Ökonomische Vernetzung: Holzwirtschaft in den Dolomiten im 16. Jahrhundert – Tiers, Welschnofen und Fassa [1 ed.] 9783412528201, 9783412528188


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German Pages [253] Year 2023

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Ökonomische Vernetzung: Holzwirtschaft in den Dolomiten im 16. Jahrhundert – Tiers, Welschnofen und Fassa [1 ed.]
 9783412528201, 9783412528188

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Karin Pattis

Ökonomische Vernetzung Holzwirtschaft in den Dolomiten im 16. Jahrhundert – Tiers, Welschnofen und Fassa

BAN D 14 | | | ZÜRCHER BEITRÄGE ZUR GESCHICHTSWISSENSCHAFT

ZÜRCHER BEITRÄGE ZUR GESCHICHTSWISSENSCHAFT BAND 14

HERAUSGEGEBEN VOM HISTORISCHEN SEMINAR DER UNIVERSITÄT ZÜRICH

ÖKONOMISCHE VERNETZUNG Holzwirtschaft in den Dolomiten im 16. Jahrhundert – Tiers, Welschnofen und Fassa VON KARIN PATTIS

Die Drucklegung dieser Dissertation erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Gemeinde Welschnofen, der Gemeinde Tiers, dem Amt für deutsche Kultur der Autonomen Provinz Bozen, der Firma Holz Pichler Forst und der Raiffeisenkasse Schlern-Rosengarten. Allen sei dafür herzlich gedankt.

Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Frühjahrssemester 2022 auf Antrag der Promotionskommission Prof. Dr. Stefan Sonderegger (hauptverantwortliche Betreuungsperson) und Prof. Dr. Sebastian Scholz als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Holzlager von ungefähr 9.000 Vorratsfestmetern 1943 von Menschenhand und nur mit Hilfe von Ochsenfuhrwerken errichtet. © Paula Seehauser Dejori, Welschnofen Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Korrektorat: Lektorat Buckreus, Regensburg Satz: le-tex publishing services, Leipzig

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52820-1

Inhalt

Vorwort ................................................................................................

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Fragestellung, Forschungs- und Quellenlage ..........................................

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1. Geografie ........................................................................................ 15 2. Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen ........................................... 19 3. Landwirtschaft am Berg ................................................................... 45 4. Die Holzwirtschaft ........................................................................... 67 5. Ökonomische Vernetzung ................................................................ 109 6. Die Holzhandelsgesellschaften ......................................................... 149 7. Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel...................................................................... 177 Fazit .................................................................................................... 211 Abkürzungen ........................................................................................ 217 Quellen ............................................................................................... 219 Literatur ............................................................................................... 221 Hofnamen ............................................................................................ 231 Währungen .......................................................................................... 233 Tabellen ............................................................................................... 235 Abbildungsverzeichnis........................................................................... 237 Glossar ................................................................................................ 241 Ortsnamen ........................................................................................... 245 Namensregister .................................................................................... 249

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde 2022 als Dissertation an der Universität Zürich angenommen und für den Druck leicht überarbeitet. Die Möglichkeit, mich mit der Bedeutung der Holzwirtschaft in meiner Heimatregion in den westlichen Dolomiten zu Beginn der Neuzeit näher zu befassen und eine Dissertation darüber zu schreiben, verdanke ich Prof. Stefan Sonderegger. Er hatte sich im Sommer 2015 bereit erklärt, die Betreuung eines Doktorates an der Universität Zürich zu übernehmen. Für seine Unterstützung und für die vielen wertvollen Anregungen bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet. Bedanken möchte ich mich zudem bei meinem Zweitbetreuer Prof. Sebastian Scholz für wertvolle Hinweise und die Möglichkeit, die Dissertation in gedruckter Form in den „Zürcher Beiträgen zur Geschichtswissenschaft“ zu veröffentlichen. Mein Interesse für die Thematik war vor mehreren Jahren in Gesprächen mit Prof. Gigi Corazzol, einem profunden Kenner der Bedeutung des Rohstoffes Holz für die Seerepublik Venedig, geweckt worden. Er hatte mich ermutigt, eine überregionale Studie zu den Wirtschaftsbeziehungen Venedigs mit den Tiroler Grenzgebieten in den westlichen Dolomiten anzugehen und Aspekte zu vertiefen, die bislang vor allem aufgrund sprachlicher Barrieren kaum erforscht worden waren. Ihm schulde ich für die intensiven Gespräche, für Literaturempfehlungen, für die Möglichkeit, Antworten auf viele offene Fragen zu bekommen, und für die Durchsicht der Arbeit großen Dank. Ebenso wertvoll war die Unterstützung meiner ehemaligen Professoren der Universität Venedig Giorgio Politi und Reinhold C. Mueller. Beide ermöglichten mir einen fachlichen Austausch, gaben mir Literaturempfehlungen und bestärkten mich darin, der Geschichtsforschung neben meinem Beruf als Lehrperson weiter nachzugehen. Eine wichtige Ansprechperson für die Geschichte des Fassatales war Fabio Chiocchetti, ehemaliger Direktor des Ladinischen Instituts in Vigo di Fassa. Auch ihm sei für viele wertvolle Hinweise gedankt. Danken muss ich darüber hinaus Helene Dorner für die Korrektur des Manuskripts und den Forstbeamten der Forststation Welschnofen Thomas Wanker, Thomas Pittner, Tamara Herbst und Andrea Dori sowie Celso Rizzi von der Forststation Fassa/Fiemme für wertvolle Informationen zur Waldwirtschaft der Region. Josef Mairhofer gebührt ebenfalls mein Dank für die Führung durch seine Venezianer Säge, die leider im Juli 2022 durch einen Brand zerstört wurde.

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Vorwort

Durch die Bereitschaft, die Trägerschaft für die Drucklegung zu übernehmen, zeigte der Bildungsausschuss Welschnofen seine Wertschätzung für meine Forschungsarbeit, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin. Schließlich danke ich meiner Familie, die mit Interesse meine Arbeit verfolgte und mir mit viel Verständnis zur Seite stand. Meinem Mann und meinen Kindern ist diese Arbeit gewidmet.

Fragestellung, Forschungs- und Quellenlage

Welschnofen, Tiers sowie Fassa sind Ortschaften in den westlichen Dolomiten, für die eine Studie durchgeführt werden kann, weil Quellen zur Verfügung stehen, die einen tieferen Einblick in die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des 16. Jahrhunderts erlauben. Da sich die Landwirtschaft, vor allem der Getreideanbau, in dieser Region aufgrund der geografischen Gegebenheiten schwierig gestaltete und eine Selbstversorgung kaum möglich war, erwies sich die Anbindung an einen Markt als unumgänglich.1 Am ehesten war eine Kapitalisierung im Bereich der Viehzucht und der Holzwirtschaft möglich, den tragenden Säulen der lokalen Wirtschaft.2 Der Spezialisierung der Wirtschaft in dieser voralpinen-alpinen Region im Laufe des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist die vorliegende Studie gewidmet. Informationen dazu finden sich im sogenannten pragmatischen Schriftgut (Urbarien, Zins- und Rechnungsbücher), das von der Grundherrschaft angelegt wurde. Ein wichtiger und sehr wertvoller Teil dieses Quellentyps befindet sich im Archiv des Augustiner Chorherrenstiftes Neustift bei Brixen, da in Welschnofen viele Höfe zur Grundherrschaft Neustift gehörten. Das Kloster ließ Urbarien, Zins- und Rechnungsbücher anlegen, um die Herrschaftsansprüche durchzusetzen und die Einnahmen und Ausgaben festzuhalten. Für Tiers und Fassa ließ der Brixner Hof, das wichtigste Organ des Brixner Bischofs in seiner Funktion als weltlicher Herr des Hochstifts und als Reichsfürst, ebenfalls die Verpflichtungen der Leihnehmer aufzeichnen. Diese Quellen liefern wichtige Hinweise über die Beziehung der Bauern zur Grundherrschaft, die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort sowie über Formen der Kommunikation und Konfliktbewältigung. Die Ergebnisse der Auswertung weisen viele Parallelen zu den Studien zur ländlichen Gesellschaft aus der Feder von Roger Sablonier und Stefan Sonderegger auf, die für einen Vergleich herangezogen wurden.3 Die Grundherrschaft war präsent, für deren Beziehung zu den Leihnehmern zeichneten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts allerdings Veränderungen ab, sie war nun zunehmend wirtschaftlich geprägt. Ein wichtiger wirtschaftsbestimmender Faktor der Untersuchungsregion war die Nähe zur Stadt Bozen, der Austausch war für beide Seiten eine Notwendigkeit:

1 Vgl. Opitz, Neue Wege, S. 90; Sonderegger/Zangger, Deckung des bäuerlichen Konsumbedarfs, S. 16; Sablonier, Das Dorf, S. 733; Occhi, Boschi, S. 12; Imboden, Alpenländischer Kapitalismus, S. 28–29; Reith, Überlegungen, S. 142–143; Schläppi, Bäuerliches Handeln, S. 118–119. 2 Pattis, Ökonomie, S. 16. Gratl, Grenzgerichte, S. 207. 3 Sablonier, Verschriftlichung, S. 10; Sonderegger, Aktive Grundherren, S. 236.

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Fragestellung, Forschungs- und Quellenlage

Bozen und sein Umland wurden mit Produkten aus der Viehwirtschaft sowie Brenn- und Weingartholz beliefert, Stadt und Umland standen in einer engen wirtschaftlichen Beziehung, eine Tatsache, die für die historische Forschung seit den 90er Jahren allgemein unumstritten ist.4 Für die untersuchte Region bestätigt sich zudem die Aussage Franz Irsiglers, dass „für das Wachstum einer Stadt und deren Beziehung zum Umland die Frage nach der Energie“ nicht unterschätzt werden sollte.5 Die Notwendigkeit des Bozner Talkessels, sich die Versorgung mit Rohstoffe wie Brenn- und Bauholz zu sichern, wirkte auf die Bergregion in der näheren Umgebung siedlungsfördernd und bestätigt eine gegenseitige Abhängigkeit von Stadt und Umland. Im Laufe des 16. Jahrhunderts kam es im Bereich der Holzwirtschaft zu einer Ausweitung des Marktes, der Verkauf von Bauholz beschränkte sich nicht nur mehr auf die regionale Ebene, sondern erreichte eine überregionale Dimension. Eine ähnliche Entwicklung dokumentiert Kießling für Nördlingen um die Wende des 15. Jahrhunderts, wo der Wochenmarkt, Messen und der Fernhandel bestimmende Strukturelemente der Wirtschaft waren.6 In der folgenden Studie soll der Untersuchungsschwerpunkt allerdings nicht auf die Städte als Absatzmärkte gelegt werden, sondern auf die Wirkung ihrer Nachfrage auf die Bergregion mit ihren ausgedehnten Wäldern. Im Laufe des 16. Jahrhunderts erweiterte sich der Markt, Holz wurde zu einem wichtigen Exportgut. Die Nachfrage vonseiten der norditalienischen Städte stand im Falle von Tiers und Welschnofen allerdings in Konkurrenz zum Weingartholzbedarf der Stadt Bozen. Konflikte blieben nicht aus. Diese sind dokumentiert in Kammerkopialbüchern, Registraturen des Schriftguts der Oberösterreichischen Kammer (auch Vorderösterreichische Kammer), die seit 1493 als Kollegialbehörde für die Finanzverwaltung in der Grafschaft Tirol und den Vorlanden zuständig war. Die für diese Arbeit verwendeten Kopialbücher umfassen die Buchreihen „Entbieten und Befelch, Geschäft von Hof und Gemeine Missiven.“7 Ab 1560 sind Erlasse von Waldbereitungen und Waldordnungen vorhanden, die dokumentieren, dass der Holzhandel zusehends an Bedeutung gewann. In der untersuchten Region prallten Interessen unterschiedlicher Akteure aufeinander. Zu Interessensüberschneidungen kam es auch im Gericht Fassa, das zwar kein Weingartholz stellte, den Holzverkauf aber nicht den Unternehmern überlassen wollte. Informationen dazu finden sich im Staatsarchiv Bozen, speziell in verschiedenen Briefwechseln, in Verhandlungsprotokollen und Verträgen zu den 4 Eine Übersicht zur Forschungslage findet sich in: Kiessinger, Die Stadt, S. 3–5. Zudem in: Sonderegger, Reichsstadt, S. 12; Kießling, Gilomen, Stadt-Land Beziehungen, S. 12–14. Troßbach, Kreise, S. 134. 5 Irsigler, Wirtschaftsräume, S. 201. 6 Kießling, Die Stadt, S. 158–159. 7 Beimrohr, Tiroler Landesarchiv, S. 78–81.

Fragestellung, Forschungs- und Quellenlage

Holznutzungsrechten und zum Verkauf sowie in Schreiben, die die Interessen und die Beschwerden der lokalen Bevölkerung beinhalten. Es handelt sich dabei um einen Bestand des ehemaligen Hochstiftarchivs Brixen, der sich heute im Staatsarchiv Bozen befindet.8 Eine wichtige Ergänzung zu diesen bereits genannten Quellen waren Bestände des Diözesanarchivs in Brixen, nämlich Hofakten, Hofregistraturen und Hofratsprotokolle. Bei den Hofakten handelt es sich um Pergamenturkunden, die Hofregistraturen enthalten die Korrespondenz des Brixner Hofrates, die Hofratsprotokolle die Protokolle der Sitzungen des Rates.9 Aufgrund der Vielzahl an Bänden der Hofregistraturen (mindestens ein Band für jedes Jahr) und fehlender Inhaltsverzeichnisse wurde der Schwerpunkt auf die Jahre 1590 bis 1610 gelegt. Diese Auswahl hing mit Hinweisen zu intensiven Holzgeschäften in der Region in den bereits konsultierten Quellen zusammen. Die Auswertung des Materials zeigte, dass der Austausch zwischen der Bergregion und der Ebene ein wirtschaftsbestimmender Faktor war; bäuerliche Wirtschaft war im 16. Jahrhundert weit stärker in die Marktbeziehungen eingebunden, als lange angenommen wurde.10 Auf die bereits erwähnten überregionalen Warenflüsse weisen auch die Studien von Katia Occhi und Gigi Corazzol sowie die Quellenedition zum Holzhandel von Italo Giordani hin.11 Nennenswert zum Thema sind des Weiteren zwei Artikel von Claudio Lorenzini, die Studien von Mauro Nequirito und Bianca Simonato Zasio sowie die Diplomarbeit von Patrizia Eicher Clere. Die Autoren zeigen darin, welche Auswirkungen der Holzbedarf der Lagunenstadt Venedig auf die gesamte Wirtschaft des Einzugsgebietes der Flüsse Brenta, Piave und Tagliamento hatte. Im Laufe des 16. Jahrhunderts war ein von einigen Unternehmerfamilien dominiertes Handelsnetz entstanden, über das die Lagunenstadt und das Festland mit Holz und Erzen versorgt und die Berggebiete mit Getreide, Öl und Stoffen beliefert wurden.

8 Aufgrund der geschichtlichen Ereignisse seit dem beginnenden 19. Jahrhundert (Auflösung der Fürstbistümer im Jahr 1803, Besetzung Tirols durch Napoleon in den Jahren 1810–1814, Anschluss Südtirols und des Trentino an Italien 1919) wurde ein Teil des Archivs des Hochstifts Brixen zuerst nach Innsbruck, dann nach München und dann wieder nach Innsbruck und teilweise auch nach Wien gebracht. Nach dem 1. Weltkrieg wurden diese Archivalien ins neu eingerichtete Staatsarchiv Bozen verlegt und als Bestand mit der Bezeichnung „Bischöfliches Archiv Brixen“ aufbewahrt. Eine Übersicht für jede Lade erleichterte die Suche nach Dokumenten. Für die folgende Studie wurden hauptsächlich die Laden 69 für Buchenstein, 73 für Tiers und 128 für Fassa herangezogen; Toniatti, Documentazione, S. 66–68; Kustatscher, Diözesanarchiv Brixen, S. 308. 9 Kustatscher, Diözesanarchiv Brixen, S. 259. 10 Troßbach, Kreise, S. 134. 11 Occhi, Boschi, S. 10–12, 23; Corazzol, Piani, S. 118; Giordani, https://www.storiadifiemme.it/ documento-del-mese-2008-02.html.

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Fragestellung, Forschungs- und Quellenlage

Diese Arbeiten beschränken sich nicht auf den Holzhandel in einer Region, sondern analysieren die komplexen Handelsbeziehungen mächtiger Unternehmer.12 Die erwähnten Arbeiten waren ein wichtiger Anhaltspunkt für die folgende Untersuchung. Ich zeige in meiner Studie auf, dass die untersuchte Region Teil eines globalen Handelsnetzes war, was Auswirkungen auf die ökonomischen und sozialen Gegebenheiten vor Ort nach sich zog. Bei deren Erforschung standen folgende Fragen im Vordergrund: Welche Folgen hatte dieser globalisierte Holzmarkt auf das Leben der Bewohner, wie standen sie zu dieser Entwicklung? Die Sichtung der komplexen Quellenlage wurde durch verschiedene Studien über diese Orte erleichtert. Dazu zählen die Publikationen von Ignaz Kircher, Eduard Pichler und Franz Kohler über Welschnofen, die Veröffentlichungen Frumenzio Ghettas, die Dissertationen von Rita Gratl und Angela Mura über das Fassatal und die Dissertation von Helga Spitaler über Tiers.13 Pichler und Spitaler weisen auf die Bedeutung der Holzwirtschaft für die Orte Welschnofen und Tiers hin und erwähnen das Interesse der Obrigkeit, den Holzhandel zu lenken sowie das Holz an venezianische Kaufleute zu vermarkten. Wertvolle Informationen über die Holzwirtschaft in der Region können zudem der Festschrift einer Ausstellung über die Bedeutung des Holzes für das Fleimstal aus dem Jahr 2018 und dem Buch von Rosa Stocker Bassi über das Gericht Deutschnofen entnommen werden.14 Diese Studien heben die Bedeutung der Holzwirtschaft hervor, gehen aber nicht auf die sozialen und ökonomischen Auswirkungen für die Bewohner in den Schlägerungsgebieten ein. Nur Spitaler erwähnt den Interessenskonflikt, der zwischen den Bewohnern von Tiers und der Obrigkeit durch die steigende Nachfrage nach Holz im Laufe des 16. Jahrhunderts entsteht, eine ausführliche Erforschung der Folgen dieser ökonomischen Vernetzung für das 16. Jahrhundert wurde aber nicht ins Auge gefasst. Die Arbeit ist folgendermaßen gegliedert. Zuerst erfolgt eine Beschreibung der geografischen Gegebenheiten und der politischen Verwaltung. Um die Bedeutung der Einnahmen aus der Holzwirtschaft für das Gebiet, das zentrale Thema, hervorzuheben, war es wichtig, bereits zu Beginn einen Überblick über die bäuerliche Wirtschaft am Berg als Lebensgrundlage zu geben. Anschließend folgt ein ausführlicher Teil über die Holzwirtschaft mit Informationen über Bestände, Nutzungsrechte, Holzordnungen, Holzbringung, Holztransport. Das Kapitel endet mit dem Holzverkauf und der Verarbeitung in den Sägewerken 12 Nequirito, Diritti contesi; Lorenzini, Uccello volante und Nei Prezzi; Eicher Clere, Comunità sregolata, Simonata Zasio, Taglie. 13 Kircher, Alltag; Kohler, Kleriker; Pichler, Siedlung; Pichler, Herrschaft; Spitaler, Gericht Tiers; Gratl, Grenzgerichte; Ghetta, Valle di Fassa; Ghetta, Documenti; Mura, L’Archivio. 14 Dagostin/Daprà u. a., Legno. Anima di Fiemme; Stocker Bassi, Gericht Deutschnofen.

Fragestellung, Forschungs- und Quellenlage

mit Hinweisen auf die überregionale Vermarktung, was im darauffolgenden Teil mit Informationen über die Bedeutung von Einnahmen aus Stockrecht und Zöllen für die Obrigkeit und den Gewinnmöglichkeiten für die lokalen Holzhändler und die großen Unternehmer behandelt wird. Wertvoll waren in diesem Zusammenhang die Informationen, die ich den Publikationen von Antonio Lazzarini über den Bau der Rialtobrücke und der Chiesa della Salute und von Giulia Sebregondi über den Palazzo Donà delle Rose entnehmen konnte, da sich in den Verzeichnissen der Holzlieferanten Händler finden, die in der untersuchten Region aktiv waren.15 Die Studie beginnt mit den lokalen Gegebenheiten, geht daraufhin auf den regionalen und schließlich auf den globalen Markt über. Kommt es zu Beginn des 16. Jahrhunderts erst sporadisch zum Verkauf, entwickelt sich Bauholz im Laufe des Jahrhunderts zu einem immer wichtigeren Exportgut. Welche Folgen das für die Bewohner mit sich bringt, wird im letzten Teil der Arbeit aufgezeigt.

15 Lazzarini, Legno e pietra und Palificate; Sebregondi, Doge sui ponteggi.

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1.

Geografie

Östlich von Bozen erheben sich die massiven Bergketten der westlichen Dolomiten, Schlern, Rosengarten und Latemar. Theodor Christomannos, der Wiener Fremdenverkehrspionier (1854–1911), beschreibt diese „schönen Berge als Märchenland mit rauen Bergpfaden und unwirtlichen Tälern, die zu ihnen emporführten, die die Städter nie betraten“1 . Die Besteigung der Dolomiten war eine Erscheinung des Alpentourismus, der im 18. Jahrhundert seine Anfänge hatte. Von einem abgeschlossenen Gebiet kann aber nicht die Rede sein, denn die Bewohner unterhielten intensive Handelsbeziehungen, die nicht nur bis in den Bozner Talkessel, sondern viel weiter reichten.2 Diese Region war seit je her ein Lebensraum mit Dörfern, die komplexe Sozial- und Wirtschaftsstrukturen entwickelt hatten, um überlebensfähig zu sein. Für die Menschen spielten die dichten Wälder, die das Landschaftsbild prägen, eine besondere Rolle. Die drei Ortschaften verfügen über eine Holzbodenfläche von insgesamt 26.229 Hektar, davon fallen 4.472 auf die Gemeinde Welschnofen, 1.815 Hektar auf die Gemeinde Tiers und 19.942 Hektar auf das Fassatal. Die drei Siedlungsgebiete liegen auf ca. 1.200–1.400 Meter Meereshöhe, einzelne Höfe sogar auf ca. 1.600 Meter Höhe. Noch höher, auf ca. 1.700 Metern, am Karerpass, befanden sich die von den Bewohnern genutzten Weiden. Diesen und den ausgedehnten Waldflächen kam aus ökonomischer Sicht eine große Bedeutung zu. Die Sommerweiden waren eine wichtige Voraussetzung, um Viehwirtschaft betreiben zu können, die Wälder boten Einnahmemöglichkeiten über den Holzverkauf. Unter dem Nordhang des Latemars finden sich beste Bedingungen, was die Sonneneinstrahlung und die Bodenbeschaffenheit angeht, die Fichten erreichen dort eine Höhe von 48 bis 51 Metern.3 Der Karerwald wurde bereits im 16. Jahrhundert als fürnembstes kleinod und als best stück des landts an der Etsch bezeichnet.4 Trotz der hohen Qualität der Baumstämme konnte man nur einen beschränkten Teil davon verkaufen, da die logistischen Bedingungen äußerst schwierig waren. Der Abtransport war aufwendig und sehr kostspielig. Bis zum Bau der Straße durch die Eggentaler Schlucht im Jahre 1860 verliefen die Zugangsmöglichkeiten anders als heute, es fehlte eine rasche und direkte Verbindung in das heute 20 Kilometer entfernte Bozen.5 Eine wichtige Route führte von

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Christomannos, Dolomitenstraße, S. 3. Mura, Le strade, S. 166. Seehauser/Steiner/Laner, Eggental, S. 136. TLAI, OÖKKB GM, 1600, fol. 890r; 1602 fol. 926v und 1604 fol. 895r. Eisath Kathrin, Eggentaler Straße, S. 48.

Abb. 1 Die Ortschaften Tiers, Welschnofen und Fassa.

16 Geografie

Geografie

Bozen über den Karneider Bergrücken nach Gummer und Welschnofen bis zum Karerpass und von dort weiter ins Fassatal und über den San-Pellegrino-Pass in die Republik Venedig. Eine weitere bedeutende Verkehrsader ging von Waidbruck über die Trostburg nach Völs, weiter nach Tiers und von dort ebenfalls über den Karerpass ins Fassatal. Der Karerpass (im Ladinischen und Italienischen auch Carezza, Caraza bzw. Ciareja oder Costa lungi[i]a genannt) war ein wichtiger Übergang und gleichzeitig eine Sprachgrenze, weshalb je nach Sprachgruppe verschiedene Bezeichnungen verwendet wurden und werden. Der deutsche Ausdruck Karerpass bezieht sich offenkundig auf Kar. Das war ursprünglich vermutlich die Bezeichnung für das Gebiet des Karerwaldes oder des Karersees gewesen sein und nicht für das im Deutschen für lange Zeit namenlose Joch dahinter. Im Gegensatz dazu verwendeten die Bewohner des Fassatales für den Übergang die ladinischen Bezeichnungen Giareza und Chareza. In Dokumenten aus dem 14. Jahrhundert finden sich die Formen carezar und ciarejar vom italienischen carreggiare, die sich auf den Transport von Waren beziehen. Der Name kann folglich als Hinweis für die Funktion dieses Passes gesehen werden, wie folgender Satz aus einem Beschluss der Siedlungsgemeinschaft des Fassatals von 1554 zeigt: ... che tutti i vicini de Soraga habbino da star fora de i rivi, et non carezar, soto pena dela crida soprascripta, entro per la via de soto, fino che quelli da Moiena carezano fora tutte le sue taie ...6

Der Ausdruck carezar taie kann mit „transportieren von Holzstämmen“ übersetzt werden, die neoladinische Bezeichnung des Übergangs weist auf seine Bedeutung für den Warentransport, insbesondere des Holztransportes hin.7 Weitere Übergänge im Dolomitengebiet waren die Pässe Sella (2.244 m), Fedaia (2.057 m), Campolongo (1.875 m) und die Pässe San Pellegrino (1918) und Valles (2.033 m). Sie waren Teil eines Handelsnetzes, das den Warenaustausch zwischen Norden und Süden ermöglichte.8 Das Gebiet war ein wichtiges Durchzugsgebiet für Viehherden, die vom Pustertal in das Valsugana gebracht wurden. Eintragungen der Zollbehörde im Fleimstal belegen für den 14. August 1514 den Durchzug von 683 Widdern und für den 16. August von 43 Schlachtochsen, 12 Pferden und weiteren 120 Widdern. Ebenfalls am 16. August führten der Metzger aus Pergine Bernardino Bucker 700 Widder

6 Ghetta, Documenti, S. 71. 7 Hinweise dazu habe ich von Prof. Ulrike Kindl bekommen. Weitere Informationen dazu finden sich in Baumgartner/Ortner, Flurnamen, S. 31 und Chiocchetti/Ghetta, Toponimi, S. 231–233. 8 Ghetta, Valle di Fassa, S. 53–54.

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18

Geografie

und Zuan dal Olio 19 Pferde durch die Ortschaft Cavalese. Am 9. September 1514 brachte Zuan dal Olio weitere 170 Schafe durch das Fleimstal. Im Jahr 1517 bat Kaiser Maximilian I. den Fürstbischof von Trient, Bernhard von Cles, die Verbindung vom Livinallongopass ins Fassa- und Fleimstal einer besseren Überwachung zu unterziehen, da es häufig zu Zollhinterziehungen kam – ein indirekter Hinweis, der einen intensiven Handel und Warentransport für das Gebiet belegt.9 Eine wichtige Rolle spielte die Nähe der Stadt Bozen, die sich im 15. Jahrhundert zur „wichtigsten ökonomischen und militärischen Operationsbasis Habsburgs nahe der Grenze zu den italienischen Territorien“ entwickelt hatte.10 Jährlich wurden drei bis vier Messen abgehalten, zu den gefragtesten Waren zählten südländische Gewürze, Stoffe, Wein, Öl, Getreide, Fische, Rinder, Kupfer und Zinn.11 Die Route über den Karneider Bergrücken zum Karerpass nach Moena und weiter ins Venezianische war eine wichtige Verbindung für den Warenaustausch mit dem Süden, Giorgio Pilloni bezeichnet sie in seiner „Historia di Belluno“ aus dem Jahre 1604 als wichtige Verbindung der Städte Bozen, Belluno und Venedig.12 Zudem wurde Salz aus Hall nach Innsbruck und über den Sellapass durch das Fassatal, das Fleims- und Cembratal nach Primiero geführt. Umgekehrt wurde der Wein vom Süden in den Norden gebracht.13 Dieses Verkehrsnetz hatte auch militärische Bedeutung, für 1493 ist der Durchzug von Söldnertruppen dokumentiert, 1508 zogen die kaiserlichen Truppen (Krieg gegen Venedig) durch das Gebiet.14 Ebenso wichtig für den Verkehr, vor allem für den Holztransport, waren die Flüsse Eisack, Etsch, Miss, Avisio, Cordevole und Piave. Die untersuchte Region war im 16. Jahrhundert ein wichtiges Transitgebiet, in dem allerdings mit der Überwindung beeindruckender Höhenunterschiede gerechnet werden musste.

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Ghetta, Valle di Fassa, S. 59. Obermair/Stamm, Zur Ökonomie, S. 14. Stolz, Geschichte des Zollwesens, S. 209; Occhi, Da Venezia, S. 174–175. Ghetta, Valle di Fassa, S. 61, 69–70. Ghetta, Valle di Fassa, S. 63. SAB, HSBx, BAB, Urkunde 2780 (Lade 501); Ghetta, Valle di Fassa, S. 58.

2.

Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

2.1 Politische Obrigkeiten: Territorialisierung und Herrschaftsverdichtung Der Karerpass war nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht von Bedeutung, da dort die Grenze zwischen den Herrschaftsbereichen der Brixner Bischöfe und der Tiroler Landesfürsten verlief. Die Orte Karneid, Steinegg, Gummer und Welschnofen bildeten seit der Verwaltungsreform Graf Meinhards II. von Tirol-Görz (1238–1295) den landesfürstlichen Gerichtssprengel Karneid, der an die bischöflichen Gerichte Tiers und Fassa grenzte. Im Südosten schloss sich die Seerepublik Venedig an das Fassatal an und im Süden das Gericht Fleims (Fiemme), das zum Herrschaftsgebiet des Trienter Bischofs gehörte. Im Südwesten schob sich das Gericht Deutschnofen wie ein Keil zwischen das Gericht Karneid im Norden und das bistümliche Gericht Fleims und die landesfürstlichen Gerichte Enn und Kaldiff im Süden. Vom Gericht Tiers, das zum Machtbereich des Fürstbischofs von Brixen gehörte, gelangte man nordwestlich in das landesfürstliche Gericht Völs und über Schloss Prösels und die Trostburg ins Eisacktal (Grafschaft Tirol). In der Grafschaft Tirol bildeten die Gerichte die unterste Ebene der landesfürstlichen Verwaltung, für die Pfleger oder Richter eingesetzt wurden, denen Gerichtsschreiber und Fronboten zur Seite standen. Sie waren Vollzugsorgane des Landesfürsten und hatten sich um die Rechtsprechung, das Wehraufgebot und die Verwaltung der landesfürstlichen Einnahmen zu kümmern.1 Viele dieser Gerichte waren im Laufe der Zeit an Adelsfamilien verpfändet worden, die sich gegen die Bezahlung einer Abfindung an die Landesherren alle Rechte und Einnahmen sicherten. Die meisten von ihnen waren der Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Rechnungsberichtes enthoben.2 Das Gericht Karneid war seit 1385 an die Herren von Liechtenstein vergeben worden, Sitz des Verwalters war Burg Karneid, 1404 wurde den Liechtensteinern die Belehnung der Festen Karneid und Steinegg sowie dem Viertel Welschnofen erneut bestätigt.3 Die Gerichte entsandten Boten auf die Landtage, wo sie durch ihre Beschwerden und Forderungen Anstöße zu Gesetzen und deren Änderungen gaben.4 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts konnte die Landschaft (Vertreter

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Beimrohr, Brief, S. 35; Schennach, Gesetz, S. 77; Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 35. Schennach, Gesetz, S. 83–87. Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 65. Schennach, Gesetz, S. 392–393.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Abb. 2 Die Gerichte: Karneid (mit Welschnofen), Tiers und Fassa.

der Städte, des Adels, der Prälaten und der Gerichte) ihren Einfluss stärken. Die Geldnot und die Misswirtschaft Herzog Sigmunds (1439–1490) führten dazu, dass die Steuerbewilligungen zum wichtigsten Gegenstand der Verhandlungen auf den Landtagen wurden und die Landtagsboten, deren Zustimmung dazu nötig war, immer öfter in die Entscheidungen einbezogen wurden und die Position dieser Vertreter entsprechend gestärkt wurde.5 Die Fürstbistümer Brixen und Trient nahmen in der Grafschaft Tirol eine Sonderstellung ein, die Landesfürsten hatten die Vogtei- und Schutzgewalt, die Gesetzgebungsgewalt lag aber beim Bischof. Die Bewohner ihrer Gerichte wurden auf dem Landtag in Innsbruck vom Bischof und nicht von Gesandten vertreten.6 Die Brixner Bischöfe hatten ihre Gerichte ebenfalls Adelsgeschlechtern überlassen, Tiers war 1397 an die Herren von Völs verliehen worden. Nach dem Aussterben dieses Geschlechts fiel das Lehen an das Hochstift zurück, gelangte dann 1475 über Umwege wieder in die Hand der Herren von Völs, die die Lehensherrschaft für weitere 175 Jahre innehatten.7

5 Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 103, 145. 6 Stolz, Rechtsgeschichte, S. 317; Schennach, Gesetz, S. 796, 805; Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 151. 7 Von Hartungen, Das alte Tiers, S. 74–76.

Politische Obrigkeiten: Territorialisierung und Herrschaftsverdichtung

Abb. 3 Grenzsteine, die 1551 gesetzt wurden, um die Grenze zwischen den Fürstbistümern Brixen und Trient sichtbar zu machen.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Das Gericht Fassa gehörte ebenso zum Fürstbistum Brixen und war 1369 für 15 Jahre an Berchthold von Gufidaun und 1389 an Heinrich von Liechtenstein verpfändet worden. Die Liechtensteiner hatten das Gericht bis zum Jahr 1438 inne, als es wieder unter die direkte Verwaltung des Fürstbischofs Georg I. von Stubai (1437–1443) fiel.8 Ein Verwalter wurde zwei Mal im Jahr für die Eintreibung der Abgaben und die Rechtsprechung ins Tal geschickt. Um 1443 wurde ein Richter eingesetzt, der laut späteren Dokumenten einem Hauptmann unterstellt wurde. 1516 wurden beide Ämter in der Hand des Hauptmanns vereint.9 Das Gericht Fassa war in sieben Riegel (regole) unterteilt: Soraga, Vigo, Pozza, Pera, Mazzin, Campitello und Canazei. Riegel waren Dorfgemeinschaften mit Almund Weiderechten. Der Riegel Mazzin war in drei Nachbarschaften oder vicinie unterteilt, Mazzin, Campestrin und Fontanazzo, der Riegel Canazei in vier, nämlich Griess, Canazei, Alba und Penia.10 Die drei Siedlungsgemeinschaften Welschnofen, Tiers und Fassa teilten zwar ähnliche geografische Bedingungen, in politischer bzw. verwaltungsmäßiger Hinsicht gab es doch bedeutende Unterschiede. Ausschlaggebend war dafür der Einfluss von Grundherrschaft, Gerichtsherrschaft und Landesherrschaft. Während Tiers und Fassa unter der Verwaltung des Fürstbischofs von Brixen standen und dieser gleichzeitig auch die Grundherrschaft über viele Güter innehatte, war in Welschnofen der Gerichtsherr stellvertretend für den Landesherrn die politische Obrigkeit, die Grundherrschaft übten hingegen die Dorfkirche und das Kloster Neustift aus. Im Fassatal hatte das Kloster Neustift im 16. Jahrhundert nur einen Hof in Fontanazzo, in Tiers gehörten ihm drei Höfe. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts hatte sich das ganze Gebiet noch unter der Herrschaft der Brixner Bischöfe befunden. Als es 1142 auf Initiative Bischof Hartmanns von Brixen (1140–1164) zur Gründung von Kloster Neustift gekommen war, wurden neben einer beträchtlichen Anzahl von Höfen in Welschnofen auch der Hof in Fontanazzo und die Höfe in Tiers dem Stift übertragen.11 Weitere Veränderungen

8 Gratl, Grenzgerichte, S. 6–7. 9 Baroldi, Memorie S. 51–53; Ghetta, Valle di Fassa, S. 158–159. Mura, L’Archivio, S. 26–30. 10 Simonato Zasio verweist im Glossar beim italienischen Ausdruck regola für Riegel auf den Begriff vicinia mit der Bedeutung von Dorfgemeinschaft, deren Komponenten eine Nachbarschaft bilden, die gemeinsam Weide und Wald besitzt. Der Begriff vicinia steht zudem für Versammlung der Familienoberhäupter. Simonato Zasio, Taglie, S. 129–130. Für Stolz bezeichnet der Begriff Riegel (vom Lateinischen regula) mit der Bedeutung von Roden eine Grundfläche mit bestimmten Grenzen. Es handelt sich dabei um ein Feld, von dem den Bauern je ein Feldstück zum ständigen Besitz zugewiesen wurde. Jedem Mitglied der Dorfgemeinschaft sollte ein gleicher Teil der Dorfflur zukommen. Stolz, Rechtsgeschichte, S. 25–26; vgl. Eicher Clere, Comunità sregolata, S. 13 (Fußnote 3); Barbacetto, Hybridismus, S. 100. 11 Innerhofer, Ältestes Urbar, S. 77–78; Ghetta, Valle di Fassa, S. 179–181; Spitaler, Gericht Tiers, S. 5–6.

Politische Obrigkeiten: Territorialisierung und Herrschaftsverdichtung

brachte die Zeit Meinhards II. von Tirol in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit sich. Die Gerichte Tiers und Fassa blieben unter der Herrschaft der Brixner Bischöfe, während das Gericht Karneid und damit auch das Viertel Welschnofen zur Grafschaft Tirol kamen. Die Analyse der Herrschaftsstrukturen der drei Siedlungsräume für das 16. Jahrhundert erfolgt daher anhand von unterschiedlichem Quellenmaterial. Gut dokumentiert ist die politische Entwicklung des Fassatals, da nicht nur die Korrespondenz zwischen der Gemain von Fassa und dem Brixner Hof, sondern ab dem Jahr 1550 die Protokolle des Gerichts herangezogen werden können, die von Frumenzio Ghetta veröffentlicht wurden. Diese zeigen, dass jeder Riegel seine Vertreter zu den Versammlungen schickte, auf denen Probleme wirtschaftlicher Natur diskutiert wurden wie die Kontrolle der Grenzen zu den benachbarten Gerichten, der Holztransport und die Weiderechte, aber auch kirchliche Angelegenheiten sowie Maßnahmen zur Sicherung von Ruhe und Ordnung im Tal.12 Die Siedlungsgemeinschaft war politisch aktiv, sie erkannte Bedürfnisse und versuchte Konflikte zu lösen. Das Verlangen nach Autonomie in Sachen Jagd und Fischerei lässt auf ein Bemühen um Selbstbestimmung schließen. So standen die Fassaner dem im Jahr 1549 von Fürstbischof Christoph von Madruzzo (1542–1578) erlassenen Gerichtsstatut mit Vorbehalt gegenüber und baten, beim alten herkommen bleiben zu dürfen. Sie nahmen diese Regelung dann im darauffolgenden Jahr zwar an, waren dennoch nicht einverstanden und beauftragten schließlich einen Juristen aus Neumarkt, ihr Gewohnheitsrecht zu verschriftlichen, um dieses beizubehalten, was ihnen allerdings verwehrt wurde.13 Dies zeigt, mit welcher Entschlossenheit die Bewohner des Fassatals der Obrigkeit gegenübertraten. Hartnäckigkeit bewiesen sie ebenfalls, als sie die Steuerpflicht gegenüber der Innsbrucker Regierung verweigerten.14 Für das Jahr 1503 gibt es dafür erste Belege mit der Begründung, das Tal sei arm.15 Über Jahrzehnte sperrte sich das Fassatal gegen die Entrichtung dieser Abgaben. Waltasar Locattin und Andrea de Foschgk wandten sich im Namen der Untertanen von Fassa im Jahr 1513 an den Fürstbischof mit der Bitte, auf die von der Landschaft in Innsbruck beschlossene Steuer in ihrem Tal zu verzichten, da man nie eine Steuer bezahlt habe, dafür auch zu arm sei, zudem an der Grenze lebe und der Kaiser mit Venedig im Krieg stehe, was alles noch schwieriger mache.16

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Ghetta, Documenti, S. 69. Gratl, Grenzgerichte, S. 203–204. Vgl. Köfler, Geschichte, S. 112–116. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18A. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18B, 18C, 18D; die Schreiben, in denen die Bewohner immer wieder betonen, dass diese Steuer nicht gerechtfertigt sei, stammen aus den Jahren 1513, 1515, 1516, 1523, 1526, 1537, 1538 und 1539.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Immer wieder wurden dieselben Argumente vorgebracht, um von der Abgabenpflicht befreit zu werden. Die Bewohner begründeten ihre Forderung damit, dass sie an der Grenze lebten und selbst für ihre Sicherheit sorgen müssten, die Bezahlung von 160 Gulden Steuergeld wegen der Türkenbedrohung sei nicht gerechtfertigt. Sie zahlten bereits zu Weihnachten jährlich 120 Gulden an Steuer. Das Leben an passen und confin orten sei gefährlich und eine Bezahlung dieser gewaltsteuer nur gerechtfertigt, würde dieses Grenzgebiet besser geschützt werden. Weitere Steuern seien eine große Belastung für ein Gebiet, das wenig Weideland habe und auf den Zukauf von Brot angewiesen sei. Die ganze Gemain des Tales Eves bat den Fürstbischof bei dem alten herkommen zu verbleiben.17 Nicht nur die Regierung in Innsbruck, sondern auch der Gerichtsherr von Karneid, Wilhelm von Liechtenstein, beklagte sich 1528 über die Hartnäckigkeit der Fassaner, die ihrer Abgabenpflicht für die Güter in seinem Gericht nicht nachkamen.18 Die Regierung in Innsbruck forderte 1529 den Hauptmann von Brixen, Jakob Kuen von Belasy, auf, von den Bewohnern des Fassatals unverzüglich die festgelegte Steuer einzufordern.19 Der Erfolg blieb aus, immer wieder verweigerten sie die Abgabenleistung. Ihr Widerstand führte sogar so weit, dass an den Zollstätten von Gufidaun, Buchenstein und Karneid Personen aus dem Fassatal gefangen genommen und ihre Tiere sequestriert wurden. Auf Intervention des Fürstbischofs kam es zu einer Freilassung, das Problem war aber nicht gelöst. Die Klagen der Bewohner des Fassatals über nicht gerechtfertigte Steuern ziehen sich durch das ganze 16. Jahrhundert. Die Bittschriften weisen immer dieselbe Struktur und denselben Inhalt auf. Sie seien arm, lebten in einem rauen Gebiet, müssten Getreide zukaufen und mit den Problemen einer politischen Grenze zurechtkommen. „Sie drohten sogar dem Fürstbischof, abtrünnig zu werden, da sie aus dem welschen Land einen Herren wüssten, der sie schützen könne.“20 Der Fürstbischof von Brixen intervenierte daraufhin in Innsbruck, allerdings ohne Erfolg.21 Sein Einsatz für das Tal hing sicher mit Wirtschaftsinteressen zusammen, zu groß wären die Verluste im Falle einer Abwendung gewesen.22 Die Steuer wurde von 17 18 19 20 21

SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18C, fol. 14r–v (1526), 16r (1523). SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18C, fol. 19r (12. November 1528), fol. 22r (26. Februar 1530). SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18C, S. 17, 20 (18. November 1529). Gratl, Grenzgerichte, S. 234. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18D, 18 E. In diesen Dokumenten finden sich Klagen für die Jahre 1537und 1539; die Sammlung von Urkunden Frumenzio Ghettas enthält Hinweise für das Jahr 1565. Ghetta, Documenti, S. 74. Sehr ausführlich beschreibt Gratl diese Hartnäckigkeit der Fassaner. Gratl, Grenzgerichte, S. 231–243. Vgl. Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 42–43. 22 Dass das Fassatal aus ökonomischer Sicht von Bedeutung war, wird indirekt von der Verpflichtung der Fassaner, bei jedem Bischofswechsel eine Geldleistung zu erbringen, bestätigt. Andere Untertanen mussten dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Überhaupt waren sie zu hohen Abgaben verpflichtet. Gratl, Grenzgerichte, S. 192–193.

Politische Obrigkeiten: Territorialisierung und Herrschaftsverdichtung

der Regierung immer wieder eingefordert, die Bewohner des Fassatales zahlten trotzdem nicht, sie blieben hartnäckig. Es scheint, als sei es den Fassanern gelungen, die Präsenz von zwei Obrigkeiten, den Tiroler Landesherren und den Brixner Fürstbischöfen, zu ihrem Vorteil zu nutzen. Das in den Quellen öfter angeführte Argument der Armut und der Gefährlichkeit von Grenzgebieten hatte sicher eine Berechtigung. Dass die Obrigkeit aber immer wieder Ansprüche auf Zölle und Steuern in diesem Gebiet stellte, rückt eine andere Seite der wirtschaftlichen Realität ins Blickfeld. Das Gericht Fassa hatte sich zu einem wichtigen Durchzugsgebiet und Umschlagplatz entwickelt, die angrenzende Republik Venedig bot gute Absatzmärkte. Das Tal war aufgrund seiner Bedeutung als Bindeglied zwischen wichtigen Übergängen der Nord-Süd-Routen zu einem Wirtschaftszentrum geworden, ein Umstand, der durch die Genehmigung einer Messe in Moena im Jahr 1556 durch Fürstbischof Lodovico Madruzzo bekräftigt wurde. Diese Ortschaft lag an der Grenze zwischen dem Fassa- und dem Fleimstal, wenige Kilometer unterhalb des San-Pellegrino-Passes, einem wichtigen Übergang zur Seerepublik.23 Eine indirekte Bestätigung für die wachsende wirtschaftliche Tätigkeit ist zudem eine auffallende Bevölkerungszunahme im Fassatal im Laufe des 16. Jahrhunderts: Die Zahl der Bewohner stieg von 1.200 im Jahr 1480 auf 2.400 im Jahr 1600.24 Die Regierung in Innsbruck, aber auch die Fürstbischöfe waren daher daran interessiert, die Einnahmen vor Ort zu steigern, indem neben der Besteuerung in Kriegszeiten noch weiterer Zölle eingeführt wurden mit der Begründung, für die Sicherheit der Handelswege zu sorgen.25 Ein Eintrag im Kammerkopialbuch von 1548 bestätigt die Absicht der Kammer, sich mit Zöllen höhere Einnahmen zu sichern. Große Bedeutung kam den Holzzöllen zu. Man war sich bewusst, dass die Venezianer auf die Holzressourcen der Grafschaft Tirol angewiesen waren und dass sie in einem ersten Moment gegen den Zoll protestieren, ihn schlussendlich aber doch entrichten würden. Die Vorgehensweise fand die Kammer insofern gerechtfertigt, als die Venezianer auf die Einfuhr in ihre Stadt ebenso hohe Abgaben einfordern. ... auf diese gattung mügen E(ure) M(ayestat) dieser zeit ainen daz bas dann auf anndere war aufsezen, aus ursach das solher daz in ewig zeit bleiben und sich von tag zu tag mern wirdet, angesehen, das die Venediger nach verscheinung der ersten dreyer oder vier jarn E(uer) M(ayestat) holz und wälder aus gedrungener nott nit wol geraten. Dann sy aus iren walden nach versc heinung angezeigter jar und zeit kein päm haben werden, daraus sy ain pret ain span prait schneiden werden mügen. Und wie wol sich die Venediger die ersten

23 Ghetta, Fiera a Moena, S. 275–276. 24 Ghetta, Valle di Fassa, S. 319. Vgl. Kießling/Konersmann/Troßbach, Agrargeschichte, S. 42–44. 25 Stolz, Geschichte des Zollwesens, S. 38.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

zway oder drey jar nach aufsezung der daz, wo sy solhe aufsezung für ain neuerung ansehen werden. Des holz so die kaufleut vorhin zu venedig haben behelffen und irer wald und hölzer verschonen wollten. So werden sy doch nach verscheinung angezeigter zeit dahin gedrungen solhe holz und materie weil sy nit weiter werden khunden von E(uer) M(ayestät) untertanen zu erkaufen, und E(uer) M(ayestat) walder werden würdig gehalten. Derhalben soll man diese gelegenheit nit unterlassen, weil die Venediger dergleichen in iren sachen thuen und gar kein respekt aufeinander haben ...26

Am Ende des 16. Jahrhunderts machte der Anteil der Einnahmen aus den Holzzöllen 43,29 Prozent (116.219 Gulden) aus, also fast die Hälfte der gesamten Zolleinnahmen der Oberösterreichischen Kammer.27 Bereits 1558 wurden für die gesamten Ober- und Vorderösterreichischen Lande (Tirol, Vorarlberg, Österreichisch Schwaben, Breisgau und Elsaß) einheitliche Zolltarife eingeführt und Weisungen für die Einhebung des Zolls erlassen.28 Als aufschlussreich über die verschiedenen Waren, die durch das Gebiet unter Rosengarten und Latemar geführt wurden, erweisen sich Zolltafeln wie jene für Gröden und Welschnofen aus dem Jahr 1596. Angeführt wurden die Zölle für folgende Waren: Pferde, Fohlen, Kühe, Kälber, Schweine, Leder, Ochsenfleisch, Schweinefleisch, Eisen, Sensen, Fett, Salz, Wolle und Getreide.29 Der Warenaustausch bzw. Transport über die Grenze brachte der Obrigkeit wichtige Einnahmen. Die Zollstationen boten zudem die Möglichkeit, den Warenfluss zu kontrollieren. Im Jahr 1458 verordnete der Fürstbischof von Trient, Georg Hack, jeglichen Holzstamm des Fleimstals nicht auf dem Landweg nach Neumarkt, sondern auf dem Fluss Avisio nach Lavis zu transportieren, eine Ausnahme sollte es nur für die Ortschaft Truden und den Transport von Lärchenstämmen geben.30 Die Untertanen waren nun zur Leistung von zwei Abgaben gezwungen, nämlich einer an den Trientner Fürstbischof für die Verflößung der Stämme und einer weiteren an die Tiroler Landesherren, die in Lavis ihren Zoll einhoben.31 In Corvara wurde vom Zöllner des Brixner Bischofs seit 1515 Zoll auf die durchgeführten Waren erhoben und am San-Pellegrino-Pass und im Fleimstal führte der Fürstbischof von Trient 1529 einen Zoll ein.32

26 27 28 29 30 31 32

TLA, OÖKKB, 1546, GvH, fol. 146r–v. Occhi, Boschi, S. 24. Stolz, Zollwesen, S. 80–81. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 22E, S. 36 (ediert bei Pichler, Siedlung, S. 408). Siehe Kapitel 5, Fußnote 53. Stolz, Zollwesen, S. 117. Occhi, Boschi, S. 34.

Politische Obrigkeiten: Territorialisierung und Herrschaftsverdichtung

Der Versuch, den Handel zu kontrollieren und die entsprechenden Abgaben zu kassieren, gelang allerdings nicht immer. Die Untertanen und die Holzhändler wandten verschiedene Strategien an, um die Zölle zu umgehen oder wenigstens nur teilweise zu entrichten. Die Untertanen aus Aldein und Petersberg mischten die Stämme unter Holz, das nicht verzollt werden musste, die Welschnofner gaben falsche Maße an, Zehner-Bäume gaben sie mit einer Länge von 32 Fuß (11 Meter) und nicht wie üblich mit 34–36 Fuß (15–16 Meter) an. Um diesem Frevel vorzubeugen, wurden die Zollbeamten in Fleims immer wieder aufgefordert, die Holzmengen genau zu kontrollieren und Listen zu führen.33 Die mächtigen Holzkaufleute ließen bereits in den Verträgen festlegen, mit welchem Maß an der Zollstation gemessen werden sollte, und wählten solche, die nicht üblich waren, sodass eine genaue Kontrolle der Mengen schwierig war.34 Immer wieder ergingen Befehle an die Richter, Schmuggel zu unterbinden.35 Im Jahr 1561 verordnete die Regierung in Sachen Zollkontrolle für die Fassaner folgende Maßnahmen: So sollen der oder dieselben verprecher, es sey über kurze oder lange zeit, wan das von inen erfaren und sy betretten, umb ir verhanndlung ernstlich gestrafft werden. Und was also des stiffts fürgesezte obrigkhaiten für contrabanndt unnd straffen eingezogen damit soll es also gehalten werden: nemlich was verung der kay(serlichen) May(estat) und des herrn cardinaln oder derselben nachkhomen mandaten weder mit noch one zoll zu passieren verpotten ist, alsö lörgat, traid oder annders conntrabandt getriben oder strafpers verwirkht wirdet, diesselben conntrabanndt und straffen sollen dem stift Brixen allain haimfallen und bleiben. Und der kay(serlichen) May(estät) der verorndt zoll und aufschlag in massen, als wann dieselben waren gegen bezalung des zolls und aufschlags zuverfuern zugelassen weren.36

Bewusst sollten der Brixner Hof und die Zollbeamten am aufgedeckten Schmuggel verdienen, um sich eine Zusammenarbeit bei der Ahndung dieser Vergehen zu sichern. Die kassierten Strafen wurden zu je einem Drittel auf den Brixner Hof, die Tiroler Kammer und die Kontrollbehörden nach Abzug des Zolls aufgeteilt.37 Schmuggel und Steuerverweigerung der Fassaner blieben trotzdem weiterhin ein Problem für die Obrigkeit. Im Jahr 1572 beklagt der Tiroler Landesherr Ferdinand II., dass die Fassaner immer noch Waren ins Ausland schmuggelten und den Zoll in Corvara umgingen, weshalb man dem Zollaufseher Unterstützung

33 34 35 36 37

TLAI, OÖKKB, GM, 1578, fol. 907r–908r; GM, 1580, fol. 1241r–v; GM, 1600, fol. 914v–915r. TLAI, OÖKKB, GM, 1591, fol. 231v–232v; 1302r–1303v. Gratl, Grenzgerichte, S. 245. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 22C, fol. 13r–v. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 22C, fol. 13v–14r.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

zusichern sollte, damit er gute Arbeit leiste und diese Vergehen eingeschränkt würden. Ein Jahrzehnt später, im Jahr 1586, gab es weitere Klagen, weshalb verstärkt Aufsichtspersonal eingesetzt wurde.38 Auf die Hartnäckigkeit der Fassaner in Sachen Steuerverweigerung reagierte die Regierung in Innsbruck schließlich mit der Einhebung eines Zolls oder Aufschlags auf allerhandt wahrn und victualien in Welschenofen.39 Die Fassaner baten um Abstellung dieses Zolls, eine Bitte, der die tirolische Landschaft keinesfalls nachkommen wollte. Dieser Aufschlag war gerade deshalb eingeführt worden, weil man von beruerten Evasern ir schuldige lanndtsteuern sonsten nit bekhomen khan, sonnder sy sich deren ungebürlicher und beschwerlicher weise verwidern. Damit sy also durch sollich mittl so wol alls andere zur schuldigen gehorsame zubringen seyen. Der Zoll in Welschnofen wurde nicht abgeschafft und der Konflikt zwischen dem Fassatal und der Innsbrucker Regierung zog sich in die Länge. Erst im Jahr 1610 kam es zur Aufhebung der Zölle in Welschnofen, Gröden und Fleims für Waren des Hausgebrauchs, ein neuer Zoll wurde hingegen direkt im Fassatal im Jahr 1630 eingeführt, und zwar in Campitello. Der Zollaufseher hatte zudem die Aufgabe, die Aufseher in Canazei und Soraga strengstens zu kontrollieren.40 Der fortschreitende Territorialisierungsprozess mit der Notwendigkeit, sich Einnahmen zu sichern, stieß in einem Gebiet wie der untersuchten Region auf große Abneigung. Zu lange waren die Untertanen in ihrem autonomen Handeln kaum behindert worden, weshalb eine Kontrolle und die Einführung von Abgaben umso schwieriger war. Viel Erfolg hatte die Obrigkeit bei der Durchsetzung von Verordnungen im Laufe des 16. Jahrhunderts noch nicht.41

2.2. Funktion und Bedeutung von Schrift Das Verhältnis der Bewohner des Fassatals zu den Tiroler Landesherren war getrübt, und wie bereits erwähnt, scheuten sie nicht davor zurück, ihren Herrn um Intervention zu bitten, wenn die Regierung in Innsbruck neue Forderungen an sie stellte. In ihren Schreiben an den Fürstbischof hoben sie seine Funktion des Beschirmers hervor, dem sie bei Amtsantritt huldigten, Gehorsam schworen und

38 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 22C. 39 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 22D Hier und im Folgenden; Laut den Protokollen des Gerichts Fassa hatten die Bewohner des Tales 1583 versucht, den Richter in Fassa, Giovanni Simonet (1583), und den Zollbeamten in Welschnofen (1585) mit einem Geschenk milde zu stimmen, Ghetta, Documenti, S. 88, 90–91. 40 Gratl, Grenzgerichte, S. 251. 41 Schennach betont ebenfalls, dass die Implementierung von Bestimmungen an den Welschen Konfinen schwierig war. Vgl. Schennach, Gesetz, S. 785–789. Bellabarba, La giustizia S. 124–125.

Funktion und Bedeutung von Schrift

eine Abgabe von 10 Mark Berner leisten mussten.42 Die Rolle der Schirmherrschaft wurde von den Bewohnern immer dann erwähnt, wenn sie sich den Forderungen anderer Herrschaften entziehen wollten oder ihre Rechte und Ansprüche in Gefahr waren. Die schriftliche Grundlage der Herrschaftsansprüche des Fürstbistums Brixen auf das Gebiet des Fassatals bildeten die Urbare, Verzeichnisse der Liegenschaften mit den entsprechenden Abgaben an die Herrschaft.43 Für den analysierten Zeitraum finden sich mehrere Exemplare im Staatsarchiv Bozen, verteilt über das ganze 16. Jahrhundert. Sie wurden für die Jahre 1504/05, 1513, 1524, 1550, 1566, 1576–1579 und 1611–1615 angelegt. Ein Vergleich zeigt, dass die Form der Bücher im Laufe des Jahrhunderts eine Veränderung erfuhr. Die Urbare von 1504 und 1505 sind in einem Band enthalten. Die erste Seite beginnt mit dem Titel In maien vermerckht die schaff und lemper so in maien gefallen. Zusätzlich zu den Schafen und Lämmern war im Mai auch das Eisengeld fällig. Am Ende der jeweiligen Abgabenauflistung war die Gesamtsumme vermerkt: Für 1504 waren es 48 Schafe, 4 Kastraune, 31 ½ Lämmer, 18 Pfund Berner und 10 Kreuzer für das Eisengeld. Des Weiteren war das Mühlgeld zu entrichten, insgesamt 10 Pfund Berner. Auf Viti (St. Veit, 15. Juni) war der Zehnte fällig, der 1504 einen Ertrag von 112 Lämmern ergab. Von diesen standen ein Drittel dem Pfarrer (37 Lämmer), ein Lamm dem Fronboten44 und die restlichen 74 Lämmer dem Fürstbischof von Brixen zu. Am St.-Lorenz-Tag (10. August) gingen 56 ½ Kastraune an den Bischof, zwei Kastraune waren den Mairn (Verwaltern) vorbehalten und einer dem Fronboten. Für den Herbst war die Abgabe von weiteren Schafen und Lämmern vorgesehen. Nach der Auflistung nach Riegeln folgt eine Seite mit der Gesamtsumme von 51 Schafen, 38 Lämmern und ein Pfund Berner. Ebenfalls im Herbst war das Eisengeld fällig, es folgen wiederum die Auflistung und am Ende ein Betrag von 2 Mark Berner, 6 Pfund Berner und 3 Kreuzer. An den Fronboten gingen 3 Kreuzer. Auf den nächsten Seiten wurden die Abgaben der Almen (Schafe und Geld) aufgelistet, die im Herbst bzw. zu Weihnachten dem Amtmann geleistet werden sollten, insgesamt 9 Mark Berner, 9 Pfund Berner und 20 Kreuzer. Es folgt ein Hinweis, dass die Schafe alle vaist (fett) sein sollten, von den geschorenen war die Wolle mitzuliefern, die dem Amtmann zustand. Zu Weihnachten waren die portadura45 sowie die Schultern (Schweinsschultern) fällig. Die Gesamtsumme, einschließlich des Kuppelgeldes von 6 Kreuzern, sollte der Fronbote dem Amtmann übergeben. Das Urbar listet dann

42 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 18C, fol. 16; Mura, l’Archivio, S. 167–168. 43 Sonderegger, Landwirtschaft auf dem Papier, S. 255. 44 Ein Fronbote war ein Amts- bzw. Gerichtsbote. Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, S. 299. 45 Als portadura wurde vermutlich die Abgabe in Geld bzw. Steuer, die zu Weihnachten fällig war, bezeichnet. Eine genaue Erklärung dafür konnte nicht gefunden werden. Siehe Kap. 2, Fußnote 24.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Abb. 4 Urbarbuch 1504.

Abb. 5 Urbarbuch 1524.

die Abgaben des Mairhofs im Fassatal auf. Interessanterweise findet sich am linken Rand der Seite der Vermerk in einer anderen Handschrift und hellerer Tinte, dass Baptista de Zeit zwei Geldleistungen erbracht hat. Auf den letzten Seiten folgen die Abgaben der Höfe außerhalb des Baches (Avisio), die wahrscheinlich nicht zu einem Riegel gehörten. Auf der letzten Seite des Urbars liest man nämlich außerhalb des Amts, das einem Amtmann zugehört. Im selben Band folgt das Urbar 1505, das mit den Preisanschlägen von Schafen, Lämmern und Kastraunen beginnt. Genauso wie im Urbar von 1504 folgt die Auflistung der Höfe und der zu leistenden Abgaben für jeden Riegel.46 Das Urbarpuech von 1524 weist ebenfalls dieselbe Struktur wie die Bücher von 1504 und 1505 auf.47 Bei den Urbarbüchern von 1555 und 1566 lassen sich kleinere formelle Veränderungen feststellen, sie enthalten aber auch nur Abgabenauflistungen.48 Diese Verzeichnisse waren reine Herrschaftsinstrumente, die die Ansprüche des Fürstbischofs von Brixen im Fassatal festhalten sollten. Sie ermöglichen zwar,

46 SAB, HSBx, BAB, Cod. 165, (Lade 73.4, C1); vgl. Gratl, Grenzgerichte, S. 193–194. 47 SAB, HSBx, BAB, Cod. 167, (Lade 73.4, D1). 48 SAB, HSBx, BAB, Cod. 168, (Lade 73.4, D3).

Funktion und Bedeutung von Schrift

Abb. 6 Urbarbuch 1566.

Schlüsse über die landwirtschaftliche Tätigkeit zu ziehen und die Anzahl der Güter zu kennen, sie enthalten aber keine Hinweise, ob diese Abgaben, in welcher Form und in welchem Ausmaß, entrichtet wurden.49 Sie dienten dazu, die Untertanen an ihre Verpflichtungen, vor allem an die grundherrliche Bindung zu erinnern. Versuchten Untertanen sich der Abgabenleistung zu entziehen, ließ der Brixner Hof in den alten Urbarien nachsuechen.50 In den 1570er Jahren änderte sich die Form des Urbarbuches, das Exemplar, das für die Jahre von 1576 bis 1578 geführt wurde, war nicht nur ein Verzeichnis der Liegenschaften mit den entsprechenden Abgaben (denselben wie in den älteren Exemplaren), sondern führte jeweils den Bewirtschafter an und die Bemerkung, ob die Entrichtung erfolgt war (dedit).51 Das Exemplar für die Jahre 1611 bis 1615 bestätigt diese Entwicklung.52 Diese Exemplare zeigen, dass sich die Verschriftlichung von Abgabenverpflichtungen zu einem Kontrollinstrument entwickelt hatte und die Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Herrschaft und Leihnehmer immer mehr in den Vordergrund

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Sonderegger, Landwirtschaft auf dem Papier, S. 256. DAB, HR 50, fol. 193r. SAB, HSBx, BAB, Cod. 170,7 (Lade 73.4 E). SAB, HSBx, BAB, Cod. 171 (Lade 73.4, ad E).

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Abb. 7 Urbarbuch für die Jahre 1576, 1577, 1578.

stellte. Diese Urbare waren mittlerweile Herrschafts- und Verwaltungsinstrument, was auf einen hohen Grad von Schriftlichkeit schließen lässt.53 Für Tiers ließ Gilg Oswald von Völs 1602 die Einnahmen im Gericht in einem Büchlein festhalten, das weniger ein Verzeichnis der Güter mit den zu leistenden Abgaben war, sondern Ähnlichkeiten mit einem Rechnungsbuch hat.54 Es ähnelt den Urbarien des Fassatals aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und war mit Sicherheit ebenfalls ein Herrschaft- und Wirtschaftsinstrument. Der Obrigkeit lag daran, herrschaftliche und wirtschaftliche Ansprüche zu sichern. Für Welschnofen liegt in dieser Hinsicht noch reicheres Quellenmaterial vor: ein Urbar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Zinsbücher als Serie von 1512 bis 1555, ein Zehntenregister im Anhang der Zinsbücher von 1531 und 1532 sowie Rechnungsbücher für die Jahre 1526, 1529, 1532, 1533 und 1540. Dieses Schriftgut war „Ausdruck von Rationalisierung und Bürokratisierung und ermöglicht Einblicke in die lokalen Interaktions- und Kommunikationsprozesse zwischen Herren, Vermittlern und Abhängigen. Es kann als wichtiger Anhaltspunkt für die Analyse der gesellschaftlichen Organisation und der Beziehung herangezogen werden.“55

53 Sonderegger, Landwirtschaftliche Entwicklung, S. 48–52; Sonderegger, Aktive Grundherren, S. 225. 54 SAB, HSBx, BAB, Cod. 209 (Lade 128, 12A). 55 Sablonier, Verschriftlichung, S. 97–98.

Funktion und Bedeutung von Schrift

Abb. 8 Neustifter Urbar um 1480.

Das Urbar aus dem 15. Jahrhundert folgt auf weitere Urbarien, die im Laufe der Jahrhunderte angelegt wurden.56 In diesem wurden die Güter mit dem zu leistenden Grundzins aufgelistet, nicht aber die effektiv geleisteten Abgaben. Die Auflistung erfolgt in Rot, teilweise zusätzlich in Schwarz nummerierten Absätzen, die die Bezeichnung des Gutes sowie die Abgabe in Natur und Geld angeben. Von den 26 Abgabeeinheiten wird bei 23 die Abgabe von Öl, Fleisch und Eisen vermerkt, am Ende folgt der Wert des Grundzinses in Geld in römischen Zahlen. Drei Güter waren zu einem Geldzins verpflichtet, der Vöstlhof, der Geigerhof und der Götschlhof. Bei 22 Einheiten endet der Absatz mit der Auflage, dass der Bewirtschafter des Hofes für den Transport des Zehnten von Fassa nach Bozen zuständig war. Auf dem Innenrand der Doppelseite wurden sehr klein in Rot die Namen der Bewirtschafter angeführt, teilweise bis zu vier Personen.57 Über die Beziehung zur Herrschaft gibt dieses Schriftgut nur beschränkt Auskunft. Da es sich bei den Angaben um Sollabgaben handelt und nicht um Realabgaben, kann angenommen werden, dass es sich um ein reines Herrschaftsinstrument handelte. Es zielte nicht darauf ab, die Abgabenrealität darzustellen, sondern die

56 Das älteste Urbar stammt aus der Zeit 1278–1325 sowie ein weiteres aus der Zeit um 1375. Das genannte Urbar ist nicht datiert; Herbert Innerhofer, der ehemalige Stiftsarchivar, ordnete es der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu. Innerhofer, Grundherrschaft, S. 39–45. 57 SAN, Cod. 836b.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Abb. 9 Neustifter Placitum 1512 (Hof Ladritsch).

Abb. 10 Neustifter Placitum 1525 (Hof Ladritsch).

Tradition der grundherrschaftlichen Beziehung zwischen Herrn und Leihnehmer sichtbar zu machen, in Erinnerung zu rufen, sie zu legitimieren.58 Mehr Informationen enthalten die zu Beginn des 16. Jahrhunderts vom Neustifter Amtmann Georg Kirchmair von Ragen59 angelegten Zinsbücher, die Placita. Es handelt sich dabei um ab 1511 jährlich angelegte Zinsbücher, in denen nicht nur Gutsbezeichnung, Bewirtschafter und Sollabgaben verzeichnet, sondern auch Realabgaben und Rückstände vermerkt wurden; sie liefern „strukturelle und ereignishafte Informationen“.60 In den strukturellen Teil fallen die Bezeichnung des Gutes, gefolgt vom Namen des Bewirtschafters und am linken Rand oben die Abgabenpflicht. Dieser Teil ist in allen Placita gleich. Die ältesten Zinsbücher bis zum Jahr 1525 enthalten kaum weitere Einträge und weisen inhaltlich große Ähnlichkeit mit dem Urbar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf.

58 Vgl. Sablonier, Verschriftlichung, S. 107; Sonderegger, Landwirtschaft auf dem Papier, S. 257; Erni, Geschriebene Landschaft, S. 140. 59 Ausführliche Informationen dazu in: Innerhofer, Georg Kirchmair, S. 50–59. 60 Sonderegger, Landwirtschaft auf dem Papier, S. 258.

Funktion und Bedeutung von Schrift

Abb. 11 Eine beim Aufstand im Mai 1525 zerschnittene Urkunde des Klosters Neustift.

Ab 1526 werden die Informationen immer zahlreicher und geben zunehmend auch Aufschluss über das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Leihnehmer und Herrschaft. Neben der Sollabgabe finden sich nun auch Angaben über effektiv geleistete Abgaben. Die zunehmende Verschriftlichung lässt ein verändertes Verhältnis vermuten, denn nun werden vermehrt auch Schulden vermerkt. Die Angaben in diesen Zinsbüchern ermöglichen zwar nicht eine Kalkulation der Verschuldung, die Anzahl der Schuldner kann aber annähernd erfasst werden. Eine Analyse der Zinsbücher für die Jahre 1521, 1523 und 1525 bestätigt eine periodische Verschuldung, 71 Prozent der Beliehenen kamen dem Kloster gegenüber ihrer Verpflichtung nicht nach, und diese Tatsache wurde schriftlich festgehalten.61 Die Konfrontation mit diesen verschriftlichten Verpflichtungen trieb die Bewirtschafter in die Enge, die Reaktion darauf zeigte sich in den 1520er Jahren und vor allem im Mai 1525, als das Kloster beim Bauernaufstand besetzt und geplündert wurde. Die Aufständischen hatten es vor allem auf die Zinsbücher und Reverse abgesehen, die zerschnitten, verdreckt und zerstört wurden. Ein Zeitzeuge schreibt darüber Folgendes:

61 Pattis, Neustift, S. 99. Ähnliches lässt sich für das von Obermair und Stamm bearbeitete Rechnungsbuch der Pfarrgemeinde Gries feststellen. In der ersten etwas lückenhaften Rechnungsperiode (1422–1426) lassen sich Verzögerungen in der Bezahlung feststellen, die im zweiten, besser dokumentierten Rechnungsbuch (1526–1529) weiter anhalten. Obermair/Stamm, Ökonomie einer ländlichen Gemeinde, S. 34–35.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

... Alle brieff, sigl, brief ich gerechtigkeiten, urbar register raitung, placita oder raitpücher, gerichtshändl, freyheiten [ ] in summa alle pücher was [ ] geschriben gewest ist aus allen cästn, truchn, stubn sonderlich canzlei stübl schuldbrief alles zerissen, auf den hof tragen, zerhackt, zerschnidten, zerissen, zerstochn auf die spieß und hellpardt gelegt und gegeneinannder geworfen ...62

Die zunehmende Verschriftlichung von Rechten und Pflichten veränderte die Position beider Seiten, die der Bewirtschafter und die der Herrschaft. Schriftlich festgehaltene Vereinbarungen konnten leichter eingefordert und nicht abgestritten werden. Die Reaktion beim Aufstand im Mai 1525 lässt auf die Schwierigkeiten einer von Mündlichkeit geprägten Gesellschaft, mit dieser neuen Form von Machtausübung umzugehen, schließen.63 Nach dem Aufstand erachtete die Herrschaft eine noch intensivere Verschriftlichung von Abmachungen und Forderungen als notwendig. In den Placita finden sich ab 1526 im ereignisreichen Teil viele ausführlichere Notizen mit Hinweisen auf rechtmäßige Forderungen. Auf eine rigorosere Durchsetzung der herrschaftlichen Ansprüche reagierten die Leihnehmer radikal, sodass die Grundherrschaft die wirtschaftliche Beziehung zu ihren Leihnehmern noch genauer kontrollierte.64 Gleichzeitig lässt sich aber auch eine gewisse Kompromissbereitschaft feststellen. Die Ereignisse beim Aufstand haben deutlich gezeigt, dass sich das Verhaltensmuster der Leihnehmer geändert hat und die Herrschaft notgedrungen Verhandlungsbereitschaft an den Tag legen musste. Hinter dem asymmetrischen Verhältnis der Parteien lässt sich ein bestimmtes Maß an Konsensfindung und Toleranz seitens der Grundherrschaft feststellen, die notgedrungen die Beziehung zu den Leihnehmern aufrechterhalten musste.65 Spannungen, die zur Konfrontation führten, mussten bewältigt und ausgeglichen werden, wollte man das System bewahren. 1530 erinnerte man Silvester vom Vöstlhof in Welschnofen, dass er wie jedes Jahr dem Amtmann bei seinem Besuch Heu und Stroh und 6 Pfund Berner für zwölf Mahlzeiten stellen musste. Jörg Federle, der 25 Jahre in Welschnofen als Pfarrer tätig gewesen war, bestätigte, dass alle Amtsleute diese Entschädigung bekommen hätten, und zwar 14 Pfund Berner, und Silvester deshalb ebenso dazu verpflichtet sei. Im Widum von Bozen wurde diese Forderung schriftlich durch eine besiegelte Urkunde festgehalten. Die Leihnehmer scheuten also nicht den Versuch, Verpflichtungen zu ignorieren, umso wichtiger waren daher Zeugen und

62 63 64 65

Die Stellen in den eckigen Klammern fehlen, weil nicht lesbar. TLMFI, Dip. 854/1. Vgl. Gius, mündliche Tradition, S. 27. Vgl. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 141–142. Pattis, Neustift, S. 100.

Funktion und Bedeutung von Schrift

Abb. 12 Placitum 1531 (Neustift) Höfe Sol und Ladritsch auf einer Seite.

schriftliche Belege. Es ist möglich, dass Silvester versuchte, die Befreiungen, die er aufgrund seines Messneramtes genoss, weiter auszudehnen.66 Dass Verschriftlichung immer wichtiger wurde, zeigt die Tatsache, dass gleichzeitig zu den Neustifter Placita auch vor Ort Placita geführt wurden. Im Pfarrarchiv Welschnofen finden sich zwei Exemplare von Placita aus den Jahren 1531 und 1532, die parallel zu den Neustifter Zinsbüchern geführt wurden, laut einem Hinweis bereits seit 1509.67 Der Amtmann ließ also nicht nur für das Stift Buch über die Abgabenverpflichtung und -leistung seiner Leihnehmer führen, sondern auch vor Ort in Welschnofen.68 Die Aufzeichnungen für den Ladritscherhof von 1531 zeigen, dass die beiden Exemplare eines Jahres nicht Abschriften waren. Sie weisen inhaltlich große Ähnlichkeiten auf, das Welschnofner Exemplar liefert aber mehr Details. Das Neustifter Placitum vermerkt den Ladritschhof noch beim Solerhof, obwohl die Familie Instel den Hof verkauft hatte und nicht mehr zuständig war. Für den Hof gibt es keinen eigenen Eintrag im Gegensatz zum Welschnofner Placitum, in dem der Ladritscherhof auf einer eigenen Seite angeführt und auch der neue Bewirtschafter genannt wird, Leonhardt Ladritscher. Er musste für die alte Schuld aufkommen und verrechnete mit dem Amtmann Zins, Zehnten und Restschulden. Im Neustifter Placitum von 1532 scheinen der Solerhof und der Ladritschhof immer noch auf einer Seite auf. Am linken Rand ist der Grundzins für den Solerhof

66 SAN, QQ 19.2; Kohler, Kleriker, S. 79–80. 67 SAN, QQ 19.2. 68 Die folgenden Informationen beziehen sich alle auf: SAN, Placita 1531, 1532; PfAW, Placita mit Zehntenregister 1531, 1532.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Abb. 13 Placitum 1531 (Welschnofen): Die Höfe Sol und Ladritsch werden getrennt aufgelistet.

und der Vermerk die gueter sein yez von ainander khumen zu lesen, gefolgt vom Grundzins des Ladritscherhofes. Leonhardt Ladritscher wird in diesem Zinsbuch als Nachfolger Hans Instls genannt, mit ihm werden die Schulden aus Grundzins und Zehnten der letzten Jahre verrechnet, alle angeführten Zahlen stimmen in beiden Placita überein. Das Welschnofner Exemplar wurde mit großer Sicherheit vor Ort verfasst, da es sich noch heute im Welschnofner Pfarrarchiv befindet. Die Einträge zu den Bezahlungen für ein Gut erfolgten in mehreren Momenten, wurden aber nicht in chronologischer Reihenfolge vermerkt, was darauf schließen lässt, dass die Informationen gesammelt und am Ende des Jahres gemeinsam im Zinsbuch verzeichnet wurden. Bei Wilhalm Mutter, der den Hof Zenay und drei Viertel des Weidmannhofes hatte, liest man in den Placita von 1532, dass er am 30. November 1532 eine Krone, am 15. Juni 1533 7 Pfund Berner und am 1. Mai 1533 in Bozen wiederum 7 Pfund Berner bezahlt hatte.69 Das Neustifter Placitum verkürzt die Informationen, geht nicht darauf ein, wann wie viel gezahlt wurde, sondern vermerkt hauptsächlich die

69 Pattis, Ökonomie, S. 15.

Funktion und Bedeutung von Schrift

Gesamtschulden und was an Abgaben geleistet wurde. Die Gesamtsummen der parallel geführten Zinsbücher stimmen überein. Wenn auch etwas unterschiedlich, so zeigt der ereignisbezogene Teil in beiden Exemplaren, dass solche Zinsbücher mehr als nur ein Mittel der Wirtschaftsführung waren. Die verstärkte Neigung zur Verschriftlichung darf nicht nur mit einer Rationalisierung im Zuge der Entstehung eines Verwaltungsapparates in Zusammenhang gebracht werden, sondern muss in ihrer Bedeutung für die Herrschaftsausübung gesehen werden.70 Sie diente dazu, „Beziehungen darzustellen und zu bewahren, Verfahren zu sichern und damit Glaubwürdigkeit herzustellen, zu ordnen und zu organisieren“.71 Die symbolische Bedeutung dieses Schriftguts darf neben der materiellen nicht unterschätzt werden. Die Placita sind ein deutliches Beispiel für „Verwendung von Schrift und Schriftgut im sozialen Handeln“, die Nutzung des Mediums Schrift zum Festhalten von Vorgängen trug zur Herrschaftsbestätigung bei. Diese Art von verschriftlichter Mündlichkeit zielte darauf ab, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu schaffen, die durch die Anwesenheit weiterer Dorfbewohner, die Verschriftlichung von Schulden und die Besiegelung vonseiten eines Vertreters der Dorfgemeinschaft noch verstärkt wurden.72 Im Welschnofner Placitum 1531 liest man beim Eintrag für Wilhalm Mutter, dass er im peisein vieler gueter leut aufrichtiger rechter schuld schuldig geworden ist. Sein Bestandsmann war ebenfalls anwesend, Hans Tschanin. Ein weiterer Dorfbewohner, Lienhard Kaufmann, erstellte einen Schuldbrief und Paul Walch verfasste einen Revers, den er siegelte.73 Die Leihnehmer trafen unter Anwesenheit von mehreren Dorfbewohnern mit dem Amtmann des Klosters in den meisten Fällen im Widum, dem Pfarrhaus in Welschnofen, zusammen. Alle Einträge weisen mehr oder weniger dasselbe Handlungsmuster auf: In Anwesenheit des Pfarrers und weiterer Personen legt der Amtmann die Zinsbücher der letzten Jahre auf, die Schulden werden erhoben und dann aufgehoben, ein Ausdruck für die Bereitschaft zu einer neuen Übereinkunft im gegenseitigen Einvernehmen. Dass die Leihnehmer nur einen im Verhältnis geringen Teil der Schuld tilgten, ist Hinweis dafür, dass „die herrschaftlichen Ansprüche verschriftlicht und normiert“ wurden.74 Die Angabe der wirtschaftlichen Verschuldung hat symbolischen Charakter, sie unterstreicht die Akzeptanz von 70 71 72 73 74

Vgl. Rauschert, Herrschaft und Schrift, S. 13–15. Sablonier, Verschriftlichung, S. 109. Sablonier, Verschriftlichung, S. 113. PfAW, Placitum 1531 mit Zehntenregister. Sablonier, Verschriftlichung, S. 100–101.Hier und im Folgenden. Dies zeigt auch die Schuldenanalyse für die Neustifter Güter in Welschnofen für den Zeitabschnitt 1525–1544. Grundsätzlich wurden für alle Güter Rückstände verzeichnet, bei einigen waren sie ziemlich hoch, so z. B. beim Solerhof, der bei einem Grundzins von 19 Pfund Berner eine 17-fache Verschuldung aufwies, nämlich 334 Pfund Berner. Für den Oberpoppenerhof ergibt sich bei einem Grundzins von 4,5 Pfund Berner eine 46-fache Verschuldung, nämlich 210 Pfund Berner. Weitere neun Höfe weisen ebenso

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Herrschaft, „Aufschreiben bedeutete zwar Rechnen bzw. Bilanzieren, aber auch Beanspruchen und Bewahren.“ Die den Welschnofner Placita angehängten Zehntenregister bekräftigen diese Annahme.75 Auf deren ersten Seiten liest man: Hienach vermerckht die hof in walischnofn so iariglich zehenten in casstn zegeben schuldig sein. Für die 65 angeführten Güter, die der Ortskirche zehentpflichtig waren, werden keine Sollabgaben vermerkt, auf die Nennung des Gutes folgen unmittelbar ereignisbezogene Informationen: In den meisten Fällen einigt sich der Bewirtschafter des Guts – manchmal auch ein Gewährsmann – mit dem Amtmann über die Abgabe. Alle Einträge weisen dasselbe Muster auf: Der Hof oder die Höfe werden genannt, es folgt jeweils der Name des Bewirtschafters und dann der Eintrag, dass der Zehnte verrechnet wurde. Es fällt auf, dass die meisten das Getreide zu Hause behielten und die Schuld anschreiben ließen. Für Veit Kaufmann vom Götschlhof und vom Kafmannhof bringt der Bestandsmann Veit am Keller 2 Star Roggen und 1 Star Gerste zum Kornkasten, der Ablieferstelle neben der Pfarrkirche, 15 Star Roggen hatte er daheim behalten. Was angeschrieben werden musste, wurde vorne im Zinsbuch vermerkt.76 Die Grundherrschaft zeigt mitunter sogar Verständnis für die Zahlungsprobleme. Hans Gall, Richter in Welschnofen, wurde 1531 zugestanden, wegen eines erlittenen Schadens die Schmalsaat 77 zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten. 1541 und 1543 erließ der Propst dem Cristan Klaindl auf seine untertänigst bit einen Teil der Abgaben.78 Gerade die Verwendung von Ausdrücken wie hat angesagt, hat angezaigt, zum Kasten gebracht, daheim behalten, bei seinem Titel vermerkt verdeutlichen, dass Kommunikation stattfand, die zu Vereinbarungen führte, mit der sich beide Seiten schlussendlich einverstanden zeigten. Es ging dabei nicht nur um die finanziellen Interessen, sondern auch um die Verschriftlichung von Abmachungen vor Ort, die für die Herrschaftsausübung notwendig geworden war.79

75 76 77

78 79

überdurchschnittlich hohe Rückstände auf. Pattis, Ökonomie, S. 12. Vgl. Clausen, Strukturwandel, S. 85. PfAW, Placitum 1531 mit Zehntenregister. PfAW, Placitum 1531 mit Zehntenregister. Schmalsaat ist ein Sammelbegriff für Feldfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Hanf, die auf Sondernutzungsflächen, d. h. von der Zelgenordnung ausgenommenen Flurstücke angebaut wurden (von smalsaat). Lexer, Taschenwörterbuch, S. 199. SAN, Placita 1541 und 1543. Vgl. Sablonier, Verschriftlichung, S. 98; Sonderegger, Aktive Grundherren, S. 226; Sonderegger, Landwirtschaftliche Entwicklung, S. 196; Rauschert, Herrschaft und Schrift, S. 14.

Funktion und Bedeutung von Schrift

Abb. 14 Raitbuch 1532 (Stiftsarchiv Neustift) Veit am Keller zahlt laut Abrechnung 7 Pfund Berner.

Abb. 15 Placitum 1532 (Stiftsarchiv Neustift) Veit am Keller zahlt 7 Pfund Berner.

Nach dem Aufstand intensivierte sich dieser Verschriftlichungsprozess noch zusätzlich, der Amtmann Kirchmair legte nun für jedes Jahr ein Raitbuch an, Rechnungsbücher, in die nicht die Verschuldung, sondern die effektiven Einnahmen des Klosters aus den Gütern der gesamten Grundherrschaft eingetragen wurden. Sie sind für die Jahre 1526, 1529, 1531, 1532 und 1541 erhalten.80 Alle weisen dieselbe Form auf, die Bewirtschafter werden nach Ortschaften aufgezählt, die wiederum genau in der Reihenfolge der Placita eingetragen wurden. Dadurch gibt es für die Placita von Welschnofen und Neustift von 1532 das entsprechende Rechnungsbuch, in das die Einnahmen der Zinsbücher übertragen wurden. Laut Neustifter Placitum 1532 gab es fünf Zahlmomente, im Raitbuch gibt es drei Einträge, der Gesamtbetrag stimmt genau überein.81 Ohne Zweifel erfüllen diese Rechnungsbücher nicht mehr nur den Zweck eines „schriftlichen Besitzgedächtnisses“, sondern lassen erste Ansätze für eine gezielte Wirtschaftsführung erkennen.82 Auf wessen Initiative diese einfache Art von

80 SAN, HMA, Lade 46, Raitbücher. 81 SAN, Placitum 1532, Raitbuch 1532. 82 Sablonier, Verschriftlichung, S. 10.

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Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen

Buchführung in die Wege geleitet wurde, geht aus dem folgenden Schriftstück hervor: Nachdem aber die leuff dieser zeit geschwind unnd vil gefarligkeit vor augen sind unnd damit dann vertrauens halb niemandt vernachtailt werde, so haben wir aller des bemelten Jörgen Kirchmairs diennsten unnd ämpter halben ain mal ain ganze volkumene raittung unnd an- zaigung enphanngen, auch aller seiner verganngn hanndl unnd diennst ein einsehen gethan unnd unns darauff dizmals derselbign benuegt, auch alles neuen und alten einnemens unnd ausgebenns ain beschlossne raittung gemacht, darinn unns bestimbter Jörg Kirchmair schuldig worden nämlich ain unnd vierzigkh marckh, siben phunnd perner, sechs kreuzer, zwen fierer. Der wir unns hiemit schon rueffen gewert und bezalt sein zue rechter zeit on allen schaden.83

Der Propst hatte vom Stiftsverwalter Kirchmair eine genaue Auflistung der Einund Ausnahmen verlangt, die schwierigen Zeiten erforderten es. Dem Verwalter kam eine wichtige Rolle zu, er war das Bindeglied zwischen der Herrschaft und den Bewirtschaftern. Er musste zeigen, dass er sein Amt erst nahm, gleichzeitig lag es aber ebenso an ihm, mit den Leihnehmern zu verhandeln und die Beziehung zur Herrschaft aufrechtzuerhalten. Die Zinsbücher waren die Verschriftlichung seiner Tätigkeit und zeugten von einer effizienten Arbeitsweise, auf sie konnte er Bezug für die Abrechnungen nehmen, wenn etwas nicht klar war, da sie der schriftliche Beleg für die Abmachungen mit den Leihnehmern waren.84 Die Akzeptanz der ökonomischen Verpflichtung vonseiten der Leihnehmer war in der Zwischenzeit von primärer Bedeutung für die Herrschaft, deren Autorität und Ansprüche durch die Erstarkung der Landesherrschaft und des fortschreitenden Territorialisierungsprozesses von den Bauern immer mehr infrage gestellt wurde. Dazu beigetragen hatte sicher auch ein durch die Erbleihe bedingter Emanzipationsprozess, der zu „einer Verflüchtigung des vollen Eigentumsrechtes der Herrschaft zu Gunsten eines immer weitergehenden Verfügungsrechtes der Leihnehmer über ihr Erblehen“ geführt hatte.85 Die grundherrschaftliche Beziehung hatte sich verändert, um sie aufrechtzuerhalten, rechtfertigte man sie nun über die wirtschaftlichen Ansprüche.86 Die Entwicklung der Urbare des Fassatals passt ebenfalls ins Schema. In den Exemplaren aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts finden sich neben den Sollabgaben auch Einträge für die erfolgte Abgabenleistung. Von einer verblassenden

83 84 85 86

SAN, HMA, Lade 49. Vgl. Sablonier, Verschriftlichung, S. 106; Sonderegger, Aushandeln, S. 84, 90–91. Krauer/Sonderegger/Sutter, Klosterfrauen, S. 134–135. Zangger, Alltagsbeziehungen, S. 297–298.

Funktion und Bedeutung von Schrift

Beziehung zwischen Herrschaft und Leihnehmern kann nicht die Rede sein, wenn, dann von einer veränderten, die sich an die neuen Gegebenheiten angepasst hat: Grundherren und Leihnehmer traten in ein immer intensiveres wirtschaftliches Verhältnis, was eine gegenseitige Bindung bzw. Abhängigkeit mit sich brachte.87

87 Sonderegger, Aktive Grundherren, S. 236.

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3.

Landwirtschaft am Berg

3.1 Wirtschaftliche Voraussetzungen Die erwähnten Urbare, Zins- und Rechnungsbücher ermöglichen es nicht nur, die Bedeutung von Schrift und die Beziehung der Bewohner zur Herrschaft zu erforschen, sondern lassen auch Schlüsse auf die Formen der Landwirtschaft zu, mit der sich die Bewohner eine Existenzgrundlage schufen. Sie belegen die Aussage einer Anbindung an Absatzmärkte, die die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln erlaubte. Die Neustifter Urbare, obwohl Herrschaftsinstrumente aus dem 13. und 14. Jahrhundert, listen für Welschnofen Getreide, Käse, Fleisch, Eisen und Geld auf. Das Vogteiurbar von 1348 sah als Abgabe Geld und Heu vor und das Urbar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts führt ebenfalls die Leistung von Fleisch und Geld an.1 Da es sich um Solleinträge handelt, können kaum Rückschlüsse darüber gezogen werden, ob diese Abgaben wirklich geleistet wurden, sie erlauben es aber, davon auszugehen, dass die Viehwirtschaft und der Bergbau in der Region eine wichtige Rolle spielten.2 Eine ähnliche Situation zeigt sich für das Fassatal, wo die Urbare ebenfalls die Abgabe von Schafen, Lämmern und Eisen belegen.3 In der Korrespondenz zu den Zöllen zwischen Brixner und Trienter Hof werden Kleinvieh, Salz, Getreide und Wein angeführt.4 Das Urbar für Tiers aus dem Jahr 1602 enthält neben Abgaben in Geld Kleintiere (Kitze, Lämmer und Hühner), Eier, Butter, Wildbret (Hirsch) sowie Getreideleistungen, und zwar Roggen, Weizen, Hafer (als Futter bezeichnet) und Gerste.5 Marx Sittich von Wolkenstein erwähnt ebenfalls, dass im Tierser Tal schönes Wildbret erlegt werden könne und dass die Bewohner Fässerholz und Bretter nach Bozen brächten, der Boden für den Getreideanbau allerdings nicht geeignet sei und die Ernte dementsprechend gering ausfalle.6 Konkretere Hinweise zum Ackerbau finden sich darüber hinaus in einer Getreidebeschreibung für Tiers aus dem Jahr 1622, die die erwirtschafteten Mengen der einzelnen Höfe auflistet und Angaben zum Eigenbedarf anführt. Die Auflistung zeigt unter anderem, dass das Getreide nicht ausreichte. Im Jahr 1622 erwirtschaftete

1 2 3 4 5 6

SAN, Cod. 836 b, Innerhofer, Grundherrschaft, Beilage Nr. 28 und 29; Pichler, Herrschaft, S. 349–250. Vgl. Sonderegger, Landwirtschaftliche Entwicklung, S. 55; Schläppi, Bäuerliches Handeln, S. 123. Siehe 2. Kapitel, Fußnoten 46, 47, 48. Mura, L’Archivio, S. 151. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 21B. SAB, HSBx, BAB, Cod. 209 (Lade 128, 12A); Spitaler Gericht Tiers, S. 36–39. Von Wolkenstein, Landesbeschreibung, S. 148.

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Landwirtschaft am Berg

Abb. 16 Getreidefelder in Tiers um 1930. Im Hintergrund der Rosengarten.

Jakob Zenz vom Pacherhof in Tiers 44 Star (ca. 1.029 kg),7 davon musste er 22 Star (514 kg) der Grundherrschaft abgeben, sodass ihm nur 22 Star (514 kg) für den Hausgebrauch verblieben. Er musste 23 Star (538 kg) dazukaufen, um die Familie ausreichend zu versorgen.8 Es waren zwar Getreideabgaben vorgesehen, vermutlich wurden sie aber in Geld geleistet. Im Urbar findet sich bei der Auflistung der Abgabe der Geldwert des Produkts. Diese Aussagen decken sich mit den Ernteertragsberechnungen, die für die Höfe Heinz, Zyprian und Grabmair in Welschnofen für das 16. Jahrhundert gemacht werden können. Die Äcker der ersten beiden waren steil, der Grabmairhof hatte in dieser Hinsicht eine etwas bessere Lage. Alle drei mussten aber mit witterungsbedingten Ernteausfällen rechnen. Ein kalter, trockener oder feuchter Frühling konnte die Getreide-, aber auch die Heuernte um 20 bis 30 Prozent reduzieren. Diese Unterschiede in den Erträgen wurden mir von meinem Schwiegervater Franz Kafmann für den Grabmairhof in den 1940er Jahren bestätigt. Sie hingen mit der Bodenbeschaffenheit und den klimatischen Bedingungen zusammen. Sie lassen

7 Ein Star entsprach einer Menge von 30 Litern (23,40 kg), 1 Liter entsprach ca. 0,78 kg Getreide. Pattis, Neustift, S. 156. 8 Spitaler, Gericht Tiers, S. 40.

Wirtschaftliche Voraussetzungen

Tab. 1 Ernteerträge Zipperlehof 2017–2020 Jahr 2017 2018 2019 2020

Aussaat 26 kg 22,50 kg 20,60 kg 25,50 kg

Ernte 407 kg 102 kg 209 kg 450 kg

Verhältnis 1 : 15,6 1 : 4,5 1 : 10 1 : 17

Feldwechsel ja nein nein ja

sich auch heute noch für die Heuernte beobachten. Im Jahre 2009 war die Heuernte des Grabmairhofes vom ersten Schnitt bei gleicher natürlicher Düngung um 30 Prozent geringer als 2008. Trotz genügend Feuchtigkeit (schneereicher Winter) wuchs das Gras im Frühling aufgrund der niederen Temperaturen im Monat Mai nur langsam. Der Anbau von Frühjahrsweizen auf dem Zipperlehof von Martha Mahlknecht im Nachbardorf Gummer bestätigt solche Schwankungen ebenfalls. Sie verzeichnete beim Anbau auf 1.000 m2 Acker auf 1.300 m Meereshöhe in den Jahren 2017–2020 deutliche Unterschiede. Die Erträge des Jahres 2017 waren beträchtlich, sie ergaben bei einer Düngung aus Eigenproduktion und einem sicherlich verbessertem Saatgut ein Verhältnis von Aussaat und Ernteertrag von 1:15,6. Im darauffolgenden Jahr 2018 sank der Ertrag beträchtlich, was sich einerseits mit dem fehlenden Feldwechsel erklären lässt, andererseits aber im Vergleich zur Ernte des Jahres 2019 (ebenfalls ohne Feldwechsel) doch auffallend scheint. Ursache für den äußerst niederen Ertrag von 2018 dürften die Wetterbedingungen gewesen sein: Nicht nur zu viel Niederschlag, sondern auch Hitze und fehlende Niederschläge können die Erträge vermindern. Dies dürfte für das Jahr 2018 zutreffen, da Juni und Juli überdurchschnittlich warm waren und die Niederschlagsmengen laut den Aufzeichnungen des Wetterdienstes der Provinz Bozen unter dem Durchschnitt lagen. Im Juni fiel nur halb so viel Regen wie üblich. Im Juli lagen die Niederschlagsmengen 10 Prozent unter den Sollwerten, der ganze Monat war durchwegs warm, in der letzten Woche begann sogar eine markante Hitzewelle, die bis in den August hinein anhielt. Im darauffolgenden Jahr 2019 waren die Durchschnittstemperaturen im Juni zwar um einiges höher, die Niederschläge waren aber laut Wetterdienst ausgeglichen, was sich auf das Wachstum positiv ausgewirkt haben wird. Im Juli lagen die Temperaturen etwas höher als im Durchschnitt, die Niederschlagsmengen nur etwas unter dem Durchschnitt. Für den besseren Ertrag dürften die ausgeglicheneren Niederschlagsmengen verantwortlich gewesen sein. Die Annahme, dass die Ernteerträge in engem Zusammenhang mit den Niederschlägen stehen, dürfte gerechtfertigt sein. Schwankungen für Erträge in der Landwirtschaft werden auch von Dyer bestätigt.9

9 Vgl. Dyer, Standards, S. 116.

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Landwirtschaft am Berg

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde in Welschnofen mit großer Wahrscheinlichkeit nach dem System der Dreifelderwirtschaft10 angebaut, das heißt, in jedem Erntejahr konnte lediglich auf zwei Dritteln der verfügbaren Ackerfläche geerntet werden, während ein Drittel des Bodens zur Erholung brach lag. Für den Zyprianhof gibt es eine Angabe der Grenzen aus dem Jahr 1548, sodass es möglich ist, die für den Ackerbau bestimmte Fläche zu errechnen.11 Diese betrug 1,7 Hektar, von denen jährlich 1,13 Hektar bebaut wurden. Ähnliche Berechnungen sind für den Heinzenhof mit 0,93 Hektar von insgesamt 1,4 Hektar Land und dem Grabmairhof mit 1,37 von 2,06 Hektar möglich. Für beide gibt es indirekte Grenzangaben in Reversbriefen aus dem 16. Jahrhundert.12 Eine hypothetische Berechnung, der Angaben aus Reversbriefen und dem Theresianischen Kataster zugrunde liegen, ergibt folgende Getreidemengen: Der Zyprianhof konnte in witterungsbeständigen Zeiten mit einer Getreidemenge von ca. 47 Star (1.099 kg) rechnen, der Grabmairhof mit 58 Star (1.357 kg) und der Heinzenhof mit 39 Star (912 kg).13

10 Bei der Dreifelderwirtschaft wird das ganze Ackerland in drei Zelgen (Teile) gegliedert. In einem Wirtschaftsjahr wird in einem Drittel die Winterfrucht angebaut, im zweiten Drittel die Sommerfrucht, das dritte Drittel liegt brach. Im Verlauf dreier aufeinanderfolgender Wirtschaftsjahre folgen in jedem Drittel Ackerland Winterfrucht, Sommerfrucht, Brache. Jedes Jahr bleibt ein Drittel der Ackerflur ohne intensive Nutzung. Wopfner, Bergbauernbuch, Bd. 3, 1997, S. 26. Für Werner Troßbach hing die lange Persistenz der Brache in zahlreichen europäischen Regionen mit ihrer Funktion zusammen: Ausrottung von Schädlingen, Humusanreicherung und Unkrautvertilgung (Weide). Kießling/Konersmann/Troßbach, Agrargeschichte, S. 60. 11 LAB, Theresianischer Steuerkataster, Karneid 1, 126; AN, QQ 20. Im Jahre 1548 grenzte der Zyprianhof im Osten an den Grabmairhof, im Süden an den Tschandlhof und den Vöstlhof, im Westen an das Siechental und im Norden an den gemeinen Wald. 12 Für die Höfe Grabmair und Heinz gibt es keine genauen Grenzbeschreibungen aus dieser Zeit. Die natürlichen Grenzen, die Angaben über Grenzen aus anderen Verleihbriefen (AN QQ 20), eine Skizze aus dem Jahr 1771 (AN QQ 373) und die Informationen aus dem Theresianischen Kataster lassen auf das genutzte Ackerland schließen. SLA, Th. Stkat., Karneid 1, 138 und 158. 13 Diese Berechnung wurde aufgrund der Angaben zu den Flächenmaßen in: Rottleuthner, Gewichte, S. 37 gemacht. Für ein altes Starland werden 721,57874 m2 angegeben, das bedeutet, dass man für 0,07 Hektar Land ungefähr 1 Star Getreide für die Aussaat benötigte. Für das 16. Jahrhundert kann man davon ausgehen, dass 1 Star 30 Liter Roggen entsprach, 1 Liter entsprach ca. 0,78 kg Roggen; dazu auch bei Kohler, Kleriker, S. 15. Für die Berechnung wurde in Anlehnung an die Angaben von Slicher von Bath ein Verhältnis Aussaat/Ernte von 1:4 genommen. Er geht davon aus, dass ein höheres Ertragsverhältnis von bis 1:15 nur durch einen intensiven, auf den Markt ausgerichteten Anbau erzielt werden konnte. Siehe dazu Slicher van Bath, Storia Agraria, S. 242–248; Wopfner führt ebenfalls ein Verhältnis von 1:4 für den Reggelberg an. Wopfner, Bergbauernbuch, S. 172–174. Siehe dazu auch Zangger, Grundherrschaft, S. 363, Fußnote 66 und Sonderegger, Reichsstadt, S. 14.

Wirtschaftliche Voraussetzungen

Tab. 2 Geschätzte Ernteerträge der Höfe Zyprian, Grabmair und Heinz Hof

Zyprianhof

Ackerland (ha), beim Aussaat Dreifeldersystem werden (in Star) 2/3 bebaut 1,7 (1,13) 16

Grabmairhof

2,06 (1,37)

19

Heinzenhof

1,40 (0,93)

13

Ernteertrag (1:4) in Star 63 (1.474 kg) 77 (1.801 kg) 51 (1.193 kg)

Ertrag mit Abzug der Aussaat (in Star) 47 (1.099 kg) 58 (1.357 kg) 39 (912 kg)

Die Zahlen entsprechen in etwa jenen einiger Tierser Höfe. Dort verblieben Jakob Zenz vom Pacherhof nach Abzug des Grundzinses 22 Star (514 kg) Getreide, Martin Unterprader 46 Star (1.076 kg) und Thomas Geiger vom Ratschiglerhof 56 Star (1.310 kg). Die Beschreibung für Tiers zeigt, dass das Getreide für viele nicht reichte. Martin Unterprader musste 40 Star (936 kg) und Thomas Geiger 30 Star (702 kg) dazukaufen. Ein Haushalt benötigte also um die 80 Star (1.872 kg), wobei in der Tierser Quelle diese Mengen den Plentweizen (Heidekorn) und Futter (Hafer) mit einschlossen.14 Exkurs: Hannes Obermair stuft das Verhältnis Aussaat/Ernte von 1:4 als leicht pessimistisch ein und führt im Gegenzug die Zahlen Stafflers an, die von einem Verhältnis von 1:9 bzw. 1:10 ausgehen.15 Die Berechnungen der Ernteerträge für die Welschnofner Höfe wurden in Bezug auf Flächenangaben des 16. Jahrhunderts gemacht und beziehen sich zudem auf Erfahrungen von in der Landwirtschaft tätigen Personen. Grundsätzlich ist das Thema komplex und schwierig. Die Erträge hingen nicht nur von der Höhenlage ab, sondern von weiteren geografischen Gegebenheiten wie Hangneigung, Sonnenstunden und Niederschlagsmengen. Es können sich bereits große Unterschiede zwischen Nachbardörfern ergeben, trotz ähnlicher Höhenlage. Von Kälte geprägte Frühjahrsmonate, höhere Niederschlagsmengen, ein früher Wintereinbruch, aber auch trockene, niederschlagsarme Sommer wirken sich auf den Getreideanbau negativ aus.16 Die Folge war ein chronischer Getreidemangel, der auch für Tiers, das ähnliche geografische Bedingungen aufweist, immer wieder von den Quellen bestätigt wird.17

Es ist schwierig, allgemeine Schlüsse zu ziehen, da man die Größe der Haushalte nicht kennt. Die Analyse des Verbrauchs am Beispiel des Zyprianhofes zeigt, dass

14 15 16

17

Es gibt zudem im Theresianischen Kataster einen Vermerk zu schlechter Bodenbeschaffenheit und Murenabgängen: Dabey vorläufig anzumerken, dass in diesem Viertl die güter überhauptes von schlechten terren der drucken oder laäns brüchen unterworfen. SLA, Th. Stkat. Karneid, fol. 1. Spitaler, Gericht Tiers S. 40. Obermair/Stamm, Alpine Ökonomie, S. 38. Troßbach erwähnt, dass internationale Vergleiche für deutsche Gebiete von einem Durchschnittsverhältnis Saat/Ernte von 1:4 bis 1:4,5 ausgehen, betont aber ebenfalls, dass Verallgemeinerungen problematisch sind, lokale Faktoren dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Kießling/Konersmann/ Troßbach, Agrargeschichte, S. 74–75. TLAI, PA, 575, S. 38; vgl. Stamm, Produktivität, S. 314–315.

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Landwirtschaft am Berg

ein Hof mit einer Ackerfläche von 1,7 Hektar, der nach dem Dreifeldersystem 1,13 Hektar bei einem Verhältnis von Aussaat/Ernte von 1:4 bebaut wurde, mit einem durchschnittlichen Ertrag von 47 Star bzw. 1.099 Kilogramm Getreide im Jahr rechnen konnte.18 Die Familie musste mit 2,5 Kilogramm Getreide am Tag auskommen bzw. 912 Kilogramm im Jahr. Der jährliche Getreidebedarf einer Person liegt für Abel bei 180 Kilogramm, also ca. ½ Kilogramm am Tag, was wiederum bedeuten würde, dass die Kernfamilie, bestehend aus Mann, Frau und zwei Kindern, eigentlich mit 2,5 Kilogramm am Tag auskommen konnte.19 Wird aber der Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft berücksichtigt, speziell im Ackerbau, dann lebten sicher mehr als vier Personen auf einem Hof, sodass das Getreide nicht reichte und ein Zukauf unumgänglich war. Diese Notwendigkeit wird von der Tierser Getreidebeschreibung aus dem Jahr 1622 bestätigt, von den 30 Bauern kamen nur drei mit den eigenen Getreideerträgen aus, alle anderen waren auf einen Zukauf angewiesen.20 Eine ähnliche Situation belegen die Zehntenregister im Anhang der Neustifter Placita für Welschnofen von 1531 und 1532. Von den 32 Bauern, die ein oder mehrere Güter bewirtschaften, konnten nur Gilg Schneider für den Pardellhof und Jörg Popinger für seine Höfe den Zehnten leisten. Für alle übrigen findet sich der Vermerk, dass sie zum festgesetzten Termin beim Kornkasten erschienen und mitteilten, dass sie einen Teil des Getreidezehnten daheimbehalten hatten und ihn anschreiben ließen. Am Ende der Eintragungen für jedes Gut findet sich in beiden Registern noch eine genauere Verrechnung für einige Bauern, die schon mehrere Jahre Getreide anschreiben ließen.21 Im Fassatal war die Getreideversorgung ebenfalls schwierig. 1572/73 gewährte der Brixner Hof den Bewohnern einen mit fünf Prozent verzinsten Kredit von 190 Gulden Rheinisch für den Kauf von Getreide.22 Wolkenstein bestätigt dies, auch er hebt hervor, es wachse kein Weizen und nur wenig Roggen im Tal.23 Die Getreideversorgung der Region wurde von der Obrigkeit organisiert und kontrolliert, ihr war klar, dass die geografischen Bedingungen die Erfüllung der Abgabenpflicht schwierig gestalteten und man der Bevölkerung entgegengekommen musste. Auf eine Umwandlung des Getreidezinses in Geld ging man nicht

18 Pattis, Neustift, S. 157. 19 Sonderegger geht von 180 kg pro Person im Jahr aus. Er verweist auf Berechnungen von Abel und Saalfeld. Sonderegger, Landwirtschaftliche Entwicklung, S. 222. Othenin Girard kommt zu ähnlichen Schlüssen, sie geht von einem Bedarf von 200 kg pro Person im Jahr aus. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise, S. 332. 20 Spitaler, Gericht Tiers, S. 40–42. 21 PfAW, Placita 1531 und 1532 mit Zehntenregister. 22 Ghetta, Documenti, S. 83; Mura, L’Archivio, S. 155. 23 Von Wolkenstein, Landesbeschreibung, S. 155.

Landwirtschaftliche Spezialisierung: Die Viehwirtschaft

über, um ein Abhängigkeitsverhältnis aufrechtzuerhalten und Herrschaft spürbar zu machen.24

3.2 Landwirtschaftliche Spezialisierung: Die Viehwirtschaft Die Tatsache, dass das Gebiet nicht ausreichend über Getreideressourcen verfügte, machte den Anschluss an einen Markt notwendig. Durch die intensive Produktion einiger landwirtschaftlicher Produkte wurde eine Kommerzialisierung möglich, die die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln erlaubte.25 Das erfolgte über die Viehwirtschaft, deren Bedeutung von den Quellen bestätigt wird. Alle Urbare des Fassatals enthalten die Verpflichtung zur Abgabe von Schafen oder Lämmern.26 Die Fassaner führten im Frühjahr ihre Schafherden, und zwar bis zu 2.500 Stück, an das Etschufer in der Umgebung von Gries, Terlan und Sigmundskron, wo sie Weiderechte beanspruchten, deren schriftliche Bestätigung bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Für die Unterbringung der Tiere nutzten sie einen Schafstall, der zum Kloster Muri-Gries gehörte. Die Schäfer verarbeiteten die Milch zu Käse, der verkauft werden konnte. Die Bauern des Fassatals verfügten nicht nur über Weiderechte im Bozner Talkessel, sondern auch im Tal selbst.27 Der Riegel Vigo hatte Weiderechte am Karerpass, im Zumela-Tal und im Gebiet des Riegels Pera, im Gebiet von Fontanazzo und Alba. Der Riegel Pozza hatte seine Rechte im Contrintal und im Zumela-Tal. Campitello hatte Weiderechte im Gebiet des Mont Duron und im Contrintal. Zudem hatte das ganze Tal weitere Rechte in den Gebieten Mont de Falcade (heute Fucchiade) nordöstlich des San-Pellegrino-Passes. Auf dem Pordoi erhoben die Bewohner des Fassatals ebenfalls Ansprüche auf die Weidenutzung.28 Diese Weiderechte ermöglichten es, einen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den Ackerbau und vor allem für die Gewinnung von Winterfutter freizuhalten.29 Sie waren die Grundvoraussetzung, um für den Markt zu produzieren und über die Kommerzialisierung jene Grundnahrungsmittel zu kaufen, die vor Ort nicht ausreichend vorhanden waren. Für Welschnofen belegen die Quellen ebenfalls die Bedeutung der Weiden und Mahdwiesen, die für die Tierhaltung unverzichtbar waren. Dies zeigt sich am Beispiel des Zyprianhofes, für den für das 16. Jahrhundert vier Verleihurkunden

24 25 26 27

Vgl. Sonderegger, Landwirtschaftliche Entwicklung, S. 215. Sonderegger, Begehrte Weiden, S. 46. Siehe Kapitel 2, Fußnoten 46, 47, 48. Gratl, Grenzgerichte, S. 212–213; Ghetta, Valle di Fassa, S. 209; Wolkenstein, Landesbeschreibung, S. 155. 28 Ghetta, Valle di Fassa, S. 207–208. 29 Vgl. Sonderegger, Begehrte Weiden, S. 44.

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Landwirtschaft am Berg

vorliegen. Paul Walch übernahm den Hof im Jahr 1531 mit 35 Tagmahd (10 Hektar) Wiesen, Vilg Pair hatte um 1548 Wiesenflächen von 67 Tagmahd (19 Hektar), Pilgrim de Gaslir aus Eves im Jahr 1556 bei 45 Tagmahd (13 Hektar) und Sebastian Seehauser im Jahr 1595 eine Fläche von 37 Tagmahd (11 Hektar).30 Von den Heuerträgen dieser Flächen hing die Anzahl der Tiere ab, die gehalten werden konnten. Eine genaue Analyse der Zinsbücher zeigt, dass viele Familien mehrere Höfe gleichzeitig innehatten, eine wichtige Strategie der Existenzsicherung, die sich auf mehrere Standbeine stützte. Im Zeitraum von 1512 bis 1555 gab es in Welschnofen 32 Familien, von denen 16 die ganze Zeit über einen Stammhof bewirtschafteten, andere Teile oder ganze Höfe wurden zeitweise mitbearbeitet. Auffallend ist, dass diese Zugüter öfter den Bewirtschafter wechselten.31 Es zeigt sich zudem, dass die Stammhöfe auf einer Höhe von 1.100 bis 1.250 Metern lagen, die Zugüter in den meisten Fällen höher. Die Höfe in tieferen Lagen weisen eindeutig eine für den Getreideanbau günstigere geografische Lage auf, jene in höheren Lagen stellten eine wichtige Ergänzung durch die Viehwirtschaft dar. Tab. 3 Bewirtschafter, Stammhöfe und Zugüter Familien, die von 1512–1555 denselben Hof bewirtschaften

Stammhof

Heinrich Moser Antoni Moser (Schwiegersohn) Heinrich Instlin Anna Instlin (1524 Witwe) Virgil im Puz (Sohn Annas) heiratet die Witwe von Hans im Puz Georg (Sohn von Hans im Puz) Michael Popinger Georg (Jörg) Popinger ab 1530 Hans und Simon Popinger ab 1534 Hans Plankh Simon Plankh

Moserhof Putzerhof

Höfe, die zwischen 1512 und 1555 zwischenzeitlich mit bewirtschaftet wurden (Zugüter) Hof im Tal Schillerhof (um 1531) Solerhof (ab 1534–1543) Zipperlehof (um 1531)

Oberpoppener und Un- Reiter auf Kar (1512–1523) terpoppener Halber Strickmaister (ab 1529–1536 für seine Hausfrau) zweite Hälfte Costhof ab 1534 Ober- und Unterer Teil Gstalthof (um 1531) des Plankenhofes Tschandlhof (1542–1545)

30 SAN, QQ69 (1531), QQ 20 (1548), QQ 21 (1556). Die Grenzen der Ackerfläche werden von den Angaben in der Verleihungsurkunde von 1595 bestätigt, in der von 25 Starsamen Acker die Rede ist. SAN, QQ 99 (1595). Für die Berechnung der Flächen in ha wurde die alte Tagmahd von 2.886 m2 verwendet. Rothleutner, Maße, S. 37. 31 Vgl. Maegraith, Selling, S. 198–202.

Landwirtschaftliche Spezialisierung: Die Viehwirtschaft

Familien, die von 1512–1555 denselben Hof bewirtschaften

Stammhof

Cristan Pitschöler Heinrich Pitschöler (1523–1533) Urban Pitschöler (1533–1555)

zwei Teile Kreuzwirt

Witwe Stofl ob Kars 1527 heiratet sie Paptista aus Eves 1529 heiratet sie Gilg Schneider 1550 heiratet sie Simon Jacom de Larenz, genannt Tschaup Wilhalm Mutter Hans Gall Valtein Gall (1534–1555) Jacob ze Rizol Ulrich Gall Hans Pentner (Schwiegersohn) Waltasar Pentner Anna Luzin Jacob Brenner, Luz Lienhard Luz (ab 1547) Jörg am Keller (1512–1525) Veit am Keller (1525–1550) Baltasar am Keller (ab 1550) Lienhard im Vorchach Thoman Springer Hans Springer

ein Teil des Kreuzwirt

Lienhard Götschl (1512–1532) Baltasar Götschl (1532–1550) Thomas Götschl (ab 1550)

Götschlhof

Weidmannhof Heinzenhof

Höfe, die zwischen 1512 und 1555 zwischenzeitlich mit bewirtschaftet wurden (Zugüter) Matschuster (um 1526–1542) Pitschölhof (um 1531) Spechterhof (um 1531) Ladritscherhof(1533–1555) Pardellerhof um 1531

Zenayhof (1523–1533)

Razölerhof Pentnerhof

Jocherhof (ab 1533)

Unterbrenner

Teil des Spinelhofs (um 1531)

Kellnerhof

Kafmannhof (um 1531)32

Innerfohrerhof Springerhof

Teil des Spinelhofes (1512–1529) 1512–1535 Matschuster Teil des Spinelhofes (um 1531)

Das Heu der Wiesen am Karerpass lieferte den Bauern das nötige Futter für den Winter, das Vieh wurde hingegen auf Gemeinschaftsweiden gebracht. Die älteste Quelle, die diese Weidenutzungsrechte erwähnt, geht auf das Jahr 1489 zurück. Leider wird in der Urkunde nur erwähnt, dass dem ganzen Gericht Karneid (Gummer, Steinegg, Karneid und Welschnofen) die Nutzung zustand, sie enthält aber keine Hinweise auf Menge und Art der Tierhaltung.33 Aufschlussreicher ist in dieser Hinsicht der Urteilsspruch zum Streit um Weiderechte zwischen den Gerichten Tiers und Karneid aus dem Jahr 1491 mit dem Hinweis, dass die Welschnofner zu Biol ihre Ochsen hielten und dass Söldner den Hirten mehrere Schafe gestohlen hätten,

32 SAN, QQ72 (1547). 33 SAB, HSBx, BAB, Urkunde 2780 (Lade 501).

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Landwirtschaft am Berg

Abb. 17 Holztransport mit Ochsen in Tiers.

um sie daraufhin zu schlachten.34 In einem weiteren Teil des Urteilbriefes geht aus dem Bericht eines Kundschafters hervor, dass ein Käser (Senner) Kühe und Geißen zur Sömmerung auf die Weide gebracht habe, die Welschnofner hielten hingegen auf der anderen Seite des Baches ihre Ochsen, was ihnen aber nicht erlaubt war, weshalb sie sie wegtreiben mussten.35 Für die Welschnofner spielte die Ochsenhaltung folglich eine wichtige Rolle. Sie hatten unter dem Rosengarten bis an die Grenze der heutigen Gemeinden Fassa und Tiers ihre Weidegebiete. Diese Weiden gehören noch heute der Ochsenalpinteressentschaft, obwohl nun nicht mehr nur Ochsen, sondern auch weibliche Rinder zur Sömmerung auf diese Weiden gebracht werden.36

34 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 11 B, S. 92. 35 Die Kundschafter, die von beiden Parteien im Laufe der Aussprache vorgeladen wurden, sollten durch ihre Aussagen das Anrecht auf die Weide beweisen. Interessanterweise ist das Alter der Informanten von Bedeutung, denn je älter, umso besser konnte bezeugt werden, dass bestimmte Gewohnheiten und Bräuche schon sehr lange aufrecht waren. SAB, BAB 128, 11 B. 36 Laut Informationen des Schriftführers Peter Vieider war die Ausdehnung des Auftriebsrechtes auf weibliche Rinder schon lange vor dem Bau des Verbindungsliftes Tschein (um 1980) gefordert worden, weil weniger Ochsen gehalten wurden und die Alm nicht mehr rentabel genutzt werden

Landwirtschaftliche Spezialisierung: Die Viehwirtschaft

Leider fehlen Quellen aus dem 16. Jahrhundert, die Informationen darüber enthalten, welche Höfe mit wie vielen Tieren diese Almen nutzen durften. Die älteste Aufzeichnung über diese Rechte findet sich im Theresianischen Kataster von 1777/78. Die Höfe von Welschnofen konnten 32 Paar Ochsen auf die Weiden unter dem Rosengarten und dem Latemar bringen. Die Ochsenhaltung zielte teilweise auf den Fleischverkauf ab, spielte aber mit Sicherheit eine bedeutende Rolle für die Holzwirtschaft. Eine Quelle aus dem Jahr 1830 belegt den engen Zusammenhang zwischen Ochsenhaltung und Holzbezugsrecht. Jedes Recht zur Haltung eines Ochsenpaares beinhaltete den Anspruch auf zwei Merkantilstämme bzw. Stämme, die als Bauholz verkauft werden konnten.37 Laut Theresianischem Kataster von 1777/78 hatten folgende Höfe Welschnofens Anrecht auf die Nutzung der Ochsenweiden:38 Für Tiers war die Ochsenhaltung ebenfalls von Bedeutung. Der Gerichtsherr hatte den Bewohnern zugestanden, ihre Ochsen am Niger, in Purgametsch und Kanzenal zu weiden, falls die Weiden in Tschamin, Plafetsch, Angel und Weitwurf nicht ausreichten.39 Ochsen wurden als Zugtiere im Ackerbau und für den Holztransport eingesetzt und ermöglichten eine Einnahme über den Verkauf von Lebendtieren oder Fleisch. Es muss so etwas wie einen Jahreskreislauf gegeben haben: Von März bis Mai wurden die Ochsen für den Holztransport eingesetzt, den Sommer über waren sie auf den Weiden und im Herbst wurde vermutlich ein Teil geschlachtet oder lebend verkauft, sodass nur so viele Tiere vor Ort gehalten wurden, wie die Stallungen zuließen.40 Neben Ochsen wurden Milchkühe, Schafe und Ziegen gehalten. Die Inventare einiger Höfe informieren über den Viehbestand in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Der Heinzenhof, der als Beispiel für einen durchschnittlichen Hof in Welschnofen herangezogen werden kann, verfügte im Jahr 1693 über ein Paar Ochsen, ein Stierl, ein kleines Stierl, vier Kühe und sechs Schafe.41 Die Anzahl der Ochsen entsprach der Anzahl der Weiderechte, die zwei kleinen Stiere konnten auf dem Markt verkauft oder als Nachwuchs für die Ochsen gezügelt werden. Die Milchkühe, Schafe und Ziegen dienten sicherlich der Milchversorgung

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konnte. Der von Welschnofen gewollte Bau des Liftes brachte Bewegung in die verfahrene Situation, weil die Ochsenalpinteressentschaft ihre Zustimmung von einer Weideregelung abhängig machte, die den Auftrieb von weiblichen Rindern erlauben sollte. Pichler, Siedlung, S. 20–123. SLAB, Th. Stkat., Karneid 1. Spitaler, Gericht Tiers, S. 63. Corazzol, Piani, S. 243. Pichler, Siedlung, S. 115.

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Landwirtschaft am Berg

Tab. 4 Höfe und Ochsenrechte Hofbezeichnung Laner Kohler Kafmann Kellner Außerfohrer Türkenhof Pardeller Götschl Springer Zyprianhof Vöstl Grabmair Heinz Jocher Pentner Kreuzwirt Unterstrickmeister Jocher Hof Hälfte Ladritschhof Unterweger Geigerhof Reiter Soler Oberpopp Unterpopp Sterzer Plankenhof

Ochsen 2 Paar Ochsen 3 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 3 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen 1 Paar Ochsen 2 Paar Ochsen

und ermöglichten eine Käseproduktion.42 Dass Käse für den Markt hergestellt wurde, wird indirekt von einem Urbar aus dem 14. Jahrhundert bestätigt, das für die Welschnofner Höfe die Abgabe von Käse, Fleisch, Eisenstücken und Geld vorsah.43 Die Vermarktung von Produkten aus der Viehwirtschaft wird auch von der bereits erwähnten Zolltafel für Welschnofen aus dem Jahr 1596 bestätigt. Es finden sich Tarife für Kühe, Kälber und Ochsen, Pferde, Schweine, Ochsenfleisch, Schweinefleisch, Leder, Eisen und Getreide, Bohnen, Salz, Wolle und Haare.44 Für Tiers ist die Vermarktung von Lämmern, Kitzen und Kälbern über Klagen der Untertanen

42 Der Eintrag im Theresianischen Kataster bestätigt das Recht auf zwei Ochsen für den Heinzenhof. SLAB, Th. Stkat., Karneid Nr. 1. 43 SAN, Cod. 836a. 44 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 22E, fol. 36r.

Landwirtschaftliche Spezialisierung: Die Viehwirtschaft

belegt, die sich im Jahr 1597 weigerten, den Verkauf über den Gerichtsverwalter abzuwickeln.45 Neben der Viehwirtschaft betrieben die Bewohner der Region zudem den Bergbau. Der Vermerk von Metallabgaben in den Urbarien des 14. und 15. Jahrhunderts belegt eine Bergwerksaktivität am Latemar. Um 1557 bat Ferdinand Freiherr von Völs die Landesherren um eine Waldverleihung im Zusammenhang mit dem Erzabbau, die ihm aber nicht gewährt wurde. Erst seinem Nachfolger Caspar Freiherr von Völs erlaubte die Regierung in Innsbruck, 600 Fuder Kohle zur Betreibung des Bergwerks am Latemar zu brennen. Ein Jahr später beantragte der Freiherr von Völs die Nutzungsrechte für den gesamten Karerwald, erhielt aber eine Absage, da für die Tiroler Landesherren um 1550 die Einnahmen aus den Wäldern zunehmend an Bedeutung gewannen und weit lukrativer als die aus dem Bergbau waren.46 Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich für das Bergwerk Fursil in Buchenstein, ein Gebiet, das an das Fassatal grenzte: Um 1556 sollte der Abbau eingeschränkt werden, mit der Begründung, dass das Bergwerk zu stark ausgebeutet werden könnte. In Wirklichkeit ging es um die Waldbestände, die durch den Verkauf des Holzes beträchtliche Einnahmen brachten und daher nicht für das Bergwerk geopfert werden sollten. 1574 beantragten die Gebrüder Colz die Erlaubnis, mehrere Eisenöfen in Buchenstein zu errichten und die Nutzungsrechte für den Wald Valparola zu bekommen, wo sie eine Schlägerung von 10.000 Stämmen jährlich vornehmen wollten.47 Dass das nicht im Sinne des Brixner Hofes sein konnte, versteht sich aus den Verhandlungen zum Verkauf von Schlägerungslizenzen, die wenige Jahre später mit dem Unternehmen Maccarini um den Wald Valparola geführt wurden.48 Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts war der Verkauf von Holzschlägerungskonzessionen zu einem rentablen Geschäft für die Obrigkeit geworden, sodass der Bergbau zugunsten der Holzwirtschaft zurückgedrängt wurde. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch für das Gebiet um Rosengarten und Latemar. Wie in anderen Regionen Europas lässt sich ein Trend zur landwirtschaftlichen Spezialisierung im Bereich der Viehwirtschaft seit dem 14. und der Holzwirtschaft im Laufe des 16. Jahrhunderts feststellen, was einen zunehmenden Handelsaustausch mit angrenzenden Regionen zur Folge hatte.49

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Spitaler, Gericht Tiers, S. 65. Pichler, Siedlung, S. 266–267. Steinhauser, Gerichte Buchenstein, S. 97. Corazzol, Piani, S. 176. Vgl. Sonderegger, Begehrte Weiden, S. 44–45.

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Landwirtschaft am Berg

3.3 Klärung von Weide- und Waldnutzungsrechten Die steigende Produktion bzw. Spezialisierung im Bereich der Vieh- und Holzwirtschaft sowie eine allgemeine Bevölkerungszunahme im 15. und 16. Jahrhundert führten notgedrungen zu Raumknappheit und Konflikten um Nutzungsrechte.50 Dies zeigt sich auch für die untersuchte Region, wo Gemeinschaftsweiden und wälder eine wichtige Rolle für die lokale Wirtschaft spielten. Von der zur Verfügung stehenden Fläche hing die Anzahl der Tiere ab, die eine Siedlungsgemeinschaft halten konnte. Eine zu hohe Zahl an Weidetieren konnte sich auf die Rentabilität der Weideflächen negativ auswirken. Dasselbe galt für die Wälder, der steigende Holzbedarf führte zu Grenzstreitigkeiten und Konflikten um Nutzungsrechte. Diese sind für das Ende des 15. Jahrhunderts belegt und ziehen sich durch das ganze 16. Jahrhundert.51 Für das Fassatal nennt Gratl als Ursachen für Streitigkeiten unter den Siedlungsgemeinschaften Grenzüberschreitungen, unrechtmäßige Verpfändung oder eine zu hohe Zahl an Tieren, die auf die Weide gebracht wurden.52 Für Tiers belegt Spitaler ebenfalls Auseinandersetzungen zu Weiderechten. Die Bewohner gerieten in Konflikt mit ihrem Gerichtsherrn Michael von Völs, da sie sein Weideverbot auf dem Tschafon missachtet hatten. 1525 klagten sie darüber, er habe sie hintergangen, indem er mit List und Gewalt die Nutzungsrechte der Alm in Kanzenal an sich gebracht habe.53 Für Welschnofen liegt eine von Pichler erstellte Beschreibung der Almnutzung vor, in der neben Lage und Beschaffenheit auch die Konflikte um die Weiderechte erwähnt werden.54 Eine genauere Analyse einiger Urteilsbriefe zu Konflikten um Weide und Wald innerhalb der Siedlungsgemeinschaften gibt Aufschluss über die Entwicklung der Nutzung solcher Gemeinschaftsressourcen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es zu einem Streit um die Weiderechte am Rosengarten, weil die Bewohner des Viertels Welschnofen den anderen Vierteln Gummer, Karneid und Steinegg die Nutzung der Weide verweigerten. Der von Georg von Liechtenstein erlassene Urteilsbrief aus dem Jahr 1489 informiert über diesen Konflikt. Die Bewohner von Karneid, Gummer und Steinegg hatten sich in der Angelegenheit direkt an den Landesherrn Erzherzog Sigmund gewandt, wurden daraufhin an den Gerichtsherrn verwiesen, der die Angelegenheit in die Hand nehmen sollte. Am 5. Juli 1489 kam es zu einer Zusammenkunft, bei der

50 Eine indirekte Bestätigung für die Bevölkerungszunahme liefern die vielen Hofteilungen, die sich für die untersuchte Region bereits für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts feststellen lassen. Pattis, Neustift, S. 150–152; vgl. Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 122. 51 Vgl. Witschi, Zürcherische Forstpolitik, S. 6–7. 52 Gratl, Grenzgerichte, S. 207–211. 53 Spitaler, Gericht Tiers, S. 64. 54 Pichler, Siedlung, S. 132–135.

Klärung von Weide- und Waldnutzungsrechten

der Sprecher der Viertel Gummer, Steinegg und Karneid Stephan Tschugkhen sich folgendermaßen äußerte: ... das wir und unser vordern salige ye und ye mit den aus Walschenefen die wunn waid und holz dasselbs zu niessen gehabt und des fir und fir in beruebter gwer gewesen und herbracht vil oban on gedennchenn und wann aber etlich jar her aus mangel das wir nicht vich gehabt, wir solche nyessung nicht ersiecht und angestanden yez ungeverlichen ain clain über jar etlich auf unns mit irene vich die ersuecht daselbs hintribenn zu albenn und waydenn das uns durch die aus Walschenofenn gewert abgeslogen und unnser vich unns phenndt und uns nicht zue gestatten ...55

Auf die Behauptung, dass diese drei Malgreien immer schon das Weiderecht in diesem Gebiet gehabt und es nur aufgrund einer geringen Anzahl von Tieren nicht genutzt hätten, nun aber wieder beanspruchen würden, entgegnete Hans Hagner als Sprecher der Welschnofner: ... das die benanten drey malgryen kain gerechtikait in der benanten alben nye gehabt heten weder zu wunen noch waiden oder holz zu slahen oder machen und das kain gwer darin nye gehabt heten sunder den aus Walschennofen allain zugehört, wann Walschennofen ain besunders gericht war und mit seiner zugehörung auf Carneid gehört und was die drey malgreyen solcher gemain genossen hätten, war allain beschehen aus giete und khainer gerechtikeit ...56

Die Nutzung hätten ihnen die Welschnofner folglich nur aus Güte zugestanden. Nach diesen Einwänden berief Matheys von Liechtenstein die Sprecher zu sich und schlug vor, sich direkt vor Ort zu begeben, wo die Welschnofner unter Eid zeigen sollten, wie weit ihre Rechte gingen.57 Sechs oder sieben Geschworene sollten den Gerichtsherrn begleiten, mit ihm beratschlagen, um ein Urteil zu fällen, das beide Seiten annehmen mussten. Am Freitag vor dem 1. August 1489 kam es zum Lokalaugenschein, daraufhin gab die Kommission die Entscheidung bekannt: Die Nutzung der Almen im Gericht Karneid sollte allen Gerichtsbewohnern gleichermaßen zustehen. Über die Anzahl und Zuteilung der Weiderechte an die Bauern bzw. die Siedlungsgemeinschaften enthält das Schriftstück keine Informationen. Die Urkunde aus dem Jahr 1489 lässt aber erste Schritte in Richtung 55 SAB, Urkunde 2780 (Lade 501). 56 SAB, Urkunde 2780 (Lade 501). 57 Der Neustifter Amtmann Kirchmair ließ die Leihnehmer ebenfalls im Moment der Abrechnung einen Schwur ablegen, wenn es nötig war: ... im 1524.th Jar sind nämlich wie der paur schwert, gegeben worden 10 Pfund ... SAN, Placitum 1525 (Hof Vorchach). Durch einen Eid wurden mündliche Abmachungen rechtskräftig. Zangger, Grundherrschaft, S. 103.

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Institutionalisierung erkennen, obwohl vieles noch in Form mündlicher Übereinkunft abgewickelt worden zu sein scheint, weshalb kaum Rückschlüsse auf den Einfluss von Kommunikationsformen und kollektiver Erfahrung gezogen werden können. Spannungen scheint es durchaus gegeben zu haben.58 Streitigkeiten um Nutzungsrechte finden sich für die untersuchte Region auch zwischen den Nachbargerichten Welschnofen und Tiers. Ein Urteilsbrief aus dem Jahr 1497 beschreibt die Zusammenkünfte und gibt das von der Obrigkeit gefällte Urteil wieder, das die Grenzen der Weiderechte genau festlegte. Das Schriftstück verdeutlicht ebenfalls die zunehmende Bedeutung von Schriftlichkeit, die die bislang auf Mündlichkeit gegründete Rechtsordnung verdrängte und zur Festigung gemeindlicher Strukturen und Abläufe beitrug.59 Die Parteien brachten Kundschaftsbriefe vor, die die Nutzung der Weiden und Wälder für beide Seiten bestätigten. Als Zeugen dienten betagte Kundschafter, deren Erinnerungen den Anspruch auf die Nutzungsrechte belegen sollten. Ausschlaggebend war schlussendlich aber ein von den Welschnofnern vorgebrachter Lehensbrief: ... zu becrefftigung desselben ihres instruments legten sy für zu verlesen ein lehenbrief von weilend herzogen Leopolen zu Ossterreichs loblicher gedachtnus. Das datum stuend tausend dreihundert und in dem fünffundachtzigisten jar. Darine man eigentlich verstuand, wie inen denen von Lichtenstein die vesten Carneid. Steinegg zusambt der Gerichten Steinegg und Welschnofen verlihen war, uns so etwa die von Vels öltere kundschaften anzaigt hieten [...].

58 Informationen dazu konnte ich erst für das 20. Jahrhundert in Erfahrung bringen. Aus früheren Zeiten gibt es außer den Einträgen der Weiderechte im Theresianischen Kataster von 1777/78 keine schriftlichen Belege. Laut Auskunft des Schriftführers Peter Vieider kam es seit der Auflösung des Gerichtes Karneid 1850 immer wieder zu Unstimmigkeiten unter den Mitgliedern. Die Weiderechte stehen den jeweiligen Höfen zu und durch die Schaffung zweier Gemeinden fielen zwei Drittel der Weiderechte auf die Gemeinde Karneid und ein Drittel auf die Gemeinde Welschnofen. Die Welschnofner zeigten sich mit dieser Lösung nicht besonders zufrieden, sie erachteten ihre Vertretung als zu gering, da sich die Weiden auf ihrem Gemeindegebiet befanden. Ihre Ablehnung des Vorschlags der Steineggner Bauern, das Auftriebsrecht auf weibliche Rinder abzulehnen, zielte vermutlich auf eine allmähliche Verblassung der Rechte ab. Die Welschnofner waren nämlich seit dem Bau der Eggentaler Straße nicht mehr so auf die Alm angewiesen, da sich mittlerweile neue Erwerbszweige ergeben hatten (Holzhandel und Tourismus). Zudem hatten viele Welschnofner Bauern eine eigene Alm, ein Umstand, der die wirtschaftliche Bedeutung der Ochsenweiden für sie zusätzlich schmälerte. Bevor die neue Weideregelung von 1989 den Auftrieb weiblicher Rinder erlaubte, wurden Ausnahmegenehmigungen ausgestellt, die jährlich erneuert werden mussten. Vgl. Ostrom, Verfassung, S. 133–134. 59 Die Rechte an der Alp Ranasca wurden ebenfalls in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts verschriftlicht. Siehe dazu Collenberg, Alp Ranasca, S. 256; Zur Verschriftlichung und Klärung von Rechtsansprüchen siehe auch Obermair, Soziale Produktion, S. 188; Dosch, Entwicklung, S. 253; Bonan, Di tutti, S. 446–448.

Klärung von Weide- und Waldnutzungsrechten

Selten nun die gedachten kundschaften mer wissen und craft haben dann die fürstlichen brieve, war on all mittel wider die die lehenbrief und rinniglich lenger gedenckhen unnd pesser wissen aben mügen ...60

Ein von den Landesherren ausgestelltes Schriftstück konnte nicht infrage gestellt werden und eine Entscheidung zugunsten der Siedlungsgemeinschaft von Tiers hätte zur Verschiebung einer Grenze geführt. Ebenso interessant scheint die Form der Kundmachung dieser Urteile. Im Falle des Konflikts innerhalb des Gerichtes Karneid wurde der offene Brief verkündet allermenichen, den en sehennd, hörend oder lesennd 61 . Die Verschriftlichung hatte nicht nur Verwaltungs-, sondern auch Kommunikationsfunktion.62 In der mündlichen Tradition waren Inhalte über rituelle Vollzüge im öffentlichen Raum weitergegeben worden.63 Im Bereich der Rechtsprechung erfolgte dies über das eeleich taiding, indem sich die Gerichtsbewohner versammelten und gemeinsam über Recht und Unrecht entschieden.64 Ein Vergleich mit Vergangenem war aufgrund fehlender Aufzeichnungen nicht möglich. Nun stellte sich eine neue Situation ein: Die Verschriftlichung entriss „die Kommunikation der Vergänglichkeit“, Aufgeschriebenes konnte nicht geleugnet werden.65 Diesem Veränderungsprozess waren auch die Bewohner Welschnofens unterworfen und reagierten entsprechend. Sie bedienten sich ebenfalls des neuen Mediums, indem sie schriftlich einem Vertreter aus ihren Reihen die Handlungsgewalt übertrugen. ... Hans Hagner, in Walschennofen geessen als procurator der gemainschafft in Wallschenoffen mitsambt der mereren meng der leut dasselbe in Walschenofenn durch verdingten redner und [...] seinen gewaltsambrief der verlesen und vernomen ...66

Die schriftliche Delegierung diente dazu, Zusammengehörigkeit und Herrschaftsanspruch zum Ausdruck zu bringen. Die Autorität des Sprechers sollte von der Obrigkeit nicht infrage gestellt werden, die Wirkung von Schriftlichkeit war den Untertanen inzwischen bewusst. Das Zitat zeigt zudem, dass sich durch diese Entwicklung innerhalb des Siedlungsverbandes eine Sozialordnung herauskristallisiert

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SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 11B, S. 106. SAB, HSBx, Urkunde 2780 (Lade 501). Obermair, Soziale Produktion, S. 180. Aichinger, Geschichte und Kommunikation, S. 66. Die Neustifter Gerichtsstatuten aus der Mitte des 15. Jahrhunderts beschreiben, wie solche Gerichtstage ablaufen sollten. SAN, AA 185; teilweise ediert von Otto Stolz. Stolz, Landesbeschreibung, S. 445. 65 Aichinger, Geschichte, S. 66. 66 SAB, Urkunde 2780 (Lade 501).

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hat. Bestimmte Personen der Gemeinschaft nahmen eine Führungsrolle ein und traten in Kommunikation mit der Herrschaft.67 Im Falle der Almstreitigkeiten Welschnofens mit dem Nachbardorf war dies Hans Hagner. In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Frage. Waren Vertreter der Gemeinschaft wie Hans Hagner lese- und schreibfähig? Alfred Zangger geht davon aus, dass „die bäuerliche Bevölkerung einfache Rechenoperationen beherrschte, die sie für die Alltagsbewältigung, z. B. Berechnungen von Saatgut, Dünger, Erträgen usw. benötigte“.68 Ob im untersuchten Gebiet die Lese und Schreibfähigkeit gegeben war, kann über das Wirtschaftsschriftgut und die Reversbriefe nicht ausgemacht werden. Dass die Vertreter der Welschnofner im Streit um die Wald- und Weiderechte mit Tiers einen Lehensbrief vorlegten, bestätigt aber das Bewusstsein der Macht von Schrift. Grundsätzlich lässt sich die Tendenz zur Verschriftlichung von Wald- und Weiderechten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erkennen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts gewinnen die schriftlichen Belege immer mehr an Bedeutung, vor allem, als sich die Konflikte um Waldnutzungsrechte häuften und die Obrigkeit immer stärker dazu neigte, das Forstregal für sich zu beanspruchen. Zudem zeigt sich ein selbstbewusstes Auftreten der Siedlungsgemeinschaft, sie besaß „wirtschaftliche, rechtliche und politische Befugnisse und handelte aktiv“.69

3.4 Bergbau und Forstwirtschaft Die Konflikte um die Nutzung der Wälder mehrten sich im 16. Jahrhundert zusehends, zu begehrt war der Rohstoff Holz, der bis zum Zeitalter der industriellen Revolution als Triebfeder für Wirtschaftswachstum gesehen werden kann. Am Beispiel der Auswirkungen, die der Bedarf Venedigs auf das nähere und weitere Umfeld hatte, lässt sich dieser Prozess gut nachvollziehen: Bereits im 11. Jahrhundert vermarkteten die Venezianer das Holz aus ihrem Hinterland im Orient und konnten in den Besitz von Waren (Gewürze und Seide) kommen, für die sie in Europa reichlich Absatzmärkte fanden und hohe Gewinne erzielten. Die Stadt hatte so die Basis für ihren wirtschaftlichen Aufschwung geschaffen.70 Doch der Bedarf an Holz war so groß, dass es bereits im 15. Jahrhundert zu Engpässen kam und die Lagunenstadt in ihrem Territorium eine kontrollierte Nutzung der Waldbestände als absolut notwendig erachtete. So wurde z. B. genau festgelegt, welche Wälder

67 Sablonier, Das Dorf, S. 732. 68 Zangger, Grundherrschaft, S. 104–105. 69 Bereits im 13. Jahrhundert verfügte die ländliche Siedlungsgemeinschaft über eine korporative Organisation. Wallnöfer, Politische Repräsentation, S. 31. 70 Lane, Storia die Venezia, S. 12–13.; Occhi, Boschi, S. 20.

Bergbau und Forstwirtschaft

dem Venezianischen Arsenal vorbehalten waren.71 Neben dem Schiffsbau brauchte es auch enorme Mengen an Brenn- und Bauholz, weshalb es unumgänglich war, sich nach entfernteren, logistisch und organisatorisch allerdings schwierigeren Waldgebieten umzusehen.72 Nördlich der unter venezianischer Herrschaft stehenden Diözese Feltre liegt das waldreiche Gebiet von Primör, das seit 1373 zur Grafschaft Tirol gehörte und im Jahr 1401 an die Familie Welsberg verliehen worden war.73 Im 15. Jahrhundert erlebte das Tal einen enormen Wirtschaftsaufschwung aufgrund der intensiven Bergwerksaktivität, die den Landesherren beträchtliche Einnahmen brachte. Für die 500 aktiven Stollen sind für die Jahre 1459 und 1470 Einnahmen von bis zu 80.000 Gulden belegt.74 Die Obrigkeit hatte die Bergwerke größtenteils an venezianische Unternehmer vergeben, die die Fron bzw. jeden zehnten Kübel und den Wechsel, eine Abgabe, die nach der Menge des gewonnenen Erzes berechnet wurde, abgeben mussten. Entsprechend groß waren die Zugeständnisse, die man den Bergwerksbetreibern gewährte. Die Bergarbeiter standen unter besonderem Schutz der Landesfürsten, sie waren ein eigener Stand und hatten einen von der Bergordnung geregelten Sonderstatus. Die Holzversorgung der Bergwerke stand an oberster Stelle, sodass sich für die Landesherren eine zusätzliche Begründung für die Hoheit über die Waldnutzung ergab. In Wirklichkeit war die Bergwerkstätigkeit im 16. Jahrhundert bereits rückläufig und der eigentliche Gewinn der Landesfürsten kam mittlerweile aus dem Holzverkauf.75 Das Gebiet von Primör hatte für die Holzversorgung der Seerepublik große Bedeutung, nicht umsonst wird der Cismon von den Wissenschaftlern fiume del legno (Holzfluss) genannt. Tonnen Holz wurden über diesen Fluss zum Brenta transportiert, um die Zentren von Bassano, Padua und Venedig zu versorgen.76 Doch diese Mengen reichten nicht, die Lagunenstadt musste sich nach neuen Beständen umsehen und die Nachbarn weiter im Norden hatte in dieser Hinsicht einiges zu bieten. Auf der anderen Seite der im Norden an Primör angrenzenden Lagoraigruppe lag das waldreiche Fleimstal, dessen Fluss Avisio aufgrund seiner Ost-WestAusrichtung eine gute Anbindung an die Absatzmärkte von Trient und Verona ermöglichte. Für große Holztransporte nach Primör war der Saumpfad über den Rollepass allerdings nicht geeignet, weshalb Venedig und das Hinterland

71 Di Tullio/Lorenzini, Sostenibilità, S. 178; Appuhn, Forest, S. 26–28; Lazzarini, Boschi, legnami (2021), S. 49. 72 Vgl. Occhi, Boschi, S. 22. 73 Occhi, Boschi, S. 47; Occhi, Attività S. 85–86. 74 Melchiorre, Schener, S. 60. 75 Oberrauch, Tirols Wald, S. 49–54; Occhi, Boschi, S. 51–52. 76 Melchiorre, Schener, S. 37.

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Abb. 18 Holztrift auf dem Fluss Cismon um 1908.

Bergbau und Forstwirtschaft

ein Versorgungsnetz mit besseren Verkehrsverbindungen in Richtung Cadore, Slowenien und das Dolomitengebiet mit den Tälern Fassa, Buchenstein, Abtei und dem Pustertal aufgebaut hatten. Die Bewohner dieser Täler betrieben im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend Handel mit Venedig und seinem Hinterland, wo sie Absatzmärkte für ihre Produkte aus der Vieh- und Holzwirtschaft fanden und mit Getreide und Stoffen versorgt wurden.77 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts stieg die Nachfrage stark an, sodass sich der Verkauf von Merkantilholz zu einem immer wichtigeren Wirtschaftszweig entwickelte, an dem die Obrigkeit mitverdienen wollte und deshalb vehement auf dem Forstregal, dem alleinigen Anspruch auf die Wälder, bestand.78 Die Tiroler Landesherren begannen in der Folge die Nutzung der Hoch- und Schwarzwälder für sich zu beanspruchen. Laut einer Definition aus dem Jahr 1553 waren mit den Hoch- und Schwarzwäldern Lärchen, Föhren, Fichten und Tannen gemeint. Nur wer schriftliche Belege vorweisen konnte, hatte Anrecht auf eine Nutzung.79 Interessensüberschneidungen mit Lehensinhabern oder Bewohnern der Gerichte mussten geklärt werden, Waldordnungen wurden erlassen und eigene Behörden für die Überwachung eingesetzt.80 Die Fürstbistümer Brixen und Trient wurden trotz Sonderstellung mit Verträgen in diese neue Wirtschaftspolitik der Tiroler Landesherren einbezogen, das Fürstbistum von Trient im Jahre 1532, das Fürstbistum Brixen im Jahr 1541.81 Die Fürstbischöfe waren ebenso dazu übergegangen, genauere Kontrollen der Waldbestände anzuordnen, Waldordnungen zu erlassen und ihre Einnahmen durch den Verkauf von Schlägerungslizenzen zu steigern.82 Für solche Schlägerungsgenehmigungen zahlten die Käufer das sogenannte Stockgeld (auch Stockrecht), eine Gebühr, die von der Obrigkeit nur für Merkantilholz, nicht aber für Holz für den Eigenbedarf eingehoben wurde. Kam es zu einer Holzausfuhr, war an der Grenze der Holzzoll fällig. Diese Holzzölle entwickelten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts zu einer immer wichtigeren Einnahme für die Tiroler Landesherren und die Fürstbischöfe.83 Katia Occhi bringt in ihrem Buch eine Auflistung der Einnahmen aus den verschiedenen Zollstationen, die sie den Rechnungsbüchern der Tiroler Kammer entnehmen konnte. Die Zolleinnahmen ergeben eine Gesamtsumme von 19.926 Gulden für das Jahr 1552, im Jahr 1583

77 78 79 80 81 82 83

Occhi, Boschi, S. 66. Vgl. Witschi, Zürcherische Forstpolitik, S. 33–34; Oberrauch, Tirols Wald, S. 107–122. Oberrauch, Tirols Wald, S. 52; vgl. Witschi, Zürcherische Forstpolitik, S. 25. Vgl. Oberrauch, Tirols Wald, S. 56–65; Schennach, Gesetz, S. 434–438. Oberrauch, Tirols Wald, S. 159–160. Vgl. Steinhauser, Gerichte, S. 121. Stolz, Zollwesen, S. 74; Oberrauch, Tirols Wald, S. 158.

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Landwirtschaft am Berg

betrugen sie bereits 24.342 Gulden, beträchtliche Summen, die die Bedeutung der Holzwirtschaft erkennen lassen.84 Die Autorin unterstreicht, dass diese Zahlen nicht alle Zollabgaben enthielten und daher nicht die genaue Menge an verzolltem Holz berechnet werden könne.85 Dasselbe gelte für eine weitere von ihr analysierte Quelle: Holzkonzessionslisten, die zur Berechnung der Strafen herangezogen wurden. Für das Jahr 1618 ist die Rede von 790.000 Klafter (ca. 4.800.000 Vorratsfestmeter)86 Brennholz (Buche), 277.150 Museln (ca. 93.000 Vorratsfestmeter Merkantilholz), 468.500 Klafter (ca. 2.800.000 Vorratsfestmeter) Brennholz (Fichte). Die Angaben würden die reellen Zahlen zwar übersteigen, verdeutlichten aber – genauso wie die Zolleinnahmen –, welches Ausmaß der Holzbedarf und der Holzhandel angenommen hätte.87

84 Für die Verträge wurde als Währung der Rheinische Gulden (5 Pfund Berner oder 60 Kreuzer) verwendet. Siehe Währungen im Anhang. 85 Occhi, Boschi, S. 33–34. 86 Ein Voratsfestmeter ist ein Raummaß, das einem Kubikmeter (1 m³) fester Holzmasse (ohne Zwischenräume) entspricht. Es handelt sich um eine gängige Maßeinheit für Rundholz bzw. gefällte Bäume.  87 Occhi, Boschi, S. 159–160; zu den Holzmaßen siehe S. 69.

4.

Die Holzwirtschaft

4.1 Bestände und Nutzungsrechte In der Grafschaft Tirol neigte die Obrigkeit bereits im 14. Jahrhundert dazu, auf dem Recht der Waldnutzung zu bestehen, Meinhard II. hatte 1375 diesen Anspruch erhoben und dadurch einen Konflikt ausgelöst, der sich über Jahrhunderte hinzog: Die Bevölkerung wehrte sich immer wieder gegen diese Reglementierung und machte ihr Recht auf die Nutzung der Wälder geltend, eine Forderung, die von den Weistümern, der ersten Kodifizierung des Gewohnheitsrechtes, belegt wird.1 Der Wald hatte für die Bewohner große Bedeutung, da Holz nicht nur als Brennmaterial, sondern als Baumaterial und für die Herstellung von Werkzeugen verwendet wurde. Um die Entwicklung der Holzwirtschaft und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen in der untersuchten Region zu erforschen, kann für das Gebiet von Welschnofen eine 1558 durchgeführte Waldbereitung herangezogen werden.2 Die Bezeichnung bringt zum Ausdruck, dass Experten zu Ross eine Besichtigung vornahmen und dabei Grenzen, Baumarten und Bestockung festhielten mit dem Ziel der Erstellung eines Nutzungsplanes, der Menge, Art und Zweckbestimmung von Schlägerungen vorschrieb.3 Unterteilt wurde in Weinbauholz, Brennholz sowie Bau- und Zimmerholz. Zum Holz für den Weinbau zählten Daufen (Bretter für die Fässerherstellung), Schaltern, Stecken und Stillaun für die Errichtung der Pergln (pergula = Laube). Zur Errichtung dieser Pergln wurden senkrechte Säulen aus Holz (Stecken) in die Erde gestochen, dann wurden Holzstangen (Schaltern) waagrecht darüber und über diese noch einmal längs und parallel im Abstand von 30 Zentimetern dünne Latten (Stillaun) gelegt.4 Ebenso von Bedeutung war das Brennholz, das in Klaftern angegeben wurde. Ein Klafter entsprach 6,060240 Vorratsfestmeter.5 Als weiteres Sortiment wurde Bau- und Zimmerholz mit folgenden Bezeichnungen angeführt: Boroni, Plankaun, Plän, Tschoggen, Zehner und Neuner. Die verschiedenen Bezeichnungen wurden zur Unterscheidung der Größen verwendet:6

1 2 3 4 5 6

Oberrauch, Tirols Wald, S. 21–23; Wopfner, Allmendregal, S. 33–37. TLAI, HS 3907. Oberrauch, Tirols Wald, S. 149. Grießmair, Weinmuseum, S. 15. Rothleuthner, Maße, S. 101. Für die Maße wurden die Angaben in Oberrauch, Tirols Wald, S. 138, 157; Stocker-Bassi, Gericht Deutschnofen, S. 140 und Rothleuthner, Maße, S. 101, 105 herangezogen.

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Die Holzwirtschaft

• • •





Boroni (oft auch Wuroni, Buroni) waren Stämme mit einem Durchmesser am dünneren Ende von 24 Zoll (48 Zentimeter) und einer Länge von 4,17 Meter. Plan oder Plän (vom italienischen Piana) waren lange und dicke Stämme, mindestens 30 Schuh (10,40 Meter) lang mit 20 Zoll (40 Zentimeter) Durchmesser. Plankaun (auch plankein, planggein, plangaun, planconi) waren vierkantige, im Wald roh beschlagene Stämme von 3,43–4,42 Meter Länge und 46 Zentimeter Durchmesser. (ca. 0,73–0,85 Vorratsfestmeter). Tschoggen waren Holzstämme, die in Neuner und Zehner unterteilt wurden: • Neuner (Stämme mit einem Durchmesser am dünneren Ende von 6–8 Zoll (14 Zentimeter) und einer Länge von 27 Schuh (9,30 Meter) • Zehner (Stämme mit einem Durchmesser am dünneren Ende von 9–11 Zoll (20 Zentimeter) und einer Länge von 30 Fuß (10,20 Meter) Refusi waren Stämme, die zwar die Maße, aber nicht die Qualität eines Borone hatten, sodass ihr Wert sank, aber immer noch höher als der einer Musel war.7

Abb. 19 Holzpergl.

7 Giordani, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-02.html; Occhi, Boschi, S. 103.

Bestände und Nutzungsrechte

Abb. 20 Boroni: Stämme von einem Durchmesser von mindestens 48 Zentimeter.

Waren diese Holzsorten für den Verkauf bestimmt, sprach man von Merkantilholz, für das als Maßangabe zur Verrechnung die Bezeichnung Musel (im Italienischen bora oder taglia) verwendet wurde. Die Maße der Musel war je nach Region unterschiedlich. Für das Fassatal galten folgende Maße:8 Tab. 5 Verschiedene Maße der Musel Bezeichnung

⅛ Musel ¼ Musel ½ Musel 1 Musel (bora normale) 1 ½ Musel (refuso minor) 2 Museln (refuso media) 2 ½ Museln (refuso maior) 3 Museln (Boroni)

Durchmesser am dünneren Ende in venezianischem Zoll = 0,028978 m 4–6 (11 cm – 17 cm) 6–9 (17 cm – 26 cm) 9–12 (26 cm – 34 cm) 12–15 (24 cm – 43 cm) 15–18 (43 cm – 52 cm) 18–21 (52 cm – 60 cm) 21–24 (60 cm – 69 cm) 24 (48 cm) und mehr

Länge des Holzes in venezianischem Arsenal-Fuß (= 0,347736 m)

12 (= 4,172832 m)

Im Fassatal entsprach die Musel einer Menge von 0,337 Vorratsfestmeter. Laut der Waldbereitung gab es im Gebiet von Welschnofen drei Arten von Nutzungsrechten: Gemeinwälder, Teilwälder und Heim- bzw. Zinswälder.

8 Rothleuthner, Maße, S. 104–105; Occhi, Boschi, S. 102–104.

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Die Holzwirtschaft

Abb. 21 Arsenalfuß: Im Eingangsbereich der Schiffswerft Venedigs, dem Arsenal, befinden sich gleich auf der linken Seite die Beispiele für die Maßeinheit des Arsenalfußes und des Meters. Den Venezianern wurde so ein Vergleich ihrer alten Maßeinheit mit dem von Napoleon eingeführten Meter ermöglicht.

Gemeinwälder

Grundsätzlich stand das Forstregal, die Nutzung der Hoch- und Schwarzwälder, der Obrigkeit zu, sie hatte aber im Laufe der Zeit vor allem in schwer zugänglichen Gebieten die Nutzung Lehensinhabern oder Siedlungsgemeinschaften überlassen und verschiedene Nutzungsformen zugelassen.9 Die vermutlich älteste Form beinhaltete die Nutzung von Waldgebieten durch die ganze Siedlungsgemeinschaft. Diese Rechte waren im Allgemeinen rechtsgewohnheitlich geregelt und in den Weistümern verschriftlicht worden. Laut Waldbereitung von 1558 gab es 13 Wälder in Welschnofen, bei denen die Rede von Nutzung durch die ganze Gemain oder Wälder der Dienstbarkeit Welschnofen ist. Folgende Liste zeigt die Menge Holz, die laut der Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1558 in diesen Gemeinschaftswäldern vorhanden war, und wie viel jährlich verkauft werden konnte. Für einige Wälder wurde auch eine Angabe zum Abtransport gemacht.

9 Schennach präzisiert, dass „der Begriff Eigentum für den Wald unzulänglich sei, es handle sich um ein Nutzungsrecht, das je nach Wald unterschiedlich ausgestattet sein konnte“. Schennach, Gesetz, S. 435; Wopfner, Allmendregal, S. 33–34.

Bestände und Nutzungsrechte

Tab. 6 Wälder der Dienstbarkeit Welschnofen laut der Waldbereitung von 1558 Bezeichnung

Holz für den Weinbau

Wald auf der Hinter Sol

1.000 Daufen 15.000 Schaltern 15.000 Stillaun 10.000 Schaltern 12.000 Stillaun 2.000 Daufen 12.000 Schaltern und Stillaun 2.000 Daufen

Frantschin

Farnell

Glötsch

5.000 Daufen

Biol

3.000 Daufen 3.000 Stecken

Kölbg Egg

5.000 Daufen 5.000 Stecken 20.000 Schaltern und Stillaun 2.000 Daufen 5.000 Schaltern 5.000 Stillaun 1.500 Stecken 1.500 Daufen 3.000 Schaltern und Stillaun

Wald im toten Moos

Varzan

St. Jörgen

Tschein (mit den anderen drei Vierteln zusammen)

2.000 Daufen jährlich 10.000 Schaltern und Stillaun 2.000 Stecken 8.000 Stecken

10 Zur Länge einer Meile siehe S. 124.

Merkantilholz (Sag- und Zimmerholz), teilweise mit Angabe zur Transportform und Route 25.000 Tschoggen (große Zahl Neuner und Zehner) jährlich 200 Stämme 10.000 Tschoggen jährlich 100 Stämme Abtransport: über Moena 20.000 Planggein und annder Reiffholz jährlich 200 Stämme Abtransport: auf die Reif des Kardaunbachs, auch nach Moena, über nur eine kleine Meile 200.000 Planggein und Tschoggen 5.000 Stämme jährlich Abtransport: über eine halbe Meile Wegs, dann über Riesen nach Moena10 20.000 Tschoggen und Planggein 200 Stämme jährlich Abtransport: Moena 70–80.000 Wuroni und Tschoggen 700 Stämme jährlich

5.000 Tschoggen jährlich 400 Stämme Abtransport Moena 12.000 Planggein und Tschoggen 200 Stämme jährlich (2 Teile alt, der 3. Teil jung, in 20 Jahren reif) Abtransport: Kardaun 30.000 Tschoggen (in 15 Jahren) Abtransport: auf die Reif in Kardaun, aber mit geringeren Kosten nach Moena 8.000–10.000 Tschoggen 800 Stämme jährlich (hypoth. Berechnung, die mit den Angaben für den Wald Farnell gemacht wurden)

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Die Holzwirtschaft

Bezeichnung

Holz für den Weinbau

Bartschay Latemar (Hälfte Welschnofen, Hälfte ganzes Gericht) Karerwald

Stecken

Merkantilholz (Sag- und Zimmerholz), teilweise mit Angabe zur Transportform und Route 3.000 Plän 18.000 Boroni und Planggein 3.000 Zehner (ca. 2.400 Stämme jährlich)

10.000 Daufen 20.000 Schaltern und Stillaun 20.000 Weingartstecken

20.000 Stück allerlay reiffholz jährlich 800 Stämme Abtransport: nach Leifers

Die Erhebung von 1558 ergab eine Reserve von ungefähr 419.000 Stämmen (Boroni, Plankaun, Plän, Tschoggen bzw. Zehner und Neuner) mit der rein hypothetischen Möglichkeit, jährlich um die 5.200 Stück als Merkantilholz zu veräußern. Zudem konnte diesen Wäldern laut Waldbereitung eine beträchtliche Menge Holz für den Weinbau entnommen werden, jährlich 155.000 Schaltern und Stillaun, 20.500 Stecken sowie 23.500 Daufen. Teilwälder

Eine weitere Nutzungsform waren Wälder, die von einigen Höfen gemeinsam genutzt wurden und in der Literatur als Teilwälder bezeichnet wurden.11 Diese wiesen eine jährlich nutzbare Menge von 7.000 Daufen, 53.000 Schaltern und Stillaun, 19.500 Stecken, 10.000 Klaftern Brennholz und 310 Stämmen auf. Tab. 7 Bauholz und Weingartholz der Teilwälder Höfe Plangg und Pentner

Holz für den Weinbaujährlich 1.000 Daufen 10.000 Schaltern und Stillaun 15.000 Stecken Grabmair, Pentner und Plangg 6.000 Daufen 30.000 Schaltern und. Stillaun 3.000 Stecken Pentner und Razöler 3.000 Schaltern und Stillaun 1.500 Stecken Moser, Meisterle, Ribitzer 10.000 Schaltern und Stillaun 10.000 Klafter Brennholz Moser und Meisterle 1.000 Stecken jährlich gesamt 7.000 Daufen 53.000 Schaltern u. Stillaun 20.500 Stecken 10.000 Klafter Brennholz

11 Oberrauch, Tirols Wald, S. 2–4; Schennach, Gesetz, S. 435.

Merkantilholz 35 Stämme jährlich

100.000 Tschoggen, davon jährlich 200 Stämme 25 Stämme jährlich 50 Stämme jährlich

310 Stämme jährlich

Bestände und Nutzungsrechte

Heim- und Zinswälder

Viele Höfe, insgesamt 35, konnten zudem die Nutzung von Wäldern für sich allein beanspruchen. Solche Wälder wurden Heim- oder Zinswälder genannt, das Nutzungsrecht war an den Hof gebunden.12 Folgende Tabelle zeigt die Holzmengen, die diesen Wäldern laut Waldbereitung entnommen werden konnten: Tab. 8 Höfe mit den Holzmengen aus ihren Heim- oder Zinswäldern Hofname

Brennholz (in Weingartholz Klafter) Kellner 2.000 Klafter Kafmann 2.500 Klafter Innerfohrer 250 Klafter Außerfohrer 300 Klafter Pardeller 500 Klafter Samer 2.000 Klafter Kohler 5.000 Klafter Laner 1.000 Klafter Zimmermann 2.000 Klafter Gstalt- und Unterpopp 1.000 Daufen, Stillaun und Schaltern 13.000 Stecken Götschl 2.500 Klafter 2.000 Daufen 5.000 Stillaun 5.000 Schaltern 300 Stecken Die Frattn hat in 100 Jahren wieder 3.000 Taufeln und 3.000 Stecken Spinel

Springer

4.000 Klafter

Bauholz

50 Stämme jährlich

3.000–4.000 Stämme 39 Stämme jährlich

Hat nur zur Hausnotdurft und nichts übrigs, das nachgewachsen 3.000 Daufen 8.000 Stecken 3.000 Klafter sind gehackt

12 Oberrauch, Tirols Wald, S. 151.; Wopfner, Bergbauernbuch, Bd. 3, S. 539.

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Die Holzwirtschaft

Ober und -Unterpopp und Zugüter

10.000 Schaltern und Stilaun 1.000 Stecken und Taufeln Teil ist verhackt, in 50 Jahren reif, dann ist noch einmal so viel drinnen 1.000 Daufen 6.000Schaltern 6.000 Stillaun 8.000 Stecken 1.000 Daufen (jährlich) 12.000 Schaltern 10.000 Stillaun 12.000 Stecken 1.000 Daufen 10.000 Stillaun 10.000 Schaltern 5.000 Stecken

Ladritsch

Pitschöl

Soler

Zenay Tschandl und Matschuster Zyprian

Brenner

Grabmair

Talhof Matschane Galt

Kaltrun

Schmiedsagerer

Vöstl Jocher

50 Stämme jährlich

60 Stämme jährlich 15.000 Tschoggen (Moena) 100 Stämme jährlich mit 15.000 Tschoggen (Zehner und Neuner) 50.000 Planggein und dazu Zehner und Neuner jährlich 2.000 Stämme

Hausnotdurft Hausnotdurft 400 Klafter

400 Taufeln 1.000 Schaltern 1.000 Stillaun 1.000 Stecken 800 Klafter (verhackter Wald, der in 40 Jahren wieder 40 Klafter Brennholz, 15 Stämme und 500 Schaltern und Stillaun jährlich hätte) 3.000 Stillaun und Schaltern 500 Stecken Hausnotdurft 500 Stecken 500 Stecken 2.000 Daufen 4.000 Stillaun 4.000 Schaltern 1.000 Stecken (unterer Teil in 15 Jahren reif) 4.000 Daufen und Stillaun jährlich 20.000 Stillaun und Schaltern 20.000 Weingartstecken 2.000 Stillaun und Schaltern 1.000 Stecken (jährlich) Hausnotdurft 1.500 Daufen 3.000 Stillaun und Schaltern 1.500 Stecken

20 Stämme jährlich

30 Stämme jährlich

300 Stämme jährlich 20.000 Tschoggen, Planggein und Stämme (reif in Kardaun)

50.000 Tschoggen und Boroni jährlich 200 Bäume (mit geringeren Kosten über Moena) 20 Stämme

55 Stämme

Bestände und Nutzungsrechte

Hagner

Paumanhof

Schiller Moser Unterweger Reiter Geiger

20 Stämme Zimmerholz jährlich

1.000 Stecken 1.500 Taufeln 2.000 Schaltern und Stillaun 2.000 Stecken 500 Taufeln 1.000 Schaltern und Stillaun 1.500 Stecken jährlich in 20 Jahr 2.000 Stecken 16.900 Daufen 53.500 Stillaun 34.000 Schaltern 66.800 Stecken

alles Lärchen 200 Stämme jährlich

10 Stämme jährlich

Hausnotdurft Hausnotdurft Hausnotdurft

Raut

Ribitzer Putzer gesamt

1.000 Daufen 2.000 Stillaun und Schaltern 1.500 Weingartstecken 500 Stillaun und Schaltern 300 Stecken

23.250 Klafter

20 Stämme jährlich

3.174 Stämme jährlich

Zählt man zusammen, ergeben sich laut Waldbereitung für diese Höfe jährlich folgende Mengen, die genutzt werden konnten: 3.174 Stämme Bauholz, 16.900 Daufen, 53.500 Schaltern und Stillaun sowie 65.800 Stecken. Für 13 Höfe, die im östlichen Teil des Siedlungsraumes lagen, wurden 23.250 Klafter (ca. 140.900 Vorratsfestmeter) Brennholz erhoben, ein Umstand, der mit der Lage dieser Höfe bzw. der dazugehörigen Wälder zusammenhing. Das Holz konnte nur über den Kardaunbach (Eggentalerbach)ins Tal befördert werden, der Transport von Merkantilholz war auf dieser Route nicht möglich.13 Der Bau von Wasserstuben (Wasserfassungen) oder Klausen kam für diesen Bach aufgrund der Klamm am Eingang des Tales nicht infrage, weshalb nur Brennholz bzw. Stämme bis zu einer Länge von 84 Zentimetern zu Tal gebracht werden konnten.14

13 Der Hinweis auf den Transport des Brennholzes auf dem Kardaunbach findet sich in der Waldbereitung bei den Nutzungsrechten des Samhofes und des Paumannhofes ob Kirchen, in der Waldordnung für Welschnofen sowie der Studie über Deutschnofen von Stocker Bassi. TLAI, HS 3907. Stocker Bassi, Gericht Deutschnofen, S. 122–123. 14 Karl Felix Wolff schreibt über das Eggental Folgendes: „Es ist da eine etwa sieben Viertelstunden lange Porphyrschlucht, die der Eggenbach sich ausgegraben und die an wilder Schönheit alles übertrifft, was ich in dieser Hinsicht gesehen habe ... Eine so erhabene Schlucht findet man in Tirol nicht mehr, sie übertrifft auch weit die berühmte Kitzlochklamm in der Rauris und die Liechtenstein-Klamm bei St. Johann im Pongau.“ Wolff, Dolomitenstraße, S. 44.

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Die Holzwirtschaft

Abb. 22 Aktuelle Nutzungsrechte der Riegel im Fassatal, wo es kaum Heim- und Zinswälder gab. erstellt (grün Gemeinschaftswälder der Riegel, rot Privatwälder).

Die Notwendigkeit, sich aus der Holzwirtschaft Einnahmen zu sichern und diese noch zu steigern, hatte vermutlich zur Bildung von solchen Heim- oder Zinswäldern geführt. Für Oberrauch war es im Laufe der Zeit zu diesen Zuteilungen gekommen, um Konflikte zu vermeiden und eine bessere Nutzung zu ermöglichen.15 Die Verleihurkunden der Grundherrschaft Neustift führen das Recht auf Wald- bzw. Holznutzung in Beispielen aus den Jahren 1524 und 1530 noch an, Urkunden aus den Jahren 1555 und 1556 enthalten nur den Hinweis mit all seiner zugehörung und gerechtigkeit.16 Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde dieser Entwicklung vermutlich wieder Einhalt geboten, vor allem als die Obrigkeit die wirtschaftliche Möglich-

15 Oberrauch, Tirols Wald, S. 4, 52; Gratl, Grenzgerichte, S. 215; vgl. Witschi, Zürcherische Forstpolitik, S. 15. 16 SAN, QQ 67 (1524), QQ 69 (1531), QQ 70 (1534), QQ 20 (1548), QQ 78 (1555), QQ 79 (1556).

Bestände und Nutzungsrechte

keit der Waldbestände erkannt hatte und daher die Kontrolle darüber verstärken wollte.17

Abb. 23 Aktueller Waldbesitz in Tiers und Welschnofen. Auffallend dabei: In Welschnofen gibt es viele Privatwälder, sie entsprechen mehr oder weniger den Heim- bzw. Zinswäldern der Waldbereitung von 1558.

Nutzungsrechte von Siedlungsgemeinschaften und Einzelner, die schriftlich belegt werden konnten, mussten aber anerkannt werden. Die Reverse Neustifts führen nur in Form einer Pertinenzformel das Recht der Waldnutzung an und enthalten keine Grenzangaben. Das Nutzungsrecht war an den Hof, nicht an die Person gebunden. Für die Bewirtschafter der Höfe hatte es aber mit Sicherheit Vereinbarungen gegeben, welche Wälder welchen Höfen zustanden, sonst würde die Waldbereitung nicht die genauen Grenzen dieser Heimwälder anführen.18

17 Vgl. Witschi, Züricherische Forstpolitik, S. 3. 18 TLAI, HS 3907.

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Die Holzwirtschaft

Letztere befanden sich großteils in der unmittelbaren Umgebung der Höfe, Teilund Gemeinschaftswälder hingegen lagen weiter von den Hofstellen entfernt. Ein Vergleich der Liste aus der Waldbereitung mit dem Zehntenregister aus dem Jahr 1531 zeigt, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von insgesamt 59 Gütern 27 über einen Heimwald verfügten.19 Vergleicht man die Liste der Waldbereitung mit der Liste der Stammhöfe20 und ihrer Zugüter, so zeigt sich, dass jede Familie Holznutzungsrechte hatte, da von den bewirtschafteten Gütern mindestens ein Hof Nutzungsrechte für einen Heimwald vorweisen konnte. Nur ein einziger Hof, der Heinzenhof, verfügte über keinen Heimwald und bewirtschaftete auch keine Zugüter. Zählt man alle Holzmengen, die laut Nutzungsrechten der Gemein-, Teil- und Heim- bzw. Zinswälder vermarktet werden konnten, kommt man auf jährlich 6.415 Stämme an Zimmer- und Bauholz, 76.400 Daufen, 217.500 Stillaun und Schaltern sowie 92.300 Stecken und 33.250 Klafter Brennholz. Dabei handelte es sich aber nur um eine Erhebung und nicht um eine effektiv genutzte und verkaufte Holzmenge.

4.2 Holzordnungen und deren Implementierung Trotz der reichen Holzreserven durften die Siedlungsgemeinschaften, Hofgruppen oder einzelne Bauern das Holz nur für den Eigengebrauch nutzen und lediglich in Ausnahmefällen auch verkaufen, wobei der Verkauf genehmigt werden musste. In der untersuchten Region hatte sich in Welschnofen und Tiers der Verkauf von Weingart-, Fässer- und Brennholz zu einer wichtigen Einnahmequelle der Bewohner entwickelt und war daher von der Obrigkeit stillschweigend toleriert worden. Im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es aufgrund der steigenden Nachfrage immer wieder zum Verkauf von Merkantilholz, oft auch ohne Bewilligung. Der Verkauf von Merkantilholz entpuppte sich als lukratives Geschäft für die Bewohner, aber auch für die Obrigkeit, die über das Stockgeld und den Zoll beträchtliche Einnahmen erwirtschaften konnte. Daher kam es im Laufe des Jahrhunderts zu einer strengen Reglementierung, um, wie es die Obrigkeit erklärte, eine bessere Kontrolle der Waldnutzung herbeizuführen und einer Holznot vorzubeugen.21 Wie für viele weitere Gebiete der Grafschaft Tirol wurde 1561 für die Gerichte Gries und Bozen, Steinegg und Welschnofen eine Waldordnung erlassen mit dem Ziel, die willkürliche Nutzung durch die Bewohner einzuschränken.22 Die ersten Seiten dieser Verordnung begründen die Notwendigkeit einer geregelten Holznutzung mit 19 20 21 22

PfAW, Placitum mit Zehntenregister 1531; TLAI, HS 3907. Zu den Stammhöfen siehe S. 52–53. Vgl. Schennach, Gesetz, S. 434; Warde, Invention, S. 59. TLAI, KKB, ENT, 1561, fol. 529r–v.

Holzordnungen und deren Implementierung

der schlechten Wirtschaftsweise der Bewohner, die die Wälder verwüsteten und kaum auf eine weitsichtige Nutzung achteten. Zur Kontrolle wurden Waldmeister und Waldhüter eingesetzt, die Erlaubnis für die Nutzung stellten die Waldmeister aus. Die Holzordnung brachte deutlich zum Ausdruck, dass die Obrigkeit die Wälder für sich beanspruchte und über die Nutzung bestimmen wollte. Sie gestattete den Bewohnern, Holz für den Hausgebrauch, Brennholz, Weingart- und Geschürrholz zu verkaufen, allerdings genau nach Vorschrift. Der Verkauf war nur für das Weingart-, Fässer und Brennholz erlaubt und musste besser organisiert werden, der Waldmeister sollte dazu Anweisungen über Menge und Sammelgebiete geben. In erster Linie sollten Daufen und Bretter gemacht werden, aus dem Rest Schaltern, Stillaun und Stecken. Perglstangen durften grundsätzlich nur mehr aus geschlagenem23 Holz hergestellt werden, um den Jungwuchs zu schonen.24 Der Verkauf von Brennholz an die Stadt Bozen sollte weiterhin eine Einnahmequelle für die Bewohner darstellen, allerdings nach genau festgelegten Mengen. Wer sich nicht an die Verordnungen hielt, musste mit Strafen rechnen. Der Verkauf von Bau- und Zimmerholz hingegen war nur mit Erlaubnis der Obrigkeit möglich. Grundsätzlich galt für Hoch- und Schwarzwälder sowie Teil- und Heimwälder die Verordnung, dass für Schlägerungen eine Erlaubnis des Waldmeisters notwendig war, Schlägerung, Aufarbeitung und Säuberung sollten von den Bewohnern durchgeführt werden. Der Verkauf wurde strikt geregelt: Städte und Gerichte an der Etsch hatten für Merkantilholz das Vorkaufsrecht für einen Monat, dann durfte an ausländische Kaufleute, Abnehmer aus dem norditalienischen Raum, veräußert werden. Der Verkauf von unrechtmäßig geschlagenem Holz war besonders verpönt. Für jeden widerrechtlich geschlagenen Baum in den Hoch-, Schwarz- und Heimwäldern war eine Strafe von 10 Pfund Berner vorgesehen. Vom Strafgeld ging ein Drittel an die Kammer in Innsbruck, das zweite Drittel an den Gerichtsherrn und das dritte an den Waldmeister. Die Tiroler Landesherren und die Fürstbischöfe wollten eine kontrollierte Waldwirtschaft erreichen, das Holz sollte an erfahrene Kaufleute mit den nötigen finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen gehen, der für sie sicherere und lukrativere Weg.25 Die Wälder unter Rosengarten und Latemar hatten qualitativ hochwertiges Holz zu bieten, der Karerwald wird in den Quellen mehrmals als Schatz des Landes an der 23 In der Quelle steht aus gespaltenem Holz, vermutlich sind damit bereits geschlagene Stämme gemeint, da es um die Schonung des Jungwuchses geht. 24 TLAI, KKB, ENT, 1561, fol. 529r–543r. 25 Vgl. Occhi, Boschi, S. 172–173.

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Die Holzwirtschaft

Etsch beschrieben.26 Die logistischen und organisatorischen Herausforderungen waren allerdings so groß, dass ein Verkauf von Bauholz im 15. und angehenden 16. Jahrhundert kaum von Bedeutung, das Interesse am Verkauf von Brenn- und Weinbauholz hingegen groß war. Ohne diese wichtige Einnahmemöglichkeit wäre das Gebiet von einer Abwanderung bedroht gewesen. Diese Tatsache wird von den Bewohnern und von der Obrigkeit in den Quellen bestätigt. Im Jahr 1675 hebt der Ortspfarrer Ambros Ebner in einem Schreiben an Kaiser Leopold I. (1640–1705) die schwierigen Bedingungen hervor, unter denen die Bewohner von Welschnofen wirtschaften mussten. Es gebe oft Hagel, Unwetter, Reif und frühzeitigen Schneefall, sodass das Korn nicht reife oder verderben würde, daher solle man der Bevölkerung den Verkauf von etlichen Baumstämmen zugestehen.27 Die Bewohner nutzten die Möglichkeit, sich mit der Holzwirtschaft Einnahmen zu schaffen, mit dem Erlass der Waldordnung um die Mitte des 16. Jahrhunderts ergaben sich allerdings Probleme, da ihnen nur mehr eine Nutzung für den Eigengebrauch, nicht aber für den Verkauf zugestanden wurde, außer mit Genehmigung. Als es 1578 zum Verkauf der Nutzungsrechte des Waldes Latemar an den Fleimser Marco Antonio Cazzano kam, sollten die Bewohner daran erinnert werden, dass es sich dabei um einen Hoch- und Schwarzwald handelte, auf den sie kein Anrecht hätten.28 Die Welschnofner sahen das aber anders und forderten ihr Recht ein, worauf ihnen ein Holzverkauf aus dem angrenzenden Karerwald gegen Bezahlung des Stockrechts zugesagt wurde. Es scheint, als seien die Ansprüche der Bewohner fundiert gewesen, sie ließen sich nicht hintergehen. Es kam sogar soweit, dass Cazzano die Schlägerungserlaubnis wieder entzogen wurde.29 Für das Gebiet von Tiers und Fassa liegen keine Waldbereitungen vor. Informationen über die Waldbestände und Nutzungsrechte können der Korrespondenz zwischen Gerichtsverwalter, Bewohnern und Fürstbischöflichem Hof in Brixen entnommen werden. In Tiers war der Verkauf von Weinbau- und Geschürrholz ebenfalls eine wichtige Einnahmequelle, ohne die die Bewohner nicht über die Runden gekommen wären.30

26 TLAI, OÖKKB, GM, 1603, fol. 895v. 27 ... es ist ein armes und grobes Thall, ligt hoch in gebirg, alln ungewiter, hagl, schauer, reiffen frue zeitigen schne unterworffn, wie wir an heur (layder) erfahrn, das es auf etlichn orthn nit abgereifft alles verderbt [...]) so seind auch auß dißer Bewaldung von dene dar zue bestölten Waldmeistern järlihn ettvöllihe Stamen umb die Bezallung vergunt worden ..., TLAI, PA, 575. 28 TLAI, OÖKKB, GM 1578, fol. 368r–369v. 29 TLAI, OÖKKB GM 1584 fol. 429v; GM 1597, fol. 152r–v. 30 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 46.

Holzordnungen und deren Implementierung

... weil man derselben waldungen in Tiers zu Landsnottdurfft zu prenn weingart und geschirrholz notdürftig ist ...31

Daher hatten sie sich im Laufe der Zeit die Waldnutzungsrechte verschriftlichen lassen: In der Abschrift eines Berichts zu den Nigerwaldungen vom Februar 1623 ist Folgendes zu lesen: ... in Krafft ainer alten Lehensinvestition darauf sich die neuen referieren, auch in crafft ainer 1497 ergangen urthl... und da incrafft des alten yeblichen herkhomens und erlangten possesion alle niesung, nuzung und gebrauch in holz, wun und waiden in den Nigerwaldungen, so sy von den Liechtenstainischen und Staineggischen mit rechtfertigung erlangen muessen, pertendiren und für ir gemainßnießung anzich daraus si bisheero (durchgestrichen) die unterthanen bisheero […] aufenthaltung und losung nach Bozen und der ende gehebt und one desselben sons als arme unterthanen an den rauhen und wilden orth nit zu hausen oder zinsen und steur abzurichten wisten, auch inen in der geleisten erbhuldigung versprochen und deswegen schriftlich schein erthailt worden ...32

Den Tiersern waren ihre Rechte schriftlich bestätigt worden und im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts hatten sich in dieser Hinsicht nie Probleme ergeben. Dass die schönen Wälder erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts das Interesse der Obrigkeit und der mächtigen Holzkaufleute weckten, hing sicherlich mit einer gestiegenen Nachfrage und neuen Transportrouten zusammen. Die Entfernung zum Eisack wäre zwar gering gewesen, die geografischen Gegebenheiten allerdings ungünstig: Laut einem Bericht wären zwölf Brücken nötig gewesen, um das Holz vom Nigerwald ins Tal zu bringen.33 Gegen Ende des 16. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Merkantilholz, gleichzeitig fanden sich neue Transportmöglichkeiten und -wege, sodass der Fürstbischof von Brixen an seine Rechte auf Hoch- und Schwarzwälder erinnerte und über jeglichen Holzverkauf informiert werden wollte. Als 1595 in Brixen bekannt wurde, dass Margaretha Lercher vom Messnerhof in Tiers auf das Holznutzungsrecht des zum Hof gehörenden Heimwaldes pochte, wurde sie zur Rechenschaft gezogen. Sie konnte ihre Rechte mit Brief und Siegel belegen, weshalb ihr Zugeständnisse gemacht werden mussten, allerdings mit dem Vorbehalt, dass sie Anrecht auf Holz für den Eigengebrauch, nicht aber für einen Verkauf hatte.34 Die Obrigkeit war also an Kompromisslösungen interessiert, ihr

31 32 33 34

SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 184; TLAI, OÖKKB GM 1620, fol. 1366v–1367r; fol. 1379r. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 249. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D S. 45–46. DAB, HR 45, S. 738 (06.03.1995), S. 756 (22.06.1595), S. 919–921. (09.07.1596).

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Die Holzwirtschaft

war durchaus bewusst, dass die Bevölkerung nicht gänzlich von der Waldnutzung ausgeschlossen werden konnte. Zu einer Klärung der Holznutzungsrechte in Tiers kam es zwischen 1604 und 1610, weil die Herren von Völs ihre Rechte auf Einnahmen aus dem Holzverkauf mit einem Lehensbrief aus dem Jahr 1397 belegen konnten. Der Brixner Hof einigte sich mit dem Gerichtsherrn, die Einkünfte aus dem Holzverkauf zu teilen.35 Gleichzeitig wurde die Nutzung der Wälder durch die Untertanen geklärt: Den Bewohnern wurden im Tschamin-Wald jährlich zehn Stämme für Bretter, Daufen und Weingartholz zugestanden, Brenn- und Zimmerholz durften sie den Wäldern Frata und Finestra entnehmen. Waren die Ressourcen in diesen Wäldern aufgebraucht, sollten ihnen neue Gebiete zugewiesen werden.36 Bereits ein Jahr später kam es zum Erlass einer Waldordnung, die diese Regelungen übernahm. Für das Fassatal galten die gleichen Bestimmungen wie für das Tierser Tal. Die Bewohner hatten Gemeinschaftsrechte vorzuweisen, für den Hausgebrauch stand ihnen Holz zu, für einen Verkauf musste die Obrigkeit ihr Einverständnis geben. Als Bauholz um die Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer begehrten Handelsware wurde und sich Möglichkeiten fanden, logistische Herausforderungen zu bewältigen, erinnerte die Obrigkeit immer öfter an ihre Rechte als oberste Entscheidungsinstanz aufgrund des Holzregals. Während im Gericht Welschnofen/ Karneid bereits seit Mitte des Jahrhunderts eine Holzordnung in Kraft war, kam es im Fassatal und auch in Tiers erst gegen Ende des Jahrhunderts zum Erlass solcher Reglementierungen. Diese Verordnungen hinderten die Bewohner allerdings nicht daran, die Wälder weiterhin auf ihre Art zu nutzen, was immer wieder zu Ermahnungen und Bestrafungen führte.37 Am 6. Juni 1583 kam es im Gebiet von Welschnofen zu einer zweiten Waldbereitung, bei der ein unordentliches und schlechtes Verhalten der Untertanen in Sachen Waldnutzung beanstandet wurde. In den Augen der Obrigkeit betrieben die Untertanen Raubbau am Wald, dem musste entgegengewirkt werden, indem jeden ein anzall vergunen und anzuzaigen damit dessto unschedlicher in den wäldern gehausst werde und inen dannacht ein geltlosung von dem holzwerk erfolgen müge. Also haben sy durch erschine durch iren vormunt beantwort, dass yezheer große verschwendung beschehen, weren auch derhalben erpietig und willig die ordnung so viel die gemain wälder betrifft anzunemen ...38

35 36 37 38

Spitaler, Gericht Tiers, S. 51–52. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 33, 42–43. Pichler bringt Klagen für die Jahre 1566, 1567 und 1573. Pichler, Siedlung, S. 199. TLAI, HS 3907 (Anhang Waldbereitung).

Holzordnungen und deren Implementierung

Eine Aussprache mit den Bewohnern sollte eine bessere Zusammenarbeit erwirken. Bei dieser wurden den 32 bewohnten Höfen jeweils zehn Baumstämme aus den Gemeinwäldern (Plän und Zehner) zum Verkauf versprochen. Zudem gab es elf Höfe, die von zwei Familien bewohnt wurden (doppeltem hauswesen), diesen sollten weitere zehn Stämme aus ihren Heimwäldern zustehen. Etlichen kleineren Höfen gestand man jeweils fünf Stämme aus den Heimwäldern zu, unbewohnten Gehöften wurde hingegen kein Merkantilholz zugesprochen. Alles musste unter der Aufsicht des Unterwaldmeisters geschehen. Vom Karerwald durfte ebenfalls Holz verkauft werden, allerdings kontrolliert mit der Verpflichtung, das Stockrecht zu bezahlen. Diese Verordnung sollte für ein Jahr gelten, dann würde sich zeigen, ob die Stückzahl erhöht oder vermindert werden musste. Der Vorschlag wurde von den Vertretern der Siedlungsgemeinschaft gutgeheißen und anschließend den Bewohnern verlesen. Diese waren allerdings nicht einverstanden und klagten über Menge und Transportprobleme, denn auf dem Weg nach Leifers würde ihnen in Deutschnofen die Hälfte des Gewinnes abgenommen.39 Grundsätzlich hielt man also am Verkaufsverbot bzw. am Forstregal fest, genehmigte aber immer wieder Ausnahmen, um den Unwillen der Bevölkerung zu besänftigen.40 In den Wäldern, für die eine Gemeinschaftsnutzung vorgesehen war, konnte die Obrigkeit die Rechte der Untertanen nicht ignorieren. Dies zeigt sich am Beispiel des Karerwaldes, für den die Welschnofner einen Holzverkauf genehmigt bekamen.41 Die Bewohner von Vigo erreichten eine Bestrafung Pietro Zens, der illegal Schlägerungen im Wald Fratta Scura durchgeführt hatte.42 Ihre Holznutzungsrechte wurden zumindest in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch respektiert und die Obrigkeit musste sich auf eine rigide Kontrolle der Waldnutzung beschränken, wofür ein Netz an Kontrollorganen eingerichtet worden war. Eine zentrale Rolle kam der Figur des Waldmeisters zu. Er musste die Wälder kontrollieren, Schlägerungen genehmigen, Vergehen ahnden und die Verantwortlichen bestrafen. Die Verordnung, dass der Waldmeister ein Drittel der Strafen für sich beanspruchen durfte, zielte auf ein effizientes Arbeiten dieser Kontrollorgane ab. Ob diese Taktik Erfolg zeigte, bleibt dahingestellt. Anscheinend trug diese Form der Vergütung nicht dazu bei, das Amt begehrt zu machen: 1561 hatte sich Cristan Pranstetter geweigert, das Amt anzunehmen, und ein gewisser Valthin Tafinger hatte zugesagt und einen Tag später wieder abgesagt.43 Dem Waldmeister standen Unterwaldmeister zur Seite und zusätzlich wurden aus der Bevölkerung zwei Rügen (Ermahner) ernannt. Dass man die Untertanen 39 40 41 42 43

TLAI, HS 3907 (Anhang Waldbereitung). TLAI, HS 3907 (Anhang Waldbereitung). TLAI, OÖKKB, GM, 1579, fol. 849r–v. Dazu ausführlich Kapitel 4, Fußnote 29. Ausführliche Informationen finden sich auf S. 116. TLAI, OÖKKB, GM, 1561, fol. 559v, 706r.

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Die Holzwirtschaft

zwang, sich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen, und mit Strafen bei nicht ordnungsgemäßer Ausführung drohte, zeigt, dass sich die Umsetzung der neuen Forstpolitik nicht einfach gestaltete. Auf dem Landtag 1567 und 1573 beschwerten sich die Untertanen zudem über die Bestechlichkeit der Waldmeister.44 Am Beispiel des Karerwaldes zeigt sich, dass sich weder die Bevölkerung noch die Verwaltungsbeamten an die Vorschriften hielten. Es wurden zwar Verträge mit einer genauen Angabe zur Holzmenge mit den Bewohnern von Welschnofen sowie dem Gerichtsherrn von Karneid ausgehandelt, eingehalten wurden diese Abmachungen nicht immer, was bei der Regierung in Innsbruck für Unmut und Unzufriedenheit sorgte. Nach einer erneuten Beschauung des Waldes unter dem Latemar kam es 1586 zum Erlass einer weiteren Waldordnung.45 Die Durchsetzung der Waldordnungen erwies sich als schwierig, zu lange hatten die Menschen im Gebiet diesen Wirtschaftszweig selbst gelenkt. Es stellt sich zudem die Frage, inwieweit die Klagen über die von den Bewohnern betriebene Misswirtschaft in den Wäldern überhaupt gerechtfertigt waren. Der Bericht, der von kaiserlichen Spedienti (Kundschaftern) bei der Bestandsaufnahme im Tierser Tal erstellt wurde, trägt ähnliche Züge wie die Waldordnungen: Die Bewohner des Tales würden Misswirtschaft betreiben. Wie die Nachbarn in Steinegg und Gummer würden sie das ganze Jahr über täglich allerlei verschiedene Holzsorten nach Bozen bringen, ohne wirklichen Gewinn damit zu machen. Dies führe zu Schäden, die von großem Nachteil seien. Denn die Bewohner würden nicht die reifen und alten, sondern die schönsten Bäume fällen, den Rest aber verfallen lassen, was zur Verwüstung der Wälder führe.46 Ein Eintrag im oberösterreichischen Kammerkopialbuch des Jahres 1546 bekräftigt ebenfalls die Überzeugung, dass die Untertanen Misswirtschaft in den Wäldern betrieben: ... wann die paurn den kaufleuten erlauben, das verkaufft holz abzuhackhen, oder wann sy solhes für sich selbst oder aus bevelch irer herrn und phleger thuen, so geschicht dermassen das die wald in kurz verderben, dann sy gemainigelich und on all underschaid gros und klaine pam abhacken, welhes aber vermiten belib, wo man ain comissari darauf hielt ...47

44 TLAI, HS 3907; Schennach, Gesetz, S. 436. 45 TLAI, HS 3761–3763. 46 Diese Quelle liegt zurzeit leider nur als Transkription vor. Das Original wurde 2005 vom damaligen Bürgermeister von Auer, Hans Nägele, wie er mir selbst berichtete, auf einem Flohmarkt gekauft und dann dem damaligen Bürgermeister von Tiers überlassen, der die Quelle dem Bildungsausschuss anvertraute. Sie wurde transkribiert, ist aber im Original derzeit nicht auffindbar. 47 TLAI, ÖOKKB, GvH, 1546, fol. 148v.

Holzordnungen und deren Implementierung

Waren die Bewohner wirklich verantwortungslos mit dem Wald umgegangen? Sicher ist, dass sich die von der Obrigkeit eingeleiteten Maßnahmen zu einer kontrollierten Nutzung der Ressource Holz nicht mit den heutigen Wirtschaftsplänen vergleichen lassen. Zwar war bekannt, dass es wichtig war, dem Wald ein bestimmtes Pflanzenkleid zu lassen, um die Erosions- und Lawinengefahr zu bannen. Dieser Taktik lag aber keine wissenschaftlich fundierte Forschung zugrunde, die den Zusammenhang zwischen Bodenbeschaffenheit und Pflanzenwachstum berücksichtigt und auf dem Prinzip beruht, dass nur alle 10–20 Jahre Schlägerungen vorgenommen werden sollten, die dem Ökosystem nicht schaden, weil die entnommene Menge an Bäumen dem Holzzuwachs auf einem ausgereiften Waldboden entsprechen sollte. Das Gegenstück dazu bildet der Kahlschlag, bei dem eine Regenerierung des Waldbestandes viel länger dauert, weil dadurch dem Boden die Hälfte der organischen Substanz entzogen wird.48 Die von der Obrigkeit durchgeführten Waldbereitungen und die Reglementierung können als kontrollierte Nutzung interpretiert werden.49 Dieser Forstpolitik lagen aber mehr wirtschaftliche und nicht so sehr ökologische Interessen zugrunde.50 Das Ziel war eine monopolisierte, streng kontrollierte Holzwirtschaft, an der die Bevölkerung nur so weit mitverdienen durfte, dass ihre Existenz nicht gefährdet war. Den wirklichen Gewinn sollten die Tiroler Landesfürsten bzw. die Fürstbischöfe von Trient und Brixen machen.51 Die Holzschlägerungen, die das Unternehmen Maccarini im Nigerwald in den Jahren 1620–1630 durchführen ließ, zeigen, was sich in der Realität abspielte: Der Vertrag legte Anzahl und Größe der Bäume, die unter der Aufsicht einer Vertrauensperson des Brixner Bischof gefällt werden sollten, fest. Primäres Ziel war es aber, so viel Holz wie möglich zu verkaufen. Maccarini hielt sich von Anfang an nicht an die ausgehandelten Vereinbarungen: Die Schlägerung erfolgte ungleichmäßig, er nahm nur das Beste, Wipfel und durchaus brauchbares Holz wurde zurückgelassen und die Maße wurden nicht eingehalten. Der Hofrat verbot Maccarini, mit den Holzarbeiten fortzufahren, ließ ihn aber im darauffolgenden Jahr 1621 weitermachen.52 Als sich die Bewohner über die schonungslosen Schlägerungen 48 Capelli, Selvicoltura, S. 10–11, 222–226. 49 Venedig hatte um 1600 wichtige gesetzliche Maßnahmen zum Schutz der Wälder ergriffen, aber nicht nur aufgrund des hohen Bedarfs des Arsenals, sondern auch um den Folgen intensiver Rodungen, die zu einem Ansteigen der Flüsse und einem Verlust von Weide- und Anbauflächen führen würden, entgegenzuwirken. Lazzarini, Boschi, legnami (2021), S. 69–72. 50 Vgl. Witschi, Züricherische Forstpolitik, S. 33–39; Appuhn sieht in der Gesetzgebung Venedigs zum Schutz der Wälder Ansätze einer ökologischen Politik, die einer rücksichtslosen Ausbeutung vorbeugen sollte, betont allerdings, dass durch den Ausschluss der Bevölkerung nicht wirklich von ökologischer Forstwirtschaft gesprochen werden kann. Appuhn, Forest, S. 25. 51 Vgl. Schennach, Gesetz, S. 434. 52 Spitaler, Gericht Tiers, S. 61.

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in ihren Wäldern beklagten, erreichten sie wenig. Die Obrigkeit griff nicht ein, die Beziehung zum Unternehmen Maccarini war zu wichtig, wollte man doch mit den Wäldern Gewinne machen.53 Eine ähnliche Situation ergab sich 1630 für den Karerwald: Obwohl Antonio Maccarini sich nicht an die Vereinbarungen hielt und die Wälder in einem üblen Zustand hinterließ, führte die Tiroler Kammer die Geschäftsbeziehung mit ihm fort.54

4.3 Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf Der Holzverkauf entwickelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts neben den Einnahmen aus der Viehwirtschaft zu einem immer wichtigeren Standbein der lokalen Wirtschaft. Die Holznutzung erlaubte es den Untertanen, sich auf mehreren Wegen ein Zusatzeinkommen zu schaffen, denn mit ihr waren viele verschiedene Arbeiten verbunden. Die einfachste Form war das Sammeln von Brenn-, Weingart- und Fässerholz, dessen Verkauf von existenzieller Bedeutung war, ein Umstand, der von Marx Sittich von Wolkenstein in seiner Landesbeschreibung von 1600 bestätigt wird: Er schreibt, dass sich die Bewohner von Welschnofen zum Großteil mit dem Verkauf von holz, flecken, dauffel, klain und gros und rayfen ihren Unterhalt verdienten.55 Zwei Jahrhunderte später, im Jahr 1808, finden wir in der Schrift „Der Weinbau im Etschlande“ des Prälaten von Muri-Gries, Augustin Nagele, einen ähnlichen Vermerk: Die wenigsten Weinerzeuger auf dem Lande sind mit eigenen Waldungen versehen, hingegen ganze Gemeinden, und Dörfer auf den Bergen, welche die benöthigten Holzgattungen zur Winterzeit auf das Land herabschaffen, und beinahe einzig von diesem Holzhandel leben. Aus diesen sind vorzüglich die Gemeinden in Welsch- und Deutschnofen, Fleims, Nonnsund Sulzberg.

Nagele hebt zudem hervor, dass der Verkauf von Weingartholz diesen Ortschaften beträchtliche Einnahmen sicherte, zum Leidwesen der Bozner Weinbauern, die für dieses Holz viel zahlten, weil die Pergln ständig erneuert werden mussten.56 Im Laufe des 16. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Zimmer- und Bauholz, der Verkauf dieses Sortiments stellte die Bewohner aufgrund der schwierigen organisatorischen und logistischen Bedingungen vor große Herausforderungen. Die

53 54 55 56

TLAI, OÖKKB, GM, 1630, fol. 1004r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1630, fol. 1147r–v; fol. 1393r–v. Klebelsberg (Hg.), Wolkenstein Landesbeschreibung, S. 211; Wopfner, Bergbauernbuch, Bd. 3, S. 569. Hungerbühler, Weinbau, S. 50.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

Abb. 24 Durchsägen eines Stammes im Fleimstal (1930).

Bringung großer Stämme zählte zu den schwierigsten und gefährlichsten Arbeiten der Bergbauern, sie war aufwendig und wurde in Arbeitsteilung vollzogen. Beim Fällen in steilem Gelände galt es, besonders vorsichtig zu sein, ebenso bei Windwürfen, da die Bäume aneinander hängenbleiben, beim Schneiden in die Höhe schnellen konnten und sich Wurzelstöcke dabei gern überschlugen.57 Für Schlägerungen konnten sehr kleine Gruppen mit nur drei Mann zum Einsatz kommen, ging es aber um größere Mengen, brauchte es bis zu 14 Mann.58 Die Säge war als Arbeitsgerät zwar bekannt, sie konnte sich in Europa aber für längere Zeit nicht durchsetzen. Gründe dafür könnten der hohe Preis des Gerätes und dessen Wartung (Wetzen, Schleifen) gewesen sein. Zudem benötigte es zwei Personen, der Holzfäller war daher auf eine andere Person angewiesen, was ihm durch die Arbeitsteilung einen wirtschaftlichen Nachteil gebracht hätte.59 Bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die Stämme nicht abgesägt, sondern abgehackt. Anschließend wurden die Äste und die Rinde entfernt und die Stämme zu sogenannten Museln von 4–5 Metern Länge abgeschnitten. Die Einheit Musel wurde zum Errechnen des Wertes eines gehackten Baumstammes verwendet.

57 Wopfner, Bergbauernbuch, Bd. 3, S. 611–612. 58 Occhi, Boschi, S. 78. 59 Killian, Innovazione, S. 68.

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Die Holzwirtschaft

Abb. 25 Forstarbeiter beim Ziehen der Stämme (Prigl strafn) in Welschnofen um 1950.

Deren Größe richtete sich nach den Maßen, die in den Absatzgebieten oder den Waldschlägerungsgebieten üblich waren. Für die untersuchte Region finden sich in den Quellen die Maße des Fassa- und Fleimstals, wo der Durchmesser für Stämme in venezianischem Arsenalfuß angegeben wurde.60 Nach der Schlägerung wurden die Stämme (Prigl) mit einem Zapin zu den Riesen, rutschbahnartigen Rinnen, gezogen (strafn), über die sie ins Tal abgelassen wurden. Um ein Zersplittern oder Hängenbleiben zu verhindern, wurden die Museln an den Schnittflächen abgestumpft.61 In Welschnofen lassen sich noch heute solche Riesen, die vor Ort Loasen genannt werden, an einigen Waldhängen erkennen. Wo es nötig war, wurden sie mit Holz in Form von Brücken errichtet, ein kostspieliges Unterfangen. Occhi spricht von 600 Dukaten (435 Gulden) für Riesen von 4 Kilometer Länge im Abteital.62

60 Zu den verschiedenen Bezeichnungen und Maßeinheiten siehe S. 68–69. 61 Wopfner, Bergbauernbuch, Bd. 3, S. 612–614. 62 Occhi, Boschi, S. 83–84.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

Abb. 26 Ein Stamm wird durch die Riese gezogen (Fleimstal).

Abb. 27 Transport von Stämmen auf einer Holzriese in der Valfredda (Trentino) um 1938.

Im Fassatal im Val Sorda finden sich noch heute sogenannte cave, Rinnen aus Stein, die für den Transport der Stämme ins Tal errichtet wurden.63 Dass den Beteiligten bei dieser Arbeit Gefahren drohten, zeigt ein Artikel von Claudio Lorenzini über einen Unfall, der sich 1564 in Moggio im Friaul ereignet hatte. Beim Transport von Museln über eine Riese kam es zu einem tragischen Unfall, ein Holzarbeiter wurde von Holzstämmen erschlagen. Die Kommunikation zwischen der Mannschaft am oberen und der am unteren Ende klappte nicht. In der Tiefe war man über das Eintreffen der Stämme nicht informiert. Das tobende Geräusch alarmierte die Arbeiter, die kurz vor Eintreffen des Holzes überrascht auf die Seite sprangen. Leider erwischte einer die falsche Seite, was ihm zum Verhängnis wurde. Lorenzini unterstreicht mit diesem Beispiel, wie wichtig Fachkenntnisse, Kommunikation und Zusammenarbeit waren. Die Waldarbeit erforderte Erfahrung, deshalb wurden, wenn nötig, Fachleute von auswärts angeheuert, waren sie vor Ort nicht ausreichend präsent.64

63 Agnoletti bezieht sich auf die Holzrinnen im Val Sorda im Gebiet von Vanoi. Vgl. Agnoletti, Tognotti, Zanzi Sulli, Appunti, S. 496. 64 Lorenzini, Uccello volante, S. 341; vgl. Fink, Holztreibberufe, S. 308.

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Abb. 28 Holzriese in Form einer Brücke in Welschnofen um 1950.

Weitere Informationen über Mobilität und Gefahren der Waldarbeit finden sich in einem Gerichtsakt zu einem Unfall, der sich im November 1574 im Wald Monte Albiano in Valfloriana im Fleimstal ereignet hat. Matthias Pichler, ein deutschsprachiger Waldarbeiter aus dem Tauferertal, warf Sand auf eine Holzriese, um die Geschwindigkeit der herabrasenden Stämme zu verringern. Dabei schlug ein Stamm aus und schleuderte Pichler auf die Riese. Normalerweise verständigten sich die Waldarbeiter, bevor die Stämme herabgelassen wurden. Vermutlich hatte es Kommunikationsprobleme gegeben, die zum Tod des Waldarbeiters führten. Zu einem weiteren tödlichen Unfall kam es im selben Wald wenige Monate später, im Juni 1575, als Georgel di Fros aus Toblach von einem umstürzenden Baum, den er gerade fällte, getötet wurde.65 Der Verkauf von Zimmer- und Bauholz hatte in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch nicht so große Bedeutung erlangt, die Bewohner nutzten diese Einnahmequelle nur für Notzeiten, wenn größere Restaurierungsarbeiten an Kirchen anfielen oder Missernten einen Getreidemangel zur Folge hatten.66

65 Giordani, www.storiadifiemme.it (2008/5); Occhi, Boschi, S. 84; Corazzol, Piani, S. 27. 66 Vgl. Corazzol, Piani, S. 187.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

Abb. 29 Natürliche Holzriese in Welschnofen.

Abb. 30 Holzkanäle aus Stein im Val Sorda im Fassatal.

Die Waldbereitung von 1558 enthält indirekt Hinweise, dass die Bewohner von Welschnofen immer wieder Schlägerungen vorgenommen haben.67 Über Anmerkungen zu geschlagenem Holz und Regenerierungsphasen in der Waldbereitung von 1558 können Schlüsse über die Nutzung und Veräußerung von Holz im Gebiet von Welschnofen vor der strengen Reglementierung um die Mitte des 16. Jahrhunderts gezogen werden.68 Der Kohlerhof hätte um 1558 in 25 Jahren 5.000 Klafter und in 100 Jahren über weitere 5.000 Klafter Brennholz verkaufen können. Bei einer Regenerierungszeit von 100 Jahren kann davon ausgegangen werden, dass es um 1475 und um 1550 zu größeren Schlägerungen gekommen war.69 Der Lanerhof konnte laut Waldbereitung in 15 bis 20 Jahren wieder 400 Klafter Brennholz nutzen, der Samerhof in 50 Jahren um die 2.000 Klafter und der Kafmannhof 4.000 Klafter in 80 Jahren, was auf Schlägerungen in den Jahren 1470–1480, 1508 und 1538 schließen lässt.

67 TLAI, HS 3907. 68 TLAI, HS 3907. 69 Occhi gibt eine Regenerierungszeit von 80–140 Jahren an. Die Forstbehörde von Welschnofen spricht von 100 Jahren. Occhi, Boschi, S. 53; vgl. De Philippis, Lezioni, S. 195, 208.

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Abb. 31 Holztransport über Riesen: Der Stamm wird auf die Riese gezogen, um ins Tal hinab gelassen zu werden.

Tab. 9 Entnommene Mengen mit entsprechender Regenerierungszeit und hypothetische Angabe des Schlägerungsjahres bezogen auf die Erhebung von 1558 Hofname

Kohlerhof70 Lanerhof Außerfohrerhof Samerhof Kafmanhof

Vor 1558 entnommenes Brennholz (in Klafter) 5.000 5.000 400 600 2.000 4.000

Menge in Vorratsfestmeter

Schlägerungsjahr

nutzbar in

30.300 30.300 2.424 3.636 12.120 24.240

1475 1558 1478 1483 1508 1538

25 Jahren 100 Jahren 15–20 Jahren 25 Jahren 50 Jahren 80 Jahren

70 Für den Kohlerhof werden weitere 10.000 Klafter angeführt, die Auslegung erweist sich als schwierig. Es ist unklar, ob noch weitere 10.000 Klafter genutzt werden könnten.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

Abb. 32 Longarone (Belluno): Holzriese zum Abtransport von Holz aus dem Wald Caiada um 1901.

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Abb. 33 Errichtung eines Holzlagers (Priglplumm).

So liest man bei den Höfen Moser und Meisterle, dass in deren Wald ein großer Lärchenbestand nachgepflanzt worden sei. Für die Poppenerhöfe findet sich der Vermerk, dass 50 bis 60 Jahre später eine noch viel größere Menge Zimmerholz entnommen werden könnte. Für den Prennerhof gibt es den Hinweis, dass in 40 Jahren wieder jährlich 15 Stämme, 500 Schaltern und Stillaun verkauft werden konnten, was ebenfalls belegt, dass es um 1500 zum Holzverkauf gekommen war. Aus den Gemeinschaftswäldern Im toten Moos, Varzan und Sankt Jörgen war laut Angaben der Waldbereitung zwischen 1470 und 1480 und aus dem Karer- und Latemarwald um 1480 und 1510 Holz verkauft worden. Diese Angaben lassen Rückschlüsse auf die Wirtschaftsweise der ersten Hälfte des Jahrhunderts zu. Es war sporadisch, aber nicht regelmäßig zu Schlägerungen gekommen, vermutlich erstreckten sich die Aufarbeitungs- und Aufräumphasen über Jahrzehnte und ermöglichten den Bewohnern ein Zusatzeinkommen. Die Bewohner kannten und nutzten die Wälder auf ihre Weise, wobei der Schwerpunkt auf dem Verkauf von Stecken, Daufen und Weingartholz für den Bozner Talkessel lag. Für das große Sortiment, in den Quellen als Zimmer- und Bauholz bezeichnet, suchten sie Holzhändler, die die Vermarktung organisierten, da sie selbst dafür nicht die Voraussetzungen erfüllten. Die Schwierigkeiten, mit denen der Holzverkauf für eine Siedlungsgemeinschaft verbunden war, zeigen sich sehr gut an den Problemen, die die Welschnofner mit dem Transport und Verkauf des Holzes aus dem Karerwald hatten. Im Wald Latemar kam es laut Waldbereitung

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

zur Schlägerung von 200 Stämmen, allerdings ohne Transportbewilligung für die Reif von Leifers, sodass das Holz liegen blieb und verfaulte. Einen Teil des Holzes verkauften die Bewohner einem Händler aus dem Fassatal, der aber nur das Beste herausklaubte und den Rest liegen ließ.71 Wenn die Bewohner aus Notsituationen heraus Merkantilholz verkauften, verlangten sie im Verhältnis wenig Geld. Von den Tiersern behauptete ein Sachverständiger, sie hätten im Jahr 1604 viel zu billig an Pietro Zen verkauft.72 Bei diesem Verkauf ging es den Bewohnern ebenfalls um eine einmalige Einnahme für eine Notsituation und nicht um ein gewinnbringendes Geschäft. Es finden sich noch weitere Hinweise für die Probleme der Bewohner, die großen Bäume zu verkaufen, weshalb sie sie verfaulen ließen. Der Stadtrichter von Brixen, Hans Jakob Söll, von Aichberg und der Bergwerksfaktor von Buchenstein, Giovanni Battista Piazza, hatten bei ihrer Besichtigung der Nigerwälder im Tierser Tal festgestellt, dass. mit den Niger waldungen, weil viel grosses reiffes holz darinen auf kauffmans werung vorhanden sey, des inen underthanen wenig dienstlich, sonder gleich im waldt zu laidt geen und verfaullen müesste ...73 Kam es zum Verkauf von Holz, schickten beide Parteien zwei erfahrene Personen vor Ort, um die Holzqualität (Länge und Dicke jeder Musel), die Grenzen des Waldstücks zu überprüfen und einen Preis auszuhandeln. Wenn nötig wurde eine fünfte Person, ein Stiftsuntertan74 , hinzugezogen. Alle sollten diese Arbeit aber aus freien Stücken machen. Sobald sie sich einigten und der Holzkaufmann ins Geschäft einwilligte, wurde die Höhe der Anzahlung festgelegt. Der Preis hing von mehreren Faktoren ab. Nicht nur die Qualität des Holzes, sondern die Transportkosten waren ausschlaggebend. Ein Wald war für die Händler nur dann interessant, wenn das Holz einen entsprechend großen Wert hatte und sich die Aufarbeitungsund Transportkosten rechneten. Die Experten vor Ort spielten im Holzgeschäft eine große Rolle, denn sie kannten die Transportrouten und die Kosten, die für die Aushandlung des Preises ausschlaggebend waren. Ein interessantes Beispiel für solche Kaufverträge findet sich für den bereits erwähnten Nigerwald im Gericht Tiers. Im Vertrag, der am 11. November 1603 zwischen den Vertretern der Dorfgemeinschaft von Tiers mit Pietro Zen75 für ein Teilstück des Nigerwaldes aufgesetzt 71 72 73 74 75

TLAI, HS 3907. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 175. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 105. Untertan des Fürstbistums Brixen. Zu Pietro Zen siehe S. 129–133.

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wurde, sind der Preis, die Zeitspanne für die Bringung und die Grenzen angeführt, nicht aber die Menge: ... einen Wald im Gericht Tiers genannt Nigerwald […] als gegen Morgen die Köfl zu höchst am Chanzonal, gegen Mittag die strassen oder farweg so von Chanzonal herab geeth, und der der Wellischnofner marckht und confinen, gegen abendt die gemain strassen, gegen mitternacht von den den gemeinen weeg gerad hin bis zu ainem großen feichten pämb in wellichen [...] und von den feichten geradt hinein bis am Canzonal Pach und von den Chanzonalpach bis auf den Chanzonal weeg der heraus auf die wisn geeth ...

Zen konnte in diesem Waldstück innerhalb von 15 Jahren mit einer möglichen Verlängerung von weiteren drei Jahren große, kleine, stehende, liegende Bäume verhacken, allerdings musste noch die Genehmigung des Fürstbischofs eingeholt werden. Darüber hinaus wurde ihm erlaubt, im Gericht Wege und Brücken zu bauen, für eventuelle Schäden, die für die Bevölkerung entstehen würden, musste er aber aufkommen. Als Preis wurden 225 Gulden angesetzt, die vom Abnehmer zu genau festgelegten Fristen bezahlt werden mussten.76 Dieses Beispiel zeigt, dass Siedlungsgemeinschaften in den Verträgen zwar Grenzen eines Waldstückes und Zahlungsfristen festlegten, es aber keine genaue Angabe für Menge und Größen der Baumstämme gab. Für sie war es wichtig, ein einmaliges Geschäft abzuschließen, das ihnen Einnahmen für die Überbrückung von Notsituationen brachte. Mit der Zunahme der Menge an Stämmen und der Größe eines Waldes, für den die Schlägerungskonzession vergeben wurde, veränderten sich auch die Verträge. Sie wurden immer genauer formuliert, die Holzkaufleute legten Wert darauf, Menge, Maße und Dauer des Vertrages festzulegen. Dabei spielten die Transportmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Nur wenn sich Qualität des Holzes sowie Transportkosten rechneten, kam es zum Abschluss eines Vertrages. Daher wurden Fachleute hinzugezogen, wenn ein Wald ins Interesse eines Kaufmanns gerückt war. Pietro Zen war ein solcher Experte, er war der Onkel des Holzkaufmanns Giovanni Battista Someda und gleichzeitig sein Unterhändler. Zen wusste, dass die Wälder unter Rosengarten und Latemar reif waren und dass ein Verkauf an Abnehmer aus Venedig äußerst interessant war. Aus seinen Erfahrungen als Faktor des Fürstbischofs war er über die Holzgeschäfte bestens informiert. Er kannte Preise, Transportbedingungen und Absatzmärkte. Er wusste um die Möglichkeit der Verflößung über die Flüsse Biois, Cordevole und Piave. Das Holz, das er seit 1595 aus dem Latemarwald verkaufte, war über den San-Pellegrino-Pass nach Paluetto

76 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 183–189.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

zur Verflößung gebracht worden.77 Der Brixner Hof hatte Zen die Genehmigung für den Vertrag verweigert, weil er mit dem Nigerwald selbst ein Geschäft aushandeln wollte, denn enge Berater hatten dazu geraten. Sie hatten festgestellt, dass das von Zen erkaufte Teilstück des Nigerwaldes für einen Transport des Holzes über den San-Pellegrino-Pass günstig lag: ... wie dem erstens die verfierung der musl berriert khinten solche, sonderlichen aus dem gezirckh des Zens erkhauffung gar leichtlich unnd one sonndre erpauung ainicher weg und khainer risen oben hin gegen Eves und Mueyena und dann über S. Pellegrins albm hin ab Paluet vennedigers gefiert werden, und meines erachten nach wird solliche lifferung an cossten glegenhait und weite des wegs was leichter hinzubringen als das thurmerisch Pitscheid holz gefiert wirdet ...78

Der Brixner Hof hatte bereits viel Erfahrung mit dem Holztransport auf dem Wasser gemacht, das Holz aus Buchenstein war auf dem Cordevole zum Piave in die Ebene transportiert worden. Für das Nigerholz bot sich ein möglicher Abtransport über den San-Pellegrino-Pass, von wo das Holz auf dem Biois zum Cordevole gebracht werden konnte. Das Flusssystem Biois-Cordevole-Piave war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer wichtigen Verkehrsader geworden: Das Holz aus Abtei und Buchenstein wurde in Caprile auf dem Cordevole, das aus dem Fassatal in Paluetto auf dem Biois zu Wasser gebracht, bei Ghirlo, einer Fraktion von Cencenighe, wurden die Stämme vereint und über den Cordevole weiter nach Bribano zu den Sägewerken gebracht. Die Verbindung zur Lagunenstadt war durch den Piave gegeben.79 Für den Weg über Moena sprachen zudem die geringeren Kosten. In der Waldbereitung von 1558 findet sich für den St.-Jörgen-Wald in Welschnofen folgender Vermerk: ... so der auf kauffmanschafft soll verarbeitet werden, 30 m tschoggen und borni unnd möchte gen Mujenna oder auf die reiff ins cardaun gebracht werden, aber mit ringern costen gen Mujenna ...80

77 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27A, S. 190; TLAI, OÖKKB GM 1596, fol. 482v. 78 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 176. 79 Der im Bericht genannten Ort Paluett heißt im Italienischen Paluetto, es handelt sich um eine Fraktion der Gemeinde Falcade im Agordinotal. Corazzol, Piani, S. 229. 80 TLA, HS 3907 fol. 10.

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Abb. 34 Holztrift auf dem Cordevole bei Agardo um 1829.

Der geringere finanzielle Aufwand bezog sich vor allem auf den Zoll, der auf dieser Route anfiel, da nur eine Zollstelle passiert werden musste, nämlich die in Fleims.81 Der Weg über den San-Pellegrino-Pass wurde als leichter und kostengünstiger beschrieben, in Wirklichkeit stellte er die am Holzhandel Beteiligten trotzdem vor große Herausforderungen. Das Holz aus dem Nigerwald musste von den Wäldern mit Ochsenfuhrwerken auf den Karerpass (1.745 m) und von dort über Riesen nach Moena (1.200 m) hinabgelassen werden. Von Moena wurde es wiederum mit Ochsenfuhrwerken auf den San-Pellegrino-Pass (1.918 m) transportiert, wo es dann ab Falcade d’Agordo getriftet wurde.82 Bevor diese Route in Erwägung gezogen wurde, hatten sich Sachverständige über die Möglichkeit erkundigt, das Holz durch das Tierser Tal auf die Reifstätte in Blumau zu bringen. Bereits 1596, als die Aufarbeitung verheerender Windwürfe im

81 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 176. 82 Vgl. Corazzol, Piani, S. 181–183.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

Abb. 35 Im Sägewerk werden die Stämme zu Brettern geschnitten (Heissensäge in Welschnofen um 1930).

ganzen Gebiet (Steinegg, Gummer, Welschnofen und Tiers) anstanden, hatte man an einen Abtransport nach Blumau gedacht, es war allerdings bekannt, dass die Holzlagerungsstätte nicht für längere Hölzer geeignet war und nur Weingartholz aus Gummer und Welschnofen gelagert werden sollte. Das Holz aus Tiers sollte in Blumau gespalten (vermutlich zu Brennholz) und dann in die Stadt gebracht werden.83 Für Welschnofen gab es einige wenige Wälder, für die dieser Weg infrage kam. Für die meisten findet sich in der Waldbereitung der Vermerk, dass das Holz leichter nach Moena abtransportiert wurde.84 Der Vertrag, den die Untertanen mit Pietro Zen abgeschlossen haben, erwähnt für den Abtransport des Holzes aus dem Nigerwald die Errichtung von Wegen und Brücken, ob damit an eine Verbindung ins Eisacktal gedacht wurde, bleibt offen.85 Aus einem Bericht der fürstbischöflichen Kommission aus dem Jahr 1610, der eine Zusammenfassung zum Verkauf des Nigerwaldes enthält, geht hingegen klar hervor, dass eine solche Lösung schlussendlich nicht infrage kam. Ein Weg nach Klausen hätte den Bau von zwölf Brücken erfordert und gegen den Transport auf

83 TLAI, OÖKKB, GM, 1596, fol. 101v–103r. 84 TLAI, HS 3907. 85 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 186.

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Wasser sprach der Wassermangel, da der Bach mehrere Mühlen versorgte. Zudem wäre der Bau einer Schleuse am Talausgang notwendig gewesen.86 Es blieb also nur der Weg über Moena und den San-Pellegrino-Pass. Weitere Informationen zum Abtransport des Holzes aus dem Nigerwald enthält das Abkommen, das der Brixner Hof zehn Jahre später mit dem Holzkaufmann Giovanni Maccarini abschloss.87 Dieser Vertrag sah eine Menge von jährlich 1.000 Museln vor, ein aufwendiges Unterfangen, das eine beträchtliche Zahl an Zugtieren erforderte. Corazzol gibt für den Transport von 1.500 Museln aus dem Wald Kastelruth bis Ruaz 62 Ochsenpaare an. Maccarini stand folglich für den Transport der Museln aus dem Nigerwald vor großen logistischen und organisatorischen Herausforderungen.88 Auf einer Strecke vom Nigerwald zum Karerpass von acht Kilometern brauchte es eine beträchtliche Zahl an Zugtieren. Für solche Transporte waren die Bewohner gerüstet, denn, wie bereits erwähnt, war die Ochsenhaltung in Tiers und Welschnofen von Bedeutung. Ob die Holzkaufleute die Transporteure vor Ort in Vertrag nahmen, hing sicher auch mit dem Verhältnis zu den Bewohnern zusammen. Grundsätzlich sicherten sich die Holzkaufleute für solche Holztransporte mit Ochsenfuhrwerken vertraglich ab, wie ein Abkommen vom 10. November 1592 zwischen Giovanni Battista und Simon Bertholoto aus Valfloriana für den Transport von Holz aus dem Wald Monte Albiano im Fleimstal zeigt.89 Bertholoto organisierte den Abtransport der Stämme des Holzkaufmanns Someda. Er verpflichtete sich, eine Straße zu errichten, auf der die Museln bis zum Frühjahr 1593 zum Fluss Avisio gebracht werden sollten. Im Vertrag wurde genau festgehalten, welche Größe die Stämme hatten, die Bertholoto noch vor dem Abtransport vermessen musste. Er verpflichtete sich, 50 einsatzbereite Ochsenpaare für den Abtransport zu organisieren, der mit dem ersten Schneefall begann und bis Ende April des darauffolgenden Jahres abgeschlossen sein musste. Wurde diese Frist nicht eingehalten, verpflichtete sich Bertholoto, gemeinsam mit den Transporteuren für die Schäden aufzukommen. Im Falle von Schneemangel galten diese Auflagen nicht, die Anzahlung, die Someda geleistet hatte, musste zurückgezahlt werden. Das Holz würde dann ein Jahr später abtransportiert werden, wobei Bertholoto und seine Transporteure den Vorrang gehabt hätten. Hätte Someda aber jemand anderen beauftragt, musste er Bertholoto 50 Gulden als Entschädigung für die Errichtung des Weges

86 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D S. 45–46; Spitaler, Gericht Tiers, S. 59. 87 Corazzol, Piani, S. 227. 88 Corazzol, Piani, S. 238. Occhi schreibt, dass für den Transport einer Musel bis zu acht Ochsenpaare zum Einsatz kommen konnten. Leider bringt sie keine Angabe für die Strecke, die bewältigt werden musste. Occhi, Boschi, S. 78. 89 Giordano, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-02.html.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

zahlen. Was den Transport anging, wurden unter Einbezug von zwei Fachleuten folgende Preise festgelegt: 18 Kreuzer für Museln mit einem Durchmesser von über 43 Zentimetern (Boroni), 9 Kreuzer für Refusi und 6 Kreuzer für Museln (Bore) mit einem Durchmesser von über 35 Zentimetern, wobei 2 Prozent der ganzen Stämme unentgeltlich transportiert werden sollten. Someda sollte eine Anzahlung von 150 Gulden leisten, weitere 200 Gulden mussten innerhalb 30. November 1592 folgen und eine ähnliche Summe zu Beginn des Transportes gezahlt werden. Die Begleichung des zweiten Drittels war nach dem Abtransport der Hälfte vorgesehen und die des dritten Drittels, sobald alles Holz am Avisio zur Anwässerung angelangt war, allerdings sollten die restlichen 100 Gulden erst gezahlt werden, wenn alle Stämme auf dem Wasser waren. Der Holzkaufmann musste zudem Getreide und Käse zur Versorgung der Transporteure liefern. Someda hatte eine schriftliche Vereinbarung mit den Transporteuren getroffen, so wie es Pietro Zen und Michael Coreth den Kaufleuten Bovio und Maccarini auch 1599 empfahlen: Si dovevano fare patti chiari, um Ärger zu vermeiden. Beim Holztransport in Buchenstein hatte es im Januar 1598 große Probleme gegeben, weil es zu einem Streik der Transporteure gekommen war. Nur auf Druck des Brixner Hofes konnten die nötigen Fuhrwerke organisiert und der Transport termingerecht durchgeführt werden.90 Giovanni Someda wusste bereits 1593 aufgrund seiner Erfahrung, welche Risiken das Holzgeschäft barg, schriftliche Vereinbarungen waren daher unbedingt notwendig, um vorzubeugen. Ein weiteres Dokument zum Holztransport von fast 1.594 Stämmen über die Pässe Valles und San Pellegrino aus den Jahren 1635/36 zeigt, wie wichtig die Verlässlichkeit für die Kaufleute war. Jeder Absatz des Dokuments, das die zu transportierenden Mengen aus den verschiedenen Wäldern auflistet, enthält den Hinweis, dass die Transporteure schwören mussten, den Abtransport laut Vereinbarung durchzuführen. Durch den Eid wurde die Abmachung rechtskräftig und verpflichtete sie, sich daran zu halten.91 Um vorbeugend Risiken einzuschränken, kam es daher bereits vor der Unterzeichnung eines Vertrags zu einer Aussprache, in der die Abläufe und Preise genau besprochen wurden. Die Leistung einer Anzahlung war ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Geschäftes. Im November 1577 bekam Marco Antonio Cazzano aus Moena von der Innsbrucker Kammer die Zusage für die Schlägerung und den Verkauf einer beträchtlichen Menge an Baumstämmen im Wald Latemar. Bevor es zu einem Vertragsabschluss kam, wurde von Fachleuten eine Bestandserhebung

90 Corazzol, Piani, S. 195–198. 91 Giordani, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-06.html; Zangger, Grundherrschaft, S. 103; Rauschert, Herrschaft und Schrift, S. 108–109.

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Die Holzwirtschaft

durchgeführt, um eine Verhandlungsbasis für Menge, Termine und Preis zu schaffen. Für den Wald Latemar war die Rede von einer beträchtlichen Anzahl von sehr dicken Baumstämmen, 3.000 Boroni und 9.000 bis 10.000 Stück Brennholz. Cazzano sollte zwei Jahre hintereinander jährlich 1.000 Boroni schlagen und den Rest als Brennholz verkaufen. Als Stockgeld wurden 24–26 Kreuzer für einen Borone festgelegt, die Bezahlung hatte in zwei Raten zu erfolgen, die erste zu Micheli (29. September), die zweite Rate zu Georgi (23. April). Zudem musste Cazzano eine Pürgschaft leisten, eine Anzahlung. Die Verflößung sollte grundsätzlich über die Etsch erfolgen, eine Ausnahme bildeten Stämme, die ungünstig lagen und daher über den San-Pellegrino-Pass gebracht werden mussten.92 Der Holzhandel bot mit Sicherheit große Verdienstmöglichkeiten, stellte die Kaufleute aber auch vor große Herausforderungen. Weil nicht immer alles nach Plan lief, kam es beim Vertragsabschluss zu einem Kostenvoranschlag mit Preisangabe, die endgültige Abrechnung wurde gemacht, sobald die Stämme aufs Wasser gingen (Anwässerung). Der Holzkaufmann Maccarini schrieb um 1623 an den Fürstbischof, dass sich der Transport der Stämme aus dem Nigerwald sehr schwierig und langwierig gestaltete, nur 694 Stämme seien zum Wasser gebracht worden, 1300 seien noch auf dem Weg und von diesen sei ein großer Teil noch vom letzten Jahr, weshalb er den Fürstbischof bat, den Vertrag für ein Jahr zu verlängern.93 Ein wichtiger Moment beim Holztransport war die Übergabe der Stämme an die Flößer, da es dafür einen fixen Termin gab. Spätestens am 23. April (Georgi) mussten die Stämme auf das Wasser, denn die Trift oder menada,94 wie sie unter den Kaufleuten genannt wurde, war an die Jahreszeit gebunden. Sie musste im Mai oder Juni erfolgen, nur in dieser Zeit war die Wasserführung durch die Schneeschmelze ausreichend.95 Die Kaufleute zahlten nur die Stämme, die am Fluss anlangten. Für die Abzählung beauftragten beide Parteien zwei Sachverständige, sie waren auch für die Preisverhandlungen zuständig. Bei Uneinigkeit wurde eine fünfte Person, die ein Stiftsuntertan sein musste, hinzugezogen.96 Überhaupt wurde der ganze Abtransport streng kontrolliert, damit keine mit der Marke des Käufers gekennzeichnete Musel abhandenkam. Holzlagerungsstätten, Schleusen, Flüsse und Sägewerke, alles musste strengstens überwacht werden. Corazzol bringt den Fall des

92 TLAI, OÖKKB 1577, fol. 2365v–2366r; 1578 fol. 368r–369v. 93 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 4A, S. 10. Das Schreiben ist zwar undatiert, es müsste um 1622/23 verfasst worden sein, da Maccarini sich auf den Abtransport der Stämme bezieht, der ihm laut Vertrag von 1620 schriftlich zugesagt wurde. 94 Der Transport der losen Stämme wird als Trift bezeichnet, von Verflößung spricht man hingegen, wenn die Stämme beim Transport zusammengebunden werden. 95 Dagostin, Valle di Fiemme, S. 56. 96 SAB, HSBx, BAB Lade 69, 16B, fol. 41r–44v; Corazzol, Piani, S. 197.

Holzbringung – Holztransport – Holzverkauf

Holzkaufmanns Francesco Zorzi, der einen Dieb auf frischer Tat ertappte: Dieser war dabei, eine Musel auf einen Karren zu verfrachten. Eine genauere Kontrolle der Musel bestätigte seinen Verdacht: Es war ein Stamm mit Zorzis Marke, den der Mann abtransportieren wollte.97 Neben diesen Beispielen von relativ kleinen Diebstählen finden sich solche, bei denen ganze Holzlieferungen verschwanden: Die Kammer beklagte im September 1587, dass die Deutschnofner und Welschnofner das Holz nicht wie vorgeschrieben auf die Reifstätte in Leifers brachten, sondern an ungewöhnlichen Orten lagerten, was ihnen nicht mehr gestattet werden sollte.98 Die Bewohner nutzten natürlich ihren Heimvorteil, sie kannten Wege, Plätze und Möglichkeiten, die Stämme illegal zu verkaufen. Im Jahr 1596 beschwerte sich Pietro Zen, dass die Welschnofner sein Holz einfach abtransportiert und verkauft hätten.99 Am 11. Dezember 1584 meldete die Tiroler Kammer dem Amtsverwalter in Bozen, dass der Untertan Bartlme Reuter aus Welschnofen im Karerwald 150 Stämme ohne Bewilligung geschlagen hatte.100 Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig die Kontrolle über Schlägerung und Transport war, vor allem für Personen, die nicht ortskundig und nicht ständig präsent waren. Die Obrigkeit und die Holzkaufleute brauchten daher Vertrauenspersonen, die ihre Ware unter Kontrolle hielten. Ein reibungsloser Ablauf des Transportes erforderte Fachleute vor Ort: Pietro Zen, der in den Schreiben des Brixner Hofes öfter als Faktor bezeichnet wird, weist in seinem Bericht für den Hof im Juni 1598 darauf hin, dass genügend Ochsenfuhrwerke, Futter und Geld zur Verfügung stehen und Holzfäller und Transporteure pünktlich bezahlt werden müssten, ebenso wichtig sei eine gute Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.101 Ein Zusammenspiel aller Beteiligten war äußerst wichtig für dieses Geschäft, bei dem es um sehr viel Geld ging. Grundsätzlich versuchte man, Einheimischen über die Schlägerungsarbeiten und den Transport mit Ochsenfuhrwerken Arbeit bzw. eine Einnahmequelle zu sichern. Als die Tiroler Kammer 1578 mit Marco Antonio Cazzano einen Vertrag um 3.000 Boroni aus dem Wald Latemar im Gebiet von Welschnofen abschloss, wurde die Bedingung gestellt, dass der Holztransport von der Bevölkerung durchgeführt werden musste.102 Dahinter steckte die Absicht, die Bewohner günstig zu stimmen. Die Möglichkeit, am Geschäft mitzuverdienen, war wichtig, allerdings erwarteten die Transporteure eine faire Bezahlung.103

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Corazzol, Piani, S. 47–48. TLAI, OÖKKB GM 1587, fol. 1592r–v. TLAI, OÖKKB GM 1596, fol. 1424v–1525r. TLAI, OÖKKB GM 1584, fol. 1827v–1828r. Corazzol, Piani, S. 193, 201. TLAI, OÖKKB GM 1578, fol. 508r. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Ereignisse in Buchenstein im Jahr 1598, Corazzol, Piani, S. 195–199.

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Die Holzwirtschaft

Der Transport auf Wasser konnte ebenso Probleme machen, da man von der Wasserführung abhängig war. Problematisch konnte es werden, wenn große Mengen an Holz aufs Wasser gingen. Die ältesten Stämme hatten Vorrang, um sie vor dem Verderben zu retten. Eine Ausnahme bildete Holz, das von einem Kaufmann für die Obrigkeit getriftet oder geflößt wurde. Marco Antonio Cazzano hatte Vorrang in der Triftung für das Holz der Tiroler Kammer aus dem Wald Monte Albiano, das auf dem Avisio nach Lavis transportiert werden sollte.104 Eine wichtige Rolle spielte die Tauglichkeit der Flüsse für den Transport, weshalb die Holzkaufleute die Errichtung von Schleusen vorantrieben, die eine Regulierung der Wasserführung ermöglichten. Giovanni Someda bat den Brixner Hof 1588, eine Schleuse auf dem Cordevole zu errichten, um den Transport von großen Holzmengen zu ermöglichen. Der Brixner Hof gab seine Zustimmung für eine kleine Schleuse, erst 1602 kam es auf Betreiben des Unternehmens Maccarini zur Errichtung einer funktionstüchtigen Schleuse bei Ruaz, der Fürstbischof behielt aber die Kontrolle darüber, um eine Monopolstellung des Holztransportes zu verhindern.105 Der Transport auf dem Wasser stellte ein großes Geschäftsrisiko dar. Konnten nicht alle Museln abtransportiert werden, blieben sie für längere Zeit liegen und brachten keine Einnahmen. Aber auch während des Transportes war eine strenge Kontrolle notwendig, dafür wurden die Stämme mit Marken versehen, nicht markierte wurden von den Flößern nicht weitergetrieben, denn dafür zahlte auch niemand.106 Das Ziel des wertvollen Rohstoffes Holz waren die Sägewerke, ihnen galt aus wirtschaftlicher Sicht besonderes Interesse, da sich der Wert des Holzes durch die Verarbeitung bedeutend steigerte. Viele einflussreiche venezianische Holzkaufleute verlegten im Laufe des 16. Jahrhunderts ihren Wohnsitz von der Lagunenstadt ins Hinterland. In der Gegend von Fonzaso und dem Brentatal investierten sie in Magazine, Wohngebäude und Sägewerke. Allein in Fonzaso waren zwischen 1531 und 1625 um die 20 Sägen in Betrieb. Absatzmärkte für die Bretter waren Bassano, Padua und Venedig. Das Arsenal ließ das Holz für den Schiffsbau ebenfalls in dieser Gegend von fachkundigen Personen schneiden.107 Zum Einsatz kam die Venezianer Säge, mit der ein ganzer Stamm bearbeitet werden konnte.

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TLA, OÖKKB, GM, 1586, fol. 888r–890r. Corazzol, Piani, S. 213–214.; Niedermair, Hauptmannschaft, S. 207–210. Corazzol, Piani, S. 182. Occhi, Boschi, S. 66–68; vgl. Agnoletti, Segherie, S. 23.

Die Venezianer Säge

Abb. 36 Trift auf dem Cordevole 1925.

4.4 Die Venezianer Säge Voraussetzung für die Inbetriebnahme von Gatter- oder Venezianer Sägen war die Versorgung des großen Antriebsrades mit Wasser durch einen Kanal (Wiere). Das Wasser wird mit hohem Druck auf die Lamellen des Wasserrades geleitet, wodurch eine Welle bewegt wird, an deren Ende eine befestigte Stange (Stelz) und ein darauf aufgesetzter beweglicher Gatterrahmen für die Sägearbeit aktiviert wird. Dazu wird der auf einen Wagen eingespannte Stamm in Richtung Säge geschoben, wobei der Vorschub bei jedem Aufwärtshub des Gatters erfolgt, damit die Sägezähne beim nächsten Schnitt wieder greifen können. Die Geschwindigkeit des Sägengatters und des Vorschubs kann über einen Schieber im Wasserzulauf reguliert werden.108 Während für das Fassa- und Tierser Tal solche Sägen dokumentiert sind (in Tiers ist eine Säge noch als Schausäge in Betrieb), finden sich in Welschnofen Hinweise erst für das 19. Jahrhundert. Als durch den Bau der Eggentaler Straße der Abtransport von Brettern möglich wurde, kam es zur Errichtung mehrerer

108 Die Informationen über die Venezianer Säge erhielt ich zum Großteil von Josef Mairhofer bei der Besichtigung seiner Säge, Ergänzungen dazu stammen aus dem Buch Agnolettis über Sägen und Wälder im Trentino. Agnoletti, Segherie, 72–80.

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Die Holzwirtschaft

Abb. 37 Mairhofer beim Betreiben seiner Venezianer Säge.

Venezianer Sägen. Entlang des Welschnofner Baches gab es um die 20 Sägen. Eine war bis zum Juli 2022 in Funktion und fiel leider einem Brand zum Opfer. Betrieben wurde sie von Josef Mairhofer, der mir bei einer Führung die Funktion einer solchen Säge genauestens erklärt hat: Das dafür notwendige Wasser wird vom Welschnofner Bach zu seiner Säge, der Tischler Säge geleitet. Das Wasser drückt gegen die Paddel eines Wasserrades, das an einer waagerechten Achse befestigt ist, die ein weiteres Rad in Drehung versetzt und den Wagen mit dem Stamm in Richtung Sägeblatt und gleichzeitig das Sägeblatt bewegt. Die Holzwalzen der Sägemühle von Mairhofer sind ca. 1,14 Meter voneinander entfernt, auf ihnen wird der Wagen mit einer Kette gegen die Säge gezogen. Jedes Brett wird der ganzen Länge nach durchgeschnitten und aus dem Wagen genommen. Der Wagen ist geneigt, damit beim Vorschub ein Widerstand entsteht, der bewirkt, dass der Wagen einerseits nicht zu viel geschoben wird und andererseits leichter in die Ausgangsposition zurückgeschoben werden kann. Das Sägeblatt besteht aus 32 Zähnen, die nach links und rechts geschränkt sind (d. h., die Zähne sind abwechselnd in die entgegengesetzte Richtung gebogen). Der Einschnitt muss so breit sein, dass der hintere Teil des Blattes Spiel hat und keine Reibung entsteht, die ein Erhitzen des Sägeblattes zur Folge hätte. Für Mairhofer ist der hintere Teil des Sägeblattes wie eine Stimmgabel, der Sagmeister erkennt am Geräusch (Klang), dass alles passt. Das Sägeblatt wird von Hand gefeilt und geschränkt, es darf nicht zu spitz und nicht zu stumpf sein: Präzisionsarbeit! Dafür verwendet er drei verschiedene Feilen.

Die Venezianer Säge

Das Sägeblatt bewegt sich vertikal, allerdings mit einer leichten Neigung, sodass der oberste Zahn im Verhältnis zum untersten 12 Millimeter weiter vorsteht. Dadurch wird eine gleichwertige Arbeitsleistung aller Zähne sichergestellt. Für einen guten Schnitt müssen Gatter und Wagen stabil sein, kein Spielraum ist erlaubt. Um dies zu erreichen, muss die Gatterführung je nach Luftfeuchtigkeit regelmäßig mit Keilen entsprechend eingestellt werden. Die Breite des Brettes wird mit Zulagen verschiedener Stärken (1–7 mm) bestimmt. Nimmt man eine Vorlage von 5,5 Zentimetern, erreicht man eine Brettstärke von 2,5 Millimetern. Venezianer Sägen waren in den Ostalpen weit verbreitet. Die Bedeutung der Sägewerke für den Holzhandel war den Bewohnern bewusst, denn die Bretterproduktion ermöglichte die Konservierung und Kapitalisierung des Holzes. Solange die Stämme nur für den Hausgebrauch bestimmt waren, wurde nur die dafür benötigte Menge gehackt. Die Möglichkeit des Verkaufes von großen Mengen brachte Geld, verlangte aber eine sofortige Bearbeitung des Rohstoffes in den Sägewerken, da ein Befall von Schädlingen (Borkenkäfer) große Schäden anrichten konnte. Ein Umstand, der erklärt, warum in der Ebene innerhalb weniger Jahre immer neue Sägewerke errichtet wurden, die Haltbarkeit und Wertzuwachs des Rohstoffes ermöglichten. In der untersuchten Region gewannen die Sägewerke in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an Bedeutung: In Penia im Fassatal verkaufte Andrea de Salvador im Jahr 1578 an Cristano da Costa eine Säge, dieser verkaufte sie an Giovanni Nicolet aus Vigo. Die Vertreter des Riegels Soraga forderten Giacomo Nicolet aus Vigo und Valentino de Cristina aus Soraga im Jahr 1585 auf, die Gemeinschaftssäge fertigzustellen. Die Säge der Dorfgemeinschaft von Vigo wurde ebenfalls von Giacomo Nicolet gemeinsam mit Valerio di Fontana im Jahre 1595 auf Betreiben der Bevölkerung instand gesetzt. Der Riegel Pozza übernahm 1587 für die Dorfgemeinschaft ein Sägewerk von Giorgio Pezzei und überließ ihm dafür ein Grundstück.109 Es fällt auf, dass im Fassatal die Sägewerke in der Hand der Dorfgemeinschaft waren und nicht einem Einzelnen gehörten, was vermutlich mit der Form der Nutzungsrechte zusammenhing: Im Fassatal gab es fast ausschließlich Gemeinschaftswälder und keine Heimwälder. In Tiers hatte 1595 Matheus Oberprader ein Sägewerk errichtet, für Welschnofen findet sich kein Hinweis auf ein Sägewerk.110

109 Ghetta, Sega di Penia, S. 176–179. 110 DAB, HR 45, S. 737, 987.

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5.

Ökonomische Vernetzung

5.1 Das Geschäft mit dem Holz Je nach geografischer Lage gab es Gebiete, in denen der Holzhandel aufgrund des hohen Bedarfs und der guten Anbindung zur Seerepublik Venedig mit ihren Zentren Padua, Vicenza, Verona und Venedig bereits im 15. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung gewann. Dies hing mit der Qualität und den Transportmöglichkeiten zusammen, Faktoren, die für das Fassa- und insbesondere für das Fleimstal zutrafen, weil der Fluss Avisio, der bei Lavis in die Etsch mündet, eine gute Anbindung ins Tal bot. Das Holz wurde nach Lavis getriftet, wo es verzollt und weiter auf der Etsch in Richtung Süden gebracht wurde. Die Stadt Verona und das Umland waren der wichtigste Abnehmer für dieses Gebiet.1 Das Holz aus den Wäldern des Fleimstals war wegen seiner Qualität begehrt. Bereits im 13. Jahrhundert wurde den Bewohnern die Nutzung der Wälder durch einen Eintrag in den Codex Wangianus von Fürstbischof Egon von Eppan (1248–1273) schriftlich zugesichert. Diese Rechte wurden 1314 durch Fürstbischof Heinrich von Metz (1313–1336) bestätigt.

Abb. 38 Wälder im Fleims- und Fassatal in einer Darstellung von 1595.

Im Laufe des 16. Jahrhunderts kam es für das Fleimstal wie in vielen anderen Gebieten zum Erlass einer Holzordnung mit der Begründung, einer unkontrollierten Ausbeutung der Wälder vorzubeugen. Diese Waldordnung mit der Bezeichnung

1 Dagostin, Valle di Fiemme, S. 56; Ghetta, Valle di Fassa, S. 20.

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Ökonomische Vernetzung

Abb. 39 Wasserstraßen Tirols um 1608.

Ordini dei Boschi aus dem Jahr 1558 sah vor, dass die Bewohner Anrecht auf Holz für den Hausgebrauch und zum Verkauf hatten, allerdings wurde zwischen den Rechten der Siedlungsgemeinschaft und der Riegel unterschieden, denn Letztere hatten das Recht, Merkantilholz im Wert von 25 Gulden zu verkaufen, ohne eine Bewilligung vonseiten der gesamten Siedlungsgemeinschaft (comunità) einzuholen. Dem Fürstbischof war aber ein Vorkaufsrecht gegenüber anderen Kaufleuten vorbehalten, Auswärtige durften keine Ansprüche auf die Wälder erheben.2 Die wirtschaftliche Entwicklung des Fleimstals spielte für die untersuchte Region eine Rolle, da das Fassatal die natürliche Fortsetzung dieses Tales bildete und eine Verbindung zu den Waldreserven unter den Hängen der Berge Rosengarten und Latemar darstellte. Dem Gericht Buchenstein, einer weiteren Nachbarregion des Fassatals, kam ebenso Bedeutung zu. Die Nutzung der Wälder dieses Gebietes hing einerseits eng mit der Erzförderung im Bergwerk von Fursil in Colle Santa Lucia zusammen, andererseits bestand die Möglichkeit, Merkantilholz auf dem Cordevole zum Piave zu triften und Venedig und das Umland damit zu versorgen, weshalb bereits im

2 Dagostin, Valle di Fiemme, S. 40–41.

Das Geschäft mit dem Holz

Laufe des 16. Jahrhunderts Holzkaufleute in dieser Gegend Geschäfte mit dem Brixner Bischof abwickelten. Um die Versorgung mit dem wertvollen Rohstoff zu sichern, sahen sich die Kaufleute bald nach Holz in den angrenzenden Regionen um, in Richtung Norden im Gericht Thurn an der Gader und im Westen auf dem Weg nach Brixen im Gebiet der untersuchten Region.3 So kam es im Laufe des 16. Jahrhunderts auch dort zunehmend zum Verkauf von Merkantilholz, obwohl die Transportvoraussetzungen nicht günstig waren. Grundsätzlich konnten sich beim Holzverkauf zwei verschiedene Situationen ergeben. Die einfachere war ein Verkauf von Merkantilholz durch die Obrigkeit aus einem Wald, für den die Bewohner keine Nutzungsrechte hatten. Etwas aufwendiger wurde die Angelegenheit, wenn die Bevölkerung verschriftlichte Nutzungsrechte belegen konnte. Dann musste der Verkauf von der Obrigkeit genehmigt werden, wobei Amtspersonen vor Ort die Vermittlung übernahmen. Giovanni Battista Piazza, der Holzfaktor des Brixner Bischofs, erhielt im Mai 1599 vom Brixner Hof die Erlaubnis, für die Untertanen in Buchenstein ein Geschäft mit dem venezianischen Holzkaufmann Nordio zu arrangieren.4 Die Abwicklung solcher Geschäfte verlief im Hochstift Brixen mehr oder weniger immer ähnlich: Amtspersonen meldeten dem Hof den Verkauf mit der Rechtfertigung, der Erlös komme der Siedlungsgemeinschaft zur Bewältigung von finanziellen Engpässen zu, sodass einer Genehmigung grundsätzlich nichts im Wege stand. Der Richter von Fassa, Simon Calligar, hatte sich 1620 für den Riegel Vigo zwecks Verkaufs des Waldes Fratta Scura, einem Teil des Waldes Costa Longa unter dem Latemar, an den Brixner Hof gewandt mit der Begründung, der Erlös sollte zur Überbrückung eines Getreideengpasses dienen. Der Riegel hatte sich bereits mit Nicolò Marchiori aus Moena auf den Verkauf von 1.500 Museln zum Preis von 8 bis 12 Kreuzer je nach Größe geeinigt. Calligar beteuert in seinem Schreiben an den Brixner Hof, dass dieser Wald den Bewohnern wirklich kaum von Nutzen sei und daher die Erlaubnis zum Verkauf gegeben werden solle.5 Eine ähnliche Situation findet sich für das Jahr 1623, als der Holzfaktor Giovanni Battista Piazza erfuhr, dass die Riegel Soraga und Vigo den Wald Col di Mezzo verkaufen wollten. Piazza riet dem Fürstbischof nach erfolgtem Lokalaugenschein und auf Anraten eines Experten zum Kauf. Die Bewohner würden den Wald ohnehin verkaufen, da er ihnen wegen der Entfernung nichts brachte und in 15 bis 20 Jahren ließe sich gutes Holz daraus verkaufen, vor allem weil sich die Transportkosten in Grenzen hielten. Der Wald Col di Mezzo lag günstig in der Nähe

3 Niedermair, Hauptmannschaft, S. 198. 4 DAB, HR, 46, S. 684. 5 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 13A, B, C, S. 34r–v; S. 23.

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Ökonomische Vernetzung

des San-Pellegrino-Passes, auf einer geringen Entfernung von Paluetto, von wo das Holz auf dem Biois getriftet werden konnte. Es kam zum Verkauf, der Riegel Vigo bekam für den Wald 600 Gulden.6 Die Vorgehensweise war immer dieselbe: Amtspersonen vor Ort beantragten die Erlaubnis für den Verkauf von Merkantilholz, der Brixner Hof willigte ein und es kam zum Vertrag. Eine Analyse der Preise zeigt, dass die Bewohner das Holz zu einem niedrigen Preis verkauften, nämlich für 12 bis 15 Kreuzer für eine Musel.7 Der Hof in Brixen verzeichnete im Jahr 1598 für Museln aus Buchenstein immerhin einen Gewinn von 30 Kreuzer für eine Musel. Für die Museln aus dem Nigerwald in Tiers zahlte Giovanni Maccarini laut der Vereinbarung aus dem Jahr 1620 sogar 48 Kreuzer, einige Jahre später, im Jahr 1628, sank der Preis aufgrund der schwierigen Bedingungen auf 24 Kreuzer. Im selben Jahr verkaufte der Brixner Hof an Giovanni Maccarini Museln aus dem Wald Costa Longa zum Preis von 36 Kreuzern.8 Der Preis hing von den Schlägerungs- und Transportbedingungen sowie der Qualität des Holzes ab, war aber grundsätzlich höher als der, den die Kaufleute den Untertanen zahlten. Die Untertanen waren das erste Glied einer langen Kette, für sie fiel am wenigsten ab. Dies zeigt sich an den Verhandlungen um die Nutzungsrechte des Nigerwaldes im Jahr 1603. Die Bewohner von Tiers hatten mit Pietro Zen einen Kaufpreis von 225 Gulden ausgehandelt, ein Herr aus Brixen hatte das Geschäft vermittelt und die Gerichtsherren hatten den Verkauf genehmigt.9 Die Tierser hatten Zen, wie sie selbst 1610 bei einer Versammlung erklärten, das Holz aus einer Notsituation heraus verkauft. Da sie mit den großen, überreifen Bäumen des Nigerwaldes wenig anfangen konnten und das Holz im Wald verfaulte, wurde es an einen Unternehmer verkauft, obwohl sie von den Geschäften mit den welschen Kaufleuten nicht viel hielten.10 Diese Erklärung war nach sieben turbulenten Jahren abgegeben worden, in denen die Untertanen immer wieder auf ihren Nutzungsrechten in den Tierser Wäldern beharrten. Das Abkommen mit Zen bezog sich auf ein Teilstück des Nigerwaldes, dessen Holz mit einer Laufzeit von 15 bis 18 Jahren verhackt und abtransportiert werden sollte. Dass die Untertanen aus Tiers ihr Holz billig verkauft hatten, wird von einem Schreiben bestätigt.

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SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 16 A–H, fol. 23r–24r; Gratl, Grenzgerichte, S. 216. SAB, 73, 13A–C, 24r–25r, 37r–38r. SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16B, fol. 47r; Lade 69, 5G, 4r–v; Corazzol, Piani, S. 229, 231. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 106, 181–192. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 106.

Das Geschäft mit dem Holz

... was nun anbelangt die verkauffung gibt Zen meinen erachten nach gegen einer solchen grossen weiten waldung ain geringes gelt ...11

Die Größe des Waldstückes und die Anzahl der Museln werden in diesem Vertrag zwar nicht angegeben, es handelt sich aber, wie aus einer Quelle hervorgeht, nur um ein Teilstück des Nigerwaldes.12 Die Bewohner des Riegels Vigo verkauften im Jahre 1604 Holzstämme für 13 Kreuzer. Auch in diesem Falle sollte das Geld der Überbrückung einer Notsituation dienen.13 Vermutlich wussten sie zwar, dass mit dem Verkauf Gewinn gemacht werden konnte, sie selbst aber nicht imstande waren, Abtransport und Vermarktung zu organisieren.14 Die genauen Gewinnmöglichkeiten kannten nur die Holzbarone,15 die einen Überblick über das gesamte Geschäft vom Schlägerungsort bis zum Absatzmarkt hatten. Ihre Bereitschaft, große organisatorische und finanzielle Aufwände in Kauf zu nehmen, lässt einen hohen Gewinn vermuten. Laut den Angaben Katia Occhis für 1617 betrug der Preis von 3,68 Vorratsfestmeter Brennholz zwischen 240 soldi (156 Kreuzer) und 330 soldi (216 Kreuzer). Das heißt, von der Übernahme auf dem Wasser bis zum Sägewerk in der Ebene stieg der Preis erheblich. Diese wenigen Beispiele reichen nicht aus, um genaue Angaben zur Preisentwicklung zu machen, sie zeigen aber, dass der Wert des Holzes mit der Entfernung vom Schlägerungsort deutlich anstieg. Für Venedig bringt Occhi für einen Bordonale (Länge mindestens 4 m, Größen an den Enden 21 x 24 cm und 21 x 27 cm), der 1601 in Venedig auf ein Schiff mit Destination Malta geladen wurde, einen Preis von 6 Dukaten bzw. 744 soldi (493 Kreuzer).16 Bei Lazzarini findet sich der Hinweis, dass der sich der Preis im Jahr 1632 für einen Bordonale aus Lärche auf 15 Dukaten belief (1.232 Kreuzer).17 Das Geschäft mit dem Holz scheint, trotz großem Aufwand, lukrativ gewesen zu sein.

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SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 175. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 176. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 105–107; Lade 73, 13, fol. 24r–26r, 33. Vgl. Lorenzini, Nel prezzo, S. 140. Als timberbarons (Holzbarone) werden Unternehmer bezeichnet, die Holzgeschäfte in großem Umfang in Indonesien, den USA, Kanada und anderen Ländern betreiben. Gigi Corazzol verwendet den Begriff grossi operatori, Radkau bezeichnet die Großhändler des Schwarzwalds als Holzkönige. Corazzol, Piani, S. 105; Radkau, Holz, S. 140–141. 16 Occhi, Boschi, S. 108–109. 17 Lazzarini, Palificate, Fußnote 34.

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Ökonomische Vernetzung

Abb. 40 Die Schiffswerft Venedigs, das Arsenal, um 1797.

5.2 Holzexport: Venedig braucht Holz Venedig hatte seit jeher Bedarf an Brenn- und Bauholz, seit der Ausweitung des Herrschaftsgebietes auf das Festland zu Beginn des 14. Jahrhunderts stieg der Bedarf an Holz noch weiter an und erreichte im 16. und 17. Jahrhundert, bedingt durch die wachsende Bedeutung des Schiffsbaus und anderer Produktionszweige wie der Glasproduktion, die Brennöfen für Schmieden und die Münzprägestätte noch viel größere Ausmaße.18 Zudem versorgte die Lagunenstadt andere Gebiete mit Holz, vom Hafen in Malamocco brachten Schiffe Holz nach Malta, Apulien, Neapel und Ägypten.19 Die Versorgung des Arsenals, Europas größtem Industriekomplex der damaligen Zeit, stand an oberster Stelle, entsprechend groß war der Bedarf an Holz.20 Engpässe in der Holzversorgung zeigten sich für Venedig bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als sich der Machtbereich der Stadt auf die Lagune beschränkte.

18 Occhi führt eine reiche Literatur zu diesem Thema an. Occhi, Boschi, S. 20; Occhi, Da Venezia, S. 173–174; Occhi, Commercial Networks, S. 110; Petiziol/Lorenzini, Latisana, S. 106. 19 Occhi, Corsa al legno, S. 253; Occhi, Commercial Networks, S. 114; Lazzarini, Boschi, S. 87–88. 20 Appuhn, Forest, S. 30.

Holzexport: Venedig braucht Holz

Die Unterwerfung des Festlandes ermöglichte es der Seerepublik, über eigene Wälder zu verfügen und sich so eine bessere Versorgung mit dem wertvollen Rohstoff zu sichern. Um einer drohenden Holznot vorzubeugen, beschränkte sich Venedig aber nicht darauf, Mandate zur Regelung des Holzmarktes zu erlassen, sondern nahm nach 1470 die Kontrolle über die Wälder selbst in die Hand, indem es diese unter Bann stellte.21 Die Mandate zur Kontrolle der Wälder der Lagunenstadt bezogen sich großteils auf die Eichenwälder in der Ebene, die dem Arsenal vorbehalten waren, und nicht so sehr auf das Bauholz, für das vorwiegend Fichten und Lärchen herangezogen wurden. Dafür waren einige wenige Wälder unter Bann gestellt worden, und zwar die Wälder Cansiglio in Alpago und Caiada in Belluno, einige kleinere Wälder in Kärnten, die unter venezianischer Herrschaft waren, sowie der Wald Vizza d’Auronzo im Cadore.22 Für die restlichen Waldgebiete gab es keine kontrollierte Nutzung, die Bewohner konnten das Holz daraus frei veräußern. Lazzarini geht davon aus, dass es in Venedig für das Bauholz nie einen Engpass gegeben habe, da viele Holzkaufleute aufgrund der großen Gewinnmöglichkeiten große Kosten und weite Wege auf sich nähmen, um die Lagunenstadt zu versorgen. Er zitiert den Architekten Vincenzo Scamozzi (1548–1616), der keine Probleme bei der Beschaffung einer großen Menge an Lärchenholz für Längsschotten hatte, die für den Bau des Flügels der Procuratie nuove auf dem Markusplatz am Ende des 16. Jahrhunderts benötigt wurden.23 An dieses Beispiel reihen sich weitere Beispiele von Bauwerken, für deren Errichtung eine beträchtliche Menge an Bauholz notwendig war. Dazu zählt die Rialtobrücke, die nach einem Brand 1588 restauriert bzw. neu errichtet wurde. Allein für die Längsschotten wurden ca. 5.000 10–12 Meter lange Lärchenstämme benötigt, für das Fundament 12.000 Pfähle (4 m Länge) aus Erle. Eine beträchtliche Holzmenge wurde mit Sicherheit auch bei der Wiederherstellung des 1577 von einem Brand zerstörten Teils des Dogenpalastes benötigt.24 Für den im Jahr 1630 begonnenen Bau der Chiesa della Salute, deren Fundament doppelt so groß ist wie das der Rialtobrücke, geht Lazzarini von ungefähr 15.000 Pfählen für die Längsschotten aus. Während für den Bau der Rialtobrücke Zahlen und Lieferantenlisten vorliegen, können für die Chiesa della Salute, einer Pestkirche, nur über einen Vergleich und aufgrund technischer Berechnungen Schlüsse gezogen werden.25 Nicht nur für die Fundamente der Paläste wurde eine enorme Menge Holz gebraucht, sondern auch für die Gebäude selbst. Eine wertvolle Quelle dazu sind die

21 Appuhn, Forest, S. 26–44. 22 Lazzarini, Boschi, legnami (2021), S. 49–53. 23 Lazzarini, Boschi , S. 93; Occhi, Commercial Networks, S. 111; Lazzarini, Boschi, legnami (2021), S. 76. 24 Venedig, Dogenpalast, S. 20. 25 Lazzarini, Legno e pietra, S. 11, 20–21; Lazzarini, Palificate, S. 11–13, 26, 39.

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Abb. 41 Querschnitt eines Bordonale.

Tagebucheintragungen des Dogen Leonardo Donà dalle Rose. Er führte genauestens Buch über das verwendete Material und die Ausgaben seines zwischen 1610 und 1612 errichteten Palastes Donà dalle Rose. Sebregondi hat sich mit dieser Quelle genauestens befasst und zeigt über ihre Studie auf, dass für die Decken und das Dach dieses Gebäudes eine große Menge Holz, vor allem Fichtenholz, benötigt wurde. Holz eignete sich für die Gebäude der Lagunenstadt besonders gut, weil es nachgibt und im Gegensatz zur Bauweise in Stein leichter ist, wichtige Eigenschaften für Bauten auf dem Wasser.26 Fichten und Lärchenholz wurde aber auch für den Bau der Galeeren benötigt. Lazzarini bringt in seinem Buch eine Auflistung der benötigten Holzsorten und unter anderem die bereits erwähnten Bordonali, viereckig behauene Lärchenstämme, für den Schiffsbau mit einer Länge von 14 Metern und einer Dicke von 35 und 26 Zentimetern. Als Chiave wurden die etwas kürzeren, vierkantigen Stämme mit einer Länge von 10 Metern und einer Dicke von 10 bis 12 Zentimetern bezeichnet Laut den Berechnungen Lazzarinis kam es im Laufe des 16. Jahrhunderts zum Bau von 312 Galeeren, für eine Galea grossa (große Galeere) wurden 35 Lärchen und 40 Fichten benötigt, für die Galea sottile (kleinere Galeere) 20 Lärchen und 30 Fichten. Dieses Holz war für die Verkleidung der Innenseite des Rumpfes, für die Herstellung des Schiffsgerüstes und für die Schiffsmasten, auch Antennen genannt, mit einer Länge von 25 bis 30 Metern bestimmt.27 Der Holzbedarf des Arsenals war bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beträchtlich und stieg dann noch weiter an, als es zum Bau der Galeassen,

26 Sebregondi, Doge sui ponteggi, S. 64, 76. 27 Lazzarini analysiert die Berechnungen von Agnoletti, kommt aber zum Schluss, dass es sinnvoller sei, den Bedarf nicht in Vorratsfestmeter, sondern in Bäumen anzugeben. Lazzarini, Boschi, legnami (2021), S. 20, 41–49.

Holzexport: Venedig braucht Holz

großen Kriegsschiffen, einer Kombination von Segel- und Ruderschiffen kam. Das Besondere daran war, dass sie auf allen Seiten mit Kanonen ausgestattet waren. Das erste Mal kamen sie in der Schlacht von Lepanto 1571 zum Einsatz.28 Für den Bau eines solchen Kriegsschiffes wurden bis zu 100 Lärchen und 80 Fichten benötigt.29 Für Mauro Bondioli mussten die Venezianer gegen Ende des 16. Jahrhunderts ihre Flotte erneuern, wofür riesige Holzmengen notwendig waren.30 Mit dessen Hilfe konnte ich auf Quellen des Staatsarchivs von Venedig zugreifen, die Verhandlungen der Amtspersonen des Arsenals mit dem Holzkaufmann Tranquillo Piccardi ab dem Jahr 1596 belegen. Piccardi stammte aus Bergamo, hatte sich aber in Rovereto niedergelassen, von wo er seine Holzgeschäfte tätigte. Der Ort eignete sich wegen der günstigen Verbindung zu wichtigen Waldgebieten Tirols, deren Holz über die Etsch weiter in den Süden transportiert werden konnte.31 Diese Dokumente enthalten leider keine genauen Angaben zu den Schlägerungsorten, es wird nur festgehalten, dass das Holz aus der Grafschaft Tirol kam. Eintragungen in den Kammerkopialbüchern belegen, dass Piccardi bereits 1592 von der Tiroler Kammer Schlägerungskonzession für zuerst 30 und zu einem weiteren Zeitpunkt für weitere 60 bis 70 Segelmasten gekauft hatte, die in Gummer, dem Nachbardorf von Welschnofen, gehackt werden sollten und für Venedig bestimmt waren.32 Piccardi klagte immer wieder über die hohen Kosten, die im Holzgeschäft anfallen würden, worauf ihm Zollnachlässe gewährt wurden. Piccardis Klagen waren zum Teil gerechtfertigt, da diese Stämme von bis zu 17 Meter Länge über den Landweg von Ochsen zur Verflößung auf der Etsch nach Branzoll gebracht werden mussten. Der Kaufmann wusste aber auch, dass sich mit diesem Holz Geld machen ließ und dass die Obrigkeit Zollnachlässe schlussendlich gewährte, weil sie ebenfalls an diesen Geschäften interessiert war. Offiziell wurde aber immer wieder betont, dass es sich um einmalige Zugeständnisse handelte. Einmalig waren sie bei Weitem nicht, immer wieder wurden Ausnahmen gemacht. Piccardi hatte zehn Segelmasten mehr gefällt, dafür wurde ihm zwar eine Strafe auferlegt, wenige Zeit später erhielt er trotzdem die Erlaubnis, eine große Zahl an

28 Munerotto, Navi, S. VIII. 29 Lazzarini, Boschi, legnami (2021) S. 55. 30 Bondioli beschäftigt sich intensiv mit dem Schiffsbau im Venedig des Mittelalters und der Renaissance und verwendet dafür schriftliche Zeugnisse, die die verschiedenen Schiffstypen genau beschreiben. Bondioli, Art of Designing, S. 222–223. 31 Folgende Quellenhinweise verdanke ich Mauro Bondioli: ASVe, PPA, filze 539.(12. und 28 Juli 1599, 2. September 1602, 22. Oktober 1603, 30. August 1604, 17. Juni 1611, 15. September 1612, 26. September 1613, 2. Mai 1614, 2. September 1615, 24. Oktober 1615, 24. Februar, 24. Mai und 6. September 1617, 7. und 10. September 1618, 23. August 1622). 32 TLAI, OÖKKB, GM 1592, fol. 286r–v.

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Abb. 42 Transport eines 12 Meter langen Lärchenstammes durch das Eggental mit einem Pferdegespann.

Bäumen für Segelmasten zu hacken, allerdings mit Abtransport über den Avisio im Fleimstal.33 In einem Schreiben der Tiroler Kammer an den Gerichtsherrn von Karneid, Bartlme von Liechtenstein, finden sich Klagen über die Zugeständnisse, die Piccardi immer wieder gemacht werden mussten, trotzdem sollten die Geschäftsbeziehungen mit ihm weitergeführt werden. Im Jahr 1596 kam es erneut zu Verhandlungen der Tiroler Kammer mit Piccardi, der aus der Gegend von Nals Bäume für Segelmasten (Antennen) mit einer Länge von bis zu 17 Metern über die Etsch nach Venedig transportieren ließ. Piccardi wollte weitere Verträge mit der Tiroler Kammer für Holz aus der Gegend von Welschnofen abschließen. Dort war es zu Windwürfen gekommen, viel Holz musste aufgearbeitet und schnellstens verkauft werden, damit es nicht faulte. Piccardi wurde eine Schlägerungskonzession von 1.500 bis 2.000 Stück Holz für ein Jahr zugesagt, allerdings sollten weitere Verträge mit anderen Kaufleuten geschlossen werden, damit die Aufarbeitung schnell abgewickelt werden konnte, um dem Jungwuchs Platz zu machen. Die Kammer war bereit, Piccardi ein Viertel

33 TLAI, OÖKKB, GM, 1592, fol. 286r–287r.

Holzexport: Venedig braucht Holz

des Zolls für liegendes Holz nachzulassen. Ebenso bereit war man, für Holz, das nach Kardaun zur Reifstätte und von dort auf den Eisack gebracht und mühsam weiter zur Etsch transportiert werden musste, einen Nachlass zu gewähren, nicht hingegen für Holz, das direkt zur Etsch gebracht wurde. Die vorgesehenen Mengen bezogen sich aber nur auf liegendes Holz, hohe Strafen sollten Kaufleute treffen, die stehende Bäume schlagen ließen.34 Und genau dazu kam es. Ein Vermerk im Kammerkopialbuch für das Jahr 1596 informiert über Probleme, die sich mit Piccardi ergeben hatten, und dass die Geschäftsbeziehungen mit ihm notfalls abgebrochen werden sollten.35 Bereits im November 1596 war bekannt, dass Piccardi die Windwürfe in Welschnofen und Deutschnofen vernachlässigte und frische Stämme auf die Reifstatt in Branzoll gebracht hatte. Die Geschäftsbeziehungen mit Piccardi wurden deshalb aber nicht abgebrochen, für die untersuchte Region finden sich aber keine weiteren Verträge, was mit den schwierigen Transportbedingungen zusammenhängen dürfte. Venedig benötigte Holz aber nicht nur für den Schiffsbau, für die Erweiterung der Schiffswerft brauchte es ebenfalls beträchtliche Mengen an Bauholz. Zwischen 1535 und1570 kam es im nordwestlichen Bereich des Arsenals zur Errichtung von sechs neuen Squeri, mit Fachwerk überdachte Werkstätten, wo die letzte Phase des Konstruktionsprozesses einer Galeere stattfand. Sie waren viel breiter als die Squeri auf festem Boden, was das Arbeiten um einiges erleichterte.36 Venedig ist die einzige Stadt, deren Werft notgedrungen mit Holz überdacht werden musste, da Steindecken, wie sie in anderen Häfen des Mittelmeers (z. B. Amalfi, Alanya, Barcellona, Pisa) üblich waren, zu schwer gewesen wären.37 Die Studien Lazzarinis belegen nicht nur den steigenden Holzbedarf der Lagunenstadt, sondern führen unter den Holzlieferanten die Familien Someda und Maccarini an, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts immer wieder bei der Tiroler Kammer und dem Brixner Hof um Schlägerungskonzessionen für die Wälder der untersuchten Region baten.38 Die Holzkaufleute wussten um die Gewinne, die sich im Holzgeschäft machen ließen, und scheuten auch vor großen organisatorischen und logistischen Herausforderungen nicht zurück. Lazzarini geht davon aus, dass sich die freie Vermarktung der meisten Wälder negativ auf die Waldregionen auswirkte. Den Holzkaufleuten wurden so gut wie keine Einschränkungen auferlegt, dementsprechend hinterließen sie die Wälder oft

34 35 36 37 38

TLAI, OÖKKB, GM, 1596, fol. 465–466r, 481r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1596, fol. 1226v. Menichelli, La trasformazione, S. 153. Menichelli, La trasformazione, S. 141, 151. Lazzarini, Palificate, Fußnote 49; Lazzarini, Legno e pietra, S. 111; Sebregondi, Doge sui ponteggi, S. 26.

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Abb. 43 Für die Überdachung aus Holz wurden Bordonali benötigt.

in einem sehr schlechten Zustand und nahmen keine Rücksicht auf die Bewohner vor Ort.39 Immer entferntere Gebiete wurden ins Auge gefasst und unter anderem auch die Region um Rosengarten und Latemar, wo sich der Holzsektor im Laufe des 16. Jahrhunderts zum wichtigsten Wirtschaftszweig entwickelt hatte.

5.3 Stockrecht und Zölle Die Tiroler Kammer wusste um den Holzbedarf der Lagunenstadt. Holz war die vornehmste Ware, weil die Nachfrage groß war und dadurch auf mehreren Wegen hohe Einnahmen erzielt werden konnten. Durch den Verkauf verdienten die Tiroler Landesherren und die Fürstbischöfe von Trient und Brixen über das Stockrecht

39 Lazzarini, Boschi, S. 93.

Stockrecht und Zölle

Abb. 44 Squero acquatico.

und den Zoll, der fällig war, wenn Holz außer Landes geführt wurde.40 Für das Jahr 1546 findet sich folgender Eintrag im Kammerkopialbuch: … Die fürnembist waar so durch die Venediger dieser zeit am maisten und sondere personen aus der gmain getrieben wirdet, ist die holzhandlung E(uer) M(ayes)t(ät) landen, welhe sy zu schiffen galleen, rueder, schiffpam item zum geweu der heuser, pretter, prennholz, lanngesspies, schurz, alabarden, koll, reiff zum vassern und zu anderer mer sachen prauchen. Sy in ir gebiet auf die fluß laden: Brenta, Piave, Isonz und den Tallemento bringen und fiern lassen. Und ist inen an der hanndtierung sovil gelegen, dar ir an etlichen pamen über allen uncosten, der bis geen Venedig darauf geet, bis in 40 von hundert, andere 50 und etliche gar

40 Um die Mitte des 19. Jahrhunderts galt die Ansicht, dass das Stockgeld unter Ferdinand II. im Jahr 1545 mit 5 Prozent des Nettopreises oder 5 Prozent vom Gulden festgelegt worden war. Oberrauch, Tirols Wald, S. 158–59.

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60 gewinnen und auf diese waar mochten E(uer) M(ayes)t(ät) derselben gefallen nach, wie hernach volgt oder anderst ain auschlag auch aufsezen ...41

Für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich in der untersuchten Region ein sporadischer Verkauf von Merkantilholz durch die Bewohner belegen, wobei ihnen die Veräußerung dieses Rohstoffes eigentlich untersagt war. Mit der Begründung, ein Holzverkauf sei für die Bewältigung eines finanziellen Engpasses notwendig, wurden immer wieder Ausnahmen gemacht und von den Amtspersonen vor Ort Genehmigungen erteilt, und zwar unter der Bedingung, dass Stockgeld und Zoll bezahlt werden mussten. Eine erste Angabe dazu findet sich für das Jahr 1512, als der Brixner Hof von den Bewohnern des Riegels Soraga im Fassatal ein Stockgeld von drei Vierern pro Stamm verlangte.42 In der Waldbereitung von 1558 ist für Holz aus dem Latemarwald von einem Stockrecht von einem Kreuzer bzw. 5 Vierern die Rede. Für das Jahr 1583 waren es laut Waldbereitung acht Kreuzer für eine Musel, ebenso wurde im Jahr 1597 von den Welschnofnern ein Stockrecht von 8 Kreuzern (40 Vierer) für Stämme aus den Heimwäldern verlangt. Die Untertanen hatten sich auf dem Landtag über das viel zu hohe Stockrecht von 24 Kreuzern für einen Stamm beschwert, sodass es zu einer Senkung kam. Für die Jahre 1579 und 1588 finden sich Angaben von 20, 22 und 30 Kreuzer (100–150 Vierer) für eine Musel. Diese Beträge bezogen sich auf unrechtmäßig gehacktes oder hoch qualitatives Holz (Boroni). Für die Aufarbeitung von Windwürfen sollte ein Stockrecht von 8 Kreuzern die Musel bezahlt werden.43 Diese wenigen Angaben deuten darauf hin, dass der stetige Anstieg des Stockrechts mit einer gestiegenen Nachfrage, aber auch mit der Holzqualität zusammenhing, zum Vorteil der Obrigkeit, die sich so erhöhte Einnahmen sicherte.44 Nicht weniger lukrativ waren für Letztere die Einnahmen aus den Zöllen. Interessant ist in dieser Hinsicht ein Bericht an den Kaiser aus dem Jahr 1546 über die gerechtfertigte Einführung neuer Zölle. Venedig verlange äußerst hohe Zölle auf die Ein- und Ausfuhr von Waren, ein Konflikt mit der Lagunenstadt musste aber vermieden werden, weshalb man sich diese Gelder über die Einführung von Zöllen auf Waren, die aus der Grafschaft Tirol in die Seerepublik gebracht wurden, zurückholen wollte.

41 TLAI, OÖKKB GvH 1546, fol. 145v. 42 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 29 E, S. 2–3; Gratl, Grenzgerichte, S. 216. 43 TLAI, HS. 3907und Anhang; OÖKKB, GM, 1578, fol. 1934v; GM, 1579, fol. 1190v–1191r; GM, 1588, fol. 954v–955r; GM, 954v–955r. 1597, fol. 334–35; 559. 44 Vgl. Eicher Clere, Comunità sregolata, S. 51.

Stockrecht und Zölle

... Das E(uer) M(ays)t(ät)gleicher massen ain aufslag oder daz auf die waaren so durch berurter herrschaft underthanen aus E(uer) M(ayes)t(ät) gebiet und herrschafften ausgefuert wurden, aufsezen ...45

Diese Zölle würden der Kammer im Laufe der Zeit immer höhere Einnahmen bringen, vor allem, weil Venedig immer mehr auf die Einfuhr von Holz aus der Grafschaft Tirol angewiesen wäre. ... aus ursach das solher daz in ewig zeit beleiben und sich von tag zu tag mern wirdet, angesehen das die Venediger nach verscheinung der ersten dreyer oder vier jarn E(eur) M(ayes)t(at) holz und walder aus gedrungener nott nit wol geraten. Dan sy aus iren walden nach verscheinung angezaigter jar und zeit khain pam haben werden, daraus sy ain pret ain span prait schneiden werden mügen ...46

Wenn die Venezianer anfangs auf die Zölle mit einer sinkenden Nachfrage reagierten, so wären sie früher oder später doch gezwungen, Holz aus Tirol zu beziehen und diese Abgaben zu bezahlen, weshalb die Gelegenheit, sich für die Zukunft auf diesem Weg hohe Einnahmen zu sichern, nicht versäumt werden sollte. Eine beträchtliche Menge von 300.000 Karren Holz würde jährlich in die Republik geführt und diese brächte Zolleinnahmen von 100.000 Real (15.000 Gulden).47 Die Kaufleute würden diesen Zoll bezahlen, da sie über den Holzhandel sehr viel verdienten. Dabei sollten schwierige Transportbedingungen bei der Einhebung des Zolls berücksichtigt werden. Für Holz, das über große Entfernungen in die Lagunenstadt gelangte, sollte ein geringerer Zoll anfallen, dafür müssten Waren mit kurzen Transportwegen höher besteuert werden.48 In einem Verzeichnis der Zolleinnahmen wurden 1560 auch die Holzzollstationen angeführt. An folgenden Ortschaften, die an der Grenze lagen, wurde der Holzzoll eingehoben: Sacco bei Rovereto, Grigno, Primör, Fleims, Lavis, Neumarkt, Leifers, Toblach im Pustertal und in Nordtirol in Pinswang am Lech bei Reutte.49 Bereits 1538/39 hatte Kaiser Ferdinand I. sein Interesse für die Zölle angekündigt, sie waren aber im Verhältnis noch sehr niedrig. Zuvor oblag es den Gerichtsver-

45 TLAI, OÖKKB 1546, GvH, fol. 145r. 46 TLAI, OÖKKB 1546, GvH fol. 146r–v. 47 In der Quelle findet sich der Hinweis, dass ein Grossus (Groschen) einem Drittel-Real entsprach bzw. 3 Kreuzern. Die 300.000 Real würden somit 15.000 Gulden (1 Gulden = 60 Kreuzer) entsprechen. TLAI, OÖKKB, 1546, GvH fol. 147v. 48 TLAI, OÖKKB 1546, GvH fol. 147r. 49 Stolz, Zollwesen, S. 73–74; Occhi, Boschi, S. 32.

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waltern, Zölle einzunehmen. Wenige Jahre später, 1547, wurde gesetzlich festgelegt, dass die Holzzölle der Tiroler Kammer zustanden.50 Die Holzkaufleute waren über die Einführung der Zölle bei Grenzüberschreitungen und Abgaben auf dem Wasserweg nicht erfreut und nahmen deshalb Umwege in Kauf. Um dem entgegenzuwirken, erließ der Fürstbischof von Trient, Georg Hack, im Jahr 1458 ein Verbot des Transportes nach Neumarkt auf dem Landweg für das Holz aus dem Fleimstal. Mit Ausnahme des Gebietes von Truden mussten alle Holzlieferungen für zehn Jahre auf dem Fluss Avisio erfolgen. Gerechtfertigt wurde diese Maßnahme mit der Erklärung, dass die Bewohner zu viel Zeit mit dem Transport der Stämme verbrachten und daher ihre Äcker brach ließen, ein Umstand, der zur Verarmung führe.51 Zwar liegt die Vermutung nahe, der Fürstbischof wollte sich die Einnahmen aus dem Transport auf Wasser sichern, allerdings wurde die Abgabe erst ab 1529 eingehoben, weshalb der Erlass auch auf einen besser organisierten Transport zurückgeführt werden kann. Der Zoll für das auf dem Avisio zur Etsch transportierte Holz wurde in Lavis, der Grenze zwischen Fürstbistum Trient und Grafschaft Tirol, erhoben.52 Eine weitere Möglichkeit, Holz in die Seerepublik Venedig zu bringen, war der Weg über den San-Pellegrino-Pass mit anschließendem Transport auf dem Flusssystem BioisCordevole-Piave. Während auf der Etsch an drei Zollstationen, nämlich LeifersBranzoll, Neumarkt und Sacco (Lavis) eine Abgabe anfiel, zahlten die Kaufleute auf dieser Route nur den Zoll in Fleims. Dieser war fällig, da die Kaufleute nur für eine ganz kurze Strecke, nämlich für eine halbe Maile Tiroler Boden berührten.53 Wann die Tiroler Landesherren die Zollstätte im Fleimstal errichten ließen, geht aus den Quellen nicht klar hervor, Belege liegen ab dem Jahr 1552 vor. Die Zollbeamten stellten Schlägerungslizenzen aus und hoben Zölle auf Waren ein, die über die Grenze in die Seerepublik Venedig oder die Fürstbistümer Brixen und Trient gebracht wurden. Die Einnahmen aus den Holzzöllen waren laut den Angaben Occhis beträchtlich und stiegen im Laufe der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ein Umstand, der die zunehmende Bedeutung des Holzhandels für die Obrigkeit bestätigt. Allein an der Zollstelle Fleims konnten für Holz, das über den

50 Oberrauch, Tirols Wald, S. 157–158. 51 Diese Auslegung stammt von Italo Giordano, der mir auch eine Transkription und Übersetzung des Dokuments zur Verfügung stellte. Als Quelle gibt er an: Archivio della Magnifica Comunità di Fiemme, capsa A, n. 10. 52 Stolz, Zollwesen, S. 117. 53 SAB, HSBx, BAB, Lae 128, 7D, S. 169. Der Weg auf den San-Pellegrino-Pass, der zum Gericht Castello (Grafschaft Tirol) gehörte, dürfte ungefähr 8 km lang gewesen sein. Curzel, Le circoscrizioni, Kartenbeilage Landgerichtskarte BL. 29, Trient. In der Waldbereitung von 1558 findet sich ein weiterer Hinweis für eine halbe Meile. Dieser Abschnitt entspricht in Wirklichkeit auch einer Entfernung von 8 km.

Stockrecht und Zölle

Abb. 45 Die Linie 1 cm links vom San-Pellegrino-Pass zeigt die Grenze zwischen dem Fürstbistum Trient und der Grafschaft Tirol. Dort berührten die Händler auf einer Strecke von einer halben Meile tirolischen Boden, weshalb ein Zoll fällig war.

San-Pellegrino-Pass in die Seerepublik oder den Avisio an die Etsch transportiert wurde, folgende Einnahmen verzeichnet werden:54

54 Occhi geht sehr detailliert auf dieses Thema ein und führt mehrere Quellen an. Occhi, Boschi, S. 32–36.

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Tab. 10 Einnahmen aus dem Zoll am Avisio 1553 644 Gulden

1555 484 Gulden

156555 3.686 Gulden

1583 855 Gulden

Der Fürstbischof von Trient hatte im Fleimstal ebenfalls eine Zollstation errichtet, weil der Weg über den San-Pellegrino-Pass für den Holztransport immer öfter genutzt wurde, um den Zoll in Lavis zu umgehen. Allerdings durften nur Stämme aus den östlichen Teilen der Ortschaften Predazzo und Moena über diesen Weg transportiert werden. Die Transportkosten waren eindeutig geringer, denn die Händler zahlten für Boroni 16 Kreuzer, für Museln 8 Kreuzer und 4 Kreuzer für Refusi. Auf dem Avisio hingegen wurden für Boroni 36 Kreuzer, für Museln 18 und für Refusi 9 Kreuzer verlangt.56 Trotz rigoroser Kontrollen waren Schmuggel und Frevel ein weit verbreitetes Phänomen.57 Die Holzkaufleute versuchten immer wieder Routen zu finden, auf denen ein geringerer Zoll anfiel. Sie handelten sich andere Maße ein oder baten um eine Senkung des Zolls.58 Einen Spielraum zur Manipulation boten die verschiedenen Maße. Im Frühjahr 1580 wurde an der Zollstation in Fleims ein Schwindel aufgedeckt: Große Stämme (Boroni mit über 48 cm Durchmesser) waren von den Lieferanten als Refusi (30–48 cm) markiert worden, um weniger Zoll zu zahlen. Im Juli 1600 wurden Waldmeister und Zöllner ebenfalls aufgefordert, die Maße der Stämme genau zu kontrollieren.59 Auch zu falschen Angaben in den Listen, die den Zöllnern ausgehändigt werden mussten, konnte es kommen. Die Kammer beauftragte die Beamten daher, den Transport der Stämme auf dem Wasser genau zu kontrollieren.60 Christoph Baldessar aus Fleims hatte 1614 dem Hauptmann von Fassa das Stockgeld bezahlt, verweigerte aber dem Zöllner in Fleims den Zoll mit der Begründung, er habe weder trientnerischen noch tirolischen Boden berührt. Daraufhin wurden ihm seine Weingüter in Aichholz gepfändet und er selbst wurde verhaftet.61

55 Im Jahr 1565 waren die Einnahmen aufgrund eines Holzaufschlags (zusätzliche Zollerhöhung) beträchtlich höher. Occhi, Boschi, S. 32. 56 Die Berechnung für den Vergleich der Abgaben stammt von Italo Giordani; Giordani, https://www. storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-02.html; Dagostin, Valle di Fiemme, S. 46–47; Occhi, Boschi, S. 35. 57 Vgl. Occhi, Boschi, S. 44, 160. 58 Steinhauser, Gerichte, S. 108; Gratl, Grenzgerichte, S. 216; vgl. Occhi, Boschi, S 103–104. 59 TLAI, ÖOKKB, GM, 1581, fol. 986v–987r; GM 1600, fol. 914v–915r. 60 TLAI, OÖKKB, GM, 1580, fol. 1241r–v, GM 1595, fol. 561v–563r. 61 Gratl, Grenzgerichte, S. 216.

Lokale Holzhändler: Marco Antonio Cazzano, Pietro Zen

Hinter der Forderung des Unternehmers Giovanni Someda aus dem Jahr 1591, das Holz aus Buchenstein nach Primörer Maß und nicht nach dem des Fassa- und Fleimstals zu messen, stand vermutlich die Absicht, weniger Zoll zu zahlen, weil für die Zollbeamten diese Maße nicht gängig waren und sie daher leicht hintergangen werden konnten.62 Someda verlangte von der Kammer zudem eine Zollreduzierung.63 Er wusste, dass die Kammer in Innsbruck auf finanzkräftige Unternehmer wie ihn angewiesen war, weshalb er nicht davor zurückschreckte, immer neue Forderungen zu stellen. Und die Kammer ging auf diese Forderungen ein. Die Einnahmen aus dem Holzgeschäft waren von großer wirtschaftlicher Bedeutung, die Kammer schrieb bereits 1580 an die Zollbeamten in Fleims, man müsse Someda bei guter Lust und Willen erhalten, die Einnahmen aus dem Holzgeschäft seien zu wichtig. Man solle ihm entgegenkommen, wo es möglich sei.64 Im Jahr 1591 hatte man dem Holzkaufmann Piccardi aus Rovereto 30 Segelstämme genehmigt, abtransportiert hat er 40, wurde aber dabei erwischt und sollte einen entsprechend hohen Zoll zahlen. Auch bei ihm ließ man Milde walten und für weitere Holzmengen wurde ihm ein Zollnachlass gewährt.65 Mit dem Holzverkauf ließ sich Geld machen und trotz Hinterziehung erzielte die Obrigkeit beträchtliche Einnahmen. Das belegt eine Liste, die vom Zöllner in Fleims, Giorgio Ropele, im Winter 1625/26 erstellt wurde. Die 1.594 Stämme, die über die Pässe San Pellegrino und Valles transportiert worden waren, brachten der Tiroler Kammer Einnahmen von 1.470 Gulden, hinzu kamen die noch viel höheren Einnahmen aus dem Transport auf dem Fluss Avisio, für die eine Summe von 7.000 Gulden genannt wird.66

5.4 Lokale Holzhändler: Marco Antonio Cazzano, Pietro Zen Marco Antonio Cazzano

Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde der Verkauf von Merkantilholz zu einem immer wichtigeren Wirtschaftszweig der Region, für den sich anfangs vorwiegend lokale Händler interessierten. Sie organisierten Schlägerung, Abtransport und Weitervermarktung an finanzkräftige Kaufleute. Marco Antonio Cazzano war ein

62 TLAI, OÖKKB, GM, 1591, fol. 231v–232v. Der Durchmesser der Musel nach Primörer Maß betrug 35–44 cm und nicht 34–43 cm. Infolgedessen veringerte sich der Zoll, da Boroni mit einem Durchmesser von 44 cm noch als Bore (Museln) verzollt wurden. Zu den Maßen, Rottleuthner, Gewichte, S. 105–106. 63 TLAI, OÖKKB, GM, 1588, fol. 112v; GM, 1590, fol. 25r–26r; fol. 261r–v. 64 TLAI, OÖKKB, GM, 1590, fol. 25v, fol. 122r und fol. 258r. 65 TLAI, OÖKKB, GM, 1592, fol. 286r–287r; fol. 1502r–1503v, fol. 1728r–1729r. 66 Giordani, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-06.html.

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lokaler Händler, mit dem die Innsbrucker Kammer in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts intensive Geschäftsbeziehungen pflegte. Er entstammte einer Familie, die ihre Wurzeln in Bergamo hatte, im Laufe des 15. Jahrhunderts ins Fleimstal zog und deren Mitglieder dort als Händler und Notare tätig waren. Die Familie zeichnete sich durch ihre Mehrsprachigkeit aus, was in einer Grenzregion, wo mehrere Sprachgruppen aufeinandertrafen, von Vorteil war. Vor allem für die Verhandlungen, die die Tiroler Kammer mit den Holzkaufleuten aus dem norditalienischen Raum führte, waren Übersetzer und Vermittler von Bedeutung. Neben dem Holzhandel war Marco Antonio Cazzano, wie viele andere Kaufleute, politisch tätig, er war Verwalter der Hauptmannschaft Fleims.67 Die oberösterreichischen Kammerkopialbüchern bestätigen Cazzanos Interesse und Beteiligung am Holzgeschäft: 1577 hatte er ein Grundstück auf der rechten Seite des Avisio für den Bau einer Säge gekauft. Wie andere Holzhändler war auch die Familie Cazzanos bei der Bevölkerung nicht beliebt. Die Erben Cazzanos wurden bei einem Holztransport von Bewohnern aus Truden mit Waffen bedroht.68 Die Tiroler Kammer hatte bereits 1578 ein Abkommen mit Cazzano geschlossen, bei dem es um den Verkauf von Holz aus dem Latemarwald im Gebiet von Welschnofen ging, das auf dem Avisio nach Lavis gebracht werden sollte.69 Es waren ihm jährlich 1.000 Boroni für zwei Jahre zugesagt worden und für jeden Borone war ein Stockgeld von 24 bis 26 Kreuzer fällig. Es wurde ihm versichert, dass die Bewohner keine Probleme gemacht hätten, da es sich um einen Hochund Schwarzwald handelte.70 Den Holztransport sollte er den Welschnofnern und Steineggnern überlassen.71 Cazzano bestand auf einer alleinigen Nutzung und verbot den Welschnofnern, Daufen und Museln zu machen.72 Die Kammer wollte ihm im Jahr 1579 noch weitere 6.000 Museln aus dem Latemarwald mit Abtransport über den San-Pellegrino-Pass gewähren.73 Doch um 1583 änderte sie ihre Einstellung gegenüber dieser Form des Verkaufs über Unterhändler wie Cazzano, die an finanzkräftige Kaufleute weitervermittelten. Im August desselben Jahres beschuldigte die Tiroler Kammer Cazzano, illegale Schlägerungen durchgeführt zu haben. Die Amtsleute wurden beauftragt, sofort einzuschreiten mit der Begründung, es wäre ihm nur die Aufarbeitung von Windwürfen erlaubt worden, er hätte aber Boroni schlagen lassen, die er zum Teil über den Avisio, zum Teil aber

67 TLAI, OÖKKB, GM, 1583, fol. 634v. 68 Dagostin, Valle di Fiemme, S. 53; vgl. Occhi, Boschi, S. 120. Giordani, https://www.storiadifiemme.it/ documento-del-mese-2016-04.html. 69 TLAI, OÖKKB, GM, 1577, fol. 2365v. 70 TLAI, OÖKKB, GM, 1578, fol. 368r–369v. 71 TLAI, OÖKKB, GM, 1578 fol. 508r. 72 TLAI, OÖKKB, GM, 1579, fol. 1190v–1191. 73 TLAI, OÖKKB, GM, 1579, fol. 538v–539r.

Lokale Holzhändler: Marco Antonio Cazzano, Pietro Zen

auch über den San-Pellegrino-Pass abtransportiert hatte. Auf seinen Antrag, ihm noch weitere Nutzungsrechte für den Latemarwald zu gewähren, sollten ihm die Zollbeamten erklären, dass es erst nach dem Abtransport und der Verzollung des bereits gehackten Holzes an den Hängen des Latemar zu neuen Verhandlungen kommen könnte.74 In Wirklichkeit war alles Taktik, um weitere Verhandlungen hinauszuzögern. Die Tiroler Kammer war nicht mehr an einer Zusammenarbeit mit Cazzano interessiert. In einem Schreiben an die Zöllner und Gegenschreiber in Fleims betont die Kammer ausdrücklich, dass dem Cazzano kein neuer Holzschlag gewährt werden würde.75 Es scheint, als habe es einen Vorwand gebraucht, um die Geschäftsbeziehungen mit Cazzano abzubrechen. Überhaupt sollte Cazzano dazu gebracht werden, aus dem Vertrag auszusteigen und das Lehen zurückzugeben. Wenn es nötig war, sollte er sogar eine Abfindung bekommen.76 Es scheint, als hätte die Tiroler Kammer die Geschäftsbeziehung für Holz aus der untersuchten Region mit Cazzano wirklich abgebrochen, es finden sich keine weiteren Verträge. Neue Vertragspartner wurden gefunden, dazu zählte auch Pietro Zen. Pietro Zen

Pietro Zen entstammte einer Familie, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Fassatal intensiv dem Holzhandel widmete. Die Familie Zen stammte aus Tesero im Fleimstal.77 Gabriele Zen zog ins Fassatal und heiratete um 1576 Orsola de Daniel – eine Eheverbindung, die ihm finanzielle Vorteile brachte. Er kam in den Besitz beträchtlicher Güter, und laut dem Testament seines Sohnes Daniel Zen, dem späteren Fürstbischof von Brixen (1627–1628), hatte seine Ehefrau eine Aussteuer im Wert von 4.000 Gulden in die Ehe gebracht.78 Die Familie seiner Frau war ebenfalls im Holzhandel tätig. Der zweite Ehemann der Großmutter Orsolas, Cristoforo Zulian aus Moena, hatte laut einem Eintrag in der Waldbereitung aus dem Jahr 1558 der Gemain von Welschnofen Holz abgekauft.79 Pietro Zen betrieb Schafzucht und nahm am politischen Leben teil.80 Die meisten Eintragungen in den Quellen beziehen sich aber auf seine Tätigkeit als Holzhändler. Seine Fachkenntnisse trugen mit Sicherheit dazu bei, den Wert der Wälder um

74 75 76 77 78

TLAI, OÖKKB, GM 1584, fol. 650v–651r. TLAI, OÖKKB, GM 1584, fol. 730r. TLAI, OÖKKB, GM 1583, fol. 1626r; GM, 1584, fol. 372v. Giordani, Pietro Zen, S. 41. Laut den Informationen des Ladinischen Instituts in Vigo di Fassa, das mir eine Fotokopie und die Transkription sowie Unterlagen Padre Frumenzio Ghettas zur Verfügung stellte, befindet sich das Testament Daniel Zens im Diözesanarchiv in Brixen als HS. 20.727. 79 TLAI, HS. 3907. 80 Ghetta, Documenti, S. 119, 133, 134, 141.

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Rosengarten und Latemar und eine mögliche Kapitalisierung durch den Holzverkauf zu erkennen, nachdem er bereits 1574 Agent des Holzhändlers Giovanni Someda und um 1588 Holzfaktor des Brixner Hofs in Buchenstein gewesen war. In den 90er Jahren beteiligte er sich mittlerweile selbst am Geschäft. Zen arbeitete auf Kommission für ein größeres Unternehmen, nämlich seine Verwandten, die Familie Someda.81 Die ersten Einträge für eine unternehmerische Tätigkeit Zens finden sich im Zusammenhang mit der Schlägerung in einem Waldstück am Fuße des Latemar, für das er bei der Tiroler Kammer im Jahr 1593 um eine Schlägerungserlaubnis anfragte, die ihm im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Windwurfs gewährt wurde. Zusätzlich zu den beschädigten Bäumen sind Zen noch weitere 800 bis 1.000 Museln zugesagt worden, wenn er die Arbeiten ordnungsgemäß durchführe und das vorgesehene Stockrecht und den Zoll am San-Pellegrino-Pass zahle.82 Allerdings bekam er bei der Durchführung dieses Auftrags Probleme mit dem angrenzenden Riegel Vigo, der zum Herrschaftsgebiet des Brixner Bischofs gehörte: Die Bevölkerung von Vigo behauptete nämlich, er habe den Holzschlag nicht im ausgewiesenen landesfürstlichen Gebiet durchgeführt, sondern in ihrem Wald namens Fratta Scura, und dafür waren sie ihm nicht gutgesinnt. Sie hassten Zen und bezeichneten ihn als Ausländer, der ihnen je und albegen zuwider gewest.83 Zen wurde von den Bewohnern des Fassatals abwertend als Fleimbser bezeichnet, er sei kein Fassaner und nur über seine Ehefrau in Besitz von Grund und Boden gekommen.84 Ein Schreiben des ganzen Rigl unnd Nachparschafft Vigo aus dem Jahr 1599 an den Fürstbischof von Brixen bringt deutlich zum Ausdruck, dass man Holzhändlern wie Zen nicht wohlgesonnen war. Zen sei aus Habgier ins Fassatal gekommen, um disen wald zu haben, daraus muslen zu schlagen, welcher mit muslen kaufmannschafft treibt. Zen hatte bereits ein paar Jahre zuvor den Riegel um eine Schlägerungskonzession gebeten, die ihm aber nicht gewährt worden war, weil sich der Riegel das Holz für Notzeiten sichern wollte. Dass Zen jedes Mittel recht war, um zu seinem Geschäft zu kommen, zeigt die Vorgehensweise: Er holte für den angrenzenden

81 ... Herrn Someda und Petern Senng in Fleimbs umb ain ansehliche summa gelts etliche stuckh bewaldungen daselbs in Tiers gelegen (so im lehen incorporiert sein) zu verkhauffen in tractation und hanndlung sein sollen ..., SAB, BAB 128, 6B, fol. 179r; SAB, BAB 128, 6B, fol. 271r. 82 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27H, fol. 194; TLAI, OÖKKB, GM, 1593, fol. 234r–v. 83 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27B, fol. 15v. 84 ... das Peter Zen ein eveser unnderthan sey, gsteen wir gar nicht, dan er ein Fleimser zu Teser geborn und da seine eigenen güter hat, sonndern ist nur ein eingefarner oder ein gesessener, der aufs weib guett zogen ist ..., SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27 B, fol. 167v.

Lokale Holzhändler: Marco Antonio Cazzano, Pietro Zen

landesfürstlichen Wald Latemar bei der Tiroler Kammer eine Schlägerungserlaubnis ein und führte unter Missachtung der Grenze im Teilstück Fratta Scura, das der Riegel Vigo für sich beanspruchte, einen Holzschlag durch. Der Riegel Vigo reichte Beschwerde ein und Zen musste die Holzarbeiten unterbrechen. Die Untertanen von Vigo warfen Zen vor, dass er sie hintergangen habe.85 Mit den Bewohnern von Welschnofen geriet er bei Holzarbeiten im Jahr 1596 ebenfalls in Konflikt. Als Zen mit der Aufarbeitung der Windwürfe in den Wäldern Tschein und Tschai sowie im Karerwald beauftragt wurde, weigerten sich die Welschnofner, für ihn Waldarbeiten durchzuführen, und so konnte er den Holzschlag nicht zu Ende führen, da es ihm an Arbeitern fehlte. Er ließ einen Teil der Stämme an den Wurzeln, um sie im nächsten Frühjahr abzutransportieren. Dazu kam es nicht, weil die Welschnofner Bauern in der Zwischenzeit die Stämme entwendet und abtransportiert hatten.86 In einem Schreiben des Fürstbischofs von Brixen an den Holzbaron Giovanni Battista Someda vom 20. Dezember 1604 finden sich weitere Informationen über den Holzhändler Pietro Zen. Sie werfen ein Licht auf die Entwicklung, die sich im Holzgeschäft anbahnte: Zen hatte von den Tierser Untertanen ein Teilstück des Nigerwaldes gekauft, wurde aber vom Brixner Hof dazu gebracht, den Vertrag zurückzuziehen. Dieses Geschäft hatte Zen im Auftrag seines Neffen Giovanni Battista Someda ausgehandelt. In einem Brief des Brixner Hofes an Someda ist zu lesen: ... wir haben aus handen eures vetters Piero Zeni ain schreiben darinen vermelt würdet, das ir ine an eurer statt zu tractierung wegen der tierserischen waldungen alheer gesandt sambt inligender sein Zens und übergebenen supplication empfangen und vernomen, auch darauf unseren statthaltern und rethen befohlen, mit ime Zen handlung zupflegen, welches beschehen ...87

Nicht der Vertragspartner, sondern die Bedingungen passten für den Brixner Hof nicht. Der Hof nahm die Verhandlungen mit Someda wieder auf und dieser schickte erneut Zen als Vertreter nach Brixen. Das Treffen befriedigte den Hof nicht, wie aus der Antwort an Giovanni Battista Someda hervorgeht: ... sovil dann die jezige haupttractation beruert, weil gedachter Zen nicht auf anzal und maß der musl sondern nur über haupt die waldungen groß und klain miteinander anzunemen sich in euren namen erclert, aber wie in ansehung der weitschichtig waldungen kain aigens

85 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27 A, fol. 7v. 86 TLAI, OÖKKB; GM, 1596, fol. 1424v. 87 DAB, HR, 51, fol. 519r; SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D S. 164.

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wissen haben, was solche waldungen hergeben mechten und damit darunder niemanden zu vil oder wenig beschehe, haben wir uns derzeit in ainiche andere tractation als auf anzal und maß der musl nit einlassen mügen ...88

Der Hof wollte im Vertrag eine genaue Angabe von Anzahl und Größe der Museln, weil er mittlerweile Holz am Stock verkaufte. Nach einer Besichtigung des Waldstückes sollten die Verkaufsbedingungen bzw. Anzahl und Größe der Stämme genau festgelegt werden. Wollte Someda diesen Vorschlag akzeptieren, konnten beide Seiten ins Geschäft kommen. Als es zu diesen Verhandlungen kam, war Pietro Zen bereits wieder aus dem Fassatal weggezogen, nachdem seine erste Frau Orsola de Daniel, mit der er drei Kinder hatte (den späteren Fürstbischof von Brixen Daniele Zen, Gabriele Zen und Anna Zen) gestorben war. Nach 1602 lebte er wieder in Tesero im Fleimstal, wo er sich weiterhin dem Holzhandel widmete. Durch seine zweite Ehe mit Elisabeth Alberti, der Tochter des Notars Bartolomeo fu Salvatore Alberti, gelang ihm der Einstieg in eine der renommiertesten Familien des Fleimstals. Die Tochter Anna Elisabeth heiratete Giovanni Angelo di Girolamo Baldironi aus Trient, wohnhaft in Cavalese im Fleimstal, ein Mitglied einer reichen Holzkaufmannsfamilie. Pietro Zen war nun nicht nur als Holzhändler tätig, 1610 wurde er zum Scario bzw. Hauptmann des Fleimstals ernannt. In Zens Leben gab es allerdings auch dunkle Zeiten, denn im Jahr 1612 wurde er wegen Zahlungsunfähigkeit in Trient inhaftiert. Bei der Amtsabrechnung im Oktober 1611 war er seinem Nachfolger Giovanni Battista Cazzano, Hauptmann im Fleimstal von 1611–1612, einen Betrag von 383 Gulden schuldig geblieben und wurde deshalb eingesperrt. Obwohl er Güter als Garantie anbot, sollte er nur gegen eine Bezahlung in bar freikommen. Im Juni 1612 wurde Zen freigelassen, nachdem er es geschafft hatte, seine Schuld mit Bargeld zu begleichen. Zen war weiterhin im Holzhandel tätig, denn 1620 bat er um eine Schlägerungskonzession für den Nigerwald, den Tschein- und den Latemarwald.89 Für den Tschein- und Karerwald hatte er um die Konzession von 2.000 Stämmen angesucht.90 Die Tiroler Kammer ließ Informationen über Zen einholen und hatte ihre Bedenken. Es kam schlussendlich auch nicht zu diesem Geschäft, denn 1622 hatte Antonio Maccarini bereits eine Schlägerungserlaubnis für den Latemarwald, und in den Quellen finden sich auch keine weiteren Hinweise mehr auf Holzgeschäfte mit Pietro Zen oder Giovanni Battista Someda. Pietro Zen verstarb 1626 in Tesero im Fleimstal.91

88 89 90 91

DAB, HR 51, fol. 519r–v. TLA, OÖKKB GM 1620, fol. 139v–140r. TLA, OÖKKB GM 1620 1746r–v; GM 1621, fol. 131v–132r. Giordani, Pietro Zen, S. 49.

Veränderte Strategien, umfangreichere Geschäfte

Zwischen Zen und Cazzano finden sich Parallelen: Beide schlossen Verträge mit der Tiroler Kammer oder dem Brixner Hof für auf ein Jahr beschränkte Mengen an Holz, sie pflegten eine enge Zusammenarbeit mit den mächtigen Holzkaufleuten und hielten sich oft nicht an die in den Verträgen ausgehandelten Bedingungen, erhielten aber trotzdem immer wieder neue Aufträge. Im Laufe der Zeit schwand das Interesse der Obrigkeit an einer Zusammenarbeit mit diesen lokalen Händlern, weil sie mit den finanzkräftigen Holzbaronen direkt ins Geschäft kommen wollte, um das Holz aus den Wäldern am Stock zu verkaufen.

5.5 Veränderte Strategien, umfangreichere Geschäfte Ein Schreiben der Kammer vom 26. März 1584 an die Zollbeamten Grueber und Kleiber in Fleims in Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen mit Cazzano liefert Hinweise zur weiteren Entwicklung der Holzgeschäfte. Die Tiroler Kammer wollte ihre Einnahmen aus dem Holzverkauf steigern, indem sie Verträge in noch größerem Ausmaß mit finanzkräftigen Abnehmern, den Holzbaronen, arrangierte, da sie interessantere Möglichkeiten als die lokalen Holzhändler bieten konnten. Im Schreiben wird deutlich hervorgehoben, dass der Latemarwald noch besser genutzt werden musste, weshalb Cazzano in einer Unterredung dazu gebracht werden sollte, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen.92 Die Kammer hat ihre Verkaufsstrategie geändert. Denn in der Zwischenzeit hatte sie mit dem Holzkaufmann Giovanni Someda Kontakt aufgenommen, der an Holz aus einem landesfürstlichen Wald im Fleimstal interessiert war. Someda hatte zudem den Vorschlag gemacht, den Fluss Avisio zu säubern, um eine Verflößung der Stämme zu ermöglichen bzw. eine Schleuse zu errichten.93 Die Kammer in Innsbruck zeigte sich sehr interessiert und versprach Someda im Gegenzug das 15-jährige Monopol darauf, ausgenommen Stämme, die für die Tiroler Landesherren geflößt wurden. Es wurde ihm aber zur Auflage gemacht, tüchtige Flößer einzustellen, die ihr Handwerk verstanden. Sollte Someda dieses Vorhaben gelingen, wollte man ihn mit 700 Gulden belohnen und ihm für sieben Jahre den zollfreien Transport von jährlich 400 Boroni und zehn Segelmasten garantieren. Zudem sollten er und seine männlichen Erben eine jährliche Abfindung von 100 Gulden auf Lebenszeit erhalten. Dazu musste aber mit dem Trienter Hof verhandelt werden, es brauchte die Zusage von beiden Seiten, da der Avisio durch tirolisches und trientnerisches Herrschaftsgebiet verlief.94

92 TLAI, OÖKKB; GM, 1584 fol. 429r und 730v. 93 TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 1143v. 94 TLAI, OÖKKB, 1581, fol. 431v–433v; Dagostin, Valle di Fiemme, S. 57.

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Diese Verhandlungen der Kammer mit Someda waren vermutlich der Beginn einer neuen Strategie im Holzgeschäft. Der Handel mit finanzkräftigen Unternehmern leitete eine neue Phase ein, in der die Obrigkeit direkt mit den Holzbaronen Geschäfte unterhielt und die lokalen Händler nur mehr zweitrangig waren. Die Möglichkeit, auf dem Avisio Holz zu flößen, sollte ein erster Schritt der neuen Wirtschaftspolitik sein, denn diese technische Verbesserung hätte den Transport von größeren Mengen ermöglicht, was ohne Zweifel im Interesse der Tiroler Kammer und des Unternehmers Someda war. Letzterer wusste um die Holzreserven im Fleimstal. Das Interesse lag vor allem an den Boroni, den schönsten Stämmen, die zwar in großen Mengen vorhanden waren, die lokalen Händler aber vor große logistische Herausforderungen stellten. Giovanni Someda wollte daher unbedingt die Verflößung auf dem Avisio erreichen, um gewinnbringender zu arbeiten. Denn in der Zwischenzeit hatte sich die Kammer mit ihm auf den Verkauf von Holz aus dem Wald Monte Albiano im Fleimstal geeinigt, und zwar aus dem höher gelegenen Teil. Und das Holz daraus musste über den Cadinsbach zum Avisio gebracht werden, der die Verbindung zur Etsch war. In einem Schreiben an die Zollbeamten in Fleims wird die Notwendigkeit der Errichtung der Schleuse auf dem Avisio angesprochen, denn das Holz aus dem Wald Monte Albiano zu triften, sei sehr aufwendig und schwierig.95 Die Fleimser Holzkaufleute wollten diese Schleuse hingegen nicht, ihre Bedenken waren, dass das reißende Wasser Köfl, Steine und Stöcke mitführen würde, das Wasser könne gewaltsam ausbrechen und würde für die Dörfer entlang des Flusses und die Stadt Trient eine Bedrohung darstellen. Der Kommissar und oberste Zollbeamte in Fleims, Ferraris, beteuerte hingegen, dass die Sperre äußerst wichtig sei und die Gefahren unbedenklich, da das Holzwerk bei zu reißendem Wasser angehalten werden könne. Die Sperrstangen würden nämlich so konstruiert, dass sie den Grund nicht erreichten, genügend Wasser durchfließen könne und keine Gefahr der Versandung bestehe. Experten sollten mit einer Besichtigung beauftragt werden, um eine kostengünstige, aber auch sichere Schleuse zu planen.96 Dass die Fleimser Holzhändler die Schleuse nicht wollten, lag vermutlich an ihrer Befürchtung, dass die Geschäfte dann viel größere Ausmaße erreichen würden und sie mit den finanzkräftigen venezianischen Holzbaronen nicht mithalten konnten. Anders kann man sich diese Reaktion nicht erklären. Die Schleuse wurde vermutlich aufgrund des lokalen Widerstandes nicht gebaut. Um 1592 ist immer noch von Holztriftung die Rede, nicht von Verflößung. Someda wusste, wie wichtig solche technischen Verbesserungen waren, wollte man große Mengen transportieren. Er hatte 1588 beim Brixner Hof den Bau einer Schleuse beim Zusammenfluss des

95 TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 1143v. 96 TLAI, OÖKKB, GM, 1583, fol. 208v–210r.

Veränderte Strategien, umfangreichere Geschäfte

Andrazbaches mit dem Cordevole in Buchenstein beantragt. Ein wichtiges Vorhaben, da er zu dieser Zeit Holzschlägerungen in Buchenstein durchführen ließ. Der Brixner Hof stimmte 1589 dem Vorhaben zu, weil Someda bereit war, alle Kosten zu übernehmen.97 Den Bedenken der Bevölkerung hielt Someda die positiven Seiten des Vorhabens entgegen: Vom florierenden Holzgeschäft würden der Hof und die Bewohner profitieren. Er verwies auf den wertvollen Holzbestand der Gegend, der durch den Bau der Schleuse beträchtliche Einnahmen bringen konnte, wenn einige Wälder auch schwer erreichbar waren. Die Realisierung ist nicht belegt, Corazzol geht davon aus, dass auch dort der Widerstand der Bevölkerung so groß war, dass nur eine sehr kleine Schleuse genehmigt wurde.98 Es scheint, als sei die Bevölkerung in den 80er und 90er Jahren imstande gewesen, ihre Interessen durchzusetzen. Der Holzhandel war noch in der Hand lokaler Unternehmer, die Schlägerung und Holztransport von den Bewohnern durchführen ließen, die sich so ein Zusatzeinkommen schufen.99 Die Vorgehensweise der Tiroler Kammer gegenüber Cazzano, die Annullierung des Vertrages von Pietro Zen zum Nigerwald, die Verhandlungen des Holzbarons Maccarini mit dem Fürstbischof von Brixen und jene Somedas mit der Tiroler Kammer zeigen, dass sich Veränderungen anbahnten. Die Obrigkeit trat nun in direkten Kontakt mit den Holzbaronen und überließ diesen die Wälder. Diese Vorgehensweise hatte den Vorteil, dass man durch den Verkauf am Stock und über die Zölle verdiente, sich aber nicht um Schlägerung und Transport kümmern musste. Als der Brixner Hof 1604 vom Vertrag Pietro Zens mit den Untertanen von Tiers zum Verkauf des Nigerwaldes erfuhr, wurden den Bewohnern ihre Ansprüche mit der Begründung aberkannt, es handle sich um einen Hoch- und Schwarzwald. Die Erfahrung hatte dem Fürstbischof gezeigt, dass das Holz aus einem solchen Wald einem finanzkräftigen Unternehmer überlassen werden musste, weil er das nötige Kapital vorstrecken konnte, um die Schlägerung und den Transport großer Mengen an Holz zu organisieren und zu finanzieren. Ein Geschäft wie das der Untertanen mit Zen wäre auch für die Gerichtsherren wenig gewinnbringend gewesen. ... der herr von Vels und seine underthanen heten den ainen wald dem Piero Zen allain per 200 Gulden verkhaufft, und da ir Fürstlich Gn(aden) nit gewest, sonder wie begert worden darein gewilligt, so were es darumben schon geschehen, und der herr von Vels davon über etlich 20 Pfund nuz nit gehebt, dann so were auch leichtlich zu erwegen und vil exempl verhanden wie es die Tyrolisch Camer in dergleichen fällen helt und da es zum standt

97 Steinhauser, Gerichte, S. 123. 98 Corazzol, Piani, S. 210–213. 99 Occhi, Boschi, S. 116.

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rechtens khomen sollte, was daraus für weitleuffigkhait und lestlich dem herrn von Vels gar nichts zu guetem erfolgen mechte ...100

Der Hof brachte deutlich zum Ausdruck, dass er es in Sachen Holzverkauf nicht so handhaben wollte wie die Tiroler Kammer. Zukünftige Verträge sollten den Verkauf von großen Mengen direkt an den Holzkaufmann mit entsprechendem Gewinn vorsehen. Dieser kümmerte sich dann um Schlägerung, Transport zum Wasser, Vertriftung oder Verflößung in die Ebene zu den Sägewerken. Die Schwierigkeiten, die sich für den Hof ergeben konnten, wenn er Schlägerung und Transport zum Wasser selbst organisieren musste, zeigen sich am Holzverkauf des Fürstbischofs in Buchenstein um 1598. Dort waren 30 bis 40 Ochsenpaare für den Transport von 2.600 Museln auf einer Strecke von 30 Kilometern im Einsatz. Die Kosten für eine Musel betrugen um 1598 18 Kreuzer. Allein die Transportkosten für diesen ersten Abschnitt bis zur Verflößung auf dem Cordevole beliefen sich auf 780 Gulden.101 Aber nicht nur die Kosten stellten den Hof vor Herausforderungen, auch die Zusammenarbeit mit den Personen vor Ort war nicht immer einfach. Für den Transport dieses Holzes war es zu Problemen gekommen, da der Faktor Giovanni Battista Piazza und der Hauptmann von Buchenstein, Chiusole von Neuhof, in Sachen Entschädigung keine Einigung mit den Transporteuren erzielen konnten. Schon in den Jahren zuvor hatten Letztere dem Brixner Hof gegenüber ihre Unzufriedenheit über die Auszahlung von 15 Gulden für den Transport von 100 Museln (9 Kreuzer für 1 Musel) geäußert und die Forderung nach 33 Gulden (20 Kreuzer für 1 Musel) gestellt.102 Sie kannten die Preise, die andere Transporteure bekamen, und betonten zudem, dass es sich bei diesem Geschäft um sehr große Stämme handle. Als ihnen die Vertreter des Brixner Hofes 30 Kreuzer vorschlugen, willigten sie immer noch nicht ein, sodass der Hofkommissar Jacob von Colz zu Freieck103 als Mittelsmann für Verhandlungen vor Ort entsandte. Schlussendlich willigte ein Drittel der Fuhrleute für 30 Kreuzer die Musel ein. Nur die Drohung,

100 101 102 103

SAB, HSBx, BAB, Lade128, 6B, S. 192. Occhi, Boschi, S. 81. Corazzol, Piani, S. 195–196. Die Colz von Freieck zählten neben den Prack von Asch zu den einflussreichsten Familien in Buchenstein. Jakob von Colz war der Sohn von Johann Baptista von Colz, der gemeinsam mit seinem Sohn Martin 1582 Franz Wilhelm Prack (von 1571 bis 1581 Hauptmann in Buchenstein) ermordet hatte. Jakob von Colz bemühte sich immer wieder um eine Begnadigung für den Vater und den Bruder. Letzterer starb 1597, der Vater erlangte schlussendlich 1603 doch die Begnadigung. Jakob von Colz war für den Brixner Hof eine wichtige Vertrauensperson, immer wieder wurde er bei Holzgeschäften zu Rate gezogen. Dies hing sicher mit der Erfahrung zusammen, die die Familie im Holzgeschäft hatte. Niedermair, Hauptmannschaft, S. 144–145; Steinhauser, Gerichte, S. 46–47.

Veränderte Strategien, umfangreichere Geschäfte

in Ungnade zu fallen und eine hohe Strafe zahlen zu müssen, führte schließlich zu einer Einigung.104 Im Juni 1581 klagte die Tiroler Kammer über die hohen Kosten für Schlägerung und Transport von Holz, dessen Verkauf 1579 genehmigt worden war. Die Triftung und die Schleifsteine der Sägen seien sehr teuer, weshalb die Schleifsteine nach der Schlägerung und dem Abtransport der Stämme sofort eingesammelt werden sollten. Für Polentamehl seien 154 Gulden ausgegeben worden, der Überschuss müsse zurückbehalten werden und man verlange eine genaue Auflistung des Mehlverbrauchs in den letzten Jahren. Alle Ausgaben für Verköstigung, Botenlohn und anderes sollten so knapp wie nur möglich gehalten werden und in Zukunft müsse eine ordentliche particularrechnung erstellt werden. Die Kammer wies darauf hin, dass die Kosten genauer kontrolliert werden sollten, um einzusparen. Alle ausgaben an zerung und ander weg sollen aufs gleimigscht eingestellt werden.105 Der Transport auf dem Wasser war ebenfalls eine Herausforderung: Im Januar 1581 beabsichtigte die Kammer, Holz aus dem Wald Monte Albiano im Fleimstal zu verkaufen, weshalb eine Waldbeschauung durch die Zollbeamten in Fleims in Auftrag gegeben wurde.106 Bei der Besichtigung stellten die zuständigen Beamten fest, dass der Transport der Stämme auf dem Avisio ein Problem werden konnte. Die Errichtung einer Schleuse zur Regulierung des Flusses sei notwendig, um große Mengen innerhalb einer gewissen Zeit ins Tal zu befördern.107 Vorgesehen war der Verkauf von 3.000 Boroni, die der Kammer hohe Einnahmen über die Kosten für die Triftung sowie den Zoll in Sacco bringen würden.108 Der Brixner Hof hatte in den Jahrzehnten intensiver Geschäftsbeziehungen mit den Unternehmern Maccarini und Bovio aus der Erfahrung gelernt und wusste, dass ein Verkauf von Holz am Stock in großen Mengen und über einen langen Zeitraum weniger riskant und doch gewinnbringend sein konnte. Schlägerung und Transport erfolgten dadurch aber unter veränderten Bedingungen: Es brauchte eine viel größere Zahl an Waldarbeitern, die innerhalb der festgelegten Zeit die Schlägerungen vornahmen, es brauchte eine große Zahl an Ochsenfuhrwerken und das nötige Geld, um die Versorgung mit Lebensmitteln, das Futter für die Zugtiere und die Bezahlung der Raten zu bewerkstelligen. Für die lokale Wirtschaft konnte dies allerdings Veränderungen mit sich bringen, da nicht mehr die Obrigkeit über einen Mittelsmann Waldarbeiter und Transporteure anheuerte, sondern der Abnehmer die ganze Organisation leitete. Dies musste zwar nicht zwangsweise, konnte aber 104 105 106 107 108

Corazzol, Piani, S. 195–199. TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 987r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 123r. TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 1143v. TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 2256v–2260v.

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Ökonomische Vernetzung

dazu führen, dass die Bevölkerung teilweise oder auch ganz von der Nutzung der Wälder ausgeschlossen wurde, wenn die Unternehmer diese Forderung stellten. Am Beispiel der Verhandlungen um den Nigerwald zeigt sich deutlich, dass der Brixner Hof diese neue Form bevorzugte, sie war einfacher, da anhand der Menge an Stämmen, die verkauft wurden, die Einnahmen berechnet werden konnten und keine weiteren organisatorischen und finanziellen Aufwände anfielen. Die Abmachungen mit den Holzbaronen zeigen, dass auf die lokale Bevölkerung wenig Rücksicht genommen wurde, im Vordergrund standen nur Geschäftsinteressen und Gewinnmöglichkeiten.

5.6 Geschäftsabwicklung Die Veränderungen, die sich in der Geschäftsabwicklung gegen Ende des 16. Jahrhunderts anbahnten, lassen sich über Berichte und Verträge zu Holzgeschäften des Brixner Hofes mit dem Unternehmen Maccarini im Gebiet von Buchenstein, der Nachbarregion des Fassatals, erkennen. Am 2. Juni 1587 schlossen die Kaufleute Bortolo und Giacomo Maccarini mit den Vertretern des Fürstbischöflichen Hofes einen Vertrag zum Verkauf von 1.000 Museln aus dem Wald Valparola in Buchenstein mit einem Durchschnittspreis von 114 Kreuzern für eine Musel. Die Zahlen zeigen, dass es um umfangreiche Geschäfte ging. Vorgesehen war eine Zahlung von 300 Gulden bei Vertragsunterzeichnung, 500 Gulden am 29. September 1587 und dem Rest am 23. April 1588, nachdem die Stämme Caprile erreicht hatten, wo die Übergabe an die Holzkaufleute, die dann den Transport auf dem Wasser organisierten, erfolgen sollte. Es war üblich, noch zwei Prozent der Holzmenge für eventuelle Mängel dazuzugeben; dieser Aufschlag wurde als Zue bezeichnet und betrug im genannten Vertrag 20 Museln.109 Weitere Verträge folgten 1595 für eine Menge von 235 Museln und 993 Museln im Jahr 1596. Für diese Verträge gab es zehn Unterhändler, Mengen von 4 bis 56 Museln und Preisunterschiede von 22 bis 36 Kreuzer für eine Musel.110 Diese Vertragsform, die bis Ende der 1590er Jahre üblich war, barg Risiken für die Obrigkeit, denn die Holzkaufleute zahlten für die Stämme, sobald sie aufs Wasser gingen bzw. getriftet oder geflößt wurden. Die Organisation und Finanzierung von Schlägerung und Transport bis zur Anwässerung war Aufgabe des Verkäufers. Ein Bericht des Brixner Kommissärs Jakob Söll,111 der in Buchenstein das Holzgeschäft 109 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 2A–D, fol. 3r–4v; Corazzol, Piani, S. 175–76. 110 Corazzol, Piani, S. 189–190. 111 Die Famile Söll stammte ursprünglich aus Bruneck und teilte sich im 15. Jahrhundert in zwei Linien, die Söll von Aichberg und die Söll von Teisegg. Hans Jakob Söll war Nachfahre der Söll von Aichberg, die 1559 von Kaiser Ferdinand I. in den Reichsadelsstand erhoben wurden. Die

Geschäftsabwicklung

von 1598/99 überwachen sollte, enthält dazu interessante Informationen:112 Im Frühjahr 1599 sollten Museln aus dem Wald Pitscheid im Gericht Thurn an der Gader bei Ruaz im Gericht Buchenstein zum Cordevole gebracht werden, wie es die Vereinbarung vorsah. Söll traf am 9. Mai 1599 in Buchenstein ein, um den ganzen Ablauf zu kontrollieren und dem Hof Bericht zu erstatten. Von den beiden Kaufleuten war nur Maccarini anwesend, sein Kompagnon Bovio hatte sich aufgrund des schlechten Wetters verspätet. Kommissar Söll begann trotzdem mit den Verhandlungen, zu denen der Holzwerksfaktor Pietro Zen, der Bergwerksfaktor Giovanni Battista Piazza und der Richter von Buchenstein, Andrea Barby,113 eingeladen waren. Laut Vertrag musste nämlich jede Partei zwei Personen ernennen, die sich untereinander aber nicht absprechen durften. Anschließend wurde, wenn erforderlich, eine fünfte Person ernannt, ein Fachmann und Untertan des Fürstbischofs von Brixen, die

Familie besaß zahlreiche Schlösser und Ansitze, Hans Jakob Söll erbte von seiner Mutter den Ansitz Jöchlturm in Sterzing, kaufte den Ansitz Neuhaus in Gais und nannte sich nun fortan Hans Jakob Söll von Aichberg zu Neuhaus und Jöchlturm. 1596 wurde er vom Fürstbischof von Brixen, Andreas von Österreich, zum Rat und Kammermeister ernannt. Als Kammermeister nahm er im Juli 1601 gemeinsam mit Jakob Colz im Fassatal die Erbhuldigung entgegen, ab 1603 übte er zudem das Amt des Hauptmannes in Fassa aus, wo er 1604 eine Generalinquisition durchführen ließ. Ein Jahr später, 1605, wurde ihm zudem das Amt des Hof- und Lehensrichters übertragen, weshalb er die Hauptmannschaft in Fassa ablegte. Hans Jakob Söll war am Brixner Hof eine angesehene Persönlichkeit, die bei Verhandlungen um Holzverträge immer wieder als Gutachter herangezogen wurde. Im Jahr 1608 wurde er zum Kommissar des Schmelzwerks in Valparola ernannt, gemeinsam mit Hans Kembter war er Oberspitalsverweser in Brixen. Er starb 1641 in Brixen. Diese und weitere Informationen stammen von Rita Gratl, die in ihrer Dissertation eine ausführliche Biografie bringt. Gratl, Grenzgerichte, S. 72–75. 112 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16B, fol. 41r–47r. 113 Andrea Barby wurde am 9. Mai 1696 zum Richter und Gerichtsschreiber von Buchenstein ernannt. Im Jahr 1602 kam es zu einem unangenehmen Zwischenfall, da er sich an einer Frau vergangen hatte, die Vergewaltigung hatte zudem eine Schwangerschaft zur Folge. Seinem Ansuchen, Gnade walten zu lassen, kam der Brixner Hof aufgrund seiner Fähigkeiten nach, allerdings kam es bereits ein Jahr später wieder zu Beschwerden über den Richter vonseiten der Untertanen, sodass Barby von sich aus kündigen wollte. Der Brixner Hof war aber sehr daran interessiert, dass er das Amt weiterhin ausüben sollte, und kam seinen Forderungen einer höheren Bezahlung und der Möglichkeit, im neu erworbenen Gerichtshaus unentgeltlich zu wohnen, nach. Bereits 1605 kam es wieder zu Anschuldigungen und Barby wurde wegen Ehebruchs und Beleidigung des Pfarrers zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er verstarb 1610, allerdings kam die Vermutung auf, er sei vergiftet worden. Beliebt war Andrea Barby nicht gewesen. Warum ihn der Brixner Hof als fähigen Richter einstufte, bleibt offen. Vielleicht waren es Qualitäten im Vermitteln lukrativer Geschäfte, wie es für Amtspersonen häufig vorkam, die ihn für den Hof wichtig machten. Niedermair, Hauptmannschaft, S. 112–114.

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Ökonomische Vernetzung

den kauff mit aller notwendigen vorbetrachtung aussprechen. Bei dem es auch von beiden tailen genzlichen verbleiben selle, sowol mir die instruction auferladt. Zu dem abzeln, messen und per conta nehmen, den Zen und Richter zuverordnen und derseits zu zwen kauffmachern den Piaza und Piero Vosil oder Leonhardt de Soratroy zugeben, dann auch zu aim fünfften mann yezgemelten Troy fürzuschlagen ...114

Söll war mit Leonhardt de Soratroy als fünftem Mann nicht zufrieden, weil dieser selbst Holzhändler war, in enger Beziehung zum Kaufmann Bovio stand und dessen Unterhändler war, ein Umstand, der laut Söll für den Brixner Hof ungünstig war. Auch der Wirt Cassian de Troy schien ihm ungeeignet, weil die Kaufleute bei ihm untergebracht waren. Söll empfahl, den aus dem Fassatal stammenden Zuan Ross mit dieser Aufgabe zu betrauen, da sich in Buchenstein keine geeignete Person finde. Es scheint, als befürchte der Vertreter des Bischofs, hintergangen zu werden. Die venezianischen Kaufleute drängten Söll hingegen, Giovanni Someda diese Aufgabe zu überlassen, was dann auch geschah. Dieser erreichte Buchenstein am 17. Mai, als die vier Sachverständigen noch mit dem Zählen und Messen der Museln beschäftigt waren, eine heikle Aufgabe, denn kein Stamm durfte verloren gehen. Es wurden Boten zum Absuchen geschickt, die effektiv 13 auf der Strecke gebliebene Museln ausfindig machen konnten. Es wurde folgende Liste erstellt, die zur Abrechnung diente. Die Bezahlung durch die Kaufleute erfolgte nämlich, bevor die Museln in Caprile aufs Wasser gingen: Tab. 11 Auflistung der Museln nach verschiedenen Maßen Maß in venezianischem Arsenal-Fuß Museln zu 2 Fuß Museln zu 1 ½ Fuß Museln zu 1 ¼ Fuß Museln zu 1 Fuß Museln in Caprile Summe der den Kaufleuten überantworteten Museln

Anzahl 108 586 901 609 2 2.206

Trotz intensiver Verhandlungen konnten sich die beiden Seiten am Abend des 18. Mai nicht einigen, sodass es dem fünften Mann oblag, den Preis festzulegen. Am nächsten Morgen wurde der Preis von Giovanni Someda mündlich und schriftlich veröffentlicht. Für eine Musel sollten 2 Gulden und 21 Kreuzer (141 Kreuzer) gezahlt, doch für etliche darunter befundene faule, zerprochne und gar zu kurze mußl 20 mußln an felliger suma sambt auf jedes hundert 2 de zue abgezogen werden.

114 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16B, fol. 42r.

Geschäftsabwicklung

Daraufhin wurde mit den Kaufleuten abgerechnet, nämlich 2.142 Museln (Anzahl der Museln plus Zue) zu einem Preis von 2 Gulden und 21 Kreuzer das Stück ergaben 5.033 Gulden und 42 Kreuzer. Davon hatten die Kaufleute in Corvara bereits 3.800 Gulden bezahlt, der Rest von 1.233 Gulden und 42 Kreuzern wurde vor Ort bar beglichen. Söll war mit dem Geschäft zufrieden, nach Abzug der Spesen für die Schlägerung und den Transport gab er einen Gewinn von 30 Kreuzern für eine Musel an. Für dieses Geschäft hat der Hof Organisation und Koordination bzw. Schlägerung und Transport bis Ruaz, wo die Stämme auf das Wasser gingen, noch selbst übernommen. Die Verhandlungen mit den Kaufleuten, die nach Abschluss eines jeden Geschäftes in Hinblick auf ein neues üblich waren, zeigen, dass sich Veränderungen anbahnten. Maccarini und Bovio waren an weiteren Geschäftsbeziehungen interessiert, schlugen aber Verträge für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren vor. Zudem wünschten sie, dass alle Museln gezählt und nach venezianischem Maß gemessen würden und die Bezahlung nach Maß erfolgen sollte. Zudem sollte der Faktor zu Andraz (gemeint war damit der Bergwerksfaktor Giovanni Battista Piazza) als Unterhändler fungieren, so würde man sich die Kosten für die Kommission sparen. Es sei viel billiger, wenn beide Parteien einfach zwei Mann mit der Messung und Zählung beauftragen würden. Museln, deren Durchmesser kleiner als 1 ¼ Fuß war (43 cm), sollten nicht mehr genommen werden, da die Kosten für den Transport zu hoch waren. Die beiden Kaufleute Maccarini und Bovio waren der Auffassung, dass längerfristige Verträge interessanter waren, weil der Transport unter weniger Druck erfolgen würde und ein Abwarten des abnehmenden Mondes ermögliche, um die Museln relativ trocken und somit kostengünstiger zu transportieren. Zudem wurden die Zuständigen für die Wasserklausen als zu wenig kompetent erachtet, weshalb man Fachleute von auswärts anstellen wollte. Vorgesehen war eine Schlägerung von 2.000 Museln jährlich, und überschüssiges Holz, das sich nicht als Merkantilholz teuer verkaufen ließ, sollte in einer geplanten Schmiede in Pikolein als Brennmaterial verwertet werden.115 Der Bericht von Söll zeigt, dass die Kaufleute ganz klare Vorstellungen von zukünftigen Geschäftsbeziehungen hatten: Sie wünschten eine Steigerung der Menge und Entscheidungsvollmacht in Sachen Schlägerungen, Transport und Preise. Söll erhielt zudem von Someda, Da Troi sowie von Piazza, Zen und einer weiteren Person, deren Namen nicht genannt wird, eine mündliche und schriftliche Preisempfehlung für einen neuen Vertrag. Die Vorschläge der fünf Fachleute berücksichtigten nun auch die verschiedenen Maße:116 115 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16B, fol. 48r–v. 116 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16 B, Someda fol. 56r–v, Zen fol. 61r, Anonimo fol. 64r, Piazza fol. 65r, Da Troi fol. 67r. Die Preise von Zen und Da Troi sind in Kreuzern angegeben, die von Piazza,

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Ökonomische Vernetzung

Tab. 12 Preisvorschläge für den Kaufvertrag 1599 in Gulden Größe in ven. Muselfuß 1 Fuß 1 ¼ Fuß 1 ½ Fuß 2 Fuß

Anonym

Zen

Piazza

Da Troi

Someda

6,6 10,3 14 14,8

12,9 15,2 18

6,4 10,3 13,2 14,8

8 12,2 12,2 ---

10,3 11,5 12,8

Ein Vergleich der Vorschläge lässt vermuten, dass die großen Holzkaufleute die Preise bestimmen wollten. Sie waren die eigentlichen Macher, die den Holzhandel mit der Lagunenstadt arrangierten, lokale Händler arbeiteten auf Kommission für sie.117 Someda setzte mit seinem Preisvorschlag eindeutig tiefer an als Pietro Zen, er orientierte sich an den Vorschlägen des Richters und des Bergwerkfaktors. Seine Ernennung zum fünften Mann war vermutlich ein taktischer Schritt, die Preisgestaltung im Sinne der Holzbarone zu beeinflussen. Wenn Zen höher ansetzte, dann bestimmt nicht aus Unwissenheit, sondern in Absprache mit Giovanni Someda. Die Quellen belegen, dass Zen im Holzhandel tätig war und die Gewinnaussichten auf den Absatzmärkten kannte, zudem stand er in einer verwandtschaftlichen Beziehung zur Familie Someda.118 Der Bericht Sölls enthält noch eine weitere, sehr interessante Information: Maccarini und Bovio knüpften noch eine weitere Bedingung an zukünftige Verträge, nämlich die Entlassung des Holzfaktors Pietro Zen. Der Grund dafür dürfte die verwandtschaftliche und geschäftliche Beziehung zwischen Pietro Zen und Giovanni Someda gewesen sein. Die beiden Kaufleute führten offiziell folgende Begründung an: Pietro Zen sei als Faktor zu teuer, es verursache zu hohe Kosten, wenn er jedes Mal mit seinem Diener aus dem Fassatal nach Buchenstein kommen müsse, und überhaupt seien die Kaufleute mit ihm nicht zufrieden. ... das der Zen dieser volgenden bedenckhen nit zubrauchen sein wirdet. Erstens das er den ort gar weit entsessen und zu seiner zusehung jederzeit mit sambt ain roß und diener nit geringer uncosten aufgeet, wie sein khauffige raitung geben wirdet, unnd das auch die khaufleith mit ime wie ich in disem werck bei dem abmessen befunden nit wol content, ja

anonym und Someda in Lire Venete. Für einen Vergleich wurden alle Preise in Kreuzern in einem Verhältnis von 1 Kreuzer = 1,21 Lire umgewandelt. Gigi Corazzol verwendet dieselbe Quelle, das Preisverhältnis wurde seinem Buch entnommen. Für ihn könnte es sich bei der anonymen Person um Andrea Barby handeln. Corazzol, Piani, S. 205. 117 Occhi, Boschi, S. 116; Dagostin, Valle die Fiemme, S. 48; Broilett, A Cavallo, S. 51–53. 118 Vgl. Corazzol, Piani, S. 105.

Geschäftsabwicklung

sich so weit vernemen lassen, da er Zen weiter in der sachen gebraucht würden, si sich in verer handlung nit einlassen ...119

Die beiden Kaufleute Bovio und Maccarini waren an weiteren Aufträgen in Thurn an der Gader interessiert und befürchteten vermutlich, dass Pietro Zen, selbst Holzhändler und Faktor des Fürstbischofs sowie Vetter Giovanni Somedas, ihre Geschäfte beeinträchtigen könnte. Die Holzbarone beanspruchten die Wälder für sich und stellten daher die Forderung, dass auf keinen Fall weiteren Händler eine Nutzungserlaubnis gewährt werden durfte. Und dieser Forderung musste der Brixner Hof nachkommen, wollte man mit dem Unternehmen Maccarini weiterhin im Geschäft bleiben. Und der Brixner Hof ging auf die Bedingungen ein, in den Jahren 1599–1601 kam es zu einem weiteren Handelsabkommen mit den venezianischen Kaufleuten. Vorgesehen war eine Menge von 7.000 Museln zu einem Preis von 5.163 Gulden bzw. 44 Kreuzern für eine Musel.120 Es ging mittlerweile um noch größere Mengen als zuvor. Die veränderten Preisangaben zeigen zudem, dass der Hof nun Holz am Stock verkaufte. Belief sich der Preis im Jahr 1587 für eine Musel auf 141 Kreuzer, betrug er im Jahr 1599 laut Vertrag nur 44 Kreuzer. Dieser Unterschied erklärt sich aus den veränderten Vertragsbedingungen. Während im ersten Vertrag Schlägerung und Transport zum Wasser noch auf Kosten der Obrigkeit bzw. des Verkäufers, des Brixner Hofes, gingen, war beim Vertrag von 1599 keine Beteiligung des Hofes vorgesehen, die Kaufleute nahmen die Organisation der Schlägerung und des Transportes von Beginn an selbst in die Hand.121 Die Veränderungen im Holzgeschäft waren mittlerweile voll im Gang. Gigi Corazzol schreibt, dass der Brixner Hof um 1600 in Abhängigkeit der Holzkaufleute geraten war; seit 20 Jahren pflegte der Fürstbischof Holz an das Unternehmen Maccarini zu verkaufen. Und um weiter am Holzverkauf zu verdienen, musste die Zusammenarbeit mit den Holzbaronen gepflegt und ihren Forderungen nachgekommen werden. Corazzol ist überzeugt, dass die Kenntnisse dieser Holzkaufleute über Kosten und Gewinn im Holzhandel die des Brixner Hofes weit übertrafen.122

119 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16B, fol. 49v–50r. 120 Corazzol gibt die Preise in Venezianischen Lire, die Musel würde für 11 Lire verkauft, der Gesamtpreis der 7.000 Museln belief sich auf 5.000 Dukaten. Die Verträge enthalten Preise in Dukaten und Kreuzer. Zum besseren Verständnis werden im Text die Beträge in Gulden bzw. Kreuzer angegeben. Corazzol, Piani, S. 185–86. 121 Der Vertrag von 1587 enthält eine Berechnung der Transportkosten, die für die Aushandlung des Preises erstellt worden war. Für eine Musel ging der Hof von einem Preis von 114 Kreuzern aus, allein die Transportkosten betrugen 89 Kreuzer. Da es sich um gutes Holz handelte, war der Brixner Hof überzeugt, dass sich das Geschäft rechnen würde. SAB, HSBx, BAB, Lade 69, A–D, fol. 3r–v. 122 Corazzol, Piani, S. 201, 205.

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Ökonomische Vernetzung

Umso mehr war der Fürstbischof für diese Geschäfte auf Vertrauens- und Mittelsmänner angewiesen, die gute Beziehungen zu den venezianischen Kaufleuten pflegten. Eine Persönlichkeit, deren Name in der Korrespondenz des Brixner Hofes im Zusammenhang mit dem Holzgeschäft immer wieder erwähnt wird, ist der Holz- und Bergwerksfaktor Giovanni Battista Piazza. Piazza brachte die Voraussetzungen mit, die für einen Faktor wünschenswert waren. Er war ein Experte in Sachen Forstwirtschaft. Bereits sein Vater, Killian Piazza, war Bergwerksfaktor in Buchenstein. Nach dem Tod des Vaters übernahm Giovanni Battista dieses Amt und 1606 wurde er zum Generalverweser und Faktor für das Bergwerk Colle Santa Lucia, für die Schmelzöfen in Andraz, Valparola, Caprile und das Holzwesen in Buchenstein, Thurn, Fassa, Prags und Tiers ernannt. Zudem war Piazza ab 1620 Pfleger des Gerichtes Thurn an der Gader.123 Piazza verfügte nicht nur über die nötigen Fach- und Sprachkenntnisse, sondern auch über diplomatisches Gespür. Er verhandelte für den Hof und kannte die Preisvorstellungen der Holzbarone. Er wusste um die Abhängigkeit von den Holzkaufleuten und kannte die Bedingungen, die erfüllt werden mussten, sollten die Handelsbeziehungen aufrechterhalten bleiben. Diese veränderte Verkaufsstrategie sah folglich viel größere Mengen in kurzen Zeitabschnitten vor. Dies zeigt sich an den Verträgen, die der Brixner Hof in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts mit dem Unternehmen Maccarini schloss. Corazzol nennt Verträge für die Jahre 1615, 1618, 1620,1622, 1625, 1628, 1630, 1635 und 1638 für eine Gesamtsumme von 17.350 Museln, wobei 10.600 Museln auf die Phase 1615 bis 1625 fielen und relativ wertvolles Holz (Stämme von einem Durchmesser von 1¼ Fuß bzw. 42 cm und größer sowie 40 Prozent Lärchen) darstellten. Die restlichen 8.870 fielen auf die Jahre 1628–1638 mit zunehmend dünneren Stämmen und einem Anteil an Lärchen von nur mehr 25 Prozent. Corazzol kommt insgesamt auf eine Menge von 70.000 Museln, die das Unternehmen Maccarini aus den Wäldern des Fürstbistums Brixen in die Lagunenstadt transportierte.124 Diese veränderten Bedingungen gingen vor allem zulasten der lokalen Bevölkerung, die von der Waldnutzung zusehends ausgeschlossen wurde, ein Umstand, der Konflikte nach sich zog.

123 Niedermair, Hauptmannschaft, S. 303–304. 124 Corazzol, Piani, S. 226.

Vermittlungsrolle von Amtspersonen

5.7 Vermittlungsrolle von Amtspersonen Richtern, Pflegern oder Hauptleuten kam beim Holzverkauf eine Schlüsselrolle zu, denn es war ihre Aufgabe, einen Verkauf zu genehmigen und die Obrigkeit zu informieren.125 Im Jahr 1512 wollte der Riegel Soraga den Wald Col di Mezzo verkaufen, um mit dem Geld den Kirchturm für St. Peter in Soraga zu bauen. Die Erlaubnis für den Verkauf erhielt der Riegel nicht, durfte aber selbst Schlägerungen vornehmen und das Holz verkaufen. Um 1544 gab es wieder Probleme mit diesem Wald, weil der Riegel Holzschlägerungen ohne Genehmigung durchgeführt hatte. Der Fürstbischof befahl dem Hauptmann, das geschlagene Holz zu verkaufen, das Geld an sich zu nehmen und den Bewohnern weitere Schlägerungen zu verbieten.126 Diese Beispiele weisen interessante Parallelen zu Praktiken des Holzverkaufs im Cadore auf. Auch dort waren die Wälder unter Bann gestellt, es durfte nur mit Erlaubnis der Obrigkeit zum Verkauf von Holz kommen. Den Amtsleuten vor Ort gelang es immer wieder, die Erlaubnis für den Verkauf im Namen der Siedlungsgemeinschaft zu bekommen mit der Begründung, die Einnahmen dienten zur Bewältigung von Notsituationen (Getreideengpässe oder Renovierungsarbeiten wichtiger Gebäude wie der Kirche). So kam es zu sporadischen Schlägerungen durch die Bewohner, die Vermittlung des Holzes an die Holzkaufleute übernahmen die Amtspersonen. Die Obrigkeit zeigte sich diesen Geschäften gegenüber nicht abgeneigt, da sie noch eine Kontrolle über die Waldnutzung hatte und gleichzeitig über Stockrecht und Zoll verdiente. Für die Bewohner brachte das Holzgeschäft Einnahmemöglichkeiten über Schlägerung und Transport, weshalb sie sich nicht gegen die Machenschaften der lokalen Elite stellten, die aus der Vermittlung an die Händler ihre Vorteile zog.127 Den Amtspersonen kam eine Schlüsselrolle zu, die es ihnen zudem erlaubte, sich selbst über den Holzverkauf zu bereichern. Diese Amtsleute waren nicht nur Mittelsmänner zwischen Untertanen und Obrigkeit, sie beteiligten sich selbst am Holzhandel, verdienten damit und scheuten nicht davor zurück, vertragsbrüchig zu werden. Bartlme von Liechtenstein hatte 1585 für den Karerwald eine Bewilligung für einen Holzschlag erhalten, sich aber nicht an die Abmachung gehalten und anstelle der 200 bis 300 jährlichen Stämme viel mehr gehackt und die Amtsleute bestochen. Das Holz wurde beschlagnahmt und er wurde bestraft.128 Wenige Jahre später wurde er von der Kammer beauftragt, eine Waldbesichtigung durchzuführen, ein Auftrag, den er nicht ernst nahm, 125 126 127 128

Vgl. Steinhauser, Gerichte, S. 106. Gratl, Grenzgerichte, S. 216. Eicher Clere, Comunità sregolata, S. 54–58. TLAI, OÖKKB, GM, 1584, fol. 1827v–1828r, GM 1585, fol. 320r–321v; fol. 794v–795r; fol. 1301r–1302r.

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denn im Dezember 1593 musste er aufgefordert werden, diese Beschauung endlich durchzuführen.129 Der Gerichtsherr scheint nicht sehr kooperativ gewesen zu sein, trotzdem wurde er im Juli 1595 damit beauftragt, die Untertanen daran zu hindern, Bäume zu fällen, und sie wenn nötig zu bestrafen.130 Der Obrigkeit blieb vermutlich keine Wahl, die Kontrolle der Wälder war äußerst schwierig. Durch die Beteiligung der Amtsleute am Holzgeschäft versuchte man sie zur Zusammenarbeit zu bewegen. Im Jahr 1614 beabsichtigten die Bewohner von Vigo, Holz aus dem Wald Costa Longa zu verkaufen, sodass sich der Hauptmann Georg Recordin im Namen der Untertanen für eine Schlägerungserlaubnis an den Hof in Brixen wandte. Recordin rechtfertigte den Verkauf mit der Erklärung, das Holz sei wegen der großen Entfernung für die Bewohner kaum von Nutzen und sollte daher verkauft werden. In Lazero Calligar hätten die Bewohner einen Abnehmer gefunden, der für 226 Stämme 50 Gulden (13 Kreuzer für einen Stamm) zahlen sollte, die für die Erneuerung des Altars in der Kirche Santa Giuliana bestimmt seien.131 Für die Vermittlung wurde der Richter sicherlich entschädigt. Dass die Mittelsmänner gute Geschäfte witterten, zeigt sich am Beispiel des Holzverkaufs aus dem Wald Costa Longa unter dem Latemar, den die Bewohner von Vigo 1622 beim Brixner Hof beantragten. Der Holzfaktor Piazza schrieb dem Brixner Hof, dass aus diesem Wald 3.000 Museln verkauft werden könnten, ohne dem Wald zu schaden. Daraus würde sich ein gutes Geschäft machen lassen und der Riegel Vigo wäre dann auch bereit, dem Holzkaufmann Maccarini die Nutzung von Holz für die Errichtung einer Riese zu gewähren, die er für den Transport des Holzes aus dem Nigerwald brauchte.132 Für das Jahr 1628 liegt ein weiterer Vertrag zum Verkauf von Holz aus dem Wald Costa Longa vor, der vom Holzfaktor Thomas Piazza, der in der Zwischenzeit auf seinen Vater, Giovanni Battista Piazza, gefolgt war, vorangetrieben wurde.133 Piazza war überzeugt, dass durch einen Verkauf des Holzes gutes Geld gemacht werden konnte. Er informierte den Bischof darüber, dass der Unternehmer Maccarini im angrenzenden Wald Latemar bereits ein Jahr zuvor Schlägerungen vorgenommen hatte, dabei ins bischöfliche Territorium eingedrungen war und 50 Stämme widerrechtlich entnommen hatte. Zudem ließ Maccarini an der Grenze im Gebiet von Welschnofen Holz zur Errichtung von Riesen und Brücken schlagen, sodass die angrenzenden schönen, großen Bäume des Waldes Costa Longa dem Wind ausgesetzt waren. weshalb Thomas Piazza empfahl, die reifen Bäume in diesem Waldgebiet 129 130 131 132 133

TLAI, OÖKKB, GM, 1593, fol. 1985r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1595, fol. 917r. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 13, fol. 24r–26r, 33. SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 16A–G, fol. 23r–25r. Niedermair, Hauptmannschaft, S. 304.

Vermittlungsrolle von Amtspersonen

zu schlagen und zu verkaufen.134 Im Juni 1628 kam es zur Unterzeichnung des Vertrags zwischen Antonio Maccarini und Bischof Daniel Zen. Die Stämme musste die Mindestgröße von einem Fuß (34 cm) Durchmesser haben und Maccarini verpflichtete sich, den Zoll in Fleims zu zahlen. Der Preis für eine Musel wurde mit 36 Kreuzern festgelegt, wobei die Kosten für Schlägerung und Transport sowie der Zoll zu seinen Lasten gingen. Auch für entstandene Schäden musste er aufkommen.135 Der Richter des Fassatals, Simon Calligar da Vall,136 war ebenfalls als Vermittler bei Holzgeschäften tätig und gleichzeitig daran beteiligt. Im Winter 1625/26 war er für die Überwachung des Transportes von 263 Museln verschiedener Maße für die Kaufleute Nordio und Miari und weiteren 288 Museln für den Kaufmann Nicolò Marchiori zuständig. Im Jahr 1635 war er für den Transport von 629 Stämmen auf den San-Pellegrino-Pass im Auftrag des Unternehmers Zuan Maccarini verantwortlich. Calligar ließ die Transporteure schwören, ihren Auftrag ordnungsgemäß und termingerecht durchzuführen, zudem führte er genau Buch über die zu transportierenden Stämme.137 Bereits 1620 musste Calligar zwischen den Bewohnern von Vigo und dem Brixner Hof vermitteln, weil Maccarini in deren Wald Costa Longa für den Transport des Nigerholzes Riesen und Brücken benötigte.138 Als der Holzhändler Pietro Zen den Vertrag mit den Untertanen von Tiers im Jahr 1604 annullieren musste und der Brixner Hof einen neuen Abnehmer für diesen Wald suchte, erhoben die Gerichtsherren von Tiers Anspruch auf eine Beteiligung, die ihnen schlussendlich gewährt wurde, da sie ihre Rechte schriftlich belegen konnten. Ihnen sollte die Hälfte des Gewinns aus dem Holzverkauf im Nigerwald zustehen.139 Diese Praktiken waren auch anderswo verbreitet: Für das Gebiet Buchenstein finden sich dafür einige Beispiele: Der Hauptmann Christoph Prack von Asch hatte 1567 eine Schlägerungserlaubnis für 50 Museln bekommen, effektiv ließ er 700 fällen. Das Holz wurde vom Brixner Hof beschlagnahmt und an Venedig verkauft. 1569 ließ Prack wiederum 300 anstatt der genehmigten 200 Stämme in seinen Zinsgütern schlagen, das Holz wurde wieder beschlagnahmt.140 Dass solche Vergehen mit einem so großen Unterschied zwischen der Bewilligung und den tatsächlichen

134 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 12 C, fol. 10. 135 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 5B–D, fol. 4r–5v (Auf dem Schriftstück findet sich allerdings die Angabe 5G, das Faszikel ist hingegen mit B–C–D gekennzeichnet). 136 Simon Calligar da Vall übte das Amt von 1620 bis 1640 mit Unterbrechungen aus. Gratl, Grenzgerichte, S. 128; Giordani, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-06.html. 137 Giordani, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-06.html. 138 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 12 A–D, fol. 6r–8v; Corazzol, Piani, S. 230. 139 Spitaler, Gericht Tiers, S. 51–52, 59. 140 Steinhauser, Gerichte, S. 122.

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Schlagmengen stattfanden, verdeutlicht, dass eine Kontrolle der Holznutzung in diesen Gebieten für die Obrigkeit schwierig war. Durch die Beteiligung der Amtspersonen am Holzgeschäft versuchte man sich die Zusammenarbeit mit diesen Mittelsmännern zu sichern und so die Kontrolle zu erhöhen. Andererseits war auch eine gewisse Kompromissbereitschaft gegeben, da der Holzhandel viel Geld brachte, auf das die Obrigkeit keinesfalls verzichten wollte.

6.

Die Holzhandelsgesellschaften

6.1 Die Someda von Chiaromonte In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war für die Obrigkeit klar, dass sich mit dem Holz viel Geld verdienen ließ. Die Erfahrung hatte allerdings gezeigt, dass das Holzgeschäft mit hohen Investitionen und organisatorischen Herausforderungen verbunden war, ein Umstand, der die Herrschaft zwang, einen neuen Weg einzuschlagen, nämlich über den Verkauf von Holz am Stock an Unternehmen, die über die nötigen finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen verfügten. Ging es um die Schlägerung und den Abtransport von beträchtlichen Holzmengen, war ein hohes Startkapital notwendig, um ein Geschäft in Gang zu bringen. Dessen Umsetzung konnte sich über einen langen Zeitraum erstrecken und Gewinne ließen sich erst mit der Zeit machen. Da die Unternehmer kaum über das nötige Startkapital verfügten, nahmen sie Kredite auf, die nur jenen gewährt wurden, die bestimmte Garantien geben konnten, und dazu war es nötig, entweder im Familienverbund oder in Form von Gesellschaften zu arbeiten. Vielfach wandten sich diese Kaufleute an venezianische Finanzhäuser, den luoghi pii, oder an deutsche Handelsgesellschaften im Fondaco dei Tedeschi in Venedig. Holz war ein begehrter Rohstoff, weshalb sich Investoren fanden, die bereit waren, große Summen vorzustrecken. In der Holzwirtschaft war die Zeitspanne zwischen Vertrags- und Geschäftsabschluss lang, ein Unternehmen musste damit rechnen, dass der Gewinn Jahre auf sich warten ließ. Bereits bei Vertragsabschluss musste eine beträchtliche Anzahlung geleistet werden. Zudem brauchte es Kapital für die Bezahlung von Werkzeugen, Unterhalt und Entschädigung der Holzfäller und der Transporteure.1 Der Zugang zu Kapital war eine Grundvoraussetzung, um überhaupt eine Schlägerungslizenz zu bekommen. Die Familie Someda von Chiaromonte gehörte zu jenen Unternehmen, die diese Voraussetzungen mit sich brachten. Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts war dieses Unternehmen im Holz- und Wollhandel tätig.2 Im Jahr 1549 kaufte Pellegrino q. Antonio della Lena,3 der Vater Giovanni Somedas, eine Schlägerungskonzession im Fleimstal an der Grenze zu Primör.4 Pellegrino entstammte einer Holzfällerfamilie aus dem Dorf Someda bei Moena im Fassatal. Dank der Aussteuer seiner Ehefrau gelang es ihm, ins Holzgeschäft

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Occhi, Boschi, S. 112–115; Varanini, Richter tirolese, S. 203; Vieceli, L’immagine, S. 11. Dagostin, Valle di Fiemme, S. 52. q. steht für quondam und gibt die Abstammung an, indem der Name des Vaters folgt. Occhi, Relazioni, S. 70.

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einzusteigen.5 Zwischen 1550 und 1565 kaufte er teilweise allein oder als Beteiligter einer Gesellschaft weitere Schlägerungslizenzen und 1562 übernahm er mit Fabiano Pillos, einem Holzhändler aus Calliano bei Rovereto, einen Auftrag für die Schlägerung von 18.000 Museln und 260.000 Klafter Brennholz im Wald Tognola bei Primör für die Dauer von sieben Jahren.6 Weitere geschäftliche Bündnisse schlossen die Someda auch innerhalb der eigenen Verwandtschaft. Diese Gesellschaften aus Familienmitgliedern ermöglichten eine Kapitalanhäufung und somit auch Geschäfte von großem Ausmaß. Giovanni Someda hatte sich 1579 mit den Ehemännern seiner Schwestern zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen, gemeinsam kauften sie weitere Schlägerungslizenzen in Primör. Söhne und Neffen waren für die Koordination und die Kommunikation unter den Mitgliedern in den oft weit voneinander entfernt liegenden Schlägerungsgebieten zuständig.7 Neben den wirtschaftlichen Erfolgen gelang der Unternehmerfamilie Someda auch der soziale Aufstieg: Bereits 1575 erhielt Giovanni Someda das Privileg eines Wappens und Siegels, ein weiteres Privileg wurde der Familie 1601 gewährt, als ihr der Titel von und zu Claromonte zuerkannt wurde. Zudem erhielt Giovanni Battista den Titel eines Ratsherrn (consigliere arciducale) mit dem Recht auf einen Sitz im Landtag. Durch die Heirat des Sohnes Giovanni Battista mit Cornelia Helman di Carlo 1603 sicherte sich die Familie eine Aussteuer von 5.511 Gulden (4.000 Dukaten).8 Das Familienvermögen belief sich mittlerweile auf 150.000 Gulden (115.000 Dukaten). Durch die zweite Eheverbindung Giovanni Battistas im Jahr 1605 mit der Baroness Susanna Trapp und die Ausstattung mit dem Lehen Caldonazzo durch den Schwager Oswald Trapp gegen eine Bezahlung von 15.000 Gulden gelang der Familie der endgültige Aufstieg in die oberen Ränge der Gesellschaft.9 Voraussetzung dafür war der wirtschaftliche Erfolg, der der Familie bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelungen war. Die ersten Geschäftserfolge ergaben sich für die Familie durch den Handel im Fleimstal und dem angrenzenden Gebiet Primör. Bereits in dieser Zeit gab es eine Zusammenarbeit zwischen Pellegrino q. Antonio della Lena und der Familie Zen. Gemeinsam waren sie um 1563 für die Wartung der Schleuse im Cadintal, einer wichtigen Transportverbindung zum Avisio, zuständig, wo sie Holzschlägerungen durchführen ließen.10 Zwischen den beiden Familien gab es, wie bereits erwähnt, eine verwandtschaftliche Bindung,

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Occhi, Boschi, S. 186. Occhi, Boschi, S. 162. Occhi, Boschi, S. 114–116, 163. Die Familie Helman stammte aus Antwerpen und ließ sich 1563 in Venedig nieder. Sie hatte es zu beträchtlichem Reichtum gebracht. Palumbo Fossati Casa, Lungo viaggio, S. 58; Occhi, Boschi, S. 166. 9 Occhi, Boschi, S. 187–191. 10 Occhi, Boschi, S. 163.

Die Someda von Chiaromonte

Abb. 46 Wappen der Familie Someda von Chiaromonte.

Pietro Zen war der Onkel Giovanni Battista Somedas, dem Enkel Pellegrinos, beide Familien hatten eine Beziehung zum Fassatal, Zens Ehefrau stammte ebenfalls von dort. Dass sich Giovanni Someda, der die Geschäfte des Vaters Pellegrino ab 1564 weiterführte, zu den Großen im Holzgeschäft emporarbeiten konnte, zeigen die vielen Verträge, die er zwischen 1560 und 1600 mit der Tiroler Kammer abschloss. Ursprünglich konzentrierte sich die Tätigkeit Giovannis auf den Wald Monte Albiano im Fleimstal und die Wälder im Gericht Primör. Bereits 1566 kam es zu einem weiteren Abkommen mit der Tiroler Kammer für Holz aus dem Cadintal in Fleims und 1571 sagte er dem Arsenal in Venedig die Lieferung von 400 Antennen (Segelmasten) zu. Im Jahr 1579 begann er mit Holzschlägerungen im Gebiet von Primör und Tesino, die bis zum Jahr 1603 andauerten.11 1581 beabsichtigte die Kammer, weitere 3.000 Boroni aus dem Wald Monte Albiano im Fleimstal an die lokalen Holzhändler zu verkaufen.12 Noch im selben Jahr kam von Giovanni Someda der Vorschlag, den Fluss Avisio zu säubern, um ihn flößbar zu machen. Im Gegenzug wollte er sich das Monopol für den Transport auf dem Fluss sichern.

11 TLAI, OÖKKB, GM 1563, fol. 166r, 977r. Vgl. Nequirito, Diritti contesi, S. 35. 12 TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 2256v–2260v.

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In Innsbruck war man von diesem Vorhaben begeistert.13 Die lokalen Holzhändler waren von den Vorteilen hingegen nicht überzeugt und das aus einem guten Grund: Sie fürchteten die Konkurrenz Giovanni Somedas. Wäre dieses Vorhaben gelungen, wären sie in seine Abhängigkeit geraten.14 Denn die Fleimser Holzhändler wussten um die Wichtigkeit dieser Transportroute. Grundsätzlich vergab die Kammer an sie Schlägerungslizenzen, sie organisierten Bringung und Transport zum Avisio, wo das Holz dann einem finanzkräftigen Unternehmer überlassen wurde. Someda hätte seinem Holz den Vorrang gegeben, was so viel hieß, dass sie ihm das Holz verkaufen mussten und keinen Einfluss auf die Preisgestaltung mehr gehabt hätten. Die Schleuse war für die Geschäfte Somedas zudem wichtig, da die Trift aufgrund der beschränkten Transportmengen Probleme bereiten und es deshalb zu Konflikten kommen konnte. Im Mai 1585 bemängelte die Kammer, dass die Räumung des Avisio nur schleppend voranging und dass Someda aufgefordert werden sollte, sein Vorhaben voranzutreiben.15 Im März 1586 sollten die Fleimser Kaufleute ihr Holz für die Trift ans Wasser bringen, bis Mitte Juni mussten die Stämme auf dem Cadinsbach sein, damit sie rechtzeitig zum Avisio weitertransportiert werden konnten, bevor das gefährliche Herbstwasser kam, vermutlich reißendes Wasser, sodass der Transport schwer kontrollierbar war. Eine Schleuse gab es bis dahin nicht, in den Quellen ist immer von Trift die Rede.16 Der Transport des Holzes auf dem Avisio muss den Holzkaufleuten Probleme bereitet haben. Die Lage wird als angespannt beschrieben. Es gab Händler wie Antonio Girardi aus Castello, der 1583 noch 300–400 Boroni aufs Wasser bringen musste, die bereits vier bis fünf Jahre vorher gehackt worden waren.17 Für die Jahre 1585 und 1586 gibt es mehrere Einträge, die auf Spannungen unter den Holzhändlern hinweisen: Jeder wollte sein Holz sobald als möglich ins Tal bringen. Eine besondere Abneigung zeigten die Händler gegenüber Marco Antonio Cazzano, dessen Holz eine Sonderstellung einnahm und als Erstes abtransportiert werden musste, weil er im Auftrag der Tiroler Landesherren arbeitete.18 Vermutlich dachte die Tiroler Kammer in diesen Jahren bereits ernsthaft daran, weitere Holzgeschäfte im Fleimstal mit Giovanni Someda abzuschließen, da er die nötigen finanziellen Voraussetzungen und Fachkenntnisse mit sich brachte. In der Zwischenzeit hatte Someda noch weitere Holzgeschäfte in Gang gebracht, er ließ Holzschlägerungen im Pustertal bei Toblach, im Abteital und in Osttirol

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TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 431v–433v. TLAI, OÖKKB, GM, 1583, fol. 208v–210r. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 669r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1586, fol. 498r–499r. TLAI, OÖKKB, GM, 1583, fol. 627v–628r. TLAI, OÖKKB, GM, 1586, fol. 889r–890v.

Die Someda von Chiaromonte

durchführen.19 Im Februar 1591 kam es erneut zu Verhandlungen, diesmal trug ihm die Kammer wieder Holz aus dem Wald Monte Albiano an. In Innsbruck hoffte man den Handel mit Someda abzuschließen. Dieser verlangte eine Besichtigung der Wälder, was in den Augen der Tiroler Kammer nicht nötig war. Als wichtig erachtete sie aber, Someda über die Triftordnung zu informieren, vermutlich um Konflikte zu vermeiden.20 Diese Verhandlungen mit dem Unternehmen Someda leiteten eine neue Phase im Holzhandel ein. Someda übernahm das Holz nicht erst auf dem Wasser, sondern organisierte den Transport vom Schlägerungsort zum Wasser. Giovanni Battista Someda hatte 1592 in Vertretung seines Vaters Giovanni Someda mit Simon Bertholoto als Vertreter des Sohnes Domenico Bertholoto einen Vertrag zum Abtransport von Holzstämmen mit Ochsenfuhrwerken aus dem Wald Monte Albiano zum Avisio unterzeichnet. Des Weiteren verpflichtet er sich in diesem Vertrag, Getreide und Käse für die Versorgung der Arbeiter zu liefern.21 Es zeigt sich, welche Rolle diese finanzkräftigen Unternehmer in der lokalen Wirtschaft mittlerweile einnahmen. Der Getreidehandel war Teil ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Gebiet, denn sie versorgten nicht nur die Holzfäller und Transporteure mit Getreide, das sie aus ihren landwirtschaftlichen Gütern bei Treviso bezogen, sondern verkauften auch an die lokale Bevölkerung.22 Der Getreidehandel war ein weiterer Einnahmezweig der Someda: Sie brachten Hirse und Mais in die Schlägerungsgebiete und tauschte diese mit Weizen, der über die Grenze bzw. ausgeführt werden sollte, um anderswo verkauft zu werden. Die Zöllner in Fleims machten im Februar 1591 Meldung, dass Someda für den Weizen den Zoll nicht zahlen wollte.23 Im November desselben Jahres ließ Giovanni Someda 2.000 Sack Hirse in die Schlägerungsgebiete im Pustertal bringen. Im Gebiet von Primör war zwischen 1577 und 1601 ein Drittel der Hirse von Giovanni Someda verkauft worden.24 Die Kammer geriet immer mehr in Abhängigkeit: Someda verlangte nicht nur niedrigere Zölle, sondern stellte noch weitere Forderungen: Im August 1588 verlangte er die Schließung der Pässe San Pellegrino und Valles, sodass alles Holz aus dem Fleimstal über den Avisio transportiert werden musste.25 Vermutlich steckte die Absicht dahinter, die lokalen Holzhändler dazu zu zwingen, ihm das Holz aus den Wäldern des Fleimstals zu verkaufen, da die Alternative des Transportes über

19 Das Oberösterreichische Kammerkopialbuch Gemeine Missiven für das Jahr 1587 enthält zahlreiche Einträge zu den Holzgeschäften der Familie Someda. Weiters bei Occhi, Boschi, S. 165. 20 TLAI, OÖKKB, GM, 1591, 230r–231v. 21 Giordano, https://www.storiadifiemme.it/documento-del-mese-2008-02.html. 22 TLAI, OÖKKB, GM, 1581, fol. 986–989; Occhi, Boschi, s. 180. 23 TLAI, OÖKKB, GM, 1591, fol. 231v–232v. 24 TLAI, OÖKKB, GM, 1591, fol. 1750. 25 TLAI, OÖKKB, GM, 1588, fol. 956; GM 1591, fol. 231v–232v.

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die beiden Pässe in die Republik Venedig fehlte und sie daher auf einen Abnehmer für die Trift auf dem Avisio angewiesen waren. Es kam effektiv zur Schließung der Pässe, nur Someda selbst hielt sich nicht an diese Regelung. Die Fleimser Zollbeamten meldeten der Kammer, dass er im Januar 1588 Holz, das nicht verzollt worden war, über den Valles Pass transportieren ließ. Die Beamten fürchteten, dass dieses Verhalten Schule machen könnte.26 Trotzdem ließ die Kammer Someda gewähren. Für Januar 1590 gab es weitere Klagen der Zollbeamten in Fleims, dass Someda den Zoll nicht gezahlt hätte. Laut dem Antwortschreiben aus Innsbruck sollte er zur Zahlung aufgefordert werden, die Beamten mussten Someda aber bei guter lust und willen erhalten, da der Holzhandel viel Geld brachte. Schließlich entschied man sich dafür, ihm den halben Zoll nachzulassen.27 Die Abhängigkeit der Tiroler Landesherren ließ sich immer deutlicher erkennen: Der Holzhandel ermöglichte hohe Einnahmen über Stockgeld und Zoll, weshalb sie daran interessiert waren, weitere Verträge mit den Holzkaufleuten abzuschließen, die immer größere Mengen vorsahen, und dafür waren sie immer wieder bereit, Kompromisse einzugehen, um die Zusammenarbeit mit den mächtigen Holzkaufleuten nicht aufs Spiel zu setzen. Die finanziellen Voraussetzungen bzw. der Zugang zu Kapital in Europas Finanzmetropole Venedig ermöglichten es der Familie Someda, sich dem Holzhandel im großen Stil zu widmen.28 Giovanni Someda hatte 1595 mit dem Unternehmer Giovanni Bovio beim Kloster San Marco und Sant’Andrea von Murano einen Kredit mit einer Verzinsung von sechs Prozent aufgenommen, der 1610 noch nicht vollständig abgezahlt war. Im Jahr 1612 nahm Cristoforo Genetti bei den Strozzi einen Kredit von 750 Dukaten (1.033 Gulden) auf, für den sein Schwager Giovanni Battista Someda Bürgschaft leistete. Genetti übernahm für Giovanni Battista im Gegenzug die Bürgschaft für die Verflößung von Holz auf den Flüssen Brenta und Maso im Wert von 1.500 Dukaten (2.066 Gulden).29 Im Jahr 1604 starb Giovanni Someda und Giovanni Battista führte die Geschäfte des Vaters weiter. Er kaufte weitere Schlägerungslizenzen in mehreren Gebieten, unter anderem in der Gegend von Meran, Klausen, im Ultental und Folgaria.30 Die Schlägerung wurde Subunternehmern überlassen, lokalen Holzhändlern, die die Abholzung und den Transport zum Wasser organisierten. Das Unternehmen Someda hatte sich zu einem wichtigen Handelspartner der Tiroler Kammer etabliert. Um 1604 begann das Unternehmen auch mit dem Brixner Hof Verhandlungen, als dieser einen Abnehmer für das Holz aus dem Nigerwald in 26 27 28 29 30

TLAI, OÖKKB, GM, 1588, fol. 112. TLAI, OÖKKB, GM, 1590, fol. 25r–26r. Occhi, Boschi, S. 114, 169, 189. Occhi, Boschi S. 114 –116. Occhi, Boschi, S. 165, 169.

Die Someda von Chiaromonte

Tiers suchte. Aufgrund der ungünstigen Lage, die den Abtransport von Merkantilholz äußerst schwierig gestaltete, war dieser Wald bis dahin für einen Holzverkauf nicht ins Interesse der Großhändler gerückt.31 Als der Brixner Hof 1604 eine Annullierung des Vertrages forderte, den die Siedlungsgemeinschaft von Tiers mit Pietro Zen geschlossen hatte, stand sicherlich die Absicht dahinter, ein größeres Geschäft mit einem Holzbaron in Gang zu bringen.32 Aus einem Bericht des Stadtrichters von Brixen, Jakob Colz, vom 4. Juni 1604 geht hervor, dass sich der Brixner Hof intensiv damit beschäftigte, ein lukratives Geschäft abzuschließen. Colz begab sich am 18. Mai 1604 mit vier ortskundigen Personen in den Nigerwald, um eine Beschauung durchzuführen. Der Kommission gehörten neben dem Richter von Fassa Michael von Correth, der Anwalt Nicola Brunell, Simon Calligar und fünf Untertanen an. Gemeinsam besichtigten sie das bereits ausmarkierte Waldstück, das Zen für 15 Jahre überlassen worden wäre. Für Colz handelte es sich eindeutig um einen Hoch- und Schwarzwald mit schönem, langem und etwas zarterem Holz als in Buchenstein. Weil es ein Bannwald war, war Colz überzeugt, dass die Untertanen kein Nutzungsrecht hatten, allerdings müssten die Reversbriefe kontrolliert werden, um sicherzugehen, dass dies auch wirklich zutraf. Laut Empfehlung des Stadtrichters sollte das Holz auf keinen Fall Zen überlassen werden. Der Preis, den er zu zahlen bereit war, entsprach nicht dem Wert des doch relativ großen Waldstücks. Zudem gab Colz zu bedenken, dass die Schmelzöfen auf venezianischem Herrschaftsgebiet in naher Zukunft aufgrund des Kohlemangels geschlossen werden müssten. Die Schmelzöfen und Schmieden auf Brixner Gebiet müssten dann mit Kohle aus entfernteren Gebieten versorgt werden, weshalb das Holz aus den Tierser Wäldern noch mehr an Wert gewinnen würde. Und damit sich die Untertanen nicht beschweren könnten, würde ihnen das Kaufgeld zurückerstattet. Der Fürstbischof solle zudem in Erwägung ziehen, auch aus den anderen Wäldern des Gerichts Tiers Merkantil- und Brennholz zu verkaufen. Letzteres sollte auf dem Tierser Bach nach Blumau gebracht und der Stadt Bozen verkauft werden. Die Museln hingegen mussten über den Karerpass nach Moena und dann über den San-Pellegrino-Pass nach Paluetto zur Abzählstelle bzw. Anwässerung auf den Biois gebracht werden.33 Laut Colz war die Machbarkeit gegeben, denn mit dem Holz aus Buchenstein sei man ähnlich vorgegangen und es habe sich ausgezahlt, da auch der Zoll geringer ausfallen würde. Das restliche Holz konnte als Kohle für die Schmelzöfen in Buchenstein verwendet werden, die Entfernung sei zwar groß, aufgrund der steigenden Nachfrage würde sich das Ganze aber rechnen. Sogar die Errichtung eines Schmelzofens im Fassatal konnte aus der

31 TLAI, OÖKKB, GM, 1597, fol. 1399r–1400r; fol. 1224r–v. 32 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 193; 128, 6B, S. 135; 6C, S. 301–302, 315. 33 Corazzol, Piani, S. 179.

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Sicht von Colz in Erwägung gezogen werden. Mit dem Transport der Kohle und der Museln sollten die Untertanen aus Tiers und Fassa beauftragt werden. In summa, meinte Colz, wenn mann die gresse und weite der tierser walder entgegen anderer ort mangl daran bedenckhen will, khünen solliche wälder E(ue)r F(ürstlich) G(naden) und dero Stifft in mer weg zu langen jarn ertrage und nuzparkhaiten geraichen. Colz schloss seinen Bericht mit der Bemerkung, dass der Fürstbischof in seiner Absicht, den Wald Zen oder einem anderen Kaufmann zu überlassen, aus dem Verkauf des Stockrechts beträchtliche Einnahmen erzielen konnte. Als Letztes riet der Stadtrichter dem Fürstbischof, alles gut zu kontrollieren und durchzurechnen, bevor eine Entscheidung getroffen würde.34 Diese Zeilen verdeutlichen die Auswirkungen der ökonomischen Vernetzung auf die lokale Wirtschaft. Colz kannte die Geschäfte, die der Brixner Hof in den 90er Jahren mit dem Unternehmen Maccarini pflegte. Er unterbreitete dem Hof einen Vorschlag, der eine Nutzung der Tierser Wälder unter Berücksichtigung der lokalen Bevölkerung vorsah. Aus den Quellen zum Holzverkauf in Buchenstein zeigt sich aber, dass die Form des Holzhandels, wie sie die Holzbarone vor Augen hatten, wenig Verständnis für die Belange der Bevölkerung implizierte. Der Brixner Hof entschied sich für einen Verkauf am Stock, wie das Konsortium Maccarini-Bovio 1599 vorgeschlagen hatte. Dafür musste ein finanzkräftiger Unternehmer gefunden werden, weshalb Verhandlungen mit dem Unternehmer Giovanni Battista Someda direkt und nicht mit dem Vetter (bzw. lokalen Händlern, die auf Kommission arbeiteten) aufgenommen wurden. Am 18. November 1604 schrieb Someda dem Fürstbischof von Brixen, dass er entweder persönlich oder durch einen Vertreter zu den Verhandlungen um die Tierser Wälder nach Brixen kommen würde.35 In einem weiteren Schreiben vom 14. Dezember 1604 äußert Someda die Absicht, seinen Vetter Pietro Zen in dieser Angelegenheit nach Brixen zu schicken.36 Zen war also nicht ganz von der Bildfläche verschwunden, der Hof bestand aber darauf, die Verhandlungen mit Someda persönlich zu führen. Dieser war an diesem Wald interessiert und erschien auf einer Zusammenkunft mit Jakob Söll im Februar 1605. Dabei wurden die Bedingungen für das bevorstehende Geschäft ausgehandelt. Zwischen dem Hauptmann Söll und Giovanni Battista Someda kam es zu einer ausführlichen Aussprache, die in italienischer und deutscher Sprache schriftlich festgehalten und von Vertretern beider Parteien unterzeichnet wurde.37

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SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, fol. 173–179; DAB, HR, 51, fol. 329v–330r. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 131. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 271. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 109–119.

Die Someda von Chiaromonte

Abb. 47 Vereinbarung des Brixner Hofes mit Giovanni Battista Someda vom 6. Februar 1605 (Original).

Am 6. Februar kam es zur Unterzeichnung einer Vereinbarung, die Folgendes vorsah: Jede Partei musste zwei unparteiische Personen zur Durchführung eines Lokalaugenscheins ernennen, um den Wert des Holzes bzw. den Preis festzulegen. Kam es zu keiner Einigung, würde eine fünfte Person hinzugezogen, so wie es die Praxis vorsah. Daraufhin verpflichtete sich Someda, eine Anzahlung von 2.000 Gulden zu leisten. Er und seine Erben mussten einwilligen, das Holz innerhalb der festgelegten Zeit zu hacken und für eventuelle Schäden für die Bevölkerung aufkommen. Dieser Vorvertrag wurde in zweifacher Anfertigung von beiden Seiten unterschrieben.38 Die Umsetzung dieser Vereinbarung zögerte sich allerdings hinaus, da nicht nur die Untertanen, sondern auch die Stadt Bozen Bedenken anmeldete, weil die Belieferung mit Holz für den regionalen Weinbau dadurch beeinträchtigt werden

38 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 129–131 (Original), S. 163–165 (Kopie).

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konnte. Am 9. September 1605 ließ Giovanni Battista Someda den Brixner Hof wissen, dass ihn dieser Umstand beunruhige und er über eine Fortsetzung des Geschäftes nachdenke.39 Für das Geschäft mit dem Holz aus dem Nigerwald ging es um eine Kaufsumme von 12.000 Gulden, von denen laut einem Schreiben vom 18. Mai 1606 bereits 3.000 Gulden seit mehreren Monaten überfällig waren.40 Noch im selben Monat sollte ein Bote des Fürstbischofs das Geld in Bozen beim Zöllner am Eisack abholen, doch dieser verfügte nur über 1.300 Gulden, worauf sich der Fürstbischof in entsprechendem Ton bei Someda über dessen Säumigkeit beschwerte und eine rasche Bezahlung der Restschuld einforderte. Als neuer Termin wurde der 10 Juni 1606 festgelegt.41 Die erste Rate wurde schlussendlich bezahlt und für die nächste wollte der Fürstbischof bereits im November 1606 in Erfahrung bringen, wann deren Zahlung erfolgen sollte.42 Die Beziehung zwischen dem Brixner Hof und Giovanni Battista Someda gestaltete sich immer schwieriger, der Fürstbischof beklagt in einem Schreiben vom 12. Dezember 1606, dass Someda ihm nicht antworte.43 Im Januar informierte er den Holzkaufmann, dass er seinen persönlichen Boten nach Primör schicken werde, damit Someda ihn über Zeit und Art der Bezahlung der nächsten Rate informiere.44 Ein weiterer Eintrag zur Bezahlung findet sich für den 15. Dezember 1607, wiederum erinnert der Fürstbischof Someda an seine Zahlungspflicht.45 Er schickte seinen Kammerboten nach Primör, dieser durfte allerdings die Grenze nicht passieren.46 Aus einem Schreiben des päpstlichen Notars an den Fürstbischof von Brixen vom 17. Juli 1606 geht hervor, dass Someda nach Bezahlung der ersten Rate dem Fürstbischof Bedenken vorbrachte und ihn wissen ließ, dass er sich aus dem Geschäft zurückziehen würde, sollten weitere Interessenten für den Nigerwald hinzugezogen werden.47 Vermutlich wurden die Verhandlungen aber doch wieder aufgenommen. Unter der reichhaltigen Dokumentation zum Verkauf des Nigerwaldes findet sich eine Liste von Vorschlägen, die Someda an den bischöflichen Kommissar Jakob Söll von Aichperg zu den Holzmengen und Maßen, zur Laufzeit und zum Abtransport gerichtet hat. Das Schriftstück, in Italienisch verfasst, trägt das Datum 29. Oktober 1607 und enthält die Forderungen Somedas und die entsprechenden Antworten

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SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 183–84. DAB, HR 52, fol. 367v–368v. DAB, HR 52, fol. 377r (27.05.1606). DAB, HR 52, fol. 535r (09.11.1606). DAB, HR 52, fol. 548v–549r (12.12.1606). DAB, HR 52, fol. 560v–561r (04.01.1607). DAB, HR 52, 392v–793r (15.12.1607). DAB, HA 27347/78 (18.12.1607). SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7B, S. 65–66.

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des Kommissars. Someda verlangte freien Transport durch das Gericht Tiers und den Bau einer Schleuse auf eigene Kosten auf dem Tierser Bach. Weiterhin forderte er unentgeltlich Holz für den Bau von Riesen und Brücken. Er bestand auf der Verwendung des Fleimser Maßes und der Schlägerung von Stämmen mit Durchmesser von 1¼ Fuß (42 cm) und 15 Schuh (5,10 m) Länge. Er sei auch an Stämmen mit dem Durchmesser von einem Fuß (34 cm) interessiert, allerdings müsse die Länge mindestens 15 Fuß (5,10 m) betragen. Söll sagte ihm den freien Transport durch das Gericht Tiers zu und genehmigte die Errichtung einer Schleuse, die für die Bewohner aber keine Beeinträchtigung darstellen durfte. Holz für Brücken und Riesen würden ihm mit der Auflage, es dort zu entnehmen, wo es gebraucht werde, gewährt. Der Hof stellte die Bedingung, dass sich Someda verpflichten musste, alle Boroni des Nigerwaldes zu schlagen und abzutransportieren. Jedes Jahr musste bei Beginn und am Ende der Waldarbeiten ein bischöflicher Vertreter vor Ort sein, um Anzahl der Stämme und Übergabe zu kontrollieren. Eine Laufzeit von zehn Jahren sollte gewährt werden und bei Vertragsabschluss musste Someda eine Anzahlung von 3.000 Gulden vorstrecken. In einem zweiten Moment stellte Someda noch weitere Forderungen, nämlich dass die Schlägerung von Museln mit einem Durchmesser von einem Fuß (34 Zentimeter) und 12, 13 und 14 Fuß Länge (4 Meter und 4,70 Meter) wie Museln mit 11 Fuß gelten sollten, um sich einen Vorteil bei der Verzollung zu schaffen. Ihm musste gestattet werden, dort zu schlagen, wo der Wald reif war. Wie viel er jährlich aufarbeiten ließ, sollte ihm freistehen. Er verlangte zudem eine Verlängerung der Laufzeit auf 25 Jahre mit einer Ausnahme für Kriegszeiten oder Hungersnöte. Er erwartete zudem, dass ihn die Untertanen in Tiers an diesem Geschäft nicht behinderten. Söll war mit den meisten Forderungen einverstanden, fügte aber die Bedingung hinzu, dass der Holztransport auf Kosten Somedas gehen musste und den Untertanen nicht zum Schaden gereichen durfte. Darüber hinaus bestand er auf einer Laufzeit von zehn Jahren und sagte die Zahlung des Aufschlags von zwei Prozent, der üblichen Zue, zu. Zwistigkeiten mit den Bewohnern müssten rechtlich geklärt werden. Someda gab sich zufrieden, er erklärte sich mit den Bedingungen einverstanden, auch damit, dass die jährliche Schlägerung unter Aufsicht eines bischöflichen Agenten erfolgen sollte, allerdings bestand er auf einer Laufzeit von 25 Jahren. Diese Verhandlungen wurden schriftlich festgehalten und für jede Partei mit der Unterschrift von zwei Vertrauenspersonen versehen: vom Holzfaktor Giovanni Battista Piazza und von Antonio da Troy für den Fürstbischof, von Giovanni Bovio und von Marco Vialeto für Someda.48 In den Unterlagen zum Verkauf des Nigerwaldes findet sich ein weiteres Schriftstück in italienischer Sprache, das ein Vertragsentwurf sein könnte. Verfasst wurde es am 2. November 1607 von Giovanni Battista Someda.

48 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 19–26.

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Die aufgelisteten Bedingungen entsprachen denen, die wenige Tage zuvor mit Söll abgesprochen worden waren. Für die Laufzeit waren in diesem Schriftstück 15 Jahre mit Beginn im Jahr 1608 vorgesehen. Die Boroni sollten eine Länge von 14 Fuß (4,8 Meter), die Museln 12 Fuß (4 Meter) nach Fleimser Maß haben, wie es Someda verlangt hatte, und die Anzahlung sollte sich auf 3.000 Gulden belaufen. Auf der Rückseite des Schriftstückes findet sich ein interessanter Vermerk auf Deutsch: Zen habe den Vertrag in Brixen für Someda vorgelegt.49 Zur Umsetzung kam es aber nicht, denn am 12. November 1609 schrieb der Gerichtsherr Gilg Oswald von Völs an den Brixner Bischof, dass die Verzögerung im Holzgeschäft um den Nigerwald für seine Familie von großem Nachteil sei. Die Überalterung des Waldes führe dazu, dass es zu Windwürfen komme, viele Stämme verfaulten und ein Jungwuchs ausbleibe. Die Verhandlungen mit Someda sollten weitergeführt werden.50 Im Januar 1610 brach Someda das Geschäft mit dem Brixner Hof endgültig ab. Insgeheim führte er aber Verhandlungen mit den Bewohnern von Tiers und Michael von Völs Colonna, der inzwischen die Gerichtsherrschaft innehatte. Die Tierser konnten die von Someda gestellten Forderungen aber nicht annehmen, es kam zu keiner Abmachung.51 Was war geschehen? War Someda in finanzielle Schwierigkeiten geraten, lag es an den schwierigen logistischen Bedingungen oder am Widerstand der Bevölkerung, der sich immer stärker bemerkbar machte? Die Tierser waren mit der neuen Regelung zur Nutzung ihrer Wälder jedenfalls nicht einverstanden und baten darum, die Nutzungsrechte weiterhin in Anspruch nehmen zu können, da sonst ihre Existenz bedroht sei, sie mit Weib und Kind in äußerstem Elend und in Armut lebten und sie die wenigen Pfennige, die ihnen vom Holzerlös blieben, nötig bräuchten.52 In einem Bericht über den Verlauf des Geschäftes zum Nigerwald aus dem Jahre 1610 wird erwähnt, dass Someda ihnen Bedingungen auferlegt habe, die für sie untragbar seien, sie hätten es sogar unterlassen, eine Antwort zu schicken.53 Die schwierigen logistischen Bedingungen konnten ebenso ein Grund für das Verhalten Somedas gewesen sein. Die Holzbringung und der Transport wären unter sehr aufwendigen Bedingungen erfolgt. Giovanni Battista Someda erwähnt in einem Schreiben an den Fürstbischof vom 12. August 1604, dass sich in den Tierser Wäldern alte, überreife Bäume befänden, die von Tag zu Tag verderben würden und deshalb verkauft werden müssten, sodass nicht der Fürstbischof, sondern auch das Haus Österreich und die Untertanen ihren Nutzen hätten. Gleichzeitig äußert Someda darin seine Bedenken zum Abtransport der Stämme, der durch das 49 50 51 52 53

SAB, HSBx, BAB, Lade128, 7D S. 137–140. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6D, S. 383. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6C, S. 304; 7D, S. 105. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 184; 6D, S. 399–400. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 105.

Die Someda von Chiaromonte

enge Tal über Riesen und mit Ochsenfuhrwerken hinab zum Eisack zwar möglich, aber sehr schwierig sei Der Weg bis auf die Landstraße in Blumau sei weit und auf beiden Seiten sei das Tal brüchig und eng, und die Instandhaltung daher mit großen Unkosten verbunden. Zudem müssten große Entschädigungen für die Mühlen gezahlt werden, die sich entlang des Baches befinden. Zudem seien diese Wälder überreif und teilweise bereits faul, sodass geringere Gewinne erzielt werden könnten. Und wenn das Holz nach Bozen gebracht würde, sei der Verdienst nicht groß aufgrund des Zolls, der in Sacco zu zahlen sei.54 Es ist schwer einzuschätzen, welche Beweggründe Someda 1610 dazu führten, sich aus diesem Geschäft zurückzuziehen. Die schwierigen Transportbedingungen waren dem Holzhändler sicher bewusst, obwohl er die Möglichkeit kannte, das Holz über den Karerpass nach Moena und über den San-Pellegrino-Pass zum Biois zu bringen, um dort das Holz auf dem Wasser nach Venedig zu transportieren. Schon Pietro Zen wollte das Holz aus dem Teilstück des Nigerwaldes auf dieser Route abtransportieren. Sicher ist, dass das Unternehmen Someda 1610 in finanziellen Schwierigkeiten war. Giovanni Battista Someda hatte trotz eines Vertrages im Wald Monte Albiano keine Schlägerung durchgeführt und der Aufarbeitung der Windwürfe war er auch nicht nachgekommen.55 Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens werden von einem weiteren Eintrag bestätigt: 1612 wurde ein von Someda für die Innsbrucker Kammer auf den Juden Max May ausgestellter Wechsel von 2.000 Gulden zurückgewiesen. Someda war finanziell nicht mehr glaubwürdig. Weitere Hinweise finden sich in den Schreiben der Tiroler Kammer, die sich 1615 darüber beklagte, dass Someda für die vor 14 Jahren ausgestellte Holzkonzession im Wald Campo di Busi noch nie gezahlt habe und ihm daher die Schlägerungslizenz entzogen und Martino Maccarini überlassen werden solle. Vermutlich hatten die Zahlungsschwierigkeiten der Familie Someda dazu geführt, dass sich die Beziehung zur Tiroler Kammer verschlechterte, sich diese deshalb nach einem neuen Abnehmer umsah und Verhandlungen mit dem Unternehmen Maccarini aufnahm.56 Die Geschäfte liefen weiterhin nicht gut, um 1618 beliefen sich die Schulden des Unternehmens mittlerweile auf 48.118 Gulden.57 Die Konflikte mit anderen Unternehmern wegen Schlägerungslizenzen und mehrere Intrigen während einer Auseinandersetzung mit den Herren von Welsperg erschwerten ihre Lage. 1618 kam es zu einer Beschlagnahmung von Holz, das für Someda auf dem Eisack transportiert werden sollte. 54 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 285–289. 55 TLAI, OÖKKB, GM, 1610, fol. 1338r. 56 TLAI, OÖKKB, GM, 1615, fol. 867r, 1082r–v; GM 1617 fol. 568v; GM 1618, fol. 1179r; GM 1619 fol. 1000r. 57 Occhi, Relazioni, S. 71.

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Die Holzhandelsgesellschaften

Die Familie Someda versuchte durch den Verkauf von Gütern und Holzschlägerungsrechten der Sache Herr zu werden, es gelang ihr aber nicht. Zunehmend musste sie Schlägerungskonzessionen an andere Unternehmer abtreten und 1631 kam es zum endgültigen Bruch mit der Tiroler Kammer, als der Antrag für eine Schlägerungslizenz im Nonstal und im Val di Sole verweigert wurde. Occhi glaubt, dass der Niedergang der Someda mit ihrem sozialen Aufstieg zusammenhing, der anderen Adeligen wie den Herren von Welsperg ein Dorn im Auge war.58 Ihr Reichtum und ihre Geschäftstüchtigkeit sicherten der Familie Someda die Gunst der Tiroler Landesherren, konnten sie aber nicht vor ihren Gegnern schützen.

6.2 Das Unternehmen Maccarini In Brixen war man nach der Ankündigung Somedas, sich vom Vertrag um den Nigerwald zurückzuziehen, auf der Suche nach einem neuen Vertragspartner, der sich allerdings nicht so leicht finden ließ. Gilg Oswald von Völs, der Gerichtsverwalter, schlug dem Bischof vor, mit einem Kaufmann namens Martin Pariß aus Rovereto die Verhandlungen aufzunehmen, was erfolglos geblieben sein musste, da von Völs im Juni 1611 aufgefordert wurde, sich weiter nach Interessenten umzusehen.59 Vermutlich hatte er an einen Verkauf von Teilstücken gedacht, was allerdings nicht im Sinne des Brixner Hofes war, der einen Handel im großen Stil durchziehen wollte. Der Holzfaktor Giovanni Battista Piazza riet dem Fürstbischof ebenfalls, einen finanzkräftigen und erfahrenen Unternehmer für den Nigerwald zu suchen, denn dieser Wald sei ein schwieriges Geschäft und der Zoll, den die Kaufleute für das Holz zahlen müssten, sei hoch. Piazza war überzeugt, dass mit diesem Wald nur ein Geschäft gemacht werden konnte, wenn er als Ganzes an einen einzigen Holzkaufmann veräußert werden konnte. Er riet deshalb vom Verkauf von Teilstücken ab.60 Im Jahr 1617 gab es auf Betreiben der Tierser Untertanen noch einen Versuch, die Obrigkeit zum Verkauf des Nigerwaldes an Pietro Zen zu bewegen, doch ohne Erfolg. Um dem immer wiederkehrenden Versuch der Untertanen, das Holz an Zen zu verkaufen, ein Ende zu bereiten, wollte der Hof Letzterem eine Abfindung zahlen. Zen selbst klagte nämlich über finanzielle Schäden, die ihm durch die Kündigung des Vertrages im Jahr 1604 entstanden waren. Die Entschädigung sollte über die Einnahmen aus dem Geschäft mit dem Unternehmen Maccarini, mit dem man in Verhandlung getreten war, gedeckt werden.61 58 59 60 61

Occhi, Boschi, S. 192–200. DAB, HR, 53, S. 455 (23.03.1510); SAB, HSBx, BAB, 128, 6C, S. 308. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6C, S. 47. SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6C, S. 310–312.

Das Unternehmen Maccarini

Noch im selben Jahr nahm der Hof Kontakt mit dem venezianischen Holzkaufmann Giovanni Maccarini auf. Die Familie Maccarini stammte ursprünglich aus dem Ledrotal im Trentino und hatte es durch den Holzhandel zu beträchtlichem Reichtum gebracht. Bortolo Maccarini gelang es 1561, für sich und seine Familie das venezianische Bürgerrecht zu erlangen, eine große Errungenschaft, da sie erhebliche Steuerbegünstigungen mit sich brachte. Zum Familienverbund gehörten auch Martino Maccarini und Giacomo Maccarini, deren Söhne Antonio Maccarini und Giovanni Maccarini sich um 1620 definitiv auf dem Festland im Gebiet von Fonzaso und Mel niederließen. Andere große Holzkaufleute, insbesondere die Angeli und Petricelli, waren ebenfalls in dieser Gegend aktiv.62 Es handelte sich um ein Gebiet, das für den Holzhandel von besonderer Bedeutung war: Dort mündete der Cordevole in den Piave, die Verbindung zu Venedig. Die Gegend eignete sich für die Lagerung von Holz und die Errichtung von Sägen. Die Maccarini bevorzugten diesen Standort, weil es wichtig war, den Ablauf des Holzgeschäftes unter Kontrolle zu haben. Von dort waren die Schlägerungsgebiete erreichbar, Faktoren konnten mit der Überwachung des Transportes der Ware auf dem Wasser beauftragt werden und sie selbst die Arbeit in den Sägewerken kontrollieren. Im Holzgeschäft gab es viel Betrug und Unterschlagung, deshalb musste der Geschäftsablauf überschaubar sein. Corazzol verwendet für diese Holzbarone den Ausdruck globale Unternehmer (operatori globalisti), weil sie den ganzen Ablauf des Holzgeschäftes überwachten, von der Schlägerung in den Alpen bis zur Verwendung des Rohstoffes in der Lagunenstadt, was eine entsprechende Vielseitigkeit erforderlich machte und gleichzeitig den Gewinn steigerte.63 Gigi Corazzol gelingt es mit Anekdoten, uns die Realität der Holzgeschäfte und ihrer Akteure etwas näherzubringen: „Eines Morgens kam der reiche Holzhändler Francesco Zorzi nach Costa del Casel, wo ein Mann und seine Frau einen kleinen Acker bearbeiteten. Zorzi war verärgert und wollte wissen, wer den beiden erlaubt hatte, den Acker zu bebauen und dabei den angrenzenden Buchenwald zu lichten. Der Mann antwortete, dass er

62 Simonato Zasio schreibt über diese Familien, dass sie in der Gegend von Fonzaso mit dem Holzhandel viel Geld gemacht hätten. Dort wurden die Stämme, die über den Fluss Cismon nach Fonzaso zu den Sägewerken gebracht wurden, zu Bretter geschnitten und weiter über den Brenta zu ihren Lagerhallen nach Venedig zum Verkauf gebracht. Um 1625 betrieben die Angeli in Fonzaso vier Sägewerke. Für die Jahre 1647 und 1649 wurden für die Familie Petricelli 48.000 Stück Holz verzeichnet, für Antonio Maccarini um die 40.000 und für die Angeli etwas weniger als 40.000. Simonato Zasio, Taglie, S. 43–46. Informationen zu diesen Familien finden sich auch in Corazzol, Brevi, S. 39–44. 63 Corazzol, Piani, S. 105. Corazzol, Cineografo, S. 217–220.

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es selbst gewesen sei, um dem Acker mehr Sonnenlicht zu gewähren. Zorzi steinigte den Mann, der ihm auf diese Weise Buchenstämme stehlen wollte.“64 Die Episode zeigt, wie rigoros und gewaltsam gegen das verbreitete Phänomen des Holzfrevels vorgegangen wurde, Selbstjustiz gehörte zum Alltag. Das Beispiel verdeutlicht zudem die Beziehung der Bewohner zu den reichen Unternehmern. Die Holzkaufleute waren bei den Mitbewohnern nicht gut angesehen, immer wieder ergaben sich Spannungen und dennoch mussten sich beide Seiten kooperativ zeigen. Die Bewohner waren in Krisenzeiten auf die finanzielle Rückendeckung in Form von Krediten angewiesen, weshalb sie dem Unternehmen Maccarini die Konzession für neue Wälder nicht verweigern konnten.65 Wie die Familie Someda setzten auch die Mitglieder der Familie Maccarini auf gezielte Heiratsstrategien, was zur verwandtschaftlichen Bindung mit weiteren Unternehmen wie dem der Petricelli und der Angeli führte und zum sozialen Aufstieg und dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitrug. Während die Unternehmerfamilie Someda von Chiaromonte um 1620 immer mehr in Schwierigkeiten geriet, schafften es die Familien Maccarini, Angeli und Petricelli zusehends, ihren Einfluss und ihre Geschäfte mit dem Innsbrucker Hof und dem Brixner Fürstbischof weiter auszubauen.66 Über ihre Tätigkeit seit 1585 in Buchenstein hatten die Maccarini viel Erfahrung gesammelt. Mit Giovanni Maccarini machte das Unternehmen einen weiteren Sprung, der vermutlich für den Erfolg dieser Familie ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Giovanni Maccarini versuchte die Abhängigkeit von lokalen Akteuren so weit wie möglich zu reduzieren. Die Abwicklung des Geschäftes musste über eigene Leute erfolgen, beginnend bei der Schlägerung und dem Transport zum Wasser. Nur eine rechtzeitige Übernahme an der Abzählstelle an den Flüssen garantierte die sichere Ankunft der gesamten Ware bei den Sägewerken. Die Verträge, die Giovanni Maccarini mit dem Fürstbischof von Brixen ab dem Jahr 1620 schloss, zeigen die Entwicklung deutlich. Nachdem das Geschäft zum Nigerwald mit Someda geplatzt war und über einen längeren Zeitraum ein Abnehmer gesucht worden war, kam der Hof schließlich mit Giovanni Maccarini ins Geschäft: In einem Schreiben des Faktors Giovanni Battista Piazza an den Fürstbischof von Brixen wird der Nigerwald als ein schöner, reicher Wald beschrieben, mit dem sich ein Geschäft machen ließe und an dem sich der Kaufmann Maccarini äußerst interessiert gezeigt habe.

64 Corazzol, Piani, S. 47–48. 65 Corazzol, Piani, S. 105–107. 66 Corazzol und Occhi bringen dazu ein Schreiben Domenico Giannettinis an die Gräfin von Tirol. Claudia de Medici, in dem die Bedeutung dieser drei Unternehmen hervorgehoben wird. Corazzol/ Occhi, Da Fonzaso, S. 8; Corazzol, Piani, S. 102–104.

Das Unternehmen Maccarini

… Zuanne Macharini desidera questi boschi, qual già a dato una supplica alli signori conselieri di Vostra Altezza Serenissima nella quale se offerisse di voler questo negotio in pratica …67

Da dieses undatierte Memoriale an Fürstbischof Karl I. von Österreich (1613–1624) gerichtet und vor Beginn der Schlägerungen im Jahr 1620 verfasst wurde, fällt es in die Zeitspanne, in der die Herren von Völs dringendst einen Käufer suchten. Das wusste Maccarini mit Sicherheit und das lässt auch erahnen, warum er mit dem Gerichtsherrn von Tiers, Michael von Völs Colonna, am 14. November 1619 einen Vertrag aushandelte, der ihm viele Vorteile gebracht hätte. Es fehlte nur die Zustimmung bzw. schriftliche Bestätigung des Fürstbischofs, die am 26. Mai 1620 erfolgen sollte. Die Abmachung mit Michael von Völs sah den Verkauf von jährlich 1.000 Museln für eine Zeitspanne von vier Jahren mit einer Mindestlänge von 10½ Fuß (3,65 Meter) und einem Durchmesser von 1¼ Fuß (43 Zentimeter) vor, also nur schöne Stämme; zu kleine, faule oder kaputte würde er zurücklassen, jeglicher Zoll sollte zu Maccarinis Lasten gehen. Die Schlägerungsarbeiten würden von seinem Faktor kontrolliert werden und von Völs musste garantieren, dass weder Verwandte des Gerichtsherrn noch die Untertanen Probleme machen würden. Als Anzahlung waren bei Vertragsabschluss 100 Gulden vorgesehen, weitere 500 Gulden im April 1620, 300 Gulden im April 1621 und die restlichen 300 im Jahr 1622, was eine Gesamtsumme von 1.200 Gulden für 4.000 Museln bzw. einen Stückpreis von 18 Kreuzern die Musel ergab. Zudem behielt sich Maccarini vor, jederzeit aus dem Vertrag zurücktreten zu können. Er dachte sicherlich nicht an einen solchen Schritt, wollte sich aber absichern, denn besonders wichtig war für ihn, dass kein anderer Unternehmer in das Geschäft hineingezogen wurde. Er ging davon aus, dass es für die Tierser Wälder noch weitere Verträge geben würde, die nur mit ihm abgeschlossen werden durften. Er erhob das alleinige Recht, diese Wälder über einen längeren Zeitraum zu nutzen, kein anderer Unternehmer durfte ins Spiel kommen.68 Diese Forderungen zeigen, welche Monopolstellung sich Maccarini sichern wollte. Nicht nur der angebotene Preis war äußerst niedrig, Maccarini forderte zudem nur das Beste aus dem Wald, und die Bevölkerung musste von jeglicher Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen werden. An diesen Bedingungen lassen sich Veränderungen im Holzgeschäft erkennen, die für die lokale Wirtschaft nicht ohne Folgen blieben. Maccarini suchte für seine

67 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 4A, B, C, fol. 9r. 68 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 4B, fol. 17r–18v. Siehe dazu auch Corazzol, Piani, S. 227.

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Die Holzhandelsgesellschaften

Holzgeschäfte nicht mehr die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, sondern organisierte seine eigenen Trupps mit Fachleuten aus den verschiedensten Gebieten, wenn es notwendig war. So schuf er sich eine gewisse Unabhängigkeit. Er beschäftigte für die Verflößung Fachleute aus Agordo, für das Binden der Stämme zu Flößen beauftragte er die Flößer aus Bribano und für die Schlägerungsarbeiten holte er sich Waldarbeiter aus Bergamo, Asiago und Tirol. Für die beträchtliche Anzahl von Beteiligten übernahm er die Versorgung mit Lebensmitteln (Getreide, Käse und Wein), die ebenfalls importiert wurden.69 Der Holzfaktor Piazza zeigte sich in seiner Stellungnahme zum Vorschlag Giovanni Maccarinis nicht in allen Punkten einverstanden: Für ihn nahm sich Maccarini zu viele Freiheiten. Der Preis war zu tief angesetzt und er verlangte, dass Maccarini auch Stämme mit einem geringeren Durchmesser als 34 Zentimeter hacken ließ. Es konnte ihm nicht erlaubt werden, nur das schönste Holz abzutransportieren. Zudem sollte der Faktor Maccarinis nicht freie Hand haben und ohne Kontrolle Bäume fällen lassen, wie es ihm beliebte. Es musste eine genaue Zuweisung geben und keinesfalls wollte man weitere Interessenten aus den Verhandlungen von vornherein ausschließen.70 Die Empfehlungen Piazzas wurden in den Vertrag vom 26. Mai 1620 aufgenommen. Was den Preis anging, hatte der Hof aber seine eigenen Vorstellungen: Er forderte 48 Kreuzer und nicht 30 Kreuzer, wie von Piazza vorgeschlagen. Der fürstbischöfliche Faktor stellte sicher Überlegungen im Interesse des Hofes an, es kann aber davon ausgegangen werden, dass es Absprachen zwischen ihm und Maccarini gegeben hat. Die Dokumente über die Holzgeschäfte Maccarinis mit dem Fürstbistum in Buchenstein zeigen, dass Piazza eine Schlüsselrolle im Holzgeschäft zukam. Doch in Brixen gab es weitere Vertrauenspersonen, die sich im Holzgeschäft auskannten. Der Stadtrichter Jakob Colz hatte dem Hof schon zu Zeiten der Verhandlungen mit Someda den Wert des Nigerwaldes deutlich gemacht. Maccarini willigte in die Forderungen des Hofes schlussendlich ein, er war bereit, 48 Kreuzer für eine Musel zu zahlen.71 Vergleicht man die Verträge von Someda aus dem Jahr 1604 mit denen von Maccarini von 1620, so zeigt sich, dass Maccarini sehr gute Bedingungen zugestanden wurden. Der Hof konnte zwar den Preis festlegen, musste dem Holzkaufmann im Wald aber mehr oder weniger freie Hand lassen und ihm zusichern, dass er allein über Jahre die Nutzungsrechte geltend machen konnte, die Untertanen mussten

69 Dass Familien wie die Maccarini, Angeli und Petricelli auch im Getreidehandel tätig waren, zeigt der Kauf einer Ackerfläche für den Getreideanbau, den mehrere Besitzer dem Unternehmer Petricelli überließen. Corazzol, Brevi, S. 40. Des Weiteren dazu in: Occhi, Boschi, S. 79; Corazzol, Piani, S. 107, 113–114, 118. 70 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 4B, fol. 19v. 71 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 4B, fol. 7r.

Das Unternehmen Maccarini

davon ganz ausgeschlossen werden. Während im Vertrag von Someda noch die Rede davon war, dass sich Someda mit den Untertanen einigen und für Schäden aufkommen müsse, scheint dieser Punkt in den Verhandlungen mit Maccarini wenig Bedeutung zu haben. Mit dem Gerichtsherrn von Tiers hatte Maccarini noch ausgehandelt, dass sich die Untertanen heraushalten müssten; im endgültigen in Brixen ratifizierten Abkommen werden die Untertanen nicht mehr erwähnt. Vermutlich wollte sich der Brixner Hof dazu nicht äußern, obwohl die Vergangenheit gezeigt hatte, dass sich die Bewohner des Tales wehrten und ihre Rechte geltend machten. Die Probleme, die sich durch den Ausschluss der Bevölkerung vom Holzgeschäft ergeben konnten, waren auch von den Herren von Welsperg beklagt worden, als Giovanni Someda 1591 Schlägerungen in ihrem Herrschaftsgebiet durchführen ließ. Die Antwort, die die oberösterreichische Kammer ihnen zukommen ließ, war eindeutig: Diese Entscheidung musste den Kaufleuten überlassen werden.72 Die Obrigkeit war in Abhängigkeit dieser Kaufleute geraten, ihren Forderungen musste nachgegeben werden, wenn man aus dem Holzverkauf beträchtliche Gewinne erzielen wollte. Die Folgen dieser weitläufigen ökonomischen Vernetzung, bei der erhebliche Mengen an Waren über große Entfernungen zu den Absatzmärkten gebracht werden mussten, mit immer weniger Berücksichtigung der lokalen Bedürfnisse und dem einzigen Ziel, hohe Gewinne zu erlangen, machten sich bemerkbar: Über Jahrhunderte praktizierte Wirtschaftsweisen und örtliche Regelungen zur Nutzung der Ressourcen wurden außer Kraft gesetzt, um den Anliegen der Investoren entgegenzukommen. Corazzol schreibt in diesem Zusammenhang über Holzkaufleute wie Giovanni Maccarini, dass sie von der Bevölkerung gehasst würden, weil durch sie das Gleichgewicht vor Ort ins Wanken gerate, alte Nutzungsrechte auf einen Schlag aberkannt und die Bewohner in ihrem Wirtschaften stark eingeschränkt würden.73 Wurde den Bewohnern die Nutzung der Wälder verboten, fehlten Einnahmen aus dem Verkauf des Holzes. Im Falle der Untertanen in Tiers und Welschnofen waren es die Einnahmen aus dem Verkauf von Brennund Weingartholz im Bozner Talkessel. Kam es in einem Gebiet zur Schlägerung und zum Abtransport von einer größeren Holzmenge, mussten zusätzlich Holzfäller und Transporteure von auswärts angeheuert werden, um die Stämme termingerecht zu den Flüssen zu bringen. Im Falle des Holzes aus dem Nigerwald sollten jährlich in der Zeit von Januar bis April 1.000 Museln auf 8 Kilometer mit Ochsenfuhrwerken zum Karerpass gebracht werden, um von dort auf Riesen nach Moena abgelassen und weiter auf dem Landweg über 14 Kilometer über den San-Pellegrino-Pass zur Abzählstelle bei

72 TLA, OÖKKB, GM, 1591, fol. 1301r–v. 73 Corazzol, Piani, S. 117–118.

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Die Holzhandelsgesellschaften

Paluetto transportiert zu werden. Von dort gelangte das Holz auf dem Flusssystem Biois-Cordevole-Piave nach Mel zu den Sägewerken. Es war durchaus möglich, dass sich auch vor Ort unter den Bewohnern genügend Waldarbeiter und Transporteure fanden. Ob Maccarini sie einstellte, ist für Tiers nicht belegt. Das hing sicherlich von deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit ab. Corazzol bringt in diesem Zusammenhang ein Beispiel, das die Dynamik bzw. die Schwachstellen dieser Geschäftsbeziehungen mit lokalen Arbeitskräften zeigt. Der Holzfaktor Piazza riet dem Brixner Hof im Jahr 1596, sich für den Transport von jährlich 2.000 Museln mit dem Kauf von zehn Ochsenpaaren und 100 Karren Heu vorsichtshalber abzusichern, sollten die lokalen Transporteure übertriebene Forderungen74 stellen. Im Jahr 1622 ergab sich genau eine solche Situation, die Transporteure verlangten einen höheren Preis für den Transport, da sie gezwungen waren, Ochsen dazuzukaufen, vor allem weil es für den Transport der großen Stämme kräftige Ochsen brauchte, die nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren. Im Berggebiet war es nur möglich, so viele Tiere zu halten, wie es die Weiden und Mahdwiesen erlaubten. Das führte dazu, dass Zugtiere von auswärts organisiert werden mussten, die im Herbst aber wieder zum Verkauf standen, da das Futter im Winter nicht gereicht hätte.75 Dasselbe galt für die Holzfäller, es brauchte eine ausreichende Zahl, um die vorgesehenen Mengen zu hacken. Solche Situationen führten dazu, dass zeitweise vor Ort viel mehr Menschen und Tiere zu versorgen waren, weshalb die Einfuhr von Lebensmitteln und Futter notwendig war, mit erheblichen Auswirkungen auf die Preise. Die Anstellung von saisonalen Arbeitskräften verringerte für die Unternehmer die Abhängigkeit von der lokalen Bevölkerung, wie folgende Beispiele zeigen: 1598 verlangten die Transporteure in Buchenstein höhere Auszahlungspreise für ihren Dienst. Sie wussten, dass Maccarini auf sie angewiesen war, wenn der Transport der Stämme zum Wasser rechtzeitig durchgeführt werden sollte, und sie nützten diese Situation aus. Nur der Befehl aus Brixen, die nötigen Fuhrwerke zu stellen, konnte hohe Geschäftsverluste verhindern.76 Eine ähnliche Situation ergab sich für das Nigerholz, das vom Karerpass nach Moena über Riesen abgelassen werden musste. Die Bewohner Vigos weigerten sich ursprünglich, Maccarini das notwendige Holz für Brücken und Riesen in ihrem Wald Costa Longa zu überlassen mit der Begründung, es selbst für die Hausnotdurft zu brauchen. Auch in diesem Fall war eine Weisung aus Brixen notwendig, um die Untertanen umzustimmen.77 Als Maccarini 1629 die Welschnofner mit dem Transport von Stämmen aus den 74 75 76 77

Corazzol, Piani, S. 241–242. Corazzol, Piani, S. 242 und 243, Fußnote 163. Corazzol, Piani, S. 194–198. SAB, HSBx, BAB Lade 69, 12B, fol. 6r–8v; Corazzol, Piani, S. 230.

Das Unternehmen Maccarini

Wäldern beauftragte, sagten diese zuerst zu, weigerten sich dann aber, weil sich Maccarini nicht an die Abmachungen hielt und den Wald verwüstete, sodass sie ihre Tiere nicht mehr auf die Weide bringen konnten. Er beklagte bei der Tiroler Kammer großen schaden und unkosten.78 Solche Abhängigkeiten galt es in den Augen Maccarinis so gering wie möglich zu halten.

Abb. 48 Muselrechnung.

Noch eine Entwicklung lässt sich feststellen. Trotz Aushandlung von Vertragsbedingungen verhielten sich Unternehmer wie Maccarini oft eigenwillig und hielten sich nicht an die Vereinbarungen. Der Vertrag zum Nigerwald regelte zwar Mengen, Maße, Gebiete und den Zoll, Maccarini hielt sich aber nicht an diese Abmachungen und räumte sich viel mehr Spielraum ein: Er nahm sich nur das Beste und ließ viel brauchbares Holz zurück. Der Hofrat verbot ihm in einem ersten Moment weiterzuarbeiten, gab aber schließlich nach und ließ ihn die Holzarbeiten weiterführen. Die

78 TLA, OÖKKB, GM, 1630, fol. 1004r–v.

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Die Holzhandelsgesellschaften

Tab. 13 Extrakt zum Muselverkauf aus dem Nigerwald 1622–1629 Jahr

Museln

1622 1623 1624 1625 1526 1527 1528 1529

680 788 681 171 110 568 15 463

mit Zue 2 % Zugabe 694 804 695 175 112 580 -

Preis für eine Musel 48 48 48 48 48 48 48 24

Kreuzer 544 630 544 136 88 454 12 185

00 24 48 48 24 12

Holzschlägerungen im Nigerwald wurden noch bis 1629 fortgeführt.79 Im Bozner Staatsarchiv gibt es eine Auflistung der Museln, die dem venezianischen Holzbaron Maccarini in den Jahren 1622 bis 1629 verkauft wurden. Trotz der Möglichkeiten Maccarinis scheint die Holzmenge aus dem Wald Niger bescheiden: Laut Vertrag waren 1.000 Museln pro Jahr vorgesehen, die Abholzung war eindeutig geringer. Während sich die Menge an geschlagenem Holz in den Jahren 1622 bis 1624 noch auf 500 bis 600 Museln belief, sank die Menge in den letzten Jahren beträchtlich. Im Jahr 1623 bat Maccarini in einem Brief um Aufschub, da sich der Transport lang und schwierig gestaltete. Es konnten nur 694 Museln nach Canale d’Agordo gebracht werden, wo Anfang Mai jeweils die Übergabe und die Bezahlung erfolgten, 1.300 Museln waren auf der Strecke geblieben.80 Trotzdem wurden die Geschäftsbeziehungen bis 1630 weitergeführt, es kam sogar zu einer deutlichen Preissenkung, vermutlich aufgrund der schwierigen Bedingungen. Im Jahr 1630 zahlte Maccarini nur noch 24 Kreuzer für eine Musel. Nicht mehr 1.000 Museln, sondern 500 sollten jährlich gefällt und abtransportiert werden, davon 440 mit einem Mindestdurchmesser von 43 Zentimetern, die restlichen 60 mit 37,6 Zentimetern.81 Der Fürstbischof musste Kompromissbereitschaft zeigen, wollte er das Holz aus dem Nigerwald verkaufen. Einfacher dürfte das Holzgeschäft im Wald Costa Longa gewesen sein, zu dem sich Giovanni Maccarini mit den Bewohnern von Vigo 1622 geeinigt hatte. Der Holzfaktor Giovanni Battista Piazza hatte dem Fürstbischof von Brixen zu diesem Geschäft geraten, damit die Bewohner von Vigo im Gegenzug Maccarini das Holz

79 Spitaler, Gericht Tiers, S. 61. 80 Laut Vertrag waren zwei Anzahlungen vorgesehen, jeweils eine im Mai und im November, der Rest sollte bei der Übergabe in Paluetto bei Canale d’Agordo am 23. April (hl. Georg) erfolgen. Die effektive Übergabe war laut dem bischöflichen Verzeichnis jeweils in der ersten Maihälfte erfolgt. Corazzol, Piani, S. 229. 81 Corazzol, Piani, S. 231.

Das Unternehmen Maccarini

für Riesen in diesem Wald zugestehen würden, die für den Transport des Holzes aus dem Nigerwald benötigt wurden.82 Dass das Unternehmen Maccarini jede Gelegenheit nutzte, um die Gewinne zu steigern, zeigte sich auch in diesem Zusammenhang. Giovanni Maccarini bat die Tiroler Kammer, den Zoll für das Holz aus dem Wald Costa Longa zu halbieren, da es Teil des Geschäftes zum Nigerwald war, für das ein Zollnachlass gewährt worden war. Die Tiroler Kammer war aber informiert, dass es sich um zwei verschiedene Wälder handelte und der Wald Costa Longa im Gegensatz zum Nigerwald durchaus gute Transportbedingungen aufwies, weshalb sie dieser Forderung nicht nachkommen wollte.83 Die Tiroler Kammer wusste um die Bedingungen der Wälder am Fuße des Latemar, denn wenige Jahre später ging das Unternehmen Maccarini weitere Geschäfte für Holz aus den Wäldern an den Hängen des Latemar im Gebiet von Welschnofen ein. Pietro Zen hatte 1622 ebenfalls um den Verkauf von 2.000 Stämmen (Tschoggen) aus dem Karer- und Tscheinwald angesucht. Die Kammer forderte vom Zollamt in Fleims eine Einschätzung dieses Antrags ein, die vermutlich nicht zu Zens Gunsten ausgefallen war, denn 1625 gewährte sie Antonio Maccarini im Karerwald einen Holzschlag von 3.000 Stämmen (Tschoggen) und wenige Jahre später erhielt er die Genehmigung für einen Holzschlag in den Wälder Tschein, Latemar und einem Teil des Karerwaldes.84 Pietro Zen wollte man das Holz vermutlich nicht überlassen, da man einen finanzkräftigen Unternehmer suchte. Die Tiroler Kammer entschied sich für Maccarini, der 1629 mit den Schlägerungen begann. Ähnlich wie im Nigerwald hielt sich Antonio Maccarini nicht an die Vereinbarungen. Drei Jahre nachdem die Bedingungen ausgehandelt worden waren, hatte Maccarini immer noch nicht den Revers bzw. die schriftliche Abmachung mit den Vertragsbedingungen nach Innsbruck geschickt, sodass eine genaue Kontrolle über die Einhaltung der Vereinbarung nicht möglich war. Auch an die Waldordnung hielt er sich nicht und sollte vom Zöllner in Fleims dazu aufgefordert werden.85 Nach den Wäldern unter dem Rosengarten und Latemar sicherte sich das Unternehmen Maccarini weitere Nutzungsrechte im Fassatal, im Nikolaustal, das zum Riegel Pozza gehörte. Der Vertrag sah eine Dauer von vier Jahren und die Schlägerung von jährlich 1.000 Museln zu einem Preis von 48 Kreuzern das Stück vor.86 Dass sich das Unternehmen über andere hinweggesetzt hatte, belegen weitere

82 83 84 85 86

SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 16A–C, fol. 23v–24r. TLAI, OÖKKB, GM, 1623, fol. 83r. TLAI, OÖKKB, GM, 1622, fol. 131v–132r; GM, 1625 fol. 15r; GM, 1626, fol. 216v. TLA, OÖKKB, GM, 1630, fol. 1147r–v; fol. 1393r–v. Corazzol, Piani, S. 235–236.

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Die Holzhandelsgesellschaften

Schlägerungskonzessionen im Fleimstal für die Wälder Viderna, Stornaza, Tesiner, Colmandro und Liviosa.87 Diese Beispiele zeigen, dass das Holzgeschäft immer mehr von einigen wenigen dominiert wurde, in der untersuchten Region war es das Unternehmen Maccarini, das ab 1620 die Wälder in diesem Gebiet für sich beanspruchte. Beziehungen und finanzielle Möglichkeiten waren ausschlaggebend, weshalb viele lokale Händler in Bedrängnis gerieten, was sich auf den freien Handel negativ auswirkte und der Obrigkeit die Umsetzung von Verträgen erschwerte, da diese Unternehmer den Markt mittlerweile monopolisiert hatten.88

6.3 Technische Neuerungen – Monopolisierung Für den Erfolg der Holzbarone waren nicht nur die finanziellen Möglichkeiten und die Beziehungen, sondern auch ihre Fachkenntnisse und das Interesse an technischen Neuerungen und deren Realisierung ausschlaggebend. Eine wichtige Rolle spielte die Verbesserung logistischer Bedingungen durch den Bau von Schleusen, Riesen und Brücken. Denn der Wert des Rohstoffes hing eng mit den Transportmöglichkeiten und den Transportkosten zusammen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Holz, die Verfügbarkeit der Ressource allerdings immer beschränkter, da günstig gelegene Wälder zur Gänze genutzt worden waren und neue Bestände ausfindig gemacht werden mussten, die schwierigere und teurere Transportbedingungen mit sich brachten. Der Preis für Holz auf den Absatzmärkten war vermutlich entsprechend hoch, sodass das Interesse am Holzgeschäft durchaus bestand, die Kaufleute allerdings vor große Herausforderungen gestellt wurden.89 Um trotzdem lukrative Geschäfte zu machen, wandten die Holzbarone verschiedene Strategien an, indem sie versuchten, die Bringungs- und Transportkosten im Rahmen zu halten. Neben der Preisgestaltung der Löhne, verminderten Zöllen und Schmuggel spielten technische Neuerungen eine wichtige Rolle. Dazu gehörte die Errichtung von Schleusen, um auf den Flüssen die Verflößung der Stämme zu ermöglichen. Allerdings gelangen diese Vorhaben nicht immer. So kam es auf dem Avisio nicht zur Errichtung einer Schleuse, wie es Giovanni Someda um 1588 der Tiroler Kammer vorgeschlagen hatte. Der Widerstand der lokalen Händler war zu groß.90 87 88 89 90

TLAI, OÖKKB, GM, 1527, fol. 259r; fol. 636v–640r. Vgl. Radkau, Holz, S. 140. Agnoletti/Tognotti/Zanzi, Trasporto di legname, S. 492; Occhi, Economie alpine, S. 132–133. Siehe Kapitel 6, Fußnote 13.

Technische Neuerungen – Monopolisierung

Auf dem Cordevole trieb Giovanni Someda 1589 ebenfalls die Verwirklichung einer Schleuse voran, um die Regulierung des Flusses zu erreichen. Trotz Widerstand der Bevölkerung, die darin eine Gefahr für Brücken und Mühlen sah, gelang Someda die Errichtung einer kleinen Wasserklause (Schleuse).91 Um 1600 erkannte das Unternehmen Maccarini, dass vom Bau einer neuen, effizienten Schleuse auf dem Cordevole die Rentabilität ihrer Holzgeschäfte im Gebiet von Buchenstein abhing. Daniele und Giacomo Maccarini sowie Giovanni Bovio92 hatten dem Bischof 1599 die Notwendigkeit der Errichtung einer Wasserklause bei Ruaz vorgebracht. Dieses Projekt sollte das Problem der unregelmäßigen Wasserführung des Cordevole lösen, sodass das Fürstbistum in Zukunft mit den Unternehmern Verträge für große Holzmengen abschließen konnte, mit Vorteilen für beide Seiten. Ohne Schleuse war das Risiko für die Unternehmer groß, dass bei zu tiefem Wasserstand nur eine beschränkte Menge an Stämmen an ihren Bestimmungsort gebracht werden konnte, was die Geschäfte stark beeinträchtigt hätte. Der Vorschlag des Konsortiums Maccarini-Bovio wurde vom Brixner Hof positiv aufgenommen und 1602 umgesetzt. Bereits 1605 wurde die Schleuse an einen günstigeren Ort verlegt. Der Fürstbischof machte zwar zur Bedingung, dass die Schleuse in seinem Besitz bleibe, überließ aber den Kaufleuten die Wahl des Baumeisters. In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Verbesserungen, 1608 wurde die Stauwand weiter erhöht, damit im Staubecken mehr Wasser gefasst werden konnte. Trotz hoher Kosten hielt der Brixner Hof an diesen technischen Neuerungen fest, und das hatte seine Gründe. Das Holz aus Buchenstein und Thurn an der Gader konnte nur verkauft werden, wenn es eine günstige Transportmöglichkeit gab, und diese hing mit dem Bau der Schleuse zusammen. Die Kosten konnten zudem aus den Einnahmen für den Transport gedeckt werden, nämlich 2–3 Kreuzer pro Musel und indirekt aus dem Gewinn, der sich über das Holzgeschäft machen ließ.93 Maccarini hatte dem Fürstbischof zwar vorgeschlagen, jegliche Kosten für die Schleuse zu übernehmen, erhielt dazu aber nicht das Einverständnis, denn ein Monopol des Unternehmens Maccarini auf dem Cordevole hätte die Abhängigkeit des Fürstbischofs noch weiter erhöht.94 Der Bau dieser Schleuse war ausschlaggebend für die Geschäftsentwicklung des Unternehmens Maccarini: Nicht nur konnten viel größere Mengen geliefert werden, es war nun zudem möglich, Schlägerungen in Gebieten vorzunehmen,

91 Steinhauser, Gerichte, S. 123; Corazzol, Piani, S. 212 –213. 92 Bovio war ein Arzt aus Feltre, der sich in Venedig niedergelassen hatte und sich zusätzlich dem Holzhandel widmete. Corazzol, Piani, S. 185; Vieceli, L’immagine, S. 61. 93 Niedermair, Hauptmannschaft, S. 210. 94 Corazzol, Piani, S. 213.

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Die Holzhandelsgesellschaften

die bis dahin aufgrund ihrer ungünstigen Lage nicht in Betracht gezogen wurden. Und dazu zählten auch die Wälder der untersuchten Region, denn durch die verbesserten Transportmöglichkeiten auf dem Cordevole wurde die Route über den San-Pellegrino-Pass mit Anwässerung in Paluetto für die Kaufleute interessant. Der Transport war aufwendig, auf dieser Route fielen aber viel niedrigere Zölle an. Auf dem Biois wurde das Holz zum Cordevole transportiert und weiter zu den Sägewerken oder direkt in die Lagunenstadt gebracht. Die Möglichkeit, die Stämme auf dem Wasser zu transportieren, hatte zudem den Vorteil, dass sich ihre Qualität verbesserte und sie weniger anfällig für Schädlinge wurden. Der Gewinn im Holzgeschäft war so groß, dass die Holzkaufleute die anfallenden Kosten nicht scheuten. Die Bereitschaft, ihr Geld in technische Vorrichtungen wie Wasserklausen, Brücken und Riesen zu investieren, hing mit der gewinnbringenden Kapitalisierung des Rohstoffes zusammen. Radkau schreibt, dass Holzriesen bis zu einem Drittel des gesamten Holzes einer Region verbrauchten, da sie ständig erneuert werden mussten.95 Konnte eine Waldregion erschlossen werden, rückte sie nicht nur ins Interesse der Großhändler, sondern auch der Obrigkeit, zum Leidwesen der lokalen Bevölkerung. Dies zeigt sich am Beispiel der Wälder in der untersuchten Region. Durch die Regulierung des Cordevole kam es zu einer Aufwertung der Route über den San-Pellegrino-Pass und somit einer Verbesserung der logistischen Gegebenheiten des Gebietes um Rosengarten und Latemar. Die Möglichkeit, jährlich eine beträchtliche Menge abzutransportieren, weckte das Interesse der Holzbarone, denn nun lohnten sich hohe Investitionen. Die Ausfuhr des Rohstoffes kam allerdings hauptsächlich der Region zugute, für die das Holz bestimmt war: der Seerepublik Venedig. Vor Ort machten sich die negativen Folgen schnell bemerkbar: Der Bevölkerung wurden die Holznutzungsrechte eingeschränkt oder sogar aberkannt und ihre Form des Holzverkaufs wurde unterbunden, damit Holzbarone wie Maccarini und Someda überhaupt erst ins Geschäft einstiegen. Der Verkauf des Holzes aus dem Nigerwald war der Beginn einer länger andauernden Geschäftsbeziehung, die auf weitere Wälder der Region ausgedehnt wurde. Maccarini war bereits 1523 im Wald Costa Longa aktiv und kaufte 1527 weitere Schlägerungskonzessionen. Der Holzfaktor Thomas Piazza hatte dem Brixner Hof zum Verkauf geraten, da das Unternehmen Maccarini bereits im Wald Latemar Schlägerungen durchführen ließ.96 In den nächsten Jahren sollte alles Holz bis an die Grenze mit dem Riegel Moena verkauft werden, denn der Wald hatte schöne lange Stämme aufzuweisen und er war reif.97 Zwei weitere Verträge für Holz aus dem Fassatal mit dem Unternehmen

95 Radkau, Holz, S. 108–109, 138. 96 Corazzol, Piani, S. 231–237. 97 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 12C, fol. 10r–11v.

Technische Neuerungen – Monopolisierung

Maccarini folgten im Jahr 1628, einer für das Gebiet Fratta Scura, an der Grenze zu Welschnofen, und der zweite für Holz aus dem Nikolaustal in Pozza di Fassa sowie Verträge für die Wälder Tschein, Karer und Latemar im Jahr 1529 im Gebiet von Welschnofen.98 Die Verträge des Unternehmens Maccarini verdeutlichen die Veränderungen, die sich in der Holzwirtschaft und der Holzvermarktung im Laufe des 16. Jahrhunderts angebahnt hatten. Sie hatten das geschafft, was der Familie Someda nicht gelungen war: Durch gezielte Strategien und das nötige Kapital konnten sie sich über andere Unternehmer hinwegsetzen und eine Monopolisierung des Holzmarktes im Gebiet der westlichen Dolomiten zu Beginn des 17. Jahrhunderts erwirken, ein Umstand, der für die Bevölkerung nicht ohne Folgen blieb.

98 SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 5B, C, D, fol. 4r–5v (im Gegensatz zum Faszikel findet sich auf dem Schriftstück 5G); TLAI, OÖKKB, GM, 1630, fol. 1147r–v; fol. 1393r–v.

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7.

Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

7.1 Konfliktherd Forstregal Die Nutzung der Wälder war in der untersuchten Region ein wichtiges Standbein der lokalen Wirtschaft, denn die Bewohner von Welschnofen und Tiers schufen sich durch den Verkauf von Brenn-, Weingart- und Fässerholz im Bozner Talkessel, im Unterland und Überetsch einen wichtigen Zusatzverdienst. Die Grund- und Gerichtsherrschaft wusste um die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges und gewährte den Bewohnern freie Hand in der Nutzung der Gemein-, Teil- und Zinswälder. Im Fassatal stand hingegen die Viehwirtschaft an vorderster Stelle, der Holzverkauf diente mehr zur Überbrückung von Notsituationen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts kam es vermehrt zu Konflikten, da die Obrigkeit die Nutzung der Wälder kontrollieren wollte, als die Nachfrage nach Merkantilholz durch die steigenden Gewinnmöglichkeiten die Großhändler bis in die entlegensten Gebiete zog, um große Mengen abzuholzen und zu weit entfernten Absatzmärkten zu bringen. Holz wurde immer mehr zu einem begehrten Rohstoff, für den sich Investitionen lohnten. Der Bedarf der Lagunenstadt im 16. Jahrhundert bewirkte für das Gebiet um Rosengarten und Latemar Veränderungen in der Holzwirtschaft, denn Kaufleute und Obrigkeit machten gute Geschäfte, allerdings mit negativen Auswirkungen, da die Bevölkerung in ihrer Wirtschaftsform beeinträchtigt wurde. Die Holzordnungen, die im Laufe des 16. Jahrhunderts erlassen wurden, belegen diese Entwicklung und zeigen, dass Holz zu einem Machtfaktor geworden war: Die Obrigkeit griff massiv in diesen Wirtschaftsbereich ein und reglementierte ihn streng, zum Nachteil der Bevölkerung. Diese Holzordnungen stellten einen radikalen Eingriff in die gewohnte Nutzung der Wälder durch die Untertanen dar. Marcello Bonazza bezeichnet diese Waldordnungen als einen negativen Wendepunkt in der Holzwirtschaft Tirols, da Gewohnheiten und Gepflogenheiten der lokalen Bevölkerung durch die neue Wirtschaftspolitik eingeschränkt bzw. teilweise sogar verboten wurden.1 Unter dem Vorwand, die von der Bevölkerung verursachte Waldzerstörung einzudämmen, versuchte die Herrschaft, mit dem Erlass dieser Verordnungen die Nutzungsrechte der Bewohner zu schmälern oder sogar aufzuheben.2

1 Bonazza, Introduzione, in: Nequirito, Diritti contesi, S. X. 2 Vgl. Schennach, Gesetz, S. 653; Witschi, Züricherische Holzpolitik, S. 3, 33; Nequirito, Diritti contesi, S. 21–22; Radkau, Natur, S. 21.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

Für das Siedlungsgebiet von Welschnofen war 1561 gemeinsam mit Gries, Bozen und Steinegg eine Waldordnung mit folgender Begründung erlassen worden: ... die wald und hölzer in unsern gerichten Griess und Bozen, Steinegg und Welschnofen von tag zu tag geschmelert, verhackt, darzue mit schwennden, reutten, prennen und in vil annder ungepürlicher weg ausgeödet unnd abgetilgt und dann das holz in grosser merckhlicher anzal aus dem land verfuert worden ist. Alles on unser gnedigster bewilligung und zu wider unnserer aufgerichten landtsordnung ...3

Den Bewohnern wurde schriftlich vorgehalten, dass massiv Raubbau in den Wäldern betrieben und das Holz ohne Bewilligung ins Ausland verkauft worden war. Der Erlass dieser Ordnungen sollte einer kontrollierten Nutzung der Wälder dienen, um den Holzbedarf in Weinbau, Bergbau, Gewerbe und Hausbau zu sichern und Engpässen in der allgemeinen Versorgung vorzubeugen.4 Die für das Gericht Fassa 1596 erlassene Holzordnung sowie die von Tiers aus dem Jahr 1610 weisen große Ähnlichkeit mit der im Gericht von Welschnofen erlassenen Verordnung auf. Die Obrigkeit beanspruchte Hoch- und Schwarzwälder für sich und begann, die Holznutzung immer stärker zu kontrollieren und den Verkauf zu lenken. Die Bewohner mussten den Behörden eine Nutzung für den Hausgebrauch melden, Verkauf von Holz war nur mit einer Genehmigung möglich, eine Nichtbeachtung dieser Regelung wurde strengstens geahndet.5 Für alle drei Siedlungsgebiete war von einer angeblichen Misswirtschaft die Rede, der entgegengewirkt werden sollte. Genaue Vorschriften für die Holznutzung und den Verkauf zeigen, dass die Wälder für die Obrigkeit an Bedeutung gewonnen haben, weshalb eine Kontrolle nach einheitlichen Grundsätzen als notwendig erachtet wurde. Dafür verantwortlich waren Waldmeister, Richter und Pfleger.6 Die Bevölkerung war nicht erfreut über diese Maßnahmen, die mit ihrer traditionellen Wirtschaftsweise in Kontrast stand. Die neuen Verordnungen verboten zwar nicht das Sammeln von Brenn- und Weingart- sowie Fässerholz, legten aber genaue Mengen fest. Problematisch wurde es, wenn einem Holzkaufmann eine

3 TLAI, KKB, ENT, 1561, fol. 529v. 4 TLAI, OÖKKB, KKB, ENT 1561, fol. 529r–543r; Oberrauch erwähnt nur den Erlass und die Ähnlichkeit der ersten fünf Punkte der Ordnung mit jener von Deutschnofen. Oberrauch, Tirols Wald, S. 141. Pichler geht genauer auf den Inhalt ein und liefert eine Art Zusammenfassung. Pichler, Wirtschaft, S. 196–198. Stocker-Bassi erwähnt für Deutschnofen ebenfalls, dass die Untertanen verwüstlich und verderblich in den Wäldern und mit dem Holzwerk gehaust haben und umbgangen sein. Stocker-Bassi, Gericht Deutschnofen, S. 150. 5 Gratl, Grenzgerichte, S. 218–220; Spitaler, Gericht Tiers, S. 55–56. 6 Vgl. Witschi, Züricherische Forstpolitik, S. 33; Nequirito, Diritti contesi, S. 25–26.

Konfliktherd Forstregal

Schlägerungserlaubnis für den Verkauf von Merkantilholz verkauft wurde. Diese Kaufleute verboten den Untertanen jegliche Nutzung in diesen Waldstücken oder beuteten sie ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung aus, was unvermeidlich zu Konflikten führte. Als 1578 dem Fleimser Holzhändler Marco Antonio Cazzano der Wald Latemar verliehen wurde, betonte die Tiroler Kammer, dass man den Bewohnern mitteilen müsse, dass es sich um einen Hoch- und Schwarzwald handle und sie keine Ansprüche stellen könnten.7 Allerdings war dem nicht so, denn der Wald Latemar war ein Wald, den die Welschnofner seit langer Zeit nutzten. Sie hatten daraus bereits früher Holz verkauft und sie wollten diesen Wald auch weiterhin für sich beanspruchen. Dass die Behörden davon in Kenntnis waren, zeigen folgende Eintragungen in der Waldbereitung von 1558: Im Karerwald hatten die gerichtsleut zu Welschnofen, als mit machens von taufl unnd allerlay annderm weingart holz vast entnummen. Für den Wald Latemar findet sich folgender Eintrag: ungefer halber wald der welschnofner des gannzen gerichts, der annder halb gehört dem viertl Welschnofen allein. Die Nutzung der Wälder Latemar und Kar war für die Bewohner zur Lebensgrundlage geworden, daneben sammelten und verkauften sie Holz aus weiteren Gemeinschaftswäldern, nämlich Franzin, Farnell, Biol, Kölblegg, Wald im toten Moos, Wald zu Varzan und Tschein.8 Laut einem Eintrag aus dem Jahr 1579 hatte die Kammer in Innsbruck dem Fleimser Holzhändler Cazzano die Schlägerung von 6.000 Museln im Latemarwald bewilligt, die er über den San-Pellegrino-Pass nach Venedig bringen sollte.9 Doch so einfach verlief die Umsetzung dieses Kaufvertrages nicht. Die Untertanen von Welschnofen legten in Innsbruck Beschwerde ein, denn der Latemarwald war ein Gemainwald, den die Siedlungsgemeinschaft für sich nutzte.10 Die Kammer war sich bewusst, dass den Welschnofner ihre Rechte in den Gemeinwäldern Kar und Latemar nicht einfach aberkannt werden konnten.11 Vermutlich sollte die Gewährung einer Schlägerungserlaubnis für die Untertanen im angrenzenden Karerwald zur Besänftigung beitragen, allerdings ohne Erfolg. Trotz dieser Konzession, die verschriftlicht wurde und deren Bedingungen allen laut vorgelesen wurden, wehrte sich die Bevölkerung, 7 8 9 10 11

TLAI, OÖKKB 1578, fol. 368r–369v. TLA, HS 3907. TLAI, OÖKKB, GM, 1579, fol. 538r. TLAI, OÖKKB, GM, 1579, fol. 1075r. Die Waldbereitung von 1558 bestätigt diese Rechte, TLAI, HS 3907.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

und das mit großer Entschlossenheit. In einem Schreiben der Tiroler Kammer aus dem Jahr 1579 werden die Untertanen als eigensinnig und halsstarrig bezeichnet.12 Die Kammer drohte mit einem Entzug der gewährten Schlägerungserlaubnis. Die Welschnofner klagten aber weiter und beschwerten sich zudem über das viel zu hohe Stockrecht, das sie zahlen sollten.13 Daraufhin wurden die Gerichtsinhaber von Deutschnofen (Ferdinand von Kühepach) und Welschnofen/Karneid (Bartlme von Liechtenstein) beauftragt, eine Liste der Personen zu führen, die sich nicht an diese Anweisungen hielten.14 Die Welschnofner ließen sich auch weiterhin nicht einschüchtern, sammelten Daufenholz und Schindeln im Latemarwald, woraufhin Cazzano bei der Kammer wieder Beschwerde einlegte.15 Es kam sogar so weit, dass die Kammer Cazzano die Schlägerungserlaubnis wieder entziehen musste, weil es vonseiten der Welschnofner, aber auch der Weinbauern in Bozen, die um ihr Weingartholz fürchteten, große Beschwerden gegeben hatte. Die Kammer betonte, dass dies nur aus Gnade geschehen sei, die Untertanen hätten allerdings geglaubt, der Wald gehöre ihnen, und führten weiterhin ohne Erlaubnis Schlägerungen durch. ... den unterthanen ursach geben, das sy vermaint der wald gehör inen zue und haben alsdann dessto mer holz geschlagen und verschwendt ...16

Die neuen Verordnungen der Obrigkeit standen im Widerspruch zu den lokalen Wirtschaftsformen und die Bewohner waren nicht bereit, sich an diese Weisungen zu halten. Sie schlugen Merkantilholz und verkauften es. Bei einer Waldbesichtigung hatte sich herausgestellt, dass die Welschnofner junge Bäume fällten, daraus fürdertramb, siebener und achter machen und ins welsch füren. Trotz mehrerer Mandate führten sie Schlägerungen in den Gemainwäldern ohne Erlaubnis durch.17 Weitere Klagen folgten im Jahr 1583: Der Oberzöllner in Fleims, Melchior Kleiber, berichtete, dass er im Juni mit dem Unterwaldmeister und drei Untertanen aus Welschnofen, dem Viertelmeister Baltasar Pentner, Jakob Moser und Gal am Graben eine Besichtigung in den Heimwäldern und in fünf Gemeinwäldern (Kölblegg, Niger, Spiss, Tschein, Franzin) durchgeführt habe und dabei feststellen musste, dass es sich um durchwegs schöne Fichtenwälder handle, die in Zukunft allerdings vor Raubbau geschützt werden sollten, wolle man weiterhin Geld mit dem Holzverkauf verdienen. Daraufhin berief Kleiber die Untertanen von Welschnofen für den 7. Juni 12 13 14 15 16 17

TLAI, OÖKKB, GM, 1579 fol. 849r–850; GM, 1584, fol. 1436v. TLAI, OÖKKB, 1579, S. 850r, 1190. TLAI, OÖKKB, 1579, fol. 850r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1579, fol. 1190v. TLAI, OÖKKB, GM, 1597, fol. 152r–v. TLA, OÖKKB, GM, 1580, fol. 1979v–1980v; 1581, fol. 1924r–v.

Konfliktherd Forstregal

zu einer Versammlung ein und warf ihnen die Missachtung der Waldordnung vor.18 Sie würden sich nicht an die Mandate halten und den Wäldern großen Schaden zufügen. Die Waldordnung sehe eine geregelte Nutzung vor, die auch in ihrem Interesse sei, wollten sie weiterhin aus dem Verkauf des Weingartholzes Gewinne machen. Sie müsse deshalb eingehalten werden. Um den Bewohnern entgegenzukommen, schlug der Zollbeamte vor, dass jedem Hof jährlich eine genau festgelegte Zahl an Stämmen zum Verkauf gewährt werden solle. Auf diese Informationen hin hatte der Vertreter der Untertanen eingestanden, dass Waldarbeiten nicht immer schonend durchgeführt worden seien, grundsätzlich wolle man sich auch an die Vorschriften halten, einige Punkte seien aber inakzeptabel. ... wider das altheer khemen ainichen eingrif zu thuen und darzu sonsten aller hannt ain mültigkhait gegen inen zu gebrauchen und das sonnderlichen aber des taufen machen halben inen hierin ainiche verhinderung zugefüegt ...

In ihren eigenen Wäldern dürften sie nicht mehr Daufenholz nach alter Gewohnheit machen, mit dieser Einschränkung konnten sie nicht zufrieden sein. Die Antwort der Kammer kannte keine Kompromissbereitschaft: An der bestehenden Waldordnung würden keine Änderungen vorgenommen und die strikte Einhaltung in jedem Falle eingefordert werden, eine widerrechtliche Holznutzung musste bestraft werden. Daraufhin war die Mehrheit bereit, die Verordnung zu akzeptieren. Es wurde eine Liste erstellt, auf der jedem der 32 bewohnten Höfe das Schlagen von zehn Stämmen (Plän und Zehner) in ihren Zinswäldern erlaubt wurde. Weitere elf Höfe seien mit einem doppelten Haushalt steuerlich höher belastet, diese sollten zusätzlich zehn Stämme hacken dürfen. Dann gab es noch Höfe, denen man fünf Stämme in den Gemeinwäldern zusagte. Der Holzschlag durfte aber nur mit Genehmigung des Unterwaldmeisters erfolgen, unbewohnten Höfen stand kein Holz zu. Die Bewohner wurden daran erinnert, dass sie bei ihren Schlägerungen laut Konzession ordnungsgemäß vorgehen und der Bezahlung eines Stockrechts von 8 Kreuzern nachkommen mussten. Es sollte ihnen auch das Daufen machen gestattet werden, allerdings immer unter Kontrolle des Unterwaldmeisters. Diese Zugeständnisse hätten nur ein Jahr Gültigkeit, dann müsse erneut entschieden werden, ob die Menge erhöht oder vermindert würde. Die vier Vertreter des Viertels Welschnofen, Baltasar Pentner, Sebastian Seehauser, Gal am Graben und Jakob Moser, nahmen diesen Vorschlag an. Als er den Untertanen verlesen wurde, zeigten sich diese allerdings nicht damit einverstanden:

18 TLAI, HS 3907 (Anhang). Hier und im Folgenden.

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Man gönne ihnen zu wenig und würden den Nachbardörfern Deutschnofen, Gummer und Steinegg nicht die gleichen Auflagen gemacht, wäre es unmöglich, sich an diesen Beschluss zu halten. Denn auf dem Weg nach Leifers zur Reifstätte verlange man von ihnen in Deutschnofen die Hälfte der Einnahmen aus diesem Holz. Der Zollbeamte habe ihnen dann versichert, diesen Umstand der Obrigkeit zu melden. Allein dieser Bericht lässt erahnen, wie viel Konfliktpotenzial der Holzhandel barg, zu groß war das Interesse der Untertanen, der Gerichtsherren und der Obrigkeit, am Holzverkauf zu verdienen.

7.2 Holzwirtschaft mit Kompromissen In den darauffolgenden Jahren kam es immer wieder zu illegalen Schlägerungen. Die Korrespondenz der Tiroler Kammer informiert über die Meldung des Zollbeamten in Fleims vom 15. November 1583, dass sich die Bewohner in Welschnofen nicht an die Waldordnung hielten, 18 Bauern mussten für das unerlaubte Sammeln von Pergelstangen bestraft werden.19 Am 11. Dezember 1584 berichtete die Kammer dem Amtsverwalter in Bozen, dass Bartlme Reuter aus Welschnofen 150 Stämme ohne Bewilligung im Karerwald geschlagen und abtransportiert habe.20 Weitere sechs Bauern hatten ebenfalls widerrechtlich Bäume gefällt, das Holz wurde daraufhin von den Behörden konfisziert. Nur drei Bauern, Stoffl Geiger, Jakob Poppener und Hans Unterweger, meldeten sich und baten, dass ihr Holz freigegeben würde. Stoffl Moser, Bartlme Reuter, Matheus Pazeyner und Cristan Kholer hatten sich nicht gemeldet und bekamen daher auch ihr Holz nicht zurück.21 Dass die Obrigkeit sich mit dem Verweis auf das Forstregal nur schwer durchsetzen konnte, zeigt der Auftrag, der von der Kammer an den Zollbeamten in Fleims ergangen war: ... so bevelchen wir euch innamen hochernennter Fürstlicher Durchlaucht das ir mitlist in still und gehaimb vertrautten orten, bei alten wissenden personen nachfrag und erkundigungen habt wie es mit den marckhen des Carerwaldes und seinen angezognen waldgerechtigkeiten gestaltig, was er für eingriff gethan, desgleichen für holz unnd wievil stämen an den spennigen orten geschlagen ...22

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TLAI, OÖKKB, GM, 1583, fol. 1478r–1480v. TLAI, OÖKKB, GM, 1584, fol. 1827v–1828r. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 219r–220r. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 312v–313r.

Holzwirtschaft mit Kompromissen

Vermutlich herrschte Unklarheit bezüglich der Nutzungsrechte dieses Waldes. Zu Konflikten um die Holznutzungsrechte kam es auch zwischen den Gerichtsherren und der Obrigkeit. Die Liechtensteiner glaubten, Anrecht auf die Wälder zu haben, und bereits nach Erlass der ersten Waldordnung im Jahr 1561 kam es zu Meinungsverschiedenheiten, denn die Herren von Liechtenstein waren überzeugt, dass die Belehnung im Jahr 1387 die Wälder eingeschlossen habe. Die Tiroler Regierung bestand hingegen aufgrund des Holzregals darauf, allein Ansprüche auf die Wälder erheben zu dürfen. Als es 1564 zu einer erneuten Verleihung des Gerichtes kam, achteten die Landesherren darauf, die Waldnutzung nicht einzuschließen.23 Dennoch versuchte der Gerichtsherr, Ansprüche geltend zu machen. 1568 warf die Kammer in Innsbruck Bartlme von Liechtenstein vor, die Bewohner aufzuhetzen und sie dazu zu bringen, die Waldordnung nicht einzuhalten. Der Konflikt spitzte sich immer weiter zu und erreichte 1573 einen Höhepunkt, als dem Liechtensteiner die Gerichtsherrschaft fast entzogen wurde.24 Die Zwistigkeiten zwischen dem Gerichtsherrn und der Landesherrschaft waren damit nicht vorbei. Im Dezember 1584 wurde der Liechtensteiner angeklagt, Schlägerungen in viel größeren Mengen durchgeführt zu haben, als ihm bewilligt worden waren, insgesamt 1.600 Stück Holz anstatt der 200 bis 300 genehmigten Stämme in einem Jahr. Zudem habe er einen Teil dieser Stämme im Karerwald geschlagen, auf den er Anspruch erhob, und die Untertanen dazu gebracht, ihm ihr Holz zu überlassen. Der Zollbeamte Kleiber sollte der Sache auf den Grund gehen und das Holz beschlagnahmen.25 Die Zollamtsleute hatten Verdacht geschöpft und Meldung gemacht, weshalb die Kammer anordnen ließ, dass der Liechtensteiner sein ganzes Holz markiert auf die Reifstätte in Leifers bringen musste. Erst wenn die gesamte Menge vor Ort gelagert war, sollte mit dem Zählen begonnen werden.26 Bartlme von Liechtenstein regte sich über die Beschlagnahmung auf und behauptete, im Karerwald Ansprüche stellen zu können. Der Liechtensteiner hatte nicht nur das eigene, sondern auch das Holz der Bauern nach Leifers bringen lassen. Deshalb wurde ihm zusätzlich vorgeworfen, die Untertanen zum Holzfrevel zu verleiten.27 Im Juni 1585 wurden die Zollbeamten auf weitere illegale Schlägerungen durch Bartlme von Liechtenstein aufmerksam: Er hatte 30 Segelmasten und weiteres Holz hacken lassen, um es im Ausland zu verkaufen. Die Stämme wurden wieder beschlagnahmt. Die Kammer wollte unbedingt wissen, ob es Fichte oder Lärchenholz war und für wie viel Geld er die Stämme verkaufen wollte.28 Bartlme von

23 24 25 26 27 28

Pichler, Siedlung, S. 194-95. Pichler, Siedlung, S. 200. TLAI, OÖKKB, 1584, GM, fol. 1827v–1828r; GM, 1585, fol. 320r–321v. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 219r–222r. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 320r–321v; fol. 397v–398v. TLAI, OÖKKB, GM, 1585 fol. 794v–795r.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

Liechtenstein bat im August die Kammer innigst, das Holz freizugeben, da es sonst verderben würde.29 Im Oktober wurde ihm vorgeworfen, dass er sogar die Beamten bestochen habe, damit sie die ihm auferlegten Strafen nicht einkassierten. In Sachen Segelmasten würde man Gnade walten lassen, allerdings gegen Bezahlung der vorgesehenen Strafe.30 Am 18. Juli 1585 schrieb die Kammer an den Verwalter der Landhauptmannschaft an der Etsch, dass der Karerwald besichtigt und eine Ordnung vorgenommen werden müsste. Man habe Ferdinand von Kühepach damit beauftragt, der sich aber entschuldigen ließ. Von Kühepach, Gerichtsverwalter von Deutschnofen, schien nicht besonders interessiert an der Teilnahme. Es ist gut denkbar, dass er die Zustände vor Ort, von denen er vermutlich selbst profitierte, kannte. Da er auch einer weiteren Aufforderung nicht zusagen konnte, wollte die Kammer Wolfgang Kallmünzer und Georg Prack in diese Kommission berufen, damit die Waldbereitung endlich durchgeführt werden konnte.31 Im Jahr 1586 kam es schließlich zum Erlass einer neuen Waldordnung, weil es angeblich immer wieder zu unrechtmäßigen Handlungen der Untertanen gekommen war, die in den Wäldern durch das Schwenden, Rauten, Brennen, Auspötschen, Pechklauben, Piglbrennen und Lörggatbohren großen Schaden anrichteten.32 Die neue Waldordnung war im Grunde genommen nur eine Kopie der im Jahr 1561 erlassenen Ordnung, und auch spätere Waldordnungen aus den Jahren 1604 und 1698 brachten inhaltlich keine Neuerungen.33 Bereits im darauffolgenden Jahr schrieb die Kammer an die Zollbeamten in Fleims, dass die Untertanen von Welschnofen sich immer noch nicht an die neue Waldordnung hielten und widerrechtlich Schlägerungen durchgeführt hätten. Ihr beschlagnahmtes Holz sollte erst nach Zahlung der Strafe freigegeben werden. Allerdings war man sich bewusst, dass die Welschnofner die Einnahmen aus dem Holzverkauf dringendst benötigten, daher sollten die Zollbeamten Gnade walten lassen. Ihnen wurde sogar aufgetragen, den Bauern kleinere Holzschlägerungen zu gestatten unnd wann ainer oder mer underthanen und paursleut holz zu schlagen bedurfftig unnd der auszaigung begern, das es alspald bschech34 . Der Obrigkeit wollte die Durchsetzung ihrer Befehle trotz Kontrollen und Strafmaßnahmen nicht gelingen. Die Bevölkerung ließ es sich nicht nehmen, die Wälder weiterhin so zu nutzen, wie sie es schon immer getan hatte. Die Waldordnungen

29 30 31 32 33 34

TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 1001r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 1301r–1302r. TLAI, OÖKKB, GM, 1585, fol. 994r–995r. TLAI, HS 3761–3763. Pichler, Siedlung, S. 197–198. TLAI, OÖKKB, GM, 1587 fol. 636r.

Holzwirtschaft mit Kompromissen

standen zu sehr in Kontrast mit Wirtschaftsformen, die vor Ort immer schon praktiziert wurden (alt herkommen).35 Illegale Schlägerungen waren allgemein ein verbreitetes Phänomen. Für die Hauptmannschaft Buchenstein finden sich ebenfalls Beispiele illegaler Schlägerungen. Ähnlich wie im Gerichtssprengel der Liechtensteiner hatten in Buchenstein im Jahr 1561 mehrere Personen unerlaubt 10.000 Stämme gefällt, und 1567 wurde ein weiterer Fall von illegaler Schlägerung aufgedeckt, in den der Hauptmann Christoph Prack von Asch selbst verwickelt war. Prack bekam die Erlaubnis zur Schlägerung von 50 Stämmen, geschlagen hat er 700. Das Holz wurde vom Brixner Hof beschlagnahmt und an Venedig verkauft. 1569 ließ Prack wiederum 300 anstatt der genehmigten 200 Stämme in seinen Zinsgütern schlagen, das Holz wurde wieder beschlagnahmt. Der Gerichtschreiber von Thurn, Hans Pitscheider, ließ ebenfalls ohne Erlaubnis 104 Stämme schlagen. Er wurde bestraft, das Holz vom Hof beschlagnahmt und verkauft.36 Die Obrigkeit war sich bewusst, dass sie sich kompromissbereit zeigen musste, wollte sie die Kontrolle über das Holzgeschäft und die Einnahmen daraus nicht verlieren. Daher wurden immer wieder Zugeständnisse gemacht. Den Welschnofnern wurde schlussendlich gestattet, kleinere Mengen Holz zu schlägern und zu verkaufen, allerdings unter der Bedingung, dass das Holz auf die vorgeschriebene Reifstätte in Leifers gebracht wurde. Denn mittlerweile hatten sie ihr Holz an ungewöhnlichen Orten gelagert, was keinesfalls gestattet werden sollte, denn das erschwerte den Überblick über die geschlagene Menge. Der Zollbeamte in Fleims, Melchior Kleiber, wurde immer wieder daran erinnert, widerrechtliches Handeln und eine Missachtung der Waldordnung zu bestrafen.37 Dass die Bevölkerung einbezogen werden musste, zeigt der Entschluss im Jahr 1588, eine Waldbeschauung durchzuführen, um festzulegen, welche Wälder von den Untertanen genutzt werden durften und welche unter Bann gelegt werden mussten.38 Die Welschnofner sollten Reifholz schlagen dürfen, allerdings nur zur notdurft, nicht zum überfluss. Die Bewohner beschwerten sich allerdings über das viel zu hohe Stockgeld von 30 Kreuzern für einen Plän (Stamm), die Kammer wollte sich mit 20 Kreuzern zufriedengeben, wenn sich die Bewohner an die Waldordnung hielten.39 Trotz Ermahnung ließen sich die Welschnofner nicht davon abhalten, weiterhin im Karerwald nach ihrem Gutdünken Holz zu machen. Am 21. Juni 1590 erging an die Zollbeamten in Branzoll der Befehl, konsequent durchzugreifen und die auferlegten Strafen für das beschlagnahmte Holz einzufordern.40 Bereits

35 36 37 38 39 40

Vgl. Nequirito, Diritti contesi, S. 25. Steinhauser, Gerichte, S. 108, 122; vgl. Niedermair, Hauptmannschaft, S. 277. TLAI, OÖKKB, GM, 1587, fol. 1569r–1570r, S. 1592r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1587, fol. 1569r–1570r. TLAI, OÖKKB, GM, 1588, fol. 955v. TLAI, OÖKKB, GM, 1590, fol. 883r.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

eine Woche später, am 27. Juni, beklagte die Kammer, dass in Welschnofen und Deutschnofen, trotz neuer Waldordnung, weiterhin unrechtmäßige Schlägerungen durchgeführt würden, die konsequent geahndet werden sollten. Für diese Untertanen war die Kammer nicht bereit, aufgrund des Getreidemangels in diesem Jahr Milde walten zu lassen. Im benachbarten Fleimstal sollte hingegen Rücksicht genommen werden.41 Für das Jahr 1598 sind weitere illegale Schlägerungen durch die Welschnofner belegt: Diese Personen, Simon Geiger, Hans Hagner, Urban Master, Valtin Störzer, Peter Zigoler, Sigmund Geiger und Hans Unterweger, hatten ohne Bewilligung im Karerwald gehackt.42 In der Folge drohte die Kammer mit Strafen und legte den Karerwald unter ein zweijähriges Schlägerungsverbot. Dieser Wald, der als fürnembstes kleinod und als best stück des landts an der Etsch bezeichnet wurde, musste geschont werden, damit dem Jungwuchs kein Schaden zugefügt würde. Der Unterwaldmeister sollte entweder auf der Kanzel oder an einem anderen geeigneten Ort die Bevölkerung darüber informieren und mit Strafen drohen.43 Der Konflikt um die Nutzung des Karerwaldes dauerte weiter an. Im Jahr 1603 klagte die Tiroler Kammer, dass die Welschnofner Bauern junge Fichten für die Herstellung von Daufen und beim Karersee 23 mittlere Lärchen geschlagen hätten. Bereits 1604 kam es durch die Bauern zu weiteren unerlaubten Holzschlägerungen. Sie hielten sich immer noch nicht an die Waldordnung.44 Es wurde ihnen eine Strafe von 1.000 Gulden auferlegt, die schlussendlich dann zur Hälfte erlassen wurde.45 Die Welschnofner fühlten sich allerdings ungerecht behandelt und klagten, dass die Strafe ohne Vorwissen der Landschaft ausgestellt wurde. Sie waren sich durchwegs bewusst, dass sie Rechte hatten, und bestanden auf diesen. Die Strafe wurde dann auf ein Viertel reduziert und schließlich ganz erlassen, allerdings unter der Bedingung, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen dürften.46 Die Welschnofner waren überzeugt, immer schon Nutzungsrechte für den Karerwald gehabt zu haben, die sie mit Sicherheit belegen konnten, denn 1614 musste die Kammer einen Schlägerungsantrag für 100 alte Tannen im Latemar- und Karerwald seitens des Deutschnofner Wirts Hans Merzendorfer zurückweisen, weil sich die Welschnofner auf dem Landtag beklagt hatten und sie für sich beanspruchten. Die Kammer informierte die Zöllner in Fleims, dass man ihnen dies zugestehen müsse,

41 42 43 44 45 46

TLAI, OÖKKB, GM, 1590, fol. 892r–v. TLAI, OÖKKB, GM, 1598, fol. 37v–38r. TLAI, OÖKKB, GM, 1600, fol. 890 r–v; 1602 fol. 925v und 1604 fol. 895r. TLAI, OÖKKB, GM, 1603, fol. 1276r. TLAI, OÖKKB, GM, 1604, fol. 894r–895r, fol. 1528r. TLAI, OÖÖKB, GM, 1604, fol. 1965r–v; fol. 2037r–2038.

Holzwirtschaft mit Kompromissen

im Falle einer unverlässlichen Vorgehensweise sollte das Holz allerdings dem Wirt überlassen werden.47 Dieses Verhalten zeigt, dass ein hartes Durchgreifen gar nicht möglich war. Die Bevölkerung ließ sich Nutzungsrechte, die sie seit Langem in Anspruch nahm und zudem schriftlich belegen konnte, nicht nehmen. Wie bewusst Schriftlichkeit in diesen Konfliktsituationen gezielt zur Verteidigung verwendet wurde, zeigt der Fall der Margareta Mesnerin vom Messnerhof in Tiers. Sie wandte sich 1595 an den Fürstbischof, nachdem ihr vom Verwalter in Tiers, Ferdinand von Kühepach, wegen eines Holzstreichs im Wald des Messnerhofes eine Bestrafung von 100 Gulden auferlegt worden war, obwohl sie ihre Rechte mit Brief und Siegel belegen konnte. Dem Verwalter wurde mitgeteilt, dass diese verschriftlichen Rechte aus Unwissenheit und ohne Konsens des Bischofs durch den vorigen Lehensverwalter ausgestellt worden waren. Wirklich in Konflikt geraten wollte man mit der Mesnerin allerdings nicht, wenn es sich vermeiden ließ, daher wurde ihr Holz für den Eigengebrauch zugestanden. Würde sie sich aber gefährlich und frauenlich verhalten, musste sie bestraft und ihre schriftlichen Belege mussten als unrechtmäßig erklärt werden.48 Die Obrigkeit war also an Kompromisslösungen interessiert, ihr war durchaus bewusst, dass die Bevölkerung nicht gänzlich von der Waldnutzung ausgeschlossen werden konnte. Das zeigt sich auch am Beispiel des Nigerwaldes, der Giovanni Battista Someda verkauft werden sollte, weshalb sich die Bewohner von Tiers an den Fürstbischof wandten mit der Bitte, ihnen diesen Wald zu überlassen, da ihre Existenz sonst auf dem Spiel stünde. ... dadurch uns armen gerichtsundterthanen wider altherkomen grosse schmelerung auch nachtl und hochstes verderben volgte, so doch die waldungen Niger Tschamin und andere (allain Ire G(naden) der gerichtsherrschaft waldung) davon ausgenomen, alle und yederzeit für der gerichtsherrschaft und unser armen undterthanen thail und gemain bishero riebig genossen und für khaine schwarz oder hochwälder niemals gehalten ...

Sie schreiben, dass der Entzug der Holznutzungsrechte ihre Existenz gefährden werde und sie zur Abwanderung gezwungen seien. ... denn die ligenden gueter seindt sovil unträchtig, das uns nit muglichen dabei, ausser des holzes, uns mit weit und kind zu erhalten und daneben zins und steuer abzurichten ...49

47 TLAI, OÖKKB, GM, 1614, fol. 434r; fol. 598r–599r. 48 DAB, HR 45, S. 738 (06.03.1595), S. 756 (22.06.1595), S. 919–921. (09.07.1596). 49 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6D, S. 399–401.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

Sie missbilligten die neue Holzordnung, die ihnen bei einer Versammlung verlesen worden war, und beschwerten sich, dass ihnen nur mehr zehn Stämme pro Haushalt zugesagt wurden, aus denen sie Daufen und Weingartholz machen konnten. Das Hacken von Lärchen war nun grundsätzlich untersagt und der Verkauf von Muselholz bzw. Merkantilholz war nur mit Einverständnis der Obrigkeit erlaubt.50 Interessenskonflikte waren unvermeidbar, da der Holzverkauf für die Bewohner lebenswichtig war. Deshalb musste sich die Obrigkeit kompromissbereit zeigen. Holznutzungsrechte sorgten nicht nur zwischen Bewohnern und Obrigkeit für Diskussionen, auch unter den Siedlungsgemeinschaften konnte es zu Auseinandersetzungen kommen. Das Beispiel der illegalen Schlägerung im Gebiet Fratta Scura, an der Grenze zwischen Welschnofen und Vigo, zeigt, dass die steigende Nachfrage nach Bauholz und neue Transportwege den Holzhandel zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Region gemacht hatten, der eine wachsende Rivalität der Dörfer untereinander zur Folge hatte. Pietro Zen, dem die Tiroler Kammer eine Konzession für die Aufarbeitung eines Windwurfs in den Wäldern von Welschnofen ausgestellt hatte, war mit seinen Schlägerungen über die Grenze ins Gebiet von Vigo gekommen. Darüber zeigte sich der Riegel Vigo äußerst empört und reichte Klage ein. Die Vertreter von Vigo berichteten, dass Zen bereits Jahre zuvor eine Schlägerungserlaubnis für den Wald Costa Longa beantragt hätte, sie war ihm aber nicht gewährt worden, weil das Holz für die Bewohner eine wichtige Reserve in Notzeiten darstellte. ... auf welches begeren hat die rigl sich berathschlagt und beschlossen, dieweil die rigl sonsten wälder und holz gar bloß und armb, soll solliches weder ime Petern Zenn noch anderen bewilligt werden, sondern sollen zur nottdurft erpauung der häuser zu bedachung der kirchn und anderer der gemain nottdurft behalten werden ...51

Zen ließ bei den Schlägerungen, die ihm die Tiroler Kammer im Latemarwald genehmigt hatte, bereits ohne Erlaubnis 106 Museln schlagen, daraufhin legte die Kammer den Holzschlag unter Verbot.52 Zudem ignorierte er die Grenze und ließ Bäume im Gebiet von Vigo fällen. Diese Vorgangsweise löste mehrere Konflikte aus: Streitigkeiten zwischen dem Riegel Vigo, der Kammer in Innsbruck, dem Gerichtsverwalter von Karneid und den Bewohnern von Welschnofen. Und trotzdem kam Zen in dieser Angelegenheit relativ gut davon.

50 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6D, S. 412–415. 51 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27A, S. 8r. 52 TLAI, OÖKKB, GM, 1593, fol. 1983r–v.

Holzwirtschaft mit Kompromissen

Begonnen hatte das Ganze mit einer Beschwerde, die von den Bewohnern von Vigo beim Brixner Hof eingereicht wurde. Daraufhin wurden die Holzarbeiten Zens eingestellt und ihm eine Strafe von 35 Gulden auferlegt. Der Konflikt spitzte sich aber weiter zu, denn Zen fuhr mit den Holzarbeiten fort, worauf sich die Bewohner von Vigo erneut wehrten. Die Behörden sowie Vertreter von Vigo und Welschnofen sollten sich für einen Lokalaugenschein zum Ort begeben. Dass alle Fuhrwege vom Gebiet Fratta Scura nach Vigo führten und noch Reste von Schlägerungen, die sie 40 bis 50 Jahre zuvor vorgenommen hatten, zu sehen waren, war für die Vertreter von Vigo ein eindeutiger Beleg, dass dieses Gebiet zu ihrem Riegel gehörte. Der Hass auf die Welschnofner war groß und sie beschuldigten sie, mit dem Holzhändler Zen unter einer Decke zu stecken. Um die Folgen eines Verkaufs an Großhändler zu veranschaulichen, zogen sie eine Episode aus dem Alten Testaments heran,53 in der das Recht auf der Seite der aufrichtigen, wertschätzenden und nicht der von Habgier getriebenen Person stand. ... dass gedachte Wellschenofner thian ebnermasen wie dasselbig weib, die da ein sohn het und in der nacht iren sohn erstech und wie sy gespirt dass er gestorben hat sy irer gespilt iren sohn genommen und an dem orth des lebendig hat sy das tote gelegt unnd da sy für den richter kommen, dan der sohn war nit, begert sy man sollt den sohn teillen unnd di ander will es nit zugeben gengin sein iudicio und gewissen und verurteilt das der sohn nit derselbig war, die da den sohn zu teilen begert hete also gleichfalls thuen die wallschen offner welche woll wissen dass der wald zu laid und zu grund ging wie wol es in dem ganzen landt umb allerlay holz traurig ist ...54

Die Bewohner von Vigo betonten, dass es zwischen den beiden Siedlungsgebieten bis dato nie Probleme in Sachen Weide- und Waldnutzung gegeben habe, und bei Unstimmigkeiten sei man sich einig geworden, schließlich mussten sie, die Fassaner, fast täglich durch das Gebiet von Welschnofen, um nach Bozen zu gelangen. Im Schreiben wird erläutert, dass Zen eigentlich ihr Nachbar (Mitbewohner) sei und sie ihm erlaubt hätten, im besagten Waldstück Aufräumarbeiten nach einem Windwurf, wie bereits für andere Waldstücke geschehen, zu tätigen.55 Dieses Holz sollte Zen als Bauholz vor Ort verkaufen, was nicht der Fall gewesen sei, das Holz sei in khainem pau gesehen worden, sodass der Verdacht vorlag, er habe es an Auswärtige verkauft, und man könne Zen daher nicht trauen, was sich dann durch den Vorfall im Gebiet Fratta Scura bestätigt habe. Der Nachbarschaft des Fassatales und dem Fürstbischof von Brixen sei Unrecht geschehen, weshalb man Klagen gegen Pietro

53 1 Kön 3,16–28. 54 SAB, HSBx, BAB, 73, Lade 27A, fol. 7r, 13v. 55 SAB, HSBx, BAB, 73, Lade 27A, fol. 11v.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

Zen eingereicht habe und verlange, dass Zen für das Holz, das dem Riegel Vigo gehöre, bürge und zudem bestraft werden müsse. Zen bietet in einem von ihm persönlich verfassten Schreiben vom 15. Dezember 1599 dem Gerichtsverwalter von Vigo, Michael von Coreth, an, das Holz zu schätzen und dann dafür eine Entschädigung zu zahlen.56 Der Riegel Vigo gab sich damit nicht zufrieden und forderte 2.000 Gulden als Bürgschaft für das geschlagene Holz, der erlittene Schaden würde sich seiner Meinung nach sogar auf 4.000 Gulden belaufen.57 Da an dem Holz auch die Innsbrucker Kammer über das Stockrecht und den anfallenden Zoll verdiente, hatte die Tiroler Regierung für Zen Partei ergriffen.58 Sie forderte vom Brixner Hof sogar die Rückerstattung der 35 Gulden, die Zen als Strafe auferlegt worden waren, und die Erteilung einer Abtransporterlaubnis, da der Holzschlag offiziell vom Fleimser Zöllner und Obersten Waldmeister an der Etsch, Maximilian Grebner, genehmigt worden war.59 Grebner hatte am 22. April 1596 die Erlaubnis für die Schlägerung erteilt, allerdings für den Wald Latemar im Gericht Karneid.60 Der Riegel Vigo gab sich mit der Antwort aus Innsbruck nicht zufrieden und beschuldigte Zen des Frevels. Der Pfleger von Salern bestätigte die widerrechtliche Schlägerung Zens. Dieser ignorierte das Urteil allerdings und ließ weiterhin Holzarbeiten durchführen, sodass der Riegel Vigo zusätzliche Strafen verhängte.61 Die Bewohner von Vigo konnten ihre Ansprüche schlussendlich doch belegen, Zen wurde mit 35 Gulden bestraft, das Holz sollte ihm gegen eine Entschädigung überlassen werden.62 Dieser Fall zeigt die Folgen auf, die die voranschreitende Staatsbildung mit sich brachte. Der wachsende Staatsapparat benötigte Einnahmen, sodass es zur verstärkten Einmischung und Lenkung der Wirtschaft durch die Obrigkeit kam, die auch eine Kriminalisierung zur Folge haben konnte.63 Pietro Zen beschaffte sich eine Schlägerungslizenz, missbrauchte sie und wurde von der Obrigkeit, die ihren wirtschaftlichen Nutzen daraus zog, geschützt. Interessanterweise kam der Riegel Vigo zwar zu seinem Recht, Grenzen und Nutzungsrechte wurden genau geklärt, 56 SAB, HSBx, BAB, 73, Lade 27G, fol. 177. 57 SAB, HSBx, BAB 73, Lade 27A, fol. 10v. 58 Für den Hausgebrauch war die Holznutzung gebührenfrei, für alles andere Holz war eine Gebühr von 5 % vorgesehen, die als Stockgeld bezeichnet wurde. In den Fürstbistümern ging das Stockgeld an die Stifte, musste den Landesfürsten aber bei Überschreitung der Grenze in Form eines Zolls entrichtet werden. Oberrauch, Tirols Wald, S. 158. 59 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27G, fol. 189r–190v. 60 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27G, fol. 193. 61 SAB, HSBx, BAB, Lade 73, 27G, fol. 194v. 62 SAB, HSBx, BAB, 73, Lade 27K, S. 246v. (Summarischer Auszug der Strittigkeiten zwischen der Rigl Vig in Eves und den Steineggner und Wellischenovnern anders thails). 63 Vgl. Bonan, Di tutti, S. 447–449.

Holzwirtschaft mit Kompromissen

die Bestrafung Zens fiel allerdings sehr milde aus. Die Gründe dafür lagen in der veränderten Wirtschaftspolitik der Tiroler Landesherren. Sie brauchten Agenten wie Zen, die den Holzhandel, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Einnahmequelle geworden war, organisierten und vorantrieben. Wenige Jahre später war Pietro Zen in einen weiteren Konflikt verwickelt, allerdings als Opfer der neuen Wirtschaftspolitik des Brixner Hofes. Er wurde 1604 gezwungen, den Vertrag rückgängig zu machen, den er mit den Tiersern für den Verkauf des Nigerwaldes abgeschlossen hatte, weil der Brixner Hof mit finanzkräftigen Holzkaufleuten ins Geschäft kommen wollte. Der Verkauf des Nigerwaldes zeigt die Konsequenzen, die der Verkauf von Waldnutzungsrechten an Großunternehmer wie Someda und Maccarini für die Bewohner bedeutete. Die Bevölkerung verkaufte Weingart- und Brennholz an die Stadt Bozen und die Weinanbaugebiete der Umgebung und wehrte sich vehement gegen die Ansprüche und Forderungen, die die Holzbarone stellten, da sie von der Waldnutzung ausgeschlossen werden sollten. Am 9. September 1605 schrieb Someda dem Brixner Hof, dass er über den Widerstand der Dorfbewohner von Tiers informiert sei und die Verhandlungen erst weiterführen werde, wenn es eine Klärung darin gebe. ... weil man derselben waldungen in Tiers zu landsnottdurfft zu prenn weingart und geschirrholz notdürftig ist, und sy allerlay pretensionen darinen zu haben vermainen, um einstellung derselben holschlag gebetten, daher mir auch so lang dieselben stritigkhaiten nit erörtert mich in schließliche traktation zu lassen nit ratsam ...64

Der Fürstbischof wusste um die Bedeutung des Holzverkaufs für die Bevölkerung und hatte dem Käufer Giovanni Battista Someda deshalb zur Auflage gemacht, für Schäden und Nachteile, die für die Bewohner entstehen konnten, aufzukommen und sie zu entschädigen. ... Und da er nachperschafft und dem gericht Tiers durch diesen holzstraich ainicher gefärlicher nachtl oder schaden zuegefüegt würde, denselben schaden wie der namen hat, solle herr Someda nach pillichen dingen abstetten und sich ausser gerichts gegen meniglich wie er khan betragen ...65

Someda sollte sich mit den Bewohnern einigen, die Bedingungen, die er ihnen stellte, dürften nicht zu ihrem Vorteil gewesen sein. Er unterbreitete ihnen einen Vorschlag, der keine Antwort verdiene.

64 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 184. 65 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 165.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

... darinen weren so beschwerliche puncten begriffen, das inen dieselben anzunemen unmüglichen, wie sy auch darauf vermelt. Es seye khainer antwort würdig ...

Die Bevölkerung von Tiers gab sich nicht geschlagen und wandte sich an den Brixner Hof, denn sie ahnte nichts Gutes, nachdem sie vom Verkauf des Nigerwaldes an Someda oder andere welsche Händler erfahren hatte. Sie sah sich in ihrer Existenz gefährdet, weil sie auf das Holz, aus dem sie Schindeln, Bretter und Stecken machte und in Bozen verkaufte, angewiesen war. Die Tierser selbst hatten Zen das Waldstück aus einer Notsituation heraus verkauft. Von ihren Vorfahren hatten sie immer gehört, dass die Niger- und Tschaminwälder Gemainwälder waren und ihnen, den Untertanen, gehörten. Es gab keine anderen Wälder, die sie nutzen konnten, mit Ausnahme von zwei, drei Bauern, die ihre eigenen Wälder hatten. Sie waren überzeugt, dass die Stadt Bozen über einen Verkauf der Wälder an welsche Händler ebenfalls nicht erfreut war, da sie um das Weingartholz fürchtete. Der Bozner Markt war wichtig und es war bereits an die Errichtung eines Weges dem Bach entlang ins Tal bis nach Blumau gedacht worden, um die Einnahmen aus dem Weingartholz weiter zu steigern.66 Die Tierser ließen sich ihre Rechte an den Wäldern, die sie sich über Jahrhunderte gesichert hatten, nicht streitig machen. Für Welschnofen und Tiers lässt sich folglich eine ähnliche Entwicklung feststellen: Für beide Siedlungsgemeinschaften hatte sich im Laufe der Zeit die Holzwirtschaft, speziell der Verkauf von Brennund Weingartholz, zu einer wichtigen Einnahme entwickelt. Als es gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu Interessensüberschneidungen innerhalb und unter den Siedlungsgemeinschaften gekommen war, versuchte man durch die Verschriftlichung der Rechte Klarheit zu schaffen, Siegelbriefe (Reverse) bestätigten die Ansprüche einzelner Höfe bzw. der Siedlungsgemeinschaft auf Waldstücke. Für die Obrigkeit war es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Beginn des Holzverkaufs im großen Stil daher nicht immer ganz einfach, auf dem Forstregal zu bestehen. Die Bevölkerung konnte nicht ganz ausgeschlossen werden, verschriftlichte Rechte konnten nicht umgangen werden. Durch den Erlass der Holzordnungen versuchte die Obrigkeit, die Waldnutzung so weit wie möglich zu kontrollieren und zu reglementieren, mit dem Argument einer drohenden Holznot, die durch die willkürliche Nutzung seitens der Bevölkerung verursacht würde. Das Pigl Brennen und Lörget (Pech) Bohren, sowie das Brennen und Roden wurde völlig untersagt.67 Auffallend genau wurden Transport, Lagerung und Verflößung festgelegt. Kaufmannsholz musste auf die Reif in Kardaun gebracht werden, von wo es erst nach einem Monat zum Verkauf über den

66 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 7D, S. 105–106. 67 TLAI, OÖKKB, GM, 1561, fol. 532r.

Holzwirtschaft mit Kompromissen

Eisack auf kleinen Flößen bis zur Mündung in die Etsch und von dort weiter ins italienische Ausland zum Verkauf gebracht werden durfte.68 Die Notwendigkeit, den unkontrollierten Verkauf zu unterbinden, findet sich in allen Holzordnungen. Die Waldbereitung, die Erhebung des Bestandes, schrieb genau vor, über welche Route das Kaufmannsholz zu den Abnehmern gebracht werden sollte. All diese Beispiele decken sich mit der Aussage Lorenzinis über Konflikte zur Nutzung von Ressourcen in der vorindustriellen Zeit. Es sei wichtig, von einer starren Auslegung abzuweichen und Konflikte um natürliche Ressourcen als Entwicklung zu sehen, als dynamische Prozesse, in denen sich über einen längeren Zeitraum veränderte Nutzungsformen bzw. Nutzungsrechte herauskristallisierten, wobei in keinem Moment das Ideal einer ausgeglichenen Nutzung erreicht werde. An den erwähnten Beispielen zeigt sich, dass die Nutzung von Ressourcen mehr oder weniger ständig Ursache von Konfliktsituationen war und dass trotz Institutionalisierung seitens der Nutzergemeinschaft oder der Obrigkeit Auseinandersetzungen nicht verhindert werden konnten. Ebenso trugen äußere Faktoren (Interesse und Aneignung durch die Holzbarone) zu einem Ansteigen des Konfliktpotenzials bei, führten aber nicht unmittelbar zur völligen Ausbeutung der Ressource, weil es unter den Parteien ein Abhängigkeitsverhältnis gab.69 Auf die Gegebenheiten in der untersuchten Region bezogen, stellen sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen: War die Gefahr der Holznot wirklich gegeben? Gefährdete die lokale Bevölkerung durch das Sammeln des Holzes den Wald? Stellte die Holzmenge aus dem Nigerwald, die dem Unternehmer Maccarini zugesagt worden war, eine Ausbeutung des Nigerwaldes dar? Was die Nutzung der Untertanen anging, beschränkten sie sich hauptsächlich auf das Sammeln und den Verkauf von Brenn- und Weinbauholz. Die großen, reifen Bäume ließen sie zwangsweise stehen, da ein Abtransport nicht zu bewerkstelligen war. Für den Wald an sich stellte diese Form der Nutzung aus ökologischer Sicht eigentlich kein wirkliches Problem dar, da sie sich nur auf eine beschränkte Menge der Ressource bezog und die Homöostase des Waldes nicht gefährdete, weil nur 15 Prozent der organischen Substanz entnommen wurden.70 Die beträchtliche Menge an Merkantilholz, die dem Unternehmer Maccarini zugesagt worden war, dürfte für den Wald ebenfalls keine Beeinträchtigung gewesen sein. Über zehn Jahre dauerten die Handelsbeziehungen mit Maccarini, die eine Schlägerung von maximal 10.000 Museln vorgesehen hätten, die allerdings aufgrund der schwierigen Bedingungen nicht zur Gänze durchgeführt wurde. Durch die Grenzbeschreibung des Nigerwaldes vom 18. Juli 1610 und mithilfe der heutigen 68 TLAI, OÖKKB, GM, 1561, fol. 535–536r. 69 Vgl. Di Tullio/Lorenzini, Sostenibilità, S. 165–167; vgl. Ostrom, Verfassung, S. 117 Fußnote; vgl. Schläppi, Einleitung, S. 23, 30–31. 70 Capelli, Selvicoltura, S. 10–13.

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Abb. 49 Priglplumm (Holzstapel), 1943 von Menschenhand mit Hilfe von Ochsenfuhrwerken errichtet.

Wirtschaftspläne können eine Berechnung und ein Vergleich zur Nutzung dieses Waldstückes gemacht werden. Um 1610 wurde die Holzmenge des Nigerwaldes auf 20.000 Museln bzw. 6.740 Vorratsfestmeter geschätzt. Die vom Vertrag vorgesehene Verkaufsmenge von 1.000 Museln jährlich entsprach 337 Vorratsfestmeter und sollte einer Fläche von 75 Hektar entnommen werden.71 Laut der Beschreibung in den Quellen war der Nigerwald um 1610 ein alter, überreifer Wald, weshalb man von einer hohen Bestockung ausgehen kann. Der aktuelle Wirtschaftsplan sieht für diesen Wald einen Hiebsatz von jährlich 445 Vorratsfestmeter vor. Die Abmachung des Fürstbischofs mit Maccarini hätte den Wald also mengenmäßig nicht ausgebeutet, noch weniger schädigend war sicher die Menge, die die Bewohner in unregelmäßigen Abständen in Krisenzeiten verkaufen wollten. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Holzordnungen und die veränderte Forstpolitik vor allem aus ökonomischem Interesse eingeführt wurden. Trotz des allgemein verbreiteten Widerstands und der Resistenz der Bevölkerung sowie der

71 Mithilfe der Forstbeamten Thomas Pittner und Andrea Dori von von der Forststation Welschnofen durchgeführte Berechnung. Menge und Grenzangaben aus dem Jahr 1610 finden sich in SAB, HSBx, BAB, Lade 73, D7, S. 183–88; Gratl, Grenzgerichte, S. 52.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

Beschwerden der Landstände hielten die Landesfürsten strikt an der Umsetzung der Waldordnung fest. Zu groß waren die Interessen an den Einnahmen, die ihnen die Holzwirtschaft sicherte.72 Die Obrigkeit versuchte die Bevölkerung daran zu hindern, die Wälder für sich zu beanspruchen, stieß aber auf große Hartnäckigkeit bei den Bewohnern, die sich ihr Recht auf eigene Weise nahmen und sich nicht geschlagen gaben.73 Es lässt sich also eine Entwicklung feststellen, bei der die Bewohner ihre traditionelle Nutzung fortsetzten, aber auch Nutzungsformen der Obrigkeit übernahmen, indem sie sich vermehrt am Verkauf von Merkantilholz beteiligten. Die Obrigkeit ihrerseits setzte Regeln fest, deren Implementierung nur teilweise erfolgte, was stillschweigend geduldet wurde. So verdienten alle an der Ressource Holz und keine der beteiligten Parteien dominierte oder gefährdete effektiv die Existenz der anderen.74

7.3 Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten Die zunehmende Bedeutung des Merkantilholzverkaufs im 16. Jahrhundert brachte für die Region um Rosengarten und Latemar beträchtliche wirtschaftliche Veränderungen, die Auswirkungen auf das soziale Geflecht hatten. Alle drei Siedlungsgemeinschaften teilten ein Wirtschaftssystem, das von Gemeinschaftsnutzung geprägt war. In Welschnofen und Tiers zeigt sich dies am Beispiel der Gemeinschaftswälder und der Ochsenweiden, im Fassatal an den Gemeinschaftsweiden für die Schafhaltung. Für Tiers lässt sich die Bedeutung der Gemain einem Bericht aus dem Jahr 1611 entnehmen, der die Bedenken zur neuen Waldordnung enthält, die die Tierser Untertanen dem Fürstbischof vorbrachten. Darin erklären sie, dass eine Waldordnung zwar für die Regelung von Gemainwälder notwendig sei, nicht aber für die Güter von Privatpersonen oder der Obrigkeit. Im Falle ihrer Wälder sei es allerdings ebenso wenig sinnvoll, da ihre Gemainwälder einem Privatbesitz gleichkämen. Die Gemeinschaft habe über Jahrhunderte den Umgang mit der Nutzung dieser Güter gelernt, denn ein Missbrauch könnte allen Mitgliedern zu Schaden gereichen, besonders den Waisen, Witwen und Armen.75

72 Schennach, Gesetz, S. 437–438. 73 Vgl. Radkau, Holz, S. 93–94; Sablonier, Ländliche Gesellschaft, S. 462–463; Sablonier, Das Dorf, S. 728. 74 Radkau schreibt über die Waldwirtschaft des 18. Jahrhunderts in Amberg Ähnliches. Die traditionelle Waldnutzung durch die Bewohner sei stark angeprangert worden und „der Zustand der Wälder erschien im Lichte der neuen Ziele der Forstwirtschaft kritisch“, darf aber für Radkau nicht mit einer ökologischen Krise verwechselt werden. „Die Natur der vormodernen Zeit dürfe man sich nicht samt und sonders im Zustand ökologischer Harmonie vorstellen.“ Radkau, Holz, S. 159. 75 SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6D, S. 409.

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Daher erachteten die Tierser diese von oben auferlegte Ordnung als unangebracht, vor allem, weil sie in vielen Punkten im Widerspruch mit der traditionellen Wirtschafts- und Sozialstruktur stand. Im Fassatal war es bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts zum Erlass einer Verschriftlichung der Regeln gekommen, die hauptsächlich die Beziehung zur Obrigkeit, dem Fürstbischof von Brixen, regelte. Für Gratl hat dieses Gerichtsstatut von 1451 Ähnlichkeit mit einem Weistum, einer Regelung des Zusammenlebens.76 Für Ghetta hingegen ist es „kein wirkliches Statut, das das Zusammenleben der Siedlungsgemeinschaft regelt, sondern ein Erlass der Brixner Herrschaft“.77 Elemente des Gewohnheitsrechts finden sich für ihn in zwei weiteren Dokumenten, in einem mit dem Titel Vermerkt die alten Herkommen des Talls Eves aus dem Jahr 1450 und in einer Bittschrift, in der die Fassaner um 1480 den Bischof von Brixen um die Bestätigung ihrer alten Rechte bitten, Rechte, die sich auf die Rechtsfindung und die Abgabenleistung beziehen. Die darin enthaltene Forderung, die Rechtsprechung weiterhin 24 Geschworenen anzuvertrauen, die aus den Untertanen ausgewählt würden, zeigt, dass man nach Rechtssätzen urteilen wollte, die sich die Siedlungsgemeinschaft selbst auferlegte, eine Notwendigkeit, die die Wirtschaftsweise in alpinen Regionen mit ihren Einschränkungen unverzichtbar machte.78 Lorenzini zitiert in diesem Zusammenhang Marino Berengo, der in seinen Schriften immer wieder darauf hinweist, dass Gemeingüter sich von jeglicher Besitzform deutlich unterschieden, da an ihrem Ertrag die ganze Gemeinschaft teilhabe und ein effizientes Wirtschaften daher im Interesse aller sei. Gemeinschaftsnutzung bzw. die Notwendigkeit, in Gemeinschaft zu wirtschaften, konnte daher sozialen Ungleichheiten entgegenwirken, während eine schwindende Rolle der Gemeinschaft und ein wachsendes individuelles Interesse bzw. Wirtschaften die sozialen Unterschiede erhöhte. Dazu konnte es kommen, wenn äußere Faktoren Veränderungen herbeiführten und damit neue Bedingungen schufen, die nur einigen zugutekamen.79 Welche Erkenntnisse lassen sich daraus in Bezug auf die Situation der untersuchten Region gewinnen? Wenige Quellen geben Auskunft über die soziale Schichtung in den drei Siedlungsgemeinschaften. Für Welschnofen ermöglicht es eine Analyse der Zinsbücher (1511–1555), Schlüsse zu ziehen: Bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts lassen sich in Welschnofen kaum große soziale Unterschiede feststellen,

76 Gratl, Grenzgerichte, S. 203. Stolz erklärt den Begriff Weistum als Gewohnheitsrecht, als Regeln, die sich eine Gemeinschaft auferlegt habe. Es handelt sich für Schennach dabei nicht „um eine autoritative Setzung von Recht durch eine legitimierte Obrigkeit“. Stolz, Rechtsgeschichte, S. 306–307; Schennach, Gesetz, S. 160. 77 Ghetta, Valle di Fassa, S. 184–185. 78 Ghetta, Valle di Fassa. Im Anhang finden sich beide Texte ediert. S. 400–401 und 405–506. 79 Lorenzini, Montagne, S. 232–233.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

die Familien bewirtschaften mehrere Höfe als Überlebensstrategie in diesem wirtschaftlich/geografisch schwierigen Gebiet. Sie bebauten einen Hof (Stammhof) in tieferer Lage mit Ackerflächen und einen oder mehrere in höheren Lagen mit Weide- und Waldflächen. Die Bedingungen der Bewirtschafter waren ähnlich. Die steigende Nachfrage nach Merkantilholz und der Bedarf an Weingart- und Fässerholz vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dürfte Veränderungen herbeigeführt haben, vor allem weil Holz für die Obrigkeit eine wichtige Einnahmequelle wurde und sie deshalb die Waldnutzungsrechte mehr und mehr für sich beanspruchte, aber auch die Bauern die Möglichkeit, sich durch den Holzverkauf ein Zusatzeinkommen zu schaffen, immer mehr nutzten. Dies führte zu einem Interessenskonflikt, doch die Bauern ließen sich in ihren Rechten nicht einschränken und machten entweder über schriftliche Belege ihre Ansprüche geltend oder nahmen sich einfach, was ihnen ihrer Auffassung nach schon immer gehört hatte. Sie scheuten nicht davor zurück, unerlaubte Schlägerungen durchzuführen oder mehr Holz zu schlagen und zu verkaufen, als ihnen zugeteilt worden war. Strafandrohungen zeigten wenig Wirkung, die Obrigkeit war teilweise machtlos. Dass das Verhalten der Bauern Probleme bereiten konnte, zeigt sich am Beispiel der Aufarbeitung der Windwürfe im Jahr 1596 in den Wäldern Tschein, Tschai und Karerwald. Da sich die Welschnofner weigerten, dieses Holz aufzuarbeiten, beauftragte die Kammer den Händler Pietro Zen mit den Aufräumungsarbeiten. Im Tschaiwald, der vorwiegend mit Lärchen bestockt war, ließ Zen aus Mangel an Arbeitern die Bäume nur von den Wurzeln abhacken, um sie im nächsten Frühling abzutransportieren. Dazu kam es aber nicht, weil die Welschnofner diese Stämme wegbrachten, sie also für sich beanspruchten, wofür sie ernsthaft bestraft werden sollten.80 ... das doch die underthanen in Welscenofen und das ganze viertl sich jungstverfloßner tag aigens gewalt understannden und bemeltem Zen das holz aus dem Tschai Wald ob Tirscher Weeg hinweckh gefuert haben solle, welches wir mit sonder befrembdung verneme ...81

Diese Vorgehensweise lässt auf Selbstbewusstsein und Gemeinschaftssinn schließen. Ähnliches kann man von den 150 Stämmen sagen, die von Bartlme Reuter auf Kar 1584 ohne Genehmigung gehackt und abtransportiert wurden. Dafür war eine beträchtliche Zahl an Arbeitskräften und Zugtieren nötig, andere Bauern unterstützten ihn mit Sicherheit und verdienten damit Geld. Wie weit die Welschnofner sich gegenseitig finanziell unter die Arme griffen, ist nicht klar. In den Placita finden

80 TLAI, OÖKKB, GM, 1596, fol. 1424v–1425r. 81 TLAI, OÖKKB, GM, 1596, fol. 1425r.

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sich Hinweise, dass Bauern für andere zahlten.82 Es könnte sich durchaus um eine Form der Kreditgewährung handeln. Die Holzwirtschaft spielte für die Bewohner ohne Zweifel zusehends eine wichtige Rolle, die Hinweise in Herrschaftsschriftstücken wie Briefen der Siedlungsgemeinschaft belegen die existenzielle Bedeutung des Holzverkaufs, und es kann davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen, die in den Rechnungsbüchern der Grundherrschaft Neustift für die Bewohner von Welschnofen vermerkt sind, über Einnahmen aus der Holzwirtschaft erfolgten. Diese Raitbücher stammen aus der Zeit vor dem Erlass der Waldordnung, als die Bauern ihre Nutzungsrechte ohne Einschränkung genießen konnten. Folgende Tabelle listet die Bauern auf, die im Laufe mehrerer Jahre beträchtliche Summen zahlten. Tab. 14 Bewirtschafter, Stammhöfe und Zugüter, geleistete Zahlungen an die Grundherrschaft laut den Rechnungsbüchern von 1526, 1529, 1532, 1533, 1540 Familien, die von 1512–1555 denselben Hof bewirtschaften

Stammhof

Heinrich Moser Antoni Moser (Schwiegersohn) Heinrich Instlin Anna Instlin (1524 Witwe) Virgil im Puz (Sohn Annas) heiratet die Witwe von Hans im Puz Georg (Sohn von Hans im Puz) Michael Popinger Georg (Jörg) Popinger ab 1530 Hans und Simon Popinger ab 1534

Moserhofhof

Hans Plankh Simon Plankh

Putzerhof

Höfe, die zwischen 1512 und 1555 mit bewirtschaftet wurden Hof im Tal

Schillerhof (um 1531) Solerhof (ab 1534–1543) Zipperlehof (um 1531)

Ober- und Rauthof auf Kar Unterpoppenerhof (1512–1523) Halber Strickmaister (ab 1529–1536 für seine Hausfrau) Zweite Hälfte Costhof ab 1534 Planggenhof Gstalthof (um 1531) Tschandlhof (1542–1545)

Erfolgte Zahlungen laut Raitbüchern in Vierern Heinrich Moser 1.970 Antoni Moser 7.145

Hans im Puz und Erben 5.239

Jörg Popinger 4.550 Simon Popinger 1.200 Michael Popinger 480 Hans Popinger 320

Simon Plankh 12.300

82 SAN, Placita 1527 (Hof zum Strickmaister), 1528 (Halber Hof auf dem Graben), 1529 (Halber Hof auf dem Graben), 1530 (Halber Hof auf dem Graben), 1531 (Ander Teil des Costhofes), 1533 (Hof zum Nay), 1533 (Costhof, Halber Strickmaisterhof, Custrazhof, Rauthof), 1534 (Strickmaister, Halber Hof auf dem Graben), 1535 (Hof im Vorchach), 1536 (Halber Hof auf dem Graben), 1536 (Halber Hof auf dem Graben), 1539 (Custrazhof), 1541 (Hunntneshof).

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

Familien, die von 1512–1555 denselben Hof bewirtschaften

Stammhof

Cristan Pitschöler Heinrich Pitschöler (1523–1533) Urban Pitschöler (1533–1555)

Kreuzwirt

Witwe Stofl ob Kars Teil des 1527 heiratet sie Paptista Kreuzwirhofs aus Eves 1529 heiratet sie Gilg Schneider 1550 heiratet sie Simon Jacom de Larenz Wilhalm Mutter Weidmannhof Hans Gall Valtein Gall (1534–1555) Jacob ze Rizol Ulrich Gall Hans Pentner (Schwiegersohn) Baltasar Pentner Jörg am Keller (1512–1525) Veit am Keller (1525–1550) Baltasar am Keller (ab 1550) Lienhard im Vorchach

Heinzenhof

Thoman Springer Hans Springer

Springerhof

Razölerhof Pentnerhof

Kellnerhof

Zenayhof (1523–1533)

Erfolgte Zahlungen laut Raitbüchern in Vierern Michael Pitschöler 840 Urban Pitschöler 635 Heinrich Pitschöler 4.130

Wilhalm Mutter 7.780 Hans Gall 1.715

Jocherhof (ab 1533)

Kafmannhof (um 1531)83

Innerfohrerhof

Lienhard Götschl Götschlhof (1512–1532) Baltasar Götschl (1532–1550) Thomas Götschl (ab 1550)

83 SAN, QQ72 (1547).

Höfe, die zwischen 1512 und 1555 mit bewirtschaftet wurden Matschusterhof (um 1526–1542) Pitschölhof (um 1531) Spechterhof (um 1531) Ladritscher (1533–1555) Pardellhof um 1531

Teil des Spinelhofes (1512–1529) Matschuster (1512–1535) Teil des Spinelhofes (um 1531)

Jacob ze Rizol 11.737 Hans Pentner 5.788

Veit am Keller 8.280

Lienhard im Vorchach 6.560 Thoman Springer 592 Jörg Springer 690

Lienhard Götschl 2.640 Baltasar Götschl 7.190

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Durch den Eingriff der Obrigkeit in die Holzwirtschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich einiges geändert, und wollten die Bewohner ihre Rechte geltend machen, waren sie umso mehr auf Zusammenhalt angewiesen. Sie wussten um die Bedeutung und Macht von Schrift, was sich in einer weiteren Episode im Zusammenhang mit den Schlägerungen zeigt, die Antonio Maccarini 1630 in den Welschnofner Wälder durchführen ließ. Maccarini hatte mit den Welschnofner Bauern ein Abkommen zum Transport der Museln geschlossen, dazu kam es aber nicht, weil die Bauern es boykottierten. Sie weigerten sich, die Stämme abzutransportieren, da Maccarini sich nicht an die Abmachungen hielt und die Wälder verwüstet hatte, sodass sie ihre Tiere nicht mehr auf die Weide bringen konnten und das Wild versprengt worden war. Maccarini klagte bei der Tiroler Kammer über den Schaden, der ihm dadurch entstanden war, und verlangte, dass die Transporteure (Tschoggenfierer) zur Rechenschaft gezogen würden. In diesem Zusammenhang forderte die Kammer den Zöllner in Fleims auf, ihr die schriftliche Bestätigung der Abmachung von Maccarini zu übermitteln. ... den Anthoni Maccharini zuerhebung der berait vor 3 jarn gefertigten und noch alhie ligenden Location umb die drey Latimar, Tschein und Carer Waldung in Fleimbs und überschickhung des dazue gehörigen revers anzuhalten ...84

Nur so war es möglich, die Vereinbarung mit all den darin enthaltenen Bedingungen zu überprüfen und der Sache nachzugehen. Nicht nur in wirtschaftlichen Belangen lässt sich für diese Siedlungsgemeinschaften ein starker Gemeinschaftssinn erkennen, das Zusammenleben war generell von gegenseitiger Unterstützung geprägt. Indirekte Hinweise dazu liefern 27 Urkunden, mit denen der Verkauf oder die Übergabe eines Hofes verschriftlicht wurden. Die in diesen Reversbriefen enthaltenen Pertinenzformeln sagen wenig über die konkreten Wirtschaftsverhältnisse der Höfe aus, sie liefern aber Informationen über deren Bewirtschafter.85 In Anlehnung an Peter Ernis Rekonstruktion der historischen Kulturlandschaft Basadingens können für Welschnofen Erkenntnisse über die sozialen Gegebenheiten ermittelt werden.86 Das Zehntenregister von 1531 erlaubt es, eine Liste der abgabepflichtigen Güter für dieses Jahr zu erstellen.87 Laut diesem gab es 1531 in Welschnofen 56 Abgabe84 85 86 87

TLAI, OÖKKB, GM, 1630, fol. 1393v. Vgl. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 19; Sonderegger, Landwirtschaft auf dem Papier, S. 253. Vgl. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 27. Der Begriff „Abgabeneinheit“ wurde von Peter Erni übernommen. Die Welschnofner Einheiten waren alle ein ganzer Hof oder ein Teil eines Hofes. Die Reversbriefe zählen zudem Äcker und Wiesen auf, auch die Grenzen werden genau beschrieben. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 168.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

einheiten.88 Aufgrund des verwaltungsorganisatorischen Charakters dieser Quellen erfährt man allerdings nur, wer für die Herrschaft die offizielle Ansprechperson war, meistens der männliche Hofinhaber. Nur in einem Fall war es eine Frau. 1538 verhandelte die Frau von Augustin ze Joch mit der Grundherrschaft. Aus weiteren Eintragungen geht hervor, dass für eine bestimmte Zeit der Vormund Wilhalm Mutter sich um die Kinder des verstorbenen Augustin kümmerte. Bereits 1530 bewirtschaftete Hans Pentner laut Eintrag diesen Hof, für 1532 ist vermerkt, dass zwei Bestandsleute das Gut verkaufen mussten, und 1538 wandte sich wegen der zu leistenden Abgabe die Hausfrau Augustins an die Herrschaft.89 Der Frau wurde folglich innerhalb des Siedlungsverbandes Unterstützung angeboten. Ein weiterer Eintrag scheint in diesem Zusammenhang ebenfalls interessant: 1535 wandte sich Gregorien, genant Paptista, ein walsch aus Eves, der in bestandt getreten ist, für die Witwe des Matschusterhofes an die Grundherrschaft, fünf Jahre später scheint dieser Gregor als Hausmann der Witwe in den Zinsbüchern auf. Der Bestandsmann heiratete die Witwe und verhalf ihr so zur Weiterführung ihres Haushalts, für dessen Existenz die Unterstützung eines Mannes unverzichtbar war.90 Weitere Beispiele bestätigen die Funktion solcher Eheverbindungen: Die Witwe des Kreuzwirthofes heiratete zwischen 1526 und 1549 drei Mal, um die Bewirtschaftung des Hofes zu sichern. Eine Heirat konnte auch der Zusammenlegung von geteilten Höfen dienen wie im Falle des Moserhofes.91 Der Ehe kam vordergründig wirtschaftliche Bedeutung zu, „bäuerliche und gewerbliche Haushalte konnten nur aufgrund der gemeinsamen Verantwortlichkeit von Ehefrau und Ehemann existieren“. Eheverbindungen sowie Familiengemeinschaften waren „Interaktionssysteme, ihre Strukturen unterlagen den wirtschaftlichen Anforderungen“.92 Interessant scheint in diesem Zusammenhang die Verwendung des Ausdrucks verlieben für den Abschluss von Verträgen, wie man am Beispiel einer Vereinbarung des Brixner Hofes mit dem Holzbaron Giovanni Battista Someda zum Verkauf des Nigerwaldes sehen kann:

88 89 90 91 92

PfAW, Placitum 1531 mit Zehntenregister. SAN, Placita 1530, 1532, 1535, 1538 und 1540. SAN, Placita 1535 und 1540. Vgl. Heidegger, Soziale Dramen, S. 100. Pattis, Ökonomie, S. 10. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweisen, S. 87; vgl. Le Roy Ladurie, Bauern, S. 61. Für Paolo Malanima ist jede Familie ein „Unternehmen, das Waren herstellte oder Dienstleistungen anbot“. Malanima, Tipi d’impresa, S. 160–161.

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... das hierauf aus hochernennten Irer Fürstlichen Genaden befelch durch derselben herrn statthalter und rethe zu Brixen, auch gedachten herrn Someda, obberürten waldungen halber auf heut dato die sachen nachvolgendermassen abgeredt und verliebt sein worden …93

Ein weiterer interessanter Aspekt, der für Welschnofen über die Analyse der Placita erfasst werden kann, sind die zu einem Haushalt gehörenden Güter. Die Eintragungen sind allerdings komplex und es ist nicht immer klar, ob eine Abgabeneinheit auch eine selbstständige Betriebs- bzw. Wirtschaftseinheit war.94 Diese Problematik zeigt sich am Beispiel Jörg Popingers. Er war 1533 laut den Neustifter Zinsbüchern der Bewirtschafter der Höfe Oberpoppener und Unterpoppener, 1534 heiratete er die Witwe des Springerhofes, scheint für diesen Hof aber bis 1554 nur als Gewährsmann (Bestannter) auf, für die beiden anderen Höfe wurde ab 1535 in den Zinsbüchern als Leihnehmer Popingers Sohn Michael eingetragen.95 Hier zeigt sich die Schwierigkeit der Interpretation von herrschaftlichem Verwaltungsschriftgut, da nicht hervorgeht, welche Rolle Popinger wirklich einnahm. Es ist nicht klar, ob er ab 1534 mit der Witwe des Hofes im Garten einen Haushalt bzw. eine eigene Betriebseinheit bewirtschaftete und welche vor allem wirtschaftliche Beziehung weiterhin zum Gut des Sohnes bestand, z. B. ob Vater und Sohn die Güter gemeinschaftlich bearbeiteten. Popingers Beziehung zur Witwe des Springerhofes scheint jedenfalls eine soziale und wirtschaftliche Notwendigkeit gewesen zu sein. Zusammenarbeit und Zusammenhalt spielten eine wichtige Rolle, da für die Bewirtschaftung der Höfe viele Arbeitskräfte erforderlich waren.96 Dies führte dazu, dass für einen Hof auch mehrere Bewirtschafter zuständig sein konnten. Für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts sind in Welschnofen Höfe dokumentiert, die bis zu vier Bewirtschafter hatten. Da es sich auch bei dieser Quelle, einem Neustifter Urbar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, um ein Herrschaftsinstrument

93 SAB, BAB, 128, 7D, S. 129 (Original); 6B, S. 163 (Abschrift); Es handelt sich um ein Schriftstück aus dem Jahr 1605, das die Verkaufsbedingungen für den Nigerwald in Tiers enthält. 94 Erni verweist in diesem Zusammenhang auf die Schwierigkeit, im Falle seiner untersuchten Region konkret zu erklären, was man sich unter einer Betriebseinheit vorstellen könne. Im Falle der Welschnofner Güter bereitet es keine Probleme, da alle Abgabeneinheiten als Höfe oder Teile von Höfen definiert werden und die Angaben in den Reversbriefen dies bestätigen. Vgl. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 170–171. 95 SAN, Placita 1533, 1534 und 1535. 96 Vgl. Othenin–Girard, Ländliche Lebensweise, S. 255–256; Rösener, Bauern, S. 185. Auf einem Gut in Carpi bei Verona bewirtschafteten um 1451 18 Familien 50 Äcker, um 1491 waren es bereits 26 Familien. Es kam sogar vor, dass nicht Blutsverwandte unter einem Dach lebten und gemeinsam ein Gut bewirtschafteten, um die Erträge zu steigern. Mometto, L’azienda Barbarigo, 1992, S. 112–115; Erni, Geschriebene Landschaft, S. 168–169.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

handelt, kann sie nur mit Vorbehalt interpretiert werden.97 Für den Grabmairhof findet sich in der Spalte der Leihnehmer der Vermerk habent quattor. Diese Angabe spricht von vier Personen, aber nicht von vier Familien. Der Hof wurde vermutlich von einem wachsenden Familienverband bewirtschaftet, mehrere Familien bearbeiteten die Güter gemeinsam, ein Umstand, der Höfeteilungen zur Folge haben konnte.98 Wie war die Reaktion der Herrschaft auf diese Entwicklung? Für sie war es wichtig, anstehende Teilungen von Gütern unter Kontrolle zu halten, um ihre herrschaftlichen Ansprüche zu wahren. Die Erstellung von Urbarien spiegelt das Bedürfnis wider, durch die Verschriftlichung Ansprüche sicherzustellen.99 Das Beispiel des Grabmairhofes veranschaulicht das: Während das Urbar noch von einem Hof spricht, verzeichnen die Zinsbücher um 1512 bereits zwei Abgabeeinheiten: ein Teil des Hofes Grabmairhofes und der ander Teil Grabmairhofes.100 Es ist möglich, dass sich in der Zwischenzeit zwei Haushalte herauskristallisiert hatten und Neustift es doch als notwendig erachtete, die veränderten Verhältnisse zu verschriftlichen, um einem Verlust von Herrschaftsansprüchen entgegenzuwirken. Zwei Schriftstücke aus den Jahren 1445 und 1448 untermauern diese Annahme. Darin geht es um die Zersplitterung des Hofes Fontanatsch im Fassatal, der im Laufe der Zeit von 13 Personen bewirtschaftet wurde. Neustift drohte mit dem Entzug der Baurechte, wenn dieser Entwicklung nicht Einhalt geboten würde. Schlussendlich wurde der Hof 1448 an drei Bewirtschafter verliehen mit der Auflage, keine weiteren Teilungen ohne Einverständnis der Grundherrschaft durchzuführen.101 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war es in Welschnofen ebenfalls zu Teilungen gekommen. Während das Urbar von 1460 die Höfe als eine Abgabeneinheit mit einem oder auch mehreren Bewirtschaftern auflistet, wurden in den Zinsbüchern ab 1511 die verschiedenen Teile der Höfe als eigene Abgabeneinheit geführt, wenn auch mehrere Leihnehmer mehr als ein Gut bewirtschafteten. So bewirtschafteten zwei Leihnehmer vier Abgabeeinheiten, zwei weitere drei, 14 Leihnehmer scheinen mit jeweils zwei Gütern und weitere 14 mit einem Gut auf. Es wäre allerdings übereilt, von der Anzahl der bewirtschaftetet Abgabeeinheiten auf die soziale Stellung der Bewirtschafter zu schließen.102

97 Erni verwendet die Bezeichnung schlafendes Urbar, da diese Schriftstücke kaum in der Wirtschaftspraxis verwendet wurden, sondern dazu dienten, die Güter samt Abgaben festzuhalten. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 140. 98 Le Roy, Die Bauern, S. 42–43. 99 Othenin Girard, Ländliche Lebensweisen, S. 323. 100 SAN, Placitum 1512. 101 SAN, QQ35 (1545), QQ36 (1548). 102 Vgl. Erni, Geschriebene Landschaft, S. 168–169.

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Eine Analyse der Zinsbücher von 1512 bis 1555 zeigt zudem, dass Bauern mit nur einem Hof ebenfalls ein wichtiges Amt innehatten.103 Nicht die Anzahl der Güter, sondern die Kontinuität in der Bewirtschaftung scheint für die soziale Stellung ausschlaggebend gewesen zu sein. Ein langfristiges Leihverhältnis konnte für den Leihnehmer eine objektive Verbesserung der rechtlichen und sozialen Position in Grundherrschaft und Dorf mit sich bringen.104 Personen, die über eine längere Zeit an ein Gut gebunden waren, kannten die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten besser und waren an einer funktionierenden Bewirtschaftung interessiert.105 Dafür war es zudem wichtig, innerhalb der Siedlungsgemeinschaft seine Interessen vorzubringen und mit der Herrschaft in Kommunikation zu treten. Dass eine langfristige Bewirtschaftung eines Gutes für die soziale Rolle in einem Siedlungsverband von Bedeutung war, erklärt sich zudem durch die Tatsache, dass solche Familien über die geografischen wie klimatischen Verhältnisse vor Ort Bescheid wussten, was für ein funktionierendes Wirtschaften von Vorteil war und dem Bewirtschafter, dem Siedlungsverband und der Herrschaft zugutekam.106 Auf Wilhalm Mutter dürften diese Behauptung zutreffen. Er bewirtschaftete von 1512 bis 1555 drei Viertel des Weidmannhofes und von 1523 bis 1533 den Zenayhof. In den Zinsbüchern 1531 bis 1556 wird er als Gerichtsanwalt bezeichnet. In den Quellen finden sich acht von ihm besiegelte Urkunden. Ohne Zweifel gehörte er der Oberschicht des Dorfes an. Dies zeigt sich auch an seiner Rolle als Vormund für die Waisenkinder vom Putzerhof, für die er 1531 an das Kloster 15 Pfund Berner, im Jahr 1538 weitere 35 Pfund und 1541 noch 32 Pfund zahlte. Es stellt sich die Frage, ob seine soziale Position im Dorf mit einer finanziellen Besserstellung gleichgesetzt werden kann. Dem scheint nicht so. Mutter war wie die meisten anderen Leihnehmer der Grundherrschaft gegenüber verschuldet und seine Verschuldung nahm nach 1526 zu.107 1531 stellte die Grundherrschaft einen Schuldbrief aus und noch im selben Jahr verkaufte Mutter die Baurechte des Zenayhofes an Hans Tschanin, der bereits im Zinsbuch von 1526 als Gewährsmann angeführt wird. Nach 1531 gelang es ihm, seine Schulden bis zum Jahr 1537 abzubauen, dann allerdings kam es wieder zu einer Zunahme.108 Die Verschuldung war folglich kein Hindernis dafür, im Dorf eine wichtige Funktion zu übernehmen. Als es im Jahr 1583 in Welschnofen zur Einberufung der Bewohner kam, um sie an die Einhaltung der Waldordnung zu erinnern und ihnen die Gewährung einer bestimmten Anzahl von Stämmen pro Hof mitzuteilen, war die Rede von

103 104 105 106 107 108

SAN, Placita 1512–1555. Vgl. Zangger, Grundherrschaft, S. 644. Vgl. Sonderegger, Bauernfamilien, S. 45; Sonderegger, Aktive Grundherren, S. 223. Mitterauer, Geschichte der Familie, S. 300; Sonderegger, Bauernfamilien, S. 44. Vgl. Clausen, Strukturwandel, S. 84–86. SAN, Placita 1525–1544.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

32 Höfen, von denen elf einen doppelten Haushalt aufwiesen. Letztere waren mit reifen Heimwäldern ausgestattet und steuerlich höher belastet als andere, weshalb ihnen mehr Stämme zugesprochen wurden.109 Die Zahl der Stämme hing folglich mit der Größe der Familie (zwei Haushalte) zusammen, aber auch mit der höheren Steuerlast. Letztere könnte auf ein höheres Einkommen hinweisen. Es ist schwer zu sagen, ob die höheren Einnahmen mit der Größe der nutzbaren Heimwälder zusammenhingen oder mit der Anzahl der Familienmitglieder. Bestand ein Haushalt aus mehreren Arbeitskräften, waren die Ausschöpfungsmöglichkeiten der Ressource Holz auf jeden Fall größer. Diese Liste mit den Holzzuweisungen stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, einer Zeit, in der sich die veränderte Wirtschaftspolitik der Obrigkeit aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Holz bemerkbar machte. Die Tatsache, dass Holz zu einem immer gefragteren Rohstoff wurde, ließ auch die Bewohner aktiv werden. Zwar war der illegale Holzverkauf verbreitet, es gab aber auch ordnungsgemäße Anfragen vonseiten der Bauern für Schlägerungskonzessionen, die gewährt wurden.110 Der Verkauf von Merkantilholz und die mögliche Kapitalisierung scheint den Bewohnern durchweg bewusst gewesen zu sein. Die lokale Wirtschaft profitierte vom Holzverkauf, was auch Auswirkungen auf die Sozialstruktur hatte. Aus dem grundherrlichen Verwaltungsschriftgut gehen nur die abgabepflichtigen Haushalte hervor, man kann aber davon ausgehen, dass es vor Ort Handwerker und Tagelöhner gab und dass deren Zahl mit der steigenden Nachfrage nach Holz größer wurde. So finden sich unter den genannten 27 Urkunden einige, die Licht auf die sozialen Veränderungen werfen. Eine Verleihungsurkunde des Stiftsarchivs Neustift vom Januar 1548 bestätigt die Verleihung des Matschusterhofes an Meister Michel de Sala, einen Schneider. Sala war Handwerker und bewirtschaftete ein Gut, es kann also nicht strikt zwischen Handwerkern und Bauern unterschieden werden.111 Interessant ist sicherlich sein ladinischer Nachname, der wie mehrere Höfenamen auf eine ursprünglich Ladinisch sprechende Bevölkerung bzw. eine enge Beziehung zum benachbarten ladinischen Fassatal hindeutet. Zudem gab es eine rege Mobilität unter den Bewohnern des Gebietes.112 Die Entstehung eines Kleinhäuslertums sowie die Errichtung eines Amtshauses vor Ort durch die Grundherrschaft und einer Zollstation durch die Landesherr-

109 110 111 112

TLAI, HS. 3907(Anhang). TLAI, OÖKKB, GM, 1586, fol. 1710r; GM 1587, fol. 1618r; GM 1588, fol. 954r–955v. Cerman/Mitterauer, The Sub-peasant Strata, S. 278. Diese Beziehung wird von Ghetta bestätigt und genauer beschrieben. Ghetta, Valle di Fassa, S. 78–82.

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Begehrte Ressource Holz: Konflikte – Kompromisse – ökonomischer Wandel

Tab. 15 Auflistung der Namen mit den bewilligten Stämmen Name Hannes Pfeiffer am Carr Stoffl Geiger Bartlme Reutter Hanns Peitscholler Jörg Ladritscher Michel Soller Cristoff Poppener Cristl Puzer Petter Puzer Wölfl Rifis Stefl Meisterle Oswaldt Moser Jacob Moser Hanns Planckh Cristl Kholler Veith Kaufmann Matheus Pardeller Zimperle Vorcher Andre Getschl Hanns Springer Jacob Strickmaister Hanns Obkircher Jörg Paumann Sebastian Seehauser Gal am Graben Sigmund Rezeller Cristoff Gaal Balthasar Pentner Thomas Gstaltner Jakob Mair Toni Clain Melchior Lainer

Zusatzbeschreibung bzw. Hofbezeichnung Unterweger

Stämme in der Gemein 10

Stämme im Heimwald

Geiger

10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10

10 5 10

Pitschöler Ladritscher Soler Poppener Putzer Ribitzer Sterzer Moser Plangg Kohler Kafmann Pardeller Fohrer Götschl Matschuster Zyprian Vöstl Grabmair Razöler Heinz Pentner Gstalt des Liechtensteiner Paumann

10 10 5

5 5 5 5 10 5 10 10 10 5 5 10 10 5 5 10 5

10

schaft weisen auf die zunehmende wirtschaftliche Tätigkeit hin.113 Diese Veränderungen eröffneten neue Perspektiven, wie sich am Beispiel von zwei Einzelschick-

113 Kohler, Kleriker, S. 138–139; die Einträge für die Höfe enden in den Zinsbüchern mit dem Jahr 1555, der Vermerk, dass die Gerichtsschreiber mit der Einhebung beauftragt wurden, findet sich im Placitum 1566. SAN, Placitum 1566.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

salen zeigt, und zwar dem Wirt Sebastian Seehauser in Welschnofen und dem Fürstbischof von Brixen (1627–1628), Daniel Zen aus Vigo im Fassatal. Der Werdegang Sebastian Seehausers in Welschnofen kann als Beispiel für soziale Mobilität gesehen werden. Dessen Familie scheint ab 1580 in den Quellen für Welschnofen auf, die Familie dürfte sich daher erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Gebiet niedergelassen haben, vermutlich in Zusammenhang mit den ökonomischen Veränderungen.114 Sebastian Seehauser bewirtschaftete im Jahr 1583 den Vöstlhof und einen weiteren Hof (doppelter Haushalt) und gehörte zu jenen Bauern, die mit großer steuer und anderem obligen beladen waren, weshalb ihm jährlich die doppelte Menge an Stämmen laut einer Vereinbarung zugesagt werden sollte, die die Obrigkeit den vier Vertretern der Siedlungsgemeinschaft, unter diesen auch Sebastian Seehauser, vorgebracht und mit der sich die vier auch einverstanden gezeigt hatten.115 Seehauser musste im Dorf zur Oberschicht gehört haben, denn bereits wenige Jahre später wurden ihm zwei weitere Höfe verliehen, 1589 der halbe Kreuzwirtshof, der im Süden an den Vöstlhofhof grenzte, und 1599 der Zyprianhof westlich vom Vöstlhof.116 Es ist durchaus möglich, dass die Familie Seehauser alle drei nebeneinanderliegenden Höfe bewirtschaftete. Die Gaststätte beim Kreuzwirt dürfte aus ökonomischer Sicht von Bedeutung gewesen sein. Die Familie Seehauser scheint zudem in einer guten Beziehung zur Obrigkeit gestanden zu haben, denn im Jahr 1600 wurde Sebastian und Felix Seehauser für erberkhaid redlichait geschickhlicgait guette sitten tugent und vernunfft und ihrem untertenigst gehorsam dem Landesfürsten gegenüber ein Wappenbrief verliehen. Die Obrigkeit benötigte vor Ort Untertanen, auf die sie zählen konnte, da sie gerade im Zusammenhang mit der Holzwirtschaft auf viel Widerstand stieß. Sebastian Seehauser scheint zu jenen zu gehören, die der Obrigkeit gegenüber Gehorsam bewiesen, im Gegensatz zu vielen Bauern, die mit deren Vorschlägen nicht einverstanden waren und sich in Form von Selbstjustiz wehrten. Für das Jahr 1616 gibt es einen weiteren Revers, mit dem Sebastian Seehauser der Gasshof verliehen wurde.117 Für das Jahr 1613 findet sich ein weiterer Eintrag zur Familie Seehauser: Baltasar Seehauser bewarb sich für das Amt des Unterwaldmeisters in Welschnofen.118 Ob es eine verwandtschaftliche Beziehung Balthasars zu Sebastian und Felix gab, bleibt offen. Dieser Schritt bestätigt Baltasars Interesse an der Holzwirtschaft, ob es sich dabei um die Unterstützung der Obrigkeit oder um Eigeninteresse handelte, geht aus den Quellen nicht hervor. Der Vermerk im Kopialbuch des Jahres 1627, dass 114 115 116 117 118

Vgl. Zangger, Grundherrschaft, S. 106. TLAI, HS 3907. SAN, QQ 89 und QQ 99. Stiftsarchiv Neustift QQ 108. TLAI, OÖKKB, GM, 1613, fol. 232r.

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Abb. 50 Wappenbrief der Familie Seehauser.

Baltasar keinem Geringeren als dem Holzbaron Maccarini 100 Lärchenstämme vom Wald des Solerhofes, den er bewirtschaftete, verkauft hat, belegt den wirtschaftlichen Erfolg Baltasar Seehausers.119 Laut Waldbereitung von 1558 konnten von diesem Wald jährlich 2.000 Lärchen- und Fichtenstämme verkauft werden. Die Grenzangaben dürften den heutigen Grenzen des Hofes entsprechen, der laut Wirtschaftsplan über eine Holzbodenfläche von 55 Hektar verfügt und einen Hiebsatz von jährlich 1.368 Vorratsfestmeter aufweist. Baltasar war folglich Bewirtschafter eines Hofes, der ihm gute wirtschaftliche Voraussetzungen bot. Interessanterweise findet sich unter den Untertanen, die sich 1630 bei der Tiroler Kammer über die Holzschlägerungen Maccarinis in den Wäldern von Welschnofen beklagten, wieder Sebastian Seehauser.120 Beide, Baltasar und Sebastian, betrieben eine Gaststätte, eine Tätigkeit, die in Zeiten eines Aufschwungs einen wirtschaftlichen Erfolg ermöglichte. Im Fassatal hat es ein Wirt in Pozza, Gregorio Pilat, ebenfalls zu beträchtlichem Wohlstand gebracht, was ihm, so scheint es, allerdings zum Verhängnis wurde: Er wurde 1628 wegen Hexerei zum Tode verurteilt. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Pilat wurde verdächtigt, über die Zauberei

119 TLAI, OÖKKB, GM, 1627, fol. 1088v–1089r. 120 TLAI, OÖKKB, GM, 1630, fol. 844r–v.

Wirtschaftliche Veränderungen – neue Möglichkeiten

zu beträchtlichem Reichtum gekommen zu sein, nämlich 3.000 Gulden.121 Unter Folter soll Pilat ausgesagt haben, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe. Er und seine Frau hätten vom bösen Geist Puppen (Pope) mit Kleidern aus roter Seide erhalten. Diese Puppen hätten seiner Frau Geld gegeben, ungefähr 1.000 Gulden.122 Woher Pilat das Geld effektiv bekommen hatte, bleibt offen. Es ist aber gut möglich, dass er als Wirt indirekt am Holzhandel mitverdiente und es zu Reichtum gebracht hat.123 Solch plötzlicher Reichtum, aber auch die Abneigung der Bevölkerung gegenüber den Holzbaronen, ließ unter den Bewohnern Neid und Hass aufkommen und könnte der Grund für sein schreckliches Ende gewesen sein: Er wurde zum Tode verurteilt, am 30. Juni 1628 mit dem Schwert hingerichtet und dann verbrannt.124 Mura bringt in diesem Zusammenhang eine weitere Information: Das Urteil sah den Einzug beträchtlicher Güter Pilats vor, eine Bereicherung für die Bischöfliche Kammer von 5.770 Gulden.125 Interessanterweise ordnete Fürstbischof Daniel Zen, der Sohn des Holzhändlers Pietro Zen, die Verurteilung Pilats an. Der Werdegang des 1584 in Vigo im Fassatal geborenen Zen verdeutlicht noch besser die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs für Personen mit den nötigen Beziehungen und den finanziellen Voraussetzungen. Zen wurde 1627 zum Fürstbischof von Brixen gewählt, allein die Bestätigungsbulle für sein Amt hatte 14.000 Gulden gekostet.126 Als Sohn eines Holzhändlers, der intensive Kontakte mit dem Brixner Hof pflegte und in verwandtschaftlicher Beziehung zum Holzbaron Giovanni Someda stand, verfügte Daniel Zen über eine gute Startbasis. Über seinen Studienaufenthalt bei den Jesuiten in Dillingen in Bayern von 1604 bis zum Ende seines Theologiestudiums im Jahr 1609 konnte er sich das nötige Wissen zulegen, als Sohn eines Händlers fehlte es ihm zudem nicht an Gespür für ökonomische Angelegenheiten. Ohne die finanziellen Möglichkeiten, die ihm sein Vater über die Einnahmen aus dem Holzhandel bieten konnte, wäre dieser Aufstieg vermutlich nicht möglich gewesen, allerdings schienen sie, laut Gelmi, nicht ausreichend, weitere finanzielle Hilfen habe er in Dillingen bekommen. 1610

121 Bassetti, Val di Fassa documenti, 19–21; Ammann, Hexenprozesse S. 115; Gratl, Grenzgerichte S. 158–159. 122 Ammann, Hexenprozesse, S. 117. 123 Die Puppen (Pope), von denen er das Geld bekommen hätte, waren, laut den Informationen von Prof. Ulrike Kindl, einer Expertin für ladinisches Kultur- und Sagengut, Alraunen, Talismane aus der Pflanzenwurzel Mandragora, dem Hexenkraut. Diese Alraunen bzw. „Püppchen kämen in fast allen Hexenprozessen vor. Ihnen wurde die Fähigkeit zugeschrieben, Geldstücke zu vermehren, wenn man sie in die Geldkatze (meist ein kleines Lederbeutelchen, das man unter den Kleidern am Gürtel trug) legte, bzw. sollten sie dafür sorgen, dass immer Geld in der Katze war, so oft man auch eine Münze hervorzog“. 124 Bassetti, Val di Fassa, S. 18; Gratl, Grenzgerichte, S. 160. 125 Mura, L’archivio, S. 178. 126 Ghetta, Daniele Zen, S. 121; Gelmi, Brixner Bischöfe, S. 155–156; Bernard, Daniel Zen, S. 61–65.

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wurde Zen nach seiner Priesterweihe das St.-Barbara-Beneficium überlassen, das mit dem Amt des Dompredigers verbunden war. Im Jahr 1615 erhielt er ein Kanonikat in Brixen und die Dekanatspfarre Krems an der Donau sowie ein Kanonikat in Breslau und Passau. Zudem war er enger Vertrauter wichtiger Persönlichkeiten wie Fürstbischof Karl von Österreich, Erzherzog Leopold von Österreich und Kaiser Ferdinand II. Im Jahr 1626 folgte ein Romaufenthalt, 1626 wurde er zum päpstlichen Kämmerer ernannt und 1627 zum Dompropst von Brixen gewählt. Nach acht Wahlgängen erfolgte schließlich am 29. April 1627 die Wahl zum Fürstbischof von Brixen. Sein Amt übte er allerdings nur für kurze Zeit aus, er verstarb am 24. September 1628. Die Ämter, die Zen im Laufe der Zeit innehatte, ermöglichten ihm beträchtliche Einnahmen, die er zum Teil für wohltätige Zwecke ausgab. Laut Ghetta überließ er dem Brixner Hof 11.798 Gulden Rheinisch, Gelmi schreibt, dass er „auf seinem Totenbett 10.000 Gulden für die Gründung eines Jesuitenkollegs in Brixen bestimmte“.127 Diese wenigen Fallbeispiele zeigen, dass die wachsende Bedeutung der Holzwirtschaft im Gebiet der westlichen Dolomiten nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Veränderungen mit sich brachte.

127 Gelmi, Brixner Bischöfe, S. 155; Ghetta, Daniele Zen S. 114–122.

Fazit

Die untersuchte Region, das Gebiet in den westlichen Dolomiten mit den Siedlungsgemeinschaften Welschnofen, Tiers und Fassa, pflegte bereits im 15. Jahrhundert intensive Handelsbeziehungen mit dem Bozner Talkessel, der mit Brenn- und Weingartholz sowie Produkten aus der Viehwirtschaft beliefert wurde. Die Bewohner waren aufgrund eines chronischen Getreidemangels auf die Kommerzialisierung ihrer Wirtschaft angewiesen, nur so war ein Überleben auf einer Meereshöhe von 1.100 bis 1.400 Metern überhaupt möglich. Die Höhenlage, das steile Gelände und die klimatischen Bedingungen erforderten von den Bewohnern Anpassungsfähigkeit, Gemeinschaftssinn und Strategien der Konfliktbewältigung. Die Beziehungen unter den Bewohnern, aber auch zwischen Untertanen und Herrschaft waren nicht immer harmonisch, vor allem wenn es um Weide- und Waldnutzungsrechte ging. Das machte im Laufe der Zeit eine Verschriftlichung von Rechten, Ansprüchen und Grenzen immer wichtiger. Nicht nur die Obrigkeit nutzte die Macht von Schrift, auch die Untertanen wussten um die Bedeutung von Schriftstücken, die ihre Rechte belegten. Die im 16. Jahrhundert voranschreitende Territorialisierung und Zentralisierung in der Grafschaft Tirol und den integrierten Fürstbistümern Trient und Brixen beschleunigten diesen Prozess: Die Herrschaft ließ Kopialbücher und Registraturen anlegen, die wertvolle Quellen darstellen, da sie die Beziehung zwischen Untertanen, Amtsleuten und Obrigkeit abbilden. Die Grundherrschaft ließ zunehmend Zins- und Rechnungsbücher erstellen, die nun nicht nur mehr Herrschafts-, sondern auch Wirtschaftsinstrumente waren. Das sind wertvolle Quellen, die Einblicke in die Ökonomie am Berg gewähren. Am Beispiel der Neustifter Urbare, Zinsbücher und Rechnungsbücher sowie der Urbare des Brixner Hofes für Tiers und Fassa zeigt sich die Veränderung, die das Verhältnis der Grundherrschaft zu den Leihnehmern im Laufe des 16. Jahrhunderts erfuhr. Es wurde immer mehr zu einer wirtschaftlichen Beziehung: Diese Dokumente verzeichnen Abgaben, Zahlungen und Schulden, sie informieren über die wirtschaftliche Lage der Hofbewirtschafter und werfen Licht auf die Kommunikationsformen zwischen Herrschaft und Leihnehmern, sie zeugen von einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Zwischen Grundherrschaft und Leihnehmern gab es eine intensive wirtschaftliche Beziehung, die von Verpflichtungen, von Momenten des Aushandelns und von Zugeständnissen geprägt war. Dieses Schriftgut bestätigt zudem die Bedeutung der Produkte aus der Viehwirtschaft sowie den regelmäßigen Zukauf von Getreide, liefert aber keine Hinweise über einen weiteren Wirtschaftszweig, der im Laufe des 16. Jahrhunderts für das Gebiet immer wichtiger wurde: die Holzwirtschaft. Darüber informieren hinge-

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Fazit

gen Aufzeichnungen der Tiroler Kammer und des Brixner Hofes. Das Gebiet von Welschnofen und Tiers fand im 15. und angehenden 16. Jahrhundert ein wichtiges Zusatzeinkommen im Verkauf von Brenn- und Weingartholz. Das Weinanbaugebiet im Überetsch (Kaltern, Altenburg) wurde mit Holz zur Errichtung von Rebstecken und für die Fässerherstellung beliefert, der Bozner Talkessel mit Weinbau- und Brennholz versorgt. Da es sich dabei um existenzsichernde Einnahmen handelte, hatte die Obrigkeit den Untertanen die Nutzung der Wälder ohne Einschränkung gewährt. Für das Fassatal war hingegen die Schafzucht eine wichtige Einnahmequelle, die Bewohner verkauften ihre Produkte ebenfalls in Bozen und Umgebung, wo sie auch Weiderechte hatten. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts zeichnet sich zusätzlich die Entwicklung eines überregionalen Marktes ab: Neben der Belieferung des Bozner Talkessels mit Brenn- und Weingartholz steigt die Nachfrage nach Merkantilholz im norditalienischen Raum. Die Lagunenstadt Venedig benötigte enorme Mengen der Ressource Holz für den Schiffsbau und die Errichtung bzw. Sanierung von Gebäuden, aber auch für den Export. Dadurch entstand eine enge Verbindung zwischen lokaler Ökonomie am Berg und globalem Handel. Die Nachfrage war so groß, dass finanzkräftige Holzkaufleute nicht nur im Herrschaftsgebiet der Seerepublik ihre Geschäfte abwickelten, sondern weiter in den Norden vordrangen, um lukrative Geschäfte abzuschließen. Für die untersuchte Region lassen sich über die Quellen für das 15. und angehende 16. Jahrhundert sporadische Schlägerungen nachweisen. Die Bewohner verkauften kleinere Mengen Bauholz an lokale Holzhändler, die den Transport und Verkauf der Ware organisierten. Für die Untertanen bot sich die Möglichkeit eines Zusatzverdienstes, der hauptsächlich zur Überbrückung von Notsituationen oder für die Sanierung von Gebäuden genutzt wurde. Dies änderte sich allerdings um die Mitte des 16. Jahrhunderts, als der Verkauf von Merkantilholz für die Obrigkeit, die Tiroler Landesherren und die Fürstbischöfe von Trient und Brixen zu einem immer lukrativeren Geschäft wurde, da sie über die Veräußerung von Schlägerungskonzessionen und über den Einzug von Zöllen bei Grenzüberschreitungen mit beträchtlichen Einnahmen rechnen konnten. Ein zunehmender Warenaustausch führte zudem zur Errichtung mehrerer Zollstationen, an denen Beamte den Export genauestens kontrollieren und die Zölle einnehmen sollten. Diese Entwicklung wurde durch das Interesse mächtiger Holzkaufleute vorangetrieben, da sie über die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen verfügten, um noch viel größere Mengen an Holz von den Schlägerungsgebieten ins Tal zu den Absatzmärkten zu bringen. Dies bewog die Obrigkeit dazu, die Nutzung der Wälder über Waldordnungen genauestens zu reglementieren. Zudem wurden Waldbereitungen durchgeführt, Besichtigungen der Wälder zur Erhebung des Bestandes. Sie erhoben Mengen, Art und Qualität des Holzes. Für das Siedlungsgebiet von Welschnofen wurde 1558 ein solcher Lokalaugenschein

Fazit

durchgeführt und eine Auflistung der Wälder, deren Bestockung, Nutzungsrechte und Hinweise zu einem möglichen Abtransport im Falle eines Verkaufs erstellt. Zudem sollte die Nutzung durch die Bewohner über die Waldordnungen auf das Nötigste eingeschränkt werden. Eine Holznutzung war nur für den Eigengebrauch erlaubt, jeglicher Verkauf musste genehmigt werden, um angeblich einem Raubbau durch die Bevölkerung und der Gefahr einer Holznot vorzubeugen. In Wirklichkeit stand aber die Absicht der Obrigkeit dahinter, den Bewohnern den Zugang zur Ressource Holz nur so weit zu gestatten, wie es unbedingt notwendig war. Denn Verträge mit den Holzhändlern waren nur möglich, wenn die Untertanen in ihrer Nutzung eingeschränkt wurden. Konflikte ließen sich unter diesen Umständen nicht vermeiden, und wenn die Bewohner schriftliche Belege vorweisen konnten, mussten Kompromisslösungen gefunden werden. Da die Obrigkeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Schlägerung und Abtransport noch selbst organisierte und die Abnahme und die Bezahlung der Stämme an die Holzhändler erst bei der sogenannten Anwässerung des Holzes, das heißt der Vertriftung bzw. der Verflößung, erfolgte, war man auf die lokalen Waldarbeiter und Transporteure angewiesen. Daraus entstand ein Abhängigkeitsverhältnis, das Risiken barg und mit organisatorischen und finanziellen Aufwänden verbunden war. Denn die Beteiligten, die Waldarbeiter und die Transporteure mit ihren Ochsenfuhrwerken, benötigten ausreichend Verpflegung, Nahrungsmittel und Futter für die Tiere, das besorgt werden musste. Waren die Transporteure mit ihrer Bezahlung nicht zufrieden, konnte es sogar zu Streiks kommen, zu einer enormen Gefährdung des Geschäfts mit dem Holz, das zwar lukrativ, aber aufwendig und konfliktträchtig war. Trotz strenger Reglementierung hielten sich die Bewohner nicht an die Waldordnungen, sie nutzten die Wälder, wie sie es immer getan hatten nach dem alt herkommen, und sie fanden Möglichkeiten, Amtspersonen und Behörden zu überlisten. Diese waren selbst involviert, da sie für Kontrollen und Genehmigungen für den Verkauf zuständig waren, was Spielraum für die eigene Bereicherung am Holzgeschäft schuf. Holz war ein wertvoller Rohstoff und die Nachfrage aus dem Süden stieg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stetig weiter an, sodass die finanzkräftigen Holzkaufleute in immer entferntere Gebiete vordrangen, um Venedig mit Holz zu versorgen. Die Schwierigkeiten, die sich mit lokalen Akteuren ergeben konnten, brachten die mächtigen Holzkaufleute dazu, neue Strategien anzuwenden, die sich über die Verträge gegen Ende des 16. Jahrhunderts erkennen lassen: Die Abnehmer bevorzugten einen Holzverkauf am Stock, wobei Mengen und Schlägerungsgebiete genau festgelegt werden mussten. Technische Verbesserungen ermöglichten es ihnen, viel größere Mengen auf dem Wasser zu transportieren, sie übernahmen nun selbst die Organisation von Schlägerung und Transport zu ihren Sägewerken im venezianischen Hinterland.

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Fazit

Die Möglichkeit, über verwandtschaftliche Beziehungen und kooperative Zusammenarbeiten Zugang zu Kapital zu bekommen, war eine Voraussetzung für diese Vertragsform, die gewinnbringend, aber riskant und langwierig war. Diese Verträge legten Menge, Preise und Zahlungsabläufe genau fest; eingehalten wurden diese aber bei Weitem nicht immer. Die Einnahmen aus dem Holzverkauf waren für die Obrigkeit mittlerweile so wichtig, dass den Forderungen der Kaufleute nachgegeben wurde, Preissenkungen und Zollnachlässe wurden gewährt und über Vergehen sah man oft hinweg. Diese veränderten Bedingungen blieben nicht ohne Auswirkungen für die Bewohner vor Ort. Mit dem Verweis auf das Holzregal scheute die Obrigkeit nicht davor zurück, ganze Wälder an die Unternehmer, die in den Verhandlungen den Verzicht auf die Nutzung durch die Bevölkerung zur Bedingung machten, zu verkaufen. Um nicht zu sehr auf die Abhängigkeit lokaler Waldarbeiter und Transporteure angewiesen zu sein, sicherte sie sich mit eigenen Trupps von auswärts ab, was nicht ohne Folgen für die ökonomischen und sozialen Gegebenheiten vor Ort blieb. Die Bewohner wehrten sich gegen diese neue Geschäftsform auf eigene Weise: Sie beriefen sich auf schriftliche Nutzungsrechte und klagten über die Missachtung von Vereinbarungen durch die Holzkaufleute, die die Wälder zerstörten und ihre Existenz bedrohten. Sie ließen sich auch nicht davon abhalten, ohne Erlaubnis Schlägerungen von teilweise beträchtlichen Mengen an Bauholz durchzuführen und zu verkaufen. Es fehlte ihnen nicht an Rückendeckung: Der Bozner Talkessel fürchtete um die Belieferung mit Brenn- und Weingartholz und beklagte sich über den Holzverkauf an die ausländischen Holzkaufleute, der der lokalen Wirtschaft schade. Die Obrigkeit pflegte zwar weiterhin Geschäftsbeziehungen mit den venezianischen Holzhandelsgesellschaften, musste aber auch an die Bevölkerung Zugeständnisse machen und konnte ihre Bedürfnisse nicht ignorieren. Das beste Beispiel dazu liefert der Karerwald, das beste Stück im Land an der Etsch am Fuße des Latemar. Die Obrigkeit verkaufte zwar Teilstücke an die Holzkaufleute, konnte aber die Rechte der Bevölkerung nicht ignorieren. Diese Entwicklung verdeutlicht die Vernetzung zwischen der Ökonomie auf dem Land und den größeren Siedlungen und Zentren im Untersuchungsgebiet, die im 16. Jahrhundert immer weitere Kreise zog, mit wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Bergregionen um Welschnofen, Tiers und Fassa. Konflikte waren unausweichlich, denn auch unter den Bewohnern gab es solche, die es durch den Holzverkauf zu unglaublichem Reichtum und sozialen Aufstieg brachten. Beispiele dafür sind Daniel Zen aus dem Fassatal, Sohn des Holzhändlers Pietro Zen, der 1628 zum Fürstbischof von Brixen gewählt wurde, und die Familie Someda aus dem Fassatal, die in den niederen venezianischen Adel aufstieg. Ökonomie am Berg bedeutete Anpassungsfähigkeit. Was vor Ort für die Grundversorgung nicht ausreichend produziert werden konnte, musste importiert werden.

Fazit

Umgekehrt wurden mittels Spezialisierung auf deren Herstellung und Nutzung Produkte exportiert. Am Fuße der Dolomiten ist dies am Beispiel der Intensivierung der Vieh- und Alpwirtschaft sowie des wichtigsten Nebengewerbes, der Holzwirtschaft, seit dem 15. und 16. Jahrhundert fassbar. Der Export von Holz aus den Bergregionen am Fuße von Latemar und Rosengarten war für die Wirtschaft im Tal und vor allem für die global vernetzte Lagunenstadt Venedig existenziell. Die Ergebnisse dieser regionalen Studie bestätigen, dass der allgemeine Trend hin zu einer Kommerzialisierung der ländlichen Wirtschaft im Spätmittelalter auch entlegene alpine Gebiete erfasste. Die Verbindung nach außen war in den westlichen Dolomiten seit dem Spätmittelalter eine Voraussetzung für eine Existenz am Berg. Lokale Produktion und globaler Handel waren eng miteinander verknüpft.

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Abkürzungen

SAN HMA DAB HA HR SAB HSBx BAB PfAW TLAI OÖKKB GM GvH PA TLMF Dip SLAB Th. Stkat. ASVe PPA Cod. HS fol.

Stiftssarchiv Neustift Hausmeisterarchiv Diözesanarchiv Brixen Hofakten Hofregistraturen Staatsarchiv Bozen Hochstift Brixen Bischöfliches Archiv Brixen Pfarrarchiv Welschnofen Tiroler Landesarchiv Innsbruck Oberösterreichische Kammerkopialbücher Gemeine Missiven Geschäft von Hof Pestarchiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Dipauliana Südtiroler Landesarchiv Bozen Theresianischer Steuerkataster Archivio di Stato Venezia Patroni e Proveditori all´Arsenal Codex Handschrift Folio

Quellen

Pfarrarchiv Welschnofen Placita mit Zehntenregister 1531 und 1532 Staatsarchiv Bozen Hochstift Brixen Bischöfliches Archiv Brixen Lade 73 (Fassa) Lade 128 (Tiers) Lade 69 (Buchenstein) Lade 501 Stiftsarchiv Neustift (Brixen) Lade QQ (für Welschnofen) AA 185 Placita 1511–1550 Raitbücher (Hausmeisterarchiv) Südtiroler Landesarchiv, Bozen Theresianischer Steuerkataster Tiroler Landesarchiv, Innsbruck Oberösterreichische Kammerkopialbücher Gemeine Missiven Geschäft von Hof HS. 3907 Pestarchiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck Dipauliana 854/1 Diözesanarchiv Brixen Hofregistraturen Hofakten Staatsarchiv Venedig Patroni e Proveditori all’Arsenal, filze 539 e 540 (nicht nummeriert)

Literatur

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Literatur

Stolz, Otto, Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg, Bozen 1985 (Nachdruck der Ausgabe von 1949). Toniatti, Harald, La documentazione archivistica del principato vescovile di Bressanone dopo il 1803, in: Per una storia degli archivi di Trento, Bressanone e Innsbruck: Ricerche e fonti (secoli XIV–XIX), hg. von Occhi, Katia, (Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento), Fonti, 12, Bologna 2015. Troßbach, Werner, Kreise und Netzwerke: Johann Heinrich Thünen und die Gestalt der StadtLand-Beziehung im 16. Jahrhundert, in: Journal of Agriculture and Rural Development in the Tropics and Subtropics, Supplement No. 84, Kassel 2006, S. 133–150. Varanini, Gian Maria, Richter tirolese, mercante di legname, patrizio veronese. L’affermazione socio-economica di Nicola Saibante di Egna, in: Storia e regione, Geschichte und Region 4, 1995, S. 191–219. Venedig, der Dogenpalast, hg. von Fondazione dei Musei Civici, Venezia 2014 (4. Auflage). Vieceli, Matteo, L’immagine per i mercanti di legname veneziani tra il XVI e XVII secolo: fluitazione di materiali e di idee, tesi di laurea, Venezia 2011/12 (relatore Prof. Augusto Gentili). Von Hartungen, Christoph H., Das alte Tiers. Die Geschichte des Dorfes, in: Bildungsausschuss Tiers (Hg.), Tiers am Rosengarten, Bozen 1999, S. 71–164. Von Wolkenstein, Marx Sittich, Landesbeschreibung von Südtirol, in: Von Klebelsberg, Raimund (Hg.), Festgabe zum 60. Lebensjahr Hermann Wopfners (Schlern-Schriften 34), Innsbruck 1936. Wallnöfer, Adelina, Die politische Repräsentation des gemeinen Mannes in Tirol. Die Gerichte und ihre Vertreter auf den Landtagen vor 1500, Innsbruck 2017. Warde, Paul, The Invention of Sustainability. Nature and Destiny, c. 1500–1870 Governing the Woods c. 1500–1700. Cambridge 2018. Witschi, Peter, Zürcherische Forstpolitik und Landesverwaltung im Ancien Regime, Zürich 1981. Wolff, Karl Felix, Monographie der Dolomitenstraße und des von ihr durchzogenen Gebietes. Ein Handbuch für Dolomitenfahrer mit touristischen, geschichtlichen und wissenschaftlichen Erläuterungen, Bozen 1908. Wopfner, Hermann, Bergbauernbuch. Von Arbeit und Leben des Tiroler Bergbauern. Aus dem Nachlass, hg. von Grass, Nikolaus u. a., Band 3, Innsbruck 1995–1997. Wopfner, Hermann, Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, Innsbruck 1906. Zangger, Alfred, Alltagsbeziehungen zwischen Klosterherrschaft und Bauern am Beispiel des Prämonstratenserklosters Rüti im 15. Jahrhundert, in: Sablonier, Roger/Meier, Thomas (Hg.) Wirtschaft und Herrschaft Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200–1800), Zürich 1999, S. 295–309. Zangger, Alfred, Grundherrschaft und Bauern. Eine wirtschaftliche und sozialgeschichtliche Untersuchung der Grundherrschaft der Prämonstratenserabtei Rüti (ZH) im Spätmittelalter, Zürich 1991.

229

Hofnamen

Die Liste enthält die aktuellen Hofnamen, die älteren Bezeichnungen und die Seiten mit den Quellenangaben. Im Text wurden die aktuellen Namen verwendet. Heutige Bezeichnung Vöstl Geiger Götschl Kafmann Ladritscher Soler Zenay Weidmann Oberpoppener Unterpoppener Heinz Zyprian Grabmair Pardeller Pacher Ratschigler Messner Moser Putzer Hof im Tal Ribitzer Sterzer Schiller

Razöler Reiter Zipperle Plangg Gstalt

Bezeichnungen in den Quellen Widenhof Karhof Curstrez, Costraza, Huntnes Liderhof Tossal Zum Nay, Zanay Cudes Hof zu Obristnoven Costhof Pede Play Baumann Obkirchen Hof auf dem Graben, Hof abn Graben Pardell heute Seniorenheim

Schmiedhof nicht mehr existent

Die Lage entsprach nicht der des heutigen Schiller. Rizolhof Rauthof auf Kar nicht mehr existent Ober- und Unterdossal

Seiten 33, 36, 48, 56, 74, 205–207 33, 56, 75, 205 33, 40, 53, 56, 73, 199, 205 40, 53, 56, 73, 91, 199, 205 37, 38, 53, 199, 205 37, 39, 52, 56, 74, 198, 205, 207 38, 53, 74, 199, 204 38, 53, 199, 204 39, 52, 202 52, 198, 202 46, 48, 49, 53, 55, 56, 78, 199, 205 46, 48, 49, 51, 56, 74, 205, 207 46–49, 56, 72, 74, 202, 203, 205 53, 56, 73, 205 46, 49 49 81, 187 52, 75, 94, 198, 201, 205 52, 75, 198, 204, 205 53, 198 72, 75, 205 56, 205 52, 75, 198

53, 72, 199, 205 52, 56, 75, 119 52, 198 72, 198, 205 52, 198

232

Hofnamen

Heutige Bezeichnung Tschandl Pitschöl Matschuster Spechter Kreuzwirt Jocher Unterbrenner Spinel Innerfohrer Außerfohrer Kellner Springer Laner Kohler Türken Pentner Unterweger Meisterle Gasshof Samer Zimmermann Kaltrun Schmiedsagerer Hagner

Bezeichnungen in den Quellen Halber Strickmaister ob dem Weg Pitschol, Patschöl Strickmaister unter dem Weg Spachter Unterer Kirchhof Hof zu Joch Hof zum Luzen nicht mehr existent Hof im inneren Vorchach, Innerforcher Außerforcher Hof zum Keller Hof im Garten, Gartenhof Länner, Läner Koler

Hof unterm Weg nicht mehr existent nicht mehr existent Galdrun Hof im Graben Hagenhof

Seiten 54, 74, 198 53, 74, 205 53, 74, 199, 201, 205, 206 53, 199 53, 56, 199, 201, 207 53, 56, 74, 199 53 53, 73, 199 53, 73, 199 56, 73, 92 53, 56, 73, 199 53, 56, 73, 199, 202, 205 56, 73, 91, 92 56, 73, 91, 92, 205 56 53, 56, 72, 180, 199, 205 56, 75, 205 72, 94 207 73, 91, 92 73 74 74 75

Währungen1

Mit der Münzreform von 1482–1486 wurde ein Währungssystem eingeführt, das bis ins 19. Jahrhundert bestimmend war: Die Holzkaufverträge enthalten Preisangaben in Gulden und Dukaten bzw. Kreuzer und Lire. Das Verhältnis Dukaten/Gulden betrug 124:90. 1 Gulden = 90 Soldi bzw. 4 venezianische Lire und 10 Soldi 1 venezianische Lire = 20 Soldi 1 Dukaten = 124 Soldi 1 Gulden = 90 Soldi

Vierer Kreuzer Pfund Berner Gulden Rheinisch Mark Berner

Vierer

Kreuzer

1 5 60 300 600

1/5 1 12 60 120

Pfund Berner 1/60 1/12 1 5 10

Gulden Rheinisch 1/300 1/60 1/5 1 2

1 Moser/Rizzoly/Tursky, Tiroler Münzbuch, S. 71; Occhi, Boschi, S. 106–108, S. 233.

Mark Berner 1/600 1/120 1/10 1/2 1

Tabellen

Tab. 1 Tab. 2 Tab. 3 Tab. 4 Tab. 5 Tab. 6 Tab. 7 Tab. 8 Tab. 9

Tab. 10 Tab. 11 Tab. 12 Tab. 13 Tab. 14

Tab. 15

Ernteerträge Zipperlehof 2017–2020 Geschätzte Ernteerträge der Höfe Zyprian, Grabmair und Heinz Bewirtschafter, Stammhöfe und Zugüter Höfe und Ochsenrechte Verschiedene Maße der Musel Wälder der Dienstbarkeit Welschnofen um 1558 (TLAI, HS.3907) Bauholz und Weingartholz der Teilwälder Höfe mit den Holzmengen aus ihren Heim- oder Zinswäldern Entnommene Mengen mit entsprechender Regenerierungszeit und hypothetische Angabe des Schlägerungsjahres bezogen auf die Erhebung von 1558 Einnahmen aus dem Zoll am Avisio Auflistung der Museln nach verschiedenen Maßen (SAB, HSBx, BAB, Lade 69, 16B, fol. 45v) Preisvorschläge für den Kaufvertrag 1599 in Gulden Extrakt zum Muselverkauf aus dem Nigerwald 1622–1629 (SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 261–262) Bewirtschafter, Stammhöfe und Zugüter, geleistete Zahlungen laut Raitbüchern (SAN, HMA, Raitbücher 1526, 1529, 1532, 1533, 1540) Auflistung der Namen mit den bewilligten Stämmen

47 49 52 56 69 71 72 73 92

126 140 142 170 198

206

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1

Abb. 2 Abb. 3

Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13. Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 Abb. 21

Die Ortschaften Welschnofen, Tiers und Fassa (Google, (o. D.). [Google Earth-Abbildung der Ortschaften Welschnofen, Tiers und Fassa.] Abgerufen am 03.01.2021, https://earth.google.com/web/@46. 42417591,11.59990242,1829.72711834a,21986.9531012d,35y,115. 90886616h,60.06397183t,0r) Gerichte: Karneid (mit Welschnofen), Tiers und Fassa; (TLAI, Sprengelgrenzen der Gerichte Tirols vor 1800) Grenzsteine, die 1551 gesetzt wurden, um die Grenze zwischen den Fürstbistümern Brixen und Trient sichtbar zu machen, in: Infelise/Chiochetti, Su la seídes, S. 67 Urbarbuch 1504 (SAB, HSBx, BAB, Cod. 165, Lade 73.4, C1) Urbarbuch 1524 (SAB, HSBx, BAB, Cod. 167, Lade 73.4, D1) Urbarbuch 1566 (SAB, HSBx, BAB, Cod. 168, Lade 73.4, D3) Urbarbuch für die Jahre 1576, 1577, 1578 (SAB, HSBx, BAB, Cod. 170,7 (Lade 73.4 E) Neustifter Urbar um 1480 (SAN, Cod. 836b) Neustifter Placitum 1512 Hof Ladritsch (SAN, Placitum 1512) Neustifter Placitum 1525 Hof Ladritsch (SAN, Placitum 1525) Eine beim Aufstand im Mai 1525 zerschnittene Urkunde Kloster Neustifts (SAN, QQ 65) Placitum 1531 (Neustift) Höfe Sol und Ladritsch (SAN, Placitum 1531) Placitum 1531 (Welschnofen) Höfe Sol und Ladritsch (PfAW, Placitum 1531) Raitbuch 1532 (SAN, HMA) Placitum 1532 (SAN) Getreidefelder in Tiers um 1930 (Nachlass Paula Damian, Tiers) Holztransport mit Ochsen in Tiers um 1930 (Nachlass Paula Damian, Tiers) Holztrift auf dem Fluss Cismon um 1908 (Sammlung G. Fontanive, Agordo) Holzpergl (Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde, Fotografie Nr. 1292, Atzwanger Hugo) Boroni: Stämme von einem Durchmesser von mindestens 48 cm (Karin Pattis) Arsenal-Fuß (Istituto di Studi Militari Marittimi, Venezia)

16

20 21

30 30 31 32 33 34 34 35 37 38 41 41 46 54 64 68 69 70

238

Abbildungsverzeichnis

Abb. 22

Abb. 23

Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26 Abb. 27 Abb. 28 Abb. 29 Abb. 30 Abb. 31 Abb. 32 Abb. 33 Abb. 34 Abb. 35 Abb. 36 Abb. 37 Abb. 38

Abb. 39

Abb. 40 Abb. 41

Nutzungsrechte der Riegel im Fassatal (P.A.T. (Provincia Autonoma di Trento) - Sistema Informativo Ambiente e Territorio. Die Karte wurde con Celso Rizzi von der Forststation Fassa/Fiemme erstellt) In Tiers und Welschnofen hatten mehrere Höfe Heimwälder (Kartografie Abteilung 32 Forstwirtschaft – Autonome Provinz Bozen. Die Karte wurde von Tamara Herbst von der Forststation Welschnofen erstellt) Durchsägen eines Stammes (Archivio Storico Magnifica Comunità di Fiemme) Forstarbeiter beim Ziehen der Stämme (Prigl strafn) in Welschnofen um 1930 (Fotosammlung Elmar Pattis, Welschnofen) Ein Stamm wird durch die Riese gezogen (Archivio storico Magnifica Comunità di Fiemme) Transport von Stämmen auf einer Holzriese in der Valfredda (Trentino) um 1938. (Sammlung G. Fontanive, Agordo) Holzriese in Welschnofen in Form einer Brücke um 1950 (Fotosammlung Franz Kohler, Welschnofen) Natürliche Holzriese in Welschnofen (Karin Pattis) Holzkanäle aus Stein in der Val Sorda im Fassatal (Karin Pattis) Abtransport von Stämmen über Riesen (Archivio Storico Magnifica Comunità di Fiemme) Longarone (Belluno): Holzriese zum Abtransport für Holz aus dem Wald Caiada um 1901 (Sammlung G. Fontanive, Agordo) Errichtung eines Holzlagers (Priglumm) (Archivio Storico Magnifica Comunità di Fiemme) Holztrift auf dem Cordevole bei Agordo um 1829 (Sammlung G. Fontanive, Agordo) Im Sägewerk werden die Stämme zu Brettern geschnitten (Fotosammlung Helene Wiedenhofer, Welschnofen) Holztrift auf dem Cordevole (Sammlung G. Fontanive, Agordo) Mairhofer beim Betreiben seiner Venezianer Säge (Karin Pattis) Wälder des Fleims und Fassatales um 1595 (TLMF, Andreas Bertellus, Rhetiae Alpestris hodie Tirolis Com(itatus) Historische Sammlung, Inv.Nr. K/5/80, Ausschnitt) Wasserstraßen Tirols um 1608 (Mathias Burgklechner, Die firstliche Graffschaft Tirol, Kupferstich, 1608; TLMF, Historische Sammlung, Inv.Nr.K/5/3) Die Schiffswerft Venedigs um 1797 von Gian Maria Maffioletti (Museo Storico Navale di Venezia-Marina Militare) Querschnitt eines Bordonale nach Antonio Lazzarini, in: Lazzarini, Boschi, legnami, S. 44

76

77

87 88 89 89 90 91 91 92 93 94 98 99 105 106 109

110

114 116

Abbildungsverzeichnis

Abb. 42 Abb. 43 Abb. 44 Abb. 45 Abb. 46 Abb. 47 Abb. 48 Abb. 49 Abb. 50

Transport eines 12 m langen Lärchenstammes durch das Eggental mit einem Pferdegespann in: Eisath, Eggentaler Straße, S. 49 Arsenal Venedig, Überdachung aus Holz (Karin Pattis) Squero acquatico (Karin Pattis) Grenze zwischen Fürstbistum Trient und Grafschaft Tirol (TLAI, Grenzakten, 56.1) Wappen der Familie Someda von Chiaromonte (TLMF, Fischnaller Wappensammlung Nr. 263) Vereinbarung des Brixner Hofes mit Giovanni Someda vom 6. Februar 1605 (Original), SAB, HSBx, BAB, Lade 128, 6B, S. 131 Muselrechnung, SAB, AB, 128, 6B, S. 261 Priglplumm (Holzstapel 1943/44) (Paula Seehauser Dejori, Welschnofen) Wappenbrief der Familie Seehauser (Hausarchiv Familie Seehauser, Zyprianhof, Welschnofen)

118 120 121 125 151 157 169 194 208

239

Glossar

Die Erklärungen sind spezifisch für die verwendeten Quellen der Untersuchungsregion. Amtmann Antennen Arsenalfuß Auspötschn Bestandsmann Boroni (Wuroni, Buroni) Brennen Daufen Faktor (Holzfaktor)

Verwalter, Beamter Segelmasten Maßeinheit Entfernen kleiner überschüssiger, Nadelholzbüsche Gewährsmann Holzstämme mit mehr als 48 Zentimeter Durchmesser Holz zu Kohle brennen Bretter für die Fässerherstellung Agent, Vertrauensperson, die für den Auftraggeber Holzgeschäfte vermittelt und abschließt

Fron Fronbote Gemeinwälder Heim- oder Zinswälder Hoch- und Schwarzwälder Klafter Lehen

jeder zehnte Kübel des gewonnen Erzes Amts- bzw. Gerichtsbote Wälder, die von der Siedlungsgemeinschaft genutzt wurden Wälder, deren Nutzung an einen Hof gebunden war Föhren, Fichten, Lärchen und Tannen Maßeinheit für Brennholz Leihgut, dessen Empfang zu bestimmten Diensten oder Abgaben verpflichtete

Lehensbrief

Urkunde, die eine Beschreibung des Lehens sowie die Verpflichtungen des Leihnehmers schriftlich festhielt

Lörgat bohren Mahdwiese Merkantilholz Musel Pech klauben Pertinenzformel Piglbrennen

der Lärche Harz entnehmen Mähwiese Bauholz, auch Kaufmannsholz Maßangabe für Merkantilholz Harz gewinnen Beschreibung einer Hofzugehörigkeit Verbrennung von Holz, bei der sich durch eine Art Destillationsvorgang Harz an den Rauchabzügen festsetzte, das nach dem Erkalten in festem Zustand gelöst wurde

Placita (auch Zinsbücher)

Bücher, in denen Gutsbezeichnungen, Bewirtschafter, Sollabgaben und Schuldtilgungen verzeichnet wurden

Plan, Plän

Holzstämme

242

Glossar

Plankaun (plankein, planggein, plangaun, planconi)

Holzstämme

Plentweizen Portadura Prigl Priglplumm Rauten Refusi Reifholz Revers Riesen (Loasen) Rügen Schaltern Schmalsaat Schwenden Spedienti Squero Stammhöfe

Heidekorn Steuer, die vermutlich zu Weihnachten entrichtet wurde gehackter Baumstamm Holzstapel roden Holzstämme schlechter Qualität Holz für die Fässerherstellung Siegelbrief (siehe Lehensbrief) rutschbahnartige Rinnen für den Holztransport Ermahner Holzstangen Feldfrüchte (Erbsen, Bohnen, Hanf) Beseitigung von aufwachsendem Buschwerk Kundschafter Schiffswerkstatt Höfe, die über einen langen Zeitraum von derselben Familie bewirtschaftet wurden

Stecken Stelz

Holzstöcke Stange einer Venezianer Säge, die den Gatterrahmen in Bewegung setzt

Stillaun Stockgeld, Stockrecht Tagmahd

dünne Holzlatten Gebühr, die für Merkantilholz eingehoben wurde Wiesenfläche, die an einem Tag von einer Person gemäht werden konnte

Teilwälder Tschoggen Urbar Waldbereitung

Wälder, die von einigen Höfen gemeinsam genutzt wurden Holzstämme Güter- oder Abgabenverzeichnis Waldbesichtigung zu Ross, bei der Menge und Baumarten erhoben wurden

Waldordnung

schriftliche Regelung der Waldnutzung Wasserstuben (Wasserfassung, Wasserklausen)

Wechsel

Abgabe, die nach der Menge des gewonnenen Erzes berechnet wurde. Im Bankwesen ein Kreditmittel

Weistum

Regelung des Zusammenlebens einer Siedlungsgemeinschaft

Wiere Zelgen

Wasserkanal zur Betreibung einer Venezianer Säge Teile, in die die Ackerflächen unterteilt wurden

Glossar

Zinsbücher Zoll, Venezianischer Zue Zugüter

siehe Placita Maßeinheit Aufschlag von 2% auf die zu verkaufende Holzmenge Güter, die mitbewirtschaftet wurden

243

Ortsnamen

Abtei, Abteital 65, 88, 97, 152 Agordo 166 Ägypten 114 Alanya 119 Alba 22, 51 Aldein 27 Alpago (Wald) 115 Altenburg 212 Amalfi 119 Andraz 141, 144 Andrazbach 135 Apulien 114 Asiago 166 Avisio (Fluss) 18, 26, 30, 63, 100, 101, 104, 109, 118, 124-128, 133, 134, 137, 150–154, 172 Barcellona 119 Bassano del Grappa 63, 104 Belluno (Stadt) 18 Belluno (Provinz) 93, 115 Bergamo 117, 128, 166 Biois (Fluss) 96, 97, 112, 124, 155, 161, 168, 174 Biol (Wald) 53, 71, 179 Blumau 98, 99, 155, 161, 192 Bozen (Gericht) 78, 178 Bozen (Stadt) 9–11, 15, 17, 18, 29, 33, 36, 38, 45, 79, 81, 84, 103, 155, 157, 158, 161, 180, 182, 189, 191, 192, 212 Branzoll 117, 119, 124, 185 Breisgau 26 Brenta (Fluss) 11, 63, 121, 154, 163 Brentatal 104 Bribano 97, 166

Brixen (Fürstbistum) 11, 20, 21, 27, 29, 65, 111, 124, 144, 211 Brixen (Stadt) 9, 24, 80, 81, 95, 111, 112, 131, 139, 146, 156, 160, 162, 166–168, 202, 209, 210 Buchenstein (Gericht) 11, 24, 57, 65, 95, 97, 101, 103, 110–112, 127, 130, 135, 136, 138–140, 142, 144, 147, 155, 156, 164, 166, 168, 173, 185 Cadinsbach 134, 152 Cadintal 150, 151 Cadore 65, 115, 145, 222 Caiada (Wald) 93, 115 Caldonazzo 150 Calliano 150 Campestrin 22 Campitello 22, 28, 51 Campo di Busi (Wald) 161 Campolongo Pass 17 Canale d’Agordo 170 Canazei 22, 28 Cansiglio (Wald) 115 Caprile 97, 138, 140, 144 Cavalese 18, 32 Cembratal 18 Cencenighe 97 Cismon (Fluss) 63, 64, 163 Col di Mezzo (Wald) 111, 145 Colle Santa Lucia 110, 144 Colmandro (Wald) 172 Contrintal 51 Cordevole (Fluss) 18, 96, 97, 98, 104, 105, 110, 124, 135, 136, 139, 163, 168, 173, 174 Corvara 26, 27, 141 Costa del Casel 163

246

Ortsnamen

Costa Longa (Wald) 111, 112, 146, 147, 168, 170, 171, 174, 188 Deutschnofen 12, 19, 75, 83, 86, 119, 178, 180, 182, 184, 186 Dillingen 209 Dolomiten 7, 9, 15, 17, 65, 175, 210, 211, 215 Eggental 15, 60, 75, 105, 118 Eggentalerbach (siehe Kardaunbach) Eisack (Fluss) 18, 81, 119, 158, 161, 193 Eisacktal 19, 99 Elsaß 26 Enn (Gericht) 19 Etsch (Fluss) 15, 18, 51, 79, 80, 86, 102, 109, 117–119, 124, 125, 134, 184, 186, 190, 193, 214 Falcade d’Agordo 97, 98 Farnell (Wald) 71, 179 Fedaia Pass 17 Feltre (Diözese) 63, 173 Finestra (Wald) 82 Fleimstal (Fleims) 12, 17, 18, 19, 25–28, 63, 86–90, 98, 100, 109, 110, 118, 123, 124, 126–129, 132–134, 137, 147, 149–154, 171, 172, 180, 182, 184–186, 200 Folgaria 154 Fontanazzo 22, 51 Fonzaso 104, 163, 164 Franzin (Wald) 179, 180 Frata (Wald) 82 Fratta scura (Wald) 82, 83, 111, 130, 131, 175, 188, 189 Friaul 89 Ghirlo 97 Gries (Gericht) 35, 51, 78, 178 Griess (Riegel) 22

Grigno 123 Gröden 26, 28 Gufidaun 22, 24 Gummer 17, 19, 47, 53, 58, 59, 84, 99, 117, 182 Hall

18

Im toten Moos (Wald) 71, 94, 179 Innsbruck 11, 18, 20, 23–25, 28, 57, 79, 84, 152–154, 171, 179, 190 Isonzo (Isonz) 121 Kaldiff (Gericht) 19 Kaltern 212 Kanzenal (Chanzonal) 55, 58, 96 Kanzenalbach 96 Kardaunbach (Eggentalerbach) 71, 75 Karerpass 15, 17–19, 51, 53, 98, 100, 155, 161, 167, 168 Karerwald 15, 17, 57, 72, 79, 80, 83, 84, 86, 94, 103, 131, 132, 145, 171, 179, 182–186, 197, 214 Karersee 17, 186 Karneid (Gericht) 17–20, 23, 24, 53, 58–61, 82, 84, 118, 180, 188, 190 Kastelruth (Wald) 100 Klausen 75, 99, 154 Kölblegg (Wald) 179, 180 Krems 210 Latemar (Berg) 15, 26, 55, 57, 79, 80, 84, 96, 110, 111, 120, 129, 130, 146, 171, 174, 177, 195, 214, 215 Latemarwald 94, 96, 101–103, 122, 128, 129, 131–133, 146, 171, 174, 175, 179, 180, 186, 188, 190 Lavis 26, 104, 109, 123, 124, 126, 128 Lech bei Reute 123 Ledrotal 163 Leifers 72, 83, 95, 103, 123, 182, 183, 185

Ortsnamen

Livinalongo Pass 18 Liviosa (Wald) 172 Malta 113, 114 Maso (Fluss) 154 Mazzin 22 Mel 163, 168 Meran 154 Miss (Fluss) 18 Moena (Mueyena) 18, 25, 71, 74, 97–101, 111, 126, 129, 149, 155, 161, 167, 174 Moggio 89 Mont de Falcade (heute Fucchiade) 51 Mont Duron 51 Monte Albiano (Wald) 90, 100, 104, 134, 137, 151, 153, 161 Murano 154 Nals 118 Neapel 114 Neumarkt 23, 26, 123, 124 Nigerwald 55, 81, 85, 95–100, 102, 112, 113, 131, 132, 135, 146, 147, 154, 155, 158–162, 164, 166, 167, 169–171, 174, 180, 187, 191–194, 201 Nikolaustal (valle San Nicolò) 171, 175 Nonstal (Val di Non) 86 Nördlingen 10 Österreichisch Schwaben Osttirol 152

26

Padua 63, 104, 109 Paluetto (Paluet) 96, 97, 112, 155, 168, 170, 174 Passau 210 Penia 22, 107 Pera 22, 51 Petersberg 27 Piave (Fluss) 11, 18, 96, 97, 110, 121, 124, 163, 168

Pikolein 141 Pinswang 123 Pisa 119 Pitscheid (Wald) 139 Plafetsch 55 Pordoi 51 Pozza 22, 51, 107, 171, 175, 208 Prags 144 Predazzo 126 Primör (Primiero) 63, 123, 149, 150, 151, 153, 158 Purgametsch 55 Pustertal 17, 65, 123, 152, 153 Rollepass 63 Rosengarten (Berg) 15, 26, 46, 54, 55, 57, 58, 79, 96, 110, 120, 130, 171, 174, 177, 195, 215 Rovereto 117, 123, 127, 150, 162 Ruaz 100, 104, 139, 141, 173 Sacco 123, 124, 137, 161 San-Pellegrino-Pass 17, 25, 26, 51, 96–98, 100–102, 112, 124-130, 147, 153, 155, 161, 167, 174, 179 Sankt Jörgen (Wald) 94 Sellapass 18 Sigmundskron 51 Slowenien 65 Someda 149 Soraga 17, 22, 28, 107, 111, 122, 145 Spiss (Wald) 180 Steinegg 19, 53, 58–60, 78, 84, 99, 178, 182 Stornaza (Wald) 172 Tagliamento (Tallemento) (Fluss) 11 Tauferertal 90 Terlan 51 Tesero 129, 132 Tesiner (Wald) 172

247

248

Ortsnamen

Tesino 151 Thurn an der Gader (Gericht) 111, 139, 143, 144, 173, 185 Tierser Bach 155, 159 Tierser Tal 45, 82, 84, 95, 98, 105 Tirol (Grafschaft) 10, 19, 20, 23, 25, 63, 67, 78, 117, 122 –125, 211 Toblach 90, 123, 152 Tognola (Wald) 150 Trient (Fürstbistum) 20, 21, 65, 124, 125, 211 Trient (Stadt) 63, 132, 134 Truden 26, 124, 128 Tschafon (Wald) 58 Tschamin (Wald) 55, 82, 187, 192 Tschai (Wald) 131, 197 Tschein (Wald) 54, 71, 131, 132, 171, 175, 179, 180, 197, 200 Überetsch 177, 212 Ultental 154 Unterland 177

Val di Sole (Sulzberg) 86, 162 Val Sorda 89, 91 Valfloriana 90, 100 Valles Pass 17, 101, 127, 153, 154 Valparola (Wald) 57, 138, 139, 144 Valsugana 17 Varzan (Wald) 71, 94, 179 Venedig 7, 11, 17–19, 23, 25, 26, 62, 63, 65, 70, 85, 96, 104, 109, 110, 113, –115, 117–119, 121–124, 147, 149–151, 154, 161, 163, 173, 174, 179, 185, 212, 213, 215 Verona 63, 109, 202 Vicenza 109 Viderna (Wald) 172 Vigo 7, 22, 51, 83, 107, 111–113, 129–131, 146, 147, 168, 170, 188–190, 207, 209 Vizza d’Auronzo (Wald) 115 Völs 17, 19 Vorarlberg 26 Weitwurf Zumela-Tal

55 51

Namensregister

Alberti fu Salvatore, Bartolomeo 132 Alberti, Elisabeth 132 Andreas von Österreich, Fürstbischof von Brixen 139 Angeli (Familie) 163, 164, 166 Baldessar, Christoph 126 Baldironi di Girolamo, Giovanni Angelo 132 Barby Andrea 139, 142 Berengo, Marino 196 Bernhard von Cles, Fürstbischof von Trient 18 Bertholoto, Domenico 153 Bertholoto, Simon 100, 153 Bondioli, Mauro 117 Bovio, Giovanni 101, 137, 139, 140–143, 154, 156, 159, 173 Brunell, Nicola 155 Bucker, Bernardino 17 Calligar da Vall, Simon 111, 147, 155 Calligar, Lazzaro 146 Cazzano, Giovanni Battista 132 Cazzano, Marco Antonio 80, 101–104, 127–129, 133, 135, 152, 179, 180 Chiocchetti, Fabio 7 Clain, Toni 206 Colz zu Freieck, Jacob von 57, 136, 139, 155, 156, 166 Colz zu Freieck, Johann Baptista von 57, 136 Colz zu Freieck, Martin von 136 Corazzol, Gigi 7 Correth, Michael von 155

Costa, Cristano da 107 Cristina, Valentino de 107 Da Troi , Antonio 141, 142 Daniel, Orsola de 129, 132 Donà dalle Rose, Leonardo 116 Dori, Andrea 194 Dorner, Helene 7 Ebner, Ambros 80 Egon von Eppan, Fürstbischof von Trient 109 Federle, Jörg 36 Ferdinand I., Kaiser 123 Ferdinand II., Kaiser 210 Ferdinand II., Erzherzog von Österreich 121 Ferraris, Jakob (Zollbeamter) 134 Fontana, Valerio di 107 Foschgk, Andrea de 23 Fros, Georgel de 90 Gaal, Cristoff 206 Gall, Hans 53, 199, 40 Gall, Ulrich 53, 199 Gall, Valtein 53, 199 Gaslir, Pilgrim de 52 Geiger, Sigmund 186 Geiger, Simon 186 Geiger, Stoffl 182, 206 Geiger, Thomas 49 Genetti, Cristoforo 154 Georg I. von Stubai, Fürstbischof von Brixen 22 Getschl, Andre 206

250

Namensregister

Gianettini, Domenico 164 Girardi, Antonio 152 Götschl, Baltasar 53, 199 Götschl, Lienhard 53, 199 Götschl, Thomas 53, 199 Graben, Gal am 206 Grueber, Stefan (Zollbeamter) 130 Gstaltner, Thomas 206 Guffidaun, Berchthold von 22 Hack, Georg, Fürstbischof von Trient 26, 124 Hagner, Hans 59, 61, 62, 186 Hartmann, (Selige) Fürstbischof von Brixen 22 Helman di Carlo, Cornelia 150 Herbst, Tamara 7, 237 Instl, Hans 38 Instlin, Anna 52, 198 Instlin, Heinrich 52, 198 Jacom de Larenz, Simon 53, 199 Joch, Augustin ze 201 Kafmann, Franz 46 Kallmünzer, Wolfgang 184 Kar, Stofl ob 53, 199 Karl I. von Österreich, Fürstbischof von Brixen 165 Kaufmann, Lienhard 39 Kaufmann, Veit 40, 206 Keller, Baltasar am 53, 199 Keller, Jörg am 5, 199 Keller, Veit am 40, 41, 53, 199 Kembter, Hans 139 Kholer, Cristan 182 Kirchmair von Ragen, Georg 34, 41, 42, 59 Klaindl, Cristian 40

Kleiber, Melchior (Zollbeamter) 133, 180, 183, 185 Kuen von Belasy, Jakob 24 Kühepach, Ferdinand von 180, 184, 187 Ladritscher, Jörg 206 Ladritscher, Leonhard 38 Lainer, Melchior 206 Leopold I., Kaiser 80 Leopold, Erzherzog 210 Lercher, Margaretha 81 Liechtenstein, Bartlme von 118, 145, 180, 183 Liechtenstein, Georg von 58 Liechtenstein, Heinrich von 22 Liechtenstein, Matheys von 59 Liechtenstein, Wilhelm von 24 Locattin, Waltasar 23 Luz, Jacob 53 Luz, Lienhard 53 Luzin, Anna 52 Maccarini (Familie) 57, 85, 104, 119, 137, 143, 144, 156, 161–164, 172 Maccarini, Antonio 86, 132, 147, 163, 171 Maccarini, Bortolo 138, 163 Maccarini, Daniele 173 Maccarini, Giacomo 138, 163 Maccarini, Giovanni (Zuan) 85, 86, 100–102, 112, 135, 139, 141–143, 146, 147, 163–171 Maccarini, Martino 161, 163 Madruzzo, Christoph von, Fürstbischof von Brixen und Trient 23 Madruzzo, Ludwig von, Fürstbischof von Trient 25 Mahlknecht Martha 47 Mair, Jacob 206 Mairhofer, Josef 7, 105, 106 Marchiori, Nicolò 111, 147 Master, Urban 186

Namensregister

Maximilian I., Kaiser 18 May, Max Medici, Claudia de 164 Meinhard II von Tirol-Görz 67 Meisterle, Stefl 206 Merzendorfer, Hans 186 Mesnerin, Margareta 187 Metz, Heinrich von, Fürstbischof von Trient 109 Miari 147 Moser, Antoni 52, 198 Moser, Heinrich 52, 198 Moser, Jakob 180, 181, 206 Moser, Oswaldt 206 Moser, Stoffl 182 Mueller, C. Reinhold 7 Mutter, Wilhalm 38, 39, 53, 199, 201, 204 Nagele, Augustin, Prälat von Muri-Gries 86 Nägele, Hans 84 Napoleon, Kaiser 11, 70 Neuhof, Chiusole von 136 Nicolet, Giacomo 107 Nicolet, Giovanni 107 Nordio, Lazaro 111, 147 Oberprader, Matheus 107 Obkircher, Hanns 206 Olio, Zuan dal 18 Pair, Vilg 57 Paptista aus Evas, Gregor 53, 199, 201 Pardeller, Mattheus 206 Pariß, Martin 162 Paumann, Jörg 206 Pazeyner, Matheus 182 Peitscholler, Hanns 206 Pellegrino, q. Antonio della Lena 149, 150 Pentner Hans 53, 199, 201 Pentner, Baltasar 53, 180, 181, 199, 206

Petricelli (Familie) 163, 164, 166 Pezzei, Giorgio 107 Pfeiffer, Hans 206 Piazza, Killian 144 Piazza, Giovanni Battista 95, 111, 136, 139, 141, 142, 144, 146, 159, 162, 164, 166, 168, 170 Piazza, Thomas 146, 174 Piccardi, Tranquillo 117–119, 127 Pichler, Matthias 90 Pilat, Gregorio 208, 209 Pilloni, Giorgio 18 Pillos, Fabiano 150 Pitschöler, Cristan 53, 199 Pitschöler, Heinrich 53, 199 Pitschöler, Michael 53, 199 Pitschöler, Urban 53, 199 Pittner Thomas 7, 194 Plankh, Hans 52, 198 Plankh, Simon 52, 198 Politi, Giorgio 7 Popinger, Georg (Jörg) 50, 52, 202 Popinger, Hans 52, 198 Popinger, Michael 52, 198, 202 Popinger, Simon 198 Poppener, Cristoff 206 Poppener, Jakob 182 Prack von Asch, Christoph 147, 185 Prack von Asch, Franz Wilhelm 136 Prack, Georg 184 Pranstetter, Cristan 83 Puz, Georg im 198 Puz, Hans im 52, 198 Puz, Virgil im 52, 198 Puzer, Petter 206 Puzer, Cristl 206 Recordin, Georg 146 Reuter, Bartlme 103, 182, 197 Rezeller, Sigmund 206 Rifis, Wölfl 206

251

252

Namensregister

Rizol, Jacob ze 53, 199 Ropele, Giorgio 127 Ross, Zuan 140 Sala, Michael de 205 Salvador, Andrea de 107 Scamozzi, Vincenzo 115 Schneider, Gilg 50, 53, 199 Scholz, Sebastian 4, 7 Seehauser, Baltasar 207 Seehauser, Felix 207 Seehauser, Sebastian 52, 181, 206–208 Sigmund, Herzog von Tirol 20, 58 Simonet, Giovanni 28 Söll von Aichberg, Hans Jakob 95, 138, 139, 156 Soller, Michel 206 Someda von Chiaromonte (Familie) 119, 149–151, 154, 162, 164, 175, 191, 214 Someda, Giovanni 100, 101, 104, 127, 130, 133–135, 141–143, 149–154, 167, 172, 173, 209 Someda, Giovanni Battista 96, 131, 132, 151, 153, 154, 156–162, 166, 167, 174, 187, 191, 192, 201 Sonderegger, Stefan 7, 9 Soratroy, Leonhardt de 140 Springer, Hanns 53, 199, 206 Springer, Jörg 199 Springer, Thoman 53, 199 Störzer, Valtin 186 Strickmaister, Jacob 206 Strozzi (Familie) 154 Tafinger, Valthin 83 Trapp, Oswald 150 Trapp, Susanna 150

Troy, Antonio de 159 Troy, Cassian de 140 Tschanin, Hans 39, 204 Tschugkhen, Stephan 59 Unterprader, Martin 49 Unterweger, Hans 182, 186 Vialeto, Marco 159 Vieider, Peter 54, 60 Völs Colonna, Caspar von 57 Völs Colonna, Ferdinand von 57 Völs Colonna, Gilg Oswald von 32, 160, 162 Völs Colonna, Michael von 160, 165, 58 Vom Vöstlhof, Silvester 36, 37 Vorchach, Lienhard im 53, 199 Vorcher, Zimperle 206 Walch, Paul 39, 52 Wanker, Thomas 7 Wolkenstein, Marx Sittich von

45, 50, 86

Zeit, Baptista de 30 Zen, Anna 132 Zen, Anna Elisabeth 132 Zen, Daniel, Fürstbischof von Brixen 129, 132, 147, 207, 209, 214 Zen, Gabriele 132 Zen, Pietro (Piero) 131, 132, 135, 139, 140, 142, 143, 151, 155, 156, 161, 162, 171, 188, 189–191, 197, 209, 214 Zenz, Jakob 46, 49 Zigoler, Peter 186 Zorzi, Francesco 103, 163, 164 Zulian, Cristoforo 129