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German Pages 48 [49] Year 2006
Silke Balbierz / Norbert Weiss
Kontaktmanagement Die etwas andere Art zu akquirieren
Silke Balbierz / Norbert Weiss
Kontaktmanagement Die etwas andere Art zu akquirieren
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Silke Balbierz / Norbert Weiss
Kontaktmanagement Die etwas andere Art zu akquirieren
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© 2006 Alle Rechte vorbehalten RKW-Verlag Düsseldorfer Straße 40 65760 Eschborn RKW-Nr. 1513 ISBN 3-89644-260-0 Layout: RKW, Eschborn Druck: KlarmannDruck, Kelkheim
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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1
Grundlagen des Kontaktmanagements
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2
Nach außen gerichtet: Kontaktmanagement und Akquisition
10
2.1
Akquisition und (Selbst-) Motivation
10
2.2
Instrumente des Kontaktmanagements
14
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
Instrumente, um neue Kontakte aufzubauen Neue Kontakte über Empfehlungen von Kunden Neue Kontakte über das Netzwerken Neue Kontakte mittels Storytelling
15 15 25 26
2.4
Instrumente, um Beziehungen aufzubauen und Kontakte zu pflegen
31
2.5
Kontakte pflegen: Wann nehme ich welchen Kontaktweg?
36
2.6
Verhaltenshinweise und Spielregeln für direkte Gespräche
37
3
Nach innen gerichtet: Kontaktmanagement und Führung
39
3.1
Kontaktmanagement und Bewertung
39
3.2
Führungsaufgabe Kontaktmanagement
41
3.3
Kontaktmanagement und Besprechungskultur
42
Literaturempfehlungen
45
Zu den Autoren
47
5
6
Vorwort Ein Vorwort im Sinne einer Erklärung über den Zweck, den die Verfasser mit diesen Ausführungen verfolgen, ist eher ungewöhnlich, unserer Meinung nach dennoch angebracht. Schaut man in Veröffentlichungen, die im Entferntesten etwas zu Kontaktmanagement aussagen, oder begibt man sich mittels Suchmaschinen auf Vorhandenes zu diesem Begriff, ist das Ergebnis meist ernüchternd. Wenn überhaupt, dann findet man allenthalben Ausführungen zum Aufbau einer EDV-gestützen Datenbank, mit der Kundenkontakte verwaltet werden können. Diese „Logik“ wird dann direkt auf die Akquisitionsaktivitäten übertragen. Mit einer Reihe von Tipps und Erfahrungen aus der Vergangenheit wird meist versucht, über eine Steigerung der Kundenkontakte eine Umsatzsteigerung zu erzielen. Die Ergebnisse sind meist nicht erwartungsgemäß. Die Versuchung, zu einem „powerselling“ überzugehen oder/und sich von einem Verkaufstraining nach dem anderen die ultimativen Tipps zu erkaufen, ist dann relativ groß. Dabei unterbleibt nach unserer Beobachtung die zwingend notwendige Basisarbeit im Zusammenhang mit dem Kontaktmanagement. Unter Kontaktmanagement verstehen wir die konsequente Ausrichtung des Unternehmens nach innen und nach außen auf die Akquisition. Die grundlegenden unternehmerischen Basisüberlegungen, wie beispielsweise „Welche Marktpositionierung streben wir an?“ „Welche Werte und welche Einstellung sind uns im Kundenkontakt wichtig?“ „Wie sieht unsere Zielgruppe genau aus und welches brennendste Problem/Bedürfnis hat sie?“ „Haben wir auf das dringendste Bedürfnis unserer (gewünschten) Zielgruppe eine innovative Antwort?“ „Wie wollen wir unternehmensintern miteinander umgehen, damit wir ein sinnvolles Kontaktmanagement nach außen darstellen können?“ usw. sind die Leitlinien unserer Ausführungen, die eine neuartige Perspektive auf ein bisher einseitig besetztes Themenfeld ermöglichen. Die angesprochenen Basisüberlegungen sind von jeder Geschäftsleitung in einem dynamischen Prozess immer wieder zu stellen und zu beantworten. Die Überlegungen und Instrumente, die wir Ihnen näher zu bringen versuchen werden, können im Rahmen dieses dynamischen Prozesses wertvolle Dienste leisten. Wir nähern uns dem Thema zunächst über die grundlegende Wortbedeutung der in diesem Kontext auftretenden Begriffe und mit der Frage, wie Kontaktmanagement mit Motiven menschlichen Handelns einhergeht, ehe wir fragen, wie Akquisition mit (Selbst-) Motivation zusammenhängt. Im Anschluss daran beleuchten wir die möglichen Instrumente des Kontaktmanagements und stellen Überlegungen über den geeigneten Kontaktweg an. Das dritte Kapitel widmet sich der Frage nach den Zusammenhängen zwischen Kontaktmanagement und Führung: Erst auf der Basis einer zielbasierten und sinnvollen, leitbildorientierten Führungsarbeit können die Instrumente des Kontaktmanagements wirkungsvoll sein und nachhaltig Erfolge generieren. Die möglicherweise für einen Praktiker zunächst einmal etwas „trocken“ und theoretisch anmutenden Überlegungen sind nach unserer Erfahrung zwingend notwendig, um einen entscheidenden Schritt in der praktischen Arbeit voranzukommen. Erst in der Zusammenschau der Grundsatzüberlegungen gewinnen die Instrumente des Kontaktmanagements einen Sinn und praktischen Nutzen, der sich messen lässt. Eilige Leser können zunächst einmal mit dem Kapitel zwei beginnen und von dort aus die Überlegungen in Kapitel drei nachvollziehen und erst am Ende sich mit den Grundlagen in Kapitel eins beschäftigen, um dann ein „rundes Bild“ zu bekommen.
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1
Grundlagen des Kontaktmanagements
In einem ersten Zugriff macht es Sinn, auf die Wortbedeutungen von „Kontakt“, „Management“ und „Motiv“ einzugehen. Kontakt bedeutet ursprünglich „anrühren“ . Management, als Führungsaufgabe in Unternehmen verstanden, bedeutet nach unserem Verständnis Be-geisterung erzeugen, Mitarbeiter „anrühren“, Glaubwürdigkeit und konsequentes Handeln. Die Führungsaufgabe ist dann leichter zu erfüllen, wenn die Motive im Sinne von „bewegen“ („movere“ lat.) der Mitarbeiter und Kunden erkannt und berücksichtigt werden. Insofern ist Kontaktmanagement eng mit Führung in der Bedeutung von etwas in Bewegung bringen im Unternehmen (nach innen) und im Kundenkontakt (nach außen) verbunden. Um diese Bewegung im Unternehmen zu erzeugen, bedarf es einer eigenverantwortlichen intensiven Wahrnehmung, damit das eigene Handeln mit den Motiven und Emotionen der Kunden verknüpft werden kann. Dadurch entsteht ein gelebtes Beziehungsmanagement auf der Basis von Glaubwürdigkeit, und Kontakte kommen so leichter zustande. Erkennen die Mitarbeiter die Motive des Kunden, dann gewinnen sie schneller den Überblick über die eigentlichen Kundenbedürfnisse, können gewissermaßen sich auf den Augenblick konzentrieren und sorgen so für eine Balance zwischen Kundenkonzentration und gleichzeitiger Verlangsamung des Kontaktprozesses durch intensive Wahrnehmung, um mehr Zeit für das Wesentliche – den Kunden und seine aktuellen spezifischen Bedürfnisse – zu haben. Es geht darum, eine Beziehung herzustellen, damit auf der Sachebene eine Zusammenarbeit möglich wird. Wir verstehen vor diesem Hintergrund unter Kontaktmanagement die konsequente Ausrichtung des Unternehmens nach innen und nach außen auf die Akquisition. Eine zielführende Umsetzung dieses Verständnisses von Kontaktmanagement kann erfolgreich anhand der Hinweise in den Bildern eins bis drei in Angriff genommen werden. Eine erfolgreiche Marktpositionierung erreichen Sie, wenn Sie sich über ihre firmenspezifischen Stärken im Klaren sind und eine Kundenzielgruppe auswählen, die die gleichen (Grund-) Werte aufweist. Auf der Basis gleicher Werte schaffen Sie es viel leichter, eine gute Beziehung zu Ihren Kunden aufzubauen, die es Ihnen ermöglicht, sachliche Probleme und Aufgaben erfolgreich anzugehen. In einem nächsten Schritt ist das „brennendste Problem“ Ihrer Kundenzielgruppe zu analysieren, für das Sie ein innovatives Problemlösekonzept entwickeln, auf das Sie sich fokussieren. Um das innovative Problemlösekonzept erfolgreich umsetzen zu können, macht es erfahrungsgemäß Sinn, sich Kooperationspartner zu suchen, die auf der gleichen Werteebene mit ergänzenden Kompetenzen die gleiche Kundenzielgruppe ansprechen. Ein nachhaltiges Unternehmenswachstum sichern Sie vor diesem Hintergrund dann, wenn es Ihnen gelingt, sich auf ein konstantes Grundbedürfnis Ihrer Kundenzielgruppe zu fokussieren. So ist beispielsweise das „hinter“ einem Autokauf liegende Grundmotiv des Käufers „Mobilität“. Mit dem Fokus auf „Mobilität“ ergibt sich eine ganz andere Perspektive auf die Kundenzielgruppe einerseits und auf das Unternehmensleitbild andererseits (Bild 1). Im Bild 2 sind die Kriterien für einen kompetenten Akquisitionsauftritt erläuternd dargestellt. Die geforderte hohe Professionalität im Angebot bezieht sich auf eine komfortable Marktnische und ein chancenreiches Potenzial der Kundenzielgruppe. Eine erfolgreiche Akquisition steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der für Ihr Unternehmen handelnden Personen und das überzeugend formulierte Angebot, das den Kundenwunsch optimal widerspiegelt. Welche Auswirkungen eine solche Vorgehensweise für Ihren Organisationsaufbau nach sich zieht, zeigt das Bild 3. Die im Angebotsverhalten sich ausdrückende Handlung und Haltung der Verkaufsmitarbeiter orientiert sich an der Unternehmensvision und dem gelebten Unternehmensleitbild. Sie verkaufen gewissermaßen immer Ihre Werte und auch „Sinn“ mit, wenn Sie Ihr Angebot darstellen. Kontaktmanagement kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn es eng mit den Unternehmenswerten
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und -vision verknüpft und in der Strategie abgebildet ist. Das wiederum steht mit dem (Eigen-)Sinn, der Haltung und dem Menschenbild aller Führungskräfte in einem Unternehmen in einem sehr engen Zusammenhang. Das Ganze spiegelt sich dann in Form der Unternehmenskultur nach innen und im Image des Unternehmens nach außen wider.
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Nach außen gerichtet: Kontaktmanagement und Akquisition
2.1
Akquisition und (Selbst-)Motivation
Das nach außen gerichtete Kontaktmanagement ist erfahrungsgemäß nur dann erfolgreich, wenn der Mitarbeiter im Kundenkontakt über ein ausreichendes Selbstvertrauen verfügt. Ohne dieses Selbstvertrauen in die eigene Person und deren Leistungsfähigkeit respektive in die aufzubauende Kundenbeziehung gibt es kaum eine Wertschöpfung durch menschliche Identifikation und Phantasie, weil die Überzeugung und Kraft dafür fehlen, auf die individuellen Kundenbedürfnisse einzugehen. Die gesamte Aufmerksamkeit des Verkaufsmitarbeiters richtet sich auf sich selbst statt auf den Kunden. Vertrauenswürdigkeit oder Glaubwürdigkeit im Handeln kann nur jemand erreichen, der sich selbst maximal vertraut und dann eine Vertrauenshaltung ausstrahlt. Glaubwürdiges Verhalten drückt sich dadurch aus, „dass ich sage, was ich denke, und tue, was ich sage“. Derjenige Verkäufer, der einem Kunden vorurteilsbehaftet gegenübersteht und diesen „von oben herab“ behandelt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Kunde abweisend reagiert: der klassische Fall einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Am Ende ergibt sich eine Misstrauensspirale, die sich massiv auswirken kann: Der Erfolg in Form von Umsätzen bleibt in der Folge aus. Verkaufshilfen in der Gestalt von Rabatten, Boni oder Erfolgsbeteiligungen für den Verkäufer verpuffen vor dem Hintergrund einer solchen Verkäuferhaltung letztlich wirkungslos, denn sie setzen am falschen Ende an. Kommen solche unterstützten Geschäfte zustande, werden sie sehr häufig ausschließlich auf die ertragsmindernden Verkaufshilfen zurückgeführt, das Selbstwertgefühl des Verkäufers verbessert sich nur marginal und der Druck, immer weitergehende Verkaufshilfen zu Lasten des Ertrages einzusetzen, steigt fortwährend. In einer solchen Situation tut die Führung gut daran, die Haltung der Mitarbeiter zu überprüfen und eine Haltungsänderung gezielt zu unterstützen. Dies kann dadurch erleichtert werden, dass im Kundengeschäft verstärkt nach einer Nutzen-Orientierung für potentielle Käufer Einzug hält, statt einer aus der Binnensicht des Unternehmens geleiteten Gewinn-Orientierung. Will man im Kundengeschäft erfolgreich sein, kommt es entscheidend darauf an, eine Zielgruppe zu identifizieren, in denen sich idealerweise Menschen befinden, die die gleichen Wünsche, Bedürfnisse, Werte und Aufgaben haben wie der Verkäufer: „Man versteht sich auf Anhieb.“ Dieser Zusammenhang ist keinesfalls neu und wurde schon vom hl. Benedikt, dem Gründer des Benediktinerordens, so formuliert: „Wer einem anderen keine Orientierung über Auffassungen, Werte und Haltungen gibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich der Suchende abwendet“. Klarer können u. E. die heute angesichts der oberflächlichen Wertedebatten mehr denn je aktuellen Führungs- und Verkaufsmaximen kaum formuliert werden.
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7 Schritte für eine erfolgreiche Marktpositionierung
Bild 1: 7 Schritte für eine erfolgreiche Marktpositionierung
5. Entwicklung eines innovativen Problemlösungskonzeptes
6. Aufbau einer Kooperation mit komplementären Partnern
7. Integration in die Zielgruppe & Spezialisierung auf ein konstantes Grundbedürfnis
4. Problem-Analyse innerhalb der Zielgruppe
3. Auswahl der passenden Zielgruppe (Gleiche Werte!)
2. Suche des erfolgversprechendsten Aufgabenfeldes, das zu den eigenen Stärken passt
1. Analyse der eigenen IST-Situation und der speziellen individuellen Stärken
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Bild 2: Kompetenzfelder in der Akquise
5. Glaubwürdigkeit: Person/Rolle/Angebot im Sinne von Klarheit & Glaubwürdigkeit
6. Kompetenz in der Auftragsklärung im Sinne von Engpassbedürfnis & Balance
7. Überzeugendes (schriftliches) Angebot durch Berücksichtigung des Kundenwunsches/Lageanalyse/ Darstellung mehrerer Optionen
Kompetenzfelder in der Akquise
4. Reife Persönlichkeit (Akquise als Personalentwicklung)
3. Konzentration auf chancenreiches Kundenpotential (Zielgruppe)
2. Positionierung in einer komfortablen Marktnische
1. Hohe Professionalität im Angebot
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Bild 3: Organisatorische Erfolgsfaktoren
5. Erfolg geht fast nur mit einem guten Team
6. Werte & Sinn vermitteln („mit verkaufen“)
7. Haltung: Win-win-Situationen anstreben
Organisatorische Erfolgsfaktoren
4. Maßstab: Emotionen & Intuition
3. Vision & Leitbild: Richtlinien der Entscheidungsfindung
2. Bestmögliche Reaktion auf eine veränderte Situation
1. Laterales Denken: Bestehende Denkstrukturen „zerschneiden“
2.2
Instrumente des Kontaktmanagements
Aufbauend auf den motivorientierten Hinweisen der vergangenen beiden Abschnitte können wir nunmehr unser Verständnis von Kontaktmanagement präzisieren: Zum einen geht es darum, neue Kunden zu gewinnen bzw. Kontakt zu potentiellen Kunden herzustellen, und zum anderen, Stammkunden „bei der Stange zu halten“. Sämtliche Kontaktanbahnungen haben das einzige Ziel, mit dem potentiellen Kunden in ein persönliches Gespräch zu kommen. Dies gilt insbesondere für die weit verbreitete Vorstellung und Haltung von Vertriebsverantwortlichen, dass man am Telefon Produkte oder Dienstleistungen verkaufen könne. Das mag zwar in Einzelfällen und in bestimmten Branchen gehen, aber dies erscheint uns nach unserer Erfahrung der Ausnahmefall zu sein. Je spezieller das Produkt und komplexer die Dienstleistung ist, desto unwahrscheinlicher gelingt ein Verkauf am Telefon. Darüber hinaus vergeben sich die Verkaufsmitarbeiter die Chance, Kaufsignale oder Bedürfnishinweise des potentiellen Käufers wahrnehmen zu können, weil am Telefon lediglich der Wahrnehmungskanal „hören“ auf Empfang ist. Insbesondere beim Verkauf von „produktlosen“ Dienstleistungen hat sich folgende Vorgehensweise bewährt: Am Telefon versucht der Anbieter, einen Termin zu bekommen mit dem Hinweis: „Ich bringe Ihnen etwas mit und veranschauliche die adäquate Vorgehensweise“. Im persönlichen Gespräch stellt der Anbieter dar, dass das, was er mitgebracht hat, seine Erfahrung in der Anwendung der Dienstleistung besteht, die er jetzt auf die spezifischen Belange des potentiellen Käufers anwenden möchte. In diesem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, dass die Verkaufshilfen „Flyer, Konzepte“ usw., die mit der Post verschickt werden, ohne Erläuterungen in einem persönlichen Gespräch in den seltensten Fällen zu einem Kauf oder Vertragsabschluss führen. Auch hier ist es besonders wichtig, die komplexen Inhalte in einem persönlichen Gespräch zu erläutern. Deshalb muss es unserer Erfahrung nach in einem Telefonat immer darum gehen, einen persönlichen Gesprächstermin zu bekommen, in dem dann das eigentliche Verkaufen stattfindet. Alle anderen Vorgehensweisen sind erfahrungsgemäß nicht nachhaltig von Erfolg gekrönt und gefährden den Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung zum Nutzen aller Beteiligten. Entscheidungsträger vor allem in Unternehmen werden im Regelfall täglich mit Postsendungen, Mailpost und Telefonaten überschüttet. In den allermeisten Fällen wird die Post ungeöffnet weggeworfen und Mailpost gleich wieder gelöscht, wenn der Empfänger den Absender nicht kennt. Im Falle eines Telefonats ist es mittlerweile fast unmöglich, den betrieblichen Entscheider direkt ans Telefon zu bekommen, denn die Sekretariate haben sehr häufig strikte Anweisung, keine „Werbeanrufe“ durchzustellen. Gelingt es im Einzelfall dann doch, den Entscheider ans Telefon zu bekommen, bleiben dem Anrufer nur maximal ein bis zwei Minuten, um sein Anliegen zur Kenntnis zu bringen, weil danach die Aufmerksamkeit des Angerufenen deutlich nachlässt. Gelingt es dem Anrufer nicht, in dieser kurzen Zeit eine innovative Lösungsidee für das derzeit brennendste Problem des Angerufenen zu platzieren, ist die Kontaktaufnahme gescheitert und auch für weitere Anbahnungsversuche erfahrungsgemäß „gestorben“. Vor diesem Erfahrungshintergrund macht es gar keinen Sinn, ein Produkt oder eine Dienstleistung in einem ersten Telefonat verkaufen zu wollen. Was maximal gelingen kann, ist über das Erkennen eines (Grund-) Bedürfnisses des Angerufenen dessen Interesse zu wecken, um dann die Chance auf einen persönlichen Termin zu haben. Erst dort beginnt dann das „eigentliche“ Verkaufen.
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2.3
Instrumente, um neue Kontakte aufzubauen
2.3.1
Neue Kontakte über Empfehlungen von Kunden
Im folgenden Abschnitt geht es um Empfehlungen von Kunden mit dem Ziel, von einem Anbahnungsgespräch zu Empfehlungen zu kommen, die den Aufbau eines systematischen Empfehlungsmanagements ermöglichen. Die Wirkung von „Mund-zu-Mund-Propaganda“ ist unbestritten. Unternehmer und auch Mitarbeiter freuen sich, wenn Kunden positiv über die Produkte oder Dienstleistungen ihres Unternehmens sprechen und diese weiterempfehlen. Der Aufbau eines systematischen Empfehlungsmanagements und der gezielte Einsatz desselben erfolgt jedoch in der Praxis – trotz häufiger Beteuerungen – eher selten und wenn, dann meist als Zufallsprodukt und nicht als Resultat systematischen Handelns. Zu selten, denn das Instrument hat ein ausgesprochen gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis, insbesondere für KMU. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass über 80 Prozent der Bundesbürger dem Rat eines Freundes, Bekannten oder Geschäftspartners beim Kauf eines Produktes oder bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung folgen, wie die Umfragen belegen. Customer Relationship Management, One-to-one-Marketing, Eventmanagement…, die Möglichkeiten neuartiger Marketinginstrumente sind schier unerschöpflich und fast wöchentlich kommen neue wohlklingende - meist englische – Bezeichnungen dazu. Deren Wirkungen sind nur bedingt in der täglichen Praxis nachvollziehbar und meist kostenaufwendig zu installieren. Häufig begegnet man Auffassungen, Marketing sei teuer und in jedem Fall zu 50 Prozent hinausgeworfenes Geld. Nicht zuletzt aus diesem Grund tun Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen von KMU gut daran, bewährte Marketinginstrumente einzusetzen. Was kann einem Unternehmen besseres passieren, als eine Weiterempfehlung durch zufriedene Kunden nach dem Motto: „Tue Gutes und lass andere (Kunden) darüber reden!“. Der gezielte Einsatz des Empfehlungsmangements im Sinne einer aktiven Steuerung von Kundenempfehlungen macht die Akquisition günstig und nachhaltig erfolgreich. Weiterempfehlungen geben nur zufriedene Kunden, die in ihrem jeweiligen privaten oder/und geschäftlichen Umfeld ihre Zufriedenheit mit Produkten oder Dienstleistungen eines Anbieters dadurch ausdrücken, dass sie dieses Angebot weiter empfehlen. Diese Vorgehensweise ist deutlich von der Neukundenwerbung mittels Gutschriften, Rabatten oder Warengeschenken zu unterscheiden. Natürlich hängt die Wirkung der Weiterempfehlung von der Glaubwürdigkeit dessen ab, der die Empfehlung ausspricht oder weiter trägt. Aber allein die Tatsache, weiter empfohlen und damit erwähnt zu werden, ist etwas, was nicht jedes Werbemittel erreicht. Die Aufgabe für die leitenden Führungskräfte eines Unternehmens - unabhängig von Branche oder Firmengröße - besteht darin, im Unternehmen systematisch dafür zu sorgen, dass die Kunden bewegt werden, positiv über das Unternehmen zu sprechen. Selbst Klein- und Kleinstunternehmen können genauso selbstbewusst um eine Weiterempfehlung bitten wie ein internationales Großunternehmen. Für ein nachhaltig wirkendes erfolgreiches Empfehlungsmanagement ist entscheidend, dass der Mitarbeiter mit dem konkreten Kundenkontakt auch selbst vom Angebot überzeugt ist und dies gegenüber den Kunden glaubwürdig vertreten kann. Wer mit Selbstbewusstsein auf der Basis einer hohen Selbstmotivation um eine Weiterempfehlung bittet, hat beim Kunden Erfolg. Gleichzeitig muss aber auch die Qualität des Angebots unmittelbar zu den Kundenbedürfnissen passen. Das Gleiche gilt für die Produkt- oder Servicepreise. Darüber hinaus versteht sich heute fast von selbst, dass vom Kundenbetreuer nicht schlecht über Mitbewerber geredet werden darf. Das gilt umso
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mehr, je besser sich Kunden einen Überblick über den Markt verschaffen. Möglicherweise kommen sie ja gerade von dem besagten Mitbewerber. Ein Unternehmen kann sich also dadurch vom Markt abheben, dass das eigene Angebot am besten auf die Kundenbedürfnisse passt und sich die Beratungs- respektive Serviceleistung überdurchschnittlich für den Kunden darstellt, kurz, dass der Kunde mehr bekommt als er erwartet. Jeder Kunde hat konkrete Erwartungen an ein bestimmtes Produkt oder eine ganz bestimmte Leistung. Er wird Sie bzw. Ihr Unternehmen dann anderen weiterempfehlen, wenn er bei Ihnen mehr bekommt als er normalerweise erwarten kann. Werden seine Erwartungen dagegen enttäuscht, haben Sie einen unzufriedenen Kunden und darüber hinaus jede Menge negativer Mundpropaganda. Es ist also äußerst wichtig, die Erwartungen der Kunden zu kennen, gezielt darauf einzugehen oder gar zu übertreffen. Die Erwartungen der Kunden können Sie in jeder Phase der Geschäftsbeziehung (Kundengewinnung / Akquisition, Leistungserbringung / Auftragsabwicklung und Nachbetreuung) übertreffen. Wir möchten Ihnen anhand einiger Beispiele verschiedene Möglichkeiten aufzeigen. Erwartungen übertreffen bei der Kundengewinnung Die zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. Henrich und Dr. Hanke in Bad Homburg (6 Ärzte, 25 Mitarbeiter) hat für die Patienten eine flexiblere Terminvergabe eingeführt. Da das gesamte Personal einschließlich der Ärzte in Schichten arbeitet, können Patienten von Montag bis Freitag Termine von 7:30 bis 20:30 und samstags bis 12:00 vereinbaren. Sollte sich ein geplanter Termin um mehr als 30 Minuten verzögern, werden die Patienten telefonisch über die Terminverschiebung benachrichtigt. Um von Anfang an einen Kontakt zu den Patienten herzustellen, begleitet der behandelnde Arzt seinen Patienten vom Warteraum in das Behandlungszimmer. Die Greiff Mode GmbH und CoKG in Bamberg (75 Mitarbeiter), Hersteller von Berufsbekleidung, gewinnt durch das Anbieten bestimmter Serviceleistungen neue Kunden. Mitarbeiter, die Berufsbekleidung benötigen, erhalten pro Monat eine bestimmte Anzahl von Kleiderpunkten, die gegen Kleidung getauscht werden können. Für jeden Mitarbeiter führt in der Regel der Arbeitgeber ein entsprechendes Konto. Greiff bietet den Kunden an, an deren Stelle die Mitarbeiter-Bekleidungskonten zu führen. Jeder bei Greiff geführte Kunden-Mitarbeiter bekommt monatlich eine Übersicht des Kontostandes und kann dann überlegen, ob und wenn ja wofür er die Punkte eintauschen möchte. Erwartungen übertreffen bei der Leistungserbringung Wie man das Leistungsspektrum auf die Bedürfnisse der Kunden ausbauen kann, zeigen folgende Beispiele. Die Greiff Mode GmbH und CoKG hat mit der Einführung einer EDV-gestützten Trägerverwaltung die Passgenauigkeit der Kleidungsstücke optimiert. In dieser Datenbank werden die Mitarbeiter der Kunden mit ihren elektronischen Maßen (z.B. Körpergröße, Arm- und Beinlänge, Brustumfang usw.) geführt. Benötigt ein Kunde für einen seiner Mitarbeiter neue Kleidung, wird diese genau auf dessen Maße zugeschnitten. Übliche Änderungen wie Kürzen, Einnähen usw. entfallen, es entstehen weniger Kosten und der Kunde erhält seine neue Kleidung schneller.
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Das Autohaus Rinner in Bad Tölz (Audi- und VW-Vertragswerkstätte, 80 Mitarbeiter) übernimmt für seine Kunden gerne die Neu-Zulassung vor Ort, selbst wenn diese unter Umständen im 70 km entfernten München vorgenommen werden muss. Der übliche kostenlose Hol- und Bringservice (10 km Umkreis) wurde für Premium-Kunden bis auf 70 km Umkreis ausgedehnt. Auch bei der o.g. zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis stehen die individuellen Bedürfnisse und die persönliche Situation des Patienten im Vordergrund. Aus diesem Grund singen die Ärztin für Kinderzahnheilkunde und deren Assistentin Kinderlieder während der Behandlung ihrer kleinen Patienten. Gemeinsam werden Geschichten erfunden und Phantasiereisen unternommen oder man unterhält sich kurz über die jeweilige Lieblingspuppe, das Lieblingskuscheltier, den besten Freund oder die beste Freundin. All diese Informationen sind in der Patientendatei hinterlegt. Dem Kind bleibt so nicht die eigentliche, mitunter unangenehme, Behandlung in Erinnerung, sondern vordergründig die Lieder, Geschichten und Spiele. Erwartungen übertreffen in der Nachbetreuung Im Allgemeinen geht man davon aus, dass der Kontakt zwischen dem Leistungserbringer und dem Kunden nur für die Dauer der Leistungserbringung besteht. Bei der Praxis Dr. Henrich und Dr. Hanke kümmern sich die Ärzte auch nach der Behandlung um ihre Patienten. Nach größeren Eingriffen werden alle Patienten (auch Kinder) vom behandelnden Zahnarzt angerufen. Der Arzt fragt den Patienten, wie es ihm geht, ob und wenn ja wann Schmerzen oder Beschwerden auftreten, ob die verschriebenen Schmerzmittel ausreichen usw. In ähnlicher Weise verfährt das Autohaus Rinner. War ein Fahrzeug zur Inspektion oder Reparatur im Hause, wird der Besitzer kurze Zeit später von einer Mitarbeiterin angerufen und gefragt, ob alles in Ordnung gewesen wäre. Nennt der Kunde Aspekte, mit denen er nicht zufrieden war oder gab es ein Problem, kommt der Vorgang automatisch auf den Tisch des Geschäftsführers. Im Gespräch mit dem Kunden versucht dieser, den Grund für die Unzufriedenheit herauszufinden. Gerade dieses Gespräch bewirkt, dass der Punkt, der beanstandet wurde, oft gar nicht mehr als gravierend gesehen wird; es zeigt dem Kunden, wie wichtig er genommen wird. Das Autohaus nutzt gezielt den „direkten Draht“ zum Kunden. Aufgedeckte Schwachstellen werden behoben, Anliegen der Kunden so weit wie möglich umgesetzt. Diese Beispiele beschreiben, auf welche Art und Weise die Erwartungen der Kunden in den einzelnen Phasen der Leistungserbringung übertroffen werden. Anhand der nachfolgenden Arbeitsfragen (siehe Fragebogen 1) können Sie erste Ideen dazu entwickeln, wie die Erwartungshaltungen Ihrer Kunden übertroffen werden können. Ob die Kunden aus unseren Beispielen jedoch auch wirklich nachhaltig zufrieden sind und die Unternehmen weiterempfehlen, weiß das jeweilige Unternehmen erst dann, wenn der Leistungserbringer seinen Kunden direkt darauf anspricht und ihn um konkrete Weiterempfehlung bittet. Dies erfordert Mut. Ohne den Mut, den Kunden um Weiterempfehlung zu bitten, bleibt das Empfehlungsmanagement unverbindlich. Neben dem Auslösen ist der Umgang mit Empfehlungen ein weiterer Aspekt des Empfehlungsmanagements. Erfahrungsgemäß wird ein Unternehmen auch häufig weiterempfohlen, ohne dass die Mitarbeiter davon Kenntnis erlangen. Haben Sie es also mit einem Neukunden zu tun, sind für Sie folgende Informationen von unschätzbarem Wert: (1) Woher kommt der Kunde? (2) Wer hat ihn uns empfohlen? und (3) Wofür wurden wir empfohlen / was erwartet dieser Kunde von uns? Wenn Sie die Antworten auf diese Fragen kennen, wissen Sie konkret, was dieser Kunde von Ihrem Unternehmen erwartet und können diese spezifische Erwartung erfüllen. Gelingt es Ihnen sogar,
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Arbeitsfragen: Erwartungshaltung der Kunden - Kundenerwartungen übertreffen (I)
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1.
Welche Erwartungen wecken Sie (z.B. durch Werbemaßnahmen) bei den Kunden?
2.
Wie werden Sie herausfinden, welche Erwartungen Ihre Kunden im Allgemeinen bezüglich Unternehmen Ihrer Branche hat?
3.
Wie finden Sie heraus, was Ihr Kunde von Ihrem Unternehmen erwartet?
4.
Welche Erfahrungen hat ihr Kunde mit Ihnen bereits gemacht? Finden Sie heraus, was er über Sie gehört, gelesen oder gesehen hat!
Arbeitsfragen: Erwartungshaltung der Kunden - Kundenerwartungen übertreffen (II)
5.
Welche Maßnahmen sind geeignet, die Erwartungen der Kunden in der Akquisition / Gewinnung zu übertreffen? -
6.
Welche Maßnahmen sind geeignet, die Erwartungen der Kunden in der Leistungserbringung / Auftragsabwicklung zu übertreffen? -
7.
Welche Maßnahmen sind geeignet, die Erwartungen der Kunden in der Nachbetreuung zu übertreffen? -
Fragebogen 1: Erwartungshaltung der Kunden
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diese deutlich zu übertreffen, haben Sie mit diesem Neukunden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder einen Kunden gewonnen, der Sie aktiv weiterempfiehlt. Wie kommen Sie zu diesen Informationen? Indem Sie Ihrem Kunden oben genannte Fragen stellen. Entweder direkt im persönlichen Gespräch, am Telefon oder schriftlich. Vor allem im Dienstleistungs- und Wissensbereich oder bei Handwerksbetrieben bietet sich das persönliche Gespräch an. Etwas schwieriger ist es, wenn Sie im produzierenden Gewerbe, in dem normalerweise kein direkter Kontakt zu den Endabnehmern besteht, tätig sind. Laden Sie die Kunden (Endabnehmer oder auch Händler) zu sich ein. Reden Sie mit ihnen über deren Wünsche, Erfahrungen und Probleme. Fragen Sie, was ihnen an Ihrem Service, Ihren Produkten und Vertriebsformen besonders gefällt, oder berufen Sie regelmäßig ein Kundenparlament ein. An dieser Stelle ein Beispiel, wie so ein persönliches Gespräch verlaufen könnte. Kommt ein neuer Patient in die zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. Henrich und Dr. Hanke, wird der behandelnde Arzt vorab mittels Terminplaner informiert. Der Arzt begleitet seinen neuen Patienten vom Warteraum in das Behandlungszimmer; dabei ergibt sich folgendes Gespräch: „Guten Tag Frau Kaiser, ich bin Dr. Henrich, Ihr behandelnder Arzt. Sie sind heute zum ersten Mal in unserer Praxis. Erzählen Sie mir, wie Sie auf uns aufmerksam geworden sind?“ „Ja, gerne. Ein Kollege, Herr Müller, hat Sie mir empfohlen, ich glaube er war erst letzte Woche bei Ihnen.“ „Ja, das ist richtig Frau Kaiser. Verraten Sie mir noch, warum Herr Müller uns empfohlen hat?“ „Er hat mir von Ihrer langjährigen Erfahrung mit Implantaten und Knochenaufbau erzählt. Herr Müller wollte sich vor längerer Zeit von seinem damaligen Zahnarzt ein Implantat einsetzten lassen. Dieser hat es nicht gemacht, weil seiner Meinung nach nicht ausreichend Knochensubstanz vorhanden war. In Ihrer Praxis konnte er jedoch mit einem Implantat versorgt werden. Am meisten aber hat mich überzeugt, dass Ihre Praxis die Kosten übernimmt, wenn ein Implantat mal nicht einheilen sollte und ein zweites gesetzt werden muss. Ich bin in der gleichen Situation wie Herr Müller und möchte mich nun von Ihnen beraten lassen.“ „Vielen Dank Frau Kaiser für Ihre Offenheit, ich werde mir gleich anschauen, was wir für Sie tun können.“ Aus diesem kurzen Gespräch haben Sie folgende Informationen gewonnen, die Sie gezielt nutzen können: Die Patientin kam nicht zu der Praxis aufgrund einer Anzeige oder Listung im Branchenbuch. Sie ist auch nicht zufällig vorbeigelaufen, sondern kam auf Empfehlung. (Mit diesen Angaben Ihrer Neukunden können Sie gut die Wirksamkeit / Sinnhaftigkeit Ihrer Werbeaktivitäten beurteilen). Empfehler war Herr Müller, der seit einiger Zeit zum festen Patientenstamm gehört. Für Herrn Müller ist es zum einen wichtig, eine Rückmeldung bzgl. seiner Empfehlung zu bekommen. Denn er übernimmt mit der Empfehlung quasi einen Teil der Verantwortung dafür, dass Frau Kaiser eine gute Leistung erhält. Wäre Frau Kaiser mit der Leistung unzufrieden gewesen, hätte Herr Müller die Praxis bestimmt nie wieder empfohlen. Bestätigen Sie also dem Empfehler, dass sein Vertrauen in Ihr Unternehmen gerechtfertigt ist. Zum anderen sollten Sie diese Information dazu nutzen, sich bei Herrn Müller für die Empfehlung zu bedanken. In der Regel genügt ein einfaches „Danke“, denn der Empfehler freut sich über Ihre (ehrliche) Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die wiederum eine verstärkte Kundenbindung hervorrufen kann. Bezogen auf unser Beispiel wäre denkbar: Als Herr Müller in der Praxis einen Termin zur Prophylaxe hat, kommt Dr. Henrich auf ihn zu und sagt zu ihm: „Vielen Dank übrigens für Ihre Empfehlung an Frau Kaiser. Wir konnten auch für Ihre Kollegin eine individuelle Lösung finden. Sie war sehr zufrieden und gehört nun zu unseren Patienten. Nochmals herzlichen Dank.“
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Mitunter ist es aber auch ratsam, etwas mehr zu tun, z.B. dann, wenn viele neue Kontakte auf einen bestimmten Empfehler zurückzuführen sind. Wie viel mehr hängt davon ab, wie gut Sie den Kunden kennen und wie viel Ihnen seine Empfehlung bedeutet (wert ist). Sollten Sie also die Vorlieben und Gewohnheiten von „Herrn Müller“ kennen, dann geben Sie ihm etwas, was dazu passt. Nutzen Sie die Möglichkeit auch hier, die Erwartungen eines Kunden zu übertreffen – er wird Sie oft weiterempfehlen. Die Grenze für das „sich erkenntlich zeigen“ ist dort zu sehen, wo die Entwicklung zu einer „Rabattmarken-Kleberei“ oder zu einem „Bonuskatalog“ degeneriert. „Danke sagen“ und sich für Empfehlungen gelegentlich erkenntlich zeigen, ist nicht nur ein wertschätzender Aspekt im Kundenumgang, sondern auch der nachweislich eindeutig kostengünstigere Weg, zu Neukunden zu kommen. Die Alternative ist, dass das Unternehmen weiterhin unnötig viel finanzielle Mittel für Marketing und Werbeaktionen ausgibt. Mit der Frage „Wofür wurden wir empfohlen?“ erhalten Sie Informationen über die Erwartungen des Kunden; gerade diese empfohlenen Leistungen sollten auf jeden Fall stimmen. In unserem Beispiel erwartet die Patientin eine fachlich fundierte Beratung und individuelle Lösung (z.B. Implantat) für ihr Problem (fehlender Zahn). Wie im oben genannten Beispiel deutlich wurde, ist bei Empfehlungen (absolute) Verschwiegenheit ein wichtiges Qualitätssiegel. Wenn Sie also eine Empfehlung in eine Kundenbeziehung umwandeln wollen und diese dann nachhaltig gestaltet werden soll, dann geht das nur über eine Vertrauensvorleistung des Kundenbetreuers. Geben Sie deshalb ihrem Kunden immer das Gefühl, dass das Anvertraute auch streng vertraulich behandelt wird, d.h. mit anderen Worten, dass sie tunlichst niemals persönliche Informationen ungefragt weitergeben werden. Die Verbindung von nach außen gerichtetem Empfehlungsmangement und der Unternehmensführung nach innen erfolgt durch das erfolgreiche Vorleben der leitenden Führungskräfte. In den beiden Bildern(Bild 4: Einführung eines Empfehlungsmanagements und Bild 5: 7 Regeln für ein Empfehlungsmanagement) sind einige einfach handhabbare Möglichkeiten dargestellt, die eine Einführung eines sinnvollen Empfehlungsmanagement möglich machen. Auch für den Fall, dass Sie im Unternehmen die Erfahrung machen, dass ein Kunde Sie nie weiterempfiehlt, können Sie aus der Not eine Tugend machen. In solchen Fällen besteht die Aufgabe des Kundenbetreuers darin, die bestehende Geschäftsbeziehung zu hinterfragen und beinhaltet die Chance, diese zu optimieren. Diese Chance gilt es in jedem Fall wahrzunehmen, ehe ein Mitbewerber den Kunden betreut. Nicht nur für solche Fälle hat sich der nachstehende Fragebogen in der Praxis bewährt (Übersicht 1).
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Übersicht 1:
Empfehlungsmanagement-Fragebogen 1.
In welchen Situationen und zu welchem Zeitpunkt können Sie Ihren Kunden auf eine Weiterempfehlung ansprechen?
2.
Was hat Ihr Kunde von einer Empfehlung?
3.
Woran merken Sie, ob Ihr Kunde mit Ihnen oder Ihrer Leistung zufrieden ist?
4.
Was macht Ihren Kunden zu einem zufriedenen Kunden?
5.
Wann ist ein günstiger Zeitpunkt, Ihren Kunden zu bitten, Sie respektive das Unternehmen weiter zu empfehlen?
6.
Welche Hilfsmittel stehen Ihnen zur Verfügung, um eine Empfehlung nachzuhalten?
7.
Was macht eine qualifizierte Weiterempfehlung aus?
8.
Wodurch können Sie Ihrem Kunden signalisieren, dass sie an seiner Empfehlung wirklich interessiert sind?
9.
Welche Situationen halten Sie persönlich für ein Empfehlungsmanagement gänzlich ungeeignet?
10. Was genau tun Sie, um herauszufinden, warum ein Empfehlungskunde zu Ihnen gekommen ist? 11. Welche Informationen können Sie nutzen, Ihrem Kunden eine Empfehlung leicht (nahe liegend) zu machen? 12. Was macht das Ansprechen auf Weiterempfehlung für Sie zu einem alltäglichen Vorgang?
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Einführungsschritte für ein Empfehlungsmanagement
Bild 4: Einführungsschritte für ein Empfehlungsmanagement
5. Empfehlungskärtchen zusammen mit Visitenkarten an Kunden aushändigen
6. Die Empfehlungsgeber genauso für Aufmerksamkeiten einplanen wie die neuen und die bestehenden Kunden
7. Kundenbetreuer zum aktiven Dank an Empfehlungsgeber ermutigen und dies von der Führungsmannschaft glaubwürdig vorleben
4. Leitfaden für Empfehlungsmanagement an alle Mitarbeiter aushändigen
3. Kundenkartei um Empfehlungsgeber und -nehmer ergänzen
2. Erfolgsgeschichten intern veröffentlichen
1. Bei Besprechungen regelmäßig über die Erfolge sprechen
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Bild 5: 7 Regeln für ein Empfehlungsmanagement
5. Grundsätzlich jeden Kunden fragen, an wen er uns weiterempfiehlt
6. Neukunden fragen, warum sie unser Unternehmen ausgewählt haben
7. Den Empfehlungsgebern in geeigneter Form danken
7 Regeln für ein Empfehlungsmanagement
4. Mut, um konkrete Weiterempfehlung zu bitten
3.Die wahre Meinung des Kunden erfragen
2. Eigene Marktpositionierung kennen und Leistungsbesonderheiten des eingenen Unternehmen aktiv ansprechen
1. Glaubwürdige Überzeugung von den eigenen Produkten oder Dienstleistungen
2.3.2
Neue Kontakte über das Netzwerken
Üblicherweise wird Netzwerken definiert als die „Gesamtheit aller sozialen Kontakte auf der beruflichen und privaten Ebene“. Es geht darum, andere Menschen zu treffen und nach dem Motto eines japanischen Sprichworts: „Jeder hilft jedem, dann ist jedem geholfen“, zum gegenseitigen Gewinn miteinander zu arbeiten. Netzwerke sind dazu da, „jedes Problem mit drei Telefonaten zu erledigen“. In der Folge wollen wir Netzwerken aus einer eher berufsspezifischen Perspektive betrachten. Genau genommen basiert auch diese Form des Netzwerkens auf Empfehlungen. Nur geht es hierbei nicht darum, dass die Empfehlungen von Kunden gegeben werden, sondern von Unternehmen. Im Vordergrund steht das Knüpfen von Kontakten im beruflichen Umfeld mit dem Ziel, die eigene Leistung zu verbessern. Netzwerken kann hier nicht nur durch die Mitgliedschaft in Berufsverbänden und Interessenverbänden erfolgen, sondern auch durch das Bilden von Kooperationen. Kooperationen funktionieren in der Regel dann, wenn die Netzwerkpartner die gleiche Zielgruppe ansprechen und sich auf bestimmte Leistungen spezialisiert haben, die jedoch nicht miteinander in einer Konkurrenzbeziehung stehen. Auch hier wieder ein kleines Beispiel. Sie bieten Finanzdienstleistungen an und haben sich auf neu zu gründende Zahnarztpraxen spezialisiert. Kooperationsmöglichkeiten ergeben sich nun mit allen Anbietern, die es auch auf (neue) Zahnarztpraxen abgesehen haben: Steuerberater, Anbieter von PC- und Softwarelösungen für Zahnarztpraxen, Innenarchitekten und Hersteller von Behandlungsstühlen und so weiter. Solche Netzwerke von Spezialisten mit zielgerichtetem Know-how haben eine ganze Menge von Kooperationsmöglichkeiten. Denkbar sind etwa gegenseitige Weiterempfehlung, gemeinsame Projektabwicklung, MarketingKooperationen oder auch gemeinsame Entwicklung innovativer Problemlösungen. Die zweite Voraussetzung für erfolgreiche Kooperationen ist, dass jeder Kooperationspartner sein eigenes Gewinnstreben zurückstellt. Oberste Priorität hat nach dem Kundennutzen der Nutzen aller Netzwerkpartner. Sorgen Sie dafür, dass sich Geben und Nehmen im Gleichgewicht halten. Wenn Sie grundsätzlich als erstes und mehr bieten als andere erwarten, sichern Sie sich Kooperationspartner, die auch in Zukunft gern mit Ihnen zusammenarbeiten werden. Mit den Stichworten Unterschiedlichkeit und Gleichheit lässt sich die dritte Voraussetzung zusammenfassen. Gemeint ist hiermit, bei der Wahl der Kooperationspartner darauf zu achten, dass sich diese in ihren Fähigkeiten unterscheiden; in Bezug auf Geschäftsphilosophie und ihre Haltung gegenüber Kunden jedoch den gleichen Nenner haben. Eine weitere – nicht weniger wichtige - Voraussetzung für erfolgreiche Kooperationen ist die gezielte Suche nach Partnern, die Ihnen helfen können, Ihre Ziele zu erreichen. Suchen Sie zuerst nach dem größten Engpass, dem Kernproblem und dann nach einem Menschen / Unternehmen, der/das Ihnen helfen kann, dieses Problem zu lösen. Nicht nur die richtige Auswahl der Netzwerkpartner ist eine Voraussetzung für erfolgreiches Netzwerken. Auch die Art und Weise, wie Sie mit Ihren Kooperationspartnern umgehen und Ihre Einstellung zu ihnen, hat Auswirkungen auf den Gesamtnutzen und die Dauer der Kooperation. Die häufigsten Fehler, die beim Netzwerken auftreten sind: • Versprechungen nicht einzuhalten oder sich nur zu melden, wenn man vom anderen etwas will; • sich nicht für den anderen zu interessieren, sondern bei Anliegen mit „der Tür ins Haus zu fallen“; • zu erwarten, dass Kontakte von alleine entstehen und man nichts dafür tun muss; • sich für empfangene Informationen oder vermittelte Kontakte nicht zu bedanken; • sich keine Zeit für die Kontaktpflege zu nehmen (z.B. in Gesprächen und bei Telefonaten);
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• zu erwarten, dass andere nur wegen Ihrer „schönen Augen“ etwas für Sie tun werden; • keine Informationen weiterzugeben aus Unsicherheit und Angst vor Konkurrenz; • bei Informationen über die eigene Person vage zu bleiben und nichts zu erzählen; • bei Informationen über das Unternehmen vage bleiben und nichts zu erzählen; • keine klaren Ziele / klare Strategie haben. Denn wenn man nicht weiß, was man will, kann man nicht danach fragen bzw. jemanden darum bitten! Anhand der Fragen in Fragebogen 2 können Sie prüfen, welche Möglichkeiten Ihnen zum Netzwerken offen stehen. 2.3.3 Neue Kontakte mittels Stroytelling Eine weitere Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen, liegt darin, den Kunden die Möglichkeit zu bieten, aus ihrer individuellen Sicht Geschichten von Unternehmen und über Kundenerlebnisse zu erzählen (Storytelling). Immer wenn Menschen mit einem Unternehmen in Berührung kommen, entstehen Eindrücke, Erlebnisse, Begegnungen. Diese können sich – wenn sie intensiv und prägnant genug sind – zu Anekdoten und Geschichten verdichten. Erlebnisse mit einer Firma prägen den Eindruck, den man von ihr hat und den man weitererzählt. Daher sind Ihre Mitarbeiter die ersten und wichtigsten Botschafter Ihres Unternehmens. Wie sie mit Ihren Kunden umgehen (freundlich, wertschätzend, geduldig oder eben nicht), was sie draußen bei Kunden und Partnern, unter Freunden oder beim Gespräch mit Berufskollegen z.B. in Seminaren erzählen, kann große Auswirkungen auf das Image des Unternehmens haben. Es lohnt sich demnach, alles zu tun, damit im gesamten Unternehmen eine Haltung herrscht, die die Entstehung und Verbreitung positiver Geschichten fördert. Denn den Stoff für diese Geschichten, die nach außen getragen werden, liefert das, was Mitarbeiter und Kunden tatsächlich im Unternehmen erleben. Hier wieder einige Beispiele dazu: Die beiden ersten Geschichten erzählen von der Anwaltskanzlei Schobinger & Partner in Böblingen (9 Anwälte, 1 Betriebswirtin, 7 Mitarbeiterinnen). In den letzten Jahren hat sich in der Kanzlei die Einstellung, welche Fälle wie behandelt werden, grundlegend geändert. Richtete sich die Entscheidung über die Annahme und Bearbeitung eines Falles in erster Linie danach, ob der Fall einen hohen Streitwert und damit ein hohes Honorarpotential aufweist, geht es den Anwälten nun vermehrt um die eigentlichen Bedürfnisse und Interessen der Mandanten. Um diese zu vertreten, wenden die Anwälte mitunter ungewöhnliche Methoden an. Dementsprechend richtet sich das Anwaltshonorar in der Regel nicht mehr nach dem Streitwert, sondern nach der Zeit, die der Anwalt tatsächlich für den Fall benötigt. Die Geschichte von der Wasserpumpe Im ersten Fall liegt folgende Ausgangssituation (der äußere sichtbare Teil) zugrunde: Ein Mandant möchte Klage auf Ersatz einer kaputten Wasserpumpe im Wert von 40 € erheben. Bei diesem Streitwert entstehen Anwalts – und Gerichtskosten in Höhe von etwa 400 €, die der Mandant aber in Kauf nehmen will. Früher hätte die Kanzlei diesen „Bagatell“-Fall nicht angenommen oder an einen unterbeschäftigten Kollegen abgegeben. Heute lassen sich die Anwälte bei Schobinger und Partner auf die Mandanten ein und versuchen herauszufinden, was hinter dem vordergründigen Problem und dem irrationalen Verhalten des Mandanten liegt, worum es dem Mandanten eigentlich (der weitere Kontext) geht. Im Gespräch stellt sich heraus: Der Mandant führt stellvertretend für seine
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Arbeitsfragen: Netzwerke nutzen - Kooperationen bilden (I) 1.
Auf welchem Geschäftsfeld, mit welchen Produkten / Leistungen wollen Sie empfehlenswerte Leistungen erbringen?
2.
Wie lautet Ihre genaue Zielgruppendefinition?
3.
Welche Wünsche hat Ihre Zielgruppe?
4.
Welche Probleme hat Ihre Zielgruppe?
5.
Welche Probleme möchten Sie mit Hilfe anderer lösen?
6.
Wie lautet das (eigentliche) Kernproblem?
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Arbeitsfragen: Netzwerke nutzen - Kooperationen bilden (II) 7.
Welche Eigenschaften, Fähigkeiten und Mittel muss derjenige haben, der Ihnen bei der Lösung des Kernproblems behilflich sein kann?
8.
Wer kann Ihnen helfen, diese Personen ausfindig zu machen?
9.
Mit wem können Sie kooperieren, um Ihren Kunden einen überzeugenden Nutzen zu bieten?
10. Welchen Nutzen können Sie einem potentiellen Kooperationspartner bieten?
Fragebogen 2:Netzwerke nutzen – Kooperationen bilden
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Schwiegermutter (Verpächterin) einen Streit, den diese mit ihrem Sohn (Pächter) hat. Immer wieder kommt es zwischen Mutter und Sohn zu Querelen, die der Mandant regeln soll; zwischenzeitlich hat sich ein ganzer Ordner mit Schriftstücken angesammelt. Ein Ende ist für den Mandanten nicht abzusehen, zumal er bei einer anderweitigen juristischen Beratung die Auskunft erhielt, es gäbe keine Möglichkeit, dieses Pachtverhältnis zu kündigen. Er hat Angst, dass die Streitereien und der damit für ihn verbundene Ärger immer weiter gehen und ist für eine endgültige Lösung sehr dankbar. Vor dem Gespräch war dem Mandanten die Angst in diesem Ausmaß gar nicht bewusst. Nachdem der Anwalt den Vertrag mit Hilfe des Mietrechtsspezialisten der Kanzlei überprüft und die Fehlinformation (Pachtverhältnis ist eben doch kündbar) richtig stellt, hat der Mandant eine Aussicht auf Entspannung und Besserung. Mit der veränderten Sichtweise der mietrechtlichen Seite gibt er dem Anwalt das Einverständnis, nicht den ursprünglichen Tatbestand (Ersatz der Wasserpumpe) einzuklagen, was ihn in seiner derzeitigen Situation ja nicht weiterbringt, sondern das eigentliche Problem, das zugrunde liegende Rechtsverhältnis (Pachtvertrag), anzugehen. Er lässt den Ordner zur Durchsicht beim Anwalt. Am nächsten Tag erhält der Anwalt von seinem Mandanten einen Anruf, bei dem dieser gesteht, er hätte seit drei Jahren zum ersten Mal wieder vernünftig geschlafen. Diese Geschichte hat der Mandant schon viele Male weitererzählt, denn immer wieder berufen sich neue Mandanten der Kanzlei auf eben diese Geschichte. Die Geschichte von den 14 Obstbäumen Eine weitere Geschichte, die sich in dieser Kanzlei während der Faschingszeit zugetragen hat: Ein Mandant kommt mit der Klageschrift vom Anwalt der Gegenseite in die Kanzlei und bittet um juristische Unterstützung. In der Klageschrift fordert die Nachbarin, dass 14 Obstbäume, die zu nah an der Grundstücksgrenze gepflanzt sind, entfernt werden. In diesem Fall hat der Mandant schlechte Karten, denn die Bäume stehen tatsächlich zu nahe an der Grenze. Allerdings macht deren Anpflanzung an dieser Stelle eigentlich gar keinen Sinn. Der Anwalt bittet seinen Mandaten, den Fall ein wenig ausführlicher zu erzählen, fragt hie und da nach und erhält folgende Informationen: Vor Jahren hatte der Mandant – ohne Rücksprache mit der Nachbarin - auf seiner Grundstücksseite Efeu gepflanzt, um die Sicht auf die nachbarliche Garage zu verschönern. Im Laufe der Zeit beschädigte diese Pflanze den Putz der Garagenmauer. Die Nachbarin – hierbei handelt es sich um die Schwester des Mandanten – entfernte während dessen Urlaubs das Efeu an ihrer Garagenwand und wollte nun die Kosten für die Reparatur der Mauer und deren Neuanstrich ersetzt haben. Dies lehnte der Mandant ab, pflanzte aber nun seinerseits während des Urlaubs der Schwester die Obstbäume an die Grundstücksgrenze. Zwischen den Geschwistern, die sich früher ganz gut verstanden haben, häufen sich die Streitigkeiten immer mehr. Im Gespräch gibt der Mandant gegenüber dem Anwalt zu, die Bäume nur gepflanzt zu haben, um seine Schwester zu ärgern. Außerdem möchte er eigentlich gar nicht vor Gericht, muss aber auf die Klage reagieren. In diesem scheinbar ausweglosen Fall holt sich der Anwalt vom Mandanten dessen Einverständnis, eine unübliche Vorgehensweise einzusetzen, um die Fronten aufzuweichen. Zunächst spiegelt er dem Mandaten die eigentlich „lächerliche“ Situation wider, die der Mandant auch als solche schon erkannt hat. Dann reicht er bei Gericht eine Klageerwiderung in Gedichtform ein und signalisiert in dem Gedicht, dass sein Mandant bereit wäre, sich außergerichtlich zu einigen. Verdutzt über Art und Inhalt dieses Schreibens setzt sich seine Schwester mit ihm an einen Tisch und als der Ärger verraucht ist, müssen beide herzhaft lachen. Gemeinsam finden sie eine Lösung, den Streit endgültig zu beenden. Die Obstbäume sind weg, sie stören weder den Mandanten noch die Schwester. Die Mauer wurde zwischenzeitlich repariert und gestrichen, die Kosten wurden geteilt und auch das Verhältnis der beiden Geschwister zueinander hat sich wieder normalisiert. Nicht nur dem gegnerischen Anwalt blieb diese außergewöhnliche Klageerwiderung im Gedächtnis, auch die Richterin musste lange Zeit schmunzeln, wenn sie den Anwalt in ihrem Gerichtssaal sah.
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Die Geschichte von den Neuaufträgen Diese Geschichte berichtet darüber, wie sich die Präzisonsteile Franz Schulz GmbH in Bretzfeld (120 Mitarbeiter) mit ihrer internen Team-Organisation auf die Bedürfnisse der Kunden eingestellt hat. Im Unternehmen wurden früher Aufträge angenommen, ohne genau zu prüfen, ob das vom Kunden geforderte Teil (für Präschu, ein neues Teil in der Produktpalette), technisch überhaupt machbar ist. Jeder der beteiligten Bereiche (Konstruktion, Werkzeugherstellung, Produktion) arbeitete ohne Rücksprachen vor sich hin. So stellte man häufig erst bei der Erstellung des Erstmusters fest, dass das notwendige Material am Markt nicht zu beschaffen war, die geforderten Maße nicht haltbar waren oder es Schwierigkeiten mit den notwendigen Werkzeugen gab. In mehreren Gesprächsrunden wurde dann mit dem Kunden diskutiert, ob und wenn ja zu welchen Bedingungen die Neuteile dennoch gefertigt werden können. Die den Kunden zugesicherten Termine konnten nicht eingehalten werden, worüber die Kunden häufig ziemlich verärgert waren. Heute läuft die Anfrage nach Neuteilen völlig anders. Geschäftsführer, Produktionsleiter und Konstruktionsleiter setzen sich an einen Tisch und prüfen, ob das Produkt mit den technischen Möglichkeiten von Präschu hergestellt werden kann. Gegebenenfalls wird gemeinsam mit dem Kunden eine andere Art und Weise der Herstellung diskutiert und festgelegt. Im nächsten Schritt prüft ein Projektteam, das aus einem Projektleiter, den Leitern von Verkauf, Produktion und Konstruktion sowie dem Qualitätsleiter besteht, ob die geforderten Maße eingehalten werden können und das Produkt prozesssicher hergestellt werden kann. Sind dabei Toleranzänderungen nötig, erhält der Kunde vor der Angebotserstellung einen entsprechenden Vorschlag. Das Projektteam legt gemeinsam den Termin fest, bis wann das Erstmuster erstellt und geprüft sein muss. Es trifft sich jede Woche, um sich gegenseitig über den aktuellen Stand auszutauschen und um bei Schwierigkeiten rechtzeitig entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Der Projektleiter hält die Fäden der Erstmustererstellung in der Hand, bei Fragen von Kunden oder Präschu-Mitarbeitern ist er der alleinige Ansprechpartner. Seit diese TeamOrganisation und die frühzeitige Einbeziehung des Kunden konsequent gelebt werden, hat sich nicht nur die Dauer der Erstmustererstellung deutlich reduziert, sondern auch die Zufriedenheit der Kunden erheblich erhöht. Diese Beispiele zeigen sehr schön, was eine gute und stimmige Geschichte ausmacht. Stimmig ist eine Geschichte dann, wenn alles, was in der Geschichte vorkommt, auch zur Geschichte gehört; also die Story vorantreibt, eine wichtige Information darstellt, Hintergründe und Kontext erklärt. Stimmige Geschichten kann man sich besser merken, sie werden lieber und häufiger weitererzählt. Das heißt, Sie erreichen damit potentielle Kunden besser und haben mehr Multiplikatoren. Bei einer guten Geschichte ist das Ereignis als Ganzes Anlass für eine positive Story. Nach dem Motto: „ Im Gegensatz zur Konkurrenz ist dieses Unternehmen weit vorne oder aber im Gegensatz zu früher ist dieses Unternehmen heute so, wie man es sich als Kunde immer gewünscht hat.“ Es muss einen Unterschied zu vorher geben, etwas im Unternehmen ist anders geworden (in der Kommunikation, bei den Inhalten oder im Umgang mit den Menschen). Eine gute Geschichte ist informativ (der Zuhörer weiß danach etwas, was er so noch nicht wusste), authentisch und hat Substanz – sie ist nicht geschönt oder gar illusorisch. Gute Geschichten sind realistisch. Sie enthalten Elemente, die den Reiz des Lebens ausmachen: Höhen und Tiefen, Schwierigkeiten und deren Meisterung, Krisen und Chancen. Sie setzten bei den Bedürfnissen des Zuhörers an, die Zuhörer können sich in der Geschichte wieder finden. Sie können nicht verhindern, dass Mitarbeiter und Kunden schlechte Geschichten über Sie und Ihr Unternehmen erzählen, indem Sie es ihnen verbieten. Sie können jedoch dafür sorgen, dass Menschen Dinge erleben, aus denen gute Geschichten entstehen, indem bereits am Ursprung solcher Geschichten anders gehandelt und kommuniziert wird. Aus unserer Sicht ist Kundenorientierung nur
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dann erfolgreich und nachhaltig zu verwirklichen, wenn sie als Haltung von Personen tagtäglich gelebt wird, in dem sich Mitarbeiter und Führungskräfte bei jedem Kontakt mit Kunden die Frage stellen: „Was für eine Geschichte wird mein Gegenüber wohl erzählen, wenn er diese Situation schildert?“ „Wird er etwas Erfreuliches, Interessantes oder Schönes erzählen können…?“
2.4
Instrumente, um Beziehungen aufzubauen und Kontakte zu pflegen
In diesem Kapitel gehen wir auf die Grundlagen des Beziehungsaufbaus ein, zeigen Ihnen, wie Sie Ihre Kontakte systematisieren können, und stellen Ihnen vor, über welche Wege Sie Ihre Kontakte pflegen können. Mit Kontakten meinen wir an dieser Stelle sowohl Kunden als auch Kooperationspartner. Beziehungsnetzwerk aufbauen und persönliche Beziehungen herstellen Was verbindet Menschen, wie können persönliche Beziehungen hergestellt werden? Menschen haben dann einen Anknüpfungspunkt, um eine persönliche Beziehung aufzubauen, wenn sie eine gemeinsame Ebene gefunden haben, auf der sie sich begegnen können. Diese Gemeinsamkeiten können berufliche, familiäre oder sonstige Dinge (z.B. Hobbys, Interessen) sein. Geht es um das Verkaufen von Produkten und Dienstleistungen, liegt die Gemeinsamkeit in einem bestimmten „Problem“. Ihr Kunde ist daran interessiert, dass eines seiner Probleme gelöst wird, dass es ihm persönlich besser geht. Sie wiederum haben ein Interesse daran, dieses Problem zu lösen, Neues über den Kunden und seine Wünsche zu erfahren und letztlich Umsatz mit ihm zu machen. Doch wie starten Sie ein Gespräch mit einem fremden Menschen? Schließlich können Sie nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Überlegen Sie sich drei einfache, unverfängliche Einstiegsthemen für Ihre Gespräche und formulieren Sie diese als Frage – und schon sind Sie mitten drin im Gespräch. Eine Gemeinsamkeit zu haben, reicht jedoch nicht aus, um eine länger andauernde Beziehung aufzubauen. Hinzukommen müssen Absichtslosigkeit, Anerkennung und Aufmerksamkeit des anderen und vor allem Glaubwürdigkeit. Von Absichtslosigkeit sprechen wir, wenn die soziale Beziehung im Mittelpunkt steht. Vergessen Sie zunächst einmal das Verkaufen. Wer nur oberflächliches Interesse zeigt und im Wesentlichen von Umsatz und Provisionen angetrieben wird, kann keine ehrliche Beziehung aufbauen. Überlegen Sie erst, inwiefern Ihre Leistungen demjenigen, zu dem Sie eine Beziehung aufbauen wollen, einen Nutzen bieten können. Nur so können Sympathie und Vertrauen entstehen. Mit Anerkennung und Aufmerksamkeit meinen wir, dass nicht Sie selbst sich in den Mittelpunkt stellen, sondern den anderen. Hören Sie erst einmal zu, machen Sie sich ein Bild von den Wünschen und Bedürfnissen Ihres Gegenübers – und nehmen Sie Ihre eigenen Interessen zurück. Die oberste Regel im Aufbau von Beziehungen lautet: Seien Sie glaubwürdig. Wenn Sie also einem möglichen Kunden oder Kooperationspartner gegenüberstehen, den Sie ablehnen oder unsympathisch finden, hat es wenig Sinn, eine Beziehung aufzubauen. Stimmt die „Chemie“ nicht, verzichten Sie entweder auf den Kunden bzw. Partner, oder versuchen Sie herauszufinden, woher Ihr ungutes Gefühl rührt. Nicht selten sind gerade jene Eigenschaften, die einen anderen für uns unsympathisch machen, genau die, die wir an uns selbst nicht mögen. Vielleicht lohnt sich doch ein „zweiter“ Blick! Nutzen Sie die Fragen zum Thema „Beziehungen“ aufbauen (Fragebogen 3). Sie können damit eine „Strategie“ entwickeln, wie Sie zu einem bestimmten Menschen eine persönliche Beziehung aufbauen können.
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Arbeitsfragen: Beziehungen aufbauen (I) 1.
32
Zu welchen Menschen möchte ich eine Beziehung aufbauen?
2.
Welchen Nutzen erhoffe ich mir aus diesem Kontakt?
3.
Welchen Nutzen kann ich demjenigen bieten, mit dem ich Kontakt aufnehmen will?
4.
Welche gemeinsamen Interessen haben wir und verbinden uns?
Arbeitsfragen: Beziehungen aufbauen (II)
5.
Welche gemeinsamen Bekannte / Ereignisse / Erlebnisse verbinden uns?
6.
Was hindert mich daran, Kontakt aufzunehmen?
7.
Wie kann ich dieses Hindernis aus der Welt schaffen?
Fragebogen 3: Beziehungen aufbauen
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Kontakte systematisieren Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen Sie kennen? Machen Sie doch mal eine Bestandsaufnahme Ihrer Kontakte. Wen haben Sie schon lange nicht mehr gesprochen, obwohl er sehr wichtig für Sie ist oder sein könnte? Wen treffen Sie regelmäßig und investieren viel Zeit, um den Kontakt zu pflegen, obwohl er Ihnen nur wenig helfen kann? Mit wem möchten Sie den Kontakt auffrischen? Diese Bestandsaufnahme ist wichtig, schließlich haben Sie zur Pflege Ihrer Kontakte nicht unbegrenzt Zeit zur Verfügung. Stöbern Sie in Ihren Visitenkarten, schreiben Sie alle weiteren Kontakte auf kleine Karten (ca. Visitenkartengröße) und ergänzen Sie die Karten wie in Bild 6 dargestellt auf der Rückseite um folgende Punkte: Wann haben Sie die Person getroffen? Bei welchem Anlass bzw. wo haben Sie sie getroffen? Welche weiteren Informationen (z.B. Kontakte oder Interessen) haben Sie über die Person? In welche Kategorie kann der Kontakt eingeordnet werden? Welche Priorität, welchen Sympathiegrad gestehen Sie der Person zu? Je nachdem, welche Funktion die Person in Ihrem Netzwerk einnehmen kann bzw. einnimmt, unterscheiden wir die Kategorie in Informationsquelle (I), potentieller Kunde (K), Stammkunde (K*), Mentor (M), Sponsor (S) oder Bekannte (B). Mit Mentoren bezeichnen wir Personen, durch die Sie unterrichtet, beraten oder betreut werden. Sponsoren dagegen machen für Sie Werbung, empfehlen Sie weiter, öffnen Ihnen Türen und nutzen ihre Macht und ihren Einfluss, um Ihnen neue Chancen zu geben. Bekannte sind Personen, die Sie weitläufig kennen, aber (noch) nicht zu einer der anderen Kategorien zuordnen können. Unter Priorität verstehen wir die Bedeutung, die die Person in ihrer Kategorie einnimmt. Personen, die eine hohe Bedeutung in ihrer Kategorie haben, bekommen den Wert „1“, hat die Person eine mittlere Bedeutung, erhält sie den Wert „2“. Personen, die keine oder nur geringe Bedeutung in ihrer Kategorie haben, wird der Wert „3“ zugeordnet. Auch der Sympathiegrad wird in eine 3er-Skala eingestuft. Den Wert „1“ erhalten Personen, mit denen Sie sich sehr wohl fühlen und mit denen Sie in Kontakt bleiben möchten. Fühlen Sie sich relativ wohl bei dem Gedanken an eine Kontaktaufnahme, bewerten Sie den Kontakt mit „2“, fühlen Sie sich nicht wohl, diese Person anzusprechen, ordnen Sie ihr den Wert „3“ zu. Wenn Sie diese Punkte auf den Karten ergänzt haben, ordnen Sie Ihre Kontakte dem entsprechenden Kontakt-/ Einflussbereich zu (siehe Bild 7). Zum „Kernbereich“ gehören Familie, (enge) Freunde und Kollegen, zur „Unterstützungsgruppe“ zählen wir Mentoren, Sponsoren, Informationsquellen und Stammkunden. Als „Umfeld“ bezeichnen wir potentielle Kunden und Bekannte, „Sonstige“ sind Personen, die kommen und gehen. In diesem Modell bestimmt der jeweilige Kreis bzw. Einflussbereich, wie häufig Sie Kontakt zu der betreffenden Person aufnehmen sollten, um die gewünschte Beziehung zu pflegen. Personen des Kernbereichs, d.h. (enge) Freunde, sollten Sie einmal pro Woche bis alle 14 Tage kontaktieren, zu Ihrer Unterstützungsgruppe sollten Sie etwa einmal im Monat Kontakt aufnahmen. Mit Ihrem Umfeld bleiben Sie etwa einmal im Quartal in Kontakt und alle „Sonstigen“ wie es sich gerade ergibt. Konzentrieren Sie sich bei der Kontaktpflege auf die wesentlichen Personen. Fragen Sie sich immer wieder: Wer kann mich dabei unterstützen, meine Ziele zu erreichen? Wo sind Ergänzungen erforderlich? Wen brauche ich darüber hinaus?. Überlegen Sie ernsthaft, ob Sie weiterhin den Kontakt zu Personen, die Ihnen unsympathisch sind, aufrechterhalten wollen, oder warum eine bestimmte Person keine oder nur geringe Bedeutung in ihrer Kategorie hat. Bereinigen Sie Ihre Kontakt- und Einflussbereiche regelmäßig. Das Modell ist nicht starr, schließlich können Menschen im Laufe der Zeit die Kategorie, ihre Priorität und sogar ihren Sympathiegrad wechseln. Es vermittelt Ihnen einen guten Überblick darüber, zu wem Sie in Zukunft in welcher Häufigkeit Kontakt aufnehmen sollten.
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Tag des Kontaktes
Anlass / Ort
Weitere Informationen / Interessen...
Kategorie
Priorität / Sympathiegrad
Bild 6: Die Rückseite der Visitenkarte
Sonstige Umfeld si nk en de Ko nt ak th äu fig ke it
Stammkunden
Unterstützungsgruppe Kernbereich Familie
Kollegen
Informationsquellen
(enge) Freunde
Sponsoren
Mentoren
Bekannte potentielle Kunden kommen und gehen
Bild 7: Kontakt-/ Einflussbereich 35
2.5
Kontakte pflegen: Wann nehme ich welchen Kontaktweg?
Es gibt viele Anlässe, um den Kontakt zu Kunden und Partnern zu pflegen. Schließlich ist es sehr viel leichter, regelmäßig etwas für bestehende Kontakte zu tun, als neue aufzubauen. Persönliche Anlässe (z.B. Glück- und Genesungswünsche), eine Einladung, oder auch das Bedürfnis, sich zu entschuldigen oder einfach „Danke“ zu sagen, gehören ebenso dazu wie Rundschreiben oder Infomails. Um Kontakte zu pflegen, können Sie Briefe schreiben, Faxe und E-Mails versenden oder einfach telefonieren. Bei der Kontaktpflege gibt es eine Faustregel: Je gewichtiger und persönlicher der Anlass, desto eher ist ein Brief oder sogar ein persönliches Gespräch angebracht. Je kleiner der Anlass, desto eher reicht eine kurze Mail unter der Voraussetzung, dass der Mailempfänger Ihnen schon bekannt ist. Unsere Erfahrung in diesem Zusammenhang ist, dass sich die Mail-Verfasser sehr schwer tun, über eine kurze Mail eine Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen, wenn sie ihn noch gar nicht persönlich kennen. • Briefe Ein Brief ist angebracht bei vertraulichen und persönlichen Anlässen. Hierzu zählen Glück- und Genesungswünsche, Kondolenzschreiben sowie Weihnachts- und Neujahrsgrüße. Sie können diese Ereignisse gezielt nutzen, um sich positiv in Erinnerung zu bringen, wenn Ihre Schreiben individuell und persönlich gehalten sind. Gehen Sie also auf persönliche Verdienste und Eigenschaften der jeweiligen Person ein oder erinnern Sie an gemeinsame Erlebnisse. Obwohl es sich bei Weihnachtsund Neujahrsgrüßen oft um Routinetexte handelt, sind sie keinesfalls überflüssig. Gerade sie sind ein willkommener Anlass, sich bei Kunden und Partnern, zu denen man seltener Kontakt hat, wieder in Erinnerung zu rufen. Schreiben Sie mehr als lediglich Grüße zum Fest. Sie können etwa das vergangene Jahr zusammenfassen oder einen Ausblick auf das kommende geben. Teilen Sie mit, was Sie an der Zusammenarbeit besonders schätzen oder über welche Aktivitäten Sie sich besonders freuen oder gefreut haben. Wenn Sie Weihnachtsgeschenke verschicken wollen, wählen Sie Geschenke, die zu Ihrem Unternehmen passen. Ein Autohaus könnte z.B. eine Warnweste für Autofahrer verschicken, eine Zahnarztpraxis Mundhygieneartikel, Brauereien ein besonderes Festbier. Damit heben sich Ihre Grüße positiv von der Masse ab, und Sie bleiben als Absender länger in Erinnerung. Im Allgemeinen werden Briefe von den Empfängern als persönlicher und gewichtiger wahrgenommen. Der Brief passt, wenn Sie zeigen möchten, dass Ihnen der Kontakt zum Empfänger wichtig ist und immer dann, wenn Sie sich über die „richtige“ Form im Zweifel sind. • Faxe Faxe eignen sich insbesondere für kurze Texte mit förmlichem Charakter (z.B. Anmeldungs- und Teilnahmebestätigungen, Antworten, Rückmeldungen usw.) Dauert eine Antwort per E-Mail ungewöhnlich lange oder ist der Empfänger aus technischen Gründen nicht per E-Mail erreichbar, können Sie alternativ faxen. Das Fax bietet sich also immer dann an, wenn es schnell gehen soll oder wenn eine Weiterverwendung der Unterlagen in Papierform erforderlich ist. Berücksichtigen Sie bei Faxen die konkrete Situation des Empfängers. Wird ein Fax etwa von mehreren Personen genutzt, sollten Sie darüber keine vertraulichen oder persönlichen Mitteilungen versenden. • E-Mails E-Mails haben gegenüber Briefen und Faxen einige Vorteile. Sie sind schnell, preiswert und wenig formgebunden. Sie eignen sich am besten, für sachliche Informationen wie Anfragen oder Bestätigungen, für kleine Entschuldigungen und kurzen Dank (z.B. wenn Sie einen Termin etwas zu spät bestätigt, einen Rückruf versäumt, sich über einen guten Tipp oder eine schnelle Bearbeitung
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gefreut haben). Sie können E-Mails einsetzten, wenn Daten oder Texte weiterverarbeitet werden müssen oder umfangreiches Material nicht ausgedruckt vorliegen muss. Per Mail können Sie längerfristige Termine absprechen oder mit jemandem kurz Kontakt aufnehmen, da wo ein Anruf störend oder übertrieben wäre. Für förmliche oder rechtlich verbindliche Schreiben sind E-Mails wenig geeignet. E-Mails sind nicht nur weniger förmlich, sie werden häufig auch weniger sorgfältig verfasst und gelesen als Briefe oder Faxe. Die Gefahr von Missverständnissen ist hoch, wenn persönliche (Telefon-)Gespräche völlig fehlen. So können wichtige Details verloren gehen. E-Mails sind relativ unzuverlässig, wenn der Empfänger sie nicht regelmäßig abruft oder gegen eine ständige Mail-Flut kämpft und ihre Nachricht in der Masse untergeht bzw. versehentlich gelöscht wird. Generell sollten Sie bei geschäftlichen MailKontakten darauf achten, dass der Ton nicht allzu leger-vertraut ist und besser auf Emoticons (Zeichenkombinationen, um Gefühle auszudrücken) verzichten. Zum einen werden Mails nicht selten ausgedruckt und in Papierform abgelegt oder weitergegeben. Zum anderen sollten Sie die Vertrautheitsebene nicht plötzlich mit dem Kommunikationsweg wechseln. Nach einigen „lockeren“ E-Mails kann ein förmlicher Brief verwirren und Missverständnisse hervorrufen. Direkte Gespräche Wir unterscheiden direkte Gespräche in Gespräche „von Angesicht zu Angesicht“ und Telefonate. Nach unseren Erfahrungen funktioniert die Kontaktpflege per Telefon nur bei Menschen, die man persönlich kennt und mit denen man schon einmal persönlich gesprochen hat. Der Griff zum Telefon ist dann sinnvoll, wenn Sie einen Dialog führen wollen, wenn es um komplexere Sachverhalte geht, die besprochen und diskutiert werden müssen, oder wenn es um wichtigere Dinge geht, die schnell zu klären sind. Ein Telefonat hat den Vorteil, dass Sie die Reaktion ihres Gesprächspartners in Echtzeit bekommen und er Ihnen bei Fragen nicht so leicht „ausbüchsen“ kann. Sie ihn zu Antworten „zwingen“ können. Ein Telefonat eignet sich ebenso, wenn Sie sich nach einiger Zeit wieder in Erinnerung bringen oder einfach mit Ihrem Gesprächspartner plaudern möchten. In diesem Fall sollten Sie ihn allerdings fragen, ob ihm das Gespräch gerade passt oder eher nicht. Ist Ihr Gesprächpartner schlecht erreichbar, können Sie per Mail einen Telefontermin vereinbaren.
2.6
Verhaltenshinweise und Spielregeln für direkte Gespräche
Wird man sich bewusst, dass Kommunikation stets auf zwei Ebenen gleichzeitig stattfindet, liegen die Verhaltensweisen für Gespräche von Angesicht zu Angesicht quasi auf der Hand. Neben der Sachebene (der eigentliche Informationswert einer Mitteilung) wirkt sich das Gesagte auch immer auf die Beziehungsebene der beiden Gesprächspartner aus. Möchte man also auf der Sachebene vorwärts kommen, muss die Beziehungsebene stimmen. Bei Gesprächen kommt es demnach zunächst darauf an, eine Beziehung zum Gegenüber aufzubauen, indem Sie auf die typischen Bedürfnisse von Menschen (Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung, das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung) reagieren. Hierbei geht es z.B. darum, welche Getränke, welche Speisen, welchen Komfort Sie anbieten. Möglichen Unsicherheiten können Sie durch zusätzliche Informationen begegnen. Letztendlich geht es aber auch darum, welche Gemeinsamkeiten Sie und Ihr Gegenüber haben, wie Sie Ihrem Gesprächspartner Wertschätzung erweisen, als was sich Ihr Gegenüber gerne sieht und wie Sie dem gerecht werden können. Kennen Sie Ihren Gesprächspartner bereits, können Sie beim Gesprächseinstieg auf Vorwissen zurückgreifen (Wie geht es Ihnen nach dem Urlaub? Wie kommen Sie in Ihrem Projekt voran?) oder gemeinsame Erlebnisse auffrischen (Erinnern Sie sich noch an unser letztes Geschäftsessen, der Chefkoch hat ein neues Restaurant eröffnet, es soll sehr gut sein.). Sind Sie Ihrem Gesprächspartner
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noch nie zuvor begegnet, muss Ihnen nicht unbedingt die gemeinsame Basis fehlen. Immerhin nehmen Sie beide gemeinsam an einer Situation teil, die Sie zur Sprache bringen können. Reden Sie über das nahe Liegende, thematisieren Sie etwas Offensichtliches: den Rahmen, in dem das Treffen stattfindet, oder den Anlass der Veranstaltung. Riecht der Besprechungsraum nach frischer Farbe, dann machen Sie das zum Thema, vielleicht gibt es auch eine kleine Anekdote aus Ihrem Heimwerkerdasein, die Sie erzählen können. Sie können den Zucker nicht erreichen? Bitten Sie jemanden um Hilfe usw. Damit haben Sie einen Gesprächseinstieg gefunden. Bevor Sie auf das eigentlich zu behandelnde Thema (Sachebene) kommen, können Sie noch etwas bei den typischen Small-Talk-Themen verweilen. Hierzu zählen Themen wie Reisen, Urlaub, andere Länder, die Anreise oder Verkehrsmittel. Wohnort bzw. Wohnsituation gehören genauso dazu wie die Themenbereiche Haustiere, Garten, Kunst und Kultur oder Essen und Trinken. Beliebte Felder sind auch Arbeit und Beruf sowie Sport und Kinder. All diese Themen sprechen viele an, sind aus dem Alltag, jeder kann mitreden und vor allem sind sie positiv besetzt. Tabu-Themen sind: politische Überzeugungen, familiäre Probleme, Religion, Intimes, Vermögensverhältnisse, psychische Probleme und Krankheiten. Voraussetzungen für eine gute Kommunikation sind genaues Zuhören und Beobachten. Welche Befindlichkeit hat Ihr Gesprächspartner? Was ist ihm wichtig? Ziel ist das emotionale Erfassen des Menschen. Versuchen Sie, Körpersprache und Veränderungen wahrzunehmen. Bilden Sie Hypothesen, was Ihre Wahrnehmungen bedeuten könnten. Überprüfen Sie diese, indem Sie sie als IchBotschaft zurückspiegeln. Unserer Einschätzung nach kann die situative Anwendung dieses Beispiels in vielen Kommunikationssituationen sinnvoll weiterhelfen, indem Sie ausdrücken, wie es Ihnen geht und was ihnen wichtig ist, ohne den Gesprächspartner zu verletzen. Verzichten Sie auf Verallgemeinerungen wie „man“, trennen Sie klar zwischen „ich“ und „Sie“. Reden Sie Klartext. Anstatt „eine Pause täte jetzt gut“, schlagen Sie Aktionen vor: „Machen wir eine kurze Pause?“ Je klarer Sie sich bzw. Ihre (emotionale) Befindlichkeit äußern, je weniger Sie blenden und bluffen, desto eher wird Ihr Gegenüber positiv reagieren. Sie können selbst prüfen, ob zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner eine gemeinsame Basis herrscht: Hören Sie sich selbst und Ihrem Gegenüber während des Gesprächs zu. Greift der eine das Vokabular des anderen auf? Ist das der Fall, haben Sie es geschafft, denn die gemeinsame Sprache ist unbewusst ein untrügliches Zeichen für eine gemeinsame Basis. Im Vergleich zum Telefonat kommt beim Gespräch von Angesicht zu Angesicht ein wesentlicher Faktor hinzu. Werden Sie sich bewusst, was Ihr Gegenüber an Ihnen sehen bzw. wahrnehmen kann. Neben Ihrer Stimme sind dies Ihre Mimik, Ihre Gestik, Ihre gesamte Haltung. Ihr Gesprächspartner wird verwirrt sein, wenn er sich widersprechende Signale wahrnimmt. Passt das Gesagte zur Mimik, zur Gestik und Haltung? Wirken Sie glaubwürdig? Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass ein authentisch wirkender Mensch eher akzeptiert wird als einer, der versucht, etwas anderes darzustellen, als er in Wahrheit ist oder meint. Also seien Sie glaubwürdig. Sie müssen nicht immer etwas sagen, wenn Sie etwas denken. Aber wenn Sie etwas sagen, dann sollten Sie das sagen, was Sie denken und auch das tun, was Sie sagen.
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3
Nach innen gerichtet: Kontaktmanagement und Führung
3.1
Kontaktmanagement und Bewertung
Bewertungsfragen – gleich welcher Art – gehören zu den schwersten Aufgaben, denen sich Menschen im Allgemeinen und Führungskräfte im Besonderen gegenübersehen. Wir haben es in diesem Zusammenhang mit drei Fragekomplexen zu tun: • Entwicklung eines unternehmenseigenen Erfolgsmaßstabs oder m.a.W. „Woran merke ich als Führungskraft, dass ich erfolgreich bin?“ • Wie lässt sich eine sinnvolle Verbindung zum unternehmenseigenen Zielsystem herstellen (Balanced Scorecard)? • Wie sieht eine leitbildorientierte und leistungsbezogene Honorierung der Mitarbeiter im konkreten Unternehmensalltag aus? Die Antwort auf die erste Frage scheint banal zu sein: Der Erfolg misst sich letztlich über mehr Umsatz in einem Gewinnanstieg. Damit ist aber noch nicht die Frage nach den Vorsteuergrößen des Erfolgs beantwortet. Als sinnvolle und von der Unternehmensleitung beeinflussbare Vorsteuergrößen haben sich in der Praxis folgende Erfahrungswerte herausgebildet: Jeder zufriedene Kunde gibt nach unserer Erfahrung eine bis drei werthaltige Empfehlungen in nachprüfbarer Form dem Kundenbetreuer zur Kenntnis. Diese werden auf einer Kundenkarteikarte (auch in elektronischer Form) erfasst und nachbearbeitet, d.h. konkret von dem Kundenbetreuer angesprochen. Die führungsmäßige Steuerung gestaltet sich dann relativ einfach durch die regelmäßige Überprüfung und Besprechung der Kundenkartei mit dem Kundenbetreuer. Daraus lassen sich ohne großen methodischen Aufwand individuelle Ziele für die Akquisitionsarbeit ableiten und steuernd von der Führungskraft begleiten. Immer dann, wenn sich wahrnehmbare Abweichungen von den Zielvereinbarungen in Bezug auf die Empfehlungsentwicklung ergeben, ist die Führungskraft gefordert, zeitnah ein Unterstützungs- und Reflexionsgespräch mit dem Verkaufsmitarbeiter zu suchen und zu führen. Eine sinnvolle Einbettung dieser Kundenkarteien und deren Entwicklungen durch das Empfehlungsmanagement in ein unternehmenseigenes Zielssystem kann dergestalt erfolgen, dass das Zielsystem zunächst auf die Vision und das Leitbild des Unternehmens abgestimmt wird. In einem nächsten Schritt ist das Zielsystem mit den strategischen Maßnahmen in Übereinstimmung zu bringen. Ein über einen Moderator gesteuerter Kommunikationsprozess ermöglicht die Verzahnung dieser unternehmensindividuellen Bausteine. Dieser Kommunikationsprozess ist Teil einer gesteuerten Unternehmensentwicklung, die langfristig angelegt werden muss und bei der kein Baustein ohne negative Auswirkungen für die Gesamtentwicklung ausgelassen werden sollte (vgl. Bild 8).
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Bild 8: Kommunikation & Balanced Scorecard
5. Strategische Projekte umsetzen
6. Berichtssystem zum Zielsystem entwickeln
7. Lernprozess organisieren
Kommunikation & Balance Scorecard
4. Aktionen zu strategischen Projekten zusammenfassen
3. Strategisches Zielsystem mit geplanten Aktionen zusammendenken (Ideen sammeln)
2. Strategisches Zielsystem entwickeln (Führungs-Scorecard)
1. Leitbild entwickeln
3.2
Führungsaufgabe Kontaktmanagement
Die Führungsaufgabe besteht u.E. darin, die gesamte Unternehmung nach außen und auch nach innen hin auf ein effektives und effizientes Kontaktmanagement auszurichten. Das heißt u.a. konkret die Haltung der leitenden Führungskräfte auf eine glaubwürdige Vorbildfunktion abzustimmen und sinnvoll mit der Vision, dem Leitbild und der Strategie des Unternehmens zu verzahnen. Die „Nagelprobe“ in der Praxis zeigt sich erfahrungsgemäß immer erst im konkreten Einzelfall, beispielsweise im Umgang mit Beschwerden und bei drohenden Meinungsverschiedenheiten und Konflikten, die im Kundenkontakt auftreten können. Häufig werden diese Beschwerden oder Konflikte bei einzelnen Verkaufsmitarbeitern individuell als Leistungsblockaden wahrgenommen. Nimmt ein Mitarbeiter eine Leistungsblockade in seiner individuellen Welt wahr, dann ist dies keine Tatsache, sondern ein Gedanke, der bei ihm ein Gefühl erzeugt. Tatsache ist höchstens, dass irgendetwas sich momentan – aus der Sicht des Betroffenen – nicht so entwickelt, wie der Betrachter dies wahrzunehmen meint, dass es sich entwickeln soll. An dieser Stelle ist es erfahrungsgemäß hilfreich, wenn die eventuell auftretenden Gefühle von Unzufriedenheit, Ungeduld, Ärger und Angst gewürdigt werden, indem sie gezeigt werden dürfen. Dabei kann die Führungskraft situativ helfen, indem sie dem betroffenen Mitarbeiter in einem Einzelgespräch die Möglichkeit gibt, über dieses Gefühl zu sprechen. Die Führungskraft „spiegelt“ dem Mitarbeiter seine Eindrücke -ohne Be-Wertung -, während dieser über seine Emotionen in Bezug auf konkrete Einzelfälle aus dem Kontaktmanagement spricht. Im Verlauf dieses Gespräches macht es Sinn, wenn die Führungskraft auf Signale des Mitarbeiters achtet, aus denen abgeleitet werden kann, ob der Mitarbeiter eine geeignete persönliche Haltung einnimmt („ich will“) oder ob der Mitarbeiter Schwierigkeiten im konkreten Tun hat. Ist letzteres der Fall, kommt auf die Führungskraft die Aufgabe einer situativen Förderung oder Personalentwicklungsmaßnahmen zu. Erfahrungsgemäß sind in solchen Fällen eine engere Führung durch kürzerfristiges Reporting und/ oder ein Coaching für den betreffenden Mitarbeiter hilfreich. Damit wird der Mitarbeiter durch die verantwortliche Führungskraft situationsangepasst „abgeholt“ und aktiviert. Sollte die direkte Führungskraft keine Verhaltensänderung bei dem Mitarbeiter in einem überschaubaren Zeitraum (erfahrungsgemäß ist das nach drei bis sechs Monaten erkennbar) feststellen können, empfehlen wir die Einschaltung eines (externen) Coaches. Dieser Coach arbeitet dann mit dem Mitarbeiter etwa vier halbe Tage, die auch auf acht Termine verteilt werden können, um eine Verhaltensänderung einleiten und begleiten zu können. Gelingt dies nicht und der Mitarbeiter zeigt keine Fortschritte, dann ist dringend ein Mitarbeiterqualifizierungsgespräch zu führen und wenn das Unternehmen keinen anderen fähigkeitsadäquaten Arbeitsplatz anbieten kann, dann ist eine Trennung im beiderseitigen Einvernehmen das Mittel der Wahl. Unterstützt werden kann dieser Führungsprozess durch organisatorische Systeme innerhalb eines Unternehmens. Dabei ist zuerst an den Aufbau eines Zielvereinbarungssystems in Form einer Balanced Scorecard als Orientierungsrahmen für das Kontaktmanagement zu denken, das von der Geschäftsleitung sinnvoll durch regelmäßige Zielvereinbarungs- und Reportinggespräche begleitet wird. In der Praxis hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, wenn die Unternehmensleitung über das Zielvereinbarungssystem für eine optimale Besprechungskultur zur Optimierung des nach außen gerichteten Kontaktmanagements sorgt. Dabei geht es nicht um die Einführung endloser Besprechungsrunden zur langatmigen Erörterung von Einzelfällen, sondern um die Information, den Erfahrungsaustausch im Sinne einer kollegialen Beratung und der systemischen Steuerung durch die unmittelbar verantwortliche Führungskraft. Zwingend notwendig ist dabei die Festlegung von Rollen und Regeln bei diesen vertriebsorientierten Besprechungen. Daran anschließen kann sich ein Besprechungscoaching für „schwierige“ (Vertriebs-) Mitarbeiter, das sich in der Praxis bewährt hat.
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3.3
Kontaktmanagement und Besprechungskultur
Eine effiziente und effektive Besprechungskultur ist nicht nur ein immerwährendes Thema in Unternehmen, sondern die Optimierung derselben ist gleichzeitig eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Gestaltung des Kontaktmanagements nach außen. Erfahrungsgemäß wird sehr häufig auf eine solche Optimierung verzichtet und in Besprechungen „sinnlos“ viel Zeit und Energie ineffizient und ineffektiv verschwendet. Wird in Unternehmen nicht die Besprechungskultur immer wieder zum Gegenstand gemeinsamen Reflektierens gemacht, sind zeitraubende Sitzungen an der Tagesordnung. So kann sich nur die verbliebene Zeit und Energie auf Kunden und potentielle Kunden richten - und das erweist sich sehr häufig als „zu wenig“. Wirft man einen vertiefenden Blick auf die in KMU herrschende Besprechungskultur, wird dies noch deutlicher. Hierbei zeigen sich immer wieder folgende Befunde – teilweise auch mehrere gleichzeitig: • Es finden keine regelmäßigen Besprechungen im Unternehmen statt, weil die Führungskräfte den Sinn und den Nutzen solcher Veranstaltungen für sich und ihre Mitarbeiter nicht erkennen oder ihn nicht wahrhaben wollen, respektive ein mehr oder weniger großes Unbehagen vor Besprechungen haben. Das gipfelt dann häufig in Aussagen wie: „Wir müssen arbeiten und haben keine Zeit zum Sitzen und Kaffeetrinken“. • Finden Besprechungen in Unternehmen statt, dann ereignen sich diese nur auf der obersten Führungsebene. Besprechungen von Führungskräften mit ihren jeweiligen Mitarbeitern auf Abteilungs- oder/und Gruppenebene finden nicht statt. Statt dessen werden die Informationen „ad hoc mündlich oder per Aushang von oben nach unten“ zu den Mitarbeitern transportiert mit der Folge, dass Informationsdefizite entstehen, weil Nachfragen nicht möglich sind und häufig auch nicht gewünscht werden. • In Unternehmen, in denen regelmäßige Besprechungen mit Mitarbeitern stattfinden, lässt sich beobachten, dass die Besprechungen nach Empfinden der Beteiligten häufig zu lange dauern. Erfahrungsgemäß ist hier festzustellen, dass in solchen Besprechungen einerseits ein Informationsaustausch mit dem Lösen von operativen Problemen vor Ort einhergeht. Eine solche strukturelle Themenvermischung gepaart mit einer nicht moderierten Besprechung führt sehr häufig nicht nur zu (über-) langen Sitzungen, sondern auch bei vielen Teilnehmern zu dem Gefühl: „Das hat mir nichts gebracht.“ Dies führt in der Folge zum Teil zu massiven Motivationsproblemen der Mitarbeiter und bei den Führungskräften zur latenten Tendenz „härter durchzugreifen“ und insofern von einem kooperativen Führungsstil „aus Erfahrung“ abzuweichen. • In Unternehmen, in denen die Besprechungen nach Themenbereichen wie Informationsveranstaltung und Problemlösungssitzung geteilt sind, ist häufig festzustellen, dass letztere deswegen im Verlauf unbefriedigend empfunden werden, weil ihnen die Verbindlichkeit fehlt. Maßnahmenvereinbarungen müssen immer wieder „durchgesprochen“ und verlängert werden, weil die Aufgaben infolge mangelnder Führungskonsequenz einfach nicht abgearbeitet werden. In solchen Problemlagen tendieren viele Führungskräfte statt zu einer offenen Reflexion über mögliche methodische Unzulänglichkeiten wiederum zu einer „härteren Gangart“ in der Führung und zur Absetzung solcher Sitzungen, weil sie „ohnehin nichts bringen“ - mit unübersehbaren Folgen für die Motivationslage und die Unternehmenskultur. • Ad hoc einberufene Besprechungen mit den Mitarbeitern, ohne diese inhaltlich vorab zu informieren, sorgen erfahrungsgemäß immer wieder für „eine schlechte Stimmung“, weil die Mitarbeiter gar nicht genau wissen, um was es in der Besprechung geht. Dies geht einher mit der häufig anzutreffenden Haltung: „Was wollen die jetzt schon wieder von uns, und was machen denn die Führungskräfte selbst?“
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Die Einführung einer effektiven und effizienten Besprechungskultur ist immer dann angezeigt, wenn entweder obige Einschätzungen Platz ergreifen oder wenn die leitenden Führungskräfte das Gefühl haben, es gibt noch verborgene Wertschöpfungsreserven, die auf ungenügende Kommunikation und mangelnde Zusammenarbeit an den Schnittstellen im Unternehmen zurückzuführen sind. Das bedeutet konkret, eine Besprechungssystematik so aufzubauen, dass einerseits regelmäßige Kurzinformationstreffen durchgeführt werden und andererseits mit Hilfe geeigneter Methoden (z.B. Methoden des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses KVP) systematisch Problemlösungssitzungen unter Einbezug der betroffenen Mitarbeiter stattfinden, die von einem ausgebildeten Moderator geleitet werden. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang lautet: „Wie bekomme ich als Geschäftsführer/Geschäftsführerin die volle Arbeitskraft meiner Mitarbeiter?“ Die der Antwort zugrunde liegenden Ausführungen gehen auf Reinhard K. Sprenger zurück, die er in seinem Buch „Mythos Motivation“ überzeugend dargelegt hat. Die Überlegungen eigenen sich einerseits sehr gut zur Selbstreflexion und andererseits zum Eingrenzen der möglichen Ursachen von Motivationsproblemen von Mitarbeitern. In einem ersten Zugriff kommt die Motivation fast ausschließlich vom Mitarbeiter selbst im Sinne von Eigensteuerung und Eigenmotivation, was wiederum auch mit dem Einbezug der betroffenen Mitarbeiter in Problemlösesequenzen (siehe KVP oben) positiv beeinflusst werden kann. Dabei spielt das Verfolgen eigener Ziele und Werte die entscheidende Rolle. Gemeint ist damit die Leistungsbereitschaft des Einzelnen oder „das Wollen“. Motivieren kann eine Führungskraft nur dadurch, dass sie für den Mitarbeiter, der leistungsbereit ist, Anreize durch absichtsvolles und glaubwürdiges Handeln schafft, d.h. „dürfen“ im Sinne von Leistungsmöglichkeit oder Rollenklärung und „können“ im Sinne von Leistungsfähigkeit oder persönlicher Weiterentwicklungsmöglichkeiten für den Mitarbeiter. Was die Führungskraft konkret tun kann, zeigt das Bild 9. Somit sind wir nunmehr wieder bei den Motiven oder Beweggründen menschlichen Handelns speziell im Verkaufsprozess - angelangt und wir hoffen, dass deutlich geworden ist, dass Kontaktmanagement nur dann einen Sinn macht, wenn das gesamte Unternehmen sowohl nach innen als auch nach außen auf Akquisition und Verkaufen ausgerichtet wird. Wird dies systematisch in einem Unternehmen angepackt, dann wird sich der Erfolg aufgrund der Entwicklung an dieser Vorsteuergröße (des Erfolges) im Umsatz niederschlagen. Einen Beitrag für eine diesbezügliche Vorstellung bei den Entscheidungsträgern und Verantwortlichen in KMU zu entwickeln, war der Sinn und Zweck der hier dargelegten Ausführungen.
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Bild 9: Förderung der Mitarbeitermotivation
5. Führungsverantwortung aktiv übernhmen
6. Aufmerksam sein für die vielen demotivierenden Faktoren, die die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern mindern
7. Selbststeuerung und Selbstverantwortung des Mitarbeiters anregen
Förderung der MitarbeiterMotivation
4. Leistungsmöglichkeiten schaffen
3. In die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern investieren: Weiterbildung
2. Ziele verhandeln und vereinbaren
1. Leistung einfordern
Literaturempfehlungen Axelrod, R.:
Die Evolution der Kooperation; Oldenburg 2000
Bateson, G.:
Geist und Natur. Eine notwendige Einheit; 6. Aufl.; Frankfurt/M. 2000
Bonneau, E.:
Erfolgsfaktor Small Talk Gräfe und Unzer, München 2002
Dahrendorf, R.:
Auf der Suche nach einer neuen Ordnung; München 2003
De Bono, E.:
Taktiken und Strategien erfolgreicher Menschen; Landsberg 1988
Endress, M.:
Vertrauen; Bielefeld 2002
Falkenberg, V.:
Briefe, Faxe, E-Mails; Taschenguide Haufe, Planegg 2003
Friedag/Schmidt:
Balanced Scorecard; Planegg 2002
Friedrich, K.:
Empfehlungsmarketing Neukunden gewinnen zum Nulltarif 4. Aufl.; Gabal; Offenbach 2004
Haas/Muthers:
Mitarbeiter als (Mit-) Unternehmer. In sieben Schritten zu mehr Erfolg und Karriere; Offenbach 1996
Kluge, F.:
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache; 24. Aufl.; Berlin/New York 2002
Lévinas, E.:
Zwischen uns. Versuche über das Denken an den Anderen; München 1995
Luhmann, N.:
Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität; 3. Aufl.; Stuttgart 1989
Maturana/Varela:
Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens; Bern u.a. 1987
Nefiodow, L.A.:
Der sechste Kondratieff. Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information; 4. Aufl.; Sankt Augustin 2000
Sen, A.:
Ökonomie für den Menschen. Wege zur Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft; München 2000
Schreyögg, A.:
Konfliktcoaching; Eine Anleitung für den Coach; Frankfurt/M. 2002
Schulz v. Thun, F.:
Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte; Reinbek b. Hamburg 2000
Sottong, H. et al.:
Das Unternehmen im Kopf; Schlüssel zum erfolgreichen Change-Management; München 2000
Sottong, H. et al.:
Storytelling – Das Harun-al-Raschid-Prinzip. Die Kraft des Erzählens fürs Unternehmen nutzen; München 2004
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Sprenger, R.:
Mythos Motivation - Wege aus einer Sackgasse; Frankfurt/M.;7. Aufl. 1994
Sprenger, R.:
Das Prinzip Selbstverantwortung – Wege zur Motivation; Frankfurt/M. 1995
Sprenger, R.:
Vertrauen führt - Worauf es im Unternehmen wirklich ankommt; Frankfurt 2004
Watzlawick/Beaven/Jackson: Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien; 5. unveränderte Aufl.; Bern 1980 Watzlawick, P.:
Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen; 21. Aufl.; München 1996
Weick, K. E.:
Der Prozess des Organisierens; 2. Aufl.; Frankfurt/M. 1998
Wilber, K.:
Ganzheitlich handeln. Eine integrale Vision für Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Spiritualität; Freiamt 2001
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Zu den Autoren Silke Balbierz, Dipl. Kauffrau Langjährige Beratungserfahrung in Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch in Großunternehmen. Geschäftsführerin der kompzet Beratungsgesellschaft in Bad Tölz. Umfangreiche Erfahrung in folgenden Arbeits- und Beratungsbereichen: Gruppenarbeit, KVP, Personalentwicklung, Potentialanalyse, Kreativitätstechniken, Moderation von Workshops, Moderatorentrainings, Gesprächsführung, Mediation. [email protected]
Dr. Norbert Weiss, Dipl.-Volkswirt Langjährige Beratungserfahrung in Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch in Großunternehmen. Geschäftsführer der symbio Beratungsgesellschaft und geschäftsführender Gesellschafter der symbio EWIV – Organisationen & Persönlichkeiten. Umfangreiche Erfahrung in folgenden Arbeitsund Beratungsbereichen: Motivorientierte Akquisition, KVP, Konfliktmanagement & Mediation, Coaching von Führungskräften, Supervision, systemische Organisations- und Personalentwicklung, Wirtschaftsphilosophie. [email protected]
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Aus dem RKW-Verlag Silke Balbierz Ideen entwickeln, sammeln, bewerten Mit dem Ideen-Zirkel zu neuen Produkten 2006, 48 Seiten; RKW-Nr. 1510; ISBN 3-89644-257-0; 18 € Sabine Liberty Das schriftliche Gespräch mit dem Kunden Werbebriefe, die ankommen 2006, 66 Seiten; RKW-Nr. 1508; ISBN 3-89644-255-4; 20 € Thomas Johne Basiswissen Kundenorientierung - Kundenbindung Strategien für erfolgreiche Kundenbeziehungen 2005, 49 Seiten; RKW-Nr. 1505; ISBN 3-89644-252-X; 16,80 € Thomas Johne Basiswissen Marketing Strategien für Erfolg am Markt 2005, 52 Seiten; RKW-Nr. 1502; ISBN 3-89644-249-X; 14,80 € Anja Schulz Internationalisierung von KMU: Spezielle Risiken erkennen, Chancen im Ausland richtig einschätzen 2004, 96 Seiten; RKW-Nr. 1503; ISBN 3-89644-250-3; 18,80 € Anja Schulz/Martin K. Welge Internationalisierung von KMU: Unterstützungsangebote auf dem Weg ins Ausland 2006, 96 Seiten; RKW-Nr. 1507; ISBN 3-90644-254-6; 18,80 € Andreas Sattler u.a. Kapital schöpfen durch Ausgabe von Genussrechten, Beteiligungen und Schuldscheinen Emission und Prospekterstellung 2006, 130 Seiten; RKW-Nr. 1512; ISBN 3-89644-259-7; 25 € Arno Kastner Wie bekomme ich einen Kredit für mein Unternehmen? Ein Rating- und MaK-Ratgeber 2004, 110 Seiten; RKW-Nr. 1466; ISBN 3-89644-213-9; 19,80 € Projektmanagement-Fachmann 2005, 8. Auflage 1340 Seiten, 650 Abbildungen, 2 Bände in Schuber RKW-Nr. 1120, ISBN 3-926984-57-0; 154 € RKW-Verlag, Postfach 5867, 65733 Eschborn Tel. 06196/495-2821, Fax 06196/495-4401, E-Mail: [email protected], www.rkw.de
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