Arbeitslosigkeit könnten die Umverteilungsströme innerhalb der EU sonst direkt manipuliert werden. – Weitere mögliche Elemente zur Begrenzung des Moral hazard
Zur Begrenzung des externen Moral hazards durch die Arbeitgeber wird häufig ein sogenanntes Experience Rating vorgeschlagen, welches v. a. in den USA 975 976
S. 33.
Vgl. Wyplosz, Charles: Monetary union and fiscal discipline, 1991, S. 182. Vgl. Berthold, Norbert: Der Sozialstaat der Zukunft – mehr Markt weniger Staat, 2001,
Kap. 9: Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung
313
auch praktiziert wird.977 Dabei soll der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung abhängen vom Entlassungsverhalten der Unternehmen. Der Anreiz für Unternehmen, in schlechten Zeiten die Mitarbeiter zu halten steigt, somit bleibt ihnen auch spezifisches Humankapital erhalten. Aber nicht nur das Entlassungsverhalten der Unternehmen verändert sich, denn durch die differenzierten Sätze subventionieren aufblühende Unternehmen nicht länger niedergehende, was den sektoralen Strukturwandel begünstigt. Um das Moral hazard-Verhalten der Gewerkschaften (vgl. Kap. 8, D.) einzuschränken schlägt Berthold zusätzlich noch vor, die Gewerkschaften an der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung zu beteiligen. Dadurch steigt die beschäftigungspolitische Verantwortung der Gewerkschaften, soziale Sicherheit in Form hoher Löhne ist kein „Free Lunch“ mehr, sondern kostet Arbeitsplätze und damit höhere Beiträge auch der Gewerkschaften.978 Schürfeld schlägt gar vor, die Tarifautonomie zu begrenzen, wenn die Arbeitslosigkeit einen bestimmten Prozentsatz überstiegen hat.979 Verfassungsrechtliche Bedenken kommen ihr bei diesem Vorschlag nicht. Eine Ergänzung der europäischen Arbeitslosenversicherung um einige dieser Elemente scheint zwar ökonomisch sinnvoll, würde aber in einem Grundsystem einen zu großen organisatorischen Aufwand mit sich bringen. Ergänzen aber alle Mitgliedstaaten ihr Arbeitslosenversicherungssysteme um diese Elemente, erscheint ihre Einführung auch in der europäischen Arbeitslosenversicherung sinnvoll, da die unerwünschten Moral hazard-Effekte, die Kritiker immer als Gegenargumente anführen, verringert werden.
977 Eine ausführliche Zusammenstellung der empirischen Untersuchungen über Experience Rating findet sich bei Anderson, Patricia / Meyer, Bruce: The effects of unemployment insurance payroll taxes on wages, employment, claims and denials, 2000, S. 81 – 106. 978 Vgl. Berthold, 2001, S. 35 – 36. 979 Vgl. Schürfeld, Angela: Die deutsche Arbeitsmarktordnung auf dem Prüfstand, 1998, S. 87 – 88.
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung Die Diskussion in Kapitel 2 zur Föderalismustheorie hat gezeigt, dass es starke Argumente für einen Wettbewerb der Systeme und somit für die strikte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bei der europäischen Sozialpolitik gibt: Unterschiedliche Präferenzen in den Mitgliedstaaten werden nicht verzerrt (vgl. Kap. 2, B. I. 1.). Staaten und deren Institutionen, die glauben, ihre Bürgern wünschen ein hohes Maß an Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit, können ein System anbieten, welches über eine lange Zeit der Arbeitslosigkeit eine relativ hohe Absicherung bietet. Ein solches System ist dann allerdings teuer und belastet je nach Finanzierung Arbeitnehmer, Arbeitgeber und / oder den Staat. Die hohen Kosten, belasten den Staatshaushalt, wie der aktuelle Fall Bundesrepublik Deutschland und die Posse um den Bundeszuschuss 2003 deutlich macht (vgl. Kap. 7, C.), zusätzlich steigen die Lohnnebenkosten, was die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft negativ beeinflusst und die Substitution von Arbeit durch Kapital beschleunigt oder ganz zu einer Abwanderung der Unternehmen führen kann. Aber auch der Faktor Arbeit kann sich wehren und sich den hohen Kosten entziehen, falls er genügend mobil ist. Dies ist die Intension des neoklassischen Tiebout’schen-Wanderungsmodells [vgl. Kap. 2, B. II. 2. a)] und des evolutionstheoretisch basierten Systemwettbewerbs (vgl. Kap. 2, B. II. 3.). Zusätzlich zu den hohen Kosten eines zu hohen Niveaus der Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit kommen noch die Phänomene des individuellen und kollektiven Moral hazard-Verhaltens (vgl. Kap. 8, F. und Kap. 9, E.) hinzu, welche die negativen ökonomischen Wirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung erhöhen. Aus all diesen Gründen gibt es daher viele Vertreter, die jegliche Harmonisierung der Arbeitslosenversicherung in Europa strikt ablehnen und in einer Europäischen Sozialunion eine Horrorvision sehen. Berthold und Neumann bestreiten eine Notwendigkeit der Harmonisierung von Sicherungssystemen, „im Gegenteil kann [hier] ein Wettbewerb ganz im Sinne Tiebouts wirken“.980 Die Vetreter des Kronberger Kreises befürchten vielmehr durch eine harmonisierte Arbeitslosenversicherung eine verzerrte Kostenstruktur zwischen den Mitgliedstaaten.981 Jedoch hat die weitere Diskussion in dieser Arbeit deutlich gemacht, dass es durchaus wichtige Argumente für eine gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung gibt, die sehr schwer wiegen: 980 981
Berthold / Neumann, 2002, S. 54. Vgl. Donges / Eekhoff / Hamm / Möschel / Neumann / Sievert, 1996, S. 40 – 41.
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
315
1. Der reine Systemwettbewerb könnte ein Race to the Bottom auslösen [vgl. Kap. 2, B. II. 4. a)]. Sollte die von den Befürwortern des Systemwettbewerbs erhofften Wirkungen eintreten, könnte die wahrgenommene exit-option der Bürger dazu führen, dass es einen Wettbewerb um minimale soziale Sicherung, hier Arbeitslosenversicherung, gibt und insgesamt in Europa ein weder effizentes noch sozial wünschenswertes Minimum an sozialer Sicherheit gibt. 2. Die Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion mit einer einheitlichen Geldpolitik und einer dezentralen Fiskalpolitik ist zum Überleben auf ein großes Maß an Kohäsion zwischen den Mitgliedstaaten angewiesen. Seit durch den „Delors-Report“ (vgl. Kap. 5) dieses Bewusstsein in der EU Einzug gehalten hat, betreibt sie verstärkt eine teure, ineffiziente und größtenteils wirkungslose Regionalpolitik (vgl. Kap. 6, A.). Eine europäische (Teil-)Arbeitslosenversicherung könnte, wie schon der „MacDougall-Bericht“ zeigte (vgl. Kap. 5), ein solch fehlender, effizienter Kohäsionsmechanismus sein. 3. Aus dem zweiten Argument leitet sich das dritte sofort ab: Solange keine absolute Kohäsion erreicht ist, sich also Mitgliedstaaten und Regionen unterschiedlich entwickeln, gibt es die Wahrscheinlichkeit des Auftretens asymmetrischer Schocks. Ob sich durch eine Währungsunion dieses Risiko sogar noch erhöht (vgl. Krugmans spezialization hypothesis, Kap. 4, C. III. 4.) ist zwar umstritten, aber zumindest im intra-industriellen Sektor zu erwarten. Das Kapitel über Optimale Währungsräume (vgl. Kap. 4, B.) hat gezeigt, dass in einem föderalen Staat Ausgleichsmechanismen zur Verfügung stehen, welche diese asymmetrischen Schocks ausgleichen. Die Analyse der EU als ein Optimaler Währungsraum (vgl. Kap. 4, C.) offenbarte aber, dass der EU viele Ausgleichsmechanismen fehlen: Die Löhne und Preise sind ungenügend flexibel, die Mobilität der Arbeitskräfte ist eher gering und weniger an Lohndifferenzen als an Nachfrage nach bestimmten Qualifikationen (vgl. Kap. 4, C. III. 2.) orientiert und von den Ideen des Fiskalföderalismus der „MacDougall-Gruppe“ hat sich die EU langsam aber stetig verabschiedet (vgl. Kap. 5). Zusätzlich aber wurde den Mitgliedstaaten der WWU eine selbständige Konjunkturpolitik durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt aus den Händen genommen (vgl. Kap. 7). Außerdem müsste ein Staat eine nationale expansive Politik sowohl politisch als auch ökonomisch alleine bezahlen, der Nutzen der Konjunkturstabilisierung käme aber über die hohen Importquoten allen Mitgliedstaaten zugute.982 In einem kleinen offenen Land würde eine Eigenstabilisierung also kaum funktionieren, die Kosten in Form höherer Steuern oder Verschuldung kämen aber im Inland zu tragen.983 Es treten also positive externe Spillovers auf, die auch aus Sicht der Systemwettbewerbler eine Koordination erfordern, wenn die Präferenzkosten nicht zu groß sind (vgl. Kap. 2, B. I. 2. und Abb. 7). Eine gemeinsame ArbeitsVgl. Van Suntum, Ulrich: Die Idee des wettbewerblichen Föderalismus, 1999, S. 18. Vgl. Heinemann, Friedrich: Europäische Finanzverfassung: Zwischen Umverteilung und Effizienz, 2001, S. 227. 982 983
316
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
losenversicherung wäre ein geeigneter Mechanismus um unzureichenden Schutz vor asymmetrischen Schocks abzufedern, was sowohl aus den Untersuchungen von Mélitz (vgl. Kap. 7, A.) als auch aus den hier gefundenen Ergebnissen hervorgeht (vgl. Kap. 9, D. V.). 4. Wie die Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt zeigt (vgl. Kap. 7, B. und Kap. 7, C.), setzt die aktuelle Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion den Mitgliedstaaten zu enge Grenzen in der Fiskalpolitik. Dies gilt aber nicht nur für eine umstrittene keynesianische antizyklische Fiskalpolitik, sondern auch für eine – allseits für nötig befundene – Politik der Strukturreformen. Von Hagen weist jüngst darauf hin, dass die notwendigen Reformen kurzfristig zu einer höheren Staatsverschuldung führen, bevor sie langfristig zu mehr Wachstum und Staatseinnahmen führen. Auch diese schmerzhaften Eingriffe in die Sozialsysteme und auf dem Arbeitsmarkt werden somit in Frankreich und Deutschland durch das Drei-Prozent-Kriterium verhindert.984 Eine europäische Arbeitslosenversicherung würde das Problem entschärfen, da die öffentlichen Haushalte von Staaten mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit – zu den mittlerweile auch Deutschland gehört – entlastet werden würden (vgl. Kap. 9, D. IV.). 5. Neben der Stabilisierung asymmetrischer Schocks lässt sich ein weiterer Schluss aus einer kombinierten Betrachtung der Theorien der Optimalen Währungsräume (vgl. Kap. 4, B.) und des Matching-Prozesses am Arbeitsmarkt (vgl. Kap. 8, B.) ziehen: Nicht nur die Mobilität der Arbeitskräte muss in einem Währungsraum hoch sein, sondern gerade auch die der Arbeitslosen, da mit zunehmender Dauer ihrer Arbeitslosigkeit die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Jobsuche sinkt. Bisher sind die Möglichkeiten der Arbeitslosen, frei zu wandern und sich „vor Ort“, in einem andern EU-Staat mit besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, eine Beschäftigung zu suchen, sehr restriktiv.985 Denn VO 1408 / 71 (vgl. Kap. 1, D. I.) regelt in Artikel 69, dass ein Arbeitsloser, der in einem anderen EU-Staat Arbeit sucht, nur maximal drei Monate Anspruch auf Leistungen aus der „heimischen“ Arbeitslosenversicherung hat. Vorher muss er nach der Meldung der Arbeitslosigkeit erst ein Monat dem heimischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Danach kann der Arbeitslose ins EU- und EWR-Ausland und über die dortige Arbeitslosenversicherung drei Monate Leistungen erhalten. Kehrt der Arbeitslose nicht pünktlich zurück, verliert er den Anspruch auf die Leistung in seinem Heimatstaat.986 Durch diese restriktive Regelung verhindern die Mitgliedstaaten, dass Arbeitslose selbst aktiv werden 984 Vgl. von Hagen, Jürgen: Fiscal Discipline and Groth in Euroland – Experiences with the Stability and Groth Pact, 2003, S. 20. 985 Vgl. dazu die Kritik Seidels an der eingeschränkten Freizügigkeit für Personen, „die noch nicht ( . . . ), nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen ( . . . ) oder können“. Vgl. Nach Nizza und Stockholm: Stand des Binnenmarktes und Prioritäten für die Zukunft, 2003, S. 38. 986 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit: Informationen für arbeitslose Arbeitnehmer aus Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR, die in einen anderen Mitgliedstaat reisen wollen, um dort Arbeit zu suchen, Nürnberg, 2002, S. 1 – 2.
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
317
und in Regionen mit mehr Arbeitsplätzen, die ihrer Qualifikation entsprechen, vor Ort nach Arbeit zu suchen. Ein gemeinschaftlicher, europäischer Anteil an der Arbeitslosenversicherung würde dieses Problem entschärfen, da der Arbeitslose nicht nach kurzer Zeit ohne ihm zustehende Leistungen aus der Versicherung im Suchland auskommen müsste. Deshalb erhöht eine europäische Lösung die Mobilität der Arbeitslosen und damit – verglichen mit dem jetztigen Zustand – die dynamische Effizienz (vgl. Kap. 8, F. II.). 6. Zuletzt spricht noch ein auf den ersten Blick nichtökonomisches, eher normatives Argument für die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung: Die Union, die sich immer als Wertegemeinschaft verstand, erzielte die meisten Fortschritte im ökonomischen Bereich (vgl. Kapitel 1). Die Vollendung des Binnenmarktes 1992 und der Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion schufen einen völlig freien Markt für Güter, Dienste, Kapital und Arbeit, die optimalen Bedingungen für Unternehmer und Kapitalanleger. Die Fortschritte bei der gemeinsamen Sozialpolitik waren eher dürftig und beschränkten sich auf einige wenige Bereiche wie den Arbeits- und Gesundheitschutz (vgl. Kap. 1, D. VI.). Von einer Europäischen Sozialunion ist die EU weit entfernt. Gerade aber im Zeitalter der Globalisierung und großer Verunsicherung der Bürger muss das Gemeinwesen Antworten auf die Fragen der Bürger geben: Bedeutet soziale Marktwirtschaft in der EU am Ende auch nur ein Stigler’sches „survial of the fittest“987 oder gibt es auch auf europäischer Ebene Elemente des Solidaritätsprinzips (vgl. Kap. 3, D.)? 7. Umverteilung über Strukturfonds, deren Kriterien und Wirken für den Einzelnen im Dunklen bleiben und ständiges Gefeilsche auf Europäischen Gipfeln um neue oder ausgeweitete Fonds für bestimmte Mitgliedstaaten erzeugen das Gegenteil von Solidarität zwischen den Bürgern in den einzelnen Mitgliedstaaten. Das Gleiche gilt für die daraus resultierende lähmende Diskussion um die Nettozahler- oder -empfänger Position. Eine gemeinsame (Teil-)Finanzierung des Risikos Arbeitslosigkeit in der EU durch alle Bürger würde ein deutliches Signal für gemeinschaftsweite Solidarität der EU-Bürger setzen. Unabhängig von Verhandlungen der Regierungen käme es zu Finanzströmen innerhalb der EU. Durch die Aufnahme des Kohäsionsgedankens durch die Einheitliche Europäische Akte 1987 in die Europäischen Vertragstexte wurde das Bestreben, den Abstand zwischen den einzelnen Gebieten der Gemeinschaft zu verringern, europäisches Verfassungsziel (vgl. Kap. 1, D. II.). Der „Delors-Bericht“ von 1989 stellte dann auch die Konvergenz der Mitgliedstaaten ins Zentrum seiner Analyse, nur so sei eine Währungsunion auf Dauer tragfähig (vgl. Kap. 5). Der Maastricht-Vertrag vollendete diese Sichtweise, indem er in Art. A EUV (Art. 1 EUV n. F.) die kohärente und solidarische Gestaltung der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zur Aufgabe der Union erklärt, nach Art. 2 EGV soll die Gemeinschaft den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Solidarität fördern. 987
Schmidt, Ingo: Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 2001, S. 19.
318
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
Die als notwendig erkannte Kohäsion der Mitgliedstaaten soll über die beschriebenen Mechanismen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (vgl. Kap. 5) erreicht werden, die sogenannte „no-bail-out-Klausel“ des Art 103. I EGV verbietet aber gleichzeitig jegliche Haftung der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten für einzelne Staaten. Zwar wird einerseits auf die Weichheit dieser Vorschrift hingewiesen, andererseits bezweifelt, ob ausreichend hohe Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion besteht, einem in Schwierigkeiten gekommenen Mitgliedstaat finanziell auszuhelfen.988 Die eigentliche Kohäsionspolitik der Gemeinschaft wird aber über die Strukturpolitik betrieben, die bisher wenige Erfolge aufzuweisen hat. Die Distribution wird bisher v. a. über die Ausgabenseite erreicht, während die Einnahmenseite im Wesentlichen proportional nach der Wirtschaftskraft ausgerichtet ist. Dabei stellt die Strukturpolitik eine Spielwiese für einen ständigen Verteilungskampf zwischen den Mitgliedstaaten dar. Horst Reichenbach bezeichnet die Entwicklung der europäischen Strukturpolitik als immerwährenden „bargaining process“.989 Zwar stellt diese gemeinsame Politik zur Verringerung der Disparitäten einen Akt der staatlichen Solidarität und Fürsorge auf Gemeinschaftsebene für die Menschen benachteiligter Gebiete dar, doch handelt es sich um eine Solidarität zwischen Staaten und ihren Regionen und nicht um eine über Grenzen reichende, unmittelbare Solidarität zwischen Menschen.990 Deshalb steht die Europäische Struktur- und Kohäsionspolitik unter ständiger Kritik, der dritte Kohäsionsbericht der Kommission, der Ende 2003 erwartet wird, soll konkrete Vorschläge für die Zeit nach 2006 enthalten. Vieles aber spricht dafür, dass das bisherige System moderat fortgesetzt wird.991 Damit wird aber die Kohäsion der Mitgliedstaaten kaum gefördert werden, die EWWU bleibt anfällig für exogene Schocks, Ausgleichsmechanismen fehlen. Gerade eine EALV würde aber einen fiskalföderalistischen Ausgleichsmechanismus darstellen, der auch keinen politischen Verteilungskämpfen unterworfen ist. De Grauwe schließt daraus: It also helps to form a monetary union if the budgetary process is sufficiently centralized so that transfers can be organized smoothly (and not after a lot of political bickering) between the countries of the union. ( . . . ) Fiscal transfers ( . . . ) make life easier in the country (region) experiencing a negative demand shock and receiving transfers from the other countries (regions).992
Vgl. mit vielen Nachweisen Hänsch, 2002, S. 251 – 252. Vgl. Reichenbach / Emmerling / Staudenmayer / Schmidt, 1999, S. 79 – 80. 990 Vgl. Harbrecht, Wolfgang: Die Soziale Marktwirtschaft und die europäische Integration: Wie sozial ist die Wirtschaftsordnung der Europäischen Union?, 1996, S. 73. 991 Zu dieser Aussage kommt Emmerling nach Analyse der bisherigen Vorschläge von Kommission, Europäischem Parlament und dem Auschuss der Regionen. Vgl. Von der Strukturpolitik zum europäischen Finanzausgleich?, 2002, S. 4 – 6 und Tabelle 6. 992 De Grauwe, Paul: The Economics of Monetary Integration, 1997, S. 11. 988 989
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
319
Größtes Gegenargument sind die herausgearbeiteten negativen Anreizeffekte, die ein undiszipliniertes Verhalten herausfordern könnte. Deshalb sollte eine europäische Arbeitslosenversicherung mit einer symbolischen Ausstattung beginnen. Keinesfalls darf sie in einem Mitgliedstaat höhere Leistungen garantieren, als die nationale Versicherung dies tut. Sobald die europäische Arbeitslosenversicherung etabliert ist und in der Wahrnehmung der Bürger den europäischen Solidaritätsgedanken stärkt, kann im Dialog mit den Sozialpartnern, wie ihn Art. 138 EGV vorsieht, die endgültige Ausstattung diskutiert werden. Endpunkt könnte eine europäische Arbeitslosenversicherung sein, die ca. 50 % der Leistungen im Falle der Arbeitslosigkeit übernimmt, 50 % leistet weiterhin das nationale System. Gemeinsam mit den Sozialpartnern sind dann auch Vorschläge zur Ausgestaltung, die ein Moral hazard-Verhalten begrenzen, zu überprüfen (vgl. Kap. 9, E.). Dieses schrittweise Vorgehen würde nicht nur das undisziplinierte Verhalten von Mitgliedstaaten, Tarifpartein und Versicherten in der Startphase verhindern, sondern der Tatsache Rechnung tragen, dass die Herausbildung eines europäischen Solidaritätsgedankens nur langsam erfolgen kann. Da der Europäischen Union zur existentiellen Staatlichkeit ein europäisches Volk fehlt993, kann eine europäische Arbeitslosenversicherung einen wichtigen Beitrag dazu liefern, dass sich die Menschen in der Europäischen Union als eine Gemeinschaft verstehen. Schachtschneider führt dazu aus, dass „wenn ein solches Projekt gelingen soll, müßten die Europäer eine Nation geworden sein. (. . . ) Eine Nation findet zu einer Solidarität, wie sie ein Staat erfordert, jedenfalls wenn dieser Staat freiheitlich, gleichheitlich und brüderlich sein soll.“994
Harbrecht schließt seine Analyse der sozialen Elemente der europäischen Wirtschaftsordnung 1996 mit den Worten: Das Bewusstsein von einer Schicksalsgemeinschaft in der Europäischen Union hat sich bisher noch nicht genügend zu dem Bewusstsein entwickelt, dass eine Schicksalsgemeinschaft ihre Probleme nur bewältigen kann, wenn sie sich auch als Solidargemeinschaft versteht.995
Betrachtet man die Vorschläge des Europäischen Konvents996 ist diese Analyse immer noch zutreffend, Fortschritte im Bereich Sozialpolitik sind in dem Entwurf über eine Verfassung für Europa nicht zu finden. Immerhin wurde die Formulierung des Art. 137 II a „unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung ( . . . )“ im entsprechenden neuen Art. III – 104 II a an den Ende des Satzes gezogen – nicht mehr als verbale Kosmetik. Die Grundrechte in Teil II entsprechen der Grundrechte993 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht: Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, 1995, S. 92 ff. 994 Schachtschneider, Karl Albrecht: Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, 2003, S. 314 995 Harbrecht, 1996, S. 77. 996 Vgl. Europäischer Konvent: Entwurf eines Vetrages über eine Europäische Verfassung für Europa, dem Präsidenten des Europäischen Rates in Rom überreicht am 18. Juli 2003.
320
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
charta, Art. II-15 gewährt jedem Menschen das Recht zu arbeiten, ein Grundrecht auf Arbeit fehlt weiterhin997, an die Einführung gemeinsamer sozialer Institutionen ist nicht gedacht.998 Dabei hätte die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung im Vergleich zu anderen sozialpolitischen Instrumenten oder Institutionen einen entscheidenden Vorteil: Da sie den bisher fehlenden Anpassungsmechanismus liefert, den die Wirtschafts- und Währungsunion zur Überlebensfähigkeit benötigt, weil ihr ein solcher durch den Wegfall des Wechselkurs-Instruments verlorengegangen ist, ist sie auch ökonomisch sinnvoll! Damit kann ihre Einführung möglicherweise den verhängnisvollen Trend, der durch die Globalisierung noch verstärkt wurde999, stoppen: Die Sozialpolitik wird nur mehr als Kostenfaktor gesehen und sollte beschnitten werden, „um dem nationalen Interesse einen wettbewerbsfördernden Dienst leisten zu müssen“1000. Doch selbst die größten Verfechter des Systemwettbewerbs und der Reform der Sozialsysteme im Zuge der Globalisierung müssen eingestehen: „Soziale Sicherheit lässt sich heute zu weiten Teilen effizienter über private Anbieter bereitstellen, eine Ausnahme bildet die Arbeitslosenversicherung.“1001 Somit geht auch der Generalverdacht der Systemwettbewerbsverfechter ins Leere, ( . . . ) dass hinter dem Schleier der hehren Ziele Partikularinteressen und Reformunfähigkeit ( . . . ) dominieren“.1002 Die europäische Arbeitslosenversicherung kann somit im doppelten Sinne integrationsfördernd wirken: Sie stabilisiert die Wirtschafts- und Währungsunion und schafft mehr Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Bürgern der Europäischen 997 Zum Diskussionsstand um das „Recht auf Arbeit“ vgl. Hänsch, 2002, S. 109 – 116. Schachtschneider sieht als Grundlage des Rechts auf Arbeit das Sozialprinzip (vgl. Kap. 1, C.), welches logisch aus dem Grundprinzip jeder menschlichen Gemeinschaft, dem republikanischen Freiheitsprinzip, Substanz der unantastbaren Menschenwürde, folgt. Kann der Staat dieses Recht nicht konkret verwirklichen, ( . . . ) „entfaltet es sich als Pflicht des Staates, eine Politik der Vollbeschäftigung zu betreiben“. Schachtschneider, Karl Albrecht: Recht auf Arbeit – Pflicht zur Arbeit, 2001, S. 827. 998 Vgl. Hagelüken, Alexander: Bescheidene EU-Verfassung, 2003, S. 19. 999 Positiv bewerten allerdings die Verfechter des Systemwettbewerbs diese Entwicklung; exemplarisch Eekhoff: „Die Globalisierung trägt dazu bei, Mängel der Sozialsysteme offenzulegen und für eine effizientere Gestaltung der Sozialpolitik zu sorgen. Eine Weltregierung oder eines internationalen Sozialkartells bedarf es dafür nicht.“ Vgl. Bedroht die Globalisierung eine nationale Sozialpolitik?, 1998, S. 215. 1000 Nölling, Wilhelm: Euro – der Sozialstaatsbruch, 2001, S. 172. An dieser Stelle zitiert er auch Schachtschneider, der sehr pessimistisch folgert: „Ich sehe gar keine Chance für eine Sozialpolitik. Die unternehmerische Globalisierung macht Sozialpolitik weitestgehend unmöglich.“ 1001 Berthold / Thode, 1998, S. 357. 1002 Wehmeier, Axel: Zwischen Harmonisierung und Systemwettbewerb: Schutzregulierungen im Zeichen der Globalisierung, 1998, S. 312.
Abschließende Argumentation für eine europäische Arbeitslosenversicherung
321
Union. Damit würde die Europäische Union wieder näher an das Gleichgewicht zwischen Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik rücken, welches die Soziale Marktwirtschaft im Auge hat. Erst in einer sozial stabilen Gemeinschaft kommen die Vorteile des gemeinsamen Marktes und der einheitlichen Währung voll zur Geltung.1003
1003
Vgl. Tegtmeier, Werner: Auf dem Weg zu einer Europäischen Sozialunion, 1996,
S. 140. 21 Deinzer
Anhang 1
Berechnung der regionalen Beitragseinnahmen der BA über die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Methode II), 1993 – 2001 1993, tatsächliches Aufkommen: 79,895 Mrd. DM, überschätzt um 20,5 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 1994, 1995, 1996 für die BRD; ANBA 3 / 1994.
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
323
1994, tatsächliches Aufkommen: 81,536 Mrd. DM, überschätzt um 21 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 1995, 1996, 1997 für die BRD; ANBA 2 / 1995.
21*
324
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
1995, tatsächliches Aufkommen: 84,354 Mrd. DM, überschätzt um 19 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 1996, 1997 für die BRD; ANBA 2 / 1995.
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
325
1996, tatsächliches Aufkommen: 85,073 Mrd. DM, überschätzt um 20 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 1997, 1998 für die BRD; ANBA 1 / 1997.
326
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
1997, tatsächliches Aufkommen: 85,793 Mrd. DM, überschätzt um 20 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 1998, 1999 für die BRD; ANBA 1 / 1998.
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
1998, tatsächliches Aufkommen: 86,165 Mrd. DM, überschätzt um 22 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 1999, 2000 für die BRD; ANBA 1 / 1999.
327
328
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
1999, tatsächliches Aufkommen: 86,288 Mrd. DM, überschätzt um 23 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 2000, 2001 für die BRD; ANBA 2 / 2000.
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
329
2000, tatsächliches Aufkommen: 90,670 Mrd. DM, überschätzt um 25 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 2001 für die BRD; ANBA 2 / 2001.
330
Anhang 1: Berechnung der BA über Zahl der sozialvers.-pfl. Beschäftigten
2001, tatsächliches Aufkommen: 92,582 Mrd. DM, überschätzt um 26 % Anteil an den Gesamtbeitra beitragen È gen
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Stat. Jahrbuch 2002 für die BRD; ANBA 1 / 2002.
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 1994 für die BRD; ANBA 2 / 1992.
1991 (Beitragssatz: 5,9 %), tatsächliches Aufkommen: 67,075 Mrd. DM, überschätzt um 10 %
Berechnung der regionalen Beitragseinnahmen der BA über die Bruttolohnund -gehaltssumme (Methode III, 1991 – 1999)
Anhang 2
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 1995 für die BRD; ANBA 2 / 1993.
1992 (Beitragssatz: 6,3 %), tatsächliches Aufkommen: 76,662 Mrd. DM, überschätzt um 11,4 %
332 Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 1996 für die BRD; ANBA 3 / 1994.
1993, tatsächliches Aufkommen: 79,895 Mrd. DM, überschätzt um 13 % Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme 333
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 1997 für die BRD; ANBA 2 / 1995.
1994, tatsächliches Aufkommen: 81,536 Mrd. DM, überschätzt um 12 %
334 Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 1998 für die BRD; ANBA 2 / 1996.
1995, tatsächliches Aufkommen: 84,354 Mrd. DM, überschätzt um 11,5 % Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme 335
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 1999 für die BRD; ANBA 1 / 1997.
1996, tatsächliches Aufkommen: 85,073 Mrd. DM, überschätzt um 11,7 %
336 Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme
22 Deinzer
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 2000 für die BRD; ANBA 1 / 1998.
1997, tatsächliches Aufkommen: 85,793 Mrd. DM, überschätzt um 10,6 % Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme 337
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 2001 für die BRD; ANBA 1 / 1999.
1998, tatsächliches Aufkommen: 86,165 Mrd. DM, überschätzt um 12,5 %
338 Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme
22*
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten: Arbeitskreis „Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, 2003; Stat. Jahrbuch 2002 für die BRD; ANBA 2 / 2000.
1999, tatsächliches Aufkommen: 88,288 Mrd. DM, überschätzt um 13 % Anhang 2: Berechnung der BA über die Bruttolohn- und -gehaltssumme 339
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1992 für die BRD; ANBA 2 / 1992.
1991, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
Berechnung des regionalen Nettosaldos der Einnahmen und Ausgaben der BA, 1991 – 2001
Anhang 3
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1993 für die BRD; ANBA 2 / 1993.
1992, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA 341
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1994 für die BRD; ANBA 3 / 1994.
1993, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
342 Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1995 für die BRD; ANBA 2 / 1995.
1994, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA 343
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1996 für die BRD; ANBA 2 / 1996.
1995, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
344 Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1997 für die BRD; ANBA 1 / 1997.
1996, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA 345
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1998 für die BRD; ANBA 1 / 1998.
1997, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
346 Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 1999 für die BRD; ANBA 1 / 1999.
1998, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA 347
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 2000 für die BRD; ANBA 2 / 2000.
1999, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
348 Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 2001 für die BRD; ANBA 2 / 2001.
2000, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA 349
Quelle: Eigene Berechnungen; Stat. Jahrbuch 2002 für die BRD; ANBA 1 / 2002.
2001, Bundesmittel nach dem Bundessteueranteil aufgeteilt, in Mio. DM
350 Anhang 3: Berechnung der Einnahmen und Ausgaben der BA
-
Eigene Berechnungen; Daten: Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 2002, Eurostat: Europäische Sozialstatistik, Sozialschutz, 2003, Kommission der Europäischen Gemeinschaften: broad economic policy guidelines, 2002; Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Beschäftigung in Europa 2002, Jüngste Tendenzen und Ausblick in die Zukunft, 2002.
2000, Bedarf bei 100 %, Arbeitslosengeld, in Mio. A
Berechnung der Bezugsgröße für den Beitragssatz und des Bedarfs an Versicherungsleistung der EALV
Anhang 4
Eigene Berechnungen; Daten: Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 2002, Eurostat: Europäische Sozialstatistik, Sozialschutz, 2003, Kommission der Europäischen Gemeinschaften: broad economic policy guidelines, 2002; Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Beschäftigung in Europa 2002, Jüngste Tendenzen und Ausblick in die Zukunft, 2002.
2000, Umverteilungswirkung der EALV bei 10 %, 20 %, 30 % Leistungshöhe, in Mio. A
352 Anhang 4: Berechnung der Bezugsgröße für den Beitragssatz der EALV
23 Deinzer -
Eigene Berechnungen; Daten: Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 1997, Eurostat: Europäische Sozialstatistik, Sozialschutz, 2003, Kommission der Europäischen Gemeinschaften: broad economic policy guidelines, 2002; Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Beschäftigung in Europa 2002, Jüngste Tendenzen und Ausblick in die Zukunft, 2002.
1995, Bedarf bei 100 %, Arbeitslosengeld, in Mio. A
Anhang 4: Berechnung der Bezugsgröße für den Beitragssatz der EALV 353
Eigene Berechnungen; Daten: Eurostat: Eurostat-Jahrbuch 1997, Eurostat: Europäische Sozialstatistik, Sozialschutz, 2003, Kommission der Europäischen Gemeinschaften: broad economic policy guidelines, 2002; Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Beschäftigung in Europa 2002, Jüngste Tendenzen und Ausblick in die Zukunft, 2002.
1995, Umverteilungswirkung der EALV bei 10 %, 20 %, 30 % Leistungshöhe, in Mio. A
354 Anhang 4: Berechnung der Bezugsgröße für den Beitragssatz der EALV
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Yosha, Oved / Asdrubali, Pierfederico / Sørenson, Bent: Channels of interstate risk-sharing 1963 – 1990, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 111, 1996, S. 1081 – 1110 Zäch, Roger: Wettbewerbsrecht der Europäischen Union, Praxis von Kommission und Gerichtshof, München, 1994 Zimmerman, Horst / Henke, Klaus-Dirk: Finanzwissenschaft, 8. Aufl., München 2001
Rechtsquellenverzeichnis Vertragstexte (Schuman-Plan): Erklärung der französischen Regierung vom 9. Mai 1950 über die Vereinigung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlindustrie, in: Europäische Gründungsvertäge, Beck-Texte, München 1991, S. 162 – 163. Einheitliche Europäische Akte vom 17.01. / 28. 02. 1986, ABl. 1987, Nr. L 169 / 1 Europäische Union – Europäische Gemeinschaft, Die Vertragstexte von Maastricht, bearbeitet von Läufer, Thomas, EU-Verlag, Bonn 1996 darin: Protokoll über die Sozialpolitik, S. 83 –84, integriert: „Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik“, S. 84 – 88 Protokoll über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, S. 89 – 91 Vertrag von Amsterdam, herausgegeben von Läufer, Thomas, EU-Verlag, Bonn 1999 Vertrag von Nizza, herausgegeben von Läufer, Thomas, EU-Verlag, Bonn 2002 darin: Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 02. 10. 2001, S. 221 – 235
Sekundäres Gemeinschaftsrecht: (VO = Verordnung; RL = Richtlinie) VO Nr. 9 des Rates vom 25. August 1960 über den Europäischen Sozialfonds, ABl. 56 / 1189 vom 31. 08. 1960 (1. ESF-VO) VO Nr. 15 des Rates vom 16. 08. 1961 über die ersten Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. 57 / 1073 vom 26. 08. 1961 VO Nr. 1612 / 68 (EWG) des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 257 / 2 vom 19. 10. 1968 RL 68 / 360 / EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen der Arbeitnehmer der Mitglidstaaten und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 252 / 13 vom 19. 10. 1968 VO 1251 / 70 (EWG) der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer nach Beendigung der Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben, ABl. Nr. L 142 / 24 vom 30. 06. 1970
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Rechtsquellenverzeichnis
VO Nr. 1408 / 71 (EWG) des Rates vom 14. 07. 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, Abl. L 149 VO Nr. 2396 / 71 (EWG) des Rates vom 08. 11. 1971 zur Durchführung des Beschlusses 71 / 66 (EWG), ABl. Nr. L 249 / 54 VO Nr. 2397 / 71 (EWG) des Rates vom 10. 11. 1971 über die Beihilfen, zu denen Zuschüsse aus dem ESF gewährt werden können, ABl. Nr. L 249 / 58 VO Nr. 574 / 72 (EWG) des Rates vom 27. 03. 1972 über die Durchführung der VO 1408 / 71, ABl. Nr. L 74 / 1 Entschließung des Rates vom 21. 01. 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm, ABl. Nr. C 13 / 1 vom 12. 02. 1974 Entschließung des Rates vom 17. 10. 1983 (83 / 156 / EWG) über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds VO des Rates (EWG) Nr. 2052 / 88 vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Instrumente, ABl. Nr. L 185 / 9 vom 15. 07. 1988 VO des Rates Nr. 2080 / 93 über die Einführung eines Fischeifonds, ABl. Nr. L 193 vom 20. 07. 1993, S. 1 – 4 VO des Rates Nr. 2081 / 93 zur Änderung von VO Nr. 2052 / 88, ABl. Nr. L 193 vom 20. 07. 1993, S. 7 RL 94 / 94 (EG) des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, ABl. Nr. L 254 vom 30. 09. 1994, S. 64 – 72 VO (EG) Nr. 1310 / 97 des Rates vom 30. Juni 1997 über die Novelle der Fusionskontrollverordnung von 1989, ABl. L 180 / 1 vom 09. 07. 1997 VO (EG) Nr. 1466 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, ABl. L 209 vom 2. 8. 1997, S. 1 ff. VO (EG) Nr. 1467 / 97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigem Defizit, ABl. L 209 vom 2. 8. 1997, S. 6 ff. VO des Rates Nr. 1257 / 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen , ABl. Nr. L 160 / 80 vom 17. 05. 1999
Sachverzeichnis Abkommens über die Sozialpolitik 58 Agenda 2000 202 Arbeitslosenversicherung – Begründungsansätze 241 – europäische 226, 293 – Grundsystem 295 – Höhe und Dauer 245 – institutionelle Aspekte 226 – Stabilisierungsfunktion 213 – Systeme in Europa 248 – Szenario-Rechnung für die EU 299 – Transferwirkungen BRD 264 – und dynamische Effizienz 244 – Zusatzsystem 295 Arbeitslosigkeit 168, 228 – friktionelle 77, 229 – in Europa 231 – klassische 231 – konjunkturelle 228 – saisonale 228 – strukturelle 230 – Ursachen 234 Asymmetrischer Schock 122, 151, 154, 183, 198, 200, 208, 315 – länderspezifisch 125 – Systematik 124 – Temporär vs. permanent 124 Cardiff-Prozess 61 Delors-Ausschuss 51, 189, 199, 317 Ein Markt – eine Währung-Studie 187, 194, 311 Einheitliche Europäische Akte 48 Endogenitätshypothese 173 Europäische Beschäftigungsstrategie 60 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte 34 Europäische Verfassung 94, 196, 319
Europäischer Gerichtshof – „Cassis de Dijon“-Urteil 49, 93 – „Dassonville“-Urteil 93 Europäischer Sozialfonds 45 Europäisches Sozialmodell 121 Eurosklerose 47 Experience Rating 312 Finanzausgleich in der BRD 290 Fiskalpolitik – antizyklische 224, 238 Föderalismustheorie 73 Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer 52 Gewaltenteilung 33 Grundfreiheiten 94 Grundrechte 33 Grundrechtecharta 64, 320 Hartz-Gesetze 117, 227 Insider-Outsider-Theorie 236 Kohäsion 209 Kohäsionsfonds 200 Köln-Prozess 61 Konvergenzkriterien 201, 215 Krugman specialization hypothesis 153, 171, 197, 208, 240, 315 Lissabon-Strategie 61 Lohn- und Preisflexibilität 161 Lucas-Kritik 152, 169 Luxemburg-Prozess 61 MacDougall-Bericht 188, 196, 212, 293, 298, 312 Marktversagen 72 Matching 77, 229, 235 – Technologie 229
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Sachverzeichnis
Mobilität der Arbeit 129, 151, 163, 191, 198, 316 – Migrationstheorien 167 Mobilität des Faktors Kapital 169 Moral hazard 242, 294, 297, 319 – Begrenzung des 312 – individuelles 243, 298 – kollektives 298, 314 No-bail-out-Klausel 318 Optimaler Währungsraum 123, 245 – Diversifikation 134, 151, 172 – EWWU als 155 – formales Modell 138 – Functional Currency Area 137 – Kriterien 129, 136 – Neue Theorien 152 – Offenheit 132, 151, 171, 216 – Theorie 127, 184, 196 Phillips-Kurve 152 Protokoll über die Sozialpolitik 52 Race to the Bottom 95, 112, 116, 119, 315 Rechtsstaatlichkeit 32 Regionalpolitik 199, 307 – Bewertung 200 Schuman-Plan 44 Sozialdumping 51, 115 Soziale Grundsicherung in der EU 112 Soziale Marktwirtschaft 52, 71, 120, 317 Sozialfonds 50, 54, 56 Sozialpolitik 44, 111 Sozialprinzip 43, 317 – Solidarität 121 Sozialunion 46, 317 Spinelli-Entwurf 48 Staatlichkeit – existentielle 319 Stabilisierung 121, 179, 187, 193, 197, 200 – 201, 210, 212, 297, 320 – automatische 213, 225, 241 – durch EALV 309 – Stabilisierungsversicherungssystem 297
Stabilitäts- und Wachstumspakt 193 – 194, 212, 216, 218, 239, 316 Steuerwettbewerb 90 Strukturfonds 47, 200, 208 – finanzielle Ausstattung 205 – Reform 48, 50, 55, 202 Subsidiaritätsprinzip 54, 119 Systemwettbewerb 78, 320 – Beschränkungen 107, 111 – Bewertung 119 – evolutorisch 92, 104 – Grenzen 103 – neoklassisch 86, 88 – Voraussetzungen 94 – Wirkungen 93 Tindemans-Bericht 48 Transfermechanismen 179, 193, 194 Umverteilung 180, 187, 197, 297, 301 – durch ALV 279 Vedel-Bericht 48 Vertrag von Amsterdam 58 Vertrag von Maastricht 51 Vertrag von Nizza 64 Weißbuch – Sozialpolitik 57 – Wachstum 56 Wettbewerb – als Entdeckungsverfahren 88 Wettbewerbstheorie 79 – evolutorisch 80 – neoklassisch 80 Wirtschafts- und Währungsunion 47, 120, 124, 182, 190, 199, 320 – Konstruktion 315 Wirtschaftsverfassung 29 – der EU 30 – Grundfreiheiten 35, 45 – Systementscheidung 30 – Theorie 29 – Wettbewerbsordnung 38 Zeit-Inkonsistenz-Problem 153